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German Pages 222 Year 1987
Beihefte der Konjunkturpolitik Zeitschrift für angewandte Wirtschaftsforschung Begründet von Albert Wissler
Heft 34
Die Neuordnung des GATT: Regeln für den weltwirtschaftlichen Strukturwandel und Technologietransfer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Neuordnung des GATT: Regeln für den weltwirtschaftlichen Strukturwandel und Technologietransfer
Beihefte der K o n j u n k t u r p o l i t i k Z e i t s c h r i f t für angewandte Wirtschaftsforschung Begründet von Albert Wissler
Heft 34
Die Neuordnung des GATT: Regeln für den weltwirtschaftlichen Strukturwandel und Technologietransfer Bericht über den wissenschaftlichen Teil der 50. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. in Bonn am 7. und 8. Mai 1987
Duncker & Humblot / Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Die Neuordnung des GATT: Regeln für d. weltwirtschaftl. Strukturwandel u. Technologietransfer; in Bonn am 7. u. 8. Mai 1987. — Berlin: Duncker & Humblot, 1987 (Bericht über den wissenschaftlichen Teil der . . . Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V.; 50) (Beihefte der Konjunkturpolitik; H. 34) ISBN 3-428-06328-7 NE: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute: Bericht über den . . .; Konjunkturpolitik / Beihefte
Schriftleiter: Herbert Wilkens
Alle Rechte, auch die auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1987 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Gedruckt 1987 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 ISBN 3-428-06328-7
Vorwort
In diesem Beiheft wird über den wissenschaftlichen Teil der 50. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute berichtet. Die Tagung stand unter dem Thema „Die Neuordnung des GATT: Regeln für den weltwirtschaftlichen Strukturwandel und Technologietransfer" und fand am 7. und 8. Mai 1987 in Bonn statt. Referate hielten Michael Breitenacher (München), Gerard Curzon (Genf), Gernot Klepper und Rolf J. Langhammer (Kiel), Siegfried Schultz (Berlin), Stefan Tangermann (Göttingen), Horst Werner und Hans Willgerodt (Köln). Die Beiträge sind im folgenden in voller Länge abgedruckt. Die Zusammenfassungen der Diskussionen erstellte Herbert Wilkens. Die 51. Mitgliederversammlung soll am 5./6. Mai 1988 in Bonn stattfinden und das Thema „Die Dienstleistungen im Strukturwandel" zum Gegenstand haben. Köln, im September 1987
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hans K. Schneider
Inhalt I. Teil: Das GATT-Regelwerk als internationales öffentliches Gut: Anforderung und Realität
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Hans Willgerodt Interdependenzen nationaler Handels- und Wirtschaftspolitiken: Anforderungen an das GATT Zusammenfassung der Diskussion
11 33
Horst Werner Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel Zusammenfassung der Diskussion
43 71
II. Teil: Das GATT vor traditionellen Problemen und neuen Herausforderungen
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Michael Breitenacher Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen im Verarbeitenden Gewerbe? Zusammenfassung der Diskussion
77 86
Stefan Tangermann Die Landwirtschaft — Kein Fall für das GATT? Zusammenfassung der Diskussion
93 111
Rolf Langhammer Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT. Eine Nutzenund Kostenbilanz Zusammenfassung der Diskussion
117 145
Siegfried Schultz Dienstleistungen und GATT Zusammenfassung der Diskussion
151 174
Gemot Klepper Nationale Hochtechnologieförderung und das GATT Zusammenfassung der Diskussion
177 189
III. Teil: Die Zukunft des GATT
195
Gerard Curzon and Victoria Curzon Price Reforming GATT? Zusammenfassung der Diskussion
197 211
Teilnehmerverzeichnis
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Erster Teil
Das GATT-Regelwerk als internationales öffentliches Gut: Anforderungen und Realität
Interdependenzen nationaler Handels- und Wirtschaftspolitiken: Anforderungen an das GATT Von Hans Willgerodt, Köln
I. Das Problem Solange der Welthandel seinen bisherigen Umfang beibehält oder sogar weiter wächst, treiben alle Länder, ob sie wollen oder nicht, mit ihrer eigenen Wirtschaftspolitik zugleich auch Wirtschaftspolitik für andere Nationen. Die traditionelle Außenwirtschaftstheorie hat diese externen Effekte nationaler Handels- und Wirtschaftspolitik bisher zwar anhand von Einzelproblemen vielfach behandelt, etwa bei der Frage der Handelskriege, bei der Diskussion um Zollunionen und Steuerharmonisierungen, bei Beschäftigungs- und Konjunkturproblemen und bei der Frage des internationalen Preis- und Geldwertzusammenhanges. Diese Bausteine wurden aber nicht zu einer systematischen Betrachtung zusammengefügt. Eingehender ist zwar die Wirkung nationaler Konjunkturpolitik auf die Außenwelt erörtert worden, aber für den Bereich des Handels scheint eine ähnliche Gesamtanalyse externer Effekte nationaler Politik zu fehlen. Die verschiedenen Varianten der Ausbeutungs- und Imperialismuslehren sind jedenfalls in dieser Hinsicht unergiebig, selbst wenn sie einzelne brauchbare Bestandteile enthalten.
II. Allgemeine Zusammenhänge Die systematische Gesamtbetrachtung solcher externer Effekte nationaler Politik und damit der Interdependenzen der Wirtschaftspolitik verschiedener Länder muß mit einfachen Überlegungen beginnen: Der internationale Austausch von Gütern setzt zunächst das Einverständnis der unmittelbar miteinander Handel Treibenden voraus. Ferner müssen die wirtschaftspolitischen Instanzen im In- und Ausland diesen Austausch zulassen. Auf der anderen Seite können sie ihn auch fördern. Im Zweiländerfall und bei Geldwirtschaft gibt es in marktwirtschaftlichen Systemen für die Wirtschaftspolitik nicht weniger als 8 unmittelbare Ansatzpunkte: In jedem Land kann die Regierung den Import oder den
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Export beeinflussen oder die jeweiligen Zahlungsausgänge oder Zahlungseingänge manipulieren 1 . Wenn durch internationale Abkommen wie das GATT der unmittelbare Eingriff bei grenzüberschreitenden Güterbewegungen untersagt oder erschwert wird, kann die Regierung eines Landes versuchen, ihre außenwirtschaftlich wirksame Aktivität weiter in die Binnenwirtschaft hinein zu verlagern, wo eine internationale Kontrolle weniger leicht möglich ist und jedenfalls leichter unter Hinweis auf die nationale Souveränität abgewehrt werden kann. Ausländisches Bier wird dann mit Hilfe des binnenwirtschaftlichen Reinheitsgebotes ferngehalten, eine ausländische Versicherungsleistung mit Hilfe von Vorschriften der nationalen Versicherungsaufsicht, die Leistung ausländischer Lastkraftwagen mit Hilfe innerstaatlicher Mengenkontingentierung usw. 2 Wenn der Binnenmarkt gegenüber Inländern administrativ geschlossen wird, ist es schwierig, Ausländer zuzulassen. Auch deswegen hat das GATT bei der Beseitigung mengenmäßiger Handelsbeschränkungen trotz des in seinem Artikel X I ausgesprochenen Verbots versagt 3 . Der in Artikel XII Ziffer 3 d) für den Fall von Zahlungsbilanzstörungen ausgesprochene Vorrang der nationalen Wirtschaftspolitik vor internationalen Regeln wird auch für andere Fälle hingenommen und kann bisher noch als allgemeine GATT-Philosophie gelten, so daß Kontingente, die Inländer ebenso im Angebot beschränken wie Ausländer, als sakrosankt anzusehen sind. Für die Landwirtschaft wird das in Artikel X I Ziffer 2 c) (i) sogar ausdrücklich festgeschrieben, so daß die Milchkontingentierungspolitik der EG eine Art von Rückkehr zu GATTkonformem Verhalten darstellt. Immer wichtiger ist heute die Tatsache geworden, daß für viele Länder auch die Wirtschaftsstruktur entscheidend davon abhängt, welche Handelspolitik seine internationalen Handelspartner betreiben. Wie der Weltentwicklungsbericht der Weltbank von 1986 eingehend darlegt, hat zum Beispiel die Agrarpolitik der Industrieländer mit ihrer extremen Produktionsförderung an weltwirtschaftlich dafür weniger geeigneten Standorten dazu beigetragen, daß Länder mit günstigeren Produktionsbedingungen die Agrarproduktion eingeschränkt haben und viele Entwicklungsländer Nahrungsmittel einführen. Das weltweite Agrardumping der Industrieländer hat die Produktionsstruktur vieler Entwicklungsländer in dem Sinne verändert, daß die Produktionsmittel in die Industrieproduktion drängen, deren kom1 Vgl. Hans Willgerodt, Grenzen der wirtschaftlichen Souveränität — Zur Mechanik von Protektion und Freihandel, in: Politik und Markt, Hans Karl Schneider zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Dieter Duwendag und Horst Siebert, Stuttgart und New York 1980, S. 285 ff. 2 Vgl. Richard Blackhurst, The Twilight of Domestic Economic Policies, in: The World Economy, Vol. 4, 1981, S. 357-373. 3 Vgl. Richard Senti, GATT. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen als System der Welthandelsordnung, Zürich 1986, S. 159 ff.
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parative Vorteile dadurch ansteigen, so daß die eigene Agrarproduktion durch das Ausland handelspolitisch weniger rentabel gemacht wird. Die Mechanik dieses Vorganges läßt sich auch am Beispiel flexibler Wechselkurse deutlich machen: Verdient ein traditionelles Agrarexportland wegen des Agrarprotektionismus seiner bisherigen Abnehmer weniger Devisen, dann muß es tendenziell seine Währung abwerten. Diese Abwertung bedeutet, daß die bisherigen Industrieimporte des Abwertungslandes in Inlandswährung verteuert werden und sich die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Konkurrenzindustrien des Agrarlandes genau so erhöht, wie wenn das Land Industrieschutzzölle eingeführt hätte. Sofern ein Entwicklungsland glaubt, seine Industrie aus Erziehungsgründen besonders schützen zu müssen, sollte es einbeziehen, daß diese Industrie durch die Agrarpolitik anderer Länder bereits in der geschilderten Weise geschützt sein kann, und zwar auch dann, wenn das Entwicklungsland eine Politik einseitigen Freihandels betreibt. Das Agrardumping der Industrieländer ist aber durch die interne Marktregulierung bedingt, mit der sie die Landwirtschaft schützen wollen. Aus diesem Beispiel wird deutlich, daß es eine sauber abgrenzbare Außenwirtschaftspolitik bei stark interventionistisch regulierter Binnenwirtschaft nicht mehr gibt. Industriepolitik, Agrarpolitik, Verkehrspolitik usw. haben eine — oft sogar dominierende — außenwirtschaftliche Komponente, ob dies die entsprechenden wirtschaftspolitischen Regulatoren nun wissen oder nicht. Man kann daraus zwei entgegengesetzte Folgerungen ziehen: 1. Der Vorrang der nationalen Interventionspolitik wird beibehalten. Dadurch wird diese Politik zu einem nationalen Standortfaktor wie das Klima und wirkt auf die komparativen Kosten im internationalen Wettbewerb. Die Völker konkurrieren nicht mehr nur mit der originären Produktivität ihrer Unternehmungen, sondern auch mit der wirtschaftspolitischen Intelligenz ihrer Regierungen. Daß im übrigen die rechtlich-politischen Rahmenbedingungen auch bei sehr interventionsarmer Wirtschaft immer einen wichtigen Standortfaktor dargestellt haben, ist so offenkundig, daß man sich über staatsfreie Denkmodelle nur wundern kann, in denen die optimale Allokation ohne diesen Faktor errechnet wird, um dann, wenn es ihn doch gibt, Korrekturmaßnahmen, Grenzausgleiche und ähnliches zu fordern. Das bedeutet indessen nicht, daß die Verbannung der Staatstätigkeit in die internationale Standortlehre unproblematisch wäre. Das Beispiel eines internationalen Subventionswettbewerbs zeigt dies deutlich. Stahlwerke konkurrieren nicht mehr nur mit ihrer betriebswirtschaftlichen Leistung, sondern auch mit der Subventionsbereitschaft des jeweiligen Fiskus. Bayerischer Stahl wird nun fast so wichtig wie bayerisches Bier. Die Hoffnung, im Wettkampf der Wirtschaftspolitiken werde sich schließlich überall die am besten geeignete durchsetzen, ist insofern trügerisch, als politische Auslese-
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prozesse nicht allein von wirtschaftspolitischer Regierungseffizienz bestimmt werden. Man könnte deswegen auch der Meinung sein, die Regierungen dürften nicht völlig freie Hand bei der wirtschaftspolitischen Prägung komparativer Standortqualitäten erhalten. Daraus wird eine zweite und andersartige Folgerung abgeleitet: 2. Es wird versucht, die Wirtschaftspolitik der Einzelstaaten auch über den traditionellen Bereich der Außenwirtschaftspolitik hinaus international zu harmonisieren. In Bundesstaaten und teilweise auch in den Europäischen Gemeinschaften geschieht dies durch Zentralisierung von Zuständigkeiten für harmonisierungsbedürftige Sachverhalte bei der höheren Instanz. Weltwirtschaftlich fehlt eine solche Instanz, und es ist nicht zu erkennen, daß die westliche Führungsmacht eine solche Funktion übernehmen könnte 4 . Also bleiben nur internationale Verhandlungen als Ausweg übrig. Die Harmonisierungsbemühungen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind hierzu lehrreich: Je größer die jeweilige nationale Regulierungsdichte auf einem bestimmten Gebiet vor Beginn der Verhandlungen ist, desto aussichtsloser sind diese Harmonisierungsbestrebungen. Der einzige wirklich gemeinsame Markt in Europa ist derjenige der gewerblichen Wirtschaft mit Ausnahme des Montanbereichs. Grotesk ist demgegenüber die von den Brüsseler Instanzen immer wieder aufgetischte Behauptung, die einzig wirklich gemeinsame Politik sei die Agrarpolitik. Man kann geradezu sagen: Je mehr „gemeinsame Politiken" es in den EG nach dem Muster neomerkantilistischer Regulierungen gibt, desto weniger gemeinsame Märkte gibt es. Dabei kann die innereuropäische Integrationsbereitschaft im Vergleich mit weltweiten Harmonisierungsbestrebungen noch als relativ hoch angesehen werden. Daraus ergibt sich zwingend: Nicht eine Angleichung der nationalen Regulierungen in Richtung auf eine durchschnittliche oder gar maximale Eingriffsintensität verspricht Erfolg, sondern es muß zunächst eine allgemeine kontrollierte Abrüstung des Interventionismus stattfinden. Damit ist nicht die Rückkehr zum laissez-faire gemeint, sondern eine Rationalisierung der Staatstätigkeit. International müssen dann sich gegenseitig neutralisierende oder in unsinniger Weise verstärkende Staatseingriffe abgebaut werden. Dies würde stark erleichtert, wenn so weit wie irgend möglich nationale Regulierungen vorher quantifizierbar und preispolitisch vergleichbar gemacht werden würden. Zum Beispiel wären alle Quoten und mengenmäßigen Beschränkungen zu versteigern oder handelbar zu machen, damit ihr 4
Charles P. Kindleberger, International Public Goods without International Government, The American Economic Review, Vol. 76 1986 (presidential address 1985), S. 10 f. betont zutreffend realistisch, daß ohne „leadership" einer großen Nation oder einer Koalition solcher Nationen internationale Abkommen kaum zustande kommen.
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Subventionsäquivalent ermittelt wird und zum Verhandlungsobjekt werden kann 5 . Die Grenze zwischen den Sachverhalten, die eine internationale Harmonisierung erfordern, und den Gebieten, die man getrost der einzelstaatlichen Zuständigkeit überlassen kann, ist selber ein internationaler Verhandlungsgegenstand6. Zentralisten neigen dazu, zum höheren und stellenplanträchtigen Ruhme von Oberinstanzen einen möglichst großen Harmonisierungsbedarf anzumelden, der sich vor allem dann plausibel machen läßt, wenn die amtliche Lenkungsintensität sehr groß ist. Daraus erklärt sich zwanglos die dirigistische Neigung der Brüsseler Behörden der EG. Wenn demgegenüber die Regierungen durch sorgfältige Abrüstung ihrer sich durchkreuzenden Interventionen eine stärkere Harmonisierung über den Markt zulassen, ist der internationale Harmonisierungsbedarf entsprechend geringer. Gleichwohl gibt es im Rahmen des GATT einen erheblichen Harmonisierungsbedarf, der zum Beispiel auch nicht dadurch aus der Welt geschafft wird, daß man ihn unverfroren leugnet. Eine besondere Leistung hierzu sind rhetorische Beiträge der EG zu der von ihr mitverursachten Krise des Weltagrarhandels. So bemerkte der EG-Kommissar W i l l y de Clercq zum Abschluß der Ministertagung der GATT-Staaten in Punta del Este am 20. September 1986:7 „Während unsere grundlegenden gemeinsamen Politiken und Mechanismen nicht zur Verhandlung anstehen, wird die Landwirtschaft offen und ehrlich in der UruguayRunde angesprochen werden . . Wollte man dies ernst nehmen, so könnte es nur bedeuten, daß die EG beabsichtigt, ihre mißglückte Agrarpolitik auf die internationale Ebene zu übertragen. Systematisch besteht ein Harmonisierungsbedarf immer dann, wenn sich Maßnahmen verschiedener Staaten gegenseitig aufheben. Dies gilt zum Beispiel bei Exportförderung des einen Landes, die durch Importbehinderung der Partnerländer bekämpft wird. Solche Gegenmaßnahmen sieht das GATT wie im Falle des Dumping (Art. VI), aber auch in anderen Fällen ausdrücklich vor. Der Saldo aus Importbehinderung und Exportförderung ergibt sich aus der jeweiligen Dosierung und ordnungspolitischen Qualität der getroffenen Maßnahmen. Die Exportförderung hat dabei insofern einen strukturellen Nachteil, als sie letztlich nur preispolitisch, nicht aber mengenpolitisch agieren kann, während das Importland durch Kontingente die 5
Vgl. Jan Tumlir, Protectionism. Trade Policies in Democratic Societies, Washington, D. C. 1985, S. 65. 6 Selbst für die Konjunkturpolitik ist die Harmonisierung umstritten: Roland Vaubel, Internationale Absprachen oder Wettbewerb in der Konjunkturpolitik? Tübingen 1980. 7 Europa-Archiv, 42. Jahr 1987, S. D 170.
