Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren [1 ed.] 9783428509881, 9783428109883

Die Mediation gewinnt als außergerichtliche Konfliktlösungsform mehr und mehr an Bedeutung. Vor allem wegen ihrer zahlre

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German Pages 136 Year 2003

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Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren [1 ed.]
 9783428509881, 9783428109883

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ROMAN KÖPER

Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

Schriften zum Prozessrecht Band 172

Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren Von Roman Köper

Duncker & Humblot . Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D21 Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-10988-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Meinen Eltern Rainer und Christa Köper

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen im Sommersemester 2002 als Dissertation angenommen. Zu Dank bin ich in erster Linie meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Fritjof Haft verpflichtet, der mich durch Anregungen zu dem Thema unterstützt hat. Damit verbunden ist auch ein Dank an Herrn Dr. Jörg Eiseie, der mir nicht nur organisatorische Hilfestellungen gab, sondern auch jederzeit ein motivierendes Wort für mich parat hatte. Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Kerner danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Eltern schulde ich nicht nur Dank für die Durchsicht des Manuskripts, sondern auch für die uneingeschränkte Unterstützung während meines Studiums und der Promotion. Einen Dank möchte ich zudem richten an Herrn Referendar John Christian Dous, Herrn Jörg-Nikolas J.-A. Rödger, Herrn Referendar Mario Nöll und Frau Referendarin Incoronata Cruciano, die mir während der Arbeit zu diesem Thema Mut zur Weiterarbeit gegeben, aber auch ausreichend Ablenkung verschafft haben. Herrn Referendar John Christian Dous danke ich darüber hinaus auch für die Durchsicht des Manuskripts. Tübingen, im Juli 2002

Roman Köper

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung .................... .. ...................................................... l. Problemstellung.......... .. ............................. .. ....... .. .............. 11. Erkenntnisinteresse .............................................................. 1lI. Gang der Darstellung ............................................ . ...............

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren ...................... l. Entwicklung der Mediation und Abgrenzung zu anderen ADR-Methoden ..... 11. Der Begriff der Mediation in dieser Arbeit ...................................... 1lI. Vorteile der Mediation ........................................................... 1. Wertschöpfende Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . a) Nachteile des Anspruchsdenkens ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessenbezogenes Verhandeln ......................................... c) Zukunftsbezogenheit...................................................... d) Kompromisslösungen..................................................... 2. Selbstbestimmung und erlebte Gerechtigkeit ................................. a) Ergebnisgerechtigkeit .................................................... b) Verfahrens gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfahrens gerechtigkeit im gerichtlichen Verfahren ................. bb) Verfahrensgerechtigkeit in der Mediation ........................... c) Ergebnis .................................................................. 3. Erhalt der Parteibeziehungen ................................................. 4. Zeit- und Kostenersparnis .................................................... 5. Niedrige Eintrittsschwelle .................................................... 6. Höhere Befolgungsrate ....................................................... IV. Kritik............................................................................. V. Verfahrensablauf ................................................................. I. Eröffnungs- und Einführungsphase ........................................... 2. Bestandsaufnahme und Themensammlung ................................... 3. Kemphase ... ................. ................. .. ..... ........ .. .. ..... ...... .. a) Interessenfindungsphase.................................................. b) Lösungsfindungsphase.................................................... c) Probleme.............................................................. . . . . aa) Probleme im Rahmen einer "Shuttle Diplomacy" ...... . .... . ....... bb) Das Verhandlungsdilemma als Grundproblem ....................... cc) Lösung ............................................................... 4. Schlussphase ..................................................................

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C. Vom Normensystem zum Verhandlungssystem ................................... l. Abkehr vom "Recht als Unterwerfungsanordnung" ............................. I. Notwendigkeit eines Wandels................................................ a) Steuerungsversagen als Problem.......................................... aa) Allgemeine Betrachtung der möglichen Ursachen...................

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Inhaltsverzeichnis bb) Das theoretische Erklärungsmodell von Teubner .................... 43 cc) Kritik an der Annahme einer Steuerungsunfähigkeit ................ 43 b) Einbeziehung der Normadressaten als Lösung? .......................... 45 aa) Selbststeuerungspotential auf Seiten der Normadressaten ........... 45 bb) Übergang zur indirekten Steuerung.................................. 46 c) Fazit................................................ . ...................... 48 2. Entwicklungstendenzen . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . . ... . . . . . . . . 48 a) Entwicklung des persönlichen Konfliktverhaltens ...... . .. . .... . .... . .... 48 aa) Der strafprozessuale Deal ............................. . .............. 49 bb) Das Aushandeln im Bereich des Zivilrechts.......... . .............. 50 (1) Die zivilrechtliche Privatautonomie ............................. 50 (2) Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Staatsebene .......... 52 (3) Ergebnis ......................................................... 53 b) Entwicklungstendenzen auf Staatsebene ................................. 54 aa) Der "kooperative Staat" .............................................. 54 bb) Beispiele ............................................................. 55 3. Zwischenergebnis............................................................. 57 11. Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs? ................. 57 1. Rechtsbewusstsein ............................................................ 58 a) Veränderungen im Rechtsbewusstsein? .... . .............................. 59 b) Bedenken ................................................................. 61 aa) Vorhandensein indisponiblen Rechts................................. 61 bb) Erwartungshaltung der Bürger....................................... 62 cc) Geschriebenes Recht als Rückhalt in Verhandlungen ................ 64 c) Zwischenergebnis......................................................... 66 2. Objektive Gründe ............................................................. 67 a) Das Verhältnis von "Normensystem" und "Verhandlungssystem" ....... 67 aa) Exklusivitätsverhältnis? .............................................. 67 bb) Notwendigkeit eines subjektiven Normensystems ...... . ............ 68 cc) Zusammenfassung ................................... . ....... . ....... 71 dd) Auswirkungen ....................................... . ....... . ....... 72 b) Sonstige objektive Gesichtspunkte ..... . ....... . .... . .... . .. . .... . ....... 72 aa) Verfassungsrechtliche Bedenken ..................................... 72 (1) Fehlende Legitimation des Willensbildungsprozesses ........... 73 (2) Justizgewährungsanspruch .............. ...................... ... 74 bb) Funktionalitätsgründe ................................................ 75 111. Ergebnis.......................................................................... 75

D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren ..................................... I. Rechtsanwendung in der Mediation ............................................. 1. Entrechtlichung eines Konflikts .............................................. a) "Selbstgesetztes Recht" als Leitlinie ..................................... b) Wirkungslosigkeit des Rechts? ........................................... c) Verhinderung optimaler Verhandlungslösungen .......................... aa) Gefahr der Verengung des Konflikts ................................. bb) Stellungnahme ....................................................... 2. Verrechtlichung eines Konflikts .............................................. a) Macht- und Fairnesskontrolle durch Einbeziehung des Rechts........... aa) Machtkontrolle durch Recht auch in der Mediation? ................

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Inhaltsverzeichnis (1) Mindeststandard durch Schranken der Privatautonomie .........

(2) Weitergehende Machtkontrolle? ................................. (3) Ergebnis ......................................................... bb) Machtkontrolle durch umfassende objektive Ergebniskontrolle ..... (I) Neutralität des Mediators ........................................ (2) Bedeutung der Interessen der Parteien........................... (a) Zulässigkeit einer objektiven Bewertung von Mediationsergebnissen? ................................................... (b) Vorrang der Parteiinteressen ....................... .. ........ (c) Einschränkung zu Gunsten von Drittinteressen? ............. (d) Ergebnis.......... ................ .................... ........ cc) Machtkontrolle durch fairnessfördernde Elemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht als fairnessförderndes Element ........................... (2) Mögliche Problemkreise. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . dd) Stellungnahme ....................................................... ee) Alternativen .......................................................... b) Rechtsfrieden ............................................................. c) Normen als "Schatzkammer" ................................... .. ........ d) Vorteile einer rein gesetzesorientierten Lösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Stellungnahme ............................................................ 3. Gesamtergebnis zur Rechtsanwendung ....................................... H. Rechtsverwendung in der Mediation ............................................ 1. Recht als Gestaltungsmittel für ein Ergebnis ................................. 2. Recht als Zulässigkeitsgrenze ................................................ 3. Recht als Verfahrenssicherung ....... . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . .. . .. III. Zusammenfassung zur Rolle des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . ..

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E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell ................... . ........ 111 I. Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . .. . .. . . . . . . . . .. 111 1. Problemlage bei theoretischer Betrachtung ..................... . . . . . . . . . . . . .. 111 a) Bedeutung des Zeitpunktes der Einbeziehung ............................ 111 aa) Gefahr des Verlustes der Vorteile .................................... 112 bb) Gefahr einer nachträglichen Belastung der Verhandlungen .......... 112 cc) Ermittlung und Sicherung der Ausstiegsalternative .................. 113 b) Ergebnis ................................................... .. ............. 2. Die Situation in der Praxis...................................... .............. 3. Lösung........................................................................ a) Einführung des Rechts durch den Mediator .............................. b) Inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Recht ................. . ........ 4. Ergebnis ...................................................................... H. Rechtsverwendung ................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Zusammenfassende Modelldarstellung ..........................................

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115 115 117 118 119

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F. Schlussbemerkung .................................. .. ... .. .......................... 122 Literaturverzeichnis ........ . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. .. . .. 123 Sachverzeichnis. . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133

A. Einleitung Die Mediation hat in Deutschland in den letzten fünf Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Inzwischen ist sie nicht nur in einer Vielzahl von Lebensbereichen präsent, sondern gerade auch in einem Großteil der Rechtsgebiete. Zu nennen sind hier neben dem allgemeinen Zivilrecht (v. a. dem Familienrecht) nur das Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht, Verwaltungsrecht, Insolvenzrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz. In jedem dieser Gebiete hat damit auch eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Mediation begonnen. Einen solchen gebietsspezifischen Ansatz verfolgt diese Arbeit jedoch nicht. Sie soll sich vielmehr mit den Grundlagen und allgemeinen Fragen der Mediation auseinandersetzen, wobei der Blick vor allem auf deren Verfahren gerichtet sein wird. In den jeweiligen Einsatz(rechts-)gebieten mögen dann aufgrund der dortigen Besonderheiten gegebenenfalls geringfügige Modifikationen an diesen Grundlagen nötig sein.

I. Problemstellung Das Verhandeln, welches die Grundlage außergerichtlicher Konfliktlösungsverfahren ist, genießt als vermeintlich bloßes "Feilschen" allgemein einen schlechten Ruf. I In der Praxis stellt sich im Zusammenhang mit der Mediation nun das Problem, dass der oft synonym zur Mediation verwandte Begriff der "außergerichtlichen Streitbeilegung" den Parteien mit der Vermeidung eines Gerichtsprozesses eine Abkehr vom Recht als bekanntem Entscheidungsmaßstab suggeriert. Viele Bürger stehen deshalb der außergerichtlichen Streitbeilegung eher skeptisch gegenüber 2• Auch die beteiligten Anwälte sehen die Gefahr, dass ihre Kompetenz in juristischen Fragen in dem als diffus empfundenen Mediationsverfahren nicht mehr gebraucht werde. Dies könne sich ihrer Ansicht nach nicht nur zum Schaden der leicht zu manipulierenden Mandanten auszuwirken, sondern auch einen eigenen Honorarverlust befürchten lassen. Aus diesem Grund hängt die Akzeptanz der Mediation in der Praxis auch von der Bedeutung ab, die das Recht in einem solchen Mediationsverfahren hat. 3 Zumeist Siehe Haft, in: Köbler, Festschrift für Söllner, S. 391/392. Ponschab, in: BreidenbachIHenssler, Mediation für Juristen, S. 97. 3 Risse, BB 1999 Beil. 9, 1 ff. I

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A. Einleitung

wird es als formale Größe eines Regelungswerks gesehen und erscheint somit mit dem Gedanken eines ausgehandelten Ergebnisses unvereinbar. Daraus resultiert die Befürchtung, dass bei einem Wechsel vom gerichtlichen Verfahren zu einer verhandlungsorientierten Streitbeilegungsform für den vorliegenden Konfliktfall alle Vorteile des Rechts verloren gehen würden. Denjenigen, die aus diesen Gründen der Mediation eher skeptisch gegenüber stehen, kann durch eine Aufklärung in diesem Bereich vielleicht die Angst vor der außergerichtlichen Streitbeilegung genommen werden.

11. Erkenntnisinteresse Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Mediation und Recht innerhalb des Mediationsverfahrens und versucht zu klären, ob und gegebenenfalls wann und wie das traditionelle Recht, welches sich in Form der gesetzlichen Normen darstellt, in die Mediation mit einbezogen werden soll. Dabei wird es jedoch nicht so sehr um die rein zukunftsgerichtete Rolle des Rechts bei der Ausgestaltung des abschließenden Vergleichsvertrags gehen. Es soll vielmehr die Frage im Vordergrund stehen, inwieweit das geschriebene Recht eine Rolle bei der Bewältigung des Konflikts selber spielt, also im Rahmen seiner - auch vergangenheitsbezogenen - Aufarbeitung. So mag auf der einen Seite der Gedanke an ein von diesen abstrakt-generellen Normen losgelöstes Verfahren seinen Reiz entfalten. Auf der anderen Seite darf jedoch nicht übersehen werden, dass unser tägliches Leben sehr weit von Normen durchdrungen ist, weshalb ein solches, vom Recht gelöstes Verfahren, ernsthaften Bedenken begegnen könnte. Die aus der Beantwortung dieser Frage gewonnenen Erkenntnisse können helfen, in der Praxis das Mediationsverfahren optimal auszugestalten und dem Recht eine eindeutige, möglicherweise begrenzte, Rolle zuzuweisen. Dadurch besteht zum einen die Hoffnung, dass die oben beschriebenen Zweifel in der Praxis überwunden werden. Zum anderen ließe sich auf diese Weise die Mediation zu einem tragfahigen und akzeptablen Konfliktlösungsmodell ausgestalten, indem sie das Zusammenspiel von Recht und Verhandeln zum Wohl der Konfliktparteien optimiert. Da nach der Problemstellung gerade die Anerkennung solcher Verfahren durch die Bürger von Bedeutung ist, beschränkt sich diese Arbeit auf die Untersuchung der Rolle des Rechts in Mediationsverfahren zwischen Privaten. Die Vorteile einer solchen Umgestaltung des Mediationsverfahrens aufzuzeigen, ist auch sinnvoll. Denn die Form und Struktur einer Mediation ist nicht zwingend vorgegeben, sondern kann vielmehr durch die Beteiligten verändert werden. Dabei sind hier vor allem die Mediatoren gefragt, deren Einstellung zu diesem Verfahren und deren Ausbildung einen wesentlichen Einfluss auf die Struktur des bevorstehenden Mediationsverfahrens haben. 4 4

Waldman, 1 Va. I. Social Policy & Law, 89.

111. Gang der Darstellung

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III. Gang der Darstellung Zunächst soll in Teil B auf allgemeine Grundsätze der Mediation eingegangen werden. Hierzu gehört die Darstellung von Zielen und Vorteilen der Mediation im Vergleich mit anderen Konfliktlösungsverfahren, die für das später zu untersuchende Problem nach dem Verhältnis zum Recht relevant werden. Bevor sich dann jedoch die eigentliche Frage nach der Rolle des Rechts im Mediationsverfahren stellt, ist in Teil C zunächst ein Problem anzusprechen, welches diesem Punkt vorgelagert ist. So tritt die außergerichtliche Streitbeilegung womöglich nicht nur neben das gerichtliche Verfahren mit seinem traditionellen Recht, sondern markiert eventuell den Beginn eines Wandels in der Rechtskultur. Durch eine Verbreitung von Verhandlungslösungen könnte sich ein Wandel im Rechtsbewusstsein vollziehen, der derart ausgehandelte Ergebnisse über die von der Rechtsordnung vorgegebenen stellt. Es ist dann zu fragen, ob ein solches System von abstraktgenerellen Normen für die Zukunft überhaupt noch Bestand haben kann. Dies darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass es dabei um das Aufgeben des Rechts an sich geht, hin zu einer rechtlosen Gesellschaft. Vielmehr gilt es zu untersuchen, ob nicht im Rahmen dieser Entwicklung das traditionelle Normensystem einem anderem System, z. B. einer kooperativen Selbststeuerung, weichen muss. In einem solchen Fall würde die Frage nach der Rolle des gesetzlich normierten Rechts in dem Mediationsverfahren an Bedeutung verlieren. In Teil D wird es dann konkret um das Problem gehen, welche Rolle das Recht im Mediationsverfahren spielen soll. Hier wird der Schwerpunkt - wie oben bereits erwähnt - auf der Frage liegen, inwieweit das geschriebene Recht bei der Aufarbeitung des Konflikts Beachtung finden muss. Dies läuft auf die Untersuchung nach den Vor- und Nachteilen einer Entrechtlichung bzw. Verrechtlichung von Konflikten hinaus, was wiederum in engem Zusammenhang mit der Frage nach den Funktionen des Rechts steht. Im Anschluss daran soll der Vollständigkeit halber noch kurz die Verwendung des Rechts im Rahmen der Abschlussvereinbarung dargestellt werden, bei der es also um die zukunftsgerichtete Umsetzung der von den Parteien erarbeiteten Vereinbarung geht. Zum Schluss der Arbeit wird in Teil E die Antwort auf die oben aufgeworfene Frage nach der Rolle des Rechts im Mediationsverfahren in ein praxistaugliches Konfliktlösungsmodell umgesetzt, in welchem alle wichtigen, vorher erörterten Punkte Beachtung finden.

B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren Im Folgenden wird zunächst kurz eine Einführung in den Bereich der Mediation gegeben. Zwar häufen sich mittlerweile auch in Deutschland die Aufsätze zu dieser Konfliktbehandlungsform, doch sind die hier darzustellenden Grundsätze für das spätere Verständnis der anzusprechenden Probleme relevant, weshalb hier auf deren Darstellung nicht verzichtet werden kann. So ist die Kenntnis der Ziele und Vorteile der Mediation im Vergleich mit anderen Konfliktlösungsverfahren für die spätere Frage nach ihrem Verhältnis zum Recht von Bedeutung. Die Abgrenzung der unterschiedlichen Methoden dient der Eingrenzung des hier zu behandelnden Verfahrens.

I. Entwicklung der Mediation und Abgrenzung zu anderen ADR-Methoden Auf eine genaue Darstellung der Geschichte der Mediation soll hier mangels Relevanz für die zu lösenden Probleme verzichtet werden. 5 Es sei nur erwähnt, dass die Idee der professionalisierten Konfliktbewältigung zunächst in den USA auftauchte, wo sehr bald diverse Formen einer solchen außergerichtlichen Streitbeilegung entstanden, die sich unter dem Oberbegriff "Alternative Dispute Resolution (ADR 6)" zusammenfassen lassen. 7 Dieser Begriff besitzt heute auch über die Grenzen des anglo-amerikanischen Rechtsraums hinaus eine feste Bedeutung. Inzwischen sind die Verästelungen in Unterverfahren und Sonderformenjedoch so weit fortgeschritten, dass ihre Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Es lassen sich die zahlreichen Verfahrensarten der alternativen Streitbeilegung jedoch in verschiedene Kategorien einteilen. Am wichtigsten ist dabei die Unterscheidung nach einem möglichen intervenierenden Dritten und dessen Befugnissen. B So kann ein solcher Dritter mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sein, wie z. B. im Schiedsverfahren (arbitration). Der Unterschied zum gerichtlichen Verfah5 Eine geschichtliche Darstellung mit sehr interessanten Ausführungen zum Problem des Zugangs zum Recht findet sich bei Auerbach, Justice Without Law?, New York 1983. 6 Aufgrund der zahlreichen (noch zu nennenden) Vorteile wird aus der Abkürzung "ADR" teilweise auch "Appropriate Dispute Resolution" herausgelesen; so z.B. Moore, in: Folger/Jones, New Directions in Mediation, S. 195. 7 Zur einverständlichen Streitschlichtung in anderen Kulturkreisen siehe Hager, Konflikt und Konsens, S. 3 ff. 8 Siehe hierzu statt vieler Rigby, 44 Louisiana Law Review, 1725 ff.

I. Entwicklung der Mediation und Abgrenzung zu anderen ADR-Methoden

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ren liegt im Wesentlichen darin, dass der Richter gegen einen zivilen Entscheidungsträger ausgetauscht wurde. Die beteiligten Parteien nehmen bei dieser Form der alternativen Streitbeilegung jedoch den Konflikt nicht selber in die Hand. Sie halten sich lediglich von der staatlichen Verfahrensform fern, was bestenfalls zu einem erhöhten Gerechtigkeitsgefühl führen mag, ihnen jedoch kaum ein günstigeres Ergebnis bescheren wird. Auch bei der - der Mediation wohl noch arn nächsten stehenden - Schlichtung wird dieser Mangel nicht überwunden. Zwar hat der Schlichter keinerlei autoritäre Entscheidungsgewalt, deren Ergebnisse für die Parteien bindend sind. Doch flillt dieser einen mit gewissem psychischen Druck verbundenen Schlichterspruch, so dass auch hier die Entscheidung eines Konflikts von den Parteien aus der Hand gegeben und einem Dritten übertragen wird. 9 Gerade dies ist aber ein erheblicher Mangel solcher Konfliktlösungsformen. 10 Das genaue Gegenteil stellt das direkte Verhandeln zwischen den Parteien ohne die Einschaltung eines Dritten dar (negotiation). Die Konfliktbewältigung und das Ergebnis liegen nun einzig und allein in den Händen der Parteien. Und genau darin liegt auch das Problem dieser Streitbehandlungsform. Denn in entstandenen Konflikten ist die Fähigkeit der Parteien, sachlich miteinander zu verhandeln und zu sachgerechten Lösungen zu kommen, zumeist stark eingeschränkt. Zuviel persönliches Misstrauen oder emotionales Abwehrverhalten beeinträchtigen das Miteinander der Parteien. Obwohl gerade in der "Konflikthoheit", also der Unabhängigkeit der Parteien von einer bindenden Entscheidung und einer Reduzierung des Konflikts auf bloße Positionen von dritter Seite, die große Chance für vernünftige Lösungen eines Konflikts liegt, kann dieses Potential nicht genutzt werden. Genau an dieser Stelle versucht die Mediation anzusetzen. Es wird zur Unterstützung der Parteien zwar ein Dritter in die Verhandlungen eingeschaltet, aber dieser nimmt den Parteien gerade nicht deren Hoheit über die Konfliktentscheidung. Er versucht lediglich als neutraler Mittler interessenbezogenes Verhandeln zu ermöglichen und so den Boden für eine Einigung durch die Parteien selber zu bereiten. II Sehr passend ist hier eine von Moore 12 gegebene Definition: ,,[Mediation is] the intervention in a negotiation or a conflict by an acceptable third party who has limited or no authoritative decision-making power but who assists the involved parties in voluntarily reaching a mutually acceptable settlement of issues in dispute".

Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 53. Vgl. Haft, BB 1998 Beil. 10, 16. 11 Zu den Voraussetzungen, die ein Mediator erfüllen muss, siehe Risse, BB 1999 Beil. 9, 7; Duve, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 153 ff. und Panschab, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.100ff. 12 Moore, The Mediation Process, S.15. 9

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B. Mediation als außergerichtliches Konftiktlösungsverfahren

11. Der Begriff der Mediation in dieser Arbeit Zwar haben sich schon diverse Unterformen der Mediation herausgebildet, die diesem Typus von einem interessenbezogenen Streitschlichtungsverfahren nicht mehr entsprechen I3 , doch wird im Folgenden die Mediation in diesem eben dargestellten Sinne als ein auf den bestmöglichen Ausgleich sämtlicher relevanter Interessen gerichteter Prozess verstanden. Allein hierbei werden alle Vorteile deutlich. Auch auf die unterschiedlichen Formen, in denen die Mediation in der Praxis angewandt wird l4 , soll hier nicht eingegangen werden. Diese variieren je nach Verhandlungsverständnis nahezu stufenlos zwischen rein distributivem und rein integrativem Vorgehen. 15 Während bei ersterem allein Sachfragen aufgegriffen werden, umfasst die Mediation im zweiten Fall auch den gesamten Bereich der involvierten Interessen. Es wird zwar nicht die Notwendigkeit der Anwendung verschiedener Mediationsstile in der Praxis in Frage gestellt, doch lassen sich die Probleme, die bei der Frage nach der Rolle des Rechts im Mediationsverfahren auftauchen, am besten an dem oben angesprochenen Grundmodell des interessenbezogenen Verhandeins darstellen. Schließlich geht es bei diesem Problemkreis nicht um bloße Nuancen im Hinblick auf die Einwirkungen des Rechts, sondern um eine ganz grundsätzliche Fragestellung. Deshalb wird in der Arbeit das dargestellte Problem möglichst abstrakt angegangen, um diese grundsätzliche Frage umfassend analysieren zu können. Auch das in Teil E zu erstellende Modell wird sich hieran orientieren, auch wenn es in einer solchen Reinform in der Praxis sicherlich kaum vorkommen wird.

111. Vorteile der Mediation Zu fragen bleibt jedoch, worin genau der Vorteil der Mediation und ähnlicher Verfahren gegenüber dem herkömmlichen streitigen Verfahren vor Gericht liegt. Denn letztendlich sind es die Vorteile derartiger außergerichtlicher Kontliktlösungsverfahren, die zu einem vermehrten Einsatz solcher Streitbeilegungsmethoden führen und somit als Grundlage für einen Wandel in der Kontliktkultur dienen können. Zudem lassen die den Vorteilen solcher Verfahren spiegelbildlich gegenüberstehenden Nachteile des traditionellen Rechts 16 Rückschlüsse darauf zu, inwieweit das Recht in die Mediation mit einbezogen werden kann oder darf, wenn die aufgezeigten Nachteile von der Mediation ferngehalten werden sollen. 13 Eine Abweichung von diesem Grundmodell der "interest-based mediation" stellt z. B. die sog. "Michigan Mediation" dar, die nur die Einschätzung der Rechtslage durch den Mediator vorsieht; dazu Breidenbach, Mediation, S. 17. Siehe auch Sander, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Kontliktbewältigung durch Verhandlungen, S. 142. Zu sog. "hybriden Verfahren" siehe Risse, BB 2001 Beil. 2, 17ff. 14 Vgl. nur Kojima, in: ICL, Toward Comparative Law, S. 691. 15 Dazu Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 216ff. 16 Eine interessante alphabetische Liste dieser Nachteile findet sich bei Cloke, Mediating Dangerously, S. 166/167.

III. Vorteile der Mediation

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Ein oft genannter Vorteil außergerichtlicher Verfahren ist die positive Auswirkung auf die in Deutschland zu beobachtende Prozessflut. 17 Vor allem die Anonymisierung sozialer Beziehungen in unserer Zeit birgt die Gefahr einer verstärkten Inanspruchnahme der Gerichte in sich. 18 Im Folgenden soll es jedoch allein um die Vorteile im Bezug auf den konkreten Konflikt gehen.

1. Wertschöpfende Lösungen a) Nachteile des Anspruchsdenkens Ist ein Konflikt vor Gericht gebracht worden, so wird die Entscheidung allein dem hoheitlichen Richter übertragen. Da Konflikte jedoch naturgemäß ein hohes Maß an Komplexität aufweisen, wäre der Richter mit einer umfassenden Entscheidungsfindung in den meisten Fällen überfordert. Aus diesem Grund sind die Parteien dazu verpflichtet, Anträge an das Gericht zu stellen, in denen der geltend gemachte Anspruch genau bezeichnet ist (vgl. § 253 Abs.2 ZPO). Allein über diesen Anspruch darf der Richter nun entscheiden; er darf nicht darüber hinausgehen. Andere Rechtsfolgen als die, die in der Anspruchsgrundlage genannt sind, darf der Richter nicht aussprechen. Das ihm eingeräumte Ermessen beschränkt sich vielmehr auf die Festsetzung der Höhe eines möglicherweise zuzusprechenden Geldbetrages (so in den Fällen des § 287 ZPO). Hieraus folgt einer der größten Nachteile des Rechts: Die Parteien sind an die ihnen vom Gesetz vorgegebenen möglichen Anspruchsgrundlagen gebunden und müssen sich nun diejenige heraussuchen, welche ihren Interessen möglichst nahe kommt. 19 Dabei kann sogar die Situation entstehen, dass der geltend gemachte Anspruch und das eigentliche Parteiinteresse auseinanderfallen. 20 Aber selbst wenn der Anspruch parallel zu einer der Interessen der Klägerseite läuft, bestehen oft noch darüber hinausgehende Interessen dieser Seite, die aber mangels passender Anspruchsgrundlage nicht durch eine gerichtliche Auseinandersetzung erreicht werden können. So kann z. B. ein Kläger einen Teil seiner Interessen mit Durchsetzung eines Anspruch gegen seinen Vertragspartner auf Geldersatz erreicht haben, ein weiteres Interesse, z. B. in Form einer Verlängerung der vertraglichen Beziehungen, bleibt jedoch unerfüllt. Zwar kann im Gerichtsverfahren ein 17

Dazu Hoffmann-Riem, ZRP 1997, 190ff.; ausführlich auch Breidenbach, Mediation,

S.71ff.

18 Vgl. Hoffmann-Riem, ZRP 1997, 191; Blankenburg , in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, S. 88. 19 Zwar hat der Richter auch ohne Benennung einer bestimmten Anspruchsgrundlage alle in Betracht kommenden Normen anzuwenden (iura novit curia). Dennoch geben allein die Anspruchsnormen der Partei einen Hinweis darauf, weIche Anträge mit Erfolg gestellt werden können. 20 Haft, BB 1998 Beil. 10, 15.

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

Gesamtvergleich geschlossen werden, in den auch über den Streitgegenstand hinausgehende Punkte mit einbezogen werden können. Diese Möglichkeit bietet sich für den Kläger jedoch erst später, denn zu Beginn des gerichtlichen Verfahrens (Einreichung der Klageschrift bei Gericht) muß er sich auf solche Interessen beschränken, die sich unter eine Anspruchsgrundlage subsumieren lassen. b) Interessenbezogenes Verhandeln Es ist demnach festzuhalten, dass das gerichtliche Klagensystem nicht alle Interessen der Beteiligten zu befriedigen vermag. An dieser Stelle tritt der wohl wichtigste Vorteil der Mediation zu Tage. So besteht bei den Verhandlungen innerhalb eines Mediationsverfahrens die Möglichkeit, sämtliche Interessen der Beteiligten in die Konfliktlösung mit einzubeziehen. Denn aufgrund der Privatautonomie kann bis an die Grenzen der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit in der vertraglichen Vereinbarung, welche am Ende eines erfolgreichen Mediationsverfahrens steht, jede beliebige Regelung aufgenommen werden. Somit lassen sich auch Lösungen erarbeiten, die die berührten Interessen in der Weise günstig miteinander kombinieren und in Regelungen umsetzen, dass im Ergebnis für beide Seiten eine vorteilhafte Situation entsteht (sog. Win-win-Lösung).21 Während es also im gerichtlichen Verfahren aus oben genannten Gründen nur um die Verteilung des Vorhandenen geht und der Gewinn der einen Seite spiegelbildlich den Verlust der anderen Seite darstellt (sog. Nullsummenspiel), hat die Mediation eine "Kuchenvergrößerung" zum Ziel, so dass beide Seiten durch die Lösung gewinnen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass jede Partei einen Teil ihrer Positionen, die sie weniger schätzt, aufgibt, um dafür von ihrem Gegenüber etwas zu erhalten, was für sie verhältnismäßig mehr wert ist. ,,[Tjhe open secret of human exchange is to give the other person behaviour that is more valuable to hirn or her than it is costly to you, and to get behaviour in return that is more valuable to you than it is costly to the other".22

Allein durch ein solches interessenbezogenes Vorgehen kann der "Kuchen" vergrößert werden, weil nur so andere Aspekte außerhalb der Positionen Beachtung finden und in einen Wert umgewandelt werden können. Kooperationsgewinn hängt somit gerade von der Fähigkeit jeder Partei ab, eigene Ziele (Interessen) zu realisieren, während sie gleichzeitig andere Bedürfnisse des Verhandlungspartners befriedigt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Interessen der Parteien auch offen gelegt werden. 23 Das klassische Beispiel hierfür ist - wenn auch inzwischen all zu bekannt - der sogenannte "Orangen-Fall", in dem sich zwei Schwestern um eine Frucht streiten. 21 Vgl. Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 86. 22 So Homans, zitiert nach Breidenbach, Mediation, S. 72. 23 Dazu auch MnookinlPeppertlTulumello, Beyond Winning, S. 17 f.

III. Vorteile der Mediation

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Werden die Interessen nicht offengelegt, so kann es nur folgende Lösungen geben: Entweder gehört die Orange einer der beiden Schwestern, dann bekommt diese allein die Frucht. Oder es lässt sich die Eigentumslage nicht klären und es muss eine Teilung stattfinden. Diese wird in aller Regel so aussehen, dass die Orange mittig geteilt wird und somit jede der beiden Schwestern dasselbe bekommt. Nun sollen die Interessenlagen aber wie folgt aussehen: Die eine Schwester wollte eigentlich nur die Schale der Orange haben, da sie damit einen Kuchen backen wollte, während die andere an dem Fruchtfleisch interessiert war, um sich einen Saft auszupressen. Bei Offenlegung der Interessen hätte der Streit also zur vollen Zufriedenheit beider Seiten gelöst werden können, ohne dass ein (Teilungs-)Kompromiss nötig gewesen wäre; eine klassische Win-win-Situation. c) ZukunJtsbezogenheit

An dieser Stelle spielt nun aber ein weiterer Vorteil der Mediation gegenüber einem gerichtlichen Verfahren eine wichtige Rolle, nämlich die Zukunftsbezogenheit. Während das gerichtliche Verfahren allein der Aufarbeitung der Vergangenheit dient und in der Regel nur diese berücksichtigt, können in der Mediation auch zukunftsorientierte Interessen mit einbezogen und verarbeitet werden. Hierdurch werden die Möglichkeiten für das Erreichen einer Win-win-Lösung erheblich vergrößert. Zur Verdeutlichung mag hier der schon eingangs erwähnte Sachverhalt dienen, bei dem das aus der Vergangenheit resultierende Geldinteresse durch einen zugesprochenen Anspruch zwar befriedigt werden konnte, der zukunftsgerichtete Wunsch nach einer Fortführung der vertraglichen Beziehungen jedoch unerfüllt blieb. Hier hätte eine ausgehandelte Lösung z. B. so aussehen können, dass der potentielle Kläger auf einen Teil des streitigen Geldersatzes verzichtet und dafür der andere Teil in den Abschluss eines Vertrages über die zukünftige Geschäftsbeziehung der beiden einwilligt. Eine solche Einigung kann sehr wohl im Interesse des potentiellen Klägers gelegen haben. Durch den Verzicht auf einen Teil des Geldersatzes hätte er sich einen möglicherweise höheren Gewinn aus den zukünftigen Geschäften sichern können. Stichwortartig lässt sich dieser Vorteil mit dem Satz "Wertschöpfung (Win-win) statt bloßer Wertverteilung (Nullsummenspiel)" umschreiben. 24 Unter Umständen ist dieser Vorteil noch nicht einmal auf den jeweiligen Mediationsfall beschränkt. Durch einen Informationsaustausch zwischen den Parteien und Dritten über ihren Fall oder zwischen den Mediatoren verschiedener Fälle untereinander - natürlich unter Wahrung der Vertraulichkeit der personenbezogenen Informationen - besteht die Möglichkeit, sogenannte "general effects" entstehen zu las24 Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 5; Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 86; zu den Erscheinungsformen des Konflikts auch Röhl, Rechtssoziologie, S. 455 ff.

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sen. Kreative, wertschöpfende Ideen können andere Konflikte beeinflussen oder sogar zu verhindern helfen. 25 Lösungsansätze älterer Mediationsverfahren lassen sich aufgreifen, umgestalten und weiterentwickeln, so dass sie auch zur Beilegung des aktuellen Konflikts hilfreich sein können. Diese Lösungen wiederum ließen sich dann als Ausgangspunkt für weitere Streitbeilegungen nehmen. Gerichtliche Verfahren werden hingegen in den meisten Fällen im Rahmen der Gesetze gelöst und bringen somit nur bedingt neue Erkenntnisse hervor, da sich diese Verfahren zumeist nur in dem zugrundeliegenden Sachverhalt unterscheiden.

d) Kompromisslösungen Doch auch dort, wo eine Kuchenvergrößerung in diesem Sinne nicht so einfach möglich ist, bietet die Mediation Vorteile gegenüber einem gerichtlichen Verfahren. So führen kontradiktorische Gerichtsurteile in einer Vielzahl der Fälle zu "Allesoder-Nichts-Lösungen".26 Der Grund hierfür liegt wiederum in der Bindung des Richters an die gestellten Anträge. Besteht der Anspruch des Klägers, so ist dem Antrag stattzugeben; andernfalls ist er abzuweisen. Eine Kompromisslösung ist aufgrund dieser Eigenart des Anspruchssystems in aller Regel nicht möglich. 27 Zur Verdeutlichung soll hier ein Fall aus neuerer Zeit angeführt werden, der dem Landgericht Münster 28 Anfang des Jahres 2000 zur Entscheidung vorlag: Ein Privatmann hatte im Rahmen einer Internetauktion einen PKW mit einem Listenpreis von DM 57.000,- durch sein Angebot in Höhe von DM 26.350,- ersteigert. Der Versteigerer lehnte die Lieferung des PKW mit der Begründung ab, es sei durch die Auktion noch kein Kaufvertrag zustande gekommen. Der Privatmann verlangte hingegen Erfüllung des seiner Ansicht nach bereits zustande gekommenen Kaufvertrags zu diesen Konditionen. Hier lag nun die klassische Alles-oder-nichts-Situation vor: Käme das Gericht zu der Überzeugung, der Vertrag sei bereits im Rahmen der Auktion zustande gekommen, so würde es den Versteigerer zur Lieferung des PKW zu DM 26.350,- verurteilen; andernfalls die Klage in vollem Umfang abweisen, so dass der Kläger letztendlich ohne PKW dastünde. Im vorprozessualen Schriftwechsel hatte nun aber der Versteigerer versucht, den Konflikt im Wege der Verhandlung zu lösen und bemühte sich, von den Interessen beider Parteien auszugehen. Er selber wollte verkaufen, jedoch nicht zu einem Preis unter dem eigenen Erwerbspreis; der Bieter wollte einen PKW möglichst günstig erwerben. Also bot der Versteigerer dem Bieter an, ihm den PKW zum eigenen Erwerbspreis zu überlassen, in diesem Fall DM 39.000,-. Eine solche Entscheidung, die auf die Interessen beider Seiten ausgerichtet ist, hätte ein Richter in einem gerichtlichen Verfahren aus oben genannten Gründen nicht durch Urteil treffen können. 25 26 27 28

Dazu Galanter, 1988 Journal of Dispute Resolution, 80ff. Siehe auch Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 89. Siehe dazu Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.18f. LG Münster, JZ 2000, 730 (732).

III. Vorteile der Mediation

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Leider ging die Sache so aus, dass sich der Bieter auf dieses Angebot nicht einließ, obwohl er nach eigenen Angaben, die er später im Prozess machte, sein Angebot noch erhöht hätte, wäre nicht die vorgegebene Bietzeit abgelaufen gewesen. Die DM 26.350,- waren also folglich nicht sein sog. "reservation price"29. Zwar wies das Landgericht Münster die Klage zunächst ab 3o , doch hob die Berufungsinstanz 3! dieses Urteil wieder auf und gab - später gefolgt vom Bundesgerichtshof32 - dem Kläger Recht. Im Ergebnis kam also in diesem Fall die gerichtliche "Alles-oderNichts-Lösung" leider der Partei zugute, welche gerade eine außergerichtliche Einigung abgelehnt hatte. Dennoch mag dieser Fall als Beispiel dafür dienen, dass im Wege einer Mediation, sofern sich beide Seiten auch darauf einlassen, Kompromisslösungen erzielt werden können, während eine gerichtliche Entscheidung in aller Regel nur unbedingte Ergebnisse zu produzieren in der Lage ist.

