Die Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH im Spiegel der Niederlassungsfreiheit: Ein Beitrag zum MoMiG, der neuen Unterkapitalisierungsproblematik und der diesbezüglichen Behandlung von EU-Scheinauslandsgesellschaften [1 ed.] 9783428531127, 9783428131129

Mit dem MoMiG hat der Gesetzgeber den Rufen nach Deregulierung des Gläubigerschutzsystems der GmbH nachgegeben. Gerold N

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German Pages 411 Year 2010

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Die Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH im Spiegel der Niederlassungsfreiheit: Ein Beitrag zum MoMiG, der neuen Unterkapitalisierungsproblematik und der diesbezüglichen Behandlung von EU-Scheinauslandsgesellschaften [1 ed.]
 9783428531127, 9783428131129

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 31

Die Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH im Spiegel der Niederlassungsfreiheit Von

Gerold Niggemann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

GEROLD NIGGEMANN

Die Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH im Spiegel der Niederlassungsfreiheit

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 31

Die Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH im Spiegel der Niederlassungsfreiheit Ein Beitrag zum MoMiG, der neuen Unterkapitalisierungsproblematik und der diesbezüglichen Behandlung von EU-Scheinauslandsgesellschaften

Von

Gerold Niggemann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13112-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Ius est Ars Boni et Aequi Dig. 1,1,1 principium

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg. als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde das Manuskript im Juli 2009 abgeschlossen; Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis zu diesem Zeitpunkt ebenso berücksichtigt werden wie die Veränderungen des MoMiG im parlamentarischen Verfahren. An erster Stelle danke ich meinem hochverehrten Doktorvater und Lehrer Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago), der mich kontinuierlich betreute, die Entwicklung meiner Thesen förderte und stets auch spontan für fachliche Gespräche zur Verfügung stand. Bei Herrn Professor Dr. Wolfgang Kessler bedanke ich mich für die überaus zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago), Herrn Professor Dr. Holger Fleischer, Dipl.-Kfm., LL.M. (Ann Arbor), und Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht“ sowie dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, der die Drucklegung besonders großzügig gefördert hat. Meinen Freiburger Studienfreunden und akademischen Kollegen schulde ich viel; namentlich erwähnt sei nur Eike G. Hosemann, der sich in manch fruchtbarem Gespräch mit den Thesen dieser Schrift kritisch auseinandergesetzt hat. Tiefste Dankbarkeit erfüllt mich gegenüber meinen Eltern: Meinem Vater Karl-Heinz, der das Interesse am Kapitalgesellschaftsrecht in mir geweckt hat, und meiner Mutter Rosemarie, die uns Kindern den immateriellen Wert akademischer Bildung stets vorgelebt hat. Am meisten zu verdanken habe ich aber Sabine Jakubzyk. Sie hat mein Vorhaben vom einjährigen Werden dieser Schrift bis zu ihrer Aktualisierung für die Drucklegung stets mit großer Zuversicht begleitet und unterstützt – ein nie versiegender Quell von Kraft und Ansporn. Frankfurt am Main, im Sommer 2009

Gerold Niggemann

Inhaltsübersicht Einleitung

37

A. Problemstellung der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

B. Ziele und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

C. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

D. Terminologische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

Kapitel 1 Begrifflichkeiten und Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems der GmbH A. Begrifflichkeiten des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes . . . . . . I. Eigenkapital, Fremdkapital, Hybrid-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Garantie- bzw. Haftkapital und seine Mindesthöhe . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalschutzsystem und Festkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gläubigerschutz als notwendiges Korrelat der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftungsbeschränkung und Risikoverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interessenkonflikt zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendigkeit gläubigerschützender Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Überblick über das Gläubigerschutzsystem der GmbH vor Inkrafttreten des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergänzende Gläubigerschutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalschutz als tragender Pfeiler der GmbH und Konsequenz der Nichterstreckung der Kapitalrichtlinie auf die GmbH und vergleichbare Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 42 43 44 45 45 45 46 47 48 49

51

10

Inhaltsübersicht Kapitel 2 Ursachen und Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG: Ein dreifacher Paradigmenwechsel

52

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht durch die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Aufgabe und Fragestellung des Internationalen Gesellschaftsrechts . . . . . 52 II. Der EuGH als Motor der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Schlussfolgerungen für das Internationale Gesellschaftsrecht und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 IV. Konsequenzen des internationalgesellschaftsrechtlichen Paradigmenwechsels für den kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz . . . . . . . 91 V. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B. Das I. II. III.

Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternativen zum gesetzlichen Kapitalschutzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angekündigter Abschied vom Kapitalschutzmodell auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Der Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards auf das Gläubigerschutzsystem, insbesondere auf das Kapitalerhaltungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neue Standards im Bereich der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequenzen der neuen Rechnungslegungsstandards für das bilanzorientierte Kapitalerhaltungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorschläge zur bilanzrechtsneutralen Umgestaltung des Kapitalerhaltungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 110 111 121 128 128 133 133

D. Schlussfolgerung aus den Rahmendaten der Gläubigerschutzreform auf die Beschaffenheit des reformierten Gläubigerschutzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Ein dreifacher Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Konsequenzen aus dem dreifachen Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Motivation und Entstehungsgeschichte der GmbH-Reform durch das MoMiG 136 I. Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Entstehungsgeschichte des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 F.

Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Kapitel 3 Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

141

A. Gläubigerschutz zwischen Prävention und Repression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Die Deregulierung des Kapitalschutzsystems im Überblick . . . . . . . . . . . . 142

Inhaltsübersicht

11

II. Die Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Das Kapitalerhaltungsgebot gem. § 30 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV. Das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen als Instrument gegen die nominelle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Die Reform der sonstigen gläubigerschützenden Rechtsfiguren . . . . . . . . . . . . . 207 I. Risikoverlagerung auf den Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 II. Die Inanspruchnahme der Gesellschafter zum Zwecke des Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 D. Ergebnis: Neue Finanzierungsfreiheit und repressiver Gläubigerschutz . . . . . . I. Repressiver statt präventiver Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unstimmigkeiten wegen Beibehaltung des Kapitalschutzmodells . . . . . . . . III. Ausblick: Insolvenzprävention und Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . .

216 216 217 217

Kapitel 4 Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss: Unterkapitalisierung als immanente Schwäche des Kapitalschutzmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gehäuftes Auftreten unterkapitalisierter Gesellschaften nach dem MoMiG IV. Gefahr masseloser Insolvenzen durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsequenz: Notwendigkeit von Insolvenzprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schutz der Gläubiger vor Unterkapitalisierung als Herausforderung an die Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Krisenprävention durch Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gläubigerschutz durch financial covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Krisenprävention und -management durch die Kautelarpraxis: Typische Vertragsbestimmungen in financial covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . I. Besondere Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft: Insolvenzprophylaxe durch verhaltensbezogene Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Streit um die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Tatbestand der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . IV. Die Rechtsfolge der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung V. Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur . . . . . . . . . VI. Verhältnis der vorgeschlagenen Binnenhaftung zu anderen Rechtsfiguren

219 219 219 221 225 227 230 232 232 233 237 238 238 239 255 282 294 295

12

Inhaltsübersicht Kapitel 5 Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG und der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur

A. Problemaufriss: Anwendbarkeit inländischen Rechts auf Gesellschaften ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. GmbH-Reform im Spiegel der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen des MoMiG auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen der Unterwerfung von EU-Auslandsgesellschaften unter inländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Geltungsbereich der nachfolgenden Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Einfluss des Europarechts auf die internationalprivatrechtliche Behandlung von EU-Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationalprivatrechtliche Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften II. Rechtfertigungsbedürftigkeit von Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Prüfung der Zulässigkeit einer Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen des MoMiG auf Scheinauslandsgesellschaften . . . . . . . . . . II. Anknüpfung der neuen Regelungen über die Insolvenzverschleppungshaftung, die Gesellschafterdarlehen und die Insolvenzverursachungshaftung III. Konformität der Neuregelungen des MoMiG mit der Niederlassungsfreiheit IV. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Prüfung der Zulässigkeit einer Anwendung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anknüpfung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . . II. Konformität der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur mit der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit: Umgehungsresistenz der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298 298 298 299 300 300 301 301 305 319 319 319 320 329 337 339 339 356 368

Kapitel 6 Ergebnisse und Perspektiven

369

A. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 B. Perspektiven des nationalen Kapitalgesellschaftsrechts: Vom präventiven zum repressiven Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 C. Perspektiven des europäischen Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Inhaltsverzeichnis Einleitung

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A. Problemstellung der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Ziele und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Terminologische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1 Begrifflichkeiten und Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems der GmbH A. Begrifflichkeiten des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes . . I. Eigenkapital, Fremdkapital, Hybrid-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Garantie- bzw. Haftkapital und seine Mindesthöhe . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalschutzsystem und Festkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gläubigerschutz als notwendiges Korrelat der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftungsbeschränkung und Risikoverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interessenkonflikt zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendigkeit gläubigerschützender Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Überblick über das Gläubigerschutzsystem der GmbH vor Inkrafttreten des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kapitalschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergänzende Gläubigerschutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalschutz als tragender Pfeiler der GmbH und Konsequenz der Nichterstreckung der Kapitalrichtlinie auf die GmbH und vergleichbare Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 42 43 44 45 45 45 46 47 48 49

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14

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Ursachen und Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG: Ein dreifacher Paradigmenwechsel

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht durch die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufgabe und Fragestellung des Internationalen Gesellschaftsrechts . . . . . 1. Die kollisionsrechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Streit um den maßgeblichen Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Sitztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Sitztheorie klassischer Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Umqualifizierungslösung des BGH-Urteils in Sachen Jersey-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spielarten beider Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung: Keine Mobilität für Gesellschaften . . . . . . . . . . 3. Problemlösung durch Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung a) Rechtsvereinheitlichung auf der kollisionsrechtlichen Ebene . . . . . b) Rechtsangleichung und -vereinheitlichung auf der sachrechtlichen Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesellschaftsrechtsangleichung durch Richtlinien . . . . . . . . . . . (2) Vereinheitlichte Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der EuGH als Motor der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Konzept der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidungstrias des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Centros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überseering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inspire Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen für das Internationale Gesellschaftsrecht und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die genuin grundfreiheitsorientierte Haltung des EuGH . . . . . . . . . . . . 2. Der Einfluss des Europarechts auf die gesellschaftskollisionsrechtliche Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestandsaufnahme des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts unter besonderer Berücksichtigung der neueren BGH-Rechtsprechung a) Unterscheidung zwischen Zuzugs- und Wegzugsfällen . . . . . . . . . . b) Zuzugsfälle unter Beteiligung von Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsfähigkeit nach Gründungsrecht ersetzt Umwandlungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umfang der Gründungsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

52 52 52 53 54 55 55 58 59 60 61 61 62 62 62 64 64 67 67 69 70 71 71 72 73 74 74 74 75

Inhaltsverzeichnis

15

c) Zuzugsfälle unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten

78

(1) Gründungs- oder Sitztheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(2) Besonderheiten im Hinblick auf Rechts- und Parteifähigkeit . .

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(3) Prognose bezüglich der sukzessiven Ausdehnung der Gründungsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

(4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

d) Wegzugsfälle unter Beteiligung von EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . .

82

(1) Auswirkungen der Sitztheorie beim Wegzug von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(2) Plädoyer für eine differenzierende Fruchtbarmachung der Niederlassungsfreiheit in Wegzugsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(3) Klärung der Rechtslage durch die Cartesio-Entscheidung . . . .

86

(4) Kein allgemeiner Übergang zur Gründungstheorie durch Abschaffung der §§ 4a Abs. 2 GmbHG a. F., 5 Abs. 2 AktG a. F.

89

e) Wegzugsfälle unter Beteiligung von Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

4. Die Perspektive des Referentenentwurfs zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen . . . . . . . . .

90

IV. Konsequenzen des internationalgesellschaftsrechtlichen Paradigmenwechsels für den kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz . . . . . . .

91

1. Rechtsformwahlfreiheit und Regulierungsarbitrage: Kapitalschutzsystem steht zur Disposition der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. „Zuwanderung“ zahlreicher englischer Limiteds . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

a) Die „Zuwanderung“ in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Gründe für die Attraktivität der Limited im Vergleich zur GmbH (Überblick über das englische Gesellschaftsrecht) . . . . . . . . . . . . . . .

93

(1) Schnelle Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

(2) Keine Vorschriften über eine Mindesthöhe des Stammkapitals .

95

(3) Laxe Vorschriften über die Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

(4) Kein Sonderrecht für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

(5) Äußerst hohe Hürden vor Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . .

96

(6) Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung . . . . . . . . .

96

(7) Sonstige rechtliche Motive für die Entscheidung zugunsten der Limited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

(8) Außerrechtliche Gründermotive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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c) Nachteile der Limited im Vergleich zur GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Sicherheitenbestellung durch die Gesellschafter üblich . . . . . . .

99

(2) Sicherheitenbestellung durch die Limited registrierungspflichtig

99

(3) Strenge Kapitalerhaltungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

16

Inhaltsverzeichnis

V.

(4) Kostenträchtige Publizität und Folgen einer drohenden Löschung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Strenge Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Doppeltes Jahresabschlusswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Die hohe „Frühsterblichkeitsrate“ der „deutschen“ Limited . . . d) Fazit: Fehlen eines präventiven Gläubigerschutzes im Recht der Limited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wettbewerb der Rechtsformen und Regelgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Europäisches „race to the bottom“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Alternativen zum gesetzlichen Kapitalschutzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Informations- bzw. Publizitätsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Anliegen des Informationsmodells und seine Umsetzung . . . . (1) Der privatinitiative Ansatz des Informationsmodells . . . . . . . . . (2) Unterschiedliche Lösung des principal-agent-Problems durch das Kapitalschutz- und das Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . b) Der Streit um den Nutzen des Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . (1) Informationsfluss und Informationsüberflutung . . . . . . . . . . . . . (2) Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schutzlosstellung unfreiwilliger Gläubiger? . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Trend zu nichtstaatlicher Regelgebung (private rule making) . . (6) Fazit: Caveat creditor gegen gesetzliche Standardisierung . . . . c) Neues Gewicht der Unternehmenspublizität nach dem EHUG . . . . d) Einfluss der Zunahme von Publizitätspflichten auf das Kapitalschutzmodell und Gefahr der Überregulierung durch Kombination mehrerer Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hybride Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verzicht auf Mindeststammkapital unter Beibehaltung des bilanzorientierten Kapitalerhaltungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompensierende repressive Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Insolvenzrechtliche Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Durchbrechungen des Haftungsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Inanspruchnahme des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versicherungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das englische System von Publizität und Staatsaufsicht . . . . . . . . . 3. Fazit: Synthese aus verstärkten Publizitätspflichten und verhaltensbezogener Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100 101 101 102 102 102 103 104 108 110 110 111 111 111 111 112 112 112 114 114 115 115 116 116

117 118 118 119 119 119 120 120 121 121

Inhaltsverzeichnis III. Angekündigter Abschied vom Kapitalschutzmodell auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das europäische Primärrecht und seine Auslegung durch den EuGH . . 2. Sekundärrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Infragestellung des Kapitalschutzmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompensierender Ausbau der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . 3. Rechtspolitische Tendenzen der künftigen Entwicklung des Kapitalgesellschaftsrechts in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Position der eingesetzten Expertengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Position der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Diskussion in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Vorwurf mangelnder Effizienz des Kapitalschutzmodells . . . . 4. Fazit: Zunehmender rechtspolitischer Druck auf das Kapitalschutzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards auf das Gläubigerschutzsystem, insbesondere auf das Kapitalerhaltungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neue Standards im Bereich der Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorsichts- und Realisationsprinzip des tradierten deutschen Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausbreitung der fair-value-Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesensmerkmale der Rechnungslegung nach IFRS . . . . . . . . . . . . . b) Die IAS-Verordnung der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das BilMoG – Paradigmenwechsel in der handelsrechtlichen Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequenzen der neuen Rechnungslegungsstandards für das bilanzorientierte Kapitalerhaltungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorschläge zur bilanzrechtsneutralen Umgestaltung des Kapitalerhaltungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erhöhung der bilanzorientierten Ausschüttungsschwelle . . . . . . . . . . . . 2. Lösung der Ausschüttungssperre vom Bilanzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsrechtliche Unterbilanzrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Situativer Solvenztest statt bilanzorientierter Kapitalerhaltung . . . . 3. Selbstverpflchtung durch satzungsautonome Ausschüttungssperre . . . .

17

121 122 123 123 124 124 124 125 126 126 127 128 128 128 129 129 131 131 133 133 134 134 134 134 135

D. Schlussfolgerung aus den Rahmendaten der Gläubigerschutzreform auf die Beschaffenheit des reformierten Gläubigerschutzsystems . . . . . . . . . . . . 135 I. Ein dreifacher Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Konsequenzen aus dem dreifachen Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Motivation und Entstehungsgeschichte der GmbH-Reform durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Reaktive Momente: Modernisierung und Missbrauchsbekämpfung . . . 136

18

Inhaltsverzeichnis 2. Die europäische Perspektive der reformierten GmbH . . . . . . . . . . . . . . . 3. Etablierung europäischer Lösungen jenseits von Europa . . . . . . . . . . . . II. Entstehungsgeschichte des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regierungsentwurf eines MindestKapG vom 1.6.2005 . . . . . . . . . . . . . . 2. Referentenentwurf eines MoMiG vom 29.5.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regierungsentwurf eines MoMiG vom 23.5.2007 und parlamentarisches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136 137 137 137 138 138

F. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

Kapitel 3 Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

141

A. Gläubigerschutz zwischen Prävention und Repression . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Deregulierung des Kapitalschutzsystems im Überblick . . . . . . . . . . . . II. Die Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Tradition des Mindeststammkapitals als „Kulturleistung ersten Ranges“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Mindeststammkapital in der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Neuregelung der Kapitalaufbringung durch das MoMiG . . . . . . . . a) Beschlüsse des 66. DJT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EPG-Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Höhe des Mindeststammkapitals nach dem MoMiG . . . . . . . . . (1) RegE: Absenkung des Mindeststammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . (2) MoMiG: Beibehaltung des status quo ante und Verzicht auf Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einführung der „UG (haftungsbeschränkt)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hintergrund der UG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Regelung der UG im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bewertung der UG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Deregulierung der Kapitalaufbringung durch Beseitigung der Sanktionierung verdeckter Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sachverhaltsgestaltung bei verdeckten Sacheinlagen . . . . . . . . . (2) Alte Rechtslage bei verdeckten Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . (3) RegE: Erfüllungslösung und Differenzhaftung . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme zur Erfüllungslösung hinsichtlich der Vergrößerung der Insolvenzmasse unter der alten Rechtslage . . . . (5) Stellungnahme zur Erfüllungslösung hinsichtlich der generalpräventiven Wirkung der alten Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) MoMiG: Anrechnungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis f) Deregulierung der Kapitalaufbringung durch bilanzielle Beurteilung der Erfüllungswirkung von Bareinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Alte Rechtslage: Grundsatz der wertgleichen Deckung ohne Sonderrecht für das Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) RegE: Erfüllungslösung durch Aktiventausch . . . . . . . . . . . . . . . (3) MoMiG: Zusätzliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Kritik an der Neuregelung durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Maßnahmen zur Beschleunigung von GmbH-Gründungen . . . a) Dereguliertes Gründungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) RegE: Entbehrlichkeit der notariellen Beurkundung . . . . . . . . . (2) MoMiG: Vereinfachtes Beurkundungsverfahren und Musterprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erschwerung der registergerichtlichen präventiven Wertkontrolle . . c) Beschleunigung der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Kapitalerhaltungsgebot gem. § 30 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschreibung des Kapitalerhaltungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik am bilanzorientierten Kapitalerhaltungsregime und Alternativvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Solvenztest als Alternative? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschlüsse des 66. DJT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. EPG-Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Neuregelung der Kapitalerhaltung durch das MoMiG . . . . . . . . . . . a) Die Behandlung des Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschreibung eines Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Alte Rechtslage: Von der bilanziellen Betrachtungsweise zum „Novemberurteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vermittelnde Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) MoMiG: Rückkehr zur streng bilanziellen Betrachtungsweise (5) Untersuchung der Auswirkungen der Neuregelung auf das Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Stellungnahme zur Neuregelung und ihrem Verhältnis zu § 43a GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Liberalisierung auch für Altfälle durch das MPS-Urteil und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Behandlung des LBO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschreibung eines LBO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Alte Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) MoMiG: Keine sichere Grundlage für den LBO . . . . . . . . . . . . (4) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit und Relevanz des BilMoG für die Kapitalerhaltung . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis IV. Das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen als Instrument gegen die nominelle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Problematik des Fremdkapitals aus Gesellschafterhand . . . . . . . . . 2. Wesenszüge des Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung der Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG (1) Position des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Position des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Novellenregeln von 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortführung der Rechtsprechungsregeln nach der GmbH-Novelle . . d) Komplexes Nebeneinander zweier Regelungssysteme . . . . . . . . . . . 3. Blick in andere Rechtsordnungen und Reformbestrebungen . . . . . . . . . 4. Beschlüsse des 66. DJT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Deregulierung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG . . . . . . a) Fortgeltung der Novellen- und Rechtsprechungsregeln für Altfälle b) Abschaffung der Novellenregeln und Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschaffung der Rechtsprechungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kodifizierung der „eigenkapitalersetzenden“ Nutzungsüberlassung (1) RegE: Rechtstechnisch nicht gelungene Abschaffung . . . . . . . . (2) MoMiG: Gesellschafterfreundliche Kodifizierung . . . . . . . . . . . e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Rangrücktritt und Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ende des präventiven Gläubigerschutzes im Vorfeld der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einfluss der Neuregelung auf die Insolvenzanfälligkeit . . . . . .

C. Die Reform der sonstigen gläubigerschützenden Rechtsfiguren . . . . . . . . . . I. Risikoverlagerung auf den Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 15a InsO-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die neue „Insolvenzverursachungshaftung“ im Innenverhältnis . . . . . . a) Alte Rechtslage: Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) MoMiG: Haftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. für Verursachung der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik am Haftungstatbestand des § 64 S. 3 GmbHG n. F. . . . . . . . (1) Zahlungen an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einführung des Solvenztests „durch die Hintertür“ . . . . . . . . . . (3) Sanierungsfeindlichkeit des § 64 S. 3 GmbHG n. F. . . . . . . . . . (4) Keine Schadensersatzhaftung trotz Verschuldenselements . . . . (5) Taugliches Instrument gegen Ausplünderungsfälle? . . . . . . . . .

192 192 194 194 194 194 196 196 198 199 199 200 200 200 201 202 202 203 204 204 205 206 207 207 207 208 208 208 209 209 209 210 210 211

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(6) Benachteiligung des Geschäftsführers im Vergleich zu den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Anreiz zur gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung . . . . . 3. Haftungsbewehrte Überwachung der Werthaltigkeit von Gegenleistungsansprüchen der Gesellschaft i. R. d. §§ 43 Abs. 2, 3 S. 1, 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Inanspruchnahme der Gesellschafter zum Zwecke des Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Firmenbestattungen“ zur Umgehung gläubigerschützender Regelungen a) Typische Praktiken der „wilden“ Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenmaßnahmen des MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Subsidiäre Selbstorganschaft“ im Fall der Führerlosigkeit der GmbH 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 213 214 215 216

D. Ergebnis: Neue Finanzierungsfreiheit und repressiver Gläubigerschutz . . I. Repressiver statt präventiver Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unstimmigkeiten wegen Beibehaltung des Kapitalschutzmodells . . . . . . . . III. Ausblick: Insolvenzprävention und Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 4 Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss: Unterkapitalisierung als immanente Schwäche des Kapitalschutzmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . a) Nominelle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Quotale Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gehäuftes Auftreten unterkapitalisierter Gesellschaften nach dem MoMiG 1. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigenkapitalersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gefahr masseloser Insolvenzen durch das MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzwahrscheinlichkeit nach dem MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrscheinlichkeit masseloser Insolvenz nach dem MoMiG . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis V.

Konsequenz: Notwendigkeit von Insolvenzprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

B. Schutz der Gläubiger vor Unterkapitalisierung als Herausforderung an die Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Krisenprävention durch Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gläubigerschutz durch financial covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition und Funktion von financial covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz von Klein- und Deliktsgläubigern durch Reflexwirkung von financial covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfluss des MoMiG auf die Ausbreitung von financial covenants . . . a) Absinken des gesetzlichen Schutzniveaus zwingt zur Privatinitiative b) Geringere Behinderung von financial covenants durch das Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tauglichkeit von financial covenants zum Gläubigerschutz angesichts der Rahmendaten der GmbH-Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Krisenprävention und -management durch die Kautelarpraxis: Typische Vertragsbestimmungen in financial covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung . . . . . . I. Besondere Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft: Insolvenzprophylaxe durch verhaltensbezogene Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Streit um die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemaufriss: Pflichtenbindung bei der Kapitalausstattung? . . . . . . . 2. Im Schrifttum vertretene Positionen zur Unterkapitalisierungshaftung a) Unterkapitalisierungshaftung bei materiellem Verständnis des Kapitalschutzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchgriffs- oder Binnenhaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dogmatische Begründung der Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . (1) Missbrauchslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Normzwecktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Position der Rechtsprechung zur Unterkapitalisierungshaftung . . . . . . a) Position der Rechtsprechung im angloamerikanischen Rechtskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frühere Position der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Position des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Position anderer Bundesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Gamma-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme zum Gamma-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Legitimationskrise des Kapitalschutzmodells und die Rolle der Durchgriffshaftung nach dem Absinken des Gläubigerschutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unmöglichkeit der Berechnung des notwendigen Eigenkapitals? . . d) Deliktsrechtliche Grenzen der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit: Binnenhaftung gem. § 826 BGB als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Tatbestand der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . 1. Schädigung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertikale Treuepflicht aus der Finanzierungsverantwortung . . . . . . (1) Anknüpfung an schadensstiftende Pflichtverletzung im Trihotel-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Neue Finanzierungsfreiheit und neue Finanzierungsverantwortung nach dem MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vertikale Treuepflicht der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtverletzung durch Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sachlicher Bezugspunkt der Treuepflichtverletzung: Allgemeine Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zeitlicher Bezugspunkt der Treuepflichtverletzung . . . . . . . . . . (3) Vermutung einer Treuepflichtverletzung bei quotaler Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Entlastungsbeweis mittels Gesamtschau relevanter Kriterien . . (5) Gesellschafterschutz im sicheren Hafen der business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in doppelter Analogie . . c) Zwischenergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sittenwidrigkeit der Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung der Sittenwidrigkeit aus der Risikoexternalisierung . . . b) Herleitung der Sittenwidrigkeit nach der Trihotel-Doktrin . . . . . . . (1) Herleitung aus der subjektiven Motivation des Schädigers . . . . (2) Herleitung aus dem Ausnutzen von Schutzlücken des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Herleitung der Sittenwidrigkeit für die Zwecke der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorsatz in Bezug auf die sittenwidrige Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung nach allgemeinen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwertung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung durch Vorsatzerfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schwere Beweisbarkeit des subjektiven Tatbestandselements . . (2) Abhilfe durch Blick auf die konkrete Treuepflichtverletzung und Umkehr der Beweislast gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG . . . . 4. Gesellschafterschützende Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis IV. Die Rechtsfolge der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Nicht in Betracht kommende Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Konzernrechtliche Folgen analog §§ 302 f. AktG . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Durchgriffshaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . 283 2. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Binnenhaftung der beteiligten Gesellschafter als Gesamtschuldner 284 b) Inhalt des Schadensersatzanspruchs unter Beachtung der neuen Finanzierungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Modalitäten der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . 285 d) Insolvenzprophylaxe durch den Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . 286 (1) Bilanzielle Wirkung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . 286 (2) Kurzfristiger Liquiditätsgewinn durch den Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (3) Pfändungslösung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger . . . . . . 287 e) Zuständigkeit zur Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Geordnetes Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4. Existenzvernichtungshaftung im Insolvenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Umschlagen der Unterkapitalisierungs- in eine Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Der Streit um die Definition des existenzvernichtenden Eingriffs . . 290 c) Argumente für die Gleichbehandlung von Ressourcenabzug und -vorenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (1) Deliktsrechtliche Dimension des pflichtwidrigen Unterlassens 291 (2) Antastung des Stammkapitals irrelevant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (3) Fähigkeit der Gesellschaft zur Schuldenbedienung . . . . . . . . . . 292 (4) Gleichstellung von Ressourcenabzug und -vorenthaltung aus Sittenwidrigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (5) Sanktionierung der Umgehung von Liquidationsvorschriften . . 293

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d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 5. Zwischenergebnisse: Abgestuftes System von Rechtsfolgen . . . . . . . . . 294 Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur . . . . . . . . . 294 1. Eingrenzung der anspruchsberechtigten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . 294 2. Eingrenzung des Kreises pfändungsberechtigter Gläubiger? . . . . . . . . . 295

VI. Verhältnis der vorgeschlagenen Binnenhaftung zu anderen Rechtsfiguren 295 1. Verhältnis zur Existenzvernichtungshaftung: Sachliche und zeitliche Vorverlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Verhältnis zur Anfechtung nach §§ 129, 135, 143 InsO bzw. §§ 11, 6 AnfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Allgemein: Unterschiedliche Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

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b) Verhältnis zur Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Verhältnis zur Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens . . . . 297

Kapitel 5 Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG und der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur A. Problemaufriss: Anwendbarkeit inländischen Rechts auf Gesellschaften ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. GmbH-Reform im Spiegel der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen des MoMiG auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen der Unterwerfung von EU-Auslandsgesellschaften unter inländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Geltungsbereich der nachfolgenden Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Einfluss des Europarechts auf die internationalprivatrechtliche Behandlung von EU-Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationalprivatrechtliche Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Qualifikation und Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der Ausdünnung des Gesellschaftsstatuts im Wege der „Umqualifizierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtfertigungsbedürftigkeit von Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit und seine teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weitgefasster Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . b) Teleologische Reduktion in entsprechender Anwendung der Keck/Mithouard-Grundsätze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Teleologische Reduktion am Beispiel der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Notwendigkeit tatbestandlicher Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Teleologische Reduktion durch Gleichbehandlung? . . . . . . . . . . (4) Teleologische Reduktion bei allgemeinem Verkehrsrecht? . . . . (5) Teleologische Reduktion der Niederlassungsfreiheit durch innoventif limited? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Keine teleologische Reduktion bei kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit . . . . . .

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298 298 299 300 300 301 301 301 303 304 305 305 305 306 306 307 308 309 310 312 312 313

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Inhaltsverzeichnis a) Geschriebener Rechtfertigungsgrund gem. Art. 46 EG . . . . . . . . . . b) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtfertigung bei missbräuchlicher oder betrügerischer Berufung auf das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Prüfung der Zulässigkeit einer Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen des MoMiG auf Scheinauslandsgesellschaften . . . . . . . . . . II. Anknüpfung der neuen Regelungen über die Insolvenzverschleppungshaftung, die Gesellschafterdarlehen und die Insolvenzverursachungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung von Geschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Deliktsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Insolvenzrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung von Gesellschaftern einer führerlosen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Analoge Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften? . . . . . . . . . . . b) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sonderanknüpfung der Insolvenzantragspflicht . . . . . . . . . . . . . . (2) Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung der Gesellschafter einer führerlosen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anknüpfung der Regelungen über Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . 4. Anknüpfung der Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Analoge Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . b) Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Insolvenzrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sonderanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konformität der Neuregelungen des MoMiG mit der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzverschleppungshaftung von Geschäftsleitern . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit . . b) Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 314 314 317 319 319 319

320 320 320 321 321 322 322 324 324 324 325 325 326 326 327 327 327 327 327 329 329 329 329 330

Inhaltsverzeichnis

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c) Rechtfertigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test . . . . . . . . . . . . 2. Insolvenzverschleppungshaftung von Gesellschaftern einer führerlosen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit . . b) Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test . . . . . . . . . . . . 3. Regeln über Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit . . b) Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweifel an der Rechtfertigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Legitimierung durch EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. analog . . IV. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331

D. Prüfung der Zulässigkeit einer Anwendung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung auf Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . I. Anknüpfung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . . 1. Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenzrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deliktsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Einfluss der Niederlassungsfreiheit auf die kollisionsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Befragung der relevanten internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Funktionale Analyse von Tatbestand und Rechtsfolge der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Hilfsweise Doppelqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Problemaufriss und Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ablehnung der materiellrechtlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berücksichtigung prozessualer Erwägungen im Rahmen der kollisionsrechtlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331 331 332 332 332 333 333 333 334 334 334 334 334 335 336 337 339 339 339 339 340 340 341 341 341 343 347 348 348 349 350 351

28

Inhaltsverzeichnis f) Zuflucht bei hilfsweiser Sonderanknüpfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 g) Ergebniskorrektur über den ordre public? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 a) Regelanknüpfung und Auflockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 b) Keine Näherbeziehung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB . . . . . . 353 c) Keine Näherbeziehung gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . 354 d) Keine teleologische Legitimation der akzessorischen Anknüpfung bei abweichender Auflockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 e) Widerspruch zur Auflockerung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 Rom-II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 3. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 II. Konformität der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur mit der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit . . . . . 356 a) Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft . . . . . 356 (1) Unterkapitalisierung eine Frage des Gründungsrechts? . . . . . . . 356 (2) Verbesserung der rechtlichen Stellung der EU-Scheinauslandsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 b) Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschafter . . . 357 2. Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 a) Deliktsrecht als niederlassungsfreiheitsresistentes Verkehrsrecht? . 359 b) Differenzierung zwischen Gründungsstadium und Betriebsphase der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 c) Rekurs auf gesellschaftsrechtliche Elemente der Doppelqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 a) Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 b) Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 c) Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test . . . . . . . . . . . . . . . . 362 (1) Anwendung in nicht diskriminierender Weise . . . . . . . . . . . . . . . 362 (2) Zwingender Grund des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . . . 362 (3) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 (4) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 4. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 III. Fazit: Umgehungsresistenz der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

Inhaltsverzeichnis

29

Kapitel 6 Ergebnisse und Perspektiven

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A. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 B. Perspektiven des nationalen Kapitalgesellschaftsrechts: Vom präventiven zum repressiven Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 C. Perspektiven des europäischen Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Abkürzungsverzeichnis a. A./A.A. a. a. O. ABl. Abs. ADHGB a. E. a. F. AG AktG allg. Alt. AnfG Anh. AnwBl AO ArbG Art. Artt. Aufl. Ausg. Az. BAG BAGE BAW BayObLG BayObLGZ BB BBodSchG Bd. Begr. BerDGesVR BGB BGBl. BGH

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)/Amtsgericht Aktiengesetz allgemein Alternative Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens Anhang Anwaltsblatt Abgabenordnung Arbeitsgericht Artikel (Singular) Artikel (Plural) Auflage Ausgabe Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanwaltschaft Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Betriebs-Berater Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz) Band Begründung/Begründer Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

Abkürzungsverzeichnis BGHZ

31

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BMJ Bundesministerium der Justiz BR-Drucks. Drucksachen des Deutschen Bundesrates BRIC Brasilien, Russland, Indien, China BSG Bundessozialgericht BSGE Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts bspw. beispielsweise BT-Drucks. Drucksachen des Deutschen Bundestages Buchst. Buchstabe B.V. Besloten Vennootschap BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise CA 1985 UK Companies Act 1985 CA 1993 New Zealand Companies Act 1993 CA 2006 UK Companies Act 2006 c. i. c. culpa in contrahendo DAJV-Newsletter Newsletter der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung DB Der Betrieb DBA Doppelbesteuerungsabkommen DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex ders. derselbe d.h. das heißt DJT Deutscher Juristentag DM Deutsche Mark DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift DStR Deutsches Steuerrecht DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht E Entwurf EBLR European Business Law Review EG Europäische Gemeinschaft/Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung vom 1.5.1999 EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGHGB Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch EGInsO Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung vor dem 1.5.1999 EHUG Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einf. Einführung Einl. Einleitung

32 EKEG endg. engl. EPG EStG et al. etc. EU EuGH EuGVÜ

EuGVVO

EuInsVO EUV EuZW e. V. evtl. EVÜ EWIV EWR f. ff. Fn. FS G8 GA GATS GbR gem. GesR GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR GoB GOBT

Abkürzungsverzeichnis Österreichisches Eigenkapitalersatz-Gesetz endgültig englisch Europäische Privatgesellschaft Einkommensteuergesetz et alii et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof) Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 27.9.1968 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29.5.2000 Vertrag über die Europäische Union vom 7.2.1992 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein eventuell Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum folgende (Singular) folgende (Plural) Fußnote Festschrift Gruppe der Acht führenden Industrienationen Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof General Agreement on Trade in Services Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gesellschaftsrecht Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (bis 1963: Rundschau für GmbH) Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Abkürzungsverzeichnis Großkomm. HandwO HGB h. L. h. M./H.M. Hrsg. HS IA 1986 IAS ICJ IFRS IGH insb. InsO IntGesR InvG IPR IPRax i. R. d. i. R.v. i. S. d. IStR i. S. v. i.V. m. i. w. S. Jura JuS JZ KAGG KG KMU KO KStG KWG LBO lit. Ltd. LugÜ

MBCA m.b.H. m. E.

33

Großkommentar Handwerksordnung Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz UK Insolvency Act 1986 International Accounting Standards International Court of Justice International Financial Reporting Standards Internationaler Gerichtshof insbesondere Insolvenzordnung Internationales Gesellschaftsrecht Investmentgesetz Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Rahmen des im Rahmen von im Sinne des Internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kommanditgesellschaft/Kammergericht Kleine und mittlere Unternehmen Konkursordnung Körperschaftsteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen Leveraged Buy-Out litera Limited Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 Model Business Corporation Act mit beschränkter Haftung meines Erachtens

34 MindestKapG MitbestG MoMiG Münch. Komm. m.w. N. Neudr. NJW NJW-RR Nr. NVersZ NZG NZI o. g. OHG OLG RabelsZ RefE RegE RG RGZ RIW Rn. ROHG Rom-I-VO

Rom-II-VO

Rs. Rspr S. S.A. S.A.R.L. SCE SE SEBG sec.

Abkürzungsverzeichnis Gesetz zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neudruck Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport der Neuen Juristischen Wochenschrift Nummer/Nummern Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht oben genannt Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Randnummer/Randnummern Reichsoberhandelsgericht Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rechtssache Rechtsprechung Seite/Satz Société anonyme Société à responsabilité limitée Societas Cooperativa Europea Societas Europea Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft section

Abkürzungsverzeichnis SE-VO S.L. Slg. S.L.N.E. sog. SPE st StGB str. StudZR Tz. u. u. a. UBGG UG UK-GAAP UmwG URG US-GAAP usw. u. U. v. VAG Verf. vgl. VGR VO WM WuB z. z. B. ZGR ZHR ZInsO ZIP ZivilProzR ZPO ZRP ZVglRWiss

35

Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.2001 Sociedad Limitada Sammlung der Entscheidungen des EuGH Sociedad Limitada Nueva Empresa sogenannt Societas Privata Europaea ständig/ständige Strafgesetzbuch streitig Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg Textziffer und unter anderem Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Unternehmergesellschaft United Kingdom Generally Accepted Accounting Principles Umwandlungsgesetz Österreichisches Unternehmensreorganisationsgesetz United States Generally Accepted Accounting Principles und so weiter unter Umständen vom/von/vor Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Verfasser vergleiche Gesellschaftsrechtliche Vereinigung Verordnung Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (früher: Zeitschrift für die gesamte Insolvenzpraxis) Zivilprozessrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung „[Es] kann [. . .] keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen.“ EuGH, Urt. v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27

A. Problemstellung der vorliegenden Untersuchung In den letzten Jahren avancierte das Gläubigerschutzsystem der GmbH zum Gegenstand kontroverser Diskussion1. Die Rufe nach grundlegender Reform und Deregulierung blieben nicht ungehört: Am 1.11.2008 trat das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft2. Es sieht zahlreiche Änderungen gläubigerschützender Vorschriften vor. Fragt man nach den Gründen für die Reform eines – von der GmbH-Novelle 1980 abgesehen – seit über 100 Jahren so gut wie unveränderten Systems, so ist zunächst festzuhalten, dass Gläubigerschutz und Haftungsbeschränkung zwei Seiten derselben kapitalgesellschaftsrechtlichen Medaille sind. Die Notwendigkeit von Gläubigerschutz ist im europäischen Raum allgemein anerkannt3. Freilich differieren die diesbezüglichen Regulierungskonzepte teils erheblich: Während die einen auf präventiven Gläubigerschutz setzen und nur solche Kapitalgesellschaften in den Rechtsverkehr entlassen wollen, bei denen die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass es zur Schädigung von Gläubigern kommen wird, begnügen sich andere mit einem repressiven Gläubigerschutz, der punktuell und ex post eingreift, wenn die ansonsten gezeigte laissez-faire-Haltung zur Schädigung von Gläubigern geführt hat. Deutschland gehörte mit seinem Kapitalschutzsystem traditionell zur erstgenannten Gruppe. Die unangefochtene Stellung des Kapitalschutzsystems als re1 Vgl. statt vieler Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (3 f.); Merkt, ZGR 2004, 305 (305 ff., 317). 2 BGBl. I, Nr. 48/2008 vom 28.10.2008, S. 2026; zuvor RegE vom 23.5.2007, BRDrucks. 354/07 vom 6.7.2007, BT-Drucks. 16/6140 vom 25.7.2007. 3 Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (21).

38

Einleitung

gulatorisches Modell des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts wird jedoch zunehmend in Frage gestellt, da es gegenwärtig mit einem dreifachen Paradigmenwechsel konfrontiert ist: (1) Die Sitzanknüpfung im Internationalen Gesellschaftsrecht, die in der Vergangenheit zur Abwehr ausländischer Gesellschaftsformen und des Einflusses ausländischer Regulierungskonzepte diente4, steht nach der auf die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften gem. Artt. 43, 48 EGV gestützten Entscheidungstrias Centros, Überseering und Inspire Art des Europäischen Gerichtshofs nicht länger zur Verfügung. Die – aus dem Eingangszitat ersichtliche – europäische Rechtsformwahlfreiheit führte zu einer bislang ungekannten Konkurrenzsituation der in- und ausländischen Gesellschaftsformen. In der Folge stieg die Zahl der unter Vermeidung deutscher Regelungen in England gegründeten private limited companies mit Verwaltungssitz und regelmäßig ausschließlicher Geschäftstätigkeit in Deutschland sprunghaft an. (2) Hinzukommt, dass das Gläubigerschutzsystem deutscher Prägung seine Verankerung im europäischen Sekundärrecht zu verlieren droht: Im Auftrag der Europäischen Kommission5 prüfte die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Alternativen zum – freilich aktienrechtlichen – Kapitalschutzsystem der Zweiten Richtlinie6. (3) Zuletzt ist festzuhalten, dass das HGB-Bilanzrecht traditionell dem Gläubigerschutz diente. Von dieser Gewissheit kann nicht länger ausgegangen werden, denn auch auf diesem Feld kündigt sich mit der Übernahme wesentlicher Grundgedanken der internationalen Rechnungslegungsstandards durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)7 eine Abkehr von sicher geglaubten Grundsätzen an. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, dass die überkommenen Regelungsmechanismen, mit denen das Gesellschaftsrecht Gläubigerschutz verwirklichen will, in Frage gestellt werden. Davon sind vor allem die geschlossenen Kapitalgesellschaften betroffen, mithin die GmbH und ihre ausländischen Pendants. Bezüglich des Gläubigerschutzsystems dieser Rechtsformen ist der Regulierungswettbewerb zwischen den EU-Mitgliedstaaten „voll entbrannt“ 8. Mit dem MoMiG hat sich der deutsche Gesetzgeber auf diesen Wettbewerb eingelassen. Er will der europäischen Rechtsformwahlfreiheit dadurch begegnen, dass (1) die GmbH attraktiver gemacht und zugleich (2) ein Instrumen4 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 1, spricht bildhaft davon, die Sitztheorie sei der „Zaun“ um die tragenden Säulen des deutschen Gesellschaftsrechts gewesen. 5 Contract Award Notice 2006/S 203-215305. 6 Richtlinie 77/91/EWG vom 13.12.1976, sog. Zweite Richtlinie bzw. Kapitalrichtlinie, ABl., 31.1.1977, Nr. L 26/1; punktuell geändert durch die Richtlinie 2006/68/ EG vom 6.9.2006, ABl., 25.9.2006, Nr. L 264/32. 7 BGBl. I, S. 1102; zuvor RefE vom 8.11.2007; dazu Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 ff. 8 Eidenmüller, JZ 2007, 487 (493).

B. Ziele und Gang der Untersuchung

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tarium gegen Scheinauslandsgesellschaften geschaffen werden soll. Die Attraktivität soll durch Beschleunigung der Gründungsphase und teilweise weitreichende Deregulierung des tradierten Gläubigerschutzsystems erhöht werden. Die neue Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter ist indes so groß geraten, dass man insolvenzpräventive Regelungsmechanismen vermisst. Die folgende Untersuchung lenkt das Augenmerk daher auf die neue Unterkapitalisierungsproblematik und wie diese ggf. behoben werden könnte. Dabei, aber insbesondere bei den Neuerungen des MoMiG zur Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften, wird deutlich, dass gesellschaftsrechtliche Regelungskonzepte heute nur noch dann eine Berechtigung haben, wenn sie nicht durch die Wahl eines ausländischen Gesellschaftsrechts umgangen werden können. Um das Bild des Spiegels zu bemühen: Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz lässt sich nicht mehr losgelöst von gemeinschaftsrechtlichen Implikationen betrachten. Die Reform des Gläubierschutzsystems der GmbH, die von der Niederlassungsfreiheit erst angestoßen wurde, muss ihrerseits mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen. Die Niederlassungsfreiheit soll mithin Ausgangs- und Endpunkt der vorliegenden Untersuchung sein.

B. Ziele und Gang der Untersuchung In der vorliegenden Untersuchung soll, ausgehend vom status quo ante des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, die Gläubigerschutzreform durch das MoMiG analysiert und danach gefragt werden, welchen Standpunkt die Niederlassungsfreiheit dazu einnimmt. Die einzelnen Kapitel wollen folgende Leitfragen beantworten: 1. Zu welchem Ende gibt es Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht? Wie war der Gläubigerschutz im deutschen GmbH-Recht traditionell ausgestaltet? (Kapitel 1 – Begrifflichkeiten und Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems der GmbH) 2. Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, mit dem MoMiG ein Gesetz einzubringen, welches das Gläubigerschutzsystem der GmbH reformieren soll? Innerhalb welcher Rahmendaten muss sich eine solche Reform vollziehen? (Kapitel 2 – Auslöser und Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG: Ein dreifacher Paradigmenwechsel) 3. In welcher Weise reformiert das MoMiG die gläubigerschützenden Regelungen des GmbHG im Vergleich zur alten Rechtslage? (Kapitel 3 – Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG) 4. Hinterlässt das MoMiG Schutzlücken bzw. schafft es neue? Wie können diese Lücken geschlossen werden? (Kapitel 4 – Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik)

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Einleitung

5. Können die einschlägigen Neuerungen des MoMiG in kollisionsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich konformer Weise auf EU-Scheinauslandsgesellschaften angewendet werden? Was gilt diesbezüglich für den im 4. Kapitel unterbreiteten Lösungsvorschlag? (Kapitel 5 – Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG und der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur) Abschließend werden in einem 6. Kapitel die gefundenen Ergebnisse thesenartig zusammengefasst und durch eine Bemerkung zu den Perspektiven des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes in Europa ergänzt.

C. Themenbegrenzung Das Untersuchungsprogramm der vorliegenden Arbeit erstreckt sich über drei Ebenen: Ausgehend von (1) der Metaebene des Gemeinschaftsrechts sind nationales (2) Gesellschaftskollisions- und (3) Gesellschaftssachrecht zu behandeln. Die Rechtsfragen, die sich dabei im Zusammenhang mit dem Gläubigerschutzsystem und der Behandlung von Auslandsgesellschaften unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit stellen, sind vielschichtig und zwingen zu einer Themenbegrenzung. Bei der Untersuchung des Gesellschaftskollisionsrechts geht es in erster Linie um die grenzüberschreitende Sitzverlegung; Fragen der grenzüberschreitenden Verschmelzung und des grenzüberschreitenden Formwechsels werden nur gestreift. Die Analyse des MoMiG beschränkt sich auf seine gläubigerschutzrelevanten Neuerungen. Ausgeklammert bleiben v. a. die Flexibilisierung der Geschäftsanteile und der gutgläubige Erwerb derselben. Versucht wird keine abschließende Behandlung aller Fragen, welche die inländische Behandlung von Auslandsgesellschaften aufwirft. Es geht im Kern nur um diejenigen Neuregelungen des MoMiG, von denen sich der Regierungsentwurf ausdrücklich einen besseren Schutz inländischer Gläubiger verspricht9, sowie um die Frage, ob der in Kapitel 4 entwickelte Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik auch auf Auslandsgesellschaften angewendet werden kann.

D. Terminologische Vorbemerkungen Vorausgeschickt seien einige terminologische Vorbemerkungen. Wenn nachfolgend von Scheinauslandsgesellschaften die Rede ist, sind damit nach der 9 Dabei handelt es sich um §§ 64 S. 3 GmbHG n. F., 15a Abs. 1 und 3, 39 Abs. 4, 135 InsO n. F.; BT-Drucks. 16/6140, S. 113, 134, 137.

D. Terminologische Vorbemerkungen

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gängigen Definition solche Gesellschaften gemeint, bei denen Gründungsort und Sitz der Hauptverwaltung auseinanderfallen10. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird es vielfach so sein, dass der Sitz der Hauptverwaltung der betreffenden Scheinauslandsgesellschaft in Deutschland oder jedenfalls in einem EUMitgliedstaat belegen ist (EU-Scheinauslandsgesellschaft). Nicht gemeint – sofern nicht eigens gekennzeichnet – sind demgegenüber Gesellschaften, die ihren Satzungssitz in der Gemeinschaft, aber ihren Verwaltungssitz in einem Drittstaat und keine substantiellen Verbindungen zur Wirtschaft eines Mitgliedstaats haben (sog. Pseudo-EU-Scheinauslandsgesellschaft11). Wenn es um eine Limited geht, ist damit die private limited company i. S. v. sec. 4 (1) CA 2006 des englischen Rechts gemeint. Wenn von einer kleinen Kapitalgesellschaft gesprochen wird, soll damit nicht auf den bilanzrechtlichen Begriff des § 267 Abs. 1 HGB rekurriert werden; vielmehr soll es um Kapitalgesellschaften mit umfangmäßig begrenzter Geschäftstätigkeit und geschlossenem Gesellschafterkreis gehen. Die Zusätze „a. F.“ und „n. F.“ beziehen sich auf die Fassungen der jeweiligen Gesetze vor bzw. nach Inkrafttreten des MoMiG. Mit GmbHG-E ist der Stand des MoMiG (RegE) gemeint.

10 Zum Begriff der Scheinauslandsgesellschaft Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (812); Latty, The Yale Law Journal 65 (1955–1956), 137, ebenda („corporations essentially local in character but incorporated in a foreign state“); ferner Ulmer, NJW 2004, 1201, Fn. 1. 11 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 407.

Kapitel 1

Begrifflichkeiten und Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems der GmbH Wer sich anschickt, die Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH zu untersuchen, muss eingangs die Begrifflichkeiten gläubigerschützender Regelungen klären, ihre Legitimationsgrundlage präsentieren und die Wesensmerkmale des Gläubigerschutzsystems in statu quo ante skizzieren.

A. Begrifflichkeiten des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes I. Eigenkapital, Fremdkapital, Hybrid-Kapital Sind Kapitalgesellschaften 1 unternehmenstragende Gesellschaften, so können sie ihren Finanzbedarf durch Eigen-, Fremd- oder Hybrid-Kapital decken2. Das Eigenkapital einer Gesellschaft speist sich gem. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB aus den à fonds perdu geleisteten Einlagen der Gesellschafter, Rücklagen und thesaurierten Gewinnen. Bilanzmäßig stellt es den Überschuss der Aktiva über die echten Passiva (Rückstellungen und Verbindlichkeiten), ergo das Nettovermögen der Gesellschaft dar3. Seine Höhe ist vom Unternehmenserfolg abhängig. Der Finanzbedarf einer Gesellschaft kann auch durch kreditweise und regelmäßig verzinslich bezogenes Fremdkapital gedeckt werden. Der Anspruch auf Zinszahlung besteht unabhängig vom Unternehmenserfolg oder der Bilanz. In der Insolvenz der Gesellschaft steht dem Fremdkapitalgeber eine – gegebenenfalls entwertete – Insolvenzforderung zu4.

1

Legaldefiniert in § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Als juristische Personen verfügen Kapitalgesellschaften über ein verselbständigtes Vermögen, §§ 1 Abs. 1 S. 1 und 2, 278 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 1, 2 GmbHG. Vgl. ferner Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, § 2 III 2; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 2 I 3a. 3 Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 85; K. Schmidt, GesR4, § 26 IV 1a. 4 K. Schmidt, GesR4, § 18 II 2b; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1a. 2

A. Begrifflichkeiten des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes

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Unter Hybrid-Kapital versteht man Finanzierungsformen, die zwischen den klassischen Kategorien des Eigen- und Fremdkapitals einzuordnen sind, darunter Hybridanleihen (vgl. § 10 Abs. 5a KWG), atypische stille Beteiligungen und die in § 221 Abs. 1, 3 AktG genannten Wandelschuldverschreibungen i. w. S., Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte5. II. Das Garantie- bzw. Haftkapital und seine Mindesthöhe Eigenkapital und Garantie- bzw. Haftkapital sind grundsätzlich nicht identisch. Denn nur das von den Gesellschaftern gezeichnete Eigenkapital (§§ 266 Abs. 3 Buchst. A I, 272 Abs. 1 S. 1 HGB, 152 Abs. 1 S. 1 AktG, 42 Abs. 1 GmbHG) einer Gesellschaft ist das Garantie- bzw. Haftkapital, auf das die Haftung der Gesellschafter gem. §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG beschränkt ist6. Es wird bei der AG Grundkapital, bei der GmbH Stammkapital genannt (§§ 6 AktG, 5 Abs. 1 GmbHG) und ist zum Nennbetrag zu passivieren (§ 283 HGB). Es kann während des Bestehens der Gesellschaft grundsätzlich nicht desinvestiert, sondern nur unter Beachtung besonderer Kautelen verändert werden7 (gebundenes Kapital8). Es ist in der Insolvenz für die Gesellschafter regelmäßig verloren, sofern nicht § 199 S. 2 InsO vorliegt (Risikokapital)9. Eigenkapital und Garantie- bzw. Haftkapital sind also nur in Höhe des Grund- bzw. Stammkapitals identisch10. Die Gesellschaft haftet ihren Gläubigern aber freilich mit ihrem gesamten Eigenkapital. Die Mindesthöhe des Garantie- bzw. Haftkapitals ist in Deutschland traditionell gesetzlich fixiert, §§ 7 AktG, 5 Abs. 1 GmbHG. Man spricht insofern von Mindestkapital. Das Garantie- bzw. Haftkapital hat eine Doppelfunktion: Es soll idealiter eine „Befriedigungsreserve“ 11 für die Gesellschaftsgläubiger gewährleisten (Real-

5 Vgl. K. Schmidt, GesR4, § 18 II 2d. Näheres zu den Mischformen zwischen Eigen- und Fremdkapital bei Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 5.4 ff. 6 Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 83; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1b. 7 Dazu rechtsvergleichend Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, §§ 2 II, III 1, IV. 8 Vgl. die anschauliche Formulierung in BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (187): „Zusammenspiel von Vermögenstrennung und Vermögensbindung einerseits sowie [. . .] Haftungsbeschränkung andererseits“. 9 Zum Ganzen K. Schmidt, GesR4, § 18 II 2b; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1a. 10 Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 60. 11 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (75).

44

Kap. 1: Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems

funktion)12 und durch die Anknüpfung von Rechtsfolgen an eine Unterbilanz die Anwendung gläubigerschützender Regelungen bereits im Vorfeld der Insolvenz ermöglichen (Bilanzfunktion)13. Die Rede vom Garantiekapital als „Befriedigungsreserve“ ist jedoch irreführend: Zwar werden die Gesellschaftsgläubiger insofern geschützt, als dass ausschüttungsfähiger Gewinn nur vorhanden ist, wenn das Eigenkapital das Garantie- bzw. Haftkapital übersteigt14. Dieses kann jedoch durch unternehmerischen Misserfolg aufgezehrt werden. Dann fallen die Gesellschaftsgläubiger mit ihren Forderungen aus15. Die Garantie kann sich also allenfalls darauf beziehen, dass die Gesellschaftsgläubiger gegen willkürliche Vermögensverschiebungen auf die Gesellschafter geschützt sind16. III. Kapitalschutzsystem und Festkapital Diejenigen Rechtsordnungen, die ein Garantie- bzw. Haftkapital kennen, benötigen zugleich besondere Vorschriften, welche seine Unverletzlichkeit gewährleisten. Denn die Institution des Garantie- bzw. Haftkapitals ist ohne zwingende Vorschriften zu seiner effektiven Aufbringung17 und ungeschmälerten Erhaltung18 sinnlos19. In Frankreich spricht man in diesem Zusammenhang anschaulich von der intangibilité du capital social 20. Die gesetzlichen Vorkehrungen zur Sicherung der Unverletzlichkeit werden unter dem Topos des Kapitalschutzes begrifflich zusammengefasst21. In ihrer Gesamtheit gewährleisten sie die fixité du capital social 22, zu deutsch: das Festkapital23.

12 Vgl. Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, § 2 III 1; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1b. 13 Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347). 14 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1b. 15 Vgl. Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (9); Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 84. 16 Vgl. K. Schmidt, GesR4, § 26 IV 1a. 17 §§ 7, 9, 27, 36a, 38, 52, 66 AktG, 5, 7 Abs. 2, 3, 9–9c, 19–25 GmbHG a. F. 18 §§ 57 ff., 62, 150 Abs. 2 AktG, 30 ff. GmbHG a. F. 19 Vgl. Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 84; rechtsvergleichend Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, § 2 IV; ferner Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 2. 20 Nachweis bei Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, § 2 IV in Fn. 56. 21 Vgl. Fleischer, Verdeckte Gewinnausschüttung und Kapitalschutz, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 114 (115); ferner Bayer, ZGR 2007, 220 ff. 22 Nachweis bei Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, § 2 IV in Fn. 56. 23 Zum Festkapital Eidenmüller/Grunewald/Noack, Das Mindestkapital im System des festen Kapitals, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 17 (20).

B. Gläubigerschutz als notwendiges Korrelat der Haftungsbeschränkung

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B. Gläubigerschutz als notwendiges Korrelat der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung I. Haftungsbeschränkung und Risikoverlagerung Ausgehend vom Trennungsprinzip24 ist kennzeichnendes Element der Kapitalgesellschaften die auf die Einlagen beschränkte Haftung ihrer Gesellschafter25. Von der Haftungsbeschränkung geht der volkswirtschaftlich erwünschte Effekt der Förderung unternehmerischer Initiative aus, weil sie Gesellschaftern das unternehmerische Risiko teilweise abnimmt und auf die Gesellschaftsgläubiger verlagert26. Die Externalisierung des Risikos kann alle potentiellen Gesellschaftsgläubiger betreffen. Man unterteilt sie üblicherweise in zwei Gruppen: Einerseits die unfreiwilligen (gesetzlichen) Gläubiger, darunter Deliktsgläubiger, der Fiskus und die Sozialkassen, und andererseits die freiwilligen (vertraglichen) Gläubiger, darunter etwa Darlehensgeber, Warenkreditgeber, Arbeitnehmer und Endabnehmer27. II. Interessenkonflikt zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern Die Gefahr der Risikoverlagerung zulasten der Gesellschaftsgläubiger besteht in mannigfaltiger Hinsicht. Allen Gläubigergruppen ist gemein, dass sie regelmäßig keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft haben28. In Bezug auf die unfreiwilligen Gläubiger heißt es vielfach, dass sie ausnahmslos auf eine ausreichende Kapitalausstattung der Gesellschaft oder entsprechende Versicherungen angewiesen seien29. Die Darlehensgeber wiederum tragen zwar 24 Das Trennungsprinzip ist h. M., aber keineswegs zwingend, vgl. Raiser, in: U/H/ W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 47. 25 Dieser Grundsatz gilt bei AG und GmbH, §§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG. Eine Ausnahme dazu bildet die persönliche Haftung des Komplementärs einer KGaA, § 278 Abs. 2 AktG, siehe Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 4 Rn. 12. 26 Vgl. den Überblick bei Hansmann/Kraakman, The Yale Law Journal 110 (2000), 387 (423 ff.); ferner Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (20 f.); Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 (98); ausführlich Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 478 ff. 27 Zu den verschiedenen Gläubigergruppen ausführlich Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 86–150; vgl. auch Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2236); Grundmann, ZGR 2001, 783 (817 f.). 28 Merkt, ZGR 2004, 305 (311 f.). 29 Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 86 ff. In dieser Pauschalität trifft dies angesichts der Reflexwirkung von Abreden mit vertraglichen Gläubigern nicht zu; dazu näher infra Kapitel 4 – B. II. 2.

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Kap. 1: Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems

das Risiko der Entwertung ihrer Forderungen in der Insolvenz der Gesellschaft, lassen sich dieses Risiko aber durch entsprechende Zinsen vergüten30. Allen vertraglichen Gläubigern ist unbenommen, sich Sicherheiten gewähren zu lassen. Auf Seiten der Gesellschaftsgläubiger ist das Ausfallrisiko mithin gestaffelt. Demgegenüber tragen die Gesellschafter das Risiko allein in Höhe ihrer Einlagen. Das Verlustrisiko ist mithin größtenteils externalisiert und wird von den Gläubigern getragen. Am Unternehmenserfolg partizipieren die Gesellschafter jedoch vollumfänglich31. Hinzukommt, dass die zur Beurteilung des Risikos notwendigen Informationen unvollständig und asymmetrisch verteilt sein mögen: Die Gesellschafter haben regelmäßig einen Wissensvorsprung gegenüber den Gläubigern. Das gilt für Wissensasymmetrien vor und nach, mit und ohne Vertragsschluss32. In dieser Situation können sie versucht sein, sich durch äußerst riskante Unternehmungen hohe Profitchancen zulasten der Gläubiger zu verschaffen33. Je höher der Fremdkapitalanteil einer Unternehmung, desto höher ist potentiell die Eigenkapitalrendite der Gesellschafter (leverage-Effekt) und das Ausfallrisiko der ungesicherten Gläubiger34. Den damit einhergehenden negativen Verhaltensanreiz nennt man moral hazard 35. Die Institutionenökonomie spricht diesbezüglich vom principal-agent-Problem des Fremdkapitals36. III. Notwendigkeit gläubigerschützender Regelungen Anerkannt ist, dass die Gesellschaftsgläubiger nicht hinnehmen müssen, zum Wohle der unternehmerischen Initiative schutzlos gestellt zu werden37. Ein solches machte den volkswirtschaftlich erwünschten Effekt an anderer Stelle wieder zunichte. Die negativen Effekte der Haftungsbeschränkung müssen also unter Kontrolle gebracht werden, wenn der volkswirtschaftliche Nutzen tatsächlich

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Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347). Anschaulich Eidenmüller/Grunewald/Noack, Das Mindestkapital im System des festen Kapitals, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 17 (23); ferner Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347). 32 Eingehend Grohmann, Das Informationsmodell im europäischen Gesellschaftsrecht, S. 34 ff., 40; vgl. auch Arnold, Der Konzern 2007, 118 (119 f.). 33 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 1.21o. 34 Zum Ganzen Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1049). 35 Dazu Grohmann, Das Informationsmodell im europäischen Gesellschaftsrecht, S. 40 ff., dort auch zur Problematik im Innenverhältnis einer Gesellschaft. Siehe ferner Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 481 m.w. N. 36 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 1.21o; Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347). Zur institutionenökonomischen Fundierung Grohmann, Das Informationsmodell im europäischen Gesellschaftsrecht, S. 34. 37 Vgl. zur europäischen Diskussion Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 454 f. 31

C. Überblick über das Gläubigerschutzsystem vor Inkrafttreten des MoMiG

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gemehrt werden soll. Notwendiges Korrelat der Haftungsbeschränkung sind daher – wie auch immer geartete – gläubigerschützende Regelungen38: „Das Gläubigerschutzprinzip verlangt, die Haftungs- und Vermögensstruktur der Unternehmensträger so einzurichten, dass die Gläubiger kein unangemessen hohes Risiko der Nichterfüllung ihrer Forderungen tragen.“ 39 Bei der Definition der unangemessenen Höhe des Ausfallrisikos und der Wahl der gläubigerschützenden Mittel gehen die Vorstellungen in der Welt freilich weit auseinander40. Das Auffinden der richtigen Balance zwischen den Interessen der Gesellschafter und denjenigen der Gläubiger ist die wichtigste und zugleich delikateste Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts, gleichsam seine magna quaestio. Es geht darum, die potentiellen Schäden für die Gläubiger zu minimieren, ohne den volkswirtschaftlich erwünschten Effekt der Haftungsbeschränkung zu eliminieren41. Schon immer waren die diesbezüglichen gesetzgeberischen Vorstellungen und damit die angesprochene Balance Schwankungen unterworfen42. Die Neujustierung der gläubigerschützenden Stellschrauben durch das MoMiG verändert die Balance in einem so erheblichen Maße zugunsten der Gesellschafter, dass damit neue Lücken im Gläubigerschutzsystem geschaffen werden43.

C. Überblick über das Gläubigerschutzsystem der GmbH vor Inkrafttreten des MoMiG Kernstück des Schutzes von Gläubigern einer GmbH ist der Kapitalschutz. Darin erschöpft sich der Gläubigerschutz jedoch nicht; vielmehr kennt das deut38 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (7 f.); eindringlich Lutter, GmbHR 2007, R97; K. Schmidt, GesR4, § 18 IV 1b, bb); Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 474 ff.; Vetter, ZGR 2005, 788 (789): „Funktionieren kann ein solches System [der Haftungsbeschränkung] allerdings nur bei Beachtung bestimmter Spielregeln“. 39 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 I 1a, S. 516. 40 Weiss, Der Konzern 2007, 109 (111). Bspw. korreliert nach Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 4 I 3b, die präventiv kontrollierte Aufbringung eines angemessenen Kapitals mit der institutionellen Haftungsbeschränkung. In den USA wird demgegenüber weitgehend auf gesetzliche Kapitalaufbringungsregeln verzichtet und der Gläubigerschutz der Privatinitiative überlassen, Merkt, ZGR 2004, 305 (313 ff.). Ergänzend kann die Haftungsbeschränkung durchbrochen werden (piercing the corporate veil), Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 376 ff. Das englische System kompensiert wiederum das Fehlen von Kapitalaufbringungsvorschriften durch ein strenges Kapitalerhaltungsregime und eine Staatsaufsicht, Fleischer, DStR 2000, 1015 ff. 41 Dazu ausführlich Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 474– 485. 42 Vgl. dazu sogleich infra die Entwicklung des Systems der verschärften Normativbedingungen, Kapitel 1 – C. I. 43 Zur Gläubigerschutzreform durch das MoMiG eingehend infra, Kapitel 3 – B., C.

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Kap. 1: Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems

sche Recht weitere, teilweise nichtgesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzmechanismen. I. Kapitalschutz Das Kapitalschutzmodell deutscher Prägung geht auf die Gründerzeit zurück. Nach dem Übergang zum liberalen Normativsystem im Jahre 1870 stellte sich heraus, dass die Regelung der Aktiengesellschaft in den Artt. 207–249 ADHGB nicht geeignet war, die zahlreich auftretenden Schwindelgründungen und Zusammenbrüche des „Gründerkrachs“ zu verhindern44. Der Reichsgesetzgeber verschärfte dementsprechend 1884 die dortigen Vorschriften durch die Novelle des Aktienrechts und führte das gesetzliche Kapitalschutzmodell ein: Ein effektiv aufzubringendes und nicht ausschüttungsfähiges Grundkapital, flankiert von vorsichtigen Bilanzierungsregeln45, betonte fortan den Gläubigerschutz auf besonders strenge Weise46. Die Verschärfung des Aktienrechts war angesichts der hohen Anlegerverluste im Zusammenhang mit dem Gründerkrach eingeleitet worden. Sie kann daher als „kriseninduziertes Reformgesetz“ bezeichnet werden47. Solchen Gesetzen schreibt man eine Tendenz zur Überregulierung und zur exempelstatuierenden Strenge zu, da der Reformgesetzgeber regelmäßig unter dem Druck der Öffentlichkeit und (über-)eilig handelt48. Ein solches Urteil kann auch über die Novelle von 1884 gesprochen werden, denn die AG war dadurch zu einer teuren und komplizierten, für kleinere und mittlere Unternehmen kaum mehr geeigneten Rechtsform geworden. Abhilfe suchte man in der Kreation einer neuen Rechtsform: Der Reichsgesetzgeber schuf 1892 auf Anregung des Abgeordneten von Oechelhäuser49 die GmbH und übertrug das Kapitalschutzmodell der AG in leicht abgeschwächter Form: Zwar galt es in der personalistischen GmbH kein Anlegerpublikum zu

44 Einige Beispiele aus der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts (ROHG) finden sich bei Hüffer, GesR6, § 29, sub 2a, S. 276. 45 Zur bilanziellen Komponente des Kapitalschutzes Pellens/Sellhorn, Zukunft des bilanziellen Kapitalschutzes, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 451 ff. 46 Semler, in: Münch. Komm. z. AktG2, Einl. Rn. 21–23; überblicksartig dazu auch Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 477 ff. 47 Formulierung nach Fleischer, Von „bubble laws“ und „quack regulation“, in: FS Priester, S. 75 (76). Beispielhaft aus jüngerer Zeit ist der US-amerikanische Sarbanes Oxley Act von 2002, einer Reaktion insbesondere auf die Bilanzmanipulationen in den Unternehmen Enron und WorldCom. 48 Fleischer, Von „bubble laws“ und „quack regulation“, in: FS Priester, S. 75 (87 ff.). 49 von Oechelhäuser, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, V. Legislaturperiode, IV. Session 1884, S. 221.

C. Überblick über das Gläubigerschutzsystem vor Inkrafttreten des MoMiG

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schützen, der Gläubigerschutzgedanke der Aktienrechtsnovelle sollte andererseits jedoch auch nicht preisgegeben werden50. Auf die GmbH gemünzt ist nach dieser Konzeption in den Worten des Bundesgerichtshofs „für das Privileg der fehlenden persönlichen Gesellschafterhaftung [. . .] bei Wahl der Rechtsform der GmbH [. . .] der im Gesetz vorgesehene ,Preis‘ in Form der Pflichten zur Aufbringung und Erhaltung eines Mindeststammkapitals und der Registerpublizität zu zahlen“ 51.

Der Gesellschaftsgründer muss also einen Haftungsfonds für die Gesellschaftsgläubiger bereitstellen52: „[. . .] Das Gesellschaftsvermögen, das zur Erfüllung der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten benötigt wird, [muss] in der Gesellschaft zum Zwecke der Befriedigung ihrer Gläubiger verbleiben [. . .] und [ist] damit der [. . .] Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen“ 53.

Das GmbHG entlässt nur hinreichend kapitalisierte Gesellschaften in den Rechtsverkehr und verwirklicht den Gläubigerschutz damit bereits präventiv im Gründungsstadium. Der Gläubigerschutz ist daher im Gesellschaftsrecht mitgeregelt54. Während der Lebensdauer der Gesellschaft gilt ein bilanzakzessorisches Kapitalerhaltungsgebot, §§ 30 Abs. 1, 42 Abs. 1 GmbHG. II. Ergänzende Gläubigerschutzmechanismen An dieser Stelle soll nur im Überblick auf die weiteren, teils gesetzlichen, teils von der Rechtsprechung entwickelten Gläubigerschutzmechanismen eingegangen werden, die im weiteren Sinne zum Kapitalschutzsystem des GmbHG zu zählen sind55. Um die Umgehung der Prüfungs- und Bewertungsvorschriften bei Sacheinlagen zu sanktionieren, hat die Rechtsprechung die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen entwickelt (§§ 19 Abs. 5 GmbHG a. F., 27 Abs. 3 S. 1 AktG analog)56. 50 Zum Ganzen Schubert, GmbH-Gesetz von 1892, in: FS GmbHG, S. 1 (4 ff.); ferner Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. A 3, 7a; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, Einl., Rn. 25. Zur abgeschwächten Umsetzung des Gläubigerschutzsystems der AG in der GmbH ausführlich Bayer, ZGR 2007, 220 (222 ff.). 51 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 (322). 52 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1b: „Gläubigerschutz durch Vermögensbindung“. Vgl. ferner K. Schmidt, GesR4, § 37 I 2; Goette, DStR 2005, 197 (197 f.). 53 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (186). 54 Merkt, ZGR 2004, 305 (311 f.). 55 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gesamtkonzept des GmbH-rechtlichen Gläubigerschutzes erfolgt infra Kapitel 3 – B., C. 56 Aus jüngerer Zeit BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BGHZ 155, 329.

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Kap. 1: Wesensmerkmale des tradierten Gläubigerschutzsystems

Aus der ursprünglich rein bilanziellen Kapitalerhaltung des § 30 Abs. 1 GmbHG wurde in jüngerer Zeit ein Liquiditätsschutzgebot57. Auch das Recht der in der Krise der Gesellschaft gewährten, sog. eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelte sich erst im Verlauf der Jahrzehnte. Als sich die GmbH-Novelle 1980 dieses Bereichs annahm, wurde die insolvenzrechtliche Seite des Problems durch Anordnung von Forderungsnachrang (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und Schaffung besonderer Insolvenzanfechtungsmöglichkeiten (§§ 143, 135 InsO) betont. Die Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Rechtsgeschäften, wie namentlich der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung, galten ungeachtet der Novelle fort (§§ 30 f. GmbHG analog)58. Daneben wurde auf Instrumente zur Inanspruchnahme des Geschäftsführers im Außenverhältnis zurückgegriffen (culpa in contrahendo gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB und Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG59). Die Durchgriffshaftung der Gesellschafter wurde in mehreren Fallgruppen anerkannt. Die am intensivsten diskutierte Fallgruppe entwickelte sich allmählich aus einer Haftung im qualifiziert faktischen Konzern analog §§ 302 f. AktG60 zur Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs analog § 128 HGB für Gesellschaftsschulden61. Im Jahre 2007 stellte der II. Zivilsenat die Existenzvernichtungshaftung auf ein neues dogmatisches Fundament; sie ist nunmehr eine Binnenhaftung gem. § 826 BGB62. Für vertragliche Gläubiger bestand stets auch die Möglichkeit, sich maßgeschneiderte Sicherheiten gewähren zu lassen. Für einen solcherart geschützten Gläubiger kann der Kapitalschutz weitgehend entbehrlich sein63.

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BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72. Ständige Rechtsprechung seit BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84 (Nutzfahrzeug), BGHZ 90, 370. 59 H.M. seit BGH v. 16.12.1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100. 60 Dazu etwa BGH v. 29.3.93 – II ZR 265/91 (TBB), BGHZ 122, 123 als Schlusspunkt einer ephemeren Entwicklung. 61 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), BGHZ 149, 10; BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181. 62 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246; bestätigt in BGH v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, NZG 2008, 187, Tz. 10–12; BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/ 06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 10; BGH v. 2.6.2008 – II ZR 104/07, NZG 2008, 597, Tz. 5 ff. 63 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (10). 58

C. Überblick über das Gläubigerschutzsystem vor Inkrafttreten des MoMiG

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III. Kapitalschutz als tragender Pfeiler der GmbH und Konsequenz der Nichterstreckung der Kapitalrichtlinie auf die GmbH und vergleichbare Rechtsformen Der Kapitalschutz ist nach dem Gesagten tragender Pfeiler bzw. „Kernstück des GmbH-Rechts“ 64. Im Zuge der europäischen Gesellschaftsrechtsangleichung setzte er sich für die AG und die vergleichbaren Rechtsformen der EU-Mitgliedstaaten nach umfassender wissenschaftlicher Vorbereitung65 1976 in der Kapitalrichtlinie durch.66 Die GmbH und die vergleichbaren europäischen Rechtsformen sind davon jedoch nicht betroffen67. Dementsprechend hing die Ausgestaltung des Gläubigerschutzes bei den geschlossenen Kapitalgesellschaften und insbesondere sein Schutzniveau vom jeweiligen nationalen Recht ab. Die deutsche Überzeugung, dass das kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsprivileg durch Aufbringung und Erhaltung des Mindestkapitals „erkauft“ 68 werden müsse, setzte sich also grundsätzlich nur bei der Anwendbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts durch. Wie sogleich zu zeigen sein wird, hat jedoch die Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 43, 48 EG die Durchsetzbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts und damit des Gläubigerschutzes deutscher Konzeption zurückgedrängt.

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Formulierung nach BGH v. 30.6.1958 – II ZR 213/56, BGHZ 28, 77 (78). Insbesondere durch Lutter, Kapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, passim. 66 Zur rechtspolitischen Abkehr der EU-Kommission vom Kapitalschutzsystem siehe infra Kapitel 2 – B. III. 3. 67 Vgl. Lutter, ZGR 2000, 1 (9); zum Ganzen Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht2, § 4 Rn. 7, § 6 Rn. 2. 68 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (186 f.); Raiser, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 47. Vgl. die weiteren Nachweise bei Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (11) in Fn. 40. 65

Kapitel 2

Ursachen und Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG: Ein dreifacher Paradigmenwechsel In Kapitel 2 soll danach gefragt werden, wodurch die Reform des tradierten Gläubigerschutzsystems ausgelöst wurde und innerhalb welcher Rahmendaten sie sich zu vollziehen hat, wenn dabei kein „einsturzgefährdetes Gebäude“ 1 errichtet werden soll.

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht durch die Niederlassungsfreiheit Lange Zeit sorgte das Internationale Gesellschaftsrecht dafür, das deutsche Gesellschaftsrecht gegen Einflüsse ausländischen Gesellschaftsrechts abzuschotten2. Wie die einleitende Formulierung suggeriert, gilt dies heute nicht mehr. Zu fragen ist, weshalb es zu dem Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht kam und wie weit seine Folgen reichen. I. Aufgabe und Fragestellung des Internationalen Gesellschaftsrechts Entgegen seiner – auf den ersten Blick irreführenden – Bezeichnung ist Internationales Gesellschaftsrecht nationales Kollisionsrecht mit der Aufgabe, in Sachverhalten mit Auslandsberührung zu ermitteln, welche der betroffenen bzw. kollidierenden Rechtsordnungen auf die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft anzuwenden ist3. Es handelt sich also um eine Teildisziplin des Internationalen Privatrechts im Sinne des Art. 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB. 1. Die kollisionsrechtliche Ausgangslage Das Internationale Privatrecht enthält Verweisungsregeln, die für einen bestimmten, durch weite Systembegriffe geprägten Anknüpfungsgegenstand (Sta1

Formulierung nach Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 1. Merkt, RIW 2003, 458 (459). 3 Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 1; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 1; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 1; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 14 I 1. 2

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht

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tut) einen Anknüpfungspunkt festlegen4. Dabei soll durch den Anknüpfungspunkt idealiter auf die Rechtsordnung desjenigen Staats verwiesen werden, mit welchem das konkret in Rede stehende Rechtsverhältnis am engsten verbunden ist5. Das durch die kollisionsrechtliche Anknüpfung zur Anwendung berufene Sachrecht wird lex genannt6. Das Personalstatut der juristischen Person – oder kurz Gesellschaftsstatut – entscheidet in den Worten des Bundesgerichtshofs darüber, „unter welchen Voraussetzungen die juristische Person entsteht, lebt und vergeht“ 7. Auf diesem Gebiet anzusiedelnde Rechtsfragen sind ergo gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren8. Auf sie ist die lex societatis anzuwenden. 2. Der Streit um den maßgeblichen Anknüpfungspunkt Welcher Anknüpfungspunkt die lex societatis berufen sollte9, war seit jeher Gegenstand wissenschaftlicher Kontroverse10. Der deutsche Gesetzgeber hat den Streit bislang11 nicht entschieden12. Trotz weitgehender Kodifikation des deutschen IPR in den Artt. 3 ff. EGBGB findet sich dementsprechend keine interZum Aufbau von Kollisionsnormen allgemein Kropholler, IPR6, § 13 II 1, 2. Vgl. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band VIII (2. Neudr. der Ausg. Berlin 1849), S. 24–28, 108; dazu von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 2 Rn. 28 ff. 6 Zur Unterscheidung zwischen Statut (hier: Gesellschaftsstatut) und lex (hier: lex societatis) von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, § 1 Rn. 18 f. 7 BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 (144). Zum Umfang des Gesellschaftsstatuts Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 520–717. Zur Behandlung der Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit Kropholler, IPR6, § 55 I 2 und Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (813). 8 Zur Qualifikation siehe etwa von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 1; Kropholler, IPR6, 15 I 1. 9 Die Bundesstaaten der USA knüpfen teilweise an den principal place of business an, siehe Scoles/Hay et al., Conflict of laws3, §§ 23.1, 23.9. Hochkomplexe Anknüpfungspunkte kennt das Recht der US-Bundesstaaten New York und Kalifornien, dazu Sandrock, Die Konkretisierung der Überlagerungstheorie, in: FS Beitzke, S. 669 (671 f.). 10 Vgl. nur Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (804 ff.), der in diesem Zusammenhang von einem Zweikampf zwischen „Freiheit und Gleichheit“ spricht. 11 Zum Referentenentwurf des Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7.1.2008 siehe infra Kapitel 2 – A. III. 4. 12 Großfeld, RabelsZ 38 (1974), 344 (360 ff., 366). Die Väter des BGB wollten zukünftige zwischenstaatliche Abkommen über die gegenseitige Anerkennung nicht erschweren und nahmen lediglich einen – bereits 1964 durch § 30 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG aufgehobenen – Art. 10 EGBGB auf, der den Sonderfall der Anerkennung der Rechtsfähigkeit ausländischer rechtsfähiger Vereine im Inland betraf. Dazu Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (802). Bei der IPR-Reform 1986 wollte man Vereinheitlichungsbestrebungen innerhalb 4 5

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

nationalgesellschaftsrechtliche Kollisionsnorm: Art. 7 EGBGB gilt ausweislich seiner systematischen Stellung im Zweiten Abschnitt nur für natürliche Personen und eine vertragliche Qualifikation der – immerhin auf einem Gesellschaftsvertrag beruhenden – Gesellschaft scheitert an Art. 37 S. 1 Nr. 2 EGBGB13. Mangels gesetzlicher Anhaltspunkte wurden zur Bestimmung des Anknüpfungspunkts im Verlauf der Zeit im Wesentlichen zwei Theorien entwickelt: a) Die Gründungstheorie Die Gründungstheorie (auch: Inkorporationstheorie) hat ihre Ursprünge im England des 18. Jahrhunderts14. Sie erklärt das Recht desjenigen Staats für anwendbar, in dem die Gesellschaft gegründet wurde15. Die lex societatis bleibt somit von der Verlegung des Verwaltungssitzes unberührt. Eine wirksam gegründete Gesellschaft bleibt in allen anderen Staaten, die dieser Theorie folgen, eine Gesellschaft des Gründungsstaats16. Auch wenn dieser Anknüpfungspunkt den Vorteil zweifelsfreier Ermittelbarkeit hat17, wird an der Gründungstheorie kritisiert, dass den Gesellschaftern über die leichte Manipulierbarkeit des Anknüpfungspunkts faktisch eine – in anderen IPR-Gebieten allgemein anerkannte18 – Rechtswahlmöglichkeit eröffnet werde19. Diese könne genutzt werden, um in den Genuss eines möglichst laxen der EG nicht vorweg greifen, BT-Drucks. 10/504, S. 29; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 4. 13 Vgl. Kropholler, IPR6, § 55 I 1; K. Schmidt, GesR4, § 1 II 8. – Auf die gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1, 2 EGBGB Vorrang genießenden völkerrechtlichen Vereinbarungen und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften wird im weiteren Verlauf der Untersuchung einzugehen sein. 14 Laut Großfeld, RabelsZ 38 (1974), 344 (345 f.) tauchte die Anerkennungsproblematik erstmals 1724 auf, als die holländische Dutch West-India Co. in England gegen einen englischen Darlehensschuldner klagte. Der holländischen Gesellschaft wurde die aktive Parteifähigkeit aufgrund der comitas-Doktrin zugestanden. 15 Dazu Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 37. Zur Geschichte und zum Anliegen der Gründungstheorie siehe Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 31; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 339 ff.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 ff.; Merkt, RIW 2003, 458. 16 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2235). 17 Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (2). 18 Siehe nur Art. 4 Abs. 2 EGBGB. Wegen ihrer Nähe zum Vertragsrecht und der Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB befürwortet Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2234), Fn. 10, mit einer amerikanischen Begründung (nexus of contracts) die Gründungstheorie. 19 Kritisch zur Rechtswahl Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (805); Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 52; dazu aber auch Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (560 f.).

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht

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Gesellschaftsrechts zu kommen, das geringe Anforderungen an die Kapitalausstattung, die Ausgestaltung der Satzung und sonstige zu beachtende Rechtsvorschriften stelle20. Die Gründungstheorie begünstige die Gesellschafter in übertriebenem Maße, erleichtere den Rechtsmissbrauch21 und führe zu einem „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ um den geringsten Regulierungsstandard, weil die Gesellschaften aus den restriktiven Rechtsordnungen in sog. „Oasenländer“ flöhen22. Das Wettbewerbsprinzip könne jedoch im Interesse eines billigen Interessenausgleichs kein gesellschaftsrechtliches Leitmotiv des Gesetzgebers sein23. b) Die Sitztheorie (1) Die Sitztheorie klassischer Prägung Die Sitztheorie, der sich die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung früh angeschlossen hatte24, stellt demgegenüber auf den Sitz der Gesellschaft ab, vornehmlich auf den tatsächlichen Verwaltungssitz25. Darunter versteht man nach der Sandrock’schen Formel den Ort, an dem „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“ 26. 20 Vgl. BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 (413); ähnlich Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 55 f. und Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 348, der die faktische Wählbarkeit des Gesellschaftsstatuts sogar als „Rechtsgeschäft zu Lasten Dritter“ bezeichnet. Auch H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, Einl. Rn. 86, sieht die Grenzen zulässiger Privatautonomie überschritten. 21 Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 1, spricht von potenziertem „Manipulationsrisiko“. 22 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 53. 23 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 14 II 1a, aa). 24 Zur Geschichte der Sitztheorie in Deutschland und der Rolle der Tätigkeit bergrechtlicher Gewerkschaften Sachsen-Coburg-Gothas in preußischen Industrierevieren Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (560 f.) und Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 784 ff. Dabei handelte es sich freilich um ein Problem des interlokalen Gesellschaftsrechts, weil beide Gebiete zum Zweiten Deutschen Reich gehörten, siehe RG v. 22.1.1916 – Rep. V. 293/15, RGZ 88, 53 (55). 25 BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 (144); fundamental BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181 (183); ferner Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 400 m.w. N. An der Sinnhaftigkeit dieses Anknüpfungspunkts lässt sich angesichts der Gegebenheiten des heutigen Wirtschaftslebens zweifeln, vgl. Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 24. 26 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (271); Sandrock, Die multinationalen Korporationen im Internationalen Privatrecht, in: BerDGesVR 18 (1978), S. 169 (237 ff.) sowie Sandrock, Die Konkretisierung der Überlagerungstheorie, in: FS Beitzke, S. 669 (683 f.). Der Ort der internen Willensbildung ist damit ebenso unbeachtlich wie der Sitz einer weisungsgebundenen Betriebsstätte, Kropholler, IPR6, § 55 I 2 mit Verweis auf BayObLG v. 18.7.1985 – BReg 3 Z 62/85, BayObLGZ 1985, 272.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Die Auswirkungen dieser Anknüpfung werden bei der Verwaltungssitzverlegung durch Kapitalgesellschaften virulent. Beim Wegzug sieht die Sitztheorie den Statutenwechsel regelmäßig als Auflösungsgrund für die Gesellschaft an27. Beim Zuzug setzt sich die im Gründungsstaat erlangte Rechtspersönlichkeit nicht einfach fort; vielmehr führt der Statutenwechsel zur Anwendung der Rechtsordnung des Zuzugsstaats, und es ist zu fragen, ob deren Voraussetzungen beachtet sind. Regelmäßig ist dies hinsichtlich der kapitalgesellschaftsrechtlichen Gründungsvorschriften nicht der Fall, insbesondere fehlt die konstitutive Handelsregistereintragung gem. §§ 11 Abs. 1 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 1 AktG28. Dies kann auch nicht im Wege der Substitution geheilt werden29. Auch die identitätswahrende Umwandlung in eine deutsche Kapitalgesellschaft scheiterte nach überwiegender Auffassung bis zum SEVIC-Urteil30 des EuGH am Inlandserfordernis des § 1 Abs. 1, 2 UmwG31. Also ist die Neugründung nach dem Kapitalgesellschaftsrecht des Zuzugsstaats erforderlich32. Erfolgte sie nicht, so nahm man lange Zeit an, die Gesellschaft weise im Zuzugsstaat keine Rechtspersönlichkeit auf 33. Man behandelte sie als „rechtlich inexistent“ 34. Früher wurde daher simplifizierend davon gesprochen, dass die ausländische Gesellschaft im Zuzugsstaat nicht „anerkannt“ werde35. 27 Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (2); Kropholler, IPR6, § 55 I 2b. Manche befürworten eine Lösung über den renvoi im Sinne des Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB, dazu Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 501; a. A. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 629 sowie OLG Hamm v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2002, 506. Zum Wegzug ausführlich infra Kapitel 2 – A. III. 3. d), e). 28 OLG München v. 31.10.1994 – 26 U 2596/94, NJW-RR 1995, 703 (704). 29 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 641 ff. Zur Abgrenzung der Begriffe Substitution und Anpassung Kropholler, IPR6, §§ 33, 34 I. 30 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 (SEVIC), ZIP 2005, 2311 erblickte in § 1 Abs. 1 UmwG eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit für die Zuzugskonstellation der Hineinverschmelzung. Dazu Merkt/Binder, WuB 2006, 234 f.; Bayer/Schmidt, ZIP 2006, 210 ff.; ablehnend Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 878. 31 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 869, 872; a. A. Lutter, in: Lutter, UmwG2, § 1 Rn. 6 ff. Vor Inkrafttreten des UmwG berichteten Rixen/Böttcher, GmbHR 1993, 572 ff. von der erfolgreichen Verschmelzung einer französischen S.A. auf eine deutsche GmbH. Zu dieser Zeit befürworteten etwa Großfeld/Jasper, RabelsZ 53 (1989), 52 ff., die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Umwandlungsvorschriften zur Ermöglichung der identitätswahrenden Sitzverlegung nach Deutschland. Siehe auch Zimmer, BB 2003, 1 (7). 32 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (271 f.). 33 BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181. 34 So OLG München v. 31.10.1994 – 26 U 2596/94, NJW-RR 1995, 703 (704); ebenso Koch, JuS 2004, 755, ebenda; vgl. ferner Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 427 m.w. N. 35 Die Anerkennungslehre hielt die gesonderte Anerkennung ausländischer juristischer Personen durch einen inländischen Rechtsakt für notwendig, so etwa Sandrock,

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht

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Dies bedeutete für die Gesellschafter insbesondere den Wegfall des Haftungsprivilegs36 und die Gefahr der Handelndenhaftung analog §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG37. Mangels Rechtsfähigkeit war der Auslandsgesellschaft die Teilnahme am Rechtsverkehr unmöglich38. Dementsprechend stellt die Sitztheorie dem Sitzstaat ein kollisionsrechtliches Abwehrinstrument gegen ausländische Gesellschaften zur Verfügung39, die unter Geltung der Gründungstheorie mitsamt ihrem ausländischen Recht zuziehen könnten. Ihre Apologeten betonen die Schutzfunktionen des inländischen Gesellschaftssachrechts40. Dem Sitzstaat als vermeintlich meistbetroffenem Staat schreiben sie ein „Wächteramt“ 41 über die schutzwürdigen Interessen der Gläubiger, Arbeitnehmer und Minderheitsgesellschafter zu42. Deshalb wurde die Sitztheorie als „dirigistisch“ 43 anmutendes Instrument zur Durchsetzung der eigenen Rechtsordnung beschrieben44. Dem ist beizupflichten, da die Sitztheorie Züge des internationalprivatrechtlichen ordre public trägt45 und den Rechtsmissbrauch von vornherein unterstellt, anstatt gegebenenfalls korrigierend mit dem Institut der fraus legis46 zu operieren.

Die multinationalen Korporationen im Internationalen Privatrecht, in: BerDGesVR 18 (1978), 169, 246 ff. Die inzwischen h. M. folgt dem nicht, sondern behandelt die Frage rein gesellschaftskollisionsrechtlich, vgl. etwa BayObLG v. 21.03.1986 – BReg 3 Z 148/85 (Landshuter Druckhaus Ltd. & Co. KG), BayObLGZ 1986, 61, sub III. 2. a) (3); vgl. zur „Anerkennungsproblematik“ ferner Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 297 ff. 36 Der Gesellschafter haftet dann analog § 128 HGB persönlich und unbeschränkt, Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2234 f.); Scoles/Hay et al., Conflict of laws3, § 23.1 (Fn. 11). Wegen dieses Effekts wurde die Sitztheorie als „generalpräventive Abschreckungstheorie“ bezeichnet, Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 (341). 37 OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 – 6 U 59/94, NJW-RR 1995, 1124. 38 BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181. 39 Altmeppen, NJW 2004, 97; K. Schmidt, GesR4, § 1 II 8). 40 Dazu Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (10); Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (561). 41 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 41. 42 Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (2); Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (804). Kritisch Sandrock, BB 2002, 1601 (1601 f.). 43 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (561). 44 Merkt, RIW 2003, 458 (459): „Paternalistische Bevormundung“; Sandrock, RIW 1989, 505 (507) kritisiert die Sitztheorie als Ausdruck merkantilistischen Denkens. 45 Weil die Gründungstheorie ohne viele ordre-public-Vorbehalte nicht auskomme (Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 72), verlagert die Sitztheorie ordre-public-Erwägungen bereits auf die Ebene der Anknüpfung vor. 46 Zur fraus legis von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 122 ff. – Die Befürworter der Gründungstheorie konzedieren, dass eine solche Korrektur notwendig werden kann, Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 ff.; vgl. dazu auch Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (2 f.).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Gegen ausländische Gesellschaften, deren Verwaltungssitz im jeweiligen Gründungsstaat liegt, erhebt die Sitztheorie freilich keine Einwände. Inländische Gläubiger dieser echten Auslandsgesellschaften stehen aber ebenso gut oder schlecht wie die Gläubiger von Scheinauslandsgesellschaften47. Die Sitztheorie vermag somit allein, die Zahl der Kontakte zwischen Inländern und Auslandsgesellschaften zu verringern48. (2) Die Umqualifizierungslösung des BGH-Urteils in Sachen Jersey-Gesellschaft Nachdem der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „ARGE Weißes Ross“ der Außen-GbR die Rechts- und Parteifähigkeit zugesprochen hatte49, schien die Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften als inländische rechtsfähige Personengesellschaften eine Option zu sein50. Denn unter der neuen Rechtslage entfielen die bisher gegen die Umdeutung ausländischer Gesellschaften in deutsche Personengesellschaften vorgebrachten Einwände51. Nur etwas mehr als ein Jahr später entschied der II. Zivilsenat, eine nach dem Recht der Insel Jersey gegründete Limited Company, die ihren Verwaltungssitz nach dem Stand der berufungsgerichtlichen Feststellung entweder in Portugal oder in Deutschland hatte, sei in Deutschland mangels Betreibens eines Gewerbebetriebs zwar nicht als OHG gem. § 124 Abs. 1 HGB, so aber doch als GbR rechts- und parteifähig52. Nach dieser Konstruktion ist der zugrundeliegende Gesellschaftsvertrag wie bei der rein nationalen Rechtsformverfehlung dahingehend zu verstehen, dass die Gründung einer Personengesellschaft gewollt gewesen sei53. Nur bei Einmanngesellschaften kann dies mangels umdeutungsfähigen Rechtsgeschäfts nicht gelten: In einem solchen Fall ist von einer einzelkaufmännischen Betätigung auszugehen54.

47 Dies hat auch EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 35, kritisiert. 48 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (172). 49 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 (ARGE Weißes Ross), BGHZ 146, 341. Dagegen Stürner, JZ 2003, 44 (44 f.): „contra legem“; Canaris, ZGR 2004, 69 (117 f.). 50 Thematisiert hatten dies bereits Kindler, NJW 1999, 1993 (1994 f.) und Zimmer, BB 2000, 1361 (1363) m.w. N. 51 BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00 (Jersey-Gesellschaft), BGHZ 151, 204 (207). 52 BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00 (Jersey-Gesellschaft), BGHZ 151, 204. Die passive Parteifähigkeit von Scheinauslandsgesellschaften war seit BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, gem. § 50 Abs. 2 ZPO anerkannt. 53 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 466. 54 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 468 mit Hinweis auf BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181 (184), wo es um eine liechtenstei-

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Mit diesem „Wandel des Rechtskleids“ hatte der BGH versucht, unter Beibehaltung der Sitztheorie der anstehenden Überseering-Entscheidung des EuGH55 die Brisanz zu nehmen56, denn er war auch in Art. 3 Abs. 1 der damals geplanten Sitzverlegungsrichtlinie57 vorgesehen und lag auf der Linie dessen, was der Generalanwalt in den Schlussanträgen im Überseering-Verfahren formuliert hatte58. Mit der Umqualifizierung einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine OHG oder eine GbR geht aber freilich immer noch die Folge der persönlichen Gesellschafterhaftung gem. oder analog § 128 HGB einher. c) Spielarten beider Theorien Sowohl Gründungs- als auch Sitztheorie wollen alle die Gesellschaft betreffenden Rechtsfragen demselben Statut unterstellen (Einheitstheorie)59. Andere Ansätze wollen in dem Streit vermitteln, indem sie einer Ergebnisberichtigung über den ordre pulic bzw. über die fraus legis oder einer Statutenspaltung das Wort reden60. Aus den USA stammt etwa die von Sandrock aufgegriffene Lösung, das Gründungsrecht auf Fragen der Errichtung und der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft anzuwenden. Es soll aber für bestimmte andere Rechtsfragen – teilweise nische Einzelpersonenanstalt ging. Seit BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, BGHZ 164, 148 gilt jedoch auch im Verhältnis zu Liechtenstein die Gründungsanknüpfung. 55 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614. 56 In diese Richtung, aber eine „Überinterpretation“ reklamierend, der Vorsitzende Richter des II. Zivilsenats am BGH, Goette, DStR 2005, 197. 57 Der Vorentwurf dieser 14. Richtlinie ist abgedruckt in ZIP 1997, 1721 ff. Dazu Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 229. 58 Bereits am 4.12.2001, also gut sieben Monate vor dem Urteil des BGH in Sachen Jersey-Gesellschaft, hatte GA Ruiz-Jarabo Colomer in seinen Schlussanträge im Überseering-Verfahren vertreten, dass die Niederlassungsfreiheit allein die Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Gesellschaften aus anderen EU-Staaten verlange, GA Colomer, ZIP 2002, 75, Tz. 40, 43, 69. 59 Dem Gesellschaftsstatut unterfallen nach der Einheitstheorie sowohl die Innenals auch die Außenbeziehungen von Kapital- und Personengesellschaften, Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 16; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 262, 400; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 14 I. 60 Erwähnt sei zunächst der Ansatz, zwischen Innen- und Außenverhältnis zu differenzieren (Differenzierungslehre nach Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, S. 346 ff.), dem jedoch entgegenzuhalten ist, dass erst das Zusammenspiel der gesellschaftsrechtlichen Regelungen des Innen- und Außenverhältnisses ein sinnvolles Ganzes ergeben: Eine persönliche Haftung der Gesellschafter ist umso wichtiger, je laxer die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln im Innenverhältnis sind, BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 (413). – Ferner soll der auf den Gedanken des Art. 27 Abs. 3 EGBGB gestützte Vorschlag der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Gründungsrechts zur Sprache kommen; diese soll jedoch an das Fortbestehen einer substanziellen Beziehung der Gesellschaft zum Gründungsstaat geknüpft sein (Kombinationslehre nach Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 220 ff.).

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auch solche des Innenverhältnisses – vom zwingenden Recht des Sitzstaats überlagert werden, sofern dieses für die stakeholder günstiger ist und sie sich darauf berufen (sog. Überlagerungstheorie)61. Dies entspricht im Wesentlichen der in den USA vorherrschenden Ansicht, nach der die internal affairs einer Gesellschaft nach dem Gründungsrecht beurteilt werden; der U.S. Supreme Court hat dies 1987 bestätigt62. Im Übrigen wird aber vielfach das Sitzrecht im Wege sog. pseudo-foreign corporation statutes auf Scheinauslandsgesellschaften angewendet63. Börsennotierte Gesellschaften unterliegen zusätzlich den vorwiegend bundesrechtlichen securities regulations64. Inwieweit die pseudo-foreign corporation statutes mit der interstate commerce clause der U.S.-Bundesverfassung vereinbar sind, gerät allerdings zunehmend in die Diskussion65. Der Überlagerungstheorie ähnelt der aus jüngerer Zeit stammende Ansatz, das Gründungsrecht auf Fragen des Marktzugangs der zuziehenden EU-Auslandsgesellschaften anzuwenden, auf Fragen der Betriebsphase der Gesellschaft nach vollzogenem Marktzutritt hingegen das Recht des Sitzstaats66. d) Zusammenfassung: Keine Mobilität für Gesellschaften Weil manche Staaten der Gründungstheorie, andere der Sitztheorie folgen, muss zusammenfassend festgestellt werden, dass eine Gesellschaft nur unter zwei Voraussetzungen Mobilität genießt 67: Ihr Gründungsstaat muss den Weg61 Sandrock, Die multinationalen Korporationen im Internationalen Privatrecht, in: BerDGesVR 18 (1978), S. 169 (200 ff.); angepasst an die europarechtliche Entwicklung Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447 ff. Zur Frage, welche Rechtssätze des Sitzrechts das Gründungsrecht überlagern sollen, Sandrock, Die Konkretisierung der Überlagerungstheorie, in: FS Beitzke, S. 669 (688 ff.). Kritiker haben eingewendet, der „Normenmix“ aus Gründungs- und Sitzrecht führe zu unüberschaubaren Anpassungsproblemen, vgl. Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 215. 62 CTS Corp. v. Dynamics Corp. of America, 481 U.S. 69, 107 S.Ct. 1637, 95 L.Ed.2d 67 (1987). Zu den internal affairs gehören insbesondere rights and liabilities of shareholders, vgl. Hay, Law of the United States, Rn. 277. 63 Sandrock, RabelsZ 42 (1978), 227 (246 ff.); Scoles/Hay et al., Conflict of laws3, § 23.9. Die pseudo-foreign corporation statutes sind nicht mit den qualification statutes zu verwechseln, die eher zuständigkeits- und zustellungsrechtliche (im deutschen Sinne) Bedeutung haben; dazu Hay, Law of the United States, Rn. 278, 605. 64 Scoles/Hay et al., Conflict of laws3, § 23.9 und Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (805 f.). 65 Dazu Scoles/Hay et al., Conflict of laws3, § 23.6–9; Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (215 f.); Hay, Law of the United States, Rn. 606. Es lassen sich also Parallelen zur europäischen Diskussion ausmachen. 66 Altmeppen, NJW 2004, 97 ff. Vgl. dazu Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (31 ff.); Vallender, ZGR 2006, 425 (454); Weller, IPRax 2003, 207 ff. 67 Vgl. insoweit BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (271 f.).

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zug gestatten und der Zuzugsstaat die wirksame Gründung nach ausländischem Recht „anerkennen“ 68. Internationaler Entscheidungseinklang wird damit selten erreicht. 3. Problemlösung durch Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung Nur ein völkerrechtlicher bzw. überstaatlicher Ansatz vermag vor diesem Hintergrund, den internationalen Entscheidungseinklang zu fördern. a) Rechtsvereinheitlichung auf der kollisionsrechtlichen Ebene Die EMRK gewährt juristischen Personen zwar Grundrechtsschutz, ordnet sich aber freilich dem nationalen Gesellschaftskollisionsrecht unter und entfaltet daher keine Wirkung im kollisionsrechtlichen Streit zwischen der Gründungsund der Sitztheorie69. Die bisher in Angriff genommenen internationalen Übereinkommen zur Vereinheitlichung des Gesellschaftskollisionsrechts sind zahlreich. Sowohl das Haager Abkommen vom 1.6.195670, als auch das 1960 von der ILA in Hamburg entworfene Übereinkommen71 und das EWG-Übereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen vom 29.02. 1968 sind jedoch gescheitert72. Der Entwurf der Sitzverlegungsrichtlinie von 1997 hatte zwar nicht die Ambition, den kollisionsrechtlichen Streit zu entscheiden, wollte jedoch seine sachrechtlichen Folgen beseitigen. Er sah in Art. 3 vor, dass die Sitzverlegung zwar ohne Auflösung und Neugründung der Gesellschaft möglich sein solle, aber nur um den Preis des Wechsels in eine Rechtsform des Zuzugsstaats (sog. Umwandlungslösung)73. Dieser Kompromiss ist inzwischen überholt: Der EuGH hat zwischenzeitlich entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit vom Zuzugsstaat verlangt, die zuziehende Gesellschaft als Gesellschaft des Wegzugsstaats zu behandeln74. Wenn aber die Niederlassungsfreiheit das Recht zur Sitzverlegung ohne Umwandlung gewährt, kann das Sekundärrecht keine Umwandlung

68 Zur missverständlichen Rede von der kollisionsrechtlichen „Anerkennung“ ausländischer Gesellschaften vgl. bereits Kapitel 2 – Fn. 35. 69 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68 (69), Tz. 18. 70 Dazu Kropholler, IPR6, § 55 I 1. 71 Das Übereinkommen wollte der Gründungstheorie zum Durchbruch verhelfen, Loussouarn/Bourel, Droit international privé7, S. 779, Fn. 1; Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (803). 72 Dazu Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 137; Kropholler, IPR6, § 55 I 1. 73 Dazu bereits supra Kapitel 2 – A. I. 2. b) (2). 74 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 80 f.

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der Gesellschaft anordnen, denn die Grundfreiheiten binden auch die Gemeinschaft75. Auch die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten76 war in Bezug auf Hineinverschmelzungen bereits von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs überholt, bevor ihre Umsetzungsfrist abgelaufen war77. Die zur Richtlinienumsetzung neu eingefügten § 122a ff. UmwG bringen also im Wesentlichen verfahrensrechtliche Feinheiten78. b) Rechtsangleichung und -vereinheitlichung auf der sachrechtlichen Ebene (1) Gesellschaftsrechtsangleichung durch Richtlinien Der Angleichung des Gesellschaftssachrechts durch EG-Richtlinien wird von manchen bescheinigt, nur pointillistischer Natur zu sein79. Sie ist aber schon so weit gediehen, dass das Schutzanliegen der Sitztheorie innerhalb der EG an Bedeutung verloren hat80. (2) Vereinheitlichte Gesellschaftsformen Die Schaffung einheitlicher Gesellschaftsformen würde eine kollisionsrechtliche Anknüpfung entbehrlich machen. Die durch die EG betriebene Vereinheitlichung des Gesellschaftssachrechts beseitigt das Problem jedoch nur teilweise81.

75 EuGH v. 20.4.1978 – Rs. 80 u. 81/77 (Commissionaires Réunis/Receveur des Douanes), Slg. 1978, 927, Tz. 35 f. Vgl. dazu Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, S. 33 f. 76 Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005, sog. 10. Richtlinie bzw. Verschmelzungsrichtlinie, ABl., 25.11.2005, Nr. L 310/1. 77 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 (SEVIC), ZIP 2005, 2311. 78 Zur am 25.4.2007 in Kraft getretenen Reform des Umwandlungsrechts (BGBl. 2007 I, 542) Heckschen, DNotZ 2007, 444 ff. 79 So etwa Baums, AG 2007, 57 (65); vgl. auch Altmeppen, NJW 2004, 97 (100) zur unrealistischen Perspektive eines einheitlichen europäischen Kapitalgesellschaftsrechts. 80 So etwa Kropholler, IPR6, § 55 I 5; Bezzenberger, Jura 2003, 229 (232); Jasper, in: Priester/Mayer, Münch. Handb. d. GesR, Bd. 3, § 78 Rn. 127. Zu den bislang in Kraft getretenen, das Gesellschaftssachrecht betreffenden EG-Richtlinien siehe Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 180–227 sowie Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV3, Art. 44 EGV Rn. 12. 81 Dazu Kropholler, IPR6, § 55 I 1.

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So beschränkt sich die Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft (SE)82 auf Grundregeln und ordnet für viele Detailfragen gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii) SE-VO eine Sachnormverweisung auf das Recht des Sitzstaats an83. Mit Sitz ist dabei der satzungsmäßige Sitz gemeint, der gem. Art. 7 SE-VO freilich in dem Mitgliedsstaat liegen muss, in dem die Hauptverwaltung liegt. Die Rechtsvereinheitlichung ist damit nur punktuell: Anstatt einer einheitlichen europäischen Rechtsform hat die Verordnung letztlich – nach gegenwärtigem Erweiterungsstand – 27 verschiedene, vom jeweiligen nationalen Recht mitgeprägte Rechtsformen geschaffen84. Das lag auch daran, dass nach über 30 Jahren Verhandlung und insgesamt vier teils detaillierten Entwürfen eine umfassende Vereinheitlichung nicht zuletzt wegen der erheblich divergierenden Ansichten über die unternehmerische Mitbestimmung unmöglich geworden war85. Die SE hat in Deutschland v. a. deshalb Aufmerksamkeit erregt, weil sie mitbestimmten Konzernen ermöglicht, durch Gründung einer Holding SE die unternehmerische Mitbestimmung über die vorrangige Verhandlungslösung86 nicht unerheblich umzugestalten87. Die Einführung einer „europäischen GmbH“ ist unter dem Arbeitstitel Europäische Privatgesellschaft bzw. Societas Privata Europaea (EPG bzw. SPE) gefordert88 und Ende 2007 von der Kommission in Angriff genommen wor82 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 vom 8.10.2001, ABl., 10.11.2001, Nr. L 294/1 ff. (SE-VO). 83 Jaecks/Schönborn, RIW 2003, 254 (256 f.). 84 Vgl. Hopt, EuZW 2002, 1; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 73. Bezzenberger, Jura 2003, 229 (231) zeigt, dass sich eine SE britischen Zuschnitts quasi in eine solche deutschen Zuschnitts umwandeln müsste, wenn sie ihren Sitz aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland verlegte. Das mache die Sitzverlegung mäßig attraktiv, obwohl doch gerade die Möglichkeit der Sitzverlegung als Vorzug der SE gepriesen worden sei. Wenn im selben Beispiel – wie durch das Überseering-Urteil des EuGH inzwischen Wirklichkeit geworden – eine britische PLC ihren Sitz identitätswahrend nach Deutschland verlegen könnte, würde die SE ihre Legitimation einbüßen. 85 Vgl. Hopt, EuZW 2002, 1. Zum Streit um die Arbeitnehmerbeteiligung ausführlich Schröder/Fuchs, in: Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Teil A Rn. 1 ff., Teil C Rn. 1. Insbesondere wegen der deutschen Haltung dauerte es 31 (!) Jahre, bis ein Kompromiss gefunden werden konnte, dazu Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 234. 86 Die Verhandlungslösung beruht auf einem Zusammenspiel der SE-VO und Art. 1 Abs. 2 der ergänzenden Richtlinie 2001/86/EG vom 8.10.2001 (ABl., 10.11.2001, Nr. L 294/22), in Deutschland umgesetzt durch das SEBG. Überblicksartig dazu Bezzenberger, Jura 2003, 229 (230); Hennings, in: Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Teil C, Art. 1 Rn. 6. 87 Prominentes Beispiel ist die vom Volkswagen-Betriebsrat in der Rechtssache ArbG Stuttgart v. 24.10.2007 – 12 BVGa 4/07 per Eilverfahren erfolglos angegriffene Porsche Automobil Holding SE. Zu weiteren Beispielen Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (175). 88 Die Schaffung einer „europäischen GmbH“, kombiniert mit einem zugehörigen europaweiten Register, befürworten Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (187 f.); ähnlich Steinberger, BB-Special 7/2006, 27 ff.

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den89. Seit dem 25.6.2008 liegt ein Verordnungsvorschlag90 vor, der am 20.1. 2009 den Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments passiert hat91. Auf die einzelnen Regelungsvorschläge wird bei der Analyse der Reform des Gläubigerschutzsystems der GmbH durch das MoMiG zu Vergleichszwecken zurückzukommen sein. Zu den weiteren vereinheitlichten Rechtsformen ist zu sagen, dass die EWIV ein Schattendasein fristet92; hinsichtlich der Europäischen Genossenschaft (SCE) gibt es noch wenig Erfahrungen93. II. Der EuGH als Motor der Integration Als die Entwicklung der Rechtsvereinheitlichung und -angleichung mit der Entwicklung der wirtschaftlichen Verflechtungen in Europa nicht mehr mithalten zu können schien, aktivierte der EuGH die in Artt. 43, 48 EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit für kollisionsrechtliche Fallgestaltungen. Erst diese Rechtsprechung hat im Gesellschaftskollisionsrecht vereinheitlichende Wirkungen gezeigt. Der Gerichtshof kann daher mit Fug als „Motor der Integration“ bezeichnet werden94. 1. Das Konzept der Niederlassungsfreiheit Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft ist es gem. Artt. 2, 3 Abs. 1 lit. c EG, einen Gemeinsamen Markt zu verwirklichen, der gem. Art. 14 Abs. 2 EG einen Wirtschaftsraum ohne Binnengrenzen darstellen soll, sodass der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital sichergestellt ist95. Diese Grundsätze der EG werden durch die Grundfreiheiten abgesichert. Als 89 Dazu Fietz, GmbHR 2007, R321 f.; Kuck/Weiss, Der Konzern 2007, 498 ff.; siehe auch Financial Times Deutschland v. 11.3.2008, S. 28. Allgemein zur EPG Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 239 sowie Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 68. 90 KOM(2008) 396, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/ docs/epc/proposal_de.pdf (zuletzt eingesehen am 18.5.2009); siehe auch Financial Times Deutschland v. 24.6.2008, S. 13. 91 Dazu den Bericht Fischer zu Cramburgs, NZG 2009, 217; Streitpunkt ist aus deutscher Sicht wiederum die Mitbestimmung. 92 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 vom 25.7.1985, ABl., 31.7.1985, Nr. L 199/1. Zur EWIV Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 65. 93 Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 vom 22.7.2003, ABl., 18.8.2003, L 207/1 ff. Zur SCE Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 82 f. 94 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (185); ähnlich Merkt, RIW 2004, 1 (4). 95 Es ist umstritten, ob der Begriff des Gemeinsamen Markts im Sinne des Art. 2 EG mit dem Begriff des Binnenmarkts gem. Art. 14 Abs. 2 EG identisch ist; dazu Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV3, Art. 14 EGV Rn. 7 ff. m.w. N.; Hailbronner/ Jochum, EuropaR II, Rn. 10 ff.

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Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts entfalten sie nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbare Wirkung96, sodass die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte sie vorrangig anzuwenden haben97. Ihre Auslegung obliegt im Interesse der Rechtseinheit allein dem EuGH, Art. 220 EG. Nationale Maßnahmen, welche die Grundfreiheiten beschränken oder ihre Ausübung weniger attraktiv machen, können jedoch unter Umständen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein98. Aus den Grundfreiheiten hervorgehoben werden soll hier das Kapitel über das Niederlassungsrecht. Es verbrieft in Artt. 43–48 EG die Freizügigkeit unternehmerischer Tätigkeit99. Demnach sind Beschränkungen der freien Niederlassung zwecks Ausübung unternehmerischer Betätigung durch eine Hauptniederlassung (primäre Niederlassungsfreiheit) und der Gründung von Zweigniederlassungen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats (sekundäre Niederlassungsfreiheit) verboten, Art. 43 Abs. 1, 2 EG. Dies gilt gem. Art. 48 Abs. 1 EG auch für die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die einen Erwerbszweck verfolgen. Die Niederlassungsfreiheit dient im marktliberalen System des EG-Vertrags zur optimalen Allokation der Produktionsfaktoren100. Eine grammatische Auslegung der genannten Normen des EG-Vertrags vermag jedoch kein eindeutiges Ergebnis im Hinblick auf die kollisionsrechtliche Anknüpfung zu erbringen. Einerseits heißt es in Art. 43 Abs. 2 EG, die Niederlassungsfreiheit umfasse die „Gründung [. . .] von Gesellschaften [. . .] nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats“. Das bedeutet nur, dass ein Bürger eines Mitgliedstaats das Recht hat, in einem anderen Mitgliedstaat eine Gesellschaft nach den dort geltenden Gesetzen zu gründen. Das entspricht der Sitztheorie.

96 Grundlegend EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 (Van Gend & Loos), Slg. 1963, 1; dazu Streinz, Europarecht7, Rn. 407. Aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts stützt BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92 u. 2 BvR 2159/92 (Maastricht), NJW 1993, 3047 (3052) die unmittelbare Anwendbarkeit auf die deutschen Zustimmungsgesetze zu den Europäischen Verträgen in Verbindung mit Art. 23 GG. 97 Zum Anwendungsvorrang grundlegend EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 (Costa/ ENEL), NJW 1964, 2371. Die nationale Vorschrift ist nicht etwa nichtig, sondern sie darf lediglich nicht gemeinschaftsrechtswidrig angewendet werden; dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV3, Art. 220 EGV Rn. 28. 98 Sog. „Gebhard-Formel“, EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), NJW 1996, 579, Tz. 37. Seit EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 34 wendet der EuGH diese für die Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen entwickelten Grundsätze auch auf Gesellschaften an. Zum Ganzen ausführlich infra Kapitel 5 – B. II. 2. b) (2). 99 Zu Feinheiten des Schutzbereichs Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 535 ff. Zur Abgrenzung von der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EG Weller, AnwBl 2007, 320 (324 f.). 100 Vgl. Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 533.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Andererseits ist Art. 43 EG hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im Zusammenhang mit Art. 48 EG zu lesen. Dort wird die Niederlassungsfreiheit denjenigen Gesellschaften zugestanden, die in einem Mitgliedstaat wirksam gegründet sind und die entweder „ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft“ haben. Damit wird deutlich, dass die genannten Anknüpfungspunkte gleichrangig sind101. Gründungsrecht und Sitz der Hauptverwaltung müssen also nicht übereinstimmen102. Für die Gründungstheorie ist daher ebenfalls Raum. Im Schrifttum wurde anlässlich des gescheiterten EWG-Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen vom 29.02.1968103 begonnen, die Europarechtskonformität der Sitztheorie in Frage zu stellen104. Als sich die deutsche Rechtsprechung mit dieser Frage zu beschäftigen hatte, ging sie gleichwohl davon aus, die Sitzanknüpfung sei mit den Vorschriften des EG-Vertrags kompatibel105. Noch 1989 hatte auch der EuGH in der Rechtssache Daily Mail106 – freilich einem Wegzugsfall – angenommen, die Frage der Sitzverlegung könne nicht aus den Bestimmungen des EG-Vertrags geklärt werden, sondern erfordere eine Lösung im Wege der Rechtssetzung bzw. des Vertragsschlusses durch die Mitgliedstaaten gem. Art. 293 Spiegelstrich 3 EG. Die Anhänger der Sitztheorie fühlten sich bestätigt und argumentierten, von der Niederlassungsfreiheit könne jederzeit durch echte

101

Die Gleichrangigkeit wird in Art. 60 Abs. 1 EuGVVO aufgegriffen. So auch die Interpretation bei Kropholler, IPR6, § 55 I 5. 103 Siehe supra Kapitel 2 – A. I. 3. a). 104 Zweifelnd etwa Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (562); weitere Nachweise bei Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 27, Fn. 16. Selbst Großfeld als erklärter Anhänger der Sitztheorie nannte sie eine „Theorie auf Zeit“, Großfeld, AG 1987, 261 (263); Großfeld/Jasper, RabelsZ 53 (1989), 52 (56 f.). Vgl. ferner Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (821). 105 So bspw. BayObLG v. 18.7.1985 – BReg 3 Z 62/85, BayObLGZ 1985, 272 bezüglich einer englischen Limited, welche die Eintragung einer Zweigniederlassung ins Handelsregister beantragt hatte; dazu kritisch Deville, RIW 1986, 298 f. Später führte BayObLG v. 26.8.1998 – 3Z BR 78/98, NJW-RR 1999, 401 unter Hinweis auf EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186 aus, es bestünde keine Vorlagepflicht, da bereits eine autoritative Entscheidung des EuGH vorliege. Bei dieser Argumentation wurde nicht hinreichend zwischen Zuzugs- und Wegzugskonstellationen unterschieden. – Die Komplemetärfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften bejaht BayObLG v. 21.03.1986 – BReg 3 Z 148/85 (Landshuter Druckhaus Ltd. & Co. KG), BayObLGZ 1986, 61 unter Hinweis auf eine legitimierende Steuergesetzgebung; dazu auch m.w. N. Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 ff., Fn. 54, 93, 94; ferner K. Schmidt, GesR4, § 1 II 8 b und § 56 VII 2. Ähnlich zur Komplementärfähigkeit einer Schweizer AG OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, NJW 1990, 647. 106 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186. 102

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Zweigniederlassungen bzw. durch Neugründung von Gesellschaften nach dem Recht des Zuzugsstaats ungehindert Gebrauch gemacht werden107. Nachdem die vom EuGH angemahnte Lösung durch Rechtssetzung jedoch nicht voranschritt108, führte der Gerichtshof ab 1999 mit seiner Entscheidungstrias in den Zuzugsfällen Centros, Überseering und Inspire Art den Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht selbst herbei109. 2. Die Entscheidungstrias des EuGH a) Centros Dem Centros-Urteil des EuGH lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem ein dänisches Ehepaar in England eine private limited company gegründet hatte. In Dänemark wurde die Eintragung einer Zweigniederlassung beantragt, vermittels derer die ausschließliche Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ausgeübt werden sollte. Dieses Vorgehen diente unbestritten der Umgehung der dänischen Mindestkapitalvorschriften. Die dänischen Behörden verweigerten die Eintragung mit dem Argument, es liege bei Lichte besehen in Dänemark keine Zweig-, sondern eine Hauptniederlassung vor, sodass die Anforderungen des dänischen Gesellschaftsrechts zu erfüllen seien110. Der EuGH sah darin eine Verletzung der (sekundären) Niederlassungsfreiheit. Diese komme gem. Art. 48 Abs. 1 EG auch nach dem Recht eines Mitgliedstaats wirksam gegründeten Gesellschaften zugute, die ihren satzungsmäßigen Sitz innerhalb der Gemeinschaft hätten111. Die Vermeidung der dänischen Min107 So z. B. Klinke, ZGR 1993, 1 (7): „Das Internationale Gesellschaftsrecht [. . .] ist niederlassungsfreiheitsresistent. [Es] geht vor Niederlassungsfreiheit“; weitere Nachweise bei Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (8 f.). Im Gefolge der Daily-Mail-Entscheidung hielt der EuGH weitere mitgliedstaatliche Sitzerfordernisse für unbedenklich, vgl. Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (817). 108 Zur Entwurf gebliebenen Sitzverlegungsrichtlinie siehe supra Kapitel 2 – A. I. 2. b) (2). In der Rechtssache Überseering trug u. a. die deutsche Regierung vor, die Rechtsfähigkeit einer zuziehenden Scheinauslandsgesellschaft brauche in Übereinstimmung mit der Sitztheorie nicht anerkannt zu werden, da noch immer keine auf Art. 293 EG gestützte Übereinkunft das Problem gelöst habe. Der EuGH verwarf diesen Standpunkt, EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 23 ff., 53. 109 Die Kritik des EuGH an der diesbezüglichen Haltung mancher Mitgliedstaaten wird deutlich in EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 28 sowie EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 60. 110 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027. 111 Dabei folgte der EuGH dem Vortrag des dänischen Ehepaars, das sich für die Auslegung des Art. 48 EG (damals Art. 58 EGV) auf EuGH v. 10.7.1986 – Rs. C-79/ 85 (Segers), NJW 1987, 571 berief. In dieser Rechtssache ging es nicht um das Internationale Gesellschaftsrecht, sondern um die Frage, ob ein Geschäftsführer der Zweig-

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destkapitalvorschriften sei nicht missbräuchlich und das Vorgehen der dänischen Behörden nicht aus Gründen des Gläubigerschutzes gerechtfertigt: Einmal hätte die Zweigniederlassung eingetragen werden müssen, wenn die Centros Ltd. in England tatsächlich eine Geschäftstätigkeit entfaltet hätte, obwohl die dänischen Gläubiger dann auch nicht besser gestanden hätten, weil ebenfalls kein Mindestkapital nach dänischem Gesellschaftsrecht als Haftungsmasse vorhanden gewesen wäre112. Darüber hinaus trete die Centros Ltd. gerade nicht als Gesellschaft dänischen Rechts auf, sodass dänische Gläubiger wissen müssten, dass sie nicht den dänischen Vorschriften unterliege (Publizitätsargument); die Möglichkeit der Berufung auf die Jahresabschluss-113 und die Zweigniederlassungsrichtlinie114 sowie die Möglichkeit der Bestellung von Sicherheiten genügten zum Zwecke des Gläubigerschutzes115. Die Reaktionen des Schrifttums auf das intensiv diskutierte Urteil gingen weit auseinander116. Während einige Autoren die Unvereinbarkeit der oben geschilderten prohibitiven Wirkungen der Sitztheorie mit dem marktbezogenen Verständnis des EuGH von der Niederlassungsfreiheit aufzeigten und konsequent Reformbedarf im deutschen117 bzw. europäischen118 Recht erblickten, meinten andere, Centros könne schon deshalb keinerlei Auswirkung auf die Sitztheorie zeitigen, weil diese gar nicht in Rede gestanden habe: Die beteiligten Staaten (England und Dänemark) hingen nämlich beide der Gründungstheoniederlassung einer Auslandsgesellschaft krankenversicherungsrechtlich anders behandelt werden dürfe als ein Geschäftsführer einer heimischen Gesellschaft. Der EuGH erblickte aber in der Ungleichbehandlung des Personals auch eine mittelbare Diskriminierung der Gesellschaft, die in den Genuss der Niederlassungsfreiheit komme. 112 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 35. 113 Richtlinie 78/660/EWG vom 25.7.1978, sog. Vierte Richtlinie bzw. Bilanzrichtlinie, ABl., 14.8.1978, Nr. L 222/11. 114 Richtlinie 89/666/EWG vom 21.12.1989, sog. 11. Richtlinie bzw. Zweigniederlassungsrichtlinie, ABl., 30.12.1989, Nr. L 395/36. 115 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 36 f. Gegen das „formale Argument des ,caveat creditor‘ “ aber schon im Kontext der innerdeutschen Diskussion um den Gläubigerschutz des GmbH-Rechts Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (662 f.). 116 Vgl. Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Gesund SteuerR, S. 1 (9 f.) m.w. N.; Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 69 m.w. N. in Fn. 224; Kropholler, IPR6, § 55 I 5; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 406 ff.; Wernicke, EuZW 2002, 758 (759): „zahllose Stellungnahmen mit zum Teil diametral entgegengesetzten Ergebnissen“. Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 548 schätzen, Centros gehöre zu den „wohl am meisten besprochenen Entscheidungen des EuGH“. 117 Merkt, Das Centros-Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Konsequenzen für den nationalen Gesetzgeber, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion – Jahrestagung 1999 der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung, S. 111 (123 f.). 118 Bachmann, ZGR 2001, 351 (371 ff.): „Centros [sollte] der Schaffung einer SFE [Société Fermée Européenne] nicht nur nicht entgegenstehen, sondern sie richtig verstanden noch beflügeln“.