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gehandelte Menge begrenzen kann, wenn mit Einfuhrzöllen die gewünschte Handelsbeschränkung nicht erreicht wird. Exportförderungen durch eine Regierung, die zu Preissenkungen führen, können auch durch Zölle der Partnerländer neutralisiert werden und laufen dann auf eine Zahlung des Fiskus des Exportlandes an den Fiskus des Einfuhrlandes hinaus. Sollte ein solcher Transfer Sinn der Operation sein, so ließe er sich durch eine direkte Zahlung zwischen den beiden Staatskassen kostengünstiger abwickeln. Dumping-Fälle kämen im übrigen weniger häufiger vor, wenn es in allen Ländern eine effiziente Wettbewerbspolitik gäbe und der Reimport gedumpter Ware durch eine freihändlerische Politik erleichtert werden würde. Die Durchkreuzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen eines Landes durch Gegenmaßnahmen anderer Länder gehört inzwischen zum Alltagsgeschäft der Politik. Insbesondere exportfördernde Maßnahmen müssen dabei nicht systematisch aggressiven Charakter haben, sondern können auch durch Importbehinderungen sowohl des eigenen Landes wie der Partnerländer bedingt sein. Um dies zu verstehen, muß die makroökonomische Dimension des Vorganges bei globaler Importbehinderung und allgemeiner Exportförderung einbezogen werden. Über den Zahlungsbilanzzusammenhang bedeuten Einfuhrbehinderungen eines Landes eine Diskriminierung seiner Exportwirtschaft 8 . Natürlich schädigen auch ausländische Importhindernisse die Exporte des Inlandes. Eine Exportförderung wirkt in diesen Fällen dahin, daß sich der Handelsumfang wieder dem Freihandelszustand nähert. Das GATT weist insofern eine Asymmetrie auf, als es nach Artikel X V I Exportsubventionen verbietet, tarifäre Einfuhrhindernisse aber allgemein erlaubt und nichttarifäre Einfuhrhindernisse nicht mit genügender Schärfe bekämpft werden. Dies bedeutet tendenziell, daß die Handelsverminderungen begünstigt werden. Es wäre deshalb nicht zweckmäßig, bei einer internationalen Abrüstung des außenwirtschaftlichen Interventionismus mit Vorrang die Exportförderung abzubauen 9 . Das würde zwar die Staatskassen entlasten, aber die Verbraucher und den Welthandel verstärkt belasten. Denn die Importhindernisse blieben einseitig bestehen. Der Nettoeffekt wäre eine Zusatzbelastung, wie sie in ähnlicher Weise zustande käme, 8 Die Devisenmarktprozesse sind allerdings je nach Ansatzpunkt der Importbehinderung verschieden: Einfuhrhindernisse des eigenen Landes rufen eine Aufwertungstendenz seiner Währung hervor und schädigen damit den eigenen Export mittelbar; Einfuhrhindernisse des Partnerlandes schädigen den Export des erstgenannten Landes unmittelbar, doch wird diese Schädigung durch eine Aufwertung der Partnerwährung sekundär gemildert, die Einfuhr des ersten Landes dagegen belastet. Zu den Bedingungen im einzelnen: Hans Willgerodt, Handelsschranken im Dienste der Währungspolitik, Düsseldorf und München 1962. 9 Zum Problem der Exportförderung im allgemeinen vgl. Egon Tuchtfelds Exportförderung in der Marktwirtschaft, Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. 35/1984, S. 198-212.
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wenn der Staat allgemein nur Subventionen abbauen, aber nicht gleichzeitig auch die Steuern senken würde. Ein internationaler Harmonisierungsbedarf besteht nicht nur bei sich durchkreuzenden oder aufhebenden Regierungsmaßnahmen, sondern auch bei Interventionen, die sich gegenseitig verstärken oder bei denen Anpassungslasten wie bei einem Schwarze-Peter-Spiel so lange im Kreise umhergeschoben werden, bis sie sich auf einen verengten Bereich konzentrieren. Führt zum Beispiel ein einzelnes Land für sich allein und ohne Reaktion der Außenwelt Einfuhrzölle ein, dann wird dessen Währung der Tendenz nach aufgewertet; dies erleichtert die Einfuhr wieder. 10 Wenn aber alle Länder gleichzeitig Importzölle einführen, kann dieser Devisenmarktprozeß unterbleiben oder wird mindestens abgeschwächt. Wechselseitige Zölle verstärken sich insoweit, wie sie makroökonomisch fühlbare Wirkungen ausüben. Dies spricht im übrigen für Beibehaltung von Reziprozität bei Zollverhandlungen im Rahmen des GATT, selbst wenn das Argument richtig bleibt, daß auch einseitige Zollsenkungen im Normalfall im Interesse des zollsenkenden Landes vor allem dann liegen, wenn es wegen zu geringer Weltmarktanteile keinen Einfluß auf die Terms of Trade hat. Das gegen einseitige Zollsenkungen schon von J. St. Mill vorgebrachte Zahlungsbilanzargument 11 ist bei flexiblen Wechselkursen weniger stichhaltig geworden. Entscheidend für eine liberalisierende Reziprozität ist letztlich das verhandlungspolitische Argument: Export- und Liberalisierungsinteressen innerhalb eines Landes lassen sich leichter gegenüber inländischen Protektionisten mobilisieren, wenn Aussicht besteht, durch Verhandlungen für die eigenen Exporte besseren Zugang zu ausländischen Märkten zu erreichen. 12 Eine besondere Art von Verstärkung wirtschaftspolitischer Maßnahmen ergibt sich, wenn mehrere Exportländer einen Subventionswettbewerb um den Absatz auf dritten Märkten beginnen, aber auch dann, wenn bei Auftreten wettbewerbsfähiger Konkurrenz ein Land nach dem anderen die Einfuhr auf Betreiben der betroffenen Inlandsbewerber behindert, so daß sich der 10
Dieser Effekt setzt natürlich eine makroökonomisch spürbare Bedeutung des Einfuhrhindernisses voraus. Außerdem kann sich bei differenzierten Zöllen eine Zusammensetzung der Importe ändern. Vgl. auch: Earl R. Rolph, The Theory of Fiscal Economics, Berkeley und Los Angeles 1956, Kapitel 8 und 9. 11 John Stuart Mill , Essays on some Unsettled Questions of Political Economy, second edition London 1874, S. 40 f. 12 Es sollte zwischen einer liberalisierenden und einer protektionistischen Reziprozität unterschieden werden. Die protektionistische Reziprozität kommt vor allem in ihrem strengen Bilateralismus und der Verweigerung der unbedingten Meistbegünstigung zum Ausdruck; als interessanter Vertreter dieser Konzeption hat sich jüngst ein früherer britischer Handelsminister geäußert; Edmund Dell, Of Free Trade and Reciprocity, The World Economy, Vol. 9, 1986, S. 125-139; repliziert haben Brian H indie y und Alasdair MacBean, Edmund Dells Manifesto for Mercantilist Liberalisation, ebendort S. 359-364. 2 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
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Wettbewerb mit besonderer Intensität auf die noch übrig gebliebenen Reste des Weltmarktes konzentriert 13 . Agrarpolitik und Industriepolitik der Montanwirtschaft und Stahlindustrie liefern hierfür Beispiele. Es übersteigt bisher noch das Vorstellungsvermögen, sich die Lösung dieser Probleme im Rahmen des GATT in der Weise vorzustellen, daß ein internationales Produktions- und Quotenkartell für solche Produkte zu begründen versucht wird. W i l l man aber die entstandene Überschußproblematik wirklich lösen, dann bleiben dafür im Grunde nur zwei Wege: 1. eine Rückkehr zum marktwirtschaftlichen Ausleseprozeß bei allseits offenen Märkten oder 2. der Übergang zum zentral geplanten Weltmarkt. Die Hoffnung besteht, daß trotz allen Widerstandes der EG-Behörden und trotz aller auf Weltkartelle abzielenden Äußerungen des UNCTAD genügend Länder übrig bleiben werden, die jeweils die marktwirtschaftliche Außenseiterposition einnehmen und damit eine internationale Planwirtschaft unmöglich machen. Fassen wir zusammen: Es ist nicht nur die Wirtschaftspolitik eines einzelnen Landes, die das Gesamtergebnis des Außenhandels bestimmt, sondern dieses Ergebnis ist eine Resultante aus der Wirtschaftspolitik aller beteiligten Länder. Dabei gibt es systematische Zusammenhänge zwischen den einzelstaatlichen Maßnahmen, auf die bei internationalen Verhandlungen mehr als bisher geachtet werden sollte, damit eine Abrüstung der Protektion erfolgreich wird.
I I I . Das Verhalten kleiner Länder Zwar wirken alle Länder durch ihr Verhalten an der Weltwirtschaftspolitik mit, aber der Einfluß, den die einzelnen Länder auf den Welthandel und damit auf andere Länder ausüben, ist ungleichmäßig groß. Ein kleines Land hat es schwer, wirtschaftspolitisch auf andere Länder einzuwirken. Es hat andererseits große Mühe, seine marktwirtschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten, wenn es von zentralgeleiteten großen Volkswirtschaften umgeben ist und einen großen Teil seiner stark mit dem Ausland verbundenen Wirtschaft dem zwangswirtschaftlichen Bilateralismus der Umwelt unterwerfen muß. Dies gilt trotz aller Möglichkeiten, auch den eigenen Außenwirtschaftsbereich mit einer Art von ordnungspolitischem Umschaltgetriebe von dem verwaltungswirtschaftlichen Regime des Auslandes loszukoppeln 14 . Wenn marktwirtschaftliche Ordnungen und eine freihändlerische Politik international dominieren, ist demgegenüber die Bedeutung der Landesgren13
Zur Theorie solcher Umlenkungen vgl. Richard Senti, GATT..a.a.O., S. 167 f. Mit dem Ausland vereinbarte Kontingente können zum Beispiel in der Binnenwirtschaft versteigert werden. Nach außen hin muß jedoch die Regierung eines solchen Landes einen umfangreichen Verhandlungs- und Verwaltungsaufwand treiben, der so gut wie immer auf die Binnenwirtschaft übergreift. 14
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zen herabgesetzt. Doch stehen die Regierungen stets in der Versuchung, das bei wettbewerblicher Marktwirtschaft ungebündelte Auftreten ihrer Staatsangehörigen am Weltmarkt zu organisieren und durch monopolisierende Maßnahmen zusammenzufassen 15. Die Neigung, dieser Versuchung nachzugeben, hängt vom möglichen Erfolg ab, der wiederum von den Marktanteilen bestimmt wird, über die eine Regierung durch ihre Bündelungspolitik verfügen könnte. Ein kleines und preispolitisch einflußloses Land kann durch eine solche Politik nach außen hin wenig erreichen. Seine Außenwirtschaftspolitik wirkt dann so gut wie ausschließlich auf die Nutzung oder Preisgabe von Vorteilen der Eingliederung in die Weltwirtschaft, auf die interne Einkommensverteilung und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Man kann solche Länder mit Branchen innerhalb einer Volkswirtschaft vergleichen, die nicht konzentriert sind und sich schlecht kartellieren lassen. Sie müssen sich entweder notgedrungen dem Wettbewerb stellen und die Wettbewerbspolitik ihrer Regierung stärken, denn sie werden sonst Opfer der leichter monopolisierbaren Branchen. Oder sie können darauf drängen, mit Staatshilfe ähnliche Monopolisierungsmöglichkeiten zu erhalten. Übertragen auf die Außenwirtschaft ergeben sich drei Optionen: 1. Die kleinen Länder können jedes für sich eine freihändlerische Politik betreiben und gemeinsam bei internationalen Verhandlungen als eine Art von Freihandelskartell für eine Öffnung der Märkte größerer Länder eintreten. Solche Tendenzen machen sich heute zögernd bei manchen Entwicklungsländern bemerkbar, die bei Industrieprodukten wettbewerbsfähig werden 16 . 2. Die kleinen Länder können für sich selbst Kartellierungsfähigkeit fordern, die sie in den meisten Fällen, wenn man vom Erdöl absieht, nicht selbst herstellen können und die ihnen daher von den entwickelten Industrieländern in Form von Rohstoffabkommen 17 und dergleichen in ähnlicher Form angedient werden soll, wie dies etwa in der EG für die Landwirtschaft geschehen ist. 15
Diese Macht wird natürlich in erster Linie gegenüber den eigenen Bürgern ausgeübt, deren Freiheit zum Kauf und Verkauf ebenso durch Organisationszwang beschränkt werden muß wie im Kartell das Einnehmen der Außenseiterposition. 16 Clapham hält deswegen die exportorientierten Newly Industrializing Countries für die „neuen Liberalen" der Weltwirtschaft: Ronald Clapham, Competing Political and Economic Positions Concerning a New World Economic Order, in: World Economic Order: Liberal Views, ed. by Ronald Clapham and Hans Kammler, Kehl, Strasbourg, Arlington 1983, S. 228. 17 Vgl. Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten vom 12.12.1974, Kapitel I, Artikel 5, abgedruckt in: R. J. Langhammer, B. Stecher, Der Nord-Süd-Konflikt, Würzburg und Wien 1980, S. 140-146 sowie Kapitel III dieser Veröffentlichung. 2·
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3. Die kleinen Länder können für sich selbst eine protektionistische Politik betreiben. Das schließt nicht aus, daß sie trotzdem für Marktöffnung bei den größeren Ländern und für internationale Kartelle bei den von ihnen gelieferten Produkten eintreten. Diese dritte Variante kommt inzwischen der offiziellen Konzeption des GATT nahe, soweit als „kleine Länder" die Entwicklungsländer gelten. Teil IV des Abkommens befreit sie faktisch von allen wesentlichen Liberalisierungs- und Verfahrensvorschriften, vor allem davon, die unbeschränkte Meistbegünstigung zu gewähren, Reziprozität bei handelspolitischen Zugeständnissen anzuwenden, die Zölle nicht ohne Zustimmung der Partner zu ändern und andere handelspolitische Vorschriften zu befolgen 18 . Diese Bestimmungen setzen als selbstverständlich voraus, daß freihändlerisches Verhalten für Entwicklungsländer eine Last sei, die man ihnen nicht zumuten könne. Der freiere oder auch nur stärker regelgebundene Handel gilt den Vertragsparteien des GATT demnach als Luxusgut, das sich nur wohlhabende Länder leisten können. Zur Begründung hierfür können weder das Erziehungsargument noch das Argument der Terms of Trade dienen. Im Regelfall sind beide Argumente auf heutige Entwicklungsländer nicht anzuwenden, und auch internationale Kartellierung wie im Falle des Erdöls ist nur selten erfolgreich. 19 Es gibt also für diese Konzeption des GATT keine wirtschaftlich haltbare Begründung, wohl aber einen taktischen Grund: Die Diplomatie der entwickelten Industrieländer wollte womöglich darauf hinwirken, daß die Forderungen der Entwicklungsländer nach freiem Zugang zu den Märkten der entwickelten Länder durch ordnungspolitische Konzessionen an den Dirigismus abgefangen werden. Den Entwicklungsländern wurde deswegen ein Sonderprotektionismus erlaubt und den dabei wirkenden Kräften des „rentseeking" 20 freie Bahn gegeben. 18
Vgl. Richard Senti , GATT . . a.a.O., S. 315 ff. Das Erziehungsargument setzt mangelhafte Internalisierbarkeit von Wirtschaftlichkeitsvorteilen voraus. Gerade in Entwicklungsländern ist aber die Internalisierbarkeit solcher Vorteile besonders groß, wenn es in jeder Branche nur wenige oder gar nur ein einziges Unternehmen gibt, so daß „erzogene" Faktoren weniger leicht abwandern können, ohne Entschädigung zu zahlen. Dies gilt jedenfalls für die als Erziehungsobjekt vorgesehene Industrie. Im übrigen genießt sie indirekt durch den Agrarprotektionismus der Industrieländer einen Schutz, der wahrscheinlich über jedes allenfalls diskutable Maß hinausgeht. Zum Agrarprotektionismus als Entwicklungshindernis vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986, Washington, D. C. 1986. Das Terms-of-Trade-Argument für Protektion scheitert für Entwicklungsländer durchweg an zu geringen Marktanteilen und fehlender Disziplinierbarkeit des weltwirtschaftlichen Angebotes. 20 Insbesondere Einfuhrkontingente versprechen dem jeweiligen Inhaber Vorteile und sind daher Gegenstand der Korruption, vgl. Anne O. Krueger, The Political Economy of the Rent-Seeking Society, The American Economic Review, Vol. LIV, 1974, S. 291-303. 19
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Der Versuch, die wirtschaftlich kleineren Entwicklungsländer durch Erlaubnis zur protektionistischen Gegenmonopolisierung ähnlich zufriedenzustellen, wie das in der Binnenwirtschaft durch die Erlaubnis zu Mittelstandskartellen versucht wird, hat allerdings die Intelligenz der Verhandlungspartner aus Entwicklungsländer unterschätzt 21 . Sie haben trotzdem eine zusätzliche Marktöffnung bei den Industrieländern gefordert und in Gestalt der vom GATT als Sonderregelung zugelassenen Präferenzen auch formell erlangt 22 . Makroökonomisch bedeutet das eine Tendenz zur Neutralisierung der Einfuhrbeschränkungen, die die Entwicklungsländer in Anspruch nehmen. Global wird hiermit auch eine Art von Reziprozität hergestellt, die die Entwicklungsländer unmittelbar nicht gewähren müssen 23 . Denn jede Steigerung des Exporterlöses der Entwicklungsländer läßt ihre Einfuhrausgaben zunehmen. Jedenfalls gilt dies, solange es unwahrscheinlich ist, daß wegen der Präferenzen die Kapitalexporte und Übertragungen aus Entwicklungsländern ansteigen. Fatal ist aber folgender Zusammenhang: Präferenzen, die keine Preissenkungen im präferenzgewährenden Einfuhrland hervorrufen, bedeuten eine Besserung der Terms of Trade für die begünstigten Länder, und zwar gerade deswegen, weil ihr Marktanteil und ihre Lieferfähigkeit nicht ausreichen, um den Markt der Einfuhrländer allein zu versorgen. Es müssen für diese Versorgung noch durch Einfuhrhindernisse verteuerte Lieferungen aus nicht begünstigten Ländern herangezogen werden. Bei unbehinderter Substitution bestimmt die teuerste noch nachgefragte Menge den Preis für den ganzen Markt und die Präferenzspanne kommt den Begünstigten voll zugute. Deswegen sind die begünstigten Entwicklungsländer gemeinsam mit den Protektionisten der Industrieländer daran interessiert, daß die Handelsschranken zwischen den entwickelten Ländern nicht weiter abgebaut werden. Protektionisten aller Länder haben sich also vereinigt, um das 21
Zur Interessenlage: Bela Balassa, Constantine Michalopoulos, Liberalizing Trade between Developed and Developing Countries, Journal of World Trade Law, Vol. 20, 1986, S. 3-28. 22 Vgl. Richard Senti , GATT . . ., a.a.O., S. 92, 112 ff. 23 Von Präferenzen angeregte Zusatzexporte wirken handelsvermehrend, die eigenen Einfuhrbehinderungen dagegen handelsvermindernd. Cline behauptet, es sei illusorisch, von den Entwicklungsländern Reziprozität in der Einfuhrliberalisierung zu erwarten, da sie ohnehin alle zusätzlichen Exporterlöse für Importe verwendeten. William R. Cline, Commentary in: Challenges to a Liberal International Economic Order, ed. by Ryan C. Amacher, Gottfried Haberler, Thomas D. Willet, Washington, D. C. 1979, S. 472; anderer Ansicht: J. M. Finger, ebendort, S. 485; vgl. auch Bela Balassa, Constantine Michalopoulos, a.a.O., S. 8. Selbstverständlich regt jede, auch einseitige, Liberalisierung die Importe und Exporte beider Handelspartner an; davon bleibt aber unberührt, daß der Handel noch stärker zunehmen könnte, wenn beide Partner liberalisieren würden. Ob eine Einfuhrliberalisierung der Entwicklungsländer ihre Export belebt, hängt von der Elastizität ihres Exportangebotes ab, also der Umstellungsfähigkeit ihrer Wirtschaft.