2. Selbstbestimmung und erlebte Gerechtigkeit a) Ergebnisgerechtigkeit

Als weiterer Vorteil der Mediation ist zu werten, dass die Parteien "Konflikteigentümer"33 bleiben und den Streit nicht an ihre Anwälte oder den Richter abgeben. Diese Selbstbestimmung ist nicht nur ein Vorteil der Mediation, sondern zugleich auch deren konstitutives Merkmal. Sie beruht auf dem Gedanken der Autonomie, im Rahmen derer sich die Parteien eigene und für sie verbindliche Lösungen erarbeiten. Dadurch haben sie die Sicherheit, dass nur solche Entscheidungen getroffen werden, denen sie auch zustimmen. 34 Schließlich wissen die Parteien am besten, welche Entscheidungen im Bezug auf ihr Leben zu treffen sind. 35 Dies führt zu einer höheren Zufriedenheit mit dem Ergebnis als bei einem gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Urteil, wo ein Dritter über den Konflikt der Parteien entscheidet. Denn dieser richtet sich dabei nach vorgegebenen gesetzlichen Normen, was zu solchen Ergebnissen führen kann, die zwar nach dem Gesetz richtig, im Einzelfall aber ungerecht sind (fehlende Einzelfallgerechtigkeit). 36 In der Mediation, wo beide Parteien dem Ergebnis zustimmen müssen, wird hingegen der Einze1fallgerechtigkeit so weit wie möglich Rechnung getragen: Also der Preis, den er höchsten falls zu zahlen bereit gewesen wäre. Zu der unmittelbar darauf folgenden Kritik vgl. Rüjner, JZ 2000, 715 ff. 31 OLG Hamm, NJW 2001,1142. 32 BGH, DB 20m, 2712. 33 So die Formulierung bei Mähler/Mähler, in: Dieter!Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S.15. 34 Klinger, Forum Recht, S.46. 35 Furlan/Blumstein/Hojstein, 14 Journal ofthe AAML, S.269. 36 Vgl. Risse, BB 1999 Beil. 9,2. 29

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B. Mediation als außergerichtliches Konftiktlösungsverfahren "This [agreement on settlement; d. Verf.] produces results which are probably as dose to the ideal of justice as we are capable of producing ... 37

b) Verfahrensgerechtigkeit

Neben diesen positiven Auswirkungen auf die Ergebnisgerechtigkeit gewinnt im Rahmen der Mediation auch noch ein weiterer wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Zufriedenheit der Parteien an Bedeutung: die Verfahrensgerechtigkeit. aa) Verfahrens gerechtigkeit im gerichtlichen Verfahren So wurde für gerichtliche Verfahren festgestellt, dass von den an einem Konflikt Beteiligten auch ein negatives Ergebnis eher akzeptiert wird, wenn nur das angewandte Verfahren als gerecht empfunden wird. 38 Ungerecht behandelt zu werden ist demnach etwas anderes als ungünstig abgeschnitten zu haben. 39 Wichtig ist für die Parteien in diesen Fällen, dass der Richter vertrauenswürdig, wohlwollend und neutral gewesen ist und sie im Ansehen ihrer Person die Möglichkeit hatten, ihre Rechte voll zur Geltung zu bringen. 4o Die neuere sozialpsychologische Forschung 41 hat sogar nachgewiesen, dass es den Prozessparteien in der Regel weniger darum geht, was sie bekommen, als wie sie behandelt werden; ob sie also als Persönlichkeit Anerkennung finden. Hieraus folgert die Sozialpsychologie, dass die Parteien die Verfahrensgerechtigkeit im gerichtlichen Prozess grundsätzlich über die Ergebnisgerechtigkeit stellen. 42 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es einen solchen generellen Vorrang der Verfahrensgerechtigkeit nicht gibt, da auch ein als fair erlebtes Verfahren nicht über ein entschieden als ungerecht empfundenes Ergebnis hinwegtäuschen kann. 43 Denn schließlich kommt in einem solchen gerichtlichen Verfahren dem materiellen Recht, auf welches sich das Ergebnis später stützt, eine zentrale Rolle zu. Allenfalls in den Fällen, in denen das negative Ergebnis noch als vertretbar erscheint, kann unter den oben genannten Voraussetzungen die Fairness des gerichtlichen Verfahrens von der unterlegenen Partei höher bewertet werden als das Ergebnis. So Chief Judge Fox, 53 Federal Rules Decisions, 142. Dazu ausführlich Raiser, Das lebende Recht, S. 223 ff. 39 Montada, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konftiktmanagement, S. 39. 40 Mähler/Mähler, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konftiktmanagement, S. 14; ausführlich zu den Gerechtigkeitsgrundsätzen im Verfahren siehe Hoffmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 103 ff. und Bierbrauer/Klinger, in: Haft u. a. (Hrsg.), Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 352 f. 41 Eine Übersicht über Studien aus Deutschland und den USA findet sich bei Raiser, Das lebende Recht, S. 225. 42 So auch Gottwald, WM 1998, 1258. 43 Raiser, Das lebende Recht, S.226/227. 37

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III. Vorteile der Mediation

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bb) Verfahrens gerechtigkeit in der Mediation Anders ist dies hingegen in der Mediation. Das Verfahren gewinnt bereits dadurch eine enonne Bedeutung, dass es notwendige Voraussetzung für die Ergebnisfindung ist. 44 Hier erscheint es schon naheliegender, dem Verfahren im Hinblick auf die von den Parteien empfundene Gerechtigkeit einen höheren Stellenwert beizumessen als dem Ergebnis. So verweisen Roehl und Cook 45 auf Untersuchungen in den USA, die feststellten, dass die Wahrnehmung der Fairness in Gerichtsverfahren sehr eng im Zusammenhang mit dem Erfolg oder Misserfolg gesehen wurde, während diese Assoziation in Mediationsverfahren deutlich geringer war. Dies mag auch dadurch gefördert werden, dass in der Mediation aufgrund der Selbstbestimmung für die Parteien eine nicht so große Gefahr besteht, am Ende mit einem inakzeptablen Ergebnis konfrontiert zu werden. Ob aber letztendlich die Verfahrensgerechtigkeit tatsächlich über die Ergebnisgerechtigkeit gestellt wird, darf dennoch bezweifelt werden 46 , kann aber hier dahinstehen. Es gilt allein festzuhalten, dass im Mediationsverfahren der Verfahrensgerechtigkeit im Hinblick auf das Gerechtigkeitsgefühl der Parteien jedenfalls eine höhere Bedeutung zukommt als in einem gerichtlichen Verfahren. Ein Vorteil der Mediation liegt nun darin, dass seine spezielle Verfahrensausgestaltung sich gerade positiv auf dieses Gefühl der Verfahrensgerechtigkeit der Parteien auswirkt. Im Gegensatz zu gerichtlichen Verfahren, in denen man nur geringen Einfluss auf den Ablauf hat und oft die Verfahrensnonnen sanktionslos verletzt werden, steht bei der Mediation die Autonomie der Parteien im Vordergrund. Diese bezieht sich aber gerade auch auf das Verfahren. Die Parteien bestimmen den Ablauf und die dem Verfahren zugrundeliegenden Grundsätze. Genau dieser Einfluss ist es, der eine deutliche Steigerung der empfundenen Verfahrensgerechtigkeit bewirkt. 47 Auch die Art des Verfahrens wirkt sich in dieser Hinsicht positiv aus: Es basiert auf dem Reziprozitätsprinzip, also auf dem beiderseitigen Geben und Nehmen. Allein dieser Vorgang selber wird bei den Parteien ein besseres Gefühl bewirken als eine Lösungsfindung durch den Richter. Auch wenn zu beachten ist, dass der Versuch der Parteien, durch das Verhandeln diese "distributive Gerechtigkeit" herzustellen, gegebenenfalls auf dem bloßen Willen der Parteien beruht, einen Austauschprozess entstehen zu lassen, in dem zum Teil lediglich symbolische Beiträge geleistet werden. 48 Dieser Punkt ist jedoch immer im Vergleich zum gerichtlichen 44 Mähler/Mähler, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S. 25; siehe auch unten unter Punkt B. V. 3. 45 RoehllCook, in: Kressel, Mediation Research, S. 33. 46 V gl. hierzu auch Bierbrauer/ Klinger, in: Haft u. a. (Hrsg.), Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S. 352f. 47 So mit Hinweis auf empirische Untersuchungen Raiser, Das lebende Recht, S. 297; vgl. auch PonschablDendorfer, BB 2001 Beil. 2, 2. 48 Siehe dazu Gessner, Recht und Konflikt, S.194.

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B. Mediation als außergerichtliches Konftiktlösungsverfahren

Verfahren zu sehen, bei dem ein solcher Versuch, durch Tausch einen Gerechtigkeitsprozess herzustellen, von den Parteien nicht unternommen wird. Trotz allem wirkt sich die Beteiligung der Parteien bei der Verfahrensgestaltung somit im Verhältnis zur passiven Rolle im Prozess positiver aus. Hierzu trägt auch der Mediator bei. Ein guter Mediator ist neutral und schafft eine Atmosphäre des Vertrauens, was sich wiederum ebenfalls vorteilhaft auf die Wahrnehmung der Verfahrensfairness auswirkt. 49 Demnach stellt sich gerade das Verfahren selber im Rahmen von Verhandlungen für die Parteien als ein gerechtigkeitsstiftender Vorgang dar. Auch der aufgrund der Selbstbestimmung mögliche Verzicht auf Zwang, welcher im gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung von Regelungen nötig werden kann, bedeutet einen gerechtigkeitsstiftenden Wert an sich. 50 c) Ergebnis

Die Mediation erhöht folglich aufgrund der ihr zugrundeliegenden Selbstbestimmung neben der subjektiv erlebten Ergebnisgerechtigkeit auch das Gefühl der Verfahrensgerechtigkeit bei den beteiligten Parteien. 51 3. Erhalt der Parteibeziehungen Ein weiterer Vorteil der Mediation gegenüber einem gerichtlichen Verfahren hängt unmittelbar mit dem erstgenannten zusammen. Dadurch, dass die Parteien in Kooperation selbständig eine Lösung erarbeiten, wird eine Eskalation des Konflikts vermieden. Während nach einem kontradiktorischen Gerichtsurteil in einer Vielzahl der Fälle die Basis für eine weitere reibungslose Zusammenarbeit oder ein harmonisches Zusammenleben zerstört ist,52 sind die zukünftigen Parteibeziehungen oft gerade ein wesentlicher Bestandteil der Einigung im Mediationsverfahren. Dieser Punkt ist vor allem dann wichtig, wenn sich die Parteien nicht ausweichen können - z. B. in engen sozialen Beziehungen - oder wenn sie wirtschaftlich aufeinander angewiesen sind. Darüber hinaus wird der Mediation auch ein positiver Einfluss auf das gemeinschaftliche Zusammenleben in der Gesellschaft selber zugeschrieben. 53 49 Gottwald, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 207 und ders. in: Vögele, Mediation, S. 33 f. 50 Mähler/Mähler, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S.17ff. 51 So auch Roehl/Cook, in: Kressel, Mediation Research, S.33 (die sich auf diverse Untersuchungen in den USA stützen; siehe zu deren Ergebnissen Cook/Roehl/Sheppard, NIe Field Test, S. 45 ff.); Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 58; Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.21. 52 Vgl. Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S.59f. 53 Moore, in: Folger/Iones, New Directions in Mediation, S.201 f.

III. Vorteile der Mediation

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Allerdings gibt es auch Fälle, in denen sich die Frage nach einer gemeinsamen Zukunft der Parteien nicht stellt. So lässt sich z. B. im Falle einer Kollision im Straßenverkehr zwischen zwei sich bisher Unbekannten kaum eine zukunftsorientierte Lösung denken. Zukunftsorientierte Lösungsansätze fallen hier als Option also schon von Anfang an weg und es besteht auch zumeist kein Interesse an einem Erhalt der Parteibeziehungen. In solchen Fällen ist jedoch schon fraglich, ob sie sich überhaupt für ein Mediationsverfahren eignen. 4. Zeit- und Kostenerspamis Aus prozessökonomischer Sicht ist als Vorteil der Mediation gegenüber dem gerichtlichen Verfahren vor allem die Zeit- und Kostenerspamis zu nennen. 54 Diese beiden Punkte hängen insoweit zusammen, als sich die Kosten vorwiegend nach dem Zeitaufwand der Beteiligten (Anwälte, Richter, Mediatoren) richten. Zwar ist auch die Mediation mit einem Zeitaufwand verbunden, im Gegensatz zu ihr besteht jedoch bei einem gerichtlichen Verfahren oft die Neigung, den Konflikt auf die Spitze zu treiben und ihn gegebenenfalls durch eine Vielzahl von Instanzen zu führen. So werden z. B. in einem gerichtlichen Verfahren Vergleiche zwischen den Parteien oft erst vor höheren Instanzen geschlossen, obwohl dieselbe Einigung auch schon im Ausgangsprozess hätte getroffen werden können. 55 In der Mediation wird hingegen gleich auf eine gütliche Einigung hingewirkt und so eine Verschleppung vermieden. Als illustratives Beispiel mag hier folgender Fall dienen: 56 In einer Patentstreitigkeit zwischen Telecredit, Inc. und TRW, Inc. zogen sich die vorgerichtlichen Auseinandersetzungen über dreißig Monate hin und es wurden über 100.000 Dokumente ausgetauscht. Schließlich gingen die Parteien zu einem Versuch eines mediativen Verfahrens über. Bis zum Erreichen einer Einigung dauert das gesamte ADR-Verfahren, inklusive Vorverhandlung über das Verfahren selber, lediglich neunzig Tage. Dies ist sicherlich ein Extremfall, doch veranschaulicht er gut die Möglichkeiten einer Effizienzsteigerung durch außergerichtliche Verfahrensformen. Ein weiterer Grund für den höheren finanziellen Aufwand eines Gerichtsverfahrens sind die sekundären Kosten für Gutachten oder Ähnliches. Um eine gerichtliche Entscheidung zu ermöglichen, sind sie zur Sachverhaltsaufklärung oft unumgänglich. In der Mediation besteht hingegen keine Notwendigkeit einer solchen vollständigen Klärung der Umstände. 57 Die Beteiligten können vielmehr unklare 54 Schneider, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.176f.; Risse, NJW 2000, 1618; weitere Nachweise hierzu bei Ponschab/Dendorjer, BB 200 1 Beil. 2, 1/2. 55 Prütting, JZ 1985,267. Dieses Ergebnis zeigt, dass die vom Gericht möglichst zu unternehmenden Einigungsversuche (§ 278 Abs. 1 ZPO) in der Regel kaum zum Erfolg führen. Ob durch die nunmehr vorgeschriebene vorherige Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 ZPO) in Zukunft schon früher ein Vergleich erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. 56 Dargestellt bei Breidenbach, Mediation, S. 22 f. 57 Vgl. Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 87.

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

Punkte offen lassen und diese inklusive ihrer Ungewissheit in die Lösung mit einbeziehen, oder sie können über den unklaren Punkt gesondert verhandeln. In beiden Fällen werden die oft hohen Gutachterkosten eingespart und somit eine weitere Ressourcenvemichtung verhindert. Auch die sonstigen Gerichtskosten fallen in der Mediation nicht an, an deren Stelle treten jedoch die Kosten für einen unabhängigen Mediator. 58 Ebenfalls vermieden werden zudem sogenannte "weiche" Kosten, die z. B. einem Unternehmen dadurch entstehen, dass innerhalb des Unternehmens der Rechtsstreit für die ganze Dauer des Verfahrens betreut werden muss. 59 Zwar muss auch ein Mediationsverfahren betreut werden, doch sind diese Kosten aufgrund der kürzeren Verfahrensdauer in der Regel geringer. Allerdings ist der hier dargestellte Effizienzvorteil an einer Stelle einzuschränken. Sollte die Mediation fehlschlagen und ergebnislos abgebrochen werden, wird in aller Regel ein gerichtliches Verfahren folgen - mit allen gerade aufgezählten negativen Auswirkungen. In diesen Fällen ist es durchaus möglich, dass die KostenNutzen-Bilanz der Beteiligten ungünstiger ausfällt, als wenn unmittelbar ein solches gerichtliches Verfahren eingeleitet worden wäre. 6o Die Kosten für die misslungene Mediation können sich allenfalls bei späteren Vergleichsverhandlungen innerhalb des Prozesses bezahlt machen, wenn auf eventuelle Einigungsoptionen aus dem Mediationsverfahren zurückgegriffen werden kann. 61 Sind die Verhandlungen jedoch im Vorfeld schon einmal gescheitert, so ist höchst zweifelhaft, ob sie geeignet sind, die späteren Verhandlungen im Prozess abzukürzen.

5. Niedrige Eintrittsschwelle Ebenfalls ein Vorteil der Mediation ist deren niedrige Eintrittsschwelle. Die Mediation als außergerichtliches Verfahren wird vor allem von Gerichtsunerfahrenen eher in Anspruch genommen als ein gerichtliches Verfahren, bei dem die Hemmschwelle für dessen Einleitung höher liegt. 62 Auch wenn persönliche Beziehungen im Spiel sind, besteht bei der Einschaltung von Gerichten oft Zurückhaltung, da man die einem persönlich verbundene Person im Interesse der Zukunft dieser Beziehung nicht gleich vor einen Richter bringen möchte. 63 Zu oft schadet die dadurch entstehende Rollenverteilung des "Klägers" und "Beklagten" der Beziehung. Die Mediation mit ihrem Charakter bloßer Vermittlung vermeidet an dieser Stelle eventuelle Rollenfestlegungen und Vorurteile. 58 Vgl. Caspar/Risse, ZIP 2000, 439; ein tabellarischer Vergleich der Kosten findet sich bei Jung/Steding, BB 2001 Beil. 2, 14. 59 Risse, NJW 2000,1618. 60 Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 60. 61 Risse, NJW 2000, 1618. 62 Risse, WM 1999, 1865. 63 Risse, NJW 2000,1619.

IV. Kritik

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Ist dies alles schon als vorteilhaft anzusehen, so liegt der eigentliche Vorteil einer solchen niedrigen Eintrittsschwelle noch woanders: Je früher nämlich der Konflikt als solcher angenommen und dem Versuch einer Lösung zugeführt wird, desto größer sind die Chancen auf eine kooperative und gütliche Lösung dieses Konflikts. 64 Ein unterschwellig weiter bestehender Konflikt, bei dem erst in einem späteren Stadium ein Lösungsversuch unternommen wird, wirft hier oft viel größere Probleme auf. Darüber hinaus kann die Mediation auch schon dort eingreifen, wo das gerichtliche System mangels aktuellem Rechtsverstoß (außer in den engen Grenzen des vorläufigen Rechtsschutzes) noch nicht aktiv werden darf. Sie kann somit auch als "preventive lawyering" Konflikte im Vorfeld auffangen, um ein Aufschaukeln des Konflikts zu verhindern. 65

6. Höhere Befolgungsrate Zum Schluss soll hier noch ein Vorteil angesprochen werden, der sich als Folge aus den oben bereits genannten Punkten ergibt. Wie bereits erwähnt, liegt das vorrangige Ziel der Mediation im Auffinden einer interessenbezogenen Lösung zwischen den Parteien. Diese wird auch direkt zwischen den Parteien ausgehandelt und stellt sich daher als eigene Entscheidung der Parteien dar. Folglich ist der Grad der Zufriedenheit mit diesem Ergebnis höher als bei einem gerichtlichen bzw. schiedsgerichtlichen Urteil, in dem ein Dritter die Entscheidung über den Konflikt der Parteien getroffen hat. 66 Diese höhere Zufriedenheit führt in aller Regel auch zu einer höheren Befolgungsrate und somit zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit, dass über diesen Konflikt erneut gerichtlich oder außergerichtlich verhandelt werden muss. 67 Außerdem haben die Parteien selber über das Ergebnis entschieden und werden sich nur ungern zu ihren eigenen Entscheidungen in Widerspruch setzen. 68 Durch eine Befolgung der getroffenen Vereinbarungen werden wiederum Zeit und Kosten eingespart.

IV. Kritik Allerdings finden sich auch kritische Stimmen im Bezug auf mediative Verfahrensformen. Vor allem gegen die in Bayern, Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen auf der Grundlage des § I5a EGZPO eingeführten Gesetze zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung 69 wurde schon kurz nach ihrem Erlass 64 65 66

67 68 69

Dazu Breidenbach, FPR 1996, 3ff.; Strempel, NJ 1999,463. Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.53. Vgl. FurlanlBlumsteinlHojstein, Journal of the AAML, 270/271. Eidenmüller, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 58. Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.53. Auszugsweise abgedruckt im Schönfelder zu § 15a EGZPO (Nr.lOl).

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

nicht ganz unberechtigte Kritik laut. 70 Vor allem im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Freiwilligkeit begegnen solche gesetzlich vorgeschriebenen Mediationsverfahren ernsten Bedenken. 7I Zwar wird teilweise ein Zwang zur Vornahme eines Verhandlungsversuchs als nicht schädlich angesehen, solange nur innerhalb dieses Verfahrens selber Freiwilligkeit und Akzeptanz gewährleistet sind (sog. "Mediation-Paradox")72, doch dürfte sich in vielen Fällen auch schon dieser Zwang zur Teilnahme negativ auf die Verhandlungs atmosphäre auswirken. Bei dem hier im Vordergrund stehenden freiwilligen Mediationsverfahren stellt sich dieses Problem jedoch nicht. Aus diesem Grund gewinnt die freiwillige Mediation an Bedeutung und muss weiter gepflegt und entwickelt werden. Denn diesbezüglich hält sich die Kritik in engen Grenzen und beschränkt sich weitestgehend auf Probleme bei der Umsetzung in die Praxis. Hier wird vor allem kritisiert, dass in der Mediation die Parteien ihre "Karten auf den Tisch legen" und mehr an Überlegungen offenbaren müssen, als es in einem späteren Prozess der Fall wäre. Dabei wird oft die Gefahr gesehen, dass die Parteien in dem Mediationsverfahren eine eher zögerliche und bremsende Haltung einnehmen. 73 Eine solche Kritik überzeugt meines Erachtens jedoch nicht. Auch wenn das Mediationsverfahren aufgrund dieser Bedenken der Parteien zunächst etwas gehemmt ablaufen sollte, ändert dies doch nichts an den grundsätzlichen Vorteilen der Mediation durch eine offene Umgangsweise und direkte Kommunikation. Außerdem soll gerade durch ein abgestimmtes Verfahren diese Hürde in der Kommunikation abgebaut und Vertrauen langsam aufgebaut werden. 74 Diese eben dargestellte Überlegung berechtigt zwar zu Bedenken hinsichtlich überhöhter Erwartungen an das Verfahren der Mediation, ist aber keine zulässige Systemkritik. Dass die Parteien ihre "Karten auf den Tisch legen", ist lediglich unter dem Aspekt problematisch, dass aufgrund dieser systemimmanenten Offenheit die Mediation auch als taktisches Mittel zum Ausspionieren des Gegners ohne echte Einigungsabsicht ausgenutzt werden könnte und sich die Parteien dadurch einer erhöhten Gefahr für einen eventuellen späteren Prozess aussetzen. 75 Jedoch ist man gegen Missbrauch von Verfahren nie gänzlich gefeit. Trotzdem sollte diese Gefahr nicht zur Aufgabe einer vorteilhaften und sinnvollen Idee führen, zumal in der Wissenschaft zur Zeit auch gerade der Frage nach Möglichkeiten eines Vertraulichkeitsschutzes in der Mediation nachgegangen wird. 76 Immerhin kann die Mediation von einer eventuell missVgl. Wassermann, NJW 1998, 1685; Gottwald, WM 1998, 1257. Strempel, NJ 1999,462. 72 So Strempel, in: Strempel, Mediation für die Praxis, S. 11 und Gottwald, in: Hensslerj Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 210 f. 73 Weigand, BB 1996,2108. 74 Dazu ausführlich unten unter Punkt B. V. 3. 75 Weigand, BB 1996, 2108; Casper/Risse, ZIP 2000, 437. Dazu auch unten unter Punkt E.I.3. b). 76 Siehe dazu Groth/Bubnojf. NJW 2001, 338ff. 70

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V. Verfahrensablauf

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trauischen Partei auf ihren Wunsch hin abgebrochen und so ein Missbrauch verhindert werden. Ein Zwang zur Offenbarung wird durch die Mediation gerade nicht geschaffen (Grundsatz der Freiwilligkeit). Eine grundsätzliche Kritik an der Mediation überzeugt somit nicht. 77

V. Verfahrensablauf Aufgrund seiner großen Relevanz für den Erfolg einer Mediation soll hier ein Überblick über das Verfahren und einiger damit verbundener Probleme gegeben werden. 78 Eine Darstellung des Verfahrensgangs hat zudem deshalb zu erfolgen, damit unten bei der Darstellung des praktischen Konfliktlösungsmodells die Verfahrensstufen bekannt sind.

1. Eröffnungs- und Einführungsphase In der ersten Phase findet zunächst eine Einigung über das Verfahren selber statt, welche dann in einem Mediationsvertrag zwischen den Parteien und dem Mediator festgeschrieben wird. Es handelt sich dabei um einen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter (§§ 611, 675 BGB), bei dem hinsichtlich der vom Mediator zu erbringenden Leistung Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB) zwischen den Parteien vorliegt, sie aber auch als Gesamtschuldner (§§421, 427 BGB) auf die vereinbarte Vergütung haften. 79 Vor Abschluss dieses Vertrages muss den Parteien zunächst das Vorgehen des Mediators erläutert und der Unterschied zu Schieds- oder Gerichtsverfahren dargestellt werden. Insbesondere ist es wichtig, die Grundsätze der Mediation80, wie Freiwilligkeit, Autonomie, etc. genau zu erläutern, da an dieser Stelle ein falsches Verständnis der Parteien von dem nun Folgenden fatale Auswirkungen haben könnte. 81 Denn gerade der Vorteil der Mediation, dass die Parteien den Konflikt selber in die Hand nehmen und nicht nur Zaungäste ihres eigenen Falles werden, macht dieses Verfahren so anfällig für Misserfolge, die durch ein falsches Verständnis von Seiten der Parteien verursacht werden. Vertraut z. B. eine Partei darauf, dass am Ende der Verhandlungen der Mediator einen Lösungsvorschlag unterbreitet und beteiligt sich aus diesem Grund nicht aktiv und ernsthaft an einer Lösungsfindung, so wird sich das Potential der Mediation nicht ausschöpfen lassen. Siehe aber zu bestimmten Problemen Cloke, Mediating Dangerously, San Francisco 2001. Eine Vielzahl detaillierter Hinweise findet sich bei Grenig, Alternative Dispute Resolution, S. 135 ff. und bei Kovac, Mediation, S. 106-115 und S. 137 ff. 79 Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 67. 80 Craver, Effective Legal Negotiation and Settlement, S. 363. 81 Dazu Nolan-Haley, 74 Notre Dame Law Review, 778 f. 77

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

Darüber hinaus sind je nach Art der Streitigkeit noch weitere Details zu klären. So ist z. B. vor allem in Wirtschafts streitigkeiten noch festzustellen, ob der an dem Mediationsverfahren beteiligte Vertreter zur Entscheidung befugt ist und somit das dahinter stehende Unternehmen die von ihm getroffenen Vereinbarungen auch mitträgt. Zudem wird üblicherweise noch eine Verschwiegenheitsvereinbarung über die preisgegebenen Informationen mit in den Vertrag aufgenommen. 82 2. Bestandsaufnahme und Themensammlung In der nun folgenden zweiten Phase erfolgt eine Darstellung des Konflikts und der sich daraus ergebenden Probleme aus Sicht der Parteien. 83 Wichtig ist dabei, dass hier noch keine Stellungnahme durch den Mediator bzw. durch die andere Partei erfolgt oder sogar eine Diskussion über gerade vorgetragene Gesichtspunkte eröffnet wird. Die Gegenseite soll sich vielmehr auf das Gehörte konzentrieren und versuchen, das Vorgebrachte zu verstehen. Wird dieser Partei nun schon hier die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben, so wird sie sich während des Vortrags der Gegenseite allein mit dieser beschäftigen um konkrete Angriffspunkte und allgemeine Kritik zu formulieren. Die wichtige, genaue Kenntnis der Position der Gegenseite wäre erschwert. 84 Zudem trägt es auch zur einer Entschärfung einer spannungsgeladenen Verhandlungssituation und zur Versachlichung bei, wenn die Parteien alles ansprechen können, was sie bewegt. 85 Eine ständige Unterbrechung wäre hier nicht dienlich. Der Verzicht auf Stellungnahmen oder Kritiken in dieser Phase ist also eine Voraussetzung auf dem Weg zu einer Verständigung zwischen den Parteien und dem Abbau von Misstrauen. Nachdem die Parteien ihre Darstellungen beendet haben und die Problemschwerpunkte der einzelnen Parteien deutlich geworden sind, versucht der Mediator diese - sofern nötig - in eine sachliche Sprache zu übersetzen. Dies dient zum einen der Klarheit der Darstellung und zum anderen dem Herausfiltern etwaiger wertender Elemente. Blieben diese in der Darstellung enthalten, so würde sich die Gegenseite ständig hieran stören und wäre einer sachlichen Betrachtungsweise nicht zugänglich. Daher ist von der Seite des Mediators aus auf eine wertneutrale Formulierung zu achten. Sind die Problemkreise der Parteien deutlich herausgearbeitet worden, so bleibt zu prüfen, in welchen Bereichen Unstimmigkeiten über den Sachverhalt oder die Positionen bestehen. Die Parteien nehmen hierzu noch einmal kurz Stellung, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. 86 Risse, NJW 2000, 1615. Kovach, Mediation, S. 85. 84 Risse, NJW 2000, 1615. 85 Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 68. 86 Risse, NJW 2000, 1616. 82

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V. Verfahrensablauf

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Anschließend bittet der Mediator noch die Parteien, den aufgelisteten Problempunkten jeweils ihre persönlichen Prioritäten zuzuweisen, um bei der späteren Lösungsfindung die wichtigen von den eher unwichtigen Interessen abgrenzen und richtige Schwerpunkte setzen zu können. Außerdem lassen sich auf der Grundlage der festgelegten Prioritäten später auch Möglichkeiten für "Tauschgeschäfte" (sog. "trade-offs") herausfinden, die eine wichtige Rolle bei der Lösungsfindung spielen. 87 Werden in dieser Phase eine Vielzahl von Themenbereichen oder Positionen aufgelistet, so kann die Priorisierung auch dazu dienen, einen Konsens für die Reihenfolge der Bearbeitung der Problemthemen herbeizuführen. Diese Darstellung sollte möglichst visualisiert werden, um die aufgelisteten Punkte ständig vor Augen zu haben. Am Schluss dieser Phase geht der Mediator die einzelnen Punkte noch einmal durch und lässt sie sich von beiden Seiten bestätigen, um den formalen Charakter einer Absprache zu erreichen und damit die Parteien später hieran binden zu können. 3. Kernphase Nachdem in der vorherigen Stufe die Kontliktfelder lediglich herausgearbeitet wurden, soll in der nun folgenden Kernphase eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen stattfinden. Hier beginnt auch der Kerngedanke der Mediation anzusetzen: Es soll nicht auf die in der vorherigen Phase von den Parteien aufgezeigten Positionen ankommen, sondern auf die dahinterstehenden Interessen. Allein hierdurch lassen sich wertschöpfende Lösungen erreichen, die für beide Seiten im Ergebnis einen Gewinn in Form der weitgehenden Befriedigung ihrer Interessen bedeuten. 88 Solche Win-win-Lösungen zu erreichen, ist Ziel dieser Phase.

a) Interessenjindungsphase Um solche wertschöpfenden Lösungen zu erreichen, ist es aber notwendig, dass alle relevanten Interessen der Parteien offengelegt werden. Denn sie sind der Maßstab, an dem die späteren Lösungsvorschläge zu messen sind. 89 Wie die jeweiligen Parteiinteressen nun herausgefunden werden können, haben Fisher und Ury in ihrem berühmt gewordenen Buch "Getting to Yes" (deutsch: "Das Harvard-Konzept"90) beschrieben. Hierbei soll der Mediator unterstützend tätig werden. Auch wenn eine Lösung in dieser Phase der Mediation noch nicht angestrebt wird, kann es im Einzelfall dennoch sein, dass sich bereits nach Offenlegung der InDazu ausführlich unten unter Punkt D. 1.2. c). Ausführlich zu diesem Kerngedanken der Mediation oben unter B. III. 1. b). 89 Risse, NJW 2000, 1616. 90 Fisher/Ury, Das Harvard-Konzept, S. 73 ff.

87 88

3 Köper

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

teressen eine solche anbietet, z. B. wenn Grund für den Konflikt ein bloßes Missverständnis auf Interessenebene war. Die gefundenen Ergebnisse sollten auch hier visuell dargestellt werden.

b) Lösungsjindungsphase Sind die Interessen der beteiligten Parteien herausgearbeitet worden, so gilt es nun eine Lösung zu entwickeln, die sich möglichst dicht dem Idealbild der oben beschriebenen Win-win-Lösung annähert, also die jeweiligen Parteiinteressen so weit wie möglich berücksichtigt. Solche wertschöpfenden Lösungen erfordern jedoch ein hohes Maß an Kreativität und ein Denken, welches über die bloßen Positionen und die Vergangenheit hinausgeht. Oft liegen die Ansätze für wertschöpfende Lösungen in der Zukunft. Deshalb empfiehlt es sich, zunächst im Wege eines "Brainstormings"91 eine Vielzahl von Vorschlägen zu sammeln. Dabei sollten sich die Parteien auch zu Ideen hinreißen lassen, die zunächst abwegig oder nicht realisierbar erscheinen, da sich eventuell später hieraus gute Ansätze für eine realistische Einigungsoption entnehmen lassen. Aus diesem Grund darf, ähnlich wie bei der Themensammlung in der ersten Phase, zunächst auch keine Bewertung dieser Vorschläge durch die andere Partei oder den Mediator stattfinden. Hierdurch würde zum einen eine Hemmung bei den Parteien eintreten, als abwegig erscheinende Vorschläge einzubringen, und zum anderen könnte sich durch eine direkt anschließende Bewertung die Perspektive auf diesen Vorschlag, oder die Richtung, aus die er kam, verengen und die Kreativität für weitere Vorschläge schwächen. 92 Dies würde die Chancen auf eine wertschöpfende Einigungsoption deutlich verschlechtern. Erst wenn das Brainstorming beendet ist, wird mit der Bewertung der gefundenen Lösungsvorschläge begonnen. Maßstab dieser Bewertung sind die in der dritten Phase herausgearbeiteten Parteiinteressen. Die Lösungsvorschläge sind also daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie die Interessen der Parteien zu befriedigen geeignet sind. Nicht erforderlich ist dabei, dass ein einzelner Lösungsvorschlag diese Voraussetzungen bedingungslos erfüllt. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, gute Ansätze aus verschiedenen Vorschlägen zu isolieren und mit anderen zu kombinieren. Es empfiehlt sich, für den gesamten Konflikt eine Paketlösung zu entwickeln, anstatt für die verschiedenen Konfliktfelder eine Vielzahl von Einzellösungen zu suchen. Ein solches "Ein-Text-Verfahren" 93 hat zum einen den Vorteil, dass die Parteien engagierter hieran arbeiten und sich mehr um eine Verständigung bemühen. So 91 Zum Ablauf eines solchen "Brainstormings" siehe Mnookin/Peppet/Tulume/lo, Beyond Winning, S. 37 f. 92 Eidenmü/ler, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 69; Fisher/Ury, Das Harvard-Konzept, S.95. 93 Dazu auch Raijfa, The Art an Science of Negotiation, S. 205 ff.

V. Verfahrensablauf

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wissen sie doch, dass dies die einzige Lösungsvorlage wird und sie, sollte diese scheitern, gänzlich ohne eine Lösung dastehen und keine weiteren Zugeständnisse von der anderen Seite erwarten können. Zum anderen - und das ist wohl der wichtigere Punkt - erhöht ein solches Vorgehen die Anzahl der Punkte, die im Rahmen von "trade-offs" gegen andere eingetauscht werden können. 94 Es findet also nicht nur ein Tausch von Positionen innerhalb der jeweiligen Konfliktfelder statt, sondern es können auch Positionen aus einem Themenkreis gegen solche aus einem ganz anderen Bereich getauscht werden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine kooperative, wertschöpfende Lösung. An dieser Stelle kann es dann auch in bestimmten Fällen zu reinen Verteilungsfragen kommen, ohne dass dies negativ zu bewerten wäre. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn eine grundsätzliche Lösung gefunden wurde, es nun aber noch um die Verteilung eines Geldbetrages geht. Hier ist es dann auch nicht mehr schädlich, wenn das Verhalten der Parteien in ein reines Basarverhalten abgleitet. Hat man gemeinsam eine Lösung entwickelt, so wird diese in einem Memorandum zusammengefasst. Sollte es zu keiner Lösung gekommen sein und wurden auch keine weiteren Optionen für diesen Fall im Mediationsvertrag vereinbart 95 , so endet an dieser Stelle das Mediationsverfahren. 96 c) Probleme

Wie oben dargestellt, liegt ein wichtiger Vorteil der Mediation gegenüber dem gerichtlichen Verfahren in der Möglichkeit der Erreichung von sogenannten Win-winLösungen. Die Suche nach solchen wertschöpfenden Lösungen ist Ziel dieser Kernphase. Hier fällt somit die Entscheidung über den Erfolg der Mediation. Es wäre dann zu erwarten, dass in dieser wichtigen Phase eine direkte Kommunikation zwischen den Parteien selber stattfindet. Des öfteren enden die Verhandlungen jedoch in einer Kommunikation über den Mediator, der sogenannten "Shuttle Diplomacy" ("Pendeldiplomatie").97 Es werden dann lediglich unterschiedliche Angebote zwischen den Parteien durch den Mediator überbracht, ohne dass die Parteien selber in direkten Kontakt zueinander treten. 98

94 Eidenmüller, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 79/80 mit Hinweisen auf weitere Vorteile des "Ein-Text-Verfahrens". 95 Z. B. Fällen eines Schiedsspruchs durch den Mediator. 96 Hinweise, wie dennoch versucht werden kann die Einigung nicht gänzlich scheitern zu lassen, gibt Potter, Frorn Conflict to Cooperation, S. 147 ff. 97 Risse, NJW 2000,1616; Hauer, 19 Farnily Advocate, 27f. 98 Vgl. FelstinerlWilliams, in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, S. 199f. und RoselIen, in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, S. 215 f.

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

aa) Probleme im Rahmen einer "Shuttle Diplomacy" Dieser Mangel an direkter Kommunikation hat jedoch negative Auswirkungen. Denn ihr kommt im Hinblick auf die Suche nach wertschöpfenden Win-win-Lösungen große Bedeutung zu. So weist Holzinger 99 darauf hin, dass festgestellt wurde, dass in einer idealen Mediation zunächst kaum Verhandeln im Sinne eines "do ut des" (Basarverhalten, Tauschgeschäfts) stattfinde. Sie bestehe vielmehr zu einem großen Teil aus der Herstellung einer besseren Informationslage: Es müssen Informationen zu Sachproblemen, zu den Akteuren, ihren Zielen usw. gesammelt und die vorhandenen Handlungsspielräume ausgelotet werden. In dieser Phase ist kein Verhandeln im engen Sinne zu erwarten, sondern eher Fragen, Antworten und Feststellungen; "Verhandeln" ist also hier in einem weiten Sinne zu verstehen. Diese wichtige Informationsphase wird aber übersprungen, wenn man die Mediation auf die bloße Durchführung einer reinen "Shuttle Diplomacy", also den Austausch von Angeboten, beschränkt. Die Parteien richten ihren Blick dann nicht auf die wahren Interessen der beiden Seiten, sondern reduzieren die Verhandlungen zumeist auf die Verteidigung oder Durchsetzung der eigenen, oft nur vermeintlichen, Rechtspositionen. Es findet dann nur ein dem Vorgehen bei Vergleichsverhandlungen im Prozess entsprechendes positionelies Feilschen und Basarverhandlungen statt 100, ohne den wertschöpfenden Vorgang der gemeinsamen interessenbezogenen Lösungssuche durchlaufen zu haben. 101 Dies ist jedoch fatal, da gerade hieraus die möglichen Win-win-Lösungen entstehen. 102 Tragfähige Verständigungslösungen können nur dann erzielt werden, wenn die Dialog-, Kooperations- und Gestaltungsfähigkeit der Parteien gefördert wird. 103 Ein Basarverhalten ist zwar oft unumgänglich, dieses sollte aber immer erst am Ende der Verhandlungen stattfinden, nachdem durch eine offene und direkte Kommunikation die beteiligten Interessen ausgelotet wurden. Als weiteres Problem sei erwähnt, dass es im Rahmen einer solchen "Shuttle Diplomacy" aufgrund der mangelnden direkten Kommunikation an der Entwicklung einer persönlichen Streitbewältigungskompetenz fehlt. Denn eine solche direkte Kommunikation dient nicht nur der Lösung des vorliegenden Konflikts, sondern die Parteien sollen dadurch auch für die Zukunft lernen, auf bessere und effektivere Art und Weise direkt miteinander zu kommunizieren. 104 Sie entwickeln im Idealfall eine Holzinger, in: Dally, Mediation als politischer und sozialer Prozeß, S.191 u. S.209f. Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 20. 101 Zu diesem auf einer Offenlegung der Interessen basierenden Vorgang siehe oben unter Punkt B. III. 1. b). 102 Auch Breidenbach weist auf die Bedeutung der Kommunikation für beidseitig erfolgreiches Verhandeln hin; Breidenbach, Mediation, S. 74. 103 So Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 13. 104 Vgl. Felstiner/Williams, in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, S. 209 ff. 99

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V. Verfahrensablauf

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persönliche Streitbewältigungskompetenz, die bei späteren Konflikten fruchtbar gemacht werden könnte und somit die Wahrscheinlichkeit einer schnellen, kooperativen Lösung deutlich erhöhen würde. Sander beschreibt aus diesem Grund die Mediation auch als einen Lernprozess ("educational process"). 105 bb) Das Verhandlungsdilemma als Grundproblem Der Grund für ein solches unkooperatives Verhalten, welches zu einer "Shuttle Diplomacy" einschließlich der aufgezeigten Nachteil führt, ist in dem sogenannten "Verhandlungsdilemma" zu suchen, dem folgende Situation zugrunde liegt: Beide Parteien wissen, dass nur bei beidseitigem kooperativem Verhalten auch wertschöpfende Lösungen (Win-win-Lösungen) zu erreichen sind. Insofern kann also schon vorab eine Neigung bestehen, sich auf eine direkte kooperative Verhandlung einzulassen. Allerdings wird jede der beiden Parteien sich überlegen, was bei der Verfolgung der jeweiligen Strategie im schlimmsten Fall passieren könnte. Bei einem kooperativen Vorgehen sähe dieser "worst case" dann so aus, dass die andere Seite die Offenheit ausnutzt, ohne sich selber kooperativ zu verhalten. In einem solchen Fall wäre die kooperativ handelnde Partei der Verlierer dieser Verhandlung. 106 Verhält man sich hingegen eher kompetitiv und somit auf reine Wertverteilung ausgerichtet, so weiß man zwar im Voraus, dass es mangels beidseitiger Kooperation keine wertschöpfende Lösung geben kann, doch schaltet man auf diese Weise auch das Risiko aus, dass die eigene Offenheit von der Gegenseite ausgenutzt wird. Die Parteien nehmen also eine Abwehrhaltung ein 107 und verzichten somit aus Gründen der Sicherheit von Anfang an auf Win-win-Lösungen, um nicht am Ende leer auszugehen. 108 Immerhin bleibt ja auch die Chance, bei einer späteren reinen Wertverteilung gut abzuschneiden. Zudem glauben die Parteien oft für sich zu wissen, dass sie ein rein kompetitives Verhalten im Ergebnis besser stellt. 109 Und dies obwohl ihnen in den meisten Fällen bekannt ist, dass ihren Interessen ein kooperatives Verhalten weitaus mehr dient. Den Grund für diese Einstellung zu finden, sofern ein solcher überhaupt vorhanden ist, stellt sich oft als schwierig dar. Er kann unter anderem darin zu sehen sein, dass die betroffene Partei ihre eigene Verhandlungsposition überschätzt, oder dass letztendlich der Glaube an einen möglichen Kooperationsgewinn fehlt. 110 In der amerikanischen Literatur wird darüber hinaus auch darauf hingewiesen, dass oft, und gerade in 105 Sander, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, S.142. 106 Dazu Gijford, Legal Negotiation, S. 207. 107 Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 26. 108 McKinney/Kimsey/Fuller, Mediation, S. 119. Zu dem dieser Situation entsprechenden "Gefangenendilemma" siehe Hager, Konflikt und Konsens, S. 64/65. 109 Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.5. 110 Breidenbach, Mediation, S. 96 f.