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rie an. Der Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liege darin, dass dänische Behörden die Eintragung der Zweigniederlassung verweigert hätten, obwohl nach dänischem IPR englisches Recht auf die Centros Ltd. zur Anwendung komme und sie daher hätte „anerkannt“ werden müssen119. Diese Deutung erwies sich als ephemer: Heute ist man sich über die grundlegende Bedeutung des Urteils für die Gründungsanknüpfung weitgehend einig120. b) Überseering Vor dem Hintergrund der weit auseinanderliegenden Deutungen des CentrosUrteils legte der VII. Zivilsenat dem EuGH die Frage vor, ob es gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße, wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft beim Statutenwechsel durch Zuzug infolge einer Sitzanknüpfung ihre Rechtsfähigkeit verliere und deshalb vertragliche Ansprüche nicht mehr gerichtlich geltend machen könne121. Der EuGH verwarf zunächst die Argumentation, dass Art. 293 Spiegelstrich 3 EG einen Rechtssetzungsvorbehalt für das Internationale Gesellschaftsrecht beinhalte und judizierte, dass das Absprechen der Rechts- und Parteifähigkeit einer im Herkunftsland wirksam gegründeten Gesellschaft ihrer Negierung gleichkomme, was eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der betroffenen niederländischen B.V. darstelle122. Sie müsse stattdessen in Deutschland als B.V. niederländischen Rechts behandelt werden123. 119 So etwa Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (817 ff.); Kindler, NJW 1999, 1993 (1996 ff.) und tendenziell auch Hohloch, Anh. II zu Art. 37 EGBGB, in: Erman, Bd. II11, Rn. 34. 120 Vgl. nur Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Gesund SteuerR, S. 1 (8). Aus Praktikersicht Riegger, ZGR 2004, 510 (521) sowie Sedemund/Hausmann, BB 1999, 810 (810 f.). 121 BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 (414). In casu hatte die nach niederländischem Recht gegründete Überseering besloten vennootschap vor dem LG Düsseldorf geklagt. Das LG hatte ihr jedoch die Rechts- und damit gem. § 50 Abs. 1 ZPO die Parteifähigkeit abgesprochen, weil sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland habe. Gesellschaftsstatut sei nach der Sitztheorie deutsches Recht, die konstitutiven Erfordernisse desselben zur Erlangung der Rechtsfähigkeit (wie etwa §§ 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 GmbHG) seien jedoch nicht beobachtet worden. Zur Behandlung der BV als „rechtliches Nullum“ kritisch Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2235). 122 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 93. LG Frankenthal v. 6.12.2002 – 1 HK T 9/02, NJW 2003, 762, zog daraus den irrigen Schluss, dies beziehe sich nicht auf die Anerkennung der ausländischen Gesellschaft als solcher. In der nachgehenden Entscheidung OLG Zweibrücken v. 26.3.2003 – 3 W 21/03, RIW 2003, 542 wurde dieser Standpunkt verworfen. 123 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 80 f. An dieser Stelle versucht der EuGH einen Gleichklang zu seinem Urteil in der Rechtssache Daily Mail herzustellen: Auch in Daily Mail habe der Gerichtshof festgestellt, eine Gesellschaft könne nicht jenseits ihrer nationalen Rechtsordnung, die ihre Grün-

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Damit war entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit die identitätswahrende Sitzverlegung gewährleistet, sofern das Heimatrecht der Gesellschaft dies gestattet. Eine der Hauptkonsequenzen der Sitztheorie war damit nicht mit der Niederlassungsfreiheit kompatibel. Im Schrifttum herrschte aber Uneinigkeit darüber, ob mit dem Überseering-Urteil die Sitztheorie insgesamt hinfällig geworden war oder ob sie mit gewissen Einschränkungen fortgelten könne124. c) Inspire Art Auf der Grundlage, dass die Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten die identitätswahrende Sitzverlegung zu akzeptieren hatten, wurde nun vielfach davon ausgegangen, dass eine Kombination aus grundsätzlicher Gründungsanknüpfung und ausnahmsweiser Sonderanknüpfung opportun sei, was auf eine Überlagerungstheorie im Stile der US-amerikanischen pseudo-foreign corporation laws125 oder der britischen Regelungen bezüglich overseas companies126 hinausgelaufen wäre127. Diesen Ansatz verwarf der EuGH in der Rechtssache Inspire Art: Dort ging es um das niederländische Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen (WFBV)128, vermittels dessen eine englische Limited mit ausschließlicher Geschäftstätigkeit in den Niederlanden, die dort eine Zweigniederlassung zur Eintragung bringen wollte, bei unstreitig bestehender Rechtsfähigkeit129 im Wege einer Sonderanknüpfung130 gezwungen werden sollte, als Formeel buitenlandse vennootschap zu firmieren (Art. 3 WFBV) und ein Mindestkapital nachzuweisen, das den Anforderungen des holländischen Gesellschaftsrechts entsprach (Art. 4 Abs. 1 WFBV)131. Widrigenfalls drohte die persönliche gesamtschuldnedung regele und ihr die Rechtspersönlichkeit verleihe, existieren. Dass die Gesellschaft aber mit dieser Rechtspersönlichkeit „im Gepäck“ in den anderen Mitgliedsstaaten als Gesellschaft des Gründungsstaats behandelt werden müsse, hatte der EuGH in Daily Mail aber freilich noch nicht gesagt. 124 Vgl. Stoller, JuS 2003, 846 (848); Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 409 ff. Nahezu einhellig wurde jedenfalls eine immer deutlichere Abkehr von der Sitztheorie festgestellt, vgl. nur Merkt, RIW 2003, 458 (459). 125 Dazu bereits supra Kapitel 2 – A. I. 2. c). 126 Sec. 1044 ff. Companies Act 2006. Zu den Vorgängerregelungen Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 435 ff. 127 Vgl. Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (15 f.); ferner Sandrock, BB 1999, 1337 (1343). 128 Zu deutsch: Gesetz über Scheinauslandsgesellschaften. 129 In der Frage der Rechtsfähigkeit folgen die Niederlande der Gründungstheorie, Art. 2 Wet conflictenrecht corporaties. 130 Dazu Groß, NJW 2004, 893 (898 f.). 131 Einen solchen Kompromiss hatte die Kommission im Centros-Verfahren vorgeschlagen, siehe Merkt, Das Centros-Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Konsequenzen für den nationalen Gesetzgeber, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion – Jahrestagung 1999 der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung, S. 111 (124).

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rische Haftung der Geschäftsführer für die während ihrer Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen (Art. 4 Abs. 4 WFBV)132. Die Richter führten aus, dass der Zwang zur Firmierung als Scheinauslandsgesellschaft in der diese Fragen abschließend regelnden Zweigniederlassungsrichtlinie nicht vorgesehen und daher nicht zu rechtfertigen sei133. Und was die Umgehung des strengeren niederländischen Rechts durch die Gesellschafter der Inspire Art Ltd. anbelange, so sei dies kein Missbrauch, sondern gerade Ausdruck der Niederlassungsfreiheit134. In diesem Zusammenhang rekurriert das Gericht wiederum auf das auch schon im Centros-Urteil ausschlaggebende Publizitätsargument135. III. Schlussfolgerungen für das Internationale Gesellschaftsrecht und offene Fragen 1. Die genuin grundfreiheitsorientierte Haltung des EuGH Vor der referierten Entscheidungstrias des Europäischen Gerichtshofs war die europäische Landkarte gesellschaftskollisionsrechtlich in verschiedene abgeschottete Rechtsräume zerschnitten gewesen. Das lief der Logik des Binnenmarkts jedoch diametral zuwider. Das Gericht ist daher bei der Auslegung der Niederlassungsfreiheit ähnlich unnachgiebig vorgegangen wie zuvor schon bei der Warenverkehrsfreiheit136: Dort stieß das Binnenmarktkonzept zunächst auf größere Akzeptanz und der Nutzen von Liberalisierung war am augenscheinlichsten. Inzwischen wird immer seltener eine Rechtsanwendung bzw. Behördenpraxis hingenommen, die geeignet ist, die Ausübung irgendeiner Grundfreiheit zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Der Vorrang der Grundfreiheiten des EGV setzte sich mittlerweile auch im Umwandlungsrecht137 und 132 133

EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331. EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 71 f.,

106. 134 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 137 ff. Dazu pointiert Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (160). 135 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 136 In Art. 28 EG sind zur Sicherstellung des freien Warenverkehrs mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Unter den letztgenannten Passus fasste die Leitentscheidung EuGH v. 11.7.1974 – Rs. 8/74 (Dassonville), NJW 1975, 515 „jede Handelsregelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“, und verschaffte dem primären Europarecht damit den größtmöglichen Anwendungsbereich. 137 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 (SEVIC), ZIP 2005, 2311. Dazu bereits supra Kapitel 2 – A. I. 2. b) (1).

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teilweise sogar im hoheitlich geprägten Steuerrecht138 durch. In welchem Rechtsgebiet die nationale Dogmatik eine die Grundfreiheiten beschränkende Regelung verortet, ist dabei aus Sicht des Europarechts gleichgültig: Es kommt allein auf die grundfreiheitsbeschränkende Wirkung an139. 2. Der Einfluss des Europarechts auf die gesellschaftskollisionsrechtliche Anknüpfung Es wäre unrichtig, zu sagen, der EuGH habe der Sitztheorie die Europarechtskonformität abgesprochen und die Gründungstheorie inthronisiert140, denn der EuGH hat die Terminologien des IPR gar nicht verwendet141. Festgestellt wurde allein, dass bestimmte Auswirkungen der Sitztheorie gegen die Niederlassungsfreiheit verstießen. Indes werden die Konturen der Niederlassungsfreiheit ohne Rücksicht auf nationales Kollisions- oder Sachrecht festgelegt142. Sicher ist daher nur, dass eine vollumfängliche Anwendung der Gründungstheorie mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang stünde, weil sie deren Ausübung nicht behindern oder weniger attraktiv machen würde. Fraglich ist aber, ob tatsächlich so weit gegangen werden muss oder ob der Sitzanknüpfung nicht doch noch ein Anwendungsbereich verbleibt143. Das 138 Aus der großen Zahl von Urteilen seien erwähnt: Zur Wegzugsbesteuerung bei natürlichen Personen EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236. Zur Hinzurechnung der Gewinne beherrschter ausländischer Tochtergesellschaften zur Steuerbemessungsgrundlage der inländischen Konzernmutter EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), ZIP 2006, 1817. Zur Abschreibung im Inland auf die Beteiligung an einer Auslandstochter, die aufgrund von Verlusten im Ausland an Wert verloren hatte, EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 (ITS ReWe Zentralfinanz eG), DB 2007, 776. 139 Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (29 f.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (166); Kropholler, IPR6, § 10 I 2; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9); etwas überspitzt Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, 26: „Geurteilt wird in Luxemburg nicht über das nationale Recht und dessen Kategorien, und für kollisionsrechtliche Theorien interessieren sich die Richter allenfalls nach Dienstschluss.“ 140 In diese Richtung aber Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 1, 6. Allgemein wurde in diesem Zusammenhang diskutiert, ob Artt. 43, 48 EGV als (versteckte) Kollisionsnormen zu verstehen seien, dazu Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (164 ff.) m.w. N. 141 Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (11). 142 Deshalb meinen von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 1, Rn. 110 ff., § 7 Rn. 25, 32a, die Sitztheorie gelte kollisionsrechtlich fort und Artt. 43, 48 bewirkten nur, dass das durch das Kollisionsrecht berufene Sachrecht (!) in Binnenmarktsachverhalten grundfreiheitskonform fortzubilden sei. Eindeutig anders aber BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, 185. 143 Vgl. die im Gefolge des Überseering-Urteils geführte Diskussion, supra Kapitel 2 – A. II. 2. b). Der allgemeine Übergang zur Gründungstheorie wird inzwischen überwiegend bejaht, dazu infra Kapitel 2 – A. III. 3. b) mit Nachweisen in Kapitel 2 –

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hängt im Sinne einer Wechselwirkung davon ab, welche Verhaltensweisen von der Niederlassungsfreiheit geschützt werden144. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ist unabhängig vom Umfang des Gesellschaftsstatuts – wäre es anders, verbliebe den Mitgliedstaaten über die internationalprivatrechtliche Qualifikation ein Manipulationsspielraum145. Im Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ist die Sitzanknüpfung ergo verdrängt – außerhalb kann ihr jedoch durchaus ein Anwendungsbereich verbleiben146. Geht man davon aus, dass das Gesellschaftsstatut darüber befindet, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“ 147, dann überlagert die Niederlassungsfreiheit jedenfalls das Entstehen und Vergehen der Gesellschaft. Ihr Leben kann hingegen zumindest teilweise dem Sitzrecht unterworfen sein. 3. Bestandsaufnahme des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts unter besonderer Berücksichtigung der neueren BGH-Rechtsprechung Die Entscheidungstrias des EuGH hat mit den oben geschilderten Konventionen des traditionellen deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts gebrochen. Unter dem Einfluss der Niederlassungsfreiheit zerfällt die Anknüpfung der lex societatis nach der gegenwärtigen Rechtslage in die im Folgenden beschriebenen Fallgruppen. Angesichts der vielfachen Differenzierungen ist von der „Zwei- bzw. Dreigleisigkeit“ des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts gesprochen worden148. Es zeichnet sich jedoch ab, dass diese Rechtslage durch die erstmalige Kodifikation des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts überholt werden könnte. Darauf wird im Anschluss an die Auffächerung der gegenwärtigen Fallgruppen einzugehen sein.

Fn. 171. Denkbar ist jedoch auch eine um einen Teil ihres Anwendungsbereichs verkleinerte, „kupierte“ Sitztheorie, dazu infra Kapitel 2 – Fn. 162. In diesem Sinne auch die europarechtlich modifizierte Kontrolltheorie nach Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (665). Gegen den Umschwung der bis dato h. M. aber Altmeppen, NJW 2004, 97 (100). 144 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 407 m.w. N.; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9). 145 Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (26, 29 f.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (166); Goette, ZIP 2006, 541 (545). 146 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9). 147 BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 (144). 148 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 406 ff.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

a) Unterscheidung zwischen Zuzugs- und Wegzugsfällen Die unterschiedliche Behandlung von Zuzugs- und Wegzugsfällen liegt der Argumentation des EuGH in seinem Überseering-Urteil zugrunde149. Dass die Niederlassungsfreiheit die identitätswahrende Sitzverlegung gewährleistet, hat nicht die volle Mobilität der europäischen Gesellschaften zur Folge. Wie gezeigt, sehen die Sitztheoriestaaten den Wegzug regelmäßig als Auflösungsgrund an150. Der EuGH hat im Überseering-Urteil Passagen der Daily-Mail-Entscheidung wiederholt, in denen es heißt, dass Gesellschaften jenseits ihrer nationalen Rechtsordnungen keine Existenz hätten (sog. Geschöpftheorie)151. Dass dem Wegzug der Verlust der Rechtspersönlichkeit entgegenstehen kann, wurde für niederlassungsfreiheitskonform erklärt152. Echte Mobilität verlangt also zum einen, dass der Gründungsstaat den Wegzug ohne Verlust der Rechtspersönlichkeit gestattet, und zum anderen, dass der Aufnahmestaat nicht die ausländische Rechtspersönlichkeit der zuziehenden Gesellschaft „aberkennt“. Nach dieser Konzeption zeitigt die Niederlassungsfreiheit keine Konsequenzen für Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten, die der Sitztheorie anhängen und den Wegzug als Auflösungsgrund betrachten. Ob diese Folgerung aus dem Daily-Mail-Urteil noch haltbar ist, wird freilich im Folgenden zu prüfen sein. b) Zuzugsfälle unter Beteiligung von Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten (1) Rechtsfähigkeit nach Gründungsrecht ersetzt Umwandlungslösung Weil der EuGH in seiner Überseering-Entscheidung verlangte, die klagende Gesellschaft müsse in Deutschland „als Gesellschaft niederländischen Rechts“ behandelt werden153, war auch der „Rettungsversuch“ 154 des II. Zivilsenats aus 149 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 62, 70; bestätigt in EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), NZG 2009, 61, Tz. 122 f. In der Überseering-Entscheidung, a. a. O., Tz. 63, klingt jedoch an, dass der EuGH in der Überseering-Konstellation gar keinen Umzugsfall sah, was die Frage nach dem grenzüberschreitenden Element als Tatbestandsvoraussetzung der Grundfreiheiten aufwirft. 150 Nachweise supra in Kapitel 2 – Fn. 27. 151 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 70 u. 81. 152 Zur differenzierenden Behandlung von Wegzugsfällen und der Cartesio-Entscheidung eingehend infra Kapitel 2 – A. III. 3. d). 153 Auch in anderen Sprachfassungen wird dies deutlich: „as a company incorporated under Netherlands law“, „en tant que société de droit néerlandais“, Nachweise bei Stoller, JuS 2003, 846, Fn. 26. 154 Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (13); ähnlich Paefgen, DAJV-Newsletter 2003, 98 (100 f.). Von einer

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dem Jahre 2002 gescheitert, zuziehende Gesellschaften in deutsche rechtsfähige Personengesellschaften, in casu in eine rechtsfähige GbR umzuqualifizieren155. Im Übrigen beeinträchtigt die damit einhergehende persönliche Haftung der Gesellschafter analog § 128 HGB aus heutiger Sicht die Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 43, 48 EG. Die somit erforderliche Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses kann mit dem Hinweis auf Gläubigerschutz nicht gelingen: Die Gläubiger einer inländischen Personengesellschaft stehen nämlich besser als sie stünden, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft ihren Sitz tatsächlich im Ausland hätte; denn dann wäre die Haftung der Gesellschafter bei gleicher Kapitalausstattung der Gesellschaft unzweifelhaft beschränkt156. In der Überseering-Folgeentscheidung des VII. Zivilsenats wurde die Umdeutungslösung bzw. „Wechselbalgtheorie“ 157 für das Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten auch prompt wieder aufgegeben158, was jedoch nicht ohne Widerspruch blieb159. (2) Umfang der Gründungsanknüpfung Die Entscheidungstrias hat das Verhältnis zwischen Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht nicht eindeutig geklärt. In den nicht durch Richtlinien harmonisierten Bereichen ist bislang nur über die Anknüpfung von Rechtsfähigkeit (Überseering) und Mindestkapitalausstattung (Inspire Art) europäischer Gesellschaften entschieden worden. Auf diese Fragen kann das Sitzrecht nicht mehr angewendet werden160. Unklar ist hingegen, auf welche anderen Fragen es noch Anwendung finden kann. „vorläufigen Rettung der Sitztheorie“ spricht in diesem Zusammenhang Stürner, JZ 2003, 44. 155 BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00 (Jersey-Gesellschaft), BGHZ 151, 204, dazu supra Kapitel 2 – A. I. 2. b) (2). 156 Vgl. das Argument, mit dem der EuGH darlegte, weshalb das dänische Recht zur Herstellung von Gläubigerschutz nicht geeignet sei, EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 35. 157 Paefgen, DAJV-Newsletter 2003, 98 (100). 158 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, 185 (189 f.), wo es heißt, dass eine Umdeutung der ausländischen Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft ebenfalls ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstelle, weil der ausländischen Gesellschaft (und ggf. ihren Gesellschaftern) damit ein neues rechtliches Regime und insbesondere neue Haftungsrisiken aufgedrängt würden. Dies verkennt AG Hamburg v. 14.5.2003 – 67g IN 358/02, NJW 2003, 2835 (2836), obwohl noch nach der Folgeentscheidung des BGH in Sachen Überseering entschieden wurde. Zum Ganzen auch Merkt, RIW 2003, 458 (459). 159 Kindler, BB 2003, 812 will trotz Überseering die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften durch Umdeutung in inländische rechtsfähige Personengesellschaften gewährleisten. 160 H.M., vgl. nur Goette, ZIP 2006, 541 (543); Just, Die englische Ltd. in der Praxis2, Rn. 21; Mankowski, RIW 2005, 481 (485 f.).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Die ersten Stellungnahmen zur gesellschaftskollisionsrechtlichen Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung oszillierten zwischen gesellschaftsrechtlichem Herkunftslandsprinzip und bloßer Gleichbehandlung der inländischen und identitätswahrend zugezogenen ausländischen Gesellschaften. Während im Schrifttum teilweise die vollumfängliche Übernahme der Gründungstheorie gefordert wurde161, akzeptierten andere Stimmen allein den ausländischen Gründungsakt und die identitätswahrende Sitzverlegung, plädierten aber im Übrigen für eine weitreichende Anwendung des Sitzrechts (eingeschränkte oder „kupierte“ Sitztheorie)162 oder zumindest derjenigen Normen des Sitzstaats, die keinen Beschränkungscharakter aufweisen163. Eindeutig waren Tendenzen auszumachen, inländische Schutzmechanismen, die bisher gesellschaftsrechtlich qualifiziert worden waren, nunmehr dem Deliktsstatut oder dem Insolvenzstatut164 zuzuschlagen, um zur Berufung des inländischen Rechts zu gelangen165. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt demgegenüber eine klare Hinwendung zur Gründungstheorie. Während es in der Überseering-Folgeentscheidung des VII. Zivilsenats nur heißt, die streitgegenständliche Scheinauslandsgesellschaft sei „nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit dem Recht des Staats zu unterstellen, in dem sie gegründet worden ist“ 166, formulierte der II. Zivilsenat in seiner ersten Entscheidung zu dieser Frage, dass das Personalstatut einer ausländischen Gesellschaft „auch in bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen per161 Behrens, IPRax 2004, 20; Eidenmüller, JZ 2004, 24; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 ff.; Stoller, JuS 2003, 846 (848); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3587, 3591); vgl. auch Merkt, RIW 2003, 458. Noch anders Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 230 f., der eine internationalgesellschaftsrechtliche Gesamtverweisung auf die durch den Satzungssitz bestimmte Rechtsordnung befürwortet, sofern diese Verweisung zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats der EU führt. 162 Altmeppen, NJW 2004, 97; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083; ähnlich auch Forsthoff, DB 2002, 2471. Nicht einmal die identitätswahrende Sitzverlegung will Kindler, BB 2003, 812 konzedieren. Zum Ganzen Ulmer, NJW 2004, 1201 (1202). 163 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 409 ff. Dem Übergang zur Gründungstheorie steht auch Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 447 f. skeptisch gegenüber. 164 So für die (doppelfunktionale) Existenzvernichtungshaftung Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 247 ff., 282; a. A. Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 91 f., der eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB befürwortet. Für die Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG auch LG Kiel v. 20.04.2006 – 10 S 44/05, NZG 2006, 672. Vgl. ferner Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207): Insolvenzstatut als „sicherer Hafen“. Zum Ganzen eingehend infra Kapitel 5 – B. I. 165 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9 ff.). 166 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, 185 (190) [Hervorhebung im Zitat vom Verf.].

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sönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist“ 167,

sodass Handelndenhaftung im Außenverhältnis analog § 11 Abs. 2 GmbHG wegen fehlender Eintragung der Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister ausschied. Die Gründungsanknüpfung reicht hierbei weiter als bei einer internal affairs rule. In einem Urteil vom 5.2.2007 führte der II. Zivilsenat sodann aus, dass die Niederlassungsfreiheit nicht berührt sei, wenn eine Rechtsfrage nicht dem Gesellschaftsstatut unterfalle168. Nichtgesellschaftsrechtliche Institute richten sich demzufolge nach dem Sitz- und nicht etwa nach dem Gründungsrecht169. Im Umkehrschluss wird damit die Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit gestellt. Nach diesem Verständnis ist das gesamte Personalstatut einer Auslandsgesellschaft dem Gründungsrecht zu entnehmen170. Die Haltung des BGH – und der inzwischen überwiegenden Meinung im Schrifttum – entspricht somit der klassischen Gründungstheorie: Das Gründungsrecht ist grundsätzlich für das gesamte Gesellschaftsstatut maßgeblich171. Dies deckt sich mit der in der Rechtssache Inspire Art aufgegriffenen Feststellung des EuGH im Centros-Urteil, es sei von der Niederlassungsfreiheit gedeckt, wenn „ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen“.172

Die hierin zum Ausdruck kommende Rechtsformwahlfreiheit verlangt die vollumfängliche Hinwendung der Mitgliedstaaten zur Gründungstheorie. 167

BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 (1649). BGH v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, NJW 2007, 1529 (1530), betreffend die Rechtsscheinhaftung gem. § 179 BGB des Vertreters einer niederländischen B.V., der in Deutschland den Rechtsformzusatz nicht offengelegt hatte. 169 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 413, 370; a. A. Eidenmüller, JZ 2004, 24 (25) und differenziert Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9). M. E. ist die Ansicht des II. Zivilsenats zu sehr auf die internationalprivatrechtliche Qualifikation fixiert; die Niederlassungsfreiheit greift aber nicht nur dann ein, wenn das Gesellschaftsstatut betroffen ist, siehe bereits supra Kapitel 2 – A. III. 1. 170 Kindler, NJW 2007, 1785 (1786 f.) unter Verweis auf EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27. 171 So auch Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 6 f.; Bittmann/ Gruber, GmbHR 2008, 867 (868); Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 126; Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (13, 16); Müller, in: Spindler/ Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 2, IntGesR, Rn. 14 f.; Teichmann, NJW 2006, 2244 (2248); für den Katalog des Art. 37 Nr. 2 EGBGB auch Weller, AnwBl 2007, 320 (323); teilweise anders Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205). 172 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 138 [Hervorhebung im Zitat vom Verf.]. 168

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c) Zuzugsfälle unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten (1) Gründungs- oder Sitztheorie? Im Verhältnis zu Staaten, die nicht Mitglied der EU sind (Drittstaaten), braucht das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht die EuGH-Rechtsprechung zu den Artt. 43, 48 EG nicht zu beachten. Ob in Zuzugsfällen unter Beteiligung von Gesellschaften aus Drittstaaten an der Sitztheorie festgehalten oder die Gründungstheorie übernommen werden soll, ist noch Gegenstand der Diskussion173. Einige Stimmen in der Literatur haben sich dafür ausgesprochen, im deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht generell zur Gründungstheorie überzugehen174. Die Rechtsprechung meint demgegenüber, für das Verhältnis zu Nicht-EUStaaten bleibe es beim früheren Stand. Es komme also grundsätzlich zu einer Anknüpfung an den Verwaltungssitz, sofern vorrangige völkerrechtliche Verträge nichts anderes bestimmten oder eine Rückverweisung nicht zu einem anderen Recht führe175. Habe eine Scheinauslandsgesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlegt, sei sie in eine inländische Personengesellschaft umzudeuten176. Diesem Standpunkt haben sich weite Teile des Schrifttums angeschlossen177. 173 Mankowski, RIW 2005, 481 (486): „Achillesferse“ des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts. Dazu auch Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (18). 174 Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 40; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2235 ff., 2244); ausgewogen Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 (935 f.); Paefgen, DAJV-Newsletter 2003, 98 (99 f., 106 f.); Weller, AnwBl 2007, 320 (323). Weitere Nachweise bei Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 9. A.A. Altmeppen, NJW 2004, 97 (98); ähnlich Goette, DStR 2005, 197 (199) und Zöllner, GmbHR 2006, 1 (2): „Gefahr totaler Unübersichtlichkeit“ der im Inland auftretenden Rechtsformen. Vgl. zum Ganzen ferner Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (18); Hohloch, Anh. II zu Art. 37 EGBGB, in: Erman, Bd. II11, Rn. 37b; Kropholler, IPR6, § 55 I 6. 175 Eindeutig formuliert dies BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02 (US-Gesellschaft), BGHZ 153, 353: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person allerdings grundsätzlich entsprechend der Sitztheorie das Recht des Staates maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat [. . .] Von den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts kann aber durch Staatsverträge abgewichen werden [. . .] Ein solcher Staatsvertrag besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika“ [Hervorhebung vom Verf.]. Vgl. dazu auch Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 9, 20 m.w. N.; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 70; BayObLG v. 20.2.2003 – 1Z AR 160/02, DB 2003, 819 (820) für das Verhältnis Deutschlands zu Sambia. 176 BayObLG v. 20.2.2003 – 1Z AR 160/02, DB 2003, 819 (820) mit Verweis auf BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00 (Jersey-Gesellschaft), BGHZ 151, 204 (205), denn diese Entscheidung betraf eine auf der Kanalinsel Jersey inkorporierte Gesellschaft.

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(2) Besonderheiten im Hinblick auf Rechts- und Parteifähigkeit Im Hinblick auf die kollisionsrechtliche Behandlung der Rechts- und Parteifähigkeit ausländischer Gesellschaften hat sich die Rechtsprechung des BGH im Verhältnis zu einer Reihe von Drittstaaten jedoch geändert. Am 29.1.2003 ist der VIII. Zivilsenat zur Überzeugung gekommen, dass Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954 kollisionsrechtliche Bedeutung zukomme, die gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB vorrangig zu beachten sei178. Der BGH stützte seine Auslegung von Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Vertrags auf die in Art. VII gewährleistete Niederlassungsfreiheit und stellte mit Hinweis auf das Überseering-Urteil des EuGH fest, die Niederlassungsfreiheit habe die Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit zur Folge179. Als einschränkendes Kriterium wurde schon früher nach jedoch nicht unbestrittener Meinung ein genuine link der Gesellschaft zum Territorium der USA180 gefordert, um Missbrauch zu verhindern181. Das Erfordernis eines genuine link ist ein Grundsatz, der „besagt, dass eine tatsächliche, effektive Bindung der im Inland tätigen Gesellschaft zu dem Gründungsstaat bestehen muss. Einer amerikanischen Gesellschaft, der ein ,genuine link‘ im Sinne einer tatsächlichen, effektiven Beziehung [. . .] zu den USA fehlt und die sämtliche Aktivitäten im Inland entfaltet, ist in der Bundesrepublik Deutschland die Anerkennung zu versagen. Es handelt sich dann um eine rechtsmissbräuchliche ,pseudo-foreign corporation‘.“ 182 Die Niederlassungsfreiheit ist im Verhältnis zu Jersey nur eingeschränkt zu berücksichtigen, Art. 299 Abs. 6 lit. c EG i.V. m. Protokoll Nr. 3 zur Beitrittsakte 1972. 177 Siehe nur Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 468 ff. m.w. N.; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 73 ff. 178 BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02 (US-Gesellschaft), BGHZ 153, 353; a. A. Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (211 f.), der von nur fremdenrechtlicher Bedeutung auszugehen scheint. Zum Ganzen Kindler, BB 2003, 812; Paefgen, DAJV-Newsletter 2003, 98 ff. 179 BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02 (US-Gesellschaft), BGHZ 153, 353 (357 f.). Welche Rechtsfragen der Gründungsanknüpfung unterliegen, ist allerdings noch unklar, vgl. Kropholler, IPR6, § 55 I 3d. 180 Nicht zum Gründungsstaat im Sinne des Art. 4 Abs. 3 EGBGB, siehe Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 325 m.w. N.; Paefgen, DAJV-Newsletter 2003, 98 (100). 181 Diese Ansicht ist insbesondere deshalb im Gesellschaftskollisionsrecht umstritten, weil sie für das Völkerrecht entwickelt wurde (durch die beiden IGH-Urteile Nottebohm/Nicaragua, ICJ Rep 1955, 4, sowie Barcelona Traction, Light and Power Company Ltd., ICJ Rep 1970, 3; dazu Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 1054), dessen Subjekte Staaten sind und ergo mit privatrechtlichen Gesellschaften nicht zu vergleichen, Merkt, RIW 2003, 458 (459). 182 Auf Art. 25 S. 2 GG gestützt und im Anschluss an Ebenroth/Bippus, DB 1988, 842 (844 ff.) das OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 – 6 U 59/94, NJW-RR 1995, 1124 (1125). Zustimmend Mankowski, RIW 2005, 481 (488) m.w. N.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Der BGH hat offengelassen, ob es auf einen genuine link ankommen soll. Praktisch wirkt sich dieser Streit jedoch kaum aus, da die Anforderungen an den genuine link äußerst gering sind183. Auch gegenüber den EWR-Staaten knüpft der BGH nunmehr zur Bestimmung der Rechts- und Parteifähigkeit vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 31, 34 EWR an das Gründungsrecht an184. Die Schweiz ist zwar nicht Mitglied des EWR geworden185, jedoch hat sie die sog. Bilateralen Verträge I mit der EU abgeschlossen186. Auf deren Basis wird die Übertragung der Grundsätze zur Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 43, 48 EG auf das Verhältnis zur Eidgenossenschaft vereinzelt vertreten187. Der BGH ist dem in der Trabrennbahn-Entscheidung nicht gefolgt, da die Verträge lediglich Dienstleistungsfreiheit, nicht aber Niederlassungsfreiheit gewährten188. Es bleibt daher bei der Anknüpfung nach der Sitztheorie in der Gestalt, die sie durch das Urteil in Sachen Jersey-Gesellschaft gefunden hat189. Dem GATS-Abkommen190 wird eine Bedeutung für das Gesellschaftskollisionsrecht allgemein abgesprochen191. Nach Ansicht des BGH ist es rein völkerrechtlicher Natur und vermittelt juristischen Personen des Privatrechts keine subjektive Rechtsposition192. Daher spielt keine Rolle, dass Art. XXVIII lit. m 183 Eine tatsächliche, effektive Beziehung der Gesellschaft zum Gründungsstaat wird bereits dann angenommen, wenn die Gesellschaft in den USA über einen Telefonanschluss verfügt, der eingehende Anrufe auf einen Anrufbeantworter oder einen Servicedienst weiterleitet und erkennbar darauf ausgerichtet ist, in den USA eine geschäftliche Tätigkeit zu entfalten, oder wenn die Gesellschaft in den USA geschäftsbezogene Verträge abgeschlossen hat, BGH v. 13.10.2004 – I ZR 245/01 (GEDIOS Corporation), NZG 2005, 44 (44 f.). 184 BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, BGHZ 164, 148. 185 Dazu Weigell, IStR 2006, 190 (191). 186 BGBl. 2001 II, 810. Es handelt sich dabei um Assoziierungsabkommen im Sinne des Art. 310 EG. 187 Für das Steuerrecht Weigell, IStR 2006, 190 ff.; a. A. Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 6 sowie Wachter, GmbHR 2005, 717 und Jung, NZG 2008, 681 (683). 188 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68 (69), Tz. 16; im Ergebnis anders Jung, NZG 2008, 681 (684 f.), der wegen des weitgehend identischen Regulierungs- und Schutzniveaus im deutschen und schweizerischen Gesellschaftsrecht keinen Anwendungsbereich für das Schutzanliegen der Sitztheorie sieht. 189 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68 (70), Tz. 23 mit Verweis auf BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00 (Jersey-Gesellschaft), BGHZ 151, 204. 190 General Agreement on Trade in Services, BGBl. 1994 II, 1643. 191 Jung, NZG 2008, 681 (683); ferner Lehmann, RIW 2004, 816 (821 ff.), der eine Rechtsfortbildung mit kollisionsrechtlicher Auswirkung durch das Dispute Settlement Body der WTO für ausgeschlossen hält. 192 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68 (69), Tz. 17, dort in Tz. 18 auch zum fehlenden Einfluss der EMRK auf die Anknüpfung.

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(i) eine dem Art. 48 Abs. 1 EG nicht unähnliche Bestimmung enthält193. Angesichts der 150 Mitgliedstaaten194 hätte eine gesellschaftskollisionsrechtliche Bedeutung des Abkommens äußerst weitreichende Folgen. (3) Prognose bezüglich der sukzessiven Ausdehnung der Gründungsanknüpfung Wie bereits bei der Vorstellung des Anliegens der Gründungstheorie angeklungen war, eignet sich diese für integrierte Wirtschaftsräume, die aus mehreren Rechtsordnungen bestehen und in denen die Mobilität von Gesellschaften einmal vom Kapitalverkehr verlangt wird und darüber hinaus aufgrund nicht übermäßig divergierender Gesellschaftssachrechte auch rechtspolitisch akzeptiert werden kann. Ob die Unterschiede in diesem Sinne übermäßig sind, bleibt eine politische Beurteilung. Sollten die Verflechtungstendenzen der globalen Wirtschaft anhalten, dürfte sich die Gründungstheorie entlang der Austauschströme von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Rechtsinstrumentarien sukzessive ausbreiten. So böte sich mittelfristig eine Ausdehnung auf die noch nicht anderweitig erfassten G8-Staaten und langfristig auf die BRIC-Staaten an. Ein solches änderte jedoch freilich nichts daran, dass gewisse Schutzinstrumente gegenüber ausländischen Gesellschaften notwendig sein können; auch klassische Gründungstheoriestaaten kennen entsprechende Vorschriften195. Daher spricht viel für eine Lösung im Wege eines internationalen, etwa eines UN-Übereinkommens. (4) Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Sitztheorie zur Bestimmung der Rechts- und Parteifähigkeit in Zuzugsfällen nur noch im Verhältnis zu Staaten herangezogen werden kann, die nicht zur EU, dem EWR oder den USA gehören. Weiter als zur Bestimmung der Rechts- und Parteifähigkeit reicht die Anknüpfung ans Gründungsrecht indes bisher allein innerhalb der EU und dem EWR, denn nur dort gilt die Niederlassungsfreiheit. Somit ist im deutschen Ge193 Bei dieser Bestimmung handelt es sich freilich nur um eine Definition des Begriffs der Gesellschaft im Sinne des Übereinkommens. Dazu Lehmann, RIW 2004, 816 (821 ff.). 194 Gem. Art. 2 Abs. 2 WTO ist das in Annex 1B aufgeführte GATS für die inzwischen 150 WTO-Mitgliedstaaten verbindlich. Eine Liste der Mitgliedstaaten findet sich unter http://www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm (letzter Zugriff am 19.3.2008). 195 Vgl. z. B. die englischen Vorschriften über overseas companies gem. sec. 1044 ff. CA 2006; zu den Vorgängerregeln Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 435 ff.

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sellschaftskollisionsrecht bei der Anknüpfung der lex societatis in Zuzugsfällen in hohem Maße zu differenzieren. d) Wegzugsfälle unter Beteiligung von EU-Mitgliedstaaten Da Centros, Überseering und Inspire Art allesamt Zuzugskonstellationen betrafen, lässt sich trefflich darüber streiten, wie die Niederlassungsfreiheit zum Wegzug von inländischen Gesellschaften steht. (1) Auswirkungen der Sitztheorie beim Wegzug von Kapitalgesellschaften Die Mobilität von Gesellschaften ist nur sichergestellt, wenn sowohl das alte als auch das neue Gesellschaftsstatut die juristische Person fortbestehen lassen196. Beim Statutenwechsel durch Sitzverlegung ins Ausland (Wegzug) nützt der wegziehenden Gesellschaft die Identitätswahrung durch das neue Gesellschaftsstatut nichts, sofern das alte Gesellschaftsstatut einen Auflösungsgrund verwirklicht sieht. In Deutschland wird diesbezüglich traditionell zwischen zwei Wegzugskonstellationen unterschieden: (1) Der Verlegung des Satzungssitzes und (2) der Verlegung des tatsächlichen Sitzes der Hauptverwaltung197. In der Verlegung des Satzungssitzes sah man wegen der §§ 4a Abs. 2 GmbHG a. F., 5 Abs. 2 AktG a. F. einen Auflösungsgrund198. Man fingierte, dass der Beschluss zur Verlegung des Satzungssitzes zugleich einen Auflösungsbeschluss beinhalte199. Dies legitimierte die Praxis deutscher Registergerichte, die Eintragung eines ausländischen Satzungssitzes zu verweigern200. Bei der Verlegung des Verwaltungssitzes ging man hingegen teilweise davon aus, dass die Sitztheorie eine Gesamtverweisung gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB ausspreche201. Daher könne durch Annahme einer Rückverweisung des 196 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (271 f.) m.w. N.; Jasper, in: Priester/Mayer, Münch. Handb. d. GesR, Bd. 3, § 78 Rn. 118. 197 Vgl. Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 497; Jasper, in: Priester/Mayer, Münch. Handb. d. GesR, Bd. 3, § 78 Rn. 119. 198 So bereits RG v. 22.1.1916 – Rep. V. 293/15, RGZ 88, 53 (55); ferner BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 (144); Forsthoff, DB 2002, 2471 (2473 f.); Kropholler, IPR6, § 55 I 2b m.w. N.; Wernicke, EuZW 2002, 758 (760); a. A. Kallmeyer, DB 2002, 2521 (2522), der die Auflösung nur im Fall der Verlegung des Verwaltungssitzes akzeptiert. 199 Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 118; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 655, 679. 200 Nach Centros noch OLG Hamm v. 1.2.2001 – 15 W 390/00, NJW 2001, 2183 sowie OLG Düsseldorf v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2001, 506; nach Inspire Art noch BayObLG v. 11.2.2004 – 3Z BR 175/03, BayObLGZ 2004, 24.

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Zuzugsstaats gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB vermieden werden, dass ein Statutenwechsel als Auflösungsgrund für die Gesellschaft vorläge. Es bliebe nämlich bei der Anwendbarkeit des alten Gesellschaftsstatuts. Freilich könnte ein solches nur bei der Sitzverlagerung in einen Staat gelten, welcher der Gründungstheorie folgt. Ferner müsste der satzungsmäßige Sitz im Gründungsland als Anknüpfungspunkt der Gründungstheorie beibehalten werden. Dieser Argumentation wurde jedoch insbesondere seit der Überseering-Entscheidung des EuGH entgegengehalten, dass nunmehr innerhalb der Gemeinschaft alle Zuzugsstaaten die Gründungstheorie anzuwenden hätten. Dann folge aus dem Wegzug durch Verlegung des Verwaltungssitzes nie mehr ein Auflösungsgrund. Dieses Ergebnis widerspreche aber der zentralen Aussage des Daily-Mail-Urteils, wo es heißt, dass „eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regelt, keine Realität“ habe (sog. Geschöpftheorie)202. Die Mitgliedstaaten seien nach wie vor berechtigt, die nach ihrem Rechte gegründeten Gesellschaften im Wegzugsfall aufzulösen203. Es bleibt also zunächst dabei, dass das deutsche Recht – unabhängig von Differenzierungen zwischen der Verlegung des Verwaltungs- oder des Satzungssitzes – den Wegzug einer deutschen Gesellschaft verhindert. (2) Plädoyer für eine differenzierende Fruchtbarmachung der Niederlassungsfreiheit in Wegzugsfällen Nach dem eben geschilderten restriktiven Verständnis des Daily-Mail-Urteils zeigte die Niederlassungsfreiheit keine greifbaren Auswirkungen zugunsten wegzugswilliger deutscher Gesellschaften204. Teilweise wurde in diesem Zusammenhang ein grenzüberschreitendes Element bestritten und daher eine bloße discrimination à rebours angenommen, auf welche die Niederlassungsfreiheit nicht anwendbar sei205. Ob das hingegen noch zutrifft, ist seit den EuGH-Urteilen in

201 Die Möglichkeit einer Rückverweisung befürwortet Kropholler, IPR6, § 55 I 3c; dagegen Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 629 ff. Weitere Nachweise bei Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 119, Fn. 463. 202 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186, (2187); wiederholt in EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 67. Zur Geschöpftheorie Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (176). 203 So Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 77; kritisch dazu Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2243). 204 Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 549. Bayer, Der EuGH und das nationale Gesellschaftsrecht, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 1 (18), meint, die Wegzugskonstellation sei vom EuGH nochmals gesondert zu prüfen. 205 Dazu kritisch Hoffmann, ZIP 2007, 1581 ff. m.w. N. Zur Inländerdiskriminierung allgemein Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 284 ff.

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den Rechtssachen Hughes de Lasteyrie du Saillant206 und SEVIC 207 auf immer stärkere Bedenken gestoßen208. Die Konturen der Grundfreiheiten werden (wie gezeigt) ohne Rücksicht auf die Kategorien des nationalen Rechts gezeichnet209. Daher können auch – nach nationalem Verständnis – „nicht-internationalgesellschaftsrechtliche“ Entscheidungen relevante Aussagen für das Gesellschaftskollisionsrecht enthalten. Insbesondere nach den jüngsten – aus nationaler Sicht – „steuerrechtlichen“ Urteilen des EuGH durfte bezweifelt werden, ob es für Wegzugsfälle bei der Geschöpftheorie bleiben würde. Bildlich gesprochen „mauert“ die Sitztheorie inländische Gesellschaften ein210. Gleiches gilt für die Wegzugsbesteuerung: Ihre französische211 und niederländische212 Ausgestaltung verstieß nach Ansicht des EuGH bei natürlichen Personen gegen die Niederlassungsfreiheit. Gem. Art. 48 Abs. 1 EG stehen Gesellschaften den natürlichen Personen gleich, was ein starkes Argument für die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung ist213. Zwischenzeitlich hat der Gerichtshof explizit ausgeführt, die Niederlassungsfreiheit verbiete es, „dass der Herkunftsstaat die Niederlassung [. . .] einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert“.214 206

EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004,

236. 207

EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 (SEVIC), ZIP 2005, 2311. Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (856); Mankowski, RIW 2005, 481 (486); Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 7 m.w. N. Ausführlich zum Ganzen Hirte, Die „Limited“ mit Sitz in Deutschland, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 18. 209 Vgl. dazu bereits supra Kapitel 2 – A. III. 1. 210 Formulierung nach Lutter, BB 2003, 7 (10). 211 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236. 212 In EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 (N), IStR 2006, 702 wurde die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis und Beseitigung der Doppelbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten als ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel anerkannt. Dass die Stundung der Steuer von der Leistung von Sicherheiten abhängig gemacht und nach der Sitzverlegung eingetretene Wertminderungen möglicherweise nicht berücksichtigt wurden, führte zur Unverhältnismäßigkeit der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. 213 Die Parallele zwischen natürlichen und juristischen Personen streichen auch Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 550, und Eidenmüller, JZ 2004, 24 (29) heraus. Gegen die Verallgemeinerung des Urteils in Sachen Hughes de Lasteyrie du Saillant aber Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (178), Fn. 78. 214 So ausdrücklich EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 (Marks & Spencer/Her Majesty’s Inspector of Taxes), IStR 2006, 19, Tz. 31. In diesem Fall lag eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit vor, die letztlich aber wegen der Gefahr doppelter steuerlicher Verlustberücksichtigung gerechtfertigt war. – Beachtenswert ist die insoweit ähnliche Formulierung in EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186 (2187): „[Die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit] verbieten es [. . .] dem Herkunftsstaat, die Niederlassung [. . .] einer nach seinem Recht gegründeten, der Definition des Art. 58 EWG genügenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaaten zu behindern.“ 208

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Wegzugsbeschränkungen für Gesellschaften sind daher m. E. als rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit anzusehen215. Bei der Rechtfertigung bietet sich eine Differenzierung an: Wenn die Niederlassungsfreiheit den Gründern tatsächlich die im Centros-Urteil anklingende Rechtsformwahlfreiheit eröffnen soll216, können Wegzugsfälle in der Gründungsphase schwerlich zu rechtfertigen sein. Widrigenfalls könnte bspw. ein Brite keine GmbH wählen, die ihren Verwaltungssitz alsbald nach der Gründung ins Vereinigte Königreich verlegen und nur dort Geschäftstätigkeit entfalten soll. Das muss ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Gründers gelten. Anders mag es sich darstellen, wenn der Wegzug erfolgen soll, nachdem für einige Zeit einer Geschäftstätigkeit im Inland nachgegangen worden ist. Vielfach wird befürchtet, dass es die Vertrauensgrundlage aller Beteiligten nachteilig beträfe, wenn eine Gesellschaft ihr ursprüngliches Rechtsgebiet verlasse; ein solches könne z. B. zur Haftungsvermeidung durch Statutenwechsel führen217. Diese Befürchtung ist jedoch nur dann berechtigt, wenn sich mit dem Wegzug das Gesellschaftsstatut ändert. Das war der Fall, als die Sitztheorie in Deutschland noch unangefochten herrschte; heute gilt dies aber wie gezeigt vor allem im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten nur noch eingeschränkt218. Nach dem Überseering-Urteil haben alle potentiellen Aufnahmestaaten in der EU die Verpflichtung, die betreffende Gesellschaft als deutsche Gesellschaft zu behandeln. Übernähme das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht die Gründungstheorie auch für Wegzugsfälle, könnten deutsche Gesellschaften dem deutschen Recht innerhalb der EU nicht mehr entfliehen219. Dann bestünde die Gefahr gar nicht mehr, aufgrund derer sich manche rechtspolitisch gezwungen sehen, den Wegzug mit Auflösung zu sanktionieren220. Dies zeigt, dass im Bestreben der Sitztheorie, den Zuzug ausländischer Gesellschaften zu verhindern, die konzeptionelle Schwäche angelegt ist, dass sich inländische Gesellschaften durch Sitzverlegung dem inländischen Recht entziehen können. Doch unabhängig davon bietet sich für die Fälle des Wegzugs nach Entfaltung von Geschäftstätigkeit im Gründungsland eine weitere Differenzierung an: In Analogie zur Niederlassungsfreiheit von natürlichen Personen, die in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie du Saillant betroffen war, kann angenommen 215

So auch Eidenmüller, JZ 2004, 24 (29). EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27. Zum Begriff der „Rechtsformwahlfreiheit“ Kropholler, IPR6, § 55 I 5; Wachter, GmbHR 2005, 717 (717 f.). 217 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 50, 664 ff. m.w. N. 218 Statt aller Heldrich, in: Palandt67, Anh. zu Art. 12 EGBGB, Rn. 6. 219 Jasper, in: Priester/Mayer, Münch. Handb. d. GesR, Bd. 3, § 78 Rn. 119. 220 Die Auflösungssanktion befürwortet etwa Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 79 ff., unter Hinweis auf Art. 8 SE-VO. 216

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werden, dass es gegen die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften verstößt, wenn der Wegzug generell als Auflösungsgrund betrachtet wird. Anders liegt es hingegen, wenn der Wegzugsstaat die Zulässigkeit der Sitzverlegung im Einzelfall von Erfordernissen abhängig macht, die einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses dienen und deren Einhaltung – in Analogie zur GoldenShares-Rechtsprechung in der Rechtssache Kommission/Belgien221 – in einem gerichtlichen Verfahren überprüft werden kann. In solchen z. B. steuer- oder verfahrensrechtlichen Anforderungen ist zwar zunächst regelmäßig eine tatbestandliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu erblicken; sie kann jedoch unter Umständen gerechtfertigt sein. Im Falle Daily Mail bspw. bezweckte die britische Regelung, die den Wegzug von der Genehmigung des Finanzministeriums abhängig machte, den Erhalt der möglichen Besteuerung der Veräußerung von Betriebsvermögen zu sichern222. Im Rahmen der Rechtfertigung kann der Geschöpftheorie Geltung verliehen werden, indem die Hürden niedriger angesetzt werden mögen als in Zuzugsfällen223. Dies deckt sich im Ergebnis mit der Lösung der Sitzverlegungsproblematik in Art. 8 SE-VO224 und der Aussage des Daily-Mail-Urteils, wonach kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darin zu erblicken sei, dass der Wegzug der englischen Gesellschaft der Genehmigung durch das Finanzministerium bedurfte225. Daran zeigt sich, dass Daily Mail in der Vergangenheit zu restriktiv und ohne ausreichende Berücksichtigung des zugrundeliegenden Sachverhalts interpretiert worden ist. Zuzugeben ist freilich aus heutiger Sicht, dass die dogmatische Konstruktion in Daily Mail unzutreffend war: Es wurde nämlich bereits eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auf der Schutzbereichsebene verneint – zutreffend wäre aber gewesen, eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des britischen Allgemeininteresses anzunehmen. (3) Klärung der Rechtslage durch die Cartesio-Entscheidung Im Vorabentscheidungsverfahren Cartesio Oktató és Szolgáltató Betéti Társaság hatte der Europäische Gerichtshof Gelegenheit zur endgültigen Klärung der

221 Zur entscheidenden Rolle des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen staatliche Maßnahmen, welche die Grundfreiheiten (hier die Kapitalverkehrsfreiheit) beeinträchtigen können, siehe EuGH v. 4.6.2002 – Rs. C-503/99 (Golden Shares III – Kommission/Belgien), NZG 2002, 624, Tz. 51 f. 222 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186 (2187). 223 Vgl. Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2243). Ähnlich Müller, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 2, IntGesR, Rn. 19, wo aber davon ausgegangen wird, dass die zwangsweise Liquidation in jedem Fall unverhältnismäßig und damit nicht zu rechtfertigen sei. 224 Dazu Müller, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 2, Art. 8 SE-VO, Rn. 7 ff. 225 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 (Daily Mail), NJW 1989, 2186.

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Wegzugsfälle innerhalb Europas. Er griff dabei dem Inkrafttreten der in Überarbeitung befindlichen Sitzverlegungsrichtlinie226 voraus. Das Verfahren betraf eine Kommanditgesellschaft ungarischen Rechts, deren Antrag auf Eintragung der Verlegung des operativen Verwaltungssitzes nach Italien ins ungarische Handelsregister abgelehnt worden war. Teilweise war ein overruling der Daily-Mail-Entscheidung erwartet worden227. Nach dem oben Ausgeführten bot sich dem EuGH eine vorzugswürdige differenzierte Handhabung der Wegzugsfälle innerhalb des gegenwärtigen Koordinatensystems der Niederlassungsfreiheit an. In ähnlicher Weise hatte auch GA Poiares Maduro dafür plädiert, in der Verhinderung des Wegzugs einer Gesellschaft eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit zu sehen. Die Mitgliedstaaten dürften es grundsätzlich nicht mit der „Todesstrafe“ sanktionieren, wenn eine Gesellschaft von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wolle. Jedoch könnten derartige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aus Gründen des allgemeinen öffentlichen Interesses gerechtfertigt sein. So sei etwa denkbar, dass die Mitgliedstaaten den Wegzug im Einzelfall an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen knüpften. Eine zwingende Auflösung sei aber jedenfalls nicht zu rechtfertigen228. Der EuGH hat sich diesen Erwägungen nicht im Detail, aber im hier interessierenden Kern angeschlossen. Der Gerichtshof hält die Ungleichbehandlung von natürlichen und juristischen Personen im Bereich der Niederlassungsfreiheit zwar teilweise aufrecht229. Unter Bezugnahme auf die Geschöpftheorie unterwirft er den Wegzug dem nationalen Recht des Gründungsstaats. Sehenden Auges überlässt es der Gerichtshof damit den Mitgliedstaaten, zu definieren, ob eine Gesellschaft in der Lage ist, von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen230. Dies soll aber nur für den eigentlich gefahrlosen Fall gelten, dass die wegzugswilligen Gesellschaft – wie im Falle Cartesio – nach dem Wegzug eine Gesellschaft nach dem Recht ihres Herkunftslands bleiben will231. DemgeZu dieser Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 61 ff. So etwa Kleinert/Schwarz, GmbHR 2006, R365 (R366). Zur Rechtssache Cartesio siehe auch Schmidtbleicher, BB 2007, 613 ff. 228 Zum Ganzen Schlussanträge des GA Poiares Maduro v. 22.5.2008 – Rs. C-210/ 06 (Cartesio Oktató és Szolgáltató Betéti Társaság), NZG 2008, 498, Tz. 31 ff. 229 Zu Recht weisen Zimmer/Naendrup, NZG 2009, 545 (546) darauf hin, dass sich nach der Argumentation des EuGH die Frage stellt, ob ein Mitgliedstaat ebenfalls seinen Staatsangehörigen die Staatsangehörigkeit entziehen darf, wenn diese von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wollen. 230 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), NZG 2009, 61, Tz. 110. Weil damit der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit nicht eröffnet war, brauchte der EuGH in Cartesio auch nicht auf die oben erwähnte Entscheidung in Sachen Hughes de Lasteyrie du Saillant einzugehen; dazu Zimmer/Naendrup, NZG 2009, 545 (546 f.), die eine alternative Begründung für dieses Ergebnis liefern. 231 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), NZG 2009, 61, Tz. 111. 226 227

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genüber hat der EuGH in einem gesellschafterfreundlichen obiter dictum klargestellt, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, wegzugswillige Gesellschaften durch ein generelles Auflösungsgebot davon abzuhalten, sich qua Statutenwechsel dem Recht des Zuzugsstaates zu unterstellen, sofern der Zuzugsstaat einen solchen identitätswahrenden Gesellschaftsformwechsel erlaubt232. Die Behinderung eines solchen stelle eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar233. Die Differenzierung des EuGH fragt also danach, ob das Gründungsrecht fortgilt oder nicht, hingegen nicht danach, ob der Satzungsoder der Verwaltungssitz verlegt wird. Das Urteil erlaubt einerseits – anders als oben entwickelt – die generelle Auflösung, wenn das Gründungsrecht nach Wegzug fortgelten soll, und hält andererseits – ebenso wie oben vertreten – den Wegzug mit Statutenwechsel für grundsätzlich zulässig. Aufgrund dieser Differenzierung des EuGH kann die Cartesio-Entscheidung mitnichten als Ende der liberalen Rechtsprechung zum Internationalen Gesellschaftsrecht angesehen werden234. Denn der identitätswahrende Wechsel in eine Gesellschaftsform des Zuzugsstaats hat weitaus größere Auswirkungen auf die Interessen von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern, Arbeitnehmern und anderen Betroffenen als die vom EuGH in die Kompetenz der Mitgliedstaaten gestellte Verlegung des Verwaltungssitzes unter Fortgeltung des Gründungsrechts235. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung bleibt festzuhalten, dass ein im Gesellschaftsstatut verankertes Gläubigerschutzsystem nicht nur zur Disposition von Gesellschaftsgründern, sondern auch wegzugswilliger Gesellschafter bereits etablierter Gesellschaften steht; der EuGH hat nämlich die Flucht aus einem restriktiven Gesellschaftsstatut durch Statutenwechsel im Grundsatz erlaubt. Ein vergleichbares Ergebnis ist im Übrigen unter Beachtung der §§ 122a ff. UmwG und ggf. der korrespondierenden ausländischen Regeln im Wege der Herausverschmelzung der wegzugwilligen Gesellschaft auf eine (ggf. eigens gegründete) ausländische Gesellschaft möglich236. Allerdings stellt sich die Frage, auf welche Weise der Statutenwechsel durch Wegzug erfolgen soll, wenn doch der Zuzugsstaat die zuziehende Gesellschaft im Gefolge der Überseering-Entscheidung des EuGH als Gesellschaft des Herkunftslands zu behandeln hat237. Im Anwendungsbereich der obiter skizzierten Fallgruppe braucht es daher noch konkretisierende Gesetzgebung238. 232 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), NZG 2009, 61, Tz. 112; der Vorbehalt der Erlaubnis durch das Recht des Zuzugsstaats bedeutet, dass die zuziehende Gesellschaft jedenfalls als Personengesellschaft des Zuzugsstaats anzusehen ist, Zimmer/Naendrup, NZG 2009, 545 (547 f.). 233 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 (Cartesio), NZG 2009, 61, Tz. 113. 234 So aber Kindler, NZG 2009, 130, ebenda, sub II. 235 Zimmer/Naendrup, NZG 2009, 545 (547) und supra Kapitel 2 – A. III. 3. d) (2). 236 Kindler, NZG 2009, 130 (132). 237 Dazu supra Kapitel 2 – A. II. 2. b).

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(4) Kein allgemeiner Übergang zur Gründungstheorie durch Abschaffung der §§ 4a Abs. 2 GmbHG a. F., 5 Abs. 2 AktG a. F. Auch das MoMiG leistet seinen Beitrag zur Diskussion um die Wegzugsfälle. Es möchte GmbH und AG volle Mobilität zugestehen239. Die §§ 4a Abs. 2 GmbHG a. F., 5 Abs. 2 AktG a. F. wurden gestrichen und es wird in § 4a GmbHG n. F. nur noch verlangt, dass der Satzungssitz im Inland liegt240. Wo hingegen der Verwaltungssitz belegen ist, bleibt den Gesellschaftern überlassen. Das soll nach ausdrücklicher Einschätzung des Regierungsentwurfs den Wegzug durch Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ermöglichen241. Um dies zu erreichen, muss dieser auf der sachrechtlichen Ebene angesiedelten Gesetzesänderung eine entsprechende gesetzgeberische Wertung auch für die kollisionsrechtliche Ebene entnommen werden242. Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass man in den §§ 4a GmbHG, 5 AktG n. F. versteckte Kollisionsnormen sieht243. Ferner muss der Aufnahmestaat der Gründungstheorie folgen oder jedenfalls die zuziehende Gesellschaft als deutsche zu behandeln haben, wie das seit Centros und Überseering für die EU-Mitgliedstaaten gilt244. Abgesehen davon, dass die sachrechtliche Neuregelung der kollisionsrechtlichen Problematik kaum gerecht wird, sind die §§ 4a GmbHG, 5 AktG auch aus einem anderen Grund kritisch zu sehen, der sich aus folgendem Vergleich ergibt. Eine Aussage für die kollisionsrechtliche Behandlung von Zuzugsfällen kann in die Streichung der genannten Vorschriften nicht hineininterpretiert werden245: Der Regierungsentwurf will allein deutschen Gesellschaften den Wegzug ermöglichen, keineswegs aber Gesellschaften aus Drittstaaten unter allgemeiner Anwendung der Gründungstheorie den Zuzug gestatten246. Das bedeutet, dass 238

Zimmer/Naendrup, NZG 2009, 545 (548 f.). Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2243), hatte dies schon beizeiten wegen ökonomischer und kultureller Interessen angeregt. 240 Art. 1 Nr. 4, 5 Nr. 1 MoMiG. 241 BT-Drucks. 16/6140, S. 69; zweifelnd Kindler, AG 2007, 721 (722). Zu den Vorteilen und Voraussetzungen der Verlagerung des Verwaltungssitzes ins Ausland aus Praktikersicht Otte, BB 2009, 344 f. 242 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (855 f.) zeigen auf, dass die geänderten sachrechtlichen Vorschriften nur die Satzungsautonomie beschränkten und nicht die alleinige Ursache der fehlenden Möglichkeit einer identitätswahrenden grenzüberschreitenden Sitzverlegung waren. 243 So die Deutung bei Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (205 f.). Kritisch zur Gesetzesänderung Hoffmann, ZIP 2007, 1581 ff.: „Stille Bestattung der Sitztheorie“. Zu in Sachnormen versteckten Kollisionsnormen von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 4 Rn. 14 ff. 244 Kindler, AG 2007, 721 (722); vgl. auch Preuß, GmbHR 2007, 57 (59 ff.). 245 So aber Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (856). 246 Vgl. zum Zuzug aus Drittstaaten auch BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68, Tz. 22. 239

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deutsche Gesellschaften beim Wegzug privilegiert, umgekehrt aber ausländische Gesellschaften aus Drittstaaten, die sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit oder eine entsprechende völkerrechtliche Vereinbarung berufen können, beim Zuzug nach Deutschland von den harten Folgen der Sitztheorie getroffen werden. Und bei einer Sitzverlegung in einen Sitztheoriestaat läuft die reformgesetzgeberische Maßnahme gänzlich leer: Der Zuzugsstaat würde die deutsche Gesellschaft nämlich dem inländischen Recht unterstellen, sodass gerade keine Gesellschaft deutschen Rechts mehr vorläge247. Angesichts dieser Ungereimtheiten hat der Deutsche Rat für IPR einen genuin kollisionsrechtlichen Vorschlag zur Regelung der Materie gemacht248. e) Wegzugsfälle unter Beteiligung von Drittstaaten In Wegzugsfällen unter Beteiligung von Drittstaaten können sich die wegzugswilligen deutschen Gesellschaften nicht auf die Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 43, 48 EG berufen. Zur Begründung der Zulässigkeit eines Wegzugs könnte aber auf die Wertungen einschlägiger Staatsverträge, etwa des DeutschAmerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags sowie des EWR-Vertrags, zurückgegriffen werden. Misst man den durch das MoMiG neugefassten §§ 4a GmbHG, 5 AktG kollisionsrechtliche Bedeutung bei, so bedarf es des Rekurses auf staatsvertragliche Wertungen nicht, da sich den Neuregelungen keinerlei Begrenzung (etwa auf binneneuropäische Sachverhalte) entnehmen lässt. 4. Die Perspektive des Referentenentwurfs zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen Die vom Deutschen Rat für IPR vorgelegten Vorschläge sind mittlerweile in den Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7.1.2008 eingegangen249. Der Referentenentwurf will das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht erstmals kodifizieren. In Art. 10 Abs. 1 EGBGB-E soll die Gründungstheorie als Sachnormverweisung festgeschrieben werden250. Damit wäre nicht nur der 247

Vgl. Kindler, AG 2007, 721 (722). Dazu Kindler, AG 2007, 721 (722) m.w. N. 249 Der RefE IntGesR kann unter http://www.bmj.de/files/-/2751/RefE%20Gesetz %20zum%20Internationalen%20Privatrecht%20der%20Gesellschaften,%20Vereine%20 und%20juristischen%20Personen.pdf abgerufen werden (zuletzt eingesehen am 18.3. 2008). 250 RefE IntGesR, S. 9, unter Verweis auf die Rechtsformwahlfreiheit (Gedanke des Art. 4 Abs. 2 EGBGB). 248

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alte Streit um den richtigen Anknüpfungspunkt entschieden, sondern es entfiele auch die oben aufgefächerte Differenzierung zwischen Zuzugs- und Wegzugsfällen sowie zwischen Sachverhalten unter Beteiligung von Drittstaaten und solchen unter Beteiligung von Mitgliedstaaten der EU, des EWR und der USA. Die Gründungstheorie soll zukünftig im Verhältnis zu allen Staaten der Erde gelten, gleichviel, ob es um Zuzug oder Wegzug geht. Im Interesse der Rechtssicherheit konturiert Art. 10 Abs. 2 EGBGB-E das Gesellschaftsstatut. Der Referentenentwurf geht darüber hinaus auch den kollisionsrechtlichen Fragenkreis der grenzüberschreitenden Verschmelzung (Art. 10a EGBGB-E) und des grenzüberschreitenden Formwechsels (Art. 10b EGBGB-E) an. Durch eine isolierte Maßnahme des deutschen Gesetzgebers können jedoch nicht alle Beschränkungen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften beseitigt werden. Auch in Zukunft wird nämlich das Internationale Gesellschaftsrecht des anderen beteiligten Staats zu befragen sein. Folgt dieser der Sitztheorie, kann eine deutsche Gesellschaft ihren Verwaltungssitz noch immer nicht identitätswahrend in diesen Staat verlegen. Aus Staaten, die der Sitztheorie folgen, ist auch kein Zuzug von Gesellschaften nach Deutschland möglich. Selbst wenn der Referentenentwurf mit dem gegenwärtigen Inhalt in Kraft treten sollte, änderte dies nichts daran, dass es langfristig eines internationalen Übereinkommens, etwa einer UN-Konvention, bedarf. IV. Konsequenzen des internationalgesellschaftsrechtlichen Paradigmenwechsels für den kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz 1. Rechtsformwahlfreiheit und Regulierungsarbitrage: Kapitalschutzsystem steht zur Disposition der Gesellschafter Centros, Überseering, Inspire Art und Cartesio haben die „Niederlassungsfreiheitsresistenz“ 251 des Internationalen Gesellschaftsrechts sukzessive beseitigt. Sie ist im Übrigen auch mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit252 der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nie zu vereinbaren gewesen. Nunmehr steht der Zuzug gering kapitalisierter EU-Scheinauslandsgesellschaften, die einem liberalen Gründungsrecht unterliegen, unter dem Schutz der

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Klinke, ZGR 1993, 1 (7). Dieser Grundsatz kommt bspw. in Art. 36 EuGVVO zum Ausdruck: Das Verbot einer révision au fond bei der Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten macht keinen Sinn, wenn nicht gleichwertige Rechtsstaatlichkeit unterstellt wird. Vgl. in diesem Zusammenhang zu Art. 27 Abs. 1 EuGVVO Thiele, RIW 2004, 285 ff. 252

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Niederlassungsfreiheit. Grundsätzlich ist das gesamte Gesellschaftsstatut dem Gründungsrecht zu entnehmen. Die Auffassung, zugezogenen Auslandsgesellschaften ihre ausländische Rechtsform zu belassen, sie dann aber dem inländischen Gesellschaftsrecht zu unterwerfen253, hat sich demgegenüber nicht durchgesetzt. Die Rechtsformwahlfreiheit der Gesellschaftsgründer in Europa erstreckt sich damit auf das gesamte Gesellschaftsrecht. Dies bedeutet, dass das im Gesellschaftsrecht mitgeregelte Gläubigerschutzsystem deutscher Prägung zur Disposition der Gesellschafter steht254: Fühlen sie sich durch die mit dem Kapitalschutzmodell einhergehenden Pflichten zu sehr beengt, steht es ihnen offen, eine Gesellschaft etwa nach dem Recht Großbritanniens, Frankreichs, Nevadas oder Liechtensteins zu gründen. Bekanntlich haben deutsche Unternehmensgründer von dieser Möglichkeiten durch die Wahl der englischen private limited company mannigfach Gebrauch gemacht255. Damit löste die Rechtsprechung des EuGH einen Wettbewerb der Regelgeber im Gesellschaftsrecht aus. Vor diesem Hintergrund sind alle gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Rechtsfragen und Regelungskomplexe zu überprüfen. Dies verdeutlicht die Auswirkungen der veränderten Bedingungen im Gesellschaftskollisionsrecht und zugleich den Umfang des GmbH-Reformprojekts. 2. „Zuwanderung“ zahlreicher englischer Limiteds a) Die „Zuwanderung“ in Zahlen Unter den nunmehr zur Auswahl stehenden Kapitalgesellschaften aus ganz Europa ragt die im Companies Act 2006 geregelte englische private company limited by shares heraus256. Dies zeigt sich allein schon an den Zahlen, in denen diese Rechtsform in die Bundesrepublik „zuwandert“: Zum Jahresbeginn 2005 gab es knapp eine Million GmbHs257. Diese Zahl darf als gesichert gelten. Unklarheit besteht jedoch hinsichtlich der Zahl nach Deutschland zugezogener Limiteds. Je nach Quelle und Berechnungsmethode heißt es, bis Dezember 2005 seien dies ca. 30.300 Limiteds gewesen, bei monatlich knapp 1.200 weiteren Zuzügen258. Nach anderen Ermittlungen waren es zu 253

In diesem Sinne namentlich Altmeppen, NJW 2004, 97 ff. Vgl. Merkt, ZGR 2004, 305 (316). 255 Dazu eingehend sogleich infra Kapitel 2 – A. IV. 2. 256 Vgl. Westhoff, GmbHR 2006, 525 ff.; Hirte, Die „Limited“ mit Sitz in Deutschland, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 34 ff. Kritisch Zöllner, GmbHR 2006, 1 (2 f.). 257 Kornblum, GmbHR 2005, 39 ff. ermittelt unter Auswertung aller deutschen Bestandszahlen der Abteilung B der Handelsregister zum 1.1.2005 eine Zahl von 1.006.157 GmbHs inklusive Zweigniederlassungen und ungefähr 996.000 exklusive Zweigniederlassungen. Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, A 67 geht von ca. 975.000 GmbHs aus. Pauschal eine Million nennt Zypries, BB-Special 7/2006, 1. 254

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diesem Zeitpunkt 20.000 Limiteds, von denen nur die Hälfte überhaupt Geschäftstätigkeit entfaltet habe259. Zum 1.11.2006 wurde die Zahl der Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland auf 46.000 geschätzt260. Zu beachten ist dabei jedoch, dass diese Limiteds seit der Überseering-Entscheidung des EuGH im November 2002 zugezogen sind. Im selben Zeitraum wurden 172.000 GmbHs gegründet. Manche meinen daher, auf 5,7 neugegründete Gesellschaften mbH komme bereits eine Limited 261. Auf dem ZGR-Symposion am 4.11.2006 sprach Eidenmüller – unter Einbeziehung der Dunkelziffer262 – sogar davon, dass „schon nahezu jede vierte von Deutschen gegründete, geschlossene Kapitalgesellschaft keine GmbH, sondern eine Ltd.“ 263 sei. Als gesichert darf wiederum gelten, dass der „Trend zur Limited“ bei Neugründungen von Gesellschaften mit ausschließlicher oder weit überwiegender Geschäftstätigkeit in Deutschland seit 2006 rückläufig ist264. b) Gründe für die Attraktivität der Limited im Vergleich zur GmbH (Überblick über das englische Gesellschaftsrecht) Aus Sicht eines Unternehmensgründers, der in den Genuss beschränkter Haftung265 kommen möchte, können folgende Vorzüge des englischen Kapitalge258 Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (2 f.). Ausführlich Westhoff, GmbHR 2006, 525 (526 f.), der konzediert, dass verlässliche Zahlen kaum ermittelbar sind, da die Limiteds der Eintragungspflicht bezüglich ihrer inländischen Zweigniederlassungen gem. §§ 13d I, 13e, 13g HGB, 10 GmbHG selten nachkommen: Nach einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern bestanden Mitte 2004 lediglich 1.500 eingetragene Zweigniederlassungen von Limiteds, Westhoff, GmbHR 2006, 525 in Fn. 12. Bei zugezogenen Limiteds dürfte in den Handelsregistern also nur die „Spitze des Eisbergs“ erfasst sein, a. a. O. (527). – Allein 28.000 Limited-Zuzüge nimmt der Gründungsdienstleister Go Ahead Limited für sich in Anspruch; so die Werbung auf dem Internet-Portal des Unternehmens, abzurufen unter http://www.go-limited.de/ (letzter Abruf am 30.05.2007). 259 Niemeier, ZIP 2006, 2237 ff. 260 Westhoff, GmbHR 2007, 474 ff. 261 Westhoff, GmbHR 2006, 525 (526). Der reichlich missglückte Werbeslogan, es seien „25 % aller GmbH-Gründungen [. . .] bereits Limiteds“ – so die der NJW beigelegte Broschüre der ,Go Ahead Limited-Beratung‘, Ausgabe IV/2005, S. 1, 12 und die Werbung im Internet, einzusehen unter http://www.go-limited.de/warum-limited/ein faches-gesellschaftsrecht.html (letzter Zugriff am 30.05.2007) – muss dementsprechend als gewagt bezeichnet werden. 262 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (172) rechnet mit einer Dunkelziffer von 100 Prozent. 263 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (169). 264 Niemeier, Status:Recht 2007, 246. 265 In England ist die Limited in Entsprechung zu § 13 Abs. 1, 2 GmbHG ebenfalls mit einer separate legal personality ausgestattet; dies folgt aus case law, in concreto aus der Jahrhundertentscheidung Salomon v. Salomon & Co. Ltd. [1897] AC 22 (HL); dazu etwa Fleischer, DStR 2000, 1015 (1017).

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sellschaftsrechts den Ausschlag für die Entscheidung gegen die GmbH als funktional bestvergleichbarer266 Inlandsrechtsform geben267: (1) Schnelle Gründung Zunächst ist die schnelle, kostengünstige, elektronisch mögliche Gründung der Limited zu nennen268. Dazu sind vier Dokumente und ein Scheck über 20 GBP beim Registrar of Companies im Companies House zu Cardiff einzureichen, sec. 9 ff. CA 2006269. Dort wird das Register zentral geführt. Die Limited entsteht mit der Ausstellung des certificate of incorporation, sec. 15 (1), 16 (3) CA 2006. Dies geschieht regelmäßig binnen fünf Tagen, ist jedoch bei Zahlung eines Aufpreises auch binnen eines Tages möglich, weshalb das englische Recht die in Deutschland diskutierte Problematik der Vorgesellschaft ignorieren kann270. Unter Geltung des CA 1985 war bei Verwendung einer Mustersatzung außerdem die notarielle Beurkundung entbehrlich271. Die Gesellschaft kann also unmittelbar von den Beteiligten gegründet werden272. Es braucht dazu auch nicht die Beifügung staatlicher Genehmigungen, wie z. B. einer Gewerbeerlaubnis (anders § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F.). Ob in der Gründungsdauer noch ein Vorteil der Limited gesehen werden kann, muss zunehmend in Zweifel gezogen werden: Früher mag vor Eintragung einer GmbH gem. § 11 Abs. 1 GmbHG ins dezentral geführte Handelsregister eine mehrwöchige, gegebenenfalls sogar monatelange273 Prüfung der Errichtung und Anmeldung der GmbH durch das Registergericht (§§ 9c GmbHG, 12 FGG) erforderlich gewesen sein274. Spätestens das EHUG hat die Gründungsdauer ei-

266 Zur funktionalen Rechtsvergleichung Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung3, § 3 II. 267 Zum Ganzen Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (173 f.). Vgl. ferner Zöllner, GmbHR 2006, 1 (3 ff.). 268 Dazu ausführlich Just, Die englische Ltd. in der Praxis2, Rn. 29–40; Lutter, BBSpecial 7/2006, 2 (3). Vgl. ferner die Preisliste auf dem Internet-Portal des Companies House, abrufbar unter http://www.companieshouse.gov.uk/toolsToHelp/ourPrices.shtml (letzter Zugriff am 24.3.2008). 269 Kasolowsky/Schall, Die Private Limited Company – England und Wales, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften2, § 4 Rn. 7 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (3). 270 Dazu Kasolowsky/Schall, Die Private Limited Company – England und Wales, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften2, § 4 Rn. 12. Zur Vorgesellschaft in Deutschland BGH v. 6.12.1993 – II ZR 102/93, BGHZ 124, 282 und ausführlich Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 11 Rn. 31–119. 271 Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (3). 272 Wachter, GmbHR 2005, 717 (722). 273 Westhoff, ZInsO 2004, 289 (292). 274 Zu den Prüfungsgegenständen Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 9c Rn. 9–11.

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ner GmbH jedoch erheblich reduziert275 und der Rückgriff auf Vorratsgesellschaften bleibt dem in Eile Befindlichen ohnehin unbenommen276. (2) Keine Vorschriften über eine Mindesthöhe des Stammkapitals Das Fehlen einer § 5 Abs. 1 GmbHG vergleichbaren Mindeststammkapitalvorschrift lässt den Gründern einer Limited freie Wahl bei der Festsetzung des gezeichneten Kapitals. Das in der Gründungsurkunde anzugebende nominal capital stellt keinen zuverlässigen Wert dar. Allein das tatsächlich gezeichnete Kapital (issued capital) ist gebundenes Gesellschaftskapital277. Im Jahre 1997 wiesen von ca. 1.080.200 existierenden Limiteds ca. 814.600 ein issued share capital von nicht mehr als 100 englischen Pfund auf278. Trotz des Fehlens von Mindeststammkapitalvorschriften steht die englische Rechtsprechung der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung äußerst ablehnend gegenüber279. (3) Laxe Vorschriften über die Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals Das issued capital muss bei der Anmeldung und später der Eintragung noch nicht einmal teilweise aufgebracht sein280 (anders §§ 7 Abs. 2, 3, 19 GmbHG a. F.). Als Sacheinlagen sind anders als im deutschen Recht281 auch Verpflichtungen zu Arbeitsleistungen der Gesellschafter einlagefähig. Wie im deutschen Recht (§ 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG) ist den Gesellschaftern die Festsetzung des Betrags der Stammeinlage überlassen, auf die sich die Sacheinlage bezieht. Jedoch wird die Bewertung der Sacheinlagen nicht überprüft; das englische Recht kennt keine registergerichtliche Kontrolle, die § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG entspräche282. Weil es somit keine Sachgründungsvorschriften gibt, die von den 275

Von „wenigen Tagen, oft sogar [nur] Stunden“ spricht Wachter, Status:Recht 2007, 245. 276 Zur rechtlichen Behandlung von Vorratsgesellschaften BGH v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158. 277 Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016). 278 Farrar/Hannigan, Farrar’s Company Law3, S. 44 f. 279 In Re Polly Peck International plc (in administration) [1996] 2 All E.R. 433, 447 führte ein Verhältnis von Eigen- zu Fremdmitteln von 25.000 sfr. zu 700 Mio. sfr. nicht zur Durchgriffshaftung der Gesellschafterin. Dazu Farrar/Hannigan, Farrar’s Company Law3, S. 80: „English company law, unlike US corporation laws, does not link limited liability with adequate capitalisation of the company.“ 280 Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016). 281 Zur Einlagefähigkeit nach deutschem Recht Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften4, § 26 Rn. 58. 282 Zum Ganzen Fleischer, DStR 2000, 1015 (1016); Kasolowsky/Schall, Die Private Limited Company – England und Wales, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften2, § 4 Rn. 10, 79 ff., 88 f.; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5).

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Gesellschaftern umgangen werden könnten, entfällt die Problematik der verschleierten Sacheinlagen. (4) Kein Sonderrecht für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen Gewähren die Gesellschafter der Limited Fremd- statt Eigenkapital, so treten die Rückzahlungs- und Vergütungsforderungen der Gesellschafter im Range nicht hinter die Forderungen anderen Gläubiger zurück283. Das zugeführte Fremdkapital wird nicht wie Eigenkapital behandelt, auch nicht, wenn es in der Krise der Gesellschaft zugeführt wird. Diese Handhabung kommt den Gesellschaftern sehr viel weiter entgegen als das deutsche Recht, das zur Sanktionierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen die §§ 32a f. GmbHG a. F., den Rangrücktritt, die Insolvenzanfechtung sowie die Rechtsprechungsregeln analog § 30 f. GmbHG a. F. kannte284. (5) Äußerst hohe Hürden vor Durchgriffshaftung Das mit der Selbständigkeit der juristischen Person einhergehende Trennungsprinzip wird strikt durchgehalten. Durchbrechungen des Trennungsprinzips im Sinne eines lifting the corporate veil steht die englische Rechtsprechung äußerst reserviert gegenüber285. Das englische Recht differiert insoweit erheblich vom Gesellschaftsrecht der US-Bundesstaaten286. (6) Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung Weil § 1 Abs. 1 MitbestG den Anwendungsbereich des Gesetzes auf einzelne Rechtsformen begrenzt, zu denen die Limited nicht gehört, wird die Wahl englischen Gesellschaftsrechts als legales Mittel zur Vermeidung der unternehmerischen Mitbestimmung angesehen287. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang die funktionale Entsprechung von GmbH und Limited und damit die internationalprivatrechtliche Substituier283

Fleischer, DStR 2000, 1015 (1017). Zur Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG siehe infra Kapitel 3 – B. IV. 285 Farrar/Hannigan, Farrar’s Company Law3, S. 66 ff.; Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194 (1195) m.w. N. aus der englischen Rechtsprechung; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (7). Ausführlich zur Gesellschafterhaftung in England Thole, Der Konzern 2008, 402 ff. Insofern nicht ganz präzise Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20), der die Haftung der Gesellschafter (piercing the corporate veil) und diejenige der Geschäftsleiter (wrongful trading) vermengt. 286 Dort nimmt die Durchgriffshaftung einen breiten Raum ein; dazu ausführlich Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 376 ff. 287 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (175). 284

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barkeit bejahen wollte288, so entstünde dadurch eine Anpassungsproblematik, weil das MitbestG auf die deutsche dualistische Gesellschaftsverfassung aufbaut, die Limited aber eine monistische Organisationsverfassung aufweist289. Äußerst fraglich ist zudem, ob unternehmerische Mitbestimmung in einer monistisch verfassten Gesellschaft mit dem GG vereinbar ist290. Im Übrigen läge eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor, wenn man die unternehmerische Mitbestimmung auf die Limited ausdehnte. Auch wenn der Arbeitnehmerschutz durch Mitbestimmung im Überseering-Urteil des EuGH bereits grundsätzlich als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt worden sein mag291 und die für die SE gefundene Kompromisslösung zeigt, dass die Mitbestimmung auf europäischer Ebene einen bestimmten Stellenwert genießt292, so scheitert eine Rechtfertigung im Lichte der Gebhard-Formel jedenfalls an der Erforderlichkeit der unternehmerischen Mitbestimmung. Denn offenbar geht auch der deutsche Gesetzgeber nicht davon aus, dass die unternehmerische Mitbestimmung aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes zwingend geboten ist – anders lässt sich der fragmentarische Anwendungsbereich des MitbestG nicht erklären293. (7) Sonstige rechtliche Motive für die Entscheidung zugunsten der Limited Für vorteilhaft wird teilweise auch gehalten, dass die Geschäftsanteile der Limited einfacher als gem. § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG a. F. gestückelt werden können und entgegen § 15 Abs. 3, 4 S. 1 GmbHG formlos übertragen werden können294. Ein weiteres, freilich unlauteres Motiv hat manche Gesellschaftsgründer geleitet: Bis der BGH diesen Praktiken entgegentrat295, wurde die Limited zur Bestellung von Geschäftsleitern genutzt, denen aufgrund von Insolvenzstraftaten gem. §§ 283 ff. StGB oder wegen eines Berufsverbots gem. § 70 StGB die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH gem. § 6 Abs. 2 S. 3, 4 GmbHG a. F. 288 Zur Substitution von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 239 ff.; Kropholler, IPR6, § 33. 289 Weller, AnwBl 2007, 320 (324). 290 Vgl. zur Frage der Verfassungskonformität der Mitbestimmung in der monistischen SE Kämmerer/Veil, ZIP 2005, 369 ff. 291 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 89. 292 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (184 f.). 293 Vgl. Eidenmüller, JZ 2004, 24 (28). 294 Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (3); Kasolowsky/Schall, Die Private Limited Company – England und Wales, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften2, § 4 Rn. 16, 91 ff. 295 BGH v. 7.5.2007 – II ZR 7/06, NJW 2007, 2328.

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versagt gewesen wäre296. Diese Limiteds firmierten zuweilen unter dem irreführenden Zusatz „GmbH Ltd.“, was nach englischem Firmenrecht zulässig ist297. Aus der Praxis wird ferner darauf aufmerksam gemacht, dass die englische Sprache und die vermeintliche Vertrautheit des internationalen Rechtsverkehrs mit den Begriffen und Strukturen des angloamerikanischen Rechtskreises bei der Entscheidung zugunsten der Limited eine gewichtige Rolle zu spielen vermögen298. (8) Außerrechtliche Gründermotive Bei der bisherigen Analyse der Vorteile der Limited wurde vom Bild des über die Rechtslage informierten, rational entscheidenden Gesellschaftsgründers ausgegangen. Es liegt jedoch nahe, dass auch außerrechtliche, z. B. marketingstrategische Motive bei der Entscheidung gegen die GmbH und für die Limited relevant sind. Ferner zeigt die neuere sozialpsychologische Forschung, dass der Mensch nicht nur als rationaler Marktteilnehmer, als homo oeconomicus, gesehen werden kann, sondern dass irrationale Motive und psychologische Phänomene wie der sog. Herdentrieb sein Handeln beeinflussen299; in der US-amerikanischen Forschung wird insoweit von animal spirits gesprochen. So fällt beispielsweise auf, dass der 2003 in Spanien als Reaktion auf das Phänomen des Zuzugs von Limiteds neu geschaffenen Rechtsform Sociedad Limitada Nueva Empresa (S.L.N.E.) kein nennenswerter Erfolg beschieden war300 und es muss stutzig machen, dass englische Limiteds auch aus solchen europäischen Ländern nachgefragt werden, die kein Mindeststammkapital kennen oder dieses abgeschafft haben301. Dies drängt den Schluss auf, dass die rechtliche Ausgestaltung der beteiligten Gesellschaftsrechtsordnungen nicht unbedingt das ausschlaggebende Kriterium bei der Entscheidung für die Limited ist. Nahe liegt, dass etwa dem Firmenzusatz302 „Ltd.“ ein vermeintlich modernes, internationales Flair zugeschrieben wird, das im Vergleich zur angeblich „verstaubten“

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Bormann, Financial Times Deutschland vom 29.5.2007, S. 29. Zur Frage einer analogen Anwendung von Haftungsvorschriften wie sec. 216, 217 IA 1986 des englischen Firmenrechts durch deutsche Gerichte (Fortentwicklung des englischen Rechts durch „deutsches case law“) Kasolowsky/Schall, Die Private Limited Company – England und Wales, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften2, § 4 Rn. 11. 298 Wachter, GmbHR 2005, 717 (718). 299 Vgl. dazu Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 153 f. m.w. N. 300 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (180, 182). 301 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (187). 302 Die Firma einer Limited mit Zweigniederlassung in Deutschland muss sowohl den Anforderungen des (liberalen) Gründungsrechts als auch des § 18 HGB genügen, OLG Frankfurt v. 19.2.2008 – 20 W 263/07, DB 2008, 1488 (1490). 297

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GmbH für junge Dienstleistungsunternehmen je nach Branche einen Wettbewerbsvorteil bringen soll. c) Nachteile der Limited im Vergleich zur GmbH (1) Sicherheitenbestellung durch die Gesellschafter üblich Eine „Ein-Pfund-Gesellschaft“ kommt kaum ernsthaft als Unternehmensträgerin in Betracht, weil ihr alsbald die Insolvenz droht303. Mangels Kreditwürdigkeit der Limited müssen ihre Gesellschafter damit rechnen, dass ihnen – wie im Vereinigten Königreich üblich304 – eine persönliche Sicherheit abverlangt wird. (2) Sicherheitenbestellung durch die Limited registrierungspflichtig Das englische Recht verpflichtet Limiteds, bestimmte Sicherheiten an ihrem Vermögen in einem vom Companies House geführten gesellschaftsrechtlichen Sicherungsregister eintragen zu lassen; widrigenfalls sind die Sicherheiten in der Insolvenz nicht wirksam305. Dies gilt auch dann, wenn deutsche Gerichte für das Insolvenzverfahren gem. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO international zuständig sind, weil die hauptsächlichen Interessen etwa bei einer Limited mit fast ausschließlicher Geschäftstätigkeit in Deutschland im Inland liegen. Denn die Registrierungspflicht ist eine Publizitätspflicht, die unlösbar mit dem englischen Konzept verknüpft ist, das Fehlen eines Mindeststammkapitals durch Transparenz und Publizität zu kompensieren306. Sie ist wegen ihres gläubigerschützenden Telos gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren und richtet sich daher nach dem Gründungsrecht. (3) Strenge Kapitalerhaltungsregeln Seit 1882 ist im englischen common law anerkannt, dass Vermögensauskehrungen an die Gesellschafter nur aus realisierten Gewinnen erfolgen dürfen307. Der Gesetzgeber hat diese Regel in sec. 830 CA 2006 übernommen: „Distributions to be made only out of profits available for the purpose“.

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Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5). Fleischer, DStR 2000, 1015 (1017 f.). Dort wird auch ausgeführt, dass die Möglichkeit besteht, den Forderungen von auf bestimmte Weise gesicherten Gläubigern den Vorrang einzuräumen (floating charge). 305 Lenhard, RIW 2007, 348 (349, 352); dort (350 f.) eingehend zum universalen räumlich-persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Registrierungspflicht. 306 Lenhard, RIW 2007, 348 (354). 307 Fleischer, Verdeckte Gewinnausschüttung und Kapitalschutz, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 114 (121 ff.). 304

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Diese Regelung entspricht den Vorgaben der Kapitalrichtlinie, die der englische Gesetzgeber auf die private limited company ausgedehnt hat308. Sie ist deutlich strenger als das bilanzielle Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG, das Auszahlungen an die Gesellschafter auch dann zulässt, wenn sie sich nicht aus realisierten Gewinnen speisen, sofern nur die satzungsmäßige Stammkapitalziffer nicht angetastet wird309. Im Zuge der Reform des Companies Act wurde der Übergang zur Kapitalerhaltung durch einen Solvenztest diskutiert310. Ein solcher wurde aber vom englischen Gesetzgeber nur für die Zwecke der Kapitalherabsetzung eingeführt, sec. 642 ff. CA 2006. Hinzukam lange, dass eine Limited keine eigenen Anteile erwerben durfte. Das unter dem CA 1985 ferner geltende grundsätzliche Verbot, dass die Gesellschaft (zukünftige) Gesellschafter nicht beim Anteilserwerb unterstützen darf (financial assistance), gilt nach der Reform des Jahres 2006 aber nur noch für Public Limited Companies (sec. 678 CA 2006)311. (4) Kostenträchtige Publizität und Folgen einer drohenden Löschung der Gesellschaft Mit der Limited sind laufende und teils kostenträchtige Publizitätspflichten verbunden. Zu den Pflichten gehören insbesondere die Offenlegung des Jahresberichts (annual return) und des Jahresabschlusses (annual account) im englischen Gesellschaftsregister312. Der annual return hat umfassend über die Kapitalstruktur der Gesellschaft Auskunft zu geben. Der annual account ist nach englischem Bilanzrecht (UK-GAAP) in englischer Sprache zu erstellen und muss durch einen englischen Wirtschaftsprüfer geprüft sein313. Die Dokumente werden in der Regel online zugänglich gemacht314. Die Nichtbeachtung der Publizitätspflichten kann Geldbußen und die Löschung der Kapitalgesellschaft nach sich ziehen. Letzteres führt zum Wegfall des Haftungsprivilegs315. Freilich bleibt die gelöschte Limited in Deutschland 308 Vgl. Art. 15 f. der Kapitalrichtlinie. Diese gilt zwar nur für die AG und vergleichbare Rechtsformen. Der englische Gesetzgeber sieht jedoch traditionell die private und die public limited company als Varianten derselben Organisationsform an, vgl. Tal, GmbHR 2007, 254. 309 Zöllner, GmbHR 2006, 1 (6). Zum Vergleich von § 30 I GmbHG mit dem strengeren, der Kapitalrichtlinie entsprechenden Kapitalerhaltungsgebot des AktG siehe Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 18 ff. 310 Vgl. Zöllner, GmbHR 2006, 1 (6). 311 Zum Ganzen Tal, GmbHR 2007, 254 (257). 312 Im Falle einer Zweigniederlassung in Deutschland ist diese Dokumentation gem. §§ 325a I, 325 HGB auch im elektronischen Bundesanzeiger offenzulegen. 313 Zu diesem Komplex Fleischer, DStR 2000, 1015 (1019); Just, Die englische Ltd. in der Praxis2, Rn. 262 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5). 314 Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5).

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als rechts- und parteifähige „Restgesellschaft“ bestehen, solange in Deutschland noch Vermögen vorhanden ist, das keinem anderen Rechtssubjekt zugeordnet werden kann316. Darüber hinaus hat die Löschung auch steuerliche Auswirkungen auf inländische Gesellschafter: Die Einkünfte der nicht mehr existenten Limited werden nach dem Welteinkommensprinzip den Gesellschaftern zugerechnet und somit bei den Gesellschaftern mit Wohnsitz im Inland besteuert. Da das Companies House die zur Löschung anstehenden Limiteds im Internet auflistet, ist diese Besteuerung den deutschen Finanzbehörden ein Leichtes317. (5) Staatsaufsicht Wenn Anhaltspunkte für missbräuchliche oder gesetzeswidrige Gesellschaftsgründungen bestehen oder wenn die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft evident unzureichend ist, kann der englische Secretary of State eine Sonderprüfung (company investigation) anordnen, sec. 1035 ff. CA 2006. Diese kann in der Disqualifizierung von Geschäftsleitern oder der Auflösung der Gesellschaft enden318. Letzteres kommt nicht selten vor319. (6) Strenge Geschäftsleiterhaftung Offenbar genügen Publizität und Staatsaufsicht nicht zur Herstellung effektiven Gläubigerschutzes. Anders ist nicht zu erklären, dass das englische Recht die Geschäftsleiter über den Tatbestand des wrongful trading gem. sec. 214 Insolvency Act 1986 verstärkt in die Haftung nimmt. Sie haften bei Auftreten einer Unternehmenskrise, wenn sie im Stadium der Krise nicht jeden möglichen Schritt unternommen haben, um den Schaden für die Gesellschaftsgläubiger möglichst gering zu halten. Ein Verschulden wird vermutet, der Geschäftsleiter muss sich entlasten320. In subjektiver Hinsicht genügt, dass er die Unvermeidbarkeit der Insolvenz hätte vorhersehen können321. Zwar ist auch im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. die Beweislast teilweise umgekehrt322. Aber andererseits sind die haftungsbegründenden Anforderungen an 315 316 317 318 319 320 321 322

Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5). OLG Nürnberg v. 10.8.2007 – 13 U 1097/07, NZG 2008, 76. Zum Ganzen Tietjen, Financial Times Deutschland vom 4.3.2008, S. 29. Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (21). Fleischer, DStR 2000, 1015 (1019). Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194, sub 2.1. Zum Ganzen Fleischer, DStR 2000, 1015 (1018). BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

das Rechtsinstitut des wrongful trading noch nicht gänzlich geklärt323. Außerdem setzt die deutsche Insolvenzverschleppungshaftung den Insolvenzfall voraus, während wrongful trading bereits im Vorfeld der Insolvenz eingreift324. Für den Geschäftsleiter ist die Haftung wegen wrongful trading aufgrund der Rechtsunsicherheit somit das größere Risiko. Daneben kann eine Geschäftsleiterhaftung wegen fraudulent trading eingreifen. Sie hat jedoch aufgrund der hohen subjektiven Voraussetzungen (Nachweis einer betrügerischen Absicht des director) geringe Bedeutung325. (7) Doppeltes Jahresabschlusswesen Hat die Limited ihren Verwaltungssitz in Deutschland, so ist sie im Inland gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in Verbindung mit § 10 AO und dem deutsch-englischen DBA unbeschränkt steuerpflichtig. Daher ist zusätzlich zur Dokumentation nach englischem Recht326 eine deutsche Steuerbilanz vonnöten, sodass ein doppeltes Jahrensabschlusswesen erforderlich ist327. (8) Die hohe „Frühsterblichkeitsrate“ der „deutschen“ Limited Der Limited mit Verwaltungssitz und ausschließlicher Geschäftstätigkeit in Deutschland wird eine kurze Lebensdauer attestiert328. Es heißt, bereits nach einem Jahr Geschäftstätigkeit meldeten ca. 50 Prozent der Limiteds ihr Gewerbe ab, nach zwei Jahren schon 97 Prozent329. Die Ursache dafür wird in der geringen Eigenkapitalausstattung dieser Gesellschaften gesehen330. d) Fazit: Fehlen eines präventiven Gläubigerschutzes im Recht der Limited Das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht verlangt aus Gründen des präventiven Gläubigerschutzes traditionell die effektive Aufbringung eines Mindeststammkapitals, bevor den Gesellschaftern die Haftungsbeschränkung gewährt wird. Ins323

Dazu Fleischer, DStR 2000, 1015 (1018); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20). Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 144; dazu auch Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194 (1195). 325 Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 144; Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194 (1195). 326 Dazu supra Kapitel 2 – A. IV. 2. c) (4). 327 Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, S. 25; Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5). 328 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (172 f.). 329 Niemeier, Status:Recht 2007, 246. 330 Zum Ganzen überblicksartig Niemeier, Status:Recht 2007, 246. 324

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besondere die Bewertung von Sachgründungen wird registergerichtlich geprüft, § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG a. F. Das deutsche Konzept setzt mithin auf eine strenge, präventive Eingangskontrolle. Demgegenüber kann die englische Limited ihre Geschäftstätigkeit mit sehr viel geringerem Aufwand beginnen; das englische Recht ist insofern dem deutschen Kapitalgesellschaftsrecht in seiner Gestalt vor der Aktienrechtsnovelle 1884 nicht unähnlich. Deshalb wird zu klären sein, ob das MoMiG, das erklärtermaßen zum Ziel hat, den Wettbewerb mit der Limited aufzunehmen und dementsprechend die Attraktivität der GmbH im Vergleich zur Limited zu steigern, hinter den Stand von 1884 zurück strebt. 3. Wettbewerb der Rechtsformen und Regelgeber Wie gezeigt, veränderten die auf die Niederlassungsfreiheit gestützten Urteile des EuGH das nationale Gesellschaftskollisionsrecht mit der Folge, dass die bisher durch die Sitztheorie geschützten inländischen Rechtsformen nunmehr dem Wettbewerb mit ihren europäischen Pendants ausgesetzt sind. Deutschen Gesellschaftsgründern steht heute neben den inländischen eine große Auswahl an ausländischen Rechtsformen zur Verfügung. Mit dieser Rechtsformwahlfreiheit geht selbstverständlich auch die Möglichkeit der Regulierungsarbitrage einher. Nach den oben angeführten Zahlen kann zwar festgehalten werden, dass die GmbH nicht durch die Limited verdrängt werden wird. Aber das Phänomen der zunächst stark angestiegenen Zahlen von Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland hat ein Bedürfnis seitens der Gesellschafter nach schneller Gründung ohne Mindeststammkapitalaufbringung offenbart. Der Wettbewerb im Gesellschaftsrecht ist aber nicht nur ein Wettbewerb um potentielle Gesellschaftsgründer: Aufgrund der Verschmelzungsrichtlinie und mit Einschränkungen auch der Cartesio-Entscheidung331 besteht die Rechtsformwahlfreiheit grundsätzlich auch während der Tätigkeitsphase der Gesellschaft. Damit liegt mittelfristig auch ein Wettbewerb zwar nicht zwingend um den Standort, sehr wohl aber um die Rechtsform etablierter Unternehmen vor332. Man kann insoweit von einem Markt für Rechtsprodukte sprechen, wie das in den USA seit langem der Fall ist333. Die oben empirisch belegten Wünsche der Nachfrager sind auf dem Markt für Rechtsprodukte ernst zu nehmen. Diesen Entwicklungen vermag sich der nationale Gesetzgeber nicht zu entziehen. Der Wettbewerb zwingt zur Modernisierung des nationalen Gesell331

Dazu supra Kapitel 2 – A. III. 3. d) (3). Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (174 ff.). 333 Romano, Journal of Law, Economics and Organization 1 (1985), 225 ff.: „Law as a product“. 332

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schaftsrechts und verlangt dabei Reformen, zu denen mancher Mitgliedstaat – je nach Sichtweise – aus eigener (politischer) Kraft nicht imstande334 oder aufgrund eines eigenständigen rechtskulturellen Gestaltungswillens nicht bereit wäre335. Der einstige „Exportartikel“ 336 GmbH hatte sich in Deutschland seit über einem Jahrhundert bequem eingerichtet und eine Fülle an Rechtsstoff generiert337. Durch den Wettbewerb gerieten bekannte und – bisher – bewährte Institutionen wie etwa das deutsche Kapitalschutzsystem unter Legitimationszwang338. Teile des GmbHG waren unter „existenzbedrohenden Druck“ 339 geraten. Dementsprechend gelangten Schrifttum340 und Gesetzgeber341 zur Überzeugung, dass eine Generalrevision des GmbHG unter dem Gesichtspunkt der Regelungseffizienz vonnöten sei342. 4. Europäisches „race to the bottom“? In der Ökonomie gilt Wettbewerb als effizienz- und damit wohlstandssteigernd343. Die positive Wirkung des Wettbewerbs der Rechtsformen344 wird 334 Sandrock, BB 2002, 1601 ff.; vgl. auch Merkt, RIW 2003, 458 (459 f.) und Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (821 ff.). 335 Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 182 ff. 336 Lutter, Die Entwicklung der GmbH, in: FS GmbHG, S. 49. 337 Im Zusammenhang mit dem Eigenkapitalersatzrecht und der Rechtsprechung zu den verschleierten Sacheinlagen spricht Merkt, ZGR 2004, 305 (311) von einer „Überzüchtung“ des GmbH-Rechts. 338 Vgl. Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3–6 m.w. N. in Fn. 1. 339 Merkt, RIW 2004, 1 (4). Ebenso Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (185). 340 Bereits 1999 zeigte Merkt, Das Centros-Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Konsequenzen für den nationalen Gesetzgeber, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion – Jahrestagung 1999 der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung, S. 111 ff., die Konsequenzen für den nationalen Gesetzgeber auf. Vgl. ferner aus jüngerer Zeit Gehb/ Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (90). Siehe auch Hirte, Die „Limited“ mit Sitz in Deutschland, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 89 ff. m.w. N. in Fn. 289. A.A. insb. Altmeppen, NJW 2004, 97 (103 f.) sowie Zöllner, GmbHR 2006, 1 ff. 341 Bundesjustizministerin Zypries, BB-Special 7/2006, 1, ebenda, verspricht sich vom MoMiG, es werde die GmbH für den internationalen Wettbewerb rüsten. 342 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1158); vgl. auch Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (821 ff.), der die Schaffung eines europäischen Gesellschaftsrechts fordert. 343 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2235 ff.). Die Wettbewerbstheorie wird auf Adam Smith, An Inquiry Into the Wealth of Nations, 1789, zurückgeführt (zitiert nach Pohlmann, Ad Legendum 2005, 138, Fn. 4). 344 Zum Wettbewerb der Gesetzgeber im Gesellschaftsrecht eingehend Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 ff.; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2235 ff.); Grundmann, ZGR

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demgegenüber von gewichtigen Stimmen vehement bestritten: Während manche einen Wettstreit um das beste, praxisgerechteste Gesellschaftsrecht sehen345, fürchten andere das stetige Absinken drittschützender Standards346. Justice Brandeis formulierte in seiner dissenting opinion zur Entscheidung des U.S. Supreme Court in der Sache Liggett v. Lee die Hauptthese der Wettbewerbsgegner: „Companies were early formed to provide charters for corporations in states where the cost was lowest and the laws least restrictive . . . The race was one not of diligence but of laxity.“ 347

Die systematische Deregulierung des Gesellschaftsrechts durch im Wettbewerb miteinander stehende Regelgeber hat man als „Delaware-Effekt“ bezeichnet348. Dem US-Bundesstaat Delaware ist es gelungen, mit seinem liberalen und regelmäßig an die Markterfordernisse angepassten Gesellschaftsrecht eine unvergleichbare Anziehungskraft auf Kapitalgesellschaften auszuüben. Ob die These vom „race for laxity“ bzw. „race to the bottom“ jedoch wirklich zutrifft, lässt sich gerade am Beispiel Delawares bezweifeln349. Denn immerhin unterliegen dem Recht von Delaware nach Angaben des zuständigen Ministeriums 50 Prozent der in den USA börsengelisteten Unternehmen und 60 Prozent der Fortune-500-Companies, denen Anleger weithin ihr Vertrauen schenken350. Auch wenn das Anlegervertrauen teilweise den bundesrechtlichen securities laws geschuldet sein mag, die unabhängig vom Ort der Inkorporierung gelten, hat das Gesellschaftsrecht von Delaware einen unbestreitbaren Vorteil: Aufgrund der Inkorporierungsdichte hat sich früh eine besondere Expertise der corporate bench Delawares und damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit herausgebildet351.

2001, 783 ff.; Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 ff.; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 332 ff. 345 Romano, Journal of Law, Economics and Organization 1 (1985), 225 ff. Bei gleicher Grundhaltung konzediert Grundmann, ZGR 2001, 783 (788) m.w. N., dass es u. U. zu Marktversagen kommen kann. 346 Wegweisend Cary, The Yale Law Journal 83 (1973–1974), 663 (664, 666, 700) und Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 14 II 1a, aa). Ebenso der BGH in seiner Überseering-Vorlageentscheidung, BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 (413). 347 Louis K. Liggett Co. v. Lee, 288 U.S. 517 [558 f.] (1933). 348 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (547, 549 ff.) m.w. N. 349 Sandrock, BB 2002, 1601: „race to the top“. 350 Vgl. die Angaben auf dem Internet-Portal des State of Delaware, Department of State: Division of Corporations, http://www.corp.delaware.gov/aboutagency.shtml (letzter Abruf am 15.6.2007) sowie Grundmann, ZGR 2001, 783 (786) und Hommelhoff/ Teichmann, StudZR 2006, 3 (6). 351 Romano, Journal of Law, Economics and Organization 1 (1985), 225 (281); Hay, Law of the United States, Rn. 603; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (554, 566 f.).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

In Europa wurde die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts von der Europäischen Kommission lange Zeit gerade deshalb betrieben, um einen Wettbewerb der Regelgeber zu verhindern352. Ziel war dementsprechend die Vollharmonisierung353. Diese stand jedoch schon in den ausgehenden 1970ern vor nahezu unüberwindbaren Hindernissen. Dies wird durch das Schicksal der Strukturrichtlinie354 eindrucksvoll belegt, die für Aktiengesellschaften das dualistische Leitungssystem und die unternehmerische Mitbestimmung zwingend vorschreiben wollte und als definitiv gescheitert bezeichnet werden kann355. Die Gesellschaftsrechtsangleichung geriet darob in die Krise und ebbte ab356. Der Vertrag von Maastricht brachte mit dem Subsidiaritätsprinzip einen weiteren hemmenden Faktor357. Seither wurde die Rechtsangleichung mehr und mehr auf punktuelle Maßnahmen konzentriert und durch den heute zu beobachtenden Wettbewerb auf der dezentralen Ebene ersetzt: Nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts liegt die Regelungskompetenz für die geschlossene Kapitalgesellschaft in den Händen der Mitgliedstaaten. Zugleich hat die Auslegung der Niederlassungsfreiheit in den Entscheidungen Centros, Überseering und Inspire Art Gesellschaftsgründern die Möglichkeit eröffnet, auf dem europäischen Markt für Rechtsprodukte law shopping358 zu betreiben359. Damit entscheidet der Markt über den Erfolg oder Misserfolg der vielfältig angebotenen Gesellschaftsrechtsprodukte. Wenn einzelne Länder wie Spanien und Frankreich sich um die attraktivere Ausgestaltung ihres Gesellschaftsrechts bemühen360, müssen andere Schritt halten. Auch das Vereinigte Königreich hat 352 Vgl. Timmermanns, RabelsZ 48 (1984), 1 (14); Grundmann, ZGR 2001, 783 (789) m.w. N. in Fn. 19. Ob in der Hochblüte der Gesellschaftsrechtsharmonisierung aber überhaupt ein Delaware-Effekt in Europa drohte, hat Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 ff. in Frage gestellt. 353 Merkt, RIW 2004, 1 (2). Vgl. ferner Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (221): „Die Kommission begreift Art. 54 III lit. g EGV als Grundlage einer umfassenden Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht; sie befürwortet darüber hinaus eine [. . .] Angleichungsbefugnis über das herkömmliche Gesellschaftsrecht hinaus“. 354 Dritter geänderter Vorschlag einer Fünften Richtlinie über die Struktur der Aktiengesellschaft vom 20.11.1991, ABl., 12.12.1991, Nr. C 321/9; dazu Lutter, Europäisches Unternehmensrecht4, S. 171 ff. 355 So Merkt, RIW 2004, 1 (2); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht 2, Rn. 57. 356 Dazu Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (197). 357 Vgl. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht 2, Rn. 74. 358 Formulierung nach Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (14). 359 Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 99 f.; Wernicke, EuZW 2002, 758 (759, 761). Vgl. dazu bereits supra Kapitel 2 – A. IV. 1. 360 Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (18). Zu den nationalen Reformen in Europa im Einzelnen Wachter, GmbHR 2005, 717 (719 f.). Zur französischen „EinEuro-S.A.R.L.“ Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 ff. Zur spanischen S.L.N.E. Embid Irujo, RIW 2004, 760 ff.

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sein – aus Sicht deutscher Beobachter – „ohnehin schon liberales“ 361 Gesellschaftsrecht weiter modernisiert und liberalisiert, weil der Abschlussbericht des Secretary of State for Trade and Industry im Jahre 2002 zu einem ernüchternden Ergebnis kam: „[British company law] has become a competitive disadvantage“ 362. Der Wettbewerb auf der gleichrangigen Ebene der mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechtsgesetzgebung erweist sich als Rechtsgenerator: In Ermangelung eigener Rechtssetzungskompetenz ist es dem EuGH gelungen, einen dezentralen Gesetzgebungsprozess in den Mitgliedstaaten einzuleiten363. Man kann den Urteilen in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art mithin katalytische Wirkung für das dezentrale Entdeckungsverfahren der verschiedenen Regelgeber zusprechen364. Dahinter steht die Idee, dass sich die überlegene Form der geschlossenen Kapitalgesellschaft allmählich entwickelt und durchsetzt, anstatt dass sie zentral geregelt und den Mitgliedstaaten vorgegeben würde365, zumal die zentrale Rechtssetzung in Europa in der Regel schwerfällig ist366. Im Ergebnis geht es also um einen Verlust des gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten, aber nicht etwa zugunsten der höherrangigen EUEbene, sondern zugunsten derjenigen gleichrangigen Mitgliedstaaten, die das für Gesellschafter attraktivste Rechtsprodukt anbieten. Daran ist mit Verve kritisiert worden, dass über die Marktfreiheiten die Zerstörung einzelstaatlicher Organisationskompetenz und regionaler Rechtskultur sowie die Entmachtung des allein demokratisch voll legitimierten nationalen Gesetzgebers betrieben werde. Nach der Entscheidungstrias des EuGH zum Internationalen Gesellschaftsrecht könne ein Mitgliedstaat „heute nicht mehr das Recht gesetzgeberisch regeln, dem eine in seinem Land schwerpunktmäßig tätige Gesellschaft unterliegt.“ 367 Dem ist zu entgegnen, dass Modernisierung des Gesellschaftsrechts nicht zwingend ein erhebliches Absinken des Niveaus schützender Rechtsstandards in Europa bedeutet: Zum einen stellt die bisherige Rechtsangleichung durch die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien bereits ein

361

Formulierung nach Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (186). Nachweis bei Wachter, GmbHR 2005, 717 (718), Fn. 15. Zur englischen Reformdiskussion und dem harten Urteil der Company Law Review Steering Group über die derzeitige Rechtslage Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 467: „Too much of British company law frustrates, inhibits, restricts and undermines.“ Der Companies Act 2006 erhielt am 8.11.2006 den Royal Assent. 363 Vgl. Eidenmüller, JZ 2007, 487 (489 f.). 364 Vgl. Grundmann, ZGR 2001, 783 (806 f.). Dies bezweifelt Wachter, GmbHR 2005, 717 (719) auf der Grundlage, dass aus anderen europäischen Ländern kein spürbarer Wettbewerb berichtet werde. 365 Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (207). 366 Vgl. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht 2, Rn. 16. 367 Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 182 ff. 362

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

nicht unbeträchtliches Schutzniveau sicher368. Zum anderen bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, unter Beachtung der Niederlassungsfreiheit rechtliche Instrumente zu entwickeln, mit denen opportunistisches Gesellschafteroder Geschäftsleiterverhalten sanktioniert werden kann; ein entsprechender Vorschlag wird im 4. und 5. Kapitel dieser Arbeit unterbreitet. Letztlich wäre das vom EuGH konzipierte Verständnis der Niederlassungsfreiheit nur dann kritikwürdig, wenn unter der Geltung des traditionellen, früher durch die Sitztheorie geschützten Kapitalschutzsystems entweder die Insolvenzanfälligkeit von Gesellschaften geringer oder wenigstens ihre Insolvenzmasse größer gewesen wäre als in anderen europäischen Rechtsordnungen. Das war jedoch mitnichten der Fall: Die Insolvenzanfälligkeit war im Vereinigten Königreich statistisch deutlich niedriger als in Deutschland369 und hängt im Übrigen auch stärker von konjunkturellen als von rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Hinsichtlich der Insolvenzmasse zeigt die Statistik des Jahres 1998, dass in 73,6 Prozent der Fälle Masselosigkeit vorlag, wobei die Fälle, in denen wegen erkennbarer Massearmut schon kein Insolvenzantrag gestellt wurde, gar nicht berücksichtigt sind370; in den eröffneten Insolvenzverfahren lag die Befriedigungsquote bei lediglich 10 Prozent371. Angesichts solcher Zahlen kann kaum von einer schützenswerten Überlegenheit des tradierten deutschen Gläubigerschutzsystems gesprochen werden. Schlussendlich bleibt auch immer noch die weitere Harmonisierung notwendiger Schutzbestimmungen über Art. 44 Abs. 2 lit. g EG, falls die Rechtsformwahlfreiheit in Europa echte Schutzlücken und Marktversagen produzieren sollte; die Wettbewerbssituation zwingt die Mitgliedstaaten hierbei zum Kompromiss372. V. Ergebnisse in Thesen 1. Die Unterwerfung von Gesellschaften unter das Sitzrecht war in Deutschland traditionell das internationalgesellschaftsrechtliche Instrument zur Durchsetzung der inländischen gesellschaftsrechtlichen Konzeptionen. 2. Im deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht vollzog sich in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel. Gegenwärtig zerfällt die Anknüpfung der lex societatis in verschiedene Fallgruppen. 3. Nach den auf die Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 43, 48 EG gestützten Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centros, Überseering und 368 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht 2, Rn. 16. Vgl. auch schon supra Kapitel 2 – A. I. 3. b) (1). 369 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (185 f.) m.w. N. 370 Meyer, GmbHR 2002, 242 (252). 371 Angabe nach Drenckhan, Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, S. 29. 372 So auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (187 f.).

A. Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht

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Inspire Art ist die jüngere Rechtsprechung des BGH in Zuzugsfällen zur Gründungsanknüpfung übergegangen. Das gilt im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der EU, des EWR sowie den USA. In Zuzugsfällen taugt die Sitztheorie also nur noch im Verhältnis zu Drittstaaten als Abwehrinstrument gegen Scheinauslandsgesellschaften. 4. In Wegzugsfällen gewährleistet die Niederlassungsfreiheit nach dem Cartesio-Urteil des EuGH zwar nicht den Wegzug unter Fortgeltung des Gründungsrechts, sehr wohl aber einen Wegzug, mit dem sich die wegziehende Gesellschaft dem Recht des Zuzugsstaats unterstellt. Nach der hier entwickelten Auffassung steht die Niederlassungsfreiheit der generellen Verweigerung des Wegzugs in jedem Fall entgegen. Eine Verweigerung im Einzelfall, gegen die gerichtlicher Rechtsschutz offensteht, kann aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Hierbei gelten in Einklang mit der früheren Rechtsprechung des EuGH geringere Voraussetzungen als in Zuzugsfällen. 5. Über diesen Stand will der Referentenentwurf des Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7.1.2008 hinausgehen: Die Gründungstheorie soll im Verhältnis zu allen Staaten der Erde übernommen werden, ohne Ansehung von Zuzug oder Wegzug. 6. Schon heute gilt die Gründungsanknüpfung für das gesamte Gesellschaftsstatut. Damit steht das Gläubigerschutzsystem der GmbH zur Disposition der Gesellschafter. Fühlen sie sich zu sehr beengt, steht es ihnen offen, ihr Unternehmen in Deutschland in einer Rechtsform eines Mitgliedstaats der EU, des EWR oder der USA zu betreiben (Rechtsformwahlfreiheit). 7. Die Rechtsformwahlfreiheit löste einen Wettbewerb der nationalen Gesellschaftsrechte im Bereich der geschlossenen Kapitalgesellschaften aus. 8. Das Aufkommen englischer private limited companies mit ausschließlicher Geschäftstätigkeit in Deutschland ist ein Phänomen, das auf Defizite des deutschen GmbH-Rechts hinweist. 9. Die englische Limited lässt sich schneller und unkomplizierter gründen als eine GmbH und kommt ohne Mindeststammkapital aus. Ähnliches gilt für corporations quasi aller US-Bundesstaaten. 10. Gesellschaftsgläubiger werden in diesen Staaten auf anderem Wege geschützt, insbesondere durch mehr Transparenz und Publizität sowie durch repressive Instrumente, etwa durch Staatsaufsicht oder Figuren der Durchgriffshaftung. Mit dem MoMiG hat sich der deutsche Gesetzgeber auf den Wettbewerb der Rechtsformen eingelassen. Um die eingangs aufgeworfene Frage zu beantwor-

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

ten, kann festgehalten werden, dass der oben analysierte Paradigmenwechsel im Gesellschaftskollisionsrecht als Auslöser des MoMiG betrachtet werden kann.

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise I. Problemaufriss Das tradierte Kapitalschutzmodell will Gläubigerschutz durch zwingende gesellschaftsrechtliche Verhaltensgebote und -verbote sowie durch präventive Kontrolle der Gesellschaften herstellen. Dieser Ansatz ist in einer Legitimationskrise373; er scheint den Bedürfnissen der Marktteilnehmer nicht mehr vollumfänglich zu entsprechen. Oben war festgestellt worden, dass die beiden wesenstypischen, am Markt nachgefragten Merkmale der Limited im Vergleich zur GmbH die schnellere Gründung und das Fehlen von Mindeststammkapitalvorschriften sind. Beides kann das traditionelle deutsche Gläubigerschutzmodell nicht ohne Weiteres bieten, denn bislang galt, dass eine GmbH erst dann in den Rechtsverkehr entlassen wird, wenn die Einhaltung der Kapitalaufbringungsvorschriften umfassend überprüft worden ist374. Aber nicht nur die Seite der Nachfrager von Rechtsformen, sondern auch die Gläubiger selbst scheinen auf den Schutz ihrer Interessen durch das Kapitalschutzmodell nicht mehr vorbehaltlos vertrauen zu können: Wie infra gezeigt wird, drohen die Reformen des Bilanzrechts die bilanzakzessorische Kapitalerhaltung aus Sicht der Gläubiger zu entwerten375. Damit sind die Fragen aufgeworfen, ob die GmbH-Reform am gesetzlichen Kapitalschutzmodell festhalten sollte oder ob es Alternativen gibt und welche diese ggf. sind. Beim Streben nach Steigerung der Attraktivität der GmbH darf indes in Bezug auf den Gläubigerschutz nicht vernachlässigt werden, dass die widerstreitenden Interessen von Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Dies verlangt eine Absicherung der Gläubiger, ohne dass dadurch eine Überregulierung ins Gesellschaftsrecht einzöge, welche die unternehmerische Freiheit übermäßig beschränkte und auf Gesellschaftsgründer abschreckend wirkte376.