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natürliche Interesse kleiner und unentwickelter Länder an der Liberalisierung des Welthandels durch kunstvolle politische Netzwerke abzufangen. Dies geschieht auch dadurch, daß die Präferenzen sorgfältig differenziert und so begrenzt werden, daß die Einfuhren aus Entwicklungsländern vor allem dann nicht massiv zunehmen können, wenn deren Angebot konkurrenzfähig wird. Die steigende Einfuhrneigung, die viele Entwicklungsländer erkennen lassen, müßte eigentlich mit einer zunehmenden Ausfuhrneigung einhergehen. Tatsächlich wächst auch der Export der meisten Entwicklungsländer 24 , aber er trifft auf zahlreiche Hindernisse, die ihnen die entwickelten Industrieländer in den Weg legen. Die Bindung von Einfuhren der Entwicklungsländer an Deviseneriöse aus ihren Exporten kann freilich unterbrochen werden, wenn ihnen Kredite oder Übertragungen zufließen. Damit kann das Exportinteresse der entwickelten Länder zufriedengestellt werden, ohne daß ihre mit Importen konkurrierenden Wirtschaftszweige unter Anpassungs- und Wettbewerbsdruck geraten. Die allgemeine Vorliebe für Finanzierung anstelle von Anpassung 25 kann sich in solchen Abstandszahlungen niederschlagen, die den Entwicklungsländern als eine Art Lösegeld auf Kosten der Steuerzahler der entwickelten Länder zum Vorteil ihrer nicht anpassungsbereiten Branchen gezahlt werden. Ganz aufheben läßt sich der Konflikt zwischen dem Exportinteresse der entwickelten Länder und dem Importverhinderungsinteresse ihrer Protektionisten allerdings nur durch Geschenke, nicht durch Kredite, auf deren Verzinsung und Rückzahlung man besteht. Damit wird deutlich, daß in dem massiven Druck auf Schuldenerlaß und Übernahme uneinbringlicher Forderungen durch den Fiskus der entwickelten Länder eine saldenmechanische Logik zum Ausdruck kommt, die von der Interdependenz der Protektionismen lebt: Exporteure und mit Importen konkurrierende Branchen möchten gleichzeitig geschützt werden, außerdem die Banken, die den Saldo finanzieren. Der — möglichst subventionierte — Export in die Entwicklungsländer soll keinen Wettbewerbsdruck bei der Einfuhr in den entwickelten Ländern hervorrufen. Soweit der nationale Wohlfahrtsstaat Strukturen konservieren will, gerät er in Konflikt mit Konzepten einer internationalen wohlfahrtsstaatlichen Fürsorge, die darauf abzielen müßte, die Entwicklung ärmerer Länder zu fördern. 26 Der vermeintliche Ausweg besteht in einer Doppelsubventionierung: Die Steuerzahler 24
Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986, Washington D. C. 1986, S. 184, Tab. A. 8. 25 Zu dieser Tendenz: Jan Tumlir, J. M. Keynes and the Emergence of Post-WW2 IEO, Presented at the Conference „Tactics of Liberalization" Madrid, 17-20 March 1983, Manuscript S. 34. 26 Zum Widerspruch von nationalem Wohlfahrtsstaat und internationaler Integration: Wilhelm Röpke, Maß und Mitte, 2. Aufl., Bern und Stuttgart 1979, S. 248 ff.
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der entwickelten Länder sollen zunächst den nationalen Wohlfahrtsstaat und die dazu gehörigen Erhaltungsinterventionen zugunsten umstellungsbedürftiger, aber Konservierung verlangender Strukturen der eigenen Länder finanzieren bzw. daraus entstehende Belastungen tragen. Wenn deswegen die Einfuhren zurückgedrängt werden und darunter die eigene Exportwirtschaft leidet, sollen von denselben Steuerzahlern zusätzlich unentgeltliche Lieferungen an die Entwicklungsländer finanziert werden. Daraus entstehende Budgetprobleme werden kaum wahrgenommen, solange der staatlichen Kreditaufnahme und einer damit verbundenen Vermögensbildungsillusion bei den real Belasteten keine spürbaren Grenzen gesetzt sind. Die Akkumulation des Kapitals, die einst Rosa Luxemburg zu ihren Thesen über Imperialismus und Entwicklungsländer angeregt hatte, wird durch eine Selbstverstärkung wohlfahrtsstaatlicher Defizite ersetzt. Indessen handelt es sich bei diesen Vorgängen um Tendenzen, die sich kaum voll durchsetzen können. Die internationale wohlfahrtsstaatliche Solidarität ist nicht groß genug, um Dauersalden sehr großen Umfanges in der Übertragungsbilanz zuzulassen, soweit sie auf unentgeltlichen Zuwendungen beruhen. Solche Zuwendungen fördern kolonialistische Abhängigkeit, hängen stets von der unsicheren Attitüde der Geberländer ab und können — wie im Falle der Nahrungsmittelhilfe — die Eigenproduktion der Empfängerländer schädigen 27 . Deswegen werden die meisten Entwicklungsländer darauf drängen, Almosen durch Geschäft und einseitige durch wechselseitige Abhängigkeit, das heißt durch Außenhandel, zu ersetzen. Hiermit können sie auf die Dauer mehr gewinnen. Unter Bedingungen weltweiter wirtschaftspolitischer Berechenbarkeit können kleine Länder mit kleinem Binnenmarkt und geringem Einfluß auf die Weltmarktpreise im Regelfall pro Kopf größere Vorteile durch den Außenhandel erlangen als große Länder. Monopolistische Ängste, sich durch ein zu großes Angebot die Preise zu verderben, braucht ein einzelnes kleines Land weniger zu beachten. Allerdings verliert es auch mehr, wenn der Außenhandel wirtschaftspolitisch gestört wird. Kleine Länder, die durch die internationale Arbeitsteilung ein höheres Pro-Kopf-Einkommen erlangt haben oder anstreben, müßten deswegen die natürlichen Anwälte einer gefestigten internationalen Ordnung sein 28 . Für sie hat nicht nur die Höhe der Handelshindernisse eine größere Bedeutung, sondern auch die Unsicherheit, die vom prinzipienlosen Pragmatismus der modernen Außenwirtschaftspolitik hervorgerufen wird; wahrscheinlich ist diese Unsicherheit sogar das größte Handels- und Entwicklungshindernis überhaupt.
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Alarmierend hierzu: Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986, a.a.O. Vgl. Wilhelm Röpke, Internationale Ordnung — heute, 3. Aufl. Bern und Stuttgart 1979, S. 235 ff. 28
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IV. Das Verhalten großer Länder Wirklich spürbar können im Alleingang nur große Länder die Weltwirtschaft stören, weil sie erhebliche Anteile internationaler Märkte beherrschen können und im ganzen über einen wesentlichen Anteil am internationalen Handel der Welt verfügen 29 . Ihnen kommt daher eine besondere Verantwortung für die internationale Wirtschaftsordnung zu 3 0 . Die externen Effekte ihres Verhaltens vor allem für kleinere Länder fallen stark ins Gewicht. Die Logik des kollektiven Handelns, wie sie Mancur Olson entwickelt hat, greift hier in einer wesentlichen Beziehung nicht. Olson behauptet mit guten Gründen, daß sich kleinere Gruppen mit spezialisierten Interessen besser organisieren lassen und daher in der Lage sind, sich bei den politischen Instanzen erfolgreicher durchzusetzen. 31 Staaten können als Gruppen aufgefaßt werden, die politisch organisiert international auftreten können. Hier gilt aber nicht, daß kleinere Gruppen eine bessere Aussicht haben, ihre Gruppenziele auf Kosten von schlechter organisierbaren Großgruppen zu erreichen. Größere Staaten haben organisatorisch keinen systematischen Nachteil in der Wahrnehmung dessen, was sie am Weltmarkt als ihr Interesse ansehen, sondern sind hier im Gegenteil privilegiert. Verhalten sie sich willkürlich, so müssen kleinere Länder dies oft als Datum hinnehmen. Um es mit Alan Peacock auszudrücken: „It is very difficult to remain undisturbed if you are sharing a bed with a restless elephant." 32 Gibt es eine systematische Begründung dafür, daß große Länder durch ihre Wirtschaftspolitik positive oder negative externe Effekte auf die Umwelt ausüben? Denkbar wäre, daß große Länder zwar potent genug sind, um eine stabile und freihändlerische internationale Ordnung durchzusetzen, daß sie aber an dieser Aufgabe deswegen nicht interessiert sind, weil sie über einen sehr großen Binnenmarkt verfügen, der die meisten Vorteile der Arbeitsteilung bieten kann, ohne daß der Außenhandel hierzu unbedingt herangezogen werden muß. Ihre Protektionsinteressenten könnten dann für isolationistische Rücksichtslosigkeit nach außen sorgen. Kleine Länder könnten demgegenüber zwar an einer stabilen und liberalen Weltwirt29 Kleine Länder können bei einzelnen Produkten erhebliche Marktanteile aufweisen, wenn sie spezialisiert sind. Ihr Störpotential ist in der Regel trotzdem gering, weil Substitutionen möglich sind und ihr Einfluß auf die makroökonomischen Stromgrößen der Weltwirtschaft geringer ist. 30 Zur Verantwortung großer Länder: Jan Tumlir, Protectionism. Trade Policy in Democratic Societies, a.a.O., S. 62. 31 Mancur Olson, Jr., Die Logik des kollektiven Handelns, Tübingen 1968, insbesondere S. 32 ff. 32 Alan Peacock, Is There A Public „Problem" in Developed Countries?, In: Public Finance and Public Debt. Proceedings of the 40th Congress of the International Institute of Public Finance. Innsbruck: 1984, Detroit 1986, S. 39.
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schaftsordnung dringend interessiert sind, wären als einzelne aber zu schwach, um sie durchsetzen zu können. Das Interesse am freien und stabilen Welthandel bliebe dann unbeachtet, weil eine sinnvolle Weltwirtschaftsordnung eine Art von öffentlichem Gut wäre, für dessen „Produktion" diejenigen, die es anbieten können, nicht genügend motiviert sind, während es die Motivierten nicht anbieten können. Zum Glück entspricht dieses Bild nicht zwingend der Wirklichkeit. Zunächst kann ein Land mit hohem Anteil am Weltsozialprodukt wie Großbritannien im 19. Jahrhundert deswegen wohlhabend geworden sein, weil es die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung ausgenutzt hat. Ob sich unter solchen Bedingungen eine Ausbeutungsstrategie, etwa nach dem Muster der Optimalzolltheorie, langfristig erfolgreich betreiben läßt, ist zweifelhaft. 33 Dies gilt sogar, wenn eine Gegenmacht der Handelspartner sich nicht organisieren läßt, sei es, weil deren Zahl zu groß ist und deren Interessen zu heterogen sind, sei es, weil die betreffende Weltmacht das Entstehen von Gegenmacht verhindern kann. Jede monopolistische Verteuerung der Exporte eines solchen Landes wirkt nämlich wie eine allgemeine Subvention für die Konkurrenzindustrien der Partnerländer, die damit dauerhaft höhere Marktanteile erlangen. Wie im binnenwirtschaftlichen Wettbewerb kommt es weniger auf die augenblicklichen Spezialisierungsmuster an als auf die Entwicklungen, die durch ein bestimmtes Verhalten in Gang gebracht werden. Großbritannien war klug genug, die Erfahrungen mit der napoleonischen Kontinentalsperre im wesentlichen nicht durch eine eigene generelle Handelssperre zu repetieren. Es sah vielmehr den Aufstieg der damaligen Entwicklungsländer als unvermeidlich an und bemühte sich, dabei durch Lieferung von Technologie und Kapital kräftig zu verdienen 34 . Ein großes Land kann demnach an der Handelsfreiheit interessiert sein, weil es erst durch sie zu einem wirtschaftlich potenten Land geworden ist. Aber auch ein Land mit größerer Autarkiefähigkeit wie die USA wird nicht mit Notwendigkeit sein Interesse darin finden, durch seine Außenwirtschaftspolitik negative Effekte bei seinen Handelspartnern hervorzurufen. Zwar können in einem solchen Land die Hersteller von Importsubstituten 33 Soweit das große Land über marktbeherrschende Exporteurè verfügt, ist ein denkbarer Ausbeutungsvorteil bereits privatwirtschaftlich weitgehend internalisiert und muß nicht mehr nachträglich von der Regierung handelspolitisch simuliert werden, es sei denn, sie hat den betreffenden Firmen ein monopolistisches Verhalten durch ihre Wettbewerbspolitik wirksam untersagt. Die Informationsmängel der Regierung sind im übrigen kaum zu überwinden. 34 Alfred Marshall, Industry and Trade, London 1923, S. 26, weist darauf hin, daß kleine Länder zwar höhere Außenhandelsanteile aufweisen, große Länder aber leichter eine industrielle Führungsposition erlangen und neue oder bessere Produkte an den Weltmarkt bringen können.
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politischen Einfluß gewinnen und den Wettbewerbsimpuls einschränken wollen, den Einfuhren hervorrufen. Auf der anderen Seite kann aber die Intensität des internen Wettbewerbs schon so stark sein, daß die Zurückdrängung der Einfuhren keine große Erleichterung bringt, es sei denn bei sehr rückständigen und vermachteten Branchen. Vieles hängt auch davon ab, ob die Lobby der Exportwirtschaft und der Nachfrager von Importgütern (etwa Produktionsmitteln) schwächer ist als die Organisation der Importprotektionisten. Spektakuläre Einzelfälle dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß global von einer Abnahme der amerikanischen Einfuhren keine Rede sein kann und das Defizit der amerikanischen Leistungsbilanz, wie es sich in den letzten Jahren aufgetürmt hat, im wesentlichen durch eine Zunahme der Einfuhren von Waren und Dienstleistungen und nicht durch einen Rückgang der amerikanischen Ausfuhren zustande gekommen ist 3 5 . Amerika hat sich nicht vom Weltmarkt zurückgezogen. Es gibt zusätzliche Gründe, weshalb dies nicht im amerikanischen Interesse läge: 1. Die USA sind ein großer Freihandelsraum, dessen interne Regulierungen nicht stark genug sind, um den Wettbewerb innerhalb des nationalen Wirtschaftsgebietes wirklich fühlbar zu beschränken. Wenn in der Außenwirtschaftspolitik allzu großzügig dirigistisch-monopolistische Verfahren angewandt werden würden, könnten die für die Binnenwirtschaft geltenden ordnungspolitischen Regeln ausgehöhlt werden 36 . Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen kann aber das in der Binnenwirtschaft herrschende Freihandelsprinzip nicht unmittelbar in Frage gestellt werden. Die Interdependenz der Ordnungen, von der Walter Eucken gesprochen hat 3 7 , gilt aus technischen Gründen auch für das Verhältnis von Außenhandels- und Binnenhandelspolitik: Ein großer Freihandelsraum kann nach außen nur unter Schwierigkeiten dirigistisch sein, wenn er sein internes Regime nicht gefährden will; ein Versuch doppelter Rechtsordnung und doppelter Moral, wonach gegenüber Ausländern vieles erlaubt bleibt, was gegenüber Inländern verboten worden ist, kann nicht ohne negative Folgen für das Rechtsbewußtsein und die Rechtspraxis im Verkehr zwischen Inländern bleiben. 2. In den USA ist trotz des geringeren Anteils des Außenhandels am Bruttosozialprodukt der Anteil an Märkten mit internationalem Preiskontakt wesentlich größer. Das heißt, daß sich die amerikanische Wirtschaft längst an eine größere internationale Offenheit gewöhnt hat. 38 35
IMF, Balance of Payments Statistics, Vol. 37, Yearbook Part 1, 1986, S. 697. Vgl. Richard E. Caves, Commentary, in: Challenges to a Liberal Economic Order, a.a.O., S. 360 f. 37 Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Bern, Tübingen 1952, S. 14 ff., 304 ff., 332 ff. und passim. 38 Vgl. Gerard und Victoria Curzon, The Management of Trade Relations in the 36
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3. Soweit wirklich ein Einfluß der USA auf ihre Terms of Trade bestünde, müßten Handelsbeschränkungen zum Schutze von Inlandsproduzenten stärker dosiert werden. Denn die ausländischen Lieferpreise würden nachgeben. Soweit Aufwendungen zur Erschließung des Marktes bei heterogenen Produkten gemacht worden sind oder Oligopole bestehen, werden ausländische Lieferanten ihre Anteile am amerikanischen Markt durch Preiskonzessionen zu verteidigen suchen. Die amerikanischen Importprotektionisten könnten ihr Ziel dann nur mit Kontingenten wirklich eindeutig erreichen 39 . 4. Das außenpolitische Interesse der USA, etwa an der Übernahme von Verteidigungslasten durch europäische Verbündete, könnte gefährdet werden, wenn eine handelspolitische Desintegration der USA ernsthaft betrieben werden würde. Soweit — meist illusorische — Konzepte für verteidigungspolitische Alleingänge beiderseits des Atlantik propagiert und im Wege des außenpolitischen Free-riding von kleineren Mächten eine Neutra lisierungs- und Schaukelpolitik betrieben wird, könnte sich allerdings auch die amerikanische Außenhandelspolitik im Sinne protektionistischer Reziprozität verändern. 40 Die Macht mit dem größten Anteil am Welthandel ist jedoch inzwischen die Europäische Gemeinschaft, und zwar selbst dann, wenn man ihren Binnenhandel herausrechnet. 41 Die angeführten Tendenzen, die auch ein großes Wirtschaftsgebiet zu einer offenen Außenwirtschaftspolitik drängen, lassen sich für die EG nur mit sehr großen Einschränkungen feststellen. Dies liegt an der verfassungsrechtlichen Fehlkonstruktion der Europäischen Gemeinschaften: Die Herstellung eines wirklichen gemeinsamen Marktes im Inneren des Gemeinschaftsgebietes mit wirklich binnenmarktgleichen Verhältnissen ist wegen der Ausnahmebestimmungen der EG-Verträge und vor allem wegen der Unmöglichkeit, nationale Dirigismen zu harmonisieren, GATT, in: International Economic Relations of the Western World 1959-1971, ed. by Andrew Shonfield, Vol. 1, London, New York, Toronto 1976, S. 199. 39 Paul E. Godek, The Politically Optimal Tariff: Levels of Trade Restrictions across Developed Countries, in: Economic Inquiry, Vol. XXIV, 1986, S. 589, glaubt festgestellt zu haben, daß Kontingente mit der absoluten Größe einer Volkswirtschaft positiv korreliert sind. 40 Mancur Olson, Jr. und Richard Zeckhauser, An Economic Theory of Alliances, The Review of Economics and Statistics, Vol. XL VII, 1966, S. 266-279, haben festgestellt, daß größere Staaten einen höheren Anteil an gemeinsamen Verteidigungslasten tragen; wenn die technische Möglichkeit entsteht, daß sich die USA ohne Allianz verteidigen können, verschwindet die in Ziffer 4 genannte Hemmung der amerikanischen Handelspolitik durch die übrige Außenpolitik. Innerhalb einer europäischen Restallianz würde sich das Free-rider-Problem kaum entschärfen. 41 Vgl. GATT, International Trade, 1984/85, Tab. A 29, Network of World Trade 1963, 1973, 1979-83.