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B. Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren

den USA, der Wettkampfgedanke die Entscheidung über die Strategie beeinflusst: "To win by causing the challenger to lose. "111 Die beiden Parteien begreifen sich als Gegner und neigen aus diesem Grund eher zu rein wertverteilenden Lösungen. 112 Ein solches auf eine bloße Verteilung gerichtetes Verhalten könnte dann aber auch über den Mediator stattfinden, da es eines direkten Kontakts mit der anderen Seite hierfür nicht bedarf. Aufgrund des eben im Rahmen des Verhandlungsdilemmas angesprochenen Schutzbedürfnisses der Parteien ist es dann auch wahrscheinlich, dass sie diese reine Wertverteilung über den Mediator ablaufen lassen, gerade um sich nicht weiter mit der anderen Seite auseinandersetzen zu müssen. So ist an dieser Stelle auch zu beachten, dass die Parteien aufgrund der noch nicht stattgefundenen direkten Kommunikation oft noch mit zwischenmenschlichen Problemen belastet sind und aus diesem Grund kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit der anderen Seite haben. Tendenziell wird man in einer solchen Situation eher versuchen, sich aus dem Weg zu gehen. Das Stattfinden einer "Shuttle Diplomacy" und des damit einhergehende Mangel an direkter Kommunikation, der Grund für die oben angesprochenen Probleme ist, stellt sich somit als Folge des gerade beschriebenen Verhandlungsdilemmas dar. cc) Lösung Demnach ist nun zu fragen, wie dieses Verhandlungsdilemma überwunden werden kann. Ausgehend von der eben dargestellten Abwehrhaltung der Parteien steht die Schaffung von Vertrauen im Vordergrund. Denn aufgrund des dargestellten Sicherheitsbedürfnisses der Parteien ist dies Voraussetzung dafür, dass die Parteien sich bei der Wahl ihrer Strategie für ein kooperatives Verhalten entscheiden. Erst wenn die Parteien einander vertrauen, können und wollen sie gemeinsam an einer interessenorientierten Lösung arbeiten. Allein der Abbau von Misstrauen zwischen den Parteien eröffnet also den oben beschriebenen Weg zu kooperativen Lösungen durch direkte Kommunikation. 113 Um dieses gegenseitige Misstrauen jedoch abzubauen, muss den Parteien die Sichtweise der anderen Seite verständlich gemacht und das gegenseitige Beschuldigungsmuster abgeschwächt werden. 114 Hierbei ist der Mediator gefragt. Er muss versuchen im Einzel- oder Gruppengespräch bei den Parteien Verständnis für die jeweils unterschiedlichen Sichtweisen zu entwickeln. Dabei spielt auch eine strukturierte Vorgehensweise eine Rolle, da allein hierdurch der Konflikt in all seinen Facetten erkannt werden kann. Bei einem unstrukturierten Vorgehen bestünde die Gefahr, dass die Parteien mit der Bewältigung der Komplexität überfordert und in ihrer McKinney/Kimsey/Fuller, Mediation, S.119. Mähler/Mähler, NJW 1997, 1263. 113 Vgl. Sato, 34 veLA Law Review, 513. 114 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 140. 111

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V. Verfahrensablauf

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subjektiven Sichtweise gefangen sind. 115 Darüber hinaus muss er den Parteien deutlich machen, dass nur ein kooperatives Handeln den Konflikt wertschöpfend lösen kann. In der Mediation bedarf es gerade eines Umdenkens - weg von der feindseligen Vorwurfshaltung, hin zu einer Besinnung auf die zukunftsbezogenen Perspektiven. Gemeinsame "Streitbehandlung" statt bloßer "Streitentscheidung" ist hier das Stichwort. 116 Ein solches aufWin-win-Lösungen ausgerichtetes Vorgehen stellt sich dann als ein gemeinsamer Such- und Findeprozess dar, was wiederum die Verständigung zwischen den Parteien und den Abbau von Misstrauen unterstützt. 117 Auf dieser Basis können sich die Konfliktparteien als Problemlösungsgemeinschaft verstehen lernen mit dem gemeinsamen Ziel, die ausformulierten Interessen soweit als möglich unter Aktivierung aller Ressourcen in einem abzuschließenden Vertrag unterzubringen. 118 Durch dieses Vorgehen lässt sich ein auf Misstrauen beruhendes mögliches Verhandlungsdilemma und eine daraus folgende "Shuttle Diplomacy" überwinden und der Weg zu Win-win-Lösungen bereiten. 4. Schlussphase Im Anschluss an diese entscheidende Kernphase der Mediation wird in der Schlussphase dann das erstellte Memorandum in die juristische Vertragssprache übersetzt. 119 Es wird dabei dem niedergeschriebenen Ergebnis, welches aufgrund der Beteiligung der Anwälte an den Verhandlungen zumeist schon juristisch ausreichend ist, lediglich der formelle Teil einer Abschlussvereinbarung hinzugefügt. Häufig wird z. B. eine Mediationsklausel für den Fall einer erneuten Streitigkeit aufgenommen. Auch prozessuale Gesichtspunkte finden hier Berücksichtigung. So können sich die Parteien der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen, indem sie eine notarielle Urkunde errichten (vgl. § 794 Abs. 1 S. 1 Nr.5 ZPO). Hierdurch erlangen sie dann genauso wie durch gerichtliches Urteil einen vollstreckbaren Titel (vgl. § 795 S.l ZPO).

Siehe zum Komplexitätsproblem Haft, Verhandlung und Mediation, S. 54 ff. Breidenbach, in: Vögele, Mediation, S. 84. 117 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 140. 118 Mähler/Mähler, NJW 1997, 1264; Mähler/Mähler, FPR 1997,258. 119 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.139. 115

116

c.

Vom Normensystem zum Verhandlungssystem

Nachdem im Vorangegangenen die Grundzüge der Mediation dargestellt wurden, soll sich nun der Blick auf die Ausgangsfragestellung nach dem Verhältnis von Mediation und Recht richten. Bevor jedoch auf die konkrete Rolle des normierten Rechts im Mediationsverfahren eingegangen werden kann, ist an dieser Stelle ein vorgelagertes Problem zu erörtern. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass die sich immer weiter verbreitende außergerichtliche Streitbeilegung womöglich nicht nur neben das gerichtliche Verfahren mit seinem traditionellen materiellen Recht tritt, sondern dass sie sogar eventuell den Beginn eines Wandels in der Rechtskultur markiert. So könnte sich durch eine weite Verbreitung von Verhandlungslösungen ein Wandel im rechtstheoretischen Verständnis vollziehen, weg vom Staat, der überwiegend durch Normen direkt das Verhalten seiner Bürger reguliert. Als Folge wäre dann fraglich, ob das Recht als formal-regulatorisches Regelungswerk mit seinem ihm zugrundeliegenden Normensystem überhaupt noch Bestand haben kann, oder ob nicht an dessen Stelle ein System kooperativer Selbststeuerung tritt, welches ohne solche abstrakt-generellen Regelungen auskommt, indem es auf selbstgestaltete, einzelfallbezogene Lösungen abstellt. Auf den Punkt gebracht stellt sich also die Frage, ob sich im Rahmen der momentanen Entwicklung das traditionelle geschriebene Recht und die Lösungsfindung durch Verhandlungen gegenseitig ausschließen, oder ob sie nebeneinander bestehen können. Zur Beantwortung dieser Frage nach der Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs soll nun wie folgt vorgegangen werden: Zunächst ist zu untersuchen, ob ein solcher Wandel weg vom überwiegend durch Normen direkt steuernden Staat notwendig und zur Zeit tatsächlich zu beobachten ist. Zwar wird sich dies nicht mit Sicherheit beantworten lassen, doch soll trotzdem der Versuch gemacht werden, in dieser Hinsicht einige Anzeichen für einen solchen Wandel aufzudecken, um zumindest eine Tendenz erkennen zu können. Im Anschluss daran wird dann der Frage nachgegangen, ob eine solche mögliche Entwicklung tatsächlich eine Abkehr vom traditionellen Normensystem nötig machen würde. Ware dies der Fall, so würde die eigentliche Frage nach der Rolle des traditionellen, gesetzlich normierten Rechts im Mediationsverfahren an Bedeutung verlieren.

I. Abkehr vom "Recht als Unterwerfungsanordnung" Hier soll es nicht um die genaue Vorhersage eines solchen möglichen Wandels weg von einer überwiegend direkten Steuerung durch Recht gehen, sondern allein um eine Darstellung solcher Argumente, die für oder gegen ihn sprechen könnten.

I. Abkehr vom "Recht als Unterwerfungsanordnung"

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Es wird hier also nur eine mögliche Entwicklung unter Berücksichtigung eventueller Ursachen skizziert. Denn ob eine soIche Entwicklung wirklich eintreten wird, ist eher eine rechtssoziologische Fragestellung, während sich dieser Teil der Arbeit mit den rechtstheoretischen Fragen auseinandersetzen soll, die im Zuge einer solchen möglichen Entwicklung auftreten können. Ein Überblick über die mögliche Entwicklung ist aber auch dafür notwendig. Anhand von verschiedenen Meinungen soll versucht werden, eine mögliche Tendenz ausfindig zu machen.

1. Notwendigkeit eines Wandels Im Folgenden soll es nun zunächst um die Frage gehen, ob ein Wandel weg vom weitgehend durch Normen direkt steuernden Staat als notwendig zu erachten ist. Als Ausgangspunkt für die Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Wandels bietet sich ein Blick auf die Steuerungsfähigkeit des Staates durch Recht an; es wird zudem zu fragen sein, weIche Alternativen sich hier als Grundlage für einen Wandel anbieten.

a) Steuerungsversagen als Problem In der Literatur wird schon lange über eine mögliche Krise des Wohlfahrtsstaates diskutiert, deren Ursachen in der mangelnden Steuerungsfähigkeit des Staates liegen sollen, vornehmlich in denen seines Steuerungsinstrumentariums - dem Recht. 120 aa) Allgemeine Betrachtung der möglichen Ursachen In den freiheitlich orientierten Staaten zeichnet sich eine Entwicklung hin zur stetigen Zunahme der Staatsaufgaben ab. 121 Während die Reichsverfassung von 1871 weitgehend von solchen Aufgaben geprägt war, die die innere und äußere Sicherheit sowie den Ausbau der Infrasruktur betrafen, wurden in die Weimarer Reichsverfassung schon Ansätze von sozialstaatlichen Aufgabe aufgenommen. Diese Entwicklung hin zu einer Vergrößerung des staatlichen Aufgabenbereichs setzt sich seit dem kontinuierlich fort. Sie läßt sich auch empirisch an den ansteigenden Staatsausgaben festmachen. Seit über hundert Jahren ist diesbezüglich ein stetiges Wachstum zu beobachten. 122 In diesem Zusammenhang steht auch die Tendenz des Staates, in der heutigen Zeit das Recht zunehmend zur gestaltenden gesellschaftlichen Steuerung einzusetzen, so z. B. im Kartellrecht und in dem Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedin120 121 122

Nachweise bei Röhl, Rechtssoziologie, S. 558. Dazu, ob dieser Prozess umkehrbar ist, vgl. Hood, in: Grimm, Staatsaufgaben, S. 93 ff. Hierzu ausführlich Schulze-Fielitz, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S.18ff.

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C. Vom Nonnensystem zum Verhandlungssystem

gungen (AGBG I23 ) und sich nicht nur auf die Abgrenzung der Sphären privatautonomen Handeins zu beschränken. 124 Dies ist vor allem an der zunehmenden Dichte der Rechtsvorschriften zu erkennen. 125 Hier besteht die Gefahr, dass sich der Wohlfahrtsstaat im Netz der eignenen Rechtsvorschriften verstrickt 126, was eine Ursache für ein mögliches Steuerungsversagen darstellt. Neben dieser Entwicklung ist auch eine zunehmende Komplexität des gesamten gesellschaftlichen Umfeldes zu beobachten. 127 Sie folgt aus der Vielzahl der Faktoren, die das Leben des einzelnen oder gesellschaftliche Vorgänge beeinflussen und der damit zusammenhängenden Unübersichtlichkeit der Zusammenhänge und Wechsel wirkungen zwischen diesen Faktoren. 128 So wird z. B. im Bereich des Umweltrechts die staatliche Steuerung insbesondere durch die Globalisierung von Problemen erschwert. 129 Aufgrund dieser steigenden Komplexität zeichnet sich als Reaktion des Staates zunächst wiederum die Zunahme von Regelungen bzw. Regelungsversuchen ab, was die oben angesprochene Gefahr des Verstrickens verstärkt. Darüber hinaus folgt aus der Komplexitätszunahme jedoch noch ein weiteres Problem: So ist der Staat eben gerade aufgrund dieser neuen komplexen Strukturen immer weniger in der Lage festzustellen, welche Folgen und Auswirkungen ein bestimmtes Steuerungsverhalten des Staates auf das gesamte gesellschaftliche Umfeld hat. 130 Unter Umständen treten Nebeneffekte ein, die so nicht gewollt waren. 131 Es lassen sich zudem kaum mehr Kausalketten ausfindig machen, auf denen Entscheidungen unter Sicherheit, also mit nur einem Umweltzustand, getroffen werden können. Heute stellt sich die Situation für den Staat vielmehr so dar, dass in bestimmten Situationen allenfalls noch Eintrittswahrscheinlichkeiten der einzelnen Umweltzustände bekannt sind. Dies zwingt zu einer Entscheidung unter Risiko bzw. Unsicherheit, was folglich die Steuerungsfähigkeit durch Recht beeinträchtigt, da die staatlichen Steuerungsmaßnahmen aufgrund der dann nicht zu bewältigenden Komplexität in steigendem Maße Gefahr laufen, zur Ineffizienz verurteilt zu sein. 132

Jetzt §§ 305 ff. BGB i. d. seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung. Röhl, Rechtssoziologie, S.558; Hager, Konflikt und Konsens, S.17. 125 Hoffmann-Riem. ZRP 1997, 1991 mwN; Raiser, Das lebende Recht, S. 300/301. 126 Ritter,.in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S.69. 127 Vgl. Troja, in: Zilleßen, Mediation, S. 78n9. 128 Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 71n2. 129 Köpp, Nonnvenneidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, S. 106. 130 Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 72. l3I Baudenbacher, JZ 1988, 692. 132 So Günther, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S.51. 123

124

I. Abkehr vom "Recht als Unterwerfungsanordnung"

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bb) Das theoretische Erklärungsmodell von Teubner Die oben dargestellten Ursachen für ein mögliches Steuerungsversagen des Rechts hat Teubner schon vor einigen Jahren in einem theoretischen Modell mit einem entsprechenden Lösungsansatz zusammengefasst. 133 Er geht davon aus, dass dem diskutierten Steuerungsversagen ein sogenanntes "regulatorisches Trilemma" zugrunde liegt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die "Systemtheorie"134, wonach die modeme Gesellschaft in prizipiell gleichgeordnete, selbstbezogene und eigendynamische Teilsysteme (Wirtschaft, Politik, Recht, Kultur, Wissenschaft, Technik, usw.) gegliedert ist. Diese sind laut Teubner inzwischen jedoch enorm komplex und autonom handlungsfähig geworden. Sie können sich nicht mehr unmittelbar gegenseitig beeinflussen, sondern es können lediglich noch von außen Selbststeuerungsprozesse in diesem System angestoßen werden, deren Folgen zumeist nicht vorhersehbar sind. Somit sind diese Teilsysteme für den Staat weitestgehend nicht mehr steuerbar. Jedes Teilsystem reagiert auf die Anforderungen aus einem anderen Teilsystem nur nach seiner eigenen Logik und umgekehrt. Eingriffe in diese Teilsysteme, die zu deren wirksamer Beeinflussung fähig sind, sind zwar möglich, dies jedoch nur in den Bahnen und Grenzen der jeweiligen Selbststeuerung. Das regulatorische Trilemma und somit Grund für das Steuerungsversagen besteht nun in folgendem: Jeder regulatorische Eingriff, der diese Grenzen der strukturellen Kopplung überschreitet, ist entweder irrelevant oder hat desintegrierende Wirkungen für den gesellschaftlichen Lebensbereich oder aber desintegrierende Wirkungen auf das regulatorische Recht zur Folge. Somit muß nach Ansicht Teubners das regulatorische Recht als Steuerungsmechanismus versagen. Als Lösung bietet er die Idee des "reflexiven Rechts" an. 135 cc) Kritik an der Annahme einer Steuerungsunfähigkeit Allerdings wird stellenweise auch Kritik laut an der Schlussfolgerung, sämtliche Teilsysteme seien durch das bisherige Rechtssystem gänzlich unsteuerbar, wobei sich diese Kritik vor allem gegen das eben darstellte Modell Teubners richtet. Kein Teilsystem sei so abgeschottet, dass es einer Steuerung durch Impulse gänzlich unzugänglich wäre. Es müsse - bildlich gesprochen - nur die richtige Sprache für die Ansteuerung dieser Systeme gefunden werden. 136 Zwar bezweifelt niemand die Entwicklung hin zu einem immer komplexer werdenden gesellschaftlichen Umfeld, doch soll dies nicht notwendigerweise zu den angesprochenen SteuerungsprobleTeubner, EU! Working Paper Nr. 87, S. 36 ff. Kritisch hierzu Nahamowitz, ZtRSoz 6, S. 34ff. I35 Ausführlich dazu unten unter Punkt b)aa). 136 Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 223 ff. 133

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C. Vom Nonnensystem zum Verhandlungssystem

men führen. Als Argument wird dabei vor allem vorgebracht, dass unter diesen neuen Bedingungen wachsender Komplexität sich auch verschiedene neue Steuerungschancen bieten. Voraussetzung sei nur, dass in die Entscheidungsfindung nunmehr auch Hinweise auf zu berücksichtigende Nebenwirkungen, Interpendenzen usw. eingehen. 137 Zwar lässt sich unter den Voraussetzungen einer so weit vorausschauenden Entscheidungsfindung tatsächlich an das Bestehen von neuen Steuerungschancen durch das Recht denken. Das Erfüllen dieser Voraussetzungen bereitet jedoch große Schwierigkeiten. Denn die mit der Komplexitätserweiterung verbundene Zunahme an Informationen kann der Staat in diesem Maße gar nicht verarbeiten und so wird er auch aus diesem Grund zu Entscheidungen in Unkenntnis der Folgen genötigt werden 138, was die These von der Abnahme der Steuerungsfähigkeit wiederum stützt. Nicht zu leugnen ist zwar, dass z. B. im Bereich der Wirtschaft eine beachtliche Menge an Informationen verarbeitet und Prognosen gestellt werden können. 139 In diesem wirtschaftlichen Bereich existieren eine Vielzahl von Institutionen, die sich allein mit dieser Informationsbeschaffung und deren Verarbeitung beschäftigen (z. B. Marktforschungsinstitute und Unternehmensberatungen). Motiviert wird dies vor allem durch die große Bedeutung, die in der heutigen Zeit dem Bereich der Wirtschaft und der Wirtschaftsspolitik zu Teil wird. Ob jedoch auch in anderen Bereichen eine solch aufwendige und umfassende Informationsbeschaffung und -verarbeitung finanzier- und realisierbar wäre, darf bezweifelt werden. Außerdem fehlt es selbst im Bereich der Wirtschaft an einem umfassenden Wissen über die Vorgänge dieses Teilbereichs. So stellt der Wettbewerb, der dem Geschehen auf dem Markt zugrunde liegt, ein "Entdeckungsverfahren" 140 dar: Trotz der Bemühungen um eine möglichst vollständige Information erfolgt das Handeln der Akteure weitgehend auf der Basis noch nicht vorhandenen und noch zu erlangenden Wissens. Fehlt es also in den jeweiligen Teilbereichen an einer ausreichenden Informationsverarbeitung und zum Teil sogar schon am Vorliegen von umfassender und vollständiger Information überhaupt, so verlieren die staatlichen Steuerungsmaßnahmen zunehmend an Effizienz, da deren Wirkungen auf die Teilbereiche nicht ausreichend vorhersehbar ist. Und genau dies ist der Punkt, an dem eine Diskussion über neue Steuerungskonzepte legitim wird, ohne die eben dargestellte Frage nach der Steuerungsunfähigkeit des Rechts abschließend zu beantworten. Denn es ist zu beachten, dass das Problem der Steuerbarkeit nicht erst bei einem totalen Versagen des alten Steuerungssystems zu einem Umdenken führen soll, sondern ein solches auch bei Entdeckung effizienterer oder ökonomischerer Alternativmodelle in Betracht zu ziehen ist. Insoweit geht es hier also nicht darum, dem bisherigen System seine gänzliche UnwirksamSo Mayntz, in: Ellwein, Jahrbuch 1987, S.106/107. Vgl. Voigt, in: Voigt, Der kooperative Staat, S.4l. 139 Hierzu Nahamowitz, ZfRSoz 6, S. 38 ff. 140 Hayek, Die Anmaßung von Wissen, S.169f., S.198f. und S.244. 137

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I. Abkehr vom "Recht als Unterwerfungsanordnung"

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keit nachzuweisen, sondern allein um die Aufdeckung seiner Schwächen. Gerade solche lassen sich aber nach dem eben Gesagten in nicht nur unerheblichem Umfang aufzeigen.

b) Einbeziehung der Normadressaten als Lösung? Geht man nach eben Gesagtem nun von einer zumindest partiellen Steuerungsschwäche des direkt regulierenden Rechts aus, stellt sich vordringlich die Frage nach möglichen Lösungs- oder zumindest Verbesserungsvorschlägen. aa) Selbststeuerungspotential auf Seiten der Normadressaten An dieser Stelle soll zunächst wieder auf das theoretische Modell von Teubner zurückgegriffen werden, der als Lösung für die Defizite des "regulatorischen Rechts", also unseres traditionellen Rechts, die Idee des "reflexiven Rechts" anbietet. 141 Diesem liegt der Gedanke der ,,steuerung von Selbstregulierung" zugrunde. Ausgangspunkt ist dabei die These, dass in den jeweiligen von einander unabhängigen Teilsystemen ein großes Potential zur Selbststeuerung vorhanden ist. Dieses sei fruchtbar zu machen, um die Steuerungsunfahigkeit des regulatorischen Rechts überwinden zu können. Hierfür soll mittels des reflexiven Rechts das Selbststeuerungspotential in geordnete Bahnen gelenkt werden, indem durch die Bereitstellung von Verfahren und Organisation sowie durch Neuverteilung von Steuerungsrechten an Subjekte des Teilsystems die nötigen strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden ("regulierte Autonomie"). Folglich würde an die Stelle einer direkten Steuerung sozialer Prozesse durch unser traditionelles Recht eine indirekte Steuerung treten. Allerdings sieht sich dieses Lösungsmodell von Teubner auch unmittelbarer Kritik ausgesetzt. So weist Nahamowitz 142 darauf hin, dass die von Teubner zugrunde gelegte These von der Selbstregulationsfähigkeit der Teilsysteme durchaus umstritten ist. Ob einer solchen grundlegenden Kritik jedoch gefolgt werden kann, ist fraglich, denn vieles spricht für diese These. Sie wurde für das Teilsystem Wirtschaft vom Neoliberalismus übernommen und hat sich dort seitdem bewährt, so dass auch heute noch unser Wirtschaftssystem hierauf setzt. Obwohl für die Beteiligten zum Teil wichtige Informationen fehlen ("Entdeckungsverfahren"; s.o.), findet eine effektive Selbstregulierung auf dieser Basis des noch nicht vorhandenen und noch zu erlangenden Wissens statt. Dies widerlegt - zumindest für dieses Teilsystem - die von Nahamowitz erhobene Kritik. \41 Teubner, EUI Working Paper Nr. 87, S. 70ff. Sehr ausführlich zum reflexiven Recht als Steuerungsprinzip siehe TeubnerlWilIke, ZfRSoz 5, S. 13 ff.; siehe zudem auch Röhl, Rechtssoziologie, S. 562. 142 Nahamowitz, ZfRSoz 6, S. 29 ff.

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C. Vom Nonnensystem zum Verhandlungssystem

Doch auch in anderen Teilsystemen ist ein Potential zur Selbststeuerung vorhanden. Ausgangspunkt für das Vorhandensein eines solchen Potentials ist das Bestreben eines jeden Beteiligten, seine Interessen weitestmöglich zu realisieren. Auch das gerade genannte Beispiel des Wirtschaftssystems basiert letztendlich auf Interessen der Marktteilnehmer. Dass der Teilbereich Wirtschaft mit seinem Wettbewerb bei der Selbststeuerung besonders effektiv ist und deshalb immer wieder als Beispiel für derartiges Potential herangezogen wird, liegt vor allem an dessen enormem ökonomischen Anreiz. Daraus kann aber nicht geschlussfolgert werden, andere Systeme würden eines solchen Potentials entbehren. 143 Denn Interessen, die einen Anreiz für die Beteiligten bieten, sich in "ihrem" Teilsystem zu engagieren und es somit in Zusammenarbeit mit den anderen Beteiligten selbstständig zu steuern, finden sich in irgendeiner Form in jedem Teilbereich der Gesellschaft. Mir erscheint die Theorie Teubners als Idealmodell jedoch unter einem Gesichtspunkt als verbesserungsbedürftig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Regulierungen für die Teilsysteme grundsätzlich auf die Ausgestaltung von Rahmenregelungen reduzieren lassen, so zeigt dies noch nicht deren Tauglichkeit für die Bewältigung eventueller und einzukalkulierender Krisenphänomene. Dies können sowohl Ereignisse von außen sein, als auch Veränderungen innerhalb des jeweiligen Teilsystems, z. B. übermäßige Kumulierung von Macht bei Einzelnen. Dies spricht dafür, dass für solche Fälle rechtliche Handlungsinstrumente für einen staatlichen Interventionismus vorgehalten werden müssen. l44 Diese Überlegung läuft jedoch schon auf die später konkret zu stellende Frage nach der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs hinaus und soll aus diesem Grund zurückgestellt werden. Trotz der genannten Kritik ist also ein gewisses Potential an Steuerungsfähigkeit auf der Seite der Normadressaten nicht zu leugnen. Ob dies für eine vollständige Selbststeuerung im Sinne der Theorie Teubners ausreicht, ist zwar nicht mit Sicherheit zu bejahen, doch kommt es hier auch darauf gar nicht an, so dass es einer abschließenden Entscheidung über die Theorie des ,,reflexiven Rechts" nicht bedarf. An dieser Stelle ist allein festzuhalten, dass als mögliche Lösung für das Problem der zumindest beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit des Rechts in erster Linie an eine Ausnutzung dieses Potentials zu denken ist. bb) Übergang zur indirekten Steuerung Diese Idee, den zunehmenden Steuerungsdefiziten des Rechts mit einer Ausnutzung des Selbststeuerungspotentials der Normadressaten zu begegnen, hat auch Raiser 145 aufgegriffen. Seiner Meinung nach könnte die erwünschte und bisher 143 144 14S

So wohl auch Hoffmann-Riem, in: Vögele, Mediation, S. 17. Dazu Hoffmann-Riem, in: Vögele, Mediation, S. 16. Raiser, Das lebende Recht, S. 306.

I. Abkehr vom ,,Recht als Unterwerfungsanordnung"

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durch das Recht direkt vorgenommene Steuerung sozialen Verhaltens auch durch .. indirekt wirkende rechtliche Strukturvorgabenfür die gesellschaftliche Selbstregulierung " erreicht werden. Als Aufgabe des Gesetzgebers erscheint dann in erster Linie die Einrichtung von geeigneten Organisationsformen und Verfahren, sowie die Regulierung und Neuverteilung von Steuerungsrechten. 146 Diese Überlegungen waren vor allem als Maßnahme gegen eine zunehmende Normentlut gedacht und stehen somit ebenfalls im Zusammenhang mit dem Problem eines Steuerungsversagens des Rechts und der möglichen Ausnutzung von Steuerungspotential auf Seiten der Normadressaten. Gerade in solchen Situationen, in denen es im Wesentlichen um die Regulierung von Interessenkonflikten geht, besteht für den Staat die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und die Kontliktlösung der hierfür besser geeigneten Form der Kooperation und Selbstregulierung der Beteiligten zu überlassen. Es ist dann Aufgabe des Staates, als Mittler zwischen den sozialen Gruppen die Herstellung von Konsens und Akzeptanz zu organisieren und die innovativen Potentiale der unterschiedlichen Akteure zu mobilisieren, anstatt den Konflikt hoheitlich und unmittelbar zu regeln. 147 Vorteilhaft ist eine solche Umorientierung somit vor allem im Hinblick auf die Ausnutzung des angesprochenen Selbststeuerungspotentials. Zudem wird dadurch dem Staat die Möglichkeit gegeben, weniger Bereiche des gesellschaftlichen Lebens regeln zu müssen, die aufgrund der Zunahme der Komplexität wie oben dargestellt nur sehr schwer regulierbar sind. Darüber hinaus hätte ein Übergang zur indirekten Steuerung unter Beteiligung der Normadressaten auch noch den weiteren Vorteil, dass dadurch der Staat in größerem Rahmen als bisher Rückmeldungen aus der Gesellschaft bekommen würde. Diese stellen eine wichtige Quelle für die Informationsbeschaffung des Staates dar, deren Bedeutung mit steigender Komplexität des gesellschaftlichen Umfelds zunimmt. 148 Insoweit kommt der Beteiligung der Bürger über die in der Rechts- und Politikwissenschaft diskutierten Informations- und Legitimationsfunktion hinaus zunehmend auch eine Kommunikations- und Retlexionsfunktion zu. 149 Somit lässt sich also mit guten Gründen dem System der reinen unmittelbaren Steuerung durch Normen das System einer weitestgehend indirekten Steuerung unter Einbeziehung der Normadressaten gegenüberstellen.

146 Auf die Notwendigkeit einer solchen "Regulation der Selbstregulation" wird hingewiesen bei Hager, Konflikt und Konsens, S.40. 147 Voigt, in: Voigt, Der kooperative Staat, S. 33 ff. 148 Vgl. Willke, in: Grimm, Staatsaufgaben, S. 702f. und oben unter Punkt a). Zur Notwendigkeit eines solchen Austausches zwischen Staat und Gesellschaft siehe auch Nonet/Selznick, Toward Responsive Law, S. 77 ff. 149 So Zilleßen, in: Zilleßen, Mediation, S. 58.

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C. Vom Nonnensystem zum Verhandlungssystem

c) Fazit Ausgehend von der Fragestellung nach der Notwendigkeit eines Wandels weg von einer überwiegend direkten Steuerung durch Recht ist an dieser Stelle wie folgt zusammenzufassen: Das Vorhandensein von Steuerungsproblemen des traditionellen Rechts ist nicht von der Hand zu weisen. Von einem regelrechten Steuerungsversagen zu sprechen, erscheint nach obiger Darstellung jedoch als zu weitgehend. Dennoch ist ein Entgegenwirken im Hinblick auf die genannten Defizite und Probleme notwendig. 150 Hier erweist sich als eine mögliche Lösungs- oder Verbesserungsmöglichkeit aufgrund des damit verbundenen Steuerungspotentials die Beteiligung der Normadressaten. Für eine solche Beteiligung bietet sich die Form der Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft an. Allerdings - und damit komme ich hier auf die anfangs formulierte Fragestellung zurück - wäre hierfür ein Wandel zumindest weg vom überwiegend direkt regulierenden Staat notwendig. 2. Entwicklungstendenzen Während es gerade um die Frage nach der Notwendigkeit eines Wandels weg von einer weitgehend direkten Steuerung durch Recht aufgrund möglicher Steuerungsprobleme ging, soll im Folgenden nun untersucht werden, ob ein solcher Wandel zur Zeit tatsächlich zu beobachten ist. Maßgeblich ist insoweit eine Veränderung im Verhalten des Normgebers, also des Staates. Zu untersuchen ist, ob auf Staatsebene ein Wandel zu beobachten ist und welche Umstände im Moment dafür sprechen, dass sich ein solcher tatsächlich vollziehen wird. So ist zu fragen, ob sich nicht eine solche Entwicklung hin zur Selbststeuerung und Selbstverantwortung im Bereich des persönlichen Kontliktverhaltens als eine Art "Trend" erkennen lässt, bei der eine Abwendung von einer direkten Steuerung durch Recht erfolgt. Ein solcher Trend könnte sich ebenfalls als Grund für einen Wandel auf Staatsebene, weg vom überwiegend direkt regulierenden Staat, darstellen, wenn sich nämlich das Verhalten des normgebenden Staats auch von Veränderungen im persönlichen Kontliktverhalten beeintlussen lassen würde.

a) Entwicklung des persönlichen Konfliktverhaltens Gerade auf der Ebene des persönlichen Kontliktverhaltens der Bevölkerung könnte sich momentan eine Entwicklung hin zu einer Befürwortung und Umsetzung außergerichtlicher Kontliktlösungskonzepte abzeichnen, die möglicherweise Eintluss auf die Entwicklung auf Staatsebene nehmen könnte. Exemplarisch soll an die150 So auch Hager, Konflikt und Konsens, S. 33 und S. 39. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Laufe der Entwicklung immer wieder bestimmte Elemente des Rechts zu dominieren beginnen und aus diesem Grund eine Gegenbewegung erforderlich wird.

I. Abkehr vorn "Recht als Unterwerfungsanordnung"

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ser Stelle die Entwicklung ausgewählter Bereiche des persönlichen Konfliktverhaltens dargestellt werden. aa) Der strafprozessuale Deal So ist ein Augenmerk auf den strafprozessualen Deal zu richten. Dabei handelt es sich um informelle Absprachen, an denen neben dem Verteidiger und dem Staatsanwalt auch der vorsitzende Richter beteiligt ist. Absprachen dieser Art sind in der heutigen strafrechtlichen Praxis weit verbreitet. 151 Gegen Abgabe eines Geständnisses durch den Angeklagten werden einige Tatkomplexe nach §§ 154, 154a StPO ausgeschieden und eine für den Angeklagten akzeptable Strafe verhängt, was eine weitere Beweiserhebung entbehrlich macht. 152 Da diese Absprachen zu einer Prozesshandlung verpflichten würden, muss allerdings eine Bindungswirkung verneint werden. 153 Aufgrund des gegenseitigen Vertrauens besteht aber eine faktische Bindung der Beteiligten. 154 Es müssen jedoch für die Zulässigkeit solcher Absprachen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So darf kein genaues Strafmaß vereinbart werden, da das deutsche Verfahrensrecht den staatlichen Strafanspruch nicht zur freien Verfügung der Prozessbeteiligten stellt. 155 Zulässig ist allenfalls die Vereinbarung eines Höchstmaßes. Zudem muss an den Absprachen auf Wunsch auch der Angeklagte selber beteiligt werden, eine Verletzung dieses Anspruchs auf rechtliches Gehör kann andernfalls mit der Revision geltend gemacht werden. 156 Aufgrund des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§ 169 GVG) muss eine solche Absprache auch in der Verhandlung selber offengelegt werden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht hat das BVerfG die Bedeutung des Fairnessgebots und des Willkürverbots hervorgehoben, welche aber einer solchen Absprache nicht notwendigerweise entgegenstehen. 157 Nicht zulässig ist ein echter "Handel mit Gerechtigkeit" in dem Sinne, dass sich das Gericht auf einen "Vergleich im Gewande eines Urteils" einlässt. 158 Dennoch stellt der Deal eine Form einer einvernehmlichen Lösungsfindung dar, die zudem auch nicht auf Einzelfalle beschränkt ist. Dies könnte dafür sprechen, in dem Deal die Auswirkungen einer zunehmenden Hinwendung der Gesellschaft und der Bevölkerung zu verhandlungsorientierten Lösungsansätzen zu sehen. Gerade aufgrund seiner Häufigkeit könnte er ein Anzeichen für einen Wandel darstellen und einen solchen auch positiv unterstützen. Dazu Schünemann, in: MfJ, Absprachen im Strafprozeß, S.26. LandaulEschelbach, NJW 1999,321. 153 BGHSt 38, 102 (104). 154 BeulkelSatzger, JuS 1997, 1073. 155 BGHSt 43, 195 (203). 156 LandaulEschelbach, NJW 1999, 324/325. 157 BVerfG, NJW 1987,2662. 158 So die Formulierung des 1. Strafsenats; vgl. BGH, NJW 1994, 1293. 151

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Ist also der Abschluss eines Deals durch den Drang des angeklagten Bürgers zu einer solchen alternativen Streitbeilegung motiviert? Dies ist zu verneinen. Die Motivation hierfür ist vielmehr in sehr rationalen Überlegungen der Prozessbeteiligten zu finden. So ist zunächst der Angeklagte an einem für ihn möglichst günstigen Urteil interessiert. Auf der anderen Seite stehen die Interessen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft an einer möglichst effektiven Strafverfolgung. Gerade diese Effektivität wird aber oft durch eine Vielzahl von Faktoren negativ beeinflusst. Denn aufgrund der immer komplexer werdenden Lebenssachverhalte und Zunahme an weitgreifenden Tatbeständen wie z. B. der Geldwäsche (§ 261 StGB), treten eine Reihe von praktischen Problemen auf, die die Strafverfolgungsorgane mitunter an ihre Leistungsgrenzen bringen. 159 Dass der Abschluss von informellen Absprachen immer weiter um sich greift, ist folglich vor allem prozessökonomisch motiviert. Letztendlich ist dies auch der Grund, warum die mit dem Strafverfahren verbundene Wahrheitsfindungs- und Aufklärungsfunktion durch den Deal nicht als negativ tangiert anzusehen ist. Denn dieser wird gerade wegen Unaufklärbarkeit der Umstände geschlossen, um den Täter nicht ganz ungestraft davon kommen zu lassen; und diese Funktionen können bei einer Zusammenarbeit mit dem Täter teilweise sogar besser verwirklicht werden. 160 Der Schwerpunkt der Motivation zur Durchführung solcher Deals liegt folglich auf diesen prozessökonomischen Gründen und nicht auf der Idee einer möglichen Hinwendung der Gesellschaft zu kooperativen Verhandlungslösungen. Von einer Art Trend hin zur Selbststeuerung und Selbstverantwortung im Bereich des persönlichen Konfliktverhaltens kann somit im Hinblick auf den strafprozessualen Deal nicht gesprochen werden. bb) Das Aushandeln im Bereich des Zivilrechts Ein anderer Bereich, der hier auf das persönliche Konfliktverhalten untersucht werden soll, ist das Zivilrecht. Zunächst werden die Entwicklungen in diesem Bereich betrachtet, um anschließend nach deren unmittelbaren Auswirkungen auf Staatsebene zu fragen. ( 1) Die zivilrechtliche Privatautonomie

Das im Zivilrecht vorherrschende Prinzip der Privatautonomie legt schon auf den ersten Blick den Gedanken an kooperative Formen der Konfliktlösung nahe. Werden nämlich vertragliche Beziehungen auf der Grundlage dieser Privatautonomie selbstständig und ohne Zuhilfenahme des Staates geregelt und dadurch eine Art privatautonomer Rechtssetzung geschaffen 161, so ist dies auch eine Option für den Fall einer 159 160 161

LandaulEschelbach, NJW 1999,321. Dazu AmboslSteiner, JuS 2001,12. So Langen/eid, Vertragsgestaltung, S. 2.

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Streitigkeit hierüber. Diese Erkenntnis scheint sich mehr und mehr durchzusetzen. So ist gerade im Bereich des Zivilrechts, vornehmlich im Familien- und Wirtschaftsrecht, eine deutliche Zunahme der außergerichtlichen Einigungen zu beobachten. 162 Der damit verbundene Wandel in der Konfliktlösung besteht vor allem in einer Änderung der dem Lösungsversuch zugrundeliegenden Leitlinie. Während dies in einem herkömmlichen Zivilprozess allein das Gesetz ist, stellt sich bei der außergerichtlichen Konfliktlösung der interessengeleitete Gestaltungswille der Parteien als diese richtungsweisende Leitlinie dar. Das Ergebnis kann nach den eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien, ihrem eigenen "materiellen Recht", gestaltet werden. 163 Die rechtlichen Normen treten bei der Ergebnisfindung in den Hintergrund. Somit können Verhandlungen auch erfolgreich sein, ohne dass zwischen den Parteien eine Einigung über die anzuwendenden Normen gefunden wurde. l64 An Stelle des richterlichen Urteils führt nun der selbstverantwortliche Vertrag der Parteien zur Lösung. 165 Es besteht folglich eine Bezogenheit der Mediation auf das nunmehr "selbstgesetzte Recht", welches seine Grundlage in der Privatautonomie hat und folglich auch von Verfassung wegen garantiert ist. 166 Hieraus leitet Haffke 167 die Idee vom Wandel des Rechts ab, den er unter dem Gesichtspunkt der Professionalisierung der Konfliktlösung für notwendig hält. Dieser dürfe aber nicht gegen das Recht vollzogen werden, sondern müsse in der Schaffung eines neuen Rechts enden 168: "Es ist eine Illusion zu glauben (auch wenn ich das anarchisch-romantische Gefühl, das die Quelle solcher Illusionen ist, gut nachvollziehen kann), daß diese neue Kultur des Sich-Vertragens, in deren Dienst sich das Recht stellt, in Front gegen das Recht entwickelt werden kann. Das liefe [... ] letztlich auf die Preisgabe rechtsstaatlicher Errungenschaften, auf eine gewaltige, freiheitsbedrohende Akkumulation von Macht in den Händen sich verbrüdernder Träger formeller und informeller Sozialkontrolle hinaus. Das wäre das Ende der Autonomie. Wer Autonomie der Parteien will und damit der Mediation im Rechtsstaat eine Er- und Überlebenschance eröffnen und sichern will, sollte sich deshalb nicht in eine falsche und verhängnisvolle Frontstellung gegen das Recht treiben lassen. Was wir deshalb nicht brauchen sind Alternativen zum Recht, sondern ein anderes Recht. Nicht im Schatten, sondern im Lichte des Rechts mögen die Parteien fair verhandeln und sich so die ihnen gemäßen, gerechten Lösungen ihrer Konflikte erarbeiten."

162 163

307f.

Sobota, JA 1999,262; siehe auch Hehn/Rüssel, NJW 2001, 347ff. Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.52; Fuller, 44 South California Law Review,

Koch, in: Bierbrauer u. a., Zugang zum Recht, S. 91. Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.53. 166 Haffke, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 65 ff. 167 Haffke, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.108. 168 Was allerdings noch nichts über die unten zu stellende Frage nach der Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs aussagt, da die Schaffung eines neuen Rechts nicht die gänzliche Abschaffung des alten Rechts voraussetzt. 164

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Diese Notwendigkeit der Schaffung eines anderen Rechts in Fonn privater Rechtsschöpfung bringt er dicht mit der Entwicklung zum oben angesprochenen "reflexiven" oder "infonnalen" Recht in Verbindung. 169 Er verweist dabei auf Mnookin und Kornhauser 170, die z. B. die primäre Aufgabe des amerikanischen Scheidungsrechts nicht in einer Order von oben sehen, sondern in der Bereitstellung eines Rahmens, innerhalb dessen die Ehegatten ihre eigenen Verpflichtungen aushandeln können (sog. "private ordering"). Auch Prütting l71 hält einen solchen Wandel weg vom richterlichen Zwang hin zu Kooperation und Konsens für eine Grundströmung unserer Zeit. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Überlegung von Hegenbarth 172, der anmerkt, dass ohne vorherige juristische Beratung das geschriebene Recht in einigen Bereichen wenig bekannt ist und vielmehr ein pseudojuristisches Verständnis dessen bestehe, was man beiderseits verlangen darf. Die Parteien würden sich dann schon selber einigen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die berühmt gewordene Äußerung eines Geschäftsmannes: "Man kann jeden Streit beilegen, wenn man die Juristen [... ] heraushält. Die verstehen einfach nicht das Gesetz des Gebens und Nehmens, das man im Geschäftsverkehr braucht".

Denn im Geschäftsverkehr werden seiner Ansicht nach "Rechte" in Anspruch genommen, die die Rechtsordnung selber gar nicht kennt. Die Konfliktlösung folge keiner vorgegebenen Ordnung, sondern vielmehr einer Art Selbstbestimmung in Fonn des Reziprozitätsprinzips ("Geben und Nehmen"). Somit lassen sich also im Zusammenhang mit dem privaten Konfliktverhalten deutliche Anzeichen für eine Entwicklung hin zu rein verhandlungsorientierten Konfliktlösungsfonnen erkennen, die sich einer direkten rechtlichen Steuerung weitgehend entziehen. Denn maßgeblich ist nicht mehr die vom Staat vorgegebene und vom Richter umgesetzte Leitlinie des geschriebenen Rechts, sondern der eigene Gestaltungswille. (2) Auswirkungen dieser Entwicklungen auf Staatsebene

Hier schließt sich nun aber unmittelbar die Frage an, ob diese Entwicklung im Bereich des persönlichen Konfliktverhaltens des Einzelnen auch tatsächlich unmittelbare Auswirkungen auf der Staatsebene hat, ob sich also das Verhalten der Bürger auch auf das Verhalten des nonngebenden Staates auswirkt und er sich aus diesem Grund von einer direkten Nonnsteuerung weiter entfernt. Die Tatsache, dass diese Entwicklung im Bereich des Zivilrechts der Idee einer Abkehr von einer reinen diHaffke, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die anderes Scheidung, S.67. Mnookin/Kornhauser, 88 Yale Law Journal, 950. 171 Prütting, JZ 1985,263 mwN. 172 Hegenbarth, in: Blankenburg, Alternativen in der Ziviljustiz, S. 260.