373 Grundlegend die Beiträge von Rickford, EBLR 2004, 919 (971 ff.) und aus USamerikanischer Perspektive Hansmann/Kraakman, The Yale Law Journal 110 (2000), 387 (423 ff.). Zum Ganzen Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 450 ff. 374 Dazu bereits supra Kapitel 2 – A. IV. 2. d). 375 Dazu infra Kapitel 2 – C. II. 376 In diesem Sinne auch Bayer, ZGR 2007, 220 (221); vgl. ferner Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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II. Alternativen zum gesetzlichen Kapitalschutzmodell Wie erwähnt, ist Gläubigerschutz in allen entwickelten Rechtsordnungen als kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit anerkannt377. Bei der Frage seiner Umsetzung gehen die Meinungen indes auseinander: Insbesondere das Informations- bzw. Publizitätsmodell wird in den letzten Jahren als gläubigerschützende Alternative zum Kapitalschutzmodell diskutiert. 1. Das Informations- bzw. Publizitätsmodell a) Das Anliegen des Informationsmodells und seine Umsetzung (1) Der privatinitiative Ansatz des Informationsmodells Während Gläubigerschutz in der deutschen Rechtstradition Regelungsgegenstand des Gesellschaftsrechts ist, trennen die angloamerikanischen Rechtsordnungen den Gläubigerschutz vom Gesellschaftsrecht: Korrelat der unternehmerischen Tätigkeit mit beschränkter Haftung ist dort nicht die Bereitstellung eines Garantie- bzw. Haftkapitals, sondern die Beachtung zwingender Transparenzund Publizitätsregeln378. Etwa im englischen Recht sind dies die oben geschilderten Pflichten zur Offenlegung der annual returns und der annual accounts379. Sie sind flankiert durch repressive Gläubigerschutzmechanismen 380. Gläubigerschutz wird demnach durch Verfügbarmachung der relevanten Informationen erreicht, die den Kreditgeber befähigen, sein Risiko einzuschätzen und sich ggf. abzusichern (Informationsmodell)381. Das angloamerikanische Gesellschaftsrecht kommt daher mit einem einfachen, schnell zu durchlaufenden Gründungsverfahren aus und kann auf langwierige registergerichtliche Kapital2006, Bd. I Gutachten, E 12 ff. Zu den verschiedenen Aspekten des GmbH-rechtlichen Gläubigerschutzes Vetter, ZGR 2005, 788 (790 ff.). 377 Teichmann, NJW 2006, 2244 (2245) und supra Kapitel 1 – B. III. 378 Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 140 ff. 379 Dazu supra Kapitel 2 – A. IV. 2. c) (4). 380 Das englische Recht kennt etwa die Geschäftsleiterhaftung wegen wrongful trading, siehe Kapitel 2 – A. IV. 2. c) (6); die gliedstaatlichen Gesellschaftsrechte der USA kennen verschiedene Formen der Durchgriffshaftung (siehe supra Kapitel 2 – Fn. 286). 381 Eine grundlegende Publizitätstheorie für das Unternehmensrecht entwickelt Merkt, Unternehmenspublizität, passim. Zur Bedeutung der Publizität unternehmerischer Daten für den Gläubigerschutz Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 V; vgl. ferner Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 35 ff.; Fleischer, DStR 2000, 1015 (1019); Vetter, ZGR 2005, 788 (798). Zum Informationsmodell in den USA Merkt, ZGR 2004, 305 (311 ff.). Zur Situation in England Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (21); bei der Reform des englischen Companies Act lag die Position der Reformkommission exakt auf der Linie des Informationsmodells, vgl. Bachmann, ZGR 2001, 351 (362).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

aufbringungskontrollen verzichten. Es regelt stattdessen im Wesentlichen nur die innere Organisation der Gesellschaft und dient dazu, Unternehmen mit geeigneten Rechtsinstrumenten für ihre wirtschaftliche Tätigkeit auszustatten (enabling function)382. Auf der Basis der offengelegten Daten wird der Gläubigerschutz von den Parteien mithilfe des allgemeinen Vertragsrechts geregelt: Im Wege sog. financial covenants verpflichtet sich die kreditnehmende Gesellschaft, bspw. ihre Ausschüttungen zu begrenzen, eine bestimmte Eigenkapitalquote nicht zu unterschreiten und regelmäßig bestimmte Unternehmenskennzahlen offen zu legen383. Auf schuldrechtlichem Wege wird damit etwas ähnliches bewirkt wie im deutschen System des Kapitalschutzes mit seinen zwingenden gesetzlichen Geund Verboten384. Manche leiten daraus ab, die Trennung zwischen den beiden Modellen solle angesichts vielfältiger Überschneidungen nicht überbetont werden385. (2) Unterschiedliche Lösung des principal-agent-Problems durch das Kapitalschutz- und das Informationsmodell Bestehende Wissensasymmetrien können von den haftungsprivilegierten Gesellschaftern im Streben nach hoher Eigenkapitalrentabilität zur Risikoverlagerung auf die Gläubiger genutzt werden (principal-agent-Problem)386. Dieses Problem löst das Kapitalschutzmodell durch die Pflichten zur Aufbringung und Erhaltung eines Mindeststammkapitals; es verpflichtet die Gesellschafter mit anderen Worten, ihren Wissensvorsprung nicht zulasten der Gläubiger auszunutzen. Demgegenüber strebt das Informationsmodell danach, den Wissensvorsprung der Gesellschafter zu beseitigen und die Beteiligten auf der Grundlage gleicher Information (level playing field) eigenverantwortlich entscheiden zu lassen. b) Der Streit um den Nutzen des Informationsmodells (1) Informationsfluss und Informationsüberflutung Der Nutzen des Informationsmodells wird – nicht nur hinsichtlich seines Einsatzes zur Herstellung von Gläubigerschutz bei haftungsbeschränkten Gesellschaften – kontrovers diskutiert387. Ein System, das auf gesetzliche Verhaltens382

Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 141; Schön, Der Konzern 2004, 162. Zu financial covenants Fleischer, ZIP 1998, 313 ff. und eingehend infra Kapitel 4 – B. 384 Zum Ganzen ausführlich Merkt, ZGR 2004, 305 (312 ff.); Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, S. 205 ff. 385 BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 26. 386 Dazu bereits supra Kapitel 1 – B. II. 383

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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steuerung verzichtet und auf die Fähigkeit der Marktteilnehmer vertraut, ihr Verhalten an relevanten Informationen auszurichten, basiert nämlich auf zwei Prämissen: Erstens bedarf es eines steten Flusses der relevanten Informationen. Die publizitätspflichtigen Markteilnehmer dürfen also die Informationsoffenlegung nicht vermeiden. Daran bestehen jedoch angesichts der Publizitätsvermeidungsstrategien der Gestaltungspraxis Zweifel, zumal nach Inkrafttreten des EHUG388: Zur Vermeidung der – gem. § 264a HGB auch die im Mittelstand häufig verwendete GmbH & Co. KG treffende – Registerpublizitätsvorschriften der §§ 264 ff. HGB, insbesondere der Offenlegung des Jahresabschlusses im elektronischen Bundesanzeiger gem. § 325 HGB, werden völlig mittellose Personen mit einer Minimalbeteiligung und unter gesellschaftsvertraglichem Ausschluss der Vertretungsmacht als Komplementäre eingesetzt389. Wenn ein solcher Aufwand betrieben wird, um der Publizität zu entfliehen, spricht dies für eine allenfalls eingeschränkte Tauglichkeit des Informationsmodells in der deutschen Rechtswirklichkeit. Praktiker berichten von einer ggf. kulturell bedingten Abneigung insbesondere des deutschen Mittelstands gegen weitreichende Offenlegung390. Unternehmer befürchten, dass Kunden, Konkurrenten und Nachbarn die Informationen zum eigenen Vorteil oder gar zu unlauteren Zwecken verwenden könnten. So könnten etwa marktmächtige Großkunden ein gut verdienendes Zuliefererunternehmen zu weiteren Preisnachlässen drängen391. Zweitens ist für eine wirksame Verhaltenssteuerung nach dem Informationsmodell vonnöten, dass die zu Informierenden sich effektiv informieren. Der Umfang und die Komplexität der offengelegten Unternehmensinformationen können jedoch so groß sein, dass der aus ihnen zu ziehende Erkenntnisgewinn proportional rückläufig ist. Die Informationen auszuwerten kann erhebliche Kosten verursachen oder unmöglich sein. Das Problem der Informationsüberflutung wächst mit dem Umfang der Publizitätspflichten an392. 387 Befürwortend etwa Kübler, ZHR 159 (1995), 550 (558 ff.); kritisch Stürner, Risikoauslagerung und Information in der kompetitiven Marktgesellschaft, in: FS Canaris I, S. 1489 ff. und Stürner, Markt und Wettbewerb über alles?, S. 89–100, 254 ff. 388 Zum EHUG siehe Liebscher/Scharff, NJW 2006, 3745 ff.; Schmidt, GmbHR 2005, 797 ff. 389 Zimmer/Eckhold, NJW 2000, 1361 (1363) m.w. N. Zur Bewertung dieser Gestaltungspraxis Schmidt, DStR 2006, 2272 (2276). 390 Im Einzelnen Grashoff, DB 2006, 513 ff. 391 Handelsblatt vom 16.1.2008 („Zittern vor den offenen Büchern“), einzusehen unter http://www.handelsblatt.com/News/Recht-Steuern/Meldungen/_pv/doc_page/2/_ p/204886/_t/ft/_b/1377889/default.aspx/zittern-vor-den-offenen-buechern.html (letzter Zugriff am 16.1.2008). 392 In diesem Sinne auch Stürner, Risikoauslagerung und Information in der kompetitiven Marktgesellschaft, in: FS Canaris I, S. 1489 (1491 ff.): „Der informierte Betrogene“.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

(2) Flexibilität Das Informationsmodell hat unbestritten „Grenzen und Anfälligkeiten“ 393. Jedoch ist es zumindest deutlich flexibler als das abstrakt-generelle gesetzliche Kapitalschutzmodell: Zum einen sind im Kapitalschutzsystem Gewinnausschüttungen, die das Stammkapital antasten, selbst dann verboten, wenn ein solches ökonomisch sinnvoll sein sollte. Zum anderen kann der Gläubigerschutz unter einem vertraglichen Modell aber auch strenger sein, etwa dann, wenn eine kreditnehmende Gesellschaft bereit ist, sich stärkere Fesseln anlegen zu lassen, um auf dem Kapitalmarkt attraktiver zu sein. Hinzukommt, dass der vertragliche Gläubigerschutz im Lichte der Niederlassungsfreiheit die Möglichkeit bietet, über die Rechtswahl das Gründungsrecht zu vermeiden, wenn sich der Gläubiger von diesem nicht hinreichend geschützt sieht. Das Flexibilitätsargument lässt sich jedoch mit dem Hinweis anzweifeln, dass das Informationsmodell den Abbau volkswirtschaftlich nachteiliger Informationsasymmetrien bezweckt. Dies kann von einer gesetzlichen Regelung aufgrund ihrer standardisierenden Wirkung u. U. kostengünstiger bewerkstelligt werden; effektives Gebrauchmachen von der Flexibilität erfordert hingegen einen Informationsaufwand, der sich erst ab bestimmten Größenordnungen lohnt394. (3) Schutzlosstellung unfreiwilliger Gläubiger? Die Apologeten des gesetzlichen Kapitalschutzmodells weisen darauf hin, dass im System des Informationsmodells zwei Gruppen von Gläubigern zu kurz kämen: Zum einen die Deliktsgläubiger, die sich ihren Schuldner nicht aussuchen und daher keine vertragliche Vorsorge treffen könnten, und zum anderen die vertraglichen Kleingläubiger, die mangels wirtschaftlicher Macht faktisch nicht dazu in der Lage seien, dem Schuldner vertraglichen Gläubigerschutz abzuringen395. Dem ist zu entgegnen, dass die Delikts- und Kleingläubiger durchaus geschützt werden: Sie profitieren nämlich von einer Reflexwirkung der Verpflichtungen, die der Schuldner gegenüber den vertraglichen Großgläubigern eingegangen ist396. Außerdem besteht die Möglichkeit, diese Gläubigergruppen durch spezielle Rechtsinstitute zu schützen397. 393 Merkt, ZGR 2007, 532 (537); ähnlich Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 38 ff. 394 Vgl. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 492–496. 395 So tendenziell Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (662 f.); ferner Fleischer, DStR 2000, 1015 (1020) und Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3b. 396 Merkt, ZGR 2004, 305 (313). Dazu eingehend infra Kapitel 4 – B. II. 2. 397 Zugunsten von Deliktsgläubigern schlägt Grundmann, ZGR 2001, 783 (819 f.) eine europäische Versicherungslösung vor.

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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(4) Komplexität Ferner wird angeführt, das Informationsmodell sei vorzugswürdig, weil es die Rechtslage vereinfache und das Gesellschaftsrecht nicht mit komplizierten Gläubigerschutzregeln überfrachte. Dem ist zuzugeben, dass die Rechtsprechung zu den verdeckten Sacheinlagen, den verbotenen Gewinnausschüttungen und dem Eigenkapitalersatzrecht äußerst komplex ist; doch sind dies die oft viele hundert Seiten umfassenden vertraglichen Gläubigerschutzvereinbarungen (financial covenants) ebenfalls. Sie können den Parteien nicht minder hohe Rechtsberatungskosten verursachen, als dies bei den genannten Figuren der Fall ist. (5) Trend zu nichtstaatlicher Regelgebung (private rule making) Zugunsten eines auf Information und entsprechenden financial covenants fußenden Gläubigerschutzsystems lässt sich das neue Phänomen der Pluralisierung und Privatisierung der Regelsetzung (private rule making) ins Feld führen: Die globale Verflechtung der Waren- und Kapitalmärkte verlangt nach global einheitlichen Regelungsmechanismen. Globale Standards können von Staaten jedoch nur im Wege aufwendiger völkerrechtlicher Vereinbarungen geschaffen werden. Den weltwirtschaftlichen Gegebenheiten zur Zeit des bis zur Finanzkrise andauernden Globalisierungsüberschwangs entsprechend sind daher quasi-staatliche und private Regelgeber neben oder an die Stelle des zwingenden Gesetzesrechts der nationalen oder supranationalen Legislative getreten398. Das Informationsmodell kommt dieser Entwicklung entgegen, da es das privatinitiative Streben des Rechtsverkehrs nach flexiblen, rasch anpassungsfähigen399 und daher marktgerechten Lösungen verselbständigt. Auf diese Weise trägt das Informationsmodell zur Emanzipation des Unternehmensrechts von der Staatlichkeit bei400. Das gilt auch zunehmend auf der nationalstaatlichen Ebene: Auch gegen nationale gesetzliche Regelung spricht ganz allgemein, dass sie die Marktteilnehmer in der Sicherheit wiegt, für alle Konstellationen sei gesetzliche Vorsorge getroffen. Das Informationsmodell hingegen zwingt kontinuierlich zur Eigeninitiative und schafft einen Innovationsdruck auf der Suche nach dem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Interessen von Fremd- und Eigenkapitalgebern401. 398 Merkt, ZGR 2007, 532 (533 f.) nennt diesbezüglich die Beispiele der IFRS und der Corporate Governance Kodizes. 399 Vgl. zum ständigen Anpassungsbedarf der Rechnungslegungsstandards Kübler, ZGR 2000, 550 (558 f.). 400 Zu den damit verbundenen Fragen Merkt, ZGR 2007, 532 (534); Eidenmüller, JZ 2007, 487 (488 f.). 401 Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Die Setzung diesbezüglicher Rechtsstandards übernehmen zunehmend halbstaatliche und private Organisationen402. In Deutschland denke man hierbei etwa an das private Rechnungslegungsgremium gem. § 342 HGB403 oder die Deutsche Corporate Governance Kommission. (6) Fazit: Caveat creditor gegen gesetzliche Standardisierung Zusammenfassend kann gesagt werden, dass hinter dem Kapitalschutz- und dem Informationsmodell unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Vertrauensbildung potentieller Gesellschaftsgläubiger stehen: Während in der angloamerikanischen Rechtstradition das Prinzip des caveat creditor vorherrscht und mithin dem Gläubiger abverlangt wird, sein Risiko in eigener Verantwortung selbst zu regeln, will das deutsche System den vertraglichen Gläubiger vor derlei Bemühungen schützen und für den gesetzlichen Gläubiger ein gewisses Maß an Sicherheit standardmäßig gewährleisten. c) Neues Gewicht der Unternehmenspublizität nach dem EHUG Mit dem zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) hat die Unternehmenspublizität ein hohes Niveau erreicht. In Umsetzung europäischer Vorgaben404, namentlich der kapitalmarktrechtlichen Transparenzrichtlinie 405 und der unternehmensrechtlichen Publizitätsrichtlinie406, sind die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften gem. § 325 Abs. 1 S. 1 HGB – und unter Umständen auch die gesetzlichen Vertreter von OHGs und KGs, § 264a Abs. 1, 2 HGB – verpflichtet, den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) und ggf. den Konzernabschluss im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen zu lassen. Dies gilt erstmals für das nach dem 31.12. 2005 beginnende Geschäftsjahr, Art. 61 Abs. 5 S. 1 EGHGB. Gem. §§ 8b Abs. 1, 2 Nr. 4, 9 Abs. 1 S. 1 HGB kann damit die Rechnungslegung von jedermann unter www.unternehmensregister.de kostenlos online eingesehen werden407. Gem. § 326 HGB gilt dies mit gewissen Erleichterungen auch für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften.

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Eidenmüller, JZ 2007, 487 (488 f.); Merkt, RIW 2004, 1 (3 f.). Zum Deutschen Rechnungslegungs Standards Commitee siehe Kübler, ZGR 2000, 550 (553). 404 Dazu Spindler, WM 2006, 109 (110 f.). 405 Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004, ABl., 31.12.2004, Nr. L 390/38. 406 Richtlinie 2003/58/EG vom 15.7.2003, ABl., 4.9.2003, Nr. L 221/13. 407 https://www.ebundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet (zuletzt eingesehen am 24.3.2008). 403

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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Potentielle und aktuelle Gläubiger haben nunmehr die Möglichkeit, sich problemlos einen Überblick über die Bonität von Kapitalgesellschaften zu verschaffen408. Im Dezember 2007 wurden zahllose Jahresabschlüsse eingereicht (Art. 61 Abs. 5 S. 1 EGHGB, § 325 Abs. 1 S. 2 HGB)409. Auf dieser Grundlage wird vielfach ein Paradigmenwechsel in dem Sinne ausgemacht, dass die neue Gesetzeslage den Gläubigern eine Mitverantwortung für ihren eigenen Schutz auf der Grundlage relevanter Informationen zuweist410. Fernziel der europäischen Publizitätsregulierung ist die Schaffung eines europaweit einheitlichen Gesellschaftsregisters, vermittels dessen standardisierte Bilanzauszüge abrufbar sein sollen411. Dieses Register soll ermöglichen, sich mit den Kerndaten solcher Gesellschaften vertraut zu machen, die unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit zugezogen sind und deren Rechtsform dem inländischen Rechtsverkehr nicht vertraut ist412. Damit soll der Boden bereitet werden, in dem das Publizitätsargument der Centros-Entscheidung des EuGH gedeihen kann413. Dass sich das Informationsmodell auf europäischer Ebene fest etabliert hat, ist mithin unverkennbar. d) Einfluss der Zunahme von Publizitätspflichten auf das Kapitalschutzmodell und Gefahr der Überregulierung durch Kombination mehrerer Modelle Der Stellenwert, der dem Informationsmodell auf der europäischen Ebene zukommt, muss bei einer GmbH-Reform berücksichtigt werden. Dem gemeinschaftsrechtlich veranlassten, nicht unerheblichen Zunehmen der Publizitätsanforderungen an Kapitalgesellschaften (§§ 264 ff., 325 HGB) kann sich der deutsche Gesetzgeber nicht entziehen. Da jedoch jedes Gläubigerschutzsystem Anforderungen an die Beteiligten stellt und deren Nichterfüllung ggf. sanktioniert, würde die Kombination von Gesellschafterpflichten des Kapitalschutzmodells und Publizitätspflichten des Informationsmodells die Gesellschafter doppelt belasten. Damit käme die Balance zwischen den Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger abhanden. Somit müssen die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungspflichten in dem Maße abnehmen, in dem die 408

Vgl. Kort, AG 2007, 801 (805) m.w. N. Hegmann, Financial Times Deutschland vom 11.12.2007, S. 1. 410 Kort, AG 2007, 801 (806); Noack, NZG 2006, 801 ff. An der gläubigerschützenden Wirkung von Finanzierungstransparenz zweifelt aber etwa K. Schmidt, GesR4, § 18 II 2c. 411 Kort, AG 2007, 801 (805). 412 Bachmann, ZGR 2001, 351 (378). 413 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 36; aufgegriffen in EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 409

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Publizitätspflichten zunehmen. Gleiches gälte vice versa – da die höherrangige europäische Ebene jedoch zum Ausbau der Publizitätspflichten tendiert, sind es die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungspflichten des Kapitalschutzmodells, die zurücktreten werden müssen. Kompensierend könnte der verhaltensbezogenen Haftung der Gesellschaftsorgane ein größeres Gewicht zukommen. 2. Hybride Modelle Die Diskussion konzentriert sich gegenwärtig auf Verbesserungen des bestehenden Gläubigerschutzsystems, weniger auf einen Systemwechsel414. Durch Vermengung neuer Konzepte mit den bestehenden Regelungen gebiert die Diskussion hybride Gläubigerschutzmodelle. a) Verzicht auf Mindeststammkapital unter Beibehaltung des bilanzorientierten Kapitalerhaltungsgebots Das Gebot der Kapitalerhaltung ist ein Mechanismus, der Vermögensverschiebungen zugunsten der Gesellschafter und zulasten der Gesellschaftsgläubiger verhindern soll415. Je effektiver unzulässige Vermögensverlagerungen auf die Gesellschafter präventiv verhindert werden, desto unwichtiger werden repressive Rechtsfiguren, vermittels derer die Gesellschafter in die Haftung genommen werden können416. Die für die Zwecke der Kapitalerhaltung erforderliche Grenzziehung erfolgt im internationalen Vergleich auf unterschiedliche Weise: Üblicherweise dürfen Gesellschafter von Kapitalgesellschaften nur dann Ausschüttungen von der Gesellschaft erhalten, wenn die Auszahlungen entweder aus (Bilanz-)Gewinnen erfolgen (so etwa § 57 Abs. 3 AktG), wenn das Gesellschaftsvermögen die bilanzielle Stammkapitalziffer übersteigt (so etwa §§ 30 Abs. 1, 42 Abs. 1 GmbHG), wenn sie nicht zur Überschuldung der Gesellschaft führen oder wenn ein Solvenztest positive Ergebnisse gebracht hat417. Gedanklich ist ein Mindestkapital keine Voraussetzung eines bilanzorientierten Kapitalerhaltungssystems418. Dementsprechend wurde angesichts der Defizite des gesetzlichen Mindestkapitals und der Sperrigkeit der zugehörigen Kapitalaufbringungskontrollen – nach französischem Vorbild419 – vorgeschlagen, das Mindeststammkapital auf den symbolischen Betrag von einem Euro zu reduzie414

Für den Systemwechsel aber etwa Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (188 ff.). Teichmann, NJW 2006, 2244 (2246); Vetter, ZGR 2005, 788 (802); Wüstemann/ Bischof/Kierzek, BB-Special 5/2007, 13 (13 f.). 416 Vetter, ZGR 2005, 788 (806). 417 Vetter, ZGR 2005, 788 (802). 418 Schön, Der Konzern 2004, 162 (166). 419 Zur französischen „Ein-Euro-S.A.R.L.“ Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346 ff. 415

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ren und im Übrigen am Kapitalschutz, insbesondere an den Regeln über die Kapitalerhaltung, festzuhalten, ggf. flankiert durch verhaltensbezogene Haftungsfiguren420. Wie noch zu zeigen sein wird, droht der Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards dem Kapitalerhaltungsgebot jedoch die bilanzielle Grundlage zu entziehen421. Mit der bloßen Abschaffung des Mindeststammkapitals ist es daher nicht getan; vielmehr braucht es auch ein Konzept für die bilanzneutrale Neuausrichtung der Kapitalerhaltung. b) Kompensierende repressive Schutzmechanismen Um das mit der Abschaffung des Mindeststammkapitals einhergehende Absinken des Gläubigerschutzniveaus zu kompensieren, reden die Gegner des klassischen Kapitalschutzmodells repressiven Schutzmechanismen das Wort. (1) Insolvenzrechtliche Schutzmechanismen Da die Tilgung von Gesellschafterdarlehen aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen Gesellschaftern und den übrigen Gesellschaftsgläubigern besonders missbrauchsanfällig ist, wurde die Ausweitung der Insolvenzanfechtungsmöglichkeiten befürwortet422. (2) Durchbrechungen des Haftungsprivilegs Die mit dem kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsprivileg einhergehende Gefahr der unangemessenen Risikoverlagerung auf die Gesellschaftsgläubiger lässt sich dadurch mindern, dass das Haftungsprivileg der Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen durchbrochen wird423. In Deutschland erblickt man im kompensationslosen, insolvenzverursachenden Gesellschafterzugriff auf das Gesellschaftsvermögen die Grundlage für die Existenzvernichtungshaftung. Die Existenzvernichtungshaftung wurde ursprünglich424 als Durchgriffshaftung gehandhabt425. Ein solches konterkariert freilich 420 So etwa Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (16 ff.), der ergänzend für einen Ausbau der Insolvenzverschleppungshaftung und eine Binnenhaftung wegen materieller Unterkapitalisierung plädiert. Vgl. dazu auch Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (188 ff.). 421 Dazu infra Kapitel 3 – B. III. 5. c). 422 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (192 f.) spricht in Bezug auf die Befriedigung von Gesellschafterforderungen treffend von „Insiderdelikten“. 423 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (18). 424 Unlängst hat die Rechtsprechung die Existenzvernichtungshaftung zur Binnenhaftung gem. § 826 BGB umgestaltet, BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246. 425 Insb. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181.

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den volkswirtschaftlich erwünschten Effekt des Haftungsprivilegs. Rechtfertigen lässt sich dies mit der notwendigen Sanktionierung opportunistischen Gesellschafterverhaltens. Nur angedeutet sei an dieser Stelle, dass eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung von weiten Teilen der Literatur gefordert wird426. Dies hat sich aber in der Rechtsprechung des BGH bislang nicht durchgesetzt427. (3) Inanspruchnahme des Geschäftsführers Als wesentliche Schwäche der Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. wird angesehen, dass sie erst dann eingreift, wenn ein Insolvenzeröffnungsgrund verwirklicht ist. Eine stärker verhaltensbezogene Haftung des Geschäftsführers müsste aber richtigerweise bereits in einem früheren Stadium ansetzen – dies tut § 64 S. 3 GmbHG n. F. und auch die Haftung wegen wrongful trading im englischen Insolvenzrecht428. Die Geschäftshandlungen, welche die Insolvenz verursacht haben, würden als Anknüpfungspunkte für eine Geschäftsführerhaftung der sich durchsetzenden Erkenntnis Rechnung tragen, dass an die Vorbereitung und Durchführung von Geschäftsführungshandlungen bestimmte Anforderungen zu stellen sind, wenn die Geschäftsführer denjenigen Haftungsfreiraum in Anspruch nehmen wollen, ohne den unternehmerisches Handeln nicht denkbar ist (safe harbor)429. Das diesbezügliche Ermessen ist nicht schrankenlos430. c) Versicherungslösung Bestimmte Gruppen von Gläubigern werden bereits heute im unternehmensnahen Bereich durch Versicherungen geschützt (z. B. Betriebshaftpflicht, Konkursausfallgeld)431. Letztlich würde jedoch die Versicherung aller in Betracht 426 Statt vieler Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 4 III 1b, § 10 IV 3b m.w. N.; eingehend infra Kapitel 4 – C. II. 2. 427 Das BSG hingegen hat die Durchgriffshaftung wegen Rechtsformmissbrauchs in Fällen bejaht, die man der materiellen Unterkapitalisierung zugeordnet hat, vgl. zum Ganzen Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 61. 428 Für eine Übernahme der wrongful-trading-Grundsätze ins deutsche Recht Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (194). 429 Vgl. zu den Maßstäben im Aktienrecht BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244. Zur business judgment rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 93 Rn. 55 ff. Zur Rechtslage in den USA siehe Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 843 ff. 430 Zur Prozeduralisierung unternehmerischer Entscheidungen umfassend Binder, ZGR 2007, 745 ff. 431 Vetter, ZGR 2005, 788 (799).

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kommenden Risiken zu Versicherungsprämien führen, welche die unternehmerische Initiative von Beginn an ersticken und gar nicht erst zur Entfaltung gelangen lassen würden. Daher ist eine umfassende Versicherungslösung keine sinnvolle Alternative zum tradierten Gläubigerschutzsystem. d) Das englische System von Publizität und Staatsaufsicht Wie erwähnt verzichtet das englische Recht auf Vorgaben im Hinblick auf die Mindesthöhe des Stammkapitals. Die Festsetzung desselben ist den Gesellschaftsgründern überlassen. Potentielle Gläubiger erhalten Auskunft über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft, weil die Kapitalstruktur und der Jahresabschluss offen zu legen sind. Bei missbräuchlicher bzw. gesetzeswidriger Gesellschaftsführung und evidenter Unterkapitalisierung verbleiben dem Staat hoheitliche Eingriffsbefugnisse: Wenn eine Sonderprüfung den diesbezüglichen Verdacht erhärtet, kann u. a. die Gesellschaft gelöscht werden432. 3. Fazit: Synthese aus verstärkten Publizitätspflichten und verhaltensbezogener Haftung Wie erwähnt, drängt die Gefahr einer Überregulierung vor dem Hintergrund der wachsenden europäischen Publizitätsanforderungen das Kapitalschutzmodell in die Defensive. Die Anfälligkeiten des Informations- bzw. Publizitätsmodells, insbesondere der ausgeprägten Publizitätsvermeidungswille im deutschen Mittelstand, lassen dieses jedoch nicht als gleichwertige Alternative erscheinen. Mehr spricht für die Neukomposition eines Gläubigerschutzsystems, das Elemente verschiedener Strömungen aufnimmt und dabei die Balance zwischen den Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger wahrt433. III. Angekündigter Abschied vom Kapitalschutzmodell auf europäischer Ebene Weil die Kapitalrichtlinie wie erwähnt nur die AG und vergleichbare Rechtsformen der EU-Mitgliedstaaten erfasst, scheint eine GmbH-Reform auf den ersten Blick von sekundärrechtlichen Vorgaben unbehelligt zu sein. Gleichwohl zeigen die europäischen Rahmendaten auf, wie grundsätzlich die eingangs angesprochene Legitimationskrise des Kapitalschutzmodells ist.

432 433

Zu den Befugnissen der Staatsaufsicht supra Kapitel 2 – A. IV. 2. c) (5). Dafür Merkt, RIW 2003, Heft 12, Die erste Seite.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

1. Das europäische Primärrecht und seine Auslegung durch den EuGH Das Verständnis des EuGH von der Niederlassungsfreiheit war der Auslöser für den Wettbewerb der Regelgeber und damit auch für das MoMiG. Doch die Niederlassungsfreiheit spielt auch bei der Ausgestaltung der GmbH-Reform eine Rolle, weil die Richter in den genannten Urteilen Gelegenheit hatten, zu den unterschiedlichen Gläubigerschutzmodellen Stellung zu beziehen: Auch wenn der Gerichtshof – im Unterschied zu den Generalanwälten434 – es in der Rechtssache Inspire Art offen ließ, ob das Mindestkapital für die Zwecke des Gläubigerschutzes überhaupt geeignet ist, so wurde doch entscheidend darauf abgestellt, dass der Rechtsverkehr aufgrund der Firmierung als ausländische Gesellschaft darüber in Kenntnis sei, dass die inländischen Mindestkapitalvorschriften keine Geltung hätten (sog. Publizitätsargument bzw. „Etikettierungslösung“ 435); außerdem stünden gemeinschaftsrechtliche Schutzvorschriften zur Verfügung436. Bei diesen Schutzvorschriften handelte es sich um das „Herzstück des Publizitätskonzepts des europäischen Unternehmensrechts“ 437, nämlich die Bilanz- und die Zweigniederlassungsrichtlinie. Offenkundig ist der EuGH der Auffassung, Publizität und Information biete den Gläubigern haftungsbeschränkter Gesellschaften ausreichenden Schutz438. Nimmt man ernst, dass der Gerichtshof mit dem Publizitätsargument eindeutig Sympathie für die Argumentationstopoi des Informationsmodells zeigte439, steht die Abkehr vom Kapitalschutzmodell im Raum. Hinzukommt ein Weiteres: Das Kapitalschutzmodell setzt bekanntermaßen auf präventiven Gläubigerschutz, der sich in Vorschriften über die effektive Aufbringung eines Mindeststammkapitals manifestiert. Dieses System darf zuziehenden Scheinauslandsgesellschaften seit Inspire Art nicht nachträglich aufgezwungen werden440. Wie erwähnt, steht damit der Kapitalschutz zur Disposition der Gesellschafter441: Nutzen sie Regelungsunterschiede der einzelnen mit434 GA La Pergola bezeichnete das Mindestkapital im Centros-Verfahren als „idolum theatri“ (Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Tz. 21); GA Alber hat in der Rechtssache Inspire Art verneint, dass das Mindeststammkapital zur Verwirklichung von Gläubigerschutz geeignet sei (GmbHR 2003, 302, Tz. 141 ff.). Siehe dazu Merkt, RIW 2004, 1 (6); Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 453 m.w. N. in Fn. 20. 435 Begriff nach Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 459. 436 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 36; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 437 Formulierung nach Merkt, RIW 2004, 1 (6). 438 Vgl. zur diesbezüglichen Deutung der EuGH-Rechtsprechung auch Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 133. 439 Dazu eingehend Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 33 ff. 440 Dazu schon supra Kapitel 2 – A. II. 2. c). 441 Merkt, ZGR 2004, 305 (316 u. 323).

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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gliedstaatlichen Rechtsordnungen aus, liegt in einem solchen Verhalten nach Ansicht des EuGH kein Missbrauch, sondern gerade die Ausübung der Niederlassungsfreiheit442. Die Ausgestaltung des Gläubigerschutzsystems ist damit keine rein nationale Entscheidung mehr443. Die gegenwärtige Lesart der Niederlassungsfreiheit ist mithin als Datum in den Entscheidungsfindungsprozess einzubeziehen. Dies legt den Schluss nahe, dass damit der Weg zu einem stärker repressiven, an bestimmte Verhaltensweisen der Gesellschafter und Geschäftsleiter während der Tätigkeitsphase der Gesellschaft anknüpfenden Gläubigerschutzmodell gewiesen wird. Dies umso mehr, weil die Verwendung von Auslandsgesellschaften im Inland zu internationalprivatrechtlichen Verwerfungen führen kann: Auf ein und dieselbe Gesellschaft können verschiedene Rechtsordnungen anwendbar sein, wenn die Anknüpfung der jeweiligen Statuten auseinanderfällt. Gerade an der Schnittstelle von Gesellschafts- und Insolvenzrecht ist ein solches besonders misslich. Das Niveau des gesellschaftsrechtlichen und das Niveau des insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes stehen nämlich in einem Verhältnis der Reziprozität zueinander: Etwa ein System mit schwach ausgeprägtem gesellschaftsrechtlichem Kapitalschutz bedarf zur Herstellung effektiven Gläubigerschutzes kompensierend eines Insolvenzrechts, das diese Defizite ausgleichen kann444. Der BGH stellte in seinem Überseering-Vorlagebeschluss einen ähnlichen Zusammenhang her: Die Bedeutung des Stammkapitals stehe in einer wechselseitigen Beziehung zur Notwendigkeit einer Durchgriffshaftung445. 2. Sekundärrechtliche Vorgaben a) Infragestellung des Kapitalschutzmodells Wie erwähnt schrieb die Kapitalrichtlinie das Kapitalschutzmodell für die AG und die vergleichbaren Rechtsformen ursprünglich fest. Die Änderungsrichtlinie446 zur Kapitalrichtlinie brachte 2006 jedoch bereits punktuelle Lockerungen im Hinblick auf Sacheinlagen, Aktienrückkäufe und Finanzierungshilfen447. Hier sei bereits angedeutet, dass darüber hinaus das System der Kapitalrichtlinie insgesamt in Frage gestellt wird. 442

EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 138. Vgl. Teichmann, NJW 2006, 2244 (2245). 444 Röhricht, ZIP 2005, 505 ff.; ausführlich Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, S. 26, 47 ff. 445 BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 (413). 446 Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006, ABl., 25.9.2006, Nr. L 264/32. 447 Eidenmüller/Grunewald/Noack, Das Mindestkapital im System des festen Kapitals, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 17 (18); Lanfermann/Röhricht, BB-Special 5/2007, 8 (10). 443

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

b) Kompensierender Ausbau der Unternehmenspublizität Je mehr das Kapitalschutzmodell an Rückhalt verliert, desto mehr gewinnt nach dem Willen der Europäischen Kommission die Unternehmenspublizität an Bedeutung. So ist das erwähnte EHUG wie erwähnt eine Umsetzung u. a. der unternehmensrechtlichen Publizitätsrichtlinie 448. Langfristig wird ein europaweites Register angestrebt449. Die umfangreichen Publizitätspflichten für Kapitalgesellschaften und bestimmte Personengesellschaften gem. §§ 325, 264a HGB gehen ebenfalls auf europäische Vorgaben zurück450. Dies legt nahe, dass in der Kommission die Meinung vorherrscht, Publizitätspflichten kompensierten den sukzessiven Abschied vom Kapitalschutzmodell451. 3. Rechtspolitische Tendenzen der künftigen Entwicklung des Kapitalgesellschaftsrechts in Europa a) Die Position der eingesetzten Expertengruppen Die europäische Rechtspolitik tendiert seit einigen Jahren verstärkt zur Abkehr vom Kapitalschutzmodell der Zweiten Richtlinie. Nachdem die SLIM-Initiative (Simpler Legislation for the Internal Market) bereits Vereinfachungsmöglichkeiten im Kapitalschutzsystem identifiziert hatte, bescheinigte der Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (sog. Winter-Gruppe) vom 4.11.2002 dem Informationsmodell, dass Offenlegungspflichten ein günstigeres regulatorisches Umfeld schüfen und von größerer Flexibilität gekennzeichnet seien als ein gesetzliches Gläubigerschutzsystem mit direkten Verhaltensgeboten und -verboten. Dementsprechend sprach sich die Winter-Gruppe dafür aus, die Aufbringung eines festen Grundkapitals nicht mehr gemeinschaftsrechtlich zwingend vorzuschreiben, da es dem Gläubigerschutz allenfalls durch Verhinderung völlig unseriöser Gesellschaftsgründungen diene452. Kompensierend könnten etwa Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen durch bilanzielle Solvenzprüfungen kontrolliert werden; so könnte die Zulässigkeit von Ausschüttungen etwa davon abhängig gemacht werden, dass die Aktiva die echten Passiva um einen

448

Nachweis in Kapitel 2 – Fn. 406. Kort, AG 2007, 801 (805). 450 Vgl. die bei Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, § 325 Rn. 1, bezeichneten Richtlinienumsetzungsgesetze. 451 Ablehnend K. Schmidt, GesR4, § 18 II 2c. 452 Bericht der Hochrangigen Gruppe, S. 13 ff., 88 ff., 94. Der Bericht ist verfügbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/de/company/company/modern/index. htm (letzter Abruf am 25.3.2008). 449

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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bestimmten solvency margin übersteigen. Dies erhalte eine ausreichende Befriedigungsmasse für den Zugriff der Gläubiger453. b) Die Position der Europäischen Kommission Der Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance in der EU454 vom 21.5.2003 griff die Vorschläge der Winter-Gruppe für ein alternatives Gläubigerschutzsystem auf455. Am 5.10.2006 beauftragte die Kommission die KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG damit, Alternativen zum Kapitalschutzmodell der Zweiten Richtlinie im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse darauf zu untersuchen, ob Gläubiger- und Anlegerschutz auf eine Weise erreicht werden können, die das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärker fördert. Dabei sollten insbesondere die Rolle des Insolvenzrechts im Gläubigerschutzsystem, der Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards auf die Kapitalerhaltung, ein Solvenztestregime und nicht-legislative Schutzmechanismen untersucht werden456. In der seit Januar 2008 vorliegenden Studie457 führt die KMPG aus, die Aussagekraft des festen Grundkapitals in Bezug auf den Gläubigerschutz werde von den Marktteilnehmern als eher gering eingestuft; Unternehmenskennzahlen wie der cash flow und die Börsenkapitalisierung gälten als aussagekräftiger. Ferner verknüpfe die Kapitalrichtlinie die Kapitalerhaltung mit dem Bilanzrecht (siehe § 57 Abs. 3 AktG); wenn dessen Fokus nicht auf Gläubigerschutz gerichtet ist, könne es also zu exzessiven, die Lebensfähigkeit der Gesellschaft bedrohenden Ausschüttungen kommen. Insbesondere die Bilanzierung nach IFRS, die in manchen EU-Mitgliedstaaten heute schon (unter leichten Modifikationen durch das Gesellschaftsrecht) auch zur Bemessung der Ausschüttungen herangezogen wird, dient aber – anders als traditionell das HGB-Bilanzrecht – gerade nicht dem Gläubigerschutz, sondern der Anlegerinformation458. Auf der Basis dieser Analyse enthält die Studie eine Vielzahl von Modellvorschlägen. Darunter finden sich teilweise moderate Anpassungen der geltenden Regeln, aber unter den Gliederungspunkten 6.2.3.4 und 6.2.3.5 auch Vorschläge zur gänzlichen Abschaffung des Grundkapitals und der Reduzierung auf nennwertlose Aktien. 453 Bericht der Hochrangigen Gruppe, S. 94 f. Zur vorgeschlagenen zweistufigen Solvenzprüfung Lanfermann/Röhricht, BB-Special 5/2007, 8 (10 f.). 454 KOM (2003) 284 endg. (nachfolgend: Aktionsplan). 455 Dazu auch Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 176, 186. 456 Contract Award Notice 2006/S 203-215305. Vgl. dazu Eidenmüller, JZ 2007, 487 (493); Engert, GmbHR 2007, 337 ff. Vgl. ferner schon Kuhner, ZGR 2005, 753 (769 ff.). 457 Abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/capital/index_en. htm (zuletzt eingesehen am 12.1.2009). 458 Zu den IFRS infra Kapitel 2 – C. I. 2. a).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Dass eine Abkehr vom Kapitalschutzsystem der Zweiten Richtlinie angestrebt wird, betrifft nicht nur die AG und ihre europäischen Pendants. Auch bei geschlossenen Kapitalgesellschaften lässt sich die Kommission von den gleichen Kritikpunkten leiten. Dementsprechend kündigt sich im Vorschlag einer Verordnung über das Statut einer Europäischen Privatgesellschaft459 der Bruch mit dem tradierten System des festen Mindeststammkapitals an460. c) Die Diskussion in Europa Zwischenzeitlich bezog das britische Interdisciplinary Committee on Capital Maintenance „ungewöhnlich offensiv“ 461 Position und erteilte dem Kapitalschutzmodell ein vernichtendes Zeugnis: Aus der ökonomischen Warte bezweifelte es Nutzen und Effektivität der Zweiten Richtlinie und plädierte dementsprechend für deren Abschaffung462. Auch der französische und der spanische Gesetzgeber schlossen sich dieser Meinung teilweise an463. Der international besetzte Arbeitskreis „Kapital in Europa“ trat ihr jedoch differenzierend entgegen464. d) Der Vorwurf mangelnder Effizienz des Kapitalschutzmodells Dem Kapitalschutzmodell wird vorgeworfen465, es benötige ein kompliziertes Regelwerk zur Gewährleistung der Aufbringung des satzungsmäßigen Kapitals, verhindere aber nicht, dass dieses durch Investitionen oder risikoreiche Geschäfte alsbald nach seiner Aufbringung aufgezehrt wird. Die aktuelle Höhe des Eigenkapitals könnten Gläubiger daher nicht an der im Handelsregister angegebenen Stammkapitalziffer ablesen. Das abstrakt-generelle Mindeststammkapital habe regelmäßig keinen Bezug zur konkreten Geschäftstätigkeit und genüge selten einmal zur Finanzierung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Es begünstige somit die materielle Unterkapitalisie459

KOM(2008) 396; dazu schon supra Kapitel 2 – A. I. 3. b) (2). Vgl. KOM(2008) 396, Begründung, S. 8 f.; Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610 ff. sprechen in diesem Zusammenhang von einem Paradigmenwechsel im Hinblick auf das Kapitalschutzsystem. 461 Formulierung von Ekkenga, AG 2006, 389. 462 Rickford, EBLR 2004, 919 (971 ff.). 463 Vgl. zu den jeweiligen nationalen Reformen supra Kapitel 2 – Fn. 360. 464 Zusammenfassend Lutter, Das (feste Grund-)Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1 ff. Vgl. auch Lutter, GmbHR 2007, R97. 465 Zur Kritik am Kapitalschutzmodell eingehend Hancke, Vorrats- und MantelGmbH, S. 137–140 m.w. N., sowie BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 18 ff. 460

B. Das Kapitalschutzmodell in der Legitimationskrise

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rung466 von Kapitalgesellschaften, weil es die Gesellschafter dazu verleite, die Kapitalausstattung ihrer Gesellschaft nicht an den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen, sondern an der gesetzlichen Mindeststammkapitalziffer auszurichten. Ohne der Diskussion um die Absenkung des Mindeststammkapitals durch das MoMiG (RegE) vorweg greifen zu wollen, sei hier schon angedeutet, dass das satzungsmäßige Stammkapital in der Insolvenz regelmäßig verbraucht ist und insofern nicht als Befriedigungsreserve zugunsten der Gläubiger fungieren kann. Aber nicht nur die Kapitalaufbringung, sondern auch das bilanzorientierte Kapitalerhaltungsgebot sieht sich der Kritik ausgesetzt; das letztere deshalb, weil es nach Ansicht vieler die Liquiditätssituation nicht hinreichend berücksichtigt. Darauf wird bei der Kontroverse um den Solvenztest zurückzukommen sein. 4. Fazit: Zunehmender rechtspolitischer Druck auf das Kapitalschutzmodell Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie der KPMG könnte zu einem Vorschlag der Europäischen Kommission für die Aufnahme eines alternativen Systems in die Zweite Richtlinie führen467. Sogleich wird zu zeigen sein, dass diese Entwicklungen ihre Ursachen letztlich im Bilanzrecht haben468. Festzuhalten ist die stetige Zunahme des Drucks auf das Kapitalschutzmodell469. Die sekundärrechtlichen Umwälzungen mögen zwar in erster Linie die börsennotierten AGs betreffen, ihre Sogwirkung wird jedoch auch die GmbH nicht unbehelligt lassen. Eine GmbH-Reform muss daher die europäischen Rahmendaten berücksichtigen und die entsprechenden Regulierungsvorschläge miteinbeziehen470.

466 Zum Begriff der materiellen Unterkapitalisierung ausführlich infra Kapitel 4 – A. II. 2. b). 467 Aktionsplan, S. 30. 468 Ekkenga, AG 2006, 389 ff. Zu den bilanzrechtlichen Implikationen näher infra Kapitel 2 – C. I. 469 Vgl. Merkt, RIW 2004, 1 (7). 470 BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 10.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

C. Der Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards auf das Gläubigerschutzsystem, insbesondere auf das Kapitalerhaltungsgebot Im deutschen GmbH-Recht knüpft die kapitalerhaltende Ausschüttungssperre traditionell an die Jahresbilanz an, §§ 30 Abs. 1, 42 Abs. 1 GmbHG 471. Ein solches weist den Strukturprinzipien der Bilanzierung eine eminent wichtige Rolle zu. Die deutschen Bilanzierungsprinzipien befinden sich aufgrund internationaler Entwicklungen im Umbruch472. Daher nimmt es nicht wunder, dass die bilanzrechtsinduzierte Umgestaltung der Kapitalerhaltungsregelungen im Rahmen der Diskussion um die Neuorientierung des Gläubigerschutzes die Debatte bestimmt473. Die Entscheidung über den Fortbestand der gläubigerschützenden Kapitalerhaltung als Grundpfeiler des Kapitalschutzmodells wird im Bilanzrecht fallen474. I. Neue Standards im Bereich der Rechnungslegung 1. Vorsichts- und Realisationsprinzip des tradierten deutschen Bilanzrechts Wie erwähnt, war die Aktienrechtsnovelle von 1884 den Schwindelgründungen geschuldet, zu denen es während der Gründerzeit gekommen war. Als Gegenmaßnahme etablierte der Reichsgesetzgeber einen strengen, bilanzorientierten Gläubigerschutz. In Abkehr von der ursprünglich geltenden Bewertung zum gegenwärtigen Marktwert (Art. 31 ADHGB) durften Vermögenswerte des Anlagevermögens nur noch höchstens zu ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden, § 253 Abs. 1, 2 HGB a. F.475. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens waren gem. § 253 Abs. 3 HGB a. F. mit dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis anzusetzen. Dieses Bewertungssystem konnte zur Bildung von bilanziell nicht erkennbaren stillen Reserven476 führen477. 471 Zuletzt BGH v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, NZG 2008, 908, Tz. 11. Die Orientierung an der Bilanz ist einfach handhabbar und rechtssicher, vgl. Jungmann, ZGR 2006, 638 (640 f.); Kuhner, ZGR 2005, 753 (777); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (4). 472 K. Schmidt, HandelsR5, § 15 I 2; ausführlich Pellens/Sellhorn, Zukunft des bilanziellen Kapitalschutzes, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 451 ff. 473 Lanfermann/Röhricht, BB-Special 5/2007, 8, ebenda. 474 Ekkenga, AG 2006, 389, ebenda. 475 Näheres zu Abschreibungen im Zusammenhang mit dem Niederstwertprinzip bei Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, § 253 Rn. 1. 476 Dazu Hennrichs, NVersZ 2002, 5, ebenda. 477 Die gläubigerschützende Wirkung stiller Reserven wird schon länger in Zweifel gezogen, weil sie ebenso still, wie sie entstehen, auch wieder aufgezehrt werden kön-

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Einen überhöhten Gewinnausweis in der Bilanz verhinderte ferner das – durch das Objektivierungsprinzip konkretisierte – Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB478. Dieses gilt nicht nur für die Bewertung, sondern enthält allgemeine Bilanzierungs- und Ansatzverbote und ist im Imparitätsprinzip, im Realisationsprinzip479 des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HS 2 HGB und im Niederstwertprinzip ausgeprägt. Der Bundesgerichtshof hat diese Prinzipien dem Gläubigerschutzgedanken zugeordnet480. Ihre gläubigerschützende Wirkung zeigen die kaufmännischen GoB-Grundsätze des § 243 Abs. 1 HGB i.V. m. den Sondervorschriften für Kapitalgesellschaften (§§ 264 ff. HGB) darin, dass sie tendenziell den Gewinn drosseln und damit Vermögensabflüsse an die Gesellschafter und den Fiskus verringern: „Der Kaufmann soll sich eher zu arm als zu reich rechnen.“ 481 Der Geschäftsführer einer GmbH muss daher bei der Aufstellung der Bilanz und zum Zwecke der Feststellung der Bilanz die bilanzrechtlichen Vorgaben beachten, § 42a Abs. 2 S. 3 GmbHG. 2. Ausbreitung der fair-value-Bilanzierung a) Wesensmerkmale der Rechnungslegung nach IFRS In dem Maße, in dem sich die Unternehmensfinanzierung vom klassischen Bankdarlehen emanzipierte und die Möglichkeiten des Kapitalmarkts zu nutzen begann, gewannen die Bilanzierungsvorstellungen der volatil engagierten Anteilseigner die Oberhand über den tradierten bilanzvermittelten Gläubigerschutz482. Dementsprechend dienen die International Financial Reporting Standards (IFRS) vornehmlich der Information über die gegenwärtige Vermögenslage der Gesellschaft483 und sollen Investitionsentscheidungen der Kapitalmarktteilnehmer in dynamischer Weise fundieren (decision usefulness)484. nen und dem Gläubiger im Ernstfall somit nicht als Befriedigungsreserve zur Verfügung stehen, vgl. Kübler, ZGR 2000, 550 (556 f.) m.w. N. 478 Zum Ganzen Wüstemann/Bischof/Kierzek, BB-Special 5/2007, 13 (14 f.). 479 Zum Realisationsprinzip Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, § 253 Rn. 13 ff. 480 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 (Beton- und Monierbau), NJW 1982, 2823. 481 Formulierung von Lüdenbach/Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRSKommentar5, § 1 Rn. 11. Eingehend zur gläubigerschützenden Wirkung der deutschen Handelsbilanz Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, Einl. vor § 238 Rn. 159, sowie zum Grundsatz der Vorsicht § 252 Rn. 10; vgl. auch Schön, ZGR 2000, 706 (725 ff.). Zweifelnd aber Pellens/Sellhorn, Zukunft des bilanziellen Kapitalschutzes, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 451 (459 f.). 482 Kübler, ZGR 2000, 550 (555). 483 Grundlegend dazu aus deutscher Sicht Kübler, ZHR 159 (1995), 550 ff. 484 Lüdenbach/Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, Haufe IFRS-Kommentar5, § 1 Rn. 15; Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, Einl. vor § 238 Rn. 121, 159. Vgl. auch § 264 Abs. 2 HGB.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Der Terminus IFRS ist ein Oberbegriff; er umfasst die Rechnungslegungsstandards IAS und IFRS sowie die zugehörigen Interpretationen. Die IFRS werden von dem privaten International Accounting Standards Board in London erarbeitet. Dieses Gremium besteht überwiegend aus Vertretern kapitalmarktnaher Institutionen485. Die IFRS finden mittlerweile in über 100 Staaten Anwendung486. Die IFRS drängen das Vorsichts- und Objektivierungsprinzip zurück487 und durchbrechen das Realisationsprinzip488. Sie vergrößern das Aktivierungspotential im Vergleich zur HGB-Bilanz: Einmal erlauben sie die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögenswerte (IAS 38.57)489. Zum anderen ist die Bewertung von Sachanlagevermögen zum beizulegenden Zeitwert (fair value) nach IAS 16.29 ff. tragender Pfeiler der IFRS – entgegen § 253 Abs. 1 S. 1 HGB. Auf der anderen Seite der Bilanz verringern sie die Passivierungspflichten, etwa gem. IAS 19 in Bezug auf Pensionsrückstellungen490. Insbesondere die fair-value-Bilanzierung erhöht in Zeiten steigender Zeitwerte das Eigenkapital der Gesellschaft. Im Schnitt lassen sie die Gesellschaften nach Schätzungen eine um 30 Prozent positivere Vermögenssituation ausweisen491. Dies vergrößert die möglichen Ausschüttungen zugunsten der Anteilseigner492. Allerdings ist damit auch gesagt, dass sich die fair-value-Bilanzierung den Zyklen der Marktentwicklung anpasst (daher auch mark-to-marketBilanzierung). Steigende Marktpreise stärken die Bilanz – umgekehrt kommt es zur Vernichtung von Bilanzwerten, wenn die Marktpreise fallen oder eine marktmäßige Preisbildung nicht zustande kommt, bspw. aufgrund von Liquiditätsengpässen in einem bestimmten Marktsegment. Die im Sommer 2007 manifest gewordene sog. Subprime-Krise, die zum Zusammenbruch des Markts für hypothekenbezogene Finanzinstrumente in den USA führte, ist somit auch eine Krise der fair-value-Bilanzierung493. Während des Börsenkrachs vom Septem-

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Zum Ganzen Dettmeier/Pöschke, JuS 2007, 313 (313 f.). Zur globalen Verbreitung der IFRS und ihrer Akzeptanz in den USA Hennrichs, ZGR 2008, 361 (363). 487 Merkt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, § 252 Rn. 52. 488 Wüstemann/Bischof/Kierzek, BB-Special 5/2007, 13 (16). 489 Im Gegensatz zu § 248 Abs. 2 HGB a. F. 490 Dazu Dettmeier/Pöschke, JuS 2007, 313 (316 f.). 491 Merkt, ZGR 2004, 305 (307 f.). Ausführlich Pellens/Sellhorn, Zukunft des bilanziellen Kapitalschutzes, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 451 (460 ff.). 492 Vgl. Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 3; ferner BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 18; vgl. auch Hennrichs, ZGR 2008, 361 (364 f.). Zur „unlösbaren Verklammerung bilanzrechtlicher Gewinnermittlung und gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung“ kritisch Ekkenga, AG 2006, 389 (390 ff.). 493 Bayer, Financial Times Deutschland v. 11.3.2008, 26. 486

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ber/Oktober 2008 im Gefolge des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. sahen sich Regulierer und Standardsetzer weltweit gezwungen, die fair-value-Bilanzierung zu lockern, um die Insolvenz zahlreicher Finanzinstitute zu vermeiden494. b) Die IAS-Verordnung der EU Aufgrund der IAS-Verordnung495 müssen kapitalmarktorientierte Konzerne gem. § 315a HGB ihren Konzernabschluss (§§ 290 ff. HGB) seit dem 1.1.2005 nach den IFRS erstellen496. Dies soll die Vergleichbarkeit der Abschlüsse im Interesse des Binnenmarkts ermöglichen. Für die Zwecke der Kapitalerhaltung ist jedoch weiterhin die zusätzlich zu erstellende HGB-Bilanz maßgebend497. Die hier interessierenden geschlossenen Kapitalgesellschaften wie die GmbH sind davon zwar nicht unmittelbar betroffen. Zu bedenken ist aber, dass die modifizierten Baseler Eigenkapitalrichtlinien (Basel II) die Kreditgeber zur Bewertung der Bonität ihrer Schuldner zwingen, weil der vorgeschriebene, gestaffelte Prozentsatz der Eigenkapitalhinterlegung für Kredite an die Bonität des Kreditnehmers gekoppelt ist. Bei einer Rechnungslegung nach IFRS erscheint die Vermögenslage der Gesellschaft in einem besseren Licht. Um auf dem Kapitalmarkt attraktiver zu sein, ist es also aus Sicht der Unternehmen wünschenswert, nach IFRS zu bilanzieren498. c) Das BilMoG – Paradigmenwechsel in der handelsrechtlichen Rechnungslegung Vor dem Hintergrund von Basel II war im Zusammenhang mit der IAS-Verordnung die mittelfristige Ausweitung der IFRS-Bilanzierung prognostiziert worden499. Tatsächlich sollen nach dem Willen des Gesetzgebers wesentliche Gedanken der IFRS in Zukunft auch für die GmbH gelten: Am 3.4.2009 be-

494 Münchau, Kernschmelze im Finanzsystem, S. 182, 186; vgl. ferner das Schreiben der EU-Kommission an den Chairman des IASB vom 27.10.2008, Az.: MARKT.F.3/AD D(2008) 47947: „[It must be ensured] that financial assets presently classified under the Fair Value Option can be reclassified into other categories and not measured at fair value . . .“ 495 Verordnung (EG) 1606/2002 vom 19.7.2002, ABl., 11.9.2002, Nr. L 243/1. 496 Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 196. Die Umsetzung der privat erarbeiteten IFRS in europäisches Recht erfolgt im sog. Komitologieverfahren durch die EU-Kommission in Form von Verordnungen; ihre Auslegung obliegt dem EuGH, Dettmeier/Pöschke, JuS 2007, 313 (314). 497 Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 3. 498 Zum Ganzen Merkt, ZGR 2004, 305 (308). 499 Merkt, ZGR 2004, 305 (308 f.).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

schloss der Bundesrat die Zustimmung zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)500. Es transponiert zwei Rechtsakte der EU in nationales Recht und möchte die Informationsfunktion der Rechnungslegungsvorschriften des HGB verstärken501. Dazu wird das HGB den IFRS wesentlich angenähert. Über weite Strecken werden IFRS-Formulierungen implizit übernommen oder explizit referenziert502. So soll nunmehr u. a. die Aktivierung des Geschäfts- bzw. Firmenwerts (good will) und gem. § 248 Abs. 2 HGB n. F. selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände erlaubt werden sowie gem. § 340e Abs. 3 HGB n. F. die Bewertung nach dem beizulegenden Zeitwert (fair value) für von Finanzdienstleistern zu Handelszwecken erworbene Finanzinstrumente ins HGB einziehen503. Im Schrifttum heißt es daher, das BilMoG „[rüttle] am Fundament der handelsrechtlichen Rechnungslegung“ 504, auch wenn das BilMoG die Bedeutung des Bilanzrechts für den Gläubigerschutz nicht verkennt und dementsprechend Elemente wie etwa die Ausschüttungssperre gem. § 268 Abs. 8 HGB n. F. enthält505. Die Einführung der Bewertung zum Zeitwert bei Banken bedeutet eine weitere Stärkung des Informationsmodells: Sie spiegelt den aktuellen Wert einer Investition besser wider. Allerdings erscheint es etwas ironisch und wenig geglückt, dass die Hegemonie des fair value von einer Großen Koalition nachvollzogen wird, deren Protagonisten die angelsächsische Rechnungslegung noch vor kurzem als unseriös bezeichnet haben, und dass dies obendrein zu einem Zeitpunkt (Verabscheidung im Bundestag am 26.3.2009)506 geschieht, in dem die potentiell fatal prozyklischen Auswirkungen der fair-value-Bilanzierung international erkannt worden sind und bereits ein gegenläufiger Trend eingesetzt hat. Ob der als Lehre aus der Finanzkrise eingeführte „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ nach §§ 340g, 340e Abs. 4 HGB n. F. zukünftige Bankenkrisen verhindert, bleibt abzuwarten.

500 BR-Drucks. 270/09; BGBl. I, Nr. 27/2009 vom 28.5.2009, S. 1102; in Kraft getreten am 29.5.2009. 501 Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605. 502 Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 (2612). 503 Zum Ganzen eingehend Zwirner, NZG 2009, 530 (532 ff.). 504 Auf dem Stand des RegE Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 (2612); ebenso Rammert/Thies, WPg 2009, 34 (37): „gravierende[r] Widerspruch zu den bestehenden GoB“. 505 Vgl. Hommelhoff, ZGR 2008, 250 (257 ff.), allerdings auf dem Stand des RefE. 506 http://www.bmj.de/enid/843b73168c2173d2465e8bb862df82ab,653d6d305f74726 36964092d0935353231/Bilanzrecht/Bilanzrechtsmodernisierung_1ez.html (zuletzt eingesehen am 25.5.2009).

C. Der Einfluss neuer Rechnungslegungsstandards

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II. Konsequenzen der neuen Rechnungslegungsstandards für das bilanzorientierte Kapitalerhaltungsgebot Die Gläubigerschutzinstrumente des GmbHG, insbesondere das Kapitalerhaltungsgebot, greifen bereits ab dem Vorliegen einer Unterbilanz ein507. Von einer Unterbilanz spricht man, wenn die Aktiva abzüglich der echten Passiva die Stammkapitalziffer nicht mehr decken508. Der bilanziellen Bewertung kommt mithin eine entscheidende Rolle zu. Da das BilMoG das Aktivierungspotential erhöht und die Ausschüttungssperre gem. § 268 Abs. 8 HGB n. F. bei der Ermittlung einer Unterbilanz keine Anwendung finden kann – es geht ja noch nicht um Ausschüttungen –, verlieren die Kapitalerhaltungsregeln also ihre bilanzielle Grundlage. Nahezu einhellig geht man davon aus, dass ein IFRS-Abschluss für die Funktion der Ausschüttungsbemessung und -begrenzung bei der AG ungeeignet ist509. Zulasten der Gläubiger ermöglichen sie erhöhte Vermögensabflüsse an Gesellschafter und Fiskus. Nach dem BilMoG ist vorbehaltlich des § 268 Abs. 8 HGB n. F. Ähnliches für die GmbH zu erwarten. Dies zwingt mindestens zur bilanzneutralen Umgestaltung des Kapitalerhaltungsgebots, wenn nicht sogar zur Abkoppelung des gesamten Gläubigerschutzsystems vom Bilanzrecht. III. Vorschläge zur bilanzrechtsneutralen Umgestaltung des Kapitalerhaltungsgebots Zahlreich wurden Vorschläge gemacht, die die bilanzrechtlichen Veränderungen mit der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung in Einklang bringen wollen. 507 Liegt eine Unterbilanz vor, so führt dies zur Vorbelastungshaftung für Verluste, die vor der Eintragung der GmbH entstanden waren. Ferner dürfen keine Auszahlungen an die Gesellschafter erfolgen, die eine Unterbilanz herbeiführen oder vertiefen würden, § 30 Abs. 1 GmbHG. Die §§ 30 f. GmbHG gelten in entsprechender Anwendung auch für in der Krise der Gesellschaft gewährte Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Rechtshandlungen. Die GmbH darf eigene Geschäftsanteile gem. § 33 Abs. 2 GmbHG nur mit freiem Vermögen erwerben, Vergleichbares gilt für die Einziehung, §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG. Nur aus dem freien Vermögen dürfen Darlehen an die Geschäftsführer vergeben werden, § 43a S. 1 GmbHG. Die Unterbilanz löst also bereits Rechtsfolgen aus, bevor ein Insolvenzeröffnungsgrund gegeben ist. Dazu Schärtl, GmbHR 2007, 344 (346 f.). 508 Statt aller K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1d. Zu den Grenzen einer rein bilanziellen Betrachtung im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG aber BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (75): „Vermögensschutz erschöpft sich nicht in der Garantie einer bilanzmäßigen Rechnungsziffer, sondern gebietet die Erhaltung einer die Stammkapitalziffer deckenden Haftungsmasse“. 509 Merschmeyer, Die Kapitalschutzfunktion des Jahresabschlusses und Übernahme der IAS/IFRS für die Einzelbilanz, S. 232; vgl. auch Kübler, ZGR 2000, 550 (561 f.); Teichmann, NJW 2006, 2244 (2446) m.w. N.; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (12); Pellens/ Sellhorn, Zukunft des bilanziellen Kapitalschutzes, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 451 (460 f., 464 ff.).

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

1. Erhöhung der bilanzorientierten Ausschüttungsschwelle In der Literatur wurde eine Berücksichtigung des nach IFRS größeren Aktivierungspotentials im Rahmen des tradierten Kapitalerhaltungsgebots angeregt: Wenn die Rechnungslegung nach IFRS die Vermögenslage der Gesellschaft im Schnitt um 30 Prozent positiver erscheinen lasse, könne die Ausschüttungssperre dementsprechend auf 130 Prozent des Stammkapitals festgesetzt werden510. 2. Lösung der Ausschüttungssperre vom Bilanzrecht a) Gesellschaftsrechtliche Unterbilanzrechnung An anderer Stelle wurde vorgeschlagen, für die Gewinnverteilung im GmbHRecht eine nach gesellschaftsrechtlichen Kriterien erstellte Unterbilanzrechnung zugrunde zu legen511. b) Situativer Solvenztest statt bilanzorientierter Kapitalerhaltung Der zunehmenden Bedeutung des cash flow als betriebswirtschaftlicher Kennziffer neben der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung tragen Vorschläge für alternative Ausschüttungssperren Rechnung. Nach dem Vorbild des New Zealand Companies Act und dem Recht einiger US-Bundesstaaten wurde angeregt, ein situativer Solvenztest könne die bilanzorientierte Ausschüttungssperre ersetzen. Die Zulässigkeit von Ausschüttungen hinge dann von der aktuellen Liquiditätssituation der Gesellschaft ab und verlangte eine Prognoseentscheidung des Geschäftsführers im Hinblick darauf, ob die Gesellschaft unter Berücksichtigung der zu erwartenden Liquiditätsentwicklung in der Lage sein werde, ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu bedienen512. Darauf wird bei der Untersuchung der Reform des Kapitalerhaltungsgebots durch das MoMiG zurückzukommen sein. Zur absichernden Ergänzung des Solvenztests wurden verschiedene Kombinationsmodelle vorgeschlagen513, insbesondere um die geringe Tauglichkeit eines IFRS-Jahresabschlusses für die Zwecke des Gläubigerschutzes auszugleichen514. 510 Vetter, ZGR 2005, 788 (805) lehnt diesen Gedanken an § 150 Abs. 2 AktG an. Lutter, Das (feste Grund-)Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1 (10) führt ihn auf das kalifornische Recht zurück. 511 Ekkenga, AG 2006, 389 (397). 512 Zum neuseeländischen Recht Jungmann, ZGR 2006, 638 (650 ff.). Vgl. ferner Teichmann, NJW 2006, 2244 (2247); Vetter, ZGR 2005, 788 (802 f.) m.w. N. in Fn. 44. 513 Im Überblick Lanfermann/Röhricht, BB-Special 5/2007, 8 (10 ff.); zu diesen Ansätzen vgl. auch Hennrichs, ZGR 2008, 361 (367 ff.). 514 Wenn eine Gesellschaft dem Ausschüttungsbeschluss nicht die HGB-Bilanz, sondern die IFRS-Bilanz zugrundelegt, soll zusätzlich ein Solvenztest erforderlich sein;

D. Schlussfolgerung aus den Rahmendaten der Gläubigerschutzreform

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3. Selbstverpflchtung durch satzungsautonome Ausschüttungssperre Auch vertrags- oder satzungsmäßige Ausschüttungssperren515 sind ggf. ergänzend in Erwägung zu ziehen: Dazu könnten die Gesellschaftsgründer verpflichtet werden, in die Gesellschaftssatzung Regelungen über die Finanzverfassung aufzunehmen und diese offen zu legen. Dann bestünde ein Anreiz für die Gesellschafter, ihre Dispositionsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen durch Selbstverpflichtung im Interesse der Gläubiger einzuschränken, um sich für Kreditgeber attraktiv zu machen. Der Kapitalmarkt könnte dann über die richtige Balance der Interessen von Fremd- und Eigenkapitalgebern befinden.

D. Schlussfolgerung aus den Rahmendaten der Gläubigerschutzreform auf die Beschaffenheit des reformierten Gläubigerschutzsystems I. Ein dreifacher Paradigmenwechsel Die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Rahmen, innerhalb dessen sich die GmbH-Reform vollziehen muss, ist nach dem Gesagten dahingehend zu beantworten, dass das Kapitalschutzmodell als tradiertes Gläubigerschutzsystem der GmbH aus verschiedenen Richtungen unter Druck gerät: Das Internationale Gesellschaftsrecht, die rechtspolitische Tendenz auf der europäischen Ebene und die Trends im Bereich der Rechnungslegung auch nicht kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften weisen allesamt den Weg in eine andere Richtung. Wenn das Internationale Gesellschaftsrecht als Auslöser der GmbH-Reform bezeichnet werden kann, so nehmen die anderen beiden Faktoren zumindest mittelbaren Einfluss auf die Ausgestaltung der Reform. II. Konsequenzen aus dem dreifachen Paradigmenwechsel Der eben konstatierte dreifache Paradigmenwechsel legt die Aufgabe der tradierten Vorstellung nahe, die Aufbringung und Erhaltung des Mindeststammkapitals garantiere den Gesellschaftern das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG, entbinde sie von weiteren gläubigerschützenden Verhaltensanforderungen und schütze sie vor entsprechender Haftung516. so der Arbeitskreis „Kapital in Europa“, siehe Lutter, Das (feste Grund-)Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1 (11). 515 Vgl. Wüstemann/Bischof/Kierzek, BB-Special 5/2007, 13 (15 ff.). Zur Ausschüttungsbegrenzung durch financial covenants siehe infra Kapitel 4 – B. III. 516 Diese Grundregel des deutschen Rechts sei „klar verständlich und überschaubar“, Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3(20). Im diesem Sinne auch Goette im Interview mit dem Handelsblatt vom 8.6.2007 (abrufbar unter http://www.handels

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Demzufolge sollte der Gläubigerschutz weniger durch rechtsformspezifische, präventiv kontrollierende und bilanzorientierte gesetzliche Vorschriften und stattdessen mehr durch verhaltensbezogene Haftungsfiguren und rechtsgeschäftliche Vorsorge verwirklicht werden. Ob dazu letztlich ein vollständiger Systemwechsel erforderlich ist517, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. Jedenfalls sollte sich die Reform auf die Wurzeln der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung zurückbesinnen, deretwegen der Gläubigerschutz überhaupt notwendig ist: Haftungsbeschränkung ist volkswirtschaftlich erwünscht, weil sie den Schritt in die unternehmerische Selbständigkeit fördert; eine wachsende Volkswirtschaft braucht überlebensfähige Unternehmen. Jeder Reformgesetzgeber sollte sich daher der großen Bedeutung der enabling function des Gesellschaftsrechts bewusst sein518.

E. Motivation und Entstehungsgeschichte der GmbH-Reform durch das MoMiG I. Motivation 1. Reaktive Momente: Modernisierung und Missbrauchsbekämpfung In den Worten des Regierungsentwurfs verfolgt das MoMiG – wie schon der Name sagt – maßgeblich zwei Anliegen: „Zum einen soll die Rechtsform der GmbH besser gegen Missbräuche geschützt werden.“ 519 Damit wird auf die Praxis der sog. Firmenbestattungen angespielt. „Zum anderen soll die GmbH dereguliert und modernisiert und dadurch ihre Attraktivität gegenüber konkurrierenden ausländischen Rechtsformen gesteigert werden.“ 520 Dies zeigt deutlich, dass sich die Bundesregierung auf den unter dem Regime der Sitztheorie einstmals unbekannten Wettbewerb auf dem Markt für Rechtsprodukte einzulassen gedenkt. 2. Die europäische Perspektive der reformierten GmbH Jedoch sollte neben die beiden genannten reaktiven Momente noch ein drittes Reformanliegen treten, das nicht nur vom Gesetzgeber verfolgt, sondern auch von Wissenschaft und Rechtsprechung beim Umgang mit dem MoMiG im Hinblatt.com/news/_pv/_p/204886/_t/ft/_b/1278154/default.aspx/index.html; zuletzt eingesehen am 25.3.2008); ferner Raiser, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 47. 517 Dafür etwa Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (188 ff.). 518 Dazu Merkt, ZGR 2007, 532 (533). 519 BT-Drucks. 16/6140, S. 58. 520 BT-Drucks. 16/6140, S. 58.

E. Motivation und Entstehungsgeschichte der GmbH-Reform

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terkopf behalten werden muss: In der Rechtsprechung des EuGH liegt nicht nur eine Herausforderung, sondern zugleich eine Chance für das deutsche Gesellschaftsrecht. Sie ermöglicht nämlich den Export der eigenen gesellschaftsrechtlichen Vorstellungen, sofern es gelingt, die Neukonzipierung des GmbHG mit Blick auf gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen durchzuführen521. Vor allem nachdem die Kreation der Europäischen Privatgesellschaft in Angriff genommen worden ist522, sollte die Aussicht auf Prägung derselben Ansporn genug sein, in der GmbH-Reform ein wichtiges Projekt zu sehen. Immerhin hatte die Einführung der GmbH im Jahre 1892 eine Ausstrahlungswirkung auf viele Staaten der Erde523. Käme es nach der GmbH-Reform zu einem nennenswerten Rechtsexport, so wäre dies bei der Schaffung der Europäischen Privatgesellschaft ein starkes Argument für die deutsche Konzeption. Ein solcher Export kann sich entweder darin manifestieren, dass ausländische Gesetzgeber deutsche Konzeptionen übernehmen, oder darin, dass sich ausländische Gründer der GmbH bedienen und deren Verwaltungssitz in ihr Heimatland verlegen. 3. Etablierung europäischer Lösungen jenseits von Europa Dass sich diejenige Konzeption der geschlossenen Kapitalgesellschaft, die sich in Europa durchsetzen wird, auch jenseits von Europa durchsetzen könnte, mag zwar in noch weiterer Ferne liegen als die Schaffung der EPG524. Jedoch ist zu bedenken, dass die GmbH einst in vielen Ländern der Erde rezipiert wurde. Nach der Ausbreitung der Marktwirtschaft gibt es weltweit ein verstärktes Bedürfnis nach Haftungsbeschränkung bei Unternehmensgründungen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich außereuropäische Länder im Bedarfsfall an der europäischen Erfahrung orientieren. II. Entstehungsgeschichte des MoMiG 1. Regierungsentwurf eines MindestKapG vom 1.6.2005 Die Bundesregierung beschränkte sich zunächst auf ein Vorhaben zur Absenkung des Mindeststammkapitals auf 10.000 Euro und zur Beschleunigung der GmbH-Gründung525. Damit sollten die wesentlichen Vorteile der englischen 521 Zu den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen im Gesellschaftsrecht allgemein Merkt, ZGR 2007, 532 ff. Zur Ausgestaltung des Gläubigerschutzes in der kleinen bzw. geschlossenen Kapitalgesellschaft Eidenmüller, JZ 2007, 487 (488 ff., 493). 522 Vgl. dazu supra Kapitel 2 – A. I. 3. b) (2). 523 Lutter, Die Entwicklung der GmbH, in: FS GmbHG, S. 49 (51–55). 524 Vgl. Merkt, RIW 2004, 1 (2). 525 Regierungsentwurf zum MindestkapG vom 1.6.2005 (BR-Drucks. 619/05); fiel dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer, § 125 S. 1 GOBT.

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Limited für die GmbH übernommen werden. Angeblich gab es auch einen BMJinternen Vorentwurf, der das Mindeststammkapital nach französischem Vorbild auf einen Euro senken wollte526. 2. Referentenentwurf eines MoMiG vom 29.5.2006 Am 29.5.2006 wurde der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorgelegt527. Er blieb dem bisherigen Regelungskonzept des GmbHG verhaftet und korrigierte nur punktuell528. Der Entwurf entwickelte die beiden Anliegen des MindestKapG fort. Der 66. Deutsche Juristentag hatte sich daraufhin im September 2006 mit dem Gutachten von Haas529 auseinandergesetzt und die vorsichtige Linie des Referentenentwurfs größtenteils bestätigt. Insbesondere die verschiedentlich geforderte530 Einführung einer neuen Rechtsform wurde mit überwältigender Mehrheit abgelehnt531. 3. Regierungsentwurf eines MoMiG vom 23.5.2007 und parlamentarisches Verfahren Dennoch griff der seit 23.5.2007 vorliegende Regierungsentwurf 532 zum MoMiG den Vorschlag einer neuen Unternehmergesellschaft (UG) auf 533. Am 6.7. 526

Seibert, BB 2005, 1061 m.w. N. in Fn. 1. Dazu Haas, GmbHR 2006, 729 ff.; Leuering, ZRP 2006, 201 ff.; Schäfer, DStR 2006, 2085 ff.; K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 ff.; Seibert, ZIP 2006, 1157 ff.; Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 ff. 528 Schäfer, DStR 2006, 2085 spricht insoweit von einem „pointillistischen“ Ansatz, der ernüchternderweise an den tragenden Säulen des bisherigen GmbH-Rechts nicht rüttle. Von marginalen Veränderungen spricht Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (197). 529 Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, zum Thema: „Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes“. 530 Lutter, BB-Special 7/2006, 2 ff. plädiert für eine neue Unternehmer-Gesellschaft (UG). Zur Erforderlichkeit eines neues Gesellschaftstyps auch eingehend Gehb/ Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (90 ff.). Für eine alternative Rechtsform mit den Vorzügen der Limited auch Westhoff, GmbHR 2006, 525 (528). Weitere Vorschläge bei Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (23). 531 Beschluss Nr. 1 der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 21. 532 BT-Drucks. 16/6140. 533 Überblicksartig zum RegE die Pressemitteilung des BMJ „Reformen für Gründer – das MoMiG“ vom 23.05.2007, verfügbar unter http://www.bmj.bund.de/enid/ 08643a3e1923b328dd22ec48a691a924,4a3ca4636f6e5f6964092d0934343139093a095f7 472636964092d0932303736/Pressemitteilungen_und_Reden/Pressemitteilungen_58.html (letzter Abruf am 25.3.2008). 527

F. Ergebnisse in Thesen

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2007 beschloss der Bundesrat unter Berücksichtigung der Empfehlungen seiner Ausschüsse eine Stellungnahme zur geplanten Modernisierung des GmbHRechts534. Am 20.9.2007 fand die erste Beratung des Regierungsentwurfs im Bundestag statt. Er wurde zur weiteren Beratung in den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie überwiesen. Die Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags fand am 23.1.2008 statt535. Am 24.6. 2008 empfahl der Rechtsausschuss des Bundestags die Annahme des Regierungsentwurfs mit leichten Modifikationen536. Am 26.6.2008 passierte der Entwurf in zweiter und dritter Lesung den Bundestag537, am 19.9.2008 den Bundesrat. Am 23.10.2008 wurde das MoMiG verkündet (BGBl. I, Nr. 48/2008 vom 28.10.2008, S. 2026). Es ist am Samstag, den 1.11.2008, in Kraft getreten.

F. Ergebnisse in Thesen 1. Das Kapitalschutzmodell deutscher Prägung ist in einer Legitimationskrise, da es mit Paradigmenwechseln im Internationalen Gesellschaftsrecht, in der europäischen Rechtspolitik und im Bilanzrecht konfrontiert wird. 2. Die Gründungsanknüpfung im Internationalen Gesellschaftsrecht stellt das im Gesellschaftsrecht geregelte Kapitalschutzmodell zur Disposition der Gesellschafter. 3. Die Europäische Kommission nahm die Untersuchungsergebnisse zahlreicher Expertengruppen auf und ließ in einer Machbarkeitsstudie rechtspolitische Alternativen zum Kapitalschutzmodell der Zweiten Richtlinie prüfen. 4. Während das HGB-Bilanzrecht traditionell dem Gläubigerschutz diente, haben die internationalen Rechnungslegungsstandards die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarkts im Blick. Sie setzen sich mit dem BilMoG tendenziell auch im HGB durch. Dies entwertet den durch bilanzakzessorische Kapitalerhaltung vermittelten Gläubigerschutz. Teilweise wird daher für einen Solvenztest als Ausschüttungssperre plädiert, der die Liquidität der Gesellschaft stärker in den Blick nehmen soll. 5. Als Alternative zum Kapitalschutzmodell wird privatinitiativer Gläubigerschutz durch Transparenz und Publizität streitig diskutiert (Informationsmodell). Zwischen beiden Modellen stehen hybride und vermittelnde Vorschläge, an denen das Schrifttum reich ist.

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BR-Drucks. 354/07. Vgl. dazu die Presseerklärung des Abgeordneten Gehb, verfügbar unter http:// www.presseportal.de/pm/7846/1123116/cdu_csu_bundestagsfraktion (letzter Abruf am 26.3.2008). 536 BT-Drucks. 16/9737. 537 BT-Plenarprotokoll 16/172 vom 26.6.2008. 535

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Kap. 2: Rahmendaten der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

6. Bei der Modernisierung des GmbH-Rechts waren diese Rahmendaten zu berücksichtigen. Die Perspektive der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG war daher von Anfang an die Deregulierung der Gesellschafterpflichten zur Aufbringung und Erhaltung des in seiner Mindesthöhe festgelegten satzungsmäßigen Stammkapitals, insbesondere die Reduktion präventiver Kontrollund Schutzmechanismen, kompensiert durch einen Ausbau verhaltensbezogener Haftung im Einzelfall.

Kapitel 3

Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG Vor dem Hintergrund der Rahmendaten der GmbH-Reform ist nun gemäß dem eingangs festgelegten Gang der Untersuchung die Ausgestaltung des reformierten Gläubigerschutzsystems durch das MoMiG zu analysieren.

A. Gläubigerschutz zwischen Prävention und Repression An den Regelungen über die Gesellschaftsgründung zeigt sich ein grundlegender Wesensunterschied zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem angelsächsischen Verständnis von Gläubigerschutz: Während die Kapitalgesellschaft in Deutschland als potentiell gefährliche Einrichtung angesehen wird, die der Staat präventiv zu kontrollieren hat, um die Bürger keinen unnötigen Risiken auszusetzen1, geht man in England und den USA davon aus, dass ein repressives Vorgehen im Einzelfall ausreicht, solange Publizität und Transparenz so groß sind, dass die Marktteilnehmer Risiken selbst einschätzen und sich ggf. dagegen absichern können2. Dementsprechend hat der historische Gesetzgeber vor die Gründung einer GmbH Hürden gestellt und die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere der effektiven Aufbringung des satzungsmäßigen, in seiner Mindesthöhe gesetzlich festgelegten Stammkapitals, einer registergerichtlichen Kontrolle unterstellt (§ 9c GmbHG a. F.). Demgegenüber kann die Gründung in England zügig bewältigt und die Kapitalaufbringung dabei äußerst lax gehandhabt werden. Für Gesellschaftsgründer, die nach dem oben Herausgearbeiteten aus einer umfangreichen Auswahl an Rechtsformen zahlreicher Staaten wählen können, ist nach Erkenntnissen der Praxis entscheidend, „an welchem Ort man mit dem geringsten Aufwand an Zeit und Kosten eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichten kann.“ 3

1 2 3

Nachdrücklich Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (4). Vgl. dazu schon supra Kapitel 2 – B. II. 1. a) (1). Wachter, GmbHR 2005, 717 (718).

142

Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Das Hauptaugenmerk der Reform muss dementsprechend auf der Gründungsdauer4 und dem Mindeststammkapital5 liegen6. Will der Gesetzgeber die GmbH zu einer international wettbewerbsfähigen Rechtsform mit hinreichender Attraktivität für Gesellschaftsgründer machen, so muss dies also den zumindest teilweisen Abschied vom präventiv ansetzenden Kapitalschutzmodell der Aktienrechtsnovelle von 1884 bedeuten – dies umso mehr, als dass wie gezeigt auch der Europäische Gerichtshof das Kapitalschutzmodell nicht unterstützt7 und die europäische Entwicklung insgesamt zu alternativen Gläubigerschutzsystemen tendiert, nicht zuletzt angesichts bilanzrechtlicher Umwälzungen. Bekanntermaßen helfen Vorratsgründungen und Mantelverwendungen über die Schwächen der GmbH-Gründungsphase nicht hinweg, da der BGH sie als wirtschaftliche Neugründungen behandelt; dies hat die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften zur Folge8. Freilich kann die Abkehr vom tradierten, präventiv ansetzenden Kapitalschutzmodell nicht zur Preisgabe des Gläubigerschutzes führen: Dieser ist nämlich als notwendiges Korrelat der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung allgemein anerkannt9. Der Reformgesetzgeber wird sein Augenmerk mithin auf den kompensierenden Ausbau anderer, z. B. repressiver Gläubigerschutzmechanismen lenken müssen.

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG I. Die Deregulierung des Kapitalschutzsystems im Überblick Überblicksartig sei der Analyse vorausgeschickt, dass das MoMiG nichts an der tradierten Konzeption ändert, wonach das kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsprivileg mit der Pflicht der Gesellschafter korreliert, einen ihrer Disposition entzogenen Haftungsfonds effektiv aufzubringen und zu erhalten. Entgegen den geschilderten rechtspolitischen Tendenzen auf der europäischen Ebene bleibt das MoMiG dem tradierten gesetzlichen Kapitalschutzmodell und seiner 4

Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (196 f.). Schärtl, GmbHR 2007, 344 ff. schlägt vor, nicht die Aufbringung eines Mindeststammkapitals in der Gründungsphase vorzuschreiben, sondern die Akkumulation eines solchen über die Jahre hinweg. 6 Vgl. BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 47. 7 Vgl. die Ausführungen in EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135 und EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 35–37. 8 BGH v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158; dazu Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (6 f.); a. A. Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 178. 9 Dazu bereits supra Kapitel 1 – B. III. 5

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG

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Regelungstechnik mit Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln jedenfalls der Form nach treu10. Jedoch ist durchweg eine Absenkung des bisherigen Gläubigerschutzniveaus zu konstatieren. Insbesondere der präventive Gläubigerschutz ist davon betroffen: Mit der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ wird eine Variante der GmbH kreiert, die kein Mindeststammkapital kennt11. Zwecks Beschleunigung der Gründungsdauer reduziert das MoMiG die registergerichtliche Kontrolle, die vor der Eintragung steht12. Die Verschleierung von Sacheinlagen wird legalisiert und die zugehörige Rechtsfigur ihrer Sanktionswirkung beraubt13. Auch das Kapitalerhaltungsgebot wird durch die Rückkehr zum rein bilanziellen Verständnis der Unterbilanz von dem strengen Liquiditätsschutz des Novemberurteils14 befreit15. Ferner werden die Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen abgeschafft16. Zusammenfassend verschlankt das MoMiG alle tragenden Säulen des Kapitalschutzmodells. II. Die Kapitalaufbringung 1. Die Tradition des Mindeststammkapitals als „Kulturleistung ersten Ranges“ Nach Wiedemann ist das Mindeststammkapital für die Zwecke des Gläubigerschutzes eine „Kulturleistung ersten Ranges“ 17. Das deutsche Recht kennt die Institution des Mindeststammkapitals seit der Aktienrechtsnovelle von 188418. Idealiter hat das Mindeststammkapital eine Doppelfunktion: Es soll eine „Befriedigungsreserve“ 19 für die Gesellschaftsgläubiger gewährleisten (Realfunktion) und durch die Anknüpfung von Rechtsfolgen an eine Unterbilanz die Anwendung gläubigerschützender Regelungen bereits im Vorfeld der Insolvenz ermöglichen (Bilanzfunktion)20.

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Kleindiek, BB-Special 5/2007, 2; Schäfer, DStR 2006, 2085 ff. Art. 1 Nr. 6 MoMiG. Art. 1 Nr. 12, Nr. 9 lit. b MoMiG. Art. 1 Nr. 17 lit. c MoMiG. BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72. Art. 1 Nr. 20 MoMiG. Art. 1 Nr. 20 MoMiG. Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1b, S. 557 f. Dazu schon supra Kapitel 1 – C. I. BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (75). Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347). Dazu auch supra Kapitel 1 – A. II.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

2. Das Mindeststammkapital in der Kritik Während eines Jahrhunderts hatte das Mindeststammkapital weltweite Vorbildfunktion – gleichwohl ist es immer stärker in die Diskussion geraten21. Wie erwähnt, wird es insbesondere aus der Warte der ökonomischen Analyse des Rechts kritisiert22. Das liegt daran, dass sich die Realfunktion des Mindeststammkapitals in der Rechtswirklichkeit gewandelt hat. Wie Priester zeigt, konnte man im Jahre 1892 mit 25.000 Reichsmark zehn Lehrer ein ganzes Jahr lang besolden oder eine Villa kaufen23. Dennoch wurde damals gefragt: „Was sind denn unter den heutigen Verhältnissen 20.000 Mark . . .?“ 24 Die GmbH-Novelle von 1980 brachte eine Erhöhung des Mindeststammkapitals von 20.000 auf 50.000 DM, später wurden daraus gem. § 5 Abs. 1 GmbHG a. F. 25.000 Euro25. Die Erhöhung des Mindeststammkapitals durch die GmbH-Novelle konnte jedoch die Insolvenzanfälligkeit der GmbH nicht beseitigen. Sogar die englische Limited, die ohne Mindeststammkapital auskommt, hat eine geringere Insolvenzquote als die GmbH26. Das legt den Schluss nahe, dass für die Insolvenzanfälligkeit andere Faktoren wichtiger sind als ein Mindeststammkapital. In der Insolvenz ist das Stammkapital ohnehin regelmäßig verbraucht27, sodass die „erschreckend“ 28 geringe Befriedigungsquote nicht verwundert. Von einer echten Befriedigungsreserve kann also keine Rede sein. Soll das Mindeststammkapital seine Funktion als Garantiefonds erfüllen können, müsste eine Reform das Mindestkapital erhöhen29. De facto besteht die Realfunktion heute allenfalls noch in einer „Seriositätsschwelle“, die unbedachte Gründungen verhindern helfen kann30. Angesichts der Mindestkapitalfreiheit der englischen Limited und 21 Monographisch zu den Kritikpunkten Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, S. 212 ff.; siehe ferner Bayer, ZGR 2007, 220 (231 f.); Eidenmüller/Grunewald/Noack, Das Mindestkapital im System des festen Kapitals, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 17 (24); Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 137 ff.; Schärtl, GmbHR 2007, 344 (346) m.w. N. 22 Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (20 ff.). 23 Priester, Mindestkapital und Sacheinlageregeln, in: Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 1 (3). Das Gesetz verlangte im Jahre 1892 gem. § 5 Abs. 1 ein Stammkapital von 20.000 Reichsmark. Zur Diskussion anlässlich der Kreation der GmbH im Jahre 1892 ausführlich Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, S. 55 ff. 24 Bähr, Gesellschaften mit beschränkter Haftung – Sonderdruck aus den Grenzboten 1892, S. 8. 25 Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 5 Rn. 4. 26 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (185 f.) m.w. N. 27 Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 139. 28 So Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (23). 29 In diesem Sinne etwa Goette, DStR 2005, 197 (198). 30 Eidenmüller/Grunewald/Noack, Das Mindestkapital im System des festen Kapitals, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 17 (30). Auf die Stärkung der

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG

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anderer konkurrierender Rechtsformen meinen viele, das Mindeststammkapital habe seine Berechtigung weitgehend verloren31. Wie oben erwähnt, gewinnt diese Ansicht auch in der Europäischen Kommission Anhänger32. Ein weiterer Kritikpunkt wird darin erblickt, dass die Höhe des abstrakt-generell bemessenen Mindeststammkapitals zu starr ist, um den betriebswirtschaftlichen Realitäten gerecht werden zu können. Das Gesetz gewährleistet keine dem nach Art und Umfang des Geschäftsbetriebs anfallenden Finanzbedarf entsprechende Eigenkapitalausstattung 33. Aus der legalen (!) Unterkapitalisierung haben sich Folgeprobleme ergeben, welche die Rechtsprechung durch Umqualifizierung bestimmter Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital (eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen)34 und Teile des Schrifttums mittels einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung35 zu lösen versucht haben36. 3. Die Neuregelung der Kapitalaufbringung durch das MoMiG a) Beschlüsse des 66. DJT Anlässlich des 66. Deutschen Juristentages 2006 stimmte dessen Abteilung Wirtschaftsrecht mit überwältigender Mehrheit für die Beibehaltung des Min-

Realfunktion des Mindeststammkapitals zielt das „akkumulierende Stammkapitalkonzept“ nach Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals, S. 185 ff. 31 Massiv in diese Richtung das Ergebnis der englischen Interdisciplinary Group on Capital Maintenance, Rickford, EBLR 2004, 919 ff.; a. A. Lutter, GmbHR 2007, R97. Vgl. dazu ferner Schäfer, DStR 2006, 2085 (2085 f.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (3); Wulfetange, BB-Special 7/2006, 19 (20 f.); weitere Nachweise bei Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals, S. 12, 80 ff. und Veil, GmbHR 2007, 1080 in Fn. 62. 32 Aktionsplan, S. 21, 30; dazu bereits supra Kapitel 2 – Fn. 454. 33 In BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (268) spricht der Bundesgerichtshof von der Unmöglichkeit, ein den mutmaßlichen Kapitalbedarf der Gesellschaft deckendes Stammkapital gesetzlich zu bestimmen. § 5 Abs. 1 GmbHG begnüge sich daher mit einem Mindeststammkapital. 34 Zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen grundlegend BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (269 ff.): Wenn der Gesellschafter zur Abwendung der Konkursreife seiner unterkapitalisierten GmbH darlehensweise Fremdkapital zur Verfügung gestellt hatte, wurde dieses Fremdkapital wie Eigenkapital behandelt. Damit fingierte die Rechtsprechung eine höhere Eigenkapitalausstattung und schuf ein flexibles Korrektiv zur unpassend abstrakten Höhe des Mindeststammkapitals. 35 Für eine echte Durchgriffshaftung etwa Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3b. Für eine Binnenhaftung etwa K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4c, bb). Ausführlich und m.w. N. Merkt/Spindler, Durchgriffshaftung, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 207 (214, 218). 36 Dazu eingehend infra Kapitel 4 – C. II. 2.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

deststammkapitals37 und gegen die Einführung neuer, ggf. mindeststammkapitalfreier Rechtsformen38. Die Reduktion des Mindeststammkapitals wurde abgelehnt, wenn auch mit weniger deutlicher Mehrheit39. Klar befürwortet wurde demgegenüber die Milderung der Rechtsfolgen verschleierter Sacheinlagen40. b) EPG-Vorschlag Der Legislativbericht des Europäischen Parlaments zur EPG empfahl noch ein Mindestkapital von 10.000 Euro als Seriositätsnachweis41. Der Vorschlag einer Verordnung über das Statut der EPG begnügt sich gem. Art. 19 Abs. 3 und 4 jedoch mit einem nicht einmal einzuzahlenden Mindestkapital von einem Euro. Damit trägt der Vorschlag der Kritik am Kapitalschutzsystem und den entsprechenden rechtspolitischen Tendenzen der Kommission Rechnung42. Das satzungsmäßige Kapital kann gem. Art. 20 Abs. 1 wahlweise durch Baroder Sacheinlagen aufgebracht werden. Den Gesellschaftern steht es frei, festzulegen, ob Sacheinlagen durch einen unabhängigen Sachverständigen geprüft werden müssen oder nicht43. Die Haftung für die Einlageverpflichtung bestimmt sich nach dem nationalen Recht des Sitzstaats, das dieser für Privatgesellschaften mit beschränkter Haftung erlassen hat, Art. 20 Abs. 3 i.V. m. Art. 4. c) Die Höhe des Mindeststammkapitals nach dem MoMiG (1) RegE: Absenkung des Mindeststammkapitals Gem. § 5 Abs. 1 GmbHG-E sollte das Mindeststammkapital auf 10.000 Euro abgesenkt werden44. Der Regierungsentwurf wollte mit dieser Absenkung des gesetzlichen Mindesthaftungsfonds um 60 Prozent den Kritikern der Sinnhaftigkeit der Institution des Mindeststammkapitals entgegenkommen, gleichzeitig aber eine Seriositätsschwelle für GmbH-Gründungen beibehalten. Zur Begründung wird im Regierungsentwurf ausgeführt, dass ohnehin 85 Prozent aller GmbH-Neugründungen im Dienstleistungssektor aktiv seien und dort brauche 37 Beschluss Nr. 2 der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des Deutschen Juristentags, S. 21. 38 Beschluss Nr. 1 der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des Deutschen Juristentags, S. 21. 39 Beschluss Nr. 3 der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des Deutschen Juristentags, S. 21. 40 Beschluss Nr. 8 lit. b der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des Deutschen Juristentags, S. 22. 41 Kuck/Weiss, Der Konzern 2007, 498 (502). 42 Dazu supra Kapitel 2 – B. III. 3. b). 43 KOM(2008) 396, S. 8, 40. 44 Art. 1 Nr. 5 lit. a MoMiG (RegE).

66. 66. 66. 66.

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG

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es nur ein geringes Startkapital; im Übrigen liege die neue Höhe des Mindeststammkapitals im europäischen Mittel45. (2) MoMiG: Beibehaltung des status quo ante und Verzicht auf Sicherheitsleistung Das Gesetz gewordene MoMiG belässt die Mindesthöhe des Stammkapitals bei 25.000 Euro, § 5 Abs. 1 GmbHG n. F. Bei der Anmeldung einer Bargründung muss davon – wie bisher auch – nur die Hälfte eingezahlt sein, § 7 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F.46; auch bei Einmanngründungen gilt nunmehr nichts anderes, da die Sicherheitsleistung für den noch offenen Teil der Bareinlage gem. §§ 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG a. F., 36 Abs. 2 S. 2 AktG a. F. gestrichen ist47. d) Einführung der „UG (haftungsbeschränkt)“ (1) Hintergrund der UG Angesichts der Konkurrenz durch die mindeststammkapitalfreie englische Limited entbrannte in Deutschland eine Diskussion über die Einführung einer neuen Rechtsform neben der GmbH48. Die Befürworter hatten dargetan, dass es eine umfassende Umgestaltung des GmbHG erforderlich machen würde, wenn die GmbH mit den oben beschriebenen Vorzügen der Limited ausgestattet werden solle. Danach würde die GmbH in ihrer bewährten Form nicht mehr existieren. Ihre Bewahrung bei leichter Korrektur und die gleichzeitige Schaffung einer neue Rechtsform sei somit der praktikablere Weg49. (2) Die Regelung der UG im Überblick Das MoMiG führt einen § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. ein, der Gründer von der Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals entbindet50. Jeder Gründungsgesellschafter muss jedoch mindestens eine Stammeinlage von einem Euro übernehmen; dies ergibt sich aus § 5 Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F. Die solcherart gegründete Gesellschaft firmiert unter „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“. Grundsätzlich ist auf sie 45

BT-Drucks. 16/6140, S. 70. Art. 1 Nr. 8 lit. b MoMiG. 47 Art. 1 Nr. 8 lit. c, Art. 5 Nr. 2 MoMiG. 48 Befürwortend insbesondere Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (90 ff.) sowie Lutter, BB-Special 7/2006, 2 ff.; ablehnend etwa K. Schmidt, BB 2006, 1096 ff. 49 Dazu Lutter, BB-Special 7/2006, 2 (4) m.w. N. in Fn. 19. 50 Art. 1 Nr. 6 MoMiG. Zur UG im Umwandlungsrecht Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485 (1490 f.). 46

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

das GmbH-Recht anwendbar, sodass die UG keine eigenständige Rechtsform, sondern eine Variante der GmbH ist51. Vor der Anmeldung ist gem. § 5a Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F. abweichend von § 7 Abs. 2 GmbHG n. F. das Stammkapital vollumfänglich einzuzahlen. Zulässig sind ausschließlich Bargründungen, § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F.; die Regelung läuft freilich leer, denn verschleierte Sacheinlagen werden nach § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. und nicht etwa nach den Grundsätzen der früheren Rechtsprechung behandelt52. Gem. § 5a Abs. 3 S. 1 GmbHG n. F. soll die UG durch jährliche Rücklagenbildung im Optimalfall über die Jahre ein höheres Eigenkapital akkumulieren53. Zwangsthesauriert wird dabei grundsätzlich ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses. Wird diese gesetzliche Rücklage nicht gebildet, ist der Jahresabschluss analog § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG nichtig54. Hat die UG genügend Eigenkapital akkumuliert, um durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln i. S. d. § 57c GmbHG die Schwelle des gesetzlichen Mindeststammkapitals gem. § 5 Abs. 1 GmbHG n. F. zu erreichen, so verwandelt sich die UG in eine GmbH, wobei die Firmierung unverändert bleiben kann, § 5a Abs. 5 HS 2 GmbHG n. F. Dieser Fall kann freilich auch durch eine anderweitige Kapitalerhöhung eintreten55. (3) Bewertung der UG § 5a GmbHG n. F. ermöglicht die Gründung einer „Ein-Euro-Gesellschaft“ nach deutschem Recht. Seit Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 wurden bis März 2009 rund 4600 UGs gegründet, darunter viele Vorratsgesellschaften und UG & Co. KGs. Der Rechtsverkehr begegnet ihnen mit Argwohn; scherzhaft kursiert, die Abkürzung UG stehe für „Unter Geiern“, „Unter Gaunern“ oder „Unsaubere Geschäfte“ 56. Bei der Bewertung von § 5a GmbHG n. F. ist zunächst festzuhalten, dass eine Kapitalherabsetzung durch GmbHs auf eine Stammkapitalziffer von unter 51 BT-Drucks. 16/6140, S. 74; Veil, GmbHR 2007, 1080 (1081); Bormann, GmbHR 2007, 897 (898); Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, ebenda; Seibert, GmbHR 2007, 673 (676); Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (843). Der numerus clausus des deutschen Gesellschaftsrechts wurde nicht erweitert. 52 Str., wie hier Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (843 f.). Zur Regelung der verschleierten Sacheinlagen in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. eingehend infra Kapitel 3 – B. II. 3. e). 53 Dies entspricht im Wesentlichen dem „akkumulierenden Stammkapitalkonzept“ nach Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals, S. 185 ff.; ferner ders., GmbHR 2007, 344 (348 ff.). 54 Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (844). 55 BT-Drucks. 16/6140, S. 76. 56 Zum Ganzen FAZ vom 17.3.2009, abrufbar unter http://www.faz.net/s/RubDA 9C3181E1CF41D7B4979A992A1DEC6D/Doc~EE24BBDDBD97142DCB0AFCE9DC C15BBED~ATpl~Ecommon~Scontent.html (zuletzt eingesehen am 20.7.2009).

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25.000 Euro unzulässig ist57. Im Hinblick auf die UG stören sich viele bereits am Firmenzusatz „UG (haftungsbeschränkt)“ 58; welche Rechtsfolgen das Weglassen des umständlichen Klammerzusatzes „(haftungsbeschränkt)“ mit sich bringt, ist unklar. Andere rügen jedenfalls die Firmierung als UG trotz erfolgter Kapitalerhöhung i. S. d. § 5a Abs. 5 HS 2 GmbHG n. F.59 Manche befürchten, die Überschuldung gering kapitalisierter UGen könnte bereits durch die Gründungs- und Eintragungskosten eintreten60. Jedenfalls ist gerade im Bereich der Kleingesellschaften und Existenzgründungen, zu denen der Gesetzgeber offenbar ermutigen will61, zu erwarten, dass die „Frühsterblichkeit“ ähnlich hoch sein wird wie bei den zahlreichen englischen Limiteds62, die seit dem Überseering-Urteil des EuGH nach Deutschland zugezogen sind63. Nicht übersehen werden darf indes, dass die Gesellschafter es durch Beeinflussung des Jahresüberschusses in der Hand haben, ob es gem. § 5a Abs. 3, 5 GmbHG n. F. zur akkumulierenden Zwangsthesaurierung kommt64. Zweifel am Erfolg der Zwangsthesaurierung werden vielfach geäußert: Man befürchtet, dass findige Gesellschafter das Entstehen von Gewinnen durch entsprechend flexible Geschäftsführervergütungen, wie z. B. Umsatztantiemen, vermeiden könnten65. Dies schüfe die legale Möglichkeit der dauerhaft haftungsbeschränkten Unternehmensführung beim Einsatz von nur einem Euro Eigenkapital. Daher wird in der Literatur die Zwangslöschung wegen Vermögenslosigkeit (§ 141a FGG) befürwortet, wenn eine Rücklagenbildung innerhalb eines bestimmten Zeitraums unterbleibt66. Praktische Bedeutung könnte die UG auch als Komplementärin einer KG erlangen (UG & Co. KG)67. In bestimmten Konstellationen wird ihr jedoch teilweise die grundsätzlich gegebene Komplementärfähigkeit abgesprochen; so etwa, 57

Überzeugend Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (844). Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, Tz. 18 ff.; Wilhelm, DB 2007, 1510 (1511 f.). Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme die m. E. treffendere Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung (ohne Mindeststammkapital)“, kurz „GmbH (o.M.)“ vorgeschlagen, BR-Drucks. 354/07, S. 4 f., Nr. 4. 59 Veil, GmbHR 2007, 1080 (1082). 60 Drygala, NZG 2007, 561 (562 f.). 61 BT-Drucks. 16/6140, S. 74. 62 Zur „Frühsterblichkeit“ dieser Auslandsgesellschaften bereits supra Kapitel 2 – A. IV. 2. c) (8). 63 So Leyendecker, GmbHR 2008, 302 (306). 64 Veil, GmbHR 2007, 1080 (1082 f.). 65 Eingehend Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485 (1488 f.); ferner Goette, Status:Recht 2007, 236 (237); ähnlich Bormann, GmbHR 2007, 897 (899); Veil, GmbHR 2007, 1080 (1083): „Damit stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung zur Rücklagenbildung gewährleistet, dass die Gesellschaft innerhalb einiger Jahre eine höhere Eigenkapitalausstattung erreicht . . . M. E. eindeutig nein!“. 66 Bormann, GmbHR 2007, 897 (899). 67 Bormann, GmbHR 2007, 897 (899). 58

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

wenn der UG kein Gewinnanteil zusteht und sie daher keine Rücklagen bilden kann68. Dies vor Augen war frühzeitig in der Literatur eine weitreichende Publizität und Transparenz als Korrelat der Haftungsbeschränkung in der UG verlangt worden69. Zur Herstellung eines angemessenen Gläubigerschutzniveaus wird für eine Durchgriffshaftung70 bzw. eine andere verhaltensbezogene Haftungsfigur plädiert. Jedenfalls sollten sich Geschäftspartner vernünftigerweise werthaltige Sicherheiten gewähren lassen, bevor sie mit einer UG kontrahieren. Deutlich schlechter stehen Gläubiger, die sich nur auf gesetzliche Ansprüche berufen können, nicht zuletzt der Fiskus und die Sozialkassen71. Hinter der Schaffung der UG ist wie auch bei der Absenkung des Mindeststammkapitals der politische Wille erkennbar, ein gründer- bzw. gesellschafterfreundliches Recht zu schaffen. Die Betonung der enabling function des Gesellschaftsrechts ist zu begrüßen – gleichwohl ist fraglich, ob es überzeugt, wenn der Gesetzgeber den tradierten Zusammenhang zwischen Haftungsbeschränkung und Mindeststammkapital en passant und an eher untergeordneter Stelle auflöst72. In Deutschland ist dieser Zusammenhang typisch gewesen; daher ist zu erwarten, dass Schrifttum und Rechtsprechung Wege zur Wiederherstellung der traditionellen Balance zwischen Gesellschafter- und Gläubigerinteressen ersinnen werden73. Weil im Rahmen des § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. sogar auf jede Seriositätsschwelle verzichtet wird, kam der Vorwurf auf, der Gesetzgeber wolle den Grundsatz des Mindeststammkapitals gänzlich aufgeben74. Der Ruf nach stärkerem Gläubigerschutz ist dementsprechend vielfach zu vernehmen75. Die UG ist m. E. eher ein politisches Symbol und als Fremdkörper im System des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts kritisch zu sehen76.

68 So Veil, GmbHR 2007, 1080 (1084); a. A. und eingehend zur Rücklagenbildungspflicht sowie einer abzulehnenden analogen Anwendung der §§ 300, 301 AktG auf die UG & Co. KG Stenzel, NZG 2009, 168 ff. 69 Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (95). 70 Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 354/07, S. 8. Ähnlich auch Gehb/ Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (94). 71 Goette, Status:Recht 2007, 236 (237); ähnlich Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485 (1491 f.). 72 Die Sinnhaftigkeit der Haftungsbeschränkung ohne Gegenleistung hinterfragt aus der Warte der ökonomischen Analyse tiefsinnig Leyendecker, GmbHR 2008, 302 ff. Vgl. hierzu auch Schall, ZGR 2009, 126 ff. 73 In diese Richtung etwa Bormann, GmbHR 2007, 897 (899); Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1066). 74 Wilhelm, DB 2007, 1510 (1513). 75 Etwa Bormann, GmbHR 2007, 897 (899) m.w. N. 76 So auch Goette, Status:Recht 2007, 236, ebenda; ders. im Interview mit dem Handelsblatt, abzurufen unter http://www.handelsblatt.com/news/Recht-Steuern/Mel dungen/_pv/doc_page/1/_p/204886/_t/ft/_b/1278154/default.aspx/mini-gmbh-wird-vie

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e) Deregulierung der Kapitalaufbringung durch Beseitigung der Sanktionierung verdeckter Sacheinlagen Die beschränkte Haftung der Gesellschafter kann allein durch effektiven Gläubigerschutz legitimiert werden und nach bislang dominierender Konzeption sollten nur hinreichend kapitalisierte Gesellschaften mbH in den Rechtsverkehr entlassen werden. Bliebe gem. § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG die Festsetzung des Betrags der Stammeinlage, auf die sich eine Sacheinlage bezieht, allein den Gesellschaftern überlassen, so bestünde die Gefahr der Überbewertung zulasten der Gesellschaftsgläubiger, denn die GmbH wirkte dann auf dem Papier höher kapitalisiert, als sie es tatsächlich ist77. Daher sah das GmbHG a. F. ein Dreifaches vor, um Sachgründungen zu kontrollieren: (1) Die Offenlegung der Sacheinlage und ihre Festsetzung durch die Gesellschafter (Publizitätselement) gem. §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 3, 8 Abs. 1 Nr. 4, 5 GmbHG, (2) eine umfassende Prüfung der Werthaltigkeit von Sacheinlagen durch das Registergericht gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG und (3) die Differenzhaftung gem. § 9 Abs. 1 GmbHG78. (1) Sachverhaltsgestaltung bei verdeckten Sacheinlagen Die registergerichtliche Prüfung von Sacheinlagen und die damit verbundenen Kosten motivieren die Gesellschaftsgründer zu Umgehungsbestrebungen79. In der Gründungsphase stellen diese sich üblicherweise so dar, dass eine Sacheinlage als Bareinlage verschleiert wird: Formell leistet der Gesellschafter eine Bareinlage an die Gesellschaft – diese fließt ihr aber nicht auf Dauer zu, sondern wird alsbald im Rahmen eines zeitlich80 und sachlich81 eng an die Bareinlagenerbringung gekoppelten Verkehrsgeschäfts mit dem Inferenten wieder abgezogen. Die Gesellschaft setzt die Bareinlage dazu ein, vom Inferenten oder einem von ihm beherrschten Unternehmen82 Sachen oder Rechte zu erwerben83. le-probleme-machen.html (letzter Abruf am 21.3.2008); Veil, GmbHR 2007, 1080 (1086). 77 K. Schmidt, GesR4, § 37 II 1 und allgemein § 18 IV 2. 78 Vgl. dazu Krieger, ZGR 1996, 674 (678 ff.). Ggf. kommt auch die Schadensersatzhaftung gem. § 9a GmbHG zur Anwendung. 79 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 26 Rn. 69. 80 Für den engen zeitlichen Zusammenhang werden überwiegend sechs Monate veranschlagt, vgl. die Erwägungen in BGH v. 4.3.1996 – II ZR 8/95, BGHZ 132, 141 (146). 81 Zum sachlichen Zusammenhang zwischen Einlagenerbringung und Verkehrsgeschäft Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 26 Rn. 79 f. 82 Fließt die Bareinlage dagegen an eine Schwestergesellschaft der Inferentin zurück, liegt keine verschleierte Sacheinlage vor; dazu BGH v. 12.2.2007 – II ZR 272/05 (Friedr. Flender AG), NZG 2007, 300, Tz. 7 f. 83 Vgl. das illustrative Beispiel in BGH v. 10.11.1958 – II ZR 3/57, BGHZ 28, 314: Der Gesellschafter zahlte eine Bareinlage ein und erhielt sie umgehend zurück, weil

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Dann erhält der Gesamtvorgang den Charakter einer Sacheinlage, ohne dass die dafür geltenden Vorschriften beachtet worden wären84. Man spricht daher bildhaft von verschleierten bzw. verdeckten Sacheinlagen85. Für alltägliche Umsatzgeschäfte zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bei bereits laufendem Geschäftsbetrieb gilt dies freilich nicht86. Es bedarf daher einer Abgrenzung von zulässigen Umsatzgeschäften und verschleierten Sacheinlagen. Damit von einer verschleierten bzw. verdeckten Sacheinlage gesprochen werden kann, verlangte der Bundesgerichtshof schon vor dem MoMiG zusätzlich eine Umgehungsabrede zwischen dem Einlageschuldner und den Mitgesellschaftern bzw. dem Geschäftsführer87. Indiz für eine solche Umgehungsabrede ist der enge sachliche und zeitliche Zusammenhang zwischen der Bareinlage und dem Verkehrsgeschäft. Innerhalb dieses Zusammenhangs wird die Umgehungsabrede vermutet88.

die Gesellschaft mit dem Betrag eine betriebsnotwendige Lizenz von ihm erwarb. Hier hätte die Lizenz als Sacheinlage eingebracht werden müssen. 84 Daher liegt keine verschleierte Sacheinlage vor, wenn im Zusammenhang mit einer Barkapitalerhöhung vereinbart wird, dass die Gesellschaft vom Einlageschuldner gegen Entgelt nicht sacheinlagefähige Gegenstände abrufen soll, etwa obligatorische Ansprüche auf Erbringung von Dienstleistungen, BGH v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), NZG 2009, 463, Tz. 9 ff.; anders OLG Düsseldorf v. 25.6.2008 – 18 U 25/ 08, NJW-Spezial 2008, 721, Tz. 86, wo der Tatbestand der verschleierten Sacheinlage deshalb bejaht wurde, weil eine Sacheinlageschuld mit Beratungsdienstleistungen erfüllt werden sollte. Zum Fragenkreis eingehend Giedinghagen/Lakenberg, NZG 2009, 201 (202 ff.); zum Unterschied zwischen beiden Entscheidungen auch Theusinger/ Liese, NZG 2009, 641 (642 f.). 85 K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4a und zur Parallelproblematik im Aktienrecht § 29 II 1c. Ausführlich Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 19 Rn. 85 ff. 86 OLG Hamm v. 12.3.1990 – 8 U 172/89, BB 1990, 1221; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 19 Rn. 40. Allerdings hat die zur verschleierten gemischten Sacheinlage ergangene Entscheidung BGH v. 20.11.2006 – II ZR 176/05, BGHZ 170, 74, Tz. 22 ff., eine Bereichsausnahme für alltägliche Umsatzgeschäfte verworfen und nur eine Abweichung von der Vermutung der Umgehungsabrede angedeutet, also letztlich eine Beweislastumkehr; ein gewöhnliches Umsatzgeschäft könne aber jedenfalls nicht im Gründungsstadium vorliegen und auch nicht, wenn sein Umfang über 60 Prozent des Grundkapitals ausmache oder die Umgehungsabrede festgestellt wurde. 87 Noch offenlassend BGH v. 15.1.1990 – II ZR 164/88 (IBH/Lemmertz), BGHZ 110, 47. 88 BGH v. 4.3.1996 – II ZR 89/95, BGHZ 132, 133. Dies ist freilich str., dazu Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 26 Rn. 1. In der Literatur hatte man teilweise auf ein subjektives Element verzichten wollen und den engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang für ausreichend erachtet, Lutter/Gehling, WM 1989, 1445 (1446 f.). An einer Abrede hält nun auch die Legaldefinition des § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG n. F. fest; dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 97 (subjektives Tatbestandselement der verschleierten Sacheinlage).

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Verschleierte Sacheinlagen können neben der Gründungsphase typischerweise anlässlich von Kapitalerhöhungen89, bei Konzernumstrukturierungen90 wie z. B. der Ausgründung zwecks Fokussierung auf das Kerngeschäft91 und im Rahmen konzernweiter Cash-Pooling-Systemen auftreten92. Auch bei Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften gilt die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen93. Aufgrund der Häufigkeit verschleierter Sacheinlagen entwickelten sich mit der Zeit Fallgruppenbezeichnungen wie das „Hin- und Herzahlen“ 94 im Gründungsstadium oder das „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren“ bei Kapitalerhöhungen95.

89 In debt-equity-swap-Konstellationen wird die Einlage von Forderungen gegen die Gesellschaft verschleiert, §§ 56 Abs. 2, 19 Abs. 5 GmbHG a. F. Näheres bei K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4a. Eine aktienrechtliche Einkleidung dieser Problematik wurde in BGH v. 15.1.1990 – II ZR 164/88 (IBH/Lemmertz), BGHZ 110, 47, entschieden; dazu Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 26 Rn. 74. 90 Einzelfallabhängige Einschränkungen sind nun aber anerkannt, dazu BGH v. 12.2.2007 – II ZR 272/05 (Friedr. Flender AG), NZG 2007, 300. 91 Vgl. das phänotypische Beispiel bei Ettinger/Reiff, NZG 2004, 258, ebenda: Eine AG will sich von einem Geschäftsbereich trennen. Dazu gründet sie eine GmbH und stattet diese mit angemessenen Finanzmitteln aus. Mit diesem Geld erwirbt die GmbH im Wege des Asset Deal Warenbestände, Maschinen, Betriebsgrundstücke etc. zu marktüblichen Konditionen von der AG. 92 Beim Cash Pooling kann es dazu kommen, dass die Stammeinlage alsbald wieder in Form eines Darlehens an die Konzernmutter zurückfließt. Dazu BGH v. 16.1. 2006 – II ZR 75/04, Der Konzern 2006, 382 (betraf Kapitalerhöhung): Der Senat sprach von einem „verrechnungsähnlichen Hin- und Herzahlen“, worin ein unwirksames Umgehungsgeschäft in Form einer verdeckten Sacheinlage zu erblicken sei. Zum Problemkreis Cash Pool in der Kapitalaufbringungsphase Sieger/Wirtz, ZIP 2005, 2277 ff. und eingehend infra Kapitel 3 – B. II. 3. f). 93 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (5 f.). Die Rechtsprechung behandelt die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften als wirtschaftliche Neugründung, weshalb es zur analogen Anwendung der Kapitalaufbringungsvorschriften kommt; grundlegend BGH v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158. Zum Zusammenhang zwischen der Problematik der wirtschaftlichen Neugründung und dem Kapitalschutzmodell Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, passim. 94 Ein Hin- und Herzahlen liegt vor, wenn die geleistete Bareinlage aufgrund einer entsprechenden Absprache wieder an den Einlageschuldner zurückfließt; umgekehrt liegt ein Her- und Hinzahlen vor, wenn der Gesellschafter die Bareinlage aus Mitteln erbringt, die er zunächst von der Gesellschaft erhalten hatte, siehe Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 19 Rn. 118; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften4, § 26 Rn. 72; BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951 (1951); OLG München v. 28.4.2004 – 7 U 5482/03, NZG 2005, 311. Da Forderungen gegen den Inferenten nicht ohne weiteres einlagefähig sind, wird das Hin- und Herzahlen separat i. R. d. § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. infra behandelt, Kapitel 3 – B. II. 3. f). 95 Dazu Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 19 Rn. 52 und § 29 Rn. 68 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 26 Rn. 73 mit Verweis auf BGH v. 18.2. 1991 – II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 und die anschließende Lockerung der Rechtsprechung.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

(2) Alte Rechtslage bei verdeckten Sacheinlagen Die ständige Rechtsprechung zu den verschleierten Sacheinlagen wendete sich gegen die Umgehung der Sachgründungsvorschriften der §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 3, 8 Abs. 1 Nr. 4, 5, 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG a. F. Sie war ein Grundpfeiler der effektiven Kapitalaufbringung96, aber nie unumstritten97. Ohne ihre Entwicklung im Einzelnen nachzuzeichnen, wurde der nur vorübergehend eingelegten Bareinlage analog § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. die Erfüllungswirkung hinsichtlich der Einlageschuld abgesprochen98. Der Gesellschafter musste die Bareinlage also nochmals vollumfänglich erbringen. Dies galt selbst dann, wenn die verschleierte Sacheinlage vollwertig war und der Einlageschuldner dies beweisen konnte99. Es galt sogar auch dann, wenn der im Rahmen der Umgehungsabrede vereinbarte Wert der Sacheinlage denjenigen der übernommenen Stammeinlage überstieg100. Freilich vermochte jede spätere Zahlung des Gesellschafters, auch wenn sie irrtümlich als Darlehensrückzahlung deklariert wurde, die Einlageschuld zu tilgen101.

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Langenbucher, DStR 2003, 1838, ebenda. Kritisch etwa Meilicke, Die „verschleierte“ Sacheinlage – Eine deutsche Fehlentwicklung, passim; ähnlich Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 5 Rn. 69 f.: Entwicklung ohne Parallele im europäischen Ausland. Überwiegend hat die strenge Rechtsprechung des II. Zivilsenats aber Zustimmung gefunden, dazu m.w. N. Raiser/ Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 26 Rn. 76. – Im Aktienrecht war die Frage erörtert worden, ob die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen mit der Kapitalrichtlinie in Einklang steht. Es war vertreten worden, angesichts der divergierenden Beurteilung des Erlasses einer Darlehensschuld der AG durch den Aktionär in den europäischen Aktienrechten müsse der EuGH vorab zur Auslegung von Art. 7, 11 der Richtlinie angerufen werden. Der BGH hat dies abgelehnt, da die Richtlinie nur Mindeststandards regele und keinesfalls eine vollkommene Aktienrechtsangleichung verlange, BGH v. 15.1.1990 – II ZR 164/88 (IBH/Lemmertz), BGHZ 110, 47 = NJW 1990, 982 (987 f.). Eine zur Klärung der Europarechtskonformität der Lehre von den verschleierten Sacheinlagen ergangene Vorlageentscheidung des LG Hannover hat der EuGH nicht zur Prüfung angenommen, EuGH v. 16.7.1992 – Rs. C-83/91, ZIP 1992, 1076. 98 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH v. 10.11.1958 – II ZR 3/57, BGHZ 28, 314. 99 Diesbezüglich a. A. K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4b, der argumentiert, dass durch die Sacheinlagevorschriften allein der Unversehrtheitsgrundsatz abgesichert werden sollte. Im Falle der Vollwertigkeit sei eine Sanktion überflüssig, weil dem Gesellschaftsvermögen kein Schaden entstanden sei, a. a. O., § 29 II 1c. 100 BGH v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145; BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951 (1952). Bei solchen Fallgestaltungen liegt eine sog. gemischte Sacheinlage vor, wenn für den die Stammeinlage übersteigenden Wert der Sacheinlage eine Vergütung geleistet wird. 101 So jedenfalls in der Konstellation des Hin- und Herzahlens, BGH v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113; BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, BGHZ 153, 107. Allerdings muss sich die Zahlung der Einlageschuld objektiv zuordnen lassen, BGH v. 15.10.2007 – II ZR 263/06, NZG 2008, 511, Tz. 6. 97

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG

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Analog § 27 Abs. 3 S. 1 AktG102 hielt man sowohl die schuldrechtliche103 Seite des Verkehrsgeschäfts als auch seinen dinglichen104 Vollzug für unwirksam. Der Gesamtvorgang musste also rückabgewickelt werden. Dabei war dogmatisch zwischen der keine Erfüllungswirkung zeitigenden Einlagenerbringung und dem daran gekoppelten Verkehrsgeschäft zu unterscheiden105. Bezüglich der Bareinlagenerbringung bestand der Anspruch der Gesellschaft aus § 19 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG i.V. m. dem Gesellschaftsvertrag mangels Erfüllungswirkung fort. Aus der Erfüllungsuntauglichkeit resultierte auch ein Kondiktionsanspruch des Gesellschafters auf Rückgewähr der erfüllungsuntauglichen Bareinlage aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB (condictio ob rem). Mit diesem Kondiktionsanspruch konnte der Inferent jedoch wegen § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG a. F. nicht gegen den fortbestehenden Einlagenanspruch aufrechnen106. Bezüglich des inkriminierten Verkehrsgeschäfts stand der Gesellschaft eine Leistungskondiktion auf Rückgewähr des Entgelts zu, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Dieser Anspruch konnte jedoch durch Aufrechnung oder die Saldotheorie erlöschen107. Dem standen Herausgabeansprüche des Gesellschafters bezüglich der eingelegten Sache insbesondere aus §§ 894, 985, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB bzw. Folgeansprüche gem. §§ 987 ff., 687 Abs. 2 S. 1, 951, 816 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegenüber. In der Insolvenz seiner GmbH stand der Inferent somit besonders schlecht: Er musste den Bareinlagenanspruch der Gesellschaft nochmals voll befriedigen. Griff jedoch die Vindikation nicht mehr ein, weil die eingelegte Sache nicht mehr im Besitz der Gesellschaft war, so war ihm die Aussonderung i. S. d. § 47 102 Ulmer, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 19 Rn. 133. Nach a. A. folgt die Unwirksamkeit aus § 134 BGB, Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 5 Rn. 51. 103 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 19 Rn. 42. 104 Entgegen der bis dato h. M. BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BGHZ 155, 329 (338). Langenbucher, DStR 2003, 1838 (1842 f., 1844) zeigt, welche weitreichenden Folgen die Anerkennung einer dinglichen Rechtsposition des Gesellschafters hat: Sie entzieht der Insolvenzmasse notwendigerweise zulasten der Gesellschaftsgläubiger den verschleierten Sachwert. Hinzu kommt im umgekehrten Fall der Insolvenz des Gesellschafters, dass die GmbH den Sachwert in die Insolvenzmasse des Gesellschafters leisten muss. – Noch ausdrücklich offenlassend, ob nur die schuldrechtliche oder auch die dingliche Seite des Verkehrsgeschäfts unwirksam ist, BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/ 96, NJW 1998, 1951 (1952); streitgegenständlich waren Lizenzen an Warenzeichen. 105 Vgl. dazu Langenbucher, DStR 2003, 1838 (1839). 106 In einem Fall, in dem die Bareinlage alsbald in Form eines Darlehens an den Gesellschafter zurückgeflossen war, meinte der BGH jedoch, die Tilgung der Darlehensschuld durch Aufrechnung seitens des Gesellschafters tilge auch die Einlageschuld, BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, BGHZ 153, 107 (112). 107 Zur Saldotheorie in diesem Zusammenhang BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951 (1952 f.); bestätigt durch BGH v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145, Tz. 20.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

S. 1 InsO versagt und seine Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB einerseits sowie §§ 987 ff., 687 Abs. 2 S. 1, 951, 816 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB andererseits wurden nur noch in Höhe der Insolvenzquote bedient. Im wirtschaftlichen Ergebnis musste also die Bareinlage zweimal vollumfänglich erbracht werden108. Diese Sanktion sollte eine präventive Wirkung entfalten, um die effektive Stammkapitalaufbringung durch Einhaltung der Sachgründungsvorschriften zu gewährleisten. Der die Insolvenzmasse vergrößernde Effekt führte dazu, dass Insolvenzverwalter standardmäßig die Gründung der GmbH und Kapitalerhöhungen auf verdeckte Sacheinlagen prüften109. Diese Rechtsfolgen konnten durch die Heilung der verschleierten Sacheinlage vermieden werden. Die Heilung verlangte nach der Rechtsprechung eine (satzungsändernde) Festsetzung im Sinne des § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG samt Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister und die Nachholung der eigentlich vorgesehenen Prüfung110. Die noch offene Bareinlagenschuld war dann durch Einlage des verdeckten Sachwerts selbst bzw. eines an seine Stelle getretenen Anspruchs zu erbringen111. 108 Nach Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 5 Rn. 47, sind die Rechtsfolgen verschleierter Sacheinlagen „hart und für den betroffenen Gesellschafter in der Insolvenz der GmbH katastrophal.“ – Lange Zeit wurde sogar eine dreifache Belastung des Inferenten befürchtet, wenn die Leistungskondiktion der Gesellschaft auf Rückgewähr des Entgelts nicht saldiert werden konnte. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses wurde in der Literatur eine gesellschaftsrechtliche Interpretation der Saldotheorie vorgeschlagen, vgl. Langenbucher, DStR 2003, 1838 (1842, 1840 f.). Einen anderen Weg geht BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951(1953): Dort wird davon ausgegangen, dass der Kondiktionsanspruch der Gesellschaft aus dem inkriminierten Verkehrsgeschäft und die condictio ob rem des Gesellschafters gegeneinander aufgerechnet werden könnten, da § 19 Abs. 5 GmbHG a. F. nur die Aufrechnung gegenüber dem Anspruch auf Erbringung der Einlage verbiete. 109 Krieger, ZGR 1996, 674 (675); K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4b. 110 Der Vorschlag geht zurück auf Priester, DB 1990, 1753 (1758 ff.). Zu den Kautelen im Einzelnen BGH v. 4.3.1996 – II ZR 8/95, BGHZ 132, 141 (154 f.); so auch OLG München v. 28.4.2004 – 7 U 5482/03, NZG 2005, 311 (311 f.). Lange war eine Heilung für unmöglich gehalten worden; lediglich der Weg einer Kapitalherabsetzung sei gangbar, so BayObLG v. 5.12.1977 – BReg 3 Z 155/76, DB 1978, 337. 111 BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BGHZ 155, 329; dazu Ettinger/Reiff, NZG 2004, 258 (260 f.). Was der Einlagegegenstand sein sollte, mit dem die Heilung herbeigeführt werden konnte, war bis zu der genannten BGH-Entscheidung streitig: Die Anhänger der zivilistischen Lösung plädierten für den Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB auf Rückgewähr der erfüllungsuntauglichen Bareinlage, so etwa K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4b; ferner Helms, GmbHR 2000, 1079 (1082). Die gesellschaftsrechtliche Lösung sah hingegen im Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB aus dem inkriminierten Verkehrsgeschäft den heilenden Einlagegegenstand; so die früher h. M., vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 19 Rn. 46, Fn. 174; dazu ausführlich Krieger, ZGR 1996, 674 (681 f.). Zum Streitstand und den dogmatischen Schwächen der jeweiligen Ansichten Langenbucher, DStR 2003, 1838 (1839 ff.).