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stecken geblieben. Die dirigistische „gemeinsame" Agrarpolitik ist, gemessen an allen vernünftigen Erfolgsmaßstäben, gescheitert 42 , die gemeinsame Verkehrspolitik nicht zustande gekommen, ein gemeinsamer Markt für Dienstleistungen und Kapital besteht nur in Ansätzen, die Steuergrenzen sind nicht aufgehoben und von einer gemeinsamen Währung kann trotz (oder wegen) des Europäischen Währungssystems nicht gesprochen werden 4 3 . Der Mangel an Endgültigkeit in der marktwirtschaftlichen Ordnung der EG hat ihre innere Ordnung nicht so zu festigen erlaubt, daß die Gemeinschaft ähnlich wie die USA aus innenpolitischen Gründen ein hinreichendes Liberalisierungsinteresse nach außen zeigt. Vielmehr ist die Liberalisierungsneigung der einzelnen EG-Länder dadurch korrumpiert worden, daß sie die Großgruppe der Gemeinschaft zugunsten nationaler Pressure Groups ausbeuten können. Dies ergibt sich aus der Entscheidungsstruktur der EG. Die wesentlichen Entscheidungen trifft der Ministerrat, ein Gremium, dessen Mitglieder dem Druck nationaler Wirtschaftsgruppen unterworfen sind. Außerdem betonen die EG-Behörden die dirigistischen gegenüber den marktwirtschaftlichen Elementen des EWG-Vertrages, um mehr gemeinsame Zuständigkeiten erlangen zu können. Die EG tritt infolgedessen weltwirtschaftlich nicht als Freihandelskartell auf. Vielmehr kumulieren sich bei ihr vielfach die nationalen Protektionswünsche und die Lenkungsbestrebungen der gemeinsamen Organe, weil auf diesem Wege am leichtesten eine Einigung erzielt werden kann.
V. Anforderungen an das GATT und die nationale Wirtschaftspolitik Es ergibt sich also, daß eine Liberalisierung des Welthandels nicht von den autonomen Entscheidungen der Einzelstaaten erwartet werden kann, solange sie nicht an Verhaltensregeln gebunden werden. Ist deshalb die Erstellung eines Regelwerkes wie des GATT als Produktion eines knappen öffentlichen Gutes anzusehen? Dies hängt davon ab, ob das, was mit diesem Regelwerk erreicht werden soll, ohne zusätzlichen Aufwand öffentlicher Instanzen nicht bewirkt werden könnte, nämlich der freie Austausch von Gütern über die Landesgrenzen hinweg. Mögliches Ziel könnte sein, daß binnenmarktgleiche Verhältnisse auch im Außenhandel herrschen sollen. Dann brauchten nur die Regeln auf den Außenhandel angewandt zu werden, die für die Binnenwirtschaft ohnehin aufgestellt worden sind. In diesem Falle entsteht für den Wirtschaftsverkehr zwischen effizienten Marktwirtschaften 42
Vgl. Wolfram Engels u. a., Kronberger Kreis, Verordnete Verschwendung? Für eine Neue Agrarordnung in Europa, Stuttgart 1985. 43 Vgl. Hans Willgerodt, Ziele einer Europäischen Währungsunion — Die Irrwege des EWS, in: Hans-Eckart Scharrer, Wolfgang Wessels (Hrsg.), Das Europäische Währungssystem, Bonn 1983, S. 51-86.
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durch die Freiheit des internationalen Austausche keinerlei beachtlicher Regelungsaufwand öffentlicher Instanzen. Es würde genügen, die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in Anspruch zu nehmen und jeweils anzugeben, nach welcher Rechtsordnung sich das jeweilige Geschäft richten soll. Ein Sonderrecht für internationale Geschäfte mit öffentlich-rechtlicher Dominanz wäre überflüssig, zumal alle funktionsfähigen Marktwirtschaften eine ähnliche Struktur ihres Rechtssystems aufweisen. Die in jeder Marktwirtschaft bestehende binnenwirtschaftliche Freiheit des Tausches würde auf internationale Geschäfte angewandt, ein GATT wäre überflüssig. Warum besteht es dann, wo doch die meisten GATT-Mitglieder vollständigen inneren Freihandel kennen und diejenigen, die ihn nicht kennen, eigentlich in dieses Abkommen nicht hineinpassen? 44 Das GATT besteht nicht, weil der Freihandel ein öffentliches Gut wäre, sondern deswegen, weil es wie eine Art von politischer Umweltverschmutzung den Protektionismus gibt. Dieser ist ein öffentliches Gut für seine Nutznießer, das mit hohen Kosten von der öffentlichen Hand hergestellt wird, wobei die Geschädigten gegen ihren Willen die Erstellung dieses Ungutes finanzieren müssen. Die insgesamt entstehenden Kosten sind, von extremen Ausnahmefällen abgesehen, stets höher als der zugewandte Vorteil. Ohne öffentliche Intervention, aber bei Aufrechterhaltung der für den inneren Freihandel notwendigen Rechtsordnung wäre eine Behinderung des Außenhandels nicht möglich. Vorausgesetzt wird dabei, daß der Staat sein Gewaltmonopol wirksam durchsetzen kann und es gelingt, die Privaten daran zu hindern, eigene Handelsschranken an die Stelle der früheren staatlichen Handelshindernisse zu setzen. Zu Unrecht wird gegen die Durchsetzbarkeit solcher Verhaltensregeln eingewandt, der Freihandel bringe vielen einen kleinen Vorteil, der nicht spürbar sei, der Protektionismus dagegen einigen wenigen einen großen Vorteil 4 5 . Diese These verkennt, daß es sich heute um ein viele Branchen erfassendes protektionistisches System handelt, nicht um einen isolierten Einzelzoll eines im übrigen freihändlerisch gesonnenen Landes in einer Welt des Freihandels. Wenn sich protektionistische Schutzsysteme innerhalb einer Volkswirtschaft immer mehr ausbreiten, entstehen der Mehrheit sichere und große Nachteile. Ob einer Minderheit überhaupt noch irgendwelche Nettovorteile zugute kommen, wird immer fraglicher. Man gewinnt zwar noch an der Protektion zugunsten der eigenen Branche, verliert aber 44 Vgl. Helmut Gröner, Zur Meistbegünstigungsgewährung durch Staatshandelsländer — Die Frage der GATT-Mitgliedschaft von RGW-Ländern, in: Außenwirtschaftspolitik und Stabilisierung von Wirtschaftssystemen, hrsg. v. Alfred Schüller und Ulrich Wagner, Stuttgart und New York 1980, S. 233-248. Wenig überzeugend dagegen: Eliza Patterson, Improving GATT Rules for Nonmarket Economies, Journal of World Trade Law, Vol. 20, March : April 1986, S. 185-205. 45 Vgl. im Anschluß an P. A. Samuelson Richard Senti, GATT . . ., a.a.O., S. 65.
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immer mehr am Protektionismus zugunsten anderer Branchen. Der Kampf um den relativen Vorteil wird zum Minus-Summenspiel für alle 46 . Hiervon abgesehen ist die Annahme falsch, daß Behinderungen der Einfuhr nicht sofort und spürbar auch bei wenigen Geschädigten große Nachteile hervorrufen. Die Schadenverdünnungsthese gilt im wesentlichen nur für Behinderungen der Konsumgütereinfuhr, aber selbst hier nur mit großen Einschränkungen. Der Direktbezug von Waren aus dem Ausland durch den Verbraucher gehört zu den Ausnahmen, wenn vom kleinen Grenzverkehr abgesehen wird. Die meisten Importgüter des Konsumbereichs sind eine Art von wichtigem komplementärem Produktionsmittel für den Handel, der sie gemeinsam mit seiner dem Werte nach erheblichen Leistung an den Markt bringt. Bei einer Importbehinderung, die makroökonomisch zu Buche schlägt, ist es im übrigen immer die gesamte Exportwirtschaft des protektionistischen Landes, die unmittelbar geschädigt wird, und zwar nicht in verdünnter Konzentration. Das GATT hat demnach die Funktion, die Produktion eines öffentlichen Ungutes herabzusetzen, und zwar sollen dies dieselben staatlichen Instanzen tun, die dieses Ungut verschuldet haben. A m ehesten ist dies noch in den Fällen zu erwarten, in denen getroffene Maßnahmen den Interessenten keinen Vorteil bieten, weil sie vom Ausland durchkreuzt worden sind. Bei dem sich dann anbietenden Verfahren wechselseitiger Abrüstung besteht jedoch die Gefahr, daß der Protektionismus lediglich rationalisiert, aber nicht wirklich abgebaut wird. Außerdem erlangen im Außenhandel unbedeutende Länder bei diesem Verfahren kaum Konzessionen, weil ihr Protektionismus die Umwelt weniger geschädigt hat, sie also in Abrüstungsverhandlungen nur wenig anzubieten haben. Die Neigung ist ohnhin verbreitet, die in den dreißiger Jahren im Übermaß gesammelten Erfahrungen mit dem Bilateralismus zu vergessen 47 . Man wendet bilateral Schutzklauseln des GATT selektiv an, und zwar gegenüber besonders wichtigen und potenten, also die Ruhe etablierter Produzenten störenden Lieferanten. In den USA ist es zu einer Wiederentdeckung der beschränkten Meistbegünstigung gekommen 48 ; sogar ein deutscher Autor 4 9 entdeckt einen angeblich bilateralen Charakter flexibler Wechselkurse und leitet daraus in Verkennung der 46
Zur Selbstaufhebung staatlicher Schutzmaßnahmen im allgemeinen vgl. Hans Willgerodt, Staatliche Hilfen in einer Marktwirtschaft, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 33. Jahrgang, 1084, s! 59-75. 47 Zu den Gefahren des Bilateralismus vgl. Albert O. Hirschman, National Power and the Structures of Foreign Trade, zuerst 1945, Berkeley und Los Angeles 1969. 48 Gary C. Hufbauer, Should Unconditional MFN Be Revived, Retired or Recast?, in: Issues in World Trade Policy, GATT at the Crossroads, ed. by R. H. Snape, Houndmills, Basingstoke, Hampshire, London 1986, S. 32-54. 49 Heiner Flassbeck, Freihandel, GATT und das internationale Währungssystem, Tübingen 1985, S. 40 ff.
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Multilateralität des Zahlungs- und Handelsverkehrs eine Rechtfertigung für bilaterale Handelspolitik ab. Wahrscheinlich ist also Skepsis gegenüber dem Rezept angebracht, nur die Merkantilisten aller Länder ihre jeweiligen protektionistischen Geiseln austauschen zu lassen. Es muß mehr geschehen, damit eine wirkliche Liberalisierung des Welthandels ohne Strukturverzerrungen zustande kommt. Vor allem aber müssen für eine solche Befreiung des Welthandels Interessen mobilisiert werden, auf die sich die Politik stützen kann. In Ansätzen ist dies durch das Klagerecht Privater beim Europäischen Gerichtshof innerhalb der Europäischen Gemeinschaft schon geschehen.50 Einzelpersonen sollten das Recht erhalten, gegen die Regierungen wegen Verletzung eingegangener Liberalisierungsverpflichtungen gerichtlich vorzugehen. Aus der EG-Kommission hört man freilich, sie sei „sehr glücklich" darüber, daß der Europäische Gerichtshof eine Direktwirkung des GATT als innergemeinschaftliches Recht zurückgewiesen habe. 51 Immerhin gab es zunächst auch eine andere und rechtspolitisch zweifellos aufgeklärtere italienische Rechtsauffassung 52. Bei der Brüsseler Behörde scheint man die Rechtstradition der uneingeschränkten nationalen Souveränität auf die Ebene der EG übertragen zu wollen, um zusätzliche Merkmale der Staatlichkeit für die EG, die kein Staat ist, erwerben zu können. Aber solche Tendenzen eines Juristenprotektionismus werden sich gegenüber den Kräften des freien Wirtschaftsverkehrs als zu schwach erweisen. Die Staaten selber sind ja Freihandelsräume, und die Tatsache, daß es möglich gewesen ist, solche nationalen Freihandelsräume über Staatsgrenzen hinweg im Rahmen der EG in fester Form erheblich zu vergrößern, ist ein Zeichen dafür, daß es starke Interessen geben muß, solche Freihandelsräume zu bilden. Eine ausreichende Kompensation durch um so stärkere Abschließung nach außen ist nicht ohne weiteres zu finden. Viele, aber nicht alle protektionistischen Wünsche an die EG sind in Erfüllung gegangen. Die EG hat in ihrer Startphase eine im wesentlichen liberalisierende Periode durchlaufen. Freihandelsinteressen sind also mobilisierbar, und zwar um so eher, je mehr die übrige Wirtschaftspolitik für günstige Wachstums- und Konjunkturbedingungen sorgen kann. Die Liberalisierung der Außenwirtschaft ist selber eine der hierfür günstigen Bedingungen. Die politische Durchsetzbarkeit einer Liberalisierung könnte dadurch vergrößert werden, daß eine Reform des Wohlfahrtsstaates vor allem in den 50
Art. 173 Abs. 2 und Art. 175 Abs. 3 EWG-Vertrag. Claus Dieter Ehlermann, Die innergemeinschaftliche Anwendung der Regeln des GATT in der Praxis der EG, in: Meinhard Hilf, Emst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), GATT und Europäische Gemeinschaft, Baden-Baden 1986, S. 216. 52 Massimo Panebianco, Die Anwendung des GATT im italienischen Recht, in: Meinhard Hilf, Ernst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), GATT und Europäische Gemeinschaft, a.a.O., S. 313-323. 51
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europäischen Ländern eingeleitet wird. Maßnahmen der sozialen Hilfe müßten von Brancheninteressen abgekoppelt werden und sich stärker nach der wirtschaftlichen Situation jedes einzelnen Betroffenen richten. Wenn überhaupt noch Branchenpolitik als Subventionspolitik getrieben werden soll, dann müßten staatliche Zahlungen im Zeitablauf degressiv geleistet und stärker von Anpassungen abhängig gemacht werden. Die preispolitischen Signale des Strukturwandels müßten zugelassen werden. In vielen Staaten machen sich seit längerer Zeit marktwirtschaftliche Liberalisierungstendenzen bemerkbar, die von innen nach außen wirken. Es ist deshalb keineswegs aussichtslos, daß sich eine Koalition von Ländern bildet, die sich vertraglich an härtere Regeln bindet, als sie das GATT bisher vorschreibt. 53 Bei entsprechender Belebung von Bestimmungen des EWGVertrages und Zurückdrängung seiner Ausnahmeklauseln könnte sogar die EG eine solche Koalition darstellen. Länder einer solchen Liberalisierungskoalition könnten sich vertraglich verpflichten, auf die Anwendung von Ausweichklauseln des GATT zu verzichten, insbesondere keine Kontingente, Selbstbeschränkungsabkommen, Orderly Marketing Agreements und dergleichen mehr anzuwenden und aus Zahlungsbilanzgründen keine Handelsbeschränkugen mehr einzuführen. Außerdem könnten diese Länder solche Bestimmungen zum unmittelbar geltenden Recht innerhalb ihres Staatsgebietes machen. Ohne Bereitschaft zur ordnungspolitischen Reform in der Binnenwirtschaft ist jedoch nicht zu erwarten, daß die Außenhandelspolitik ihren bisherigen merkantilistischen Charakter ändert.
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Vorschläge in dieser Richtung hat vor allem Jan Tumlir gemacht: Jan Tumlir, Protectionism . . ., a.a.O., S. 62.
Zusammenfassung der Diskussion (Referat Willgerodt)
Die Diskussion beginnt mit Anmerkungen zum amerikanischen Leistungsbilanzdefizit. Willgerodt habe in sehr deutlicher Art gesagt, diese Diskussion sei eigentlich völlig müßig. Krupp akzeptiert dies in bezug auf die kurzfristige Diskussion; in bezug auf ein sich auf längere Sicht abzeichnendes Leistungsbilanzdefizit sei diese Auffassung jedoch erläuterungsbedürftig. Willgerodt führt dazu aus, die Leistungsbilanz der USA sei ein Ergebnis der amerikanischen Innen- und Finanzpolitik. Die Diskussion um das Leistungsbilanzdefizit setze am falschen Hebel an, und das habe zu verheerenden Konsequenzen in der amerikanischen Außenwirtschaftspolitik geführt. Man versuchte nämlich, durch selektive Interventionismen das Leistungsbilanzdefizit zu korrigieren. Solange aber die makroökonomischen Größen — Budgetdefizit, interne Ausgaben für Investitions- und Konsumzwecke — einen Saldo haben, der nur durch das Außenwirtschaftsdefizit gedeckt werden kann, sei das Problem nicht gelöst. Er leugne also keineswegs, daß es ein Problem gibt. Das Problem sei aber nicht das Leistungsbilanzdefizit selbst. Entscheidend sei vielmehr, daß die verantwortungslose Budgetpolitik in Amerika zurückgefahren werden und die übrigen Kreislaufgrößen eine geringere Inlandsabsorption ergeben sollten. Man habe zwar den Versuch einer Selbstbindung des Kongresses erlebt, und es sei zu hoffen, daß ein solcher Versuch Erfolg hat. Bisher sei davon jedoch noch nicht viel zu spüren. Es sei ja absurd, daß eine Volkswirtschaft wie die der USA Güter der übrigen Welt ständig an sich sauge und dann auch noch Konsumzwecke stark betont würden. Franzmeyer schneidet das Problem an, daß in der EG die dirigistischen Regelungsmechanismen gegenüber den marktwirtschaftlichen Regelungsmechanismen betont würden. Willgerodt habe dies als eine EG-verfassungsrechtliche Fehlkonstruktion bezeichnet. Der EG-Vertrag lege die Mitgliedstaaten auf eine liberale Wirtschaftspolitik nach innen, aber auch nach außen fest. Diese Politik könne aber nicht immer durchgesetzt werden. Es stelle sich die Frage, ob das an einer latent schon immer vorhanden gewesenen Dominanz bürokratischer Ansätze in der EG liege oder ob sich die EG nicht gegen Regelungen durchsetzen könne, die in den Nationalstaaten existieren. Es gebe ja in den Nationalstaaten viele Bereiche mit einer hohen 3 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
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Zusammenfassung der Diskussion
Regelungsdichte. Mit dem Harmonisierungsansatz sei versucht worden, hier Ausgewogenheit herbeizuführen. Das sei sicherlich gescheitert. Nun gebe es im Rahmen der Bestrebungen, den gemeinsamen Binnenmarkt bis 1992 zu vervollkommnen, eine radikale Kehrtwende gerade in der Frage der Harmonisierung von Normen, Standards und dergleichen. Dabei stehe im Vordergrund, was auch Willgerodt propagiert habe, nämlich daß man sozusagen den Markt die Standards finden lassen solle; die besseren Standards würden sich im Zweifel durchsetzen. Das sei auch in dem Papier des Beirats so zum Ausdruck gebracht worden. Franzmeyer bezweifelt allerdings, daß dieser Ansatz durchgängig erfolgversprechend sei. Der Markt könne die Standards von Produkten (Qualitätsstandards) sicherlich befriedigend regeln. Im Hinblick auf Verfahrensfragen spielten jedoch auch externe Effekte eine Rolle. Wenn ζ. B. in dem einen Land strenge und in dem anderen Land schwächere Umweltauflagen gemacht würden, sei eine entsprechende Umlenkung der Investitionen abzusehen. Dennoch sei wohl festzustellen, daß mit dem neuen Ansatz zur Vervollkommnung des Binnenmarktes auch eine qualitative Kehrtwende in der EG-Politik eingesetzt habe und daß nunmehr versucht werde, den marktwirtschaftlichen Verfassungselementen doch stärker zum Durchbruch zu verhelfen. In seiner Erwiderung geht Willgerodt auf die ordnungspolitische Frage ein: Es sei juristisch lange Zeit umstritten gewesen, dann aber von Juristen wie Zuleeg, Ipsen usw. herausgeschält worden, daß eine zentrale Verwaltungswirtschaft mit dem EWG-Vertrag unvereinbar wäre. In juristischen Kreisen habe das Erstaunen hervorgerufen; am Anfang habe das nicht allgemein festgestanden. Leider seien aber so viele Ausnahmebestimmungen in den EWG-Vertrag eingearbeitet worden, daß im Augenblick in vielen Bereichen ein dirigistischer Zustand zu verzeichnen sei. Er habe mit seiner Bemerkung auch provokativ wirken wollen und freue sich über die Gegenwehr. Schließlich habe es in den vergangenen Jahren — etwa unter Marjolin und anderen — noch Bestrebungen gegeben, eine europäische Investitionslenkung einzuführen. In dem Streit zwischen Hallstein und Ludwig Erhard sei es darum gegangen, welche Ordnung in der EWG herrschen sollte. Hallstein war Jurist, und die Juristen seien überwiegend der Meinung gewesen, eine zentrale Verwaltungswirtschaft sei mit dem EWG-Vertrag vereinbar. Erst jetzt seien viele zu der Auffassung gekommen, daß diese mit den Einzelbestimmungen des EWG-Vertrages nicht vereinbar wäre. Der Hauptgrund für diesen Wandel sei, daß man in Frankreich eine wirtschaftspolitische Kehrtwende vollzogen habe, ebenso wie vielleicht auch in Großbritannien. Aufgrund dieser Gegebenheiten bestehe die Chance, daß die EG jetzt wirklich eine Wende vollzieht.