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rekten Steuerung durch Recht nahe kommt, spricht allein noch nicht für eine solche unmittelbare Wechselwirkung. Allerdings wird ein solcher Zusammenhang sehr wohl in Erwägung gezogen. So sehen Gisela und Hans-Georg Mähler 173 die Mediation sogar als den Prototypen eines "retlexiven Rechts" und als Ausdruck des kooperativen Staates. Darin könnte somit ein Ansatz der Entwicklung vom formalen Rechtsstaat zum informalen Verhandlungsstaat liegen. Ähnlich äußert sich Gottwald, der darauf hinweist, dass die Mediation als Beitrag zu der von vielen geforderten "Verantwortungsgesellschaft" verstanden wird. 174 Auch in der amerikanischen Literatur wird die Mediation und deren Entwicklungen sehr stark auf staats- und rechtstheoretische Fragen bezogen. So wird z. B. die Mediation dort teilweise gerade mit dem Hinweis befürwortet, dass sie die Politik minimaler staatlicher Intervention fördere ("Von staatlicher Rechtsschöpfung zu privater Rechtsschöpfung").175 Ein solcher Wirkungs zusammenhang zwischen den Entwicklungen im Bereich des persönlichen Kontliktverhalten des Einzelnen und der Entwicklung auf Staatsebene wurde jedoch nie genauer untersucht und begründet. 176 Auch meiner Ansicht nach ist es nicht zwingend, einen solchen Schluss zu ziehen. Dafür findet die außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Privaten zu sehr außerhalb der unmittelbaren Wahrnehmung des Staates statt. Der Trend hin zu verhandlungsorientierten Kontliktlösungsmodellen auf der Ebene des persönlichen Kontliktverhaltens scheint sich vielmehr isoliert zu vollziehen, ohne unmittelbar auf staatliche Entwicklungen zu wirken. Hierfür spricht auch, dass schon bisher ein Großteil der zivilrechtlichen Kontlikte außergerichtlich oder durch Vergleich beigelegt wird 177, ohne dass eine Wahrnehmung des Staates mit der Folge einer Umstrukturierung staatlicher Regelungsmechanismen stattgefunden hätte. (3) Ergebnis

Es ist hier daher festzuhalten, dass trotz der dargestellten Entwicklung auf der Ebene des Zivilrechts hin zu einer vermehrten Anwendung von Verhandlungslösungen hierdurch keine unmittelbaren Auswirkungen auf Staatsebene zu erkennen oder zu erwarten sind. Und dies obwohl der zu untersuchenden Idee einer Abkehr vom direkt steuernden Staat und der außergerichtlichen Kontliktlösung im persönlichen Bereich derselbe Gedanke zu Grunde liegt, nämlich der Versuch, sich vom Recht als reiner Unterwerfungs anordnung zu lösen und einer verhandlungsorientierten Vorgehensweise den Vorzug zu geben. Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 21/22. Gottwald, WM 1998, 1260. 175 Folberg/Milne, in: Folberg/Milne, Divorce Mediation, S. 9. 176 Raiser, Das lebende Recht, S.306. 177 Siehe unter Punkt C.II.l. b) bb). 173

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Eine andere Frage ist, ob sich nicht durch die Zunahme solcher Verhandlungslösungen im persönlichen Bereich auch Veränderungen im Rahmen der Anerkennung staatlicher autoritärer Regelungen von Seiten der Bürger vollziehen. Dieser Frage soll jedoch erst unten nachgegangen werden. Hier ging es allein um solche möglichen Auswirkungen, die unmittelbar von der objektiven Entwicklung ausgehen und Veränderungen auf der Staatsebene hervorrufen könnten.

b) Entwicklungstendenzen auf Staatsebene Nachdem für den Bereich des persönlichen Konfliktverhaltens keine zwingenden unmittelbaren Auswirkungen auf die Entwicklungen auf der Staatsebene festgestellt wurden, soll im Folgenden nun nach Hinweisen gesucht werden, ob sich ein Wandel weg von einer direkten Steuerung durch Recht denn möglicherweise direkt auf der Ebene des Staates feststellen läßt. aa) Der "kooperative Staat" Zu dieser Frage nach einem solchen möglichen Wandel auf Staatsebene hat sich Röhl 178 ausführlich geäußert. Obwohl er die oben beschriebene Theorie von der beeinträchtigten Steuerungsfahigkeit des traditionellen Rechtssystems als Grund für einen eventuellen Wandel hin zu einer bloßen mittelbaren Einflußnahme des Rechts ablehnt, stellt er einen solchen Wandel im Staatsbild als momentanen Trend fest. Der Gesetzgeber verteile vermehrt Rege1ungskompetenzen an soziale Organisationen (z. B. Tarifhoheit der Gewerkschaften) und Verwaltungs behörden und beschränke sich auf bloße Zielvorgaben, wie z. B. die Erhaltung des Wettbewerbs oder die Verkehrssicherheit. Die Mittelauswahl bleibt somit offen. Über die sozialen Organisationen werde dann auch den Bürgern die Möglichkeit eröffnet, an der Entscheidungsfindung teilzuhaben. Damit stellt sich eine Entwicklung dar, weg vom Befehlsmodell des Rechts und dem Bürger als unmittelbarem Normadressaten, wie sie auch schon oben als Lösungsansatz für die Steuerungsproblematik dargestellt wurde. Trubek 179 nennt dies "the negation of the idea of the rule of law", also die Ablehnung der Idee des Anordnungscharakters des Rechts. In diesem Zusammenhang weist Röhl 180 auch darauf hin, dass eine solche Entwicklung auf der Ebene der Staats- und Verwaltungslehre schon bekannt ist, und er leitet damit über zum Begriff des "kooperativen Staates"181. Dies ist ein Staat, der sich mit verschiedenen Gruppen in Zusammenarbeit verbindet, der Großunternehmen, Oligopolen und organisierten Gruppen Zugang zu seinen EntscheidungsvorRöhl, Rechtssoziologie, S. 558 ff. Trubek, Michigan Law Review 82/2, 825. 180 Röhl, Rechtssoziologie, S. 558 ff. 181 Hierzu ausführlich Voigt (Hrsg.), Der kooperative Staat, Baden-Baden 1995.

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gängen gewährt und der demgemäß die Gruppenmeinungen und Gruppeninteressen als bewegende Kraft der Gemeinwohlprozesse in der pluralistischen Demokratie anerkennt. Der kooperative Staat ist ein Staat, der sich der Träger sozialer und ökonomischer Macht zur Umsetzung seiner Ziele bedient und der öffentliche Aufgaben zur kooperativen Erledigung mit eben diesen Machtträgern "vergesellschaftet": 182 "Die Veränderungen des sozialen Umfeldes führen zu weitreichenden Konsequenzen für das Staatsbild. Sie signalisieren den Weg von der regulativen Steuerung zur partnerschaftlichen Übereinkunft, von der zentralen Weisung zur dezentralen Koordination, von der Normsetzung zur Überzeugung, vom Einsatz hoheitlicher Machtmittel zum multilateralen Prozeß der Zusammenarbeit. Sie führen zum Bild vom kooperativen Staat."183

Vieles spricht dafür, dass ein übergreifender Trend zur Umstrukturierung des gesamten gesellschaftlichen Problembewältigungs- und Konfliktregelungssystems abzeichnet. Zu den zentralen Stichwörtern zählen dabei Entstaatlichung und Enthierarchisierung und eine Rückverlagerung von Regelungskompetenzen vom verrechtlichten bürokratischen Staat in die Gesellschaft. 184

bb) Beispiele Eine Tendenz in diese Richtung lässt sich schon in der derzeitigen Politik der sozialdemokratischen Bundesregierung erkennen. Diese versucht in einer Vielzahl wichtiger gesetzgeberischer Fragen vor Erstellung eines Gesetzesentwurfs außerparlamentarisch einen Konsens mit den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen herbeizuführen, um eine spätere Blockade durch die im Parlament sitzenden Interessenvertreter dieser Gruppe zu verhindern (Beispiel: "Atornkonsens"). Die Willensbildung findet aber dadurch nicht mehr innerhalb der dafür vorgesehenen Staatsorgane statt, sondern auf einer Ebene zwischen Staat und Gesellschaft. 185 Vor allem auch im Verwaltungsrecht lassen sich Tendenzen weg von einer direkten Steuerung durch Recht sehr deutlich ausmachen. Neben kooperativen Elementen in der Normsetzung, wie z. B. Bürgerbeteiligungen (formale Kooperation), stellen Verhandlungslösungen gerade auch in der heutigen Verwaltungspraxis eine gängige Vorgehensweise dar (informale Kooperation). 186 Diese informale Kooperation Ritter, AöR 104/3,408/409. Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfahigkeit des Rechts, S. 73; Ritter ist auch schon früh als Fürsprecher des kooperativen Staates in Erscheinung getreten (Ritter, AöR 104/3, 389ff.). 184 SaretzkilKleinlKuleßa, im Editorial des Forschungsjournals Neue soziale Bewegungen, Jahrgang 10, Heft 4, S. 5. 185 Zu den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Problemen siehe unten unter Punkt C. 11. 2. b) aa). 186 Vgl auch Hesse, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, S. 97 ff. (v. a. S. 111). 182 183

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C. Vom Nonnensystem zum Verhandlungssystem

erweist sich in vielen Fällen als sinnvolle Ergänzung zur formalen Kooperation. 187 So werden z. B. Verwaltungsakte teilweise vorher abgesprochen oder es werden an ihrer Stelle öffentlich-rechtliche Verträge (§§ 54ff. VwVfG) abgeschlossen. Auch werden zunehmend statt formaler lediglich informale Verfahren durchgeführt. Als Beispiel lässt sich hier der "comfort letter"188 aus dem Bereich des Wettbewerbsrechts anführen. Durch ihn bringen die Kartellbehörden gegenüber einem Unternehmen ohne Bindungswirkung zum Ausdruck, dass sie unter den gegebenen Voraussetzungen nicht gegen deren Wettbewerbshandlungen einschreiten werden. Damit erhält das Unternehmen ohne ein formales Verfahren eine Planungssicherheit und kann zudem die Grenzen der Zulässigkeit für ein angestrebtes Verhalten ausloten. Auch im Umweltrecht ist ein solcher Übergang zu vermehrtem informellen Verwaltungshandeln zu beobachten. 189 Zum Teil werden Absprachen zwischen dem Staat und der Industrie getroffen, in denen sich die Betriebe zu einer bestimmten Verhaltensweise verpflichten und der Staat dafür zunächst auf eine ordnungsrechtliche Regelung verzichtet. 190 So hat z. B. die deutsche Automobilindustrie im Rahmen einer solchen Selbstverpflichtung zugesagt, den Treibstoffverbrauch neu zugelassener Personenkraftwagen bis zum Jahr 2005 um 25 % gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern. 191 Ausgangspunkt war hier eine Initiative der EU-Kommission im Jahre 1991, deren Ziel eine deutliche Reduzierung des durch die Verbrennung entstehenden Kohlendioxyds (C02) war. So nahm die Bundesregierung diesen Gedanken der Kommission auf und prüfte die Möglichkeit einer C0z-Steuer, um hierdurch Lenkungseffekte zu erzielen. Die Wirtschaft trat daraufhin in Gespräche mit der Bundesregierung ein um zu verhindern, dass zum Zwecke der Schadstoffreduzierung eine solche gesetzliche Regelung geschaffen wird. Sie bot vielmehr freiwillige Lösungen an, was im Ergebnis zu der genannten Absprache führte. Ähnliche Absprachen im Bereich des Umweltrechts traf die Bundesregierung mit der Wirtschaft auch bezüglich der Altautorücknahme, des Altpapierrecyclings, des Ersatzes von Asbest in Zementprodukten und zur Erhaltung des Mehrwegbehältersystems. 192 Aber auch in anderen Bereichen finden sich Beispiele für solche Absprachen, die eine gesetzliche Regelung durch den Staat überflüssig machen. 193 Zu der steigenden Bedeutung solcher informellen Verfahrensarten hat sich dann auch das BVerwG 194 geäußert: ,,[I]nfonnale Verfahrens weisen sind nützlich und geboten, um einen sachgerechten Verfahrensablauf zu ennöglichen." 181 Für den Bereich der Mediation in Konflikten der Umweltpolitik siehe Zilleßen, in: ZilleBen, Mediation, S. 55. 188 Emmerich, Kartellrecht, S.474/475. 189 Volkmann, JuS 2001, 523. 190 Dazu Fluck/Schmidt, Verwaltungs archiv 89, 220ff. 191 Siehe Hager, Konflikt und Konsens, S. 128. 192 Ausführlich hierzu Köpp, Nonnvenneidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, S. 28 ff., der diesen Bereich einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung unterzieht. 193 Siehe Köpp, Nonnvenneidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, S. 39 ff. 194 BVerwGE 75, 214 (231).

11. Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs?

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Eine Tendenz zur Beteiligung der Nonnadressaten in Fonn einer Kooperation ist daher auch auf Staatsebene unverkennbar. Dies kann auch hier als ein Anzeichen für einen Wandel weg von einer direkten Steuerung durch Recht gesehen werden. 3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann an dieser Stelle somit Folgendes festgehalten werden: Aufgrund von Steuerungsproblemen des Rechts stellt sich ein Wandel weg von einer direkten Steuerung durch Recht von Seiten des Staates als vorteilhaft dar, auch wenn sicherlich noch nicht von einem tatsächlichen Steuerungsversagen gesprochen werden kann. Die Tendenz eines solchen Wandels lässt sich auch auf Staatsebene erkennen. Ob sich ein solcher Wandel tatsächlich vollziehen wird, ist jedoch nicht genau vorhersagbar. Allerdings kann dies auch hier dahingestellt bleiben, da es sich dabei eher um eine rechtssoziologische Fragestellung handelt. Hier war für die nun im Folgenden zu beantwortende rechtstheoretische Frage nach der Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs alleine wichtig, ob ein solcher Wandel weg von einer überwiegend direkten Steuerung durch Recht überhaupt als möglich in Betracht zu ziehen ist und welche Gründe hierfür ausschlaggebend sein könnten.

11. Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs? Im Folgenden soll nun der rechtstheoretischen Frage nachgegangen werden, ob die oben dargestellte mögliche Entwicklung hin zu einer Abwendung von einer überwiegend direkten Steuerung durch Recht nicht als notwendige Konsequenz zu einer Aufgabe des traditionellen Rechts mit seinem System abstrakt-genereller Regelungen führen müsste. Bei der Beantwortung dieser Frage soll es zunächst um das "Motivationsproblem" gehen, also darum, inwieweit im Rahmen eines oben dargestellten Wandels Steuerungsversuche des Staates durch regulatives, also ergebnisgerichtetes normiertes Recht von den Adressaten (Bürgern) noch akzeptiert und befolgt werden würden. 195 Ansatzpunkt ist hier die Überlegung Raisers l96 , wonach Nonnen dann anerkannt werden, wenn sie Überzeugungskraft entfalten, die auf ihrer Übereinstimmung mit den Interessen, vor allem aber mit dem Rechtsgefühl und dem Rechtsbewusstsein der Betroffenen beruht. Ein solcher Grund, der vom Willen der Bürger zur Befolgung unmittelbar regulierend wirkenden Rechts abhängt, lässt sich als subjektiver Grund klassifizieren. Dieses Rechtsbewusstsein der Nonnadressaten könnte sich nun aufgrund der oben dargestellten Zunahme von ausgehandelten Lösungen dahingehend verändern, dass nach und nach ein immer höherer Anspruch 19l 196

Mayntz, in: Ellwein, Jahrbuch 1987, S. 96. So Raiser, Das lebende Recht, S. 351.

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auf Selbstbestimmung erhoben wird. Als Folge hiervon würden dann möglicherweise nur noch solche Ergebnisse akzeptiert, die selbst ausgehandelt wurden und nicht von einer abstrakten Rechtsordnung vorgegeben sind. Hierin erschöpft sich das Motivationsproblem jedoch keineswegs. So hat Raiser 197 auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anerkennung einer Norm ferner auf ihrer Zweckmäßigkeit oder auch nur auf der Einsicht in ihre Notwendigkeit (Akzeptabilität) beruht. Es kommt also auch auf objektive Gesichtspunkte für die Beibehaltung des regulatorischen Rechts an, die dem Bürger plausibel gemacht werden können und müssen, damit dieser zur Akzeptanz des regulatorischen Rechts bewogen wird. Eine Norm gilt dabei laut Raiser als akzeptabel, wenn sie mit guten, für jedermann einsehbaren Gründen gerechtfertigt werden kann. Im Ergebnis läuft zwar auch dies auf die subjektive Einstellung der Bevölkerung hinaus, aber doch nur mittelbar über die Plausibilität des Arguments. Ausgangspunkt ist in diesen Fällen ein objektiver, also ein von der Einstellung der Bürger unabhängiger Gesichtspunkt. An dieser Stelle wird somit eine Verbindung zwischen objektiven und subjektiven Gründen hergestellt.

1. Rechtsbewusstsein Wie eben bereits gesagt, kommt bei der Frage nach der Akzeptanz von Normen vor allem dem Rechtsbewusstsein der Normadressaten eine große Bedeutung zu, welches als subjektiver Grund bezeichnet wurde. Nur wenn die Normen auch dem Rechtsbewusstsein der Adressaten entsprechen, ist deren Anerkennung zu erwarten. Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede einzelne Missbilligung durch den Normadressaten auch dazu führt, dass diese Normen aufgegeben werden müssen. Andernfalls ließe sich kein System von Rechtsvorschriften in einer Gesellschaft etablieren, da eine hundertprozentige Übereinstimmung aller Bürger mit jeder einzelnen Norm nicht erreichbar ist. Erst wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird, bei der sich das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung evident von den Wertungen des Normensystems unterscheidet, kann dieses System nicht mehr gegen den Willen der Bürger aufrechterhalten werden. Denn Zwang ist insoweit kein generelles, sondern nur ein im Einzelfall einsetzbares Herrschaftsmittel. 198 Diese Grenze, an der sich der betroffene Bürger nicht mehr fügt, sondern sich zur Wehr setzt, ist jedoch sehr hoch und relativ gut abschätzbar, so dass die Grenzen rechtlicher Regelungsfähigkeit gesellschaftlicher Tatbestände mit Hilfe von Macht, die sich auf positives Recht stützt, sehr weit gezogen werden können. 199 Hält der Staat also das traditionelle System weiterhin für sinnvoll, so müsste er sich nicht in jedem Fall dem eventuell geänderten Rechtsbewusstsein der Bevölkerung anpassen, sondern könnte sein System weiter beibehalten, ohne dass er Ungehorsam fürchten müsste. Raiser, Das lebende Recht, S. 351. Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 142. 199 Vgl. Röhl, Rechtssoziologie, S.405.

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Fraglich ist also nun, ob sich im Rahmen des oben als möglich dargestellten Wandels eine so gravierende Veränderung im Rechtsbewusstsein vollzieht oder vollziehen könnte, dass diese eben beschriebene Grenze überschritten würde und das traditionelle Normensystem mit seinen abstrakt-generellen Regelungen gänzlich aufgegeben werden müsste, da eine bloße Änderung der Regelungsinhalte nicht mehr ausreichen würde. Da es im Folgenden auch um die Frage geht, ob sich Verhandlungslösungen und materielles Recht gegenseitig in ihrer Anwendung ausschließen, beschränkt sich meine Darstellung auf solche Mediationsvorhaben, bei denen es um eine Materie geht, die auch in Normen kodifiziert ist, wenn das Konfliktfeld also "gesetzlich durchwirkt [. . .] und das Ziel auf eine rechtliche verbindliche Vereinbarung gerichtet ist". 200 a) Veränderungen im Rechtsbewusstsein? Die Zunahme an kooperativen Lösungen, wie sie oben 201 sowohl für die Staatsebene als auch für das persönliche Konfliktverhalten beschrieben wurde, könnte dazu führen, dass nunmehr nur noch ein solches ausgehandeltes Ergebnis akzeptiert wird und keines mehr, welches aus einer vom Einzelfall unabhängigen Rechtsordnung herrührt. Ausgangspunkt ist hier die Überlegung, dass das traditionelle Recht mit seinen abstrakt-generellen Regelungen aus Sicht der Bürger möglicherweise seine Legitimität verliert, da dessen Befolgung im Einzelfall als nicht mehr zwingend angesehen werden könnte. Nimmt die Zahl von ausgehandelten Ergebnissen zu und wird somit in Konflikten das traditionelle geschriebene Recht immer seltener umgesetzt, so kann dessen Geltung dem Bürger möglicherweise ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr plausibel gemacht werden. So weist auch Bruneeo2 darauf hin, dass ausgehandelte Kompromisse, die das geschriebene Recht umgehen, das Verhalten der Bürger dahingehend verändern, dass dieses geschriebene Recht für sie immer mehr seine Bedeutung verliert. Er sieht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass im Laufe dieser Entwicklung den Bürgern dann keine einheitlichen gesellschaftlichen Werte mehr vermittelt werden können. "Real Rules" - so auch die Ansicht von Llewellyn 203 - würden bei einer Umgehung des geschriebenen Rechts irgendwann zu bloßen "Paper Rules" und jegliche gesellschaftliche Akzeptanz würde ihnen verloren gehen. Zudem wurde festgestellt, dass ein - wenn auch nur scheinbar - von allen gebrochenes Gesetz in der Folge als illegitim betrachtet und eine entsprechende GesetzesMähler/Mähler, in: BreidenbachlHenssler, Mediation für Juristen, S.15/16. Siehe oben unter Punkt C. I. 202 Brunet, 62 Tulane Law Review, 15ff. 203 Llewellyn, 30 Columbia Law Review, 449 f.

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änderung verlangt wird. 204 Die wiederholte Nichtbefolgung einer Norm hat also auch Auswirkungen auf deren Akzeptanz in der Bevölkerung. Nichts anderes als eine solche Nichtbefolgung stellt aber die Regelung von Konflikten durch Verhandlungslösungen dar. Auch hier wird eine Vorschrift bewusst nicht angewandt bzw. befolgt, sondern es tritt "selbstgesetztes Recht" an die Stelle des geschriebenen Rechts. Dies könnte hier für eine abnehmende Akzeptanz dieser Normen im Laufe der Entwicklung sprechen. Der Bürger könnte in diesen Situationen vielmehr erwarten, dass sich die Lösung seines Konflikts allein nach dem richtet, was er in diesem Fall als angemessenes Ergebnis ansieht. Denn der Wert einer Konfliktlösung misst der beteiligte Bürger nicht an der Verwirklichung von Rechtspositionen, sondern von Interessen. 205 Gerade dieser Gedanke der Selbstbestimmung liegt auch der Mediation zugrunde und wird durch sie gefördert. 206 Solche wachsenden Ansprüche auf Selbstbestimmung könnten den Widerstand gegen jede Art von abstrakter Verhaltensnormierung zunehmen lassen. 207 Auch Stürner208 weist darauf hin, dass der fortlaufend geübte Kompromiss negative Auswirkungen auf das Verhalten der Bürger im Hinblick auf die Befolgung von Verhaltensregeln hat. In letzter Konsequenz könnte dies gerade dazu führen, dass die Bürger eben gerade auf einer solchen selbstbestimmten Konfliktregelung bestehen und einer aus Normen abgeleiteten Konfliktentscheidung die Befolgung verweigern. Allerdings ist zu beachten, dass das geschriebene Recht nicht so leicht zu überwinden ist. So hat schon Hobbes festgestellt, dass allein durch die Tatsache, dass ein Gesetz von der Staatsautorität erlassen wurde, dieses unabhängig von dessen Regelungsgehalt als gültig angesehen wird ("Autoritas, non veritas facit legern ").209 Dieser Gedanke lässt sich aber nicht nur für die Gültigkeit eines Gesetzes formulieren, sondern nach Röhl 2IO auch auf die Frage nach der Akzeptanz eines Gesetzes in der Bevölkerung erweitern: Was die Parlamente beschließen, und was die Behörden entscheiden, wird schon richtig sein, denn dafür sind diese Stellen da. Dieser Vertrauensvorschuss in die Gesetze muss somit zunächst im Rahmen des Wandels überwunden werden. Dies lässt eine solche Entwicklung zwar als mit Schwierigkeiten verbunden erscheinen, spricht aber noch nicht gegen einen solchen Wandel.

204 Vgl. Lamnek/Schäjer, in: Haft u. a., Bausteine zu einer Verhaltenstheorie des Rechts, S.160. 205 Breidenbach, in: BreidenbachjHenssler, Mediation für Juristen, S.5. 206 Vgl. oben unter Punkt B. 111. 2. 207 Mayntz, in: Ellwein, Jahrbuch 1987, S. 98. 208 Stürner, JR 1979, 135. 209 Zitiert nach Liebs, Lat. Rechtsregeln, S. 32. 210 Röhl, Rechtssoziologie, S. 180.

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b) Bedenken

Allerdings begegnen diese Überlegungen, die für die Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Normensystems angeführt wurden, ernsten Bedenken. aa) Vorhandensein indisponiblen Rechts So gibt es zwingende gesetzliche Regelungen, die nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegen. Von ihnen kann somit auch nicht im Rahmen privatautonomer Verhandlungen abgewichen werden. Die Parteien müssen in diesen Fällen vielmehr das geschriebene Recht befolgen und dürfen es nicht missachten und anstelle dessen ihr "selbstgesetztes Recht" anwenden. Beziehen sie jedoch somit das geschriebene Recht zumindest teilweise mit ein, so spricht dies gegen die Überlegung, dass durch konsequente Nichtbeachtung gesetzlicher Normen deren Akzeptanz verloren geht und diese in der Zukunft als nicht mehr verbindlich angesehen werden. Die Parteien sind sich folglich zumindest eines Mindeststandards an geschriebenem Recht bewusst, so dass die oben beschriebene Entwicklung sich nicht problemlos vollziehen kann. Dass im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG vom 07.07.1999 durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 in dem wichtigen Bereich des Verbraucherkaufrechts ein Großteil der bisher disponiblen Gewährleistungsregelungen zu zwingendem Recht erklärt wurden (vgl. nunmehr §475 BGB), verstärkt dieses Argument. Allerdings besteht trotzdem die Möglichkeit, dass sich die Parteien bewusst über diese zwingenden Normen hinwegsetzen und ihre Konflikte trotz Vorhandensein einer solchen einschlägigen Vorschrift autonom regeln. Solange der so beigelegte Konflikt nicht vor Gericht gelangt, mag die gefundene Regelung für die Parteien auch ihre Gültigkeit besitzen und eventuell die beschriebene Abkehr vom geschriebenen Recht fördern. Diese Gültigkeit innerhalb der Parteibeziehung beruht dann jedoch allein auf dem Einvernehmen der Beteiligten. In rechtlicher Hinsicht fehlt es hingegen an der Wirksamkeit, sofern das geschriebene Recht eine andere Regelung zwingend vorsieht. 211 Eine abgesprochene Übereignung kann z. B. aufgrund fehlender Formalitäten unwirksam sein, so dass die ursprüngliche Rechtslage trotz entgegenstehendem Willen weiterbesteht. Einem privatautonomen Handeln zwischen den Parteien unter Missachtung sämtlicher Normen würde somit in vielen Fällen jegliche Rechtssicherheit fehlen. Aus diesem Grund dürfte ein Außerachtlassen zumindest der indisponiblen Normen von den Parteien nicht zu erwarten sein. Beziehen sie jedoch weiterhin das vorgegebene geschriebene Recht zumindest zum Teil in ihre Verhandlungen mit ein, so spricht dies gegen den oben angespro211

Dazu ausführlich Larenz, BGB AT, S. 31.

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chenen Verlust jeglicher Akzeptanz im Bezug auf die Rechtsordnung. 212 Allein für den Fall, dass im Rahmen der dargestellten Entwicklung weg von einer direkten Steuerung durch Recht doch auf solche zwingenden Normen irgendwann verzichtet würde, wäre dieses Argument für die weitere Entwicklung hinfällig. Dies ist jedoch aus später noch näher zu erläuternden Gründen sehr unwahrscheinlich. 213 bb) Erwartungshaltung der Bürger Als weiteres Argument lässt sich auch die Erwartungshaltung der Bürger gegenüber dem Staat anführen. So wurde für die Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Normensystems damit argumentiert, dass dem Bürger die Geltung einer vom Einzelfall unabhängigen, vorgegebenen Regelung nicht mehr plausibel gemacht werden kann, da der Bürger bezüglich seiner Konflikte einen Anspruch auf Selbstbestimmung erhebt. Er will sich somit keiner gesetzlichen Regelung unterwerfen. Nun sind aber auch Situationen denkbar, in denen der Bürger gar kein Interesse an einer selbstgestalteten Regelung hat und diese lieber dem Staat überlässt. Denn eine eigenverantwortliche Selbstregulierung bedarf eigenen Engagements und einer Auseinandersetzung mit der Konfliktsituation. Müsste der Bürger alle im täglichen Leben auftretenden Situationen in dieser Weise selbständig regeln, so wäre er schnell überfordert. Gerade in vielen Bereichen des täglichen Lebens, die dem Bürger als nicht so bedeutend erscheinen und wo keine grundlegenden Interessen involviert sind, wird der Bürger gar nicht auf einer solchen Selbstbestimmung bestehen wollen. Er wird vielmehr vom Staat erwarten, dass dieser für solche Situationen eindeutige Regelungen trifft. Dies wird vor allem in Bereichen hoheitlicher Verhaltensregelungen der Fall sein, wie z. B. dem Straßenverkehr oder Ähnlichem. Außerdem sorgt das Vorhandensein von eindeutigen Regelungen für Rechtssicherheit. Der Bürger kann genau abschätzen, was ihn erwartet und auf welche Regelungswirkungen er sich verlassen kann. Dagegen ist er im Rahmen einer Selbstregulierung für die Bewältigung von Konfliktsituationen selber verantwortlich, ohne deren Ausgang abschätzen zu können. Das Recht dient dem Bürger somit auch als Wegweiser und Orientierungshilfe, die er braucht, um sich seiner Rechte bewusst zu werden. Ihr Wegfall könnte eine Situation entstehen lassen, in der niemand mehr genau weiß, wo er in rechtlicher Hinsicht steht oder wie er seine Interessen verwirklichen kann. 214 Unter Umständen braucht der Bürger das vorgegebene Recht auch im Verhältnis zu einem anderen Bürger, also im Bereich des Zivilrechts. So eröffnen die aus der Rechtsordnung stammenden subjektiven Rechte des Einzelnen die Möglichkeit, nicht verhandeln und sich nach dem Reziprozitätsprinzip verhalten zu müssen. 215 Dies muss auch Brunet anerkennen; vgl. Brunet, 62 Tulane Law Review, 19. Dazu unten unter Punkt C. 11. 214 Fuller, 44 South Califomia Law Review, 328. 215 Röhl, Rechtssoziologie, S. 163.

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Dies kann dann vorteilhaft sein, wenn sich das Verhandeln im Einzelfall als schwierig erweist. Vor allem in Situationen, in denen wenig soziale Beziehungen bestehen oder diese von geringer Komplexität sind, ist dies der Fall. Denn eben aufgrund der geringen sozialen Bindung zueinander außerhalb des aktuellen Kontliktpunkts bestehen kaum Ausgleichsmöglichkeiten und anderweitige aufeinander bezogene Interessen, die man einbeziehen könnte, um eine Win-win-Situation herzustellen. 216 Solche Kontlikte bezeichnet Gessner 217 als "normbezogene Kontlikte", im Gegensatz zu personen- und rollenbezogenen. Sie führen eher zu Nullsummenspielen, da nach deren Abschluss keine weiteren Beziehungen zueinander fortbestehen. Somit versucht jeder in diesem Moment so viel Gewinn wie möglich zu erzielen, da spätere Vorteile nicht mehr zu erwarten sind. Verhandeln ist zwar nach Röhl auch in solchen Situationen sinnvoll, doch wird dies oft nicht gewollt sein. 218 Somit gibt es also noch Situationen, in denen die Bürger gar nicht verhandeln wollen, sondern gerade das Gesetzesrecht (Normen) als Kontliktlösung vorziehen. Sie wollen dann ihre gesetzlichen Rechte gewahrt wissen und sind folglich auf eine gerichtliche Auseinandersetzung aus. 219 Dies spricht dann aber gegen die Annahme, dass die Bürger ein Ergebnis, welches aus einer vorgegebenen Rechtsordnung stammt, nicht mehr akzeptieren würden. Zudem ist auch fraglich, ob ein solcher Anspruch auf Selbstbestimmung vom Bürger tatsächlich für alle Bereiche des Lebens geltend gemacht wird, selbst wenn im Rahmen des oben dargestellten Wandels weg vom direkt regulierenden Staat die kooperative Kontliktlösung zunehmen wird. So ist ein privatautonomes "AushandeIn" doch vor allem im Zivilrecht anzutreffen, also im Verhältnis der Bürger untereinander. Zwar finden sich, wie oben dargestellt220 , auch im Bereich des öffentlichen Rechts einige Ansätze kooperativer Kontliktlösung, doch liegt deren Schwerpunkt schon allein deshalb auf der Ebene des Privatrechts, weil dort durch das Prinzip der Privatautonomie die besten Voraussetzungen für solche Formen der Kontliktlösung bestehen. Im Gegensatz dazu ist die kooperative Kontliktlösung, z. B. im Verwaltungsbereich, meist in letztlich hoheitlich zu verantwortendes Verwaltungshandeln integriert. 221 Nicht in dieses Schema passt jedoch der strafprozessuale Deal, der nicht dem Bereich des Zivilrechts angehört und dennoch in großem Umfang praktiziert wird. Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass dieser vor allem prozessökonomisch motiviert ist und weniger auf dem Willen der Parteien zu einer kooperativen Kontliktlösung beruht. 222 Es liegt somit nahe, davon auszugehen, dass der Bürger vor alVgl. Röhl, Rechtssoziologie, S.460. Gessner, Recht und Konflikt, S. l70ff. 218 Röhl, Rechtssoziologie, S.460. 219 Vgl. Goldberg/Sander/Rogers, Dispute Resolution, S. 172. 220 Siehe oben unter Punkt c.1. 2. b). 221 Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 17 mwN; Mähler/ Mähler, NJW 1997, 1264 (Fn. 9). 222 Siehe dazu oben unter Punkt C.1. 2. a) aa). 216

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lern in Bereichen, die der Privatautonomie unterliegen, einen Anspruch auf Selbstbestimmung stellt, während dies in Bereichen, die sich durch subordinative Regelungen auszeichnen, nicht so sehr der Fall sein wird. Betrachtet man nun isoliert diesen Bereich der Privatautonomie als Hauptanwendungsfeld kooperativer Konfliktlösungen, so fällt auf, dass selbst dort nicht von einer absoluten Inakzeptanz gegenüber gesetzlichen Regelungen gesprochen werden kann. Und dies, obwohl in diesem Bereich schon heute eine Vielzahl der gerichtlichen Streitigkeiten durch Vergleiche erledigt wird 223 und es in einem Großteil der Konflikte oder es gar nicht erst zu einem Prozess kommt, weil man sich schon vorher außergerichtlich geeinigt hat 224 • Trotzdem ist hier keine dezidierte Ablehnung des geschriebenen Rechts zu beobachten. Es werden sehr wohl noch Ergebnisse akzeptiert, die einer objektiven, vom konkreten Konflikt abstrakten Rechtsordnung entspringen. Dies mag unter anderem auch an den eben genannten Argumenten liegen. Auch in den USA, wo 90 % aller zivil- und strafrechtlichen Fälle außerhalb des Gerichtssaals gelöst werden, ist eine solche Ablehnung nicht zu erkennen. 225 cc) Geschriebenes Recht als Rückhalt in Verhandlungen Während sich die eben genannten Punkte im Wesentlichen auf besondere Konstellationen beziehen, handelt es sich im Folgenden um grundsätzliche Bedenken gegen einen Wandel im Rechtsbewusstsein der Bürger aufgrund der Zunahme von Verhandlungslösungen. Zwar ist das Hauptaugenmerk in der Mediation auf die Wahrnehmung persönlicher Interessen, die Erfüllung von Grundbedürfnissen und auf Zukunftsgestaltung gerichtet, es ist jedoch zu beachten, dass rechtliche Ansprüche Teil der Realität sind und somit Wirkungen entfalten. 226 Unsere Gesellschaft ist auch auf individuelle Rechte ausgerichtet. 227 Welche Bedeutung ihnen die Parteien nun im Einzelfall genau zumessen, hängt zwar von vielerlei Umständen ab, sie können jedoch nicht einfach völlig missachtet werden. Je besser sie aber auf eine konkrete Interessenposition passen, je höher also ihr Gerechtigkeitsgehalt für eine Partei ist, um so eher mögen sie auch für diese Parteien als Ressource richtungsweisend sein. 228 Wird nun ein Ergebnis unabhängig vom geschriebenen Recht ausgehandelt, so besteht für jede Partei die Möglichkeit, ihr in der Verhandlung erzieltes Ergebnis hieran zu messen und somit dem geschriebenen Recht für sich selbst Bedeutung zu verleihen. Da im Regelfall jede Partei an einer Maximierung ihres Gewinns interes223

224 22l

226 227 228

Voigt, in: Voigt, Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 35. Haft, BB 1998 Beil. 10, 16. Vgl. Menkel-Meadow, 33 VCLA Law Review, 502. Montada, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S. 37. Sato, 34 VCLA Law Review, 515. Mähler/Mähler, FPR 1996, 18.

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siert ist, ist ein solcher Abgleich zwischen dem nach der Gesetzeslage Möglichen und dem durch die Verhandlungen tatsächlich erzielten Ergebnis zu erwarten. Vor allem wenn in dem konkreten Konflikt auch Rechtskundige (v. a. Anwälte) den Parteien zur Seite stehen, wird sich die Rechtslage kaum mehr aus dem Blickfeld der Parteien verdrängen lassen. 229 So wird in der Praxis das Recht auch häufig mit als Standard genommen und nur dort davon abgewichen, wo besondere Gründe dagegen sprechen, wie z. B. die offensichtliche Unbilligkeit oder Beweisschwierigkeiten. 230 Gerade die Partei, der ein rechtlicher Anspruch zusteht, wird kaum ein solches ausgehandeltes Ergebnis bevorzugen, wenn dieses nicht zumindest die rechtlichen Positionen berücksichtigt, indem es sie widerspiegelt oder gegen "Gegenleistungen" eintauscht. Außerdem kann das Gesetzesrecht auch der Stärkung der persönlichen Interessen dienen. Es kann Ideen beflügeln, welche Gründe und Argumente für die eigenen Interessen sprechen, da in den Gesetzen bestimmte Wertungen und Ideen enthalten sind. 231 Neigt eine schwächere oder mit weniger Verhandlungsmacht ausgestattete Partei eher zur Anpassung an die Argumente und Vorschläge des anderen, so kann die Berufung auf das Recht dieser Partei den Rücken stärken, seine Interessen in der Verhandlung besser wahrzunehmen und zu behaupten. 232 Somit wird das geschriebene Recht oft für die schwächere Partei als Machtmittel 233 gewollt sein. Darüber hinaus bestimmen die rechtlichen Positionen auch die Handlungsmöglichkeiten für den Fall, dass man sich nicht einigt (sog. "Nichteinigungsalternative" oder "Ausstiegsalternative"). 234 Dieses Festlegen einer solchen Alternative und die damit verbundene Verhandlungsmacht sind ein wichtiger Bestandteil des sachbezogenen Verhandeins. 235 Deshalb werden die verhandelnden Parteien diese Alternative immer im Auge behalten und auch aus diesem Grund das Recht nicht aus dem Blickfeld verlieren. Zudem findet ein Mediationsverfahren schon seinem Ansatz nach erst nach gescheiterten Verhandlungen statt. Die Parteien haben dann aber zumeist schon die Rechtslage über Anwälte prüfen lassen, so dass sie in der späteren Mediation nur schwerlich hierüber hinwegsehen können. 236 Dies sagt zwar noch nichts über die Bedeutung aus, die das geschriebene Recht für die Parteien haben kann, doch ist damit zumindest erst einmal dessen Kenntnis unwiederbringlich 229 Koch, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S.22; so auch Gottwald, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 203. 230 Kojima, in: ICL, Toward Comparative Law, S. 691 ff. (v. a. S. 697). 231 Mähler/Mähler, FPR 1996, 19. 232 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.53/54. 233 Dazu ausführlich unten unter Punkt D. I. 2. a). 234 Eidenmüller, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 52, S. 56/57 und S. 60/61; Büchner, in: Büchner, Außergerichtliche Streitbeilegung, S. 405; siehe auch unten unter Punkt D. I. 2. a) cc) (1). 235 FisherlUry, Das Harvard-Konzept, S.152ff. 236 Koch, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 22.

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eingetreten. Insoweit finden die Verhandlungen also immer "in the shadow of the law" statt. 237 Solange geschriebenes Recht besteht, ist somit in der Mehrzahl der Fälle davon auszugehen, dass auch die ausgehandelten Ergebnisse hieran gemessen werden. Solange jedoch die ausgehandelten Ergebnisse an der vorgegebenen Rechtsordnung gemessen werden, besteht auch eine diesbezügliche Akzeptanz von Seiten der Bürger. Somit entsteht eine Art Kreislauf, der zu durchbrechen Voraussetzung für eine Änderung im Rechtsbewusstsein der Bürger ist. c) Zwischenergebnis

Der Gedanke, dass der Wandel weg vom direkt regulierenden Recht und die damit verbundene Zunahme an kooperativen Konfliktlösungen zu einer Veränderung im Rechtsbewusstsein der Bürger in der Gestalt führen, dass früher oder später das traditionelle Normensystem aufgegeben werden muss, begegnet somit ernsthaften Bedenken. Vor allem wenn man sich hier noch einmal vergegenwärtigt, dass eine Aufgabe des vorhandenen Rechts erst dann notwendig wird, wenn es in der Bevölkerung auf ein erhebliches Maß an Ablehnung stößt. Zwar mag im Rahmen dieser Entwicklung der Anspruch des Bürgers auf Selbstbestimmung auch im Bereich der Konfliktlösung zunehmen, doch ist eine dezidierte Ablehnung des Rechts weder momentan zu beobachten 238 , noch ist eine solche in Sicht. Selbst wenn in den einzelnen Konfliktfällen eine Ablehnung des traditionellen Rechts als Entscheidungsmaßstab in Erscheinung tritt, so fehlt es doch aufgrund der oben dargestellten Argumente jedenfalls an einer über den Einzelkonflikt hinausgehenden Ablehnung des geschriebenen Rechts an sich. Die oben beschriebenen Argumente verdeutlichen vielmehr, dass das Recht für den Bürger zwar immer mehr seine Entscheidungsfunktion verliert, es für bestimmte Bereiche und Funktionen aber von Seiten der Bürger nicht hinweg zu denken ist. Man muss sich also insoweit von der Vorstellung lösen, dass das Recht notwendigerweise ergebnisbezogen ist und als Gerechtigkeitsmaßstab fungiert, auch wenn aufgrund einer traditionell hohen Wertschätzung des Rechts nicht selten eine Assoziation von Recht und Gerechtigkeit stattfindee39 und die Werte des vorgegebenen geschriebenen Rechts in das eigene Wertesystem der Bürger integriert werden 240 • Im Rahmen der beschriebenen Entwicklung treten vielmehr Einzelfunktionen des Rechts für den Bürger in den 237 Mnookin/Kornhauser, 88 Yale Law Journal, 968; Duve, in: HensslerlKoch, Mediation in der Anwaltspraxis, S.167; Strempel, in: Strempel, Mediation für die Praxis, S.14. 238 Dazu Röhl, Rechtssoziologie, S. 271. 239 Risse, BB 1999 Beil. 9,2; er stellt jedoch fest, dass diese Assoziation aufgrund der Defizite der richterlichen Entscheidungsfindung (fehlende Zukunftsbezogenheit, Unflexibilität der Entscheidung, vernachlässigte Einzelfallgerechtigkeit) des öfteren zerbricht. 240 Vidmar, ZfRSoz 14, S.45.