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG

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Jedoch wurden verschleierte Sacheinlagen häufig erst in der Insolvenz der GmbH entdeckt. Die Heilung wirkte aber nur ex nunc112. Die ex-nunc-Heilung durch satzungsändernden Gesellschafterbeschluss i. S. d. §§ 53 Abs. 1, 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG war indes in der Insolvenz nicht mehr durchführbar, weil die Verfügungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen war113. Die mildernde Wirkung der Heilung zeigte sich also nur selten114. (3) RegE: Erfüllungslösung und Differenzhaftung Um der zunehmenden Kritik an der sanktionierenden Rechtsprechung Rechnung zu tragen, gewährte das MoMiG (RegE) den in § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHGE115 legaldefinierten verdeckten Sacheinlagen die Erfüllungswirkung. Falls der Wert der verschleierten Sacheinlage im Zeitpunkt der Eintragungsanmeldung oder der Überlassung an die Gesellschaft den Wert der – als Bareinlage versprochenen – Stammeinlage unterschritt, sollte gem. § 19 Abs. 4 S. 2 GmbHG-E die Differenzhaftung in Geld gem. § 9 Abs. 1 GmbHG entsprechende Anwendung. Dafür hatten ggf. gem. § 24 S. 1 GmbHG auch die Mitgesellschafter einzustehen116. Dem Gesellschafter wurde der Beweis der Werthaltigkeit der verschleierten Sacheinlage zugestanden (§ 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG-E). Wäre dieser gelungen, wäre der Gesellschafter vor der Haftung nach § 9 Abs. 1 GmbHG geschützt gewesen. Teilweise war vertreten worden, die Erfüllungswirkung gelte nur, sofern die Sacheinlage vollwertig sei; sie könne durch den Beweis gem. § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG-E nachträglich eintreten117. Dagegen sprach indes der Wortlaut des § 19 Abs. 4 S. 2 GmbHG-E: „§ 9 gilt in diesem Fall entsprechend [. . .]“ Die Bezugnahme auf § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG-E bedeutete also, dass Erfüllung eintrat, selbst wenn es zur Differenzhaftung gem. §§ 19 Abs. 4 S. 2, 9 Abs. 1 GmbHG-E kam. Letzteres war aber nur dann der Fall, wenn die Sacheinlage nicht vollwertig war. Mithin musste die Erfüllungswirkung unabhängig von der Vollwertigkeit eintreten. Die Vorschrift des § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG-E beseitigte die Regelungslücke, die man früher durch die analoge Anwendung des § 27 Abs. 3 S. 1 AktG geschlossen hatte. Die entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarungen und ihr 112 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 19 Rn. 46 m.w. N., aber nicht unumstritten. 113 Krieger, ZGR 1996, 674 (677 f.). 114 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1073) bezeichnet die Heilungsmöglichkeit daher als „Schönwetterlösung“. 115 Art. 1 Nr. 17 lit. b MoMiG (RegE). 116 Veil, ZIP 2007, 1241 (1243). 117 Veil, ZIP 2007, 1241 (1243).

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

dinglicher Vollzug waren mithin wirksam118. Die oben skizzierten Ansprüche aus §§ 985, 812 BGB konnte es also auch dann nicht mehr geben, wenn die verschleierte Sacheinlage nicht vollwertig gewesen sein sollte. Denn es fehlte nunmehr schlicht am methodischen Erfordernis119 einer Regelungslücke. (4) Stellungnahme zur Erfüllungslösung hinsichtlich der Vergrößerung der Insolvenzmasse unter der alten Rechtslage Die Erfüllungslösung des RegE wäre den Gesellschaftern im Vergleich zur bisherigen Rechtslage weit entgegen gekommen. Sie gewährleistete, dass der Gesellschafter die Einlage summenmäßig nur einmal erbringen musste. Somit wäre der Gesellschaft exakt der ihr nach dem Gesellschaftsvertrag zustehende Wert zugeflossen. Diese Lösung war freilich nicht neu, sondern in der Literatur seit langem gefordert worden120. Damit wäre ein weitreichender Effekt der Rechtsprechung unter der alten Rechtslage beseitigt worden: Dass der Gesellschafter die Bareinlage im wirtschaftlichen Ergebnis oft nochmals aufbringen und in die Insolvenzmasse leisten musste, vergrößerte die Insolvenzmasse deutlich. Versteht man das Stammkapital als Befriedigungsreserve zugunsten der Gläubiger, so erhielten diese nach der alten Rechtslage mehr als ihnen eigentlich zustand. Auf diese Weise trug die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen dazu bei, eine der strukturellen Schwächen des Mindeststammkapitals auszugleichen: Um in den Genuss der Haftungsprivilegierung gem. § 13 Abs. 2 GmbHG zu kommen, genügt bekanntlich schon die Aufbringung des Mindeststammkapitals, selbst wenn es im Einzelfall für den Geschäftsumfang nicht ausreichend gewesen sein mochte. Vermittels der im wirtschaftlichen Ergebnis doppelten Aufbringung der Bareinlage näherte die früher h. M. das Haftkapital der konkret benötigten Kapitalausstattung an. Daran zeigt sich, dass die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen Züge einer Unterkapitalisierungshaftung trug. Freilich schoss sie dabei vielfach über das Ziel hinaus: Zutreffend wurde sie als „Überreaktion des Rechts auf einen formalen Fehler“ 121 bezeichnet. Dies wollte der RegE durch die Erfüllungslösung mit Differenzhaftung korrigieren.

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Veil, ZIP 2007, 1241 (1243). Zu den Voraussetzungen eines Analogieschlusses Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 191, 202 ff. 120 So etwa K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4b; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 19 Rn. 61. 121 Formulierung nach K. Schmidt, GesR4, § 37 II 4b. 119

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(5) Stellungnahme zur Erfüllungslösung hinsichtlich der generalpräventiven Wirkung der alten Rechtslage So begrüßenswert es sein mag, dass sich der RegE von den Argumenten des Schrifttums hat überzeugen lassen und die Differenzhaftung einführen wollte, so kritisch ist es zu sehen, dass die Erfüllungslösung in nicht unerheblichem Maße den Anreiz verringert hätte, die gesetzlichen Prüfungsvorschriften für Sacheinlagen einzuhalten. Das Publizitätserfordernis des § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG hätte sanktionslos umgangen werden können. Die Stellungnahmen zum RegE sahen dies kritisch122. Frühzeitig wurden Befürchtungen laut, dass entsprechend beratene Gesellschaftsgründer die Sachgründungsvorschriften bewusst umgehen könnten, indem sie im Zeitpunkt der Vornahme der verschleierten Sacheinlage ein entsprechendes Werthaltigkeitsgutachten einholen123, etwa um die Gründungsdauer einer verschleierten Sachgründung zu verkürzen124. Mit einem solchen Gutachten hätten sie, falls sie überhaupt jemals aus der Differenzhaftung in Anspruch genommen worden wären, den gem. § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG-E erforderlichen Beweis der Vollwertigkeit führen können. Auf diese Weise wären sie von der Abschreckungswirkung der früheren „drakonischen“ 125 Rechtsfolgen nicht mehr erreicht worden. Der Inferent hätte selbst dann in den Genuss der bloßen Differenzhaftung kommen können, wenn er die Sachgründungsvorschriften durch Verschleierung von Sacheinlagen vorsätzlich umgangen hatte, wissend, dass die Sacheinlage nicht werthaltig war. Dass die vorsätzliche Umgehung zwingender gesetzlicher Vorschriften sanktionslos bleibt, ist – vorsichtig formuliert – zumindest kein verbreitetes Konzept. Die Erfüllungslösung hätte nicht mehr dazu angehalten, die gesetzlichen Sachgründungsvorschriften zu beachten126. Konsequent wäre es daher gewesen, hätte der RegE die Sachgründungsvorschriften gänzlich abgeschafft und zwingend Bargründungen angeordnet; dafür plädierte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum MoMiG (RegE) jedenfalls in Bezug auf Gründungen, bei denen Einlagen nur in Höhe des Mindeststammkapitals übernommen worden sind127. 122 Zur Beseitigung der generalpräventiven Wirkung der früheren Rechtsprechung kritisch Veil, ZIP 2007, 1241 (1243); Wirsch, GmbHR 2007, 736 (739 f.); Priester, Mindestkapital und Sacheinlageregeln, in: Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 1 (16), der im Zusammenhang mit den verschleierten Sacheinlagen ein Absinken des Gläubigerschutzes auf Kommanditistenniveau beklagt. Zur gesamten Neuregelung äußerst kritisch Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1070). 123 So etwa die Befürchtung des Vorsitzenden Richters des II. Zivilsenats am BGH, Goette, Status:Recht 2007, 236 (237 f.). Vgl. auch Veil, ZIP 2007, 1241 (1243). 124 Wirsch, GmbHR 2007, 736 (740). 125 Grunewald, zitiert nach Wirsch, GmbHR 2007, 736 (737), Fn. 4. 126 Ebenso kritisch Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1070) und Heckschen, DStR 2007, 1442 (1448) m.w. N. in Fn. 103. 127 BR-Drucks. 354/07, S. 13.

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Der RegE meinte demgegenüber, dass eine gewisse Sanktionswirkung erhalten bleibe: Entstünde der Gesellschaft durch die Einlage ein Schaden, so hafteten dafür gem. § 9a Abs. 2 GmbHG die Gesellschafter und gem. §§ 43 Abs. 2, 57 Abs. 4 GmbHG auch die Geschäftsführer. Des Weiteren genüge die Beweislastverteilung in § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG-E, um Gesellschafter zur Einhaltung der vorgesehenen Sachgründungsvorschriften anzuhalten. Im Übrigen werde der Umgehungsanreiz auch durch die Vereinfachung der registergerichtlichen Prüfung gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG-E128 und durch die Herabsetzung des Mindeststammkapitals gem. § 5 Abs. 1 GmbHG-E reduziert129. Dem war zu entgegnen, dass es verfehlt ist, in diesem Zusammenhang auf die Einschränkung der präventiven Wertkontrolle gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG-E hinzuweisen. Dieser Hinweis macht die Problematik nämlich nur noch deutlicher; denn die Einschränkung der präventiven Kontrolle weist den Gesellschaftsgläubigern das Risiko zu, das mit einer unkontrollierten Aufnahme des Geschäftsbetriebs einhergeht. Gerade um dies zu vermeiden, wollte die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen durch ihre generalpräventive Abschreckungswirkung die Gesellschaftsgründer zu Beachtung der Sachgründungsvorschriften anhalten. Diese Lehre schrieb die Konzeption des historischen Gesetzgebers fort, der Sacheinlagen für riskant und potentiell gläubigergefährdend hielt130: In den Worten des Aktiengesetzgebers von 1884 dient insbesondere die registergerichtliche Werthaltigkeitskontrolle und das Publizitätselement durch Festsetzung der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag (vgl. § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG) dazu, dass die Deckung des Stammkapitals mit einer Sacheinlage und das mit deren Bewertung verbundene Risiko zum Gegenstand der bewussten Entschließung aller Beteiligten, insbesondere auch der Gläubiger, werden könne131. Die effektive Kapitalaufbringung bei Sacheinlagen war ein wichtiges Anliegen der Aktienrechtsnovelle von 1884. Hinter diesen Stand wollte der Regierungsentwurf zu Recht zurück; darin lag das Eingeständnis, die Rückführung des Gläubigerschutzniveaus auf ein vernünftiges Maß sei angebracht132. Dies

128 Art. 1 Nr. 12 MoMiG (RegE). Danach soll die Ablehnung der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht mehr bereits dann abgelehnt werden können, wenn Sacheinlagen überbewertet worden sind, sondern nur noch dann, wenn sie „nicht unwesentlich überbewertet“ worden sind. 129 BT-Drucks. 16/6140, S. 96 f. 130 Gegen die Konzeption der Aktienrechtsnovelle von 1884 lässt sich freilich einwenden, dass sie Ausdruck der Überregulierungstendenz und der exempelstatuierenden Strenge eines kriseninduzierten Reformgesetzes ist. Sie reagierte auf den sog. „Gründerkrach“; dazu und zur Kritik an kriseninduzierten Reformgesetzen bereits supra Kapitel 1 – C. I. 131 Nachweis bei Krieger, ZGR 1996, 674 (679), Fn. 25. 132 In BT-Drucks., S. 96: „Neuregelung trägt einer zunehmenden Kritik [. . .] Rechnung“.

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wäre mit der Erfüllungslösung aber um den Preis der Beliebigkeit der Sachgründungsvorschriften erkauft worden. (6) MoMiG: Anrechnungslösung Der Gesetzgeber hat sich diesen Bedenken nicht verschlossen133. Die Erfüllungslösung des RegE ist nicht Gesetz geworden. Stattdessen führt das MoMiG für die GmbH – im Aktienrecht galten die drakonischen Rechtsfolgen der alten Rechtslage bis zur entsprechenden Neuregelung durch Art. 1 Nr. 1 ARUG weiterhin – eine vorzugswürdige Anrechnungslösung ein. Gem. § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG n. F. entfalten verdeckte Sacheinlagen keine Erfüllungswirkung. Die Einlageschuld besteht also fort, und zwar als Bareinlageschuld. Auf diese wird jedoch der Wert des eingelegten Gegenstands ipso iure134 angerechnet. Im Idealfall deckt der Wert des eingelegten Gegenstands die Einlageschuld vollumfänglich, sodass keine Differenz verbleibt, die der Inferent in bar auszugleichen hätte. § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG n. F. ordnet den für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkt an. Die Beweislast für die Werthaltigkeit trägt gem. § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG n. F. der Inferent; die diesbezüglichen Probleme des RegE bestehen also weiterhin135. Die Rückabwicklungsproblematik der alten Rechtslage entfällt, weil § 19 Abs. 4 S. 2 GmbHG n. F. ausdrücklich die Wirksamkeit der schuld- und sachenrechtlichen Rechtsgeschäfte anordnet und einer analogen Anwendung von § 27 Abs. 3 AktG die Grundlage entzieht; auch eine Heilung braucht es in Zukunft nicht mehr136. § 19 Abs. 4 S. 4 GmbHG n. F. legt fest, dass die Anrechnung frühestens mit der Eintragung der Gesellschaft erfolgen kann; dies bewirkt, dass der Geschäftsführer vor der Eintragung nicht nach § 8 Abs. 2 GmbHG versichern kann, dass die Einlagepflichten ordnungsgemäß erfüllt worden seien137. Die Anrechnungslösung gewährleistet, dass der Gesellschaft exakt der ihr zustehende Wert zufließt und der Inferent die Einlage im Ergebnis nicht zweimal erbringen muss. Sie korrigiert also die exzessive bzw. drakonische Sanktion nach der alten Rechtslage, ohne die oben herausgearbeiteten Schwächen der Erfüllungslösung aufzuweisen. Insoweit ist die Reform gelungen. Gem. § 3 Abs. 4 EGGmbHG n. F. kann sie u. U. auch Altfälle erfassen138. 133

Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1210). Eine besondere Willenserklärung braucht es also nicht, Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (845). 135 Dazu supra Kapitel 3 – B. II. 3. e) (5). 136 Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (845). 137 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1210) unter Hinweis auf die Strafbarkeit gem. § 82 GmbHG bei vorsätzlichem Handeln; ebenso Kindler, NJW 2008, 3249, ebenda; Herrler, DB 2008, 2347 (2348, 2350); a. A. Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (845). 138 Art. 2 MoMiG; dazu Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (846). 134

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

f) Deregulierung der Kapitalaufbringung durch bilanzielle Beurteilung der Erfüllungswirkung von Bareinlagen (1) Alte Rechtslage: Grundsatz der wertgleichen Deckung ohne Sonderrecht für das Cash Pooling Bislang regelten §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG a. F., dass die Leistungen auf die Stammeinlagen sich „endgültig in der freien Verfügung des Geschäftsführers“ befinden mussten, bevor die Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden durfte. Daran hat sich durch die Formulierung des § 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F. nichts geändert. Nach tradiertem Verständnis bedeutet freie Verfügbarkeit in diesem Sinne, dass die Einlage rechtlich und tatsächlich endgültig in das Gesellschaftsvermögen übergegangen ist, der Gesellschafter sich jeder Verfügungsmacht begeben hat, und die Einlage ihrem Wert nach uneingeschränkt – wenn auch nicht notwendig gegenständlich unverändert – noch vorhanden ist (Grundsatz der wertgleichen Deckung)139. Auf dieser Grundlage urteilte der BGH, dass unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung ein nullum vorliege, wenn eine Bareinlage nach der Einzahlung alsbald wieder (kreditweise) an den Gesellschafter zurückfließe (sog. Hinund Herzahlen); eine darauf abzielende Darlehens- oder Treuhandabrede sei unwirksam140. Die Abgrenzung zur verdeckten Einlage einer Darlehensforderung liegt darin, dass Forderungen gegen den Inferenten nicht sacheinlagefähig sind, da dann die gesellschaftsrechtliche Einlagepflicht lediglich durch eine schuldrechtliche Leistungspflicht ersetzt würde141. Wenn die offene Einlage einer Darlehensforderung nicht möglich ist, kann sie schlechterdings auch nicht verschleiert werden142.

139 Vgl. BGH v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, BGHZ 119, 177 (186 ff.). Im Bereich der Kapitalerhöhung hat BGH v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, BGHZ 150, 197 diesen Grundsatz aufgegeben. 140 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113; dazu auch Drygala, NZG 2007, 561 (563). 141 H.M., statt aller Herrler, DB 2008, 2347, ebenda; Bormann, GmbHR 2007, 897 (903); Wirsch, GmbHR 2007, 736 (739); vgl. ferner § 27 Abs. 2 AktG. Speziell zur Darlehensforderung BGH v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113 (117). Zur Einlagefähigkeit allg. K. Schmidt, GesR4, § 20 II 3a. Jedoch kann auch eine Konstellation des Hin- und Herzahlens eine verdeckte Sacheinlage darstellen, wenn letztlich die Befreiung von Verbindlichkeiten gegenüber einer anderen Konzerngesellschaft als der Inferentin eingelegt wird, BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736. 142 Drygala, NZG 2007, 561 (564). Vgl. in diesem Zusammenhang aber OLG Düsseldorf v. 25.6.2008 – 18 U 25/08, NJW-Spezial 2008, 721, Tz. 86, wo eine nicht sacheinlagefähige Beratungsdienstleistungspflicht mit der Begründung als verdeckte Sacheinlage erachtet wurde, dass die hier umgangenen Sacheinlagevorschriften auch zur Überprüfung der Sacheinlagefähigkeit dienten; anders lag es im Fall des BGH v.

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Davon waren auch die verschiedenen Formen des konzernweiten, zentralen Cash Pooling betroffen, in dessen Rahmen alle operativ tätigen Tochtergesellschaften ihre jeweiligen Kontoguthaben auf ein zentral verwaltetes Konto überweisen müssen, damit Liquidität zielgerichtet im Konzern zugewiesen werden kann, ohne dass Darlehen von dritter Seite aufgenommen werden müssten143. In der Gründungsphase von Tochtergesellschaften führt das Cash Pooling dazu, dass eine Bareinlage auf das zentrale Konto der Muttergesellschaft bzw. einer von ihr beherrschten Cash-Pool-Betreibergesellschaft zurückfließt und die Tochtergesellschaft im Gegenzug eine Darlehensforderung erhält (Aktiventausch). Diese Gestaltung verstieß gegen die Kapitalaufbringungsregeln: Der Bundesgerichtshof stellte in einem Kapitalerhöhungsfall ausdrücklich klar, dass es diesbezüglich keine Ausnahme vom Grundsatz der wertgleichen Deckung gebe; das GmbHG kenne insofern kein Sonderrecht für das Cash Pooling im Konzern144. (2) RegE: Erfüllungslösung durch Aktiventausch Ein solches Sonderrecht145 wollte der Regierungsentwurf zum MoMiG durch § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG-E146 einführen. Demnach sollte die Vereinbarung einer Leistung an den Gesellschafter der Erfüllung der Einlageschuld nicht entgegenstehen, selbst wenn sie wirtschaftlich einer Einlagenrückgewähr entsprochen hätte und nicht bereits als verschleierte Sacheinlage einzustufen gewesen wäre. Dies hätte allein unter dem Vorbehalt der Vollwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs der Gesellschaft gegen den Leistungsempfänger gestanden147. (3) MoMiG: Zusätzliche Anforderungen Das MoMiG hält an diesem Konzept grundsätzlich fest. Die Regelung wurde aufgrund der sachlichen Nähe zu den verdeckten Sacheinlagen verschoben148 und findet sich nun in § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. Als zusätzliche Voraussetzung verlangt sie, dass der Rückgewähranspruch nicht nur vollwertig, son16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), NZG 2009, 463, Tz. 9 ff.; zum Ganzen oben Kapitel 3 – Fn. 84. 143 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163). Zum Cash Pooling eingehend infra Kapitel 3 – B. III. 5. a). 144 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736; dort war die Bareinlage zunächst auf ein Sonderkonto überwiesen und erst nach Eintragung der Kapitalerhöhung in den Cash Pool einbezogen worden. 145 Goette, Status:Recht 2007, 236 (237) spricht insoweit von einer „Art Sonderrecht für Konzerne“, im Handelsblatt vom 8.6.2007 (Nachweis supra in Kapitel 2 – Fn. 516) gar von einem „Nichtanwendungsgesetz zugunsten von Konzernen“. 146 Art. 1 Nr. 9 lit. b, bb) MoMiG (RegE). 147 BT-Drucks., S. 83; dazu ferner Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163). 148 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1211).

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

dern auch fällig sein muss oder jederzeit durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann149. Sofern diese zusätzlichen Anforderungen erfüllt sind, erlischt die Einlageschuld sofort, also schon vor der Eintragung der Gesellschaft150. Für die Ermittlung der Vollwertigkeit kommt es mangels einer § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG n. F. vergleichbaren Regelung auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung an151. Zudem ist gem. § 19 Abs. 5 S. 2 GmbHG n. F. das Hin- und Herzahlen in der Anmeldung nach § 8 GmbHG n. F. anzugeben. Geschieht dies nicht, so erlischt die Einlageschuld nicht152. Kommt das Registergericht nach erheblichen Zweifeln i. S. d. § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F. zu dem Prüfungsergebnis, dass der Rückgewähranspruch den Anforderungen des § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. auch nur unwesentlich nicht genügt, ist die Eintragung gem. § 9c Abs. 1 S. 1 GmbHG abzulehnen153. Erfolgt sie zu Unrecht, wird vereinzelt für eine teilweise Tilgung der Einlageschuld nach § 364 Abs. 1 BGB plädiert154 – richtig ist aber m. E., dass die Einlageschuld nach den alten Grundsätzen zum Hinund Herzahlen fortbesteht, weil die Legitimation des § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. tatbestandlich nicht vorlag; dies entspricht dem Geist der Gesetz gewordenen Alles-oder-Nichts-Lösung. Wird das Hin- und Herzahlen erst nach der Anmeldung vereinbart, so dürfte der Fall an § 30 GmbHG zu messen sein155. Die Neuregelung legitimiert durch ihre bilanzielle Betrachtungsweise den Aktiventausch bereits in der Gründungsphase der GmbH, speziell auch im Rahmen des Cash Pooling156. Sie erfasst auch den umgekehrten Fall des Her- und Hinzahlens157. Im Aktienrecht bleibt es jedoch bei der alten Rechtslage158. (4) Kritik an der Neuregelung durch das MoMiG Die Neuregelung in § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. stößt ebenso wie schon § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG-E vielfach auf Kritik, da sie der früher unwichtigen Abgrenzung zwischen verdeckter Sacheinlage und der Konstellation des Hinund Herzahlens im GmbH-Recht entscheidende Bedeutung zuweist. Trotz der 149

Zum insoweit unpräzisen Gesetzeswortlaut Herrler, DB 2008, 2347 (2348). Herrler, DB 2008, 2347 (2348); insoweit anders § 19 Abs. 4 S. 4 GmbHG n. F. 151 Herrler, DB 2008, 2347 (2349). 152 So Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (845). Außerdem droht dem Geschäftsführer die Strafbarkeit gem. § 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG, so Herrler, DB 2008, 2347 (2351). 153 Herrler, DB 2008, 2347 (2349). 154 Herrler, DB 2008, 2347 (2351 f.). 155 So Bormann, GmbHR 2007, 897 (902); Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (845 f.). 156 BT-Drucks. 16/6140, S. 82. 157 Herrler, DB 2008, 2347 (2348); zur Unterscheidung zwischen Hin- und Herzahlen sowie Her- und Hinzahlen supra Kapitel 3 – Fn. 94. 158 Dazu Herrler, DB 2008, 2347 (2349). 150

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geschilderten sachlichen Nähe differieren die jeweiligen Regelungen in drei Punkten erheblich. Erstens: Fehlt es etwa auch nur geringfügig an der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs gem. § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F., so ist die Einlageschuld nicht erfüllt und besteht zur Gänze fort159. Demgegenüber kommt es bei verschleierten Sacheinlagen lediglich zu einer Differenzhaftung160. Zweitens kennt § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. keine spezielle Beweislastregel, wie sie § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG n. F. zulasten des Inferenten vorsieht. Daher bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen: Gem. § 363 BGB ist die Gesellschaft beweispflichtig und für eine analoge Anwendung der Beweislastumkehr nach § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG n. F. ist mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum161. Somit führt allein die Tatsache, dass Darlehensforderungen gegen den Inferenten nicht einlagefähig sind und § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. also nicht eingreift, zu einer Privilegierung des Gesellschafters. Die Ungleichbehandlung wird offenbar, wenn man sich vorstellt, das MoMiG hätte dogmatisch anders angesetzt und etwa die Einlagefähigkeit von Forderungen gegen den Inferenten festgeschrieben: Dann würde § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG n. F. problemlos eingreifen162. Der Bundesrat befürchtete im Gesetzgebungsverfahren, dass diese Ungleichbehandlung zu Abgrenzungsproblemen führen wird163. Hinzukommt drittens, dass die Neuregelung die Gesellschaft gegenüber Aufrechnungen durch den Gesellschafter schutzlos stellt: Eine solche wäre gem. § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F.164 gegenüber der gem. § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG n. F. fortbestehenden Einlageforderung nicht ohne Weiteres möglich – sie ist jedoch problemlos möglich gegen den an die Stelle der Einlageforderung getretenen Rückgewähranspruch der Gesellschaft i. S. d. § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F.165. 159 Sog. Alles-oder-Nichts-Lösung, Herrler, DB 2008, 2347 (2348); Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (845). Dies hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme kritisiert und vorgeschlagen, durch die Einfügung eines „soweit“ deutlich zu machen, dass die Einlageschuld in Höhe des Werts des Gegenleistungsanspruchs erlischt; dazu BRDrucks. 354/07, S. 13 f. 160 Dazu supra Kapitel 3 – B. II. 3. e) (6). Wirsch, GmbHR 2007, 736 (739) bezweifelt, ob dieser Unterschied gerechtfertigt ist. 161 Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1067 f.); a. A. Herrler, DB 2008, 2347 (2349), der ohne Beachtung der Sonderregel des § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG n. F. aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG n. F. ableitet, dass der Inferent die Beweislast trage. 162 Dies befürwortet Drygala, NZG 2007, 561 (564) mit überzeugenden Gründen. 163 BR-Drucks. 354/07, S. 14. 164 Die Vorschrift wurde durch das MoMiG restriktiver gefasst. Die bisher anerkannte Aufrechnung durch die Gesellschaft und die einvernehmliche Verrechnung bleiben davon jedoch unberührt, so Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (846). 165 Dazu Bormann, GmbHR 2007, 897 (902 f.); Herrler, DB 2008, 2347 (2348), dort auch zu den weiteren Folgen der Tatsache, dass der Rückgewähranspruch der Gesellschaft keine gesellschaftsrechtlicher Einlageschuld ist.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Von diesen Unterschieden abgesehen kann das Registergericht die Vollwertigkeit nur bei „erheblichen Zweifeln“ überprüfen, § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F.166. Es steht daher zu befürchten, dass die Frage der Vollwertigkeit erst im Prozess des Insolvenzverwalters gegen den Gesellschafter auf Zahlung der Bareinlage geklärt wird; stellt sich in diesem Prozess heraus, dass der Gegenleistungsanspruch nicht vollwertig war und die Eintragung der Gesellschaft damit zu Unrecht erfolgte, greifen wie gesagt die alten Grundsätze zum Hin- und Herzahlen nachträglich ein167. Auf Bedenken stößt auch, dass der RegE die Formulierung der §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG offenkundig nicht mehr ernst nimmt, in denen es heißt, Einlagen seien so zu bewirken, dass sie zur freien Verfügung der Geschäftsführer stünden168. Dieser Grundsatz ist entwertet, wenn es ausreicht, dass der Gesellschafter die Bareinlage nur „für eine juristische Sekunde“ 169 einzuzahlen braucht. Die effektive Kapitalaufbringung ist damit nur noch Fiktion170. Konsequent wäre es daher gewesen, in Entsprechung zum englischen Recht171 gar nicht mehr zu verlangen, dass die übernommenen Einlagen im Zeitpunkt der Anmeldung bzw. Eintragung wenigstens teilweise aufgebracht sein müssen. 4. Weitere Maßnahmen zur Beschleunigung von GmbH-Gründungen Obwohl sich die nachfolgend skizzierten Neuregelungen auf das Niveau des Gläubigerschutzes nicht auswirken, seien sie erwähnt, um zu verdeutlichen, dass das auf präventive Kontrolle setzende Gläubigerschutzsystem der Aktienrechtsnovelle von 1884 zugunsten schneller, bürokratiefreier Gründung im Stile der englischen Limited aufgegeben wird. a) Dereguliertes Gründungsverfahren (1) RegE: Entbehrlichkeit der notariellen Beurkundung Der RegE sah in § 2 Abs. 1a GmbHG-E172 vor, dass es bei Verwendung des in der Anlage 1 zum MoMiG enthaltenen Musters eines Gesellschaftsvertrags 166 Nach alter Rechtslage durften Nachweise nur bei „begründeten Zweifeln“ verlangt werden, Heckschen, DStR 2007, 1442 (1447). 167 Dazu kritisch Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1968); vgl. auch Veil, ZIP 2007, 1241 (1247). 168 Vgl. auch Heckschen, DStR 2007, 1442 (1447). 169 Drygala, NZG 2007, 561 (564). 170 Nach Bormann, GmbHR 2007, 897 (903) wird die Kapitalaufbringung „deutlich abgewertet“; nach Heckschen, DStR 2007, 1442 (1447), sub 2.7, wird sie „praktisch abgeschafft“. Kritisch auch Büchel, GmbHR 2007, 1065 (1067 f.). 171 Dazu supra Kapitel 2 – A. IV. 2. b) (3). 172 Art. 1 Nr. 2 MoMiG (RegE).

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ausnahmsweise nicht der gem. § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG grundsätzlich vorgeschriebenen notariellen Form bedürfen sollte173. Der Gang zum Notar wäre gleichwohl nicht entbehrlich geworden, da die Unterschriften der Gesellschafter öffentlich hätten beglaubigt werden müssen, §§ 2 Abs. 1a GmbHG-E, 129 Abs. 1 S. 1 BGB. (2) MoMiG: Vereinfachtes Beurkundungsverfahren und Musterprotokoll Die in Kraft getretene Neufassung des GmbHG sieht keine Ausnahme zum Erfordernis der notariellen Beurkundung vor174. Stattdessen regelt § 2 Abs. 1a GmbHG n. F.175 ein vereinfachtes Verfahren. Voraussetzung ist, dass die zu gründende Gesellschaft höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat176. Ferner ist eines der beiden Musterprotokolle nach Anlage 1 zum MoMiG zu verwenden. Diese kombinieren Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste in einem Dokument. Damit entfallen Kosten für die Ausarbeitung des Gesellschaftsvertrags. Ferner sieht § 41d KostO n. F.177 eine kostenrechtliche Privilegierung vor: Der Mindestwert der Beurkundung und Handelsregisteranmeldung von 25.000 Euro gilt nicht, sodass sich ihr Wert nach dem nominalen Stammkapital richtet; die Privilegierung macht sich also nur bemerkbar, wenn das Stammkapital unter 25.000 Euro bleibt, d.h. also nur bei der UG178. Jedenfalls das Musterprotokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft wird im Schrifttum als mangelhaft bezeichnet, da die Vererblichkeit nicht beschränkt und auch sonst keine Vinkulierung vorgesehen ist sowie der Gesellschafterausschluss und die Einziehung nicht gestattet sind und als Abfindung der volle Wert zu zahlen ist179.

173 Dazu kritisch Heckschen, DStR 2007, 1442 (1442–1444). Zu den Auswirkungen der parallelen Regelung der Satzungsänderung in § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG-E auf Kapitalerhöhungen Bormann, GmbHR 2007, 897 (903 f.). 174 Dies war Befürchtungen geschuldet, die Notare würden andernfalls die elektronische Anmeldung der Gesellschaft beim Registergericht verweigern, so Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1209). 175 Art. 1 Nr. 2 MoMiG. 176 Zur Frage der missbräuchlichen Umgehung von § 2 Abs. 1 GmbHG Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (842), denn alsbald nach der vereinfachten Gründung und Eintragung der Gesellschaft können weitere Geschäftsführer bestellt und der Gesellschafterkreis erweitert werden. 177 Art. 15 Nr. 2a MoMiG. 178 Bei einem Stammkapital von 25.000 Euro oder mehr betrifft die Privilegierung nur die Geschäftsführerbestellung; zum Ganzen Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (843). 179 Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (843); Kindler, NJW 2008, 3249 (3251).

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b) Erschwerung der registergerichtlichen präventiven Wertkontrolle Ergab eine registergerichtliche Kontrolle, dass Sacheinlagen von den Gesellschaftsgründern überbewertet worden waren, wurde die Eintragung gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG a. F. abgelehnt. Ein solches ist gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. nur noch bei einer „nicht unwesentlichen“ Überbewertung der Fall180. Im Übrigen gilt hinsichtlich der Kontrolle der Kapitalaufbringung, dass eine vertiefte Prüfung gem. § 8 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F. erhebliche Zweifel des Registergerichts voraussetzt181. c) Beschleunigung der Eintragung Ein seit langem beklagtes Hemmnis zügiger Eintragung war bislang, dass im Falle der Genehmigungsbedürftigkeit von Tätigkeiten, die vom Unternehmensgegenstand erfasst sind, gem. § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F. die staatliche Genehmigungsurkunde der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung beigefügt werden musste. Das MoMiG entkoppelt beide Vorgänge, indem es § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F. abschafft182. Nicht zuletzt im Zusammenspiel mit der Digitalisierung des Handelsregisters durch das EHUG ist mit einer weiteren Verringerung der Gründungsdauer zu rechnen183. Damit wird das Recht der VorGmbH proportional an Bedeutung verlieren. III. Das Kapitalerhaltungsgebot gem. § 30 Abs. 1 GmbHG 1. Beschreibung des Kapitalerhaltungsmechanismus Zum Zwecke des Gläubigerschutzes genügt es nicht, wenn das satzungsmäßige Stammkapital einmal aufgebracht ist. Nach der Konzeption des § 30 Abs. 1 GmbHG soll es darüber hinaus als Befriedigungsreserve für die Gesellschaftsgläubiger dauerhaft erhalten werden. Da keine wirtschaftliche Unternehmung vor Verlusten gefeit ist, meint Kapitalerhaltung i. S. d. § 30 GmbHG lediglich, dass bestimmte Abflüsse von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verboten sind. Auszahlungen an die Gesellschafter haben daher an der Stammkapitalziffer Halt zu machen184. Dieses Regime ist weniger streng als die Kapitalerhaltung in der AG, wo Vermögensabflüsse an die Aktionäre nur aus dem um die 180

Art. 1 Nr. 12 MoMiG. Dazu vgl. supra Kapitel 3 – B. II. 3. f) (4). 182 Art. 1 Nr. 9 lit. a, cc) MoMiG. 183 Heckschen, DStR 2007, 1442 (1447) erwartet zukünftig eine Gründungsdauer von „wenigen Tagen“; Seibert, ZIP 2006, 1157 (1159) spricht insoweit von „maximal zwei bis drei Tagen“. 184 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 2 b). 181

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gesetzliche Rücklage gem. § 150 Abs. 2 AktG geschmälerten Bilanzgewinn erfolgen dürfen, §§ 57 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 58 Abs. 4 AktG185. Der Begriff der Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG wird extensiv dahingehend interpretiert, dass er Leistungen aller Art erfasst, denen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht186. Die Auszahlung muss an einen Gesellschafter und causa societatis erfolgen, d.h. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein187. Schlussendlich muss sie wirtschaftlich das Gesellschaftsvermögen verringern188. Nach der tradierten, auf § 42 Abs. 1 GmbHG gestützten Betrachtungsweise soll die Handelsbilanz über die Frage Auskunft geben, wann eine Auszahlung das Stammkapital antastet und damit gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstößt189. Dabei war freilich seit längerem unübersehbar, dass die rein bilanzielle Betrachtungsweise – von neuen Trends im Bereich der Rechnungslegung abgesehen190 – in bestimmten Fallkonstellationen an ihre Grenzen stieß191. Neuerdings findet das Kapitalerhaltungsgebot in der Existenzvernichtungshaftung eine Ergänzung, da diese nun ebenfalls als Ausschüttungs- bzw. Entnahmesperre konzipiert ist192. Eine Auszahlung verstößt gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, wenn sie eine Unterbilanz der Gesellschaft herbeiführt oder vertieft; nach anderer Nuancierung dann, wenn eine Unterbilanz besteht oder durch die Auszahlung entstehen würde193. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Reinvermögen der Gesellschaft 185 K. Schmidt, GesR4, § 29 II 2a; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 30 Rn. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 30 Rn. 4. 186 Winter, DStR 2007, 1484 (1485). 187 Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 24, 75 f., 81. 188 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (276). 189 Vgl. BGH v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, NZG 2008, 908; ferner K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1d; Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (336 f.). 190 Zum bilanzrechtlichen Paradigmenwechsel durch das BilMoG bereits supra Kapitel 2 – C. I. 2. c). 191 Zu den Grenzen der bilanziellen Betrachtungsweise Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 43 ff. Wegweisend BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (75): „Vermögensschutz erschöpft sich nicht in der Garantie einer bilanzmäßigen Rechnungsziffer, sondern gebietet die Erhaltung einer die Stammkapitalziffer deckenden Haftungsmasse [. . .] Mit diesem Ziel wäre es nicht vereinbar, wenn die Gesellschafter der GmbH zu Lasten des gebundenen Gesellschaftsvermögens Kapital entziehen könnten und der GmbH im Austausch für das fortgegebene reale Vermögen [. . .] nur ein zeitlich hinausgeschobener schuldrechtlicher Rückzahlungsanspruch verbliebe.“ 192 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. 193 Im letzteren Sinne etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 30 Rn. 9 und Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 30 Rn. 12; weitere Nachweise zum Ganzen bei Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (339).

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(Aktiva abzüglich der Verbindlichkeiten und Rückstellungen) das Stammkapital nicht mehr deckt194. Dieser stichtagsbezogene bilanzorientierte Ansatz ist einfach – er wird freilich durch die Erfassung nicht bilanzierter Vermögenswerte und ausgekehrter Vermögensvorteile verkompliziert195 – und bietet allen Beteiligten ein hohes Maß an Transparenz und Verlässlichkeit196. Eine verbotene Auszahlung muss gem. § 31 Abs. 1 GmbHG vom Empfänger, gem. § 31 Abs. 3 GmbHG subsidiär von den anderen Gesellschaftern zurückerstattet werden. Diese Regelung wird durch eine in verschiedene Richtungen zielende Geschäftsführerhaftung gem. §§ 43 Abs. 2, 3 S. 1, 31 Abs. 6 GmbHG flankiert. Das Verbot der Darlehensgewährung im Stadium der Unterbilanz an die Geschäftsführer gem. § 43a GmbHG hat hingegen mit einer Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich nichts zu tun197. 2. Kritik am bilanzorientierten Kapitalerhaltungsregime und Alternativvorschläge a) Streitstand Der oben geschilderte Streit um das Kapitalschutzmodell entzündet sich an allen Ausprägungen desselben, auch am bilanzorientierten Kapitalerhaltungsgebot. Abgesehen davon, dass seine Zukunft schon deshalb in Frage steht, weil neue Trends im Bereich der Rechnungslegung eine bilanzorientierte Kapitalerhaltung für die Zwecke des Gläubigerschutzes immer unsicherer erscheinen lassen198, ist in den letzten Jahren grundlegende Kritik aus der betriebswirtschaftlichen Warte geäußert worden. Kritisiert wird insbesondere, dass der starren Orientierung an der Stammkapitalziffer (§§ 30 Abs. 1, 42 Abs. 1 GmbHG) die betriebswirtschaftlich sinnvolle Flexibilität abgehe. § 30 Abs. 1 GmbHG wird vorgeworfen, er blende die Liquiditätssituation der Gesellschaft völlig aus; eine Auszahlung, die das Stammkapital angreife, sei aber unschädlich, wenn aufgrund eines hohen cash flow sichergestellt sei bzw. die hohe Wahrscheinlichkeit bestünde, dass die Lücke alsbald aufgefüllt werden könne, sodass die Gläubiger auf die Bedienung ihrer Forderungen vertrauen könnten. Verzichte eine Gesellschaft auf Ausschüttungen, sei dies ein verheerendes Signal an die Gläubiger, das die Genesung erschwere. K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1d; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 30 Rn. 8 f. 195 Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 30 Rn. 43 ff. 196 Jungmann, ZGR 2006, 638 (640 f.); Kuhner, ZGR 2005, 753 (777 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (4); Weller, AnwBl 2007, 320 (321). 197 K. Schmidt, GesR4, § 37 III 6b. 198 Arnold, Der Konzern 2007, 118, ebenda; Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (186); Merkt, ZGR 2004, 305 (307 ff., 318 f.). 194

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Ferner verhindere § 30 Abs. 1 GmbHG ggf. sinnvolle Finanzierungsentscheidungen, bspw. im Hinblick darauf, dass das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital nicht nach den jeweils gegenwärtigen Kapitalkosten justiert und auch nicht an die erstrebte Eigenkapitalrendite angepasst werden könne199. Die Kritik lässt sich unter folgendem Tenor zusammenfassen: Die Finanzwirtschaft fühlt sich durch das Gesellschafts- und Bilanzrecht zu sehr eingeengt200. b) Solvenztest als Alternative? Sucht man nach Alternativen zum tradierten kontinentaleuropäischen Kapitalerhaltungssystem, so drängt sich auf, dass solche in Ländern gefunden werden können, die den Gläubigerschutz ohne Mindestkapital verwirklichen oder ein Bilanzrecht kennen, das nicht dem Gläubigerschutz dient, darunter etwa USGAAP. Das sind in erster Linie die Bundesstaaten der USA201. Dort werden finanzwirtschaftliche Bedürfnisse einerseits und Gläubigerschutz andererseits durch den schon erwähnten202 prognostischen Solvenztest miteinander versöhnt. Einen solchen kennt auch der New Zealand Companies Act von 1993203. Die europäische Reformdebatte204 wurde im Zeichen des Abschieds vom Kapitalschutzmodell der Zweiten Richtlinie ebenfalls vom Solvenztest bestimmt: Die Winter-Gruppe empfiehlt das Konzept des Solvenztests205, die Niederlande werden einen solchen für die B.V. einführen206, und im Vereinigten Königreich hat er sich für die Zwecke der effektiven Kapitalherabsetzung durchsetzen können, sec. 641 CA 2006207. Der Solvenztest begründet ein Kapitalerhaltungsregime, das Ausschüttungen ungeachtet der Stammkapitalziffer solange zulässt, wie die Gesellschaft solvent ist. Dabei wird in Neuseeland zwischen der cash flow solvency208 und der 199 Vgl. insb. die Kritik von Rickford, EBLR 2004, 919 ff. und Jungmann, ZGR 2006, 638 (640 ff.). 200 Stellvertretend Jungmann, ZGR 2006, 638 (641): „Häufig werden durch die Inflexibilität der Kapitalschutzregeln sinnvolle Wege der Unternehmensfinanzierung verhindert“. 201 Arnold, Der Konzern 2007, 118, ebenda, Fn. 6. Vgl. insb. § 6.40 (c) des USamerikanischen Model Business Corporation Act (MBCA), dazu BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 28 f. 202 Siehe supra Kapitel 2 – C. III. 2. b). 203 Dazu eingehend Jungmann, ZGR 2006, 638 (650 ff.); vgl. ferner Weiss, Der Konzern 2007, 109 ff. 204 Wegweisend Rickford, EBLR 2004, 919 ff.; zur Diskussion eingehend Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 515 ff. 205 Dazu schon supra Kapitel 2 – Fn. 453. 206 Weiss, Der Konzern 2007, 109, ebenda. 207 Jungmann, ZGR 2006, 638 (655 f.). 208 Diese zeigt eine gewisse Nähe zwischen dem Solvenztest und der drohenden Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 18 InsO, vgl. BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbe-

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balance sheet solvency unterschieden. Letztere wird bejaht, wenn das Gesellschaftsvermögen die Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigt209. Waren die Voraussetzungen des Solvenztests bei einer Ausschüttung nicht gegeben, muss der Gesellschafter die Ausschüttung zurückerstatten und der Geschäftsleiter ist u. U. haftbar, sec. 56 CA 1993. Gegen den Solvenztest – jedenfalls gegen die cash flow solvency – wird die damit einhergehende Rechtsunsicherheit eingewandt210. Ferner tragen die Befürworter des bilanzorientierten Modells vor, dass das Risiko verbotener Ausschüttungen bei Übertragung des Solvenztests letztlich dem Geschäftsführer zugewiesen werde, der gem. §§ 43 Abs. 2, 3, 64 Abs. 2 GmbHG a. F. für das Eintreffen seiner Solvenzprognose hafte. Letzten Endes drohe, dass gerichtliche Sachverständige ex post über die Korrektheit der betriebswirtschaftlichen Prognose zu urteilen hätten211. Dem ist zu erwidern, dass sich ein solches aufgrund der im Gesellschafts- und Bilanzrecht regelmäßig zu beurteilenden wirtschaftlichen Zusammenhänge oft nicht vermeiden lässt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Gerichte damit überfordert sein könnten212. 3. Beschlüsse des 66. DJT Auf dem 66. Deutschen Juristentag lehnte es die wirtschaftsrechtliche Abteilung mit überwältigender Mehrheit ab, das geltende Kapitalerhaltungsgebot durch einen Solvenztest zu ersetzen213. Ebenso wurde abgelehnt, einen Solvenztest ergänzend zur bilanzorientierten Ausschüttungssperre zu etablieren214. Befürwortet wurde demgegenüber die Legitimierung des Cash Pooling215. 4. EPG-Vorschlag Der Vorschlag einer Verordnung über das Statut der EPG enthält in Art. 21 Abs. 1 S. 1 eine zwingende Ausschüttungssperre. Ausschüttungen sind erlaubt, werb der Rechtsformen, S. 29 (freilich bzgl. des solvency test nach dem US-amerikanischen MBCA). 209 Zum Ganzen Weiss, Der Konzern 2007, 109 (112 ff.). 210 Arnold, Der Konzern 2007, 118 (121). 211 Kuhner, ZGR 2005, 753 (777 ff.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (4). 212 Jungmann, ZGR 2006, 638 (668 f.). 213 Beschluss Nr. 10 der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 22. 214 Beschluss Nr. 11 lit. a der wirtschaftsrechtlichen Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 22. Die Ablehnung des von Lutter vorgeschlagenen, die IFRS-Bilanz ergänzenden Solvenztests fiel demgegenüber äußerst knapp aus, Beschluss Nr. 11 lit. b, a. a. O. 215 Beschluss Nr. 14 der wirtschaftsrechtliche Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 23.

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wenn die Vermögenswerte der Gesellschaft nach der Ausschüttung ihre Verbindlichkeiten decken. Die Kapitalbindung ist hierbei laxer als i. R. d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, denn dort müssen die Vermögenswerte nicht nur die Verbindlichkeiten decken, sondern nach Abzug derselben die Stammkapitalziffer. Die EPG-Regelung verlässt also den Boden des Systems des festen Kapitals, weist aber den Vorschriften über die bilanzielle Berücksichtigung und Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten dieselbe eminente Bedeutung zu wie § 30 Abs. 1 GmbHG. Daneben regelt Art. 21 Abs. 2 einen zusätzlichen, publizitätspflichtigen Solvenztest, der eine Prognose über die Schuldentilgungsfähigkeit der Gesellschaft im Zeitraum von einem Jahr voraussetzt. Der Solvenztest ist aber nur vorzunehmen, wenn ihn die Satzung vorsieht216. 5. Die Neuregelung der Kapitalerhaltung durch das MoMiG Kulminationspunkt der Diskussion um das Kapitalerhaltungsgebot war in den letzten Jahren, dass die strenge Rechtsprechung zu § 30 Abs. 1 GmbHG die Gewährung von Darlehen der GmbH an ihre Gesellschafter (aufsteigende Darlehen bzw. upstream loans) und die Besicherung von Forderungen der Gläubiger der Gesellschafter mit dem Vermögen der GmbH (aufsteigende Sicherheiten) vor kaum überwindbare Hürden gestellt hatte. Nachfolgend soll untersucht werden, woraus die Schwierigkeiten bei der rechtlichen Beurteilung dieser Vorgänge resultierten und welche Änderungen das MoMiG diesbezüglich brachte. Die Problematik soll anhand gängiger Gestaltungen wie dem Cash Pooling im Konzern217 und der Besicherung mit Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buy-Out (LBO)218 veranschaulicht werden. Beide drohten in Deutschland an ihre Grenzen zu geraten. a) Die Behandlung des Cash Pooling (1) Beschreibung eines Cash Pool Eine in Konzernen seit Langem verbreitete Form der Liquiditätsplanung sieht die Einrichtung eines zentralen Cash Pool vor, in dem die Kontoguthaben der Konzerntöchter gebündelt werden. Dies geschieht durch Darlehensgewährungen seitens der Töchter an die Konzernmutter bzw. an eine spezielle Betreibergesellschaft innerhalb des Konzernverbunds219. Das Cash Pooling gestattet der Mut216 Kritisch dazu Greulich/Rau, DB 2008, 2691, passim; zum Ganzen eingehend Lanfermann/Richard, BB 2008, 1610, sub IV. 217 Dazu K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (4 f.). 218 Dazu umfassend Nussbaum, Besicherung durch die Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buyout, S. 100 ff. sowie Flesner, NZG 2006, 641 (645 f.). 219 K. Schmidt, GesR4, § 18 V 2; Flesner, NZG 2006, 641 (644); Vetter, BB 2004, 1509 ff.; zum Cash Pooling auch schon supra Kapitel 3 – B. II. 3. f) (1).

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ter, das gebündelte Guthaben an gegebenenfalls bedürftige Töchter ausreichen zu können, ohne dass diese einen Bankkredit aufnehmen müssten. Die Verteilung von innerhalb des Konzerns vorhandener Liquidität verschafft also eine Zinsersparnis, von der letztlich alle Töchter profitieren220. (2) Alte Rechtslage: Von der bilanziellen Betrachtungsweise zum „Novemberurteil“ Wenn die in den Cash Pool einbezogenen, darlehensgewährenden Konzerntöchter im Gründungsstadium befindliche Gesellschaften mbH sind, können sich bereits hinsichtlich der Kapitalaufbringungsvorschriften Probleme ergeben221. Diese wurden bereits im Zusammenhang mit dem Hin- und Herzahlen gem. § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. dargestellt222. Außerhalb des Gründungsstadiums ist das Cash Pooling an § 30 Abs. 1 GmbHG zu messen. Dementsprechend kommt es darauf an, ob die Darlehensgewährung an die Konzernmutter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin eine das Stammkapital antastende und damit verbotene Auszahlung ist. Dies ist nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen zu ermitteln223. Das Stammkapital wird in diesem Sinne wie schon erwähnt angetastet, wenn das Nettovermögen der Gesellschaft (Aktiva abzüglich der echten Passiva, d.h. der Rückstellungen und Verbindlichkeiten im Sinne des § 266 Abs. 2 HGB) die Stammkapitalziffer nicht mehr deckt (Unterbilanz)224. Fraglich ist nun, ob das Cash Pooling auch dann noch zulässig ist, wenn eine Unterbilanz besteht oder durch die Darlehensvalutierung entstehen würde. Unter Zugrundelegung einer streng bilanziellen Betrachtungsweise läge keine verbotene Auszahlung vor, wenn der Vermögensabfluss auf Seiten der Tochtergesellschaft durch den Zufluss eines gleichwertigen Vermögenswerts bilanziell ausgeglichen würde. Beim Cash Pooling kommt insofern als die Darlehensgewährung bilanziell kompensierender Vermögenswert ein Darlehensrückgewährungsanspruch der GmbH gegen die Konzernmutter aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in Frage225. Zumindest dann, wenn das Darlehen angemessen verzinst und der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist, stellt sich eine Darlehensgewährung als 220 Der Regierungsentwurf lobt diesen Effekt als ökonomisch sinnvoll und daher wünschenswert, BT-Drucks. 16/6140, S. 98. Ebenso Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 m.w. N. in Fn. 6 f.; Seibert, ZIP 2006, 1157 (1162 f.). 221 Dazu etwa BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736; Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163); Winter, DStR 2007, 1484, ebenda. 222 Siehe supra Kapitel 3 – B. II. 3. f). 223 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 37 Rn. 11; vgl. auch H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 30 Rn. 15, 19. 224 K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1c. 225 Flesner, NZG 2006, 641 (644).

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bilanzrechtlich neutraler Aktiventausch dar. Mit dieser rein bilanziellen Argumentation wurde seit den Tagen des Reichsgerichts ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verneint226. Nachdem sich bereits in der Entscheidung in Sachen Bremer Vulkan eine gewisse kritische Distanz des II. Zivilsenats zum Cash Pooling abgezeichnet hatte227, kam es in seiner Entscheidung vom 24.11.2003 (sog. Novemberurteil) zur teilweisen Aufgabe der bilanziellen Ausrichtung des § 30 Abs. 1 GmbHG228. In diesem Fall hatte ein mittelbarer Gesellschafter von der GmbH ein Darlehen erhalten. Zu entscheiden war die Frage, ob der Insolvenzverwalter die Geschäftsführerin dafür in Haftung nehmen konnte. Nachdem der Senat die analoge Anwendung des § 43a GmbHG auf den Fall der Kreditgewährung an den Gesellschafter unter Berufung auf den gesetzgeberischen Willen abgelehnt hatte229, ging er zur Prüfung des Anspruchs aus §§ 43 Abs. 2, 3 S. 1, 30 Abs. 1 GmbHG über und stellte zunächst die bilanzielle Neutralität der Darlehensgewährung durch die Gesellschaft bei gleichzeitiger Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs klar. Die rein bilanzielle Betrachtungsweise der Darlehensgewährung greife indes zu kurz: Der telos des § 30 Abs. 1 GmbHG gebiete im gesetzlichen Kapitalschutzmodell den realsubstanziellen Erhalt einer Befriedigungsreserve für die Gesellschaftsgläubiger, nicht nur einer bilanzmäßigen Rechnungsziffer. Der GmbH dürften also keine liquiden Mittel entzogen werden, wenn sie als Gegenleistung nur einen zeitlich hinausgeschobenen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch erhalte. Dies gelte selbst für ein angemessen verzinstes Darlehen an einen kreditwürdigen Gesellschafter, d.h. beim Vorliegen eines vollwertigen Rückzahlungsanspruchs. Andernfalls würden die Gesellschaf226

RG v. 20.12.1935 – II 113/35, RGZ 150, 28 (34 ff.). Die Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation wurde anhand einer Cash-Pooling-Konstellation entwickelt, BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), BGHZ 149, 10. 228 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72; zustimmend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 30 Rn. 107. Als der BGH entschied, war vom Berufungsgericht noch nicht erhoben worden, ob die Kreditgewährung an den Gesellschafter während des Vorliegens einer Unterbilanz erfolgt war. Das Berufungsgericht hatte dies noch nicht ermittelt, weil nach bisheriger Rechtslage die Darlehensgewährung bilanziell neutral war und damit eine gegebenenfalls vorliegende Unterbilanz nicht weiter vertieft hätte. Somit wäre § 30 Abs. 1 GmbHG nicht einschlägig gewesen. Vetter, BB 2004, 1509 (1510) bezeichnet die Fokussierung des BGH auf § 30 Abs. 1 GmbHG treffend als „Akzentverschiebung“ in der Revisionsinstanz. 229 Eine analoge Anwendung des § 43a GmbHG wird namentlich von K. Schmidt, GesR4, § 37 III 6b befürwortet: § 30 Abs. 1 GmbHG sei für die sachgerechte Bewältigung dieser Fälle ungeeignet, sodass eine Regelungslücke vorliege. Diese sei im Interesse des Kapitalschutzes durch analoge Anwendung des strengen § 43a GmbHG zu schließen. Dem hat der BGH unter methodischen Aspekten entgegnet, der Gesetzgeber habe anlässlich der Novelle von 1980 die Problematik wohl gesehen, sich aber gegen die Einbeziehung von Gesellschaftern in den Anwendungsbereich des § 43a GmbHG entschieden (BT-Drucks. 8/1347, S. 74), sodass gerade keine planwidrige bzw. unbewusste Regelungslücke vorliege; dazu auch Vetter, BB 2004, 1509 (1510). 227

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tergläubiger zulasten der Gesellschaftsgläubiger, denen das Gesellschaftsvermögen als Befriedigungsreserve eigentlich zustehe, ungerechtfertigt bevorzugt, weil die liquiden Mittel dann beim Gesellschafter konzentriert seien und dessen Gläubiger somit einen vorrangigen Zugriff auf die Vermögenswerte erhielten230. Bei rein bilanzieller Betrachtungsweise bestehe ferner die Gefahr, dass verbotene Auszahlung bilanzneutral als Darlehen verschleiert würden231. Wie bereits bei der Rechtsprechung zur Haftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs232, die vom bilanziellen Kapitalschutzsystem nicht erfassbare Eingriffe der Gesellschafter ins Gesellschaftsvermögen sanktioniert233, löste sich der Bundesgerichtshof hier vom rein bilanziellen Verständnis des § 30 Abs. 1 GmbHG. Bilanzieller Vermögensschutz wurde durch Liquiditätsschutz ersetzt234. Darlehen an einen Gesellschafter waren damit wirtschaftlich zu Ausschüttungen geworden, da sie für die Zwecke des § 30 Abs. 1 GmbHG als kompensationslose Vermögensabflüsse anzusehen waren; der Darlehensrückzahlungsanspruch wurde dementsprechend bilanziell gar nicht in Ansatz gebracht235. Dar230 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (75 f.). Für die Ansicht des BGH spricht, dass das GmbHG auch an anderer Stelle bloßen Forderungen nicht denselben Stellenwert beimisst wie tatsächlich verfügbaren Einlagen, wenn es um die Bereitstellung des Haftungsfonds durch die Gesellschafter geht: Es macht einen Unterschied, ob der Gesellschafter seinen Beitrag auf das Stammkapital eingezahlt hat oder diesen schuldet, §§ 7 Abs. 2, 19 Abs. 2 GmbHG; ferner verlangt § 31 Abs. 1 GmbHG die Rückerstattung der Auszahlung und lässt es nicht genügen, wenn der Rückerstattungsanspruch in die Bilanz eingebucht wird; dazu Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (350). Dagegen lässt sich aber einwenden, dass das Gesetz auch bei der Teileinzahlung auf die Stammeinlage gem. § 7 Abs. 2 GmbHG und beim Verlustausgleich im Konzern gem. § 302 AktG den bloß hinausgezögerten schuldrechtlichen Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter für die Zwecke der Kapitalaufbringung und -erhaltung für ausreichend ansieht, Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1291). 231 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (76 f.). 232 Dazu grundlegend BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), BGHZ 149, 10; siehe im Einzelnen Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 30 ff. Angekündigt wurde diese Rechtsprechung bereits im Jahre 2000 durch den Beitrag von Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 ff., damals freilich eine Ausgestaltung als Binnenhaftung befürwortend. 233 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. Der BGH sprach schon in der Ägide der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation davon, dass diese nur greife, „soweit nicht der der GmbH durch den Eingriff insgesamt zugefügte Nachteil bereits nach §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden“ könne, BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (187). Zu diesem Subsidiaritätsverhältnis zweifelnd Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 171 f. 234 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5). Vgl. ferner Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1291). 235 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163); Winter, DStR 2007, 1484 (1485).

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lehen im Rahmen eines Cash Pool führten regelmäßig eine Unterbilanz herbei oder vertieften eine solche, da typischerweise die gesamten Barbestände der Tochtergesellschaften in die konzernweite Liquiditätsplanung einbezogen wurden. Das Novemberurteil enthielt eine wenig präzise und nur obiter formulierte Ausnahme zugunsten solcher Darlehen, die im Interesse der Gesellschaft lagen, einem Drittvergleich standhielten und an einen Gesellschafter vergeben wurden, dessen Kreditwürdigkeit „außerhalb jedes vernünftigen Zweifels“ stand oder deren Rückzahlung durch werthaltige Sicherheiten gewährleistet war236. Dies verhinderte nicht, dass sich in Konzernen mit zentralem Cash Management Unsicherheit breit machte237, zumal das Schrifttum davon ausging, dass die Ausnahme kaum jemals eingreifen dürfte238. Die Rechtsunsicherheit erstreckte sich aber auch auf (konzerninterne) Vorleistungen der Tochtergesellschaft, denn auch in diesen Fällen steht ihr nur ein schuldrechtlicher Vergütungsanspruch zu239. Das OLG München240 und wenig später auch der BGH 241 übertrugen die Abkehr von der bilanziellen Betrachtungsweise explizit auf das konzernweite Cash Pooling. Zur Begründung führte das OLG München im konkreten Fall aus, dass es an einem vom Verbot der Einlagenrückgewähr befreienden Beherrschungsbzw. Gewinnabführungsvertrags im Sinne des § 291 Abs. 3 AktG gefehlt habe. Bei der Subsumtion des Falls unter den durch den BGH formulierten Ausnahmetatbestand konzedierte das OLG, dass ein funktionierender Cash Pool zwar im Interesse der Gesellschaft liegen möge; es fehle im konkreten Fall aber jedenfalls an Kreditbedingungen, die einem Drittvergleich standhielten, und der Bestellung ausreichender Sicherheiten242. Nach dieser Logik konnte eine Cash-Pooling-Vereinbarung, deren Umfang nicht im Wege spezieller limitation language auf das freie Vermögen begrenzt worden war243, kaum jemals mit den im Novemberurteil formulierten Anforderungen kompatibel sein: Denn das ökonomisch Interessante an einem Cash Pool ist gerade die Zinsersparnis der Konzerntöchter, die daraus resultiert, dass Darlehen nicht bei Dritten aufgenommen werden müssen. Wenn nun aber der Ausnahmetatbestand nur dann eingreifen könnte, wenn die Kreditbedingungen einem Drittvergleich standhalten, dann wäre das Cash Pooling ökonomisch un-

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BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (77). Seibert, ZIP 2006, 1157 (1162); BT-Drucks. 16/6140, S. 98. 238 Winter, DStR 2007, 1484 (1485). 239 Zu konzerninternen Vorleistungen K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (4). 240 OLG München v. 24.11.2005 – 23 U 3480/05, NZG 2006, 195; ebenso Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 50. 241 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 75/04, Der Konzern 2006, 382; BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736; zur letzteren Entscheidung Goette, DStR 2006, 767. 242 OLG München v. 24.11.2005 – 23 U 3480/05, NZG 2006, 195 (196). 243 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163). 237

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attraktiv – es gäbe nämlich keine Zinsdifferenz mehr, die im Konzern verbleiben könnte. (3) Vermittelnde Vorschläge Nachdem die Reichweite des Novemberurteils und seine Restriktionen für die international übliche Finanzierungsform des Cash Pooling deutlich geworden waren, deutete der Vorsitzende Richter des II. Zivilsenats an, dass das Urteil im Schrifttum zu extensiv verstanden worden sei. Es gehe zu weit, wenn die bilanzielle Erfassung eines vollwertigen Rückzahlungsanspruchs generell ausgeschlossen sei. Vielmehr solle dies nur für Fälle wie den anlässlich des Novemberurteils entschiedenen gelten, in denen die Kreditgewährung während des Bestehens einer Unterbilanz erfolgt sei, denn dann sei das Bedürfnis der Gläubiger besonders groß, rasch auf die liquiden Gesellschaftsmittel zugreifen zu können. Das Cash Pooling sei also außerhalb einer Unterbilanz als zulässig anzusehen, sofern für die effektive Verwirklichung des Rückzahlungsanspruchs Sorge getragen worden sei244. Diese vermittelnde Lösung hätte also bedeutet, dass grundsätzlich an der tradierten Ansicht festzuhalten gewesen wäre, nach der § 30 Abs. 1 GmbHG allein das Vermögen, aber nicht die Liquidität der Gesellschaft schützt. Lediglich während des Bestehens einer Unterbilanz wäre man zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger davon abgerückt. Im Übrigen wäre die Einschränkung dadurch kompensiert worden, dass dem Geschäftsführer neue Haftungsgefahren gedroht hätten. Dieser Ansatz ist mittlerweile durch das MoMiG und das MPS-Urteil245 des II. Zivilsenats erledigt worden. Der Vorschlag Bayers, das gesetzliche Kapitalschutzmodell der GmbH vollständig umzugestalten und dem System der nachgelagerten Wertkontrolle der KG (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1, 4 HGB) anzupassen246, trug der Tatsache Rechnung, dass das Cash Pooling nicht nur im Rahmen der Kapitalerhaltung, sondern bereits im Stadium der Kapitalaufbringung Probleme bereitet247. (4) MoMiG: Rückkehr zur streng bilanziellen Betrachtungsweise Der Referentenentwurf des MoMiG vom 29.5.2006 versuchte, dass Problem durch eine tatbestandliche Ausweitung der im Novemberurteil obiter skizzierten Ausnahme zu lösen: Gem. Art. 1 Nr. 11 MoMiG (RefE) sollte es darauf ankom244 Goette, DStR 2006, 767 (768). Vgl. ferner Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1290) m.w. N.; Haas/Oechsler, NZG 2006, 806 (810). 245 BGH v. 1.12. 2008 – II ZR 102/07 (MPS), DStR 2009, 234, Tz. 12. 246 Bayer, ZGR 2007, 220 (234 f.). 247 Dazu supra Kapitel 3 – B. II. 3. f) (1).

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men, ob die Leistung an den Gesellschafter im Interesse der Gesellschaft liege. Diese wertende Interesseformel wurde im Referentenentwurf durch beispielhaft aufgezählte Indizien konturiert248, im Schrifttum jedoch ob ihrer Unschärfe abgelehnt249. Die Gesetz gewordene Neuregelung enthält die Interesseformel dementsprechend nicht mehr, sondern ergänzt das Kapitalerhaltungsgebot gem. §§ 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F., 57 Abs. 1 S. 3 AktG n. F. um Ausnahmen zur Darlehensgewährung an Gesellschafter. Für die Zwecke des Cash Pooling kommen beide Alternativen des § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F.250 als eindeutige Legitimationsgrundlagen in Betracht: Der bisherige § 30 Abs. 1 GmbHG soll gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GmbHG n. F. nicht angewendet werden, wenn die Leistung der GmbH im Rahmen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags i. S. d. § 291 AktG erfolgt. Dann kommt es auf die Werthaltigkeit des bilanziell neutralisierenden Gegenleistungsanspruchs wegen der ausreichenden konzernrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften nicht an. Dies war freilich bereits unter der alten Rechtslage nach h. M. anerkannt251. Exkursorisch sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 Abs. 1 GmbHG, 57 AktG nach früher geltender Rechtslage gem. § 291 Abs. 3 AktG a. F. keine Anwendung fanden, wenn die Leistung „aufgrund“ eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erfolgte. Dies bedeutete einen Kausalitätszusammenhang und erforderte, dass sich der Vorgang gerade in Ausübung konzernrechtlicher Leitungsmacht zwischen den Vertragsteilen abspielte252. Das MoMiG (RegE) wollte das Verbot der Einlagenrückgewähr im Gleichklang zu § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG-E auch im Aktienrecht ändern253. Fälschlicherweise sollte § 291 Abs. 3 AktG jedoch nicht angepasst oder gestrichen werden. §§ 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GmbHG-E, 57 Abs. 1 S. 3 Alt. 1 AktG-E wären dann aber im Vergleich zu § 291 Abs. 3 AktG a. F. weiterreichende Freistellungen geworden: Es wäre nämlich nicht darauf angekommen, dass die Leistung „aufgrund“ des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erfolgt, sondern es sollte jede Leistung zwischen den Vertragsteilen vom Kapitalerhaltungsgebot freigestellt werden. Damit hätte der Gesetzgeber einen Widerspruch zwischen §§ 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GmbHG-E, 248

Referentenentwurf, S. 54 f.; siehe auch Seibert, ZIP 2006, 1157 (1163). Insb. kritisch K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5); siehe auch Flesner, NZG 2006, 641 (644); Haas/Oechsler, NZG 2006, 806 (809 ff.). 250 Art. 1 Nr. 20 MoMiG. 251 Aber str.; befürwortend Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 86; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 37 Rn. 20; Tillmann, NZG 2008, 401 (405); tendenziell auch BGH v. 23.9.1991 – II ZR 135/90 (Video), BGHZ 115, 187 (197). Siehe zum Ganzen Winter, DStR 2007, 1484 (1487, 1489 f.). 252 Vgl. Hüffer, AktG7, § 291 Rn. 36; Winter, DStR 2007, 1484 (1490). 253 Art. 5 Nr. 5 MoMiG (RegE). 249

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

57 Abs. 1 S. 3 Alt. 1 AktG-E einerseits und § 291 Abs. 3 AktG a. F. andererseits kreiert254. Dies wurde noch rechtzeitig erkannt: Auch § 291 Abs. 3 AktG n. F.255 greift nun schon „bei Bestehen“ eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags. Davon abgesehen – und das ist neu – greift das Kapitalerhaltungsgebot auch dann nicht ein, wenn der Kapitalgesellschaft gegen ihren Gesellschafter ein vollwertiger Gegenleistungsanspruch zusteht und dieser die erfolgte Leistung deckt, §§ 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F., 57 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 AktG n. F. Darin zeigt sich nach Ansicht des Regierungsentwurfs, dass sich „der Gedanke der bilanziellen Betrachtungsweise [. . .] als roter Faden durch die Neuregelungen zum Haftkapitalsystem“ 256 zieht. Konterkariert werden könnte dies indes durch § 64 S. 3 GmbHG n. F., wo von der bilanziellen Betrachtungsweise zugunsten eines Solvenztests abgerückt wird, sodass dieser letztlich die bilanzielle Ausrichtung des § 30 Abs. 1 GmbHG n. F. überlagern könnte257. Die Neuregelungen blenden jedenfalls den im Novemberurteil tragenden Liquiditätsschutzgedanken aus258. Dort hatte der II. Zivilsenat formuliert: „Vermögensschutz erschöpft sich nicht in der Garantie einer bilanzmäßigen Rechnungsziffer, sondern gebietet die Erhaltung einer die Stammkapitalziffer deckenden Haftungsmasse.“ 259

Dem formell einwandfreien, da bilanziell neutralen Aktiventausch hatte der Senat damit eine Absage erteilt. Hinter diesen Stand geht das MoMiG zurück260. (5) Untersuchung der Auswirkungen der Neuregelung auf das Cash Pooling Während das Kapitalerhaltungsgebot innerhalb konzernierter Strukturen zugunsten der Gläubigersicherung gem. §§ 291 Abs. 3, 300 ff. AktG das Feld räumen kann (§ 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GmbHG n. F.), ordnet § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. die Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise unter dem wertenden Vorbehalt der Vollwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs an. Die Voll254

Vgl. auch Winter, DStR 2007, 1484 (1490). Art. 5 Nr. 16a MoMiG. 256 BT-Drucks. 16/6140, S. 83, 99. 257 Dazu infra Kapitel 3 – C. I. 2. c) (2). 258 BT-Drucks. 16/6140, S. 99: „Der Entwurf kehrt daher eindeutig zum bilanziellen Denken zurück.“ 259 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (75). 260 Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734) erwartet, der BGH werde die Existenzvernichtungshaftung und die neue Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG ausweiten, um die Außerachtlassung der Liquiditätsschutzgedanken des Novemberurteils im MoMiG zu kompensieren. 255

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wertigkeit des Anspruchs ist freilich schon nach § 253 Abs. 3 S. 2 HGB Voraussetzung für seine bilanzielle Berücksichtigung. Das Kriterium der Vollwertigkeit genügt indes nicht; der Gegenleistungsanspruch der Gesellschaft muss die erfolgte Leistung „decken“. In den Worten des Regierungsentwurfs bedeutet dieses Deckungsgebot, „dass bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch nicht nur vollwertig sein muss, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten den geleisteten Gegenstand decken muss.“ 261

Liegt der Bilanzwert einer Leistung unter dem Marktwert, so ist § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. nur dann verwirklicht, wenn der Gesellschafter den höheren Marktpreis entrichtet262. Vergleichbares galt schon bisher für Leistungen der Gesellschaft an einen Gesellschafter, die im Stadium der Unterbilanz erfolgten, wenn diese Leistungen zum Abfluss stiller Reserven an den Gesellschafter führten. Es genügte dann zur Bejahung von § 30 Abs. 1 GmbHG a. F., wenn das reale Gesellschaftsvermögen durch die Leistung vermindert wurde263. Über das Deckungsgebot des § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. wird die bilanzielle Betrachtungsweise, die das MoMiG propagiert, wieder eingeschränkt. Die Bezugnahme auf den Marktwert kann zu einem Ertrag der Gesellschaft führen, sodass gerade kein bilanziell neutraler Aktiventausch mehr vorliegt264. Für das Cash Pooling wird die Einschränkung der bilanziellen Betrachtungsweise durch das Deckungsgebot indes nicht relevant: Buchwert und Marktwert der Darlehensforderung der Tochtergesellschaft gegen die Konzernmutter sind bei Vollwertigkeit identisch. Es kommt somit allein auf das Merkmal der Vollwertigkeit an; ist dieses gegeben, so steht dem Cash Pooling selbst bei bestehender Unterbilanz nach dem MoMiG regelmäßig nichts mehr im Wege265. Im Schrifttum wird teilweise zusätzlich verlangt, dass ein von der GmbH an einen Gesellschafter ausgereichtes Darlehen angemessen verzinst wird. Andernfalls sei dem Deckungsgebot nicht Genüge getan266. Auf die Stellung banküblicher Sicherheiten oder gar auf einen umfassenden Drittvergleich soll es hingegen nicht ankommen267. 261

BT-Drucks. 16/6140, S. 99. Winter, DStR 2007, 1484 (1486). 263 Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (340 ff.); H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 30 Rn. 36. 264 Winter, DStR 2007, 1484 (1487). 265 So auch Winter, DStR 2007, 1484 (1487). 266 Winter, DStR 2007, 1484 (1487); ebenso Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734); a. A. Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293). 267 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293); vgl. auch Winter, DStR 2007, 1484 (1487 f.). 262

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Fraglich ist, welche Rechtsfolgen es zeitigt, wenn der Gegenleistungsanspruch zunächst vollwertig war, ihm die Vollwertigkeit später aber abzusprechen ist. Ausweislich des Regierungsentwurfs soll dies nicht nachträglich zur Anwendung des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG n. F. führen268. Dem wird in der Literatur zugestimmt, wenn die dazu führenden Umstände nicht schon bei der Darlehensgewährung erkennbar waren269. Die Entwicklung der Werthaltigkeit ist vom Geschäftsführer laufend zu überwachen, will er sich nicht ggf. der Haftung gem. §§ 43 Abs. 2, 3, 30 Abs. 6 GmbHG ausgesetzt sehen270. Das ist deshalb von hoher praktischer Bedeutung, weil auch die Verlängerung eines Darlehens bzw. die Nichtgeltendmachung desselben eine erneute Auszahlung der Gesellschaft i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG darstellen kann. Insofern besteht die Notwendigkeit der laufenden Überwachung271. Das Risiko des Wegfalls der Vollwertigkeit wird mithin auf den Geschäftsführer verlagert. Aus Sicht der Gläubiger ist dies rechtlich gesehen unschädlich: Das in ihrem Interesse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen wird dann zwar nicht im Wege des § 31 GmbHG, sondern über die Binnenhaftung gem. § 42 Abs. 2, 3 GmbHG aufgefüllt. Ein tatsächlicher Unterschied ergibt sich für die Gläubiger nur dann, wenn der Geschäftsführer eine geringere Bonität aufweist als der bzw. die Empfänger der Auszahlung causa societatis. (6) Stellungnahme zur Neuregelung und ihrem Verhältnis zu § 43a GmbHG Das MoMiG verdrängt das Liquiditätsschutzanliegen des Novemberurteils in die Rechtsgeschichte. In der Literatur hat man die Neufassung des § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. daher auch als gegen das Novemberurteil gerichteten „Nichtanwendungserlass“ gedeutet272. Zu bedenken ist aber, dass die vom MoMiG bevorzugte bilanzielle Betrachtungsweise bereits bei nicht bilanzierungsfähigen und nicht einlagefähigen Gegenständen an ihre Grenzen stößt273. Im Schrifttum mehren sich die Stimmen, die meinen, dass das MoMiG ebenso wie zuvor das Novemberurteil über das jeweilige Ziel hinausgeschossen sei: So unpassend der Übergang zum Liquiditätsschutz gewesen sei, so falsch sei nun auch die strikte Rückkehr zur bilanziellen Kapitalerhaltung. Es sei daher erneut die Frage zu stellen, ob § 43a GmbHG, der die Kreditgewährung 268 BT-Drucks. 16/6140, S. 99. Vgl. zur früheren Rechtslage H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 30 Rn. 42. 269 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293). 270 Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 100; dazu Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293). 271 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1293); Kindler, NJW 2008, 3249 (3253). 272 Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734). 273 Dazu Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1294 f.).

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von Gesellschaften mbH an ihre Geschäftsführer regelt, in analoger Anwendung auch der Darlehensgewährung an Gesellschafter Grenzen ziehen könnte274. Der II. Zivilsenat hatte dies zwar im Novemberurteil abgelehnt275, aber Spielraum für eine Rechtsprechungsänderung verbleibt deshalb, weil das MoMiG § 43a GmbHG nicht bilanziell konsequent aufgehoben hat. Eine analoge Anwendung des § 43a GmbHG auf die Darlehensgewährung an die Gesellschafter würde auch das Cash Pooling betreffen, weil es in dessen Rahmen rechtstechnisch zu Darlehen i. S. d. § 488 BGB kommt. Zur Vermeidung dessen wird vorgeschlagen, das Cash Pooling nicht mehr als „Kreditgewährung“ i. S. d. § 43a GmbHG, sondern als konzernweite (treuhänderische) Mittelverwaltung anzusehen, die von den Gesellschaftsorganen im Rahmen der allgemeinen Regeln zu verantworten sei (§§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG)276. Es ist nicht recht ersichtlich, worin der Vorteil einer solchen Handhabung im Vergleich zum Regierungsentwurf liegen soll. Wie gezeigt haften auch dort die Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2, 3 GmbHG für die Vollwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs der Gesellschaft i. S. d. § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. § 43a GmbHG scheint darüber hinaus m. E. auch nicht der richtige Ort für den Vermögensschutz der Gesellschaft zu sein, sei er bilanziell oder real konzipiert: § 43a S. 1 GmbHG wendet sich nicht etwa deshalb gegen die Kreditgewährung an bestimmte Personen, weil dadurch das Vermögen der Gesellschaft geschmälert würde. Dies ist nur ein Nebeneffekt; primär geht es darum, den Missbrauch der Machstellung der enumerierten Personen zu verhindern277. Geschäftsführer, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte sind nicht zwingend auch Gesellschafter. Sie könnten also versucht sein, kraft ihrer Vertretungsmacht für eigennützige Vermögensabflüsse zu sorgen, ohne das unternehmerische Risiko der Gesellschaft – auch nur teilweise oder beschränkt – zu tragen (moral hazard). So verstanden gehört § 43a GmbHG nicht zur Finanz-, sondern zur Organisationsverfassung der GmbH und trägt der kapitalgesellschaftsrechtlichen separation of ownership and control 278 Rechnung. Diese Wertungen sind auf Darlehensgewährungen an Gesellschafter nicht übertragbar, sodass ein Analogieschluss ausscheiden müsste. 274

Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1296); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1076). BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (74). 276 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1076). 277 Anders die (nicht unbestrittene) überwiegende Meinung, vgl. nur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 43a Rn. 1 m.w. N.: Verhinderung einer Gefährdung des Stammkapitals der GmbH durch Insolvenz des kreditnehmenden Geschäftsführers, Prokuristen etc. Siehe auch Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 43a Rn. 1. 278 Mit dieser Formel spielt man darauf an, dass aus der Trennung von Aktionären und Geschäftsleitungsorgan unterschiedliche Interessen beider Gruppen folgen; dazu eingehend Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 54 ff.; vgl. ferner Carl, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 1495. 275

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass das Cash Pooling in § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. eine sichere Grundlage gefunden hat. Der Vermögensschutz der GmbH setzt nunmehr weniger am Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern an, sondern an der Binnenhaftung der Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2, 3 GmbHG. (7) Liberalisierung auch für Altfälle durch das MPS-Urteil und Stellungnahme Unter dem Eindruck des am 1.11.2008 in Kraft getretenen MoMiG hat der II. Zivilsenat im Dezember 2008 die Grundsätze des Novemberurteils auch für Altfälle aufgegeben. Leistungen der Gesellschaft, die durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch gedeckt sind, stellen keine Einlagenrückgewähr i. S. d. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG und a fortiori kein Nachteil i. S. v. § 311 AktG dar. Über die Vollwertigkeit hinausgehende Anforderungen werden nicht gestellt279. Kompensierend gibt das MPS-Urteil den Verwaltungsorganen jedoch unter Androhung von Schadensersatzpflichten gem. §§ 93 Abs. 2, 116, 318 Abs. 2 AktG auf, die Vollwertigkeit laufend zu prüfen und bei einer Erhöhung des Kreditrisikos das Darlehen zu kündigen oder die Stellung von Sicherheiten zu verlangen280. Da § 30 Abs. 1 GmbHG Ausschüttungen schon im Grundsatz großzügiger erlaubt als § 57 Abs. 1 AktG281, muss im GmbH-Recht a fortiori dasselbe gelten und ein vollwertiger Gegenleistungsanspruch der GmbH eine verbotene Auszahlung dementsprechend ausschließen. Das MPS-Urteil ist zu begrüßen. Es fügt sich in die in Kapitel 2 herausgearbeitete, auf internationalen Entwicklungen beruhende Tendenz des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes ein, die zwingende und präventiv wirkende Verhaltens- und Finanzierungsgebote durch einzelfallbezogene ex-post-Beurteilungen ersetzt. Waren Gesellschafter und Verwaltungsorgane einstmals in ein enges Korsett komplexer Regulierung eingezwängt, sind sie heuer in ihren Finanzierungsentscheidungen wesentlich freier. Die Kehrseite davon sind die gestiegenen Sorgfaltsanforderungen: Hielten sich die Betroffenen im alten System an die gesetzlichen Vorgaben – was sie freilich oft genug überforderte282 –, waren sie vor Haftung gefeit283; nunmehr ist ihnen größere Verantwortung übertragen, was sich in einem gestiegenen Haftungsrisiko niederschlägt. 279 BGH v. 1.12. 2008 – II ZR 102/07 (MPS), DStR 2009, 234, Tz. 12; zur früheren Rechtslage im Aktienrecht Hüffer, AktG7, § 57 Rn. 3a f. 280 BGH v. 1.12. 2008 – II ZR 102/07 (MPS), DStR 2009, 234, Tz. 14. 281 Dazu supra Kapitel 3 – B. III. 1. 282 Vgl. dazu etwa Merkt, ZGR 2004, 305 (311). 283 Exemplarisch die Ansicht von Goette, supra Kapitel 2 – Fn. 516.

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b) Die Behandlung des LBO (1) Beschreibung eines LBO Unter einem LBO versteht man einen Unternehmenskauf, bei dem der Investor zur Kaufpreisfinanzierung möglichst wenig Eigenkapital und möglichst viel Fremdkapital einsetzt284. Dies gestattet dem Investoren unter bestimmten Voraussetzungen die Ausnutzung einer Hebelwirkung (leverage) zur Steigerung seiner Eigenkapitalrendite: Liegt die Gesamtkapitalrendite 285 der Investition über dem Zinssatz für das Fremdkapital, so steigt die Rendite auf das vom Investoren eingesetzte Eigenkapital mit steigendem Verschuldungsgrad286. Dies gilt freilich auch umgekehrt: Liegt die Rendite der übernommenen Unternehmensträgerin unterhalb des Zinssatzes für das Fremdkapital, so ist das eingesetzte Eigenkapital umso schneller aufgezehrt. Daher lassen sich die Fremdkapitalgeber umfangreiche Sicherheiten bestellen. Als Erwerber tritt beim LBO regelmäßig nicht der eigentliche Investor auf, sondern ein speziell für diesen Zweck gegründetes oder als Vorratsgesellschaft erworbenes Akquisitionsvehikel (Zweckgesellschaft)287. Dieses verfügt nach einem Share Deal 288 über kein nennenswertes, zur Gewährung von Sicherheiten einsetzbares eigenes Vermögen289. Daher muss das Übernahmeobjekt sein Vermögen zur Besicherung 284 Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 328c; Riegger, ZGR 2008, 233 (233 f.); Weiss, in: Hölters, Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs6, Teil III Rn. 153 ff. 285 Die Gesamtkapitalrendite speist sich hierbei aus dem Gewinn der Gesellschaft, der Hebung von stillen Reserven und dem cash flow, wobei letzterer noch durch Abschreibungen erhöht werden kann, die sich aus der steuerlichen Absetzbarkeit von Zinsbelastungen durch das Fremdkapital und ggf. aus einer Buchwertaufstockung ergeben. Zum Ganzen Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 328c, 329, zur Buchwertaufstockung Rn. 340 ff. 286 Nussbaum, Besicherung durch die Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buyout, S. 1. 287 Das Akquisitionsvehikel wird vom eigentlichen Investor mit äußerst wenig Eigenkapital ausgestattet. Es nimmt bei Dritten Fremdkapital auf. Die daraus resultierenden Darlehensverbindlichkeiten werden oft im Zuge der Übernahme auf das übernommene Unternehmen übertragen und aus dessen verfügbarem Gewinn, cash flow und Vermögen bedient, siehe dazu Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 328c. 288 Zur (nur auf der dinglichen Ebene relevanten) Abgrenzung von Share Deal (Anteilskauf; Erwerb der Geschäftsanteile an der Unternehmensträgerin) und Asset Deal (Erwerb der Wirtschaftsgüter im Wege der Singularsukzession gem. §§ 398, 873, 929 BGB unter Abtrennung der Wirtschaftsgüter vom bisherigen Unternehmensträger) vgl. Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 130 f., 827 ff., 833 ff. sowie K. Schmidt, HandelsR5, § 6 I 2. 289 In der Konstellation des Share Deal besteht das Vermögen des Akquisitionsvehikels nach dem Vollzug des Unternehmenskaufs in den Geschäftsanteilen der übernommenen Unternehmensträgerin. Diese Geschäftsanteile sind im Falle der Insolvenz des übernommenen Unternehmens für die Fremdkapitalgeber wertlos, weil auf sie nur dann etwas entfällt, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt sind (§ 199 InsO); dazu

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derjenigen Kredite bereitstellen, die das Akquisitionsvehikel bei den Fremdkapitalgebern aufgenommen hat290. (2) Alte Rechtslage Wenn das Übernahmeobjekt eine GmbH ist, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit dieser Transaktion mit der Auszahlungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG. Die Beurteilung analog § 43a GmbHG setzte sich nicht durch291. Es kommt also erstens darauf an, ob in der Sicherheitenbestellung durch die GmbH zugunsten des Fremdkapitalgebers eine Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG an das Akquisitionsvehikel liegt und zweitens darauf, ab wann und inwieweit dadurch gegen das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen wird. Im Einzelnen war hier vieles umstritten292. Nach allgemeiner Ansicht liegt in der Sicherheitenbestellung nicht nur eine Leistung des Übernahmeobjekts an die Fremdkapitalgeber, sondern zugleich auch (eine mittelbare) an das Akquisitionsvehikel als Gesellschafterin des Übernahmeobjekts293. Denn ohne die Sicherheiten hätte das Akquisitionsvehikel das Fremdkapital entweder gar nicht oder nur zu einem wesentlich höheren, das Ausfallrisiko abbildenden Zinssatz bekommen. Die Sicherheitenbestellung bringt dem Akquisitionsvehikel also einen wirtschaftlichen Vorteil, für den es keine Gegenleistung erbringt294. Aus diesem Gesichtspunkt allein kann jedoch keine Unwirksamkeit der Sicherheitenbestellung zum Schutz der Gesellschaft gefolgert werden295. Link, ZIP 2007, 1397 (1398). Beim Asset Deal hingegen gelangen die Wirtschaftsgüter des Unternehmens ins Eigentum des Akquisitionsvehikels und können zur Gewährung von Sicherheiten für die Fremdkapitalgeber eingesetzt werden. 290 Flesner, NZG 2006, 641 (645). Damit stellt sich eine LBO-Transaktion als überaus günstig für den Erwerber dar, denn er erhält das Übernahmeobjekt, ohne nennenswertes eigenes Kapital aufwenden zu müssen. 291 Dafür K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1c, 6b. 292 Dazu rechtsvergleichend Nussbaum, Besicherung durch die Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buyout, passim. Vgl. aus jüngerer Zeit Winter, DStR 2007, 1484 (1488). 293 Allgemeine Ansicht, vgl. nur BGH v. 20.9.1982 – II ZR 268/81, WM 1982, 1402; OLG München v. 19.6.1998 – 21 U 6130/97, NZG 1998, 855; KG v. 11.1.2000 – 14 U 7683/97, NZG 2000, 479; Nussbaum, Besicherung durch die Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buyout, S. 102 f. m.w. N.; K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1c und § 37 III 6; H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 30 Rn. 47. 294 H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 30 Rn. 47. 295 Eine Unwirksamkeit aus § 134 BGB wird abgelehnt, auch wenn die Sicherheitenbestellung zu einer Verletzung des § 30 Abs. 1 GmbHG führt; eine Unwirksamkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB wird nach allgemeinen Grundsätzen beurteilt, sodass sie sich bspw. dann ergeben kann, wenn Gesellschafter und Darlehensgeber kollusiv zum Schaden der Gesellschaft und ihrer Gläubiger zusammenwirken, BGH v. 20.9.1982 – II ZR 268/81, WM 1982, 1402; dazu Peltzer/Bell, ZIP 1993, 1757 (1757 f.).

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Höchst umstritten war demgegenüber, ob bzw. ab wann die Sicherheitenbestellung eine Unterbilanz herbeiführen konnte296. Ob es zur Verwertung der Sicherheit durch den Fremdkapitalgeber kommen wird, ist zunächst nämlich keineswegs sicher. Für sich allein begründet die Sicherheitenbestellung mithin nur eine potentielle Schmälerung des Gesellschaftsvermögens (Vermögensgefährdung)297. Andererseits kann die Gesellschaft das zur Besicherung der Gesellschafterschuld eingesetzte Vermögen nicht mehr ohne weiteres für die Besicherung eigenen Fremdkapitalbedarfs verwenden. Außerdem steht das Gesellschaftsvermögen – jedenfalls vorübergehend – dem Zugriff der Gesellschaftergläubiger offen, obwohl es im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zweckgebunden ist298. Eine großzügige Auffassung wollte die Diskussion um die Unterbilanz dadurch vermeiden, dass bereits beim Tatbestandsmerkmal der Auszahlung angesetzt werden sollte. Eine solche liegt nur vor, wenn die Gesellschaft für ihre Leistung an den Gesellschafter keine gleichwertige Gegenleistung erhält. Erhalte sie für die Sicherheitenbestellung also etwa eine bankübliche Avalprovision vom Gesellschafter, wie sie sie auch von einem gesellschaftsfremden Dritten für eine solche Leistung erhalten hätte, dann fehle es bereits an einer Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbhG299. Hauptsächlich wurde jedoch nicht um den Begriff der Auszahlung, sondern um den Zeitpunkt des Eintretens einer Unterbilanz gestritten. Manche sahen bereits in der schuldrechtlichen Verpflichtung der Gesellschaft zur Sicherheitenbestellung eine unzulässige Auszahlung300. Andere stellten auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit ab301. Der II. Zivilsenat hielt erst den Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheiten für maßgeblich302. Mehrheitlich nahm die Literatur dagegen an, es sei auf den Zeitpunkt der drohenden Inanspruchnahme aus der 296 Dazu Nussbaum, Besicherung durch die Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buyout, S. 104 ff. 297 K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1c. 298 Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 52; Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (357). 299 Nussbaum, Besicherung durch die Aktiva der Zielgesellschaft im Leveraged Buyout, S. 137 ff. 300 So Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (355 ff.), der danach differenziert, ob sich die Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter oder gegenüber dessen Gläubiger verpflichtet hat. Habe sie sich dem Gesellschafter gegenüber verpflichtet, dürfe die Sicherheit bei Unterbilanz erst gar nicht bestellt werden, denn dem stehe § 30 Abs. 1 GmbHG als von Amts wegen zu beachtende Einwendung entgegen. Habe sie sich dem Gesellschaftergläubiger gegenüber bei Unterbilanz verpflichtet, habe die Gesellschaft generell einen Anspruch aus § 31 GmbHG. Habe sie die Sicherheit bereits bestellt, gelte beides a fortiori. 301 Nachweise bei Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (355). 302 BGH v. 18.6.2007 – II ZR 86/06, BGHZ 173, 1, Tz. 25, 28; dazu Tillmann, NZG 2008, 401 (404).

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Sicherheit abzustellen303. Dies wurde mit einer bilanziellen Argumentation begründet: Gem. § 251 HGB müssen bestellte Sicherheiten grundsätzlich lediglich unterhalb der Bilanz der GmbH aufgeführt werden. Zu passivieren seien sie also erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Inanspruchnahme aus der Sicherheit drohe. Doch auch bei Zugrundelegung des letztgenannten Zeitpunkts konnte sich eine bilanzielle Neutralität des LBO ergeben, wenn der passivierten Sicherheit ein vollwertiger Freistellungs- oder Rückgriffsanspruch (originär etwa aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB, derivativ z. B. aus §§ 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1 BGB) gegen den Gesellschafter gegenüberstand. Es handelte sich nach dieser Ansicht dann um einen bloßen Aktiventausch304. Sogar dann, wenn wegen der drohenden Inanspruchnahme eine Rückstellung zu bilden war, aber gleichzeitig ein Rückgriffsanspruch fehlte, wurde teilweise ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG abgelehnt, weil die bloße Rückstellung keine Weggabe von Vermögen sei305. § 30 Abs. 1 GmbHG schütze indes nicht die Liquidität der Gesellschaft, sondern nur ihr bilanzielles Vermögen – und dieses auch nur gegen Weggabe306. Zusammenfassend wirkte sich der LBO nach überwiegender Ansicht im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG vor der drohenden Inanspruchnahme gar nicht aus, hernach bewirkte er – jedenfalls bei Vorliegen eines vollwertigen Rückgriffsanspruchs – keine Unterbilanz. Indem sich der II. Zivilsenat im Novemberurteil von der rein bilanziellen Betrachtung i. R. d. § 30 Abs. 1 GmbHG verabschiedete, bewirkte er zum einen eine Akzentverschiebung in dem eben geschilderten Streit: Es lag nun nahe, bereits den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit für maßgeblich zu halten, weil diese der Gesellschaft – und damit den Gesellschaftsgläubigern – lastenfreie Haftungsmasse entzog, sie im Gegenzug aber nur einen zeitlich hinausgeschobenen, schuldrechtlichen Regressanspruch erhielt307. Ein solches führte zu 303 So die bilanzielle Betrachtungsweise, OLG München v. 19.6.1998 – 21 U 6130/ 97, NZG 1998, 855, ebenda; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 30 Rn. 30 ff.; Peltzer/Bell, ZIP 1993, 1757 (1760 f.); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften4, § 37 Rn. 18. Die differenzierende Ansicht von H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 30 Rn. 31a beurteilt die Frage nach den jeweiligen Arten von Sicherheiten. Ablehnend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 30 Rn. 97 ff., der mit der tatsächlichen Wertminderung des Gesellschaftsvermögens infolge der Bestellung dinglicher Sicherheiten argumentiert, sowie Stimpel, Befreiung vom handelsbilanziellen Denken, in: FS GmbHG, S. 335 (354 ff.). 304 Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 334a. 305 Nachweis bei Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 53, Fn. 150 unter Bezugnahme auf die Vorauflage. 306 K. Schmidt, GesR4, § 37 III 1c. 307 So auch Habersack, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. II, § 30 Rn. 54; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 334a; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften4, § 37 Rn. 19; Winter, DStR 2007, 1484 (1488); a. A. Riegger, ZGR 2008, 233 (238), der annimmt, das Novemberurteil stehe dem LBO bei Vollwertigkeit des Freistellungs- oder Rückgriffsanspruchs nicht entgegen.

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einem vollstreckungs- und insolvenzrechtlich vorrangigen Zugriff der Gläubiger des Gesellschafters auf die Vermögenswerte der Gesellschaft, zum Nachteil der Gläubiger der Gesellschaft308. Zum anderen konnte das Akquisitionsvehikel regelmäßig nicht auf die durch den BGH obiter umrissene Ausnahme rekurrieren, weil die Kreditwürdigkeit des Akquisitionsvehikels gerade nicht außer Zweifel stand – andernfalls hätte es nicht der Sicherheitenbestellung durch die Zielgesellschaft bedurft309. Versuchte man sich mit Vertragskautelen zu behelfen, welche Ansprüche des Sicherungsnehmers ausschlossen, soweit dadurch das Stammkapital der Sicherungsgeberin angetastet werden würde, so lief man Gefahr, dass der Sicherungsnehmer eine solche begrenzte Sicherheit nicht ohne weiteres akzeptieren und eher von der Darlehensvergabe absehen würde310. Wäre die Zielgesellschaft vom Sicherungsnehmer in Anspruch genommen worden, hätte dies zum einen Ansprüche der Zielgesellschaft gegen das Akquisitionsvehikel gem. § 31 GmbHG ausgelöst311. Zum anderen hätten sich Gläubiger der Zielgesellschaft ggf. unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gegen das Akquisitionsvehikel und u. U. sogar gegen dessen Gesellschafter wenden können312 – die Existenzvernichtungshaftung war damals noch eine Druchgriffshaftung313. Zusammenfassend brachte das Novemberurteil für die LBO-Praxis nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich. (3) MoMiG: Keine sichere Grundlage für den LBO Das MoMiG bringt mit § 30 Abs. 1 GmbHG n. F. die Rückkehr zur bilanziellen Betrachtung. Daraus entnimmt man, dass nicht schon die Bestellung der Sicherheit zum Konflikt des LBO mit § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG n. F. führen kann, da diese gem. § 251 HGB nur einen Vermerk unter der Bilanz zur Folge hat. Erst im Zeitpunkt der drohenden Inanspruchnahme aus der bestellten Si308

Dazu BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 (76). Vgl. auch Peltzer/Bell, ZIP 1993, 1757 (1758). 310 Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf12, Rn. 334a. 311 Davon zu unterscheiden sind die Fragen, ob beim LBO ggf. auch der Verkäufer (dazu Link, ZIP 2007, 1397 ff.) und der Fremdkapitalgeber dem Übernahmeobjekt ersatzpflichtig sein können. 312 Dazu Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S 164 f.; ferner Diem, ZIP 2003, 1283 ff. sowie Schrell/Kirchner, BB 2003, 1451 ff. Auch in diesem Zusammenhang hatte die LBO-Praxis mit spezieller limitation language reagiert, die den Sicherungsnehmer verpflichtete, die Sicherheiten nur insoweit zu verwerten, als dadurch die wirtschaftliche Existenz des Übernahmeobjekts nicht zerstört werde. Ein solches mindert freilich den Wert der Sicherheit für den Sicherungsnehmer erheblich, vgl. Diem, ZIP 2003, 1283 (1289). 313 Zur neuen dogmatischen Grundlage der Existenzvernichtungshaftung BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 17. 309

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cherheit ist § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG n. F. relevant314. Dies entspricht der Meinung, die vor dem Novemberurteil überwog315. Gleichwohl hält sich auch die Ansicht, die Kreditsicherung zugunsten von Gesellschaftern sei gem. § 43a GmbHG zu beurteilen und dementsprechend verboten316. Folgt man der bilanziellen Betrachtungsweise des MoMiG, so kommt es im Zeitpunkt der drohenden Inanspruchnahme mithin darauf an, ob der Zielgesellschaft ein vollwertiger Regressanspruch gegen das Akquisitionsvehikel zusteht, der die Sicherheitenbestellung deckt, § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. Wie gezeigt, ist jedoch in der Konstruktion eines LBO die fehlende Kreditwürdigkeit des Akquisitionsvehikels angelegt. Es fehlt daher – wie auch der Regierungsentwurf betont317 – regelmäßig an der Vollwertigkeit, ohne dass sich der Sicherungsnehmer das entgegenhalten lassen müsste318. Somit kann die Ausnahmevorschrift des § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. nicht eingreifen. Und auch i. R. d. allgemeinen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG n. F. kommt es nach dem MPSUrteil auf die Vollwertigkeit an319. Unter dem Regime des § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. ist ein LBO mithin nur dann möglich, wenn der hinter dem Akquisitionsvehikel stehende Investor für die Vollwertigkeit des Rückgriffsanspruchs sorgt, etwa durch seinerseitige Stellung werthaltiger Sicherheiten. (4) Lösungsvorschläge Die Neuregelung des § 30 Abs. 1 GmbHG durch das MoMiG stellt der LBOPraxis im Gegensatz zum Cash Pooling keinen Freibrief aus. Folgende Lösungen können abhelfen: (1) Zunächst kommt in Betracht, dass die Kautelarpraxis bei der Konstruktion des LBO für die Vollwertigkeit des Regressanspruchs i. S. d. § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. Sorge trägt. Dies könnte u. U. dadurch geschehen, dass die vom Akquisitionsvehikel kreditweise aufgenommenen Mittel wirtschaftlich der Zielgesellschaft zukommen, bspw. indem der Verkäufer, der sie als Kaufpreis erhält, sie teilweise dem Übernahmeziel zinsgünstig für Investitionen überlässt. Der BGH hat angedeutet, in einem solchen Falle 314 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1295); tendenziell auch Winter, DStR 2007, 1484 (1488); noch großzügiger Tillmann, NZG 2008, 401 (404), der erst auf den Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit abstellt; vgl. auch BGH v. 18.6.2007 – II ZR 86/ 06, BGHZ 173, 1, Tz. 25. 315 Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1295) sprechen daher davon, das MoMiG drehe „die Zeit erheblich zurück“. 316 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1076), sub 4b; dies ist m. E. unzutreffend, dazu supra Kapitel 3 – B. III. 5. a) (6). 317 BT-Drucks. 16/6140, S. 99: „Ist der Gesellschafter z. B. eine mit geringen Mitteln ausgestattete Erwerbsgesellschaft [. . .], dürfte die Vollwertigkeit regelmäßig zu verneinen sein.“ 318 Riegger, ZGR 2008, 233 (238); Tillmann, NZG 2008, 401 (405); Winter, DStR 2007, 1484 (1488). 319 BGH v. 1.12. 2008 – II ZR 102/07 (MPS), DStR 2009, 234, Tz. 12.

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„dürfte es schon an einer Kapitalminderung im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG fehlen“ 320. (2) Daneben könnte dem oben skizzierten Weg über die Zahlung einer Avalprovision an das Übernahmeobjekt neue Aufmerksamkeit zuteil werden, weil es nach dieser Ansicht schon an einer Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG fehlt. Davon abgesehen behalten auch die zur alten Rechtslage entwickelten postakquisitorischen Umstrukturierungslösungen ihre Bedeutung. So kann (3) das Akquisitionsvehikel einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit der Zielgesellschaft abschließen321. Dann ist das Kapitalerhaltungsgebot gem. § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GmbHG n. F. durch das Regime der §§ 291 Abs. 3, 300 ff. AktG ersetzt. Ob das Akquisitionsvehikel insbesondere die Verlustübernahme gem. § 302 AktG und die Sicherheitsleistung gem. § 303 AktG zu bewältigen vermag, ist eine andere Frage. Des Weiteren kommt (4) ein debt push down in Frage322. Schließlich bietet sich auch (5) ein upstream merger von Akquisitionsvehikel und Übernahmeziel an323. c) Fazit und Relevanz des BilMoG für die Kapitalerhaltung Die Neuregelung des § 30 Abs. 1 GmbHG n. F. legt keinen übersteigerten Wert auf Liquiditätsschutz und kehrt – mit Ausnahme des Deckungsgebots i. S. d. § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. – zur bilanziellen Betrachtungsweise zurück, die vor dem Novemberurteil vorherrschte. Dadurch steigt die Bedeutung der Bilanzierungsprinzipien für die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG. Die HGB-Bilanz erlebte indes unlängst einen Paradigmenwechsel durch das BilMoG: Dieses übernimmt zahlreiche Elemente der internationalen Rechnungslegungsstandards, die nicht dem Gläubigerschutz, sondern der Kapitalmarktinformation verpflichtet sind. Wenn nun die Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG in verstärktem Maße vom Bilanzrecht abhängt, aber dieses – vorbehaltlich § 268 Abs. 8 HGB n. F. – in geringerem Maße dem Gläubigerschutz dient, ist damit letztlich auch § 30 Abs. 1 GmbHG entwertet. Gerade vor diesem Hintergrund sind in der Literatur die oben324 geschilderten Alternativvorschläge gemacht worden, wie 320

BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 (301). Dazu Riegger, ZGR 2008, 233 (243 ff.). 322 Dazu Tillmann, NZG 2008, 401 (405) m.w. N. in Fn. 61. 323 Beim upstream merger geht das gesamte Vermögen des Übernahmeziels qua Gesamtrechtsnachfolge auf das Akquisitionsvehikel über. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang zulässig, da das Umwandlungsgesetz dem Kapitalerhaltungsgebot als lex specialis vorgeht. Demgegenüber gehen beim downstream merger allein die Verbindlichkeiten des Akquisitionsvehikels auf das Übernahmeziel über; darin sieht die überwiegende Meinung einen Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG. Zum Ganzen Riegger, ZGR 2008, 233 (246 f.). 324 Siehe supra Kapitel 2 – C. III. 321

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Gläubigerschutz ohne Ansehung des Bilanzrechts hergestellt werden könnte. In Verbindung mit dem BilMoG wird das MoMiG die Rufe nach dem Solvenztest lauter werden lassen. Auf die liquiditätsschützende Funktion des Solvenztests wird im Verlauf der vorliegenden Untersuchung in anderem Zusammenhang zurückzukommen sein. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Existenzvernichtungshaftung entwickelt wurde, um die Schutzlücke der §§ 30 f. GmbHG a. F. zu schließen. Die Neuregelung vergrößert diese Schutzlücke, sodass mit einer weiteren Zunahme der Bedeutung der Existenzvernichtungshaftung zu rechnen ist. Dies zeigt erneut, dass das Absenken der Gesellschafterpflichten des Kapitalschutzmodells das Anwachsen der Bedeutung verhaltensbezogener Haftungsfiguren zur Folge hat. IV. Das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen als Instrument gegen die nominelle Unterkapitalisierung 1. Die Problematik des Fremdkapitals aus Gesellschafterhand Die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen ist problematisch gering325. Dies liegt u. a. daran, dass aus Sicht der Gesellschafter steuerliche und risikobedingte Anreize existieren, den Kapitalbedarf der Gesellschaft durch Gesellschafterfremdkapital zu decken326. Bspw. wird Fremdkapital verzinst und ist selbst in der Insolvenz der Gesellschaft nicht gänzlich verloren. Je geringer das Stammkapital, desto höher kann der Gewinnanspruch gem. § 29 GmbHG ausfallen, denn Auszahlungen haben gem. § 30 Abs. 1 GmbHG erst an der Stammkapitalziffer Halt zu machen327. Die Gesellschaftsfinanzierung durch Gesellschafterdarlehen wird u. U. auch als betriebswirtschaftlich sinnvoll angesehen328. Eine hohe Eigenkapitalquote hat den Nachteil, eine Gesellschaft als Übernahmeobjekt attraktiv zu machen329. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wun325 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b Rn. 2 m.w. N. in Fn. 2; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1a, 3a mit Beispielen aus der Rechtsprechung in Fn. 30. 326 K. Schmidt, GesR4, § 18 II 2b, II 4a sowie III 1b; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, S. 4; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 18 Rn. 1. Dass die Fremdfinanzierung insbesondere bei hoher Ertragskraft des Unternehmens vorzugswürdig sein kann, konzediert auch BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (330). 327 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b Rn. 2. 328 Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, S. 1 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 18 Rn. 1; vgl. ferner Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1a, der auf die Möglichkeit der Erhöhung der Eigenkapitalrendite hinweist. 329 Um das Unternehmen gegen Übernahmeversuche zu schützen, kündigte der Vorstandsvorsitzende der E.ON AG, Wulf Bernotat, im Jahr 2007 an, die Verschuldungsquote zu erhöhen, Financial Times Deutschland vom 24.9.2007, S. 1.

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der, dass die Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen schon früh die gesetzlich vorgesehene, jedoch entsprechende Kautelen im Gesellschaftsvertrag voraussetzende Finanzierung durch Nachschüsse gem. §§ 26 ff. GmbHG verdrängt hatte330. Die Fremdkapitalzufuhr durch die Gesellschafter birgt Gefahren für die Gesellschaft selbst und damit für ihre Gläubiger. Sie eröffnet den Gesellschaftern nämlich eine Risikosteuerung bis hin zur Risikoverlagerung auf die Gläubiger331. Im Insolvenzfall stehen sie rechtlich genauso wie andere Gläubiger, ggf. sogar dinglich gesichert; faktisch aber stehen sie aufgrund ihres Informationsvorsprungs als Insider332 deutlich besser als andere Gläubiger. Der Anreiz, die Insolvenz abzuwenden, ist dann nicht besonders ausgeprägt und die Insolvenzmasse wird zulasten der anderen Gläubiger um die Beträge geschmälert, welche die Gesellschafter in ihrer Doppelrolle als gleichberechtigte schuldvertragliche Gläubiger fordern, geradeso, als seien sie unbeteiligte Dritte333. Die Problematik der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen hängt eng damit zusammen, dass gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, das Stammkapital dem Kapitalbedarf der Gesellschaft anzupassen334. Stattdessen ist nur die Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals vor den Genuss des kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsprivilegs gestellt, sodass der Unterkapitalisierung kein Riegel vorgeschoben ist335. Dieses strukturelle Problem des Kapitalschutzmodells wurde daher lange Zeit mit Sonderregeln für die bloß schuldrechtliche Ausstattung einer Gesellschaft mit den notwendigen Betriebsmitteln kuriert.

330 Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (424). Nachschüsse gem. §§ 26 ff. GmbHG führen zur Erhöhung des Stammkapitals. Während der Diskussion in der Akademie für Deutsches Recht anlässlich der nie verwirklichten GmbH-Reform von 1939 argumentierte der spätere EWG-Kommissionspräsident Walter Hallstein, es sei nur konsequent, Gesellschafterdarlehen wie Nachschüsse zu behandeln, immerhin seien sie in der Praxis an die Stelle des Nachschusskapitals getreten; Hallstein, in: Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933–1945 – Protokolle des Ausschusses für G.m.b.H.-Recht, S. 249 f. 331 Vgl. Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (676). 332 Tilgungsleistungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen können den Charakter eines Insiderdelikts haben, vgl. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1655); eingehend Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 51 ff., E 57 f. 333 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3a. 334 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (268). 335 Zum Zusammenhang zwischen Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung als Fundament des Eigenkapitalersatzrechts grundlegend Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 ff. Das Eigenkapitalersatzrecht ist damit die Frucht des Mindeststammkapitals.

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2. Wesenszüge des Eigenkapitalersatzrechts a) Entwicklung der Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG (1) Position des Reichsgerichts Bereits das Reichsgericht trat der übermäßigen Gesellschafterfremdfinanzierung entgegen. Zunächst wurde eine Außenhaftung des Gesellschafters wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB erwogen336. Später erachtete das RG die Unterkapitalisierung einer GmbH als missbräuchlich, wenn ihr Kapitalbedarf in Höhe von 150.000 Reichsmark durch das gesetzliche Mindeststammkapital von 20.000 Reichsmark und Gesellschafterdarlehen in Höhe von 130.000 Reichsmark gedeckt wurde. Daraus resultierte die Unzulässigkeit der Darlehensrückzahlung an den Gesellschafter337. (2) Position des Bundesgerichtshofs Daran anknüpfend entschied der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 1959, dass ein Gesellschafterdarlehen, das zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit der GmbH gewährt worden war, schon aus bilanziellen Gründen wie haftendes Kapital behandelt werden müsse, und dass der Gesellschafter empfangene Darlehenstilgungsleistungen analog § 31 Abs. 1 GmbHG zurückzuerstatten habe, denn das Gesellschaftsvermögen diene der Bedienung von echten Fremdforderungen. Der Gesellschafter handele widersprüchlich (§ 242 BGB), wenn er das Darlehen zurückerhalte, bevor die GmbH wieder zahlungsfähig und das Stammkapital wieder aufgefüllt sei338. Um zu verhindern, dass die Gesellschafter in der Krise ihrer GmbH das mit der Fortführung derselben verbundene finanzielle Risiko einseitig auf die Gläubiger abwälzten, wurden Gesellschafterdarlehen materiell gesehen nicht als Fremd-, sondern als Eigenkapital behandelt, soweit die Darlehensvaluta verlorenes Stammkapital abdeckte339. Die Rechtsprechung setzte sich über die privat336 RG v. 22.10.1938 – II 58/38, RGZ 158, 302 (310), wo es eine AG & Co. KG betreffend heißt, eine Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aus § 826 BGB sei nicht ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft nur zu dem Zweck gegründet worden sei, die „Haftungsgefahr der Gründer auf die Höhe des offensichtlich völlig unzureichenden Aktienkapitals zu beschränken“. Letztlich wurde aber im konkreten Fall dadurch Abhilfe geschaffen, dass die exzessiven Gesellschafterdarlehen „als das behandelt [wurden], was sie in Wirklichkeit [waren], nämlich Gesellschaftereinlagen“; dazu K. Schmidt, AG 1984, 12 (13 f.). 337 RG v. 13.1.1941 – II 88/40, RGZ 166, 51 (57). Zur Entwicklung der Rspr des RG siehe K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b Rn. 15. 338 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (268 ff., 272). 339 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (335); ferner Hommelhoff/ Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (430). Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital kann auch auf

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autonome Formwahl des Gesellschafters hinweg, wenn dies durch die objektiven Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung geboten war340. An die Beachtung derselben sei der Gesellschafter gebunden, weil er in seiner Position als Gesellschafter eine Finanzierungsfolgenverantwortung übernommen habe: Das „ob“ der Finanzierung stehe ihm frei, das „wie“ hingegen nicht341. Daraus leitete man ab, die Gesellschaft müsse ordnungsgemäß liquidiert werden oder es müsse ihr Eigenkapital zugeführt werden, damit die Krise der Gesellschaft nicht zulasten der Gläubiger verschleppt werde342. Dementsprechend sprach man von eigenkapitalersetzenden Darlehen343. Das Vorliegen einer Krise der Gesellschaft wurde angenommen, wenn das Gesellschafterdarlehen in einer Situation gewährt worden war, in der ein ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte. Das war für jedes Darlehen gesondert zu prüfen und jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Kapitalzufuhr zur Abwendung der Konkursreife erfolgte oder wenn die Gesellschaft ihre Kreditwürdigkeit zu marktüblichen Konditionen bei Dritten eingebüßt hatte344. Weitere Indizien waren der Verlust der Hälfte des Stammkapitals (vgl. § 49 Abs. 3 GmbHG) und die Unfähigkeit der Gesellschaft zur Begleichung fälliger Verbindlichkeiten in erheblichem Umfange345. In der Rechtsfolge durfte die Gesellschaft keine Tilgungsleistungen auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen erbringen, die eine Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft hätten, § 30 Abs. 1 GmbHG a. F. analog346. Bereits geleistete Zins- und Rückzahlungen mussten darüber hinaus analog § 31 Abs. 1 GmbHG bis zur Höhe des verlorenen Stammkapitals zurückerstattet werden. Rangrücktrittsklauseln im jeweiligen Darlehensvertrag oder auf Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag beruhen, K. Schmidt, GesR4, § 18 III 2, 3. 340 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3a. Ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen, mit welchen man die Behandlung von Fremd- als Eigenkapital zu begründen versucht hat, K. Schmidt, GesR4, § 18 III 4b. 341 Die plastische Unterscheidung zwischen „ob“ und „wie“ der Finanzierung stammt von Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbHRecht, in: FS GmbHG, S. 421 (430). 342 BGH v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (336 f.). Später anknüpfend an den Tatbestand des § 32a Abs. 1 GmbHG BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344). 343 Steuer- und bilanzrechtlich werden eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen jedoch als Kredite behandelt, BGH v. 6.12.1993 – II ZR 102/93, BGHZ 124, 282. 344 Zur fehlenden Kreditwürdigkeit BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (329 ff.); zur Abwendung der Konkursreife vgl. auch BGH v. 16.10.1989 – II ZR 307/88 (Lagergrundstück), BGHZ 109, 55 (59 f.); vgl. ferner Hüffer, GesR6, § 33, S. 313 f. 345 Dieser Zustand ist von demjenigen der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit gem. §§ 17 f. InsO abzugrenzen. Eingehend zum Ganzen Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG16, §§ 32a/b, Rn. 19–33; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b, Rn. 38 ff. 346 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (332).

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b) Die Novellenregeln von 1980 Nach vergeblichen Anläufen in der 1930er347 und 1970er348 Jahren nahm sich der Gesetzgeber mit der GmbH-Novelle von 1980 der Problematik an. Sie brachte die sog. Novellenregeln, die sich im Wesentlichen in §§ 32a, 32b GmbHG a. F. sowie den damaligen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Rangrücktritt) sowie §§ 135 InsO, 6 AnfG (Anfechtung) fanden349. Der insolvenzrechtliche Ansatz der Novellenregeln verstrickte Gesellschafterdarlehen vollumfänglich und nicht nur im Hinblick auf den Schutz der Stammkapitalziffer. Dadurch, dass die gesamte Forderung gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig befriedigt und gem. §§ 174 Abs. 3 S. 1 InsO nicht ohne Weiteres zur Insolvenztabelle angemeldet werden konnte350, wurde die Insolvenzmasse regelmäßig nicht durch Abflüsse an die Gesellschafter geschmälert, sondern stand zur Gänze für die Befriedigung der echten Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung. Ferner konnte es durch den Rückgewähranspruch gem. §§ 143 Abs. 1, 135 InsO a. F. (bzw. § 11 AnfG bei Anfechtungen nach § 6 AnfG außerhalb des Insolvenzverfahrens) zur Massevergrößerung kommen. c) Fortführung der Rechtsprechungsregeln nach der GmbH-Novelle Als die GmbH-Novelle in Kraft trat, hatten die Rechtsprechungsregeln bereits einen den Novellenregeln mindestens ebenbürtigen, teils überlegenen Stand erreicht351. Die Novelle wollte die bisherigen Rechtsprechungsregeln abbilden und ablösen. Das gelang jedoch in zwei entscheidenden Punkten nicht: Erstens war der Gläubigerschutz durch die Novellenregeln ein bloß reaktiver: Er griff ausweislich des Wortlauts von § 32a Abs. 1 GmbHG a. F. erst ein, wenn es zur Insolvenz gekommen war. Außerhalb der Insolvenz gab es also für den Abzug von Gesellschafterdarlehen keine Einschränkung, sieht man von § 6 AnfG einmal ab. Demgegenüber stellten die Rechtsprechungsregeln ein bereits 347 Zur Reform von 1939 und der vorausgehenden Diskussion in der Akademie für Deutsches Recht eingehend Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (424 ff.). 348 Auch die gescheiterte große GmbH-Reform der 1970er wollte die Gesellschafterdarlehen detailliert regeln; dazu Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (665). 349 Dazu allgemein Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 38 Rn. 9 ff.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b, Rn. 15; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3. Die insolvenzrechtlichen Regeln wurden in die damalige KO aufgenommen, die 1994 durch die InsO abgelöst wurde. 350 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 38 Rn. 8. 351 So K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b, Rn. 15. Die Entwicklung der BGH-Rechtsprechung zeichnet Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (466 ff.) im Einzelnen nach.

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in der Krise der Gesellschaft eingreifendes Kontrollinstrument dar352. Dies zeigte sich etwa darin, dass der Geschäftsführer nach den Rechtsprechungsregeln die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen gem. § 30 Abs. 1 GmbHG verweigern musste; nach den Novellenregeln hingegen musste er sie zurückzahlen und damit eine anfechtbare Handlung bewirken353. Zweitens waren die Rückgewähransprüche der Gesellschaft aus §§ 143, 135 InsO a. F. und § 32b S. 1 GmbHG a. F. an knappe Fristen geknüpft: Hatte die Gesellschaft die Darlehensforderung des Gesellschafters befriedigt und kam es hernach zur Insolvenz, so konnte sich ein Anspruch nur dann ergeben, wenn die Befriedigung im letzten Jahr vor dem Insolvenzeröffnungsantrag oder zeitlich nach diesem Antrag erfolgt war. Im Gegensatz dazu hatte die Rechtsprechung die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs bislang analog § 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG während fünf Jahren ermöglicht354. Angesichts dieser teils gravierenden Abweichung nimmt es in der Retrospektive nicht Wunder, dass der Bundesgerichtshof die Lücken im ausschließlich insolvenzrechtlichen Konzept der GmbH-Novelle in seiner Nutzfahrzeug-Entscheidung mit der Zustimmung des fast ungeteilten Schrifttums durch die Fortführung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechungsregeln schloss355. Diese waren auf die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG gestützt – eine Fortführung hätte also eine planwidrige Regelungslücke im GmbHG verlangt356. Der Gesetzgeber hatte freilich in der jüngst in Kraft getretenen GmbH-Novelle für bestimmte Fälle keine Vorsorge getroffen. Darin sei jedoch kein beredtes Schweigen und damit keine abschließende Regelung zu sehen, urteilte der II. Zivilsenat, vielmehr weise die GmbH-Novelle wesentliche Lücken auf und habe jedenfalls nicht hinter den Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung zurückgehen wollen. Zur Erreichung des Gesetzeszwecks, die Gesellschaftsgläubiger besser zu schützen, sei daher die Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln unerlässlich357. 352 Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (428 f.); ausführlich Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (489 f.). 353 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84 (Nutzfahrzeug), BGHZ 90, 370 (379). 354 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 32a Rn. 96. 355 Grundlegend BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84 (Nutzfahrzeug), BGHZ 90, 370. Seibert, ZIP 2006, 1157 (1160) nennt dies den „Aufstand der Makulatur gegen das Gesetz“. 356 Zur Methodik des Analogieschlusses Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 191 ff., 202 ff. 357 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84 (Nutzfahrzeug), BGHZ 90, 370 (380). Der Senat erwähnt dort, dass der Sachverständige Raiser bei seiner Anhörung im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen hatte, die Novelle erfasse nicht alle regelungsbedürftigen Tatbestände. Der Senat bescheinigte den Verfassern des Regierungsentwurfs darüber hinaus, ihre Vorstellungen in Bezug auf die umfassende und ausreichende Regelung der eigenkapitalersetzenden Darlehen seien „unzutreffend“, a. a. O.