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Schon seit ungefähr 15 Jahren gebe es allerdings ununterbrochen Ankündigungen, daß man den Gemeinsamen Markt herstellen wolle. Die Lektüre des Buches von Victoria Curzon Price über „Industrial Policies in the European Community" und das, was in der Europäischen Gemeinschaft an sogenannter Industriepolitik von der Brüsseler Zentrale aus geschehen sei, mache deutlich, daß gegenüber den Brüsseler Behörden immer noch eine ganz erhebliche Skepsis berechtigt sei. Auch die Äußerungen von de Clercq auf der Konferenz von Punta del Este seien bedenklich gewesen. Herr de Clerq, den man mit der Außenwirtschaftspolitik beauftragt habe, habe wörtlich folgendes ausgeführt — und dies in unterschiedlichen Versionen mehrfach wiederholt — : „Während unsere grundlegenden gemeinsamen Politiken und Mechanismen..." — in der Agrarpolitik — . . . „nicht zur Verhandlung anstehen, wird die Landwirtschaft offen und ehrlich in der Uruguay-Runde angesprochen werden ...". Weiter müsse betont werden: Ohne daß dieser national — übrigens auch in Amerika und in Japan — existierende Dirigismus der Agrarpolitik zur internationalen Disposition gestellt werde, sei eine Lösung der weltweiten agrarpolitischen Handelsprobleme nicht denkbar, es sei denn, daß man die EG-Agrarpolitik auf die Weltebene übertrüge. — Es gäbe dann bei Milchpulver usw. die berühmten „Berge" von Überschüssen auf Weltebene statt auf europäischer Ebene. Es lägen Vorschläge auf dem Tisch, die EG-Agrarpolitik — mit den Rohstoffabkommen, dem Correa-Plan und dergleichen — weltweit durchzuführen. „Davor hüte uns Gott!" Sein — Willgerodts — Mißtrauen gegenüber den Brüsseler Behörden sei — durch Erfahrung gewitzt — immer noch sehr groß. Er leugne nicht, daß Narjes bei der Harmonisierung sehr verdienstvolle Arbeit leiste. Er habe einen Harmonisierungsbedarf in seinem Vortrag auch nicht geleugnet. Es sei interessant, den gemeinsamen Markt der USA mit dem gemeinsamen Markt der EG zu vergleichen. Das sei im übrigen bereits mehrfach geschehen (z. B. durch Scitovsky). Bei dem Vergleich stelle sich z.B. heraus, daß seit der Gründung der Union in der amerikanischen Verfassung eine Inter-State Commerce Clause existiere, wonach die einzelnen Staaten unter keinen Umständen berechtigt sind, irgendwelche Handelsschranken gegeneinander einzuführen. Man möge dies einmal auf den Bereich der EG übertragen, wo die Grenzen nach wie vor bestünden. In Amerika sei in der Verfassung ausdrücklich festgelegt, daß die Staaten für den Handel untereinander auch keine Sondersteuern erheben dürfen. Es gebe zwar ein paar Ausnahmen, aber diese spielten praktisch keine Rolle. Sobald die einzelnen Staaten in den USA versuchen wollten, eine selbständige Handelspolitik zu betreiben, würde dies durch die Union unterbunden.
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In der EG sei man dagegen noch immer nicht so weit, daß Gemeinschaftsrecht Landesrecht bricht. Der tiefere Grund für dieses verfassungsmäßige Grundproblem liege darin, daß die EG eben kein Staat sei. Es bleibe also nur die Möglichkeit, daß die einzelnen Staaten sich zu marktwirtschaftlichen Konzepten durchringen, um die Relevanz der Landesgrenzen zu vermindern. Anknüpfend an einen Vorschlag von Tumlir und anderen rät Willgerodt, die Möglichkeit zu schaffen, daß sich der einzelne Bürger unmittelbar an den Europäischen Gerichtshof wenden kann, um das protektionistische Verhalten der EG unter Anklage zu stellen. A n den Europäischen Gerichtshof könnten sich glücklicherweise grundsätzlich nicht nur Staaten, sondern auch die einzelnen Bürger wenden. Diese Möglichkeiten müßten noch weiter ausgebaut werden. Man könne dann noch einen Schritt weitergehen und etwa bestimmte Freihandelsregeln des Völkerrechts und des GATT für die Einzelpersonen einklagbar machen. Auf einer Konferenz in Bielefeld über das GATT habe der maßgebende Rechtsberater der EG, ein deutscher Jurist, erklärt, die Kommission sei außerordentlich froh, daß der Europäische Gerichtshof verkündet habe, der einzelne Bürger innerhalb der EG könne sich nicht auf die Freihandelsregeln des GATT unmittelbar berufen. Das bedeute, daß die EG-Juristen einen Juristenprotektionismus betreiben. Die Juristen sprächen ja nicht mit Ökonomen, allenfalls einmal nebenbei. Sie seien froh, daß sie ihren deutschen staatsrechtlichen Souveränitätsbegriff wie eine Monstranz vor sich hertragen können. Ähnliches gelte für die Brüsseler Juristen; sie wollten nicht, daß die völkerrechtliche Verbindlichkeit des GATT oder ähnlicher Verträge unmittelbar im nationalen Recht wirkt. Die italienischen Gerichte hätten in dieser Hinsicht über eine lange Zeit sehr viel aufgeklärter gehandelt und dem GATT unmittelbare Rechtswirkung für das inneritalienische Recht zugestanden. Sie seien erst durch den Europäischen Gerichtshof zurückgepfiffen worden. In seiner Wortmeldung schickt von Dewitz voraus, daß er ein gelernter Jurist ist — allerdings nach den langen Jahren des Dienstes im Bundeswirtschaftsministerium wohl etwas ins Ökonomische korrumpiert. Er stellt zunächst fest, es gäbe bei den Maßnahmen, die den Handel beeinflussen, in der Tat eine Verlagerung von den klassischen, an den Grenzen wirksamen Maßnahmen — Zölle und mengenmäßige Beschränkungen — hin zu Maßnahmen, die auf den Binnenmärkten ansetzen — technische Handelshemmnisse und Normen seien bereits erwähnt worden. Als eine weitere wichtige Maßnahme seien Subventionen zu nennen. Man könne sagen, daß die Maßnahmen, die an den Grenzen wirken, immer noch eine gewisse Bedeutung haben, daß diese Maßnahmen aber trotz des bedauerlicherweise noch vorhandenen relativ großen Restbestandes — weniger bei Zöllen, wohl aber
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bei mengenmäßigen Beschränkungen — in ihrer Bedeutung insgesamt zurückgegangen seien. Größere und für die Zukunft auch gefährlichere Bedeutung hätten die Maßnahmen, die auf den Binnenmärkten ansetzten und wirksam würden. Sie seien in mehrfacher Hinsicht besonders gefährlich: Zum einen, weil sie verschleiert seien und sich dadurch relativ weitgehend dem Zugriff entzögen. Ihre Gefährlichkeit werde dadurch verstärkt, daß man — zu Recht oder zu Unrecht — Gründe anführen könne, die ihre Existenz rechtfertigten. Zu erwähnen seien beispielsweise der Regulierungsbedarf und Normen, die Schutzziele verfolgten. Ähnliches gelte für Subventionen. Harmonisierung und Regulierungsbedarf stünden auf der einen Seite, auf der anderen Seite gäbe es unzweifelhaft sehr stark handelshemmende Auswirkungen. Bei dem Handel mit Dienstleistungen sei man im Rahmen der GATT-Runde inzwischen so weit vorangekommen, daß man — im Dienstleistungsbereich sei der Regulierungsstand besonders ausgeprägt und extrem — Deregulierung mit Liberalisierung gleichsetze und umgekehrt. Bei der Liberalisierung sei Deregulierung erstes Gebot. Er sei auch mit dem einverstanden, was über die Wechselbeziehung zwischen dem Abbau insbesondere von Zöllen, dem Abbau der Maßnahmen, die an den Grenzen wirksam sind, und den Subventionen gesagt wurde. Die Bedeutung der Subventionen als Quelle handelspolitischer Konflikte sei jetzt schon außerordentlich groß und werde in Zukunft noch wachsen. Im handelspolitischen Bereich sei im Blick auf die Zukunft dem Subventionsmißbrauch jetzt schon eine prioritäre Bedeutung beizumessen. Die Eingrenzung von Subventionsmißbrauch sei deshalb ein wesentliches Ziel in den bevorstehenden Verhandlungen. Interessant und weiterer Beachtung wert sei die Verbindung zwischen Handels- und Wettbewerbspolitik. Für die Regierungspolitik existierte eine ganze Reihe von Regeln, die mehr oder weniger beachtet würden. Man registriere wiederum eine Entwicklung von der Transparenz hin zur Intransparenz. Es gehe um Maßnahmen, die handelspolitisch wirksam würden, aber in Gestalt von wettbewerbspolitischen Handlungsformen aufträten: Industriearrangements über Exportpreiskartelle, auch über Vereinbarungen, die mengenmäßige Beschränkungen auf Regierungsebene ersetzen. Dieser Bereich entziehe sich dem Zugriff des GATT. Hier vollziehe sich eine wichtige Entwicklung, die man sehr argwöhnisch betrachten müsse. Die ganze Palette der Grauzonenmaßnahmen gehöre in diesen Bereich. Hier sei auch im Sinne der Interdependenzen verschiedener Politiken eine genaue theoretische Durchdringung wünschenswert. Zu den Entwicklungsländern merkt von Dewitz an, sie seien bei Konzessionen, die sie machten, sicherlich nicht von dem Meistbegünstigungsgebot
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freigestellt, wohl aber von der Reziprozitätserwartung bei Verhandlungen. Man erwarte von den anderen Ländern, daß sie bei Konzessionen ihrerseits, die den Entwicklungsländern zugute kommen, nicht mit Gegenkonzessionen rechnen. Die Regelungen, die in der Tokio-Runde vereinbart wurden, schränkten das Meistbegünstigungsgebot insofern ein, als gezielte Konzessionen zugunsten der Entwicklungsländer gemacht wurden. Schließlich äußert von Dewitz noch einige Gedanken zur Verteidigung der Europäischen Gemeinschaft. Es sei in der Tat richtig, daß sich in der Handelspolitik in sehr vielen Fällen nach wie vor die protektionistischen Sonderwünsche der einzelnen Mitgliedstaaten kumulierten. Bei inzwischen zwölf Mitgliedstaaten führe dies natürlich zu einer größeren Summe. Es gäbe aber insbesondere bei der EG-Kommission — trotz der Aussagen von de Clercq — eine Tendenz zu stärkerer Beachtung der Freihandelsgebote, die im E WG-Vertrag zu finden seien. Die Art. 10 bis 113 des Vertragswerkes enthielten Gebote, die durchaus im Sinne einer Orientierung der Gemeinschaft am Freihandel zu interpretieren seien. Die EG-Kommission messe dem zunehmend Bedeutung bei. Nuancierend merkt er an, daß ein positiver Einfluß eigentlich weniger auf eine geänderte französische Haltung zurückzuführen sei. Im handelspolitischen Bereich habe sich in den letzten acht Jahren so gut wie nichts geändert. Die merkantilistische Auffassung sei in jeder einzelnen Detailfrage ungebrochen. In Grundsatzfragen gäbe es kaum Einbrüche in der französischen Haltung. Bei den Engländern sei das allerdings anders, sie seien gerade auf dem Gebiet der Außenwirtschaftspolitik in Brüssel relativ stark vertreten, z. B. im Bereich GD I. Dieser Einfluß sei seit etwa vier oder fünf Jahren stärker freihandelspolitisch orientiert. Auch Wegner nimmt bezug auf das Argument, die Zukunft des Welthandelssysteme werde von den beiden großen Handelsblöcken, der Europäischen Gemeinschaft und den USA, entschieden. Der Vortrag sei so zu verstehen gewesen, als müsse man in der EG den „großen Bösewicht" sehen — auch von der Verfassungskonstruktion her und von den Einstimmigkeitsregeln her, die noch praktiziert würden. Es scheine so, als glaube er (Willgerodt), daß die USA als der Gegenpart eine wesentlich größere Neigung hätten, das System des Freihandels zu verteidigen. Er (Wegner) lese die Trends etwas anders, ganz abgesehen davon, daß er nicht die Bedeutung von politischen Reden in Verhandlungskonferenzen, die ja wie Tarifverhandlungen abliefen — mit Imponiergehabe und Hinweis auf die Verteidigungspolitik —, übertreiben wolle. Übrigens sei darauf hinzuweisen, daß Herr de Clercq aus der Liberalen Partei Belgiens stamme. Es sei der Ansicht zuzustimmen, daß die französische Politik in den letzten Jahren zu einer größeren Liberalisierung neige. Aber vergessen solle man auf der anderen Seite nicht, daß Frankreich ein alteingeübtes Land im Merkantilismus sei. Ihm scheine, daß die Engländer die eigentliche Hoffnung
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für ein Offenhalten des Systems seien, denn das Beispiel der Deutschen sei ja in den letzten Jahren nicht mehr so glaubhaft, wenn man einmal näher auf die Agrarpolitik und die Subventionspolitik schaute. Fraglich erscheine ihm die Behauptung, daß die USA die Hoffnung sein könnten. Die potentiellen Instrumente der handelspolitischen Interventionen der USA seien offensichtlich größer als die der Gegenmacht. In der realen Entwicklung zeige sich auch, daß das Veto eines Präsidenten notwendig werde, um die vom Senat kommende steigende Flut von Pressionen aufzuhalten, und es genüge eine Änderung dieser politischen Konstellation, um den Damm brechen zu lassen. Auch der Binnenmarkt — von Franzmeyer zur Verteidigung angeführt — gebe noch keine Garantie für die Zukunft. Es könne durchaus sein, daß man mit einem Aufschaukeln rechnen müsse, mit einem standstill in der Entwicklung, vielleicht sogar mit einer Regionalisierung: Daß sich innerhalb der Blöcke der Freihandel vielleicht ausgestalten lasse, aber daß zwischen den großen Blöcken der Protektionismus zunehme. Willgerodt wendet ein, niemand könne voraussagen, was in der EG und was in den USA wirklich geschehen werde. Er habe versucht, Gründe dafür zu finden, daß die USA nach dem Zweiten Weltkrieg die führende Macht der Liberalisierung waren, und zwar die einzige in der ganzen Welt. Man dürfe nicht vergessen, daß das, was an freihändlerischer Politik betrieben worden sei, den Amerikanern zu verdanken gewesen sei, niemandem sonst. Es sei offenbar innenpolitisch nur in Amerika möglich gewesen. Bei der Lektüre des Buches von Frey über die internationale politische Ökonomie frage man sich, warum es jemals in der Geschichte möglich gewesen ist, so große Freihandelsräume zu begründen, wie das durch die USA repräsentiert worden sei. Frey lege dar — unter Heranziehung der Theorie von Olson und aller möglichen Aussagen neuer politischer Ökonomie —, daß die Gruppenorganisation immer dazu führen werde, die Beamten und die Politiker zu bestechen im Sinne des Nicht-Freihandels. Aber eine Erklärung für die Existenz der Freihandelspolitik könne diese neue politische Ökonomie nicht liefern, und das mache optimistisch. Denn so determiniert, wie die neue politische Ökonomie im Sinne von Frey (Wählerstimmenmaximierung usw.) behaupte, sei das politische System offensichtlich nicht. Es gebe also wohl wirkliche Interessenten des Freihandels und außerdem werde die Politik offenbar nicht nur nach einzelwirtschaftlichen Gesichtspunkten gestaltet. Bei der Konferenz von Punta del Este seien es die Amerikaner gewesen, die darauf bestanden, daß die Agrarpolitik und die Dienstleistungen auf die Verhandlungsliste kamen. Die EG habe bis zuletzt Widerstand geleistet. Dabei sei allerdings interessant, daß vor allem zwei Kleinstaaten, Uruguay und die Schweiz, dafür gesorgt hätten, daß die Konferenz gerettet wurde. Die
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großen Länder und auch die EG seien schließlich nicht bereit gewesen, die Schuld für ein Scheitern der Konferenz auf sich zu nehmen. Der Aussage, das GATT habe versagt und in der Außenwirtschaft herrsche ein prinzipienloser Pragmatismus widerspricht von Dewitz. Das GATT als Leitlinie sei nicht nur in aller Munde, sondern es sei auch ein Restbestand an Überzeugung vorhanden, daß die GATT-Prinzipien richtig sind. Es gehe eigentlich mehr um die Frage der Balance zwischen kurzfristigen tagespolitischen, meist binnenwirtschaftlich orientierten Problemen, mit denen ein Politiker unmittelbar konfrontiert sei und denen er-bei einer Reihe von Einzelentscheidungen eben vielfach die Priorität geben müsse, auf der einen Seite und der vielfach vorhandenen Einsicht auf der anderen Seite, daß in der Außenwirtschaftspolitik Prinzipien vorhanden seien, die es wert seien, befolgt zu werden. Das GATT habe als solches nicht versagt; es wären sicher alle sehr viel schlechter daran, wenn das GATT nicht wäre. In seinem Schlußwort faßt Willgerodt noch einmal wichtige Punkte der Diskussion zusammen. Ein Harmonisierungsbedarf in der EG auf vielen Gebieten sei nicht zu leugnen. Ein Beispiel sei die notwendige Abstimmung im Bereich der Umweltpolitik. Auch bei den Subventionen sei eine Harmonisierung sinnvoll, es sei denn, jede Nation für sich wollte die Subventionen aus Eigeninteresse abbauen oder ihnen eine ordnungspolitische Gestalt geben, die gewährleistet, daß sie keinen wirtschaftspolitischen Schaden anrichten. Eigentlich liege es im nationalen Interesse, die Subventionen abzubauen. Der Wohlfahrtsstaat müsse in dem Sinne umkonstruiert werden, daß die Bedürftigen, die in Not sind, Hilfe bekommen, daß aber nicht jemand deshalb Hilfe bekommt, weil er Bauer oder Montanindustrieller ist. Der Wohlfahrtsstaat müsse also branchenpolitisch neutralisiert werden. Da der Wohlfahrtsstaat ohnehin reparaturbedürftig sei, könne es im nationalen Interesse liegen, bei dieser Gelegenheit auch die Branchenpolitik mit Hilfe von Subventionen zu korrigieren. Allerdings sei in Süddeutschland ein Neomerkantilismus in der Industriepolitik zu beobachten, mit dem eine ungerechtfertigte Begeisterung verbunden sei. Die Leute in Schwaben seien aber wohl so tüchtig, daß sie auch dies aushalten. Wegen der Wettbewerbseffekte befürchtet Willgerodt, daß eine allgemeine Tendenz vom Abbau der Handelsschranken noch nicht fühlbar sei. Das gelte vor allen Dingen für die nicht-tarifären Handelshemmnisse, die ja wegen der Devisenbewirtschaftung vieler Entwicklungsländer absolut dominierten. In diesem Bereich könne es auch keine Meistbegünstigung geben. Die Vorschrift des GATT, wonach auch bei den nicht-tarifären Handelshemmnissen Meistbegünstigung gewährt werden soll, sei nur einzuhalten, wenn man Kontingentversteigerungen hätte. Kontingentversteigerungen mit Abführung des Geldes an die Staatskasse seien aber kaum auf
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breiter Front einzuführen; in vielen Entwicklungsländern spiele dabei auch die Korruption eine große Rolle, die oft einer verkappten Gehaltserhöhung für die dortigen Beamten entspreche. Der EWG-Vertrag schließlich lasse sich sicherlich so auslegen, daß die Ausnahmebestimmungen praktisch leerliefen. A m besten wäre es, vor allem die handelspolitischen und zahlungsbilanzpolitischen Ausnahmebestimmungen der EG ersatzlos abzuschaffen. Das geschehe jedoch nicht, und „Zahlungsbilanzschwierigkeiten" seien die Folge. Ebenso sei nicht zu leugnen, daß das GATT-Abkommen sich so auslegen ließe, daß man die liberalen Bestimmungen innerhalb des GATT betont und die anderen vergißt bzw. leerlaufen läßt. Allerdings müsse man befürchten, daß die jüngste Entwicklung umgekehrt verlaufe.