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Vordergrund, während die Ergebnisse immer mehr an rein subjektiven Maßstäben gemessen werden. Eine solche differenzierte Einstellung der Bürger zum Gesetz hat auch schon Schiller 241 erkannt: "Setzt immer voraus, daß der Mensch im ganzen das Rechte will, im einzelnen nur rechnet mir niemals darauf"

2. Objektive Gründe Neben einer Veränderung im Rechtsbewusstsein der Bürger könnten aber auch objektive Gründe bei der Frage nach der Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Normensystems relevant werden. Wie oben bereits erwähnt242 , wirken sich zwar auch solche objektiven Gründe auf die subjektive Akzeptanz der Bürger aus, doch stehen sie im Folgenden selbst als Argument im Vordergrund. a) Das Verhältnis von "Normensystem " und" Verhandlungssystem "

aa) Exklusivitätsverhältnis? An dieser Stelle erlangt die Frage Bedeutung, in welchem Verhältnis das traditionelle Normensystem zu einem System steht, in welchem die Ergebnisse zwischen den beteiligten Parteien kooperativ ausgehandelt werden. Klarstellend sei hier erwähnt, dass für eine ausgehandelte Lösung im Rahmen von privatautonomen Verhandlungen jedenfalls das "selbstgesetzte Recht" die maßgebliche Leitlinie ist. 243 Daran ändert die hier zu findende Antwort nichts. Hier geht es allein darum, ob das traditionelle Normensystem neben einem solchen "Verhandlungssystem" weiterbestehen kann bzw. muss oder ob sich diese beiden Systeme gegenseitig ausschließen. Diese Frage wird sowohl auf Staatsebene als auch auf der Ebene der persönlichen Kontliktbewältigung zwischen den Bürgern relevant. Denn in beiden Fällen geht es um die Funktionsfähigkeit und Effektivität von kooperativen Verhandlungslösungen. Setzen diese ein weiterhin bestehendes Normensystem voraus oder würden sie durch ein solches gerade ihrer Wirksamkeit beraubt? Wäre ein solches Exklusivitätsverhältnis zu bejahen, so spräche dies deutlich für die Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Normensystems, um ein reines Verhandlungssystem zu ermöglichen. Allerdings erweist es sich als äußerst schwierig, ein Exklusivitätsverhältnis aus objektiven Erwägungen begründen zu wollen. Für die Annahme eines solchen ließe sich allenfalls wie folgt argumentieren: Wenn neben der bevorzugten Möglichkeit 241

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5*

Schiller, Dramen und Gedichte IV, S.229. Siehe oben unter Punkt C. 11. Dazu oben unter Punkt C.I. 2.a)bb)(1).

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der eigenverantwortlichen Konfliktlösung eine abstrakte Rechtsordnung mit einer Vielzahl subjektiver Rechtspositionen (Ansprüche) weiterbesteht, so könnte sich dies negativ auf die Bereitschaft zur kooperativen Streitbeilegung auswirken. Es besteht die Möglichkeit, dass ohne das Vorhandensein solcher Ansprüche eine erhöhte Verhandlungs- und Versöhnungs bereitschaft der beteiligten Parteien zu erwarten ist. 244 Diese Überlegung mag dazu einladen, an dieser Stelle für die Begründung eines Exklusivitätsverhältnisses auf die Argumentationen derjenigen zurückzugreifen, die sich im Rahmen der allgemeinen Diskussion um die Rolle des Rechts für eine gänzliche Ausklammerung desselbigen aus den Verhandlungen aussprechen. 245 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass selbst von Vertretern dieser Ansicht das traditionelle Recht an sich nicht in Frage gestellt wird; es wird von ihnen lediglich als reine "Hilfsdimension" gesehen. bb) Notwendigkeit eines subjektiven Normensystems Aber auch die Annahme eines solchen Exklusivitätsverhältnisses selber begegnet großen Bedenken. Zwar mag das angeführte Argument der erhöhten Versöhnungsbereitschaft für sich genommen seine Berechtigung haben. Dennoch fußt es auf einer Idee, die mit ihrer Realisierung zugleich sich selbst ihrer notwendigen Existenzbedingungen berauben würde. Denn ein Verhandlungssystem kann ohne ein zumindest subsidiär weiterbestehendes Normensystem nicht funktionieren. Der Grund hierfür liegt in einer mangelnden Kontrolle von Machtungleichgewichten. Und diese sind Merkmal der meisten Konflikte. 246 Macht ist die Chance, den eigenen Willen gegenüber einem anderen gegen dessen Widerstand durchzusetzen. 247 Die Grundlagen der Macht liegen einerseits in der Ungleichheit von Menschen und der möglichen Überlegenheit eines Menschen über einen anderen, andererseits in ihrer Bedürftigkeit und Verletzlichkeit, ihrem Angewiesensein aufeinander und in der daraus folgenden Unmöglichkeit, sich dem Einfluss der anderen zu entziehen. 248 Hierbei können eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen. 249 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem die wirtschaftliche Überlegenheit einer Partei. Diese kann dadurch z. B. einen besseren Zugang zu rechtlichen Sachverständigengutachten haben, größere finanzielle Risiken einzugehen bereit sein und vor allem in der Lage sein, eine Verzögerung der Lösungsfindung finanziell besser 244 So Risse (BB 1999 Beil. 9,3) für den Fall der Unkenntnis der Rechtslage, der jedoch der Situation entspricht, in der solche Ansprüche mangels Nonnensystem gänzlich fehlen. 245 Vor allem nichtjuristische Mediatoren in den USA befürworten eine solche Ausklammerung; vgl. dazu Mähler/Mähler, in: Krabbe, Scheidung ohne Richter, S. 166. 246 Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.215; Gessner, Recht und Konflikt, S.192. 247 So Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28. 248 Raiser, Das lebende Recht, S. 267. 249 Eine Darstellung der wichtigsten Faktoren findet sich bei Hager, Konflikt und Konsens,

S.72ff.

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zu verkraften. Neben einer möglichen wirtschaftlichen Überlegenheit haben aber auch andere Faktoren, wie z. B. die gesellschaftliche Stellung der Parteien, Einfluss auf die Machtverhältnisse. 250 Das geschriebene Recht hat nun die Fähigkeit, diese Macht zu kontrollieren und zu neutralisieren. 251 Zwar ließe sich Macht auch auf andere Weise kontrollieren, doch stellt das Recht diesbezüglich nach wie vor das am weitesten entwickelte friedliche Mittel dar. 252 Verbleibt nun kein Normensystem, auf welches sich eine unterlegene Partei im Falle zu großen Drucks zurückziehen kann, so entscheidet bei der Lösungsfindung unter Umständen das Machtpotential der Parteien allein über das Ergebnis. Damit wäre aber ein wesentlicher Punkt der Verhandlungslösungen missachtet, nämlich der Gedanke der Selbstbestimmung. 253 Dieser äußert sich im Wesentlichen in der Freiwilligkeit zur Aufnahme, Beendigung und Inhaltsbestimmung des Verfahrens sowie in der Freiwilligkeit im Hinblick auf den eventuellen Abschluss einer Vereinbarung. 254 Bei überlegener Macht der einen Partei wäre diese Selbstbestimmung gänzlich ausgehebelt. 255 Außerdem wären die Parteien schon in Ermangelung eines justiziellen Verfahrens zur Durchführung von Verhandlungen gezwungen; ein Zwang zur Autonomie ist jedoch undenkbar. 256 Anders stellt sich hingegen die Situation dar, wenn beiden Parteien die Möglichkeit verbleibt, jederzeit aus der Mediation auszusteigen und den Konflikt auf der Basis des traditionellen Normensystems zu lösen. Dort gewährleistet das geschriebene Recht die Machtkontrolle 257 , inklusive eines sozialen Schutzsystems zu Lasten der Schwächeren. 258 Dies ist eine der wichtigsten Funktionen des Rechts und Aufgabe des sozialen Rechtsstaats. 259 Allein in solchen, praktisch kaum denkbaren Gesellschaften, die die Voraussetzungen völliger Gleichheit erfüllen würden, könnte auf das Recht als Kontrollinstrumentarium verzichtet werden. 26O Gottwald spricht insoweit von dem "Recht als Schutzschild des Schwächeren". 261 In der Verhandlung taucht diese Möglichkeit, gegebenenfalls auf das Normensystem auszuweichen, unGenerelle Machtprinzipien werden aufgezeigt bei Keltner, Mediation, S. 32. Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 13 ff. und S. 22/23; Mähler/Mähler, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S.ll ff.; Jung, in: Jung/Neumann, Rechtsbegründung, S. 75; Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.215/216. 252 Jung, in: Jung/Neumann, Rechtsbegründung, S. 73; siehe auch Abel, 19 Clearinghouse Review, 383. 253 Dazu oben unter Punkt B.III.2. 254 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.131/132. 255 Vgl. BVerfG, DB 1990,575. 256 Groner/Winograd, in: Büchner, Außergerichtliche Streitbeilegung, S. 323. 257 Raiser, Das lebende Recht, S.270/271 u. S. 273/274. 258 Hendler, in: Voigt, Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 64/65. 259 Jung, in: Schwind, Festschrift für Schneider, S. 921. 260 Blankenburg, Recht und Politik 2/83, S. 73/74. 261 Gottwald, WM 1998, 1260. 250 251

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C. Vom Normensystem zum Verhandlungssystem

ter dem Stichwort Ausstiegs- oder Nichteinigungsalternative auf und ist aufgrund des Gesagten dort von größter Wichtigkeit. 262 Nader 263 formuliert dies in zutreffender Weise wie folgt: "Disputes between people of unequal power are unlikely to be settled fairly by mediation or arbitration unless the force of law is available as a last resort."264

Somit kann auf dieses Normensystem als subsidiäres Machtkontrollsystem nicht verzichtet werden 265 , da andernfalls ein Rückfall in rechtlose Strukturen mit einer allein auf Macht begründeten Herrschaft zu befürchten ist. 266 Aus diesem Grund ist auch eine Selbststeuerung auf Staatsebene nur dann eine taugliche Konzeption, wenn diese als Ergänzung zur direkten Steuerung durch Recht ausgestaltet wird. Ergänzung von, nicht Alternative zur Steuerung durch Recht kennzeichnet diese Konfliktbewältigung durch Verhandlungen. 267 Hier lässt sich hinsichtlich dieser Argumentation eine Parallele zu den Überlegungen betreffend das Verhältnis von Recht und Solidarität ziehen: Recht ist auch dort Alternative und zugleich Bedingung der Möglichkeit sittlicher Gemeinschaft, da es verhindert, dass ein eventueller Zusammenbruch der Solidarität zu ungeregelter Gewalt führt. 268 Diesen Gedanken hat Haffke 269 auf das Verhältnis von Mediation und Justiz übertragen: Nur dort, wo ein justizielles Verfahren subsidiär zur Verfügung steht, sind die Voraussetzungen für die auf dem Gedanken der Autonomie beruhende Mediation vorhanden. Ohne diese Voraussetzungen muss sie hingegen scheitern. Verhandlungen sind daher kein Ersatz für das justizielle Verfahren, sondern lediglich eine Wahlmöglichkeit. 270 Verfolgt man diesen Ansatz nun konsequent weiter, so lässt sich hieraus auch ableiten, dass nicht nur das justizielle Verfahren neben einem Verhandlungssystem weiterhin bestehen bleiben muss, sondern gerade auch dessen materieller Entscheidungsmaßstab, also das traditionelle Normensystem. Denn wenn eine dritte Partei in einem solchen justiziellen Verfahren entscheiden soll, bedarf es auch eines solchen vorgegebenen Entscheidungsmaßstabs. Die Idee für das Verhältnis "Solidarität - Recht", dass die Alternative gleichzeitig Vo262 Siehe auch oben unter Punkt C. 11. 1. b) cc). 263 Nader, 88 Yale Law Journal, 1020. 264 In diesem Sinne auch Auerbach, Justice Without Law?, S.I44/145. 265 Der Frage, ob es darüber hinaus auch primär auf der Ebene der Verhandlungen zu diesen Zwecken eingesetzt werden soll, wird unten unter Punkt D.I. 2. a) nachgegangen. 266 Mähler/Mähler, NJW 1997, 1264. 267 So Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 239. 268 Ellscheid, Neue Hefte für Philosophie 17, S. 55; siehe dazu auch Voigt, in: Voigt, Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 37. 269 Haffke, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 68. 270 So im Ergebnis auch Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 10 und Strempel, in: Strempel, Mediation für die Praxis, S. 14. Zur Schnittstelle zwischen inner- und außergerichtlicher Kontliktlösung siehe Blankenburg, Mögliche Entwicklungen im Zusammenspiel von außer- und innergerichtlicher Kontliktregelung, Speyer 1990 und Prütting, Verfahrensrecht und Mediation, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen S.57ff.

11. Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs?

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raussetzung für ein Funktionieren des vorzugswürdigen Systems ist, kann folglich auch auf das Verhältnis von "Gerichtsverfahren - Mediationsverfahren" sowie auf das Verhältnis "Selbstgesetztes Recht - Traditionelles Recht" übertragen werden und stützt somit die These von der Notwendigkeit eines weiterhin bestehenden Normensystems. Auch Teubner 271 , dessen Modell vom "reflexiven Recht" sich wohl am deutlichsten vom traditionellen Normensystem entfernt 272 , sieht als Konsequenz nicht die Notwendigkeit der Aufgabe oder zumindest die Überflüssigkeit dieses herkömmlichen Systems. Er verweist vielmehr darauf, dass das Recht lediglich eine andere Funktion bekommt. Seine Funktion, Verhaltensänderungen anzuordnen, tritt zurück, während die Steuerung von Verhandlungssystemen hervorgehoben wird. Den Punkt, an dem nicht nur ein Funktionswandel vollzogen wird, sondern das Recht auf Direktregulierung gänzlich verzichtet, sieht er als kritisch an. Es fehlt in diesem Fall die durch das bloße Vorhandensein von materiellen Rechtsnormen begründete Verhandlungsrnacht und das Drohpotential. Um dem dadurch auftretenden Problem von Machtungleichgewichten entgegenwirken zu können, müsste dann ein System von Gegenrnacht entwickelt werden. Dies sieht er aber nicht als eine allgemein taugliche Idee an. Somit ist die Funktionsfähigkeit eines auf jegliche Direktregulierung verzichtendes Recht auch seiner Ansicht nach zu bezweifeln. Insoweit scheint er die an seine früheren Ausarbeitungen 273 gerichtete Kritik aufgenommen zu haben, in der ihm unter anderem vorgeworfen wurde, er ignoriere den Macht- und Ausbeutungscharakter der kapitalistischen Gesellschaft 274 •

ce) Zusammenfassung Zusammenfassend ist hier also zu sagen, dass ein funktionsfähiges Verhandlungssystem immer notwendigerweise das (Fort-)Bestehen eines Normensystems voraussetzt. Die Interessenlösung und die Gesetzeslösung stehen folglich in keinem Exklusivitätsverhältnis, sondern die auf Verhandlungen basierende Interessenlösung stellt vielmehr ein komplementäres Konfliktbearbeitungssystem dar. 275 Zu diesem Kooperationsmodell gibt es keine Alternative. 276 Somit kann in Zukunft im Zuge der zu beobachtenden Entwicklung zwar ein verändertes Recht geschaffen werden, doch dies nur als zusätzliche Möglichkeit der Konfliktlösung für hieran interessierte Parteien. Teubner, EU! Working Paper Nr. 87, S. 74ff. Zu diesem Modell des "reflexiven Rechts" und der diesbezüglichen Kritik siehe oben unter Punkt C. I. 1. a) bb). 273 Z. B. Teubner/Willke, ZtRSoz 5, S.4 ff. 274 Zu dieser Kritik Nahamowitz, ZtRSoz 6, S. 33. m Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.14/15. 276 Jung, in: Schwind, Festschrift für Schneider, S. 923. 271

272

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C. Vom Nonnensystem zum Verhandlungssystem

Daneben besteht das traditionelle Normensystem jedoch weiter. Insoweit kann also im Hinblick auf die Entwicklung hin zu kooperativen Kontliktlösungsverfahren nicht von einer "Alternative zum Recht" in dem Sinne gesprochen werden, dass das traditionelle Recht nunmehr überflüssig sei. Es kann allein darum gehen, dem Verhandlungssystem aufgrund seiner Vorzüge so weit wie möglich den Vorrang vor dem Normensystem einzuräumen. Es gilt also: "Soviel Kooperation wie möglich, so viel Hierarchie wie nötig. "277 dd) Auswirkungen Die Verneinung eines solchen Exklusivitätsverhältnisses wirkt sich nun in doppelter Hinsicht auf die Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Normensystems aus. Zum einen spricht ein solcher objektiver Grund an sich schon gegen eine solche Notwendigkeit, und zum anderen wirkt sich dieser objektive Grund auch in subjektiver Hinsicht auf die Akzeptanz bei den Bürgern aus, da ihnen durch diesen die Notwendigkeit der Beibehaltung des traditionellen Normensystems verdeutlicht wird. Denn wie bereits dargestellt, beruht die Akzeptanz von Normen unter anderem auch auf der Einsicht der Bürger in ihre Notwendigkeit. 278 Ist das Verhandlungssystem eben gerade nicht als Alternative, sondern als Ergänzung konzipiert, so spricht wenig dafür, dass sich das Bewusstsein und der Wille in der Bevölkerung dahingehend ändert, dass nur noch verhandelt wird. b) Sonstige objektive Gesichtspunkte Auch wenn die Feststellung, dass für die Funktionsfabigkeit eines Verhandlungssystems das (Fort-)Bestehen eines zumindest subsidiären Normensystems Voraussetzung ist, als entscheidendes Argument gegen die Notwendigkeit der Aufgabe dieses traditionellen Normensystems spricht, soll hier noch auf weitere objektive Begründungsansätze eingegangen werden. aa) Verfassungsrechtliche Bedenken Zumindest unter Zugrundelegung unserer derzeitigen Bundesverfassung ergeben sich nämlich auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine weitere Entregelung durch Rücknahme staatlichen Rechts.

277

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Nahamowitz, in: Voigt, Der kooperative Staat, S. 129/130. Siehe oben unter Punkt C.II.

11. Notwendigkeit der Aufgabe des traditionellen Rechtsbegriffs?

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(1) Fehlende Legitimation des Willensbildungsprozesses Denn nur durch Gesetze, die von dem demokratisch legitimierten Parlament erlassen werden, erfolgt eine Umsetzung des Willens des Volkes, von dem gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt ausgehen muss. Zwar ist ein gewisses Maß an außerparlamentarischer Willensbildung unbedenklich. 279 Werden nun diese Normen jedoch als hoheitliches Steuerungsmittel immer weiter zurückgedrängt, so ist fraglich, ob nicht irgendwann die Grenze überschritten ist, ab der von einer Umsetzung des Volkswillens durch die dafür legitimierten Institutionen nicht mehr gesprochen werden kann und somit eine Verletzung von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vorliegen würde. So hat auch schon Ritter 280 1979 darauf hingewiesen, dass das Zurücktreten hoheitlicher Machtmittel im Rahmen des Wandels hin zum kooperativen Staat an den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Rechtsstaats rühre. 281 Denn es bilde sich ein Subsystem politischer Willensbildung, welches neben die parlamentarische Willensbildung trete. Gesprächsrunden, Beiräte und ähnliches seien die Zirkel, in denen sich ein erheblicher Teil politischer Willensbildung vollziehe. Auch wenn dieses Subsystem lediglich "im Vorfeld politischer Entscheidung" wirke, stelle es sich doch als verfassungsrechtlich bedenklich dar, da an ihm die maßgeblichen Interessenvertreter mitwirken und dadurch leicht der Schein des politisch Vernünftigen entstehen und das Gewicht des ökonomisch und gesellschaftlich allein noch Durchsetzbaren erlangt werden könnte. Damit trete diese Art der politischen Willensbildung in Konkurrenz zu den traditionellen Institutionen parlamentarisch-repräsentativer Willens bildung. Gerade durch das Verhalten der Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode bekommt diese Diskussion aktuelle Bedeutung. So wird in der Tagespolitik vielfach darauf hingewiesen, dass die Regierung durch ihre konsensorientierte Vorgehensweise (Beispiel: "Atornkonsens") die Diskussion aktueller Probleme im Hinblick auf zu treffende legislative Entscheidungen zu sehr in das politische Vorfeld verlagere und somit die Funktion des demokratisch zur Entscheidung legitimierten Parlaments entwerte. Als Konsequenz wird weitgehend gefordert, diese Konsensfindung wieder in das Parlament zurückzuverlagern, da die momentane Situation in Übereinstimmung mit den genannten Gedanken vielfach als verfassungsmäßig problematisch angesehen wird. Doch ließe sich auch der andere Weg gehen, für den sich schon Ritter aussprach. Er wies auf die Notwendigkeit hin, diese neue Form der vorparlamentarischen Willensbildung ebenfalls als verfassungsmäßig legitimiert auszugestalten und sie mit den Einrichtungen allgemein-demokratischer Willensbildung zu verzahnen. Verfas279 Zu der Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften siehe Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, S. 172 ff. 280 Ritter, AöR 104/3, 409ff. 281 Ritter, AöR 104/3, 409ff.

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C. Vom Normensystem zum Verhandlungssystem

sungsrechtlich sehr bedenklich wäre aber in jedem Fall eine Entregelung durch bloße Rücknahme des traditionellen Rechts und eine Überlassung der Entscheidungsbefugnis an das politische Vorfeld und somit an die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen. 282 Denn in der gesetzestreuen Umsetzung des demokratisch legitimierten Willens besteht gerade die unverzichtbare demokratische Funktion des Normensystems. 283

(2) Justizgewährungsanspruch Die Idee, dass der Staat lediglich noch das Verfahren zur Verfügung stellt und man sich materiell selber einigen muss, begegnet aus verfassungsrechtlicher Sicht zudem auch im Hinblick auf den Justizgewährungsanspruch Bedenken. Dieser besagt, dass der Staat dem einzelnen Bürger ein staatliches Verfahren zur Verfügung stellen muss, mit dessen Hilfe der Bürger seine Interessen durchsetzen kann. Grund für diese Pflicht des Staates ist, dass der Staat dem Bürger die Anwendung von Gewalt zu Zwecken der Rechtsverwirklichung ("Selbstjustiz") untersagt und weitestgehend ein Gewaltmonopol besitzt. Entzieht der Staat dem Bürger jedoch diese Möglichkeit, so muss er ihn zumindest bei der Rechtsverwirklichung unterstützen. 284 Diesem Justizgewährungsanspruch wäre bei einer Aufgabe des Systems abstrakt-genereller Normen als Entscheidungsgrundlage nicht mehr ausreichend Rechnung getragen. Das Bereitstellen eines bloßen Verfahrens, in welchem sich die Bürger mangels objektivem Entscheidungsmaßstab selbständig einigen müssen, genügt diesen Anforderungen nicht. Denn sie gewährleistet gerade keine angemessene Möglichkeit der Durchsetzung der Interessen, da z. B. bei einem Mächteungleichgewicht die stärkere Seite das Ergebnis der Verhandlung eben aufgrund dieser Macht bestimmen könnte. Letztendlich wurde aus diesem Grund ja auch oben die Funktionsfähigkeit eines reinen Verhandlungssystems ohne Ausstiegsmöglichkeit verneint. Außerdem hat der einzelne Bürger in diesem Fall auch keine Möglichkeit, seine Interessen ohne Kontakt zur anderen Seite durchzusetzen. Er müsste sich immer auf eine direkte und unmittelbare Auseinandersetzung einlassen. Einer solchen muss man sich aber auch verweigern können, ohne sich gleich gänzlich seiner Möglichkeit der Interessendurchsetzung zu berauben. 285

282 Ausführlich Hendler, in: Voigt, Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 59ff. und Volkmann, JuS 2001, 527. 283 Vgl. Nahamowitz, in: Voigt, Der kooperative Staat, S. 129/130. 284 ArenslLüke, Zivilprozessrecht, S. 2. 285 Vgl. Eschweiler, FPR 1996,29.

III. Ergebnis

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bb) Funktionalitätsgründe Ein weiteres objektives Argument gegen die Notwendigkeit der Aufgabe ist, dass das traditionelle Recht mit seinen Normen manchmal allein aus Funktionalitätsgründen notwendig ist. So gibt es Bereiche, in denen eine Lösung auf kooperativer Ebene wegen der Vielzahl der Beteiligten nur schwer möglich oder nicht zweckmäßig ist und wo allein aus diesem Grund das Recht als ein zumindest subsidiäres Steuerungssystem erhalten bleiben muss. 286 Diese Überlegung steht in engem Zusammenhang mit dem oben angeführten subjektiven Argument, wonach in manchen Situationen unter Umständen gar kein Interesse an einer selbstgestalteten Regelung besteht, da aufgrund ihrer Vielzahl bald eine Überforderung der Beteiligten eintreten würde. 287

IH. Ergebnis Als Ergebnis ist hier nach eben Gesagtem somit festzuhalten, dass die oben als möglich dargestellte Entwicklung weg vom überwiegend direkt regulierenden Recht nicht zur Aufgabe des traditionellen Normensystems führen kann und darf. Zum einen fehlt es dafür an einer substanziellen Veränderung im Rechtsbewusstsein der Normadressaten und zum anderen sprechen auch objektive Gründe gegen ein funktionsfähiges Verhandlungssystem, wenn nicht darüber hinaus ein zumindest subsidiäres Normensystem zur Verfügung steht. Die vermehrte Zulassung von Selbstregulierung, unter anderem durch Verhandeln, darf also nicht als ein Prozess hin zur Abschaffung des Normensystems gesehen werden, sondern stellt lediglich einen Prozess des Zurückdrängens der Menge der Normen dar 288 ; weg von der überwiegend direkten Steuerung durch Recht. Somit bleiben das traditionelle Normensystem und die Lösungsfindung durch Verhandlungen nebeneinander bestehen und schließen sich nicht gegenseitig aus.

286 Ritter, AöR 104/3, 409/410; Moore, in: Folger/Jones, New Directions in Mediation, S.20l. 287 Siehe oben unter Punkt C. 11. 1. b) bb). 288 So auch Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 236.

D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren Bleiben das traditionelle Normensystem und die Lösungsfindung durch Verhandlungen nach dem eben Gesagten nebeneinander bestehen, so ist im Folgenden zu fragen, wie sich dieses geschriebene Recht im Rahmen eines Mediationsverfahrens auswirkt. Das geschriebene Recht hält - notwendigerweise - für jeden Konfliktfall eine Lösung bereit, bei deren Ausgestaltung allerdings auch dem Richter eine bedeutende Funktion zukommt. Inwieweit sollen oder müssen nun diese Möglichkeiten, die das geschriebene Recht bietet, bei der Aufarbeitung des Konflikts in Anspruch genommen werden?289 Die hier zu gebende Antwort soll dazu dienen, das Misstrauen abzubauen, mit welchem die Praxis der doch recht neuen Idee der außergerichtlichen Streitbeilegung gegenüber steht. 290 Zudem ist eine solche Analyse von Nöten, um das Verfahren selber zum Wohle der Konfliktparteien optimal ausgestalten zu können. Es geht somit im Folgenden um die Rolle des Recht in der Mediation. Diese Frage wurde zwar schon mehrfach in Aufsätzen aufgegriffen, jedoch immer nur einseitig abgehandelt. Sie lief in der Regel allein darauf hinaus zu fragen, wo Recht im Zusammenhang mit der Mediation an sich relevant wird oder wurde. Es ging bei diesen Aufsätzen im Kern allein um die Frage der Rechtsverwendung, welche im Wesentlichen zukunftsgerichtet ist (z. B. Recht als Verfahrenssicherung durch einen Mediationsvertrag, Recht als Gestaltungsmittel für ein Ergebnis oder kautelarjuristische Umsetzung der Ergebnisse im abschließenden Vergleichsvertrag)291. Dies ist sicher ein wichtiger Aspekt dieser Frage nach der Rolle des Rechts. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, bedarf sie aber einer genaueren Untersuchung. Denn interessanter als diese zukunftsgerichtete Rechtsverwendung ist die weitgehend vergangenheitsbezogene Rolle des Rechts im Mediationsprozess, wenn es also um die Aufarbeitung des Konfliktes an sich geht. Es stellt sich die Frage, inwieweit das geschriebene Recht auf den in der Vergangenheit liegenden Teil des Konflikts unter Rekonstruktionsgesichtspunkten Anwendung finden, wie weit also die Rechtslage die Verhandlungen beeinflussen soll (Rechtsanwendung). Dabei geht es jedoch in keinem Fall um die Anwendung des Rechts als verbindliche Lösung des Konflikts, sondern allein um die Fruchtbarmachung von dessen Vorteilen. Wahrend die Rechtsverwen289 Zur Rolle von "sozialen Normen" in der Mediation siehe Waldman, 48 Hastings Law Journal, 703 ff. 290 Siehe dazu oben unter Punkt A. I. 291 Vgl. Risse, BB 1999, Beil. 9, 3f.; siehe auch die Richtlinie der BAFM Ziff. IV. 1 (abgedr. in FPR 1996, 40).

I. Rechtsanwendung in der Mediation

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dung weitgehend schon aus formalen Gründen zwingend notwendig ist (so z.B. bei der Ausgestaltung des Mediationsvertrages), berührt die Frage nach der Anwendung des Rechts auf den weitgehend vergangenheitsbezogenen Konflikt den Kern des Gedankens der Mediation: Soll zwischen den Parteien allein das über die Privatautonomie realisierte "se1bstgesetzte Recht" gelten oder beinhaltet das geschriebene Recht nicht auch Vorteile, derer man nicht verlustig gehen sollte? Und genau dieser Frage, wie weit das geschriebene Recht die Aufarbeitung und Lösung des Konflikts im Mediationsverfahren beeinflussen soll, ist hier nachzugehen. Im Folgenden wird somit von dieser Unterteilung in Funktionen des Rechts im Rahmen der Rechtsverwendung und im Rahmen der Rechtsanwendung ausgegangen. Allerdings wird diese Terminologie in der Literatur nicht immer einheitlich verwendet. So fasst z. B. Gottwald 292 sämtliche Funktionen des Rechts in der Mediation unter "Rechtsverwendung" zusammen und stellt dem die "Rechtsanwendung" des gerichtlichen Verfahrens gegenüber. Durch die Verwendung dieses Begriffspaares in dem hier darstellen Zusammenhang soll jedoch die Unterscheidung zwischen vergangenheitsbezogener Anwendung des Rechts auf den Sachverhalt und der zukunftsbezogenen Rechtsverwendung als Gestaltungs- und Ausgestaltungsmittel verdeutlicht werden. Da es hier um die Frage geht, inwieweit das geschriebene Recht auch im Mediationsverfahren Beachtung finden muss oder soll, geht es vor allem um die Bereiche, deren Materie gleichzeitig auch gesetzlich geregelt ist. 293 Für solche Formen der Mediation, die außerhalb des Rechts stattfinden, wie z. B. interkulturelle oder politische Mediation 294 , können diese Ausführungen nur insoweit gelten, als sie nicht die Existenz rechtlicher Regelungen voraussetzen. Darüber hinaus soll- ausgehend von der Problemstellung - die Entwicklung eines Mediationsmodells für Streitigkeiten zwischen Privaten im Vordergrund stehen, da hier das Problem der mangelnden Akzeptanz am bedeutendsten ist. Zudem bestehen in bestimmten Bereichen der Mediation Besonderheiten (so z. B. bei der Mediation im Verwaltungsverfahren 295 ), so dass auch aus diesem Grund die Mediation auf der Ebene des Zivilrechts im Vordergrund steht.

I. Rechtsanwendung in der Mediation Der erste Teil, auf dem hier der Schwerpunkt liegen wird, beschäftigt sich mit der Rechtsanwendung und läuft auf die Untersuchung nach den Vor- und Nachteilen eiGottwald, WM 1998, 1260. Siehe Mähler/Mähler, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S.lO. 294 Vgl. Mähler/Mähler, NJW 1997, 1263. 295 So darf sich die Behörde z. B. nicht endgültig an das Ergebnis binden; siehe Tils, Forschungsjoumal Neue soziale Bewegungen, S. 47 f. Zu weiteren Besonderheiten Holznagel, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.147ff., Ramsauer, in: BreidenbachlHenssler, Mediation für Juristen, S.161 ff. und Fluck/Schmidt, Verwaltungsarchiv 89, 230ff. 292

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

ner Entrechtlichung bzw. Verrechtlichung von Konflikten hinaus: Soll für einen konkreten Konflikt eine Lösung in Anlehnung an die Rechtsordnung gesucht werden, oder soll der gesamte Konflikt auf Verhandlungsbasis gelöst werden? In wie weit muss zumindest das Recht berücksichtigt werden? Die Beantwortung dieser Frage nach den Vor- und Nachteilen der Einbeziehung des Rechts in das Mediationsverfahren hängt nicht zuletzt auch von den Funktionen des Rechts ab. Daneben ist eine stärkere oder schwächere Berücksichtigung des Rechts oft auch deshalb notwendig, weil die Parteien unter Umständen durch ihre Konfliktdefinition eine Ver- oder Entrechtlichung des Konflikts bewirken, je nachdem ob sie den rechtlichen oder den sozialen Gesichtspunkt in den Vordergrund rücken. 296 Auch im Hinblick hierauf könnte es nötig sein, dass auf eine angemessene Berücksichtigung des Rechts geachtet wird.

1. Entrechtlichung eines Konflikts An dieser Stelle ist zunächst nach Gründen zu suchen, die für eine Entrechtlichung und somit gegen eine Einbeziehung des Rechts in das Mediationsverfahren angeführt werden können.

a) "Selbstgesetztes Recht" als Leitlinie Für ein Heraushalten des Rechts aus den Verhandlungen könnte sprechen, dass an Stelle des geschriebenen Rechts nunmehr das auf der Privatautonomie basierende "selbstgesetzte Recht" als Leitlinie maßgeblich ist und dass aus diesem Grund das Gesetzesrecht ohnehin für die Parteien seine Bedeutung verliert. Gerade nach Meinung von nichtjuristischen Mediatoren aus den USA soll eine Lösung des gesamten Konflikts auf reiner Verhandlungsbasis stattfinden, so dass eine "eigene" Lösung am Recht vorbei geschaffen wird. 297 Sie sehen das Recht ausschließlich als Hilfsdimension für den Fall an, dass die Verhandlungen scheitern. Es ersetze eigene Überlegungen sowie Entscheidungen und werde daher auch als Korrektiv überflüssig, wenn ein wirklicher, emotional getragener Entscheidungsprozeß zustande komme und so die Lösung auf persönlich empfundener Gerechtigkeit basiere. 298 Zwar ist diesen Gedanken darin zuzustimmen, dass im Rahmen von Verhandlungen das privatautonome "selbstgesetzte Recht" im Vordergrund steht299 und dass das geschriebene Recht in institutioneller Hinsicht im Wesentlichen als subsidiäre Konfliktlösungsmöglichkeit dient. 300 Dabei wird jedoch die darüber hinausgehende BeBreidenbach, Mediation, S.47f. Vgl. Waldman, 1 Va.J. Social Policy & Law, 96ff. 298 Mähler/Mähler, in: Krabbe, Scheidung ohne Richter, S. 166. 299 Siehe dazu oben unter Punkt C. I. 2. a) bb) (l). 300 Siehe dazu oben unter Punkt C. 11. 2. a) bb). 296

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I. Rechtsanwendung in der Mediation

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deutung des Gesetzesrechts verkannt, was in einer Vielzahl der Fälle an den Erwartungen der Betroffenen vorbei geht. So konnte bereits oben ein Wandel im Rechtsbewusstsein hin zur völligen Bedeutungslosigkeit des Rechts nicht festgestellt werden. 301 Recht ist auch in der Verhandlung von Bedeutung und dies nicht nur allein als Hilfsdimension. Ansprüche sind Bestandteile der Realität und können daher nicht gänzlich ausgeblendet werden. Denn eine für die jeweils beteiligten Parteien akzeptable Lösung steht notwendigerweise im Kontext allgemein üblicher Regelungen, also des Rechts. So werden von den Parteien die Ergebnisse gegebenenfalls an der bestehenden Gesetzeslage gemessen bzw. durch diese die jeweilige "Nichteinigungsalternative" ermittelt. In der Mediation sollen lediglich die Nachteile des reinen juristischen Verfahrens vermieden werden. Dies muss aber nicht notwendigerweise einen Verzicht auch auf die Vorteile des Rechts bedeuten. 302 Das Wesen der Mediation ist es vielmehr, sich nicht dem Recht zu entziehen, sondern sich mit ihm in Beziehung zu setzen. 303 Dafür ist jedoch die Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen notwendig. Allein der Umstand, dass für die Entscheidung der Parteien eine andere Leitlinie im Vordergrund steht, spricht nicht dafür, das Gesetzesrecht gänzlich aus dem Mediationsverfahren heraus zuhalten.

b) Wirkungslosigkeit des Rechts? Gegen eine Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen könnte jedoch sprechen, dass das Recht stellenweise unpassende Lösungen produziert und es somit zur Lösung mancher Kontlikte gar nicht geeignet ist. Mangels Wirksamkeit für die Kontliktlösung bedürfte es folglich auch keiner Beachtung im Mediationsverfahren. So gibt es Bereiche, in denen das rein geschrieben Recht versagt und auch heute schon eine bloße Interessenabwägung stattfindet, weil das Gesetz für diese Fälle eine generell unpassende Lösung bereithält oder in dem konkreten Einzelfall das Ergebnis nach der bloßen Gesetzesanwendung nicht gerecht ist (fehlende Einzelfallgerechtigkeit)304. Als Beispiele seien hier nur das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage 305 (Abgrenzung nach der Risikosphäre ) sowie die zahlreichen Ergebniskorrekturen über den Grundsatz von Treu und Glauben 306 (§ 242 BGB) genannt. Vor allem die angesprochene fehlende Einzelfallgerechtigkeit nimmt aufgrund der stärker werdenden Unterschiede zwischen den Menschen immer mehr ZU. 307 Siehe dazu oben unter Punkt C.II. 1. c). Zu diesen Vorteilen unten unter Punkt D. I. 2. 303 Mähler/Mähler, in: Krabbe, Scheidung ohne Richter, S. 166. 304 Dies kann in einem Mediationsverfahren vermieden werden; siehe oben unter Punkt B. III. 2. a). 305 Dazu Larenz, Schuldrecht I, S. 320 ff.; nunmehr gesetzlich geregelt in § 313 BGB. 306 Dazu Larenz, Schuldrecht I, S. 125 ff. 307 Groner/Winograd, in: Büchner, Außergerichtliche Streitbeilegung, S. 323. 301

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

Zudem gibt es Bereiche, wie vor allem die engen sozialen Beziehungen (Freundschaft, Familie, sonstiger sozialer Nahbereich), in denen das Recht als primäres Konfliktlösungssystem gar nicht zur Anwendung kommt, weil dort die Lösung von Konflikten zunächst auf der Grundlage von Solidarität geschieht. 308 Erst subsidiär, also bei Versagen der Solidarität, kommt das Recht zur Anwendung. Dies bedeutet dann aber zumeist auch das Ende der sozialen Beziehung. 309 Eine rein rechtliche Lösung ist in diesen Beziehungen im Ergebnis selten optimal. 310 Diese partielle Wirkungslosigkeit könnte dagegen sprechen, das geschriebene Recht in die Verhandlungen mit einzubeziehen. Denn aufgrund dieser Wirkungsmängel könnten mehr Probleme durch das Recht auftreten, als es letztendlich zu lösen in der Lage wäre. Dem ist allerdings schon entgegenzuhalten, dass hiervon allenfalls nur bestimmte Bereiche betroffen sind. Von einer allgemeinen Wirkungslosigkeit des Rechts im Hinblick auf die Lösung von Konflikten kann hingegen nicht gesprochen werden. Der in diesem Zusammenhang wichtigere Punkt ist jedoch, dass im Rahmen eines Mediationsverfahrens an das Recht - wenn es dann einbezogen wird - nicht der Anspruch gestellt wird, dass dieses den Konflikt abschließend und alleine zu lösen vennag. Es soll lediglich die Lösung auf Verhandlungsebene unterstützen. Insoweit kommt dem geschriebenen Recht in der Mediation eine ganz andere Funktion zu, bezüglich derer die angesprochenen Wirkungsschwächen nicht relevant werden. Diese wären allein dann beachtenswert, wenn das geschriebene Recht als alleiniges System einen Konflikt lösen soll, wie dies eben gerade im justiziellen Verfahren der Fall ist. Im Mediationsverfahren würde das geschriebene Recht hingegen nur eine unterstützende und begleitende Funktion ausüben. Die angesprochenen partiellen Wirksamkeitsdefizite sprechen somit nicht gegen eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen. c) Verhinderung optimaler Verhandlungslösungen

Entscheidender ist hier schon die Überlegung, ob nicht durch eine Einbeziehung des Gesetzesrechts in die Mediation die Möglichkeit optimaler Verhandlungslösungen verbaut wird. aa) Gefahr der Verengung des Konflikts Bei einer Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Mediation könnten die schon oben teilweise angesprochenen Nachteile des Rechts wieder hervortreten. Es bestünde dann die Gefahr, dass die zahlreichen Vorteile der Mediation nicht mehr Vgl. dazu den Ansatz von Ellscheid oben unter Punkt C. 11. 2. a) bb). Blankenburg, in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, S.85/86. 310 Vgl. Jung, in: Jung/Neumann, Rechtsbegründung, S. 72. 308

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I. Rechtsanwendung in der Mediation

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zur Geltung kommen und den Erfolg von Mediationsverfahren insgesamt in Frage stellen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine der größten Schwächen des geschriebenen Rechts in dem ihm zugrunde liegenden Anspruchsdenken liegt. 3ll Durch dieses Anspruchsdenken wird die soziale Realität auf einen entscheidbaren Sachverhalt reduziert (selektive Realitätsverarbeitung), da sich andernfalls ein praktikables abstrakt-generelles Normensystem gar nicht denken ließe. 312 Das Recht verengt das für die KonfliktIösung Relevante auf einen Ausschnitt des im praktischen Leben Vorkommenden, ohne eine Gewähr dafür zu übernehmen, dass dieser Ausschnitt auch für die Konfliktbeteiligten das Erhebliche ist. 3I3 Dies führt jedoch schon von Anfang an dazu, dass solche Aspekte aus dem Blickfeld der Parteien verschwinden, die aus diesem selektiven Blickwinkel nicht relevant sind. Oft werden die individuellen Lebenssituationen der Parteien und die dem Konflikt zugrundeliegenden Ursachen nicht genügend berücksichtigt31 4, obwohl sie in einem notwendigen Zusammenhang mit dem Konflikt stehen. Juristen haben dabei aufgrund ihrer Ausbildung die Fähigkeit, solche Aspekte gänzlich auszublenden: "If you can think about one thing that is inextricably related to another thing without thinking about the thing to which it is related, you will have learned to think like a lawyer."3I5

Auch Breidenbach 316 sieht die Gefahr, dass die Einordnung eines Konflikts als rechtliches Problem zu einer Verengung und Veränderung des Konflikts führt. Hierdurch bliebe am Ende nur noch die Rechtslage als entscheidbarer Sachverhalt übrig und die sozialen Beziehungen treten in den Hintergrund, sofern sie nicht in Form eines Tatbestandsmerkmals Eingang in die Norm gefunden haben. Der Grund dafür liegt darin, dass das Positionsdenken dazu gedacht ist, einem durch die Fülle eines Lebenssachverhalts hoffnungslos überforderten Gericht die Entscheidungsfindung zu ermöglichen, indem eine solche Vereinfachung des Sachverhalts stattfindet. 317 Gerade die zukunftsorientierten Gesichtspunkte werden durch diese Verengung jedoch zurückgedrängt. Das Recht arbeitet somit lediglich die Vergangenheit auf, anstatt die Zukunft zu gestalten. 318 Bei einer Einbeziehung des Rechts in das Mediationsverfahren bestünde somit die Gefahr einer solchen Verengung des Konflikts. Denn eine eventuelle Gesetzesgläubigkeit der Parteien könnte zu einer vorschnellen Unterordnung unter das Gesetz Siehe oben unter Punkt B. III. 1. a). Dazu ausführlich Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S. 11 ff. 3\3 Hoffmann-Riem, in: Vögele, Mediation, S. 14. 314 FalkelGessner, in: Blankenburg, Alternativen in der Ziviljustiz, S. 294; BierbrauerlFalkelKoch, in: Bierbrauer u. a., Zugang zum Recht, S.187. 315 Newman, 94 Yale Law Journal, 1647. 316 Breidenbach, Mediation, S.50/5I. 317 Haft, in: Ueding/Vogel, Die Kunst der Rede und Beredsamkeit, S. 95. 318 Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 9; Raiser, Das lebende Recht, S. 316/317; Risse, BB 1999 Beil. 9,2. 311

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

führen, weil die weitgehende Disponibilität des Rechts dann nicht mehr wahrgenommen und der "Angebotscharakter" des Rechts verkannt würde. 319 Die Suche nach einem nach den Bedürfnissen der Parteien ausgerichteten Konsens könnte dadurch in Spekulationen umschlagen, was ein Richter wohl als fair betrachten würde. 320 Zudem sind wir durch unsere Sozialisation schneller geneigt, uns Gesetzen, auch wenn sie nicht zwingend sind, zu früh zu unterwerfen, ohne das Interessenfeld in seinen Einzelheiten und in seinem Gesamtgefüge auf andere Lösungsmöglichkeiten hin abzutasten. 321 Gute alternative Lösungsansätze könnten dadurch in das Rechtssystem assimiliert und erstickt werden 322 , oder es werden erst gar keine anderen Aspekte außer den rechtlichen mehr thematisiert. Da das Gesetzesrecht positionelle Ansprüche postuliert, denen ein Ia-Nein-Rechtsdenken zugrunde liegt, könnte es nunmehr auch im Mediationsverfahren zu Entweder-Oder-Entscheidungen provozieren und dadurch ein interessengeleitetes Vorgehen verhindern, welches für die Erreichung von Win-win-Lösungen erforderlich ist. Andere Problemsichten und Lösungswege drohen somit blockiert zu werden 323 , was wiederum kreative Ansätze erschwert. 324 Eine mögliche Lösung durch Mediation könnte hierdurch eventuell verbaut werden. Diese Tendenz, sich nunmehr allein auf das Recht zu beziehen, kann zudem bei den Parteien den Egoismus fördern und sich negativ auf die Entwicklung eines wechse1bezüglichen Verständnisses unter den Parteien auswirken. 325 In dem Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Argumente stärker betont werden und als Drohung wirken, würde an die Stelle der Kooperationsorientierung eine strategische oder taktische Einstellung treten. 326 Hier wäre die Unkenntnis der Rechtslage möglicherweise von Vorteil, da dann grundsätzlich eine erhöhte Verhandlungs- und Versöhnungsbereitschaft besteht. 327 Es ist also festzuhalten, dass bei der Anwendung von Recht auf einen Konflikt die Gefahr besteht, dass zwar den vergangenheits- bzw. gegenwartsbezogenen rechtlichen "Positionen" Rechnung getragen wird, die meist zukunftsgerichteten "Interessen" jedoch außen vor zu bleiben drohen, obwohl sie nach dem Gedanken der Mediation gerade im Mittelpunkt stehen sollten. Eine solche Verengung des Konflikts könnte den Erfolg eines Mediationsverfahrens gefährden.