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d) Komplexes Nebeneinander zweier Regelungssysteme Nach der Nutzfahrzeug-Entscheidung bestand das Eigenkapitalersatzrecht aus zwei parallelen Systemen von Regeln358, was einer gewissen Redundanz nicht entbehrte und die Rechtslage verkomplizierte359. Diese wurde dadurch weiter verkompliziert, dass die Rechtsprechung von der Entsprechensklausel des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. großzügigen Gebrauch machte. Nicht nur die Gewährung von Gesellschafterdarlehen konnte die Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzrechts auslösen, sondern auch das „Stehenlassen“, d.h. die Nichtgeltendmachung eines noch unter wirtschaftlich gesunden Verhältnissen gegebenen Gesellschafterdarlehens360. Im Jahre 2006 erstreckte der Bundesgerichtshof das Eigenkapitalersatzrecht auch auf kurzfristige Überbrückungskredite, wenn diese die Drei-Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG a. F. überschritten und Insolvenzreife gegeben war361. Nicht nur Darlehen, sondern auch Sachleistungen in Form von Nutzungsüberlassungen wurden qua § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. dem Eigenkapitalersatzrecht unterworfen. Der Gesellschafter musste analog § 31 Abs. 1 GmbHG erhaltenen Mietzins, dessen Auszahlung eine Unterbilanz herbeiführte oder vertiefte, zurückzahlen. Offene Mietzinsforderungen waren nachrangig. Der Insolvenzverwalter war ferner berechtigt, das Nutzungsrecht an der Sache für den vertraglich vereinbarten bzw. einen angemessenen Zeitraum zu verwerten, bspw. durch Vermietung an Dritte und Verwendung des Erlöses zur Gläubigerbefriedigung362. Der Weiternutzung bspw. der Geschäftsräume lag der sinnvolle Gedanke der Betriebsfortführung zugrunde. Die gravierenden Rechtsfolgen der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung veranlassten Kritiker jedoch, von einer „Beschlagnahme“ des von der Gesellschaft genutzten Privatvermögens des Gesellschafters zu sprechen363. Angesichts der großen Reichweite des Eigenkapitalersatzrechts wurde es begrüßt, dass der II. Zivilsenat das zu den Novellenregeln gehörende Zwerganteilsprivileg gem. § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a. F. auch auf die Rechtsprechungsregeln erstreckte364, ebenso wie kurz darauf das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F.365. 358 Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (432 f.). 359 Haas, ZInsO 2007, 617, ebenda, spricht insoweit von „beträchtliche[n] Komplikationen“. 360 Grundlegend BGH v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337); im Einzelnen Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 32a Rn. 191 f., 193 ff. 361 BGH v. 17.07.2006 – II ZR 106/05, NZG 2007, 30. 362 St Rspr seit BGH v. 16.10.1989 – II ZR 307/88 (Lagergrundstück), BGHZ 109, 55; zu den Rechtsfolgen siehe Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (434 ff.). 363 Meilicke, GmbHR 2007, 225 (226).

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3. Blick in andere Rechtsordnungen und Reformbestrebungen Überprüft man die anderen Rechtsordnungen Europas, so erscheint das Eigenkapitalersatzrecht deutscher Prägung als singulär. Großbritannien, die Niederlande und Frankreich kennen keinerlei vergleichbare Regeln366. Lediglich Österreich kennt mit dem EKEG ein veritables Eigenkapitalersatzrecht 367. Das deutsche Eigenkapitalersatzrecht ist inzwischen derart fein ziseliert, dass die Kritik daran fundamental ausfällt: Es sei „abschreckend kompliziert, teuer und damit zur Belastung für das ganze System geworden.“ 368 An anderer Stelle wird es eine „Überzüchtung“ 369 genannt. Es überfordere den durchschnittlichen GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer völlig370. Manche treten für die Abschaffung des gesamten Eigenkapitalersatzrechts ein371. Auch der II. Zivilsenat konzedierte, eine Neugestaltung des Eigenkapitalersatzrechts biete sich im Interesse „größerer Rechtssicherheit und einfacherer Handhabbarkeit der Eigenkapitalgrundsätze“ an372. Das MoMiG griff diese Anregung auf373: Im Anschluss an eine Grundlagenarbeit von Huber und Habersack374 wurde das Recht der Gesellschafterdarlehen weitgehend dereguliert. 4. Beschlüsse des 66. DJT Der 66. Deutsche Juristentag sprach sich fast einstimmig dafür aus, das Eigenkapitalersatzrecht in die InsO zu verlagern375. Ferner sollte das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F. ausgebaut376 und die Nutzungsüberlassung aus dem Anwendungsbereich der Gesellschafterhaftung ausgenommen werden377. 364

BGH v. 11.7.2005 – II ZR 285/03, NZG 2005, 845. BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, BGHZ 165, 106. 366 Vgl. Wachter, Synoptischer Überblick über die GmbH und EU-Rechtsformalternativen, S. 78 f., abzurufen unter http://www.gmbhr.de/pdf/synopse_gmbh_eu.pdf (zuletzt eingesehen am 12.3.2008). 367 Vgl. Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5 f.). 368 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1160). 369 Merkt, ZGR 2004, 305 (311). Vgl. zur Fundamentalkritik am Eigenkapitalersatzrecht ferner Haas, ZInsO 2007, 617 (618) m.w. N. in Fn. 23. 370 Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161). 371 Siehe nur Meilicke, GmbHR 2007, 225 ff. 372 BGH v. 30.1.2006 – II ZR 357/03, NZG 2006, 263 (264), Tz. 8. 373 BT-Drucks. 16/6140, S. 100. 374 Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff. 375 Beschluss Nr. 17 der wirtschaftsrechtliche Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 23. 376 Beschluss Nr. 19 der wirtschaftsrechtliche Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 23. 377 Beschluss Nr. 22 der wirtschaftsrechtliche Abteilung, in: Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentags, S. 24. 365

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5. Deregulierung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG a) Fortgeltung der Novellen- und Rechtsprechungsregeln für Altfälle Vorweggeschickt sei, dass die Novellen- und Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen für Altfälle fortgelten. Zeitliches Abgrenzungskriterium für die Novellenregeln ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens378. Nur dann, wenn dieser Zeitpunkt nach dem 1.11.2008 liegt, gilt die neue Rechtslage. Für die Rechtsprechungsregeln kommt es auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses aus §§ 30, 31 GmbHG a. F. analog an379. b) Abschaffung der Novellenregeln und Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz Durch das MoMiG werden die Novellenregeln endgültig aus dem GmbHG gestrichen380 und in veränderter Form sowie rechtsformneutral – also auch die AG erfassend381 – ins Insolvenzrecht verlagert382. Die Anordnung des Rangrücktritts von Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, findet sich in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F.383. Die Sonderregeln der GmbH-Novelle für gesellschafterbesicherte Fremddarlehen (§§ 32a Abs. 2, 32b GmbHG a. F.) übernimmt das MoMiG in §§ 44a, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO n. F.384. Die Insolvenzanfechtung bleibt in § 135 Abs. 1 InsO

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BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 (Gut Buschow), NZG 2009, 422, Tz. 16. BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 (Gut Buschow), NZG 2009, 422, Tz. 17 ff.; vgl. auch OLG Köln v. 11.12.2008 – 18 U 138/07 (nicht rechtskräftig), NZI 2009, 128. 380 Art. 1 Nr. 22 MoMiG. 381 Hinsichtlich des Aktienrechts ist zu beachten, dass bislang das eine Finanzierungsverantwortung begründende unternehmerische Interesse eines Aktionärs grundsätzlich erst ab einer Beteiligung von 25 Prozent am Grundkapital angenommen wurde, siehe etwa Hüffer, AktG7, § 57 Rn. 18. In der nunmehrigen rechtsformneutralen Regelung gilt indes nur noch das Zwergbeteiligungsprivileg gem. § 39 Abs. 5 InsO n. F., sodass Aktionäre ab einer Beteiligung von 10 Prozent des Grundkapitals in den Anwendungsbereich der neuen Regeln fallen; auch diesbezüglich ist eine erhebliche Ausweitung der Vorschriften über Gesellschafterdarlehen zu konstatieren. 382 Zur Rechtsformneutralität vgl. insb. Art. 9 Nr. 5 lit. b MoMiG, betreffend § 39 Abs. 4 InsO n. F. 383 Art. 9 Nr. 5 lit. a MoMiG. 384 Art. 9 Nr. 6, 8, 9 MoMiG. Kritisch Hölzle, GmbHR 2007, 729 (733), der darauf hinweist, dass die in § 135 Abs. 2 InsO-E bezogenen Darlehen „im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5“ InsO n. F. gerade keine Drittmittel, sondern Gesellschafterdarlehen seien; die Bezugnahme sei daher redaktionell missglückt. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren korrigiert. 379

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n. F.385; außerhalb des Insolvenzverfahrens besteht die Anfechtungsmöglichkeit in §§ 6, 6a, 11 Abs. 3 AnfG n. F.386. Tatbestandlich wird nunmehr an die Insolvenzeröffnung angeknüpft, nicht mehr bereits an die Antastung des Stammkapitals. Damit hat sich der rein insolvenzrechtliche Ansatz der GmbH-Novelle von 1980 durchgesetzt, über den sich der II. Zivilsenat durch die Fortführung seiner auf präventiven Schutz der Gesellschaft und damit auf mittelbaren Gläubigerschutz setzenden Rechtsprechungsregeln hinweggesetzt hatte387. Auf die Qualifizierung eines Darlehens als eigenkapitalersetzend wird verzichtet. Nunmehr gelten für alle Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Forderungen dieselben insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen388. Darin ist eine erhebliche Erleichterung für die Praxis zu sehen, da es vielfach Schwierigkeiten bereitete, den Begriff der Krise der Gesellschaft für jedes Gesellschafterdarlehen zu ermitteln389. Die Figur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens ist damit Rechtsgeschichte. c) Abschaffung der Rechtsprechungsregeln Die fortgesetzte Anwendung der Rechtsprechungsregeln wird ausdrücklich untersagt, §§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F., 57 Abs. 1 S. 4 AktG n. F.390. Auch diesbezüglich ist von einem Nichtanwendungserlass gesprochen worden391. Die Rechtsprechungsregeln hätten ggf. durch die Einführung der mindeststammkapitalfreien UG ohnehin an Bedeutung verloren, da sie bekanntlich an die Stammkapitalziffer anknüpften (§ 30 Abs. 1 GmbHG a. F. analog)392. Weil das MoMiG die Behandlung von Gesellschafterdarlehen aus dem Gesellschaftsrecht herauslöst, wurde es erforderlich, den Insolvenzverwalter in der Gerichtsstandsregelung des § 22 ZPO n. F.393 eigens zu erwähnen394.

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Art. 9 Nr. 8 MoMiG. Art. 11 Nr. 1, 3 MoMiG 387 Dazu bereits supra Kapitel 3 – B. IV. 2. c). 388 Vgl. insbesondere den neuen Wortlaut in Art. 9 Nr. 5 lit. a MoMiG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F. 389 Röhricht, ZIP 2005, 505 (512 f.); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077): „Beendigung eines Übermaßes an kostenträchtigen Prozessen“. 390 Art. 1 Nr. 20, Art. 5 Nr. 5 MoMiG. 391 BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 (Gut Buschow), NZG 2009, 422, Tz. 14; ferner Hölzle, GmbHR 2007, 729 (732). 392 BDI/HengelerMueller, GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 32, Tz. 86. 393 Art. 8 Nr. 1 MoMiG. 394 Hirte, WM 2008, 1429 ff.; Kindler, NJW 2008, 3249 (3255); Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208 (1212). 386

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

d) Kodifizierung der „eigenkapitalersetzenden“ Nutzungsüberlassung (1) RegE: Rechtstechnisch nicht gelungene Abschaffung Nach Ansicht des Regierungsentwurfs hätte das MoMiG (RegE) die Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung im Interesse der Gesellschafter abgeschafft395. Daran bestanden jedoch Zweifel: Zum einen erinnerte in tatbestandlicher Hinsicht die Entsprechensklausel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO-E („Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“) nicht zufällig an § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. („Rechtshandlungen eines Gesellschafters [. . .], die der Darlehensgewährung [. . .] wirtschaftlich entsprechen“), worin stets die Grundlage der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung erblickt worden war. Darüber hinaus waren auch die Rechtsfolgen der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung ohne weiteres mit den Vorschriften des RegE konstruierbar: Mietzins, den der Gesellschafter erhalten hatte, konnte schon bislang wahlweise über § 31 GmbHG analog oder über die Insolvenzanfechtung gem. §§ 143, 135 Nr. 2 InsO a. F. zurückgefordert werden. An der letzteren Möglichkeit hatte sich durch den RegE nichts geändert396. Ferner wäre die Rückgewähr des zur Nutzung überlassenen Gegenstands an den Gesellschafter gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO-E anfechtbar gewesen. Daher hätte der Insolvenzverwalter die Herausgabe des Gegenstands (§§ 47 S. 1 InsO, 985 BGB) mit der Einrede der Anfechtbarkeit verweigern können. Man stützte dies auf den Gedanken des § 146 Abs. 2 InsO397. Dasselbe Ergebnis ließ sich auch über § 242 BGB begründen, da der Gesellschafter den zurückerhaltenen Gegenstand der Insolvenzmasse alsbald wieder qua §§ 143, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO n. F. hätte überlassen müsste (dolo agit qui petit quod statim redditurus est398). Nach anderer Begründung wäre das Nutzungsrecht nach dem RegE deshalb in den Händen des Insolvenzverwalters geblieben, weil der Gesellschafter den Nutzungsüberlassungsvertrag nicht kündigen konnte: Da etwa Mietzinsansprüche gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F. nachrangig gewesen wären, hätten sie in der Insolvenz nicht bedient zu werden gebraucht. Dann wäre es aber auch nicht zum Zahlungsverzug gekommen, sodass regelmäßig kein (außerordentlicher) Kündigungsgrund vorgelegen hätte399. 395 BT-Drucks. 16/6140, S. 137. Dazu K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (9 f.), der hierin ein „Rechtsrückbildungsgebot“ sieht. 396 Insoweit zustimmend Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150) und Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1659). 397 Zum Ganzen eingehend Haas, ZInsO 2007, 617 (622 f.); a. A. Habersack, ZIP 2007, 2145 (2150) und K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (9); ferner Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1659), die die dogmatische Grundlage der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung allein in den – abgeschafften – Rechtsprechungsregeln sehen wollen. 398 Zu dieser Einrede Heinrichs, in: Palandt67, § 242 Rn. 52.

B. Die Reform des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG

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Es war somit klar, dass die Probleme der Nutzungsüberlassung durch den RegE keineswegs im Sinne der Bundesregierung gelöst worden waren. Vielmehr war davon auszugehen, dass das Nutzungsrecht an dem überlassenen Gegenstand auch weiterhin der Insolvenzmasse zugestanden hätte. Da das MoMiG die Qualifikation einer Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend nicht mehr verlangt, sondern alle Gesellschafterleistungen in der Insolvenz pauschal gleich behandelt, drohte sogar eine erhebliche Ausweitung (!) der Rechtsprechung zur Nutzungsüberlassung. Ohne entsprechende gesetzliche Klarstellung im Sinne eines weiteren Nichtanwendungserlasses wäre es entgegen der Einschätzung des Regierungsentwurfs400 nicht gelungen, den Mittelstand diesbezüglich zu entlasten. (2) MoMiG: Gesellschafterfreundliche Kodifizierung Das Gesetz gewordene MoMiG hat dies berücksichtigt, sich aber im Interesse der Betriebsfortführung401 nicht für einen weiteren Nichtanwendungserlass entschieden. Es regelt die „eigenkapitalersetzende“ 402 Nutzungsüberlassung nunmehr rechtsformneutral in § 135 Abs. 3 InsO n. F.403 neu und im Vergleich zur bisherigen Rechtslage404 gesellschafterfreundlich405. Nach der neuen Rechtslage kann der Insolvenzverwalter dem Aussonderungsanspruch des Gesellschafters für die Dauer des Insolvenzverfahrens, maximal aber für ein Jahr ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Einrede entgegenhalten, wenn der überlassene Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Bezüglich dieses Erfordernisses wird im Schrifttum für eine extensive Auslegung eingetreten406. Anders als bisher steht dem Gesellschafter ein Ausgleich zu. Dieser bemisst sich nach dem Durchschnitt der im letzten Jahr vor der Insolvenzeröffnung von der Gesellschaft tatsächlich geleisteten Vergütung; dies gilt auch dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter in diesem Zeitraum jegliche Vergütung eingestellt hatte. Der Ausgleich ist vorrangig aus der Masse zu zahlen. Er soll nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung aber dann nicht zu zahlen sein, wenn die im Zeitraum vor der Insol399

Hölzle, GmbHR 2007, 729 (735). Irrig insoweit BT-Drucks. 16/6140, S. 137: „Eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung [. . .] ist vor diesem Hintergrund nicht geboten.“ 401 BT-Drucks. 16/9737, S. 106. 402 Da es auf die Qualifizierung als eigenkapitalersetzend nach der Gleichstellung aller Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich gleichstehender Handlungen nach dem MoMiG gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F. nicht mehr ankommt, kann strenggenommen nicht mehr von eigenkapitalersetzender Nutzungsüberlassung gesprochen werden. 403 Art. 9 Nr. 8 MoMiG. 404 Dazu supra Kapitel 3 – B. IV. 2. d). 405 Zum Ganzen eingehend K. Schmidt, DB 2008, 1727 ff. 406 Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (848). 400

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

venzeröffnung geleisteten Entgeltzahlungen gem. § 135 Abs. 1 InsO n. F. angefochten und zurückgefordert werden könnten und es daher zum Konflikt zwischen Abs. 1 und Abs. 3 des § 135 InsO n. F. komme407; vorzugswürdig ist dagegen m. E., der insoweit spezielleren Regelung der Nutzungsüberlassung gem. § 135 Abs. 3 InsO n. F. nach der allgemeinen Methodik den Vorrang einzuräumen. Außerhalb des Insolvenzverfahrens gibt es keine vergleichbare Regelung, etwa im AnfG. Das liegt daran, dass eine Betriebsfortführung im Fall einer masselosen Insolvenz ohnehin regelmäßig ausscheidet408. § 135 Abs. 3 InsO n. F. kann umgangen werden, indem der überlassene Gegenstand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf gem. §§ 135 Abs. 4, 39 Abs. 4 und 5 InsO n. F. Privilegierte übertragen wird409. e) Stellungnahme Der Regierungsentwurf verspricht sich von der Neuregelung eine erhebliche Vereinfachung der Rechtslage. Diese sei nunmehr auf die gesunde GmbH gemünzt410. Das Schrifttum hat dem im Wesentlichen zugestimmt411. Die Neuregelung bringt indes auch eine Schlechterstellung des vielzitierten412 mittelständischen GmbH-Gesellschafters. Darauf soll nachfolgend eingegangen werden. (1) Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Rangrücktritt und Insolvenzanfechtung Die undifferenzierte Anwendung der Neuregelung auf sämtliche Gesellschafterdarlehen steht im klaren Widerspruch zur bisherigen Haltung der Rechtsprechung. Diese war davon ausgegangen, dass das mit der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Haftkapital verbundene Hinwegsetzen über die Formenwahl des Gesellschafters und die daraus folgende generelle Schlechterstellung des Gesellschafters gegenüber außenstehenden Gläubigern einer Rechtfertigung bedürfe. Diese könne allein in der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters in der Krise seiner GmbH erblickt werden: Nur die das Finanzierungsrisiko auf die Gläubiger verlagernde Fortführung der in der Krise be407

Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (848). Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (848). 409 Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (848). 410 BT-Drucks. 16/6140, S. 101, 138. 411 Zu den Stellungnahmen siehe im Einzelnen die Nachweise bei Habersack, ZIP 2007, 2145 (2146), Fn. 8. 412 Bezüglich der Abschaffung der §§ 32a, 32b GmbHG a. F. etwa BT-Drucks. 16/ 6140, S. 101. 408

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findlichen Gesellschaft mit Darlehen anstatt mit Eigenkapital löse die besonderen Rechtsfolgen aus. Ansonsten sei die Fremdkapitalzufuhr durch Gesellschafter legitim, denn das Gesetz kenne keine Nachschusspflicht (§ 707 BGB sowie e contrario § 26 Abs. 1 GmbHG)413. Dem widerspricht die Neuregelung eindeutig. Daraus wird teilweise abgeleitet, dass dem Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung der dogmatische Boden entzogen worden sei414. Dies darf indes nicht dazu führen, dass den Gesellschaftern überhaupt keine Finanzierungsverantwortung mehr obliegt; hierauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit zurückzukommen sein415. Jedenfalls stellt die Neuregelung eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Regeln über Gesellschafterdarlehen dar und ist folglich insofern strenger als die frühere Rechtslage416. Letztlich kommt in ihr ein Missbrauchsvorwurf gegen Gesellschafterdarlehen zum Ausdruck. In der Literatur heißt es deshalb, dass die Rechtsfigur des zwingend auszureichenden Finanzplankredits, die ja mit § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. nichts zu tun hat, auch nach dem MoMiG fortbestehe417. (2) Ende des präventiven Gläubigerschutzes im Vorfeld der Insolvenz Die Verlagerung des in Rede stehenden Rechtsinstituts ins Insolvenzrecht und die Abschaffung des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung bedeuten, dass das gläubigerschützende Kontrollinstrument der analogen Anwendung der §§ 31, 30 GmbHG in der Krise der Gesellschaft, mithin im Vorfeld der Insolvenz nicht mehr eingreifen kann. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. schließt dies explizit aus. Das MoMiG will dieses Defizit dadurch ausgleichen, dass die Insolvenzanfechtung den Erstattungsanspruch analog § 31 GmbHG ersetzt und § 64 S. 3 GmbHG n. F. als Auszahlungssperre an die Stelle von § 30 Abs. 1 GmbHG a. F. analog tritt. Es verblieben dann nach umstrittener Ansicht keine Schutzlücken418. 413 Gegen die pauschale Gleichbehandlung aller Gesellschafterdarlehen wandte sich explizit BGH v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (336 f.). Zur Neuregelung kritisch K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1931 ff.). 414 Dazu Habersack, ZIP 2007, 2145 (2147). 415 Vgl. dazu infra Kapitel 4 – C. III. 1. a) (2). 416 Hirte, WM 2008, 1429 ff.; a. A. Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657) und Habersack, ZIP 2007, 2145 (2146), der dies mit der schon bislang den Anwendungsbereich ausdehnenden Figur des Stehenlassens von Gesellschafterdarlehen gem. § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. begründet. Differenzierend Heckschen, DStR 2007, 1442 (1448). 417 Buschmann, NZG 2009, 91 (92) m.w. N. 418 So etwa Haas, ZInsO 2007, 617 (619); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161); dagegen aber mit Nachdruck K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (7 f.).

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Dazu ist jedoch zu sagen, dass jedenfalls die Insolvenzanfechtung gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO n. F. an eine wesentlich kürzere Frist gekoppelt ist als der Erstattungsanspruch nach den Rechtsprechungsregeln, § 31 Abs. 5 GmbHG analog. Im Schrifttum wird daher befürchtet, dass Gesellschafter versucht sein könnten, sich der drohenden Insolvenzanfechtung durch Verschleppung der Insolvenz um ein Jahr zu entziehen419. Das Fehlen eines insolvenzpräventiven Schutzes und die kurze Frist der Insolvenzanfechtung reduzieren in der Summe das Gläubigerschutzniveau. Ferner kann die neue Binnenhaftung des Geschäftsführers gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. die Auszahlungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG a. F. analog nicht adäquat ersetzen. Sie macht den Gläubigerschutz nämlich von der Sorgfaltswidrigkeit und im Ergebnis von der Bonität des Geschäftsführers abhängig. Demgegenüber hafteten über die Rechtsprechungsregeln analog § 31 Abs. 3 GmbHG subsidiär auch die übrigen Gesellschafter420. Die Zugriffsmasse war damit größer und somit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Auszahlung effektiv an die Gesellschaft zurückfloss. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen in insolvenzpräventiver Weise eine höhere Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft fingierten, indem sie sich über die Rechtsformwahl des Gesellschafters hinwegsetzten und Fremd- als Eigenkapital behandelten. Sie halfen damit, eines der strukturellen Defizite des Mindeststammkapitals zu beheben. Berücksichtigt man ferner, dass das Mindeststammkapital durch § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. an Bedeutung verloren hat und in Zukunft wohl weiter verlieren wird, verschärft die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln die Unterkapitalisierungsproblematik. Darauf wird im weitere Verlauf der Arbeit zurückzukommen sein421. (3) Einfluss der Neuregelung auf die Insolvenzanfälligkeit Ein positiver Aspekt der Abschaffung der Rechtsprechungsregeln durch § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. könnte darin liegen, dass die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter nunmehr im Stadium vor der Insolvenz größer ist als zuvor. Sie könnten daher eher geneigt sein, ihrer Gesellschaft auch in der Krise Fremdkapital zuzuführen, um die Krise zu beheben. Ein solches könnte die Insolvenzanfälligkeit verringern422.

419

Hölzle, GmbHR 2007, 729 (733). Dazu Hölzle, GmbHR 2007, 729 (734). 421 Ein Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik wird im 4. Kapitel entwickelt. 422 Vgl. dazu aber andererseits auch infra Kapitel 4 – A. IV. 1. 420

C. Die Reform der sonstigen gläubigerschützenden Rechtsfiguren

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C. Die Reform der sonstigen gläubigerschützenden Rechtsfiguren I. Risikoverlagerung auf den Geschäftsführer Durchgängiges Merkmal des MoMiG ist die verstärkte Inanspruchnahme des Geschäftsführers. Abweichend vom ursprünglichen Konzept des GmbHG verzichtet das MoMiG auf präventive Kontrolle der GmbH durch das Registergericht und kompensiert dies durch stärkere Kontrollpflichten des Geschäftsführers mit entsprechendem Haftungsrisiko. Der Staat zieht sich mithin aus seiner Eingangsverantwortung zurück und bürdet sie dem Geschäftsführer auf. Die Richtung, die der deutsche Gesetzgeber damit vorgibt, betrifft auch die Mitglieder der Unternehmensleitung einer in Deutschland ansässigen EPG, da Art. 51 Abs. 5 i.V. m. Art. 4 des Vorschlags für eine Verordnung über das Statut der EPG diesbezüglich auf das nationale Recht verweist. 1. Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 15a InsO-E Seit langem ist anerkannt, dass die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers gem. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 S. 1 BGB darstellt423. Verzögert der Geschäftsführer die Beantragung der Insolvenzeröffnung schuldhaft, so haftet er den Neugläubigern der Gesellschaft im Außenverhältnis auf den Kontrahierungsschaden und den Altgläubigern auf den Quotenschaden, zu leisten in die Insolvenzmasse424. Das MoMiG ändert nichts an diesem Grundsatz. Die Insolvenzantragspflicht wird lediglich ins Insolvenzrecht transferiert (§ 15a Abs. 1 InsO n. F.425). Die

423 H.M. seit BGH v. 16.12.1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100; vgl. im Übrigen nur Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 64 Rn. 61. Die Stellung eines Insolvenzantrags durch einen Gläubiger lässt die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Insolvenzeröffnung nicht entfallen, da Gläubiger den Insolvenzantrag gem. § 13 Abs. 2 InsO zurücknehmen können, BGH v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, BGHSt 53, 24, Tz. 21 ff., 25. 424 Wegweisend BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181; im Einzelnen vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 64 Rn. 62, 68, 69 ff. Zur prozessualen Stellung der Neugläubiger, deren Ansprüche der Insolvenzverwalter nicht geltend machen darf, kritisch K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6) und ders., GmbHR 2007, 1072 (1078). Nach der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung verjähren die Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. nach den §§ 195, 199 BGB, so überzeugend OLG Saarbrücken v. 6.5.2008 – 4 U 484/07, NZG 2008, 638 (639 f.). 425 Art. 9 Nr. 3 MoMiG; gegen die Verlagerung K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077): Da es um die Sanktionierung der „Fortführung des Unternehmens trotz manifesten Gläubigerrisikos“ gehe, sei die Verortung der Regelung im Gesellschaftsrecht zutreffend gewesen.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

neue systematische Stellung der Regelung soll ein Argument zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten liefern. Darauf wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zurückzukommen sein. Hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht hat das MoMiG im Übrigen klargestellt, dass Gesellschafterverbindlichkeiten i. R. d. Eröffnungsgrunds der Überschuldung nur dann nicht als Verbindlichkeit zu passivieren sind, wenn ein Rangrücktritt vereinbart wurde, § 19 Abs. 2 InsO n. F.426. 2. Die neue „Insolvenzverursachungshaftung“ im Innenverhältnis a) Alte Rechtslage: Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife Gem. § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a. F.427 haftete der Geschäftsführer der Gesellschaft für Zahlungen, die er nach der Insolvenzreife vorgenommen hatte, sofern diese Auszahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar waren. Dies sollte die Schmälerung der Insolvenzmasse nach Eintritt der Insolvenzreife verhindern428. Keine Verantwortung traf den Geschäftsführer aber in Bezug auf den Eintritt der Insolvenzreife selbst. b) MoMiG: Haftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. für Verursachung der Zahlungsunfähigkeit Diese Rechtslage wird nunmehr erheblich verschärft: In §§ 64 S. 3 GmbHG n. F., 92 Abs. 2 S. 3 AktG n. F.429 findet sich ein gänzlich neuer Haftungstatbestand für diesen Fall. Der Geschäftsführer haftet nunmehr auch für Zahlungen an die Gesellschafter, die zum Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (§ 17 InsO) geführt haben, es sei denn, diese Folgen waren bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar. Unter Zahlungen sollen all diejenigen Leistungen gefasst werden, die der Gesellschaft im Ergebnis Liquidität entziehen430. Die Bezeichnung als „Insolvenzverursachungshaftung“ 431 ist nicht ganz korrekt, da in § 64 S. 3 GmbHG n. F. im Gegensatz zu § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. 426

Art. 9 Nr. 4 MoMiG; dazu Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (847). Nunmehr § 64 S. 1 GmbHG n. F. 428 Zum Ganzen im Überblick Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 64 Rn. 74 ff. 429 Art. 1 Nr. 43 lit. b, Art. 5 Nr. 11 lit. b MoMiG. 430 Der Regierungsentwurf will einen Gleichlauf mit dem Begriff der Zahlungen im Sinne des § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a. F., BT-Drucks. 16/6140, S. 112. Zu § 64 Abs. 2 S. 1 GmbHG a. F. siehe etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 64 Rn. 80. 427

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nur der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO aufgenommen wurde. In § 64 S. 3 GmbHG n. F. verbirgt sich ein Novum im gesetzlichen Gläubigerschutzkonzept der GmbH: Bisher knüpfte das Kapitalschutzmodell an die Stammkapitalziffer an. Vor der Insolvenzreife konnte bis zur Stammkapitalziffer folgenlos ausgezahlt werden, § 30 Abs. 1 GmbHG a. F. Demgegenüber kann § 64 S. 3 GmbHG n. F. eine Binnenhaftung des Geschäftsführers auch für solche Zahlungen auslösen, die das Stammkapital unangetastet lassen432. Damit stößt die neue Vorschrift in dieselbe Lücke wie die Existenzvernichtungshaftung433, mit der die Rechtsprechung die durch Röhricht434 herausgearbeitete Schutzlücke der §§ 30 f. GmbHG schließt. Das MoMiG dehnt also einen Teil der hinter der Existenzvernichtungshaftung stehenden Rechtsgedanken auf den Geschäftsführer aus435. c) Kritik am Haftungstatbestand des § 64 S. 3 GmbHG n. F. Auch wenn es grundsätzlich zu begrüßen ist, dass § 64 S. 3 GmbHG n. F. den internationalen Trend nachvollzieht und sich vom Kapitalschutzmodell löst, indem größeres Gewicht auf die Liquiditätssituation der Gesellschaft gelegt wird (§ 17 InsO), mehrt sich die Kritik an der neuen Vorschrift. (1) Zahlungen an Dritte Zunächst einmal fällt auf, dass allein die Auszahlung an Gesellschafter die Haftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. auslöst. Treibt der Geschäftsführer die GmbH hingegen durch Zahlungen an Dritte in die Insolvenz, ist dies durch die Regelung nicht erfasst436. (2) Einführung des Solvenztests „durch die Hintertür“ Eine weitere Unstimmigkeit folgt daraus, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Auszahlungsverbots des § 30 Abs. 1 GmbHG die Rückkehr zur rein bilanziellen Betrachtung angeordnet hat, obgleich in der Literatur der Übergang zu einem flexibleren, am cash flow orientierten Ansatz (Solvenztest) befürwortet 431

K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6); vgl. auch Poertzgen, NZI 2007, 15, ebenda. Kindler, NJW 2008, 3249 (3255). 433 Dazu im Einzelnen infra Kapitel 4 – C. III. 2. b) (2). 434 Grundlegend Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 (93 f.). 435 So auch BT-Drucks. 16/6140, S. 112. 436 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5). 432

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

worden war437. Im Rahmen des neugeschaffenen § 64 S. 3 GmbHG n. F. folgt der Regierungsentwurf jedoch den tragenden Gedanken des Solvenztests438. Da § 64 S. 3 GmbHG n. F. auch als Auszahlungssperre gesehen werden kann, befürchten manche eine Überlagerung des § 30 Abs. 1 GmbHG n. F. mit den Wertungen des Solvenztests, weil sich der Geschäftsführer bei Auszahlungen nicht mehr allein an der Bilanz orientieren darf439. Er ist nunmehr letztlich für die Liquidität der Gesellschaft verantwortlich. (3) Sanierungsfeindlichkeit des § 64 S. 3 GmbHG n. F. Der neue § 64 S. 3 GmbHG n. F. gerät in Widerspruch zu § 15a Abs. 1 InsO n. F.: Dort findet sich die Drei-Wochen-Frist des § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG a. F. wieder, die dem Geschäftsführer einen Zeitraum für außergerichtliche Sanierungsversuche nach Eintritt der materiellen Insolvenz zur Verfügung stellt. Derlei Sanierungsversuche setzen die volle Handlungsfähigkeit des Geschäftsführers voraus. Diese wird aber durch die im selben Zeitraum drohende Haftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. unterminiert. Daher wurde § 64 S. 3 GmbHG n. F. als sanierungsfeindlich bezeichnet440. (4) Keine Schadensersatzhaftung trotz Verschuldenselements Die Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG n. F. setzt ein Verschulden des Geschäftsführers voraus. Dieses wird ausweislich der Formulierung „es sei denn“ vermutet; dem Geschäftsführer bleibt der Entlastungsbeweis freilich unbenommen. Um diesbezüglich vorzusorgen, muss er vor jeder Auszahlung Rat von Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern einholen oder zumindest einen Liquiditätsplan erstellen441. Inkonsistent ist wiederum, dass trotz des Verschuldenselements nicht etwa der entstandene Schaden zu ersetzen ist, sondern die konkrete Auszahlung zurückerstattet werden muss. Das ist im Rahmen der Geschäftsführerhaftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG anders442. Der aus der Zahlungsunfähigkeit resultierende 437 Zur Diskussion um den Solvenztest supra Kapitel 3 – B. III. 2. b); zur Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise i. R. d. § 30 Abs. 1 GmbHG n. F. supra Kapitel 3 – B. III. 5. a) (4). 438 BT-Drucks. 16/6140, S. 112. Angesichts der Komplexität des unscharfen Insolvenzeröffnungsgrunds der Zahlungsunfähigkeit ist bei entsprechenden Prognosen eine erhebliche Rechtsunsicherheit programmiert, vgl. Poertzgen, NZI 2007, 15 (15 f.). Dazu auch Hölzle, GmbHR 2007, 729 (730 f.); K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (5 f.). 439 Hölzle, GmbHR 2007, 729 (732). 440 Poertzgen, NZI 2007, 15 (16). 441 Vgl. Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731). 442 K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6 f.), der deshalb dafür plädiert, auf § 43 Abs. 2 GmbHG als Anspruchsgrundlage für die Insolvenzverursachungshaftung zurückzugrei-

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Insolvenzschaden ist indes regelmäßig sehr viel größer als der tatsächlich ausgezahlte Betrag. Deshalb wird befürchtet, dass der Geschäftsführer zusätzlich gem. § 43 Abs. 2 GmbHG auf den Schaden in Anspruch genommen werden wird443. (5) Taugliches Instrument gegen Ausplünderungsfälle? Nach der Begründung des Regierungsentwurfs ist die Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. auf „klare Ausplünderungsfälle“ gemünzt, darunter diejenigen der Unternehmenskäufe, bei denen die Investoren die Gesellschaft ausplünderten oder dadurch in die Insolvenz trieben, dass sie ihr in überzogener Weise die wirtschaftliche Belastung für die Kaufpreiszahlung aufbürdeten444. Gemeint sind damit offenbar die Unternehmenskäufe im Wege des LBO. Jedoch agieren die Investoren dabei regelmäßig nicht als Geschäftsführer, sodass § 64 S. 3 GmbHG n. F. nicht die Wurzel des – angeblichen – Problems angeht. (6) Benachteiligung des Geschäftsführers im Vergleich zu den Gesellschaftern Wie auch am Beispiel des LBO deutlich wird, ist der Geschäftsführer nicht der richtige Haftungsadressat, wenn die Gesellschafter von ihrer Beherrschungsmacht zum Nachteil der Gesellschaft Gebrauch machen. Immerhin erkennt auch der Regierungsentwurf, dass der Geschäftsführer an Weisungen der Gesellschafter gebunden sein kann445. Davon abgesehen kann ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis bestehen, welches es abwegig erscheinen lässt, dass der Geschäftsführer Auszahlungen an die Gesellschafter verweigert. Dennoch soll er durch § 64 S. 3 GmbHG n. F. in die Haftung genommen werden. Hinzukommt, dass die Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Schädigungen der Gesellschaft seit der Trihotel-Entscheidung des II. Zivilsenats in § 826 BGB verortet wird446. Die Gesellschafter sind also nur im Falle der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung haftbar, wohingegen die in dieselbe Richtung zielende Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers tatbestandlich sehr viel weniger begrenzt ist447. Die Formulierung des § 64 S. 3 fen; § 64 S. 3 GmbHG n. F. sei nur ein „Signal“, als Anspruchsgrundlage hingegen „dubios“. 443 Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731). 444 So Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167). 445 BT-Drucks. 16/6140, S. 113. 446 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246. 447 Zu diesen Unterschieden kritisch K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1079): „drakonisch“; ähnlich Poertzgen, NZI 2007, 15 (16). Habersack, ZGR 2008, 533 (558) zieht daraus den Schluss, dass i. R. d. Existenzvernichtungshaftung zukünftig Fahrlässigkeit genügen soll.

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

GmbHG n. F. legt sogar nahe, dass die Auszahlung durch den Geschäftsführer für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht einmal unmittelbar kausal gewesen sein muss448. Daher ist zu prognostizieren, dass die Inanspruchnahme des Geschäftsführers aus § 64 S. 3 GmbHG n. F. Eingang in das Standardrepertoire der Insolvenzverwalter finden wird. Es handelt sich hierbei um eine gezielte Benachteiligung des Geschäftsführers; dem Gesetzgeber war bekannt, dass der Geschäftsführer in Ausplünderungsfällen seit der Trihotel-Entscheidung gem. §§ 826, 830 BGB nach denselben Grundsätzen wie die Gesellschafter haftet. (7) Anreiz zur gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung Dass sich der Anspruch nicht gegen den Empfänger der Zahlung richtet, verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die Gesellschaft die Auszahlung tatsächlich zurückerhält. Soll sichergestellt werden, dass der Geschäftsführer die ausgezahlte Summe ersetzen kann, liegt eine entsprechende D&O-Versicherung nahe449. Auf eine solche werden Geschäftsführer angesichts der geschilderten Haftungsrisiken auch bestehen. Die diesbezüglichen Prämien würden jedoch letztlich häufig aus dem Gesellschaftsvermögen aufgebracht. Nur durch restriktive Interpretation des § 64 S. 3 GmbHG n. F. kann ein solch widersinniges Ergebnis vermieden werden. 3. Haftungsbewehrte Überwachung der Werthaltigkeit von Gegenleistungsansprüchen der Gesellschaft i. R. d. §§ 43 Abs. 2, 3 S. 1, 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. Gem. § 43 Abs. 2, 3 S. 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer im Innenverhältnis, wenn er schuldhaft Auszahlungen vornimmt, die gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Wie oben ausgeführt, steht die Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise im Rahmen des § 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. unter dem Vorbehalt der Vollwertigkeit des Gegenleistungsanspruchs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter. Entfällt die Vollwertigkeit nachträglich, weil der Auszahlungsempfänger seiner Bonität verlustig gegangen ist, macht dies die Auszahlung zwar nicht nachträglich unzulässig. Jedoch kann sich der Geschäftsführer gem. § 43 Abs. 2 GmbHG haftbar machen, wenn er eine mögliche Kündigung versäumt, ein Darlehen an den Gesellschafter stillschweigend verlängert oder nicht auf die Bestellung von Sicherheiten besteht. Bei Dauerschuldverhältnissen obliegt dem Geschäftsführer zudem eine allgemeine Beobachtungspflicht450. 448 Hölzle, GmbHR 2007, 729 (731); a. A. Kindler, NJW 2008, 3249 (3255), der die Ursächlichkeit für erforderlich hält. 449 Vgl. Hölzle, GmbHR 2007, 729 (732). 450 Zum Ganzen Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 (1295).

C. Die Reform der sonstigen gläubigerschützenden Rechtsfiguren

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4. Fazit Das größere Haftungsrisiko des Geschäftsführers in Bezug auf § 64 S. 3 GmbHG n. F. sowie §§ 43 Abs. 2, 3, 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. ist der Preis, den das MoMiG für die Deregulierung der Kapitalerhaltung verlangt. Aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger bedeutet der Ausbau der Binnenhaftung des Geschäftsführers eine weitere Mediatisierung des Gläubigerschutzes: Da die Neuregelung der Ausschüttungssperre des § 30 Abs. 1 GmbHG n. F. in Verbindung mit den Lockerungen des Bilanzrechts größere Vermögensabflüsse an die Gesellschafter ermöglicht, sind die Gläubiger darauf angewiesen, dass im Haftungsfall ausreichende Liquidität aus dem Vermögen des Geschäftsführers an die Gesellschaft zurückfließt. II. Die Inanspruchnahme der Gesellschafter zum Zwecke des Gläubigerschutzes 1. „Firmenbestattungen“ zur Umgehung gläubigerschützender Regelungen a) Typische Praktiken der „wilden“ Liquidation Effektiver Gläubigerschutz verlangt auch, dass die Gesellschaft als Schuldnerin stets greifbar bleibt, bzw. dass im widrigen Fall wenigstens eine (Durchgriffs-)Haftung des Geschäftsführers oder der Gesellschafter Platz greift. In der Vergangenheit waren diesbezüglich Missstände virulent geworden: Sog. „Firmenbestatter“ bewarben öffentlich ihre – formal legale – Hilfestellung bei der „stillen“ bzw. „wilden“ Liquidation führerloser GmbHs451. Dabei wurde auf verschiedenem Wege erreicht, dass die Gesellschaft für ihre Gläubiger nicht mehr greifbar war: Die Geschäftsvorgänge wurden unzureichend dokumentiert bzw. entsprechende Dokumente wurden „verloren“ oder in ausländische Niederlassungen ausgelagert452; der Geschäftsführer wurde entlastet und abberufen, ohne dass ein neuer bestellt worden wäre, sodass gegenüber der GmbH keine Rechtshandlungen mehr vorgenommen werden konnten, bis das AG analog § 29 BGB einen Notgeschäftsführer bestellt hatte; der noch amtierende Geschäftsführer beantragte seine Löschung aus dem Handelsregister selbst – ohne Geschäftsführer lief u. a. auch die Insolvenzantragspflicht gem. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. 451 Haas, GmbHR 2006, 729 (735 f.); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1164) m.w. N.; vgl. ferner DIE ZEIT vom 24.05.2007, S. 23 ff.: „Die Bestatter – Sie sind schlimmer als Heuschrecken: Wie sich dubiose Unternehmenskäufer an Not leidenden Firmen bereichern“. 452 In der Literatur wurde in diesem Zusammenhang eine Intransparenzhaftung des Geschäftsführers gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 41 Abs. 1 GmbHG diskutiert; dazu Haas, GmbHR 2006, 729 (730).

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

leer; die Gesellschaft wurde verschmolzen oder von einem mittellosen Neugesellschafter übernommen; die Firma der Gesellschaft wurde geringfügig geändert und ihr Sitz an einen entlegenen Ort verlegt, sodass Fragen der örtlichen Zuständigkeit streitig und Zustellungen faktisch vereitelt wurden453. Da das Betreiben der Zwangsvollstreckung gem. §§ 750, 704, 794 ZPO einen entsprechenden Titel gegen den Schuldner voraussetzt, scheiterten die Gesellschaftsgläubiger in praxi an Anspruchsverfolgungs- und Zustellungshindernissen. b) Gegenmaßnahmen des MoMiG Das MoMiG löst die Problematik der „Firmenbestattung“ vornehmlich durch Änderungen im Bereich der Zustellung: Bei der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister muss der Geschäftsführer eine zustellungsfähige inländische Geschäftsanschrift angeben, § 8 Abs. 4 GmbHG n. F.454. Diese wird gem. § 10 Abs. 1 GmbHG n. F.455 ins Handelsregister eingetragen, ebenso wie die freiwillig anzumeldende Anschrift einer empfangsberechtigten456 Person, § 10 Abs. 2 HS 1 GmbHG n. F. Ändert sich die inländische Geschäftsanschrift, so ist der Geschäftsführer gem. §§ 12, 31 Abs. 1 HGB n. F.457 verpflichtet, die Änderung elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Für Alt-GmbHs, die bei Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 bereits eingetragen waren, gilt dies nur dann, wenn dem Registergericht entgegen der nach früherem Recht allein maßgeblichen Vorschrift des § 24 Abs. 2 HRV eine entsprechende Anschrift nicht bereits vor dem 1.11.2008 mitgeteilt wurde oder sich die Anschrift mittlerweile geändert hat458. Diese Anmeldepflicht ist nach den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EGGmbHG n. F.459 zu erfüllen. Bei Nichtbeachtung kann es gem. Art. 3 Abs. 1 S. 3 EGGmbHG dazu kommen, dass die dem Registergericht bislang bekannte Anschrift ab dem 31.10.2009 als inländische Geschäftsanschrift gem. §§ 8 Abs. 4, 10 GmbHG n. F. gilt, sofern sie nach § 9 Abs. 1 HGB online abrufbar ist; dies kann die öffentliche Zustellung an eine falsche Adresse zur Folge haben460. 453 Zum Ganzen Haas, GmbHR 2006, 729 (732 ff.); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1164). 454 Art. 1 Nr. 9 lit. d MoMiG. 455 Art. 1 Nr. 13 MoMiG. 456 § 10 Abs. 2 HS 2 GmbHG n. F. schützt den guten Glauben an die Empfangsberechtigung der angemeldeten Person. Diese Regelung ist § 15 HGB nachgebildet; dazu Seibert, ZIP 2006, 1157 (1165). 457 Art. 3 Nr. 8 MoMiG. 458 OLG München v. 28.1.2009 – 31 Wx 005/09, NZG 2009, 304; zu den Folgen für die Praxis Wicke, NZG 2009, 296 f. 459 Art. 2 MoMiG. 460 Wicke, NZG 2009, 296 (297).

C. Die Reform der sonstigen gläubigerschützenden Rechtsfiguren

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Ist unter der inländischen Geschäftsanschrift i. S. d. § 8 Abs. 4 GmbHG n. F. und der Anschrift der empfangsberechtigten Person i. S. d. § 10 Abs. 2 GmbHG n. F. eine Zustellung nicht möglich, so erlaubt § 15a S. 1 HGB n. F.461 bei juristischen Personen subsidiär die öffentliche Zustellung von privatrechtlichen Willenserklärungen; § 185 Nr. 2 ZPO n. F.462 erlaubt die öffentliche zivilprozessrechtliche Zustellung, falls die Gesellschaft einen gesetzlichen Vertreter hat, § 170 Abs. 1 ZPO. Dies steht jeweils unter dem Vorbehalt, dass dem die Zustellung Betreibenden keine andere inländische Anschrift ohne Ermittlungen positiv bekannt ist463. Von der Zustellung abgesehen begegnet das MoMiG den Missbrauchsfällen auch dadurch, dass die Geschäftsführerbestellung gem. § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F.464 erheblich erweiterten Inhabilitätsregeln unterliegt. Die Gesellschafter, die schuldhaft eine Person bestellen, die unter die Inhabilitätsregeln fällt, haften der Gesellschaft für den daraus entstehenden Schaden gem. § 6 Abs. 5 GmbHG n. F.465 2. „Subsidiäre Selbstorganschaft“ im Fall der Führerlosigkeit der GmbH Zur Bekämpfung von Missbräuchen nimmt das MoMiG auch die Gesellschafter in die Pflicht. Bei Zustellungen, Ladungen und Willenserklärungen galt bisher, dass die GmbH durch ihre Geschäftsführer vertreten wird, § 35 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 GmbHG. Wird nach oben geschildertem Muster der Geschäftsführer ersatzlos abberufen oder ist die Gesellschaft aus anderem Grunde führerlos, so sollen nunmehr auch die Gesellschafter passiv vertretungsbefugt sein, § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F.466. Diese Neuerung trägt § 170 Abs. 1 S. 2 ZPO Rechnung, welcher der öffentlichen Zustellung entgegenstehen kann467. Damit die Insolvenzantragspflicht durch die Abberufung des Geschäftsführers nicht länger unterlaufen werden kann, will das MoMiG gem. § 15a Abs. 3 InsO n. F.468 im Falle der Führerlosigkeit auch die Gesellschafter einer GmbH zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichten. Die Nichtbeachtung dieser Pflicht ist gem. § 15a Abs. 4 InsO n. F. strafbewehrt und kann zur Insolvenzverschleppungshaftung des Gesellschafters gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 3 461

Art. 3 Nr. 6 MoMiG. Art. 8 Nr. 2 MoMiG. 463 Der Absender brauche „nicht einmal ins Telefonbuch zu schauen“, Seibert, ZIP 2006, 1157 (1165). 464 Art. 1 Nr. 7 lit. a MoMiG. 465 Art. 1 Nr. 7 lit. b MoMiG. 466 Art. 1 Nr. 23 lit. a MoMiG. 467 BT-Drucks. 16/6140, S. 101 f.; dazu Haas, GmbHR 2006, 729 (734); Seibert, ZIP 2006, 1157 (1166). 468 Art. 9 Nr. 3 MoMiG. 462

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

GmbHG n. F. führen469. Etwas anderes gilt nur, wenn die Gesellschafter von dem Insolvenzeröffnungsgrund oder der Führerlosigkeit keine positive Kenntnis hatte, wofür sie die Beweislast tragen, § 15a Abs. 3 GmbHG n. F. a. E. Der Bundesrat wollte demgegenüber grobe Fahrlässigkeit genügen lassen470. Nach dem MoMiG können den Gesellschaftern Geschäftsführerpflichten zufallen. Daher wird zutreffend von „subsidiärer Selbstorganschaft“ 471 gesprochen, die manche sogar auf §§ 11 Abs. 2, 40, 41, 43 Abs. 2, 3 GmbHG ausdehnen wollen472. 3. Zusammenfassung Die Missbrauchsbekämpfung durch das MoMiG verdient Zustimmung und wird im Schrifttum auch einhellig begrüßt473. Ein Gesellschaftsrecht, das Formen der Gläubigerschädigung wie die „Firmenbestattungen“ nicht verhindern kann, wird international kein Vertrauen gewinnen.

D. Ergebnis: Neue Finanzierungsfreiheit und repressiver Gläubigerschutz I. Repressiver statt präventiver Gläubigerschutz Im vorhergehenden Kapitel wurden im Wesentlichen zwei Gründe ausgemacht, aufgrund derer sich deutsche Nachfrager am Markt für Rechtsprodukte für die englische Limited anstatt für die GmbH entscheiden: Die schnellere und bequemere Gründung der Gesellschaft sowie das Fehlen von Mindestkapitalvorschriften. Das MoMiG greift beides auf. Im Zusammenspiel mit dem EHUG sind es insbesondere folgende Neuregelungen, welche die Gründungsdauer einer GmbH verkürzen: Das vereinfachte Gründungsverfahren gem. § 2 Abs. 1a GmbHG n. F., die Entkoppelung der Gesellschaftsgründung von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen durch Streichung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F., der Wegfall der Sicherheitsleistung bei Einmanngründungen gem. § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG a. F. sowie die Beschränkung der registergerichtlichen Kontrolle von Sacheinlagen gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. Das Einreichen der erforderlichen Unterlagen beim Handelsregister kann bequem online erfolgen. Auch die Neuregelung des Mindeststammkapitals kommt Gesellschaftsgründern entgegen: Bei der UG kann das Stammkapital gem. § 5a Abs. 1 GmbHG 469 Dadurch soll die Rechtsprechung zur Haftung des faktischen Geschäftsführers nicht ersetzt oder abgeschafft werden, Seibert, ZIP 2006, 1157 (1166). 470 BR-Drucks. 354/07, S. 26. 471 Der Begriff geht zurück auf K. Schmidt, Nachweis: ders., GmbHR 2007, 1 (2), Fn. 14. 472 Haas, GmbHR 2006, 729 (734). 473 Statt vieler K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (2).

D. Neue Finanzierungsfreiheit und repressiver Gläubigerschutz

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ggf. nur einen Euro betragen. Außerdem kann diese Einlage unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. schon nach einer juristischen Sekunde wieder an den Inferenten zurückfließen. Nach alledem erinnert das neue GmbH mehr an das englische Gesellschaftsrecht als an die deutsche Aktienrechtsnovelle von 1884: Der präventive Gläubigerschutz durch strenge Eingangskontrollen wird ersetzt durch einen laissezfaire-Ansatz im Gründungsstadium. Kompensiert wird dies durch eine Stärkung der Rolle repressiver ex-post-Mechanismen, wie etwa dem Insolvenzrecht und der insbesondere durch § 64 S. 3 und §§ 43 Abs. 2, 3, 30 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GmbHG n. F. verschärften Geschäftsführerhaftung474. Die Bedeutung von Transparenz und Publizität wurde zuvor schon durch das EHUG (vgl. etwa § 325 HGB) dem englischen Vorbild angeglichen. II. Unstimmigkeiten wegen Beibehaltung des Kapitalschutzmodells Gleichwohl bricht das MoMiG nicht zur Gänze mit dem tradierten Kapitalschutzmodell, sondern hält vordergründig an dessen Grundpfeilern fest. Gleichzeitig beschädigt es diese Pfeiler. Das führt zu Unstimmigkeiten: Die Aufbringung des Mindeststammkapitals wird weiterhin verlangt, aber die Institution wird i. R. d. § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. „sinnentleert“ 475. Nicht einmal eine Seriositätsschwelle kann in ihr noch erblickt werden, mit der Folge, dass das ökonomische Verständnis der Haftungsbeschränkung als Wertschöpfungskatalysator überdacht werden muss. Im neuen Recht der Kapitalaufbringung sind die Weichen insgesamt auf chronische Unterkapitalisierung gestellt. Ferner führt die bilanzielle Betrachtungsweise im Rahmen der Kapitalerhaltung im Zusammenspiel mit den Reformen im Bilanzrecht zu einem weiteren Absinken des Gläubigerschutzniveaus. Des Weiteren wurde das Eigenkapitalersatzrecht aus dem Gesellschaftsrecht getilgt (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.). Somit vergrößern die Neuregelungen die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter und damit das auf die Gesellschaftsgläubiger verlagerbare Risiko in erheblichem Maße. Gleichzeitig fehlt es bislang an Instrumenten, die dazu anhalten, von dieser Finanzierungsfreiheit verantwortungsvollen Gebrauch zu machen. Darauf wird zurückzukommen sein. III. Ausblick: Insolvenzprävention und Gesellschafterhaftung Während der Jahre der globalisierungsgetriebenen, rasanten weltweiten wirtschaftlichen Expansion galt das deutsche Gesellschaftsrecht als Hemmschuh. 474

Zu diesem Systemwechsel auch Schall, ZGR 2009, 126, passim. Vgl. Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (184 ff., 187); vgl. ferner Leyendecker, GmbHR 2008, 302 ff. 475

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Kap. 3: Analyse der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG

Die Reformdiskussion zog sich über mehrere Jahre hinweg und vielfach wurden die Interessen der Gesellschafter über diejenigen der Gläubiger gestellt. Unglücklicherweise wurde die Liberalisierung des GmbH-Rechts erst zu einem Zeitpunkt vollzogen, als sich wegen der Weltwirtschaftskrise ab dem dritten Quartal 2008 bereits eine Trendwende abzeichnete: Vom shareholder value capitalism zum creditor value capitalism. Gläubigerschutz ist in der Krise, aber noch viel mehr im Vorfeld der Krise unabdingbar. Das MoMiG senkt allerdings das Niveau des strukturellen Gläubigerschutzes476. Es weist stattdessen dem Insolvenzrecht größere Bedeutung zu. Jedoch kann die zu erwartende chronische Unterkapitalisierung zum verstärkten Auftreten masseloser Insolvenzen führen, bei denen gem. § 26 InsO gar kein Insolvenzverfahren eröffnet wird477. Wichtig wäre also wirksame Insolvenzprophylaxe; mit der Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen hat das MoMiG die Rechtsprechung jedoch eines bereits im Vorfeld der Insolvenz greifenden Kontrollinstruments beraubt. Eine Schutzlücke bleibt demnach im Vorfeld der Insolvenz. Sicherlich wird das Absinken des Gläubigerschutzniveaus durch das MoMiG Anlass zu Kritik geben. Letztlich ist dies aber die Konsequenz aus dem in Kapitel 2 herausgearbeiteten dreifachen Paradigmenwechsel, dem sich das Kapitalschutzmodell deutscher Prägung ausgesetzt sieht. Es muss daher ausscheiden, den Weg zurück in ein System der präventiven Werthaltigkeitskontrolle und der engen Regulierung der Finanzierungsfreiheit zu beschreiten. Die Herausforderungen des Gläubigerschutzes, insbesondere der neuen Unterkapitalisierungsproblematik, sind m. E. vielmehr mit flexiblen, repressiven, verhaltens- und einzelfallbezogenen Haftungsfiguren zu lösen. Nur ein solches fügt sich nahtlos in die Rahmendaten der GmbH-Reform ein. Bislang kennt der Ausbau der Binnenhaftung des Geschäftsführers durch das MoMiG aber keine Parallele bei der Verantwortlichkeit der Gesellschafter. Das Trihotel-Urteil des II. Zivilsenats aus dem Jahre 2007 hat derweil die (Schutz-)Pflichten der Gesellschafter zur Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsvermögen in den Vordergrund gerückt478. Die zu erwartende Zunahme unterkapitalisierter Gesellschaften und die Schutzlücke im Bereich der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter wird die Problematik der Unterkapitalisierung zwangsläufig wieder ins Zentrum der Diskussion rücken479.

476

Diese Einschätzung teilt Hölzle, GmbHR 2007, 729 (730). Dazu eingehend infra Kapitel 4 – A. IV. 2. 478 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246. 479 So auch Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, S. 619 (632); vgl. ferner die Stellungnahme des Bundesrats zum MoMiG (RegE), BR-Drucks. 354/07, S. 7 f. 477

Kapitel 4

Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik „The hard question, then, is whether expanded personal liability should be imposed [. . .] to discourage risk externalization by undercapitalized firms.“ Reinier H. Kraakman1

A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG I. Problemaufriss: Unterkapitalisierung als immanente Schwäche des Kapitalschutzmodells Die Unterkapitalisierung von Kapitalgesellschaften ist eine immanente Schwäche des Kapitalschutzmodells. Dieser Befund ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die Aufbringung und Erhaltung eines mehr oder weniger willkürlich festgelegten, abstrakt-generellen Mindeststammkapitals vorschreibt, dessen Höhe keinen Bezug zur konkreten unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft hat (§§ 5 Abs. 1 GmbHG, 7 AktG)2. Das Kapitalschutzmodell ist mithin schon strukturell nicht auf eine angemessene Kapitalausstattung der Gesellschaft ausgerichtet. Auch in den Zeiten seiner unangefochtenen Herrschaft konnte das Kapitalschutzsystem nicht verhindern, dass Gesellschafter unter dem Schutz des Haftungsprivilegs gem. § 13 Abs. 2 GmbHG mit unterkapitalisierten Gesellschaften ein unangemessen hohes Risiko auf die Gläubiger verlagerten3. Diese Tatsache wurde bereits vor der Diskussion um das MoMiG als „rechtspolitisches Defizit“ des Kapitalschutzmodells bezeichnet4. Obwohl das Kapitalschutzmodell seit einiger Zeit in Bedrängnis geraten ist5, hält das MoMiG grundsätzlich an ihm fest. Gleichzeitig droht das Gesetz, das 1

Kraakman, The Yale Law Journal 93 (1984), 857 (872). Vgl. im Einzelnen Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 180, 182; K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4a. 3 Vgl. dazu Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (45 f.). 4 K. Schmidt, NJW 2004, 1345 (1352). 5 Das Kapitalschutzmodell sieht sich einem dreifachen Paradigmenwechsel ausgesetzt; dazu bereits supra Kapitel 2. 2

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

eben beschriebene Defizit des Kapitalschutzmodells noch zu vergrößern, indem es die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungspflichten aufweicht6. Damit wird opportunistisches, risikoexternalisierendes Gesellschafterverhalten begünstigt. Augenscheinlich wird dies bei der UG: In rechtlicher Hinsicht ermöglicht sie bei entsprechender Konstruktion, unter Einsatz von einem Euro Eigenkapital dauerhaft haftungsbeschränkt „auf dem Rücken der Gläubiger“ 7 zu spekulieren8. Gelingt die Spekulation, steht der Gewinn wie eingangs geschildert9 den Gesellschaftern zu, misslingt sie, tragen alleine die Gesellschaftsgläubiger das Risiko (principal-agent-Problem); anders gewendet: Je geringer das eingesetzte Eigenkapital, desto größer der relative Gewinn der Gesellschafter. Dass sich nach der infra geschilderten10, äußerst formellen Konzeption des Kapitalschutzmodells der „Preis“ für die Haftungsbeschränkung auf die Aufbringung und Erhaltung eines Euros reduziert, schafft somit Anreize für riskantes Wirtschaften (moral hazard). So gesehen kann man aus § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. ableiten, dass der deutsche Gesetzgeber den leverage-Effekt im Kapitalgesellschaftsrecht legalisiert hat. Hinzukommt, dass das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung durch § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. aufgegeben wird. Damit fällt das dogmatische Fundament der Umqualifizierung von Gesellschafterfremdfinanzierung in Eigenkapital weg, mit dessen Hilfe die Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen eine größere Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft fingieren konnten. Angesichts der unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Realitäten erscheint es freilich abwegig, eine mit derart geringem Eigenkapital ausgestattete Gesellschaft dauerhaft als Unternehmensträgerin betreiben zu wollen. Das beginnt schon damit, dass einer solchen Gesellschaft durch die Gründungs- und Eintragungskosten der Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung drohen kann11. Hinsichtlich der Kapitalausstattung decken sich die Vorstellungen des MoMiG und die wirtschaftliche Realität mithin nicht. Eine solche Deckung kann jedoch hergestellt werden, wenn sich die rechtliche Behandlung der Unterkapitalisierung bzw. allgemein: der Kapitalausstattung von Gesellschaften vom tradierten formell-präventiven Ansatz des Kapitalschutzmodells löst. Dieser Ansatz sollte m. E. durch eine materiell-repressive 6 Diese Einschätzung teilt Goette, Status:Recht 2007, 236 (238). Zu den Auswirkungen des MoMiG auf das Gläubigerschutzsystem der GmbH ausführlich supra Kapitel 3. 7 Formulierung nach Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 465. 8 Dazu supra Kapitel 3 – B. II. 3. d) (3). 9 Zum Nachfolgenden supra Kapitel 1 – B. II. 10 Dazu infra Kapitel 4 – C. II. 1. 11 Drygala, NZG 2007, 561 f.

A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG

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Herangehensweise ersetzt werden: Einmal muss mehr Aufmerksamkeit auf die materielle Angemessenheit der Kapitalausstattung durch die Gesellschafter verwendet werden. Darüber hinaus gilt es die – im Schrifttum seit längerem verfochtene12 – Grundhaltung des MoMiG nachzuvollziehen, wonach die Beachtung und Erfüllung gesellschaftsrechtlicher Pflichten im Bereich der Finanzverfassung tendenziell durch repressive Sanktionierung ex post gesteuert werden soll; man denke insoweit an die neue Regelung zu den verschleierten Sacheinlagen (nachträgliche Differenzhaftung gem. §§ 19 Abs. 4 S. 2, 9 Abs. 1 GmbHG n. F.), die engere Fassung der registergerichtlichen Kontrolle gem. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. und die neue Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. II. Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung Zur Klärung der relevanten Begrifflichkeiten seien folgende Erläuterungen vorausgeschickt: 1. Tatbestand der Unterkapitalisierung Von Unterkapitalisierung spricht man, wenn das Eigenkapital der Gesellschaft nicht ausreicht, um den für die angestrebte oder entfaltete Geschäftstätigkeit erforderlichen, mittel- oder langfristigen Kapitalbedarf zu decken13. Andere sprechen davon, dass Unterkapitalisierung dann vorliege, wenn das Eigenkapital der Gesellschaft nicht zum angemessenen Wirtschaften genüge14. In diesem Zustand ist das Insolvenzrisiko in besonders großem Umfang auf die Gesellschaftsgläubiger verlagert15. Unterkapitalisierung kann bereits bei der Aufnahme des Geschäftsbetriebs bestehen (anfängliche Unterkapitalisierung), oder erst infolge von Verlusten oder Vermögensabflüssen an die Gesellschafter eintreten (nachträgliche Unterkapitalisierung)16. 2. Besondere Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung a) Nominelle Unterkapitalisierung Nominelle Unterkapitalisierung liegt vor, wenn die Gesellschafter ihrer Gesellschaft das für den Geschäftsbetrieb erforderliche Kapital nicht in Form von 12

So etwa Schön, Der Konzern 2004, 162, ebenda. Merkt/Spindler, Durchgriffshaftung, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 207 (214); ähnlich Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5. Die Definition geht zurück auf Ulmer, in: Hachenburg, Großkomm., I. Bd.8, Anh. § 30 Rn. 16. 14 K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4a. 15 Dazu supra Kapitel 4 – A. I., IV. 1. 16 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 83. 13

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

Einlagen (Eigenkapital), sondern als Darlehen oder durch vergleichbare Leistungen (Fremdkapital) zuführen17. Wie erwähnt, gibt es eine Vielzahl von Faktoren, aufgrund derer es Gesellschafter vorziehen, Stammeinlagen nur in der geringen Höhe des Mindeststammkapitals aufzubringen und sich im Übrigen als Darlehensgeber wie gewöhnliche Gesellschaftsgläubiger zu stellen18. Die Rechtsprechung war dem schon früh entgegengetreten und qualifizierte Gesellschafterdarlehen – bis zur Höhe der Stammkapitalziffer – in Eigenkapital um, sofern sie in der „Krise der Gesellschaft“ gewährt worden waren und funktionell Eigenkapital ersetzten (eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen) 19. Die Problematik der nominellen Unterkapitalisierung ist vor diesem Hintergrund darin zu erblicken, dass die Gesellschafter im Verhältnis zum Eigenkapital zuviel Fremdkapital zuführen. Bei der Mittelzuführung durch die Gesellschafter kommt es also strenggenommen auf eine bestimmte Quote von Eigenzu Fremdkapital an. Die Lehre von den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen vermied jedoch, eine bestimmte Kapitalquote festzulegen. Stattdessen setzte sie am Merkmal der Krise der Gesellschaft an (§ 32a Abs. 1 GmbHG a. F.), das nach dem MoMiG keine Bedeutung mehr für die Behandlung von Gesellschafterdarlehen hat20. Eine solche Krise lag grundsätzlich vor, wenn die Gesellschaft ohne die Zufuhr von Gesellschafterdarlehen zahlungsunfähig21 oder überschuldet22 gewesen wäre, oder wenn sie ihre Fähigkeit eingebüßt hatte, von Dritten zu marktüblichen Konditionen Kredit zu erhalten23. Das Abstellen auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft diente also dazu, die nominelle Unterkapitalisierung tatbestandlich greifbar zu machen. b) Materielle Unterkapitalisierung Unter materieller Unterkapitalisierung versteht man einen Zustand, in dem die notwendige Mittelzuführung gänzlich unterbleibt24. Die Gesellschafter sind also mit – unangemessen geringen – Einlagen in der Gesellschaft investiert. 17 Eingehend Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (669 ff.); ferner Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 478; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5 f.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 38 Rn. 1. 18 Dazu bereits ausführlich supra Kapitel 3 – B. IV. 1. 19 St Rspr seit BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258. Vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5. Zum Ganzen bereits ausführlich supra Kapitel 3 – B. IV. 2. a). 20 Zur Reform des Eigenkapitalersatzrechts supra Kapitel 3 – B. IV. 5. 21 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (269). 22 BGH v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337). 23 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (330 f.). 24 Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 61; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5; K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4a.

A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG

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Wie erwähnt, ist heftig umstritten, ob das Kapitalgesellschaftsrecht ein Gebot der sachlich angemessenen Kapitalausstattung kennt25. Bejahendenfalls bleibt die Frage, wie die Angemessenheit der Kapitalausstattung ermittelt werden kann26. Betriebswirtschaftlich gilt eine Berechnung als undurchführbar27. Betrachtet man jedoch die Hilfskonstruktion, mit der das Vorliegen nomineller Unterkapitalisierung ermittelt wurde, scheint die Messbarkeit materieller Unterkapitalisierung nicht unmöglich zu sein: Die einzelfallbezogene Kreditwürdigkeit der Gesellschaft bezeichnet namentlich Blaurock als taugliches Kriterium auch zur Ermittlung von materieller Unterkapitalisierung28. c) Allgemeine Unterkapitalisierung In einem Judikat aus dem Jahre 2006 hat das OLG Düsseldorf die Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung eingeordnet29. Dabei stützte sich das OLG nicht etwa auf den Begriff der materiellen Unterkapitalisierung, nach deren Definition das Eigenkapital der Gesellschaft den konkreten Finanzbedarf nicht deckt. Vielmehr wurde bei der Ermittlung der Unterkapitalisierung danach gefragt, ob der konkret erforderliche Kapitalbedarf überhaupt aus Gesellschafterhand gedeckt wurde, gleichviel, ob Eigen- oder Fremdmittel zugeführt worden waren. Das Gericht stellte somit allgemein auf die mangelhafte Kapitalausstattung durch die Gesellschafter ab (allgemeine Unterkapitalisierung)30. Für die Zwecke der allgemeinen Unterkapitalisierung wird demnach das gesamte aus Gesellschafterhand stammende Kapital addiert. Alsdann wird diese Summe mit dem konkret erforderlichen Kapitalbedarf der Gesellschaft vergli-

25 Ablehnend unlängst Weller, ZIP 2007, 1681 (1684). Näheres zum Ganzen bei Merkt/Spindler, Durchgriffshaftung, in: Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 207 (214) m.w. N.; Raiser, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 155 ff. 26 Vonnemann, GmbHR 1992, 77 (78). In manchen Gesetzen werden besondere Anforderungen an die Kapitalausstattung gestellt: §§ 10 ff. KWG, 2 IV UBGG, 2 Abs. 2 lit. a KAGG [außer Kraft], 53c VAG. 27 Eingehend Vonnemann, GmbHR 1992, 77 (80 f.); ferner Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3, S. 568; vgl. auch die Ausführungen in BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (268). 28 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (19). Ähnlich K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4a: „Die konstitutionell kreditunwürdige Gesellschaft ist unterkapitalisiert.“ A.A. jedoch Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 13 Rn. 8. 29 OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388 (389 f.); a. A. jedoch die Revisionsinstanz, BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 12 f. Zur diesbezüglichen Diskussion eingehend infra Kapitel 4 – C. IV. 4. 30 OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388 (389); dazu Schaefer/Fackler, NZG 2007, 377 (377 f.).

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

chen. Da diese Summe zwangsläufig größer ist als der isolierte Posten des Eigenkapitals, liegt der Tatbestand der allgemeinen Unterkapitalisierung seltener vor als derjenige der materiellen Unterkapitalisierung. Anders formuliert: Während materielle Unterkapitalisierung bereits dann vorliegt, wenn die Eigenkapitalausstattung zu gering ist, liegt allgemeine Unterkapitalisierung erst dann vor, wenn die Kapitalausstattung aus Gesellschafterhand insgesamt zu gering ist. d) Quotale Unterkapitalisierung Der Begriff der quotalen Unterkapitalisierung wird für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung entwickelt. Er will helfen, einen Maßstab zur Ermittlung der angemessenen Kapitalausstattung zu liefern und den Tatbestand der Unterkapitalisierung greifbar zu machen, um Rechtsfolgen an ihn knüpfen zu können. Dabei soll die quotale Unterkapitalisierung aus der gemeinsamen Basis der bisher anerkannten Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung abgeleitet werden. Die gemeinsame Basis besteht darin, dass es sowohl bei der nominellen als auch bei der materiellen Unterkapitalisierung im Kern um eine Quote geht: In beiden Fällen steht das Eigenkapital der Gesellschaft im Zähler. Im Nenner steht bei der nominellen Unterkapitalisierung das von den Gesellschaftern zugeführte Fremdkapital, bei der materiellen Unterkapitalisierung das von allen Gläubigern eingesetzte Fremdkapital. Bei der allgemeinen Unterkapitalisierung wird der Zähler aus der Summe von Eigenkapital und dem von den Gesellschaftern herrührenden Fremdkapital gebildet; im Nenner steht das von allen Gläubigern eingesetzte Fremdkapital. Bezüglich der nominellen Unterkapitalisierung wurde vereinzelt bestritten, dass diese einen quotalen Charakter habe: Das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital sei zur Ermittlung von Unterkapitalisierung unerheblich. Es gebe jedoch Auskunft über die Kreditfähigkeit der Gesellschaft und diese entscheide über die Frage der Unterkapitalisierung31. Dabei wird jedoch verkannt, dass nur deshalb auf die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft abgestellt wird, weil damit die Gesundheit oder Ungesundheit des Verhältnisses von Eigen- zu Fremdkapital ermittelt werden soll. Die Bezugnahme auf die Kreditwürdigkeit hat also nur eine Hilfsfunktion und im Kern geht es eben doch um eine Quote: Quotal betrachtet liegt nominelle Unterkapitalisierung dann vor, wenn das Verhältnis von Zähler zu Nenner so gering ist, dass die Gesellschaft ihre Kreditwürdigkeit zu marktüblichen Konditionen eingebüßt hat32.

31

So Landwehr, Durchgriffshaftung, S. 162 f. Wie erwähnt, wird die Kreditwürdigkeit in der Literatur auch zur Ermittlung der materiellen Unterkapitalisierung herangezogen, siehe Kapitel 4 – Fn. 28. 32

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Damit ist gezeigt, dass das Abstellen auf die Kreditwürdigkeit den quotalen Charakter aller Erscheinungsformen der Unterkapitalisierung verschleiert. Es verlagert die Ermittlung der Unterkapitalisierung von der rechtlichen Ebene auf die Einschätzung der Marktteilnehmer. Dass deren Sicht aber durchaus berücksichtigt werden kann, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zu zeigen sein33. III. Gehäuftes Auftreten unterkapitalisierter Gesellschaften nach dem MoMiG Die Neuregelung des Kapitalschutzsystems durch das MoMiG befördert Unterkapitalisierung auf vielfältige Weise34. Es ändert die Gesetzeslage zugunsten der Gesellschafter und geht vielfach hinter den Stand der Rechtsprechung zurück. Wegen der Einzelheiten des MoMiG sei auf Kapitel 3 verwiesen. 1. Kapitalaufbringung Zunächst ist hierbei die Preisgabe des Mindeststammkapitals bei der UG zu nennen. Allgemein bedarf es wie bisher keiner Volleinzahlung, § 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG n. F. Bei Einmanngründungen entfällt die gem. § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG a. F. erforderliche Sicherheitsleistung. Zudem legitimiert § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. die Praxis des sog. Hin- und Herzahlens und macht die Kapitalaufbringung zur bloßen Fiktion. Das Ende der präventiven Wertkontrolle im Bereich der Sacheinlagen35 trägt das seine dazu bei, dass all dies die Stamm- und damit die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaften potentiell reduziert. Unterkapitalisierung in all ihren Erscheinungsformen wird damit wahrscheinlicher. 2. Kapitalerhaltung Einen eigenkapitalreduzierenden Effekt kann auch die Rückkehr zur streng bilanziellen Betrachtungsweise im Bereich der Kapitalerhaltung haben; dies umso mehr, da das BilMoG36 unter Übernahme wesentlicher Grundgedanken der internationalen Rechnungslegungsstandards die Aktivierungsmöglichkeiten im HGB-Bilanzrecht vergrößert und die Bewertung zum Zeitwert ausbaut. Denn die Möglichkeit von Ausschüttungen wird dadurch in zweifacher Hinsicht erhöht: Erstens hilft die streng bilanzielle Sicht, die stillen Reserven zulasten der 33

Dazu siehe infra Kapitel 4 – C. III. 1. b) (4). Ebenso Habersack, ZGR 2008, 533 (557). 35 Zu § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. siehe supra Kapitel 3 – B. II. 4. b); zur Regelung der (verschleierten) Sacheinlagen in § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. siehe supra Kapitel 3 – B. II. 3. e) (6). 36 Dazu bereits supra Kapitel 2 – C. I. 2. c). 34

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

Gläubiger abzubauen und kann den Gesellschaftern im Rahmen von §§ 30 Abs. 1 GmbHG, 268 Abs. 8 HGB n. F. erlauben, das erhöhte bilanzielle Eigenkapital abzuziehen. Zweitens sind die Kapitalerhaltungsstandards des neuen § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. schwächer als die Grundsätze des Novemberurteils37. Sie erlauben den bilanzneutralen Aktiventausch und können damit zum Abfluss liquider Haftungsmasse der Gesellschaft führen, wobei die Gesellschaft im Gegenzug nur zeitlich hinausgeschobene schuldrechtliche Forderungen gegen ihre Gesellschafter erhielte. In der Summe können beide Änderungen das Eigenkapital der Gesellschaft verringern und damit zum Eintritt von nachträglicher Unterkapitalisierung führen. 3. Eigenkapitalersatz Bezüglich der nominellen Unterkapitalisierung ist zu sagen, dass eine UG mit nur einem Euro Eigenkapital kaum zu marktüblichen Konditionen kreditwürdig sein wird. Es bestünde also von Anfang an eine Krise der Gesellschaft. Durch die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gem. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. sind die Gesellschafter im Stadium vor der Insolvenz nicht mehr daran gehindert, ihrer Gesellschaft Darlehen und vergleichbare Leistungen zu gewähren und diese auch ggf. wieder abzuziehen. Fremdkapitalfinanzierung aus Gesellschafterhand wird bei geringer Eigenkapitalausstattung auch notwendig sein, um den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Damit befördert die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln tendenziell die nominelle Unterkapitalisierung und beseitigt zugleich ein schon vor der Insolvenz, nämlich bereits in der Krise greifendes Kontrollinstrument38. 4. Fazit Wenn die Gesellschafter unangemessen niedriges Eigenkapital dadurch kompensieren, dass sie – von den Fesseln der Rechtsprechungsregeln nicht mehr behindert – ihrer Gesellschaft Darlehen oder wirtschaftlich gleichstehende Leistungen zuführen, können sie damit den oben erläuterten Tatbestand der allgemeinen Unterkapitalisierung abwenden. Zwar liegt in einem solchen Fall sowohl materielle als auch nominelle Unterkapitalisierung vor. Aber das MoMiG sieht keine Regeln zur Sicherstellung eines nennenswerten Eigenkapitals und zur Verhinderung übermäßiger Fremdkapitalzufuhr (vgl. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.) mehr vor. Das reformierte GmbHG überlässt die Entscheidung über die Art und Weise der Kapitalausstattung im Wesentlichen allein den Gesellschaftern. Daher müssen die Begriffe der materiellen und der nominellen Unterkapi37 38

BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72. Vgl. nur K. Schmidt, GmbHR 2007, 1072 (1077).

A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG

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talisierung zugunsten der allgemeinen Unterkapitalisierung an Bedeutung verlieren. IV. Gefahr masseloser Insolvenzen durch das MoMiG 1. Insolvenzwahrscheinlichkeit nach dem MoMiG Schon vor dem MoMiG galt die GmbH als insolvenzanfälligste Rechtsform39. Geht man mit der – kritikwürdigen40 – klassischen Lehre davon aus, dass das Mindeststammkapital einen „Verlustpuffer“ darstelle und damit einen Insolvenzschutz biete41, so wird die gem. § 5a Abs. 1 GmbHG n. F. nunmehr geringere Mindesthöhe des Stammkapitals die Insolvenzwahrscheinlichkeit weiter erhöhen: Eine geringe Eigenkapitalausstattung reduziert nämlich die Kreditwürdigkeit gegenüber Dritten und auch die Möglichkeiten der Gesellschaft, ihren Gläubigern Sicherheiten zu gewähren. Ganz allgemein zeigt die Empirie, dass eine zu geringe Eigenkapitalausstattung zu den Hauptursachen von Unternehmensinsolvenzen gehört42. Auf diesen Effekt hat Goette anlässlich der Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags am 23.1.2008 ausdrücklich hingewiesen43. Die Eigenkapitalbasis der Gesellschaften wird durch die Rückkehr zur streng bilanziellen Betrachtung des Kapitalerhaltungsgebots gem. § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG n. F. in Verbindung mit der Öffnung des Bilanzrechts für die IFRS-Grundsätze durch das BilMoG weiter geschwächt. Im Hinblick auf die Beurteilung der Insolvenzwahrscheinlichkeit ist die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen janusköpfig: Einerseits wurde mit dieser Rechtsfigur eine größere Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft fingiert und damit der eben genannten Hauptursache von Insolvenzen entgegengewirkt. Ihr Wegfallen würde demnach die Insolvenzwahrscheinlichkeit erhöhen. Die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln kann andererseits aber auch einen gegenteiligen Effekt haben: Wenn sich dadurch die Bereitschaft der Gesellschafter erhöht, ihrer Gesellschaft in größerem Umfang Darlehen oder wirtschaftlich gleichstehende Leistungen zu 39

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (18). Dazu supra Kapitel 3 – B. II. 2. 41 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (184); Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347); Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 1b; vgl. auch Mülbert, Der Konzern 2004, 151 (154); a. A. Engert, GmbHR 2007, 337 ff. Zur jüngeren Kritik an der klassischen Lehre von den Funktionen des Mindeststammkapitals siehe bereits supra Kapitel 3 – B. II. 2. 42 Meyer, GmbHR 2002, 242 (254); K. Schmidt, GesR4, § 18 II 4b. Im Kontext der Unterkapitalisierungshaftung auch Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (46); Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 615; Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661, ebenda. 43 Financial Times Deutschland v. 24.1.2008. 40

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

gewähren, kann dies das Leben der Gesellschaft verlängern. Jedoch spielt hierbei auch das Steuerrecht eine Rolle. Die Unternehmenssteuerreform 2008 will vermeintlich exzessiver Gesellschafterfremdfinanzierung entgegentreten und einen Trend zur verstärkten Eigenkapitalausstattung begründen. Dazu etabliert § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG eine sog. Zinsschranke, die Fremdkapitalvergütungen unter bestimmten Voraussetzungen die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe versagt44. Folgten die Gesellschafter diesem Appell und ließen sie sich davon abhalten, ihrer Gesellschaft Darlehen zu gewähren, löste sich der mit der Deregulierung des Eigenkapitalersatzrechts einhergehende Effekt wieder auf. Die Insolvenzanfälligkeit würde dann aber ggf. durch die stärkere Eigenkapitalbasis verringert. Dementsprechend fällt die Prognose schwer, inwiefern die steuer- und gesellschaftsrechtlichen Reformen die Insolvenzanfälligkeit der GmbH beeinflussen. Eine ebenso große Rolle wie rechtliche dürften diesbezüglich ohnehin betriebswirtschaftliche und konjunkturelle Faktoren spielen. Bliebe die Insolvenzanfälligkeit unverändert, so wäre sie im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch45. 2. Wahrscheinlichkeit masseloser Insolvenz nach dem MoMiG Schon vor dem MoMiG kam es bei GmbH-Insolvenzen sehr häufig zur Abweisung mangels Masse (§ 26 InsO): Die einschlägigen Statistiken des Jahres 1998 zeigen, dass die Insolvenzeröffnung in 73,6 Prozent der Fälle mangels Masse abgelehnt wurde46. Hinzukommen die in der Statistik nicht erfassten Fälle, in denen schon kein Insolvenzantrag gestellt wird, weil aufgrund erkennbarer Massearmut ohnehin keine Aussicht auf einen Eröffnungsbeschluss besteht. In den eröffneten Insolvenzverfahren lag die Insolvenzquote bei durchschnittlich lediglich 10 Prozent47. Die gem. Art. 110 Abs. 1 EGInsO am 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzrechtsreform wollte diesen bedenklichen Zustand u. a. durch die frühzeitigere Antragstellung gem. § 18 InsO ändern, hatte damit aber keinen Erfolg48.

44 Kessler/Ortmann-Babel/Zipfel, BB 2007, 523 (525); eingehend und rechtsvergleichend zum steuerrechtlichen Abzugsverbot in Bezug auf Zinszahlungen Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 ff. 45 Eine Berechnung der Insolvenzwahrscheinlichkeit der GmbH im Vergleich zur englischen Limited findet sich bei Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (185). 46 Meyer, GmbHR 2002, 242 (252). 47 Angabe nach Drenckhan, Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, S. 29. In den 1970er Jahren lag sie sogar noch weit darunter, siehe Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (664), Fn. 12. 48 Kießner, in: Braun, InsO3, Einf. Rn. 18, 29.

A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG

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Es kann relativ eindeutig prognostiziert werden, dass das MoMiG die Masselosigkeit von GmbH- und UG-Insolvenzen wahrscheinlicher machen wird: Es befördert wie gezeigt die materielle Unterkapitalisierung aufgrund zu geringer Eigenkapitalausstattung, und wenn dieser Tatbestand zu bejahen ist, liegt die masselose Insolvenz nahe49. Hinzukommt, dass sich die Folgen der Insolvenz einer unterkapitalisierten Gesellschaft nach dem MoMiG noch stärker bemerkbar machen werden. Eine der strukturellen Schwächen des Mindeststammkapitals liegt seit jeher darin, dass es regelmäßig schon verbraucht ist, wenn es zur Insolvenz kommt. Diese Schwäche konnte mit der Lehre von den verschleierten Sacheinlagen teilweise kuriert werden: Die Insolvenzmasse wurde durch die im wirtschaftlichen Ergebnis doppelte Bareinlagenerbringung künstlich vergrößert50. Darauf brauchen die Gesellschaftsgläubiger nach der Legalisierung der verschleierten Sacheinlagen nicht mehr zu hoffen, da allenfalls noch eine Wertdifferenz in die Insolvenzmasse fließt (§§ 19 Abs. 4 S. 2, 9 GmbHG n. F.). Nach alter Rechtslage konnte auch die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung die Insolvenzmasse vergrößern, weil der Insolvenzverwalter als berechtigt angesehen wurde, analog § 31 GmbHG Mietzinszahlungen zurückzufordern sowie die überlassene Sache für den vertraglichen bzw. einen angemessenen Zeitraum weiter zu nutzen und etwa entgeltlich an Dritte zu überlassen51. Diesen massevergrößernden Effekt beseitigt das MoMiG, da die Nutzungsüberlassung gem. § 135 Abs. 3 InsO n. F. nunmehr ausgleichspflichtig ist und auch nur für ein Jahr gilt. Somit könnten nach neuer Rechtslage allein die erweiterte Anfechtung von Rückzahlungshandlungen gem. §§ 143, 135 InsO n. F. und ggf. die vom Insolvenzverwalter geltend zu machende Binnenhaftung gem. § 826 BGB wegen existenzvernichtenden Eingriffs52 die Insolvenzmasse vergrößern53. Jedoch sind nur solche Rückzahlungshandlungen anfechtbar, die im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden. U. a. deshalb spielt die Insolvenzanfechtung in der Praxis keine bedeutende Rolle54. Außerdem darf bezweifelt werden, ob es im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag – wenn die Krise regelmäßig 49 Vgl. Hohloch, JuS 2005, 844 (845), der einen Zusammenhang herstellt zwischen dem Fehlen von Mindeststammkapitalvorschriften im Recht der englischen private limited company und der Undurchführbarkeit eines inländischen Insolvenzverfahrens mangels Masse, wenn eine derart vermögenslose bzw. unterkapitalisierte Limited ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat. 50 Zum massevergrößernden Effekt der Lehre von den verschleierten Sacheinlagen bereits supra Kapitel 3 – B. II. 3. e) (4). 51 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 38 Rn. 45 f. Zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung bereits supra Kapitel 3 – B. IV. 5. d). 52 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246. 53 Zur masseauffüllenden Funktion der Existenzvernichtungshaftung Haas, ZIP 2006, 1373 (1382). 54 Merkt, ZGR 2004, 305 (316).

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

schon manifest ist – in nennenswertem Umfang zu Rückzahlungen an die Gesellschafter kommen wird, denn im Interesse des Überlebens der Gesellschaft werden die außenstehenden Gläubiger in der Praxis mit der noch vorhandenen Liquidität regelmäßig vorrangig bedient; daraus erklärt sich auch das Phänomen des Stehenlassens von Gesellschafterdarlehen. Die Existenzvernichtungshaftung wiederum ist auf sittenwidrige „Selbstbedienung“ 55 gemünzt. Sie kann daher bei gewöhnlichen Insolvenzen keine Remedur bieten. Vor diesem Hintergrund ist zu prognostizieren, dass das MoMiG die Masselosigkeit von GmbH- bzw. UG-Insolvenzen wahrscheinlicher machen wird. Das ist freilich nur eine Folge des dreifachen Paradigmenwechsels, dem sich das tradierte Kapitalschutzsystem ausgesetzt sieht56. Dass die Insolvenzregeln über die Gesellschafterfremdfinanzierung nun nicht mehr von der Qualifizierung als eigenkapitalersetzend abhängen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F.), nützt im Falle der Masselosigkeit nichts. Die strengere insolvenzrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, kann für die Gläubiger nur dann eine segensreiche Wirkung zeigen, wenn tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Wie soeben gezeigt, ist das aufgrund des MoMiG aber noch weniger wahrscheinlich als unter der alten Rechtslage. V. Konsequenz: Notwendigkeit von Insolvenzprophylaxe Im Falle der Masselosigkeit bleibt den Gläubigern nur der Rekurs auf § 6 AnfG und die Existenzvernichtungshaftung, wobei letztere den Gläubigern nur noch über den „prozessualen Umweg“ von Pfändung und Überweisung der Gesellschaftsansprüche hilft57. Dies ist für die Gläubiger keine komfortable Position. Bedenkt man außerdem, dass die Insolvenz auch das Bestandsinteresse58 der juristischen Person selbst schädigt, so drängt sich die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Insolvenzprophylaxe auf. Das Insolvenzrecht kann nur noch Auf55 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. Einen existenzvernichtenden Eingriff bejaht die Rechtsprechung erst dann, wenn der Gesellschafter „auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich – offen oder verdeckt – Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt“, a. a. O., Tz. 18. Insolvenzauslösende Managementfehler stellen für sich genommen keinen existenzvernichtenden Eingriff in diesem Sinne dar, BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02 (Handelsvertreter), ZIP 2005, 250 (1. Leitsatz). 56 Dazu eingehend supra Kapitel 2. 57 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 36 f.; dazu Weller, ZIP 2007, 1681 (1688). 58 Dazu infra Kapitel 4 – C. III. 1. a) (3).

A. Die Unterkapitalisierungsproblematik nach dem MoMiG

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räumarbeiten leisten – viel wichtiger wäre eine insolvenzpräventive Steuerungswirkung des Gesellschaftsrechts59. Veil bezeichnet es dementsprechend als vielversprechenden Ansatz, „ein System krisenorientierter Geschäftsführer- und Gesellschafterpflichten zu entwickeln.“ 60 Rechtsvergleichend fällt in diesem Zusammenhang auf, dass Österreich bereits seit 1997 ein Unternehmensreorganisationsgesetz (URG)61 kennt, worauf auch Haas auf dem 66. Deutschen Juristentag hingewiesen hat62. Das URG versteht gem. § 1 Abs. 2 URG unter Reorganisation „eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durchgeführte Maßnahme zur Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines im Bestand gefährdeten Unternehmens, die dessen nachhaltige Weiterführung ermöglicht.“

Hier weist das deutsche Recht noch immer Defizite auf. Zwar will das MoMiG die Geschäftsführerpflichten u. a. durch die neue Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. ausbauen. Aber die neue Vorschrift stößt vielfach auf Ablehnung63. Außerdem ist der Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weisungsgebunden und ggf. wirtschaftlich abhängig, sodass er in der personalistisch geprägten GmbH nicht als der richtige Adressat von verschärfter verhaltensbezogener Haftung erscheint64. Nachdem das MoMiG mit den Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen zugleich auch das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung abgeschafft hat, fehlt es mehr denn je an einer adäquaten Präzisierung der insolvenzpräventiven Gesellschafterpflichten. Vergegenwärtigt man sich nochmals, dass zum einen mangelnde Eigenkapitalausstattung zu den Hauptursachen von Insolvenzen zählt und zum anderen die Bereitschaft zu Gesellschafterfremdfinanzierung Insolvenzen verhindern kann, dann wird Folgendes deutlich: Die Entscheidung der Gesellschafter über die Kapitalausstattung ihrer Gesellschaft ist der rechtliche Schlüs-

59 Vgl. auch Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 97 f. 60 Veil, ZGR 2006, 374 (376). Vgl. zur Gesellschafterverantwortung in der Krise der Gesellschafter allgemein Haas, ZInsO 2007, 617 (618). 61 Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) vom 1.12.1997, BGBl. I Nr. 114/1997; einsehbar unter http://www.jusline.at/Unternehmensreorganisationsgesetz_(URG).html (letzter Abruf am 11.2.2008). 62 Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 116 f. 63 Zur Kritik an § 64 S. 3 GmbHG n. F. siehe supra Kapitel 3 – C. I. 2. c). 64 Daher wird sogar in BT-Drucks. 16/6140, S. 113, für eine restriktive Handhabung des § 64 S. 3 GmbH n. F. plädiert. Ähnlich Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, S. 619 (632). Nach h. M. entfällt eine Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn es infolge der Ausführung einer Gesellschafterweisung zum Schadenseintritt kam, siehe Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 97 m.w. N.

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

sel zur Insolvenzprophylaxe. Die den Gesellschaftern in dieser Hinsicht obliegende und m. E. auch nach dem MoMiG zu fordernde Finanzierungsverantwortung ist daher für die folgenden Ausführungen von entscheidender Bedeutung.

B. Schutz der Gläubiger vor Unterkapitalisierung als Herausforderung an die Kautelarpraxis I. Krisenprävention durch Privatautonomie Die „krisenorientierten Geschäftsführer- und Gesellschafterpflichten“, deren Entwicklung Veil propagiert65, können sich selbstverständlich nicht nur aus dem Gesetz, sondern auch aus Verträgen ergeben; auch ein Vertrag vermag es, die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter bei der Entscheidung über die Kapitalausstattung der Gesellschaft zu greifbaren Rechtspflichten zu verdichten. Wie die gesetzliche Verankerung des Kapitalschutzmodells zeigt, war Gläubigerschutz seit der Aktienrechtsnovelle von 1884 ein Kernanliegen der deutschen kapitalgesellschaftsrechtlichen Kodifikationen. Es wurde bereits ausgeführt, dass sich diese Ära ihrem Ende zuneigt66. Mit dem EHUG wurde der Gedanke, Gläubiger durch Transparenz und Publizität zu schützen (Informationsmodell), stark ausgebaut: Es stellt potentiellen Gläubigern weitreichende Informationen schnell und bequem zur Verfügung67; es bietet ihnen „Hilfe zur Selbsthilfe“ 68. Man kann sogar sagen, es verlange von potentiellen vertraglichen Gläubigern, sich selbst zu schützen (caveat creditor). Wer sich trotz der gegebenen Möglichkeiten nicht erkundigt, verletzt eine Obliegenheit gegenüber sich selbst, vgl. § 254 BGB. Der Schutz der Gläubiger vor Unterkapitalisierung ist daher in erster Linie eine Herausforderung an die Privatinitiative: Von vertraglichen Gläubigern darf eine Risikoeinschätzung und eine daran orientierte Ausübung ihrer Privatautonomie verlangt werden. Sie können sich ihr Ausfallrisiko vergüten lassen und sich mit entsprechenden Kautelen so weit wie möglich gegen das Ausfallrisiko absichern.

65

Vgl. Kapitel 4 – Fn. 60. Zum dreifachen Paradigmenwechsel, mit dem sich das Kapitalschutzmodell in der jüngeren Vergangenheit konfrontiert sieht, siehe supra Kapitel 2. 67 Zum EHUG und seinen Konsequenzen für den Gläubigerschutz bereits supra Kapitel 2 – B. II. 1. c). 68 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 493. 66

B. Schutz der Gläubiger durch die Kautelarpraxis

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II. Gläubigerschutz durch financial covenants 1. Definition und Funktion von financial covenants Der Gedanke des caveat creditor ist im angloamerikanischen Rechtskreis weit verbreitet. Insbesondere in den USA ist eine Kultur gewachsen, in der sich verhandlungsstarke Großgläubiger sog. financial covenants ausbedingen. Darunter versteht man Absprachen in Kreditverträgen, die dem Kreditgeber Einblick in Unternehmensdaten und Einfluss auf die Unternehmensführung des Schuldners geben69. Kennzeichnend ist, dass sie dem Schuldner Zielvorgaben hinsichtlich Kapitalausstattung, Dividendenpolitik, Verschuldung und Liquidität machen70. Die weitreichenden Publizitätspflichten erlauben dem Kreditgeber, bei Nichteinhaltung der Zielvorgaben steuernden Einfluss auf das Unternehmensgeschick zu nehmen. Somit bezwecken derlei Abreden im Interesse aller Gläubiger – auch der vertraglichen Kleingläubiger und der unfreiwilligen Gläubiger –, eine Unternehmenskrise frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig abwenden zu können71. Auf schuldrechtlichem Wege wird damit ein gesetzlicher Kapitalschutz simuliert72, der den Bedürfnissen der Parteien angepasst und mit weitergehenden Informations- und Kontrollrechten des Fremdkapitalgebers verbunden ist. 2. Schutz von Klein- und Deliktsgläubigern durch Reflexwirkung von financial covenants Gegen privatautonomen Gläubigerschutz wird eingewandt, der maßgeschneiderte Einsatz und das individuelle Aushandeln von financial covenants verursache Transaktionskosten, die sich nicht für jeden Kleingläubiger lohnten73. Einem Kleingläubiger fehle es zudem an der notwendigen Verhandlungsmacht74. Auch heißt es, Deliktsgläubiger seien in einem System der privatautonomen Risikoabsicherung letztlich auf Versicherungen angewiesen; financial covenants bzw. allgemeiner: der Schutz durch das Informationsmodell nützten ihnen dagegen nicht75.

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Definition nach Fleischer, ZIP 1998, 313. Wittig, WM 1996, 1381 (1382); vgl. auch Schön, ZGR 2000, 706 (726). 71 Merkt, ZGR 2004, 305 (313); Wittig, WM 1996, 1381 (1382, 1385 f., 1389); vgl. auch Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 487–490. 72 Formulierung nach Schön, ZGR 2000, 706 (727). 73 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (10). 74 Vgl. zu diesem Argument Merkt, ZGR 2004, 305 (313). 75 Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (10 f.); ferner Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (48); ähnlich auch Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 497 f. 70

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

Zu bedenken ist jedoch, dass Klein- und Deliktsgläubiger gar nicht darauf angewiesen sind, sich selbst durch entsprechende Sicherungs- und Kontrollkautelen zu schützen: Wenn verhandlungsmächtige Großgläubiger der betreffenden Gesellschaft strenge Vorgaben in Bezug auf Bilanzierung, Kapitalquoten, Dividendenpolitik usw. machen, profitieren die Klein- und Deliktsgläubiger von einem reflexartigen Schutz76. Sinn und Zweck von financial covenants ist schließlich, Unternehmenskrisen und -insolvenzen präventiv zu verhindern. Dies und die Soliditätsvorgaben hinsichtlich der Kapitalbasis der Gesellschaft kommt allen Gläubigern gleichmäßig zugute. Indem die Großgläubiger den Kreditnehmer zwingen, „wertmaximierende statt suboptimaler Strategien zu ergreifen“ 77, sind sie quasi als Treuhänder der Interessen aller Gläubiger anzusehen. Freilich können die Großgläubiger versucht sein, ihre Position zulasten der Klein- und der Deliktsgläubiger zu stärken, zumal in einer heraufziehenden Krise78. Einem solchen drittschädigenden Verhalten ist jedoch besser mithilfe des allgemeinen zivilrechtlichen Instrumentariums beizukommen (man denke etwa an die Grundsätze der Übersicherung79 sowie an §§ 138, 826 BGB) als mit gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen Restriktionen. 3. Einfluss des MoMiG auf die Ausbreitung von financial covenants a) Absinken des gesetzlichen Schutzniveaus zwingt zur Privatinitiative Der Regierungsentwurf des MoMiG erhält die Eckpfeiler des gesetzlichen Kapitalschutzes. Er hat jedoch wie gezeigt das Niveau des davon ausgehenden strukturellen Gläubigerschutzes u. a. dadurch abgesenkt, dass er von der Rechtsprechung entwickelte Schutzinstrumente abgeschafft hat – man denke an die Lehre von den verschleierten Sacheinlagen, den Liquiditätsschutzgedanken des Novemberurteils und die Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Daraus kann abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber zwar das Kapitalschutzmodell nicht durch das privatautonome Gläubigerschutzsystem angelsächsischen Zuschnitts ersetzt hat – aber er hat der Rechtspraxis Anlass gegeben, zwecks Sicherstellung des gewünschten Gläubigerschutzniveaus auf maßgeschneiderte financial covenants auszuweichen. Das MoMiG hat die absehbare Veränderung der Rechtskultur insoweit nicht verordnet, sehr wohl aber veranlasst. Die Kautelarpraxis wird im Auftrag und im Interesse der Gläubiger entsprechende Vertragsklauseln entwickeln und anpassen müssen.

76 77 78 79

So Merkt, ZGR 2004, 305 (313 f.); zweifelnd Schön, ZGR 2000, 706 (727). Thießen, zitiert nach Wittig, WM 1996, 1381 (1390). Vgl. Merkt, ZGR 2004, 305 (314). Dazu etwa Heinrichs, in: Palandt67, § 138 Rn. 97.

B. Schutz der Gläubiger durch die Kautelarpraxis

235

b) Geringere Behinderung von financial covenants durch das Eigenkapitalersatzrecht Nach alter Rechtslage stellte sich das Eigenkapitalersatzrecht als Hemmnis für die Verwendung von financial covenants dar. Gesellschaftsfremde Kreditgeber sahen in der Vergangenheit vielfach von solchen Verträgen ab, weil sie Gefahr liefen, dass die ausgereichten Darlehen als Eigenkapitalersatz hätten behandelt werden können. Dies konnte sich bei gesellschaftsfremden Dritten aus § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. ergeben80: Der Bundesgerichtshof urteilte in verschiedenen Konstellationen, dass (1) mittelbar Unternehmensbeteiligte und (2) solche Dritte in den Anwendungsbereich des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. einbezogen seien, die ohne Anteilsbesitz, aber durch Nebenabreden die Geschicke der GmbH ähnlich wie ein Gesellschafter mitbestimmen könnten und am Ertrag teilhätten81. Dann entspreche ihre Stellung im wirtschaftlichen Ergebnis derjenigen eines Gesellschafters (Quasi-Gesellschafter82). Eine gesellschaftergleiche Stellung bringe aber auch gesellschaftergleiche Finanzierungsfolgenverantwortung mit sich83. Diese Argumentation erfasste grundsätzlich auch solche Fremdkapitalgeber, die sich im Wege von financial covenants weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft hatten einräumen lassen84. Im Schrifttum wurde diesbezüglich für eine differenzierende Interpretation des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. plädiert: Ein gesellschaftsfremder Fremdkapitalgeber solle dann nicht als Dritter i. S. d. genannten Vorschrift angesehen werden, wenn sich die jeweiligen covenants auf die bloße Kreditsicherung konzentrierten. Anderes mochte gelten, wenn die Kontrollrechte des Fremdkapitalgebers besonders ausgeprägt waren und ihm Einfluss auf Grundlagenentscheidungen der Gesellschaft einräumten85. Soweit der gesellschaftsfremde Fremdkapitalgeber von § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. erfasst wurde, blieb nur der Rekurs auf das Sanierungsprivileg des 80 Zu diesem Problemkreis Fleischer, ZIP 1998, 313 (314 ff.); Merkt, ZGR 2004, 305 (314). 81 Zuletzt BGH v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, NZG 2008, 507, Tz. 9 f.; dort fehlte es dem Dritten aber an unternehmerischem Einfluss auf die GmbH, sodass die Anwendbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts abgelehnt wurde, Tz. 11 ff. Weitere Beispiele: Atypisch stiller Beteiligter, BGH v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, BGHZ 106, 7. Atypischer Pfandgläubiger am Geschäftsanteil eines GmbH-Gesellschafters, BGH v. 13.7. 1992 – II ZR 251/91 (Pfandgläubiger), BGHZ 119, 191. 82 Fleischer, ZIP 1998, 313 (315 f.). 83 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b, Rn. 152. 84 Dazu Tillmann, DB 2006, 199 (200). 85 Fleischer, ZIP 1998, 313 (316, 319 ff.) macht diese Abgrenzung an der „Schädlichkeit“ des jeweiligen covenant fest. Eine Schädlichkeit sei generell bei der Kombination von Informations- und Einwirkungsrechten anzunehmen, die sich zu einer substantial control bzw. virtually complete control verdichtet hätten. Vgl. auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, §§ 32a, 32b, Rn. 154.

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

§ 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F.: Nach einer vereinzelten Ansicht gilt dieses nicht nur bei Anteilserwerb, sondern auch beim Erwerb unternehmerischer Kontrolle im Wege von financial covenants86. Um sicher zu sein konnte u. U. auch der Hinzuerwerb von Anteilen gem. § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F. angeraten sein87. Ausweislich der Begründung des MoMiG-Regierungsentwurfs soll die Rede von der wirtschaftlichen Entsprechung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F. den Regelungsgehalt von § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG a. F. fortführen.88 Damit droht einem fremdkapitalgebenden Verwender von financial covenants der Rangrücktritt seiner Forderungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F.) und die Insolvenzanfechtung von Rechtshandlungen, die für seine Forderungen Befriedigung gewährt haben (§§ 143, 135 Nr. 2 InsO n. F.). Letzteres spielt jedoch in der Praxis keine bedeutende Rolle.89 Ferner schützt die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gem. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. den Verwender solcher Klauseln vor der Umqualifizierung außerhalb der Insolvenz. Vor der Insolvenzeröffnung steht der Verwendung von financial covenants also nichts im Wege. Gelingt zudem das Vorhaben, mithilfe der financial covenants den Eintritt einer Krise bzw. der Insolvenz präventiv zu verhindern, entgeht der Verwender auch den eben skizzierten insolvenzrechtlichen Folgen. Außerdem kann sich der Fremdkapitalgeber, selbst wenn es zur Insolvenzeröffnung kommt, nach der eben geschilderten Ansicht u. U. auf das Sanierungsprivileg des § 39 Abs. 4 S. 2 InsO n. F. berufen. Es spricht daher viel dafür, dass sich die standardmäßige Verwendung entsprechender Sicherungs- und Kontrollklauseln nach dem MoMiG in Deutschland etablieren wird. 4. Tauglichkeit von financial covenants zum Gläubigerschutz angesichts der Rahmendaten der GmbH-Reform Vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Rahmendaten der GmbH-Reform spräche einiges für einen privatautonomen Ansatz zur Herstellung von Gläubigerschutz. Die vertraglichen Abreden wären unbehelligt vom Internationalen Gesellschaftsrecht und unterlägen der Rechtswahl der Parteien, Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB respektive Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom-I-VO90. Sie hingen auch nicht am Fortbestand des Kapitalschutzmodells, sondern passten sich ins Informationsmodell ein. Die entsprechenden Standards würden von Privaten fle86 Dies deckt sich zwar nicht mit dem Gesetzeswortlaut, ergibt sich aber aus historischer Auslegung der Vorschrift, so Tillmann, DB 2006, 199 (201 ff.). 87 Dazu Tillmann, DB 2006, 199 (203). 88 BT-Drucks. 16/6140, S. 137. 89 Merkt, ZGR 2004, 305 (316). 90 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO); gem. ihrem Art. 29 gilt die Verordnung ab dem 17.12.2009.

B. Schutz der Gläubiger durch die Kautelarpraxis

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xibel (fort-)entwickelt. Ferner könnten die Abreden unabhängig vom Bilanzrecht getroffen werden – oder, soweit die Abreden von Bilanzdaten abhängen sollten, könnten Ansatz- und Bewertungsregeln festgelegt oder pauschale Rechengrößen zugrundegelegt werden. III. Krisenprävention und -management durch die Kautelarpraxis: Typische Vertragsbestimmungen in financial covenants In financial covenants werden typischerweise Quoten von Eigen- zu Fremdkapital vorgegeben, Nachschusspflichten vereinbart, Kreditsicherheiten gewährt (Schuldbeitritte, Bürgschaften, Realsicherheiten), Publizitätspflichten übernommen, ein Verschuldungsgrad festgesetzt, Mindestanforderungen an den cash flow gestellt und dem Gläubiger unternehmerischer Einfluss zugestanden91. Eine typische Eigenkapitalklausel (net worth requirement) verlangt eine in absoluten Zahlen festgelegte Mindesthöhe des Eigenkapitals. Das ist § 5 Abs. 1 GmbHG nicht unähnlich, aber auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten und damit sehr viel wirkungsvoller. Ferner wird vereinbart, dass das Eigenkapital in regelmäßigen Abständen anzusteigen hat. Bezüglich der Verschuldung wird vereinbart, dass die Summe der Verbindlichkeiten im Verhältnis zum Eigenkapital eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten darf (gearing ratio). Dahinter steht der Gedanke, dass Fremdkapital erfolgsunabhängig verzinst wird und ein Gewinnrückgang bei hohem Fremdkapitalanteil daher zu Verlusten, zur Überschuldung und schließlich zum Kreditausfall in der Insolvenz führen kann, sofern der Fremdkapitalgeber nicht bereit ist, auf die Verzinsung zu verzichten. Hinsichtlich des Ertrags wird typischerweise vereinbart, dass der Gewinn vor Steuern und Zinsaufwendungen (EBIT) im Verhältnis zum gesamten Zinsaufwand nicht unter eine bestimmte Verhältniszahl absinken darf (interest cover ratio). Damit soll die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt werden. Im Hinblick auf die Liquidität wird verlangt, dass die kurzfristig realisierbaren Mittel die kurzfristigen Verbindlichkeiten um einen bestimmten Prozentsatz übersteigen müssen (current ratio). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die kurzfristige Liquidität das Kreditrisiko maßgeblich beeinflusst. Ergänzend wird vereinbart, dass dem Kreditgeber über die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der Zielvorgaben regelmäßig Bericht zu erstatten ist. Festgelegt werden auch die maßgeblichen Ansatz- und Bewertungsgrundsätze für die Bi91 Zu den nachfolgend skizzierten typischen Inhalten solcher financial covenants Wittig, WM 1996, 1381 (1382 ff.); Tillmann, DB 2006, 199 (200).

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

lanz sowie Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der Zielvorgaben92. Die Sanktion besteht regelmäßig darin, dem Kreditgeber weitergehende Sicherheiten bestellen und ihm Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Kreditnehmerin einräumen zu müssen. Ein Anspruch auf Einhaltung der Zielvorgaben ist ebenso nutzlos wie ein Schadensersatzanspruch. Insbesondere die weitreichende unternehmerische Einflussnahme birgt jedoch Risiken: So kann der Kreditgeber etwa wegen Schuldnerknebelung anderen Gläubigern des Kreditnehmers aus § 826 BGB haftbar sein93 und er kann den insolvenzrechtlichen Regeln über Gesellschafterdarlehen unterfallen94.

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung I. Besondere Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft: Insolvenzprophylaxe durch verhaltensbezogene Gesellschafterhaftung Financial covenants verwirklichen ein privatautonomes System der Krisenfrüherkennung und -vermeidung. Dazu werden in den für die Gläubiger relevanten Bereichen strengere als die gesetzlichen Regeln vereinbart. Indem sie die Kreditnehmerin mittels vertraglicher Pflichten zu insolvenzpräventivem Verhalten veranlassen, schützen sich die Gläubiger selbst vor dem Absinken des gesetzlichen Gläubigerschutzniveaus nach dem MoMiG. Anders stellt sich die Situation dar, wenn man das Augenmerk auf das Innenverhältnis zwischen einer GmbH und ihren Gesellschaftern lenkt. Kaum jemals werden hier im Gesellschaftsvertrag strengere als die gesetzlichen Regeln über die Finanzverfassung vereinbart. Vielmehr wollen die Gesellschafter unter dem Schutz des Haftungsprivilegs das größtmögliche Maß an unternehmerischer Freiheit genießen, das ihnen vom Gesetz eingeräumt wird. Je größer die unternehmerische Freiheit der Gesellschafter, desto weniger Rücksicht muss auf die Belange der Gesellschaft als eigenständiger juristischer Person genommen werden. Da das MoMiG den Gesellschaftern bei den Pflichten zur Kapitalaufbringung und -erhaltung weit entgegenkommt, wächst die unternehmerische Frei92 Zu den ergänzenden Sanktionsabreden in financial covenants Wittig, WM 1996, 1381 (1384 ff., 1389). 93 Vgl. etwa BGH v. 9.12.1969 – VI ZR 50/68, NJW 1970, 657 zur Haftung einer Bank gegenüber den Lieferanten eines zusammengebrochenen Unternehmens. Wittig, WM 1996, 1381 (1390) will das Sittenwidrigkeitsurteil davon abhängig machen, ob der Kreditgeber „erheblichen“ Einfluss im Sinne einer stillen Geschäftsinhaberschaft genommen habe. 94 Vgl. dazu bereits supra Kapitel 4 – B. II. 3. b).

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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heit. Ein Mehr an Freiheit bringt jedoch auch ein Mehr an Verantwortung mit sich. Es gilt daher, Leitlinien für die Ausübung unternehmerischer Freiheit zu entwickeln, um wirkungsvolle Insolvenzprophylaxe zu erreichen. An dieser Stelle sei auf die Forderung rekurriert, „ein System krisenorientierter [. . .] Gesellschafterpflichten zu entwickeln.“ 95 Die maßgeschneiderten Zielvorgaben der financial covenants wird das Gesellschaftsrecht nicht liefern können. Dennoch kommt es auf eine insolvenzpräventive Verhaltenssteuerung im Interesse der Gesellschaft an, zumal in Anbetracht der oben dargestellten Auswirkungen des MoMiG auf die Wahrscheinlichkeit masseloser Insolvenzen. Das Instrument, mit dem Anreize zur Insolvenzprävention geschaffen werden können, ist eine verhaltensbezogene96 Gesellschafterhaftung. Eine solche ist auch deshalb wichtig, weil financial covenants wegen des mit ihnen verbundenen Aufwands im Einsatzbereich kleiner Gesellschaften mbH nicht zum Standardrepertoire potentieller Gläubiger gehören. Es lohnt sich kaum, gegenüber solchen Gesellschaften größere Kreditrahmenverträge auszuhandeln. Daran ändert auch das Entstehen einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Gläubigerschutzkultur nichts. Die Verhaltenssteuerung durch derlei Abreden fällt im Einsatzbereich der genannten Kleingesellschaften mithin aus. Gleiches gilt bei größeren Gesellschaften, denen kein Gläubiger Verpflichtungen durch financial covenants abgerungen hat. Wirksame Insolvenzprophylaxe setzt dementsprechend haftungsbewehrte Gesellschafterpflichten voraus. II. Der Streit um die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung 1. Problemaufriss: Pflichtenbindung bei der Kapitalausstattung? Bislang leistete ein äußerst formales Verständnis von der Institution des Mindeststammkapitals der Unterkapitalisierung Vorschub: Die dominierende Auffassung besagt, das GmbHG verlange lediglich die Aufbringung des Mindeststammkapitals und stelle keine weiteren Anforderungen an die Gewährung des Haftungsprivilegs, insbesondere verlange es keine dem Geschäftsumfang angemessene Eigenkapitalausstattung97. In den Worten des Bundesgerichtshofs ist die Pflicht zur Aufbringung und Erhaltung des Mindeststammkapitals der allei95

Vgl. Kapitel 4 – Fn. 60. Auch die Trihotel-Doktrin ist eine verhaltensbezogene Haftung; dazu Goette, DStR 2007, 1593 (1594). 97 BGH v. 4.5.1977 – VIII ZR 298/75 (Fertighaus), BGHZ 68, 312 (319). In diesem Sinne auch Vonnemann, GmbHR 1992, 77 (78); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5. Vgl. dazu Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 44. 96

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

nige „Preis“ des Haftungsprivilegs98. Nur insoweit sei das Vertrauen der Gläubiger schützenswert99. Habe der Gesellschafter diesen „Preis“ entrichtet, sei ihm das Haftungsprivileg „im Großen und Ganzen“ 100 nicht mehr zu nehmen. Abgesehen vom Mindeststammkapital sei die Kapitalausstattung ins unternehmerische Ermessen der Gesellschafter gestellt101. Konsequent lehnt diese Ansicht eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten ab, auch wenn sie erheblich weniger als die nach dem konkreten Geschäftsumfang erforderlichen Eigenmittel aufgebracht hatten102. 2. Im Schrifttum vertretene Positionen zur Unterkapitalisierungshaftung a) Unterkapitalisierungshaftung bei materiellem Verständnis des Kapitalschutzsystems Die formelle Argumentation mit dem Mindeststammkapital führte ab den 1960er Jahren zu Widerspruch des Schrifttums, das mit teleologischen Argumenten für eine materiellere Sicht des Mindeststammkapitals und eine entspre98

So BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 (322). Heider, in: Münch. Komm. z. AktG2, § 1 Rn. 72. 100 So die Formulierung Goettes im Interview mit dem Handelsblatt, Nachweis in Kapitel 2 – Fn. 516. 101 Zuletzt BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 23 f.; zum Ganzen auch Heider, in: Münch. Komm. z. AktG2, § 1 Rn. 72. Vereinzelt wird der Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung vorgerworfen, sie habe nachteilige volkswirtschaftliche Folgen. So heißt es bei Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 195, 201, die Anerkennung der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung „hätte eine enorme Verschlechterung des Wirtschaftsklimas für Unternehmensgründungen in Deutschland zur Folge.“ Dem ist zu entgegnen, dass die Gesellschaftsrechte der US-Bundesstaaten seit langem eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung kennen, mag sie auch umstritten sein (dazu Merkt/Göthel, USamerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 390, und zur rechtspolitischen Debatte um die Durchgriffshaftung in den USA Rn. 413 ff.). Dennoch kann keine Rede davon sei, dass das Wirtschaftsklima für Unternehmensgründungen in den USA schlecht sei. Viele Faktoren beeinflussen das Wirtschaftsklima: Konjunkturelle, infrastrukturelle und steuerliche mögen ein ebenso großes Gewicht haben wie rechtliche Rahmenbedingungen. Und unter den Letztgenannten ist die Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung wiederum nur ein einzelnes Element. Die Befürchtung einer Verschlechterung des Wirtschaftsklimas scheint also auf einer allzu monokausalen Vorstellung zu beruhen. 102 Zur Entwicklung der diesbezüglichen BGH-Rechtsprechung Raiser, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 156; Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3b. Zu den im Streitstand gebrauchten Argumenten Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (182 ff.); Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, S. 619 (624). Zur aktuellen Diskussion um die einschlägige Entscheidung des BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, siehe infra Kapitel 4 – C. II. 4. Anders die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das bei Unterkapitalisierung von einem Missbrauch der Rechtsform der juristischen Person ausging, siehe BSG v. 7.12.1983 – 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76. 99

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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chende Gesellschafterhaftung plädierte: Seine Funktion als Befriedigungsreserve für die Gläubiger könne das Stammkapital nur dann erfüllen, wenn seine Höhe am Geschäftsumfang der Gesellschaft ausgerichtet sei103. Der Fragenkreis ist seit vielen Jahren streitig104. Im Schrifttum wird eine Haftung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wegen materieller Unterkapitalisierung mehrheitlich befürwortet105. Streitig ist jedoch die Ausgestaltung und die dogmatische Begründung einer solchen Haftungsfigur. b) Durchgriffs- oder Binnenhaftung? Unter denjenigen, die an den Zustand der materiellen Unterkapitalisierung Haftungsfolgen knüpfen wollen, ist die Befürwortung einer Durchgriffshaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gängig106 (sog. echter Durchgriff107). Teilweise wird auch für eine Binnenhaftung plädiert. Abgeleitet wurde letztere Ansicht aus der Selbständigkeit der juristischen Person. Sie sei in einer

103 Aus der Literatur statt vieler Blaurock, Einfluss im Unternehmen und die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur, in: FS Stimpel, S. 553 (559). 104 K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4a: „Das wohl brennendste Gläubigerschutzproblem im Zusammenhang mit dem Durchgriff ist das der Unterkapitalisierung von Gesellschaften.“ Zum Meinungsstand ausführlich Ulmer, in: Hachenburg, Großkomm., I. Bd.8, Anh. § 30 Rn. 36 ff. 105 Bitter, WM 2001, 2133 (2136, 2139 ff.); Blaurock, Einfluss im Unternehmen und die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur, in: FS Stimpel, S. 553 (558 ff.); Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 479; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 81 ff.; Flume, BGB AT I/2 – Die juristische Person, § 3 III 1; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 400 ff.; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 13 Rn. 7; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, passim; Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (676 ff.); Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3b; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 330, 336 ff. Differenziert Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 44; zurückhaltender K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4, § 18 II 5, § 37 III 7; einschränkend Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt67, Einf. vor § 21, Rn. 12b; bei hochriskanten Spekulationsgeschäften auch Veil, ZGR 2006, 374 (395). Weitere Nachweise bei Heider, in: Münch. Komm. z. AktG2, § 1 Rn. 71, Fn. 169, und in BGH v. 4.5.1977 – VIII ZR 298/75 (Fertighaus), BGHZ 68, 312 (316 f.). Ablehnend etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 6; Ulrich, GmbHR 2007, 1289 (1291 f.); Vonnemann, GmbHR 1992, 77 ff.; aus Praktikersicht Philipp/Weber, DB 2006, 142 ff. 106 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 403, 416; Jacob, GmbHR 2007, 796 (797 ff.); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 46; Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (676 ff.); Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 4 III 1b, § 10 IV 3b. Aus der Rspr BSG v. 7.12.1983 – 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76. 107 Zur Unterscheidung zwischen echtem und unechtem Durchgriff vgl. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 185; ferner Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 90.

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

Sonderbeziehung mit dem Gesellschafter verbunden. Die Ausstattung der Gesellschaft mit nur ungenügendem Kapital verletze die Pflicht des Gesellschafters zur Achtung dieser Selbständigkeit bzw. verletze seine Finanzierungsverantwortung gegenüber der juristischen Person108. c) Dogmatische Begründung der Durchgriffshaftung (1) Missbrauchslehre Die grundsätzliche Trennung109 zwischen der juristischen Person und der hinter ihr stehenden natürlichen Personen soll nach der Missbrauchslehre ausnahmsweise dann durchbrochen werden, wenn die juristische Person missbräuchlich eingesetzt wird. Manche wollten den Missbrauch subjektiv bestimmen: Danach sollte es darauf ankommen, ob die Gesellschafter durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person etwa ein Gesetz umgehen oder Dritte fraudulös schädigen wollten110. Jedenfalls in letzterem Falle erscheint ein echter Durchgriff aber unnötig, da die Gesellschafter bereits aus § 826 BGB haftbar sein dürften. Andere lehrten, es sei nach objektiven Kriterien zu ermitteln, ob die juristische Person missbräuchlich eingesetzt werde. Das sei dann zu bejahen, wenn die juristische Person ordnungswidrig, funktionswidrig oder zweckentfremdet eingesetzt werde111. Aufgrund der Unklarheit der benutzten Kriterien ist die Missbrauchslehre in ihren verschiedenen Ausprägungen auf überwiegende Ablehnung gestoßen112. (2) Normzwecktheorie In jüngerer Zeit wird nicht mehr auf den Missbrauch der juristischen Person abgestellt, sondern auf die konkret in Rede stehende Norm geblickt113. Bei der 108 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 330, 336 ff.; ähnlich Flume, BGB AT I/2 – Die juristische Person, § 3 III 1 und K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4c und § 37 III 7. Vgl. ferner die Nachweise bei Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 86a, 87. 109 Zum Trennungsprinzip bereits RG v. 30.11.1937 – VII 127/37, RGZ 156, 271 (277): „Trennung des Vermögens [der GmbH] von dem ihrer Gesellschafter“. Vgl. auch Heider, in: Münch. Komm. z. AktG2, § 1 Rn. 44. 110 In diesem Sinne grundlegend Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, passim. Als zu eng abgelehnt durch BGH v. 30.1.1956 – II ZR 168/54, BGHZ 20, 5 (13). 111 Zur objektiven Missbrauchstheorie K. Schmidt, GesR4, § 9 II 1a, m.w. N.; vgl. auch OLG Naumburg v. 9.4.2008 – 6 U 148/07, GmbHR 2008, 1149, Tz. 11. 112 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 79a m.w. N. Anders aber dagegen BGH v. 10.12.2007 – II ZR 239/05 (Kolpingwerk e. V.), DStR 2008, 363 (364), auch wenn eine Durchgriffshaftung letztlich verneint wurde.