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel Von Horst Werner, Köln
Die Erfahrungen mit den Liberalisierungen der Tokio-Runde einerseits und den im Anschluß an die Tokio-Runde vereinbarten Übereinkommen zum „Framework for the Conduct of International Trade" sowie über nichttarifäre Handelshemmnisse 1 andererseits sprechen für eine Wende in der Liberalisierungsstrategie : —
Zwar wurden die Zollsätze der Industrieländer (gewichtet) sogar schneller als geplant auf durchschnittlich etwa 5 % gesenkt, umfangreiche Ausnahmen geringer Zollsenkungen bei einzelnen Produkten diskriminieren aber weiterhin vor allem Exporte aus Entwicklungsländern. 2 1
Die vier Übereinkommen zum Rahmenwerk des GATT enthalten a) die generelle Festschreibung der Sonderbehandlung der Entwicklungsländer entgegen dem Meistbegünstigungsprinzip und der Nicht-Reziprozität, solange sich ein Land selbst als Entwicklungsland definiert (§ § 1-4 enthalten die „Enabling Clause", 5 und 6 die Nicht-Reziprozität), b) die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer bei Handelsschranken für Zahlungsbilanzzwecke, c) die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer bei Schutzklauseln für bestimmte Industrien und d) die Präzisierung der Verfahrensvorschriften für das Management von Streitfällen auf der Grundlage von Art. XXII und XXIII, wiederum mit Sonderrechten für Entwicklungsländer. Vgl. zum Text dieser Abkommen Long, O., Law and its Limitations in the GATT Multilateral Trade System, Dordrecht 1985, Appendix A und S. 94 ff. Zu den neun Übereinkommen über nichttarifäre Handelshemmnisse vgl. ebenda, S. 27 ff. und 78 ff., sowie Senti, R., GATT als System der Welthandelsordnung, Zürich 1986, Anhang 3 und S. 170 ff. 2 Vgl. z. B. Anjaria, S. J. u. a., Development in International Trade Policy, IMF Occasional Paper Nr. 16, Washington, D. C. 1982, S. 53 und Tab. 49 f. Zur Konzentration der Ausnahmefälle geringer Zollsenkungen auf Produkte, bei denen unter Freihandelsbedingungen komparative Vorteile von Entwicklungsländern vermutet werden, und zum Anstieg der Zollsätze mit dem Grade der Verarbeitung („Tarifeskalation") vgl. außerdem Werner, H., Willms, D., Zollstruktur und Effektivzölle nach der Tokio-Runde, Untersuchungen des Instituts für Wirtschaftspolitik Nr. 63, Köln 1984, insbesondere S. 2 ff., 62 ff. und 118 ff.
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Auch bei den nichttarifären Handelshemmnissen, vor allem für Agrarprodukte, Textilien, Bekleidung, Schuhe, Eisen und Stahl, schätzt die Weltbank, daß die Industrieländer die Exporte aus Entwicklungsländern in erheblich höherem Umfang behindern als Exporte aus anderen Industrieländern. 3 —
Die Rahmenübereinkommen der Tokio-Runde setzen eine problematische Tradition fort: Die diskriminierende Protektion durch die Industrieländer wird als politisches Datum hingenommen; gewissermaßen als Kompensation werden Sonderrechte für Entwicklungsländer bekräftigt, die ihnen bevorzugt Ausnahmeprotektion sowie Nicht-Reziprozität und Verletzungen des Meistbegünstigungsprinzips als Mittel der Entwicklungspolitik einräumen. Die Ausbreitung von Marktaufteilungsabkommen und anderen nichttarifären Handelshemmnissen konnte durch die Übereinkommen über nichttarifäre Handelshemmnisse bisher nicht verhindert werden.
Auch in GATT-Veröffentlichungen werden die Folgen dieser Entwicklungen für das GATT-Regelwerk als „erosion of the trading system from within" 4 zusammengefaßt. Die Weltbank geht einen Schritt weiter, wenn sie gegenüber den insgesamt positiv beurteilten Zollsenkungen hervorhebt: „The darker side is that the GATT's administrative protections . . . have become the rule rather than the exception." 5 Wenn solche Einschätzungen zutreffen, müßte eine Härtung des GATTRegelwerkes mit Minimierung der protektionistischen Ausnahmen im Zentrum einer neuen Strategie der Handelsliberalisierung stehen. Bisher nahm eher eine entgegengerichtete Tendenz zu: Der Gefahr von Umgehungen des GATT begegnete man, indem einerseits das GATT-Prinzip der nichtdiskriminierenden Liberalisierung durch die grundsätzliche Anerkennung der Protektion als eines wirtschaftspolitischen Mittels für Ausnahmefälle aufgeweicht wurde; andererseits sollten harte Bedingungen für die Zustimmung der Vertragspartner zur Ausnahmeprotektion eine faktische Erosion des GATT-Regelwerkes verhindern. Vor allem das Vordringen von bilateralen Marktaufteilungen durch freiwillige Selbstbeschränkungsabkommen und Subventionen in der „Grauzone" außerhalb des GATT-Regelwerkes zeigt, daß dadurch Umgehungen des GATT nicht verhindert werden konnten, der Preis 6 für diese Strategie — die Aufweichung der GATT-Regeln — wurde 3
Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1985, Washington, D. C. 1985, S. 46 ff. GATT, International Trade 85-86, Genf 1986, S. 28. 5 World Bank, Research News, Vol. 7, No. 2, Herbst 1986, Innenseite des hinteren Deckblattes. 6 Zum Preis der pragmatischen Anpassung der GATT-Normen an die „politischen Realitäten" vgl. Long, O., Law and its Limitations..., a.a.O., S. 32 ff. und 61 ff. Long faßt zum Pragmatismus und zu Abweichungen von Normen zusammen: „The main price 4
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aber gezahlt: Nicht nur in der „Grauzone" außerhalb des GATT, sondern auch innerhalb des an die politischen Realitäten angepaßten GATT-Regelwerkes nahmen die Ausnahmefälle von Protektion und Diskriminierung zu. Jeder Versuch einer Härtung der GATT-Regeln steht allerdings vor dem gleichen Grundproblem, das das GATT seit seiner Entstehungsgeschichte begleitet hat: Weiterhin sehen alle Vertragspartner des GATT in der Protektion ein geeignetes Instrument der Wirtschaftspolitik, trotz häufiger Beschwörung der gesamtwirtschaftlichen Vorteile offener Märkte. Weiterhin bestehen auch erhebliche Unterschiede in der Bereitschaft der Vertragspartner zu Liberalisierungen und zum Verzicht auf zusätzliche Handelshemmnisse. Auf der anderen Seite scheidet die Ausrichtung einer nichtdiskriminierenden weltweiten Liberalisierung an den langsamsten Vertragspartnern, also den Ländern mit der höchsten Protektion, als geeigneter Weg aus. Eine Härtung des GATT-Vertragswerkes durch Änderungen des Vertragstextes dürfte im übrigen nach Einschätzung von Olivier Long kaum möglich sein, da Art. X X X bei Änderungen für die Art. I, II und X X I X Einstimmigkeit der Vertragspartner, für die anderen Artikel Zweidrittelmehrheit voraussetzt. 7 Speziell für eine Härtung der GATT-Regeln auf diesem Wege ist eine hinreichende Mehrheit in absehbarer Zeit äußerst unwahrscheinlich. Eine Alternative wäre der Versuch, zuverlässigere Regeln zwischen einer geringeren Zahl von Vertragspartnern außerhalb der Regeln des GATT zu vereinbaren. In der Bildung eines solchen Raumes mit freierem Handel läge jedoch zunächst ein mehrfacher Verstoß gegen die GATT-Regeln: Art. X X X würde umgangen; eine neue Klasse von GATT-Mitgliedern würde etabliert, die untereinander im Grenzfalle auf Protektion als Mittel der Wirtschaftspolitik völlig und endgültig verzichten. Der so geschaffene Binnenmarkt würde für die Mitglieder zugleich das Meistbegünstigungprinzip und das Inländerprinzip verwirklichen, die meisten Länder blieben als Nicht-Mitglieder aber so lange diskriminiert, bis die Attraktivität des stärker liberalisierten Gebietes zum angestrebten Ziel geführt hat: der Teilnahme einer möglichst großen Zahl von Ländern an diesem Handelssystem mit gehärteten und eindeutig auf Freihandel gerichteten Regeln. Ein solcher Prozeß könnte lange dauern. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich gegen die angestrebte Öffnung des Integrationsraumes Gegenkräfte der is a decline in legal reliability." (S. 62) Zuvor macht Long deutlich, daß der Pragmatismus nicht etwa nur in Abweichungen der Vertragspartner von eindeutigen Normen des GATT liegt: „... pragmatism can find a basis in, and be derived from, legal provisions of the General Agreement. As a result of the pragmatic, realistic approach of its original authors, a number of particular procedures were built into the Agreement." (S. 61). Als Beispiele für solche „procedures" nennt Long u. a. die protektionistischen Ausnahmen, die Art. XI, XII, XVIII und XIX vorsehen (S. 61). 7 Vgl. Long, O., Law and its Limitations, a.a.O., S. 15 ff. und 54 ff.
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Regionalisierung durchsetzen 8 , die den Beitritt weiterer Mitglieder behindern wollen. Die darin liegenden Risiken werden nicht verkannt, auch wenn der Verstoß gegen GATT-Regeln hier eindeutig auf Liberalisierung gerichtet ist. Bei der Abwägung von Chancen und Risiken einer solchen „offenen GATT-Plus-Strategie" 9 ist es nützlich, das Verhältnis von Regel und Ausnahme im GATT heute realistisch einzuschätzen. Wenn sich die selbst in Veröffentlichungen von GATT und Weltbank geäußerte Einschätzung bestätigt, daß das GATT-Regelwerk zunehmend von protektionistischen Ausnahmen aufgeweicht ist (s. o., S.44), würden die Risiken einer auf Freihandel gerichteten Ausnahme vom GATT-Grundsatz der nichtdiskriminierenden Liberalisierung relativiert: Der mögliche Schaden für ein durch viele protektionistische Ausnahmen bereits entwertetes öffentliches Gut „GATT-Regelwerk" dürfte dann nicht hoch sei. Erst recht würde dies zu vermuten sein, wenn entgegen dem GATT-Grundsatz der Keim für ausufernde protektionistische Ausnahmen bereits im GATT-Regelwerk angelegt wäre. Es sei angenommen, eine pragmatische Grundhaltung gegenüber den Protektionswünschen der Vertragspartner wäre tatsächlich ein wichtiger Grundzug der GATT-Artikel und ihrer folgerichtigen Auslegung bzw. Anwendung auf Abkommen oder Kodizes unter der Ägide des GATT, wie Olivier Long dies hervorhebt 10 . Dann sollten die Freihändler im GATT trotz ihrer naheliegenden Hemmungen einen solchen pragmatischen Grundzug im GATT nicht ausschließlich den Protektionisten zur Ausbeutung überlassen. Sie sollten dann mit mehr Optimismus auf die Anziehungskraft eines harten Kerns von GATT-Ländern vertrauen, unter denen Protektion als Instrument der Wirtschaftspolitik z. B. zwischen Köln, Basel, New York, Taipeh oder Montevideo ebenso diskreditiert ist wie im Handel zwischen Kiel und Bonn.
8 Den Nutzen einer Regionalisierung des Welthandels in Kernregionen mit „Autarkiebegabung" als angeblich konfliktminderndes Ordnungssystem bei geringen Kosten des Verzichts auf weltweite Arbeitsteilung betont insbesondere Minx, E., Von der Liberalisierungs- zur Wettbewerbspolitik, Berlin, New York 1980, S. 274 ff. Vgl. zur Verharmlosung der Wohlstandsverluste durch Regionalisierung auch Lemper, Α., Handel in einer dynamischen Wirtschaft. Ansatzpunkte für eine Neuorientierung der Außenhandelstheorie, München 1974, S. 146 ff. Mit ähnlicher Tendenz argumentieren auch Rothschild, K., Außenhandelstheorie, Außenhandelspolitik und Anpassungsdruck, in: Kyklos, Bd. 32, S. 55 ff. und Hager, W., Europas wirtschaftliche Sicherheit, in: Wirtschaftsdienst 9/1980, S. 461. 9 In Anlehnung an die Wortschöpfung des Atlantic Council zur Charakterisierung von Reformen mit Härtung des GATT. Vgl. The Atlantic Council of the United States, GATT-Plus. A Proposal for Trade Reform, Washington, D. C. 1976. 10 Vgl. Long, O., Law and its Limitations, a.a.O., S. 61 ff.
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2. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme im GATT-Regelwerk und in der handelspolitischen Praxis heute GATT-Grundsatz ist die nichtdiskriminierende Liberalisierung, also Meistbegünstigung bei Reziprozität und Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern (Präambel; Art. I, Art. III). Diesem Grundsatz stehen vom GATT vorgesehene Ausnahmespielräume für tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse sowie die handelspolitische Realität außerhalb des GATT-Rahmens entgegen. Eine Gegenüberstellung führt zu folgenden Ergebnissen: 2.1 Ausnahmen im GATT-Vertragswerk Alle Ausnahmen und die heute von vielen Seiten kritisierten Erosionstendenzen des GATT-Regelwerkes sind in ihrem Kern in den GATT-Artikeln und deren Auslegungsmöglichkeiten bereits angelegt und nicht etwa nur das Ergebnis des Vordringens neuer nichttarifärer Handelshemmnisse: —
Das Prinzip der Meistbegünstigung ist zunächst durch eindeutige Ausnahmeregelungen für historische Präferenzen (Art. I) und durch die sehr kontrovers interpretierte Ausnahmeregelung für Zollunion und Freihandelszonen in Art. X X I V ausgehöhlt. Aber auch der weite Spielraum für „elastische" Zolltarifgestaltung und mengenmäßige Beschränkungen aus Zahlungsbilanzgründen (Art. XVIII) schuf bereits eine Sonderbehandlung der Entwicklungsländer, die zusammen mit den Möglichkeiten für regionale Integration ein weiteres Element der Diskriminierung im Rahmen des ursprünglichen GATT-Textes zuließ. Insbesondere ergeben sich faktische Diskriminierungen, wenn bei mengenmäßigen Beschränkungen die Kontingente nicht frei versteigert werden. „Elastische" Tarifgestaltung, die sich letztlich nur an den Erfordernissen nationaler Entwicklungspläne orientieren muß (Art. XVIII: 2), läßt ebenfalls Spielraum für Diskriminierungen entgegen dem Meistbegünstigungsprinzip. Die in Art. XVIIL2 gemachte Einschränkung, nach der protektionistische Maßnahmen „gerechtfertigt sind, soweit sie die Erreichung der Ziele dieses Abkommens erleichtern", ist keine eindeutige Begrenzung durch das Meistbegünstigungsprinzip, sondern eher als ein Verweis auf die in der Präambel ausdrücklich angesprochenen Ziele zu verstehen, die sich weitgehend mit den von Entwicklungsländern verkündeten Zielen ihrer Entwicklungsprogramme decken. Insofern sind die Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip für Entwicklungsländer durch die Hinzufügung von Teil IV des GATT und durch die von den GATT-Vertragspartnern akzeptierte „Enabling Clause" von 1979 nur Festschreibungen der Sonderbehandlung von
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Entwicklungsländern, auch wenn die Präferenzierung der Entwicklungsländer nach der „Enabling Clause" nun nicht mehr „als Verletzung des Prinzips der Meistbegünstigung zu betrachten ist." 11 —
A m stärksten dürfte bei der Umkehr von Regel und Ausnahme das ursprüngliche GATT-Prinzip der auf Liberalisierung gerichteten Reziprozität ausgehöhlt worden sein. Der schrittweise Übergang zum offen deklarierten Prinzip der Nicht-Reziprozität im Zuge der Sonderbehandlung für Entwicklungsländer wird ζ. T. sogar als notwendige Abkehr von Relikten des „Auge um Auge, Zahn um Zahn" und als Hinwendung zum neuen „Prinzip der tatsächlichen Gleichheit" gewürdigt. 12 Mit der Ergänzung durch Teil IV im Jahre 1965 wird den Entwicklungsländern eine weitgehende Ausnahme von der Reziprozitätsverpflichtung gegenüber den „entwickelten Vertragspartnern" eingeräumt (Art. XXXVL8). Im Rahmenübereinkommen der Tokio-Runde vom 28.11.1979 über „Differential and More Favourable Treatment, Reciprocity and Fuller Participation of Developing Countries" wird in § 5 das Prinzip der Nicht-Reziprozität für alle Länder, die sich als Entwicklungsländer einschätzen, verankert; für die am wenigsten entwickelten Länder wird dies in § 6 speziell herausgehoben. 13 Dagegen spielt das Prinzip der Reziprozität in Ausnahmebereichen zunehmend eine Rolle, wo es nicht eindeutig auf Liberalisierung gerichtet ist, wenn nämlich mit dem Hinweis auf Protektion, Subvention oder „Schleuderpreise" der Handelspartner Liberalisierungen rückgängig gemacht oder Handelshemmnisse erhöht werden („negative Gegenseitigkeit"). Insgesamt wird die Tendenz zur Aushöhlung des Prinzips der Nichtdiskriminierung, die schon in der diskriminierenden Verweigerung oder Gewährung der Reziprozität liegt, durch die wachsende Bedeutung von Präferenzräumen und sektoraler Integration verstärkt, also durch die Abkehr vom Prinzip der Meistbegünstigung. Vor allem das Vordringen kaum quantifizierbarer nichttarifärer Handelshemmnisse macht es dabei schwer zu überprüfen, wie sich die Außenprotektion solcher Präferenzräume verändert. 11
Senti, R, GATT . . ., a.a.O., S. 113. Zu den Einzelheiten der Ausnahmen vom Prinzip der Meistbegünstigung und deren historischer Entwicklung vgl. ebenda, insbesondere S. 110-126. 12 Diese Tendenz wird z. B. sehr deutlich bei Westreicher, E., Der Grundsatz der Gegenseitigkeit in den Handelsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, Berlin 1984, S. 17 ff., 25 f., 35,62 f. und 94 f. Zur Empfehlung der Vertragsparteien von 1957, bei der Aufnahme von Entwicklungsländern keine reziproken Handelszugeständnisse zu verlangen (erste Abweichung vom Grundsatz der Reziprozität zugunsten von Entwicklungsländern), vgl. ebenda, S. 69 f. 13 Vgl. den Text z. B. in Long, O., Law and its Limitations ..., a.a.O., Appendix A, S. 117 f.