Mähler/Mähler, FPR 1996,19; Risse, BB 1999 Beil. 9,4. Siehe Waldman, 1 Va.J. Sodal Policy & Law, 99. 321 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.54. 322 Jung, in: Jung/Neumann, RechtsbegTÜndung, S.73. 323 Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.4. 324 Vgl. Haft, Verhandlung und Mediation, S.68. 325 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.54/55. 326 Röhl, Rechtssoziologie, S.463/464. 327 Vgl. Risse, BB 1999 Beil. 9,3. 319

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bb) Stellungnahme Dieses eben genannte Argument baut im Kern auf den Grundsätzen der Mediation auf, die zur Erreichung einer kooperativen Win-win-Lösung notwendig sind. Es wurde dargestellt, wie wichtig es ist, sich nicht auf rechtliche Gesichtspunkte zu fixieren und offen zu bleiben für interessenbezogene Themenkomplexe. Da bei der Einbeziehung des geschriebenen Rechts in das Mediationsverfahren nun die Gefahr besteht, dass es zu einer solchen Verengung des Konflikts mit den aufgezeigten Folgen kommt, spricht dies dafür, das geschriebene Recht aus den Verhandlungen herauszuhalten. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Verhandlungssystem, um überhaupt funktionieren zu können, immer ein subsidiäres Normensystem benötigt. 328 Denn das ein solches System mit geschriebenem Recht vorhanden sein muss, sagt noch nichts darüber aus, ob hierauf auch in dem parallel bestehenden Verhandlungssystem Bezug genommen werden muss. Das geschriebene Recht aus den Verhandlungen herauszuhalten, könnte jedoch unter einem anderen Gesichtspunkt problematisch sein. So wird in der Literatur stellenweise darauf hingewiesen, dass die Geltendmachung des geschriebenen Rechts nicht nur für den Inhaber dieser Rechtsposition Vorteile bringt, sondern auch für die Gesellschaft. In diesem Zusammenhang sieht Brunet329 den Output von konventioneller gerichtlicher Auseinandersetzung (litigation) als öffentliches Gut ("public good") an, von dem die Gesellschaft einen großen Nutzen hat. Nach dieser Meinung entgeht im Falle einer außergerichtlichen Einigung der Gesellschaft etwas, da hierdurch nur Frieden zwischen den Parteien hergestellt wird, aber keine Gerechtigkeit geschaffen würde, von der auch die Gesellschaft profitiert. 33o Diesen Gedanken verfolgte auch schon von Jhering33 1, der einen "Kampfums Recht" propagierte. Danach sollten Konflikte als Kampf ausgetragen werden, mit Hilfe des materiellen Rechts als Waffe jedoch in geordneten Bahnen. An Stelle der Vernichtung des anderen sollte das Urteil stehen. 332 Jeder Einzelne habe dabei die moralische Pflicht für sein Recht zu kämpfen, denn nur dadurch erfülle er seinen Anteil an der immer währenden Aufgabe der Völker, Gerechtigkeit auf Erden zu verwirklichen. Das Preisgeben eines verletzten Rechts sei danach ein "Akt der Feigheit". Zwar waren die Ziele von Jherings, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, beachtenswert. Doch ist das dazu von ihm geforderte Mittel des "Kampfes um das Recht" als eine Pflicht gegen sich selbst und die Gemeinschaft mit unserer heutigen Vorstellung nicht mehr vereinbar. Das jeweilige Recht ist kein Wert mehr an sich, sondern soll allein der Befriedigung der individuellen Bedürfnisse dienen. Dazu oben unter Punkt C. 11. 2. a) bb). Brunet, 62 Tulane Law Review, 19f. 330 Fiss, 93 Yale Law Journal, 1085. 331 Jhering, Der Kampf ums Recht, S. 195 ff.; dazu auch Strempel, in: Rottleuthner, Armer Rechtsstaat, S. 106 und ders., in: Strempel, Mediation für die Praxis, S. 7/8. 332 Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 13 f. 328

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

Es ist insoweit Mittel zum Zweck. Deshalb vollzieht sich die Entwicklung auch weg vom normativen Positionsdenken ("Was steht einem zu") hin zu bedürfnisbezogenem Handeln auf der Interessenebene ("Was braucht oder will man").333 Ein solcher "Kampfgedanke" muss dann aber gerade zurückgedrängt werden. Statt einem "Kampf ums Recht" soll ein "Streit um den Konsens" erfolgen. 334 Auch den Autoren der heutigen Zeit, die die außergerichtliche Streitbeilegung aufgrund mangelnder positiver Auswirkungen auf die Gesellschaft ablehnen, ist hier entgegenzutreten. So übersehen sie, dass der Grossteil aller Konflikte schon heute außerhalb des Gerichtssaals gelöst wird 335 , ohne dass negative Auswirkungen zu beklagen sind. Es werden der Mediation sogar gerade positive Einflüsse auf die Gesellschaft zugeschrieben; so z. B. für das gemeinschaftliche Zusammenleben. 336 Zudem machen diese Gegner außergerichtlicher Verfahren auch nicht deutlich, worin genau der wichtige Nutzen für die Gesellschaft liegt, den allein die gerichtliche Auseinandersetzung zu erbringen vermag. Eine präjudizielle Wirkung für andere Konflikte kann dies nicht sein, denn die meisten Konflikte sind sehr faktenspezifisch. 337 Auch Fiss, der als Vorteil gerichtlicher Verfahren die Schaffung von Gerechtigkeit nennt, muss sich hier fragen lassen, ob denn die Durchsetzung abstrakter gesetzlicher Regelungen tatsächlich als Verwirklichung von Gerechtigkeit angesehen werden kann. 338 Somit steht auch dieser Punkt einem Heraushalten des Rechts aus den Verhandlungen nicht entgegen.

2. Verrechtlichung eines Konflikts Ob nun aber das Recht tatsächlich aus dem Mediationsverfahren herausgehalten werden soll, lässt sich erst dann beantworten, wenn auch ein Blick auf die Vorteile einer Einbeziehung des sei bigen geworfen wurde. Im folgenden Teil sollen daher solche Gründe untersucht werden, die für eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts, also für eine Verrechtlichung, sprechen. In diesem Zusammenhang werden vor allem auch die Funktionen des Rechts relevant.

a) Macht- und Fairnesskontrolle durch Einbeziehung des Rechts Für die Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen könnte vor allem die Fähigkeit des Rechts sprechen, Macht zu kontrollieren. 333

1077.

Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.IO; Greger, JZ 1997,

So Mähler/Mähler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.17. Menkel-Meadow, 33 VeLA Law Review, 502; dazu auch unter Punkt C.Il. 1. b)bb). 336 Moore, in: Folger/Jones, New Directions in Mediation, S.201 f. 337 So Craver, Effective Negotiation and Settlement, S. 397. 338 Siehe zu der Frage der Gerechtigkeit schon oben unter Punkt B. III. 2. 334

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I. Rechtsanwendung in der Mediation

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Aufgrund dieser Funktion des Rechts ist schon oben festgestellt worden, dass ein subsidiäres Normensystem Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Verhandlungssystemen ist. 339 Andernfalls würde in den Verhandlungen allein aufgrund von Macht die Erzwingung eines Ergebnisses durch den Stärkeren möglich sein. Durch ein subsidiäres Normensystem wird der schwächeren Partei die Möglichkeit gegeben, aus den Verhandlungen auszusteigen und sich eines anderen Systems zur Rechtsdurchsetzung zu bedienen. Dies wird die Partei unter anderem spätestens dann tun, wenn für sie dadurch ein besseres Ergebnis zu erwarten ist als im Wege der Verhandlungen. Über diese Ausstiegs- oder Nichteinigungsalternative kann sich also die unterlegene Partei nunmehr des Normensystems zur Lösung des Konfliktes bedienen, wo das geschriebene Recht die Machtkontrollfunktion umfassend ausübt. aa) Machtkontrolle durch Recht auch in der Mediation? Es stellt sich nun die Frage, ob auch innerhalb des Mediationsverfahrens selber eine Machtkontrolle durch Einbeziehung des Rechts stattfinden soll. So ließe sich hier argumentieren, dass es doch letztendlich ausreicht, wenn die schwächere Partei die Möglichkeit hat, aus den Verhandlungen auszusteigen. Sie könnte den Konflikt dann durch Inanspruchnahme der Gerichte lösen, wo aufgrund des geschriebenen Rechts die unausgeglichenen Machtverhältnisse kontrolliert werden. (1) M indeststandard durch Schranken der Privatautonomie

Obwohl hier die Frage nach Argumenten für und gegen eine Einbeziehung des Rechts im Vordergrund steht, darf jedoch nicht übersehen werden, dass sich bezüglich bestimmter Normen diese Frage erst gar nicht stellt. Denn der Privatautonomie sind Schranken gesetzt, um eklatante Machtungleichgewichte zu verhindern. Andernfalls würde die Gefahr bestehen, dass die Privatautonomie für die schwächere Partei nicht mehr gewährleistet wäre: "Solche Schranken [der Privatautonomie] sind unentbehrlich, weil Privatautonomie auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht, also voraussetzt, daß auch die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er vertragliche Regelungen faktisch einseitig durchsetzten kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. Wo es an einem annährenden Kräfteausgleichsverhältnis der Beteiligten fehlt, ist mit den Mittel des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Wenn bei einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird, müssen staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichem".34O Hierzu bereits oben unter Punkt C. 11. 2. a). 340 BVerfGE 81, 242 (254f.). 339

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

Allerdings weist das BVerfG 341 auch daraufhin, dass die Rechtsordnung nicht für alle Situationen Vorsorge treffen kann, in denen das Verhandlungs gleichgewicht mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nach Meinung des BVerfG nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. Handelt es sich jedoch um eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragspartners erkennen lässt, so muss die Zivilrechtsordnung darauf reagieren und Korrekturen ermöglichen, sofern die Folgen des Vertrages für die unterlegene Partei ungewöhnlich belastend sind. Aus dieser allgemeinen Stellungnahme zu den Grenzen der Privatautonomie wird deutlich, dass es aus verfassungsrechtlicher Sicht allein um die Gewährung des rechtsstaatlich notwendigen Mindestmaßes an Schutz geht. Dieser erfolgt entweder durch explizite Ge- oder Verbote, wie z. B. indisponible Gesetzesregelungen, oder durch die Generalklauseln (§§ 138, 242, 315 BGB), über die die Grundrechte Einzug ins Zivilrecht erhalten (sog. "Einfalltore der Grundrechte").342 Dieser Mindeststandard der Machtkontrolle ist also auch dann gewährleistet, wenn man sich gegen eine ausdrückliche Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen ausspricht.

(2) Weitergehende Machtkontrolle? Fraglich ist somit allein, ob dieser Mindeststandard auch in der Mediation ausreicht und die trotz allem noch unterlegene Partei für eine weitreichendere Machtkontrolle auf das gerichtliche Verfahren zu verweisen ist, oder ob nicht auch hier eine weitergehende Machtkontrolle durch eine explizite Einbeziehung des Rechts stattfinden soll. Dafür könnte sprechen, dass sich gerade in einem Mediationsverfahren die Machtverhältnisse als unausgeglichen erweisen können. 343 Denn dort werden auch solche Aspekte mit einbezogen, die in einem gerichtlichen Verfahren ohne Relevanz wären. Je mehr Gesichtspunkt eines Sachverhalts jedoch berücksichtigt werden, um so mehr Machtfaktoren bilden sich. Außerdem sind Verhandlungen viel freier und jeder ist somit mehr auf sich allein gestellt als in einem gerichtlichen Verfahren, wo ein Dritter über den Parteien steht und es zudem auch eine Verfahrensordnung gibt. Zwar darf ein solches Machtungleichgewicht in den Verhandlungen auch nicht vorschnell vermutet werden, da sich persönliche und geschäftliche Beziehungen regelmäßig sehr viel komplexer darstellen, als auf den ersten Blick erkannt werden 341

BVerfG, NJW 1994, 38.

342 BVerfG, NJW 1994, 39; zur Schutzfunktion der gesetzlichen Beschränkungen ausführ-

lich PauluslZenker, JuS 2001, 1 ff. 343 Vgl. Folberg/Taylor, Mediation, S. 244.

I. Rechtsanwendung in der Mediation

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kann 344, doch ist aus gerade genannten Gründen vor allem auch in Verhandlungen mit ungleicher Machtverteilung zu rechnen. Verweist man nun darauf, dass das Recht subsidiär in dem offenstehenden Gerichtsweg zur Verfügung steht, so schließt dies jedoch nicht die Einbeziehung des Rechts zur Machtkontrolle in der Mediation aus. Für eine Machtkontrolle spricht vielmehr auch, dass bei Bestehen eines solchen Machtungleichgewichts durch entsprechende Gegenmaßnahmen die Funktionsfähigkeit der Mediation erhöht werden könnte. 345 Denn ein über den Mindeststandard hinausgehender Ausgleich der Machtverhältnisse hat positive Auswirkungen auf die einzelne Verhandlungssituation selber, da nun beide Parteien eher zu einer Kooperation bereit sein werden. So weist Moore in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Falle eines symmetrischen Machtverhältnisses sich die Parteien kooperativer verhalten, effektiver agieren und ein weniger ausbeuterisches Verhalten zeigen. 346 Ist eine Partei hingegen überlegen, so braucht sie sich nicht notwendigerweise auf Tauschgeschäfte einzulassen, bei denen sie auch geben muss, um die andere Seite ebenfalls dazu zu bewegen. Allein unter den Voraussetzungen ausgeglichener Machtverhältnisse kann das Reziprozitätsprinzip zur Geltung gelangen. 347 Gerade dieses Prinzip des Gebens und Nehmens sorgt aber dafür, dass nicht eine Partei übervorteilt wird. Das Austarieren des Machtungleichgewichts führt dazu, dass sich die schwächere Partei nunmehr wirkungsvoller in der Verhandlung behaupten kann. Ohne eine entsprechende Kontrolle ungleicher Machtverhältnisse bestünde hingegen die Gefahr, dass viele Fälle letztendlich doch wieder auf der subsidiären (Rechts-)Ebene ausgetragen würden, weil aufgrund eines Machtungleichgewichts in der Mediation keine Einigung erzielt werden konnte. Findet man hingegen Möglichkeiten, das Mediationsverfahren in dieser Hinsicht zu optimieren und ungleichen Machtverhältnissen schon auf dieser Ebene auch über den Mindeststandard des indisponiblen Rechts hinaus entgegenzuwirken, so kann die Mediation vielleicht auch für solche Bereiche erschlossen werden, die bisher als für eine Mediation ungeeignet angesehen wurden. 348 Dies würde zu einer Verbreitung von Mediationsverfahren mit den oben ge344 Duve, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S.166; Sander, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, Kontliktbewältigung durch Verhandlungen, S. 149; für den Bereich der Scheidungsmediation siehe Waldman, I Va. I. Social Policy & Law, l3D/l3I. 345 Vgl. Waldman, 1 Va. I. Social Policy & Law, 116f., die vor allem für die Scheidungsmediation auf die Notwendigkeit der Schaffung eines Mächtegleichgewichts durch Einbeziehung des Rechts hinweist. 346 Moore, The Mediation Process, S. 334; Keltner, Mediation, S. 33; für einen Ausgleich eines Machtungleichgewichts auch Folberg/Taylor, Mediation, S. 34. 347 Vgl. Gessner, Recht und Konflikt, S.194. 348 Z. B. Miet- oder Verbraucherrecht (soziale Schutzrechte); vgl. Gottwald, WM 1998, 1258. So hat schon Breidenbach darauf hingewiesen, dass diese Bereiche mit typischem Machtungleichgewicht für die Mediation nur unter Zuziehung von schützenden Modifikationen tauglich sind; siehe Breidenbach, Mediation, S. 252.

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

nannten vielzähligen Vorteilen beitragen. Hier könnte - was später noch genauer zu untersuchen sein wird - eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts hilfreich sein. 349 Durch das Ausnutzen von Vorteilen des Rechts im Mediationsverfahren kann somit auch dem anfangs in dem Problemaufriss angesprochenen Misstrauen der Bürger entgegengewirkt werden, welches vor allem darin besteht, im Rahmen von Verhandlungslösungen gerade dieser Vorteile des Rechts verlustig zu gehen. Denn in der heutigen Zeit wachsen die Schutzerwartungen der Bevölkerung ebenso wie die Schutzzusagen der Politik. 350 Der Bürger wird folglich kaum bereit sein, diesen immer stärker ausgeprägten Schutz weitgehend (also bis auf die indisponiblen Regelungen) aufzugeben, indem er sich in die Mediation begibt. Insoweit besteht vielmehr die Angst, das Recht nicht nur als bekannten Entscheidungsmaßstab zu verlieren, sondern auch als Schutzinstrument. Die Verbesserung des Schutzes Schwächerer durch die Einbeziehung von Recht kann dieses Misstrauen überwinden helfen. (3) Ergebnis

Der mediative Ansatz ist ein Versuch, Nachteile des kontradiktorischen Verfahrens aufzufangen. 351 Wenn dies der Zweck der Mediation ist, so dürfen jedoch Vorteile des Rechts wie die Machtkontrolle nicht einfach über Bord geworfen werden. Auch Hoffmann-Riem 352 weist drauf hin, dass die von den Gerichten vorgegebenen Standards im außergerichtlichen Bereich nicht unterschritten, sondern unter Nutzung der meist gegebenen größeren Flexibilität möglichst übertroffen werden sollten. Demzufolge ist eine Machtkontrolle durch Einbeziehung des Rechts, die über den durch das indisponible Recht gesetzten Mindeststandard hinausgeht, grundsätzlich zu befürworten. bb) Machtkontrolle durch umfassende objektive Ergebniskontrolle

Im Folgenden ist nun zu untersuchen, wie weitgehend eine solche Machtkontrolle durch die Einbeziehung des Rechts in der Mediation überhaupt zulässig ist. Da bei ungleichen Machtverhältnissen die Gefahr der Übervorteilung einer Partei durch die andere besteht, geht es hier somit auch um Überlegungen, die unter dem Stichwort "Fairness" geführt werden. 353 349 Diese Möglichkeit wird teilweise übersehen und wegen der Gefahr von Machtungleichgewichten jede Form der außergerichtlichen Streitbeilegung generell abgelehnt; so z. B. von Fiss, 93 Yale Law Journal, 1076f. 350 Hesse/Kauffrnann, in: Haft u. a., Bausteine zu einer VerhaItenstheorie des Rechts, S. 217. 351 So Mähler/Mähler, in: Krabbe, Scheidung ohne Richter, S. 157. 352 Hoffrnann-Riem, ZRP 1997, 197. 353 Vgl. Breidenbach, Mediation, S. 174/175.

I. Rechtsanwendung in der Mediation

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Die naheliegendste Möglichkeit wäre, dass dem Mediator eine Verantwortlichkeit für das Ergebnis auferlegt wird, indem er dessen Fairness anhand der Rechtslage beurteilt und dafür Sorge trägt, dass sich die Positionen der Parteien nicht verschlechtern. 354 Notfalls könnte der Mediator regulierend eingreifen, wozu er bei richtigem Verhalten auch die Autorität hat. 355 Dies würde solche Vereinbarungen verhindern, die aufgrund eines Machtungleichgewichts zu sehr zu Lasten der schwächeren Partei gehen. In diesem Zusammenhang wurden in den USA vermehrt private Regelungen der Praktiker geschaffen, die dem Mediator auch hinsichtlich des Ergebnisses eine stärkere Verantwortung auferlegen. Schon 1994 beschlossen die "American Bar Association (ABA)", die "American Arbitration Association (AAA)" und die "Society of Professionals in Dispute Resolution (SPIDR)" die "Standards of Conduct for Mediators", in denen eine Regelung über die Verantwortlichkeiten des Mediators enthalten ist. 356 Davon versprach man sich nicht nur einen Einfluss auf das Verhalten der Mediatoren dieser Organisationen, sondern auch auf eventuelle gesetzliche Regelungen der Bundesstaaten und anderer privater Organisationen. Solche Bewegungen in den USA, hin zu Regelungen bezüglich des Verhaltens der Mediatoren, haben dort schon zu einer Vielzahl von neuen Gesetzen der einzelnen Staaten geführt. 357 Zudem wurde seit 1997 von der "American Bar Association" und der "National Conference of Commissioners on Uniform State Laws" auch der Versuch unternommen, eine einheitliche nationale gesetzliche Regelung zu schaffen. Ein solcher Ansatz, der dem Mediator die Aufgabe einer objektiven Ergebniskontrolle zuweist und ihn somit verstärkt in die Verantwortung nimmt, geht jedoch über die bloße Idee einer Machtkontrolle hinaus. Es ist somit zu prüfen, ob eine so weitgehende Kontrolle mit den Prinzipien der Mediation vereinbar ist.

(1) Neutralität des Mediators Das Neutralitätsgebot, also die Pflicht des Mediators, sich nicht auf eine der beiden Seiten im Konflikt zu stellen, sondern sich neutral zu verhalten, ist ein wichtiger Grundsatz der Mediation. 358 Denn handelt der Mediator den Parteien gegenüber nicht in dieser Weise, so werden die Parteien kein Vertrauen zu ihm entwickeln 359 , was sich wiederum negativ auf das gesamte Verfahren auswirkt. Außerdem besitzt der Mediator bei entsprechendem Verhalten durchaus Einflussmöglichkeiten gegenVgl. Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 61 f. Dazu ausführlich Breidenbach, Mediation, S. 143 ff. 356 Zu den wichtigsten Inhalten Craver, Effective Negotiation and Settlement, S. 392 f. 357 Inzwischen ca. 2000; vgl. dazu Goldberg/Sander/Rogers, Dispute Resolution, S. 184. 358 Kritisch dazu Cloke, Mediating Dangerously, S.12f. 359 Haft, Verhandlung und Mediation, S. 249. 354 355

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über den Parteien. 360 Bei fehlender Neutralität bestünde nun die Gefahr, dass er diesen Einfluss zu Gunsten einer Partei geltend macht. Dies könnte zum einen zu unausgewogenen Ergebnissen führen und zum anderen das Gefühl der erlebten Verfahrensgerechtigkeit 361 beeinträchtigen. Aus der Stellung des Mediators als Mittler zwischen den Parteien ergibt sich jedoch schon, dass die Neutralität in der Mediation nicht als "Heraushalten", sondern als "Allparteilichkeit" zu verstehen ist. 362 Der Mediator ist also nicht zur Untätigkeit verurteilt, sondern kommt seiner Neutralitätspflicht vielmehr dadurch nach, dass er sich für beide Parteien in gleichem Umfang engagiert. Auch wenn über die Auslegung des Neutralitätsgebots alles andere als Einigkeit besteht 363 , ließe sich für die Zulässigkeit einer umfassenden Ergebniskontrolle durch den Mediator hier nun argumentieren, dass eine solche unbedenklich ist, sofern sie für beide Seiten gleichermaßen durchgeführt wird. Der Mediator müsste also das Ergebnis als Ganzes unter Berücksichtigung aller Belange der Parteien überprüfen. Dadurch wäre dem Neutralitätsgebot im Sinne einer Allparteilichkeit ausreichend Rechnung getragen. In diese Richtung geht auch Moore mit seiner Meinung. Er sieht die Aufgabe des Mediators allein in der Herstellung von fairen Vergleichen, wobei gegebenenfalls die schwächere Partei von dem Mediator unterstützt werden muss. Um die Fairness des Vergleichs aber beurteilen zu können, bedarf es zunächst einer umfassenden Ergebniskontrolle, weshalb auch er eine solche als mit dem Neutralitätsgebot vereinbar ansieht. 364 Ob allerdings auch die auf diese Bewertung folgende einseitige Unterstützung der schwächeren Partei noch als Allparteilichkeit verstanden werden kann, ist sehr fraglich, wird jedoch von Moore offengelassen. Auch Susskind und Cruikshank sehen in einer solchen Ergebniskontrolle keinen Widerspruch zum Gebot der Neutralität des Mediators: ..Given the scope of the intennediaries' involvement in most distributional disputes, it is important that they [the intennediaries, d. Yerf.] be willing to accept some responsibility for the fairness [ ... ] of the outcomes. This is not inconsistent with the concept of neutrality". 365

Dazu ausführlich Breidenbach, Mediation, S. 143 ff. Siehe dazu oben unter Punkt B. III. 2. b). 362 So Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 133; Folberg/Taylor, Mediation, S. 247. 363 Ausführlich zu dieser Diskussion siehe Kovac, Mediation, S. 123 ff. und Morris, in: Macfarlane, Rethinking Disputes, S. 318 ff. 364 Moore, The Mediation Process, S.69. 365 Susskind/Cruikshank, Breaking the Impasse, S.150. 360

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I. Rechtsanwendung in der Mediation

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(2) Bedeutung der Interessen der Parteien Allerdings ist die Idee einer Ergebniskontrolle unter einem anderen Gesichtspunkt problematisch. (a) Zulässigkeit einer objektiven Bewertung von Mediationsergebnissen? Denn eine Fairnesskontrolle des Ergebnisses setzt voraus, dass der Mediator das gefundene Ergebnisses zunächst objektiv bewertet. Dabei ließe sich vor allem daran denken, dass auf die objektive Verwirklichung der Rechte des Einzelnen abgestellt wird. Ob dies mit den Prinzipien der Mediation vereinbar ist, ist fraglich. Eidenmüller geht in diesem Zusammenhang ähnlich wie Moore davon aus, dass die Rechtsansprüche der Parteien deren Ausgangslage bestimmen. Darüber zu wachen, dass sich diese nicht verschlechtert, sei Aufgabe des Mediators. 366 Dazu muss das Ergebnis aber erst einmal vom Mediator anhand der objektiven Rechtslage bewertet werden. Folglich wäre hiernach die Zulässigkeit einer objektiven Ergebnisbewertung zu bejahen. In diesem Fall würde es sich anbieten, das Ergebnis der Mediation mit dem Ausgang eines fiktiven Gerichtsverfahrens in dieser Sache zu vergleichen (sog. "shadow verdict").367 Für die Anlegung eines gewissen objektiven Bewertungsmaßstabes sprechen sich auch Susskind und Cruikshank aus. Sie weisen zwar zu Beginn ihres Buches "Breaking the Impasse" darauf hin, dass es wichtiger ist, dass das Ergebnis von den Parteien als fair empfunden wird, als von einem unabhängigen Analysten, der einen abstrakten Entscheidungsmaßstab anlegt. 368 Dennoch ist es ihrer Meinung nach unerlässlich, dass der Mediator Verantwortung für die Fairness des Ergebnisses übernimmt. Grund hierfür sei, dass konsensorientierte Konfliktlösungsverfahren Gefahr laufen, ihre Glaubwürdigkeit der Öffentlichkeit gegenüber zu verlieren, wenn sie in einem - oft gezogenen - Vergleich mit gerichtlichen Verfahren nicht den selben Leistungsstandards entsprechen. 369 Folglich muss der Mediator das Ergebnis objektiv bewerten, um es auf seine am Maßstab des gerichtlichen Verfahrens gemessene objektive Fairness hin überprüfen zu können, damit sie einem eventuellen späteren "test of performance" standhalten. Unterstützend wird zum Teil vorgebracht, dass die Vereinbarungen, auch wenn sie privatautonom getroffen wurden, von ihrer Qualität her zumindest einem objektiven rechtsstaatlichen Mindestmaßstab entsprechen müssen, um die Mediation zu einem für einen Rechtsstaat akzeptablen Konfliktlösungsverfahren machen zu können. 370 Auch Mnookin und Kornhauser weisen auf das Interesse des Staates an einem fairen Eidenmüller, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 62. So geschehen in den USA im "Agent Orange Fall"; dazu und zu den mit dieser Methode verbundenen Problemen siehe Galanter, 1988 Journal of Dispute Resolution, S. 59ff. Befürworter dieser Methode finden sich bei Luban, 66 Denver University Law Review, 387. 368 Susskind/Cruikshank, Breaking the Impasse, S.25. 369 Susskind/Cruikshank, Breaking the Impasse, S.150 u. S.I64. 370 Vgl. Hoffmann-Riem, ZRP 1997, 193 und Brunet, 62 Tulane Law Review, 31 ff. 366 367

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Verfahren hin und machen darauf aufmerksam, dass eine objektive rechtliche Betrachtung unter Umständen nötig sei, um die Parteien vor ihrer eigenen Blauäugigkeit zu schützen. 371 Der Mediator könne kein unfaires Ergebnis zulassen. 372 (b) Vorrang der Parteiinteressen Diesen Befürwortern einer objektiven Bewertung von Mediationsergebnissen sind jedoch zwei Gesichtspunkte entgegenzuhalten. Zum einen reicht für die Gewährleistung eines rechtsstaatlich notwendigen Mindeststandards das indisponible Recht aus, so dass schon die Notwendigkeit einer objektiven Bewertung fraglich ist. Und zum anderen steht eine solche im Widerspruch zum Grundgedanken der Mediation, wonach bei der Ergebnisfindung allein die Interessen der Parteien im Vordergrund stehen. 373 Nur durch die Wahrung dieses Interessenvorrangs lassen sich die zahlreichen Vorteile der Mediation verwirklichen. So sorgt das Bewusstsein der Parteien, das Verfahren in den Händen zu halten und selbst über das Ergebnis entscheiden zu können, für eine höhere erlebte Gerechtigkeit und somit Zufriedenheit mit dem Ergebnis. Dies ist wiederum Gewähr für eine spätere Befolgung der getroffenen Vereinbarung. Zudem könnte die Situation entstehen, dass eine von den Parteien entwickelte wertschöpfende Lösung einer solchen, an objektiven Kriterien ausgerichteten Bewertung durch den Mediator nicht standhält und somit nicht umgesetzt werden kann. So wäre es denkbar, dass eine Partei in den Verhandlungen einen Großteil ihrer rechtlichen Positionen zu Gunsten eines ideellen Interesses aufgibt und dadurch eine für beide Seiten vorteilhafte Lösung entsteht, was aber anschließend bei einer objektiven Betrachtung unter Bezugnahme auf die objektive Rechtslage vom Mediator als unfair empfunden und deshalb unterbunden wird. Und dies obwohl das Mediationsverfahren doch gerade auf die Entwicklung solcher Win-win-Lösungen abzielt, in denen die Interessen der Parteien so weit wie möglich zur Geltung kommen. Aus diesem Grund ist jede vorrangig an anderen Zielen orientierte Bewertungsmethode des Ergebnisses abzulehnen. Unzulässig ist folglich nicht nur das oben genannte "shadow verdict", bei dem der Ausgang eines fiktiven Gerichtsverfahrens in der seI ben Sache als Bewertungsmassstab genommen wird, sondern auch das sogenannte "shadow bargain", welches als Bezugspunkt auf eine nicht-mittlerunterstützte Verhandlung bei einem Anwalt oder vor Gericht abstellt. 374 MnookinlKornhauser, 88 Yale Law Journal, 993. So die Meinung des "Professors" in einem fiktiven Streitgespräch mit einem Mediator bei GoldberglSanderlRogers, Dispute Resolution, S. 200. 373 Breidenbach, Mediation, S.192ff.; so auch Mac/ariane, in: dies., Rethinking Disputes, S.19. 374 Zu den unüberwindbaren praktischen Problemen eines solche "shadow bargain" siehe Luban, 66 Denver University Law Review, 388 f., der sich aber dennoch gegen die Befriedigung der Parteien als maßgebliches Kriterium ausspricht. 371

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Zwar wird in der Literatur auch eine gemeinschaftsorientierte Funktion von außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren diskutiert 375 und tatsächlich lassen sich ein Vielzahl solcher positiven Auswirkungen auf diverse Bereiche der Gesellschaft feststellen. 376 Dies ändert jedoch nichts an dem unumstößlichen Vorrang der Interessen der Parteien und somit an der Ablehnung einer objektiven Bewertung von Mediationsergebnissen. Denn es darf nicht übersehen werden, dass der Kern der Mediation die Bejahung der Autonomie der Parteien ist. Diese Autonomie, also die Möglichkeit der Parteien, allein nach ihren Interessen und ihrem Willen zu handeln, ist Grundlage für wichtige Vorteile der Mediation wie die Schaffung wertschöpfender Lösungen und die Bestandskraft des Ergebnisses. 377 Folglich muss die Befriedigung ihrer Interessen immer im Vordergrund stehen. 378 Der Mediator ist nicht autorisiert über die Fairness des Ergebnisses zu entscheiden, wenn die Einigung für die Parteien akzeptabel und somit aus ihrer Sicht fair ist. 379 (c) Einschränkung zu Gunsten von Drittinteressen? Dennoch wird eine Einschränkung dieses Grundsatzes teilweise für solche Bereiche diskutiert, in denen wichtige Interessen Dritter betroffen sind, ohne dass diese Dritten direkt am Konflikt beteiligt sind. 380 Eine solche Konstellation findet sich vor allem bei Umweltkonflikten. 381 Allerdings ist zu beachten, dass an solchen Konflikten zum überwiegenden Teil der Staat als beteiligt ist, da es dabei zumeist um projektbezogene oder regulative Absprachen bzw. um Vereinbarungen über den Ersatz von Umweltschäden geht. 382 In diesen Fällen einer direkten staatlichen Beteiligung kommt dem Staatshandeln unter Umständen Eingriffscharakter zu, so dass es an den Grundrechten der betroffenen Dritten zu messen ist. 383 Wie bereits oben festgestellt, beziehen sich die hier in Teil D angestellten Überlegungen aufgrund der Besonderheiten bei der Beteiligung Siehe nur Moore, in: Folger/Iones, New Directions in Mediation, S.201. Eine umfassende Aufstellung findet sich bei Bush, 66 Denver University Law Review, 347 mwN. Siehe auch Tyler, 66 Denver University Law Review, 424ff. 377 Siehe dazu oben unter Punkt B. III. 378 Anders Bush, 66 Denver University Law Review, 370f., der die Befriedigung der Parteien nur als ein Qualitätsmerkmal unter vielen ansieht, deren Priorität je nach Einstellung des Betrachters zur Gesellschaft unterschiedlich sein kann. Er verkennt dabei aber den gerade angesprochenen unumstößlichen Vorrang der Autonomie der Parteien. 379 Stulberg, 6 Vermont Law Review, IlOff. 380 Zu dieser Diskussion bei Umwelt- und Familienkonflikten siehe Kovach, Mediation, S.123ff. 381 Für eine Einschränkung des Vorrangs der Parteiinteressen in diesem Bereich Susskind, 6 Vermont Law Review, 6ff.; dagegen jedoch Stulberg, 6 Vermont Law Review, IlOff. Zum Teil wird eine ähnliche Situation für Familienkonflikte festgestellt und aus diesem Grund auch dort eine Einschränkung befürwortet; so Morris, in: Macfarlane, Rethinking Disputes, S.324ff. 382 Dazu sehr ausführlich Hager, Konflikt und Konsens, S. 128 ff. 383 Hierzu Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, S.218f. 375

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des Staates jedoch nur auf Konflikte zwischen Privaten. Damit verbleiben an dieser Stelle für die Frage nach einer Einschränkung des Vorrangs der Parteiinteressen nur solche Streitigkeiten, in denen in einem Konflikten zwischen zwei Privaten Drittinteressen betroffen sind. In solchen Konstellationen sind jedoch diese Drittinteressen wiederum durch die gesetzlichen Vorgaben geschützt. So können z. B. keine Vereinbarungen getroffen werden, die gegen umweltschützende Vorschriften verstoßen oder die - sofern die Beteiligten Unternehmen sind - andere Marktteilnehmer benachteiligen oder behindern. Solche Vereinbarungen verstoßen in der Regel gegen §§ 1 ff., 14ff. oder 19ff. GWB, sowie unter Umständen gegen § 1 UWG und § 138 BGB. Handelt es sich bei den betroffenen Dritten um Private, so greift lediglich § 138 BGB ein. Aufgrund dieses ausreichenden Schutzes erscheint eine Einschränkung des Vorrangs der Parteiinteressen hier als nicht mehr gerechtfertigt. Denn hierdurch würde der Grundsatz der Autonomie stark beeinträchtigt und damit das gesamte Mediationsverfahren in Frage gestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die tangierten Drittinteressen damit in dem Verfahren bedeutungslos werden. Es ist möglich ihnen auf verschiedene Weise Rechnung zu tragen. So kann z. B. eine Lösung dieses Problems über die Auswahl der Kontliktparteien gesucht werden. In diesem Fall würden mit Zustimmung der ursprünglichen Parteien Vertreter dieser Drittinteressen in die Verhandlungen mit einbezogen. Hier würde es sich anbieten, alle einzubeziehen, die eine Vereinbarung zwischen den ursprünglichen Parteien später durch Protest, Klage oder ähnlichem beeinträchtigen könnten. Sollte mit einer solchen Beteiligung der Kreis der am Verfahren teilnehmenden Parteien zu groß werden, was eine Einigung erschweren könnte, so ließen sich diese Interessen auch bündeln und einem Repräsentanten zur Vertretung übertragen. Daneben bestünde auch die Möglichkeit, den Versuch zu unternehmen, bei den Parteien ein Bewusstsein im Hinblick auf diese Drittinteressen zu wecken. Es muss deutlich gemacht werden, welche Konsequenzen aus einer bestimmten Vereinbarung erwachsen. Dieses Vorgehen ist vor allem dann vorteilhaft, wenn Interessen der Allgemeinheit betroffen sind, an denen letztendlich auch die Parteien partizipieren. 384 Eine solche Aufgabe könnte vom Mediator übernommen werden, wobei sich dieser jedoch in keinem Fall zu einem Repräsentant dieser Interessen machen darf. Es ist somit hier festzuhalten, dass auch bei Kontlikten mit betroffenen Drittinteressen aufgrund der Bedeutung des Grundsatzes der Autonomie keine Einschränkung des Vorrangs der Parteiinteressen vorgenommen werden darf, sondern in solchen Fällen auf andere Lösungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden muss.

384

Siehe hierzu Hager, Konflikt und Konsens, S. 134.

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(d) Ergebnis Aufgrund dieses Vorrangs der Interessen der Parteien könnte zur Bewertung des Mediationsergebnisses folglich allenfalls auf die subjektive Zufriedenheit der Parteien abgestellt werden. 385 Da diese aber nicht messbar ist 386, lässt sich weder aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten noch aus der Sicht des beteiligten Mediators eine Ergebnisbewertung vornehmen. 387 Deshalb muss auch in der Mediation, die ja letztendlich Ausfluss der Privatautonomie ist, der Vertragsfreiheit der Vorrang vor der Vertragsgerechtigkeit eingeräumt werden. 388 Schließlich verbleibt für die Parteien auch immer die Möglichkeit, aus dem Verfahren auszusteigen. Eine direkte Ergebniskorrektur im Sinne eines Eingriffs darf allein in den Grenzen stattfinden, die schon der Privatautonomie selbst durch das zwingende Recht gesetzt sind. 389 Dies sind vor allem solche Kontrollen, die gerade auf die Sicherung der Rahmenbedingungen autonomer Willensbildung gerichtet sind und somit dem Schutz der Autonomie der Parteien dienen. Über diese Kontrollen hinaus ist eine Fairnesskontrolle des Ergebnisses durch den Mediator aufgrund des Grundgedankens der Autonomie der Parteien unzulässig. Der Mediator ist allein für den Prozess verantwortlich, nicht hingegen für das Ergebnis. 390 "If the mediation process is, in fact, one of self-determination, then the parties ought to be able to make own decisions. There are any number of factors that motivate people to make certain decisions. To ask the mediator to intervene and make judgements for those parties is to require conduct arguably outside the mediator's role. [... ] If the parties are satisfied, then absent illegality, the agreement should be executed... 391

Ist das zwischen den Parteien ausgehandelte Ergebnis für den Mediator nicht mit dessen Gewissen oder Fairnessvorstellungen vereinbar, so steht ihm, ebenso wie den Parteien, immer die Möglichkeit offen, sich vom Verfahren zurückzuziehen. 385 So z. B. auch Risse, BB 1999, Beil. 9,3, Mähler/Mähler, in: Dieter/Montada, Gerechtigkeit im Konfliktmanagement, S.21 und Kovach, Mediation, S. 127. Aufgrund der damit verbundenen Manipulationsgefahr lehnt Luban dies ab; siehe Luban, 66 Denver University Law Review, 403 ff. Er übersieht dabei jedoch, dass dieser Gefahr gerade durch eine Einbeziehung des Rechts durch den Mediator begegnet werden kann. Zur Gefahr der Manipulation auch unten unter Punkt cc)(I). 386 Breidenbach, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.7; siehe dazu auch ders., Mediation, S.205/206. 387 Zu den damit verbundenen Problemen auch Goldberg/Sander/Rogers, Dispute Resolution, S. 187. Anders aber der "Professional Standard of Practice for Mediators" des Mediation Council ofIllinois, der die Fairness nach der Überzeugung des Mediators bewerten lassen will; vgl. dazu Dworkin/London, 7 Mediation Quarterly, 6. 388 Siehe Breidenbach, Mediation, S. 206 f. 389 Siehe dazu oben unter Punkt D.I. 2. a) aa). 390 Furlan/Blumstein/Hofstein, Journal of the AAML, 270; Grenig, Alternative Dispute Resolution, S. 128. 391 Kovac, Mediation, S. 135/136.