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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Durchgriffshaftung von GmbH-Gesellschaftern geht es also um die Frage, unter welchen Voraussetzungen § 13 Abs. 2 GmbHG unangewendet bleiben114 bzw. teleologisch reduziert115 werden kann. Zur Herleitung der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung ist der Blick auf die innere Rechtfertigung der in § 13 Abs. 2 GmbHG angeordneten Haftungsbeschränkung zu richten: Diese ergebe sich aus dem Zusammenspiel der Haftungsbeschränkung mit der Kapitalsicherung, das die Gesellschafter nicht unbeachtet lassen dürfen, wenn sie sich auf das Haftungsprivileg berufen wollen116. Die formale Argumentation, mit Aufbringung des Mindeststammkapitals hätten sich die Gesellschafter in jedem Fall das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG verdient, ist nach der Lesart der Normanwendungstheorie mit Blick auf Sinn und Zweck der Institution des Garantiekapitals zu hinterfragen117. Die GmbH müsse also mit einem angemessenen Stammkapital ausgestattet werden, das es ihr ermögliche, jedenfalls zu Beginn ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Nur so könne die Institution des Stammkapitals ihren gläubigerschützenden Zweck als Haftungsfonds erfüllen118. Selbstverständlich heißt dies nicht, dass der GmbH-Gesellschafter wie ein Personengesellschafter stehen soll. 3. Position der Rechtsprechung zur Unterkapitalisierungshaftung a) Position der Rechtsprechung im angloamerikanischen Rechtskreis (1) USA Zugunsten deliktischer Gläubiger hat die Rechtsprechung in den USA eine Durchgriffshaftung wegen anfänglicher Unterkapitalisierung anerkannt. Eine Gesellschaft wird dann als unterkapitalisiert angesehen (shell corporation), 113 Dazu überblicksartig Fock, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 1 Rn. 45. Es geht um den Normzweck der gesetzlichen Vorschriften über Mindestkapitalhöhe, Kapitalaufbringung und -erhaltung, Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5 m.w. N. Das Entstehen der Normzwecktheorie schildert Flume, BGB AT I/2 – Die juristische Person, § 3 I. 114 So offenbar BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (187); OLG Naumburg v. 9.4.2008 – 6 U 148/07, GmbHR 2008, 1149, Tz. 10. 115 Grundlegend zur Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 400 ff., 410. Für die Zwecke einer Ausfallhaftung wegen eindeutiger Unterkapitalisierung siehe auch Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (677 ff.). Vgl. ferner Bitter, WM 2001, 2133 (2139 f.); Jacob, GmbHR 2007, 796 (797). 116 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 400 ff., 410; ebenso Winkler, BB 1969, 1202 (1205). 117 Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 IV 3b; Winkler, BB 1969, 1202 (1205): „Die gesamte Regelung der beschränkten Haftung hat nur dann einen Zweck, wenn eine Relation zwischen Haftungsfonds und Unternehmen besteht.“. 118 Blaurock, Einfluss im Unternehmen und die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur, in: FS Stimpel, S. 553 (559).

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

wenn ihre Kapitalausstattung nicht in angemessenem Verhältnis zu dem bei der Gründung zu erwartenden Geschäftsrisiko stand.119 Regelmäßig muss aber noch mindestens ein weiterer Umstand hinzutreten, damit der Haftungsdurchgriff gerechtfertigt werden kann.120 (2) Großbritannien Die englische Rechtsprechung steht, wie anlässlich der Darstellung wesentlicher Merkmale der Limited erwähnt, einem lifting the corporate veil bei unzureichender Kapitalausstattung seit langem kategorisch ablehnend gegenüber121. b) Frühere Position der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland (1) Position des Bundesgerichtshofs Die Haltung der einzelnen Senate war und ist bezüglich des Problems der materiellen Unterkapitalisierung uneinheitlich. Der VIII. Zivilsenat lehnte die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung in einem Judikat aus dem Jahre 1977 entschieden ab. Er führte aus, Unterkapitalisierung „rechtfertig[e] weder für sich allein, noch dann ohne weiteres einen Haftungsdurchgriff [der Gesellschaftsgläubiger] gegen die Alleingesellschafterin, wenn die GmbH finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in diese eingegliedert ist.“ 122

Ganz anders liest sich demgegenüber das obiter dictum des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats aus demselben Jahr. In Bezug auf eine Vor-GmbH & Co. KG verweigerte der Senat aus revisionsrechtlichen Gründen die Auseinandersetzung mit der Unterkapitalisierungsproblematik. Daher mochte es „auf sich beruhen, ob der engen [sic!] Auffassung, die der VIII. Zivilsenat des BGH unlängst [. . .] zur Haftung eines Gesellschafters wegen Unterkapitalisierung und 119

Minton v. Cavaney, 364 P.2d 473 (Cal.1961). Näheres zum Ganzen bei Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 390. 121 Dazu bereits supra Kapitel 2 – A. IV. 2. b) (5). 122 BGH v. 4.5.1977 – VIII ZR 298/75 (Fertighaus), BGHZ 68, 312, 1. Leitsatz. Die Entscheidung des BGH v. 8.7.1970 – VIII ZR 28/69 (Siedlerverein), BGHZ 54, 222 stellt aus Sicht der Normzwecktheorie nur scheinbar die Anerkennung der Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung dar. Denn das in diesem Fall einschlägige Vereinsrecht kennt keine Regelungen, die den Vorschriften über die Finanzverfassung der GmbH und der AG vergleichbar wären. Die Durchgriffshaftung beim e. V. hätte also gar nicht auf das Zusammenspiel von Kapitalsicherung und vermögensrechtlichem Trennungsprinzip gestützt werden können. Dies erkennt jüngst auch ausdrücklich BGH v. 10.12.2007 – II ZR 239/05 (Kolpingwerk e. V.), DStR 2008, 363 (365): „Strukturelle Unterschiede zwischen der GmbH und dem Idealverein“. 120

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zum Haftungsdurchgriff vertreten hat, in Anbetracht neuerer, auch in der Rechtsprechung des II. Zivilsenats zu verzeichnender Tendenzen zu einem verstärkten Gläubigerschutz gefolgt werden [könne]“ 123.

Dessen ungeachtet nahm sich der BGH dem Unterkapitalisierungsproblem in anderer Form an: So wurde bei materieller Unterkapitalisierung eine Haftung der Gesellschafter aus dem selbständigen Verpflichtungsgrund des § 826 BGB wegen sittenwidriger Gläubigerschädigung bejaht124. Dies bezeichnet man als unechten Durchgriff, um deutlich zu machen, dass rechtstechnisch gerade nicht durch die juristische Person hindurchgegriffen wird125. Für das Problem der nominellen Unterkapitalisierung wurden die Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelt und auch nach der GmbH-Novelle von 1980 fortgeführt126. Außerdem werden der nach der Jahrtausendwende entwickelten Existenzvernichtungshaftung in der Literatur Überschneidungen mit der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung nachgesagt: Ebenso wie der nachträgliche Ressourcenabzug müsse auch die anfängliche Ressourcenverwehrung die Existenzvernichtungshaftung auslösen können127. Bemerkenswert ist freilich, dass der Bundesgerichtshof in jüngerer Zeit angesichts der Herausforderung des Kapitalschutzmodells durch das Internationale Gesellschaftsrecht und das MoMiG gegenüber der Durchgriffshaftung offener geworden zu sein schien. Die tradierten Topoi verfangen mit zunehmendem Schwund des Kapitalschutzmodells immer weniger128. So argumentierte der VII. Zivilsenat im Überseering-Vorlagebeschluss, 123 BGH v. 13.6.1977 – II ZR 232/75, NJW 1977, 1683 (1686). In BGH v. 14.12. 1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (271) hatte der Senat in einem Fall der nominellen Unterkapitalisierung ausgeführt, die Darlehenszuführung durch den Gesellschafter stelle keinen Missbrauch der Rechtsform der juristischen Person dar, der einen Haftungsdurchgriff rechtfertigen könne. 124 BGH v. 30.11.1978 – II ZR 204/76, NJW 1979, 2104; vgl. dazu K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4c m.w. N. in Fn. 93. In Bezug auf die Existenzvernichtungshaftung hat in jüngerer Zeit Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (489 ff.) gezeigt, wie diese als Außenhaftung gem. § 826 BGB ausgestaltet werden kann. 125 Zur Unterscheidung zwischen echtem und unechtem Durchgriff vgl. schon supra Kapitel 4 – Fn. 107. 126 Zur Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln grundlegend BGH v. 26.3.1984 – II ZR 14/84 (Nutzfahrzeug), BGHZ 90, 370. 127 So insbesondere Altmeppen, NZG 2003, 145 (148 f.); ferner Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (440); Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 13 Rn. 11; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 46; Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295 f.). Ablehnend Philipp/Weber, DB 2006, 142 (144 f.); Weller, ZIP 2007, 1681 (1684). In jüngerer Zeit hat OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388 die Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung angesehen. Vgl. zum Ganzen auch Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 87, 93. 128 So auch Goette, DStR 2007, 1593, ebenda [Hervorhebungen vom Verf.]: „Unser Kapitalschutzsystem beruht – jedenfalls nach dem bisherigen Recht – auf der Vorstellung, dass [. . .]“.

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„die Bedeutung etwa des Gesellschaftskapitals [hänge] unter anderem von den Anforderungen ab, die an einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter gestellt [würden].“ 129

(2) Position anderer Bundesgerichte Anders als der BGH hat das Bundessozialgericht die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung anerkannt130. Das Bundesarbeitsgericht zeigte sich obiter einer solchen Haftung zugeneigt (jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände, die so schwer wögen, dass die Haftung nicht mehr allein auf die Unterkapitalisierung gestützt werden müsse)131, distanzierte sich jedoch später wieder davon132. c) Das Gamma-Urteil des BGH Gefragt, ob die Einführung der UG die Aktivierung der Lehre von der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung verlange, machte der Vorsitzende Richter des II. Zivilsenats im Jahre 2007 deutlich, der BGH werde die notwendigen Instrumente entwickeln, um opportunistisches Gesellschafterverhalten zu sanktionieren133. Vor diesem Hintergrund war nicht unbedingt zu erwarten, dass der II. Zivilsenat die Figur einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung in einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 2008 nachdrücklich verwerfen würde. Die Richter führten aus, eine solche Haftung sei (a) gesetzlich nicht normiert, vielmehr habe sich der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit bewusst nur für ein Mindeststammkapital entschieden134. Es gebe auch (b) keine Veranlassung für eine entsprechende Rechtsfortbildung, da die Systematik des Kapitalschutzmodells allein die Aufbringung und Erhaltung des Mindeststammkapitals, aber keine „mitwachsende“ Finanzierungspflichten kenne135. Im Übrigen sei es (c) unmöglich, das betriebswirtschaftlich notwendige Eigenkapital zu berechnen136. (d) Allein das Deliktsrecht komme als Unterkapitalisierungskorrektiv in 129

BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 (413). BSG v. 7.12.1983 – 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76. 131 Vgl. BAG v. 3.9.1998 – 8 AZR 189/97, NJW 1999, 740 (741). In BAG v. 19.1.1988 – 3 AZR 263/86, BAGE 57, 198 (204) wurde die offensichtliche Unterkapitalisierung als anerkannte Fallgruppe der Durchgriffshaftung bezeichnet. 132 BAG v. 10.2.1999 – 5 AZR 677/97, NJW 1999, 2299; vgl. auch Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 42. 133 Goette, Status:Recht 2007, 236 (237). 134 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 18 bis 20; zustimmend Veil, NJW 2008, 3264 (3266). 135 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 22 f.; zustimmend Kleindiek, NZG 2008, 686 (688). 130

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Betracht, wobei offen gelassen werden könne, ob ein entsprechender generalisierender Haftungstatbestand als Fallgruppe des § 826 BGB etabliert werden müsse137. Im Ergebnis sprach der Senat den Gesellschaftsgläubigern Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB zu, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Unterkapitalisierung138. 4. Stellungnahme zum Gamma-Urteil des BGH Zutreffend verwirft das Gamma-Urteil eine gesellschaftsrechtlich fundierte, verschuldensunabhängige Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung. Gleichwohl bietet das Judikat auch Anlass zu Kritik. An dieser Stelle soll es allein um die Aussagen des Urteils zur Unterkapitalisierungshaftung gehen; auf die Aussagen zur Existenzvernichtungshaftung wird im weiteren Verlauf der Arbeit zurückzukommen sein. a) Wille des Gesetzgebers Zur Zeit der unangefochtenen Geltung des Kapitalschutzmodells sprach viel für die Ablehnung der Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung. Das Kapitalschutzmodell hatte den Anspruch, den Gläubigerschutz mit einem umfassenden System von Regelungen zu verwirklichen. Allenfalls bei echten Lücken blieb Raum für die Kreativität von Wissenschaft und Rechtsprechung. Hinsichtlich der Unterkapitalisierung mochte es zwar eine reale Schutzlücke geben, aber nach dem formellen Verständnis des Mindeststammkapitals gab es jedenfalls keine Regelungslücke. Dies erwuchs aus einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, der nicht jedes Restrisiko der Gläubiger abfangen konnte und wollte139. Vor allem wegen der Unbestimmbarkeit des Begriffs der materiellen Unterkapitalisierung hatte der Reformgesetzgeber anlässlich der GmbH-Novelle von 1980 die Aufnahme einer Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ausdrücklich abgelehnt: Er sah sie als „nicht durchführbar“ an140. Demgegenüber hat der BGH m. E. unrecht, wenn er meint, die Begründung zum Regierungsentwurf des MoMiG sei in dieser Frage ebenso eindeutig. Einerseits heißt es dort im Hinblick auf die abgesenkte Höhe des Mindeststamm136 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 24; zustimmend Kleindiek, NZG 2008, 686 (688) und Veil, NJW 2008, 3264 (3266). 137 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 25, 30. 138 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 27–29. Dies bezog sich aber nur auf den konkreten Fall, vgl. Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1202). Der Entwicklung einer Binnenhaftung wegen Unterkapitalisierung sind damit keine Grenzen gesetzt. 139 Vgl. Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 199. 140 BT-Drucks. 8/1347, S. 38.

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kapitals zwar, eine Unterkapitalisierungshaftung sei bewusst nicht vorgesehen; gleichzeitig aber überlässt die Begründung Rechtsfragen der Eigenkapitalausstattung und der damit zusammenhängenden Kreditwürdigkeit der Praxis.141 Das hätte Raum für Rechtsfortbildung gelassen. Außerdem führt die Begründung im Zusammenhang mit der neuen Geschäftsführerhaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. aus, „der Entwurf [beabsichtige] keine abschließende Regelung der Existenzvernichtungshaftung und greif[e] demgemäß der weiteren Rechtsfortbildung nicht vor.“ 142

Angesichts der von vielen Autoren konstatierten Überschneidungen143 von Existenzvernichtungshaftung und Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung müsste eine deutliche Absage des Gesetzgebers an eine Unterkapitalisierungshaftung anders aussehen; dies umso mehr, weil am 23.5.2007, als der Regierungsentwurf zum MoMiG vorgelegt wurde, bereits bekannt war, dass das OLG Düsseldorf am 26.10.2006 die Frage, ob die Unterkapitalisierung eine Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung darstelle, bejaht hatte, und dass sich dem BGH im Rahmen der Revision in dieser Sache genau die vom Regierungsentwurf angesprochene Möglichkeit der weiteren Rechtsfortbildung eröffnet hatte. Man kann aus der Gesetzesbegründung durchaus folgern, der Gesetzgeber habe einer wie auch immer gearteten Unterkapitalisierungshaftung nicht im Wege stehen und die Konzipierung einer solchen Wissenschaft und Praxis überlassen wollen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber im Jahre 1998 in § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung bezüglich öffentlich-rechtlicher Altlastenverantwortlichkeit festgeschrieben144. Offenbar kommt in den Augen der Legislative eine Unterkapitalisierungshaftung in Betracht, wenn nur der Wert des Schutzguts für ausreichend hoch erachtet wird. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des MoMiG die Ansicht vertrat, jedenfalls in Bezug auf die UG müsse an eine Verschärfung der Durchgriffshaftung, auch wegen materieller Unterkapitalisierung, oder an Schaffung größerer Transparenz gedacht werden145.

141

BT-Drucks. 16/6140, S. 70. BT-Drucks. 16/6140, S. 112. Dem folgt Ulrich, GmbHR 2007, 1289 (1292) etwas unreflektiert. 143 Nachweise infra in Kapitel 4 – Fn. 357. 144 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 45. 145 BR-Drucks. 354/07, S. 7 f. Noch weiter, nämlich auch die GmbH erfassend, Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, S. 619 (625). 142

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b) Legitimationskrise des Kapitalschutzmodells und die Rolle der Durchgriffshaftung nach dem Absinken des Gläubigerschutzniveaus Die in Kapitel 3 herausgearbeiteten Lücken im Gläubigerschutzsystem des MoMiG, vor allem im Stadium vor der Insolvenz, hätten Anlass gegeben, die Unterkapitalisierungsproblematik neu zu denken. Der BGH hätte im GammaUrteil nicht die alte Kontroverse um die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung entscheiden brauchen. Er hätte m. E. besser daran getan, die jüngeren Rechtsentwicklungen zu berücksichtigen, welche das Kapitalschutzmodell unter Druck gesetzt haben. Diese lassen die Problematik der materiellen Unterkapitalisierung in neuem Licht erscheinen: Der strikte Rekurs des BGH darauf, dass das Kapitalschutzsystem allein die Aufbringung und Erhaltung des Mindeststammkapitals verlange, vermag nicht mehr zu überzeugen, seitdem das Kapitalschutzsystem einem dreifachen Paradigmenwechsel (Kapitel 2) ausgesetzt ist, die Kapitalaufbringung durch das MoMiG dereguliert und die bilanzorientierte Kapitalerhaltung durch das BilMoG verwässert wurde. Es ist zwar freilich richtig, dass die Anerkennung einer fortlaufenden „Finanzausstattungspflicht“ die Rechtsform der GmbH insoweit in Frage stellen würde, als dass dies mit der Konzeption kollidiert, wonach die Gründung einer GmbH vereinfacht ausgedrückt Haftungsbeschränkung gegen Mindeststammkapital gewährt146. Richtig ist aber auch, dass eine Gesellschaft mit unangemessen niedrigem Stammkapital nicht zur Überwälzung exzessiver Risiken auf die Gesellschaftsgläubiger eingesetzt werden darf147 – zumal bereits dargelegt wurde, weshalb sich in Europa die Ansicht durchgesetzt hat, das Mindeststammkapital tauge kaum für effektiven Gläubigerschutz148. Es ist deutlich zu Tage getreten, dass Unterkapitalisierung eine immanente Schwäche des Kapitalschutzmodells ist. Daher hätte sich die Chance geboten, den kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz um eine flexiblere, mehr auf das heutige Verständnis von Funktion und Grenzen des Mindeststammkapitals bezogene Haftungsfigur zu ergänzen. Schließlich muss Gläubigerschutz auch in Zukunft und bei Gesellschaftsformen gewährleistet werden können, die kein Mindeststammkapital kennen (bspw. UG, Limited, EPG). In diese Richtung zeigten auch Stellungnahmen des Schrifttums zum Absinken des Gläubigerschutzniveaus nach dem MoMiG149. Bereits in der Diskussion um den Referentenentwurf des MoMiG, der die UG noch gar nicht enthielt, 146 So BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 23; Kleindiek, NZG 2008, 686 (688). 147 Vgl. OLG Naumburg v. 9.4.2008 – 6 U 148/07, GmbHR 2008, 1149, Tz. 10; hilfsweise wurde dort auch § 826 BGB bejaht, Tz. 14. 148 Dazu supra Kapitel 2 – B. III. 3. 149 Exemplarisch Habersack, ZGR 2008, 533 (557).

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hieß es, der Streit um die materielle Unterkapitalisierung werde wieder virulent und die Literaturmeinung, die eine daran geknüpfte Gesellschafterhaftung bejaht, müsse ein „neues, ungleich größeres Gewicht als bisher“ 150 erlangen151. Eidenmüller sah dementsprechend im „unreflektierten Beibehalten des Festkapitalsystems“ mit einer abgesenkten Mindeststammkapitalziffer eine Einladung des Gesetzgebers an die Rechtsprechung, die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung zu etablieren152. Ebenso beurteilte dies Raiser für den Fall, dass das MoMiG Gläubigerschutz künftig stärker durch Vorschriften zu verwirklichen suchen sollte, die den Geschäftsführer in die Haftung nähmen. Ein solches werde nämlich der personalistischen Struktur der GmbH und der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers (§ 37 Abs. 1 GmbHG) nicht gerecht153. Bereits beim Vorschlag der UG empfahl der Bundestagsabgeordnete Gehb zusätzlich eine besondere Gesellschafterhaftung im Sinne eines piercing the corporate veil 154. Eine Haftung wegen Unterkapitalisierung bezeichnet er freilich unter Berufung auf die Fertighaus-Entscheidung155 des BGH als „fragwürdig“. Dahinter steht wohl die Befürchtung, eine solche würde häufig die vom selben Autoren vorgeschlagene UG treffen. Jedoch könne eine verhaltensbezogene Haftung dann in Betracht kommen, wenn ein Gläubiger über die wahre Vermögenslage der unterkapitalisierten Gesellschaft getäuscht werde156. c) Unmöglichkeit der Berechnung des notwendigen Eigenkapitals? Den Kritikern der Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung ist zuzugeben, dass die Bestimmung des individuellen Eigenkapitalbedarfs einer Gesell-

150 Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, S. 619 (625 ff.). 151 Unabhängig vom MoMiG auch bereits Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (19 ff.), der eine Binnenhaftung wegen materieller Unterkapitalisierung erwägt, um Gläubigerschutz auch ohne Mindestkapitalsystem verwirklichen zu können. 152 Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (187 f.). 153 Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, S. 619 (632). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Kritik an § 64 S. 3 GmbHG n. F.; dazu supra Kapitel 3 – C. I. 2. c) (6). 154 Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (94). 155 BGH v. 4.5.1977 – VIII ZR 298/75 (Fertighaus), BGHZ 68, 312. 156 Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (95). Übersehen wird dabei, dass die Gesellschafter keinesfalls immer nach außen auftretende und zur Gläubigertäuschung fähige Geschäftsführer sind. Außerdem sind die Informationsmöglichkeiten der Gläubiger nach dem EHUG zu bedenken, bevor Haftungsfolgen an falsche Darstellungen hinsichtlich der Vermögenslage einer Kapitalgesellschaft geknüpft werden. Liegt jedoch tatsächlich eine schädigende Täuschung vor, so bedarf es keiner besonderen Regelung, da mit § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB bereits eine Anspruchsgrundlage für diese Fälle zur Verfügung steht.

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schaft und damit die tatbestandliche Fassung einer entsprechenden Haftungsfigur die größte Herausforderung ist. Die Herausforderung lässt sich aber bewältigen, wenn man nicht für jede einzelne Gesellschaft eine individuell berechnete Stammkapitalziffer fordert, sondern sich für alle Gesellschaften auf eine feste prozentuale Quote einigt, die den Anteil des aus Gesellschafterhand stammenden Kapitals an der Bilanzsumme vorgibt. Die individuellen Daten der Gesellschaft können dann in einer Gesamtschau Berücksichtigung finden, die darüber entscheidet, ob trotz Unterschreiten der festen prozentualen Quote ggf. keine Unterkapitalisierung vorliegt. Dieser Vorschlag wird unten vertieft157. d) Deliktsrechtliche Grenzen der Unterkapitalisierung Beizupflichten ist dem BGH darin, dass die Haftung für mangelhafte Finanzausstattung nicht in einem gesellschaftsrechtlich fundierten echten Durchgriff anzusiedeln ist, sondern „im Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB), namentlich in dem Verbot vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Gläubiger i. S. des § 826 BGB.“ 158

Diese Position wird erstens den internationalgesellschaftsrechtlichen Implikationen einer Unterkapitalisierungshaftung gerecht, auf die zurückzukommen sein wird159. Zweitens verstößt eine echte Durchgriffshaftung gegen das kapitalgesellschaftsrechtliche Grundprinzip der Selbständigkeit der juristischen Person. Der Bundesgerichtshof hat den Befürwortern einer echten Durchgriffshaftung stets entgegengehalten, über die Rechtsfigur der juristischen Person dürfe „nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden.“ 160 Diese Ausführungen des BGH aus dem Jahre 1956 überzeugen vollumfänglich; sie haben sich in seiner eigenen Rechtsprechung freilich nicht immer niedergeschlagen: Nach den Urteilen des BGH in den Rechtssachen Bremer Vulkan und KBV begründete ein rücksichtsloser Eingriff der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen, der die Insolvenz der Gesellschaft verursachte oder vertiefte, eine unmittelbare, der Höhe nach unbegrenzte Außenhaftung der beteiligten Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft analog § 128 HGB, sofern der Eingriff nicht über §§ 30 f. GmbHG ausgeglichen werden konnte (Subsidiarität der Existenz-

157

Dazu infra Kapitel 4 – C. III. BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 25. 159 Dazu infra Kapitel 5 – D. I. 1. 160 BGH v. 30.1.1956 – II ZR 168/54, BGHZ 20, 5 (2. Leitsatz); BGH v. 8.7.1970 – VIII ZR 28/69 (Siedlerverein), BGHZ 54, 222 (224) m.w. N.; BGH v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (333); aus jüngster Zeit OLG Naumburg v. 9.4.2008 – 6 U 148/07, GmbHR 2008, 1149, Tz. 10. 158

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vernichtungshaftung)161. Dieses Konzept erwies sich als ebenso ephemer wie zuvor die Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern162. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der existenzvernichtende Eingriff in das Gesellschaftsvermögen einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die eingreifenden Gesellschafter auslöst. Dementsprechend ist die Existenzvernichtungshaftung seit dem Trihotel-Urteil als Binnenhaftung gem. § 826 BGB ausgestaltet163. Eine Binnenhaftungsfigur achtet die Selbständigkeit der juristischen Person sowohl gegenüber ihren Gesellschaftern als auch gegenüber ihren Gläubigern. Im Verhältnis zu den Gesellschaftern wird die juristische Person mit neuen Rechten ausgestattet, ihre Stellung als selbständiges Rechtssubjekt mithin vervollkommnet. Im Verhältnis zu den Gläubigern wird das zentrale Prinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG betont: Nur das Gesellschaftsvermögen haftet den Gesellschaftsgläubigern für die Gesellschaftsschulden. Das Gesellschaftsvermögen wächst durch das Zuerkennen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Gesellschafter freilich an. Damit dient eine Binnenhaftungsfigur mittelbar dem Gläubigerschutz. Kritikwürdig ist aber, dass der II. Zivilsenat ausführt, eventuelle deliktische Ansprüche gegen die Gesellschafter wegen Unterkapitalisierung stünden allein den Gesellschaftsgläubigern zu164. Schon in der Vergangenheit behandelte die Rechtsprechung Fälle der Unterkapitalisierung als Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gem. § 826 BGB165. Aber eine 161 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), BGHZ 149, 10. Bezüglich der Subsidiarität und der Rechtsfolgen präzisierend BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181. 162 BGH v. 16.9.1985 – II ZR 275/84 (Autokran), BGHZ 95, 330; BGH v. 23.9.1991 – II ZR 135/90 (Video), BGHZ 115, 187; BGH v. 29.3.93 – II ZR 265/91 (TBB), BGHZ 122, 123. Zum Ganzen überblicksartig Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften4, § 53 Rn. 52 ff. 163 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 17, wobei sich der erkennende II. Zivilsenat freilich für besonders gelagerte Ausnahmefälle eine Durchgriffshaftung offen hält, a. a. O., Tz. 33. Gegen eine Binnenhaftung noch Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 (115 f.). Zur Trihotel-Entscheidung Schanze, NZG 2007, 681 ff.; zustimmend Altmeppen, NJW 2007, 2657 ff. und Weller, ZIP 2007, 1681, ebenda: „Kabinettstück juristischer Dogmatik“. Kritisch zum neuen Haftungskonzept Rubner, Der Konzern 2007, 635 ff. Die neue dogmatische Verortung der Existenzvernichtungshaftung bereinigt die Zweifelsfragen, ob es in tatbestandlicher Hinsicht eines Verschuldenselements bedurfte und ob die Rechtsfolge in einer unbeschränkten Außenhaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestand. – Für die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung als Außenhaftung gem. § 826 BGB Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (489 ff.), und mit anderer Begründung Weller, DStR 2007, 1166 (1168 ff.). 164 Dies ergibt sich aus BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 25, 30.

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solche Außenhaftung weist eine entscheidende Schwachstelle auf. Diese trat auch bei der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation zutage. Dort galt zwar, dass dem Insolvenzverwalter analog § 93 InsO eine Geltendmachungsbefugnis hinsichtlich der Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger zustand166. Anders war es jedoch außerhalb eines Insolvenzverfahrens, also regelmäßig im Falle der masselosen Insolvenz: Dort konnte jeder Gesellschaftsgläubiger jeweils für sich gegen die Gesellschafter vorgehen167. Die Existenzvernichtungshaftung wurde stets mit der Funktion des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens begründet168. Wenn aber ein Verstoß gegen die Zweckbindung eine persönliche Gesellschafterhaftung nach sich zieht, konzentriert sich das Gläubigerinteresse auf das Vermögen der Gesellschafter. Dieses ist regelmäßig ebenfalls begrenzt. Damit wird ein „Run“ 169 der Gesellschaftsgläubiger beim Zugriff auf das Vermögen der Gesellschafter ausgelöst. Unbilligerweise werden dann manche vollumfänglich befriedigt, andere hingegen gar nicht170. Damit ist gezeigt, dass eine deliktsrechtliche Lösung des Unterkapitalisierungsproblems nicht darin bestehen kann, den Gesellschaftsgläubigern Ansprüche aus § 826 BGB gegen die Gesellschafter zuzuerkennen (unechter Durchgriff); denn ein solches löste ebenfalls einen „Run“ der Gläubiger einer unterkapitalisierten Gesellschaft auf das Vermögen der Gesellschafter aus. Es wird auch nur in den allerseltensten Fällen so liegen wie in dem Sachverhalt, der dem Gamma-Urteil zugrunde lag, wo sämtliche Gläubiger in exakt derselben Weise geschädigt worden waren. In allen anderen Fällen kann schon die Durchsetzung des Anspruchs eines Großgläubigers das Vermögen der Gesellschafter aufzehren, zulasten anderer Gläubiger. Zusammenfassend leuchtet nicht ein, weshalb die Vorzüge der Binnenhaftungskonzeption des Trihotel-Urteils nicht auch für die Zwecke der Unterkapitalisierungshaftung fruchtbar gemacht werden sollten. In beiden Fällen geht es letztlich um Gläubigerschutz – das System des Kapitalgesellschaftsrechts verlangt aber, diesen im Gesellschaftsvermögen zu mediatisieren. Eine Außenhaf165 So etwa BGH v. 30.11.1978 – II ZR 204/76, NJW 1979, 2104. Vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 13 Rn. 16 m.w. N. 166 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 13 Rn. 19. Dies soll nach der Gamma-Konzeption bei den deliktischen Ansprüchen wegen Unterkapitalisierung nicht der Fall sein, BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 25. 167 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (187). 168 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (186 f.). 169 Zöllner, zitiert nach Weller, ZIP 2007, 1681 (1682), Fn. 5. 170 Dies verkennt Jacob, GmbHR 2007, 796 (799, 802), der darin sogar einen Vorteil des früheren Außenhaftungskonzepts der Existenzvernichtungshaftung erblickt. Dies ist nicht einmal bei Einpersonen-GmbHs richtig: Zwar mag der „Umweg“ über die Innenhaftung umständlich wirken, aber das ändert nichts an der Begrenztheit des Vermögens auch des Einpersonengesellschafters. Dieses sollte daher für alle Gläubiger gleichmäßig zur Verfügung stehen.

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tung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, sei es als echter oder unechter Durchgriff, muss also ausscheiden. Es stellt sich somit die Frage, auf welchem anderen Wege die deliktsrechtliche Lösung des Unterkapitalisierungsproblems gefunden werden kann, die der II. Zivilsenat im Gamma-Urteil hat anklingen lassen: „Ob etwa innerhalb des Tatbestands des § 826 BGB – ähnlich wie für die Fälle des existenzvernichtenden Eingriffs – Anlass und Raum ist für die Bildung einer besonderen Fallgruppe der ,Haftung wegen Unterkapitalisierung einer GmbH‘, bei der der Haftungstatbestand und dessen Rechtsfolgen einer bestimmten generalisierenden Einordnung zugänglich sein müssten, lässt der Senat offen.“ 171

5. Fazit: Binnenhaftung gem. § 826 BGB als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung Die Lösung der Unterkapitalisierungsproblematik ist m. E. in den Pflichtenbeziehungen im Innenverhältnis der Gesellschaft zu suchen. Dazu genügt es nicht, den existenzvernichtenden Ressourcenabzug mit der anfänglichen Ressourcenverwehrung gleichzustellen und die Unterkapitalisierung damit als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung anzusehen, wie dies eine starke Strömung in der Literatur verlangt172. Die Existenzvernichtungshaftung greift nämlich erst in der Insolvenz ein, aber das MoMiG schafft wie oben herausgearbeitet173 einen dringenden Bedarf nach effektiver Insolvenzprophylaxe. Daher soll im Folgenden versucht werden, der im Gamma-Urteil angedeuteten deliktsrechtlichen Lösung des Unterkapitalisierungsproblems durch die Entwicklung einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gem. § 826 BGB Konturen zu verleihen. Diese soll in Anlehnung an die Trihotel-Doktrin des BGH das insolvenzpräventive Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung darstellen. Dieser Weg ist nicht dadurch verbaut, dass es im Gamma-Urteil heißt, es sei „kein Raum für die Konstruktion eines Anspruchs [. . .] der [GmbH] gegen ihre Gesellschafter aus § 826 BGB wegen vermeintlicher materieller Unterkapitalisierung auf Auffüllung der Masse im Sinne eines – vom [Insolvenzverwalter] verfolgten – positiven Interesses.“ 174

Denn abgesehen davon, dass sich die Binnenhaftungskonzeption des TrihotelUrteils auch für die Lösung des Unterkapitalisierungsproblems anbietet175, enthält die wiedergegebene Passage in erster Linie Vorgaben für die Rechtsfolgen171 172 173 174 175

BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 25. Vgl. die Nachweise in Kapitel 4 – Fn. 357. Dazu supra Kapitel 4 – A. V. BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 30. Dazu supra Kapitel 4 – C. II. 4. d).

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seite. Ohne vorweg greifen zu wollen, wird hier auf der Rechtsfolgenseite für eine klar konturierte Ersatzpflicht in Bezug auf den eingetretenen Schaden eingetreten, der nicht mit dem positiven Interesse gleichzusetzen ist, sondern in der Unterkapitalisierungsquote besteht. Ein solcher Schadensersatzanspruch der Gesellschaft vermeidet die „überschießende“ Tendenz einer auf das positive Interesse der Gesellschaftsgläubiger gerichteten Haftungsfigur. Eine solche bestünde nicht nur bei der im Gamma-Urteil zu Recht verworfenen Masseauffüllung, sondern auch bei einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung, denn diese ist so konzipiert, dass das – ggf. nur geringfügige – Unterschreiten der Eigenkapitalanforderung zur Außenhaftung der Gesellschafter (analog § 128 HGB) für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten führen muss176. Im Übrigen ist, wenn die Lösung der Unterkapitalisierungsproblematik in § 826 BGB gesucht wird, zugleich eine restriktive Tatbestandsfassung vorgezeichnet177. Die Schädigung muss vorsätzlich und sittenwidrig erfolgt sein. Auf die solcherart restriktive Ausgestaltung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung wird im Rahmen der Prüfung ihrer Europarechtskonformität zurückzukommen sein178. III. Der Tatbestand der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung § 826 BGB setzt in tatbestandlicher Hinsicht eine sittenwidrige vorsätzliche Schadenszufügung voraus. Es ist also danach zu fragen, ob diese Merkmale erfüllt sind, wenn die Gesellschafter eine unterkapitalisierte GmbH, ggf. als UG, im Rechtsverkehr betreiben. 1. Schädigung der Gesellschaft a) Vertikale Treuepflicht aus der Finanzierungsverantwortung (1) Anknüpfung an schadensstiftende Pflichtverletzung im Trihotel-Urteil Nach der Trihotel-Doktrin ist die Schadenszufügung i. S. d. § 826 BGB im existenzvernichtenden Eingriff zu erblicken. Ein solcher liegt vor, wenn es zu einem kompensationslosen Entzug von Gesellschaftsvermögen mit der Folge der Herbeiführung bzw. Vertiefung der Insolvenz gekommen ist179. Ein solches stellt einen „Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des 176

Habersack, ZGR 2008, 533 (543) m.w. N. So auch Weller, ZIP 2007, 1681 (1682 ff.) zur Existenzvernichtungshaftung nach der Trihotel-Doktrin. 178 Siehe infra Kapitel 5 – D. II. 3. c) (4). 179 Dazu eingehend Weller, ZIP 2007, 1681 (1684 f.). 177

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Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger“ 180 dar. Daraus folgt, dass der BGH von einer Schutz- bzw. Treuepflicht der Gesellschafter zur Respektierung des Gesellschaftsvermögens ausgeht, deren Verletzung eine Schädigung i. S. d. § 826 BGB sein kann181. Ausdrücklich spricht der erkennende II. Zivilsenat in diesem Zusammenhang von einer dem Gesellschafter „als Verhaltenspflicht auferlegte[n] Rücksichtnahmepflicht“ 182. Somit charakterisiert der Senat den existenzvernichtenden Eingriff als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das zweckgebundene Gesellschaftsvermögen. In der Literatur war bestritten worden, dass es eine solche Schutz- bzw. Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft gebe. Ihre Existenz war mit dem Argument in Abrede gestellt worden, sie sei ein Umweg, wenn man bedenke, dass es letztlich um Drittschutz gehe183. Die Erhaltung der Schuldendeckungsfähigkeit sei eine Pflicht, die den Gesellschaftern allein gegenüber den Gläubigern obliege. Folglich sei die Existenzvernichtungshaftung eine Außenhaftung gem. § 826 BGB wegen Forderungsvereitelung: Die Gesellschafter vereitelten durch den existenzvernichtenden Eingriff die Durchsetzung der Forderungen der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschaft184. Die Treuepflichtkonstruktion sei demgegenüber eine nicht notwendige „Drittschadensliquidation des Gesellschaftsrechts“ 185. Diese These hat sich jedoch in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt. Der II. Zivilsenat begründet in der Trihotel-Entscheidung die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung als Binnenhaftung damit, dass der „Gläubigerschutz durch die Gesellschaft mediatisiert“ werde186. Schutzobjekt der Rücksichtnahmepflichten sei das Gesellschaftsvermögen, das gem. § 13 Abs. 2 GmbHG zur Befriedigung der Forderungen aller Gesellschaftsgläubiger allein und gleichmäßig zur Verfügung stehe. Die Gesellschaftsgläubiger erleiden insofern Reflexschäden187. Die Gesellschafterpflichten zum (verantwortungsvollen) Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen dienen demnach mittelbar dem Gläubiger180 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 25; vgl. auch ebenda, Tz. 29. 181 Vgl. Habersack, ZGR 2008, 533 (542 f.); ferner Schanze, NZG 2007, 681 (683). 182 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 25; deutlich auch ebenda, Tz. 29, 31. 183 Weller, DStR 2007, 1166 (1167 f.); ähnlich Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (488); a. A. Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 (107 ff.). 184 Weller, DStR 2007, 1166 (1169 ff.). 185 Weller, DStR 2007, 1166 (1168). 186 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 33; vgl. auch ebenda, Tz. 26. 187 Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1204); vgl. auch Kleindiek, NZG 2008, 686 (687).

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schutz. Werden sie verletzt, kann dies nur im Verhältnis zur Gesellschaft selbst Rechtsfolgen auslösen, denn nur in diesem Verhältnis besteht eine zu Rechtspflichten verdichtete Sonderbeziehung. Gegenüber den Gesellschaftsgläubigern obliegen den Gesellschaftern aufgrund der Selbständigkeit der juristischen Person hingegen keinerlei Pflichten. Dem entspricht es, wenn die Grundlage der Existenzvernichtungshaftung schon früher in der zu Treuepflichten verdichteten Sonderbeziehung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft188 bzw. in organschaftlichen189 Schutzpflichten erblickt wurde. Wer dies anders sieht, muss konsequenterweise auch die Ansprüche der Gesellschaft aus §§ 9, 31 GmbHG für verfehlt halten: Auch im Fall der Überbewertung von Sacheinlagen bzw. der verbotenen Auszahlung werden nämlich letztlich die Vermögensinteressen der Gesellschaftsgläubiger beeinträchtigt. Ansprüche der Gesellschaft mediatisieren den Gläubigerschutz. Dies zeigt sich ferner an der Binnenhaftung der Geschäftsführer gem. § 64 S. 1, 3 GmbHG n. F. (2) Neue Finanzierungsfreiheit und neue Finanzierungsverantwortung nach dem MoMiG Eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsvermögen existiert jedoch nicht nur als Verbot missbräuchlichen Ressourcenabzugs im Sinne eines existenzvernichtenden Eingriffs, sondern auch als Gebot der verantwortungsvollen Finanzierungsentscheidung. Die Entscheidung der Gesellschafter über die Kapitalausstattung ihrer Gesellschaft ist eine genuin unternehmerische Entscheidung190. Vielfach heißt es, sie genössen bei dieser Entscheidung Finanzierungsfreiheit191. Jeder Vorschlag, der Haftungsfolgen an den Zustand der Unterkapitalisierung knüpfen will, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob der grundsätzlich anzuerkennenden Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter Grenzen gezogen sind und wo diese ggf. verlaufen. 188 Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2026); ähnlich K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3579 f.). Etwas anders die Konstruktion von Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 283 ff., 321 ff., der aus der Treuepflicht eine Pflicht des Gesellschafters zur „dezentralen Gewinnerzielung“ in der Gesellschaft (anstatt in seinem Privatvermögen) ableitet; ablehnend Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (486). 189 Für eine Behandlung des Gesellschafters als Quasi-Geschäftsführer gem. § 43 GmbHG plädierte schon Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 344 ff.; für §§ 43 GmbHG, 93 Abs. 5 S. 2, 3 AktG analog Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1845 ff.), sog. Lehre von der unverzichtbaren Gesellschafterhaftung für gröblich sorgfaltswidriges Verhalten. 190 Heider, in: Münch. Komm. z. AktG2, § 1 Rn. 72. 191 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 5 Rn. 5 sowie § 32a Rn. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG5, § 5 Rn. 12. Vgl. aber andererseits Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 87, 93; Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 ff.

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Diese Frage wurde lange Zeit damit beantwortet, dass das „ob“ der Finanzierung frei sei, aber u. U. nicht das „wie“ 192. Die darin zum Ausdruck kommende Finanzierungsfolgenverantwortung in der Krise der Gesellschaft beließ es für die Zwecke des Eigenkapitalersatzrechts der h. M. im Ermessen des Gesellschafters, die Gesellschaft mit neuem Eigenkapital weiterzuführen oder aber in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu liquidieren193. Entschied sich der Gesellschafter zur Weiterführung, so hatte er grundsätzlich Eigenkapital zuzuführen (vgl. auch den Wortlaut von § 32a Abs. 1 GmbHG a. F.); Gesellschafterfremdfinanzierung konnte dementsprechend in der Krise der Gesellschaft einer eigenkapitalähnlichen Bindung analog §§ 30 f. GmbHG unterworfen werden (Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen) 194. Das MoMiG vergrößert die Finanzierungsfreiheit in erheblichem Maße, indem es die Mindesthöhe des Stammkapitals preisgibt (§ 5a Abs. 1 GmbHG n. F.) und die Rechtsprechungsregeln über die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen abschafft (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.). Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen drangen auf ein Absinken des Niveaus der den principal-agent-Konflikt auflösenden195 Gesellschafterpflichten des Kapitalschutzmodells (Kapitel 2). Das MoMiG hat dieses umgesetzt (Kapitel 3). Damit ist es den Gesellschaftern im Stadium außerhalb der Insolvenz weitgehend überlassen, ob und wie viel Eigen- oder Fremdkapital sie ihrer Gesellschaft gewähren. Die größere Finanzierungsfreiheit muss aber auch größere Finanzierungsverantwortung mit sich bringen196. Nach dem MoMiG besteht ein Anreiz für die Gesellschafter, sich mit noch geringerem Kapitaleinsatz noch größere Renditechancen zu verschaffen und die Risiken unter dem Schutz des Haftungsprivilegs auf die Gesellschaftsgläubiger abzuwälzen. Dem kann durch die Gleichschaltung der Interessen von Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern entgegengewirkt werden. Dazu müssen die Gesellschafter anteilig am Risiko beteiligt

192 Die plastische Unterscheidung von „ob“ und „wie“ der Finanzierung stammt von Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (430). Für eine weitergehende Finanzierungsverantwortung aber Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 13 Rn. 7. 193 Dies wird neuerdings von Drenckhan, Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, S. 213 ff., bestritten, der die Gesellschafter als zur Sanierung verpflichtet ansieht, wenn diese objektiv notwendig und den Gesellschaftern zumutbar sei. Dazu ablehnend Veil, ZGR 2006, 374 (384 f.). 194 Zur Finanzierungsfolgenverantwortung BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344) und bereits supra Kapitel 3 – B. IV. 2. a). 195 Dazu supra Kapitel 1 – B. II., III. 196 Dies fordern auch Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (23); etwas anders Eidenmüller, ZGR 2007, 168 (187 f.); vgl. ferner Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 87, 93. Ablehnend Ulrich, GmbHR 2007, 1289 (1292).

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bleiben197. Dies kann durch einen Ausbau der Pflichten zur Rücksichtnahme auf das eigenständige Bestandsinteresse der Gesellschaft und der Anforderungen an den Entscheidungsfindungsprozess bezüglich der Kapitalausstattung198 erreicht werden. Das unternehmerische Ermessen bei den Entscheidungen der Gesellschafter über die Kapitalausstattung der Gesellschaft ist dementsprechend zu reduzieren. Bei der Formulierung derartiger Rücksichtnahme- und Treuepflichten geht es der Sache nach um eine Wertung199. Aber es stellte eine allzu formale Argumentation dar, wollte man die nunmehrigen gesetzlichen Anforderungen für abschließend erklären und die Aufbringung von einem bzw. 25.000 Euro Stammkapital sowie die Einhaltung des § 30 Abs. 1 GmbHG als ausreichend für die Befreiung von jedweder Gesellschafterhaftung ansehen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat das unternehmerische Ermessen dementsprechend auch durch die Haftungssanktion für existenzvernichtende Eingriffe reduziert. Darüber hinausgehend verlangen Standards guter und wertschöpfender Unternehmensführung allgemein, auf das eigenständige Interesse einer juristischen Person Rücksicht zu nehmen200. Das GmbH-Recht bedarf vertrauensbildender Grundsätze bei der Kapitalausstattung umso dringender, als das MoMiG die unternehmerischen Ermessensspielräume in der Finanzverfassung vergrößert hat. Diese Grundsätze stellen die deliktsrechtlichen Grenzen der Finanzierungsfreiheit dar201. Dabei kann freilich eine ergebnisoffene Prozeduralisierung der Entscheidung über die Kapitalausstattung, die auf materielle Zielvorgaben verzichtet, nicht genügen202 – aber sie kann einen substantiellen Beitrag zur Disziplinierung203 der Gesellschafter leisten, wenn auf dem Weg der Entscheidungs197 Vgl. den Regulierungsansatz bei der Verbriefung und Veräußerung von Forderungen am Kapitalmarkt nach der Subprime-Krise: Kann der Veräußerer sämtliche verbriefte Forderungen an andere Kapitalmarktteilnehmer weiterreichen, so ist der Anreiz gering, auf die Werthaltigkeit der Forderungen zu achten; daher wird gefordert, dass der Veräußerer einen bestimmten Anteil der Forderungen in seinen eigenen Büchern behalten muss. 198 Binder, ZGR 2007, 745 (760) führt aus, wie Prozeduralisierung den Rückzug des Kapitalschutzmodells auffangen könnte. 199 So zutreffend Habersack, ZGR 2008, 533 (545). 200 Von „seriösen kaufmännischen Maßstäben“ spricht insofern Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S 83 (109). Vgl. auch in anderem Kontext Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1845), der „Mindeststandards ordnungsgemäßen unternehmerischen Verhaltens“ analog § 93 V 2, 3 AktG zur Grundlage der Existenzvernichtungshaftung im Fall des Einmann-Gesellschafter-Geschäftsführers machen will. 201 Noch offen gelassen in BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 25. 202 Zu den Schwächen und Risiken einer rein prozeduralen statt finalen Regulierung Binder, ZGR 2007, 745 (774, 783 ff.). 203 Die Disziplinierung der Gesellschafter beim Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen fordert (freilich mit anderem Ziel) auch Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 149, These 9.

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findung verlangt wird, dass sich die Gesellschafter überhaupt bestimmte Gedanken machen und einbeziehen, was der Sache nach einbezogen werden muss204. Leitbild im Sinne eines axiologischen Idealtypus205 ist der verantwortungsvoll handelnde ordentliche Kaufmann, auf den auch § 32a Abs. 1 GmbHG a. F. rekurrierte206. (3) Vertikale Treuepflicht der Gesellschafter Im Schrifttum wird vertreten, eine Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft setze ein originäres Bestandsinteresse der juristischen Person voraus, das über das verfasste Interesse der Gesellschaftergesamtheit hinausgehen und der Disposition der Gesellschafter entzogen sein müsse207. Umstritten ist in diesem Zusammenhang zum einen, ob derartige Treuepflichten in der Einpersonen-GmbH existieren208. Weitergehend ist zum anderen streitig, ob bei der Kapitalausstattung eigenständige Interessen der Gesellschaft vorhanden sind, die über den Kapitalschutz in Bezug auf das satzungsmäßige Stammkapital hinausgehen209; wie erwähnt, war dies nach einer verbreiteten Ansicht aufgrund eines formalen Verständnisses des Mindeststammkapitals nicht der Fall, insbesondere wurde eine Pflicht zu angemessener Eigenkapitalausstattung verneint210. Die Streitstände stellen sich nach der Verortung der Existenzvernichtungshaftung im Deliktsrecht211 und m. E. nach dem MoMiG anders dar. Mit der Preisgabe des gesetzlichen Mindeststammkapitals büßt die formale Argumentation 204 Zum Regulierungskonzept der Prozeduralisierung allgemein Merkt, ZGR 2007, 532 (535). 205 Zur rechtsmethodischen Bedeutung des axiologischen, d.h. normativen Idealtypus Larenz/Canaris, Methodenlehre3, S. 292. 206 Zur Ableitung des Eigenkapitalersatzrechts aus „Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung“ K. Schmidt, GesR4, § 18 III 4b m.w. N. 207 Weller, DStR 2007, 1166 (1167) m.w. N. Zu bedenken ist aber, dass Treuepflichten umso intensiver sind, je personalistischer eine Kapitalgesellschaft ausgestaltet ist, siehe Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 4.44. Damit verliert die Behauptung Wellers bei der GmbH tendenziell an Gewicht. 208 Verneinend etwa Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1204). Zum Ganzen Habersack, ZGR 2008, 533 (536 f.); zur konzernrechtlichen Quelle des Streits Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, Schlussanh. I, Rn. 112. 209 Verneinend etwa Weller, DStR 2007, 1166 (1167). Bejahend demgegenüber K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4c m.w. N. in Fn. 100, gestützt auf die Finanzierungsverantwortung im Sonderverhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft. Ferner bejahend Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2026) und Ihrig, DStR 2007, 1170 (1171), jeweils im Kontext der Existenzvernichtungshaftung. 210 Siehe nur Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (667), wo auf anderem Wege Rechtsfolgen an den Zustand der eindeutigen Unterkapitalisierung geknüpft werden. Zum Streitstand eingehend supra Kapitel 4 – C. II. 211 Dazu überzeugend Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1204), der die deliktsrechtliche Anspruchsberechtigung der Gesellschaft von der Frage der Treuepflichten löst.

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mit Aufgabe und Funktion desselben an Überzeugungskraft ein bzw. verfängt überhaupt nicht mehr: Die Kapitalausstattung wird nämlich bei der UG zur Gänze ins Ermessen der Gesellschafter gestellt. Auch die Deregulierung der Kapitalaufbringung und -erhaltung tun ein Übriges dazu, dass die Selbständigkeit der juristischen Person ohne die Anerkennung entsprechender Rücksichtnahme- bzw. Treuepflichten zur bloßen Fassade würde. Ein durch Treuepflichten abgesichertes Bestandsinteresse ist demnach schützenswerter denn je. Im Übrigen basierte schon die Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern letztlich auf der Anerkennung eines nicht zur Disposition der Gesellschafter stehenden Bestandsinteresses der Einpersonen-GmbH212. Auch das Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs folgt aus Rücksichtnahmepflichten des Gesellschafters im Umgang mit seiner GmbH213. Daher wird hier für einen neuen Ansatz plädiert. Die neue Finanzierungsfreiheit bringt wie gezeigt neue Finanzierungsverantwortung für die Gesellschafter mit sich214. Je weniger zwingende gesetzliche Anforderungen an die Gesellschafter gestellt werden, desto mehr haben die Gesellschaft und ihre Gläubiger ein Recht darauf, dass die Gesellschafter von ihrer neuen Finanzierungsfreiheit nach dem MoMiG verantwortungsvollen Gebrauch machen. Die Entscheidung der Gesellschafter über die Kapitalausstattung ist vor diesem Hintergrund zu materialisieren und zu prozeduralisieren: Die Gesellschafter sind dergestalt zur Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsvermögen verpflichtet, dass sie sich bestimmte Gedanken machen und ihre Entscheidung auf die Grundlage angemessener Information stützen müssen. Sie schulden ihrer Gesellschaft, sich über den zu erwartenden Finanzbedarf unter Berücksichtigung der jeweiligen Branchen- und Konjunkturspezifika angemessen zu informieren und darauf gestützt bei der Kapitalausstattung von ihrem gesetzlich gewährleisteten unternehmerischen Ermessen verantwortungsvollen Gebrauch zu machen. Anzuknüpfen ist hierbei an die bereits weit entwickelten Treuepflichten215 der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft216. Der Rekurs auf Treuepflich212

Habersack, ZGR 2008, 533 (540). Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 (107); Habersack, ZGR 2008, 533 (542 f.). 214 Vgl. den Gedanken bei Hommelhoff/Teichmann, StudZR 2006, 3 (23). 215 Grundlegend Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, passim; vgl. ferner die allgemeinen Darstellungen bei Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 28 Rn. 36 ff. sowie K. Schmidt, GesR4, § 20 IV. Zur Treuepflicht im Kontext der Existenzvernichtungshaftung Henze, WM 2006, 1653 (1658) und ausführlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 283 ff., 321 ff. 216 Für die Zwecke der Unternehmenssanierung geht Drenckhan, Gläubigerschutz in der Krise der GmbH, S. 213 ff., 217 ff., noch deutlich weiter; ablehnend – freilich noch vor dem MoMiG – Veil, ZGR 2006, 374 (384 f.): „Dieser Vorstoß verlässt den von der herrschenden Meinung abgesteckten Weg.“ 213

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

ten zum Zwecke der Insolvenzprophylaxe wurde unter Geltung des GmbHG a. F. überwiegend abgelehnt217 – die neue Finanzierungsfreiheit nach dem MoMiG gibt jedoch Anlass, den Fragenkreis zu überdenken: Es gehört zu den originären Interessen einer juristischen Person, ihre Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern vollständig bedienen zu können. Die nach dem MoMiG stärker denn je zu verlangende Finanzierungsverantwortung verdichtet sich somit zu einer vertikalen Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft. Dies muss nunmehr auch bei der Einpersonen-GmbH gelten218. Der Alleingesellschafter darf insofern nicht nach Belieben mit seiner GmbH verfahren. Indem die Unterkapitalisierungshaftung vor dem Hintergrund der neuen Finanzierungsverantwortung an eine Treuepflichtverletzung anknüpft, löst sie sich vom dogmatischen Streit zwischen der Missbrauchslehre und der Normzwecktheorie. Sollten freilich gesellschaftsvertragliche Kautelen der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter Grenzen setzen, so ist für die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur kein Raum mehr: Sie knüpft an eine Treuepflichtverletzung an – der Rekurs auf die allgemeine Treuepflicht ist indes nur dort statthaft, wo der konkret in Rede stehende Konflikt nicht bereits durch gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Regelungen aufgelöst ist219. Zu denken ist hierbei etwa an Abreden, welche eine bestimmte Eigenkapitalquote oder Formen der Gesellschafterfremdfinanzierung – wie etwa ein Finanzplandarlehen220 – bindend vorschreiben. Solche Abreden müssen freilich gewissen Mindeststandards genügen, um als privatautonome Insolvenzprophylaxe die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung verdrängen zu können. Gleiches gilt für gesetzliche Regelungen in ausländischen Gesellschaftsrechten; darauf wird im Rahmen der Prü-

217 Vgl. nur m.w. N. Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 102 f.; etwas offener indes a. a. O., E 114 f., wo Gesellschafterhaftung nach § 826 BGB bzw. Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung erwogen wird. Vgl. ferner Jacob, GmbHR 2007, 796 (798 f.): Dort wird freilich verkannt, dass es keiner speziell gesellschaftsrechtlichen Haftungsnorm für die Sanktionierung von Treuepflichtverletzungen bedarf, da in Abwesenheit solcher immer noch die legi generali wie etwa § 826 BGB zur Verfügung stehen. 218 Der BGH erkennt bislang eine Treuepflicht des Alleingesellschafters gegenüber seiner GmbH nicht an, vgl. Henze, WM 2006, 1653 (1658) m.w. N.; vgl. ferner Habersack, ZGR 2008, 533 (536 f.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, Schlussanh. I, Rn. 112. Nach dem MoMiG ist das Finanzierungsermessen des Alleingesellschafters (nicht nur einer UG!) jedoch derart schrankenlos, dass den eigenständigen Interessen der juristischen Person größere Bedeutung zukommen muss. Ohne eine entsprechende Treuepflicht gibt es keine ausreichende Insolvenzprophylaxe. 219 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 28 Rn. 37. 220 Dazu Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, §§ 32a/b, Rn. 169 ff., wo insofern von einlagengleichem „Quasi-Kapital“ gesprochen wird.

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fung der Europarechtskonformität der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur zurückzukommen sein221. b) Pflichtverletzung durch Unterkapitalisierung Im Folgenden soll dargelegt werden, dass eine Verletzung der soeben hergeleiteten Treuepflicht dann zu vermuten ist, wenn allgemeine Unterkapitalisierung222 vorliegt. Die allgemeine Unterkapitalisierung wird quotal bestimmt. Dogmatisch kann insofern auch von einem treuepflichtwidrigen Unterlassen223 entsprechender Kapitalausstattung gesprochen werden224. Wie erwähnt wird dies seit längerem von einer prominent vertretenen Literaturmeinung als potentieller Auslöser der Existenzvernichtungshaftung angesehen225. Den Gesellschaftern bleibt unbenommen, den Entlastungsbeweis zu führen, dass ihre Gesellschaft bei einer Gesamtschau relevanter Kriterien nicht als unterkapitalisiert anzusehen ist, sodass eine Treuepflichtverletzung entfiele226. Gelingt dies nicht, so können sie immer noch die Voraussetzungen der business judgment rule beweisen; auch auf diesem Wege kann eine Pflichtverletzung bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Kapitalausstattung ausgeschlossen werden. (1) Sachlicher Bezugspunkt der Treuepflichtverletzung: Allgemeine Unterkapitalisierung Die neue Finanzierungsfreiheit nach dem MoMiG bedingt das Abstellen auf die Kategorie der allgemeinen Unterkapitalisierung: Nach der Abschaffung der 221

Dazu eingehend infra Kapitel 5 – D. II. 3. c) (4). Zur Kategorie der allgemeinen Unterkapitalisierung bereits supra Kapitel 4 – A. II. 2. c). 223 Vgl. insoweit die Ähnlichkeit zum Stehenlassen eines Gesellschafterdarlehens in der Krise der Gesellschaft, dazu Haas, ZInsO 2007, 617 (620). 224 Dies – ohne Würdigung der Treuepflichten – ablehnend Schaefer/Fackler, NZG 2007, 377 (378 f.); Wahl, Die Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen Existenzvernichtung – Verletzung der Vermögensbindung in der GmbH, S. 192; Weller, DStR 2007, 1166 (1168). Haas, Gutachten E zum 66. DJT 2006, in: Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Stuttgart 2006, Bd. I Gutachten, E 115, lehnt die Pflicht zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Eigenkapitalquote ab. Nicht berücksichtigt werden konnte dabei freilich, dass die Gesellschafter der hier vorgeschlagenen Binnenhaftung durch ordnungsgemäße Liquidation entgehen können; eine solche steht ihnen jederzeit offen, dazu ausführlich infra Kapitel 4 – C. IV. 3. 225 K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3580); Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2026); dazu ferner infra Kapitel 4 – C. IV. 4. b). 226 Dabei geht es nicht etwa darum, einem Regel-Ausnahme-Verhältnis bezüglich § 13 Abs. 2 GmbHG Ausdruck zu verleihen. Denn § 13 Abs. 2 GmbHG betrifft die Haftung für die „Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ – die Treuepflichtverletzung führt demgegenüber zu einer eigenständigen Haftung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft. 222

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Rechtsprechungsregeln über die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen kann einer umfangreichen Gesellschafterfremdfinanzierung im Stadium vor der Insolvenz wie gezeigt nichts mehr entgegengesetzt werden227. Ob die Gesellschafter ihrer Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellen, muss demnach außer Betracht bleiben. Verlangt werden kann allein, dass sie ihrer Gesellschaft überhaupt das betriebsnotwendige Kapital zur Verfügung stellen. (2) Zeitlicher Bezugspunkt der Treuepflichtverletzung Die Treuepflicht, eine allgemeine Unterkapitalisierung der Gesellschaft zu verhindern, gilt während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft228. Insoweit beinhaltet die Treuepflicht auch die regelmäßige Überwachung der Entwicklung der Kapitalsituation und der Bilanz der Gesellschaft. Aufgrund der Informationsrechte der GmbH-Gesellschafter und ihrer starken Stellung in der Kompetenzordnung der Gesellschaft steht der Beachtung dieser Pflicht aus rechtlicher Sicht nichts entgegen: §§ 51a, 51b GmbHG gewähren ein zwingendes229 Recht auf unverzügliche, jederzeitige Auskunft und Einsicht in die Bücher230. (3) Vermutung einer Treuepflichtverletzung bei quotaler Unterkapitalisierung Wenn der Bezugspunkt der Treuepflichtverletzung die allgemeine Unterkapitalisierung sein soll, wird dadurch die Frage nach der Bestimmbarkeit derselben aufgeworfen. Lange wurde gelehrt, der für die konkrete wirtschaftliche Unternehmung erforderliche Kapitalbedarf sei betriebswirtschaftlich nicht eruierbar; also gelte Gleiches für die daran anknüpfende Unterkapitalisierung231. Das Recht kenne auch nur in wenigen speziellen Bereichen Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung, die über das Mindestkapital i. S. d. §§ 5 Abs. 1 GmbHG, 7 AktG hinausgingen (§§ 10 ff. KWG, 2 Abs. 4 UBGG, 2 Abs. 2 lit. a KAGG [außer Kraft]; vgl. auch 53c VAG).

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§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. Vgl. dazu supra Kapitel 3 – B. IV. 5. b). Offenbar a. A. Ulrich, GmbHR 2007, 1289 (1292). 229 § 51a Abs. 3 GmbHG; dazu Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 51a Rn. 32 ff. 230 Näheres bei Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 27 Rn. 10 ff. 231 Eingehend Vonnemann, GmbHR 1992, 77 ff. m.w. N.; vgl. ferner Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 44; K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4a sowie § 18 II 4b; BAG v. 10.2.1999 – 5 AZR 677/97, NJW 1999, 22999 (2299 f.). Das Schrifttum hat eingrenzende Merkmale entwickelt, um den Unterkapitalisierungstatbestand greifbar zu machen, dazu Kapitel 4 – Fn. 234. 228

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Die tradierte Lehre überzeugt nicht vollumfänglich. Zuallererst ist gegen sie anzuführen, dass es durchaus Fälle gibt, in denen der Kapitalbedarf einer Gesellschaft konkret berechenbar ist, etwa weil die Gesellschaft zur Durchführung eines speziellen Projekts gegründet wird232. Zugegebenermaßen ist dies nicht der Regelfall. Aber allein die Existenz der eben erwähnten Normen beweist, dass Eigenkapitalanforderungen zumindest im Sinne einer (generalisierenden) Konvention festgelegt werden können. Es gehört zum Wesen einer Konvention, dass sie gilt, obwohl bekannt ist, dass ihr Inhalt auch anders beschaffen sein könnte. Konventionen reduzieren Komplexität und erleichtern die Rechtsanwendung233. Die früher vorgeschlagenen Eingrenzungen – wie etwa das Abstellen auf die eindeutige bzw. evidente (qualifizierte234) Unterkapitalisierung – haben sich auch deshalb nicht allgemein durchsetzen können, weil sie die Rechtsanwendung nicht substantiell vereinfacht haben. Daher bedarf es eines neuen, praxistauglichen Ansatzes. Wiedemann will die für die Ermittlung von Unterkapitalisierung „notwendigen Maßstäbe anhand der betriebswirtschaftlichen Finanzierungsregeln und [. . .] mit Rücksicht auf Geschäftsart und -umfang“ 235 ausarbeiten. Dies ist im Inund Ausland schon vielfach geschehen: Etwa im Steuerrecht ist es international seit langem gängig, Rechtsfolgen an den Zustand der Unterkapitalisierung (thin capitalization) zu knüpfen236. Auch das deutsche Steuerrecht kennt Unterkapitalisierungsnormen wie etwa § 8a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG a. F.: Die Norm begrenzte die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vergütungen für Fremdkapital, welche die Gesellschaft an ihre Gesellschafter gezahlt hatte. Dabei handelte es sich um eine Vorschrift zur Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen. Man kann ihre Ratio aber auch darin erblicken, dass eine zu hohe Fremdkapitalquote die Lebensfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigt und das Steuersubstrat zulasten des Fiskus gefährdet. In diesem Sinne sah der deutsche Fiskus gem. § 8a KStG a. F. seinen Steueranspruch dann als gefährdet an, wenn das anteilige Fremdkapital eines Gesellschafters das Eigenkapital der Gesellschaft um das Anderthalb232 Hier sei etwa an eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gedacht, in die bestimmte Arbeitnehmer für bestimmte Zeit aus Sanierungsgründen ausgegliedert werden, vgl. OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388 (390). 233 Zur Bedeutung von Konventionen in der (Steuer-)Rechtspraxis Pöllath, Einkommenssteuer, in: FS Raupach, S. 153 (158). 234 Das Abstellen auf die eindeutige und für Insider klar erkennbare Unterkapitalisierung befürwortet Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (676 f.); ders., in: Hachenburg, Großkomm., I. Bd.8, Anh. § 30 Rn. 55; vgl. ferner Emmerich, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, § 13 Rn. 83, 85; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG16, § 13 Rn. 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften4, § 29 Rn. 46. Weitere Nachweise bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG18, § 13 Rn. 16. 235 Wiedemann, ZGR 2003, 283 (296). 236 Vgl. nur die acht EU-Mitgliedstaaten umfassende Untersuchung von Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, S. 119 ff.

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

fache überstieg. Dies ergibt eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent, welche die Gesellschaft mindestens aufweisen musste, um steuerlich nachteilige Rechtsfolgen zu vermeiden237. Auch die neue Zinsschranke gem. § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG ist eine Unterkapitalisierungsnorm238 und arbeitet mit einer Eigenkapitalquote, definiert als Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme. Für die Zwecke der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur dient die Orientierung an einer prozentual festgelegten Kapitalquote zur vereinfachten Feststellung der Treuepflichtverletzung und der Schadensberechnung auf der Rechtsfolgenseite des § 826 BGB. Jedoch kann aufgrund der neuen Finanzierungsfreiheit gem. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F. nicht mit einer Eigenkapitalquote gearbeitet werden, wie sie sich für die materielle Unterkapitalisierung anbietet. Der oben herausgearbeitete quotale Charakter239 aller Erscheinungsformen von Unterkapitalisierung ist aber auch der Figur der allgemeinen Unterkapitalisierung zu eigen240. Auf diese soll es daher ankommen. Dementsprechend ist zu verlangen, dass der Anteil des insgesamt von den Gesellschaftern stammenden Kapitals, sei es Eigen- oder Fremdkapital, eine bestimmte Quote nicht unterschreitet. Insofern sei nachfolgend allgemein von einer Gesellschafterkapitalquote die Rede. Diese Gesellschafterkapitalquote ist die oben geforderte materielle Mindestzielvorgabe an die Gesellschafterentscheidung über die Kapitalausstattung der Gesellschaft. Dabei kann auch von Dritten herrührendes Fremdkapital in die quotale Berechnung einbezogen werden, wenn ein Gesellschafter dabei das wirtschaftliche Risiko trägt, bspw. indem er für die Gesellschaft bürgt. Dies kann im bankfinanzierten Gründungsstadium relevant werden. Die Quote von 40 Prozent gem. § 8a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG a. F. erscheint freilich exorbitant hoch und ist für die Zwecke des Gesellschaftsrechts ungeeignet. Demgegenüber sieht der seit dem 1.1.2007 aufgrund einschlägiger EGRichtlinien241 verbindliche Baseler Akkord II risikoabhängig gestaffelte Eigenkapitalquoten von 8 bis 12 Prozent vor, freilich nur für Finanzinstitute. Auch das österreichische Recht kennt für die Zwecke des Reorganisationsverfahrens i. S. d. § 1 URG242 eine Eigenmittelquote von 8 Prozent: Beträgt die Eigenmit237 Zu § 8a KStG a. F. Birk, Steuerrecht9, Rn. 1075a; Tipke/Lang, Steuerrecht18, § 11 Rn. 50 ff., 65 m.w. N. 238 Die Lösung der steuerrechtlichen Unterkapitalisierungsproblematik durch die Zinsschranke untersuchen Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, 418 ff. rechtsvergleichend und kritisch. 239 Dazu supra Kapitel 4 – A. II. 2. d). 240 Dazu supra Kapitel 4 – A. II. 2. c). 241 Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, vom 14.6.2006. 242 Zum URG schon supra Kapitel 4 – Fn. 61. Vgl. hierzu auch Veil, ZGR 2006, 374 (397).

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telquote i. S. d. § 23 URG weniger als 8 Prozent und die fiktive Schuldentilgungsdauer i. S. d. § 24 URG mehr als 15 Jahre, so wird der Reorganisationsbedarf des Unternehmens vermutet, § 22 Abs. 1 Nr. 1 URG. Das Reorganisationsverfahren bezweckt die insolvenzpräventive Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines im Bestand gefährdeten Unternehmens, um dessen nachhaltige Weiterführung zu ermöglichen, § 1 Abs. 2 URG. Damit verfolgt das österreichische URG weitgehend denselben Zweck wie die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur, wenn auch auf anderem Wege. Dies streitet für die Übertragbarkeit der österreichischen Kriterien. In Bezug auf die Eigenkapitalausstattung scheint eine Quote von 8 Prozent damit eine international akzeptierte Richtgröße zu sein, deren Beachtung von Mindeststandards wertschöpfender Unternehmensführung verlangt wird. Sie erlaubt immerhin einen 12,5-fachen Hebel. Bedenkt man aber, dass die Figur der allgemeinen Unterkapitalisierung nicht allein auf die Eigenkapitalquote abstellt, sondern auf die Gesellschafterkapitalquote, so müssen auch Anforderungen an das aus Gesellschafterhand stammende Fremdkapital gestellt werden. Wird auch für die Fremdkapitalquote ein Wert von mindestens 8 Prozent veranschlagt, so ergibt sich addiert eine Gesellschafterkapitalquote von 16 Prozent der Bilanzsumme. Zur Festlegung der geringsten zulässigen Gesellschafterkapitalquote kommen auch andere Orientierungspunkte in Betracht. Man könnte etwa auf einen Mittelwert der Eigenkapitalklauseln (net worth requirement)243 aus branchentypischen financial covenants zurückgreifen und diesen nach eben erläutertem Schema verdoppeln. Die gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen gem. §§ 10 ff. KWG, 2 Abs. 4 UBGG, 2 Abs. 2 lit. a KAGG [außer Kraft], 53c VAG sind hingegen Besonderheiten der Finanzbranche geschuldet, sodass sie zur Ermittlung der Kapitalisierungserfordernisse in anderen Branchen schwerlich herangezogen werden können. Im Sinne einer effektiven Konjunktursteuerung ist ferner erwägenswert, ob nicht die Zentralbanken einen branchenspezifischen, auf den Konjunkturzyklus abgestimmten (antizyklischen) Zielkorridor für die Gesellschafterkapitalquote vorgeben könnten. Ein solches scheint leider auf absehbare Zeit nicht realisierbar. Daher spricht mehr dafür, sich an international akzeptierten Richtgrößen zu orientieren und eine Gesellschafterkapitalquote von 16 Prozent als Grundlage der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung zu übernehmen. Machen die aus Gesellschafterhand stammenden Eigen- und Fremdmittel weniger als 16 Prozent der Bilanzsumme aus, wird eine Treuepflichtverletzung vermutet.

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Dazu supra Kapitel 4 – B. III.

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(4) Entlastungsbeweis mittels Gesamtschau relevanter Kriterien Unterschreitet die Gesellschafterkapitalquote 16 Prozent der Bilanzsumme, liegt grundsätzlich Unterkapitalisierung und damit eine Treuepflichtverletzung vor. Um die Vermutung der Treuepflichtverletzung zu widerlegen, steht den Gesellschaftern jedoch der Entlastungsbeweis des Inhalts frei, dass trotz Unterschreiten der generalisierenden Gesellschafterkapitalquote im Einzelfall keine Unterkapitalisierung vorliegt. Klargestellt sei, dass es im Folgenden dogmatisch allein um die Frage gehen soll, ob eine Treuepflichtverletzung vorliegt oder nicht; an der maßgeblichen Gesellschafterkapitalquote von 16 Prozent für alle GmbHs ändert sich durch die individualisierende Gesamtschau nichts. Typisierung im Stile der vorgeschlagenen Gesellschafterkapitalquote hat den Vorteil einfacher Handhabbarkeit. Um der Komplexität von Unternehmensfinanzierung gerecht werden zu können, braucht es den Rekurs auf Fallgruppen und wertende Kriterien244. Dies ist auch deshalb wichtig, weil das MoMiG mit der Rückkehr zur bilanziellen Betrachtung im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG den Liquiditätsschutz ausblendet245. Der Entlastungsbeweis soll – in Anlehnung an den supra diskutierten Solvenztest246 – einen empirisch-forensischen Charakter aufweisen. Nichts anderes will die im Schrifttum vertretene Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung, wenn sie Eingrenzungen wie diejenige der eindeutigen bzw. evidenten 244 Die Subsumtion an einer Gesamtschau wertender Kriterien auszurichten, ist gängige Methode der Rechtsprechung. Dabei wird das Gewicht der jeweiligen Kriterien nicht abstrakt-generell festgelegt, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Diese Methodik setzt die deutsche Rechtsprechung etwa bei der Beurteilung ein, ob bei Gefälligkeiten ein Rechtsbindungswille zu bejahen ist, vgl. BGH v. 22.6.1956 – I ZR 198/54, BGHZ 21, 102 (107): „Art der Gefälligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen wird, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien“. Das Vorliegen eines Handelsgewerbes i. S. d. § 1 II HGB wird auf vergleichbare Weise ermittelt, siehe Hopt, in: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB33, § 1 Rn. 23 m.w. N. In den USA behelfen sich die Gerichte bei Abwägungsfragen regelmäßig mit einer Gesamtschau relevanter Kriterien. Justice Sandra Day O’Connor legte etwa zur Klärung der Frage, ob die extrem unbestimmte due process clause der Bundesverfassung der stream of commerce doctrine zur Begründung gerichtlicher Zuständigkeit entgegensteht, folgende Faktoren fest [Hervorhebungen vom Verf.]: „The placement of a product into the stream of commerce, without more, is not an act of the defendant purposefully directed toward the forum State. Additional conduct of the defendant may indicate an intent or purpose to serve the market in the forum State, for example, designing the product for the market in the forum State, advertising in the forum State, establishing channels for providing regular advice to customers in the forum State, or marketing the product through a distributor who has agreed to serve as the sales agent in the forum State . . .“, Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S. 102 (1987), 112. 245 Dazu supra Kapitel 3 – B. III. 5. a), c). 246 Dazu siehe supra Kapitel 2 – C. III. 3. b) und Kapitel 3 – B. III. 2. b).

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(qualifizierten)247 Unterkapitalisierung entwickelt hat. Diese Eingrenzungen sind nur im Lichte des Anliegens der Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung, mithin unter Einbeziehung teleologischer Erwägungen, verständlich. Auch in den USA arbeitet die Rechtsprechung mit einer Gesamtschau von Kriterien, wenn es um die Rechtfertigung eines Haftungsdurchgriffs im Kapitalgesellschaftsrecht geht248. Vor diesem Hintergrund wird hier für eine Gesamtschau mehrerer auf den wirtschaftlichen Kontext der Unternehmensfinanzierung bezogener Faktoren plädiert, um im Rahmen der Treuepflichtverletzung ein normatives Korrektiv bereitzustellen, dessen sich die Gesellschafter für die Zwecke des Entlastungsbeweises bedienen können. Bei dem Entlastungsbeweis kann es selbstverständlich nicht mit dem Hinweis getan sein, noch liefen die Geschäfte der Gesellschaft weitgehend problemlos. Wäre dies statthaft, so wäre vor der Zahlungsunfähigkeit kaum jemals Unterkapitalisierung gegeben. Ebenfalls ist problematisch, die (materielle) Unterkapitalisierung anhand der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu ermitteln, die sie zu marktüblichen Konditionen besitzt249. Stellen Rechtsregeln solcherart auf die Marktsicht ab, beinhaltet dies stets die Gefahr, dass sie prozyklisch wirken250: In guten Zeiten wird sich der Markt mit einer geringeren Gesellschafterkapitalquote zufrieden geben, im Abschwung dann aber für massenhafte Unterkapitalisierung sorgen. Daher sind im Rahmen dieser korrigierenden Gesamtschau nur finanzierungsrelevante Argumente zulässig. Es könnte etwa auf folgende Kriterien rekurriert werden: Wenn es darum geht, ob trotz Unterschreiten der oben skizzierten Gesellschafterkapitalquote der Tatbestand der Unterkapitalisierung zu verneinen ist, sind zuallererst diejenigen Kriterien relevant, die hinsichtlich der Kapitalisierung von Unternehmen üblicherweise zum Gegenstand privatautonomer Regelung durch financial covenants251 werden. Eine hohe kurzfristige Liquidität steht demnach der Verwirklichung des Unterkapitalisierungstatbestands entgegen, da sie die Wahrscheinlichkeit erheblich erhöht, dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten bedienen kann. Gläubiger sind mehr an Liquidität als an einer

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Nachweise supra in Kapitel 4 – Fn. 234. Eingehend Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 383. Geht es um Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung für deliktische Ansprüche, so können die Gerichte eine evtl. vorhandene Haftpflichtversicherung einberechnen und damit den Tatbestand der Unterkapitalisierung verneinen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Haftpflichtversicherung gerade dazu abgeschlossen wird, deliktische Ansprüche aufzufangen, Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, S. 242, Fn. 44. 249 Nachweis in Kapitel 3 – Fn. 344. 250 Vgl. Münchau, Kernschmelze im Finanzsystem, S. 181 ff., 185. 251 Dazu bereits supra Kapitel 4 – B. 248

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hohen Stammkapitalziffer interessiert252. Dies lässt sich am Beispiel von Handelsunternehmen (nicht gemeint ist das Handelsgewerbe i. S. d. § 1 HGB) mit großem Warenumschlag veranschaulichen: Hier können die Geschäftsräume gemietet und die Waren unter Eigentumsvorbehalt bezogen werden, ohne dass dies angesichts der beständig großen Kassenbestände die kurzfristige Schuldentilgungsfähigkeit beeinträchtigen würde. Daher liegt die Verneinung der Unterkapitalisierung trotz geringer Eigenkapitalausstattung nahe253. Die Liquiditätsmessung wird dem Rechtsanwender durch betriebswirtschaftliche Kennziffern wie dem operativen Gewinn (EBIT) und dem cash flow erleichtert bzw. abgenommen. Die Berücksichtigung eines hohen cash flow verhindert auch, dass die Zielgesellschaft eines LBO trotz der typischerweise außerordentlich hohen Fremdkapitalquote regelmäßig als unterkapitalisiert anzusehen wäre. Daneben können die Ertragskraft, die Stringenz der Organisationsstruktur, der Buchwert, die Angemessenheit der Risikovorsorge, die Bilanzpolitik und die voraussichtliche Schuldentilgungsdauer bei der Beurteilung der Unterkapitalisierung herangezogen werden; letzteres wird in Österreich durch §§ 22 Abs. 1 Nr. 1, 24 URG praktiziert254. All dies sind technische Faktoren (entity bzw. equity multiples), die üblicherweise zum Bonitätsrating255 sowie zur Unternehmensbewertung und teilweise auch im Rahmen des Solvenztests256 herangezogen werden. Sollte bei größeren Gesellschaften mbH ein unabhängiges Bonitätsrating vorliegen oder zum Zwecke der Beurteilung des Unterkapitalisierungstatbestands eingeholt worden sein, kann dieses an die Stelle der soeben angestellten Überlegungen treten. Hat die Gesellschaft Versicherungen gegen bestimmte Risiken abgeschlossen oder sich durch gegenläufige Geschäfte abgesichert, so muss dies ebenfalls ins Gewicht fallen; Hedge-Fonds werden zwar nicht in der Rechtsform der GmbH betrieben, aber ihre vielfältigen Absicherungsgeschäfte könnten einen entsprechenden Fremdkapitalhebel u. U. GmbH-rechtlich rechtfertigen. Die beispielhafte Bezugnahme auf ein Handelsunternehmen mit großem Warenumschlag verdeutlicht, dass Kapitalbedarf und Risiko je nach Branche und Geschäftsgegenstand257 variieren258. Das wird auch von den US-amerikanischen 252 Im Kontext des Solvenztests Arnold, Der Konzern 2007, 118 (120) und Jungmann, ZGR 2006, 638 (647 f.) m.w. N. 253 Vgl. Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (20): „Je nach Unternehmensstruktur kann auch eine hohe Fremdfinanzierung bei niedriger Eigenkapitalausstattung legitim sein.“ 254 Vgl. zum URG bereits supra Kapitel 4 – Fn. 61. 255 Schanze, NZG 2007, 681 (683); näher zur Risikoeinschätzung durch Kreditgeber Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 487 f. 256 Zur Liquiditätsprognose i. R. d. sog. Solvenztests Jungmann, ZGR 2006, 638 (662 ff.); zur Bedeutung des Solvenztests für die Diskussion um die Kapitalerhaltung bereits supra Kapital 2 – C. III. 3. b) und Kapitel 3 – B. III. 2. b).

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Gerichten im Rahmen der Unterkapitalisierungshaftung berücksichtigt259. Der Kapitalbedarf lässt sich also auch durch einen branchenspezifischen Drittvergleich ermitteln. Liegt er unter der oben vorgeschlagenen Gesellschafterkapitalquote, können die Gesellschafter damit die Vermutung der Treuepflichtverletzung widerlegen. Zu bedenken ist auch, dass die Anfangsjahre eines Unternehmens tendenziell investitionsintensiv sind260. Das kann freilich zweierlei bedeuten: Einerseits trifft die Gesellschafter eine größere Finanzierungsverantwortung; andererseits ist es jedoch normal, wenn die Gesellschafterkapitalquote vorübergehend unter den oben vorgeschlagenen Wert fällt. Zusammenfassend kommt es in besonderem Maße darauf an, dass die Umstände des Einzelfalls unter Zugrundelegung der Branchenspezifika gewürdigt werden. (5) Gesellschafterschutz im sicheren Hafen der business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG in doppelter Analogie Ist die Gesellschafterkapitalquote unterschritten, wird eine Pflichtverletzung vermutet. Gelingt der Entlastungsbeweis anhand der Gesamtschau relevanter Kriterien nicht, so ist der Tatbestand der Unterkapitalisierung verwirklicht. Damit ist aber eine Treuepflichtverletzung noch nicht endgültig festgestellt: Erwägenswert ist nämlich, den Gesellschaftern bei der Entscheidung über die Kapitalausstattung Zuflucht im sicheren Hafen261 der business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu gewähren, um ihnen nicht „jede[n] Mut zur Tat“ 262 zu nehmen. Unternehmerische Tätigkeit und unternehmerisches Entscheiden sind ohne einen weiten unternehmerischen Ermessensspielraum schlechterdings nicht denkbar263. Unter einer unternehmerischen Entscheidung i. S. d. § 93 Abs. 1 S. 2 257 Auch Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (19), will den Geschäftsgegenstand bei der Ermittlung der (materiellen) Unterkapitalisierung berücksichtigen. 258 Daher meint Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 5.169, der allgemeinen Akzeptanz der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung stehe im Weg, dass der Finanzbedarf bislang anhand des Bilanzrechts ermittelt werde, welches aber aufgrund seiner Orientierung an Handels- und Industrieunternehmen nicht für alle Branchen passe. 259 Es kommt insoweit auf das bei der Gesellschaftsgründung zu erwartende Geschäftsrisiko an, Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht2, Rn. 390. 260 Meyer, GmbHR 2002, 242 (254). 261 Dazu Fleischer, ZIP 2004, 685 (688 f.). 262 So der Aktiengesetzgeber 1937, zitiert nach Fleischer, ZIP 2004, 685, ebenda. 263 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244 (253); Fleischer, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 93 Rn. 9, 13, 58 ff.

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AktG versteht man eine Entscheidung, die ihr Gesamtgepräge durch Prognosen und Einschätzungen erhält. Dabei muss der Entscheider frei und ungebunden sein264. Inhalt und Sinn einer unternehmerischen Entscheidung hängen von nicht vorhersehbaren künftigen Entwicklungen ab265. Hierunter lässt sich die Entscheidung über die Kapitalausstattung einer Gesellschaft zwanglos subsumieren: Der Kapitalbedarf einer Gesellschaft und die Art und Weise ihrer Finanzierung beruhen auf der Einschätzung ihrer künftigen Geschäftsentwicklung sowie der konjunkturellen Lage in der jeweiligen Branche. Dabei genießen die Gesellschafter – wie oben ausgeführt – nach dem MoMiG eine neue, weitreichende Finanzierungsfreiheit. Damit ist die Kapitalausstattung eine genuin unternehmerische Entscheidung. Knüpft man Haftungsfolgen an die Unterschreitung einer bestimmten Gesellschafterkapitalquote, wird das unternehmerische Ermessen erheblich eingeschränkt, auch wenn es nicht auf Null reduziert wird, da immer noch der Entlastungsbeweis möglich ist. Zu bedenken ist auch, dass die oben entwickelte Treuepflicht während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft gilt. Stellen die Gesellschafter nach einer gewissen Zeit fest, dass die Unterschreitung der maßgeblichen Gesellschafterkapitalquote droht oder bereits eingetreten ist, dann kommt es im Rahmen des wertenden Korrektivs auf ihre Einschätzung der künftigen Entwicklung relevanter Kriterien wie etwa der Liquidität und der Kreditwürdigkeit an. Die Entscheidung der Gesellschafter, wie sie in dieser Situation reagieren, ist wiederum eine unternehmerische. Werden die Rechtsfolgen der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur ex post an frühere Prognosen geknüpft, besteht die Gefahr, dass im Nachhinein aus dem Nichteintritt der ursprünglichen Prognose auf einen Prognosefehler geschlossen wird266. Es liegt dann die Annahme nahe, die Gesellschafter hätten die Entscheidung über die Kapitalausstattung mangelhaft vorbereitet und nicht einbezogen, was der Sache nach hätte einbezogen werden müssen. In angelsächsischen Ländern spricht man insoweit vom Effekt des full blown second guessing267. Um diesen Effekt zu vermeiden, sichert das deutsche Aktienrecht den unternehmerischen Freiraum des Vorstands durch die business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ab268. Sind die Voraussetzungen dieser Norm gegeben, wird ein pflichtkonformes Verhalten des Vorstands unwiderleglich vermutet269. Die Beweislast trifft – entgegen dem US-amerikanischen Original der Hüffer, AktG7, § 93 Rn. 4f. Vgl. Hüffer, AktG7, § 93 Rn. 4f. 266 Fleischer, ZIP 2004, 685 (686) erläutert dies aus Sicht der psychologischen Entscheidungsforschung. 267 Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 (166); vgl. auch Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528). 268 Dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 93 Rn. 58 ff. 264 265

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business judgment rule270 – das betreffende Vorstandsmitglied, da sich die Beweislastregel des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch auf § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bezieht, obwohl Sorgfaltsmaßstab und Pflichtverletzung dogmatisch nicht dasselbe sind 271. Die Funktionsweise des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG würde sich in die tatbestandliche Konzpetion der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung insofern einfügen, als dass eine Treuepflichtverletzung bei Unterschreitung der maßgeblichen Gesellschafterkapitalquote zunächst vermutet wird; gelingt es dem Gesellschafter nicht, zu beweisen, dass aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls keine Unterkapitalisierung vorliegt, so kann er immer noch die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG darlegen und beweisen. Gelingt ihm dies, so ist eine Pflichtverletzung zu verneinen. Ist die Gesellschafterkapitalquote aber einmal unterschritten, so muss in jedem Fall der Gesellschafter dartun, weshalb ausnahmsweise keine Treuepflichtverletzung vorliegt. Die Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Entscheidung der GmbH-Gesellschafter über die Kapitalausstattung ihrer Gesellschaft sieht sich jedoch dogmatischen Schwierigkeiten gegenüber. Dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG direkt nur für die Aktiengesellschaft gilt, kann im Wege des Analogieschlusses überwunden werden. Eine vergleichbare Interessenlage ist zu bejahen, da es um unternehmerische Entscheidungen in Kapitalgesellschaften geht272. Fraglich ist aber, ob es eine Regelungslücke gibt. Die Anspruchsgrundlage des § 826 BGB weist prima facie keine Lücken auf. Will man dies so sehen, so kann im Rahmen des § 826 BGB allenfalls der Rechtsgedanke des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG übernommen werden. Vergegenwärtigt man sich aber, dass § 826 BGB im vorliegenden Zusammenhang nur eine allgemeine Anspruchsgrundlage für ein spezielles Problem ist, so muss man davon ausgehen, dass § 826 BGB für die Zwecke der Sanktionierung unternehmerischer Entscheidungen präzisiert werden muss. Eine solche Präzisierung kann sich indes nur aus dem Kapitalgesellschaftsrecht ergeben. Somit ist eine diesbezügliche Regelungslücke des § 826 BGB zu bejahen. Größere Schwierigkeiten als die Frage nach einer Regelungslücke bereitet die Tatsache, dass sich § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf Sorgfaltspflichtverstöße, nicht aber auf Treuepflichtverstöße bezieht273. Die hier vorgeschlagene BinnenhafHüffer, AktG7, § 93 Rn. 4c, 4d. Fleischer, ZIP 2004, 685 (688) m.w. N. in Fn. 54. 271 Hüffer, AktG7, § 93 Rn. 16a. 272 Dem GmbH-Geschäftsführer kommt die business judgment rule zugute, statt aller Fleischer, ZIP 2004, 685 (692) und Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 43 Rn. 7 m.w. N. Die dogmatischen Schwierigkeiten ergeben sich erst bei der Anwendung auf die GmbH-Gesellschafter. 273 Fleischer, in: Spindler/Stilz, Komm. z. AktG, Bd. 1, § 93 Rn. 63. 269 270

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tungsfigur knüpft allerdings an eine Treuepflicht an. Diese Unstimmigkeit erklärt sich daraus, dass § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zugunsten des Vorstands gilt, nicht aber für die Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Aktionäre. Die Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Gesellschafter bedürfte also eines weiteren Analogieschlusses vom Geschäftsleitungsorgan auf die Gesellschafter. Damit ist auch die geschilderte Unstimmigkeit behoben: Die Geschäftsleitungsorgane treffen sowohl Sorgfalts- als auch Treuepflichten. Anderes gilt hingegen für die GmbH-Gesellschafter: Diese sind regelmäßig nur treuepflichtig, sofern sie nicht auch Geschäftsführer sind. Also gibt es bei der Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf Entscheidungen der Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter gar nicht das Bedürfnis, zwischen Sorgfalts- und Treuepflichten zu differenzieren. Zusammenfassend wird hier die doppelt analoge Anwendbarkeit des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf die Entscheidung der Gesellschafter über die Kapitalausstattung ihrer Gesellschaft befürwortet, um den Freiraum unternehmerischen Entscheidens abzusichern274. Es kommt dann darauf an, dass die Gesellschafter über die Kapitalausstattung auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft entscheiden und diesbezüglich vernünftigerweise in gutem Glauben handeln275. Hierin zeigt sich die oben geforderte Prozeduralisierung dieser Entscheidung: Sie ist umsichtig zu planen und zu dokumentieren sowie informationell auf- und vorzubereiten; ihre effektive Umsetzung muss in einer Nachschau überprüft werden276. Die Grenze ist jedenfalls überschritten, wenn das mit der Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt wurde277. c) Zwischenergebnisse 1. Das MoMiG bringt mit neuer Finanzierungsfreiheit auch neue Finanzierungsverantwortung für die Gesellschafter. 2. Aus dieser Finanzierungsverantwortung fließt eine vertikale Treuepflicht des Inhalts, die allgemeine Unterkapitalisierung der Gesellschaft zu vermeiden. 3. Die allgemeine Unterkapitalisierung wird quotal ermittelt: Sie ist zu bejahen, wenn die Gesellschafterkapitalquote weniger als 16 Prozent der Bilanzsumme beträgt. 274 Im Zusammenhang mit der Existenzvernichtungshaftung fordert dies auch Ihrig, DStR 2007, 1170 (1173). 275 Vgl. Hüffer, AktG7, § 93 Rn. 4e, 4g. 276 Vgl. diesbezüglich die von der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. aufgestellten „20 goldenen Regeln für die unternehmerische Entscheidung“, abgedruckt in ZIP 2006, 1068. 277 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244 (253).

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4. Liegt allgemeine Unterkapitalisierung in diesem Sinne vor, wird eine schädigende Treuepflichtverletzung vermutet. 5. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Gesellschafter den Entlastungsbeweis antreten, dass ihre Gesellschaft aufgrund besonderer Umstände – wie etwa einer besonders hohen Liquidität – ausnahmsweise nicht unterkapitalisiert ist. 6. Gelingt der Entlastungsbeweis nicht, so bleibt den Gesellschaftern immer noch die Möglichkeit, die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu beweisen. In doppelter Analogie zu dieser Vorschrift ist dann eine Treuepflichtverletzung ausgeschlossen. 7. Die Verhaltensanforderungen durch die Finanzierungsverantwortung bilden in Verbindung mit der Gesellschafterkapitalquote eine Leitlinie, anhand derer die Gesellschafter den „Preis“ der Haftungsbeschränkung ermitteln können. Daher wird § 13 Abs. 2 GmbHG – anders als bei einer Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung – nicht unterminiert278. 2. Sittenwidrigkeit der Schädigung Nachdem die Schadenszufügung i. S. d. § 826 BGB in der treuepflichtwidrigen allgemeinen Unterkapitalisierung der Gesellschaft erblickt wird, stellt sich die Frage, woraus sich die Sittenwidrigkeit der Schädigung ergibt. Hierzu kommen mehrere Ansätze in Betracht: a) Herleitung der Sittenwidrigkeit aus der Risikoexternalisierung Erwägenswert ist zunächst, das Sittenwidrigkeitsurteil aus der Risikoexternalisierung abzuleiten. Diese ist jedoch nicht per se sittenwidrig, sondern legal: Ratio der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung ist gerade die Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf die Gläubiger279. Das heißt jedoch nicht, dass Risikoexternalisierung niemals sittenwidrig sein könnte. Es wurde bereits ausgeführt, dass die Eigenkapitalrendite der Gesellschafter, zugleich aber auch das Ausfallrisiko der ungesicherten Gläubiger, steigt, je höher der Fremdkapitalanteil einer Unternehmung ist (principal-agentProblem des Fremdkapitals280). Dementsprechend ist die Sittenwidrigkeit von Risikoexternalisierung nach verschiedentlich vertretener Ansicht zu bejahen, wenn exzessive Risiken externalisiert werden und die wirtschaftliche Unterneh278 Vgl. insoweit tendenziell auch Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (497), freilich zur Existenzvernichtungshaftung. 279 Dazu bereits supra Kapitel 1 – B. I. 280 Schärtl, GmbHR 2007, 344 (347); Eidenmüller, JZ 2001, 1041 (1049).

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mung somit nur einen Gewinner (den bzw. die Gesellschafter) und zahlreiche Verlierer (die Gläubiger) zu produzieren vermag. Das sei bei der Unterkapitalisierung der Fall: Flume rekurriert im Zusammenhang mit unterkapitalisierten Kapitalgesellschaften auf die Formel des Reichsgerichts und postuliert, es widerspreche dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, wenn auf Kosten der Gläubiger spekuliert werde281. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich nach dieser Ansicht aus der Aufnahme bzw. Fortführung des Geschäftsbetriebs mit einer nach den oben entwickelten Kriterien unterkapitalisierten GmbH. b) Herleitung der Sittenwidrigkeit nach der Trihotel-Doktrin (1) Herleitung aus der subjektiven Motivation des Schädigers Das Verdikt der Sittenwidrigkeit i. S. d. § 826 BGB kann nach der bürgerlichrechtlichen Rechtsprechung auch aus subjektiven Momenten abgeleitet werden282. Bereits das Fallmaterial der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation behandelte Verhaltensweisen, deren Sinngehalt sich erst aus ihrer subjektiven Seite erschloss283. Wenn der II. Zivilsenat im Trihotel-Urteil von einer „sittenwidrige[n], weil insolvenzverursachende[n] oder vertiefende[n] ,Selbstbedienung‘ “ 284 spricht, kommt darin zum Ausdruck, dass dem Eingriff in das Gesellschaftsvermögen eine primär egoistische Motivation285 zugrunde liegen muss: Der Gesellschafter will in krass eigennütziger Weise286 für sich selbst einen vermögenswerten Vorteil herausschlagen, der zulasten des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens geht. Eine so geartete „Selbstbedienung“ vermag das Sittenwidrigkeitsurteil im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung zu tragen287. Die Tatbestandsmerkmale in dogmatisch unsauberer Weise vermengend, aber der Sache nach zutreffend ist es, im Falle eines gesteigerten Vorsatzgrades auch die Sittenwidrigkeit zu bejahen. Dass sich das Sittenwidrigkeitsurteil aus der 281 Flume, BGB AT I/2 – Die juristische Person, § 3 III 3, S. 87. Flume plädiert ebenda in Fällen der Unterkapitalisierung für eine Außenhaftung der Gesellschafter gem. § 826 BGB. 282 Etwa im Fall der Leichtfertigkeit, wobei die Leichtfertigkeit nicht mit dem Vorsatz gleichzusetzen ist; näher dazu Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 II 2d. 283 Schanze, NZG 2007, 681 (683). 284 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. 285 So Weller, ZIP 2007, 1681 (1685). 286 Vgl. zur bürgerlichrechtlichen Relevanz krassen Eigennutzes i. R. d. § 826 BGB Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 II 2c. 287 So auch Altmeppen, NJW 2007, 2657 (2658). Die Möglichkeit einer Ableitung der Sittenwidrigkeit aus gesellschaftsrechtlichen Wertungen verkennt Jacob, GmbHR 2007, 796 (798), der es wegen der Gesellschaftsrechtsakzessorietät von Vermögensabflüssen an die Gesellschafter für ausgeschlossen hält, die Existenzvernichtungshaftung unter § 826 BGB zu subsumieren.

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Verhaltensmotivation speist, zeigt sich auch darin, dass vereinzelt vorgeschlagen wurde, hierbei wie im Wettbewerbsrecht nach der Lauterkeit des Gesellschafterhandelns zu fragen288. Dass der Senat im obigen Zitat die Sittenwidrigkeit mit der insolvenzverursachenden Wirkung in Bezug setzt, ist eher irreführend, da sich das Sittenwidrigkeitsurteil auf den Zeitpunkt der Schädigung, d.h. hier des Eingriffs, beziehen muss. Es hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen, wollte man die Sittenwidrigkeit von ursprünglich nicht sittenwidrigen Verhaltensweisen nachträglich mit der Insolvenz bzw. im hier interessierenden Zusammenhang der Unterkapitalisierung der Gesellschaft begründen289. Daran zeigt sich die Gefahr, dass die Gerichte Verhaltensweisen als sittenwidrig bezeichnen werden, die sich ex post als ursächlich für die Schädigung anderer herausstellen. Eine ähnliche Fehlentwicklung hatte es schon unter Geltung der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation gegeben, als die Praxis aus der bloßen Tatsache, dass eine GmbH nicht alle Verbindlichkeiten bediente, auf einen vorausgehenden existenzvernichtenden Eingriff geschlossen hatte290. (2) Herleitung aus dem Ausnutzen von Schutzlücken des Gesellschaftsrechts Von der soeben geschilderten Erwägung abgesehen, knüpft die Trihotel-Doktrin zur Herleitung der Sittenwidrigkeit an das KBV-Urteil291 an: Der Senat führt aus, er habe schon in früheren Fällen „eine Haftung aus § 826 BGB dem Grunde nach mit denselben begrifflichen Merkmalen wie bei dem Haftungsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs [. . .] bejaht, indem er den planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zu Lasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil des Gesellschafters als dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprechend und damit sittenwidrig eingestuft [habe]“ 292.

Mit dieser Formulierung rekurriert der II. Zivilsenat auf die von §§ 30 f. GmbHG offen gelassene „Lücke im Kapitalschutzrecht der GmbH“ 293. Diese „systemimmanente Schutzlücke“ 294 bezüglich bilanziell nicht abzubildender 288 So Schanze, NZG 2007, 681 (684) mit der Begründung, immerhin habe sich das Wettbewerbsrecht aus dem allgemeinen Sittenwidrigkeitskonzept heraus entwickelt. Ähnlich Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (495): „Sittenwidrig“ i. S. d. § 826 BGB meine „illoyal“ bzw. „unlauter“. 289 Rubner, Der Konzern 2007, 635 (640). 290 Goette, DStR 2007, 1593 (1594). 291 Vgl. BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (185). 292 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 22. 293 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 23. 294 Goette, DStR 2007, 1593, ebenda.

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Eingriffe wurde von Röhricht, weiland Vorsitzender Richter des II. Zivilsenats, herausgearbeitet295 und war stets Grundlage der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation296. Nunmehr wird im Schrifttum vertreten, die Sittenwidrigkeit der Existenzvernichtung ergebe sich aus dem mindestens eventualvorsätzlichen Ausnutzen dieser Schutzlücke297. Dem ist zuzugeben, dass das Sittenwidrigkeitsmerkmal der richtige Ort ist, um Wertungen des zugrundeliegenden Rechtsgebiets zu berücksichtigen298. c) Herleitung der Sittenwidrigkeit für die Zwecke der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur Für die Zwecke der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur kommen grundsätzlich alle drei geschilderten Ansätze in Betracht. Die Argumentation mit der Risikoexternalisierung passte besser, wenn es primär um Gläubigerschutz ginge. Hier geht es indes nur mittelbar um Gläubigerschutz – primär steht Insolvenzprophylaxe im Interesse der juristischen Person im Raum. Zwar passt die Formel von der „Selbstbedienung“ begrifflich nicht zur Ressourcenverwehrung. Aber das Abstellen auf die subjektive Motivation der Gesellschaftsgründer ist auch im Falle der Unterkapitalisierung fruchtbar. Eine Kapitalausstattung, die darauf schließen lässt, dass die Gesellschafter über die selbständigen Interessen ihrer GmbH in krass eigennütziger und rücksichtsloser Weise hinweggegangen sind und diese förmlich als beherrschtes, zu eigenständiger Willensbildung unfähiges Werkzeug einsetzen, ist dementsprechend als sittenwidrige Schädigung einzustufen. Die Herleitung der Sittenwidrigkeit aus dem bewussten Ausnutzen gesellschaftsrechtlicher Schutzlücken eignet sich auch für die Zwecke der Unterkapitalisierungshaftung. Eine der durch die §§ 30, 31 GmbHG offengelassenen Schutzlücke vergleichbare Lücke ist darin zu erblicken, dass die Finanzverfassung der GmbH nach dem MoMiG wie gezeigt nur noch lückenhaft bzw. fragmentarisch ist; es gibt keine Vorschriften über die neue Finanzierungsverantwortung, welche die neue Finanzierungsfreiheit zu bändigen imstande wären. Folgt man dem, so ist danach zu fragen, auf welche Weise und in welchem Umfang 295 Röhricht, GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH und BAW, S. 83 (93 f.). Ablehnend Rubner, Der Konzern 2007, 635 (638 f.), der diese Argumentation mit der Schutzlücke im System der §§ 30 f. GmbHG für eine petitio principii hält. 296 Goette, DStR 2007, 1593 (1594); Henze, WM 2006, 1653 (1656 f.); Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 5.174. 297 Rubner, Der Konzern 2007, 635 (640 ff.), der freilich das Bestehen der von Röhricht (siehe Kapitel 3 – Fn. 434) herausgearbeiteten Schutzlücke auf tatbestandlicher Ebene ablehnt, ausgleichend aber eine Schutzlücke auf der Rechtsfolgenseite ausmacht. 298 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (494 f.).

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die Gesellschafter ihrer neuen Finanzierungsverantwortung nicht nachgekommen sind. Letztlich sind die Übergänge zwischen dem Abstellen auf das bewusste Ausnutzen gesellschaftsrechtlicher Schutzlücken einerseits und auf die subjektive Motivation andererseits fließend. Die Rede vom Ausnutzen von Gesetzeslücken impliziert bereits eine krass eigennützige subjektive Motivation, ohne dass es hier pauschal als sittenwidrig angesehen werden soll, wenn eine Verhaltensweise darauf ausgerichtet ist, nicht vom Anwendungsbereich bestimmter gesetzlicher Regeln erfasst zu werden: Wo keine gesetzliche Vorsorge gegen ein bestimmtes Verhalten getroffen ist, darf das Deliktsrecht nur sanktionieren, wenn das Sittenwidrigkeitsurteil von weiteren Umständen getragen wird299. 3. Vorsatz in Bezug auf die sittenwidrige Schädigung a) Ermittlung nach allgemeinen Regeln Die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur ist eine Verhaltenshaftung: Sie knüpft daher an eine (Treue-)Pflichtverletzung an und setzt zusätzlich ein Verschulden voraus. Insofern verlangt § 826 BGB, dass die sittenwidrige Schädigung vorsätzlich erfolgt ist. Dabei genügt freilich nach allgemeinen Regeln Eventualdolus300. Im Trihotel-Urteil hat der BGH wiederholt, dass das Bewusstsein der Tatsachen, welche die Sittenwidrigkeit begründen, ausreicht – das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ist nicht zu verlangen301. b) Entwertung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung durch Vorsatzerfordernis? (1) Schwere Beweisbarkeit des subjektiven Tatbestandselements Gegen den Nutzen eines Anspruchs nach § 826 BGB wird oft die in der Praxis schwere Beweisbarkeit des subjektiven Tatbestandselements eingewandt302. 299

Vgl. Rubner, Der Konzern 2007, 635 (640). Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 III 1a; BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 30. 301 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 30. 302 So zur neuen Existenzvernichtungshaftung Schanze, NZG 2007, 681 (684); ähnlich Altmeppen, NJW 2007, 2657 (2659 f.); vgl. auch Jacob, GmbHR 2007, 796 (797 f.). Im Kontext der Haftung wegen Unterkapitalisierung etwa Landwehr, Durchgriffshaftung, S. 168. Gegen diesen Befürchtungen jedoch treffend Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 I 1b. Im Übrigen hat das Vorsatzerfordernis die Rechtsprechung in der Vergangenheit auch nicht davon abgehalten, die Gesellschafter bei pflichtwidrigen Vermögensabzügen aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 266 StGB haftbar zu machen; dazu Haas, ZIP 2006, 1373 (1380 f.). 300

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Im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung plädierten daher die Anhänger der echten Durchgriffshaftung für eine objektive Strukturhaftung ohne Verschuldenselement303. Schanze sucht Remedur darin, dem Gesellschafter bei „Evidenz einer schwerwiegenden Pflichtverletzung“ die Berufung auf andere als schädigende Absichten zu verwehren304. Altmeppen schlägt gestützt auf § 93 Abs. 5 S. 2, 3 AktG vor, eine gröbliche Sorgfaltswidrigkeit genügen zu lassen, falls der Vorsatz nicht beweisbar sein sollte305. Jedenfalls die letztgenannte Ansicht sieht sich Bedenken ausgesetzt: Gröbliche Sorgfaltswidrigkeit in diesem Sinne liegt auch bei grober Fahrlässigkeit vor306. Der von § 826 BGB verlangte Vorsatz ist jedoch dogmatisch etwas anderes als grobe Fahrlässigkeit. Darüber hilft § 93 Abs. 5 S. 2, 3 AktG nicht hinweg. Die genannte Ansicht müsste daher streng genommen § 826 BGB analog anwenden oder, was auch befürwortet wird, die Anspruchsgrundlage nicht mehr in § 826 BGB, sondern in der Sonderbeziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft verorten, wo Fahrlässigkeit genügen würde307. (2) Abhilfe durch Blick auf die konkrete Treuepflichtverletzung und Umkehr der Beweislast gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG Aus zwei Gründen entwertet das Vorsatzerfordernis die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung jedoch nicht: Zum einen sind sittenwidrige Treuepflichtverletzungen – ohne hier die dogmatischen Kategorien vermengen zu wollen – vielfach so beschaffen, dass die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen dem Schädiger bewusst sind. Man denke hierbei etwa an die aus der Praxis berichteten Überlegungen, mit einer UG & Co. KG unternehmerisch tätig zu werden, wobei die UG mit einem Stammkapital von einem Euro ausgestattet und ihr kein Gewinnanteil zugewiesen wird308. In einem solchen Fall ist die Thesaurierung gem. § 5a Abs. 4 GmbHG n. F. unmöglich. Die UG kann somit aus eigener Kraft niemals ein dem Geschäftsbetrieb angemessenes Eigenkapital entwickeln. Dies ist den Beteiligten – i. S. d. §§ 830 Abs. 2, 840 Abs. 1 BGB, also u. U. auch Beratern – bekannt, die Konstruktion wird ja gerade aus diesem Grund gewählt. Dann ist es zur Bejahung von Vorsatz i. S. d. § 826 BGB nicht mehr weit. Gleiches gilt, 303 Dagegen zutreffend Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (491 f.). 304 Schanze, NZG 2007, 681 (684). 305 Altmeppen, NJW 2007, 2657 (2659 f.); so auch schon Altmeppen, ZIP 2001, 1837 (1845) zur Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation, die freilich ohne das dogmatische Element des Vorsatzes auskam. 306 Hüffer, AktG7, § 93 Rn. 33. 307 Dafür Habersack, ZGR 2008, 533 (558); dazu ferner Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1203). 308 Dazu supra Kapitel 3 – B. II. 3. d) (3).

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wenn die Thesaurierungs- und damit die Kapitalisierungsmöglichkeiten der UG auf andere Weise vereitelt werden, etwa durch die Gewinnvermeidung mittels flexibler und z. B. umsatzbezogener Geschäftsführervergütungen309. Zum anderen kann die Umkehr der Beweislast Abhilfe schaffen. Zwar gilt im Zivilprozess der Grundsatz, dass jede Partei das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu beweisen hat310. Bei der Binnenhaftung der Vorstandsmitglieder einer AG ist die Beweislast bezüglich Pflichtwidrigkeit und Verschulden demgegenüber umgekehrt, § 93 Abs. 2 S. 2 AktG311. Die analoge Anwendung dieser Beweislastumkehr wird auch für die Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG verfochten312. Es liegt nahe, sie auch für die Gesellschafterhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung heranzuziehen, wiederum in doppelter Analogie313. Dafür spricht schon der Umstand, dass den Gesellschaftern oben zugestanden wurde, im sicheren Hafen der business judgment rule Zuflucht zu suchen. Kompensierend sollen sie sich dann auch beim Verschulden entlasten. Es wird von einem ähnlichen Ansatz aus Belgien berichtet, der de facto zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kapitalausstattung im Gründungsstadium der Gesellschaft führt: Das belgische Recht verlangt von Gesellschaftsgründern, einen Finanzplan aufzustellen. Dieser muss die Höhe des gewählten Kapitals unter Berücksichtigung der Anforderungen der konkreten Unternehmung begründen. Wird die Gesellschaft innerhalb der ersten drei Jahre nach ihrer Gründung insolvent und stellt sich der Finanzplan als unzulänglich heraus, kann dies Haftungsfolgen auslösen314. Übertragen auf die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung kann in der seriösen Planung des zu erwartenden Finanzbedarfs der Nachweis gesehen werden, dass die Gesellschafter keine Kenntnis von den die sittenwidrige Treuepflichtverletzung begründenden Umständen hatten. 4. Gesellschafterschützende Ausnahmen Da die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur die treuepflichtwidrige Vernachlässigung der neuen Finanzierungsverantwortung sanktionieren möchte, kann sie nur solche Gesellschafter treffen, denen eine (mit-)unternehmerische Finanzierungsverantwortung obliegt. Daher erscheint es angemessen, die Zwerg309

Goette, Status:Recht 2007, 236 (237). Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivilProzR16, § 114 Rn. 7. 311 Hüffer, AktG7, § 93 Rn. 16. 312 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht 5, Rn. 3.89 m.w. N. 313 Hinsichtlich der Existenzvernichtungshaftung a. A. BGH v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, NZG 2008, 187, Tz. 14. 314 Zum Ganzen Fleischer, DStR 2000, 1015 (1021); ferner Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 506. 310

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anteils- und Sanierungsprivilegien315 gem. § 39 Abs. 4, 5 InsO n. F.316 entsprechend anzuwenden. IV. Die Rechtsfolge der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung 1. Nicht in Betracht kommende Rechtsfolgen Mit der Einordnung der insolvenzpräventiven Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung als Fallgruppe des § 826 BGB scheiden eine Reihe von Rechtsfolgen aus, mit denen die Rechtsprechung den verantwortungslosen und missbräuchlichen Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen in der Vergangenheit sanktioniert hatte. a) Konzernrechtliche Folgen analog §§ 302 f. AktG Die Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen GmbH-Konzern317 kam dann zum Tragen, wenn die Doppelvermutung gem. §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 3 AktG eingriff. Sie setzte ferner voraus, dass der als „herrschendes Unternehmen“ auftretende Gesellschafter in Abwesenheit eines Beherrschungsvertrags i. S. d. § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG umfassend steuernd Einfluss nahm, ohne dass punktuell ausgleichbare Einzelmaßnahmen identifiziert werden konnten. In der Rechtsfolge drohte neben Verlustübernahme und Sicherheitsleistung gem. § 302 f. AktG eine Ausfallhaftung gegenüber den Gläubigern des abhängigen Unternehmens in Fortentwicklung von §§ 303, 322 Abs. 2, 3 AktG, wenn dieses vermögenslos war oder eine Zwangsvollstreckung erfolglos erschien318. Jedoch hat sich die Bewältigung des Problems mittels der Figur des qualifiziert faktischen Konzerns als Irrweg erwiesen. Es handelte sich dabei um eine „unkontrollierte Ausdehnung“ des Konzernrechts, die zwischenzeitlich einen „beispiellosen Sturm der Entrüstung entfacht“ hatte319. Eindeutig zu weit ging jedenfalls die – später aufgegebene – Vermutung, wonach ein herrschendes Unternehmen seine Leitungsmacht missbrauche320. Das Konzernrecht passt auch nicht zur Unterkapitalisierung, denn ein Verlust i. S. d. § 302 AktG ist nicht kau315 Zur rechtlichen Konstruktion dieser Privilegien kritisch K. Schmidt, GesR4, § 37 IV 4 (betrifft Rechtslage vor dem MoMiG). 316 Art. 9 Nr. 5 lit. b MoMiG. Zur Formulierung des § 39 Abs. 4 InsO n. F. kritisch BR-Drucks. 354/07, S. 28 f. 317 Zum qualifiziert faktischen GmbH-Konzern Hüffer, GesR6, S. 370 ff. und eingehend Assmann, Der faktische GmbH-Konzern, in: FS GmbHG, S. 657 ff. Allgemein Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 53 Rn. 51 ff. 318 BGH v. 16.9.1985 – II ZR 275/84 (Autokran), BGHZ 95, 330 (346 ff.); Raiser/ Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 53 Rn. 60; K. Schmidt, GesR4, § 31 IV 4. 319 Formulierungen nach K. Schmidt, GesR4, § 39 III 4a.

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sale Folge der Unterkapitalisierung, sondern schädlicher Einflussnahme auf die Geschäftsführung geschuldet. b) Durchgriffshaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten Auch eine Durchgriffshaftung im Sinne einer unbeschränkten Außenhaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft kommt als Sanktion für die quotale Unterkapitalisierung nicht in Betracht. Die klassische Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung verlangte sie mehrheitlich321; auch die Judikatur zum existenzvernichtenden Eingriff der ersten Generation bediente sich ihrer, wenn auch nicht konsequent322. Unter teleologischer Reduktion323 des § 13 Abs. 2 GmbHG hatte dies eine akzessorische Gesellschafterhaftung analog § 128 HGB für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zur Folge. Auch wenn diese Außenhaftung im Falle der Existenzvernichtung in einem Subsidiäritätsverhältnis zu den §§ 30 f. GmbHG stand324, wohnte ihr insofern eine „überschießende“ Tendenz inne, als dass sie ohne Rücksicht auf die Kausalkette eine Einstandspflicht für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten begründete325. Um dies zu korrigieren, wurde die Existenzvernichtungshaftung auch eher in eine Schadensersatzhaftung verwandelt: Der Gesellschaftsgläubiger konnte seine Forderung u. U. nicht vollumfänglich geltend machen, sondern musste sich ggf. entgegenhalten lassen, ihm sei ein geringerer Schaden entstanden, weil die Gesellschaft diese Verbindlichkeit auch ohne den existenzvernichtenden Eingriff nicht hätte erfüllen können326. Angesichts solcher „Inhomogenität und dogmatischen Unschärfe“ 327 wurde diese Konstruktion in der Trihotel-Entscheidung aufgegeben328. 320 So BGH v. 23.9.1991 – II ZR 135/90 (Video), BGHZ 115, 187 (194); vgl. dazu Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 53 Rn. 55. Dies war nach Goette, DStR 2007, 1593 (1594) eine „Übertreibung“. 321 Vgl. dazu supra Kapitel 4 – C. II. 2. b). 322 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S 473 (480, 483) zeigt, dass die Rechtsprechung zwischen echter Durchgriffshaftung analog § 128 HGB und (der Sache nach deliktischer) Schadensersatzhaftung schwankte. 323 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 182. 324 Die Gesellschaftsgläubiger konnten mithin nur dann unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs gegen die Gesellschafter vorgehen, wenn sie keine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen zu erlangen vermochten, Haas, ZIP 2006, 1373 (1381). 325 Dazu Habersack, ZGR 2008, 533 (541, 543). 326 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (477 f., 480). 327 Im Einzelnen BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 20 ff. 328 Goette, DStR 2007, 1593 (1594); Rubner, Der Konzern 2007, 635 (637): „Die Rechtsfolge einer persönlichen Haftung der GmbH-Gesellschafter für prinzipiell sämtliche Schulden der Gesellschaft [war] uferlos.“

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2. Schadensersatz Nach wie vor ist die Aussage des BGH zutreffend, über die Figur der juristischen Person dürfe „nicht leichtfertig und schrankenlos“ 329 hinweggegangen werden. Richtigerweise kommt es deshalb in den Fällen der quotalen Unterkapitalisierung auf einen Ausbau ihrer Rechtsstellung gegenüber ihren Gesellschaftern an, indem ihr ein Anspruch auf Ersatz ihres Vermögensschadens im Innenverhältnis zugestanden wird. Dieser Vermögensschaden ist mit der Unterkapitalisierungsquote gleichzusetzen. a) Binnenhaftung der beteiligten Gesellschafter als Gesamtschuldner Indem die Schadensersatzhaftung der Gesellschafter an die Verletzung einer ihnen gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflicht angeknüpft wird, ist zugleich entschieden, dass es sich um eine Binnenhaftung handeln muss330. Die für die Treuepflichtverletzung verantwortlichen Gesellschafter haften gem. §§ 830 Abs. 1 S. 1, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Bei doppeltem Schädigungsvorsatz können u. U. auch mitwirkende Geschäftsführer, Banken, Berater und Anwälte gem. § 830 Abs. 2 BGB als Teilnehmer331 haftbar sein332. b) Inhalt des Schadensersatzanspruchs unter Beachtung der neuen Finanzierungsfreiheit Ist der Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht, müssen die Gesellschafter ihre Gesellschaft gem. § 249 Abs. 1 BGB so stellen, wie sie stünde, wenn die Treuepflicht nicht verletzt worden wäre. Die Treuepflichtverletzung wurde oben in einer Kapitalausstattung erblickt, die den Tatbestand der allgemeinen Unterkapitalisierung erfüllt. Demzufolge haben die Gesellschafter den Zustand der quotal ermittelten allgemeinen Unterkapitalisierung zu beseitigen. Dazu muss der GmbH von ihren Gesellschaftern Kapital zugeführt werden, bis die maßgebliche Gesellschafterkapitalquote wieder erreicht ist. Der Schaden ist damit der Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der von Rechts wegen verlangten Gesellschafterkapitalquote 333. 329 BGH v. 8.7.1970 – VIII ZR 28/69 (Siedlerverein), BGHZ 54, 222 (224) m.w. N.; BGH v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (333). 330 Vgl. bereits K. Schmidt, GesR4, § 9 IV 4c, 5; Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2026). Dazu ausführlich Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (485 ff.). 331 Da die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung an eine Treuepflicht anknüpft, die in ihrer hier entwickelten Ausprägung allein die Gesellschafter trifft, können Nichtgesellschafter allenfalls Teilnehmer sein (Sonderdelikt). 332 Zur Situation bei der Existenzvernichtungshaftung Weller, ZIP 2007, 1681 (1687). 333 Ebenso schon Winkler, BB 1969, 1202 (1205 f.); a. A. Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, S. 661 (679 ff.) sowie ders., in: Hachenburg, Großkomm., I. Bd.8, Anh. § 30 Rn. 50.

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Die Gesellschafterkapitalquote macht die Schadensermittlung zur einfachen Rechenaufgabe. Da die Berechnung jedoch von der Bilanzsumme abhängt, wäre die Höhe der Schadensersatzforderung notwendigerweise dynamisch, wenn es keinen Stichtag gäbe. Als Stichtag bietet sich aus Vereinfachungsgründen der Tag der Geltendmachung des Anspruchs an. Die Verpflichtung zur Kapitalzufuhr ist keine Nachschusspflicht. Eine solche kennt das Gesellschaftsrecht ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche334 Regelung nicht. Das entnimmt man §§ 53 Abs. 3 GmbHG, 180 Abs. 1 AktG, 707 BGB sowie einem Umkehrschluss aus § 26 Abs. 1 GmbHG. Mit alldem hat die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nichts zu tun, weil § 826 BGB eine eigenständige Verpflichtung der Gesellschafter schafft, die schon deshalb nicht mit ihren Einlagepflichten kollidiert, weil die Gesellschafterkapitalquote auch durch Fremdkapital aus Gesellschafterhand aufgefüllt werden kann; dazu sogleich. c) Modalitäten der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs Bei der Erfüllung der Schadensersatzforderung ist der oben dargelegten neuen Finanzierungsfreiheit dadurch Geltung zu verschaffen, dass den Gesellschaftern – anders als früher im Rahmen der Rechtsprechung zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen335 – überlassen bleibt, ob sie Eigen- oder Fremdkapital zuführen wollen. In Betracht kommt einerseits eine effektive Kapitalerhöhung. Dafür können selbstverständlich auch Dritte gewonnen werden, die durch die Übernahme einer neuen Stammeinlage ihren Beitritt zur Gesellschaft erklären und damit deren Eigenkapitalbasis stärken. Die Kapitalerhöhung zur Beseitigung der quotalen Unterkapitalisierung kann auch aus genehmigtem Kapital erfolgen, § 55a GmbHG n. F.336; die Schaffung eines solchen ermöglicht dem Geschäftsführer die zügige Durchführung der Kapitalerhöhung und kann den Gesellschafter zur Haftungsvermeidung empfohlen werden. Andererseits kann sich die Schadensersatzpflicht gem. §§ 826, 249 Abs. 1 BGB auch als Kontrahierungszwang im Hinblick auf eine Darlehensgewährung oder eine mietweise Nutzungsüberlassung darstellen.

Dazu K. Schmidt, GesR4, § 16 III 3b cc). Im Eigenkapitalersatzrecht wurde verlangt, dass die Gesellschafter haftendes Eigenkapital zuführten, wenn sie sich dazu entschlossen, in der Krise ihrer Gesellschaft Kapital zuzuführen, vgl. dazu ausführlich Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (430 ff.); ferner BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (272 f.) und bereits supra Kapitel 3 – B. IV. 2. 336 Art. 1 Nr. 32a MoMiG. 334 335

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

Wie oben ausgeführt, kann es ferner genügen, wenn das Fremdkapital von dritter Seite herrührt, sofern dieses einem Gesellschafter wirtschaftlich zuzurechnen ist, etwa weil er für die Gesellschaft bürgt. Das erlaubt die Fortführung der Gesellschaft auch dann, wenn die Gesellschafter im Moment illiquide sein sollten. d) Insolvenzprophylaxe durch den Schadensersatzanspruch Der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft stellt einen Beitrag zur Insolvenzprophylaxe dar: Ähnlich wie die aus dem Recht der Vor-GmbH bekannten Figuren der Vorbelastungs- und der Verlustdeckungshaftung337 kann die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung die Insolvenz der Gesellschaft abwenden, indem sie ihr eine Forderung gegen die Gesellschafter verschafft. Bereits hier sei angedeutet, dass die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung in eine Existenzvernichtungshaftung umschlagen kann, falls es zur Insolvenz kommt338. (1) Bilanzielle Wirkung des Schadensersatzanspruchs Der Schadensersatzanspruch entsteht dem Grunde nach zu dem Zeitpunkt, in welchem die Gesellschafterkapitalquote unterschritten ist, sofern die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Seine Höhe hängt wie oben erläutert von der Bilanzsumme zum Stichtag der Geltendmachung ab. Ab diesem Zeitpunkt kann die Schadensersatzforderung in der Bilanz aktiviert werden339. Dies vergrößert das Gesellschaftsvermögen und kann den Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung gem. § 19 Abs. 1, 2 S. 1 InsO abwehren. (2) Kurzfristiger Liquiditätsgewinn durch den Schadensersatzanspruch Die Ersatzforderung kann freilich auch zur Erlangung kurzfristiger Liquidität abgetreten werden. Sie kann dabei verkauft werden (§ 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder als Kreditsicherheit fungieren, jeweils auch im Rahmen eines Factoringvertrags. Die damit erlangte kurzfristige Liquidität vermag den Insolvenzeröffnungsgrund der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit gem. §§ 17 f. InsO zu vermeiden. Zugegebenermaßen werden hier gewisse Abschläge zu berücksichtigen sein, weil der Zessionar die tatbestandlichen Risiken übernimmt, dass dem Ge-

337 Eingehend zum Problemkreis BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333. Ablehnend K. Schmidt, GesR4, § 34 III 3c. 338 Dazu infra Kapitel 4 – C. IV. 4. 339 Zur bilanziellen Wirkung des neuen Innenhaftungskonzepts bei der Existenzvernichtungshaftung kritisch Rubner, Der Konzern 2007, 635 (645).