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Für den Erfolg von Reformversuchen, die eine Härtung der GATT-Regeln mit eindeutiger Orientierung am Grundsatz nichtdiskriminierender Öffnung der Märkte anstreben, ist die bestehende Ausnahmeprotektion im Agrarbereich wahrscheinlich der entscheidende Ansatzpunkt, um die handelspolitische Sonderbehandlung für Entwicklungsländer in deren eigenem Interesse zu beenden. Art. XI: 2c des GATT erlaubt ζ. B. die Anwendung nichttarifärer Handelshemmnisse zur außenwirtschaftlichen Absicherung der nationalen Agrarpolitik. Diese Möglichkeit wurde für die USA sogar über das in Art. X I vorgesehene Maß zunächst im Jahre 1955 durch Ausnahmeregelung ausgenutzt. Die eigenmächtige Entbindung der EWG und der EFTA von den ebenfalls in Art. X I festgelegten Verpflichtungen ab 1957 wurde von den Vertragsparteien bis heute hingenommen und so zum Vorbild für neue Vertragspartner und neue handelspolitische Problembereiche.
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Die nichttarifären Handelshemmnisse, die sich seit den fünfziger Jahren im Bereich Textil und Bekleidung ausgebreitet haben, wurden erstmals 1963 vom GATT faktisch sanktioniert; das internationale Textilabkommen von 1974 wurde bereits im Rahmen des GATT abgeschlossen, um eine Eskalation von Protektion in diesem Bereich zu vermeiden. Vom Grundsatz her wurde damit allerdings beispielhaft die „Marktzerrüttung" durch starken Importanstieg aus Niedriglohnländern als Rechtfertigung für nichttarifäre Protektion und bilaterale Abkommen mit Mengenbegrenzungen anerkannt. 14 Die nichttarifäre Protektion in Ergänzung zur auch nach Abschluß der Tokio-Runde weit überdurchschnittlichen tarifären Protektion 15 bei Textilien und Bekleidung hat eine inzwischen etwa dreißigjährige Tradition, ist also ein Fall von Dauerprotektion. Dies dürfte neben dem für manche Länder größeren protektionistischen Gestaltungsspielraum ein Grund gewesen sein, internationale Textilabkommen mit bilateralen Vereinbarungen einer Berufung auf den für kürzerfristige Protektion vorgesehenen Art. XIX des GATT vorzuziehen. 16 14
Vgl. dazu Long, O., Law and its Limitations..., a.a.O., S. 32 f. und Senti , R., GATT ..., a.a.O., S. 286 ff. mit umfangreichen Quellenhinweisen. Zur Analyse und Bewertung des Multifaserabkommens vgl. außerdem Spinanger, D., Protektion im internationalen Handel mit Textilien und Bekleidung — Auswirkungen des Multifaserabkommens, in: Die Weltwirtschaft, Heft 1/1985, S. 133 ff. 15 Bei durchschnittlichen Zollsätzen aller OECD-Länder von unter 5% nach den Zollsenkungen der Tokio-Runde liegen die entsprechenden Zollsätze (gewichtet) für Textilien bei 12%, für Bekleidung über 18%. Vgl. OECD, Costs and Benefits of Protection, Paris 1985, S. 28 f. 16 Der Zusammenhang zwischen den Multifaserabkommen (MFA) und Art. XIX wurde in neuerer Zeit besonders durch den Streit um die „doppelte Option" deutlich, also um die Frage, ob ein Land, das am MFA teilnimmt, wählen darf, ob es seine Protektionsmaßnahmen zweckmäßiger auf das MFA oder auf Art. XIX des GATT stützt. Vgl. dazu Long, O., Law and its Limitations . . ., a.a.O., S. 33 ff. 4 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
Horst Werner
50
—
Vorübergehende Entliberalisierungen werden gemäß Art. XIX bei Marktzerrüttung mit „ernsthaftem Schaden" für inländische Erzeuger durch unvorhergesehenen starken Importanstieg bei einzelnen Waren erlaubt. Die allgemeine Notstandsklausel des Art. XIX bietet vor allem Industrieländern die Möglichkeit, Importe selektiv bei einzelnen Gütern formell gemäß dem Meistbegünstigungsprinzip in Übereinstimmung mit dem GATT zu behindern. Anwendungsfälle von Art. XIX gäbe es heute mehr denn je, wenn nicht die selektive Protektion außerhalb der GATTRegeln für die Regierungen bequemer wäre: Entwicklungspolitisch und zur Lösung der Transferprobleme hochverschuldeter Entwicklungsländer erwünschte Exporterfolge nehmen heute zu. Außerdem wechseln technologische Vorsprünge zwischen entwickelten Ländern heute schnell und häufig. Unter diesen Bedingungen besteht bei protektionistischem Anpassungswiderstand in der Berufung auf Art. XIX die Gefahr dauerhafter Protektion, wenn auch im Wechsel der Güterarten und der „ernsthaft geschädigten" Länder. Industrieländer und Entwicklungsländer haben also im GATT-Vertragstext zwei wichtige Stützen für selektiv nach Güterarten diskriminierende Protektion: Die selektive Sonderprotektion, die das GATT den Entwicklungsländern einräumt, wurde auf das Erziehungsargument für junge Industrien gestützt; Art. XIX wurde dagegen ähnlich wie Art. XI: 2c (Agrarprotektion) zu einer wichtigen Stütze für die Protektion von Industrien entwickelter Länder, die unter Wettbewerbsdruck erfolgreicher Entwicklungsländer stehen. 17 Damit bietet der Rahmen des GATT faktisch die Rechtfertigung für Dauerprotektion, die schwer berechenbar ist.
—
Im GATT ist die Sicherung einmal erreichter Liberalisierungsfortschritte nicht gewährleistet. Als Regelwerk ist das GATT auch in diesem 17
Die praktische wirtschaftspolitische Begründung für Protektion zugunsten etablierter Industrien, die unter starken ausländischen Wettbewerbsdruck geraten, ist eine oberflächliche Analogie zur „sanften Landung", bei der angeblich der Anpassungszeitraum nur verlängert, die Anpassung aber nicht verweigert wird. Zur theoretischen Diskussion der Argumente für „senescent industry protection" (entsprechend der „infant industry protection") vgl. ζ. B. Corden, W. M., Trade Policy and Economic Weifare, Oxford 1974, S. 109 ff. und 231 ff., Gray, H. P., Senile Industry Protection: A Proposal, in: The Southern Economic Journal, Vol. XXXIX (1972/73), S. 569 ff. und die Erwiderungen von Wood, G. E., Senile Industry Protection: Comment, ebenda, Vol. 41 (1974/75), S. 535 ff., sowie Hillman, A. L., The Case for Terminal Protection for Declining Industries, ebenda, Vol. 44 (1977/78), S. 155 ff. Zur Weiterentwicklung des Arguments vgl. Gray, H. P., Free Trade or Protection? A Pragmatic Analysis, Houndmills, Basingstoke und London 1985, S. 3 f., Kap. 4, 8 und 9. Zur Kritik solcher Tendenzen vgl. z. B. Curzon-Price, V., Alternatives to Delayed Structural Adjustment in »Workshop Europe', in: The World Economy, Vol. 3 (1980), No. 1, S. 205 ff. und Hillman , A. L., Declining Industries and Political-Support Protectionist Motives, in: The American Economic Review, Vol. LXII (1982), S. 1180 ff.
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel
51
Sinne nicht zuverlässig. Liberalisierungszugeständnisse werden in Art. XXII und XXIII nur durch die Pflicht zu Verhandlungen und die Ermächtigung zu „angemessenen" Gegenmaßnahmen bei Entliberalisierungen geschützt. Zumindest die Gegenmaßnahmen hatten praktisch keine Bedeutung bei der Sicherung von Liberalisierungsfortschritten. 18 Für die Vertragspartner war und ist vorrangig, Liberalisierungen wieder rückgängig machen zu können. Sanktionen sieht das GATT selbst nicht vor, sondern erlaubt nur schädigende Gegenmaßnahmen durch die betroffenen Länder; solche Maßnahmen sind außerdem nicht unproblematisch. 19 Daher wurde im Anschluß an die Tokio-Runde am 28.11.1979 ein „Understanding Regarding Notification, Consultation, Dispute Settlement and Surveillance" 20 unterzeichnet, das Liberalisierungen durch bessere Konfliktlösungen sichern soll. Hilfreich könnten dabei die vom GATT-Generaldirektor vorzuschlagenden unabhängigen Expertengruppen („panels") für die Beurteilung von Streitfällen sein (§ § 10 ff. und Annex, § § 33 ff. des „Understanding . . ."). Insgesamt ergibt sich, daß die Vertragspartner entgegen dem GATTGrundsatz der nichtdiskriminierenden Liberalisierung bereits in den GATTAusnahmeregelungen zwei entscheidende Einschränkungen verankert haben: 1. Protektion wird als geeignetes Mittel der Wirtschaftspolitik für gesamtwirtschaftliche „Notfälle" („Schutz der Zahlungsbilanz", Entwicklungsargument) und bei starkem Importdruck für einzelne Sektoren oder Güterarten (Landwirtschaft und generelle Schutzklausel des Art. XIX) anerkannt. 2. Freier Handel wird nicht als geeignete Ordnung der Handelsbeziehungen zwischen „ungleichen Partnern", also Ländern ungleichen Entwicklungsniveaus, anerkannt (Erziehungsargument). Folglich ist Spielraum für jede indiskutable oder diskutable Protektion 21 zugunsten „junger" und „alter" Industrien oder für die Zahlungsbilanzfolgen 18
Vgl. Senti , R., GATT, a.a.O., S. 215 f. und 218 ff. Zur These, daß ohne die Möglichkeit zum Rücktritt von Liberalisierungsverpflichtungen Vertragspartner für Liberalisierungen nicht gewonnen werden können, vgl. auch Long, O., Law and its Limitations ..., a.a.O., S. 71 ff. Die Möglichkeit, erreichte Liberalisierungsfortschritte durch den 1955 eingefügten Art. XXVIII bis wenigstens in der Reziprozitätsfrage bei Entwicklungsländern zu sichern, wurde nicht genutzt. Art. XXVIII bis 2a legt fest: „Die Bindung niedriger Zölle oder der Zollfreiheit gilt grundsätzlich als ein Zugeständnis, das der Herabsetzung hoher Zölle gleichwertig ist." 19 Vgl. dazu Curzon, G. und Curzon-Price, V., The Management of Trade Relations in the GATT, in: International Economic Relations of the Western World 1959-1971, hrsg. von A. Schonfield, London, New York und Toronto 1976, S. 206 ff. 20 Abgedruckt in: Long, O., Law and its Limitations . . ., a.a.O., S. 125 ff. 21 Vgl. zur Einordnung der einzelnen Protektionsargumente nach dieser Bewer4·
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einer nationalen Wirtschaftspolitik geschaffen, die sich nicht an den Funktionsbedingungen für offene Welthandelsmärkte orientiert. Dieser Spielraum sollte vom Grundsatz her zwar eng gehalten werden, so daß das Verhältnis von Regel und Ausnahme den GATT-Grundsätzen nicht widersprechen würde. Die mangelnde Eindeutigkeit der Bedingungen, unter denen Ausnahme-Protektion durch Vertragspartner gerechtfertigt werden kann, ließ aber faktisch zu, daß die Vertragspartner in Krisensituationen vom GATT-Regelwerk nur die allgemeine Anerkennung der Ausnahme-Protektion für sich in Anspruch genommen haben. Den Bedingungen des GATT haben sie sich jedoch zunehmend durch eigenmächtige Interpretation der Bedingungen oder offene Umgehung des GATT entzogen. A n wirksamen Sanktionen, die sie der Disziplin des GATT hätten unterwerfen können, konnten sie bei dieser Grundhaltung kein Interesse haben. Trotz dieser Spielräume für eine Aufweichung der Grundsätze des GATT haben aber bis 1973 etwa 25 Jahre lang die auf Liberalisierung des Welthandels gerichteten Kräfte das Übergewicht gehabt. Die wichtigsten Einschränkungen waren bis dahin die Protektion bei Agrargütem, Textilien und Bekleidung sowie die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer gemäß dem Erziehungsargument für Protektion und entgegen den Prinzipien der Meistbegünstigung und Reziprozität. In dieser Phase wurden fast ausnahmslos Wachstumsraten des internationalen Handels erzielt, die deutlich über den Wachstumsraten der Weltproduktion lagen; zwischen 1963 und 1973 stiegen die Weltexporte um durchschnittlich 9 % pro Jahr, die Weltproduktion nur um 6 %. 22 Diese globalen Wachstumsraten bieten also keine Anhaltspunkte dafür, daß ein wachsender Anteil der Ausnahmen von den GATTRegeln die Expansion des Welthandels verhindert hat. Die günstige Wachstumsentwicklung trotz der vielen tarifären und nichttarifären Handelshemmnisse und der Diskriminierungen im internationalen Handel könnte eher Anlaß geben, die Wohlstandsverluste durch Protektion mit Handel entgegen komparativen Vorteilen zu verharmlosen. A b 1974 wird von IMF, OECD, GATT und Weltbank eine deutliche Zunahme der Handelshemmnisse festgestellt 23 , eine Tendenz, die erstmals 1985 deutlich unterbrochen erschien. 24 Der protektionistische Druck auf die Regierungen nimmt jedoch weiterhin zu. Bis 1973 war der Spielraum für eine tung (im Anschluß an Wilhelm Röpke) Haberler, G., Der internationale Handel, Berlin 1933, S. 178 ff. 22 Vgl. GATT, International Trade 1984/85, S. 4, Tab. 1. 23 Vgl. Page, Sh. Α. B., The Increased Use of Trade Controls by the Industrial Countries, in: Intereconomics, Mai/Juni 1980, S. 144. 24 Vgl. IMF, Annual Report on Exchange Arrangements and Exchange Restrictions 1986, S. 19 ff. Zu den insgesamt wieder ansteigenden Protektionstendenzen in den entwickelten Ländern vgl. UNCTAD, Protectionism and Structural Adjustment, TD/B/1126, 23.1.1987, Part I, S. 3 ff. und 13 ff.
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel
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„sanfte" Anpassung der Produktionsstrukturen unter sehr günstigen allgemeinen Wachstumsbedingungen durchaus gegeben. Dieser Spielraum wurde nicht genutzt. Statt dessen griff vor allem die nichttarifäre AusnahmeProtektion zunehmend auf weitere Sektoren, wie insbesondere Stahl, Straßenfahrzeuge, Unterhaltungselektronik und andere Hoch-Technologie-Produkte, über. Seit den ab 1974 einsetzenden Rezessionstendenzen in der Weltwirtschaft nimmt vor allem auch die Tendenz zu bilateral vereinbarten Handelsbeschränkungen außerhalb der Regeln des GATT zu, so daß freier, nichtdiskriminierender Handel zumindest nicht mehr eine zuverlässige Regel für unternehmerische Planung und Entscheidung ist.
2.1. Die Entwicklung von Regel und Ausnahme in der handelspolitischen Praxis des GATT Auch für die Phase stark zunehmender Protektion ab 1974 geben die Wachstumsraten von Welthandel und Weltproduktion keine klaren Hinweise dafür, daß Protektion als neuer Regelfall die Expansion des Welthandels stark gehemmt haben könnte. Die starke Schrumpfung des Welthandelsvolumens von 3 % im Jahre 1982 war zwar größer als der Rückgang der Weltproduktion um 2 %, aber es sank in erster Linie der kaum durch Importbarrieren behinderte Handel mit Mineralien um 6 % (einschließlich Öl). Nach einem Wachstum von 3 % im Jahre 1983 stieg der Welthandel 1984 besonders stark um 9 % (Weltproduktion: 5,5 %), wobei der Anstieg bei Agrar- und Industriegütern, deren Importe behindert werden, hoch war (7 bzw. 12 % beim internationalen Handel; nur 5 bzw. 7,5 % bei der Produktion). 25 Trotz dieser relativ günstigen Welthandelsentwicklung kann ursprüngliche Ausnahme-Protektion zur Regel geworden sein. Entscheidend ist, in wie starkem Maße sich die Welthandelsströme an komparativen Vorteilen orientieren, die nicht Kunstprodukt der Resultante aus der Protektion aller Länder sind. Eine knappe Zusammenfassung der neueren Protektionstendenzen ist schwer; die verschiedenen Schätzungen des durch Protektion regulierten Anteils am Welthandel weichen stark voneinander ab. Dies hat vor allem zwei Gründe: —
Eine Fülle von Ausnahmen läßt sich naturgemäß viel schlechter zusammenfassen als wenige, eindeutige Regeln. So umfaßt ζ. B. allein die 1986 erstmals veröffentlichte stichwortartige „Zusammenfassung der Zusammenfassung" von Maßnahmen im Handels- und Zahlungsverkehr für das Jahr 1985 28 großformatige Seiten. 26 25
Vgl. GATT, International Trade 1984/85, S. 4, Tab. 1. Vgl. IMF, Annual Report on Exchange Arrangements and Exchange Restrictions 1986, S. 40-68. 26
54
—
Horst Werner
Die wichtigsten neuen Beschränkungen sind nichttarifäre Handelshemmnisse, deren hervorstechende Merkmale geringe Transparenz bzw. hohe Informationskosten sind.
Hohe Regulierungsdichte und hohe Informationskosten sind eine Schwierigkeit für die empirische Analyse; primär sind sie aber ein Problem für Unternehmer in Produktion und Handel; sie müssen Umfang, Stärke und Dauer von Beschränkungen und die nach aller Erfahrung nur vorübergehenden Liberalisierungen einschätzen. Eines dürfte jedenfalls vor einer näheren Bewertung der Entwicklung von Regel und Ausnahme im GATT anhand regulierter Anteile des Welthandels feststehen: Der Umfang der unstetigen Ausnahme-Protektion, der von den Unternehmungen zu identifizieren und zu beurteilen ist, hat Regeln im internationalen Handel, die ursprünglich klar und dauerhaft gewesen sind, weitgehend funktionslos gemacht; die Informationskosten sind gestiegen. Fehllenkungen in der Produktion und bei den Handelsströmen sind nunmehr wahrscheinlicher, ohne daß bei den meisten Produkten der internationale Handel durch zunehmende Protektion kurzfristig erheblich vermindert sein müßte. Längerfristig bergen allerdings Fehlallokationen, die Gewöhnung des Verhaltens an protektionistischen Anpassungswiderstand und Vergeltungsprotektion auch die Gefahr stark sinkender internationaler Arbeitsteilung. Die tarifären Handelshemmnisse haben nach den — gemessen an der ursprünglichen Zeitplanung — beschleunigten Zollsenkungen der Tokio-Runde im Durchschnitt an Bedeutung verloren. Sie sind systematisch in den Bereichen hoch, in denen regelmäßig als härteres Handelshemmnis nichttarifäre Beschränkungen angewendet werden. Bei der Frage, inwieweit Handelshemmnisse als Regelfall auf dem Vormarsch sind, konzentriert sich daher die Aufmerksamkeit auf die nichttarifären Handelshemmnisse. Für die Bereiche Landwirtschaft, Textilien und Bekleidung, in denen traditionell nichttarifäre Handelshemmnisse dominieren, faßt das GATT-Sekretariat für 1984 zusammen: „The expectation was that policies in these areas — which have been problem areas from the very beginning of the GATT — would improve over time, and not set examples for policies in other areas... Even in the current restricted situation, trade in these products accounts for nearly 20 per cent of world merchandise trade — a sizeable chunk to be outside the normal rules." 27 Würde man in gleicher Weise andere Bereiche wie ζ. Β. Schuhwaren, Stahl, elektrische und elektronische Produkte hinzufügen, so könnten An27
GATT, International Trade 85-86, S. 28. Nach Schätzungen der OECD stieg der Anteil des Textil- und Bekleidungshandels, der durch nichttarifäre Handelshemmnisse reguliert wird, zwischen 1968 und 1983 nur noch von 53 auf 61 %. Bei Stahl stieg dieser Anteil dagegen von 31 auf 73 %. Vgl. OECD, Costs and Benefits of Protection, Paris 1985, S. 34.