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cc) Machtkontrolle durch fairnessfördernde Elemente Die eben dargestellten Gedanken sprechen jedoch nicht gegen die allgemeine Überlegung, das geschriebene Recht zur Machtkontrolle in die Verhandlungen einzubeziehen. Allein die Idee einer Ergebniskontrolle wird danach als unzulässig erachtet. Zwar kommt es - wie eben gesagt - bei der Frage nach der Bewertung eines gefundenen Ergebnisses aufgrund der Autonomie der Parteien allein auf deren Sicht an. Doch ist aus diesem Grund eine Ergebniskontrolle unzulässig, so müssen im Umkehrschluss zum Wohle und zum Schutz der Parteien alle solchen Maßnahmen zulässig sein, die die Rahmenbedingungen dieser autonomen Willensbildung sichern. Fairness wird dann nicht von der Seite des Mediators thematisiert, sondern es werden lediglich fairnessfördernde Elemente in die Verhandlungen eingebracht, die den Parteien die Möglichkeit geben, sich unter Zuhilfenahme dieser Elemente in der Verhandlung zu behaupten. 392 Je mehr man also auf die Autonomie der Parteien Wert legt, desto wichtiger wird es, Machtungleichgewichte möglichst überwinden zu helfen: ,,[E]mpowerment will seem crucial to those whose conception of the human good stresses autonomy [and] self-reliance [ ... ]."393

(1) Recht als fairnessförderndes Element Auch das geschriebene Recht stellt ein solches fairnessförderndes Element dar. 394 Die in den Gesetzen zugrundeliegenden Prinzipien und Wertungen bieten sich zudem als Orientierungsmaßstäbe an, die die Ausgewogenheit von Geben und Nehmen zu überprüfen helfen. 395 Rechtliche Argumente habe insoweit eine Vermutung parteilicher Neutralität für sich. 396 Die Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen kann nun positive Effekte auf den Ausgleich unausgewogener Machtverhältnisse haben. 397 So stellt das Recht für jeden Konflikt eine Lösung zur Verfügung und die dadurch den Parteien bekannt gewordene rechtlichen Positionen können ihnen den Rücken stärken, da sie unabhängig von der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Macht der Parteien bestehen. Auf der Seite der mit größerer Macht ausgestatteten Partei bewirkt das Bewusstsein, dass die schwächere Partei ihre Positio392 V gl. Breidenbach, Mediation, S. 177 f.; in diesem Sinne auch der "Code of Professional Conduct", abgedruckt bei Folberg/Taylor, Mediation, S. 351. 393 Luban, 66 Denver University Law Review, 402. 394 So auch Davis/Salem, 6 Mediation Quarterly, 23, die zudem auf S. 19 ff. auch noch andere Möglichkeiten des Mediators aufzählen, wie er einem Mächteungleichgewicht entgegenwirken kann. 395 Mähler/Mähler, FPR 1996, 17. 396 Risse, BB 1999 Beil. 9,4.; darauf wird auch hingewiesen bei Dworkin/London, 7 Mediation Quarterly, 7. 391 Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.216; Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 57 f.; siehe auch schon unter Punkt C. 11. 1. b) ce).

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nen gegebenenfalls auch rechtlich durchsetzen könnte, eine Erhöhung der Kooperationsbereitschaft. Rechtliche Argumente können von dieser als schlagkräftige Argumente eingesetzt werden, um sich gegen die stärkere Partei zu behaupten. 398 "Rights [... ] are not trumps, but the language we use to try to persuade others to let us win this round."399

Ein einfaches Beispiel aus der Scheidungsmediation mag dies hier verdeutlichen: M., ein dynamischer und extrovertierter junger Mann, und F., eine etwas scheue und zurückhaltende junge Frau, befinden sich in einem Scheidungsmediationsverfahren. Das Paar hat drei kleine Kinder und lebt im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so dass das Einkommen des M. zunächst als sein eigenes verbleibt (vgl. § 1363 BGB). F. macht geltend, sie habe allein zum Wohle der Familie auf eine eigene Karriere verzichtet und dadurch erst die des M. ermöglicht. Dafür verlange sie nun einen gerechten Ausgleich. M. entgegnet, dass F. schon von ihrer Person her nicht als Karrierefrau geeignet sei und dies auch nie angestrebt habe. Vielmehr habe sie genau die Rolle übernommen, die sie sich auch selber gewünscht habe. M. mag - aus welchen Gründen auch immer - sich selber im Recht glauben. Ist nun F. von ihrem Charakter her nicht in der Lage, in der Verhandlung ihre Position ausreichend geltend zu machen, so bliebe ihr bei einer rechtsfreien Mediation allein die Möglichkeit, ihre Ansprüche auf Zugewinnausgleich und Unterhalt im Wege einer gerichtlichen Auseinandersetzung durchzusetzen. Damit würde sie aber auch auf sämtliche Vorteile der Mediation verzichten. Dies bedeutet bei Scheidungen in den meisten Fällen vor allem eine enorme Belastung für die Kinder. Gerade mit Rücksicht hierauf wird oft eine Form der außergerichtlichen Streitbeilegung von den Eltern gewählt. 400 Arbeitet nun der Mediator als objektiver Dritter zusammen mit beiden Parteien die Rechtslage auf, so wird sich bei M. die Einsicht einstellen, dass er F. eine angemessene Beteiligung an seinem Vermögen nicht versagen kann (vgl. § 1378 Abs. 1 BGB). Trotz schwächerer Konstitution der F. kann sich diese somit unter Zuhilfenahme des Rechts in den Verhandlungen mit M. nun behaupten. Recht ist ein objektives Kriterium, welches nicht einfach pauschal abgelehnt werden kann. 401 Eine Missachtung desselbigen bedarf vielmehr einer expliziten Begründung; dies verleiht solchen objektiven Kriterien eine besondere Bedeutung für erfolgreiche Verhandlungen. 402 Außerdem können die Parteien mit Hilfe des Rechts ihre Ausstiegsalternative 403 ermitteln. Die Kenntnis dieser Alternative, die im englischen als "Best Alternative To a Negotiated Agreement" (BATNA) bezeichnet wird, ist gerade für die eigentli398 Vgl. Brunet, 62 Tulane Law Review, 27. 399 So sehr passend (wenn auch nicht im Bezug auf die Mediation) Minow, 96 Yale Law Journal, 1876. 400 Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 140. 401 Vgl. Haft, Verhandlung und Mediation, S. 148. 402 Dazu auch Fisher/Ury, Das Harvard-Konzept, S. 122 f. 403 Hierzu schon oben unter Punkt C. 11. 1. b) cc). 7 Köper

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chen Verhandlungen von großer Bedeutung. Ist diese richtig ennittelt, so wird zum einen eine überzogene Forderung vennieden und dadurch die Verhandlungsatmosphäre verbessert. 404 Zudem kann die unterlegene Partei hierdurch eine Stärkung ihrer Position erlahren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass durch die Kenntnis des Rechts der erhöhten Manipulationsgefahr in der Mediation begegnet werden kann. 405 In Verhandlungen besteht nämlich die Gefahr, dass bei einer der Parteien die Ausgangslage, also das Interesse, durch die besser infonnierte und dadurch überlegene Partei nach unten manipuliert wird. Letztendlich werden dann zwar die angestrebten Interessen verwirklicht, doch liegt für diese Partei trotzdem ein schlechtes Ergebnis vor. Denn aufgrund der zu niedrig angesetzten Ausgangslage ist die Differenz zwar unter Umständen beachtenswert groß, die Veränderung gegenüber dem Ausgangspunkt wirkt sich aber nicht so weit in den positiven Bereich aus, wie dies bei einer unverfälschten Ausgangslage der Fall gewesen wäre. Ohne eine solche Manipulation wäre die Partei mit dem nun gefundenen Ergebnis unter Umständen also gar nicht zufrieden gewesen, so dass der Konsens letztendlich auf Kosten der einen Partei erschlichen wurde. Grund für solche Manipulationsmöglichkeiten ist ein oft bestehendes Infonnationsgefälle im Hinblick auf die Kenntnis des Rechts zwischen den Parteien. Nach Kniffka 406 besteht ein solches im Zivilprozess vor allem aufgrund Erlahrungszuwachses bei anderen Prozessen und organisierter Erlassung des Rechts. In der Praxis sei zu beobachten, dass Kläger in der Regel einen wesentlich besseren Infonnationsstand haben als Beklagte, da sie - allein weil sie schon die Hürde des Zugangs zu Gericht überwunden haben - oft engagierter sind als der Beklagte. Geht man nun davon aus, dass dieses Infonnationsgefälle auch schon vor dem Prozess besteht, so kann die Aufarbeitung der Rechtslage im Rahmen der Mediation dieses Defizit zu beseitigen helfen und so dazu beitragen, dass beide Seiten den gleichen Wissenstand haben und nicht eine Seite das Recht zu Manipulationszwecken ausnutzen kann. Dies ist vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil es - wie oben gesagt - für das Ergebnis der Mediation allein auf die subjektive Zufriedenheit der Parteien ankommt. Aus Gründen der Gerechtigkeit darl diese Zufriedenheit dann aber selbstverständlich nicht durch Manipulationen erschlichen werden. Der Grundsatz der Autonomie, welcher der Mediation zugrunde liegt, setzt vielmehr eine volle Infonniertheit voraus. 407 Nur wenn sich jede Partei über die Tragweite des Ergebnisses bewusst ist, kann von einer Konflikthoheit der Parteien gesprochen werden. 408 Der Ausgleich von unausgewogenen Machtverhältnissen durch die Einbeziehung des Rechts ist insoweit eine gute Möglichkeit die Parteien Waldman, 1 Va. J. Soda! Policy & Law, 113. Zur Manipulationsgefahr siehe Breidenbach, Mediation, S. 73 f., S. 159 f. u. S. 191 sowie ders., in: BreidenbachjHenssler, Mediation für Juristen, S. 7. 406 Kniffka, DRiZ 1982,14 und ders., ZRP 1981, 166ff. 407 Die Bedeutung eines solchen "informed consent" beschreibt auch Nolan-Haley, 74 Notre Dame Law Review, 775ff. 408 Dazu auch unten unter Punkt D.I. 2. b). 404 405

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vor unlauteren Methoden zu schützen, ohne auf eine - ohnehin unzulässige - Ergebniskontrolle zurückgreifen zu müssen. (2) Mögliche Problemkreise

Stellt sich das Recht somit als ein effektives fairnessförderndes Element dar, so ist dennoch auch ein Blick auf eventuelle Problemkreise zu richten. Ein Problem könnte darin bestehen, dass durch die Einbeziehung des Rechts in die Mediation wiederum Macht aufgebaut wird. So kann das Recht von einer Partei als Druckmittel eingesetzt werden, wodurch sich dessen Verhandlungsmacht vergrößert. 409 Denkbar wäre nun, dass dies nicht nur zu einem Ausgleich der Machtverhältnisse führt, sondern darüber hinaus wiederum ein solches Machtungleichgewicht entstehen lässt - nun allerdings zu Gunsten der vorher schwächeren Partei. Dies könnte ernsthafte Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Kontrolle von Macht durch Begründung neuer Verhandlungsmacht im Wege der Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen tatsächlich die richtige Vorgehensweise ist. Hier muß jedoch differenziert werden: Es geht in diesem Abschnitt um die Kontrolle solcher Macht, die nicht durch Rechtspositionen gegeben wurde, sondern aufgrund anderer Faktoren, wie z. B. der wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Stellung, entstanden ist. Diesbezüglich bedarf es einer Kontrolle durch das Recht. 410 Auf der anderen Seite steht die eben angesprochene Verhandlungsmacht, die gerade aus dem Recht, oder besser gesagt aus den vom Recht gegebenen Positionen, resultiert. Diese kann und soll aber nicht kontrolliert werden, da das Recht nun mal Bestandteil der Realität ist und es auch gerade Sinn des Rechts ist, einen Konflikt zu Gunsten einer Partei zu lösen. Das das Recht den Parteien unterschiedlich starke Positionen zuweist, ist somit immanent und dient gerade dazu, ein Machtgefalle, welches aus anderen GrüIiden besteht, auszugleichen. Ein solches Verhandlungsmachtungleichgewicht bedarf daher gerade keiner Beseitigung. Im Gegensatz zu einem Machtgefalle aus anderen Gründen besteht zu der Macht aufgrund von Rechtspositionen auch der Unterschied, dass diese rechtliche Macht gerade legitimiert ist ("Recht legitimiert die Macht").411 Der Aufbau dieser rechtlich legitimierten Macht spricht folglich nicht gegen die Einbeziehung des Rechts als fairnessförderndes Element. Auch im Hinblick auf den oben angesprochenen Neutralitätsgrundsatz bestehen keine Bedenken. So würde sich der Mediator, sollte er derjenige sein, der das Recht in die Verhandlungen einbezieht, durch diese Einbeziehung gerade nicht auf die Sei409

Breidenbach, Mediation, S.I04f.

410 Siehe Raiser, Das lebende Recht, S. 270/271. 411 Raiser, Das lebende Recht, S.271. 7*

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te einer Partei stellen. Denn er würde sie lediglich dabei unterstützen, die vorhandenen Machtressourcen (Rechtspositionen) einzusetzen. Die Grenze solcher fairnessfördernden Maßnahmen beginnt erst dort, wo der Mediator für eine Partei gänzlich neue Macht schafft, z. B. durch strategische Planung, etc. 4I2 Die Bezugnahme auf das geschriebene Recht wirkt zudem einer Voreingenommenheit des Mediators selbst entgegen, indem das objektive Kriterium "Recht" mögliche einseitige Sichtweisen des Mediators korrigiert. 413 Obwohl hier also viel für die Einbeziehung des Rechts zur Machtkontrolle spricht und grundsätzliche Bedenken nicht entgegenstehen, soll dennoch auf einen kritischen Punkt hingewiesen werden. So müssen hier auch die Probleme und Nachteile des Rechts Beachtung finden, die letztendlich für die Vorzugswürdigkeit der Mediation als Konfliktlösungsverfahren sprechen. 414 Hierzu zählt vor allem die unter Umständen fehlende Einzelfallgerechtigkeit gesetzlicher Regelungen. 415 Da das Gesetz abstrakt-generell sein soll, kann es nur die für den Regelfall als fair angesehene Streitentscheidung normieren. Deshalb bezeichnet die Rechtsnorm selbst die Lösung für einen Konflikt in einem Wenn-dann-Schema, ohne inhaltliche Begründungen anzuführen. Das schlichte Abstellen auf eine Norm innerhalb von Verhandlungen ist daher immer nur ein formales Argument (Wortlautargument). Außerdem sind die Gesetze manchmal nicht eindeutig, sondern unterschiedlich interpretierbar. Die wirkliche Rechtslage, wie sie sich also nach Auslegung der Norm darstellt, wird oft erst nach der Anwendung durch den Richter feststehen. 416 Um diese Nachteile zu vermeiden, darf es hier nicht um eine sklavisch gesetzesorientierte Prüfung des Konflikts gehen, sondern es soll eine reflektierte Auseinandersetzung der Parteien mit dem Recht erfolgen. 417 Es muss den Parteien in der Mediation der Normalfall für die jeweilige Norm vor Augen geführt werden und welche gesetzgeberischen Wertungen Anlass für die normierte Rechtsfolge waren. Dadurch werden Prinzipien und Wertentscheidungen der Gesetze sichtbar (Sinn und Zweck) und können für die Parteien zum Orientierungsmaßstab werden, indem sich die Parteien mit diesen Gerechtigkeitsstrukturen inhaltlich auseinandersetzen. 418 Durch das Gesetz gewinnen sie einen Maßstab, an dem sie ihre subjektive Gerechtigkeit, die sie ja über die gesetzliche Regelung stellen, überprüfen können. 419 Indem sie sich mit dem Recht auseinandersetzen, geraten sie in einen Zwang, vor sich selbst zu begründen, warum sie So die Differenzierung von Moore, The Mediation Process, S. 69. Vgl. dazu Waldman, 1 Va. J. Social Policy & Law, 123 ff. 414 Allerdings geht es hier nur um solche Nachteile, die sich speziell im Hinblick auf das Recht selber stellen. Allgemeine Nachteile, wie die angesprochene Gefahr der Blockierung von kreativen Lösungsansätzen durch zu frühe Bezugnahme auf das Recht, bleiben hier außen vor; dazu erst wieder unten unter Punkt D. 1.3. 415 Dazu bereits oben unter Punkt B. 111. 1. a) und Punkt B. 111. 2. a). 416 Mähler/Mähler, FPR 1996, 18. 417 Dazu Mähler/Mähler, FPR 1996, 19. 418 Vgl. Risse, BB 1999 Beil. 9,4. 419 Vgl. Riskin, 26 Arizona Law Review, 357. 412

413

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in einer Einzelfrage zu ihrem Nachteil vom Gesetz abweichen. Hierdurch wird der Gefahr entgegengetreten, dass ohne eine - ohnehin unzulässige - Ergebniskontrolle die stärkere Partei durch unlautere Methoden eine Einigung erschleicht. Es ist somit festzuhalten, dass im Rahmen einer Machtkontrolle durch Einbeziehung des Rechts weder unzulässige Machtressourcen aktiviert werden, noch gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoßen wird. Wichtig ist allein, dass aufgrund gewisser Nachteile des Rechts eine reflektierte Auseinandersetzung hiermit erfolgen muss. dd) Stellungnahme Die Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen kann demnach wirksam dazu beitragen, ein eventuell vorhandenes Mächteungleichgewicht ausgleichen zu helfen, ohne dass gegen Grundsätze der Mediation verstoßen wird. Die Parteien können anhand des Rechts die Fairness der Einigung bewerten 42o , ihre Nichteinigungsalternative ermitteln und sich in ihren Positionen gegenüber dem überlegenen Verhandlungspartner bestärken lassen. Diese Möglichkeit wird oft von Kritikern solcher informeller Verfahren übersehen. Sie sehen die Einsatzmöglichkeiten dieser Verfahren vielmehr allein dort, wo gleiche Machtverhältnisse herrschen, oder wo solche informellen Verfahren dem formalen, am geschriebenen Recht orientierten, gerichtlichen Verfahren nachfolgen. 421 Die durch die Einbeziehung des Rechts erreichte Machtkontrolle geht nach dem eben Dargestellten über die vom Gesetz vorgegebenen Mindestanforderungen hinaus, die bei jeder privatautonomen Einigung beachtet werden müssen. Dies stellt aber keine Kapitulation der Verhandlungslösungen vor dem geschriebenen Recht dar, sondern sorgt vielmehr dafür, dass solche Verhandlungslösungen auch in Fällen mit Machtgefälle wirkungsvoll angewandt werden können. Es handelt sich somit um schützende Modifikationen, die für Konflikte mit Machtgefälle gerade erforderlich sind. 422 ee) Alternativen Zu überlegen ist jedoch, ob diese notwendige Machtkontrolle nicht auch auf andere Art und Weise erreicht werden könnte. Zu denken wäre hier an eine Kontrolle der Mediationsergebnisse durch einen am Verfahren nicht beteiligten Dritten. Vor allem in der amerikanischen Literatur zum Scheidungsrecht finden sich viele Befürworter eines solchen Ansatzes. Vorgeschlagen wird zum einen eine richterliche Kontrolle von Scheidungsvereinbarungen. 423 Andere sprechen sich für eine Über420 421 422 423

Siehe FolberglTaylor, Mediation, S. 248; Sato, 34 VCLA Law Review, 514. So z. B. Abel, 19 Clearinghouse Review, 381 f. Vgl. Breidenbach, Mediation, S. 252. MnookinlKornhauser, 88 Yale Law Journal, 993.

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prüfung des Ergebnisses durch Rechtsanwälte der Parteien aus, wobei jedoch die Initiative für eine solche Überprüfung von den Parteien selber ausgehen soll:424 "Outside counsel thus serves as a safety net, acheck against overreaching [00.]".

Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die unter bestimmten Umständen eine Kontrolle durch Rechtsanwälte oder Richter befürworten. 425 Diese Überlegungen weisen aber gegenüber der dargestellten Kontrollmethode durch Einbeziehung des Rechts in das Mediationsverfahren gravierende Nachteile auf. Sie orientieren sich alle an objektiven Kontrollrnaßnahmen, die aber, wie oben ausführlich dargestellt, gerade dem Grundgedanken der Mediation widersprechen. Es wird durch sie den Parteien das Gefühl vermittelt, dass sie nun letztendlich doch keine autonome Entscheidung treffen können, sondern sie, anstatt Konflikteigentümer zu bleiben, wieder auf einen hoheitlichen Streitentscheider treffen. Aufgaben, die eigentlich der Mediator schon innerhalb des Verfahrens erledigen könnte, würden nach außen delegiert. Dadurch wird dem Mediator das Gefühl vermittelt, dieser brauche sich innerhalb des Verfahrens in keiner Weise um Aspekte der Fairness oder Machtverhältnisse zu kümmern. Es besteht damit die Gefahr, dass es in den Verhandlungen für die schwächere Partei an einer angemessenen Verhandlungsposition fehlt, was sich negativ auf das gesamte Verfahren auswirkt. 426 Darüber hinaus wäre eine Kontrolle durch unbeteiligte Rechtsanwälte oder Richter, wie sie teilweise gefordert wird, auch mit einem erhöhten Kosten- und Zeitaufwand verbunden, was wiederum den ansonsten gegebenen Kosten- und Zeitvorteil der Mediationsverfahren beeinträchtigen würde. Eine andere Überlegung ist die, dass Konflikte, in denen typischerweise ein Mächteungleichgewicht zwischen den Parteien besteht, von der Mediation ausgeschlossen sein sollten. 427 Dies kann jedoch keine zu bevorzugende Lösung sein, wenn durch die Einbeziehung des Rechts solche Konflikte aufgrund der damit einhergehenden schützenden Modifikationen der Mediation zugänglich gemacht werden können. 428 b) Rechtsfrieden

Die Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen ist auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit von Bedeutung. Durch die Berücksichti424 Nachweise hierzu und zu den damit verbundenen Problemen bei Waldman, 1 Va. J. Social Policy & Law, 101 f. u. 134ff. 425 So wohl Hager, Konflikt und Konsens, S.122. Siehe auch Breidenbach, Mediation, S.179 und Gottwald, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 211. 426 Dazu oben unter Punkt D.1. 2. a) aa). 427 Vgl. Breidenbach, Mediation, S. 252 f. 428 Dazu oben unter Punkt D.1. 2. a) aa); auch Breidenbach, Mediation, S.252 f. hält unter der Voraussetzung solcher Modifikationen diese Art von Konflikten für verhandelbar.

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gung des Rechts wird das Leerlaufen von bestehenden Rechten verhindert. 429 Zwar ist in der Mediation das Hauptaugenmerk auf die Wahrnehmung persönlicher Interessen, die Erfüllung von Grundbedürfnissen und auf Zukunftsgestaltung gerichtet, doch kann das Gesetzesrecht nicht ausgeblendet werden, da die rechtlichen Ansprüche Bestandteile der Realität sind. 430 Ihre Beachtung dient der Stärkung des Rechtsfriedens. Trifft z. B. eine Partei ohne Kenntnis der Gesetzeslage eine Vereinbarung und erfahrt erst später, dass sie damit auf einen Anspruch in beträchtlicher Höhe verzichtet hat, so könnte dies nicht nur zu einem neuen Zerwürfnis führen, sondern auch die Vereinbarung in Frage stellen und Versuche nach sich ziehen, sich wieder davon zu lösen. Die rechtzeitige Auseinandersetzung mit dem Recht fördert hingegen die Absicherung der Vereinbarung und dient damit dem zukünftigen Rechtsfrieden. 431 Willigt jemand in eine Vereinbarung ein, die ihn im Ergebnis schlechter stellt als das Recht, so mag er dies tun. Er muss sich dessen jedoch bewusst sein. Es darf niemand allein aufgrund seiner fehlenden Rechtskenntnis zu einer solchen Vereinbarung gebracht werden, da diese Vereinbarung dann keinen Bestand haben kann. 432 Dies spricht ebenfalls für eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen. Außerdem schützt das Aufdecken von Rechtspositionen auch vor Manipulationen der Erwartungen durch die andere Partei. So kann die oben dargestellte "schlechte" Einigung, bei der auf einen bestehenden Anspruch verzichtet wird, nicht nur durch bloßes Nichtwissen eingetreten sein, sondern auch durch Manipulation der Ausgangserwartungen; also durch bewusstes Herbeiführen von Nichtwissen. 433 c) Normen als "Schatzkammer"

Durch eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen kann zudem auch der" in der Rechtsordnung vorhandene reiche Schatz an praktischer Lebensklugheit"434 gehoben und nutzbar gemacht werden. Oft sind in den gesetzlichen Normen Erfahrungen und Lösungsvorschläge vorhanden, mit denen sich auseinander zusetzen lohnenswert sein kann. 435 Vielleicht lassen sich hier Ideen finden, auf die die Parteien in dieser Weise noch nicht gekommen sind und vielleicht auch nicht mehr kommen würden. Außerdem kann auch das eigene Interesse vor dem Hinter429 Blankenburg, in: Blankenburg, Alternativen in der Ziviljustiz, S.29; ders., in: Blankenburg, Alternative Rechtsfonnen und Alternativen zum Recht, S. 83 f.; Breidenbach, Mediation, S.51/52. 430 Dazu schon oben unter Punkt C.I1. 1. b)cc). 431 MählerlMähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.55; Mählerl Mähler, FPR 1996, 19; FolberglTaylor, Mediation, S. 248. 432 Kojima, in: ICL, Toward Comparative Law, S. 691. 433 Zu dieser Manipulationsgefahr siehe schon oben unter Punkt D.l. 2. a)cc) (1). 434 So die Fonnulierung von Haft, in: Köbler, Festschrift für Söllner, S. 392. 435 MählerlMähler, FPR 1996, 17.

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

grund rechtlicher Nonnierung besser ausgeleuchtet werden. 436 Gesetze können insoweit als "Schatz- oder Vorratskammern" für die Interessenfindung und spätere Durchsetzung dienen und eine Quelle zur Vorteils gewinnung darstellen. 437 Diese kann gerade auch beidseitig sein und sich so gleichzeitig zu Gunsten jeder Partei auswirken. Durch die Prüfung der Rechtslage lassen sich eventuell anspruchsbegründende Nonnen aufdecken, die beiden nützlich sind, wie z. B. BaföG-Regelungen, Wohngeldansprüche oder Steuervorteile. 438 Das Recht ist somit auch geeignet, eine Vergrößerung der Summe der später zu verteilenden Ressourcen zu erreichen. 439 Darüber hinaus kann das vom Gesetzgeber vorgesehene Lösungsmodell für eine Konfliktsituation - das Gesetz - in der Mediation Ausgangspunkt für eine Diskussion sein, weshalb oder weshalb nicht diese Lösung für den vorliegenden Streit übernommen werden soll. Rechtliche Argumente haben insoweit eine Vennutung parteilicher Neutralität für sich und können maßgeblich zum Finden einer allseits akzeptablen Lösung beitragen. 44o Dies kann gerade auch durch die Aufgabe von Rechtspositionen gegen eine entsprechende Gegenleistung geschehen, die aber nicht notwendigerweise in dem Zugeständnis einer anderen rechtlichen Position liegen muss, sondern auch in Fonn einer partiellen Interessenbefriedigung erfolgen kann (sog. "Tauschgeschäfte" oder "trade-offs"441). "Das [Tauschgeschäft; d. Verf.] ist das Geheimnis von Konfliktmittlung: Nicht die Betroffenen zur Interessenaufgabe zu bringen, sondern ihre Positionen veITÜckbar zu machen."442

In der Mediation geht es gerade nicht um rechtliche Positionen, sondern um Interessen. Die Rechtspositionen werden somit in der Mediation zu Tauschobjekten, was in einem gerichtlichen Verfahren nur sehr eingeschränkt möglich ist. 443 Hierin liegt ein großes Potential der Mediation. So beschreibt Gifford 444 solche "Tauschgeschäfte" als eine der beiden wichtigsten Typen von Problemlösungen. Dafür ist jedoch zunächst die Kenntnis des geschriebenen Rechts zwingende Voraussetzung, um in ihm überhaupt Tauschobjekte ausfindig machen zu können. 445

Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.57f. Mähler/Mähler, in: BreidenbachlHenssler, Mediation für Juristen, S. 22; Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.53/54. 438 Mähler/Mähler, FPR 1996, 17; Groner/Winograd, in: Büchner, Außergerichtliche Streitbeilegung, S. 323; Risse, BB 1999 Beil. 9,5. 439 Waldman, 1 Va.J. Social Policy & Law, 108f. 440 Risse, BB 1999 Beil. 9,4. 441 Dazu Breidenbach, Mediation, S. 70n 1 und Raiffa, The Art and Science of Negotiation, S.148ff. 442 So Hojfmann-Riem, ZRP 1997,195. 443 Vgl. Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.42ff. 444 Gifford, Legal Negotiation, S. 32. 445 So auch Kovac, Mediation, S. 131. 436 437

I. Rechtsanwendung in der Mediation

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d) Vorteile einer rein gesetzesorientierten Lösung Wenn so viele Gründe für die Einbeziehung des Rechts sprechen, so ist auch daran zu denken, eine Verhandlungslösung gleich an die gesetzliche Lösung anzulehnen und das geschriebene Recht somit als maßgeblichen Standard anzusehen. Solche Modelle werden auch teilweise in der Praxis angewandt. 446 Als Ideal eines Konfliktlösungsmodells eignen sie sich jedoch deshalb nicht, weil sie den Grundgedanken der Mediation vernachlässigen, indem sie an Stelle der Interessen der Parteien die Rechtslage in den Vordergrund stellen. Auch lässt es sich nicht mit dem Argument befürworten, ein Vorteil dieses Anspruchsdenkens liege gerade in seiner sauberen Struktur, die eine Bewältigung der Komplexität eines Konflikts ermöglicht, indem eine allgemeine Gerechtigkeitsdiskussion vermieden wird, sondern die einzelnen Teile des Konflikts nur dort im Tatbestand behandelt werden, wo sie auch wirklich relevant sind. Denn dem ist zweierlei entgegen zu halten: Zum einen liegt ein Nachteil einer solchen Fragmentierung eines Sachverhalts darin, dass dann die Entscheidungen ohne Verkettung nebeneinander stehen und es an einer aufeinander bezogenen Lösung fehlt. 447 Zum anderen findet im Rahmen eines Anspruchsdenkens schon keine angemessene Bewältigung der Komplexität statt. 448 So wurde oben dargestellt, dass bei einer Fixierung auf das Anspruchsdenken andere, vor allem soziale Aspekte hinter den rechtlichen Gesichtspunkten oft keine Berücksichtigung mehr finden. 449 Eine solche umfassende Komplexitätsbewältigung lässt sich vielmehr gerade durch ein strukturiertes Vorgehen innerhalb von interessenbezogenen Verhandlungen erreichen. 450 Dennoch kann in Einzelfällen eine solche weitgehend an der Gesetzeslage orientierte Lösung zu befürworten sein. Vor allem in den Fällen, in denen der Konflikt aus der Sicht der Parteien keinen Kooperationsgewinn zulässt (Nullsummenspiel), kann es sinnvoll sein, eine Einigung anzustreben, die das Ergebnis einer gerichtlichen Entscheidung vorwegnimmt. 451 Allerdings sollte eine solche Situation nicht vorschnell angenommen werden, denn in der größten Zahl der Fälle wird zumindest eine eingeschränkte Interessenlösung möglich sein. 452 Sollte sich aber tatsächlich keine Win-win-Lösung erreichen lassen und geht es somit nur um die Verteilung der nicht zu vergrößernden Ressourcen, so ist es grundSätzlich nicht einfach, allein durch Verhandlung ein Ergebnis zu erzielen. Da aber das Gesetz für jeden Fall eine Lösung vorsieht, können sich die Parteien auf das Gesetz als Entscheidungsmaßstab Nachweise dazu bei Kojima, in: ICL, Toward Comparative Law, S. 691. Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.40; so auch Eschweiler, FPR 1996,29. 448 Dazu Haft, Verhandlung und Mediation, S. 65. 449 Hierzu schon oben unter Punkt B. III. I. a) und Punkt D. I. I. c) aa). 450 Siehe Haft, Verhandlung und Mediation, S. 69 ff. 451 Breidenbach, Mediation, S.78n9. 452 So Röhl, Rechtssoziologie, S. 462. 446

447

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

einigen. Für die Parteien ist dies meist schon deshalb akzeptabel, weil er auch in einem Gerichtsverfahren zur Anwendung käme, sollte eine Einigung scheitern. 453 Der Vorteil einer KonfIiktlösung auf diese Weise gegenüber der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens liegt dann darin, dass hierdurch zumindest die Kosten eines Prozesses eingespart werden. 454 Außerdem wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine eigene Aufteilung befriedigender und oft auch besser ist, als eine vom Richter angeordnete, auch wenn sie am selben Maßstab erfolgt. 455 Über diese Art von Fällen hinaus ist eine eng an die gesetzlichen Regelungen angelegte Lösung aus den genannten Gründen hingegen nicht zu befürworten. Leitlinie bleibt vielmehr vorrangig das "selbstgesetzte Recht". 456 Das geschriebene Recht ist seinen Funktionen nach in der Mediation vielmehr vorrangig für das Verfahren von Bedeutung, um die Voraussetzungen für eine autonome Entscheidung zu sichern, nicht hingegen so sehr für das Ergebnis.

e) Stellungnahme Betrachtet man nun die hier angeführten Argumente für eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts, so lassen sich die hieraus entstehenden Vorteile nicht von der Hand weisen. Auch wenn eine solche Bezugnahme auf das abstrakt-generelle Gesetzesrecht gerade im Hinblick auf die Interessenbezogenheit der Mediation zunächst als befremdlich empfunden werden mag, zwingt der Wille zu einer optimalen Ausgestaltung des Mediationsverfahrens zu dessen Beachtung. Im Vordergrund steht vor allem die dem Recht zuzuschreibende Machtkontrollfunktion. Mögliche Machtungleichgewichte können ausgeglichen und somit optimale Verhandlungsvoraussetzungen geschaffen werden. Dies wirkt sich wiederum positiv auf das Vertrauen und die Akzeptanz der Bürger gegenüber außergerichtlichen KonfIiktlösungsverfahren aus, da der Verlust der Machtkontrollfunktion des Rechts - eines wesentlichen Vorteils des gerichtlichen Verfahrens - nicht mehr befürchtet werden braucht. Gleichzeitig führt die Auseinandersetzung mit dem geschriebenen Recht dazu, dass die Einigungen auch mit Blick hierauf getroffen werden. Die Gefahr, dass eine Partei im Nachhinein erkennt, wie ungünstig diese Einigung im Vergleich zu dem im Wege einer gerichtlichen Auseinandersetzung Erreichbarem ist, wird weitgehend gebannt. Dies hat positive Auswirkungen auf den Bestand einer Einigung und somit auf den Rechtsfrieden. Darüber hinaus können durch die Aufarbeitung der Rechtslage auch rechtliche Positionen gefunden werden, die entweder der Interessenfindung dienlich sind oder sich auch im Wege von "trade-offs" gegen Leistungen der anderen Partei eintauschen lassen. Risse, BB 1999 Beil. 9,4. Breidenbach, Mediation, S. 79. 455 Risse, NJW 2000,1619. 456 Siehe oben unter Punkt C. I. 2. a) bb) (1). 453

454

I. Rechtsanwendung in der Mediation

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Dies alles spricht für eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die Verhandlungen. Die damit verbundenen Vorteile bieten die Möglichkeit, das Mediationsverfahren zu optimieren und dadurch eine Vielzahl von Konflikten diesem Lösungsverfahren zugänglich zu machen. Auf diese Möglichkeit sollte nicht verzichtet werden.

3. Gesamtergebnis zur Rechtsanwendung Im Vorangegangenen wurden nun auch die Vorteile einer Einbeziehung des Recht in das Mediationsverfahren untersucht. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass ihnen ein gewichtiges Argument gegenübersteht, welches bereits vorher bei der Frage nach den Vorteilen einer Entrechtlichung herausgearbeitet wurde. Danach besteht bei einer solchen Bezugnahme auf das Recht die Gefahr, dass der zugrundeliegende Sachverhalt auf die rechtlich relevanten Fakten verengt wird und im Endeffekt weitgehend nur Positionen thematisiert werden, anstatt interessenbezogene Lösungsmöglichkeiten zu suchen. 457 Aus diesem Grund sprechen sich auch einige Autoren dafür aus, dass das Recht in den Verhandlungen nicht zum Thema gemacht werden soll und fordern eine "DeThematisierung von Recht".458 So geht Gottwald 459 davon aus, dass durch die Einbeziehung des Rechts aus einem Interessenkonflikt ein Wertekonflikt werde. Ein solcher sei aber wesentlich schwieriger zu lösen, da um Werte und Normen nicht gefeilscht werden könne, denn" Werte, Normen und die Wahrheit [sind] eben kein Privateigentum ". Kompromissen hierüber hafte der "Geruch des Unerlaubten" an. Deshalb spricht er sich für eine De-Thematisierung des Rechts aus. Dies mag für den Fall stimmen, dass ein Konflikt vor Gericht entschieden wird. Anders stellt sich die Situation jedoch gerade in den Verhandlungen dar. Hier kann im Rahmen von "trade-offs" aufgrund der Autonomie der Parteien über solche Dinge weitgehend frei verfügt und eigenes Recht geschaffen werden. Dies ist gerade einer der wichtigsten Punkte in der Mediation. Der Unterschied zwischen den Verfahren der Mediation und den Gerichtsverfahren liegt nicht in der Thematisierung oder De-Thematisierung von Recht, sondern in der Art und Weise, wie darüber gesprochen wird. 460 Auch wenn somit diese Argumentation nicht überzeugt, darf die Gefahr der Verhinderung von interessenbezogenen Lösungen nicht unbeachtet gelassen werden. Folglich lässt sich die Frage, ob das geschriebene Recht in die Verhandlungen mit einbezogen werden soll oder nicht, hier nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Es stehen sich mit den oben beschriebenen Vorteilen der Einbeziehung auf der Zu dieser Gefahr oben unter Punkt 0.1. 1. c). Luhmann, in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht, S. 109; Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.42ff.; BierbrauerlFalkelKoch, in: Bierbrauer u. a., Zugang zum Recht, S. 187ff. 459 Gottwald, Streitbeilegung ohne Urteil, S.44/45. 460 Haffke, in: Ouss-von Werdt, Mediation: Oie andere Scheidung, S.68/69. 457

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D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

einen Seite und der damit verbundenen dargestellten Gefahr auf der anderen vielmehr zwei wesentliche Gesichtspunkte gegenüber, die in Teil E miteinander in Einklang zu bringen sind, um ein möglichst optimales Mediationsmodell zu entwickeln.

11. Rechtsverwendung in der Mediation Weitaus einfacher ist die Frage nach der Rolle des Rechts im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Rechtsverwendung zu beantworten. Denn ganz unabhängig davon, an welchem Maßstab der in der Vergangenheit liegende Teil des Konfliktes gemessen wird, spielt das Recht außerhalb der eigentlichen Verhandlungen in jedem Fall eine Rolle. Es geht dann um die Frage, welche Bedeutung dem Recht bei der Ausformulierung und Absicherung des Gestaltungswillens der Parteien sowie bei der Verfahrens sicherung zukommt. Dies ist schon deshalb weniger problematisch, weil das Recht hier zum einen schon aus formalen Gründen weitgehend notwendig ist und es zudem in diesem Zusammenhang auch keinerlei Nachteile mit sich bringt. Deshalb soll die Darstellung hier auch kurzgehalten und hauptsächlich der Vollständigkeit halber gebracht werden.

1. Recht als Gestaltungsmittel für ein Ergebnis Wichtig ist das geschriebene Recht in dieser Hinsicht vor allem als Gestaltungsmittel. Es werden bekannte Rechtsfiguren oder -institute genutzt, um das gefundene Ergebnis zu realisieren. Zwar kommt bei der Ausgestaltung des Ergebnisses dem privatautonomen Vertragsrecht eine weitaus größere Bedeutung zu als dem geschriebenen Recht. 461 Doch ist der Rückgriff auf bestimmte Rechtsfiguren teilweise sogar unumgänglich, wenn ein bestimmtes Ergebnis erreicht werden soll. So können zum Beispiel dingliche Rechte aufgrund des im Sachenrecht geltenden Numerus clausus allein in den vom Gesetz vorgesehenen Formen entstehen. Auch die Verfügung über Rechte bedarf in vielen Fällen der Beachtung bestimmter Formoder Ordnungs vorschriften. Insoweit dient das geschriebene Recht also als "Gussform" mit seinen Rechtsfiguren dazu, den Gestaltungswillen der Parteien auszuformulieren und auch das gefundene Ergebnis abzusichern. 462 Darüber hinaus kann der Rückgriff auf das Gesetzesrecht auch für die Vertragsrisikoplanung interessant sein. So können z. B. Vertragsstrafen und Verzugszinsen vereinbart werden. 463 Außerdem ist auch eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung möglich. 464 Dazu Mähler/Mähler, FPR 1996,20. Mähler/Mähler, FPR 1996, 17; Risse, BB 1999 Beil. 9,5. 463 Mähler/Mähler, FPR 1996, 18. 464 Hierzu und zu anderen Möglichkeiten der gerichtlichen Durchsetzung von Ergebnissen außergerichtlicher Streitschlichtung Prütting, BB 1999 Beil. 9, 10. 461

462

II. Rechtsverwendung in der Mediation

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2. Recht als Zulässigkeitsgrenze Eine bereits im Rahmen der Rechtsanwendung angesprochene Funktion des Rechts muss auch hier Beachtung finden. Wie oben dargestellt, dürfen Vereinbarungen zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien nicht gegen zwingendes Recht verstoßen. 465 Insoweit bildet das indisponible geschriebene Recht die äußerste Grenze einer zulässigen Einigung und dient somit - bildlich gesprochen - als "Leitplanke"466. Zu nennen sind hier aus dem zivilrechtlichen Bereich vor allem die §§ 134, 138 BGB. Es sind aber gegebenenfalls auch zwingende öffentlich-rechtliche Normen zu beachten. Dies wird z. B. häufig bei Nachbarstreitigkeiten der Fall sein. 467 Mit dieser Grenzziehung zwischen erlaubten privatautonomen Vereinbarungen und unzulässigen Einigungen geht - wie bereits oben dargestellt - auch ein Mindestmaß an Fairnesskontrolle einher. 468 Wird jedoch das geschriebene Recht im Rahmen der Rechtsanwendung schon als fairnessförderndes Element mit in die Verhandlungen einbezogen 469 , so dürfte die Gefahr einer gegen zwingendes Recht verstoßenden Einigung nur gering sein.