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sellschafter z. B. der Entlastungsbeweis gelingt oder dass er die Voraussetzungen der business judgment rule beweisen kann. (3) Pfändungslösung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger Den Gesellschaftsgläubigern steht es offen, sich die Schadensersatzforderung aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen, §§ 829, 835 ZPO. Dann können sie gegen die Gesellschafter vorgehen. Dies kann die Gesellschaftsgläubiger veranlassen, von einem Insolvenzantrag gem. § 14 InsO abzusehen. Die Pfändungslösung mag einen „Umweg“ darstellen, sie ist jedoch konsequent, wenn man § 13 Abs. 2 GmbHG ernst nehmen will340. Die Pfändungslösung ist der Praxis auch durch die Rechtsprechung zu den Haftungsverhältnissen in der Vor-GmbH vertraut341. Die dort diskutierten Fallgruppen, in denen es ausnahmsweise doch zu einer echten Durchgriffshaftung kommen soll342, können aber kaum auf die hier vorgeschlagene Unterkapitalisierungshaftung übertragen werden: Die Fallgruppe der masselosen Insolvenz deshalb nicht, weil die hiesige Haftungsfigur der Insolvenzprophylaxe dient und nur im Stadium vor der Insolvenz Geltung beansprucht343; die Fallgruppen der Vermögenslosigkeit, des Vorhandenseins nur eines Gläubigers und schließlich der Einpersonen-GmbH nicht, weil den Gesellschaftsgläubigern hier ebenso wie z. B. bei § 31 GmbHG die Pfändung des Anspruchs der GmbH gegen ihren Gesellschafter zuzumuten ist, um zu vermeiden, dass dem Gesellschafter die Finanzierungsfreiheit (Wahl zwischen Eigen- oder Fremdkapitalzufuhr oder Liquidation) über den Umweg eines echten Durchgriffs genommen wird. e) Zuständigkeit zur Geltendmachung Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung dient der Insolvenzprophylaxe. Sie gilt daher nur während der Lebensdauer der GmbH. In diesem Zeitraum ist ihr Geschäftsführer dazu berufen, die Ersatzforderung aus § 826 BGB geltend zu machen. Tut er dies nicht, macht er sich seinerseits gem. § 43 Abs. 2 GmbHG gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig344. 340 Vgl. auch zur parallelen Situation bei der Existenzvernichtungshaftung außerhalb des Insolvenzverfahrens (also regelmäßig bei Masselosigkeit) BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 36. 341 Dazu BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333. 342 Dazu K. Schmidt, GesR4, § 34 III 3c. 343 Dazu infra Kapitel 4 – C. IV. 4. a). 344 Es stellt eine Pflichtverletzung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG dar, wenn es der Geschäftsführer versäumt, Haftungsansprüche gegen Gesellschafter geltend zu machen, vgl. K. Schmidt, GesR4, § 36 II 4a.

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Im Falle eines mit dem Geschäftsführer personenidentischen Alleingesellschafters scheint die Binnenhaftungskonstruktion an ihre Grenzen zu stoßen: Denn nach h. M. ist die Haftung des Geschäftsführers aus § 43 GmbHG grundsätzlich ausgeschlossen, soweit er auf ausdrückliche, bindende Weisung der Gesellschafter handelt345. Der BGH verzichtet sogar auf einen förmlichen Gesellschafterbeschluss, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft bewusst nachteilig handelt und führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Haftung auch dann ausgeschlossen sei, wenn „der tatsächliche Geschäftsführer der Gesellschaft aufgrund seiner Personengleichheit mit dem wirtschaftlichen Alleingesellschafter, der in der Gesellschaft letztlich allein weisungsberechtigt ist, praktisch seine eigenen Weisungen ausführt.“ 346

In einer solchen Konstellation, die für kleinere Gesellschaften mbH und die UG nicht untypisch sein dürfte, hängt die insolvenzpräventive Wirkung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung davon ab, dass der betreffende Alleingesellschafter verantwortungsvoll im Interesse seiner Gesellschaft handelt. Jedoch vermag ggf. schon die im Insolvenzfall drohende, regelmäßig höhere Existenzvernichtungshaftung347 sicherzustellen, dass die Binnenhaftung nicht leer läuft. Hinzukommt, dass es den Gesellschaftsgläubigern im Falle des mit dem Geschäftsführer personenidentischen Alleingesellschafters freilich unbenommen ist, sich die Gesellschaftsforderungen pfänden und zur Einziehung überweisen zu lassen. In dieser Situation bedarf es auch hinsichtlich des Anspruchs aus § 43 Abs. 2 GmbHG keines Gesellschafterbeschlusses gem. § 46 Nr. 8 GmbHG348. Daran zeigt sich im Übrigen, dass die Pfändungslösung das Bedürfnis einer Geltendmachungsbefugnis der Gläubiger analog § 93 Abs. 5 AktG reduziert. 3. Geordnetes Liquidationsverfahren Es ist Ausdruck der Finanzierungsfreiheit, dass den Gesellschaftern zugestanden wird, den Zustand der quotal ermittelten allgemeinen Unterkapitalisierung nicht beseitigen zu müssen, etwa wenn sie nicht über ausreichendes Kapital verfügen oder die Erfolgschancen für gering erachten. Ein Gesellschafter ist nicht zur Fortführung der Gesellschaft verpflichtet349. Jedoch muss die Gesellschaft in einem geordneten Verfahren – sei es gem. §§ 66 ff. GmbHG, sei es im Insolvenzverfahren – liquidiert werden, will der Gesellschafter der Unterkapitalisierungshaftung gem. § 826 BGB entgehen. Die 345 346 347 348 349

Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 43 Rn. 33 m.w. N. BGH v. 28.9.1992 – II ZR 299/91, BGHZ 119, 257 (261). Dazu sogleich infra Kapitel 4 – C. IV. 4. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG18, § 43 Rn. 30. Statt aller K. Schmidt, GesR4, § 37 III 7.

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Finanzierungsverantwortung stellt die Gesellschafter vor die Alternative, ihre Verpflichtung gem. § 826 BGB durch Kapitalzufuhr zu erfüllen oder die Gesellschaft zu liquidieren350. Aus dieser Alternative wurde der Schluss gezogen, es gebe kein eigenständiges Bestandsinteresse der Gesellschaft. Ihre Liquidation erfolge allein zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Folgerichtig stünden den Gläubigern eventuell aus der Beeinträchtigung der Schuldendeckungsfähigkeit der Gesellschaft entstehende Ansprüche zu, denn daraus resultierende Schäden träten letztlich im Vermögen der Gesellschaftsgläubiger ein351. Wie oben erläutert, lässt sich dem entgegnen, dass das Gesellschaftsvermögen den Gläubigerschutz mediatisiert352: Eine besondere Pflichtenbindung obliegt den Gesellschaftern nur im Verhältnis zur Gesellschaft. Auf deren Vermögen müssen sie Rücksicht nehmen, denn allein dieses steht zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung, § 13 Abs. 2 GmbHG; auch die Binnenansprüche gem. §§ 9 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG beruhen auf diesem Gedanken. 4. Existenzvernichtungshaftung im Insolvenzfall a) Umschlagen der Unterkapitalisierungs- in eine Existenzvernichtungshaftung Da die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung Insolvenzprophylaxe bezweckt, beansprucht sie ab dem Zeitpunkt der Insolvenz keine eigenständige Geltung mehr. Waren die Gesellschafter weder bereit, die Unterkapitalisierung zu beseitigen, noch die Gesellschaft ordnungsgemäß zu liquidieren, und spekulierten sie stattdessen mit der unterkapitalisierten Gesellschaft weiter auf Kosten der Gläubiger353, so haften sie im Insolvenzfall unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs354. 350 In gleicher Weise stand es schon früher im Eigenkapitalersatzrecht den Gesellschaftern offen, der Gesellschaft frisches Kapital zuzuführen oder sie zu liquidieren, vgl. BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 (Lufttaxi), BGHZ 31, 258 (272); zur diesbezüglichen Freiheit des „Finanzierungs-Ob“ anschaulich Hommelhoff/Kleindiek, Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, in: FS GmbHG, S. 421 (430). Bei der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung will auch Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, S. 3 (20) die Gesellschafter vor die Alternative stellen: Kapitalzufuhr oder Liquidation. 351 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (488); dazu vgl. auch Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1204). 352 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 33. Zur Mediatisierung des Gläubigerschutzes siehe auch bereits supra Kapitel 4 – C. III. 1. a) (3). Vgl. allg. zur Funktion der Binnenhaftung auch Haas, GmbHR 2006, 729 (737). 353 Vgl. Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (46 f.). 354 Nicht unähnlich K. Schmidt, GesR4, § 37 III 7, der für eine auf das Sonderrechtsverhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft gestützte Insolvenzverursachungshaftung eintritt.

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

Es bleibt also grundsätzlich bei einer Binnenhaftung. Zur Geltendmachung des Anspruchs der Gesellschaft ist jedoch dann gem. § 80 InsO der Insolvenzverwalter berufen. Ausnahmsweise kommt bei Masselosigkeit, die nach dem MoMiG wie oben ausgeführt wahrscheinlicher geworden ist, eine Durchgriffshaftung in Betracht: Die Gesellschaftsgläubiger könnten dann in Anlehnung an das Haftungsregime der Vor-GmbH direkt gegen die beteiligten Gesellschafter vorgehen355. b) Der Streit um die Definition des existenzvernichtenden Eingriffs Ein solches Umschlagen der Unterkapitalisierungs- in eine Existenzvernichtungshaftung setzt aber freilich voraus, dass die Unterkapitalisierung einer GmbH unter den Begriff des existenzvernichtenden Eingriffs subsumiert werden kann. Diese Frage ist umstritten. In der Literatur wird teilweise eingewandt, es handele sich beim passiven Vorenthalten des betriebsnotwendigen Vermögens nicht um einen existenzvernichtenden Eingriff – ein solcher setze aktives Handeln voraus356. Demgegenüber wird vielfach vertreten, dass die Existenzvernichtungshaftung nicht nur dann eingreifen soll, wenn die Gesellschafter massiv in die Ressourcen der Gesellschaft eingreifen und ihr dadurch die wirtschaftliche Lebensfähigkeit rauben, sondern auch dann, wenn sie ihr die erforderlichen Ressourcen von Anfang an vorenthalten357: „Wenn die Gesellschafter für die Erhaltung der Existenz des Gesellschaftsvermögens verantwortlich gemacht werden, muss dies auch für die Aufbringung eines angemessenen Eigenkapitals gelten.“ 358

Auch das OLG Düsseldorf hatte sich dieser Sichtweise im Fall einer sog. „Aschenputtelgesellschaft“, der von Anfang an nur Risiken zugewiesen sind, angeschlossen359. Der II. Zivilsenat des BGH verwarf diesen Standpunkt jedoch in der Revision. Zur Begründung führte er aus, das den Gesellschaftern vorgeworfene, insolvenzverursachende Unterlassen der Absicherung der Ansprüche

355

So überzeugend Habersack, ZGR 2008, 533 (548). So etwa Weller, ZIP 2007, 1681 (1684); vgl. auch Schaefer/Fackler, NZG 2007, 377 ff. und schon früher Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 159 ff. 357 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (419 f.); Ihrig, DStR 2007, 1170 (1173); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften 4, § 29 Rn. 46; Raiser, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 162–164; Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (497); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295); nicht abgeneigt auch Goette, ZIP 2005, 1481 (1487); erwägend Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, S. 205 f. 358 Wiedemann, ZGR 2003, 283 (295). 359 OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388; dies befürworten Ihrig, DStR 2007, 1170 (1173) und Ulrich, GmbHR 2007, 1289 (1292), der im selben Absatz freilich eine Pflicht zur angemessenen Kapitalausstattung ablehnt. 356

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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der insolventen Gesellschaft stelle schon begrifflich keinen Eingriff in das Gesellschaftsvermögen dar. Dieses habe das Stammkapital nicht angetastet. Soweit der Vorwurf gegen die Gesellschafter auf eine unzureichende Kapitalausstattung hinauslaufe, sei klarzustellen, dass die Einordnung der Unterkapitalisierung als Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung systemwidrig wäre360. c) Argumente für die Gleichbehandlung von Ressourcenabzug und -vorenthaltung Dieser Argumentation des BGH ist nicht zu folgen. Folgende Gesichtspunkte sprechen für die Gleichbehandlung von Ressourcenabzug und -vorenthaltung bzw. -verwehrung. (1) Deliktsrechtliche Dimension des pflichtwidrigen Unterlassens Das grammatische Argument des Gamma-Urteils, wonach es begrifflich auf einen (aktiven) Eingriff in das Gesellschaftsvermögen ankomme361, übersieht, dass im Deliktsrecht – und dazu gehört die Existenzvernichtungshaftung seit der Trihotel-Entscheidung – das pflichtwidrige Unterlassen dem aktiven Tun gleichsteht362. Oben wurde dargelegt, weshalb eine vertikale Treuepflicht die Vermeidung und Beseitigung von allgemeiner Unterkapitalisierung gebietet. Also ist sie tauglicher Bezugspunkt der Existenzvernichtungshaftung i. R. d. § 826 BGB. Davon abgesehen lässt sich die begriffliche Problematik dadurch vermeiden, dass in der „Ausstattung der GmbH mit einem nicht lebensfähigen Geschäftsbetrieb ein aktives Gesellschafterhandeln“ 363 erblickt wird. (2) Antastung des Stammkapitals irrelevant Wenn der BGH ausführt, das streitgegenständliche Unterlassen führe deshalb nicht zur Existenzvernichtungshaftung, weil es das Stammkapital nicht angetastet habe364, überzeugt dies nicht. Denn ausweislich des Trihotel-Urteils dient die Existenzvernichtungshaftung gerade dazu, solche Maßnahmen der Gesellschafter zu sanktionieren, die das Stammkapital unangetastet lassen und daher von 360

BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 12 f. BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 12; zustimmend Altmeppen, ZIP 2008, 1201 (1205) und Kleindiek, NZG 2008, 686 (688). 362 Statt aller Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 75 II 1b, § 76 III 1b. 363 Ihrig, DStR 2007, 1170 (1173); Veil, NJW 2008, 3264 (3265). Dies macht die Existenzvernichtungshaftung entgegen Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 167, nicht zu einer Strukturhaftung. 364 So BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204, Tz. 12. 361

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

§§ 30, 31 GmbHG nicht erfasst werden; sie soll ja als die Kapitalerhaltungsregeln ergänzende „Entnahmesperre“ jenseits der Stammkapitalziffer wirken365. (3) Fähigkeit der Gesellschaft zur Schuldenbedienung Ferner haben Ressourcenabzug und -vorenthaltung denselben Kern. Zwar lässt sich gegen die Einordnung der Unterkapitalisierung unter der Existenzvernichtungshaftung einwenden, dass letztere eine Schutzlücke im Bereich der §§ 30 f. GmbHG schließen will366. Somit geht es ihr darum, bestimmte Vermögensabflüsse zu sanktionieren367. Die Unterkapitalisierung ist nun aber das Gegenteil eines Vermögensabflusses. Jedoch liegt der Kern nicht im Bild des Vermögensabflusses, sondern in der dahinterstehenden Erwägung: Zu fragen ist nach dem Grund, weshalb die Existenzvernichtungshaftung bestimmte Vermögensabflüsse sanktioniert. Diesbezüglich hat der BGH in seiner Rechtsprechung stets auf die Funktion des zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens abgestellt: „Auf keinen Fall kann es [. . .] erlaubt sein, der Gesellschaft ihr Vermögen ohne Rücksichtnahme auf ihre gesetzliche Funktion, anstelle ihrer Gesellschafter als Haftungsträger zu dienen, zu entziehen und ihr dadurch die Möglichkeit zu nehmen, ihre Verbindlichkeiten – ganz oder wenigstens teilweise – zu erfüllen.“ 368

Die Gesellschafter nehmen der Gesellschaft aber auch von vornherein die Möglichkeit, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, wenn sie ihr kein angemessenes Kapital zur Verfügung stellen. Ressourcenabzug und -vorenthaltung betreffen also gleichermaßen die Fähigkeit der Gesellschaft zur Schuldenbedienung. (4) Gleichstellung von Ressourcenabzug und -vorenthaltung aus Sittenwidrigkeitserwägungen Die Gleichstellung von Ressourcenabzug und Ressourcenverwehrung kann des weiteren mit Sittenwidrigkeitserwägungen begründet werden. Sowohl die Existenzvernichtungshaftung als auch die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung knüpfen an sittenwidriges Verhalten an. Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB kann auch dann zu bejahen sein, wenn die Dispositionsmöglichkeiten des einen Teils so sehr beschränkt werden, dass er von seiner wirtschaftlichen Freiheit keinen Gebrauch mehr machen kann369. Eine solche Wirkung besteht unabhängig davon, ob die Gesellschafter massiv und kompensa365

BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. Dazu supra Kapitel 4 – C. III. 2. b) (2). 367 Mit Rekurs auf den fehlenden Abzug von Vermögen lehnt Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 167, die Subsumtion der Unterkapitalisierung unter den existenzvernichtenden Eingriff ab. 368 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 (186 f.). 369 Heinrichs, in: Palandt67, § 138 Rn. 39 zu Knebelungsverträgen. 366

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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tionslos in das – zunächst ausreichende – Gesellschaftsvermögen eingreifen, oder ob sie gar nie ein ausreichendes Kapital zur Verfügung stellen. Dies zeigt, dass es weniger darauf ankommt, wie sich das Gesellschafterverhalten äußerlich darstellt, sondern vielmehr auf die identische Auswirkung des sittenwidrigen Verhaltens. In diese Richtung zeigt es auch, wenn der II. Zivilsenat in seiner Trihotel-Entscheidung danach fragt, ob eine Sicherungsübereignung von Gesellschaftsgut deren Kreditfähigkeit empfindlich beeinträchtigte370, und welche Auswirkungen die Aufhebung eines Hotelpachtvertrags auf die Fähigkeiten der Gesellschaft hatte, den Betrieb des Hotels fortzuführen371. Ob Dispositionsmöglichkeiten entzogen oder treuepflichtwidrig vorenthalten werden, kann zusammenfassend keinen Unterschied machen. (5) Sanktionierung der Umgehung von Liquidationsvorschriften Dass die Missachtung des Verhaltensgebots der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur, die Unterkapitalisierung zu beseitigen oder die Gesellschaft in einem geordneten Verfahren zu liquidieren, tauglicher Anknüpfungspunkt der Existenzvernichtungshaftung sein kann, zeigt sich auch darin, dass die Existenzvernichtungshaftung u. a. der Einhaltung der Liquidationsvorschriften dient372. Indem sie die „wilde“ Liquidation sanktioniert, schafft sie einen Anreiz, ein geordnetes Liquidationsverfahren durchzuführen. Da die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung die Gesellschafter vor die Alternative stellt, Kapital zuzuführen oder die Gesellschaft zu liquidieren, schafft sie einen neuen Anwendungsbereich für die Existenzvernichtungshaftung. d) Zusammenfassung Nach alledem zieht es die Haftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs nach sich, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: Eine bestehende Schadensersatzforderung der Gesellschaft wegen quotaler Unterkapitalisierung wurde nicht befriedigt, die Gesellschaft wurde dennoch fortgeführt anstatt ordnungsgemäß liquidiert, und schließlich kam es zur Insolvenz. Gab es unter den Gesellschaftern unterschiedliche Auffassungen über das weitere Vorgehen in der Situation der allgemeinen Unterkapitalisierung, so haftet jedenfalls derjenige, der i. R. d. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG mit gesellschaftsrechtlicher Mehrheit gegen die Liquidation gestimmt hat.

370

BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 47 f. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 49 f. 372 Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 144 f. m.w. N. 371

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

5. Zwischenergebnisse: Abgestuftes System von Rechtsfolgen Das vorgeschlagene System von Rechtsfolgen ist folgendermaßen abgestuft: 1. An erster Stelle steht eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Gesellschafter und mitwirkender Teilnehmer gem. §§ 826, 830 Abs. 2, 840 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB, den schadensstiftenden Zustand der Unterkapitalisierung zu beseitigen. 2. Die Schadenshöhe ist der Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen und der von Rechts wegen verlangten (16 Prozent) Gesellschafterkapitalquote an der Bilanzsumme, berechnet zum Stichtag der Geltendmachung des Anspruchs. 3. Die Zuerkennung einer Schadensersatzforderung kann die Insolvenz der Gesellschaft abwenden, weil die Forderung in der Bilanz aktiviert, abgetreten oder von den Gesellschaftsgläubigern gepfändet werden kann. 4. Der Finanzierungsfreiheit (vgl. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.) wird dadurch Rechnung getragen, dass den Gesellschaftern offensteht, ob sie Eigen- oder Fremdmittel zuführen. In Betracht kommen etwa eine effektive Kapitalerhöhung, Darlehensgewährung oder die Übernahme einer Bürgschaft für Fremddarlehen. 5. Alternativ steht es den Gesellschaftern offen, die Gesellschaft in einem geordneten Verfahren zu liquidieren. 6. Ignorieren die Gesellschafter ihre Verpflichtung aus § 826 BGB und führen sie die Gesellschaft damit in die Insolvenz, greift die Existenzvernichtungshaftung. Die daraus resultierende Forderung vergrößert die Insolvenzmasse. 7. Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung kehrt die Dogmatik des Eigenkapitalersatzrechts um: Nunmehr ist das „wie“ der Finanzierung frei, das „ob“ hingegen (teilweise) unfrei. 8. Dieses abgestufte System von Rechtsfolgen ist milder und weniger abschreckend als eine Durchgriffshaftung analog § 128 HGB für sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten. V. Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur 1. Eingrenzung der anspruchsberechtigten Gesellschaften Unter den deutschen373 Kapitalgesellschaftsformen kann nur die GmbH (und selbstverständlich auch die GmbH in Form der UG) in den Genuss der vorge373 Zur Anwendbarkeit der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung auf ausländische Gesellschaften vgl. infra Kapitel 5 – D.

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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schlagenen Binnenhaftungsfigur kommen. Das liegt am Wesen der zugrundeliegenden Treuepflichtverletzung. Erstens sind die Treuepflichten nur in hinreichend personalistischen Gesellschaften intensiv genug, um eine Haftung wie die vorgeschlagene legitimieren zu können. Zweitens existiert die neue Finanzierungsfreiheit nur bei GmbH und UG; namentlich die AG kennt strengere Finanzierungsregeln, man denke etwa an §§ 7, 52, 57, 150 Abs. 2 AktG. Drittens ist der Kreis der Aktionäre jedenfalls einer börsennotierten AG regelmäßig hoher Fluktuation unterworfen, sodass die vorgeschlagene Binnenhaftung schnell an ihre Grenzen stoßen würde. Zuletzt haben Aktionäre keinen demjenigen der GmbH-Gesellschafter vergleichbaren Einfluss auf die Kapitalausstattung. Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gilt nicht nur für neugegründete Gesellschaften, sondern muss auch bei Alt-GmbHs Geltung beanspruchen, da das MoMiG das GmbHG auch zugunsten der Gesellschafter von Alt-GmbHs dereguliert (dazu Art. 3 Abs. 4 EGGmbHG n. F.374). 2. Eingrenzung des Kreises pfändungsberechtigter Gläubiger? Zu erwägen ist, ob der Kreis der pfändungsberechtigten Gläubiger eingegrenzt werden muss. So könnte es etwa vertraglich oder anderweitig gesicherten Gläubigern versagt werden, die Ersatzforderung der Gesellschaft zulasten von ungesicherten deliktischen Gläubigern zu pfänden. Ausgeschlossen werden könnten auch solche Gläubiger, die von den Informationsmöglichkeiten des EHUG keinen Gebrauch gemacht und damit eine Obliegenheit gegenüber sich selbst verletzt haben. Dies ist aber abzulehnen, weil das Zwangsvollstreckungsrecht für solche Differenzierungen nichts hergibt. VI. Verhältnis der vorgeschlagenen Binnenhaftung zu anderen Rechtsfiguren 1. Verhältnis zur Existenzvernichtungshaftung: Sachliche und zeitliche Vorverlagerung Der Trihotel-Doktrin geht es um die Schließung einer Lücke im Kapitalschutzsystem der GmbH: Die Kapitalerhaltung werde durch die §§ 30 f. GmbHG nur unzureichend gewährleistet, da es keinen Schutz vor bilanziell nicht erfassbaren Abflüssen von Gesellschaftsvermögen gebe375. Der Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG hat eine Verpflichtung nach § 31 GmbHG zur Folge, der Gesellschaft die Auszahlung zurückzuerstatten – die Binnenhaftung gem. § 826 BGB wegen existenzvernichtenden Eingriffs sorgt dementsprechend 374 375

Art. 2 § 3 MoMiG. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 24.

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Kap. 4: Lösungsvorschlag zur Unterkapitalisierungsproblematik

für die Rückgewähr der bilanziell nicht abgebildeten, kompensationslosen Vermögensabflüsse. Der Schutz des Gesellschaftsvermögens durch §§ 30 f. GmbHG wird also durch die insoweit gleichartig funktionierende Existenzvernichtungshaftung ausgebaut: Diese schafft eine über die §§ 30 f. GmbHG hinausgehende „Entnahmesperre“ 376 und stellt eine deliktsrechtliche „Verlängerung“ 377 des Schutzsystems der §§ 30 f. GmbHG dar. Dies gilt freilich erst, wenn es zur Insolvenz gekommen ist. Demgegenüber etabliert die vorgeschlagene Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung einen vom formellen Verständnis des Mindeststammkapitals gelösten insolvenzpräventiven Schutz des Gesellschaftsvermögens. Das MoMiG lässt die Finanzierungsverantwortung im Stadium vor der Insolvenz weitgehend ungeregelt. Diese Lücke soll dadurch geschlossen werden, dass aus der neuen Finanzierungsverantwortung eine Treuepflicht zur Vermeidung der quotal ermittelten allgemeinen Unterkapitalisierung abgeleitet wird. Wird diese Treuepflicht verletzt, sind die Gesellschafter zur Beseitigung der Unterkapitalisierung verpflichtet. Alternativ können sie die Gesellschaft ordnungsgemäß liquidieren. Führen sie die Gesellschaft jedoch reaktionslos fort und kommt es deshalb zur Insolvenz, greift die Existenzvernichtungshaftung ein. Ab dem Zeitpunkt der Insolvenz beansprucht die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung keine Geltung mehr. In diesem abgestuften System differiert der Anknüpfungspunkt der beiden Haftungsfiguren in zeitlicher und sachlicher Hinsicht: Grundsätzlich ist die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung das insolvenzpräventive Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung. Aber: Die zur Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gemachten Ausführungen legitimieren es auch, den Anknüpfungspunkt der Existenzvernichtungshaftung auf den Zustand der Unterkapitalisierung vorzuverlagern. Auf diesem Wege kann ein Gleichklang zwischen beiden Rechtsfiguren hergestellt werden. Bildlich gesprochen ist die vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur ergo aus demselben Holz geschnitzt wie die Existenzvernichtungshaftung, auch wenn sie in eine andere Kerbe schlägt. 2. Verhältnis zur Anfechtung nach §§ 129, 135, 143 InsO bzw. §§ 11, 6 AnfG a) Allgemein: Unterschiedliche Schutzrichtung Die in der Überschrift genannten Anfechtungsvorschriften verfolgen einen anderen Schutzzweck als die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung:

376 377

BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 33.

C. Vorschlag einer Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung

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Letztere will primär eine Insolvenzprophylaxe und bezweckt nur sekundär und nur u. U. eine Massevergrößerung. b) Verhältnis zur Insolvenzanfechtung Die Insolvenzanfechtung setzt selbstredend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus. Die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur greift jedoch nur außerhalb der Insolvenz ein. Kommt es zur Insolvenz, kann sie nach dem oben Ausgeführten in eine Existenzvernichtungshaftung umschlagen. Ergo gibt es keine Überschneidung der Anwendungsbereiche von Insolvenzanfechtung und Haftung wegen quotaler Unterkapitalisierung. c) Verhältnis zur Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens Grundsätzlich besteht Anspruchskonkurrenz zwischen deliktischen Ansprüchen und dem durch Anfechtung ausgelösten Anspruch gem. § 11 AnfG. Wenn ein Anfechtungstatbestand im Sinne des Gläubigeranfechtungsgesetzes verwirklicht ist, löst dies aber nicht per se eine deliktische Haftung aus, insbesondere nicht nach § 826 BGB. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 826 BGB sind andere, seine Rechtsfolgen strenger. Daher setzt ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach der Rechtsprechung weitere, über den Anfechtungstatbestand hinausgehende besondere Umstände voraus. Solche liegen jedoch bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung regelmäßig vor378. Somit ist die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht subsidiär zur Anfechtung. Daher wird sie eine wichtige Rolle neben dem Gläubigeranfechtungsgesetz spielen.

378

Vgl. BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 50/95, WM 1996, 1245 (1246).

Kapitel 5

Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG und der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur A. Problemaufriss: Anwendbarkeit inländischen Rechts auf Gesellschaften ausländischen Rechts I. GmbH-Reform im Spiegel der Niederlassungsfreiheit Soll sich abschließend die Gläubigerschutzreform durch das MoMiG – so gibt es der Titel dieser Schrift vor – in der Niederlassungsfreiheit nach dem EG-Vertrag spiegeln, ist die Frage zu klären, ob das MoMiG, das durch die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit initiiert wurde, seinerseits mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang steht. Diese Frage wird auch hinsichtlich der aufgrund des MoMiG m. E. notwendigen Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung virulent. Kurz sei wiederholt, dass die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften zu internationalprivatrechtlichen Verwerfungen geführt hat: Zur Entfaltung inländischer Geschäftstätigkeit wichen Gesellschaftsgründer unter Vermeidung des inländischen Gesellschaftsrechts auf ausländische geschlossene Kapitalgesellschaften aus. Die gesellschaftsrechtlichen Schutzinstrumente des Zuzugsstaats erwiesen sich den zuziehenden Auslandsgesellschaften gegenüber vielfach als stumpf. Ziel des Modernisierungsaspekts der Reform ist daher zum einen, das heimische Recht der geschlossenen Kapitalgesellschaften attraktiver zu machen. Dadurch sollen potentielle Gesellschaftsgründer davon abgehalten werden, sich ausländischer Rechtsformen zu bedienen. Zum anderen soll das inländische Recht in die Lage versetzt werden, seine Schutzanliegen besser gegenüber ausländischen Gesellschaftsformen durchsetzen zu können. Gleichviel wie man zur Rechtsprechung des EuGH steht1: Das letztgenannte Anliegen des MoMiG wirft unmittelbar zwei Fragen auf. Einmal die Frage nach der internationalprivatrechtlichen Anwendbarkeit inländischen Rechts auf aus1 Zum Meinungsstand ausführlich Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (27 f.).

A. Problemaufriss

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ländische Gesellschaften, und darüber hinaus die Frage, wie die Niederlassungsfreiheit zur eventuellen Anwendung inländischer Schutzinstrumente auf ausländische Gesellschaften steht. Nur wenn es dem MoMiG gelingt, die Attraktivität der deutschen geschlossenen Kapitalgesellschaft über die Attraktivität vergleichbarer ausländischer Rechtsformen hinaus zu steigern, werden diese Fragen an Bedeutung verlieren; sie werden dann mangels zuziehender Auslandsgesellschaften nicht mehr gestellt werden. II. Auswirkungen des MoMiG auf Auslandsgesellschaften Namentlich durch die rechtsformneutrale Ausgestaltung verschiedener Vorschriften der InsO will der Regierungsentwurf alle zuzugsfähigen Auslandsgesellschaften der Anwendbarkeit inländischen Rechts unterwerfen. Ihre insolvenzrechtliche Qualifikation vorausgesetzt, könnte die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 InsO n. F. über Artt. 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 EuInsVO2 zur Haftung des Geschäftsleiters wegen Insolvenzverschleppung führen (§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F.). Nach Ansicht des Regierungsentwurfs können die Geschäftsleiter ausländischer Gesellschaften gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. auch für Insolvenzverursachung haften3. Darüber hinaus könnten im Falle der Führerlosigkeit der Auslandsgesellschaft auch die Gesellschafter der Insolvenzverschleppungshaftung unterliegen (§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V. m. § 15a Abs. 3 InsO n. F.). Jedenfalls sind auch die Regeln über Gesellschafterdarlehen rechtsformneutral ausgestaltet und damit ggf. auch auf Auslandsgesellschaften anwendbar (Rangrücktritt gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO n. F., Insolvenzanfechtung gem. §§ 143, 135 InsO n. F.). Dass Gleiches für die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gelten möge, die wegen der neuen Finanzierungsfreiheit nach dem MoMiG notwendig geworden ist, erscheint deshalb als erstrebenswert, weil ihr tragendender Gedanke – verantwortungsvolle Kapitalausstattung – bei allen Kapitalgesellschaften relevant ist, die keine umfassende Regelung der Finanzierungsverantwortung kennen. Es gemahnte an Sisyphos, wollte man den Gesellschaftern deutscher geschlossener Kapitalgesellschaften entsprechende Treuepflichten aufbürden, obwohl sie sich derer durch Wahl einer ausländischen Rechtsform jederzeit entziehen könnten. Ein solches sollte ebenso wenig möglich sein wie die Flucht vor der verhaltensbezogenen Haftung für existenzvernichtende Eingriffe.

2 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000, ABl., 30.6.2000, Nr. L 160/1 (EuInsVO). 3 BT-Drucks. 16/6140, S. 113.

300

Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

III. Voraussetzungen der Unterwerfung von EU-Auslandsgesellschaften unter inländisches Recht Es sei vorausgeschickt, dass die Behandlung ausländischer Gesellschaften aufgrund des gegebenen Auslandsbezugs über das Kollisionsrecht vorzunehmen ist, Art. 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Dabei ist insbesondere von Interesse, vermittels welcher internationalprivatrechtlichen Figuren und in welchem Umfang gläubigerschützendes Inlandsrecht zur Anwendung gebracht werden kann. Ausgehend von der Einheitslehre4 stellt sich dabei auch die Frage nach der Zulässigkeit ihrer Durchbrechung im Wege von Sonderanknüpfungen5, oder anders formuliert: die Frage nach der Reichweite des Gesellschaftsstatuts und seiner Ausdünnung6. Die diesbezügliche Diskussion findet im Spannungsverhältnis von Gesellschafts-, Insolvenz- und Deliktsstatut statt. Von ihr hängt ab, ob das reformierte inländische Recht zur Anwendung berufen ist. Sofern nicht schon das deutsche Kollisionsrecht die Anwendung des inländischen Rechts auf Auslandsgesellschaften ausschließt, kommt es in einem zweiten Schritt darauf an, welche Anforderungen die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags an die Anwendung des Rechts des Zuzugsstaats auf zuziehende EU-Auslandsgesellschaften stellt und ob die konkreten Auswirkungen auf diese Gesellschaften im Lichte der Niederlassungsfreiheit Bestand haben können7. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit können nur unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt werden8. IV. Geltungsbereich der nachfolgenden Ausführungen Die nachfolgenden internationalprivatrechtlichen Ausführungen gelten grundsätzlich für alle zuzugsfähigen Auslandsgesellschaften. Gegenwärtig sind dies die Gesellschaften aus den Staaten der EU, des EWR und der USA. Die im Vordergrund stehende Prüfung, ob die Anwendung inländischen Gesellschafts-, Insolvenz- und Deliktsrechts mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang steht, 4

Dazu supra Kapitel 2 – Fn. 59. Dazu Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); Groß, NJW 2004, 893 (899). Näheres zur Diskussion auch bei Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EGAuslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (28) m.w. N. 6 Die IPR-Diskussion hat sich darauf verlagert, was überhaupt noch dem Gesellschaftsstatut zuzuschlagen ist, Mankowski, RIW 2005, 481 (486). Die Argumentation geht dahin, die wichtigen Anliegen des deutschen Rechts gegenüber der Gründungstheorie durchzusetzen, indem diese Anliegen unter Kollisionsnormen subsumiert werden, die auf das deutsche Recht verweisen. 7 Vgl. Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (497 f.); Wachter, BB 2006, 1463 (1465); Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 200 f. 8 Dazu im Einzelnen infra Kapitel 5 – B. II. 2. 5

B. Der Einfluss des Europarechts auf EU-Auslandsgesellschaften

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betrifft demgegenüber naturgemäß nur Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten (EU-Auslandsgesellschaften), mit Abstrichen auch solche aus EWR-Mitgliedstaaten. Die rechtsformneutrale Fassung der genannten insolvenzrechtlichen Vorschriften vermag in Verbindung mit dem allgemeinen Übergang zur Gründungstheorie, wie sie dem Referentenentwurf zur erstmaligen Kodifikation des deutsche Internationalen Gesellschaftsrecht vorschwebt, neue Friktionen auszulösen: Es ist denkbar, dass die Grundfreiheiten die Anwendung mancher der neuen Vorschriften auf EU-Auslandsgesellschaften untersagen, selbige jedoch problemlos auf Gesellschaften aus Drittstaaten angewendet werden können, die von den Grundfreiheiten nicht geschützt werden.

B. Der Einfluss des Europarechts auf die internationalprivatrechtliche Behandlung von EU-Auslandsgesellschaften Die Anwendbarkeit inländischen Rechts auf EU-Auslandsgesellschaften setzt erstens voraus, dass die Anknüpfungsregeln des IPR auf inländisches Recht verweisen und dass zweitens keine Einwände von Seiten des Europarechts bestehen. Die jeweiligen Anforderungen des IPR und des Europarechts sollen vorab allgemein – quasi vor die Klammer gezogen – skizziert werden. Zu diskutieren sind insbesondere die Probleme der kollisionsrechtlichen „Umqualifizierung“, der teleologischen Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit und der Sinngehalt einer missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht. I. Internationalprivatrechtliche Behandlung von Scheinauslandsgesellschaften 1. Qualifikation und Verweisung Nach h. M. erfolgt die internationalprivatrechtliche Qualifikation eines Rechtsinstituts am Maßstab der lex fori. Die materiellrechtliche Einordnung desselben ist nur ein Indiz für seine kollisionsrechtliche Qualifikation. Entscheidend sind letztlich funktionelle Gesichtspunkte: Zu welchem kollisionsrechtlichen Systembegriff eine materiellrechtliche Figur gehört, hängt von ihrem Sinn und Zweck ab9.

9 H.M. und st Rspr, siehe nur BGH v. 19.12.1958 – IV ZR 87/58 (Italienische Handschuhehe), BGHZ 29, 137 (139); von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 12 ff., 27 ff. m.w. N.; Kropholler, IPR6, § 16 I sowie § 17 I.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Bei gesellschaftsrechtlicher Qualifikation würde – nach dem gegenwärtigen Stand – im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten auf das ausländische Gründungsrecht verwiesen (Gründungstheorie)10. Bei insolvenzrechtlicher Qualifikation würde die Anwendbarkeit des Rechts des Satzungssitzes der Gesellschaft widerleglich vermutet, Artt. 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO. Die Vermutung ist nach dem Eurofood-Judikat des EuGH widerlegt, „sofern objektive und für Dritte feststellbare Elemente belegen, dass in Wirklichkeit die Lage nicht derjenigen entspricht, die die Verortung am genannten satzungsmäßigen Sitz widerspiegeln soll. Dies [kann] insbesondere bei einer Gesellschaft der Fall sein, die im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, keiner Tätigkeit nachgeht.“ 11

Auf Scheinauslandsgesellschaften lässt sich mithin gem. Artt. 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO das Recht des Mitgliedstaats anwenden, in dessen Gebiet die Gesellschaft den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen hat. Im Falle einer deliktsrechtlichen Qualifikation kommt – vorbehaltlich von Besonderheiten, auf die zurückzukommen sein wird – das am Tatort geltende Recht zur Anwendung, Art. 40 Abs. 1 EGBGB bzw. (seit dem 11.1.2009) Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO12. Insolvenz- und Deliktsstatut führen dementsprechend bei EU-Scheinauslandsgesellschaften zur Anwendbarkeit inländischen Rechts und weisen seit dem Übergang zur Gründungstheorie für viele eine nicht unerhebliche „Anziehungskraft“ 13 auf, offenbar auch für den MoMiG-Gesetzgeber14. Nicht zu beanstanden ist jedenfalls die Anwendung genuin insolvenz- und deliktsrechtlicher Haftungstatbestände15.

10 Dazu ausführlich supra Kapitel 2 – A. III. 3. b). Damit hat sich auch die Theorie erledigt, auf zugezogene EU-Auslandsgesellschaft könne weiterhin das Sitzrecht angewendet werden und allein die „Anerkennung“ der Rechtsfähigkeit richte sich nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht; so aber Altmeppen, NJW 2004, 97 (98 ff.); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1085 f.). 11 EuGH v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Eurofood IFSC Ltd.), ZIP 2006, 907, Leitsatz; vgl. ferner Erwägungsgrund Nr. 13 zur EuInsVO. Der Mittelpunkt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO liegt regelmäßig am effektiven Verwaltungssitz, Vallender, ZGR 2006, 425 (429) m.w. N. in Fn. 21; AG Hamburg v. 14.5.2003 – 67g IN 358/02, NJW 2003, 2835. 12 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11.7.2007, ABl., 31.7.2007, Nr. L 199/40 (Rom-II-VO). Gem. ihrem Art. 32 gilt sie ab dem 11.1.2009. 13 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852, ebenda. Exemplarisch für diese Anziehungskraft ist der Beitrag von Fischer, ZIP 2004, 1477 ff.; vgl. auch Goette, DStR 2005, 197 (199). Zum diesbezüglichen Fragenkreis ausführlich Röhricht, ZIP 2005, 505 ff. 14 Vgl. die Ausführungen in BT-Drucks. 16/6140, S. 133 f. 15 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 526 f.; vgl. auch Merkt, ZGR 2004, 305 (323).

B. Der Einfluss des Europarechts auf EU-Auslandsgesellschaften

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2. Grenzen der Ausdünnung des Gesellschaftsstatuts im Wege der „Umqualifizierung“ Nachdem das Gesellschaftsstatut unter Geltung der Gründungstheorie nicht mehr dazu taugt, gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende inländische Schutzvorschriften gegenüber EU-Scheinauslandsgesellschaften durchzusetzen, gibt es Bestrebungen, diese Schutzvorschriften kollisionsrechtlich „umzuqualifizieren“ 16. Ein solches bedeutete nichts anderes, als den Einfluss des ausländischen Gesellschaftsrechts vermittels der kollisionsrechtlichen Qualifikation zurückzudrängen. Solange die Qualifikation nach der lex fori erfolgt, ist es grundsätzlich möglich, durch dépeçage und Ausdünnung des Gesellschaftsstatuts das Gründungsrecht in geringerem Maße zur Anwendung zu bringen. Vermittels des – die Metapher sei gestattet – „Drehens an der Schraube der Qualifikation“ könnten also Rechtsfragen, die bisher vom Internationalen Gesellschaftsrecht vereinnahmt wurden, unter den Anknüpfungsgegenstand einer anderen Kollisionsregel subsumiert werden, deren Anknüpfungspunkt auf das inländische Recht verweist. Dazu kommen im hier interessierenden Zusammenhang das Delikts- und das Insolvenzstatut in Frage. Ulmer hält letzteres wegen der gemeinschaftsrechtlichen Natur der EuInsVO für den „sicherste[n] Hafen“ 17. Nur wenige Stimmen befürworten dagegen die Ausdehnung des Gesellschaftsstatuts18. Indes ist vor „kollisionsrechtlichen Scheinlösungen“ 19 zu warnen: Mit der kollisionsrechtlichen „Umqualifizierung“ liebgewonnener Schutzinstrumente allein ist noch nichts gewonnen. Denn das vom anwendbaren Recht produzierte Ergebnis muss sich letztlich an der Niederlassungsfreiheit messen lassen. Indes erinnert die Annahme, der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ließe sich mit der kollisionsrechtlichen Etikettierung eines Rechtsinstituts seitens der Mitgliedstaaten manipulieren, an die Begriffsjurisprudenz und ist mit dem sehr viel materielleren Ansatz des EuGH nicht kompatibel20. Allgemein leidet die Diskussion über den Einfluss des Europarechts auf das nationale Kollisionsrecht darunter, dass sich europarechtliche und internationalprivatrechtliche Terminologien nicht decken. Der EuGH judiziert auf der Metaebene des Gemeinschaftsrechts – auf die Kategorien des nationalen Rechts kommt es ihm nicht an. Relevant ist nur, ob die nationale Rechtsanwendung ein Ergebnis zeitigt, das mit den Grundfreiheiten nicht vereinbar ist, weil es deren Ausübung behindert oder we16 Dazu schon supra Kapitel 2 – Fn. 165. Vgl. darüber hinaus Goette, ZIP 2006, 541 (543). 17 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); ähnlich Goette, DStR 2005, 197 (200 f.). 18 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12); Riegger, ZGR 2004, 510 (526 f.). 19 Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (26); ähnlich Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 200 und dort Fn. 858. 20 Vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (166).

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niger attraktiv macht21. Auch wenn das Kollisionsrecht keine materielle Entscheidung fällt, so produziert es doch die Anwendung von Sachrecht und nimmt damit an einer gegebenenfalls vom Sachrecht herrührenden Behinderung teil22. Es muss daher – europarechtlich gesehen – ein „untauglicher Versuch“ bleiben, bestimmte gesellschaftsrechtliche Haftungstatbestände nunmehr deliktsoder insolvenzrechtlich zu qualifizieren, um damit auf EU-Auslandsgesellschaften qua Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO und Artt. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EuInsVO inländisches Recht anzuwenden23. Schon lange ist das „Heimwärtsstreben“ 24, d.h. die Tendenz mancher Autoren und vieler Gerichte, möglichst oft zur Anwendung der vertrauten lex fori zu gelangen, zwar verpönt; unter Geltung des Europarechts hat die nationale Ebene es aber gar nicht mehr in der Hand, durch das Kollisionsrecht die Reichweite der Grundfreiheiten zu manipulieren25. Sicher nicht richtig ist es daher, wenn behauptet wird, dass „Gläubigerschutz gegenüber EU-ausländischen Gesellschaften und deren Organpersonen sowie Gesellschaftern von vornherein keinen Beschränkungscharakter [in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit hätte], soweit sich dieser Schutz auf Rechtsinstitute außerhalb des Gesellschaftsrechts stütz[e]“ 26.

Ohnehin wird die Reichweite des Insolvenzstatuts im Rahmen der EuInsVO vom EuGH festgelegt27. 3. Sonderanknüpfungen Bei gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Fragen ist die lex societatis das Gesellschaftsrecht des Herkunftslands der EU-Auslandsgesellschaft. Diese An21 Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 94; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9). 22 Kropholler, IPR6, § 10 I 2; vgl. dazu auch Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (31). Ob die Beschränkung einer Grundfreiheit kollisionsrechtlich oder materiellrechtlich eingekleidet ist, spielt keine Rolle, Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (161) m.w. N. in Fn. 10. Vgl. dazu auch Weller, AnwBl 2007, 320 (323). 23 Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (29 f.). 24 Nussbaum, Deutsches internationales Privatrecht, S. 43. Beispielhaft insoweit die Ansicht des Berichterstatters der französischen Cour de cassation, der 1910 über eine Rückverweisung auf das französische Recht so erfreut war, dass er schrieb: „Les tribunaux français doivent considérer la loi française comme loi préférable, meilleure, plus équitable, renfermant une conception plus élevée du droit [. . .] J’aime mieux que les tribunaux français, quand cela leur est permis, jugent d’après la loi française que d’après une loi étrangère qu’ils ne connaissent pas.“, Nachweis bei Nussbaum, Deutsches internationales Privatrecht, S. 42, Fn. 2. 25 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (503). 26 So aber Kindler, NJW 2007, 1785 (1787). 27 Vallender, ZGR 2006, 425 (453).

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knüpfung kann im Wege von Sonderanknüpfungen durchbrochen werden28. Ein in den USA gebräuchliches Mittel zur Durchbrechung bzw. Überlagerung des Gründungsrechts sind pseudo-foreign corporation laws29. Auch das niederländische WFBV war der Sache nach eine Sonderanknüpfung, welche die zuziehende Gesellschaft u. a. den holländischen Regelungen im Hinblick auf das Mindestkapital unterwarf30. Eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung, die darauf abzielt, EU-Auslandsgesellschaften inländischem Recht zu unterwerfen, beeinträchtigt die Niederlassungsfreiheit und ist rechtfertigungsbedürftig31. Im Fall des WFBV gelang die Rechtfertigung nicht32. II. Rechtfertigungsbedürftigkeit von Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit 1. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit und seine teleologische Reduktion a) Weitgefasster Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 Abs. 1, 2 EG ist sehr weit.33 Er gewährleistet nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern – wie oben gesehen – nach inzwischen h. M. auch ein Beschränkungsverbot34 dergestalt, dass die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht durch nationale Maßnahmen weniger attraktiv gemacht werden darf35. Daraus hat sich die Garantie der identitätswahrenden Sitzverlegung ergeben36. Das bedeutet, dass der Zuzugsstaat jedenfalls nicht in diejenigen Rechtsverhältnisse der Gesellschaft eingreifen darf, die mit ihrem Gründungsakt nach ausländischem Recht bereits festgelegt sind. Die Niederlassungsfreiheit entfaltet nach der Bereichsausnahme des Art. 45 EG keinen Schutz, wenn Ausländer oder Auslandsgesellschaften Tätigkeiten an28

Näheres bei Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 215–221. Dazu prägnant Hay, Law of the United States, Rn. 279, 605 ff.; siehe auch supra Kapitel 2 – A. I. 2. c). 30 Dazu supra Kapitel 2 – A. II. 2. c). 31 Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 218 ff. 32 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331. 33 Näheres bei Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 4. 34 EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), NJW 1996, 579, Tz. 37 ff.; Grundmann, Europ. GesR, Rn. 147; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 33 f. 35 EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), NJW 1996, 579, 6. Leitsatz; explizit auch EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Tz. 42 f. 36 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614. 29

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streben, die „dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden“ sind. Diese Kautelen sind jedoch sehr eng und im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Es geht nur dann um die Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen gegenüber dem Bürger Gebrauch gemacht wird37. Daher spielt die Bereichsausnahme gem. Art. 45 EG für die Zwecke des Gesellschaftsrechts keine Rolle. b) Teleologische Reduktion in entsprechender Anwendung der Keck/Mithouard-Grundsätze? Noch weitgehend offen und umstritten ist, ob sämtliche Regelungen des Zuzugsstaats, welche das „Leben“ der Gesellschaft nach vollzogenem Marktzugang betreffen und die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv erscheinen lassen können, rechtfertigungsbedürftig sind. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die Niederlassungsfreiheit bereits auf der Ebene des Schutzbereichs Einschränkungen kennen würde. Es stellt sich in Analogie zur Warenverkehrsfreiheit gem. Artt. 28–31 EG die Frage, ob der weite Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit teleologisch reduziert werden muss. (1) Teleologische Reduktion am Beispiel der Warenverkehrsfreiheit Nachdem der EuGH den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit zunächst denkbar weit gefasst hatte und als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie ein mengenmäßiges Einfuhrverbot alle Handelsregelungen ansah, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern38, war die Zahl der zu überprüfenden Regelungen plötzlich Legion. Allesamt waren sie rechtfertigungsbedürftig. In dieser Situation nahm der Europäische Gerichtshof solche nationale Bestimmungen aus dem Schutzbereich heraus, die lediglich bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, sofern sie in nicht diskriminierender Weise für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer im Inland gelten und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten in rechtlich wie tatsächlich gleicher Weise berühren39.

Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV3, Art. 45 EGV Rn. 6. EuGH v. 11.7.1974 – Rs. 8/74 (Dassonville), NJW 1975, 515. 39 Zur Einschränkung der weiten Dassonville-Formel durch die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Keck/Mithouard vgl. Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 371 ff., 375 ff.; Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 11–13. Zur Einschränkung der sog. Keck-Formel aber wiederum Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 206, Fn. 880. 37 38

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(2) Notwendigkeit tatbestandlicher Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit Die Notwendigkeit einer Übertragung dieser Grundsätze auf die Niederlassungsfreiheit drängt sich auf. Es vermag nicht einzuleuchten, warum bereits ein höherer Steuersatz oder wettbewerbs- und gewerberechtliche Normen40 eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen sollten41. Eine solche Verschonung der zuziehenden Gesellschaft vor im Zuzugsstaat für alle Wirtschaftsteilnehmer geltenden Regelungen bedeutete einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil im Verhältnis zu den Inlandsgesellschaften. Nicht einmal die Gründungstheorie in ihrer Reinform käme zu einem solchen Ergebnis, weil diese allgemeinen Regelungen nicht ins Gesellschaftsstatut fallen, sodass für sie nicht auf das Gründungsrecht verwiesen würde. Und auch das Europarecht kann keine „Generalüberprüfung der nationalen Rechtsordnungen“ 42 beanspruchen43. Denn das Anliegen der Grundfreiheiten ist, die Mobilität der Produktionsfaktoren auf einem integrierten europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten, vgl. etwa Art. 3 Abs. 1 lit. c EG. Dazu müssen die Grundfreiheiten solchen nationalen Regelungen und Maßnahmen entgegenwirken, die eine marktabschottende bzw. marktzersplitternde Wirkung zeitigen44. Ist der Marktzugang aber erst einmal vollzogen, gelten grundsätzlich die innerstaatlichen Regelungen, zu deren Verdrängung der EG die Kompetenz fehlt45. Wenn diese Grundsätze bereits bei den einfach zu transportierenden und in hohem Maße mobilen Waren im Sinne des Art. 28 EG gelten, dann müssen sie a fortiori bei der Niederlassungsfreiheit gelten, weil bereits der Begriff der Niederlassung eine dauerhafte Präsenz im Zuzugsstaat voraussetzt46.

40 Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (33). 41 Des Weiteren sind strafrechtlich sanktionierte allgemeine Verhaltenspflichten wie die Abführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherungsbeiträge gem. § 266a StGB zu nennen, vgl. Goette, DStR 2005, 197 (199). Man denke auch an das Fahrverbot, das dem Geschäftsleiter einer EU-Auslandsgesellschaft nach einer Trunkenheitsfahrt auferlegt wird, Beispiel nach Eidenmüller, JZ 2004, 24 (27). 42 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 16. 43 Vgl. Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (32 ff.); Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (167 f.). 44 Ähnlich Koch, JuS 2004, 755 (756); vgl. ferner Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 35. 45 So auch Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, S. 60 ff., sowie Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26 f.). 46 Hailbronner/Jochum, EuropaR II, Rn. 535 ff., hier besonders interessierend Rn. 540.

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Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ist daher dem auf Mobilität bedachten telos der Grundfreiheiten entsprechend zu reduzieren47. Fraglich ist allein, anhand welcher Kriterien eine teleologische Reduktion durchgeführt werden kann. (3) Teleologische Reduktion durch Gleichbehandlung? Mit Verve hat Altmeppen einen Ansatz vorgeschlagen, der es gestattet, auf EU-Scheinauslandsgesellschaften weiterhin größtenteils das Sitzrecht anzuwenden, insbesondere gläubigerschützende Vorschriften48. Diese Interpretation geht von einer eng verstandenen ratio decidendi der Entscheidungstrias des EuGH aus: Sie gewähre wirksam gegründeten EU-Auslandsgesellschaften die identitätswahrenden Sitzverlegung nach Deutschland. Nach vollzogenem Zuzug gelte hingegen deutsches Kapitalgesellschaftsrecht für die EU-Auslandsgesellschaften. Insbesondere im Hinblick auf das Gläubigerschutzrecht zeige sich die Notwendigkeit der Anwendung des Sitzrechts auch an der Unmöglichkeit, z. B. in Deutschland englisches Gläubigerschutzrecht anzuwenden, da dieses auf hoheitlicher Staatsaufsicht gründe49. Allein die deutschen Vorschriften, die der Gründungsphase der Gesellschaft zugehörig seien oder Grundlagenentscheidungen beträfen (Satzungsänderung, Umwandlung), dürften nicht angewendet werden. Diese Differenzierung sei deshalb geboten, weil die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 Abs. 2 EG die Unternehmensbetreibung nur „nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen“ garantiere. Die Niederlassungsfreiheit gewähre mithin die Kombination von Sitzverlegung und Gleichbehandlung im Zuzugsstaat50. Dieses Verständnis der Niederlassungsfreiheit wurde harsch kritisiert51. Betrachtet man die Ansicht jedoch nicht im Lichte des Streits zwischen Gründungs- und Sitztheorie, sondern im Lichte der Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion der Niederlassungsfreiheit, erfolgte die Kritik zu Unrecht: Unabhängig davon, dass die Niederlassungsfreiheit nicht nur ein Diskriminierungs-, sondern auch ein Beschränkungsverbot enthält52, trifft die Einschätzung 47 Ebenso Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (868); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht2, S. 27 m.w. N.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (167 f.); Streinz, JuS 2007, 470 (472). Dogmatisch anders Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 204 ff., der über die Rechtfertigungsebene zur Aufrechterhaltung derjenigen nationalen Regelungen kommen will, die im Interesse der Gemeinschaft liegen. 48 Altmeppen, NJW 2004, 97 ff. 49 Altmeppen, NJW 2004, 97 (99). 50 Altmeppen, NJW 2004, 97 (99 f.); ferner Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff. 51 Goette, DStR 2005, 197 (199) hat die Interpretation Altmeppens als „zweifelhafte Radikallösung“ bezeichnet. Tendenziell ablehnend auch Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205 f.). 52 Dazu bereits supra Kapitel 5 – B. II. 1. a).

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zu, dass die Gleichbehandlung der zuziehenden und der inländischen Gesellschaften grundsätzlich nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen kann. Streiten lässt sich allein darüber, wo die Grenzen der teleologischen Reduktion verlaufen. Wenn die geschilderte Ansicht meint, nur die Gründungsvorschriften seien vom Geltungsanspruch des Sitzrechts ausgenommen, trifft dies m. E. nicht zu: Identitätswahrende Sitzverlegung muss mehr sein als die Respektierung ausländischer Vorschriften über die Gründungsphase, wie z. B. die vor die Erlangung der Rechtspersönlichkeit gestellte Mindestkapitalaufbringung. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass die Sitzverlegung erst einige Zeit nach der Gründung erfolgt. Dann hat die Gesellschaft eindeutig schon eine stärker ausgeprägte Identität entwickelt. Eine teleologische Reduktion kommt also jedenfalls dort nicht in Betracht, wo das Sitzrecht in Rechtsfragen eingreift, die mit dem Gründungsakt bereits festgelegt sind53: Das ist eben nicht nur die Rechtsfähigkeit, sondern auch etwa die Frage der Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten und die innere Organstruktur (z. B. Leitungskompetenzen, internal affairs). Bei Beeinträchtigungen mit „korporativer Wirkung“ 54 (z. B. die Finanzverfassung oder eine Geschäftsleiterhaftung) ist es mit Gleichbehandlung nicht getan. Diesbezügliche Beeinträchtigungen sind rechtfertigungsbedürftig55. (4) Teleologische Reduktion bei allgemeinem Verkehrsrecht? Auch an anderer Stelle wird der Sache nach eine teleologische Reduktion angeregt, wenn zwischen „niederlassungsbeschränkende[n] und nicht niederlassungsbeschränkende[n] Regelungsbereichen“ unterschieden wird56. Nicht niederlassungsbeschränkend in diesem Sinne sollen nach einer starken Strömung in der Literatur die Regeln des „allgemeinen ,tätigkeitsbezogenen‘ Verkehrsrechts“ 57 sein, die gleichermaßen für inländische Gesellschaften gälten, darunter Vertragsund Deliktsrecht58. Es handele sich nämlich um einen reinen Inlandssachverhalt, 53 In diesem Sinne Eidenmüller, JZ 2004, 24 (25): Dem Recht des Herkunftslands unterfielen alle Materien, welche die Identität der Gesellschaft prägen, denn die Überseering-Entscheidung des EuGH gestatte die identitätswahrende Sitzverlegung. 54 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 16 f. mit Verweis auf EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331. 55 Zur Rechtfertigung infra Kapitel 5 – B. II. 2. 56 Koch, JuS 2004, 755 (756). 57 Koch, JuS 2004, 755 (756), der dort auch Durchgriffshaftung und Existenzvernichtungshaftung tendenziell für anwendbar erklärt, freilich unter Rechtfertigungsvorbehalt. 58 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 5, 14 ff.; vgl. auch Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (868); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (10 f.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); ähnlich Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (502); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht2, S. 27 f.; tendenziell auch

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wenn die Auslandsgesellschaft nach erfolgtem Marktzugang bei der Entfaltung von Geschäftstätigkeit mit dem inländischen Vertrags- und Deliktsrecht in Berührung komme59. In ähnlicher Weise wird auch vorgeschlagen, in Bezug auf Maßnahmen, die erst nach dem Grenzübertritt wirksam werden und nicht abstrakt-präventiv ansetzen, jedenfalls geringere Hürden an die Rechtfertigung zu stellen, als dies in der oben skizzierten Entscheidungstrias des EuGH getan wurde60. Dogmatisch gesehen ist dies freilich eine Frage der Rechtfertigung. Dass dabei eine situativ eingreifende, verhaltensbezogene Pflichtenauferlegung eher gerechtfertigt werden kann als abstrakt-generelle Marktzugangsbeschränkungen61, wird später zu behandeln sein. (5) Teleologische Reduktion der Niederlassungsfreiheit durch innoventif limited? Viel spricht dafür, dass auch der Europäische Gerichtshof von der Notwendigkeit der teleologischen Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit überzeugt ist. In diese Richtung weisen seine Ausführungen in der Rechtssache innoventif limited62. Die innoventif limited meldete in Berlin eine Zweigniederlassung zur Eintragung ins Handelsregister an. Die §§ 13g Abs. 3 HGB, 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG verlangen dazu die Offenlegung des Unternehmensgegenstands. Dieser war in der Satzung der Limited auf mehreren Seiten beschrieben. Diese Breite ist vor dem Hintergrund der ultra-vires-Doktrin des englischen Gesellschaftsrechts zu sehen63. Wegen des Umfangs dessen, was ins Handelsregister einzutragen war, Jestädt, Niederlassungsfreiheit und Gesellschaftskollisionsrecht, S. 202: Eine zuziehende Gesellschaft habe die im Zuzugsstaat geltenden Standortbedingungen grundsätzlich hinzunehmen. Noch anders Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 592, 407 a. E., 409 ff., der das allgemeine Verkehrsrecht einem „Gesellschaftsstatut II“ unterstellen und dem Sitzrecht entnehmen will. Vgl. zum Ganzen auch Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 38 ff. 59 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (502). Dort wird zur Begründung ausgeführt, dass die Sekundärrechtsakte der EU zum Internationalen Vertrags- und Deliktsrecht, namentlich Rom-I-VO und Rom-II-VO, reine Inlandsfälle dem inländischen Recht überließen. Dieses Argument setzt voraus, dass die genannten Sekundärrechtsakte mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen. 60 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 526 f. 61 Vgl. auch Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 17. 62 EuGH v. 1.6.2006 – Rs. C-453/04 (innoventif limited), NJW 2006, 3195. 63 Die Vertretungsmacht des directors ist zwar im Außenverhältnis unbegrenzt, sec. 40 (1) CA 2006. Für Geschäfte, die vom Unternehmensgegenstand nicht gedeckt sind, haftet der director jedoch im Innenverhältnis persönlich, vgl. sec. 40 (5) CA 2006. Früher galt die ultra-vires-Doktrin auch im Außenverhältnis. Nachdem das Vereinigte Königreich der EWG beigetreten war, verlangte Art. 9 Abs. 1 der Ersten Richtlinie

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verlangte das Registergericht einen Kostenvorschuss in Höhe von 3.000 Euro für die Eintragung. Die innoventif limited war der Auffassung, ein solches verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit. Der EuGH konnte jedoch keinen solchen Verstoß erkennen64. Ob allein aus der Wortwahl des Urteils gefolgert werden kann, der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit sei nach denselben Kriterien zu beschränken wie das bei der Warenverkehrsfreiheit der Fall ist65, kann dahingestellt bleiben, denn dasselbe ergibt sich auch aus inhaltlichen Erwägungen. Vergegenwärtigt man sich zunächst, dass die teleologische Reduktion des Schutzbereichs auch bezweckt, solche mitgliedstaatliche Regeln von der strengen Rechtfertigungsprüfung auszunehmen, die nur eine marginale Beschränkung der Grundfreiheiten darstellen (de-minimis-Grundsatz), dann sticht folgende Formulierung des EuGH ins Auge: „Hierzu ist festzustellen, dass die Pflicht zur Zahlung eines Vorschusses, der nur die tatsächlichen Verwaltungskosten einer der Elften Richtlinie entsprechenden Veröffentlichung widerspiegelt, keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen kann“ 66.

Offenkundig geht der EuGH davon aus, mit dem Sekundärrecht in Einklang stehende Verwaltungskosten seien eine quantitativ zu vernachlässigende Beeinträchtigung, die vor dem Hintergrund des de-minimis-Grundsatzes unschädlich sei – im Gegensatz etwa zur Versagung der „Anerkennung“ der Gesellschaft im Zuzugsstaat67. Daneben taucht auch Altmeppens Argument der Gleichbehandlung in dem Urteil auf: Die Regelung über den Kostenvorschuss für Eintragungen in das Handelsregister

(Richtlinie 68/151/EWG vom 9.3.1968, sog. Erste Richtlinie bzw. Publizitätsrichtlinie, ABl., 14.3.1968, Nr. L 65/8) für das Außenverhältnis die Abkehr von dieser Lehre; dazu Kasolowsky/Schall, Die Private Limited Company – England und Wales, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften2, § 4 Rn. 31. Der Ersten Richtlinie lagen deutsche Vorstellungen zugrunde, vgl. Weller, AnwBl 2007, 320 (321). 64 Etwas anderes wäre auch angesichts des vom EuGH favorisierten Informationsmodells (dazu schon supra Kapitel 2 – B. III. 1.) widersinnig gewesen: Dieses kann Gläubigerschutz im Zuzugsstaat nur bei entsprechender Eintragung sicherstellen. Dass bereits im Gründungsstaat eine Eintragung des Unternehmensgegenstands erfolgt war, befreit die zuziehende Gesellschaft dementsprechend nicht von der nochmaligen Eintragung, EuGH v. 1.6.2006 – Rs. C-453/04 (innoventif limited), NJW 2006, 3195, Tz. 42. 65 In diese Richtung Streinz, JuS 2007, 470 (472). 66 EuGH v. 1.6.2006 – Rs. C-453/04 (innoventif limited), NJW 2006, 3195, Tz. 38 [Hervorhebung im Zitat vom Verf.]. 67 Die „Nichtanerkennung“ verstößt klar gegen die Niederlassungsfreiheit, vgl. nur EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027 sowie EuGH v. 5.11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 80 ff.

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„benachteiligt [. . .] Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten weder tatsächlich noch rechtlich gegenüber Gesellschaften des Niederlassungsmitgliedstaats“ 68.

Außerdem scheint die in der Literatur geforderte Ausnahme zugunsten des „allgemeinen ,tätigkeitsbezogenen‘ Verkehrsrechts“ 69 von den Richtern berücksichtigt worden zu sein, wenn es heißt, „die zu erwartenden Kosten der Veröffentlichung [stellten] für eine Gesellschaft [. . .] keine Beschränkung der Ausübung ihrer Tätigkeit [. . .] dar“ 70.

(6) Keine teleologische Reduktion bei kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfungen Unter Umständen kann das Kollisionsrecht eine teleologische Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit untersagen: Nämlich dann, wenn eine Rechtsfigur des Zuzugsstaats im Wege einer Sonderanknüpfung auf EU-Auslandsgesellschaften erstreckt werden soll. Der EuGH hat in der Rechtssache Centros betont, es sei nicht zu beanstanden, wenn ein Gesellschaftsgründer sich zur Errichtung einer Gesellschaft derjenigen Rechtsordnung bedient, deren gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen71. Zwar standen diese Ausführungen im Zusammenhang mit der Frage nach der missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht. Aber ihr eigentlicher Gehalt ist die Verbriefung der „Rechtsformwahlfreiheit“ 72 in Europa, anders ausgedrückt: der internationalgesellschaftsrechtlichen Rechtswahl. Sonderanknüpfungen von gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Rechtsfragen vereiteln diese Rechtswahl und sind daher in jedem Fall rechtfertigungsbedürftig. (7) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Niederlassungsfreiheit keine Einwände gegen nationale Rechtsfiguren hat, die in nicht diskriminierender Weise nach erfolgtem Marktzugang die allgemeine Tätigkeitsausübung durch die Ge68 EuGH v. 1.6.2006 – Rs. C-453/04 (innoventif limited), NJW 2006, 3195, Tz. 39. Der EuGH sah keine Diskriminierung, obwohl der Kostenvorschuss in dieser Höhe wegen der Besonderheit des englischen Gesellschaftsrechts (ultra-vires-Doktrin) typischerweise die Eintragung einer Zweigniederlassung einer Limited betrifft und ihr den Marktzugang verwehren kann. Dies ist ein weiteres Argument dafür, dass der EuGH den eigentlich betroffenen Schutzbereich für die Anwendung des allgemeinen Verkehrsrechts teleologisch reduziert haben muss. 69 Nachweise supra in Kapitel 5 – Fn. 57 und 58. 70 EuGH v. 1.6.2006 – Rs. C-453/04 (innoventif limited), NJW 2006, 3195, Tz. 40 [Hervorhebungen im Zitat vom Verf.]. 71 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27. 72 Dazu ausführlich Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 413 ff.; ferner Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 364 ff.

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sellschaft und ihre Organe betreffen, sofern sie nicht in die korporative Identität der Gesellschaft eingreifen oder im Wege einer kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung durchgesetzt werden. Daraus ergibt sich folgende kollisionsrechtliche Konsequenz: Wenn das Gesellschaftsstatut darüber befindet, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“ 73, dann beherrscht das Gründungsrecht jedenfalls das Entstehen und Vergehen der Gesellschaft. Ihr Leben kann hingegen teilweise dem Sitzrecht unterworfen sein74. 2. Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Liegt eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit vor, ist damit noch nicht das letzte Wort im Hinblick auf die Europarechtskonformität dieser Beeinträchtigung gesprochen. Vielmehr kann sie unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein75. Vorrangig ist jedoch zu beachten, dass das sekundäre Gemeinschaftsrecht den nationalen Spielraum bei bestimmten, vergemeinschafteten Rechtsmaterien einschränkt bzw. auf Null reduziert: Im Anwendungsbereich der Richtlinien darf deren abschließende Regelungswirkung nicht durch abweichende nationale Regelungen konterkariert werden76. a) Geschriebener Rechtfertigungsgrund gem. Art. 46 EG Gem. Art. 46 Abs. 1 EG bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, Vorschriften anzuwenden, „die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.“ Da das deutsche Gläubigerschutzsystem der GmbH jedoch keine offenen Diskriminierungen im Sinne von Sonderregelungen für Ausländer bzw. ausländische Gesellschaften vorsieht, ist Art. 46 EG für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung irrelevant. Art. 46 EG bezieht sich im Übrigen allein auf ausländerpolizeiliche Vorschriften77.

73

BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 (144). Anders Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (499). 75 Vgl. dazu schon supra Kapitel 2 – A. II. 1. 76 So hatte der EuGH in der Rechtssache Inspire Art den vom niederländischen Recht auf Scheinauslandsgesellschaften ausgeübten Zwang, als Formeel buitenlandse vennootschap zu firmieren, deshalb für europarechtswidrig erachtet, weil ein solches in der 11. Richtlinie nicht vorgesehen sei. Diese Regelung sei abschließend, vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 72. 77 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 19. Art. 46 EG wird eng und in Übereinstimmung mit Art. 39 Abs. 3 EG ausgelegt. Er spielt in praxi kaum eine Rolle. 74

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

b) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe (1) Rechtfertigung bei missbräuchlicher oder betrügerischer Berufung auf das Gemeinschaftsrecht Der EuGH hat mehrfach betont, dass die Anwendung nationalen Rechts nicht durch missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf das Gemeinschaftsrecht umgangen werden könne. Ob ein solches vorliege, sei auf der Grundlage objektiver Kriterien zu ermitteln78. Streitig ist zum einen, ob es sich hierbei um einen Rechtfertigungsgrund oder um eine Reduktion des Schutzbereichs handelt79. Viel problematischer als diese dogmatische Finesse ist hingegen, unter welchen Voraussetzungen von einer missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht gesprochen werden kann80. Bisher lässt sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur eine negative Begriffskonturierung entnehmen81. Es wurde klargestellt, aus dem bloßen Umstand, dass eine Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat keinerlei Tätigkeit entfaltet und damit als Scheinauslandsgesellschaft anzusehen ist, könne kein Missbrauch gefolgert werden82. Beruft sich eine EU-Auslandsgesellschaft auf die Niederlassungsfreiheit, um nationale Mindestkapitalvorschriften zu umgehen, so ist dies nach der Rechtsprechung des EuGH ebenfalls kein Missbrauch, sondern gerade die Ausübung der Niederlassungsfreiheit83. Daran zeigt sich eindeutig, dass es um den Missbrauch des Gemeinschaftsrechts geht, sodass Deutungen eine Absage erteilt werden muss, die den Missbrauch nach Normen des nationalen Rechts ermitteln wollen84. 78 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 24 ff.; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 136 ff. Zum Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ausführlich Hirte, Die „Limited“ mit Sitz in Deutschland, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 30 f. sowie Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 73–119. Internationalprivatrechtlich gesehen sind Parallelen zum Institut der fraus legis zu erkennen; zu dieser Kropholler, IPR6, § 23. 79 Dazu Forsthoff, Mobilität von Gesellschaften im Binnenmarkt, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 2 Rn. 46 ff. Einen Rechtfertigungsgrund sieht darin etwa Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 73, 97. In der Rechtssache EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 136 ff., wird der Missbrauch eher als Grund angesehen, die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit zu untersagen, was für eine Reduktion ihres Schutzbereichs spricht. 80 Vgl. bspw. Goette, ZIP 2006, 541 (542): „Der Satz [von der missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht] liest sich gut, will man ihn allerdings mit Leben erfüllen, stößt man allenthalben an Grenzen“. 81 Dazu kritisch Goette, ZIP 2006, 541 (542). Vgl. ferner Hofmeister, WM 2007, 868 (871). 82 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 139. 83 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27; daran anknüpfend EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 138.

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Zur Klärung der Problematik ist eine Analyse der Vorgehensweise hilfreich, mit welcher der EuGH in der Rechtssache Inspire Art den Missbrauch geprüft hat: Dort wird zur Ermittlung, ob die Berufung auf das Gemeinschaftsrecht im Einzelfall missbräuchlich ist, auf den Zweck abgestellt, der mit der Gründung der Gesellschaft nach ausländischem Recht verfolgt wurde85. Es ist somit danach zu fragen, ob sich die Gesellschaftsgründer „unter Ausnutzung der durch den Vertrag geschaffenen Möglichkeiten in missbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts entziehen“ 86 wollten. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass ein Missbrauch des Gemeinschaftsrechts in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht nur dann vorliegen kann, wenn ein bestimmter Zustand bzw. eine bestimmte Verhaltensweise allein unter Einsatz einer EU-Scheinauslandsgesellschaft erreicht bzw. vorgenommen werden kann. So meint etwa Wagner in Bezug auf die Existenzvernichtungshaftung von Gesellschaftern einer EU-Scheinauslandsgesellschaft, dass diese niemals mit Verweis auf den Missbrauch des Gemeinschaftsrechts gerechtfertigt werden könne, da Gläubigerschädigung durch existenzvernichtende Eingriffe keinesfalls nur unter Einsatz von Scheinauslandsgesellschaften möglich sei87. Im Gegenteil: Die Existenzvernichtungshaftung wurde bekanntlich für Inlandsgesellschaften entwickelt88. Folgt man dem, ist auch die Entscheidung des AG Hamburg rechtsfehlerhaft, das einen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit bei einer vermögenslosen EU-Scheinauslandsgesellschaft annahm, die eng mit einer GmbH verflochten war und dabei alle Passiva übernahm, während der GmbH die Aktiva zustanden (sog. „Aschenputtelgesellschaft“)89; eine solche Gestaltung ist nämlich auch mit zwei Inlandsgesellschaften möglich90. Unter den zahlreichen und divergierenden Deutungsversuchen, was mit dem Missbrauchseinwand positiv gemeint sein könnte, ragt folgender heraus: Eine missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist bei einer dem Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsposition zuwiderlaufenden Normenflucht zu bejahen, mit der sich der Betreffende einen unlauteren Vorteil verschaffen bzw.

84 So aber Borges, ZIP 2004, 733 (742). Es käme der Preisgabe der Niederlassungsfreiheit gleich, wenn schon ein nach nationalen Vorstellungen ermittelter Missbrauch die Rechtfertigung sämtlicher Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit liefern könnte. 85 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 137. 86 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 136. 87 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (503); ebenso Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 105. 88 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), BGHZ 149, 10. 89 AG Hamburg v. 14.5.2003 – 67g IN 358/02, NJW 2003, 2835. 90 Darauf wird zu Recht hingewiesen von Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 102, und Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft, S. 66. Noch offen lassend Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

eine unlautere Verhaltensweise ermöglichen will91. Darüber hinaus bedarf es eines „Rechtswidrigkeitszusammenhangs“ dergestalt, dass die angestrebte Verhaltensweise nur unter Einsatz einer EU-Auslandsgesellschaft möglich ist92. Zum Aspekt der Normenflucht ist m. E. allerdings zu sagen, dass nur eine solche Normenflucht gemeint sein kann, die verhindert, dass überhaupt eine Sanktion erfolgt; andernfalls kann von einer echten Umgehung nicht gesprochen werden: Solange eine Sanktion erfolgt, nur eben nicht nach inländischem Recht, ist die Lösung nicht in der Anwendung inländischen Rechts zu suchen, sondern in der Anwendung der einschlägigen ausländischen Sanktionsregeln. Dies entspricht dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen in Europa und den Prinzipien des IPR. So gedeutet liegt eine missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht vor, wenn bewusst ein Normenmangel herbeigeführt wird, der vom Gemeinschaftsrecht nicht geschützt ist. Die internationalprivatrechtliche Anpassung eines Normenmangels kann u. U. also hierüber gerechtfertigt werden93. Demzufolge liegt eine missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht – ganz im Sinne des alten Satzes abusus non tollit usum – nur in seltenen Fällen vor, etwa bei Umgehung von auf inländische Rechtsformen zugeschnittenen Strafnormen94, Geschäftsführerverboten95 oder Berufsausübungsregelungen96. Noch etwas anderes als die missbräuchliche meint die betrügerische Berufung auf das Gemeinschaftsrecht. Unter Betrug in diesem Sinne wird eine strafrechtlich relevante Täuschung über Tatsachen verstanden. Die Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist also dann betrügerisch, wenn sie eine strafrechtlich relevante Täuschung zwecks Schädigung des Rechtsverkehrs befördern soll97. 91 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 96. Merkt, ZGR 2004, 305 (323) setzt diese Problematik in Bezug zum internationalprivatrechtlichen Normenmangel; vgl. dazu auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (175). 92 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 99 ff. 93 In diese Richtung auch Hirte, Die „Limited“ mit Sitz in Deutschland, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 31, der eine Situation des Normenmangels (Kombination von Gründungsrecht ohne Kapitalaufbringung und Insolvenzrecht ohne Durchgriffshaftung) schildert. 94 §§ 82, 84, 85 GmbHG n. F.; beachte diesbezüglich den Grundsatz nulla poena sine lege, Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. 95 § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG n. F. 96 Man denke etwa an den deutschen Meisterzwang gem. § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F. i.V. m. §§ 1 Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 1, 7 Abs. 1a HandwO. Ein solches meint der EuGH wohl mit den „Vorschriften über die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten“, bei denen eine missbräuchliche Umgehung eher vorliegen könne als bei den „Vorschriften über die Errichtung von Gesellschaften“, EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 27. Dazu auch Hirte, Die „Limited“ mit Sitz in Deutschland, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 1 Rn. 31. Das Beispiel nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a. F. wird nicht durch Art. 1 Nr. 9 lit. a MoMiG Rechtsgeschichte, da die Neuregelung nur von der Beifügung der Genehmigungsurkunde bei der Anmeldung, aber nicht von der Genehmigung an sich befreit.

B. Der Einfluss des Europarechts auf EU-Auslandsgesellschaften

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(2) Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch nationale Maßnahmen können nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unter folgenden Voraussetzungen gerechtfertigt sein: „Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“ 98.

Im Rahmen dieser sog. Gebhard-Formel99 (auch: Vier-Konditionen-Test100) stellt sich zuallererst die Frage, welche Gründe des Allgemeininteresses zwingend sind. In seiner Entscheidungstrias hat der EuGH diesbezüglich folgende Gründe grundsätzlich anerkannt: Gläubigerschutz101 (vgl. insoweit auch Art. 44 Abs. 2 lit. g EG), Schutz der Minderheitsgesellschafter102, Arbeitnehmerschutz103 sowie Fiskalinteressen104. Die Maßnahme muss zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich sein. Sie ist nicht geeignet, wenn die Erreichung des Ziels sehr ungewiss ist oder auf gänzlich inkonsequente Weise verfolgt wird105. Die Geeignetheit des Mindestkapitals für den Gläubigerschutz hat der EuGH nicht geklärt106 – im Gegensatz zu den Generalanwälten La Pergola und Alber, die eine klar ablehnende Haltung eingenommen haben107. Die Maßnahme ist nicht erforderlich, wenn mildere Mittel zur Verfügung stehen, welche die Niederlassungsfreiheit in weniger intensiver Weise oder gar nicht beeinträchtigen. Auf die gleiche Wirksamkeit des milderen Mittels, wie sie das BVerfG im Rahmen seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung stets fordert108, 97

Vgl. Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26). EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 34; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 133. Dazu ausführlich Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 20 ff. 99 Nach EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), NJW 1996, 579, Tz. 37. 100 Vgl. Goette, ZIP 2006, 541 (542). 101 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 35 ff.; EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 92; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 102 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 92. 103 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 92. 104 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 140. 105 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 25 f. 106 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 107 Nachweise supra in Kapitel 2 – Fn. 434; vgl. Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 28 m.w. N. in Fn. 47. 108 Exemplarisch BVerfG v. 16.1.1980 – 1 BvR 249/79 (Schokoladenosterhase), BVerfGE 53, 135 (145 f.). 98

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

kommt es auf europäischer Ebene nicht an109. Wäre es anders, dann stünde es in der Macht der Nationalstaaten, ein beliebig hohes gesellschaftsrechtliches Schutzniveau zu definieren und die Anwendung eigenen Rechts dann für erforderlich im Sinne der Gebhard-Formel zu halten, wenn das Gründungsrecht der EU-Auslandsgesellschaft hinter diesem Standard zurückbliebe110. Aufgrund der in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlichen Ausgestaltung des Gläubigerschutzes im Recht der geschlossenen Kapitalgesellschaften ist die Durchsetzung des jeweiligen Gläubigerschutzniveaus regelmäßig der Kulminationspunkt des Streits um die Erforderlichkeit111. Nichtsdestotrotz wird das Erforderlichkeitskriterium im Ergebnis rigide interpretiert112. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung kommt es letztlich auf eine Abwägung zwischen dem Stellenwert der Niederlassungsfreiheit und demjenigen des Schutzanliegens an, das die nationale Maßnahme verfolgt113. Der Europäische Gerichtshof legt besonderes Augenmerk auf die konkreten Umstände und misst auch der Intensität der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Bedeutung bei: In der Überseering-Entscheidung hieß es, dass jedenfalls die mit der Aberkennung von Rechts- und Parteifähigkeit einhergehende Negierung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft nicht gerechtfertigt sei114. Damit machte der Gerichtshof die Rechtfertigung von der Intensität der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit abhängig115. Im gesellschaftsrechtlichen Kontext ist die Frage, ob die Anwendung des Sitzrechts zur Erreichung etwa des Gläubigerschutzes erforderlich ist, nicht ohne Blick in das ausländische Gesellschaftsstatut zu beantworten. Bis zu einem gewissen Grade kann man insofern von der Notwendigkeit eines Vergleichs der betroffenen Rechtsordnungen sprechen, wobei von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller europäischen Rechtsordnungen auszugehen ist116. 109

Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (173). Eidenmüller, JZ 2004, 24 (28); eingehend zum Ganzen Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 458 ff. 111 Vgl. Goette, ZIP 2006, 541 (542 f.). 112 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (174): Die Anwendung des Erforderlichkeitskriteriums in Centros und Inspire Art zeige, dass die Richter tendenziell „in dubio pro libertate“ entschieden. 113 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 30. 114 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 87 ff., 93. 115 Dazu aus methodischer Sicht kritisch Stoller, JuS 2003, 846 (847). 116 Eine „umfassende rechtsvergleichende Analyse“ fordert W.-H. Roth, IPRax 2003, 117 (125); ablehnend Borges, ZIP 2004, 733 (742). Zum Ganzen auch Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 57, 60, sowie Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 460 f. Vgl. ferner Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208 f.), der den Rechtsvergleich für gefährlich aufwändig hält; schon früher Altmeppen, NJW 2004, 97 (98): „Folgerichtig müssten unsere Richter künftig neben dem deutschen Gesellschaftsrecht standardmäßig zugleich nicht nur das englische Gesellschaftsrecht, sondern dasjenige aller 25 Mitgliedstaaten der EU [. . .] studieren [. . .] Es 110

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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Welche Rolle der Rechtsvergleich spielt, ist jedoch umstritten: Manche meinen, die inländischen Vorschriften könnten unproblematisch zur Anwendung kommen, wenn das Schutzniveau des Gründungsrechts gleichwertig sei, denn dann sei die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht weniger attraktiv117. Diese Argumentation betrifft jedoch richtigerweise nur die Frage, ob der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit beschränkt ist; bei identischem Regulierungsniveau ist die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nämlich nicht weniger attraktiv. Über die Erforderlichkeit einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme sagt sie nichts aus. Zutreffend ist daher i. R. d. Rechtfertigung Folgendes: Wenn der Rechtsvergleich ergibt, dass die Gesamtkonzeption des Gründungsrechts den einschlägigen Grund des Allgemeininteresses ebenfalls schützt, nur ggf. auf funktional andere Weise und auf geringfügig abweichendem Niveau, dann haben die Regelungen des Zuzugsstaats grundsätzlich zurückzutreten; ihre Durchsetzung ist dann nicht erforderlich118. III. Zusammenfassung An den soeben herausgearbeiteten europarechtlichen Vorgaben hat sich jede nationale Rechtsanwendung mit Auswirkung auf EU-Auslandsgesellschaften messen zu lassen. Die Niederlassungsfreiheit gibt die Reichweite des Gesellschaftsstatuts nicht vor und ist nicht mit diesem identisch; sie trifft lediglich eine Aussage darüber, ob ein Sitzrecht, das den Zuzug weniger attraktiv macht, auf eine EU-Auslandsgesellschaft angewendet werden darf. Aus Sicht der Grundfreiheiten ist es insofern gleichgültig, ob eine Beschränkung von einer Vorschrift herrührt, welche die nationale Dogmatik ins Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht oder Kollisionsrecht einordnet – relevant ist allein ihre die Niederlassungsfreiheit beschränkende Wirkung.

C. Prüfung der Zulässigkeit einer Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften I. Auswirkungen des MoMiG auf Scheinauslandsgesellschaften Es sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass die rechtsformneutrale119 Fassung der Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 InsO n. F. ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf auch für Auslandsgesellschaften gelten soll, die juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das der bare Unsinn ist!“ Zu den prozessualen Folgen Goette, ZIP 2006, 541 (544 f.). 117 Goette, ZIP 2006, 541 (543). 118 Vgl. Merkt, ZGR 2004, 305 (323); ebenso Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 60; ferner Koch, JuS 2004, 755 (756). 119 So schon gefordert von Wachter, BB 2006, 1463 (1465).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, vergleichbar sind120. Der Geschäftsleiter einer solcher Auslandsgesellschaft könnte dementsprechend gegenüber Gesellschaftsgläubigern der Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. ausgesetzt sein. Aufgrund der rechtsformspezifischen Formulierung der Insolvenzantragspflicht von Gesellschaftern bestimmter führerloser Gesellschaften gem. § 15a Abs. 3 InsO n. F. könnten auch die Gesellschafter führerloser Auslandsgesellschaften unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzverschleppung haftbar sein. Rechtsformneutral sind wiederum die Regelungen über Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz gefasst121. Rangrücktritt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO n. F.) und Insolvenzanfechtung (§§ 143, 135 InsO n. F.) drohen also auch, wenn Gesellschafter einer Auslandsgesellschaft Darlehen gewährt haben. Zu prüfen ist auch, ob die Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. auf Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften anwendbar ist. Nach dem oben Vorweggenommenen setzt die Anwendung dieser deutschen Vorschriften auf EU-Auslandsgesellschaften jedoch zweierlei voraus: Sie müssen erstens unter eine Kollisionsnorm, die auf deutsches Recht verweist, subsumiert werden können, und ihre Anwendung darf zweitens keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit produzieren. II. Anknüpfung der neuen Regelungen über die Insolvenzverschleppungshaftung, die Gesellschafterdarlehen und die Insolvenzverursachungshaftung 1. Anknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung von Geschäftsleitern a) Qualifikation Die internationalprivatrechtliche Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. ist umstritten. Vor dem MoMiG spielte dabei auch eine Rolle, dass die Insolvenzantragspflichten nicht rechtsformneutral in der InsO geregelt, sondern über die Spezialgesetze (etwa § 64 Abs. 1 GmbHG a. F.) verstreut waren122. 120

BT-Drucks. 16/6140, S. 134. BT-Drucks. 16/6140, S. 137 f. 122 Die systematische Stellung der Insolvenzantragspflichten wurde vor dem MoMiG als historisch zufällig erachtet. Ihr wurde keine Aussagekraft in Bezug auf die internationalprivatrechtliche Qualifikation beigemessen, dazu ausführlich Borges, ZIP 2004, 733 (737 ff.). 121

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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(1) Deliktsrechtliche Qualifikation Zuallererst drängt sich die deliktsrechtliche Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung auf, weil erst der deliktsrechtliche § 823 Abs. 2 BGB die Verletzung der Insolvenzantragspflicht mit Haftungsfolgen versieht123. Grundlage der Insolvenzverschleppungshaftung ist nach diesem Verständnis das Deliktsrecht. Ob dem Geschäftsleiter die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags oblag, ist dementsprechend eine gesondert anzuknüpfende Vorfrage124. Dabei sind die Insolvenzantragspflichten nach h. M. insolvenzrechtlich zu qualifizieren125. (2) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation spricht, dass die Anknüpfung des § 15a Abs. 1 InsO n. F. an den Geschäftsleiter den Besonderheiten der internen Organstrukturen der Gesellschaft geschuldet ist. Nur der jeweils betroffene Insolvenzeröffnungsgrund sei zum Insolvenzrecht gehörig, die Insolvenzantragspflicht betreffe demgegenüber das Recht der Innenorganisation126. Dies decke sich mit der Umschreibung des Insolvenzstatuts in Art. 4 Abs. 2 S. 1 EuInsVO, demzufolge das Insolvenzstatut regele, „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet“ werde. Die vorgelagerte Frage der Antragspflichten ließe sich demnach nicht auf die EuInsVO stützen127. Ferner hat man angeführt, die Insolvenzantragspflicht knüpfe daran an, dass der Haftungsfonds der betroffenen Gesellschaft aufgebraucht sei. Die Regelungen über den Haftungsfonds seien aber gesellschaftsrechtlicher Natur128. Jedenfalls im Hinblick auf den Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung gem. § 19 InsO ist dies naheliegend, da dieser nur bei juristischen Personen Platz greifen kann.

123 So etwa Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (670); ferner Zöllner, GmbHR 2006, 1 (7); vgl. auch Zimmer, NJW 2003, 3585 (3590). Ablehnend Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207). Näheres zum Ganzen bei Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 634 ff. sowie Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 32. 124 von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 56. 125 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 26; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 754 m.w. N.; Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589 f.); der Sache nach wohl auch Altmeppen, NJW 2004, 97 (100). Für eine Sonderanknüpfung der Insolvenzantragspflicht Zöllner, GmbHR 2006, 1 (6 f.). 126 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207). Ähnlich Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088). 127 Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); so im Ergebnis auch Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 525. 128 Goette, DStR 2005, 197 (200).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

(3) Insolvenzrechtliche Qualifikation Dominierend ist die Auffassung, die Insolvenzverschleppungshaftung sei insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Dafür wird angeführt, sie verfolge einen auf die Insolvenzantragspflicht gerichteten spezialpräventiven Zweck: Indem sie Verstöße gegen die Insolvenzantragspflicht sanktioniere, motiviere sie zur rechtzeitigen Antragstellung und diene damit im Interesse aller Gläubiger dem Schutz vor Masseschmälerung129. Ihr Schutzzweck sei damit von demjenigen der Insolvenzantragspflicht untrennbar. Ergo müsse die Insolvenzverschleppungshaftung ebenso wie die Insolvenzantragspflicht insolvenzrechtlich qualifiziert werden130. Ferner wird argumentiert, die Insolvenzverschleppungshaftung entspreche funktionell der französischen action en comblement du passif social gem. Art. L 624-3 des Nouveau code du commerce, die den dirigeant de droit et de fait treffen kann131. Diese habe der EuGH132 bereits autoritativ dem Insolvenzrecht zugeordnet133. (4) Stellungnahme Der Regierungsentwurf zum MoMiG verspricht sich allein aus der neuen systematischen „Einsortierung“ der Insolvenzantragspflicht in § 15a InsO Klarheit über die Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung134. Der systematische Standort einer Norm im Gesamtsystem des kodifizierten Rechts ist aber nur ein erster Anhaltspunkt für ihre Qualifikation. Wenn der Gesetzgeber den systematischen Standort einer Norm ändert und ihren funktionellen Sinngehalt unberührt lässt, kann ein solcher „Kleiderwechsel“ reine „Maskerade“ sein135, 129 Im Ergebnis ebenso LG Kiel v. 20.04.2006 – 10 S 44/05, NZG 2006, 672, ebenda, wo freilich nur mit dem Schutzzweck der Insolvenzantragspflicht argumentiert wird, obwohl es primär auf den Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung angekommen wäre. 130 So Borges, ZIP 2004, 733 (739); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 32; Goette, DStR 2005, 197 (200); Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 646; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 346, 756 m.w. N.; wohl auch Röhricht, ZIP 2005, 505 (507 f.). Dem hat sich LG Kiel v. 20.04.2006 – 10 S 44/05, NZG 2006, 672 der Sache nach angeschlossen; dazu Wachter, BB 2006, 1463 (1464 f.). Nunmehr auch RefE IntGesR, S. 12. 131 Zur action en comblement du passif social allgemein Wiedemann, GesR Bd. I (1980), § 10 III 2b. Im hier interessierenden Kontext Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 652 f. und Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 350, 756. 132 EuGH v. 22.2.1979 – Rs. C-133/78 (Gourdain/Nadler), Slg. 1979, 733, freilich bezüglich der alten Fassung der action en comblement du passif social; der Nouveau code du commerce wurde per ordonnance në 2000-912 am 18.9.2000 erlassen. 133 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 756; vgl. zu diesem Argument auch Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (870). 134 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (853).

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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die keinerlei Auswirkungen auf die der Sache nach nicht tangierte Qualifikation zeitigt. Es kommt nach wie vor auf die funktionelle Qualifikation der betroffenen Rechtsfigur an. Den Verfechtern einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation ist zu erwidern, dass das Argument aus Art. 4 Abs. 2 S. 1 EuInsVO fehlgeht: Wenn das Insolvenzstatut regelt, „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird“, muss die Insolvenzantragspflicht ebenfalls dazugehören, weil das Insolvenzverfahren nur auf Antrag eröffnet wird, § 13 Abs. 1 S. 1 InsO. Auch Erwägungsgrund 23 zur EuInsVO spricht eher für ein weites Verständnis des Insolvenzstatuts. Letztendlich sind die Begrifflichkeiten der EuInsVO jedoch ohnehin autonom auszulegen: Ihre Reichweite und Funktion beurteilt der EuGH losgelöst vom deutschen Verständnis des Insolvenzrechts136. Ob der Gerichtshof die Trennung von Insolvenzeröffnung und Insolvenzantrag übernehmen wird, bleibt abzuwarten. Gegen den Vergleich mit der action en comblement du passif social spricht, dass diese auf Zahlung in die Insolvenzmasse gerichtet ist137. Selbiges gilt bei der Insolvenzverschleppungshaftung deutscher Prägung nur hinsichtlich des Quotenschadens der Altgläubiger138, wohingegen die Insolvenzverschleppungshaftung bezüglich des Kontrahierungsschadens von Neugläubigern eine Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber den Neugläubigern induziert139. Somit bestehen nur teilweise Überschneidungen mit der insolvenzrechtlich zu qualifizierenden action en comblement du passif social. Ein ähnliches Bild ergibt sich, betrachtet man die vermeintlich autoritative EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Gourdain/Nadler aus der Nähe: Sie betraf die internationalzivilprozessuale Frage, ob ein die action betreffendes Einzelverfahren in den sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ140 fiel oder

135 Formulierungen nach Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (852, 854); in diesem Sinne auch Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (869). 136 Näher dazu Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 258; ebenso Vallender, ZGR 2006, 425 (455); vgl. ferner Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (869). 137 Dazu die Nachweise supra in Kapitel 5 – Fn. 131. 138 Der Quotenschaden der Altgläubiger ist in die Insolvenzmasse zu leisten, BGH v. 16.12.1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100 (102); vgl. dazu ausführlich K. Schmidt, GesR4, § 36 II 5b. 139 H.M.; BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 (190 ff., 194) begründet dies mit dem umfassenden Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG a. F., der insolvente Gesellschaften generell vom Geschäftsverkehr fernhalten wolle; der Schaden der Neugläubiger liege darin, dass sie bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags nicht mehr kontrahiert hätten. Zum Kontrahierungsschaden der Neugläubiger im hier interessierenden Kontext Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 32. 140 Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

eine ausgenommene Konkurssache i. S. d. Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ darstellte141. Nach Ansicht des EuGH sprach die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters sowie die Funktion der action, die Insolvenzmasse im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu vergrößern, für die insolvenzrechtliche Einordnung142. Beides trifft auf die Insolvenzverschleppungshaftung allerdings nur hinsichtlich des Quotenschadens der Altgläubiger zu. Den Apologeten der insolvenzrechtlichen Qualifikation ist also nur teilweise beizupflichten. Für die deliktische Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung im Hinblick auf den Kontrahierungsschaden der Neugläubiger spricht, dass es ohne die Anerkennung des § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. als Schutzgesetz im deliktsrechtlichen Sinne (§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB) keine Haftung gäbe. Ihr begrifflicher Anknüpfungspunkt ist also deliktsrechtlicher Natur. b) Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich, dass bei der Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung zu differenzieren ist: Im Hinblick auf den Quotenschaden der Altgläubiger ist das Insolvenzstatut maßgeblich, im Hinblick auf den Kontrahierungsschaden der Neugläubiger das Deliktsstatut. Regelmäßig dürften bei Scheinauslandsgesellschaften die lex fori concursus und die lex loci delicti zusammenfallen, sodass es auf eine akzessorische Anknüpfung (Art. 41 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO) der Ansprüche der Neugläubiger an das Insolvenzstatut nicht ankommt. 2. Anknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung von Gesellschaftern einer führerlosen Gesellschaft a) Analoge Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften? Die bei Führerlosigkeit eingreifende Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 3 InsO n. F. ist nicht rechtsformneutral formuliert. Die Vorschrift bezieht sich stattdessen auf deutsche Gesellschaftsformen: Die Insolvenzantragspflicht kann GmbH-Gesellschafter sowie die Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG und einer Genossenschaft treffen. § 15a Abs. 3 InsO n. F. könnte also nur im Wege eines sachrechtlichen Analogieschlusses auf die Gesellschafter von Auslandsgesellschaften erstreckt werden.

1968, inzwischen abgelöst durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000, ABl., 16.1.2001, Nr. L 12/1 (EuGVVO). 141 EuGH v. 22.2.1979 – Rs. C-133/78 (Gourdain/Nadler), Slg. 1979, 733, Tz. 2. 142 EuGH v. 22.2.1979 – Rs. C-133/78 (Gourdain/Nadler), Slg. 1979, 733, Tz. 5.

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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Es hat aber schon vor dem MoMiG keinen Einfluss auf die Diskussion um die Unterwerfung der Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften unter die Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. respektive § 92 Abs. 2 AktG a. F.143 gehabt, dass diese Insolvenzantragspflichten auf Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder zugeschnitten und insofern rechtsformspezifisch ausgestaltet waren. Hinzukommt, dass das Anliegen der Missbrauchsbekämpfung nur teilweise verwirklicht wäre, wenn man die neuen Regeln über die Führerlosigkeit durch Verwendung einer Auslandsgesellschaft umgehen könnte. Die Praxis der sog. „Firmenbestattungen“ wäre in diesem Falle nicht gebannt, sondern nur mit größerem Aufwand verbunden. Die Neuregelung der Insolvenzantragspflichten in § 15a InsO n. F. müsste dann als inkonsistent bezeichnet werden144. Sachrechtlich gesehen spricht also viel dafür, die Gesellschafter von geschäftsleiterlosen Auslandsgesellschaften als potentiell gem. § 15a Abs. 3 InsO n. F. analog Verpflichtete anzusehen145. Zu prüfen bleibt, ob das Kollisionsrecht hierzu eine andere Haltung einnimmt. b) Qualifikation (1) Sonderanknüpfung der Insolvenzantragspflicht Überzeugend wurde im Schrifttum darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang bereits die insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzantragspflicht – anders als im Rahmen des § 15a Abs. 1 InsO n. F.146 – äußerst fraglich ist. Ob eine Gesellschaft führerlos ist und welche Konsequenzen dies für die Rechtsstellung der Gesellschafter hat, ist eine genuin binnenorganisationsrechtliche Frage nach der internen Zuständigkeitsordnung147. Vor dem Hintergrund der separation of ownership and control ist diese Deutung im Kapitalgesellschaftsrecht zwingend. Damit ist das Gesellschaftsstatut einschlägig. Dieses richtet sich nach dem Gründungsrecht der Auslandsgesellschaft. Bevor also eine Insolvenzverschleppungshaftung des Gesellschafters geprüft werden könnte, müsste die Vorfrage gesondert angeknüpft werden, ob dem Gesellschafter nach dem Gründungsrecht der Gesellschaft eine Insolvenzantragspflicht oblag. § 15a Abs. 3 InsO n. F. kommt bei Auslandsgesellschaften also nicht zum Tragen. 143

Art. 5 Nr. 11 lit. a MoMiG. Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (854). 145 A.A. Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (847), der eine Analogie gar nicht in Betracht zieht. 146 Nachweise bereits supra in Kapitel 5 – Fn. 125, 130. 147 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (854). 144

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Will man dennoch auch die Gesellschafter geschäftsleiterloser Auslandsgesellschaft zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichten, ist es unumgänglich, das Gesellschaftsstatut im Wege einer Sonderanknüpfung zu durchbrechen148. (2) Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung der Gesellschafter einer führerlosen Gesellschaft Für die Zwecke der Insolvenzverschleppungshaftung des Gesellschafters einer geschäftsleiterlosen Auslandsgesellschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB, die von einer Verletzung der (im Wege einer Sonderanknüpfung berufenen) Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 3 InsO n. F. ausgelöst wird, gilt nichts anderes als oben ausgeführt: Für den Quotenschaden der Altgläubiger ist das Insolvenzstatut maßgeblich, für den Kontrahierungsschaden der Neugläubiger hingegen das Deliktsstatut. 3. Anknüpfung der Regelungen über Gesellschafterdarlehen Das MoMiG ordnet in § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO n. F. den Rangrücktritt aller Gesellschafterdarlehen an und ermöglich in §§ 143, 135 InsO n. F. die Anfechtung bestimmter darauf bezogener Rechtshandlungen. Rangrücktritt und Insolvenzanfechtung waren schon bislang nach h. M. insolvenzrechtlich zu qualifizieren149. Der europäische Gesetzgeber ist derselben Ansicht, wie sich aus Art. 4 Abs. 2 S. 2 lit. i, m EuInsVO ergibt. Die neue Rechtsformneutralität des diesbezüglichen deutschen Insolvenzsachrechts tut auf der kollisionsrechtlichen Ebene nichts zur Sache150. Sie entbindet nur von einem andernfalls notwendigen Analogieschluss auf der sachrechtlichen Ebene. Da es nach dem MoMiG auf die eigenkapitalersetzende Funktion eines Gesellschafterdarlehens nicht mehr ankommt, ist die frühere Kontroverse151 um die Qualifikation dieser Vorfrage überholt.

148

Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (854). RefE IntGesR, S. 11, sub Nr. 4; ferner Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 42; Röhricht, ZIP 2005, 505 (512); Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 708; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 315; Zöllner, GmbHR 2006, 1 (6); wohl auch Heckschen, DStR 2007, 1442 (1448) und Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); ohne internationalprivatrechtliche Begründung auch Altmeppen, NJW 2004, 97 (103); nur für die Insolvenzanfechtung Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 525. 150 Anders aber offenbar Seibert, ZIP 2006, 1157 (1161 f.). 151 Dazu Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 42; Spahlinger/ Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 313 f. 149

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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4. Anknüpfung der Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. a) Analoge Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften Gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. kann eine GmbH gegen ihre Geschäftsführer Ansprüche wegen Zahlungen an Gesellschafter haben, die zur Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO führen mussten. Wegen ihres Zuschnitts auf die GmbH kann die Vorschrift nur analog auf Auslandsgesellschaften angewendet werden. b) Qualifikation Der Regierungsentwurf meint, bezüglich § 64 S. 3 GmbHG n. F. greife eine insolvenzrechtliche Qualifikation mit der Folge Platz, dass auch die Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften mit ausschließlicher bzw. hauptsächlicher Tätigkeit in Deutschland haftbar gemacht werden könnten152. Daran bestehen Zweifel. (1) Insolvenzrechtliche Qualifikation Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation lässt sich anführen, dass die Vorschrift die Herbeiführung eines Insolvenzeröffnungsgrunds sanktioniert153. Die ausgelöste Binnenhaftung stärkt die Insolvenzmasse im Interesse aller Gläubiger. Die Deckung mit der oben erwähnten französischen action en comblement du passif social ist eindeutiger als bei der Insolvenzverschleppungshaftung. (2) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation Es drängt sich aber die Frage auf, warum die neue Vorschrift in das GmbHG aufgenommen wurde, während die früher in § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. verortete und i.V. m. § 823 Abs. 2 BGB haftungsbewehrte Insolvenzantragspflicht rechtsformneutral in § 15a Abs. 1 InsO n. F. verlagert wurde. Dass dem Standort einer Norm hinsichtlich ihrer internationalprivatrechtlichen Qualifikation nur Indizcharakter innewohnt, wurde schon gesagt – wenn die Bundesregierung dies ebenso sähe, hätte sie die Insolvenzantragspflicht nicht in die InsO verlagert. Da dies aber doch geschehen ist, erscheint es nicht ganz stimmig, die Insolvenzverursachungshaftung im GmbHG anzusiedeln. Wichtiger sind jedoch funktionale Erwägungen. Dabei ist insbesondere zu fragen, was der Grund dafür ist, den Geschäftsführer für Zahlungen haftbar zu machen, welche zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. Die152 BT-Drucks. 16/6140, S. 113; ebenso Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (566); ferner Seibert, ZIP 2006, 1157 (1167), sub 5.2. 153 Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (566).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

ser Grund kann nur darin liegen, dass es allein der Geschäftsführer ist, der solche Zahlungen vorzunehmen hat. Das liegt aber wiederum in der Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern begründet, die dem Kapitalgesellschaftsrecht zu eigen ist. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers rührt also aus der Sphäre der inneren Organisation der Gesellschaft; derlei Rechtsfragen sind jedoch gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. In die Richtung einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation weist es ferner, wenn der Regierungsentwurf die Insolvenzverursachungs- mit der Existenzvernichtungshaftung in Verbindung setzt und ausführt, § 64 S. 3 GmbHG n. F. ergänze die lückenhafte Kapitalerhaltung gem. §§ 30 f. GmbHG154. Unter welchen Voraussetzungen ein Geschäftsleiter Zahlungen an die Gesellschafter vornehmen darf, ist ebenso eine gesellschaftsrechtliche Frage wie diejenige nach daran gekoppelten Sanktionen155. Für eine gesellschaftsrechtlichen Qualifikation spricht es auch, dass der Sorgfaltsmaßstab ein genuin GmbH-rechtlicher ist: § 64 S. 3 GmbHG n. F. verweist auf den in § 64 S. 2 GmbHG n. F. bezeichneten Sorgfaltsmaßstab. Dieser verlangt die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“. Dabei handelt es sich um den binnenorganisationsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab, auf den sich auch die GmbH-rechtliche Organhaftung gem. § 43 Abs. 1 GmbHG stützt. Letztere ist indes eindeutig gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren156. Auch der Verweis in § 64 S. 4 GmbHG n. F. auf die Geschäftsführerhaftungsnormen in § 43 Abs. 3, 4 GmbHG spricht die Sprache des Gesellschaftsrechts157. Die enge Verflechtung des § 64 S. 3 GmbHG n. F. mit eindeutig gesellschaftsrechtlichen Konzepten spricht für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation. Der vom Regierungsentwurf ausgemachte „stark[e] insolvenzrechtlich[e] Bezug“ 158 des § 64 S. 3 GmbHG n. F. ist keineswegs so stark: Oben wurde ausge154

BT-Drucks. 16/6140, S. 111. Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 13; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 312. A.A. Röhricht, ZIP 2005, 505 (511 f.), wo auf die Nähe des § 31 GmbHG zu den insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbeständen abgestellt wird. Obwohl Altmeppen, NJW 2004, 97 (102) die Ausschüttungssperre des § 30 GmbHG als zum „Wesen der Kapitalgesellschaft“ gehörig ansieht, wird dort keine gesellschaftsrechtliche Qualifikation angenommen. Vielmehr soll das Recht des Zuzugsstaats Ausschüttungen zulasten des der Gläubigerbefriedigung gewidmeten Vermögens sanktionieren dürfen. Welches Vermögen zur Gläubigerbefriedigung gewidmet ist, unterliegt aber ebenfalls dem Gesellschaftsrecht – nur das Gesellschaftsstatut kann hierüber Auskunft geben. Konsequent befürwortet Ulmer, NJW 2004, 1201 (1209) eine Sonderanknüpfung der §§ 30 f. GmbHG. 156 H.M., vgl. nur Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 16. 157 Die Geschäftsleiterhaftung richtet sich nach dem Personalstatut der Gesellschaft. Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 16, bezeichnet dies als „unstrittig“. 158 BT-Drucks. 16/6140, S. 113. 155

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führt, dass die Formulierung „mussten“ gerade auf eine klare Kausalität verzichtet159; ob die konkrete Zahlung letztlich zur Zahlungsunfähigkeit geführt hat, ist gar nicht relevant. Dem Geschäftsführer wird also der Sache nach vorgeworfen, die Liquiditätssituation der Gesellschaft falsch eingeschätzt zu haben. Dies ist primär ein Fehler im laufenden Geschäft – so lässt sich auch der Verweis auf den gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG erklären. Zahlreiche Argumente sprechen somit gegen die Auffassung des Regierungsentwurfs, die Haftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. sei insolvenzrechtlich zu qualifizieren. (3) Sonderanknüpfung Soll § 64 S. 3 GmbHG n. F. analog auf Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften anwendbar sein, bleibt nur eine insolvenzrechtliche Sonderanknüpfung. III. Konformität der Neuregelungen des MoMiG mit der Niederlassungsfreiheit 1. Insolvenzverschleppungshaftung von Geschäftsleitern a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit Die Insolvenzverschleppungshaftung von Geschäftsleitern darf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht weniger attraktiv machen und nicht in die Identität der Gesellschaft eingreifen. In den Sachverhalten, die den supra referierten Entscheidungen des EuGH in Sachen Centros und Inspire Art zugrunde lagen, machten die Rechtsordnungen Dänemarks und der Niederlande die Ausübung der Niederlassungsfreiheit dadurch weniger attraktiv, dass sie den jeweils zuziehenden englischen private limited companies etwas abverlangten, was diese nach ihrem Gründungsrecht nicht aufzuweisen brauchten: Ein entsprechendes Mindestkapital. Für die Zwecke der Insolvenzverschleppungshaftung ist also danach zu fragen, ob das Gründungsrecht der jeweiligen Auslandsgesellschaft eine vergleichbare Haftung der Geschäftsleiter vorsieht. Das englische Recht kennt etwa die Rechtsfigur des wrongful trading, wonach ein director einer private limited company gegenüber der Gesellschaft haftet, wenn er eine insolvenzreife Gesellschaft fortgeführt hat, obwohl er hätte erkennen müssen, dass keine Aussicht auf Genesung bestand. Er muss alles unternehmen, was den Schaden für die Gesellschaftsgläubiger minimiert, und trägt dafür die Beweislast. Zur Geltend159

Dazu supra Kapitel 3 – C. I. 2. c) (6).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

machung ist der liquidator (Insolvenzverwalter) befugt160. Dem ist auch die action en comblement du passif social nach französischem Recht vergleichbar. Hinsichtlich der englischen Limited besteht im deutschen Schrifttum weitgehend Einigkeit, dass die im Wesentlichen vergleichbar ausgestaltete englische Geschäftsleiterhaftung zur Verneinung einer Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit führen muss161. Richtigerweise ist jedoch wiederum zu differenzieren: Nur hinsichtlich des Quotenschadens der Altgläubiger kann von einer Vergleichbarkeit zwischen Insolvenzverschleppungshaftung, Haftung wegen wrongful trading und der action en comblement du passif social gesprochen werden. Machen hingegen Neugläubiger ihren Kontrahierungsschaden gegenüber dem director einer englischen Limited oder dem dirigeant einer französischen S.A.R.L. geltend, so liegt darin eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit. Somit liegt hinsichtlich des Quotenschadens der Altgläubiger keine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit vor, wenn die betreffende EU-Scheinauslandsgesellschaft aus England oder Frankreich zugezogen ist. b) Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? Wenn die Geltendmachung des Kontrahierungsschadens durch die Neugläubiger nach dem Gesagten die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt, so kommt jedoch immer noch eine teleologische Reduktion des Schutzbereichs in Betracht. Dazu müsste die auf den Ersatz des Kontrahierungsschadens gerichtete Insolvenzverschleppungshaftung in nicht diskriminierender Weise nach erfolgtem Marktzugang die allgemeine Tätigkeitsausübung durch die Gesellschaft und ihre Organe betreffen, ohne in ihre korporative Identität einzugreifen162. Da eine Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. auch die Geschäftsleitungsorgane deutscher Gesellschaften treffen kann, liegt keinerlei Diskriminierung vor163. Die Insolvenzverschleppungshaftung betrifft auch gerade nicht die Phase des Marktzugangs einer Auslandsgesellschaft, sondern 160 Rehm, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 10 Rn. 67 ff.; Wachter, BB 2006, 1463 (1465 f.). 161 LG Kiel v. 20.04.2006 – 10 S 44/05, NZG 2006, 672 (673); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 33; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 659; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 757; Wachter, BB 2006, 1463 (1465); ebenso BT-Drucks. 16/6140, S. 133; zweifelnd indes Goette, ZIP 2006, 541 (545 f.); a. A. Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (12). Dass kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegt, folgt nicht schon daraus, dass Artt. 4, 3 EuInsVO das inländische Insolvenzrecht berufen; so aber Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208). 162 Vgl. insoweit die Zusammenfassung supra Kapitel 5 – B. II. 1. b) (7). 163 Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 660, führt die Nichtdiskriminierung erst im Rahmen der Rechtfertigung an.

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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diejenige des Marktrückzugs wegen Insolvenz. Sie knüpft an das gesetzeswidrige Verhalten des Geschäftsleitungsorgans an, da die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 InsO n. F. wie oben gezeigt für die Geschäftsleitungsorgane solcher Auslandsgesellschaften gilt, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in Deutschland haben, Artt. 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 EuInsVO. Hinsichtlich des Kontrahierungsschadens der Neugläubiger ist die Niederlassungsfreiheit also teleologisch zu reduzieren164. c) Rechtfertigung? Sollte das Gründungsrecht einer Auslandsgesellschaft keine der Insolvenzverschleppungshaftung entsprechende Haftungsfigur kennen, kann durchaus eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit bejaht werden. Dann stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung einer solchen Beeinträchtigung. (1) Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht Insolvenzverschleppung ist auch unter Einsatz deutscher Gesellschaftsformen möglich, sodass eine Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht in Frage kommt. (2) Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test Im Rahmen des Vier-Konditionen-Tests sind Gläubigerschutz und der Schutz des Rechtsverkehrs als zwingende Gründe des Allgemeinwohls anerkannt. Die Insolvenzverschleppungshaftung diskriminiert nicht. Ihre Durchsetzung wird in Deutschland jedenfalls zur Behebung eines drohenden kollisionsrechtlichen Normenmangels als geeignet und erforderlich gehalten: Ein solcher drohte bspw., wenn eine im Recht des Herkunftslands insolvenzrechtlich zu qualifizierende Haftungsfigur aufgrund des Tätigkeitsschwerpunkts der EU-Scheinauslandsgesellschaft in Deutschland gem. Artt. 4, 3 EuInsVO nicht zur Anwendung käme, das berufene deutsche Recht aber eine vergleichbare Haftungsfigur nicht zur Anwendung bringen könnte165. Dann stünde der Geschäftsleiter der betref-

164 Auch Wachter, BB 2006, 1463 (1465) verwendet Vokabeln, die auf eine teleologische Reduktion schließen lassen, ohne dass dort zwischen Quotenschaden und Kontrahierungsschaden unterschieden würde; zögernd auch Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (872 f.). 165 Vgl. zur diesbezüglichen Schutzlücke Schanze, NZG 2007, 681 (685). Demgegenüber befürwortet Borges, ZIP 2004, 733 (740) ungeachtet der internationalprivatrechtlichen Implikationen die Anwendung der Haftung wegen wrongful trading im deutschen Insolvenzverfahren.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

fenden Auslandsgesellschaft besser, als er nach jeder der beteiligten Rechtsordnungen stünde166. 2. Insolvenzverschleppungshaftung von Gesellschaftern einer führerlosen Gesellschaft a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit Wie oben gezeigt, vermag nur eine Sonderanknüpfung der Insolvenzantragspflicht, die Gesellschafter einer Auslandsgesellschaft der Insolvenzverschleppungshaftung analog § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 3 InsO n. F. zu unterwerfen. Ob ein solches die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv macht, hängt wiederum davon ab, ob das Gründungsrecht der Auslandsgesellschaften eine vergleichbare Haftungsfigur kennt. Es kommt also etwa im Hinblick auf das französische und das englische Recht darauf an, ob Gesellschafter dirigeants de fait respektive shadow directors sein können. Im englischen Recht können Mehrheitsgesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen als shadow directors der Haftung wegen wrongful trading unterliegen167. Jedoch gälte dies aufgrund der Struktur dieser Haftungsfigur wiederum nur für den Quotenschaden der Altgläubiger. Jedenfalls im Hinblick auf den Kontrahierungsschaden der Neugläubiger läge mithin auch dann eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit vor, wenn das Herkunftsland der zuziehenden Gesellschaft England oder Frankreich wäre. b) Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? Wegen des korporativen Bezugs der Gesellschafterhaftung wegen Insolvenzverschleppung zur Organisationsverfassung und damit zur Identität der Auslandsgesellschaft168 und wegen der Sonderanknüpfung kommt eine teleologische Reduktion nicht in Betracht.

166 Vgl. LG Kiel v. 20.04.2006 – 10 S 44/05, NZG 2006, 672 (673); Bittmann/Gruber, GmbHR 2008, 867 (872); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 33; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (175); a. A. Ringe/Willemer, EuZW 2006, 621 (624). 167 Rehm, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 10 Rn. 68. 168 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (854).

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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c) Rechtfertigung? (1) Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht Die Erstreckung der Insolvenzantragspflicht auf die Gesellschafter einer führerlosen Gesellschaft steht im Zeichen der Missbrauchsbekämpfung durch das MoMiG169. Zu denken ist daher an eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht. Ein solches kann zu bejahen sein, wenn die Gesellschafter die Geschäftsleiterlosigkeit der EU-Auslandsgesellschaft zwecks ungeregelter „Firmenbestattung“ bewusst herbeiführen170. Insofern wäre auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben, da ohne Verwendung einer Auslandsgesellschaft § 15a Abs. 3 InsO n. F. unproblematisch eingreifen würde. (2) Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test Gläubigerschutz durch geordnete Liquidation einer Gesellschaft im Insolvenzverfahren ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses. § 15a Abs. 3 InsO n. F. gilt in nicht diskriminierender Weise auch für deutsche Gesellschaften. Im Schrifttum wurde jedoch die Erforderlichkeit der Anwendung der Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter bei Führerlosigkeit der Gesellschaft in Abrede gestellt: Es wurde argumentiert, dass die Stellung eines Eigenantrags für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich sei. Ausweislich § 13 Abs. 1 S. 2 InsO genüge dazu, dass die Gesellschaftsgläubiger einen Fremdantrag gem. § 14 InsO stellten171. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Wäre dies zutreffend, so bräuchte es bereits im innerdeutschen Kontext nicht die Insolvenzverschleppungshaftung, die zur rechtzeitigen Stellung eines Eigenantrags motivieren soll. Der Eigenantrag ist aus Sicht der Gläubiger vorzugswürdig, weil er von Personen zu stellen ist, die aufgrund ihrer Gesellschaftszugehörigkeit einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Vermögenssituation der Gesellschaft haben. Den Gläubigern fehlen diese Informationen, sodass sie regelmäßig erst dann tätig werden, wenn die Insolvenzreife förmlich ins Auge sticht. Diese Verzögerung geht aber zulasten der Insolvenzmasse. Daher ist es erforderlich im Sinne des Vier-Konditionen-Tests, auch gegenüber führerlosen EU-Auslandsgesellschaften die rechtzeitige Eigenantragstellung durchzusetzen.

169 Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 23.5.2007, sub „3. Bekämpfung von Missbräuchen“. 170 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (854). 171 Knof/Mock, GmbHR 2007, 852 (854).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

3. Regeln über Gesellschafterdarlehen a) Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit Wenn die Gesellschafter einer englischen Limited dieser Darlehen gewährt haben und das gem. Artt. 4, 3 EuInsVO berufene deutsche Insolvenzrecht die Darlehensforderungen der Gesellschafter im Range zurücktreten lässt sowie Rückzahlungshandlungen der Insolvenzanfechtung unterwirft, liegt darin eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit. Denn das englische Recht kennt weder den Rangrücktritt172, noch sonstige insolvenzrechtliche Regelungen über Gesellschafterdarlehen173. Die Ausübung der Niederlassungsfreiheit wird also durch §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO n. F. weniger attraktiv gemacht und mithin beeinträchtigt. b) Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? Rangrücktritt und Insolvenzanfechtung können Gesellschafter dazu veranlassen, von der Darlehensgewährung an ihre Gesellschaft abzusehen. Solche Darlehen können jedoch notwendige Voraussetzung für den Marktzugang einer in geringem Umfang eigenkapitalisierten Auslandsgesellschaft sein. Man denke insofern etwa an den – in der Rechtssache innoventif limited streitgegenständlichen – Kostenvorschuss für die Eintragung einer Zweigniederlassung ins Handelsregister. Der EuGH judizierte, der Kostenvorschuss an sich stelle keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar174. Anderes muss jedoch im Hinblick auf die Art und Weise der Finanzierung des Vorschusses gelten. Wegen der abschreckenden, potentiell marktabschottenden Wirkung der deutschen Regelungen über Gesellschafterdarlehen kommt eine teleologische Reduktion nicht in Betracht. c) Rechtfertigung? (1) Zweifel an der Rechtfertigungsfähigkeit Eine Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht kommt nicht in Betracht, da die Gesellschafter keine Auslandsgesellschaft einsetzen müssen, um ihrer Gesellschaft ein Darlehen gewähren zu können. Im Hinblick auf den Vier-Konditionen-Test stellt der mittelbare insolvenzrechtliche Gläubigerschutz durch Massestärkung einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Fraglich ist allein die Erforderlichkeit der Durchset172 173 174

Fleischer, DStR 2000, 1015 (1017). Vgl. Rehm, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 10 Rn. 43. EuGH v. 1.6.2006 – Rs. C-453/04 (innoventif limited), NJW 2006, 3195.

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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zung der inländischen Regeln über Gesellschafterdarlehen gegenüber EU-Auslandsgesellschaften. Vor dem MoMiG wurde im Hinblick auf die insolvenzrechtlichen Folgen eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen vertreten, es sei „schwerlich vorstellbar“, dass Rangrücktritt und Insolvenzanfechtung die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen könnten175. Ob das damals zutraf, mag hier offen bleiben. Zu bedenken ist jedoch, dass das MoMiG auf das Merkmal „eigenkapitalersetzend“ verzichtet und den Anwendungsbereich der insolvenzrechtlichen Vorschriften über Gesellschafterdarlehen stark ausdehnt, indem es sämtliche Gesellschafterdarlehen diesem Regime unterwirft. Dabei handelt es sich um eine massive Beeinträchtigung. Zudem ist die marktabschottende Wirkung genereller Natur; dies kann ein erhebliches Marktzugangshindernis für solche EU-Auslandsgesellschaften darstellen, die nach ihrem Gründungsrecht mit geringem Stammkapital wirksam errichtet worden sind176. Dies spricht gegen eine Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test. Weitere Zweifel an der Rechtfertigungsfähigkeit kommen hinsichtlich der Insolvenzanfechtung auf: Art. 13 EuInsVO steht in engem Bezug zu den Insolvenzanfechtungstatbeständen der §§ 132 f. InsO und kann diesbezüglich die lex fori concursus durchbrechen177. Die EuInsVO betrifft zwar unmittelbar nur die kollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Recht; greift Art. 13 EuInsVO ein, so unterliegt die Insolvenzanfechtung nicht der lex fori concursus, sodass sich die Frage nach der Erforderlichkeit der Durchsetzung des Sitzrechts nicht stellt. Aber nichtsdestotrotz kommt in Art. 13 EuInsVO zum Ausdruck, dass der europäische Gesetzgeber der Durchsetzung der lex fori concursus für die Zwecke der Insolvenzanfechtung reserviert gegenüber steht. In den Begrifflichkeiten der Gebhard-Formel deutet dies auf das Fehlen der Erforderlichkeit hin. Hinzukommt, dass potentielle Gesellschaftsgläubiger an ihrer Firmierung als Auslandsgesellschaft erkennen können, dass die Regeln über Gesellschafterdarlehen, denen diese Gesellschaft unterworfen ist, ggf. von den inländischen abweichen (Publizitätsmodell). (2) Legitimierung durch EuInsVO Trotz dieser Zweifel ist die Rechtfertigung der Anwendung von §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 135 InsO n. F. auf EU-Scheinauslandsgesellschaften letztlich zu bejahen. Dies liegt daran, dass Rangrücktritt und Insolvenzanfechtung eindeutig 175 Zöllner, GmbHR 2006, 1 (6); ähnlich Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 712. 176 Vgl. auch Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 44. 177 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 315.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind. Damit unterstehen sie den Kollisionsnormen der EuInsVO. Diese will ausweislich ihrer Erwägungsgründe Nr. 2–4 und 8 ausdrücklich eine einheitlich Anknüpfung der lex fori concursus in Europa, ungeachtet der in Erwägungsgrund Nr. 11 konzedierten „großen Unterschiede im materiellen Recht“ der Mitgliedstaaten. Implizit ist damit den Mitgliedstaaten ein nicht unerheblicher Spielraum bei der Ausgestaltung des materiellen Insolvenzrechts eingeräumt. Dies wird durch Sonderanknüpfungen wie etwa Art. 13 EuInsVO kompensiert (Erwägungsgrund Nr. 11). Geht man davon aus, dass die EuInsVO ihrerseits mit dem primären Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, können gegen die Anwendung der genannten Vorschriften der InsO auf EU-Scheinauslandsgesellschaften keine Einwände erhoben werden. 4. Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. analog In Bezug auf die Insolvenzverursachungshaftung analog § 64 S. 3 GmbHG n. F. scheidet eine teleologische Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit aus, weil sie aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation nur im Wege einer Sonderanknüpfung auf Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften angewendet werden kann. Eine Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test ist fraglich. In seinem Urteil in der Rechtssache Inspire Art hat der EuGH lapidar festgestellt, dass sich die Haftung der Geschäftsleiter nach dem Recht des Herkunftslands der Gesellschaft bemisst; dass insoweit die inländischen Vorschriften nicht griffen, wüssten die Gläubiger aufgrund der Firmierung als Auslandsgesellschaft178. Dagegen lässt sich einwenden, dass es im Falle Inspire Art um die Außenhaftung der Geschäftsleiter gem. Art. 4 Abs. 4 WFBV für die im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen ging. Diese Rechtsfrage ist eher dem Gesellschaftsstatut zuzuordnen als die Insolvenzverursachungshaftung. Außerdem ist das erwähnte Publizitätsargument plausibler, wenn es bezüglich einer Außenhaftung im Verhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern angebracht wird – bei einer Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft versagt es hingegen. Zu bedenken ist aber, dass die Geschäftsleiterhaftung analog § 64 S. 3 GmbHG n. F. gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist. Die dementsprechend notwendige Sonderanknüpfung steht nicht unter dem legitimierenden Schutz des Erwägungsgrunds Nr. 11 der EuInsVO. Daher ist das Augenmerk verstärkt auf die Erforderlichkeit zu richten. An dieser kann es zum einen dann fehlen, wenn das Gründungsrecht eine im Wesentlichen vergleichbare Geschäftsleiterhaftung kennt. Das wird regelmäßig der Fall sein: Die überwiegende Mehrzahl der entwickelten Kapitalgesellschaftsrechte kennt eine Haftung des Geschäftsleiters für 178

EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135.

C. Anwendung des MoMiG auf Auslandsgesellschaften

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die Schädigung der Gesellschaft. Eine solche genügt, denn es hatte sich oben schon gezeigt, dass § 64 S. 3 GmbHG n. F. eine so große Nähe zur allgemeinen Vorschrift des § 43 Abs. 2 GmbHG aufweist, dass manche § 64 S. 3 GmbHG n. F. den Charakter als eigenständige Anspruchsgrundlage zugunsten von § 43 Abs. 2 GmbHG absprechen wollen179. Gerade auch der englische CA 2006 kodifiziert umfassend das haftungsbewehrte Pflichtenprogramm, das der director gegenüber der Limited zu beachten hat180. Die Anwendung des § 64 S. 3 GmbHG n. F. ist demnach nicht erforderlich. An der Erforderlichkeit kann es aber zum anderen auch dann fehlen, wenn im konkreten Fall schon die Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsleiters gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. zum Zuge kommt. Es braucht dann nicht noch zusätzliche Anspruchsgrundlagen, zumal die Insolvenzverschleppungshaftung auf den Ersatz des Schadens der Alt- und Neugläubiger zielt, die Insolvenzverursachungshaftung aber nur auf die Erstattung der Zahlungen, die der Geschäftsleiter an die Gesellschafter geleistet hat. Wenn schon eine weitergehende Haftung eingreift, ist die Insolvenzverursachungshaftung nicht erforderlich. Zusammenfassend wird die analoge Anwendung des § 64 S. 3 GmbHG n. F. auf die Geschäftsleiter von EU-Auslandsgesellschaften spätestens an der Erforderlichkeit scheitern. IV. Ergebnisse in Thesen 1. Bei der Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. ist zu differenzieren: Die Haftung für den Quotenschaden der Altgläubiger ist dem Insolvenzstatut zuzuordnen, die Haftung für den Kontrahierungsschaden der Neugläubiger hingegen dem Deliktsstatut. 2. Ihre Anwendung auf die Geschäftsleiter von EU-Scheinauslandsgesellschaften steht mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang. Hinsichtlich des Quotenschadens der Altgläubiger liegt schon keine Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit vor, wenn das Recht des Herkunftslands vergleichbare Haftungsfiguren kennt (etwa wrongful trading, action en comblement du passif social). Hinsichtlich des Kontrahierungsschadens der Neugläubiger liegt eine teleologische Reduktion des Schutzbereichs nahe. 3. Ob eine Gesellschaft führerlos ist und welche Folgen dies für die Gesellschafter hat, ist eine gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Frage nach der Organisationsverfassung der betreffenden Gesellschaft. Für die Zwecke der 179 180

K. Schmidt, GmbHR 2007, 1 (6 f.). Dazu eingehend Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (567).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Insolvenzverschleppungshaftung der Gesellschafter einer führerlosen Gesellschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 3 InsO n. F. analog ist sie eine gesondert anzuknüpfende Vorfrage, die nach dem Gründungsrecht zu beantworten ist. Nur eine Sonderanknüpfung vermag die Insolvenzantragspflicht des § 15a Abs. 3 InsO n. F. auch dann durchzusetzen, wenn das Gründungsrecht keine Entsprechung zu dieser Vorschrift kennt. 4. Die Anwendung der Insolvenzverschleppungshaftung des Gesellschafters einer führerlosen Gesellschaft kann u. U. schon unter dem Gesichtspunkt der missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt sein. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die Beteiligten bewusst einen Normenmangel zum Zwecke der „wilden“ Liquidation herbeiführen. Davon abgesehen hat die Durchsetzung der Eigenantragstellung auch im Lichte des Vier-Konditionen-Tests Bestand. 5. Die Regeln über Gesellschafterdarlehen (Rangrücktritt, Insolvenzanfechtung) sind insolvenzrechtlich zu qualifizieren. 6. Ihre Anwendung auf Darlehen, die einer EU-Auslandsgesellschaft von ihren Gesellschaftern gewährt worden sind, stößt deshalb auf Bedenken, weil §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 135 InsO n. F. nicht mehr auf das Merkmal „eigenkapitalersetzend“ abstellen, sondern sämtliche Gesellschafterdarlehen den insolvenzrechtlichen Regeln unterwerfen. Dies kann marktabschottende Wirkung entfalten, etwa dann, wenn eine Gesellschaft nach ihrem Gründungsrecht mit geringem Stammkapital rechtmäßig errichtet wurde und zum Zwecke des Marktzutritts Darlehen ihrer Gesellschafter benötigt. Dennoch kann die Anwendung der genannten Regeln vor dem Hintergrund des Spielraums der Mitgliedstaaten gem. Erwägungsgrund Nr. 11 der EuInsVO gerechtfertigt sein. 7. Die Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. ist gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Nur im Wege einer Sonderanknüpfung kann sie auf die Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften angewendet werden. 8. Die Anwendung der Insolvenzverursachungshaftung analog § 64 S. 3 GmbHG n. F. auf die Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften verstößt regelmäßig gegen die Niederlassungsfreiheit.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 339

D. Prüfung der Zulässigkeit einer Anwendung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung auf Auslandsgesellschaften Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften war der Auslöser der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG. Die Reform führt zu einer Verschärfung der Unterkapitalisierungsproblematik. Zur Lösung derselben wird in der vorliegenden Arbeit eine Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gem. § 826 BGB vorgeschlagen. Bei Auslandsgesellschaften kann die Unterkapitalisierungsproblematik genauso dringend sein wie bei der reformierten GmbH. Es stellt sich daher die Frage, ob die vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur dagegen resistent ist, durch Einsatz von Auslandsgesellschaften umgangen zu werden. Dazu muss zum einen deutsches Recht zur Anwendung berufen sein. Im Verhältnis zu EU-Mitgliedstaaten muss die Anwendung der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur zum anderen mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen. Vorausgeschickt sei, dass die Untersuchung einzelne Parallelen zur Diskussion um die Zulässigkeit der Anwendung der Existenzvernichtungshaftung auf Auslandsgesellschaften aufweist, da die vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung konzipiert ist. I. Anknüpfung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung 1. Qualifikation a) Insolvenzrechtliche Qualifikation Da die vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur der Insolvenzprophylaxe dient, will sie gerade verhindern, dass ein rechtliches Regime Platz greift, welches insolvenzrechtlich zu qualifizieren wäre. Es geht ihr mithin um die Vermeidung der Geltung des Insolvenzstatuts. Eine insolvenzrechtliche Qualifikation scheidet damit von vornherein aus. Das Insolvenzstatut vermag allenfalls dann eine Rolle zu spielen, wenn die Haftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nach dem oben geschilderten abgestuften System von Rechtsfolgen in die Existenzvernichtungshaftung umgeschlagen ist181. Die Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung muss jedoch in der vorliegenden Arbeit nicht abschließend geklärt werden182. 181

Dazu supra Kapitel 4 – C. IV. 4., 5. Exemplarisch für die einzelnen Strömungen in der Diskussion um die Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung: Schanze, NZG 2007, 681 (685 f.), gesellschafts182

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

b) Gesellschaftsrechtliche Qualifikation Mehrere Stellungnahmen zu den internationalprivatrechtlichen Konsequenzen der Trihotel-Doktrin gehen von einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung aus, da der II. Zivilsenat das neue Konzept als eine die Schutzlücke der §§ 30 f. GmbHG schließende „Entnahmesperre“ 183 ausgestaltet habe, die zu Ansprüchen im Innenverhältnis der Gesellschaft wegen der Verletzung entsprechender Rücksichtnahmepflichten184 führe185. Auch einige Charakteristika der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung sprechen dafür, sie gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren: An eine vertikale Treuepflicht anknüpfend, leitet sie das Sittenwidrigkeitsurteil aus der verantwortungslosen Ausnutzung der neuen Finanzierungsfreiheit ab und führt in der Rechtsfolge zu einer Haftung dergestalt, dass die Gesellschafter – neben der Fremdkapitalzufuhr – zur Kapitalerhöhung oder alternativ zur Liquidation der Gesellschaft verpflichtet sein können. Die Elemente Treuepflicht, Finanzierungsfreiheit, Kapitalerhöhung und Liquidation betreffen allesamt die internen Verhältnisse einer Gesellschaft. So gesehen liegt eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nahe. c) Deliktsrechtliche Qualifikation Andererseits begründet die Verankerung der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur in § 826 BGB eine eigenständige Schadensersatzhaftung der Gesellschafter aus unerlaubter Handlung. Sie ist prima facie Bestandteil der das Deliktsstatut ausmachenden außervertraglichen Schadenshaftung186. Es erscheint rechtliche Qualifikation; Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (500 ff.), deliktsrechtliche Qualifikation; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 247 ff., insolvenzrechtliche Qualifikation. Zum Ganzen – freilich noch vor Trihotel – Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 18 ff. 183 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 28. Vgl. zur Anknüpfung der Existenzvernichtungshaftung an die Schutzlücke der §§ 30 f. GmbHG unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit Goette, ZIP 2006, 541 (545). 184 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246, Tz. 25. 185 So etwa Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (568); Rubner, Der Konzern 2007, 635 (645); Schanze, NZG 2007, 681 (685); im Ergebnis a. A. Weller, ZIP 2007, 1681 (1688 f.), der m. E. zutreffend dafür plädiert, die gesellschaftsrechtliche Schutzlücke kollisionsrechtlich als Vorfrage zu behandeln. Für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation auch Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088); Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 341; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (11); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207). Zum Fragenkreis auch Goette, DStR 2005, 197 (200 f.) und Henze, WM 2006, 1653 (1656) m.w. N. 186 Die außervertragliche Schadenshaftung gehört nach h. M. zum Deliktsstatut, vgl. statt aller Junker, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 104, Art. 40 Rn. 9 m.w. N.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 341

daher als „konsequent“ 187, sie deliktsrechtlich zu qualifizieren188. In diese Richtung weisen auch die jüngeren Ausführungen des II. Zivilsenats, wenn er wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die §§ 823 ff. BGB auf EU-Scheinauslandsgesellschaften anwendbar seien189, denn ein solches gelänge nur unter Heranziehung von Art. 40 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO. d) Stellungnahme (1) Kein Einfluss der Niederlassungsfreiheit auf die kollisionsrechtliche Qualifikation Die Niederlassungsfreiheit nimmt keinen Einfluss auf die kollisionsrechtliche Qualifikation; erst das Ergebnis der Anwendung des berufenen Statuts muss sich an ihr messen lassen190. Die Niederlassungsfreiheit gebietet erst dann die Anwendung des Gründungsrechts, wenn die Anwendung eines anderen Rechts gegen die Niederlassungsfreiheit verstieße. Darauf wird zurückzukommen sein. (2) Befragung der relevanten internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen Auskunft darüber, welchem Statut die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung zuzurechnen ist, geben in erster Linie die relevanten Kollisionsnormen. Zu den „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ zählen Art. 37 S. 1 Nr. 2 EGBGB und Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom-I-VO191 die persönliche Haftung der 187 Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (498), wo letztlich aber – anders als hier – für eine Außenhaftung der Gesellschafter aus § 826 BGB plädiert wird. 188 Die deliktsrechtliche Qualifikation befürworten: Für die Existenzvernichtungshaftung nach der Trihotel-Doktrin Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194 (1195 f.); im Ergebnis auch Weller, ZIP 2007, 1681 (1688 f.); a. A. Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (568). Allgemein für eine Haftung der Gesellschafter gem. § 826 BGB Ulmer, NJW 2004, 1201 (1204), auch für die unechte, nicht aber für die echte Durchgriffshaftung, a. a. O. (1208). Für eine Haftung wegen Unterkapitalisierung Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (48) und Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 615; für eine in § 826 BGB verortete Unterkapitalisierungshaftung nicht abgeneigt Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 337. Für § 826 BGB allgemein H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, Einl. Rn. 108. Für eine Außenhaftung aus § 826 BGB wegen existenzvernichtenden Eingriffs Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (498 ff., 502) und etwas anders Schanze, NZG 2007, 681 (686). Für die Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation Schanze/ Jüttner, AG 2003, 661 (669); erwogen bei Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.) und Zöllner, GmbHR 2006, 1 (8); zweifelnd aber Goette, ZIP 2006, 541 (545). 189 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648, sub III. 190 Vgl. Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 31. 191 Verordnung Nr. 593/2008 vom 17.6.2008, ABl., 4.7.2008, Nr. L 177/6 (Rom-IVO). Gem. ihrem Art. 29 gilt sie ab dem 17.12.2009.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft192. Die bezogene Vorschrift mag nur eine beispielhafte Aufzählung der zum Gesellschaftsstatut zu zählenden Rechtsfragen enthalten, aber sie zwingt jedenfalls nicht zur gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur, da diese eine eigenständige Verbindlichkeit der Gesellschafter begründet. In vergleichbarer Weise sprach der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-Vorschlag)193 in seinem Art. 2 Abs. 2 lit. d davon, dass die Haftung der Gesellschafter nicht zum Deliktsstatut gehöre, „sofern sie speziell im Gesellschaftsrecht oder in anderen auf diese Personen anwendbaren Bestimmungen geregelt“ sei. Vorliegend geht es indes gerade nicht um eine spezielle Vorschrift des Gesellschaftsrechts, sondern um allgemeine Verhaltensanforderungen an einen Gesellschafter194, deren Nichtbeachtung zu einer Haftung nach der „,kleine[n]‘ Generalklausel“ 195 des § 826 BGB führen kann. Der Rom-II-Vorschlag hätte die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung also nicht aus dem Deliktsstatut ausgeschlossen. Noch weniger weit reicht der inzwischen verbindliche Wortlaut der Rom-IIVO: Ihr Art. 2 Abs. 2 lit. d nimmt allein die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus dem Deliktsstatut aus – in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom-I-VO und Art. 1 Abs. 2 lit. e EVÜ, auf dem Art. 37 S. 1 Nr. 2 EGBGB gem. Art. 36 EGBGB beruht. Eine deliktsrechtliche Qualifikation ist mithin nicht ausgeschlossen, eine gesellschaftsrechtliche nicht zwingend geboten. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn der Referentenentwurf zur erstmaligen Kodifikation des Internationalen Gesellschaftsrechts196 herangezogen wird: Art. 10 Abs. 2 Nr. 7 EGBGB-E zieht wiederum nur die Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten zum Gesellschaftsstatut. Art. 10 Abs. 2 Nr. 8 EGBGB-E betrifft hingegen die Haftung wegen der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten und scheint daher die an eine Treuepflichtverletzung anknüpfende Binnenhaftungsfigur prima facie dem Gesellschaftsstatut zuzuschlagen. Allerdings wird in der Begründung des Referentenentwurfs genau diese Deutung verworfen: „Bewusst offen lässt der Entwurf, ob und wann bei einer Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten auch die außervertragliche Haftung, insbesondere aus Delikt,

192 Vgl. auch BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 (1649) zur Handelndenhaftung gem. § 11 Abs. 2 GmbHG. 193 KOM [2006] 83 endg., vom 21.2.2006. 194 Vgl. dagegen aber in anderem Zusammenhang Habersack, ZGR 2008, 533 (547), wo es heißt, deliktsrechtliche Verhaltenspflichten gälten gegenüber jedermann. 195 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 I 2a. 196 Dazu schon supra Kapitel 2 – A. III. 4.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 343 dem Gesellschaftsstatut unterfällt oder aber gesondert anzuknüpfen ist. Diese Frage soll der Rechtsprechung überlassen bleiben, um interessengerechte Ergebnisse im Einzelfall zu ermöglichen.“ 197

Es ist anzunehmen, dass der Referentenentwurf hierbei an die Existenzvernichtungshaftung dachte und der diesbezüglichen Rechtsentwicklung keinen Abbruch tun wollte. Gleiches muss für die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gelten, da diese ebenfalls zu einer deliktischen Haftung wegen der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten führt; zudem kann sie im Rahmen des abgestuften Systems von Rechtsfolgen den Anknüpfungspunkt der Existenzvernichtungshaftung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht vorverlagern. Zusammenfassend geben weder die deutschen Kollisionsnormen noch die Verordnungen Rom-I und Rom-II eindeutige Auskunft über die Qualifikation der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur. (3) Funktionale Analyse von Tatbestand und Rechtsfolge der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur Für die Zwecke der internationalprivatrechtlichen Qualifikation bleibt somit nur noch die funktionale Analyse der vorgeschlagenen Haftungsfigur. Wie oben ausgeführt, will die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung zum Zwecke der Insolvenzprophylaxe diejenigen Lücken im GmbHRecht schließen helfen, die das MoMiG geschaffen hat. Ihr Anwendungsbereich ist daher im deutschen Recht rechtsformspezifisch: Sie beansprucht nur dann Geltung, wenn die Gesellschafter einer GmbH (bzw. einer solchen in der Variante der UG) ihrer Finanzierungsverantwortung nicht nachgekommen sind. Man könnte insoweit sagen, dass die vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur die tradierte Lehre von der Finanzierungsfolgenverantwortung im Vorfeld der Insolvenz fortschreibe und den Bedingungen des MoMiG anpasse. Die Qualifikation der Finanzierungsfolgenverantwortung war umstritten198; teilweise wurde sie gesellschaftsrechtlich qualifiziert, da sie ihre Berechtigung aus der Haftungsbeschränkung des Kapitalgesellschaftsrechts ableitete199. Will man die Finanzierungsverantwortung allgemein als Spezifikum des Kapitalgesellschaftsrechts ansehen, spricht dies ebenso für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung wie der Inhalt von zwei ihrer Tatbestandsmerkmale, nämlich der Treuepflichtverletzung200 und der Sitten197

RefE IntGesR, S. 12. Zur Diskussion vgl. Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 9 Rn. 43 m.w. N. 199 Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S. 512 f., 525, 529. 200 Vgl. diesbezüglich zur Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 341 m.w. N. 198

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

widrigkeit, die sich zum Teil aus gesellschaftsrechtlichen Wertungen speist201. Indem der Tatbestand an die Stellung als Gesellschafter anknüpft, stellt er auch keine allgemeine, jedermann treffende Verhaltensanforderung auf, wie dies für das Deliktsrecht typisch wäre202. Aus der tatbestandlichen Anknüpfung an die Gesellschaftereigenschaft folgt jedoch keineswegs zwingend, dass der gesamte Haftungstatbestand dem Gesellschaftsstatut zu unterstellen wäre. Vielmehr kann die Gesellschaftereigenschaft eine gesondert anzuknüpfende Vorfrage sein. Zu beachten ist auch, dass es die neue Finanzierungsfreiheit ins Ermessen der Gesellschafter stellt, ob sie Eigenoder Fremdkapital zuführen wollen (vgl. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.). Das entfernt die neue Finanzierungsverantwortung weit von der tradierten Finanzierungsfolgenverantwortung, die auf Eigenkapitalzufuhr beharrte. Das entkräftet die o. g. tatbestandsbezogenen Argumente. Allein der Blick auf die Rechtsfolge der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung vermag somit Klarheit über ihre internationalprivatrechtliche Qualifikation zu bringen. Dazu sei vorausgeschickt, dass die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen gem. § 13 Abs. 2 GmbHG, oder anders gewendet: die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (echte Durchgriffshaftung) nach ganz h. M. gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist203. Dies wird auch von einem Umkehrschluss aus Art. 37 S. 1 Nr. 2 EGBGB bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom-I-VO bestätigt. Hinsichtlich der Durchgriffshaftung ist allerdings begrifflich zu unterscheiden204. Von echter Durchgriffshaftung spricht man wie gesagt, wenn grundsätz201 Vgl. diesbezüglich zur Existenzvernichtungshaftung nach der Trihotel-Doktrin Weller, ZIP 2007, 1681 (1688). 202 Schanze, NZG 2007, 681 (685); Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 8; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 239. Andererseits muss nicht jede Haftungsvorschrift, die die Gesellschaftereigenschaft als Tatbestandsmerkmal voraussetzt, gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren sein, Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 325. 203 Aus der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 (1649). Aus dem Schrifttum etwa von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 642; Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 88; Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 16; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 605, 609; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 324; Ulmer, NJW 2004, 1201 (1209); H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, Einl. Rn. 144. 204 Zu dieser Unterscheidung Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 90; deutlicher Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 185, und Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (41); vgl. ferner Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 609, Fn. 1514 und schon supra Kapitel 4 – C. II. 2. b).

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 345

lich haftungsprivilegierte Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern ausnahmsweise für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, bspw. unter teleologischer Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG. Unechte Durchgriffshaftung meint demgegenüber den Fall, dass die Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern aufgrund eines in eigener Person verwirklichten Verpflichtungsgrundes haften, bspw. gem. § 826 BGB. Die internationalprivatrechtliche Behandlung der unechten Durchgriffshaftung ist umstritten: Während manche für eine einheitliche gesellschaftsrechtliche Qualifikation beider Varianten der Durchgriffshaftung plädieren205, befürworten andere – m. E. zutreffend – eine Differenzierung: Der echte Durchgriff unterliege grundsätzlich dem Gesellschaftsstatut, der unechte hingegen unterstehe seinem eigenen Statut, das sich nach der Natur des eigenständigen Verpflichtungsgrundes richte206. Mit alldem hat die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur jedoch nichts zu tun. Es geht weder um eine Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, noch um eine eigenständige Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Vielmehr begründet die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung eine eigenständige Haftung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft. Sie müssen den der Gesellschaft zugefügten Schaden gem. § 249 BGB ersetzen. Diese Konstruktion passt in keine der bisher diskutierten Kategorien. Dies zeigt sich deutlich, wenn man die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung mit der – nur auf den ersten Blick in ihrer Nähe angesiedelten – echten Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung und wegen existenzvernichtenden Eingriffs der ersten Generation vergleicht: Die letzteren beiden Haftungsfiguren führten unter teleologischer Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG zu einer Außenhaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, § 128 HGB analog207. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Durchbrechung des kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsprivilegs mit der Folge einer (akzessorischen) Haftung für die Gesellschaftsschulden zulässig ist, kann nur das Gesellschaftsstatut beantworten208. Hingegen ist es Sache des Deliktsstatuts, festzulegen, ob 205

So etwa Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 91. Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 609 f., 615. Der echte Durchgriff wird bislang übereinstimmend gesellschaftsrechtlich qualifiziert, vgl. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 228 ff.; H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, Einl. Rn. 108, 148; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 347, 349. Demgegenüber tendiert Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.) zur deliktsrechtlichen Qualifikation der echten Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung. 207 Zur Rechtsfolge der Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation vgl. supra Kapitel 4 – C. IV. 1. b). 208 Vgl. bereits die Nachweise in Kapitel 5 – Fn. 203. Für eine differenzierende Betrachtung jedoch H. P. Westermann, in: Scholz, GmbHG, I. Bd.10, Einl. Rn. 108 206

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

und unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsordnung bestimmte Formen der verhaltensbezogenen Haftung annimmt und welchen Verschuldensgrad sie diesbezüglich verlangt209; man denke insoweit bspw. an Straßenverkehrsunfälle. Anders als frühere konzernrechtlich fundierte Haftungsfiguren ist die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung keine Strukturhaftung, sondern eine verhaltensbezogene Schadenshaftung, die mindestens Eventualdolus voraussetzt. Dieser Befund spricht für eine deliktsrechtliche Qualifikation der Binnenhaftung gem. § 826 BGB wegen quotaler Unterkapitalisierung. Auch bei anderen Fallgruppen des § 826 BGB käme niemand auf den Gedanken, die Haftung nicht dem Deliktsstatut zu unterstellen, selbst wenn sich dabei die Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale aus anderen Rechtsgebieten speiste210. Anerkannt ist etwa, dass ein Aktionär gem. § 826 BGB haften kann, wenn er eine Anfechtungsklage gem. § 246 AktG gegen die Gesellschaft erhebt, um sich deren weitere Verfolgung von der Gesellschaft „abkaufen“ zu lassen211. Ein solcher Aktionär macht von einer formalen Rechtsposition Gebrauch, die ihm das Aktienrecht einräumt. Erst seine gesetzeszweckwidrige und sittenwidrige Intention setzt ihn der Haftung gem. § 826 BGB aus. Dem ist die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur vergleichbar: Sie sanktioniert den verantwortungslosen Gebrauch der neuen Finanzierungsfreiheit, die das MoMiG den GmbH-Gesellschaftern formell einräumt. In der erwähnten Fallgruppe des Aktienrechts mögen Delikts- und Gesellschaftsstatut regelmäßig zusammenfallen, weil die Anfechtungsklage gem. §§ 246 Abs. 3 S. 1, 5 Abs. 1 AktG am Satzungssitz der Gesellschaft zu erheben ist. Nichtsdestotrotz greift § 826 BGB in dieser Fallgruppe als Bestandteil der lex loci delicti und nicht der lex societatis. Auch dann, wenn § 826 BGB die Verleitung eines anderen zum Bruch eines Vertrags mit einem Dritten sanktioniert212, würde man nicht gem. Artt. 27 ff. EGBGB das Vertragsstatut befragen. Dafür ist entscheidend, dass § 826 BGB ein bestimmtes Verhalten sanktioniert. Ob es in diesen Fällen zum Vertragsbruch kam, ist lediglich eine Vorfrage. Ähnlich ist auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Haftung aus § 826 BGB im Zusammenhang m.w. N. Noch anders die Andeutung von Goette, DStR 2005, 197 (199), in Fällen des existenzvernichtenden Eingriffs in das Vermögen von Scheinauslandsgesellschaften § 826 BGB anwenden zu wollen. 209 Vgl. dazu Goette, DStR 2005, 197 (200): Wenn man die Unterkapitalisierungshaftung als verhaltensbezogene Haftung gem. § 826 BGB ansehe, könne sie auf Auslandsgesellschaften angewendet werden. Dies impliziert, dass sie nicht gesellschaftsrechtlich, sondern deliktsrechtlich zu qualifizieren sein muss. 210 Vgl. etwa das obiter dictum zur deliktsrechtlichen IPR-Qualifikation der unechten Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung im Beschluss des OLG Köln v. 14.5.2004 – 16 W 11/04, NZG 2004, 1009 (1011), wo es um Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ging. 211 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 IV 4a. 212 Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 78 IV 1.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 347

mit Vermögensanlagegeschäften wie selbstverständlich vorgegangen213. Die in diesen Fällen zugrundeliegenden vertraglichen Beziehungen führten nicht etwa zu einer vertraglichen Qualifikation. Die funktionale Analyse ergibt zusammenfassend, dass die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur deliktsrechtlich zu qualifizieren ist. (4) Fazit Auch wenn manches in Richtung einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation zeigt, ist der Befund der funktionalen Analyse der vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur, dass sie eine verhaltensbezogene Schadensersatzhaftung ist. Sie ist dem Deliktsstatut zugehörig und gem. Artt. 40 ff. EGBGB, bzw. gem. Art. 4 Rom-II-VO anzuknüpfen. Die Gesellschaftereigenschaft ist eine gesondert anzuknüpfende Vorfrage. Dem eventuellen Vorwurf der taktischen bzw. ergebnisorientierten „Umqualifizierung“ einer eigentlich gesellschaftsrechtlichen Frage nach der Binnenhaftung wegen Treuepflichtverletzung ist zu entgegnen, dass die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur kein Ausdruck spezifisch deutscher Vorstellungen von Gläubigerschutz ist214. Sie ist von größerer Tragweite, weil sie, anknüpfend an Mindeststandards verantwortungsvoller und wertschöpfender Unternehmensführung, Insolvenzprophylaxe mithilfe einer Gesellschafterkapitalquote bezweckt, welche die Art und Weise der Finanzierung – im Gegensatz zu der Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung215 – im Ermessen der Gesellschafter belässt und die in vielen Ländern anerkannte Kapitalquote nach Basel II zugrundelegt. § 826 BGB wird somit nicht als Vehikel des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts eingesetzt216. Wie sich der Schadensersatz zu vollziehen hat, kann freilich anderen Statuten unterliegen. Hierzu ist das Vertragsstatut berufen, sofern sich die Gesellschafter etwa zur Darlehensgewährung entschließen, respektive das Gesellschaftsstatut, wenn sich die Gesellschafter zur Kapitalerhöhung entschließen. Entschließen sie sich zur Liquidation, so kann sich diese nach dem Gesellschaftsstatut oder ggf. dem Insolvenzstatut richten. 213 LG Dortmund v. 2.3.2007 – 3 O 161/06, bereits zu Art. 40 EGBGB; Hanseat. OLG Bremen v. 21.11.1997 – 4 U 11/97, IPRax 2000, 226, noch zu Art. 38 EGBGB a. F. 214 So hinsichtlich der Existenzvernichtungshaftung auch Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (568 f.). 215 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 336. Die Lehre von der materiellen Unterkapitalisierung verlangt eine angemessene Eigenkapitalausstattung. Sie bezog ihre Legitimation aus dem Kapitalschutzsystem, wie es vor dem MoMiG galt (im Einzelnen supra Kapitel 4 – C. II. 1., 2.). Sie kann daher Auslandsgesellschaften nicht aufgezwungen werden, vgl. Goette, DStR 2005, 197 (200). 216 Im Zusammenhang mit der Einordnung der Existenzvernichtung unter § 826 BGB vorsichtig Goette, ZIP 2006, 541 (545).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

e) Hilfsweise Doppelqualifikation (1) Problemaufriss und Lösungsmöglichkeiten Da die Qualifikation funktionell-teleologisch erfolgt, kann eine Rechtsfigur, die Elemente mehrerer internationalprivatrechtlicher Systembegriffe aufweist, ggf. zwei bzw. mehreren Kollisionsnormen zuzuordnen sein. Man spricht insofern von Doppel- bzw. Mehrfachqualifikation217. Eine Doppelqualifikation kommt auch hier in Betracht, wenn man sich nochmals vergegenwärtigt, dass einzelne Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB für die Zwecke der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gesellschaftsrechtliche Wertungen widerspiegeln (Schädigung durch Treuepflichtverletzung, Sittenwidrigkeit bei Ausnutzung von Schutzlücken), aber dass zugleich andere Tatbestandsmerkmale (Sittenwidrigkeit bei fraudulöser Gesinnung, Vorsatz) sowie die Rechtsfolge deliktsrechtlich gefärbt sind. Oben wurde dafür plädiert, von einem deliktsrechtlichen Gesamtgepräge auszugehen, von dem die Frage nach der Gesellschaftereigenschaft und des Vollzugs des Schadensersatzes im Wege der dépeçage abzuspalten sind. Eine Doppelqualifikation ist ultima ratio und scheidet schon aus, wenn sich gesellschaftsund deliktsrechtliche Elemente nicht die Waage halten218. Die Anknüpfung erfolgte dann gem. Artt. 40 ff. EGBGB bzw. gem. Art. 4 Rom-II-VO. Wollte man sich jedoch der obigen Argumentation zur Begründung der schwerpunktmäßig deliktsrechtlichen Qualifikation verschließen und ginge von einem Gleichgewicht der gesellschafts- und der deliktsrechtlichen Elemente aus, so wäre hilfsweise zu prüfen, ob eine Doppelqualifikation ein anderes Anknüpfungsergebnis brächte219. Werden infolge einer Doppelqualifikation verschiedene Rechtsordnungen berufen, sind daraus resultierende Widersprüche im Wege der Angleichung aufzulösen220. Normwidersprüche ergäben sich im Hinblick auf EU-Scheinauslandsgesellschaften daraus, dass eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation das Gründungsrecht der Gesellschaft, eine deliktsrechtliche 217 Kropholler, IPR6, § 15 II 4a; Sonnenberger, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 104, Einl. IPR, Rn. 531; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 13; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 275. 218 Dazu von Bar, IPR, Bd. II, Rn. 178. 219 Ohne nähere Begründung bejaht Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 615, bei Mehrfachqualifikation die Anwendbarkeit der Haftung wegen Unterkapitalisierung auf EU-Auslandsgesellschaften; teilweise a. A. Behrens, in: U/H/ W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 91, Fn. 305. 220 Sonnenberger, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 104, Einl IPR, Rn. 531 ff., 534. Unter der Geltung der Sitztheorie brauchte die Doppelqualifikationsproblematik nicht gelöst zu werden, da letztlich nach allen in Betracht kommenden Kollisionsnormen das Sitzrecht zur Anwendung kam, vgl. dazu Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 606.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 349

Qualifikation aber das Recht des Tatorts beriefe, d.h. regelmäßig das Recht am Verwaltungssitz der Gesellschaft. Die Angleichung bzw. Anpassung erfolgt entweder dadurch, dass die gesamte Rechtsbeziehung einem einheitlichen Recht unterstellt wird, indem man einer der in Betracht kommenden Kollisionsnormen den Vorzug gibt (kollisionsrechtliche Lösung), oder dadurch, dass der Richter neue Sachnormen schafft (materiellrechtliche Lösung)221. (2) Ablehnung der materiellrechtlichen Lösung Die materiellrechtliche Lösung könnte im vorliegenden Zusammenhang so aussehen, dass ein genuin europäischer Haftungstatbestand für Scheinauslandsgesellschaften geschaffen würde. Um den einheitlichen Charakter eines solchen Haftungstatbestands in Europa zu wahren, müsste seine Entwicklung durch den EuGH in Angriff genommen werden. Ein solches sähe sich jedoch gravierenden Legitimationszweifeln ausgesetzt: Es läge nichts anderes vor als die Schaffung eines europäischen case law durch den EuGH. Auch wenn dieses sich rechtsvergleichend aus den Vorstellungen aller mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen speiste und deren Kern abbildete222, begegnete ein solches Vorgehen letztlich denselben Bedenken wie das einst von den US-Bundesgerichten entwickelte federal general common law: Der EuGH würde ein für nationale Rechtsformen geltendes europäisches Gesellschaftsbzw. Deliktssachrecht entwickeln, obwohl dies der europäische Gesetzgeber mangels Kompetenztitels nicht dürfte. Es käme zur Rechtssetzung „durch die Hintertür“ 223. Dass die materiellrechtliche Lösung fehlgeht, zeigt sich auch daran, dass die Entscheidungen des EuGH in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art Rechtsfragen der geschlossenen Kapitalgesellschaften gerade in die Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten verweisen224.

221 Zum Ganzen von Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 256 f.; Kropholler, IPR6, § 34 IV 2a; Sonnenberger, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 104, Einl IPR, Rn. 597; von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 35 ff. 222 Für die Schaffung eines europäischen Gesellschaftsrechts, das über die bloße Abbildung der Quersumme aller mitgliedsstaatlichen Gesellschaftsrechte hinausgeht, plädiert Ebke, Das Internationale Gesellschaftsrecht und der BGH, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. II, S. 799 (824) – freilich soll dabei nicht der Europäische Gerichtshof federführend sein, sondern das European Law Institute (ELI). 223 Zur US-amerikanischen Entwicklung von der das federal general common law begründenden Entscheidung Swift v. Tyson, 41 U.S. (16 Pet.) 1, 10 L.Ed. 865 (1842) bis zur Aufgabe desselben unter Justice Brandeis im Falle Erie Railroad Company v. Tompkins, 304 U.S. 64, 58 S.Ct. 817, 82 L.Ed. 1188 ausführlich Cound/Friedenthal et al., Civil Procedure5, Chapter 3, Section A. 224 Dazu supra Kapitel 2 – A. IV. 3., 4.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Die materiellrechtliche Lösung könnte sich also allenfalls auf der mitgliedstaatlichen Ebene realisieren. Dafür mag die hier vorgeschlagene Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung eine Orientierung bieten. (3) Berücksichtigung prozessualer Erwägungen im Rahmen der kollisionsrechtlichen Lösung Wird der Rechtsanwender im Rahmen der kollisionsrechtlichen Lösung vor die Frage gestellt, welcher der in Betracht kommenden Kollisionsnormen er den Vorzug geben sollte, können dabei auch prozessuale Erwägungen wie etwa die Frage nach der internationalen Zuständigkeit eine Rolle spielen. Freilich ist der Gleichklang von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht keinesfalls von Rechts wegen geboten, so wünschenswert er aus Sicht der Prozessökonomie sein mag; ein zwingender lex-fori-approach225 widerspräche sogar dem geltenden Internationalen Privatrecht. Die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit haben daher a limine keine abschließende Aussagekraft für die internationalprivatrechtliche Qualifikation226. Es spricht aber nichts dagegen, sie als Kriterien für die kollisionsrechtliche Lösung einer Doppelqualifikationsproblematik heranzuziehen. In Analogie zum oben referierten Argument, die Insolvenzverschleppungshaftung sei insolvenzrechtlich zu qualifizieren, weil der EuGH die vergleichbare action en comblement du passif social in der Entscheidung Gourdain/Nadler i. R. d. Art. 1 Abs. 2 EuGVÜ autoritativ dem Insolvenzrecht zugeordnet habe227, könnte zugunsten einer deliktsrechtlichen Qualifikation der Binnenhaftung gem. § 826 BGB wegen quotaler Unterkapitalisierung – auch wenn das Auslegungsmonopol gem. Art. 68 EG beim EuGH liegen mag – angeführt werden, dass das OLG Köln in einem Beschluss aus dem Jahre 2004 die unechte Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung, also die eigenständige Haftung der Gesellschafter aus § 826 BGB, unter den Begriff der unerlaubten Handlung i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO subsumiert hat228. In der Tat legt man den Begriff der Ansprüche aus unerlaubter Handlung i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO weit aus und versteht darunter all diejenigen Ansprüche, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag anknüpft229. Das trifft auf die Haftung der Gesellschafter gegenZurückgehend auf Ehrenzweig, zitiert nach von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 2 Rn. 44. 226 So auch Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 260 f., zur Aussagekraft der Rechtssache Gourdain/Nadler für die autonom auszulegende Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO. 227 Zu dieser Argumentation siehe supra Kapitel 5 – C. II. 1. a) (4). 228 OLG Köln v. 14.5.2004 – 16 W 11/04, NZG 2004, 1009. 229 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-189/87 (Athanasios Kalfelis), NJW 1988, 3088. 225

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 351

über ihrer Gesellschaft wegen quotaler Unterkapitalisierung zu. Im Rahmen der kollisionsrechtlichen Auflösung der Doppelqualifikationsproblematik liegt es nahe, demjenigen Staat, der kraft vereinheitlichter Zuständigkeitsvorschriften die facultas iurisdictionis innehat, zuzugestehen, sein eigenes Sachrecht zur Anwendung zu bringen. Vor diesem Hintergrund wird die Aussagekraft der Entscheidung des OLG Köln auch nicht dadurch entwertet, dass es damals um die Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ging, wohingegen die hier vorgeschlagene Haftungsfigur eine Binnenhaftung nach sich zieht. Zwar mögen deutsche Gerichte bei anderen Binnenhaftungsfiguren die internationale Zuständigkeit in Ermangelung eines besonderen Gerichtsstands der Mitgliedschaft i. S. v. § 22 ZPO über Art. 5 Nr. 1 LugÜ ermittelt haben230. Aber dies geschah noch unter Zugrundelegung der damals unangefochtenen Sitztheorie im Rahmen der Prüfung des Erfüllungsorts nach der lex causae231, und führte damit zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte am Verwaltungssitz der Gesellschaft, in diesem Fall der deutschen Gerichte. Dies zeigt unverkennbar, dass die Gerichte auch außerhalb der Doppelqualifikationsproblematik nicht zögern, den Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht herzustellen232. (4) Fazit Selbst wenn man die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht als schwerpunktmäßig dem Deliktsrecht zugehörig ansehen möchte, ist davon auszugehen, dass die daraus resultierende Doppelqualifikationsproblematik über die kollisionsrechtliche Lösung dazu führen würde, dass sich das Deliktsstatut durchsetzte. f) Zuflucht bei hilfsweiser Sonderanknüpfung? Ginge man insgesamt von einer schwerpunktmäßig gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung aus, so könnte die damit berufene lex societatis immer noch hilfsweise im Wege einer Sonderanknüpfung an das Sitzrecht durchbrochen werden233. Ein solches wurde 230 So etwa für den Anspruch der Gesellschaft aus § 32b S. 1 GmbHG a. F. Hanseat. OLG Bremen v. 25.9.1997 – 2 U 83/97, RIW 1998, 63. 231 Hanseat. OLG Bremen v. 25.9.1997 – 2 U 83/97, RIW 1998, 63 (64 f.). 232 Diese Tendenz wird immer wieder erkennbar, gleichviel, ob man sie mit Nussbaum als „Heimwärtsstreben“ (dazu bereits supra Kapitel 5 – Fn. 24) kritisieren oder als governmental interest analysis (dazu Kropholler, IPR6, § 11 IV 2) loben möchte, die der policy des Forumstaats zur Durchsetzung verhelfe. 233 Dazu Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 315 ff.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

im Schrifttum nicht nur im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung der ersten Generation234, sondern auch bezüglich der „Regeln [sic!] über die materielle Unterkapitalisierung“ 235 gefordert. Wenn jedoch die Qualifikation einer bestimmten Rechtsfigur nach funktionellen Kriterien diese eindeutig dem Gesellschaftsstatut zuweist und die Kollisionsnormen des europäischen Sekundärrechts diese Ansicht teilen, konterkariert eine Sonderanknüpfung die von der Niederlassungsfreiheit garantierte Rechtsformwahlfreiheit in besonders offenkundiger Weise. Es wären daher deutlich erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit zu stellen236. g) Ergebniskorrektur über den ordre public? Innerhalb Europas auf die positive Funktion237 des ordre public gem. Art. 6 EGBGB zurückzugreifen, um gesellschaftsrechtliche Konzeptionen durchzusetzen, erscheint deutlich übertrieben – von der lauten Kritik238 an der positiven Funktion des ordre public einmal abgesehen. Die Klausel der Unvereinbarkeit „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts“ kann im europäischen Kontext nicht mehr rein national verstanden werden239. Im Zuge der Europäisierung des ordre public muss anderen Mitgliedstaaten zugestanden werden, differierende Vorstellungen von Aufgabe und Schutzniveau des Gesellschaftsrechts zu haben. Art. 6 EGBGB hat somit im vorliegenden Zusammenhang keine Relevanz. 2. Akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO? a) Regelanknüpfung und Auflockerung Bei deliktsrechtlicher Qualifikation unterliegt die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung dem Recht des Tatorts, Art. 40 Abs. 1 S. 1, 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO. Diese Regelanknüpfung an den Tatort 234 So etwa Altmeppen, NJW 2004, 97 (101) und Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2242); anders aber ders., in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 4 Rn. 22 ff. Ablehnend Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B Rn. 92. 235 Borges, ZIP 2004, 733 (741). 236 Vgl. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 325. 237 von Hoffmann/Thorn, IPR9, § 6 Rn. 142. 238 Zur Kritik an der Lehre von der positiven Funktion des ordre public eingehend Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 291 f. 239 Zur Lösung des ordre public von den nationalen Vorstellungen vgl. EuGH v. 28.3.2000 – Rs. C-7/98 (Krombach), ZIP 2000, 859, freilich zu Art. 27 EuGVÜ.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 353

kann jedoch über die Ausweichklausel gem. Art. 41 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO verdrängt werden, wenn eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach der Tatortregel ermittelten Recht besteht (Auflockerung). Vereinzelt wird im Schrifttum dafür plädiert, die Haftung der Gesellschafter aus selbständigen, namentlich deliktischen Verpflichtungsgründen akzessorisch an das Gesellschaftsstatut anzuknüpfen240. Der BGH ist darauf freilich mit keinem Wort eingegangen, als er im Rahmen einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht die Anwendung der §§ 823 ff. BGB auf den Geschäftsleiter-Gesellschafter einer EU-Scheinauslandsgesellschaft anregte241. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Ansicht des BGH ist zutreffend. Eine akzessorische Anknüpfung der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur gem. § 826 BGB an das Gründungsrecht passt m. E. weder zum Wortlaut der Kollisionsnorm, noch ist sie teleologisch legitimiert. b) Keine Näherbeziehung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB Art. 41 Abs. 1 EGBGB verlangte im vorliegenden Zusammenhang, dass eine wesentlich engere Verbindung mit dem Gründungsrecht als mit dem Recht des Tatorts bestünde. Eine solche wesentlich engere Verbindung liegt gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB insbesondere vor, wenn zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern eine besondere Beziehung „im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis“ besteht. Die Näherbeziehung i. S. d. Art. 41 Abs. 1 EGBGB ergibt sich dann aus der besonderen Beziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Zweifellos besteht zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern eine besondere rechtliche Beziehung, die sich u. a. in den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten manifestiert. Indes gibt es kein „Schuldverhältnis“, in dessen Zusammenhang die besondere Beziehung bestehen könnte. Diese besteht vielmehr ohne ein bestimmtes Schuldverhältnis. Die Bezugnahme auf ein bestimmtes Schuldverhältnis meint Konstellationen, in denen auch aus anderem Rechtsgrund gleichartige Ansprüche bestehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB insbesondere die akzessorische Anknüpfung deliktischer Schadensersatzansprüche an eine vertragliche Sonderbeziehung ermöglichen, aufgrund derer konkurrierende Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung (heute gem. § 280 Abs. 1 BGB) bestehen242. Mangels konkurrierender gleichartiger Ansprüche passt Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht zur Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung. 240 Dafür Behrens, in: U/H/W, Großkomm. GmbHG, Bd. I, Einl. B 91; a. A. Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 673. 241 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648, sub III. 242 Vgl. BT-Drucks. 14/343, S. 13 f.

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c) Keine Näherbeziehung gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB Eine Näherbeziehung i. S. d. Art. 41 Abs. 1 EGBGB kann freilich auch ohne Rekurs auf Art. 41 Abs. 2 EGBGB („insbesondere“) etabliert werden. Wo das Gesellschaftsstatut aber keinen realen Bezugspunkt zum Tatort hat, scheidet dies regelmäßig aus243. Das ist jedenfalls bei Scheinauslandsgesellschaften stets der Fall: Diese werden nach der klassischen Definition von Latty beschrieben als „corporations essentially local in character but incorporated in a foreign state“244. Sie zeichnen sich also gerade dadurch aus, dass sie bis auf den Satzungssitz keinerlei Verbindung zum Gründungsstaat haben. Somit haben sie eine wesentlich engere Beziehung zum Tatort als zum Gründungsstaat, nicht umgekehrt. d) Keine teleologische Legitimation der akzessorischen Anknüpfung bei abweichender Auflockerung Die Auflockerung bezweckt die Berufung eines sachlich besser passenden Rechts, wenn die Regelanknüpfung zufällig, gezwungen oder doch unangemessen erschiene245. Bei der Binnenhaftung der Gesellschafter von Scheinauslandsgesellschaften erscheint die Berufung des am Tatort geltenden Rechts angesichts der dortigen Konzentration der unternehmerischen Betätigung und Entscheidungsbefugnisse nicht zufällig und gezwungen. Davon könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn die Schädigung der Gesellschaft durch ihre Gesellschafter schlechterdings überall eintreten könnte. Die Gesellschafter haben jedoch nicht nur das Gründungsrecht gewählt, sondern auch den davon abweichenden Ort der alleinigen oder überwiegenden unternehmerischen Betätigung ihrer Gesellschaft. An diesem Ort wird typischerweise auch der Schaden eintreten. Das dort geltende allgemeine Verkehrsrecht steht nicht zur Disposition der Gesellschafter von Scheinauslandsgesellschaften246. Es ist also keine Unangemessenheit der Regelanknüpfung ersichtlich. e) Widerspruch zur Auflockerung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 Rom-II-VO Dass die Auflockerung im Wege der akzessorischen Anknüpfung im hier interessierenden Zusammenhang nicht zum Gründungsrecht führen kann, wird auch dadurch belegt, dass die Auflockerung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB bzw. Artt. 4 Abs. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Rom-II-VO zur Anwendung des Sitzrechts führen 243 244 245 246

Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 673. Latty, The Yale Law Journal 65 (1955–1956), 137, ebenda. BT-Drucks. 14/343, S. 12. Zutreffend Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (502).

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 355

würde. Dort wird nämlich auf den Sitz der Hauptverwaltung der Gesellschaft rekurriert: Hat die anspruchsberechtigte Gesellschaft ihre Hauptverwaltung (Art. 40 Abs. 2 S. 2 EGBGB und Art. 23 Abs. 1 S. 1 Rom-II-VO) in demselben Staat, in dem die ersatzpflichtigen Gesellschafter ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, so ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Dabei handelt es sich um den Sitzstaat i. S. d. (aufgegebenen) Sitztheorie. f) Fazit Somit bleibt es bei der Regelanknüpfung an den Tatort. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellte, eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO sei geboten, so stünde dem entgegen, dass die Auflockerung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB bzw. Artt. 4 Abs. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Rom-II-VO in eine andere Richtung weist. Widersprechen sich die beiden Auflockerungsinstrumente, so bleibt es bei der Regelanknüpfung. 3. Ergebnisse in Thesen Zusammenfassend richtet sich die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nach der lex loci delicti gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO. 1. Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gem. § 826 BGB ist deliktsrechtlich zu qualifizieren. 2. Die Gesellschaftereigenschaft ist eine gesondert anzuknüpfende Vorfrage, die nach der lex societatis zu beantworten ist. 3. Auch die Auflösung einer Doppelqualifikationsproblematik im Wege der Anpassung würde aus Gründen der Internationalen Zuständigkeit dazu führen, die Haftungsfigur dem Deliktsstatut zu unterstellen. 4. Hilfsweise bliebe immer noch die Möglichkeit einer Sonderanknüpfung. Die Erzwingung der Anwendbarkeit auf Auslandsgesellschaften über die positive Funktion des ordre public ist hingegen abzulehnen. 5. Eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut gem. Art. 41 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO scheidet aus, da keine Näherbeziehung zum Gründungsrecht ersichtlich ist und zudem ein Widerspruch zur Auflockerung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 Rom-II-VO entstünde.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

II. Konformität der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur mit der Niederlassungsfreiheit 1. Beeinträchtigung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit Wer sich zu klären anschickt, ob die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung angewendet werden kann, wenn die betroffene Gesellschaft eine EU-Scheinauslandsgesellschaft ist, sieht sich der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft gegenüber, Artt. 43, 48 EG. In der Entscheidungstrias des Europäischen Gerichtshofs, die den Umwälzungen im Internationalen Gesellschaftsrecht vieler EU-Mitgliedstaaten zugrunde liegt, rekurrierten die Richter stets auf die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft247. Es ist aber schon zweifelhaft, ob die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung die Niederlassungsfreiheit der betroffenen EU-Scheinauslandsgesellschaft beeinträchtigt. a) Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft (1) Unterkapitalisierung eine Frage des Gründungsrechts? In den zahlreichen Stellungnahmen zum EuGH-Urteil in der Sache Inspire Art hieß es teilweise, eine englische private limited company, die nach ihrem Gründungsrecht mit einem Stammkapital von einem Pfund Sterling wirksam errichtet worden sei, könne vom Sitzrecht nicht als (materiell) unterkapitalisiert angesehen werden248. Das ist zumindest irreführend. Gemeint ist damit wohl, dass sich die Mindestkapitalaufbringung nach dem Gesellschaftsstatut und damit nach dem Gründungsrecht richtet. Das ist freilich unstrittig249. Zu bedenken ist jedoch, dass die Lehre von der Unterkapitalisierung schon nach deutschem Recht nicht etwa die fehlende Aufbringung des gesetzlichen Mindeststammkapitals sanktioniert, sondern eine dem konkreten Unternehmensrisiko angemessene Eigenkapitalausstattung verlangt250. Dies ist eine von der Mindestkapitalaufbringung strikt zu trennende Frage. Im hier interessierenden Zusammenhang mit der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung kommt hinzu, dass diese nicht einmal an die Eigenkapitalausstattung anknüpft, sondern an die Gesellschafterkapitalquote. Sie schreibt den Gesellschaftern einer Auslandsgesellschaft – anders als Art. 4 Abs. 1 des 247 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, freilich noch zu Artt. 52, 58 EGV nach der damaligen Nummerierung; EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331. 248 Vgl. dazu differenziert Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (669) und Eidenmüller, JZ 2004, 24 (26). 249 Vgl. statt aller Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 312. 250 Zutreffend Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (47).

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 357

holländischen Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen – in keiner Weise vor, wie hoch das Stammkapital der Auslandsgesellschaft zu sein hat. Vielmehr stellt sie allgemeine Anforderungen an die Entscheidung über die Kapitalausstattung. Etwa gegen eine englische Limited mit einem Stammkapital von einem Pfund Sterling hat sie keinerlei Bedenken, solange die Gesellschafter zur ausreichenden Fremdfinanzierung bereit sind. Ggf. sind sie sogar davon entbunden, wenn das konkrete Unternehmensrisiko gering und der cash flow hoch ist, um nur einige Kriterien des oben diskutierten Entlastungsbeweises zu nennen. Die Unterkapitalisierung ist somit – im Gegensatz zur Mindestkapitalaufbringung – keine Frage des Gründungsrechts. (2) Verbesserung der rechtlichen Stellung der EU-Scheinauslandsgesellschaft Wenn manche Autoren bestreiten, dass EU-Auslandsgesellschaften nach dem Sitzrecht als unterkapitalisiert betrachtet werden können, treibt sie womöglich die Sorge um, die betreffenden Gesellschaften könnten Restriktionen unterworfen werden, welche die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv machten. Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung macht die Ausübung der Niederlassungsfreiheit der jeweiligen EU-Auslandsgesellschaft jedoch nicht weniger attraktiv – im Gegenteil: Ihre Stellung als eigenständiges Rechtssubjekt verbessert sich, sie erhält mehr Rechte gegenüber ihren Gesellschaftern und ggf. einen Schadensersatzanspruch gegen diese aus § 826 BGB. Sie steht nach der Sitzverlegung nach Deutschland also besser als zuvor. Das unterscheidet die Situation fundamental etwa von der Überseering-Konstellation, in welcher der holländischen B.V. die Rechts- und damit die Parteifähigkeit abgesprochen worden war, sodass sie prozessual rechtlos gestellt war251. b) Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschafter Die Besserstellung der Gesellschaft erfolgt freilich zulasten der Gesellschafter, denen eine verantwortungsvolle Finanzierungsentscheidung abverlangt wird, die ggf. Schadensersatzpflichten auslösen kann. Dies kann abschreckend wirken. Somit kommt jedenfalls eine mittelbare Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft gem. Artt. 43, 48 EG in Betracht252. 251 Vgl. im Einzelnen den Vorlagebeschluss BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412, die Entscheidung EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, sowie die Anschlussentscheidung BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, 185. 252 Vgl. auch Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 208.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Dies deckt sich teilweise mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Inspire Art, wo die nach holländischer Rechtslage drohende persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsleiter für die während ihrer Geschäftsleitung im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen (Art. 4 Abs. 4 WFBV) als Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit angesehen wurde253. Anders als dort geht es freilich bei der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht um eine Außenhaftung des Geschäftsleiters für Gesellschaftsverbindlichkeiten, sondern um eine Binnenhaftung der Gesellschafter wegen Treuepflichtverletzung, die die Rechtsstellung der Gesellschaft verbessert. Hinsichtlich der Gesellschafterbinnenhaftung besteht keine Parallele zur Rechtslage unter Geltung der Sitztheorie, als ein Statutenwechsel eine Gesellschafterhaftung gem. oder analog § 128 HGB auslösen konnte254. Denn § 128 HGB führt zur akzessorischen Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Daher ist auf zwei nicht unerhebliche Unterschiede aufmerksam zu machen: Zum einen ist die Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten eindeutig gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren; eine Beurteilung nach dem Sitzrecht vereitelt die durch die Niederlassungsfreiheit gewährleistete Rechtsformwahlfreiheit und wird nur selten gerechtfertigt sein. Für die deliktsrechtlich zu qualifizierende Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gilt das hingegen nicht. Zum anderen stellt der Tatbestand des § 128 HGB keine Hürden – wie etwa ein Verschulden – vor die Gesellschafterhaftung, obwohl die in der Rechtsfolge ausgelöste akzessorische Haftung regelmäßig weitreichender sein wird als diejenige der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur, zumal letztere durch geordnete Liquidation vermieden werden kann. Obwohl die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung somit anders und sehr viel weniger streng ist als die im Falle Inspire Art streitgegenständliche Geschäftsleiterhaftung, kann sie die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv machen und ist (allenfalls) eine (mittelbare) Beeinträchtigung derselben. 2. Teleologische Reduktion des Schutzbereichs? Wie oben entwickelt und vom EuGH in der Rechtssache innoventif limited bestätigt, kann der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf solche nationale Rechtsfiguren teleologisch reduziert werden, die in nicht diskriminierender Weise nach erfolgtem Marktzugang die allgemeine Tätigkeitsausübung durch die Gesellschaft und ihre Organe betreffen, sofern sie nicht in 253

EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 60. Dazu BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, 185 (189 f.) und bereits supra Kapitel 2 – A. I. 2. b). 254

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 359

die korporative Identität der Gesellschaft eingreifen oder im Wege einer kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung durchgesetzt werden255. a) Deliktsrecht als niederlassungsfreiheitsresistentes Verkehrsrecht? Nach einer verbreiteten Auffassung sind die Normen des deutschen Deliktsrechts unproblematisch auf im Inland von Auslandsgesellschaften und ihren Organen begangene unerlaubte Handlungen anwendbar256. Demnach gälte im Internationalen Gesellschaftsrecht nichts anderes als im grenzüberschreitenden Straßenverkehr: Die EU-Mitgliedstaaten haben keine Einwände gegen die Teilnahme von im Ausland rechtmäßig zugelassenen Kraftfahrzeugen; bei Übertretung der Verkehrsregeln gelten für die Fahrer die inländischen Verhaltensanforderungen. Folgte man dem, so stünde schon an dieser Stelle fest, dass die Binnenhaftung gem. § 826 BGB wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht mit der Niederlassungsfreiheit konfligiert. Diese Auffassung misst aber m. E. der Qualifikation einer Haftungsfigur zu großes Gewicht bei. Von der systematischen Verortung einer Norm im Gefüge des nationalen Rechts wird sich der EuGH nicht blenden lassen257. Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion sind daher im Einzelnen zu prüfen. Eine solche scheidet jedenfalls a limine aus, wenn man die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht deliktsrechtlich qualifizieren will und sie daher nur im Wege einer Sonderanknüpfung auf EU-Scheinauslandsgesellschaften anwenden kann. b) Differenzierung zwischen Gründungsstadium und Betriebsphase der Gesellschaft Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung stellt in nicht diskriminierender Weise Verhaltensanforderungen an die Gesellschafter. Sie negiert in keiner Weise den ausländischen Gründungsakt der betreffenden Gesellschaft258. 255

Dazu im Einzelnen supra Kapitel 5 – B. II. 1. b). BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648, sub III.; Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 614 („die Niederlassungsfreiheit schützt allenfalls vor der Anwendung des Gesellschaftsrechts am Verwaltungssitz“); Koch, JuS 2004, 755 (756); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1204, 1208); Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (502). Im Hinblick auf die verhaltensbezogene Haftung wegen Gläubigerschädigung durch materielle Unterkapitalisierung auch Goette, DStR 2005, 197 (200); Borges, ZIP 2004, 733 (740 f.). 257 Vgl. auch Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (29); ausführlich bereits supra Kapitel 5 – B. I. 2. 258 So auch Koch, JuS 2004, 755 (756), in Bezug auf die Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung. 256

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Allerdings verlangt sie von den Gesellschaftsgründern bereits im Gründungsstadium eine verantwortungsvolle Entscheidung über die Kapitalausstattung. Da es nach erfolgtem Marktzugang im Inland Haftungsfolgen nach sich ziehen kann, wenn die Gesellschafter ihre Treuepflichten bereits im Gründungsstadium verletzt haben, kann die Prozeduralisierung der Entscheidung über die Kapitalausstattung sowohl die identitätswahrende Sitzverlegung als auch den Marktzugang behindern. Insoweit muss eine teleologische Reduktion der Niederlassungsfreiheit also ausscheiden. Anderes gilt hingegen, wenn der Vorwurf der treuepflichtwidrigen Unterkapitalisierung erst nach erfolgtem Marktzugang in der Betriebsphase der Gesellschaft erhoben wird und sich die Rechtsfolgen des § 826 BGB auf diese Phase beschränken. c) Rekurs auf gesellschaftsrechtliche Elemente der Doppelqualifikation Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Treuepflichtverletzung im Rahmen der oben diskutierten Doppelqualifikation zu denjenigen Tatbestandselementen gehörte, die eine Nähe zum Gesellschaftsstatut aufwiesen. Bei Durchbrechungen des Gesellschaftsstatuts kommt – wie oben gezeigt259 – eine teleologische Reduktion ob der Vereitelung der Rechtsformwahlfreiheit nicht in Betracht. d) Fazit Obwohl oben für eine schwerpunktmäßig deliktsrechtliche Qualifikation geworben und im Rahmen der hilfsweise erwogenen Doppelqualifikation dem Deliktsstatut der Vorzug gegeben wurde, soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung an eine Finanzierungsentscheidung der Gesellschafter anknüpfen kann, die bereits im Gründungsstadium erfolgte. Eine teleologische Reduktion kommt nur dort in Betracht, wo die Treuepflicht hinsichtlich der Kapitalausstattung erst nach erfolgtem Marktzugang verletzt wurde. 3. Rechtfertigung a) Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit Auf eine Rechtfertigung kann es für die Zwecke der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung aus zwei Gründen ankommen: Entweder qualifiziert man sie gesellschaftsrechtlich und kann sie nur im Wege einer kollisions259

Siehe supra Kapitel 5 – B. II. 1. b) (6).

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 361

rechtlichen Sonderanknüpfung auf EU-Auslandsgesellschaften anwenden; dann gälten freilich strengere Maßstäbe bei der Rechtfertigung260. Oder man ist der Ansicht, eine teleologische Reduktion der Niederlassungsfreiheit komme nicht in Betracht, was m. E. dann anzunehmen ist, wenn die Haftung an eine Treuepflichtverletzung angeknüpft werden soll, die bereits im Gründungsstadium der Auslandsgesellschaft und mithin vor Marktzugang erfolgte. Vereinzelt lies man, eine an Unterkapitalisierung anknüpfende Haftungsfigur sei auf EU-Auslandsgesellschaften a limine nicht anwendbar. Eine solche verstoße eindeutig gegen die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit261. So eindeutig ist das nicht: Nicht wenige Stellungnahmen gehen davon aus, dass sogar die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung, die erheblich einschneidender wirkt als die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur, gerechtfertigt werden könne262. b) Rechtfertigung wegen missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht Teilweise wird vertreten, die Durchsetzung einer Unterkapitalisierungshaftung gem. § 826 BGB gegenüber Gesellschaftern von EU-Auslandsgesellschaften sei unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs gerechtfertigt. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung sei missbräuchlich263 und überschreite die von der Niederlassungsfreiheit eingeräumte Rechtsposition264. Dies ist abzulehnen. Nach der oben entwickelten Auffassung setzt die missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht eine Normenflucht voraus, die einzig und allein unter Einschaltung einer Scheinauslandsgesellschaft gelingen kann (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Unterkapitalisierung ist jedoch kein Phänomen, das nur bei Scheinauslandsgesellschaften aufträte. Damit fehlt es jedenfalls am sog. Rechtswidrigkeitszusammenhang265. 260

Siehe supra Kapitel 5 – B. II. 1. b) (6). In diesem Sinne etwa Hancke, Vorrats- und Mantel-GmbH, S. 179 ff., 202. 262 Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (47 f.); Borges, ZIP 2004, 733 (741 ff.); Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 615; Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.); für die unechte Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung auch Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208). 263 Borges, ZIP 2004, 733 (742), wobei dort der Rechtsmissbrauch unzutreffenderweise nach den Normen des nationalen Rechts ermittelt werden soll; vgl. ferner Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.); Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rn. 337. 264 Forsthoff, Mobilität von Gesellschaften im Binnenmarkt, in: Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 15 Rn. 56 ff., 60 m.w. N. in Fn. 161, Rn. 67, 73. 265 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 99 ff., 104 a. E.; für die Existenzvernichtungshaftung im Ergebnis auch Greulich/Rau, NZG 2008, 565 (568). 261

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

c) Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test Es bleibt nur die Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test. Dieser setzt voraus, dass die Durchsetzung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung in nicht diskriminierender Weise erfolgt, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich ist266. (1) Anwendung in nicht diskriminierender Weise Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung beansprucht ohne Ansehung des Herkunftslands der jeweiligen Kapitalgesellschaft Geltung. Ihre Erstreckung auf Scheinauslandsgesellschaften stellte die Gleichbehandlung von GmbH und UG einerseits sowie ihren ausländischen Pendants andererseits sicher. Im Erfordernis einer bestimmten Gesellschafterkapitalquote liegt auch keine versteckte Diskriminierung, weil der Kapitalbedarf eines Unternehmens nicht vom Gründungsrecht der unternehmenstragenden Gesellschaft abhängt, sondern vom Umfang des konkreten Geschäftsbetriebs und den betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten. Eine Diskriminierung ist damit nicht ersichtlich. (2) Zwingender Grund des Allgemeininteresses Wenn es heißt, die Lehre von der Unterkapitalisierung sei erst in Teilen des Schrifttums verbreitet und die Rechtsprechung habe sich ihr bislang nicht angeschlossen, sodass sie keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstelle, der rechtfertigend wirken könnte, wird dabei irrigerweise in der jeweiligen nationalen Maßnahme bzw. Rechtsfigur selbst der zwingende Grund gesucht. Es kommt indes darauf an, ob die jeweilige nationale Maßnahme einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bezweckt bzw. verfolgt – nur dann kann danach gefragt werden, ob die betreffende Maßnahme zum Schutz zwingender Gründe des Allgemeininteresses bzw. zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist267. Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung dient wie gezeigt der Insolvenzprophylaxe. Wird die Gesellschafterkapitalquote unterschritten und ergibt eine Gesamtschau insolvenzpräventiver Kriterien, dass das Insolvenzrisiko groß ist, so erwirbt die Gesellschaft bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschafter, der zur Erlangung kurzfristiger Liquidität (§ 17 f. InsO) abgetreten oder in der Bilanz zur Abwendung der Überschuldung (§ 19 InsO) aktiviert werden kann. 266 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 133. Zum Vier-Konditionen-Test siehe im Einzelnen supra Kapitel 5 – B. II. 2. b) (2). 267 Vgl. statt aller Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 22 ff., 25.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 363

Insolvenzprophylaxe dient einmal mittelbar dem Gläubigerschutz. Dieser ist als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt268. Darüber hinaus ist der (Fort-)Bestand von Unternehmen unerlässlich, um volkswirtschaftlichen Mehrwert zu generieren. Davon profitieren zuvörderst die Arbeitnehmer und der nationale Fiskus, also letztlich die Allgemeinheit. Arbeitnehmerschutz269 und Erhaltung des Steuersubstrats270 sind ebenfalls grundsätzlich als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt. Ausweislich der Aufgabendefinition der EG soll durch den Gemeinsamen Markt eine nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens und ein hohes Beschäftigungsniveau erreicht werden, Art. 2 EG. Unternehmensinsolvenzen laufen diesen Zielen zuwider. So erstrebenswert die reziproke Durchdringung der Märkte und die wirtschaftliche und rechtliche Verflechtung der EU-Mitgliedstaaten – wie sie sich u. a. im Phänomen der EUScheinauslandsgesellschaften manifestiert – ist, so wichtig ist auch, dass dadurch nicht die Insolvenzquote von schwerpunktmäßig im Inland tätigen Unternehmen erhöht wird. (3) Geeignetheit Bei der Frage, ob die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung zur Insolvenzprophylaxe geeignet ist, genügt es nicht, auf ihre beschriebene bilanzielle Wirkung und ihre krisenorientierte Verhaltenssteuerung hinzuweisen. Denn im Centros-Urteil hat der EuGH hohe Hürden vor die Geeignetheitsprüfung gestellt: Die Richter führten aus, dass „das dänische Vorgehen nicht geeignet [sei], das mit ihm verfolgte Ziel des Gläubigerschutzes zu erreichen, da die Zweigniederlassung in Dänemark eingetragen worden wäre, wenn die Gesellschaft eine Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich ausgeübt hätte, obwohl die dänischen Gläubiger in diesem Fall ebenso gefährdet gewesen wären.“ 271

Nimmt man dies wörtlich, bedeutet es, dass jede nationale Maßnahme, die nur gegenüber Scheinauslandsgesellschaften, aber nicht auch gegenüber echten Auslandsgesellschaften durchgesetzt werden kann, nicht geeignet i. S. d. VierKonditionen-Tests ist272.

268 Zuletzt wieder EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 269 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 92. 270 Zur Vermeidung von doppelter Verlustberücksichtigung EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 (Marks & Spencer/Her Majesty’s Inspector of Taxes), IStR 2006, 19, Tz. 47; nicht aber zur bloßen Verhinderung des Rückgangs von Steuereinnahmen, a. a. O., Tz. 44, sowie EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), ZIP 2006, 1817, Tz. 49. 271 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 35. 272 Dazu kritisch Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 26.

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

In dieser Weite kann der Ansicht des EuGH nicht gefolgt werden, da sie allenthalben an Grenzen stößt. Die Kollisionsregeln des IPR unterstellen seit den Zeiten von Savignys eine Rechtsfrage dem Recht des Staats, in dem sie ihren Sitz hat273. Wenn ein Staat beansprucht, eine Rechtsfrage zu regeln, setzt dies voraus, dass diese Rechtsfrage einen schwerpunktmäßigen Bezug zu jenem Staat hat. Dementsprechend wird vertreten, dass echte Auslandsgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz im Ausland haben und dort auch einen Großteil ihrer Geschäftstätigkeit entfalten, naturgemäß nach anderem Recht zu behandeln seien als Scheinauslandsgesellschaften, die per definitionem „essentially local in character“ 274 sind 275. Das Argument des EuGH ist nur nachvollziehbar, wenn man es mit der Auseinandersetzung zwischen Sitz- und Gründungstheorie im Internationalen Gesellschaftsrecht in Bezug setzt: Es stellt nämlich die unverkennbare Schwäche der Sitztheorie bloß, vermeintlich gläubigergefährdende Auslandsgesellschaften akzeptieren zu müssen, wenn diese ihren Sitz tatsächlich im Ausland haben276. Blickt man jedoch in das Delikts- oder Insolvenzrecht, so sticht ins Auge, dass auch das europäische Sekundärrecht in kollisionsrechtlichen Angelegenheiten ganz selbstverständlich danach fragt, zu welchem Staat eine schwerpunktmäßige Beziehung besteht: Die lex fori concursus ist das Recht desjenigen Staats, in dem der Schuldner den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat (Art. 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO), die lex loci delicti das Recht des Tatorts (Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO). Niemand käme auf den Gedanken, die lex loci delicti etwa zum Schutz von Unfallopfern für ungeeignet zu halten, nur weil sie auf Unfälle keine Anwendung findet, die sich im Ausland zugetragen haben. Vor diesem kollisionsrechtlichen Hintergrund ist davon auszugehen, dass das Argument des EuGH bei deliktsrechtlich zu qualifizierenden Rechtsfiguren wie der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung irrelevant ist. (4) Erforderlichkeit Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit sind vier Gesichtspunkte von Bedeutung: Das rechtsvergleichend zu ermittelnde Schutzniveau der lex societatis, die restriktive Tatbestandsfassung des § 826 BGB, der Blick auf den konkreten Einzelfall und das Versagen des Informationsmodells im vorliegenden Zusammenhang.

273

Nachweis supra in Kapitel 2 – Fn. 5. Definition nach Latty, Nachweis siehe supra Einleitung – Fn. 10. 275 Etwa Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 26; noch weitgehender Altmeppen, NJW 2004, 97 ff. 276 Dazu bereits supra Kapitel 2 – A. I. 2. b) (1), a. E. 274

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 365

Ergibt ein Rechtsvergleich, dass das Gründungsrecht der betreffenden EUScheinauslandsgesellschaft die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter in einer Weise reglementiert, die Mindeststandards wertschöpfender Unternehmensführung gerecht wird und eine hinreichend insolvenzpräventive Verhaltenssteuerung bewirkt, so ist die Durchsetzung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht erforderlich. Das englische Gesellschaftsrecht kennt kein Mindestkapital, nur laxe Vorschriften über die Kapitalaufbringung, kein Eigenkapitalersatzrecht und de facto keine Durchgriffshaftung der Gesellschafter; die Staatsaufsicht über die Gesellschaften greift im Bedarfsfall hoheitlich ein, ohne dass an die Finanzierungsverantwortung appelliert würde: Dass englische Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in das Ausland verlegt haben, bei Verletzung ihrer Publizitätspflichten gelöscht werden können, hält die Gesellschafter nicht zu verantwortungsvollen Finanzierungsentscheidungen an. Eine hinreichend insolvenzpräventive Beschränkung der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter ist daher nicht einmal in der Krise der Gesellschaft ersichtlich. Auch die Tatsache, dass Gesellschafter als shadow directors unter dem Gesichtspunkt des wrongful trading haftbar sein können277, führt zu keiner anderen Schlussfolgerung, da diese Rechtsfigur in der Praxis offenbar keine merklich Rolle spielt278. Die Durchsetzung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung ist also gegenüber Scheinauslandsgesellschaften in der Rechtsform der englischen private limited company erforderlich. Demgegenüber kennt das österreichische URG Pflichten zur Beantragung eines Reorganisationsverfahrens mitsamt zugehöriger Gesellschafterhaftung (§ 22 URG)279. Das insolvenzpräventive Schutzniveau scheint daher in Österreich ausreichend hoch, jedenfalls im Hinblick auf solche Gesellschaften, deren Bilanzsumme der gem. § 22 Abs. 1 URG bei 100.000 Euro gedeckelten Gesellschafterhaftung entspricht. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung geht es auch um eine Abwägung zwischen dem verfolgten Schutzanliegen und der betroffenen Grundfreiheit280. Daher nimmt es nicht wunder, wenn der EuGH in der Überseering-Entscheidung auf die Intensität der Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit abstellt: Die Aberkennung der Rechts- und Parteifähigkeit sei jedenfalls nicht gerechtfertigt281. Offenbar erkennt der Gerichtshof den de-minimis-Grundsatz auch auf Rechtfertigungsebene an. Diesbezüglich ist hier von entscheidender Bedeutung, 277

Nachweis siehe supra in Kapitel 5 – Fn. 167. Finch (zitiert nach: Kindler, IntGesR, in: Münch. Komm. z. BGB, Bd. 114, Rn. 649) berichtet, dass es zwischen 1989 und 1993 in England und Wales 92.500 Gesellschaftsinsolvenzen gab, es aber nur in vier Fällen zu Klagen wegen wrongful trading kam; vgl. im vorliegenden Zusammenhang ferner Gloger/Goette/van Huet, DStR 2008, 1194 (1197). 279 Dazu schon supra Kapitel 4 – A. V. 280 Eidenmüller, in: Eidenmüller, Ausländ. KapGes, § 3 Rn. 30. 281 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), NJW 2002, 3614, Tz. 87 ff., 93. 278

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

dass die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gem. § 826 BGB eine restriktive Tatbestandsfassung aufweist. Nicht nur wird den Gesellschaftern ein Entlastungsbeweis und die Zuflucht im sicheren Hafen der business judgment rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG doppelt analog) zugestanden, sondern es muss ihnen auch Vorsatz nachgewiesen werden und sie können darüber hinaus in den Genuss der Zwerganteils- und Sanierungsprivilegien kommen. In der Rechtsfolge kommt es außerdem nicht etwa zu einer Durchgriffshaftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten, sondern zu einer bloßen Differenzhaftung bei alternativer Liquidationsmöglichkeit. Damit sind die Gesellschafter „doppelt abgeschirmt“: Nach innen durch die hohen tatbestandlichen Hürden, nach außen gegenüber Direktzugriffen der Gläubiger282. Diese Restriktionen sorgen dafür, dass das kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsprivileg nicht in Gefahr geraten kann. Die hier vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur ist wesentlich milder als die in der Rechtssache Inspire Art streitgegenständliche persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsleiter für die während ihrer Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen (Art. 4 Abs. 4 WFBV), zumal es sich dabei um eine verschuldensunabhängige Zustandshaftung handelte. Bei einer vergleichsweise derart geringen Intensität der Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit wird die Gemeinschaftsrechtskonformität in anderem Zusammenhang von manchen sogar „problemlos“ 283 bejaht. Im Rahmen des Entlatungsbeweises wird einer Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls große Bedeutung beigemessen284. Der Europäische Gerichtshof ist in seiner Rechtsprechung besonders energisch gegen solche nationalen Regelungen bzw. Maßnahmen vorgegangen, die auf einer abstraktgenerellen Missbrauchswertung beruhten285. Im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit denke man etwa an die dänischen und die holländischen Mindestkapitalvorschriften286 oder die französische Wegzugsbesteuerung von natürlichen Personen, die generell Steuerflucht unterstellte287. Da die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung Daten in den Blick nimmt, welche die konkrete Gesellschaft betreffen – wie etwa den cash flow, die prognostizierte Schuldentilgungsdauer, die Risikovorsorge und die Kreditwürdigkeit am 282

Vgl. die Ausführungen von Weller, ZIP 2007, 1681, ebenda (zur Trihotel-Dok-

trin). 283 So Wagner, Existenzvernichtung, in: FS Canaris II, S. 473 (504). Im Ergebnis auch Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (48). 284 Zu Aufgabe und Funktion dieser wertenden Gesamtschau siehe supra Kapitel 4 – C. III. 1. b) (4). 285 Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 213. 286 Schlussanträge des Generalanwalts Alber v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Tz. 109, 117. 287 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Tz. 51.

D. Anwendung der Unterkapitalisierungshaftung auf Auslandsgesellschaften 367

Markt –, vermeidet sie die vom EuGH nicht gelittenen, abstrakt-generellen Festlegungen (anders als man bei bloßem Blick auf die Gesellschafterkapitalquote meinen könnte). Des Weiteren versagen die Argumente des Informationsmodells im Zusammenhang mit der hier vorgeschlagenen Binnenhaftungsfigur. In der Centros-Entscheidung ließ der EuGH die Erforderlichkeitsprüfung daran scheitern, dass der Selbstschutz der Gläubiger ausreichend sei: „Da die Gesellschaft als Gesellschaft englischen Rechts, nicht als Gesellschaft dänischen Rechts auftritt, ist den Gläubigern [. . .] bekannt, dass sie nicht dem dänischen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterliegt“ 288.

Da es hier nur mittelbar um den Schutz Dritter geht, hilft diese Argumentation nicht weiter. Die Gesellschaft selbst ist die Geschädigte. Information ist unerreichbar und nützt nichts289. Remedur verspricht allein der gegen die schädigenden Gesellschafter gerichtete Schadensersatzanspruch. 4. Ergebnisse in Thesen Zusammenfassend verstößt die Anwendung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung auf die Gesellschafter von EU-Scheinauslandsgesellschaften nicht gegen die Niederlassungsfreiheit. 1. Unterkapitalisierung ist – im Gegensatz zur (Mindest-)Kapitalaufbringung – keine Frage des Gründungsrechts. 2. Die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung beeinträchtigt nicht die Niederlassungsfreiheit von EU-Scheinauslandsgesellschaften, da sie deren Rechtsstellung verbessert. 3. Beeinträchtigt wird jedoch u. U. die Rechtsstellung der Gesellschafter. Insofern liegt eine mittelbare Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft vor. 4. Hinsichtlich der teleologischen Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit ist zu differenzieren: Eine solche kommt dann in Betracht, wenn der Vorwurf der treuepflichtwidrigen Unterkapitalisierung erst nach erfolgtem Marktzugang in der Betriebsphase der Gesellschaft erhoben wird und sich die Rechtsfolgen des § 826 BGB auf diese Phase beschränken. 288 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), NJW 1999, 2027, Tz. 36; aufgegriffen in EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), NJW 2003, 3331, Tz. 135. 289 Vgl. die Ausführungen zur fehlenden Möglichkeit der effizienten Eigensicherung, freilich am Beispiel gesetzlicher Gläubiger einer Scheinauslandsgesellschaft, Bitter, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung bei EG-Auslandsgesellschaften, in: Europ. Ges- und SteuerR, S. 25 (48).

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Kap. 5: Prüfung der Niederlassungsfreiheitskonformität des MoMiG

Eine teleologische Reduktion kommt jedoch nicht in Frage, wenn den Gesellschaftsgründern bereits im Gründungsstadium, das ausländischem Recht unterliegt, eine verantwortungsvolle Entscheidung über die Kapitalausstattung abverlangt wird. 5. Die Anwendung der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung auf die Gesellschafter von EU-Scheinauslandsgesellschaften ist nach dem VierKonditionen-Test gerechtfertigt: Sie bezweckt Insolvenzprophylaxe in nicht diskriminierender Weise. Sie ist dazu auch geeignet und erforderlich, da ihre restriktive Tatbestandsfassung zu einer Beeinträchtigung von nur geringer Intensität führt (de-minimis-Grundsatz). Es werden keine abstrakt-generellen Anforderungen an Auslandsgesellschaften gestellt; vielmehr lässt die Gesamtschau wertender Kriterien im Rahmen des Entlastungsbeweises genügend Raum für die Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Das Publizitätsmodell taugt im Innenverhältnis der Gesellschaft nicht zur Lösung der in Rede stehenden Unterkapitalisierungsproblematik. 6. Die Erforderlichkeit ist nur dann abzulehnen, wenn das Gründungsrecht die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter angemessen regelt. III. Fazit: Umgehungsresistenz der Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung Die Untersuchung hat ergeben, dass die Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Sie können sich ihr nicht durch Gründung einer Gesellschaft nach ausländischem Recht entziehen. Die Haftungsfigur bietet sich als gemeinschaftsrechtskonformes Instrument gegen opportunistisches Gesellschafterverhalten unter dem Deckmantel einer ausländischen lex societatis an.

Kapitel 6

Ergebnisse und Perspektiven A. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit In Ergänzung zu den thesenartigen Zusammenfassungen in und nach den einzelnen Kapiteln seien an dieser Stelle die eingangs aufgeworfenen Fragen beantwortet: 1. Zu welchem Ende gibt es Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht? Wie war der Gläubigerschutz im deutschen GmbH-Recht traditionell ausgestaltet? a) Im 1. Kapitel hatte sich gezeigt, dass gläubigerschützende Vorschriften in allen entwickelten Rechtsordnungen als notwendiges Korrelat der kapitalgesellschaftsrechtlichen Haftungsbeschränkung angesehen werden. Diese hat einen volkswirtschaftlich erwünschten Effekt, weil sie potentiellen, aber risikoaversen Gesellschaftsgründern das Unternehmensrisiko teilweise abnimmt. Damit schafft sie aber auch einen Anreiz für die Gesellschafter, übermäßige Risiken auf die Gesellschaftsgläubiger zu verlagern. b) Die notwendige Balance versuchte das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht seit der Aktienrechtsnovelle von 1884 durch das Kapitalschutzmodell herzustellen: Dieses verlangt die effektive Aufbringung und Erhaltung des satzungsmäßigen, in seiner Mindesthöhe festgelegten Stammkapitals, flankiert von gläubigerschützenden Bilanzierungsregeln. 2. Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, mit dem MoMiG ein Gesetz einzubringen, welches das Gläubigerschutzsystem der GmbH reformieren soll? Innerhalb welcher Rahmendaten muss sich eine solche Reform vollziehen? – Im 2. Kapitel wurde deutlich, dass sich das Kapitalschutzmodell mit einem dreifachen Paradigmenwechsel konfrontiert sieht. c) Die Aktivierung der Niederlassungsfreiheit im Gesellschaftskollisionsrecht etablierte die Rechtsformwahlfreiheit in Europa. Diese stellt das Kapitalschutzmodell zur Disposition der Gesellschafter: Fühlen sie sich von den gesellschaftsrechtlichen Pflichten zu sehr beengt, steht es ihnen nach der Rechtsprechung des EuGH offen, eine Gesellschaft nach dem Recht desjenigen Staates zu gründen, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihnen die größte Freiheit lassen. d) Hinzukommt, dass dem Kapitalschutzmodell in der rechtspolitischen Diskussion um den Gläubigerschutz bescheinigt worden ist, ineffizient zu

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Kap. 6: Ergebnisse und Perspektiven

sein. Es wurden zahlreiche Alternativvorschläge gemacht. Im Auftrag der Europäischen Kommission hat die KMPG Alternativen zum Kapitalschutzmodell der Zweiten Richtlinie – wie etwa ein Solvenztestregime – untersucht. Damit droht das Kapitalschutzmodell seine Vorrangstellung im europäischen Sekundärrecht einzubüßen. e) Schlussendlich gab es Umwälzungen im Bilanzrecht, welche dieses seiner gläubigerschützenden Funktion beraubt haben. Stattdessen wurde der Ansatz der Internationalen Rechnungslegungsstandards übernommen, der auf Information des Kapitalmarkts abzielt. f) Als Auslöser der Gläubigerschutzreform durch das MoMiG können somit die Umwälzungen im Internationalen Gesellschaftsrecht bezeichnet werden; die Paradigmenwechsel in der europäischen Rechtspolitik und im Bilanzrecht weisen der Reform den Weg. 3. In welcher Weise reformiert das MoMiG die gläubigerschützenden Regelungen des GmbHG im Vergleich zur alten Rechtslage? – Das 3. Kapitel hat gezeigt, dass der Regierungsentwurf die Kritik am Kapitalschutzmodell und der auf diesem basierenden Rechtsprechung des II. Zivilsenats nachvollzieht. Obwohl die Eckpfeiler des Kapitalschutzmodells erhalten bleiben, wird das tradierte präventive Gläubigerschutzsystem in großem Umfang preisgegeben, nicht zuletzt, um Gesellschaftsgründungen zu erleichtern und zu beschleunigen. g) Im Einzelnen wird das Mindeststammkapital preisgegeben. Die Legalisierung der verschleierten Sacheinlagen hat zur Folge, dass die – schon in der Vergangenheit typischerweise äußerst geringe – Insolvenzmasse kaum mehr durch Zuflüsse seitens der Gesellschafter gestärkt wird. Die Regelung des Hin- und Herzahlens macht die Kapitalaufbringung zur bloßen Fiktion. h) Im Rahmen der Kapitalerhaltung wird der Liquiditätsschutzgedanke des Novemberurteils ausgeblendet. Stattdessen soll eine streng bilanzielle Betrachtungsweise Platz greifen, die zusätzlich durch die Veränderungen im Bilanzrecht aus Sicht der Gläubiger entwertet werden wird. i) Das Eigenkapitalersatzrecht wird abgeschafft: Mit den Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen verliert das GmbH-Recht ein insolvenzpräventives, schon in der Krise der Gesellschaft eingreifendes Kontrollinstrument. Die Verlagerung der Regeln über Gesellschafterdarlehen ins Insolvenzrecht kann diesen Verlust nicht aufwiegen. j) Kompensierend will das MoMiG die repressive ex-post-Haftung des Geschäftsführers verschärfen; insbesondere der neue § 64 S. 3 GmbHG n. F.

A. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit

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stößt jedoch auf Kritik. Im Falle der Führerlosigkeit der Gesellschaft sollen auch die Gesellschafter in die Verantwortung genommen werden. k) Insgesamt hat das MoMiG die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter erheblich vergrößert – hinsichtlich der Eigenkapitalfinanzierung durch die Absenkung des Mindeststammkapitals, hinsichtlich der Fremdkapitalfinanzierung durch die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. 4. Hinterlässt das MoMiG Schutzlücken bzw. schafft es neue? Wie können diese Lücken geschlossen werden? – Im 4. Kapitel wurde herausgearbeitet, dass das MoMiG die Unterkapitalisierungsproblematik verschärft. l) Es erhöht die Wahrscheinlichkeit masseloser Insolvenzen und schafft damit ein Bedürfnis nach wirksamer Insolvenzprophylaxe. Krisenprävention im Wege von financial covenants wird mehr denn je eine Aufgabe für die Kautelarpraxis werden. Darüber hinaus kommt es auf insolvenzpräventive Mechanismen im Innenverhältnis der Gesellschaft an. m) Ohne den alten Streit um die Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung neu entfachen zu wollen, wird eine Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung gem. § 826 BGB vorgeschlagen, gleichsam als insolvenzpräventives Gegenstück zur Existenzvernichtungshaftung in der Gestalt nach dem Trihotel-Urteil. n) Angeknüpft wird daran, dass die neue Finanzierungsfreiheit auch eine neue Finanzierungsverantwortung mit sich bringt. Daraus wird eine vertikale Treue- bzw. Rücksichtnahmepflicht der Gesellschafter abgeleitet, den Zustand der quotal ermittelten allgemeinen Unterkapitalisierung zu verhindern. Die maßgebliche Gesellschafterkapitalquote, für deren Berechnung sowohl Eigen-, als auch aus Gesellschafterhand stammendes Fremdkapital berücksichtigt wird, soll bei 16 Prozent liegen. Dies wird auf international vergleichbare Werte gestützt und entspricht Mindeststandards wertschöpfender Unternehmensführung. Ist die Gesellschafterkapitalquote unterschritten, wird eine Treuepflichtverletzung vermutet. Es steht den Gesellschaftern aber der Entlastungsbeweis und die Zuflucht im sicheren Hafen der business judgment rule offen. o) In der Rechtsfolge sind die Gesellschafter zunächst zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schaden liegt in der Differenz zwischen der tatsächlichen und der maßgeblichen Gesellschafterkapitalquote am Stichtag der Geltendmachung. Der neuen Finanzierungsfreiheit wird dadurch Rechnung getragen, dass die Gesellschafter den Fehlbetrag wahlweise durch Eigen- oder Fremdmittel aufbringen können. Der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft kann zur kurzfristigen Liquiditätserlangung abgetreten

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Kap. 6: Ergebnisse und Perspektiven

oder in der Bilanz aktiviert werden; er kann somit eine Insolvenz abwenden. p) Es bleibt den Gesellschaftern unbenommen, alternativ die Gesellschaft in einem geordneten Verfahren zu liquidieren. Beheben sie den Zustand der Unterkapitalisierung nicht, führen sie die Gesellschaft reaktionslos fort und kommt es hernach zur Insolvenz, so sind sie unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs haftbar. q) Zusammenfassend ist damit das „wie“ der Finanzierung frei, das „ob“ hingegen teilweise unfrei – in Umkehrung der Lehre von der Finanzierungsfolgenverantwortung, die durch das MoMiG abgeschafft wird. 5. Können die einschlägigen Neuerungen des MoMiG in kollisionsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich konformer Weise auf EU-Scheinauslandsgesellschaften angewendet werden? Was gilt diesbezüglich für den im 4. Kapitel unterbreiteten Lösungsvorschlag? – Nachdem dem MoMiG im 5. Kapitel der Spiegel der Niederlassungsfreiheit vorgehalten wurde, hat sich gezeigt, dass das Urteil über die Neuerungen, die Auslandsgesellschaften betreffen können, gespalten ausfällt. r) Die Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO n. F. ist weitgehend unproblematisch auf Geschäftsleiter von EU-Scheinauslandsgesellschaften anwendbar. s) Die subsidiäre Insolvenzverschleppungshaftung des Gesellschafters einer führerlosen EU-Scheinauslandsgesellschaft setzt eine Sonderanknüpfung voraus, kann aber u. U. schon wegen der missbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt sein. t) Bedenken bestehen gegen die Anwendung der Rangrücktritts- und Insolvenzanfechtungsregeln auf Darlehen, die einer EU-Scheinauslandsgesellschaft von ihrem Gesellschafter gewährt wurden; aufgrund ihrer eindeutig insolvenzrechtlichen Qualifikation ist die Anwendung aber letztlich angesichts des Erwägungsgrundes Nr. 11 der EuInsVO legitim. u) Die Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG n. F. kann demgegenüber regelmäßig nicht auf die Geschäftsleiter von EU-Scheinauslandsgesellschaften angewendet werden. v) Was die Binnenhaftung gem. § 826 BGB wegen quotaler Unterkapitalisierung anbelangt, so hat die Untersuchung ergeben, dass sie schwerpunktmäßig deliktsrechtlich zu qualifizieren ist; die Anpassung einer Doppelqualifikationsproblematik ergäbe nichts anderes und eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut scheidet aus. w) Ihre Anwendung auf die Gesellschafter von EU-Scheinauslandsgesellschaften verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit: In Artt. 43, 48

B. Perspektiven des nationalen Kapitalgesellschaftsrechts

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EG geht es um die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft; es ist schon fraglich, ob es die Niederlassungsfreiheit der zugezogenen EU-Scheinauslandsgesellschaft beeinträchtigt, wenn ihr ein Schadensersatzanspruch zugesprochen wird. Geht man aber von einer mittelbaren Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit aus, weil ihren Gesellschaftern Haftungsgefahren drohen, so kommt immer noch eine teleologische Reduktion des Schutzbereichs in Betracht. Schlussendlich wäre auch eine Rechtfertigung nach dem Vier-Konditionen-Test zu bejahen, da die vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur in nicht diskriminierender Weise der Insolvenzprophylaxe dient, dazu geeignet und erforderlich ist: Ihre Tatbestandsfassung ist nicht zuletzt wegen der Verortung in § 826 BGB restriktiv, der Entlastungsbeweis bietet genügend Raum für die Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls und das Publizitätsargument des EuGH taugt nicht im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die in dieser Arbeit vorgeschlagene Binnenhaftungsfigur bis zu einem gewissen Grad helfen kann, die Defizite des MoMiG vergessen zu machen. Sie ist zudem resistent gegen Umgehungsbestrebungen unter Einsatz ausländischer Gesellschaftsformen.

B. Perspektiven des nationalen Kapitalgesellschaftsrechts: Vom präventiven zum repressiven Gläubigerschutz Lange Zeit herrschte in Deutschland die Meinung, das Gesellschaftsrecht dürfe sich nicht allein auf die Regelung der internen Verhältnisse von Gesellschaften beschränken, sondern habe auch die schutzwürdigen Interessen von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und Arbeitnehmern zu wahren. Für die Durchsetzung dieses Anspruchs war die Sitztheorie gut geeignet. Nachdem sich jedoch im Gefolge der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit im deutschen Gesellschaftskollisionsrecht die Gründungsanknüpfung ausbreitet, vermögen die tradierten Konzepte nicht mehr vollumfänglich zu überzeugen. Dies spiegelt sich auch in der europäischen Debatte um die Alternativen zum Kapitalschutzmodell wider. Die Änderungen im Bilanzrecht tragen das Ihrige dazu bei, die Kapitalerhaltung zu entwerten. Um der Rechtsformwahlfreiheit in Europa Rechnung zu tragen, werden die nationalen Gesetzgeber und policy maker die für unersetzlich erachteten Schutzbestimmungen vom Gesellschaftsrecht lösen müssen. Die Gesellschaftsrechte werden sich verstärkt auf die Regelung der Binnenorganisation der Gesellschaften konzentrieren und zur Beschleunigung der Gründungsphase auf aufwändige präventive Eingangskontrollen verzichten. Kompensiert werden kann dies durch einzelfall- und verhaltensbezogene expost-Haftung nach allgemeinen Regeln. Wenn diese Haftung an die Verletzung

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Kap. 6: Ergebnisse und Perspektiven

von Mindeststandards guter Unternehmensführung anknüpft, kann dagegen wenig eingewandt werden. Eine im Gesellschaftsrecht angesiedelte Strukturhaftung hat demgegenüber wenig Aussicht auf Erfolg.

C. Perspektiven des europäischen Gesellschaftsrechts Der EPG wird nur dann Erfolg beschieden sein, wenn sie aus Sicht von Gesellschaftsgründern mindestens so attraktiv ist wie die attraktivste nationale Rechtsform. Wird dies erstrebt, so kann die EPG kein wesentlich höheres, präventiv und abstrakt-generell ansetzendes Schutzniveau sicherstellen als die jeweilig attraktivste nationale Rechtsform. Damit ist die Perspektive des europäischen Gesellschaftsrechts nicht anders beschaffen als diejenige der mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechte. Der Trend des Kapitalgesellschaftsrechts zum reinen Binnenorganisationsrecht kann nur dadurch umgekehrt werden, dass es zu einer Harmonisierung der gläubigerschützenden Regelungen im mitgliedstaatlichen Recht der geschlossenen Kapitalgesellschaften kommt, gestützt auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EG. Oben war indes erwähnt worden, dass die Vollharmonisierung gegenwärtig unrealistisch ist und auch nicht angestrebt wird. Auf absehbare Zeit dürfte es also dabei bleiben, dass einzelfall- und verhaltensbezogene ex-post-Haftung wie die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Binnenhaftung wegen quotaler Unterkapitalisierung die Abkehr vom gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzmodell auszugleichen hat.

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Entscheidungsregister BGH v. 6.12.1993 – II ZR 102/93, BGHZ 124, 282 BGH v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333 BGH v. 4.3.1996 – II ZR 8/95, BGHZ 132, 141 BGH v. 9.5.1996 – IX ZR 50/95, WM 1996, 1245 BGH v. 4.3.1996 – II ZR 89/95, BGHZ 132, 133 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244 BGH v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 BGH v. 30.3.2000 – VII ZR 370/98, EuZW 2000, 412 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98 (Überseering), BGHZ 154, 185 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), BGHZ 149, 10 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 300/00 (KBV), BGHZ 151, 181 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 (ARGE Weißes Ross), BGHZ 146, 341 BGH v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, BGHZ 150, 197 BGH v. 1.7.2002 – II ZR 380/00 (Jersey-Gesellschaft), BGHZ 151, 204 BGH v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (Novemberurteil), BGHZ 157, 72 BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BGHZ 155, 329 BGH v. 13.10.2004 – I ZR 245/01 (GEDIOS Corporation), NZG 2005, 44 BGH v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158 BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, BGHZ 153, 107 BGH v. 29.1.2003 – VIII ZR 155/02 (US-Gesellschaft), BGHZ 153, 353 BGH v. 13.12.2004 – II ZR 256/02 (Handelsvertreter), ZIP 2005, 250 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, BGHZ 165, 106 BGH v. 11.7.2005 – II ZR 285/03, NZG 2005, 845 BGH v. 30.1.2006 – II ZR 357/03, NZG 2006, 263 BGH v. 19.9.2005 – II ZR 372/03, BGHZ 164, 148 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), BGHZ 173, 246 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 75/04, Der Konzern 2006, 382 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 76/04, NJW 2006, 1736 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, NJW 2007, 1529

401

402

Entscheidungsregister

BGH v. 17.07.2006 – II ZR 106/05, NZG 2007, 30 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 176/05, BGHZ 170, 74 BGH v. 10.12.2007 – II ZR 239/05 (Kolpingwerk e. V.), DStR 2008, 363 BGH v. 12.2.2007 – II ZR 272/05 (Friedr. Flender AG), NZG 2007, 300 BGH v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, NZG 2008, 187 BGH v. 7.5.2007 – II ZR 7/06, NJW 2007, 2328 BGH v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 BGH v. 18.6.2007 – II ZR 86/06, BGHZ 173, 1 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), NZG 2009, 68 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 263/06, NZG 2008, 511 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), BGHZ 176, 204 BGH v. 1.12. 2008 – II ZR 102/07 (MPS), DStR 2009, 234 BGH v. 2.6.2008 – II ZR 104/07, NZG 2008, 597 BGH v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, NZG 2008, 507 BGH v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), NZG 2009, 463 BGH v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, NZG 2008, 908 BGH v. 26.1.2009 – II ZR 260/07 (Gut Buschow), NZG 2009, 422 BGH v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, BGHSt 53, 24

Sonstige deutsche Gerichtsentscheidungen – in zeitlicher Reihenfolge – RG v. 22.1.1916 – Rep. V. 293/15, RGZ 88, 53 RG v. 20.12.1935 – II 113/35, RGZ 150, 28 RG v. 30.11.1937 – VII 127/37, RGZ 156, 271 RG v. 22.10.1938 – II 58/38, RGZ 158, 302 RG v. 13.1.1941 – II 88/40, RGZ 166, 51 BayObLG v. 5.12.1977 – BReg 3 Z 155/76, DB 1978, 337 BVerfG v. 16.1.1980 – 1 BvR 249/79 (Schokoladenosterhase), BVerfGE 53, 135 BSG v. 7.12.1983 – 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76 BayObLG v. 18.7.1985 – BReg 3 Z 62/85, BayObLGZ 1985, 272 BayObLG v. 21.03.1986 – BReg 3 Z 148/85 (Landshuter Druckhaus Ltd. & Co. KG), BayObLGZ 1986, 61 BAG v. 19.1.1988 – 3 AZR 263/86, BAGE 57, 198 OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, NJW 1990, 647 OLG Hamm v. 12.3.1990 – 8 U 172/89, BB 1990, 1221

Entscheidungsregister

403

BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92 u. 2 BvR 2159/92 (Maastricht), NJW 1993, 3047 OLG München v. 31.10.1994 – 26 U 2596/94, NJW-RR 1995, 703 OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 – 6 U 59/94, NJW-RR 1995, 1124 Hanseat. OLG Bremen v. 25.9.1997 – 2 U 83/97, RIW 1998, 63 Hanseat. OLG Bremen v. 21.11.1997 – 4 U 11/97, IPRax 2000, 226 OLG München v. 19.6.1998 – 21 U 6130/97, NZG 1998, 855 BayObLG v. 26.8.1998 – 3Z BR 78/98, NJW-RR 1999, 401 BAG v. 3.9.1998 – 8 AZR 189/97, NJW 1999, 740 BAG v. 10.2.1999 – 5 AZR 677/97, NJW 1999, 2299 KG v. 11.1.2000 – 14 U 7683/97, NZG 2000, 479 OLG Hamm v. 1.2.2001 – 15 W 390/00, NJW 2001, 2183 OLG Düsseldorf v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2001, 506 OLG Hamm v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2002, 506 LG Frankenthal v. 6.12.2002 – 1 HK T 9/02, NJW 2003, 762 BayObLG v. 20.2.2003 – 1Z AR 160/02, DB 2003, 819 OLG Zweibrücken v. 26.3.2003 – 3 W 21/03, RIW 2003, 542 AG Hamburg v. 14.5.2003 – 67g IN 358/02, NJW 2003, 2835 BayObLG v. 11.2.2004 – 3Z BR 175/03, BayObLGZ 2004, 24 OLG München v. 28.4.2004 – 7 U 5482/03, NZG 2005, 311 OLG Köln v. 14.5.2004 – 16 W 11/04, NZG 2004, 1009 OLG München v. 24.11.2005 – 23 U 3480/05, NZG 2006, 195 LG Kiel v. 20.04.2006 – 10 S 44/05, NZG 2006, 672 OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388 LG Dortmund v. 2.3.2007 – 3 O 161/06, OLG Nürnberg v. 10.8.2007 – 13 U 1097/07, NZG 2008, 76 OLG Frankfurt v. 19.2.2008 – 20 W 263/07, DB 2008, 1488 OLG Naumburg v. 9.4.2008 – 6 U 148/07, GmbHR 2008, 1149 OLG Saarbrücken v. 6.5.2008 – 4 U 484/07, NZG 2008, 638 OLG Düsseldorf v. 25.6.2008 – 18 U 25/08, NJW-Spezial 2008, 721 OLG Köln v. 11.12.2008 – 18 U 138/07 (nicht rechtskräftig), NZI 2009, 128 OLG München v. 28.1.2009 – 31 Wx 005/09, NZG 2009, 304

404

Entscheidungsregister

Ausländische Gerichtsentscheidungen – in zeitlicher Reihenfolge – Salomon v. Salomon & Co. Ltd. [1897] AC 22 HL Louis K. Liggett Co. v. Lee, 288 U.S. 517 (1933) Minton v. Cavaney, 364 P.2d 473 (1961) Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S. 102 (1987) CTS Corp. v. Dynamics Corp. of America, 481 U.S. 69, 107 S. Ct. 1637, 95 L.Ed.2d 67 (1987) Re Polly Peck International plc (in administration) [1996] 2 All E.R. 433, 447

Fundstellen der Sekundärrechtsakte Richtlinie 68/151/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, vom 9.3.1968, sog. Erste Richtlinie bzw. Publizitätsrichtlinie, ABl., 14.3.1968, Nr. L 65/8; geändert durch die Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlamtens und des Rates vom 15.7.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl., 4.9.2003, Nr. L 221/13. Richtlinie 77/91/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, vom 13.12.1976, sog. Zweite Richtlinie bzw. Kapitalrichtlinie, ABl., 31.1.1977, Nr. L 26/1; punktuell geändert durch die Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006, ABl., 25.9. 2006, Nr. L 264/32. Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vom 25.7.1978, sog. Vierte Richtlinie bzw. Bilanzrichtlinie, ABl., 14.8.1978, Nr. L 222/11. Dritter geänderter Vorschlag einer Fünften Richtlinie über die Struktur der Aktiengesellschaft vom 20.11.1991, sog. Strukturrichtlinie, ABl., 12.12.1991, Nr. C 321/9. Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) vom 25.7.1985, ABl., 31.7.1985, Nr. L 199/1. Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, vom 21.12.1989, sog. 11. Richtlinie bzw. Zweigniederlassungsrichtlinie, ABl., 30.12.1989, Nr. L 395/36. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, sog. EuInsVO, ABl., 30.6.2000, Nr. L 160/1.

Entscheidungsregister

405

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000, sog. EuGVVO, ABl., 16.1.2001, Nr. L 12/1. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), sog. SE-VO, ABl., 10.11.2001, L 294/1 ff. Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl., 10.11. 2001, Nr. L 294/22. Verordnung (EG) 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7. 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, sog. IAS-VO, ABl., 11.9.2002, Nr. L 243/1. Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl., 18.8.2003, L 207/1. Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, vom 15.12.2004, sog. Transparenz-Richtlinie, ABl., 31.12.2004, Nr. L 390/38. Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, sog. 10. Richtlinie bzw. Verschmelzungsrichtlinie, ABl., 25.11.2005, Nr. L 310/1. Richtlinien 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), vom 14.6.2006, ABl., 30.6.2006, Nr. 177/1. Richtlinie 2006/49/EG über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), vom 14.6.2006, ABl., 30.6.2006, Nr. L 177/201. Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 11.7.2007, sog. Rom-II-VO, ABl., 31.7.2007, Nr. L 199/ 40. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom vom 17.6.2008, sog. Rom-I-VO, ABl., 4.7.2008, Nr. L 177/6.

Sachregister action en comblement du passif social 322–323, 327, 330, 337, 350 akzessorische Anknüpfung 352 Angleichung 62, 348–349 Anpassung 56, 316, 349, 355, 372 Anrechnungslösung 161 Auflockerung 352–355 Ausschüttungen 118, 124–125, 130, 134, 171–172, 184, 225, 328 Bareinlage 147, 151–158, 162–163, 166 Bestandsinteresse 230, 259–261, 289 BilMoG 38, 131–133, 139, 169, 191– 192, 225, 227, 249 business judgment rule 120, 263, 271– 273, 281, 287, 366, 371 Cartesio 74, 86–88, 103, 109 cash flow 125, 134, 170–172, 185, 209, 237, 270, 357, 366 Cash Pooling 153, 162–164, 172–175, 177–181, 183–184, 190 Centros 37–38, 58, 65, 67–71, 75, 77, 82, 85, 89, 91, 104, 106–108, 117, 122, 142, 311–312, 314, 316–318, 329, 349, 356, 363, 367 Daily Mail 66–67, 69, 74, 83–84, 86–87 Deregulierung 37, 39, 105, 140, 142, 151, 162, 200, 213, 228, 261 Differenzhaftung 151, 157–159, 165, 221, 366 Doppelqualifikation 348, 360 Durchgriffshaftung 50, 95–96, 109, 111, 119–120, 123, 145, 150, 218, 221, 223–224, 231, 239–252, 255, 262, 269, 271, 275, 279–280, 283, 287, 290, 294, 309, 316, 341, 344–346, 350, 361, 365–366, 371

Eigenkapital 42–44, 96, 126, 130, 145, 148–149, 185, 194–195, 205–206, 220–224, 226, 237, 246, 250, 258, 265–266, 269, 280, 285, 290 eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen 50, 143, 145, 192–193, 200, 206, 218, 220, 222, 226–227, 231, 234, 236, 245, 258, 264, 285, 370–371 eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung 50, 198, 202, 229 Eigenkapitalquote 112, 192, 262–263, 266–267 Entlastungsbeweis 210, 263, 268–269, 271–272, 275, 286, 366, 371, 373 EPG 63–64, 137, 146, 172, 207, 249, 374 Europäische Kommission 38, 51, 63, 70, 86, 106, 116, 124–127, 131, 139, 145– 146, 370 existenzvernichtender Eingriff 50, 176, 189, 229, 254, 257, 261, 277, 283, 289–290, 293, 295, 341, 345, 372 Existenzvernichtungshaftung 50, 76, 119, 169, 175–176, 180, 189, 192, 209, 211, 223, 229–230, 238, 245, 247–248, 252–256, 259–261, 263, 274–281, 283–284, 286–297, 309, 315, 328, 339–341, 343–345, 347, 352, 359, 361, 371 financial covenants 112, 115, 135, 233– 239, 267, 269, 371 Finanzierungsfolgenverantwortung 195, 204–205, 220, 231, 235, 258, 343– 344, 372 Finanzierungsfreiheit 39, 206, 216–218, 257–258, 261–263, 266, 272, 274, 278, 284–285, 287–288, 294–295, 299, 340, 344, 346, 365, 371

Sachregister Finanzierungsverantwortung 200, 205, 218, 232, 242, 255, 257–258, 260– 262, 271, 274–275, 278, 281, 288, 296, 299, 343–344, 365, 368, 371 Firmenbestattungen 136, 213, 216, 325 Fremdkapital 42–43, 46, 96, 145, 171, 185–186, 192, 206, 222, 224, 237, 258, 264–267, 275, 286, 344, 371 Fremdkapitalquote 265, 267, 270 Gamma-Urteil 246–247, 249, 253–255 Gebhard-Formel 65, 97, 317–318, 335 Geschäftsführer 68, 70, 77, 97, 120, 129, 133, 152, 160–161, 164, 166– 167, 170, 172, 178, 182–184, 197, 199, 207–215, 231–232, 250, 257, 273–274, 284–285, 287–288, 325, 327, 329 Gesellschafterfremdfinanzierung 194, 220, 228, 230–231, 258, 262, 264 Gesellschafterhaftung 49, 59, 76, 78–79, 83, 85, 96, 106, 176, 189, 199, 217, 238–239, 241, 246, 250, 253, 257, 259, 261–262, 281, 283, 290–293, 300, 305, 307, 310, 323, 332, 340, 344–345, 348, 350, 352, 357–358, 365–366 Gesellschafterkapitalquote 266–269, 271–275, 284–286, 294, 347, 356, 362, 367, 371 Gesellschaftsgründer 49, 92, 97, 103, 110, 135, 141–142, 151, 159–160, 278, 298, 312, 315 Gesellschaftsstatut 53, 55, 59, 69, 73, 77, 82–83, 85, 88, 91–92, 109, 300, 303, 307, 310, 313, 318–319, 325– 326, 328, 336, 342–347, 352–356, 360, 372 Gläubigerschutz 37–39, 43, 45, 47–49, 62, 68, 75, 91, 102, 108, 110–112, 114, 122–125, 128–129, 132–133, 136, 139, 141, 143–144, 150–151, 171, 176, 191, 196, 201, 206, 209, 213, 216–218, 228, 232–233, 236, 245, 247, 249–250, 252–253, 256–259, 261,

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278, 289–290, 304, 307, 311, 315, 317, 331, 333–334, 347, 363, 369, 373 Gläubigerschutzsystem 37–40, 42, 47, 49, 52, 64, 88, 92, 108–109, 115, 117– 118, 121, 123–125, 128, 133, 135, 141, 166, 220, 234, 249, 313, 369–370 GmbH-Novelle 1980 37, 50, 144, 196– 197, 200–201, 245, 247 Gründungsrecht 59–60, 66, 74, 77, 80– 81, 88, 91, 99, 114, 302–303, 307, 313, 316, 318, 325, 329, 331–332, 335–336, 338, 348, 353–356, 362, 365, 368 Gründungstheorie 54, 57, 60–61, 66, 69–70, 72, 76–78, 81, 83, 85, 89–90, 109, 300–303, 307, 364 Haftkapital 43–44, 158, 204 Haftungsbeschränkung 37, 43, 45–47, 102, 136–137, 142, 150, 220, 243, 249, 275, 343–344 Haftungsprivileg 51, 57, 100, 119–120, 135, 142, 158, 193, 219, 238–240, 243, 258, 345, 366 IFRS 115, 125, 129–134, 172, 227 Informationsmodell 46, 111–117, 122, 124, 132, 139, 232–233, 236, 311, 364, 367 innoventif limited 310–312, 334, 358 Insolvenzanfälligkeit 108, 144, 206, 228 Insolvenzanfechtung 96, 200, 202, 204– 206, 229, 236, 297, 299, 320, 326, 334–335, 338 Insolvenzantragspflicht 207–208, 213, 215, 299, 319–327, 331, 333, 338 Insolvenzprophylaxe 218, 230, 232, 238–239, 254, 262, 278, 286–287, 289, 297, 339, 343, 347, 362–363, 368, 371, 373 Insolvenzstatut 76, 303, 321, 323–324, 326, 337, 339, 347 Insolvenzverschleppungshaftung 50, 76, 101, 119–120, 207–208, 216, 299, 320–327, 329–333, 336–338, 350, 372

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Sachregister

Insolvenzverursachungshaftung 180, 208, 210, 221, 231, 289, 320, 327, 336– 338, 372 Insolvenzverwalter 156–157, 175, 198, 201–203, 207, 212, 229, 253–254, 290, 330 Insolvenzwahrscheinlichkeit 227–228 Inspire Art 38, 67, 70–71, 75, 77, 82, 91, 106–107, 109, 117, 122–123, 142, 305, 309, 313–315, 317–318, 329, 336, 349, 356, 358, 362–363, 366–367 Internationales Gesellschaftsrecht 38, 52, 67, 78, 88, 107–108, 139, 236, 301, 303, 356, 359, 364, 370 Kapitalaufbringung 42–44, 51, 127, 141, 143, 145, 151, 154, 160, 162, 166, 168, 176, 178, 217, 225, 238, 243, 249, 261, 316, 365, 367, 370 Kapitalausstattung 45, 55, 75, 127, 158, 219–220, 223–224, 226, 231–233, 239–240, 244, 257, 259–261, 263, 266, 271–274, 278, 281, 284, 287, 290–291, 295, 299, 357, 360, 368 Kapitalbedarf 145, 192–194, 221, 223– 224, 264–265, 270, 272, 362 Kapitalerhaltung 42–44, 50–51, 100, 110, 118–119, 125, 128, 130–131, 133–134, 139, 168, 170, 173, 178, 182, 191, 213, 217, 225, 249, 270, 295, 328, 370, 373 Kapitalerhöhung 148–149, 153, 162– 163, 285, 294, 340, 347 Kapitalschutz 44, 47–48, 50–51, 99, 112, 116, 119, 122–123, 233, 260 Kapitalschutzmodell 37, 48, 92, 108, 110–112, 114, 117, 121–127, 135, 139, 142, 153, 170–171, 175, 178, 209, 217–219, 225, 232, 234, 240, 247, 249, 369–370, 373–374 Kapitalschutzsystem 37, 44, 49, 51, 91, 104, 124, 126, 146, 176, 219, 230, 245, 249, 295, 347 Kapitalzufuhr 195, 285, 289 Kollisionsrecht 52, 72, 300, 303–304, 312, 319, 325

Kreditwürdigkeit 99, 177, 189–190, 195, 222–225, 227, 248, 269, 272, 366 LBO 173, 185–186, 188–190, 211, 270 lex loci delicti 324, 346, 355, 364 lex societatis 53–54, 73, 82, 108, 304, 346, 351, 355, 364, 368 Limited 41, 58, 66, 70, 84, 92–104, 109–110, 138, 144, 147, 166, 216, 228–229, 244, 249, 310–312, 314, 316, 330, 334, 337, 357 Liquidation 86, 213, 263, 287, 289, 293, 333, 338, 340, 347, 358 masselose Insolvenz 229 missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht 301, 312, 314, 333, 338, 372 MoMiG 37–41, 47, 52, 64, 89–90, 96, 103–104, 109, 122, 127, 134, 136– 138, 140–143, 145–148, 152, 157, 159–161, 163–168, 173, 178–182, 184, 189–190, 192, 199–203, 205, 207–209, 213–222, 225–231, 234, 236, 238–239, 245, 247–250, 254, 257–258, 260–263, 268, 272, 274, 282, 285, 290, 295– 296, 298–299, 302, 316, 319–320, 322, 325–326, 329, 333, 335, 339, 343, 346–347, 369–373 MPS-Urteil 178, 184, 190 Nachschusspflicht 205, 285 Niederlassungsfreiheit 38–40, 51–52, 56, 59, 61, 64–77, 79–87, 90, 92, 97, 103, 106, 108–109, 114, 117, 122– 123, 298–301, 303–308, 310–315, 317–320, 329–332, 334–341, 352, 356–361, 365–367, 369, 372–373 Normenflucht 315–316, 361 Normenmangel 316, 338 Novellenregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen 196– 198, 200 Novemberurteil 43, 50, 133, 143, 169, 174–178, 180, 182–183, 188–191, 226

Sachregister ordre public 57, 352, 355 Pfändungslösung 287 principal-agent-Konflikt 46, 112, 220, 275 Prozeduralisierung 120, 259–260, 274, 360 Publizitätspflichten 100, 113, 117, 121, 124, 233, 237, 365 Qualifikation 53–54, 73, 77, 203, 208, 299, 301–303, 320–328, 336–337, 339–348, 350–352, 359–360, 372 Rechnungslegungsstandards 38, 115, 119, 125, 128, 130, 139, 191, 225, 370 Rechtsformwahlfreiheit 38, 76–79, 83, 85, 90–92, 103, 106, 108–109, 176, 189, 241, 283, 290–293, 300, 305, 307, 310, 312, 323, 340, 344–345, 348, 350, 352, 357–358, 360, 366, 369, 373 Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen 50, 96, 143, 194, 196–198, 200–202, 206, 218, 220, 226–227, 231, 234, 236, 245, 258, 264, 370–371 Reform 37, 39, 42, 52–53, 62, 64, 96, 100, 110–111, 117, 121–122, 127, 134–138, 141–142, 144, 159, 161, 193, 196, 207, 218, 222, 231, 236, 240, 248, 250, 298, 339, 369–370 Rom-II-VO 302, 304, 310, 324, 341– 343, 347–348, 352, 354–355, 364 Rücksichtnahmepflicht 256, 371 Sacheinlage 49, 95–96, 104, 115, 123, 143, 146, 148, 151–154, 156–161, 163, 165, 168, 216, 221, 225, 229, 234, 257, 370 Schadensersatz 284, 347, 371 Scheinauslandsgesellschaft 38–40, 58, 60, 70, 91, 109, 122, 301–303, 308, 313, 315, 319, 324, 335–337, 341, 345, 348–349, 354, 359, 361–365, 367–368, 372

409

Schuldentilgungsfähigkeit 173, 270 Schutzlücke 192, 209, 218, 247, 277– 278, 292, 331, 340 Selbstorganschaft 215–216 Sittenwidrigkeit 275–280, 292, 344, 348 Sitzrecht 60, 76, 308–309, 318, 335, 354 Sitztheorie 38, 55–62, 65–70, 72–76, 78, 80–82, 84–85, 89–91, 103, 108– 109, 136, 308, 348, 351, 355, 358, 364, 373 Sitzverlegung 40, 56, 61, 63, 66, 70, 74, 76, 82, 84–86, 89–90, 305, 308–309, 357, 360 Solvenztest 100, 127, 134, 139, 171– 173, 180, 192, 209–210, 268, 270 Sonderanknüpfung 70, 300, 304–305, 312–313, 321, 325–326, 328–329, 332, 336, 338, 351–352, 355, 359, 361, 372 Sonderbeziehung 242, 257, 280, 353 Stammkapital 43, 95, 114, 121, 123, 127, 134, 140–141, 144–145, 147–148, 158, 160, 167–170, 174, 176, 183, 189, 192–195, 201, 209, 216, 227, 241, 243, 249, 258–260, 280, 291, 335, 338, 356–357, 369 teleologische Reduktion 306, 308–310, 330, 332, 334, 358 Treuepflicht 255–257, 260–264, 272, 274, 284, 291, 296, 340, 360 Trihotel-Urteil 253–254, 291 Überseering 38, 59, 61, 63, 67, 69–70, 72, 74–77, 79, 82–83, 85, 88–89, 91, 93, 97, 105–108, 123, 149, 245, 305, 309, 311, 317–318, 349, 356–358, 363, 365 UG 138, 147–150, 167, 201, 217, 220, 225–226, 229–230, 246, 248–250, 255, 261–262, 280, 288, 294, 343, 362 Umkehr der Beweislast 280–281 Umqualifizierung 59, 145, 204, 220, 236, 301, 303, 347 Unterbilanz 44, 133, 143, 169–170, 174– 175, 177–178, 181, 187–188, 195, 198

410

Sachregister

Unterkapitalisierung 68, 95, 114, 119– 121, 127, 145, 192–194, 196, 217– 229, 232, 238–241, 243–255, 257, 260, 262–271, 273–299, 339–348, 350–353, 355–368, 371–372, 374

Vier-Konditionen-Test 317, 331, 333– 336, 338, 362–363, 368, 373 Vor-GmbH 168, 244, 286–287, 290 Vorsatz 276, 279–280, 348, 366

Unterkapitalisierungshaftung 158, 227, 240, 243, 247–248, 251, 253, 262, 271, 278, 287–288, 341, 346, 361

Wertkontrolle 160, 168, 178, 225 WFBV 70, 305, 336, 358, 366 Winter-Gruppe 124–125, 171

unternehmerische 272, 274

Entscheidung

URG 231, 266, 270, 365

257, Zweite Richtlinie 38, 124–126, 139, 171, 370