3. Recht als Verfahrenssicherung Als weitere verwendende Funktion des Rechts ist hier noch die Sicherung des Mediationsverfahrens selber durch Abschluss eines Mediations- oder Verhandlungsvertrages 470 zu nennen. Diese Funktion bezieht sich zwar nicht auf die zukunftsorientierte Ausgestaltung des Ergebnisses, doch kommt ihr insoweit große Bedeutung zu, als sie die eigentlichen Verhandlungen und die abschließende Ergebnisausgestaltung überhaupt erst ermöglicht. Im Rahmen dieses, in der ersten Phase der Mediation abgeschlossenen Vertrags findet unter anderem eine Einigung über die Vorgehensweise statt. Durch eine solche ausdrückliche Zustimmung beider am Konflikt beteiligten Parteien besteht später die Möglichkeit, auf dieser Vorgehensweise zu bestehen, ohne den anderen formal kritisieren zu müssen. 471 Hierdurch werden erneute Konflikte über das Verfahren vermieden und so zu einer verbesserten Verhandlungssituation beigetragen. Siehe oben unter Punkt D. I. 2. a) aa). V gl. Mähler/Mähler, FPR 1996, 17, dies., in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S.22. 467 Dazu Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, S. 106f. 468 Vgl. auch Risse, BB 1999 Beil. 9,5. 469 Dazu oben unter Punkt D. I. 2. a) cc). 470 Hierzu auch schon oben unter Punkt B. V. 1. 47\ Dazu Haft, Verhandlung und Mediation, S.123/124. 465

466

110

D. Die Rolle des Rechts im Mediationsverfahren

111. Zusammenfassung zur Rolle des Rechts Dem Recht kommt sowohl in der Verhandlung selber im Hinblick auf die Aufarbeitung des Konflikts Bedeutung zu (Rechtsanwendung), als auch im Rahmen der Verfahrensgestaltung und der Ausgestaltung des Ergebnisses (Rechtsverwendung). Bezugnehmend auf die Ausgangsfragestellung nach der genauen Rolle des Rechts im Mediationsverfahren ist an dieser Stelle zunächst festzuhalten, dass sich hinsichtlich der Rechtsverwendung keine Probleme ergeben. Diesbezüglich kann auf die Einbeziehung des Rechts unstreitig nicht verzichtet werden, hieraus ergeben sich aber auch keinerlei Nachteile. Die genannten Punkte müssen lediglich der jeweiligen Stufe des Modells zugeordnet werden. Anders stellt sich die Situation hingegen im Rahmen der Rechtsanwendung dar, wo es um die Einbeziehung des geschriebenen Rechts in die eigentlichen Verhandlungen mit Blick auf die Aufarbeitung des Konflikts geht. Hier kann aufgrund der kontroversen Argumentationslage keine eindeutige Aussage getroffen werden. Es stehen sich vielmehr gewichtige Argumente gegenüber, die sich jedoch gegenseitig nicht inhaltlich widerlegen. Dennoch sind die aus ihnen jeweils zu ziehenden Konsequenzen ("Einbeziehung ja" - "Einbeziehung nein") zunächst nicht miteinander vereinbar und die Entscheidung für die eine Position würde zwangsläufig den Verlust der Vorteile der anderen Position bedeuten. Somit lässt sich das Problem, ob und bejahendenfalls wann das geschriebene Recht in die Verhandlungen einbezogen werden soll, an dieser Stelle nicht ohne weiteres lösen. Bei der nun folgenden Einarbeitung der gefundenen Ergebnisse und Argumente müssen vielmehr beide Positionen Beachtung finden. Es soll versucht werden, deren Vorteile jeweils weitestgehend zur Geltung zu bringen.

E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell Im Hinblick auf das eingangs fonnulierte Erkenntnisinteresse sollen nun die oben gefundenen Ergebnisse und Argumente in das Mediationsmode1l 472 eingearbeitet werden, um die anfangs aufgeworfene Frage beantworten zu können, ob und bejahendenfalls wann das Recht in die Mediation einbezogen werden soll.

I. Rechtsanwendung Im Rahmen der Rechtsanwendung stellt sich dies jedoch deshalb als problematisch dar, weil hier die oben angesprochene Konfliktlage zwischen den Argumenten für und gegen eine Einbeziehung des Rechts entsteht.

1. Problemlage bei theoretischer Betrachtung Wie dargestellt hat die Einbeziehung des Rechts grundsätzlich gewichtige Vorteile. Hierzu zählen vor allem die Machtkontrollfunktion, die positiven Auswirkungen auf den Bestand einer Vereinbarung (Rechtsfrieden) und die Funktion des Rechts als "Schatzkammer", was sich vor allem im Rahmen von Tauschgeschäften als nützlich erweisen kann. 473 Diesen Argumenten, die für eine Einbeziehung des geschriebenen Rechts sprechen, steht aber der beachtenswerte Gesichtspunkt entgegen, dass bei einer zu frühen Einbeziehung eventuell andere Lösungsansätze verbaut werden. 474 Als logische Konsequenz wäre diese Situation nun so zu lösen, dass das geschriebene Recht erst im Anschluss an die Suche nach anderen Lösungsansätzen in die Verhandlungen eingebracht wird. Die Suche nach außerhalb der Rechtslage liegenden Lösungsansätzen wäre damit nicht gefährdet.

a) Bedeutung des Zeitpunktes der Einbeziehung Zu prüfen ist jedoch, ob hierdurch nicht wiederum Nachteile zu befürchten sind. 472 473 474

Siehe oben unter Punkt B. V. Zu diesen Vorteilen oben unter Punkt O. I. 2. a)--c). Hierzu oben unter Punkt 0.1. 1. c).

112

E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell

aa) Gefahr des Verlustes der Vorteile So ist fraglich, ob bei einer solchen späten Einbeziehung auch noch die dem Recht zugeschriebenen Vorteile Wirkung entfalten können. Für die durch das Recht bewirkte Verbesserung des Rechtsfriedens ist dies zu bejahen. Auch ein späterer Abgleich des Ergebnisses mit der Rechtslage kann diesen Zweck erfüllen. Im Hinblick auf die mit der Einbeziehung des Rechts verbundene Machtkontrolle, dem wohl wichtigsten Vorteil in diesem Zusammenhang, stellt sich jedoch ein gewichtiges Problem. Denn die Machtkontrolle dient dazu, das Verfahren selber zu sichern und zu verbessern, um die Voraussetzungen für eine fruchtbare Verhandlung zu schaffen. Dafür ist aber notwendige Voraussetzung, dass das Recht den Parteien auch schon vor den Verhandlungen bekannt ist. Jede Partei kann dann für sich selber entscheiden, ob sie den aus den Rechtspositionen erwachsenden Schutz des Gesetzes in diesem Verfahren braucht. Ohne diese vorherige Aufarbeitung, die geeignet ist, einen Ausgleich der Machtverhältnisse zu bewirken, könnte sich eine Partei in der Verhandlung zunächst unter Umständen nicht behaupten, was möglicherweise wiederum das Finden einer für beide Parteien akzeptablen Lösung verhindern würde. Insoweit ist hier also auch eine bloße Machtkontrolle durch Überprüfung des gefundenen Ergebnisses durch einen Dritten keine taugliche Alternative. 475 Auch der Vorteil des Rechts, aus ihm als einer Art "Schatzkammer" Ideen und Argumente für eine Lösungsfindung gewinnen zu können, wäre bei einer späteren Einbeziehung des Rechts nicht mehr gegeben. Diese Ideen werden gerade in der Lösungsfindungsphase gebraucht, um zu interessenorientierten Lösungen zu gelangen. Die meisten mit der Einbeziehung des Rechts verbundenen Vorteile lassen sich somit allein dann realisieren, wenn man das geschriebene Recht frühestmöglich mit in die Verhandlungen einbezieht. Andernfalls würde man ihrer verlustig gehen. bb) Gefahr einer nachträglichen Belastung der Verhandlungen Über die Gefahr eines solchen Verlustes der Vorteile hinaus sprechen auch noch weitere Gründe für eine frühestmögliche Einbeziehung. So besteht andernfalls die Gefahr, dass die rechtlichen Gesichtspunkte zunächst in den Hintergrund treten und erst gegen Ende des Verfahrens wieder auftauchen und dieses belasten. 476 Ist z. B. die Verhandlung durch die Akzeptanz unterschiedlicher Sichtweisen und durch wechselseitiges Verständnis der Interessenlagen schon so weit vorangeschritten, 475 476

S.85.

Dazu schon oben unter Punkt D.2. a)ee). Blankenburg, in: Blankenburg, Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht,

I. Rechtsanwendung

113

dass die Parteien ernsthaft nach einer für beide Seiten befriedigende Lösung suchen (was schon ein wichtiger Teilerfolg in der Mediation ist!), so kann die Rückführung auf subjektive Rechtsansprüche von der jeweils anderen Partei als Rückschritt empfunden werden und den erreichten Erfolg wieder vereiteln. 477 Darüber hinaus haben Erfahrungen aus der gerichtlichen Praxis belegt, dass der beste Zeitpunkt für einen Vergleichsschluss ein sehr spätes Stadium des Gerichtsverfahrens ist, wenn die Parteien durch richterliche Hinweise und Beweisaufnahmen ihre Prozesschancen und Risiken klarer erkennen können. 478 Dies lässt sich auch auf die Situation in einem Mediationsverfahren übertragen: Die Parteien werden danach meistens erst dann zu einer ernsthaften Verhandlung bereit sein, wenn sie für sich die Nachteile eines Prozesses (Prozessrisiko) und die eventuellen Schwächen in ihrer rechtlichen Position erkannt haben, was jedoch gerade die Kenntnis des Rechts voraussetzt. Es besteht dann die Möglichkeit, dass sich die Parteien gerade unter diesem Druck doch einigen. 479 cc) Ermittlung und Sicherung der Ausstiegsalternative Für eine frühe Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen spricht auch noch ein weiterer Punkt, der nicht unterschätzt werden darf. Wie bereits oben festgestellt, ist die jeweilige Nichteinigungs- bzw. Ausstiegsalternative für die Funktionsfähigkeit von Verhandlungen von großer Bedeutung. 48o Um diese aber überhaupt ermitteln zu können, muss zunächst die Rechtslage aufgearbeitet werden. 481 Damit diese Alternative auch während den Verhandlungen erhalten bleibt, bedarf es darüber hinaus auch der Kenntnis der Rechtslage, um die für eine Aufrechterhaltung der Ansprüche notwendigen Schritte einleiten zu können. Wichtig ist dies vor allem im Hinblick auf eine mögliche Verjährung der Ansprüche, die andernfalls einer gerichtlichen Durchsetzung als rechtshindernde Einwendung entgegenstehen würde. 482 477 So Mähler/Mähler, FPR 1996, 19. Zwar lässt sich diesem Argument auch entnehmen, dass am besten auf eine Einbeziehung des Rechts gänzlich verzichtet werden soll (so auch Mähler/Mähler, FPR 1996, 19), doch würden dadurch gerade die oben genannten Vorteile missachtet. Geht man nun von der Notwendigkeit der Einbeziehung aus, so spricht dieses Argument jedenfalls gegen eine zu späte Bezugnahme auf das Recht. 478 Prütting, BB 1999 Beil. 9, 10. 479 So Sander, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, S. 144. 480 Siehe oben unter Punkt C. 11. 1. b) cc). 481 Risse, NJW 2000, 1617. 482 Zur Verjährung: Prütting (JZ 1985, 269) weist auf die Gefahr für die spätere materielle Rechtsdurchsetzung wegen der Verjährung hin. Es sei § 225 BGB zu beachten, wonach die Verjährung nicht vertraglich ausgedehnt werden dürfe. Risse (BB 1999 Beil. 9,4) hält dem aber entgegen, dass ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung wegen § 242 BGB möglich sei. Eine andere plausible Lösung bietet Wagner (NJW 200 1, 182 ff.) über eine extensive Auslegung des § 202 Abs. 1 BGB an. Allerdings ist zu erwarten, dass sich dieses Problem in Zukunft entschär-

8 Köper

114

E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell

Darüber hinaus hat die Rechtshängigkeit einer Klage viele materielle Wirkungen, die in einem außergerichtlichen Verfahren nicht eintreten, wie z. B. Prozesszinsen, Haftungsverschärfungen, etc. Diesbezüglich sind also Regelungen zu treffen, damit keine Rechte verloren gehen. Dafür ist aber wiederum die Kenntnis der Rechtslage und somit die Einbeziehung des Rechts notwendig. b) Ergebnis

Die Einbeziehung des geschriebenen Rechts muss somit, sofern sie erfolgen soll, in jedem Fall zu Beginn der Verhandlungen stattfinden. 483 In diesem Fall verbleibt jedoch aus theoretischer Sicht das gewichtige Argument gegen eine Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen, wonach eine solche andere Lösungsansätze außerhalb des Rechts verhindern würde. Dieses Problem kann somit nur unter Berücksichtigung der Verhandlungssituation gelöst werden, wie sie sich in der Praxis darstellt.

2. Die Situation in der Praxis Im Vorangegangenen wurde immer davon ausgegangen, dass allein rationale Überlegungen darüber bestimmen, ob das geschriebene Recht in die Mediation einbezogen wird. Es wurde folglich die Möglichkeit vorausgesetzt, das Recht gegebenenfalls gänzlich aus den Verhandlungen heraushalten zu können. Diese rein theoretische Sichtweise berücksichtigt jedoch nicht die besondere Situation in der Praxis, in der ein gänzliches Heraushalten des geschriebenen Rechts als Teil der Realität nicht möglich ist. Als Gründe hierfür wurde schon oben484 und im Vorangegangenen auf einige Aspekte hingewiesen: So ist zum einen von den Parteien die Rechtslage überwiegend schon vor dem Mediationsverfahren im Rahmen der vorausgehenden Verhandlungen beleuchtet worden, z. B. um die angesprochene Nichteinigungsalternative bestimmen zu können. Und zum anderen besteht auch aufgrund des Vorhandenseins des geschriebenen Rechts überwiegend ein Bedürfnis der Parteien, sich mit diesem auseinander zusetzen. Auch wenn die am Mediationsverfahren beteiligten Parteien nach einer Verwirklichung ihrer Interessen streben, werden sie immer dazu neigen, einen Anwalt zu konsultieren. 485 fen wird, da § 203 BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung nunmehr eine Verjährungshemmung für die Zeit vorsieht, in der zwischen den Parteien Verhandlungen über den Anspruch stattfinden. 483 So auch Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 84 (für die Mediation außerhalb des Gerichtsverfahrens) und S. 220ff. (für die Mediation im Prozess mit Bezugnahme auf das Riskin-Modell). 484 Siehe oben unter Punkt C. 11. 1. b) cc). 485 Sato, 34 ueLA Law Review, 514/515.

I. Rechtsanwendung

115

Die Verhandlungen finden somit immer "in the shadow of the law" statt. Die Forderung, die Parteien für das Mediationsverfahren in völliger Unkenntnis des Rechts zu lassen, ist demnach kaum erfüllbar.

3. Lösung Die Frage nach den Vor- und Nachteilen einer Einbeziehung des Rechts in die Verhandlungen ist folglich um den Gesichtspunkt zu ergänzen, dass in solchen Verhandlungen das Recht immer zumindest bis zu einem gewissen Grad bekannt ist. Da das Recht somit nicht gänzlich außen vor gelassen werden kann und folglich in jedem Fall Wirkungen auf die Verhandlungen entfaltet, spricht hier doch einiges dafür, sich dann auch gleich durch eine bewusste Thematisierung des Rechts die beschriebenen Vorteilen einer Einbeziehung des Rechts nutzbar zu machen. Denn mit den angesprochenen Problemen, die durch eine solche Einbeziehung entstehen könnten, wird man sich in jedem Fall auseinandersetzen müssen. Eine solche bewusste Einführung des Rechts geht aber über die in der Praxis vorhandene Rechtskenntnis der Parteien hinaus. Kann nun dem Argument, dass die Einbeziehung des Rechts eventuell andere Lösungsansätze blockiert, in der Praxis nicht durch eine völlige Außerachtlassung des Rechts Rechnung getragen werden, so muss aber zumindest bei einer solchen expliziten Auseinandersetzung mit dem Recht dieser für den Erfolg der Mediation wichtige Punkt Beachtung finden. Es müssen nun alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, einer solchen möglichen Blockierung anderer Lösungsansätze entgegen zu wirken. Hierzu bedarf es eines umsichtigen Umgangs mit dem Recht, um den Blick der Parteien bei der Lösungsfindung über das Recht hinaus auch auf andere Ansätze zu ermöglichen.

a) Einführung des Rechts durch den Mediator Erste Voraussetzung dafür ist, dass das Recht durch den Mediator und nicht allein durch die Rechtsanwälte der Parteien in die Verhandlungen eingebracht wird. Aufgrund seiner neutralen Stellung ist die Erörterung der Rechtslage durch ihn weit objektiver und nicht so sehr von den subjektiven Vorstellungen der Parteien oder deren Rechtsanwälten geprägt. So werden vor allem die Rechtsanwälte eine für ihre Partei sehr günstige Meinung von der Rechtslage haben. 486 Diese Vorstellung jeder Partei, sie habe Recht, ist ja letztendlich in den meisten Fällen auch der Grund, warum es zu einem Prozess kommt. Zudem besteht auch die Gefahr, dass die Rechtsanwälte die Parteien eher dazu beraten, vor Gericht zu ziehen. 487 Eine Aufarbeitung der Rechtslage durch den Mediator gemeinsam mit den Parteien ist somit wichtig, um die Parteien von ihrer meist zu subjektiven Vorstellung von der Rechtslage abzubringen 486 487

8*

Kojima, in: ICL, Toward Comparative Law, S.698. Zu den Gründen hierfür siehe Riskin, 43 Ohio State Law Journal, 43 ff.

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E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell

und für die Argumente der Gegenseite zu öffnen. Hierdurch kann den Parteien verdeutlicht werden, dass die gemeinsame Suche nach Lösungen ihnen weit mehr bringen kann, als die gerichtliche Durchsetzung der einzelnen Positionen. Die Einführung durch den Mediator hat jedoch den Nachteil, dass er in den Augen der Partei mit der dann aufgezeigten schwächeren Rechtsposition einseitig Stellung zu beziehen scheint. Die andere Partei wird hingegen das Gefühl haben, der Mediator vertrete sie persönlich und schütze ihre rechtlichen Interessen. 488 Gerade die Vermeidung eines Anscheins fehlender Neutralität ist aber wichtig: ,,[S]uccessful mediation depends as much upon the appearance of neutrality as actual neutrality."489

Neben eines behutsamen Vorgehens empfiehlt es sich deshalb, die Erörterung der Rechtslage schon im Verhandlungsvertrag als Aufgabe des Mediators zu vereinbaren. 49O Keine Partei kann sich dann auf den Standpunkt stellen, der Mediator habe durch die Darstellung der Rechtslage Stellung beziehen wollen. Notfalls kann auch bei Spezialfragen ein neutraler Dritter herangezogen werden. Da diesem jedes Eigeninteresse fehlt, sind die Parteien für seine Ausführungen besonders offen. Wichtig ist zudem noch an dieser Stelle festzuhalten, dass die Einführung des Rechts durch den Mediator nicht dahingehend missverstanden werden darf, dass er dadurch versucht, allein der schwächeren Partei mehr Verhandlungsmacht zu verschaffen. Es wird vielmehr die gesamte Rechtslage umfassend erörtert, ohne besondere Schwerpunktsetzung auf die Recht der schwächeren Partei. Statt einem gezielten Machtausgleich ("balance power") werden vielmehr die Parteien befähigt, sich besser in der Verhandlung behaupten zu können ("empowerment").491 Aufgrund der oben beschriebenen Fähigkeit des Rechts, Macht zu kontrollieren, kommt dies dann vor allem der schwächeren Partei zugute. Der Ausgleich ungleichmäßiger Machtverhältnisse findet also durch das Recht statt und nicht durch den Mediator, da dies zu Problemen mit dem Neutralitätsgebot führen würde. Obwohl bei der Aufarbeitung der Rechtslage die Hauptaufgabe dem Mediator zufallt, sollten die Parteien von Rechtsanwälten begleitet werden. 492 Dies vermittelt ihnen Sicherheit vor einer eventuellen Benachteiligung. Denn im Gegensatz zu den Parteien besitzen die Rechtsanwälte auch die notwendigen Rechtskenntnisse. Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung Gottwalds 493 "bring in the lawyers" zu sehen. Allerdings sollte die Beratung durch den Rechtsanwalt nun aber nicht mit 488 Folberg/Taylor, Mediation, S. 134; für die ähnliche Situation beim "Special Master" in den USA vgl. Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 342f. 489 Sato, 34 UeLA Law Review, 510. Da sich der Mediator bei dieser Art der Einführung des Rechts auch bei den Parteien gegenüber gleich verhält, ist hier auch die tatsächliche Neutralität gewahrt; siehe dazu oben unter Punkt D.1. 2. a) bb). 490 Risse, BB 1999 Beil. 9,6. 491 Domenici, Mediation, S. 30. 492 So auch Koch, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 33. 493 Gottwald, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 211/212.

I. Rechtsanwendung

117

dem Ziel vorgenommen werden, eine Prognose über den Rechtsstreit zu erstellen, sondern sie darf allein der Logik des Mediationsverfahrens folgen. 494 Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch, dass bei einer Thematisierung des Rechts durch den Mediator dieser wegen des Rechtsberatungsgesetzes in der Regel ein zugelassener Anwalt sein muss. 495

b) Inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Recht Zu einem umsichtigen Umgang mit dem Recht, der den Blick über das Recht hinaus hin zu anderen Lösungsansätzen fördern soll, gehört vor allem auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Recht. Denn das Problem liegt nicht in der bloßen Kenntnis der Parteien vom Recht. Es besteht vielmehr darin, dass die beteiligten Anwälte die Parteien nur bezogen auf das Recht beraten und dadurch das genannte Problem der Verengung des Sachverhalts herbeigeführt zu werden droht, welches zu einer Blockierung anderer Lösungsansätze führen kann. Da die Spielregeln des Rechtssystems kontradiktorisch ausgestaltet sind, beantworten die Rechtsanwälte das Problem der Parteien auch immer als eine Art Prognose auf den Fall, dass die Sache vor Gericht entschieden wird. 496 Dadurch neigen die Parteien dazu, diese Auskunft als wesentlichen Maßstab für die Ausbildung ihrer Positionen zu benützen. Bei richtiger, also inhaltsbezogener Beratung kann hingegen den Parteien auch gerade der Angebotscharakter des Rechts deutlich gemacht werden und auch auf einen vorsichtigen Umgang mit dem Gesetzesrecht hingewiesen werden, so dass nicht die rechtlichen Positionen, sondern die Interessen im Vordergrund stehen. Dies ist gerade eine Herausforderung an die Mediatoren und gleichzeitig deren Verantwortung und Aufgabe. 497 Was unter einer solchen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Recht zu verstehen ist, wurde bereits angesprochen. 498 Die Parteien müssen mit Hilfe des Mediators lernen, die hinter den gesetzlichen Regelungen verborgenen Wertungen zu verstehen. Es muss eine Distanz zum Recht hergestellt werden, die die Vor- und Nachteile, den Gerechtigkeits- und den Unrechtsgehalt, die Weisheit und die Unvollkommenheit der Vorschriften erkennen lässt. Hierdurch kann die Selbstverantwortung der Kontliktparteien geschärft werden. 499 Dies eröffnet die Chance, dass die Parteien über die rechtlichen Positionen hinweg sich auch mit anderen Lösungsansätzen ausMähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S. 57 f. Siehe Henssler, in: Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 82 ff. und Prütting, BB 1999 Beil. 9, 12. 496 Vgl. Erickson, in: Folberg/Milne, Divorce Mediation, S.106. 497 In diesem Sinne auch Mnookin/Kornhauser, 88 Ya1e Law Journal, 985 ff. 498 Siehe oben unter Punkt D.1. 2. a) ce) (2). 499 Vgl. Mähler/Mähler, FPR 1996, 19; hierzu auch Mähler, Protokolldienst 30/93, S.8. Für eine solche reflektierte Gesetzes"anwendung" auch Risse, BB 1999 Beil. 9, 2. 494

495

118

E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell

einandersetzen. Hierzu ist jedoch wichtig, den Parteien auch ihre Schwächen deutlich zu machen, um die Bereitschaft zu einer Einigung und ein Abrücken von als sicher geglaubten Positionen zu fördern. Die Parteien werden - vor allem wenn sie anwaltlich vertreten sind - jedoch kaum bereit sein, ihre Schwächen bedingungslos zu offenbaren. Es bestünde die Gefahr, dass die andere Partei diese in einem eventuellen späteren Prozess ausnutzt. 500 Selbst wenn im Vergleichsvertrag eine Regelung über die Unverwertbarkeit dieser Informationen aufgenommen wird, ist diese in der Praxis nur schwer durchsetzbar. 501 Hier können nun verschiedene Vorgehensweisen helfen: 502 So kann der Mediator mit den Parteien über ihre Schwächen zunächst in einem Einzelgespräch sprechen. 503 Um jedoch kein Misstrauen der anderen Partei aufkommen zu lassen, setzt dies in jedem Fall das Einverständnis auch dieser Partei voraus. Ziehen die Parteien es vor die Schwächen in einem gemeinsamen Gespräch selber offen zulegen, so bietet es sich an so zu verfahren, dass wechselseitig jede Partei immer eine Schwachstelle ihrer Position aufzeigt. Anzumerken ist jedoch noch, dass es bei der Einbeziehung des Rechts nicht um eine komplette Prüfung der Rechtslage gehen kann, da dafür in aller Regel eine Beweisaufnahme erforderlich wäre, die wiederum lange dauern und viel Geld kosten würde. Die Vorteile der Mediation wären dadurch zum Teil wieder vernichtet. Außerdem kann ein Verzicht auf eine vollständige Sachverhaltsaufklärung es den Parteien unter Umständen erleichtern, zu gesichtswahrenden Lösungen zu kommen. Darüber hinaus können durch einen Verzicht auf eine Beweisaufnahme auch Konfrontationen vermieden werden. 504 Denn die Mediation sucht gerade nach Wegen, die nicht allein darauf abstellen, was in der Vergangenheit geschah. 505 Kommt es dennoch einmal auf die genaue Sachverhaltslage an, so kann die Mediation, sollte es zu keiner Einigung über den Sachverhalt oder Beweislage kommen, das Verfahren abkürzen, indem die Parteien den Streitgegenstand einvernehmlich beschränken oder z. B. Zugeständnisse bei der Beweisfrage aushandeln. 506 4. Ergebnis Die Frage, ob und bejahendenfalls wann das geschriebene Recht in die eigentlichen Verhandlungen selber mit einbezogen werden soll, ist hier somit wie folgt zu beantworten: Aufgrund der genannten Vorteile sowie aufgrund der Tatsache, dass Vgl. aber Risse, BB 1999 Beil. 9,6 (Fn. 41). Zu diesem Problem Risse, BB 1999 Beil. 9,6 (Fn.42). 502 Dazu Risse, BB 1999 Beil. 9,6. 503 Hierin ist auch kein Parteiverrat zu sehen; vgl. Mähler/Mähler, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.62. Ausführlich dazu Hajfke, in: Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, S.65ff. 504 Vgl. Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 87. 505 Gottwald, in: Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, S. 213. 506 Risse, BB 1999 Beil. 9,4; vgl. auch schon oben unter Punkt B. III. 4. 500

501

11. Rechtsverwendung

119

das Recht in der Praxis ohnehin nicht gänzlich außen vor gelassen werden kann, ist eine solche Einbeziehung zu bejahen. Um die damit verbundenen Vorteile auch gänzlich zur Geltung zu bringen, muss eine solche Thematisierung des Rechts zu Beginn der Verhandlungen erfolgen 507 , also bevor sich die Parteien mit Beginn der Interessenfindungsphase inhaltlich mit den Konfliktfeldem selber beschäftigen. Folglich kommt für eine Aufarbeitung der Rechtslage allein die zweite Stufe in Betracht, da dort die Aufarbeitung des Sachverhalts stattfindet, die schon denknotwendig einer Erörterung der Rechtslage vorgehen muss. 508 Der Gefahr, dass durch eine Thematisierung des Rechts andere Lösungsansätze verbaut werden, könnte selbst durch einen Verzicht auf diese explizite Thematisierung nicht entgegengewirkt werden, da schon von Seiten der Parteien und deren Rechtsanwälten im Regelfall eine Auseinandersetzung mit dem Recht erfolgt ist, bzw. noch erfolgen wird. Dieser Gesichtspunkt steht einer Einbeziehung somit nicht entgegen. Da diese Gefahr dennoch nicht unberücksichtigt bleiben darf, ist ihr im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Recht Rechnung zu tragen. Dies kann dadurch geschehen, dass das Recht durch den Mediator in die Verhandlungen einbezogen wird und mit seiner Unterstützung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Recht stattfindet. Durch ein solches Vorgehen können die Parteien wieder von ihrem rein rechtlich orientierten Positionsdenken abgebracht werden, welches sich bei ihnen aufgrund der Kenntnis der Rechtslage schon vor den Verhandlungen eingestellt haben mag. Dadurch bleibt die Chance erhalten, dass über die rechtlichen Positionen hinaus andere Lösungsvorschläge thematisiert werden.

11. Rechtsverwendung Weitaus weniger problematisch ist die Frage nach der Einbeziehung des Rechts im Rahmen der Rechtsverwendung. Wie bereits festgestellt wurde, steht einer solchen nichts entgegen. Somit bedarf es hier lediglich einer Einordnung der einzelnen Funktionen in das fünfstufige Mediationsmodell. 509 Wie oben dargestellt kommt dem Recht eine formale Sicherungsfunktion hinsichtlich des Verfahrens zu, welche durch den Abschluss eines Mediationsvertrages erfolgt. Ein solcher wird zweckmäßigerweise zu Beginn der ersten Phase abgeschlossen. 507 Eine Ausnahme bildet hier nur der Vorteil im Hinblick auf den Rechtsfrieden, der auch durch eine spätere Einbeziehung noch erreicht werden könnte, da er sich eigentlich erst nach Abschluss der Mediation auswirkt. 508 Vgl. Risse, BB 1999 Beil. 9,6; für diesen Zeitpunkt auch Duve, Mediation und Vergleich im Prozeß, S. 84. 509 Zu den einzelnen Funktionen bereits oben unter Punkt D. 11.

120

E. Einarbeitung der Ergebnisse in das Verfahrensmodell

Im Hinblick auf dessen Gestaltungsfunktion wird das Recht auch in der letzten Phase einzubeziehen sein, wenn es um die Ausgestaltung des gefundenen Ergebnisses geht. An dieser Stelle erfüllt es bei der Ausgestaltung des Ergebnisses auch die angesprochene Funktion als Zulässigkeitsgrenze ("Leitplanke"). Da jedoch die Einbeziehung fairnessfördernder Elemente bejaht wurde, dürften die gefundenen Ergebnisse ohnehin weitestgehend diesen Mindestanforderungen entsprechen.

111. Zusammenfassende Modelldarstellung Im folgenden Modell soll nun das entstandene Mediationsmodell noch einmal zusammengefasst dargestellt werden, um die Rolle, die das Recht in der Mediation spielt bzw. spielen sollte, zu veranschaulichen und einen Überblick über die Stellen des Verfahrens zu gewinnen, in denen das Recht relevant wird. Die diesbezüglichen Stichpunkte sind kursiv dargestellt. Da hier der Schwerpunkt auf der Frage nach der rechtsanwendungsbezogenen Rolle lag, sind diese Gesichtspunkte zudem durch Fettdruck hervorgehoben. 1. Stufe: Eröffnungsphase - Erläuterung des Verfahrens durch den Mediator. - Mediationsvertrag (Verfahrenssicherungsfunktion des Rechts). 2. Stufe: BestandsaufnahmefThemensammlung - Aufarbeitung des zugrundeliegenden Sachverhalts und Darstellung der sich aus den unterschiedlichen Sichtweisen ergebenden Problemkreise. - Einführung des geschriebenen Rechts zur Aufarbeitung des Konflikts (Rechtsanwendung) durch Erörterung der Rechtslage durch den Mediator. Die wesentlichen hiermit verbundenen Vorteile sind die Machtkontroll/unktion des Rechts (,JairnessJördernde Elemente") sowie die Möglichkeit, das Recht als "Schatzkammer" zu nutzen. Zu beachten ist, dass hier eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Recht erfolgen sollte, um nicht den Parteien den Blick für außerhalb des Rechts liegende Lösungsansätze zu verbauen. 3. Stufe: Interessenfindung (Kemphase) - Bearbeitung der herausgearbeiteten Konfliktfelder im Hinblick auf die Interessen der Parteien. - Auch in dieser Phase wirken die rechtsanwendungsbezogenen Vorteile des Rechts fort (Machtkontroll/unktion, "Schatzkammer"). 4. Stufe: Lösungsfindung (Kemphase) - Sammlung von Vorschlägen, eventuell in Form eines "Brainstormings"; an dieser Stelle wird es wichtig, dass die Einbeziehung des Rechts durch den Mediator in

III. Zusammenfassende Modelldarstellung

121

einer reflektierten Art und Weise stattgefunden hat, damit die Parteien auch über das Recht hinausgehende Lösungsvorschläge thematisieren. Außerdem wird auch gerade hier die Funktion des Rechts als "Schatzkammer" relevant. - Bewertung der Vorschläge; hier ermöglicht die Einbeziehung des Rechts den Parteien einen Vergleich mit dem Gesetz zur Beurteilung der "Fairness" und zur Überlegung, ob nicht eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche sinnvoller wäre (Ausstiegsalternative). Hierdurch lässt sich die Verhandlungsposition stärken, so dass die schwächere Partei sich in der Verhandlung besser behaupten kann und nicht von der stärkeren bei der Lösungsfindung übervorteilt wird (Machtkontrollfunktion des Rechts). 5. Stufe: Schlussphase - Ausarbeitung einer formellen Abschlusserklärung (Gestaltungsfunktion des Rechts).

- "Leitplanken/unktion" des Rechts.

F. Schlussbemerkung Diese Arbeit hat die Vorteile einer Einbeziehung des Rechts in das Mediationsverfahren aufgezeigt. Sie hat dargelegt, dass eine solche Einbeziehung unter dem Gesichtspunkt der Rechtsverwendung zwingend ist und in anderer Hinsicht beachtenswerte Vorteile aufweist, die dafür sprechen, dem Recht eine angemessene Rolle innerhalb des Mediationsverfahrens einzuräumen. Wie dies in der Praxis geschehen sollte, lässt die zusammenfassende Modelldarstellung erkennen, deren Aufbau sich aus den vorherigen Diskussionen ergibt. Durch eine solche Vorgehensweise werden die Vorteile des Rechts in die Mediation mit einbezogen, ohne dass sich die mit dem Recht verbundenen Nachteile negativ auf die Mediation auswirken. Bei dieser Einbeziehung der Vorteile des Rechts in die Mediation besteht die berechtigte Hoffnung, dass die weitgehend skeptische Haltung der Bürger gegenüber der außergerichtlichen Streitbeilegung, wie sie zu Beginn dieser Arbeit beschrieben wurde, überwunden wird und sie diesbezüglich Vertrauen gewinnen. Denn durch ein solches Vorgehen wird deutlich, dass die Wahl eines außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahrens nicht notwendigerweise einen Verzicht auf die Vorteil des Rechts bedeutet. Es werden vielmehr durch eine Kombination von "Recht" und "Verhandlung" die Vorteile beider Konfliktlösungsformen miteinander verbunden. Ein solcher Ansatz kann dazu beitragen, die Akzeptanz solcher Formen der außergerichtlichen Konfliktlösung zu verbessern.

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Sachverzeichnis Abschlussvereinbarung 15,39 Absprachen 49,56 Abwehrverhalten, Abwehrhaltung 17,37 Akzeptabilität 58 Alles-oder-Nichts-Lösungen 22 Altautorücknahme 56 Alternative Dispute Resolution (ADR) 16 Altpapierrecycling 56 Angebotscharakter des Rechts 82, 117 Ansprüche (s. auch: Positionen) 17,20, 32ff., 60, 64, 65, 68, 79, 82, 89,92,96, 99 ff., 117 ff. Anspruchsdenken 19,81 f., 105 Anspruchsgrundlage 19 Anträge 19, 22 Anwalt(s. auch: Rechtsanwalt) 13,23,27, 39,65,92, 102, 114ff. Arbeitsrecht 13 Arbitration (s. auch: Schiedsverfahren) 16 Atomkonsens 55,73 Außergerichtliche Streitbeilegung 13, 15, 40,84 Ausstiegsalternative (s. auch: Nichteinigungsalternative, BATNA) 65,70, 85, 97, 113, 114, 121 Autonomie (s. auch: Selbstbestimmung) 20,23 ff., 51,52,58 ff., 69, 85, 93 ff., 107 Basarverhalten 35, 36 BATNA (s. auch: Nichteinigungsalternative, Ausstiegsalternative) 65,70,85, 97, 113, 114, 121 Befolgungsrate 29 Brainstorming 34 Bundesregierung 55, 56, 73 Deal 49ff. De-Thematisierung von Recht 107 Distributive Gerechtigkeit 25

Drittinteressen 93 educational process 37 Ein-Text -Verfahren 34 Einigungsoptionen 28 Eintrittsschwelle 28 empowerment 116 Entdeckungsverfahren 44, 45 Enthierarchisierung 55 Entrechtlichung 78 ff. Entstaatlichung 55 Ergebniskontrolle 88 ff. Eröffnungsphase 31, 120 EU-Kommission 56 Fairness 24ff., 88ff., 96ff. Fairnessgebot 49 Familienrecht 13 Feilschen 13, 36 General effects 21 Generalklauseln 86 Gerechtigkeit (Ergebnis-, Verfahrens-) 23 ff., 49, 78, 83, 84, 90, 92, 98, 100, 117 Gerichtsverfahren 19, 25, 31, 71, 91, 106, 107 Gesamtschuldner 31 Gesamtvergleich 20 Gewerbliche Rechtsschutz 13 Globalisierung 42 Hilfsdimension 68, 79 indisponibles Recht 61 Informationsgefalle 98 Insolvenzrecht 13 Interessen 19 ff., 33, 34, 36, 37, 39, 46, 57, 60ff., 74, 85, 91 ff., 98, 117 Interessenfindungsphase 33, 120

134

Sachverzeichnis

Justizgewährungsanspruch 74

Nullsummenspiel 20ff., 63, 105

Kampf ums Recht 83 f. Kartellrecht 41 Kemphase 33ff.,120 Komplexität 19,38, 42ff., 47, 63,105 Kompromisslösung 22 ff. Konflikteigentümer 23, 102 Konfliktfall 14 Konflikthoheit 17, 98 Konfliktkultur 18 Konfliktverhalten 48 ff. Kooperation (formale, informale) 55 ff. Kooperationsgewinn (s. auch: Win-winLösung, wertschöpfende Lösung) 19ff., 20, 21, 33ff., 37, 82, 83, 92,105 Kooperativer Staat 54 ff. Kostenerspamis 27 ff., 102 Kuchenvergrößerung 20, 22

öffentlich-rechtlicher Vertrag 56 Öffentlichkeitsgrundsatz 49 Orangen-Fall 20

Lösungsfindungsphase 34, 120 Macht, Machtungleichgewicht 46,55,58, 68 ff., 84 ff. Manipulation, Manipulationsgefahr 98, 103 Mediation-Paradox 30 Mediationsklausel 39 Mediationsvertrag 31, 35, 77, 119 Mediator 14,21,26,27,28,31; 32, 33, 35, 38,78, 89ff., 99ff., 115ff. Mehrwegbehältersystem 56 Misstrauen 17, 32, 38 f., 76, 88, 118 Mitgläubigerschaft 31 Motivationsproblem 57f. Negotiation 17 Neutralität, Neutralitätsgebot 89 ff., 101, 116 Nichteinigungsalternative (s. auch: Ausstiegsalternative, BATNA) 65, 70, 85, 97,113,114,121 Normadressat 45 ff., 57, 58, 75 Normensystem (s. auch: traditionelles Recht) 14,15,18,40,45,54, 57ff., 67ff., 81, 85 Normgeber 48

Parteibeziehungen 26ff. Parteiinteresse 19, 33, 34, 92, 94 Pendeldiplomatie (s. auch: Shuttle Diplomacy) 35 ff. Positionen (s. auch: Ansprüche) 17,20, 32ff., 60, 64, 65, 68, 79, 82, 89, 92, 96, 99 ff., 117 ff. preventive lawyering 29 Privatautonomie 20, 50f., 63, 64, 78, 85 ff. private ordering 52 Problemlösungsgemeinschaft 39 Prozessflut 19 Rechtsanwalt (s. auch: Anwalt) 13,23,27, 39,65,92, 102, 114ff. Rechtsanwendung 76, 77ff., 111 ff. Rechtsbewusstsein 58ff. Rechtslage 76,81,82,89,91,92, 97ff. Rechtsordnung 15,52,58,59,62, 63ff., 78,86,103 Rechtspositionen 36,60,68, 83, 99, 100, 103, 104, 112, 116 Rechtssicherheit 61,62,83,86, 102 Rechtsverwendung 76, 108 ff., 119 ff. Reflexives Rechts 43,45,46,52,53,71 Regelungskompetenzen 54, 55 Regulatorisches Trilemma 43 regulierte Autonomie 45 Reziprozitätsprinzip 52, 62, 87 Richter 17, 19, 22ff.,27,28,49, 52, 76, 82, 100, 102, 106 Sachverhaltsaufklärung 27, 118 Schiedsverfahren (s. auch: Arbitration) 16 Schlichtung 17 Schuldrechtsmodemisierungsgesetz 61 Selbstbestimmung (s. auch: Autonomie) 20, 23ff., 51, 52, 58ff., 69, 85, 93ff., 107 Selbstgesetztes Recht 60, 61, 71, 78 Selbststeuerung 40, 43, 45, 46, 48, 50, 70 selektive Realitätsverarbeitung 81

Sachverzeichnis shadow bargain 92 shadow of the law 66, 115 shadow verdict 91, 92 Shuttle Diplornacy (s. auch: Pendeldiplornatie) 35 ff. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) 20,86 Steuerungsfähigkeit, Steuerungsversagen 41 ff. Steuerungsrechte 47 strategische Planung 100 Streitbewältigungskornpetenz 36, 37 Streitgegenstand 20, 118 Streitschlichtungsgesetz 29 Systerntheorie 43

135

Verhaltensnormierung 60 Verhandlungsatrnosphäre 30 Verhandlungsdilernrna 37 ff. Verhandlungsrnacht 65,99, 116 Verhandlungssystern 40,67ff. Verhandlungsvertrag 116 Verrechtlichung 84 ff. Verschleppung 27 Verschwiegenheitsvereinbarung 32 Vertrauen 26, 30, 38,49, 89, 106, 122 Vertraulichkeitsschutz 30 Verwaltungsrecht 13, 55

Urteil 22,23,26,29,39,49,51,83

wertschöpfende Lösung (s. auch: Win-winLösung, Kooperationsgewinn) 19ff., 20,21, 33ff., 37, 82, 83, 92,105 Wertverteilung 21,37,38 Wettkarnpfgedanke 38 Willkürverbot 49 Win-win-Lösung (s. auch: Kooperationsgewinn, wertschöpfende Lösung) 19ff., 20,21, 33ff., 37, 82, 83, 92,105 Wirtschaftsrecht 13 Wohlfahrtsstaat 41

Verantwortungsgesellschaft 53 Verfahrensnormen 25

Zeiterspamis 27 ff., 102 Zukunftsbezogenheit 21

Tauschgeschäfte (trade-offs) 33,35, 36, 87,104,106,111 Teilsystern 43, 45 ff. Thernensarnrnlung 32,34,120 Traditionelles Recht (s. auch: Normensystern) 14, 15, 18,40,45,54, 57ff., 67 ff., 81, 85