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel
55
teilswerte für den Handel „outside the normal rules" zwischen etwa 30 und 40 % geschätzt werden. Bei solchen Schätzungen wird allerdings nicht berücksichtigt, daß in diesen großen Bereichen auch ein hoher Anteil Importgüter erfaßt wird, der nicht durch Handelshemmnisse für alle Güterarten oder gegenüber allen Exportländern behindert wird. Ob darin allerdings eine Überschätzung des protektionistisch regulierten Außenhandels liegen muß, ist zu prüfen. Die Funktion von Regeln wird jedenfalls durch hohe Informationskosten der Ausnahme-Protektion für die Unternehmungen eingeschränkt. In wie starkem Maße das der Fall ist, hängt davon ab, auf welche Erfahrungen mit der Protektionspolitik der Importländer die Exporteure ihre Marktanalysen stützen müssen. Für Sektoren mit einem hohen Anteil von veränderlichen Regulierungen, die nach Güterart, Zeitraum und Länder diskriminieren, müssen die Exporteure Informationen suchen und bewerten, die sich nicht nur auf den jeweils regulierten Anteil beschränken. Informationskosten durch solchermaßen veränderliche Regulierungen sind ein nichttarifäres Handelshemmnis. Insofern kann der Anteil des Handels, in dem erfahrungsgemäß Regulierungen möglich sind, aussagefähiger sein als der kleinere Anteil ζ. B. in einem bestimmten Jahr regulierten Handels. Die Anteilswerte, die nur den Anteil der zu einem bestimmten Zeitpunkt regulierten Importe an den Gesamtimporten erfassen, geben also gewissermaßen den Mindestumfang der Behinderung des internationalen Handels durch nichttarifäre Protektion wieder. Solche Anteilswerte („Importquotienten") haben Bela und Carola Balassa berechnet. Sie schätzen z. B. für die EG einen Anstieg des nichttarifär regulierten Importanteils von 10,8 % im Jahre 1980 auf knapp 15 % Ende 1983 (Tab. 1 ). In dieser Größenordnung liegen auch die etwas niedrigeren Anteilswerte, die die Weltbank für den gesamten Welthandel in allen Produkten außer Brennstoffen geschätzt hat. Für die EG stieg danach der Anteil der regulierten Importe von 10,3 im Jahre 1981 auf 10,7 im Jahre 1984, für alle Industrieländer von 10,5 auf 11,3%28. In allen Schätzungen wird eine deutliche Tendenz sichtbar: Der Anteil der nichttarifär regulierten Importe der Industrieländer aus Entwicklungslän28 Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986, S. 25, Tab. 2.5. für den Anteil regulierten Handels im Jahre 1984, also auf dem vermuteten Höhepunkt der Ausbreitung nichttarifärer Handelshemmnisse. Für 1983 wird im Weltentwicklungsbericht 1985 der behinderte Anteil der EG-Importe aus Entwicklungsländern auf 19,8% geschätzt (S. 46, Tab. 3.3). Typisch für die Schwierigkeiten bei der Bewertung solcher Berechnungen ist es, daß die Weltbank den gleichen Anteilswert im Weltentwicklungsbericht 1984 auf nur 11,8 % geschätzt hat. (S. 20, Tab. 2.5). Ob die extrem starke Abweichung allein durch den EG-Beitritt des stark protektionistischen Griechenland erklärt werden kann, wird nicht einmal angesprochen. Bei den Anteilswerten für die behinderten Importe aus anderen Industrieländern weichen die Angaben für 1983 in umgekehrter Richtung stark voneinander ab (15,1 % im Bericht von 1984; 10,2% im Bericht von 1985).
1981 1982
28,4
1980 26,0 26,3 Ende
1974 35,8 1979 43,4 1974 1,8 5,6 1979
1983
1980
12,18 12,36 Ende 1983
Anteil regulierter Güter am Handelb) — bei allen Güternc) Importe aus 1974 14 — OECD 1979 20
Page: Anteil regulierten Handels** bei — allen Gütern0 — bei Industriegütern
(„manufactures' 1)
— Quotient aus Konsum regulierter Industriegüter 1981 und Konsum aller Indu- 1982 striegüter
Balassasb) — Importquotient
36,2 44,3 0 4,0 13,8
35,0
15 24
51,4 54,7 24,9 18,3 4,1
15,7
20,3 15,7 15,7
12,72
14,96 23,7 32,7 34,8
6,20 7,20 7,20
USA
10,80 11,73 12,42
EG
35,8 42,3 12,9 14,6
15,7
7,20
7,20
Japan
40,3 45,7 21,3
23,1
Welt
49,8 48,9
OECD EL
Tabelle 1 Anteile des durch nichttarifäre Handelshemmnissea> von Industrie- und Entwicklungsländern (EL) regulierten Welthandels in ausgewählten Jahren von 1974 bis 1983
56 Horst Werner
1974 55
1979
63
11 30
54
30*
62
17
8
J) Balassa erfaßt als nichttarifäre Handelshemmnisse globale und bilaterale Kontingente, Importlizenzen, Exportselbstbeschränkungen, Orderly Marketing Arrangements (OMAs), Safeguard-Maßnahmen und die restriktive Anwendung von Normen und Standards. Page erfaßt zusätzlich'Staatsplanung oder zentrale Importprogramme, Staatshandel, Importverbote, Mindestpreisregelungen, diskriminierende Vergabe öffentlicher Aufträge und Exportkontrollen. Page erfaßt nicht explizit die restriktive Anwendung von Normen und Standards; der Anteil regulierten Handels umfaßt alle regulierten Handelsströme. b) Bei Balassas Quotienten werden im Zähler nur die Importströme und Konsumwerte erfaßt, die im betrachteten Zeitraum nach Güterart und Region vollständig von nichttarifären Handelshemmnissen reguliert sind (im Gegensatz zu den Anteilen der „Mainly Managed Goods", bei Sheila Page, die Güter umfassen, bei denen mindestens 60 % des Handels reguliert werden). Das Verfahren von Page macht bei gegebenem Zahlenmaterial die Aufspaltung der Anteile des durch nichttarifäre Handelshemmnisse regulierten Handels nach Regionen möglich. c) Da Page auch Exportkontrollen als nichttarifäres Handelshemmnis erfaßt, geht in die Anteilswerte auch der vom OPEC-Kartell regulierte Ölhandel ein, auf den 1974 einen Anteil von 20 % am Welthandel entfiel. * Anteilswert für „Industrial areas" statt für OECD aus Tab. 4, da Page in Tab. 3 bei den Werten für die OECD nicht den Anteil regulierter Importe aus Entwicklungsländern ohne Ölländer ausweist. Quellen: Balassa, B. und Balassa, C, Industrial Protection in the Developed Countries, in: The World Economy, Vol. 7 (1984), No. 2, S. 187, Tab. 4; Page, Sh.A.B., The Increased Use of Trade Controls by the Industrial Countries, in Intereconomics, Mai/Juni 1980, S. 146 ff., Tab. 1-4.
— bei Industriegütern Importe aus — OECD 1979 11 — EL (mit Ölländem) 1979 34 — EL (ohne Ölländem) 1979 — allen Ländern 1979 12
— EL
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel 57
1,9
0,5 3,8 0,7 0,8
— Bekleidung
— — — —
PKW, Teile, Zubehör 5,8(1983) Elektronik, Telekommunikation
Zwischensumme: Stark regulierter Handel bei Agrar- und Industriegütern 18
Schuhe Eisen und Stahl Schiffbau Luftfahrt
3,4
11,1
6,9
ι
32,1
16 18 12
1979
1974 1979**
1974* î
î
t
î 0
î
0
î
î 1
î
i
i
î
î
î
0 tlî î 0 îlî î 0 0 0 0 î 0 î î 0 0
i î d) î î î
î î
î
Î
îi e)
EG
Tendenzc)
EG USA Japan
1979*
1974*
Japan
Tendenzc) 1984/85
1974 1974 1979 1979 1979 1974 1979 1979 1979 î 1979 1979 1979 1979 0 l 1 1979 1979 1979
60
66 82 83
48
35
54,6
32
4,6(1983)
1
20
21
17,4
68,6
Regulierungenb) in: 1980-83 Handelsb) 1979 EG USA
66,5
1974
Anteil regulierten
— Textilien
Industrieprodukte
Agrarprodukte
Anteil der Güteram Welthandel (1974)b)
0
i
0
USA Japan
Tabelle 2 Entwicklung der nichttarifären Protektion3 ' bei Gütern mit einem hohen Anteil regulierten Handels (1974, 1979,1980-1985; Anteile in %)
58 Horst Werner
Das Symbol .î" steht für eine Ausweitung bzw. Verschärfung von nichttarifären Handelshemmnissen, „Γ steht entsprechend für sinkende Handelhemmnisse, „0" bedeutet, das keine wesentlichen Veränderungen von Handelshemmnissen mit eindeutiger Tendenz erkennbar sind. Freie Felder bedeuten, daß die angeführten Quellen im jeweiligen Bereich, Land und Jahr keine nichttarifären Handelshemmnisse nach der Abgrenzung von Page (s. o., Tab. 1, Fn. 1) ausweisen. b) Angaben nach Page (1980). c) Tendenzaussagen zusammengefaßt auf der Grundlage der in den Quellen angeführten Veröffentlichungen. c) 1982 und 1983 Lockerung von Importkontingenten (zusätzlich zu Zollsenkungen bei 86 Produkten). φ Nur Getreide. ** Getreide, Obst und Gemüse. Quellen: Page, Sh.A.B. (1980), S. 146, Tab. 1 für Angaben von 1974 und 1979, Anjaria u. a. (1982) für die Tendenzaussagen zur Entwicklung der nichttarifären Handelshemmnisse von 1979 bis 1982. Für die 1984 am weitesten ausgebreiteten nichttarifären Handelshemmnisse: OECD (1985), S. 30 ff. ; IMF, Annual Report on Exchange Arrangements and Exchange Restrictions, Jgg. 1980-1986, Weltbank, Weltentwicklungsberichte 1985 und 1986, GATT, International Trade, 1984/85 und 1985/86.
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel 59
60
Horst Werner
dem ist etwa doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil bei Importen aus anderen Industrieländern. Die Weltbank ζ. B. schätzt, daß der Anteil der nichttarifär regulierten Industrieländer-Importe aus Entwicklungsländern von 19,5 (1981) auf 20,6 (1984) gestiegen ist. 29 Vergleichswerte für den Beginn des starken Anstieg der nichttarifären Protektion im Jahre 1974 und für 1979 ermittelte Sheila Page vom National Institute for Economic and Social Research nach einem Schätzkonzept, das eher der oben vorgestellten Vorgehensweise des GATT entspricht (siehe Erläuterungen in den Fußnoten zu Tab. 1): Danach stieg der Anteil des Handels bei allen Güterströmen (einschließlich Erdöl), die durch irgendein Handelshemmnis bei Importen oder Exporten reguliert werden, für die OECD von 35,8% (1974) auf 42,3% (1979). Bei den verarbeiteten Gütern („manufactures") stieg der entsprechende Anteil von 4% (1974) auf 14,6% ( 1979). Der starke Anstieg der nichttarifären Protektion ab 1974 wird hier vor allem bei den verarbeiteten Gütern deutlich. Page geht auch nach einem anderen Schätzkonzept vor, das die Importanteile der zu mindestens 60 % nichttarifär regulierten Güter („mainly managed goods") erfaßt. Für 1979 ergibt sich dann folgendes: Bei den OECD- bzw. Industrieländer-Importen von verarbeiteten Gütern aus Entwicklungsländern ist der Anteil regulierter Güter mit 30 % deutlich höher als der Anteil solcher Güter an den Importen aus anderen OECD- bzw. Industrieländern (11 %; Tab. 1). Besonders hoch sind die Anteile des regulierten Handels, wenn nur die Agrar- und Industriegüter berücksichtigt werden, deren Handel 1979 zu einem Anteil von mindestens 30 % nichttarifär reguliert war. Bei diesen Gütern stieg der regulierte Anteil von 32,1 % ( 1974) auf 60 % im Jahre 1979. In den Jahren von 1980 bis 1984 nahm insgesamt die nichttarifäre Protektion nach Intensität und Ausdehnung auf Produktgruppen und Länder zu (Tab. 2). Den größten Teil der Darstellungen von Schätzergebnissen für den Anteil des Handels, der entgegen den Regeln des GATT durch eine Vielzahl von Ausnahmefällen nichttarifärer Handelshemmnisse reguliert wird, nehmen methodische Erläuterungen und Hinweise auf die eingeschränkte Aussagefähigkeit der ermittelten Anteilswerte ein. 30 Trotz der großen Unterschiede in den Schätzmethoden und Ergebnissen mit eingeschränkter Aussagefä29
Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1986, S. 25, Tab. 2.5. Vgl. z. B. die Erläuterungen von Bela und Carola Balassa sowie deren deutliche Kritik an der Vorgehensweise von Cline. Bela und Carola Balassa kritisieren dagegen nicht die drei bis vier Jahre vor ihren eigenen Schätzungen erschienenen Arbeiten von Page, die mit einer umfassenderen Definition der nichttarifären Handelshemmnisse und anderen Schätzmethoden deutlich höhere Anteilweise als Bela und Carola Balassa berechnet. Vgl. Balassa, B. und Balassa, C., Industrial Protection in Developed Countries, a.a.O., S. 184-189. 30
Das GATT heute: Die Ausnahme als Regel
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higkeit dürften die Ergebnisse immerhin folgendes bestätigen: Seit etwa 1974 ist für einen deutlich zunehmenden Teil der Unternehmer freier, nichtdiskriminierender Handel in den von ihnen produzierbaren und handelbaren Gütern nicht mehr zuverlässige Regel. Vor allem für die Unternehmungen im Agrarbereich sowie für Bekleidung und Textilien gilt dies bereits seit etwa 30 Jahren. Es ist zu beurteilen, ob heute eher die relativ niedrigen Anteilswerte von Balassa und Balassa oder die hohen Schätzwerte von Page das Verhältnis von Regel und Ausnahme im GATT treffend wiedergeben. Für die höheren Schätzwerte von Page sprechen zunächst die folgenden prinzipiellen Erwägungen 31 , die die These von der starken Aufweichung der GATT-Regeln durch protektionistische „Ausnahmen" stützen: —
Wenn ζ. B. nur 30 % des Welthandels unmittelbar durch Handelshemmnisse beschränkt wären, so wäre wahrscheinlich ein weitaus größerer Teil der Handelsströme mittelbar durch Protektion erfaßt. Dies folgt aus der Logik relativer Preise (Verzerrung der Preisrelationen auch zwischen Gütern mit Handelsbeschränkungen und Gütern ohne Handelsbeschränkungen).
—
Kontrollen des Kapital- und Zahlungsverkehrs, die den Warenhandel direkt und indirekt behindern, werden in den quantitativen Schätzungen nicht erfaßt.
—
Die nicht erfaßte Protektion im Dienstleistungsbereich erhöht insbesondere die Kosten bei Frachten, Versicherung und Information. Die Dienstleistungsprotektion hemmt also zusätzlich den Handel mit Waren.
—
Für die Allokation und die Handelsströme sind nicht nur die vorhandenen, sondern auch potentielle Handelshemmnisse wichtig, weil die Unternehmungen auch die Veränderung von Handelshemmnissen im gesamten Zeitraum der Planung und Durchführung von Außenhandelstransaktionen beachten müssen.
—
Für einzelne Ländergruppen, Länder und erst recht für einzelne Unternehmungen kann ein Anteil von ζ. B. 70 % nicht unmittelbar behinderten Welthandels wenig bedeutsam sein, weil er nicht oder kaum die Produktionsbereiche umfaßt, in denen ζ. B. diese Unternehmungen komparative Vorteile aufweisen oder kurz- und mittelfristig entwickeln können. 31
Bei den schätztechnischen Kriterien spricht für die Berechnungen von Page vor allem, daß Page die Importwerte von 1974 wählt, dem Jahr also, in dem die Eskalation der nichttarifären Protektion nach verbreiteter Einschätzung beginnt. Die Anteilswerte sind also nicht systematisch durch den Einfluß der neuen nichttarifären Handelshemmnisse auf den Handelsumfang verfälscht.
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Horst Werner
Auf der anderen Seite sprechen folgende Gründe dafür, daß mit Ausnahmebereichen von ζ. B. 30 % durch Protektion behinderten Welthandels das Ausmaß der heute wirksamen Protektion überzeichnet sein könnte: —
Die Volumenanteile des durch Protektion behinderten Welthandels müßten mit einem Maß für die Intensität der Protektion verknüpft werden, im Prinzip mit einem Protektionsgrad zwischen 0 für den Grenzfall freien Handels und 1 für den Grenzfall totaler Handelsbeschränkung, ζ. B. durch Verbote oder prohibitiv hohe Zölle. Dieses Maß müßte für einzelne Güterarten die Resultante aus inländischen und ausländischen Handelshemmnissen und Handelsförderungen erfassen, es kann jedoch praktisch nicht berechnet werden. Eine praktikable Lösung fehlt: Keine der angeführten Untersuchungen berücksichtigt in den Berechnungen systematisch, wie restriktiv die erfaßten nichttarifären Handelshemmnisse wirken. Selbst ein hoher Anteil von 50 % behinderten Handels wäre dann mit einem hohen Maß an Offenheit der Märkte vereinbar, wenn der Protektionsgrad gering und relativ leicht berechenbar wäre. Dies gilt zumindest für viele Behinderungen durch Zölle, die in den bisherigen Liberalisierungsrunden erheblich gesenkt worden sind.
—
Bei der Erfassung des durch Protektion behinderten Handels kommt nicht zum Ausdruck, in welchem Maße sich die Protektion verschiedener Länder eher kumuliert oder neutralisiert. Auch bleibt offen, inwieweit Protektion eine künstliche Handelsförderung ζ. B. durch Subventionen oder Wechselkursspaltungen kompensieren kann. Dabei sind auch Zahlungsbilanzzusammenhänge und die Wirkungen von Protektion bei festen oder flexiblen Wechselkursen sowie die antiprotektionistischen Effekte von Inflation zu beachten.
Insgesamt zeigt die nähere Analyse, daß trotz einer Vielzahl von Handelshemmnissen und trotz Tendenzen zur Verlagerung auf restriktivere und gezielt anwendbare nichttarifäre Handelshemmnisse die Weltmärkte in der Regel offener sind, als es zunächst scheint: Behinderungen können durch Anstrengungen von Produzenten mit komparativen Vorteilen und von spezialisierten Handelsunternehmungen überwunden oder umgangen werden. Damit wird die Ressourcenvergeudung bei der erfolgreichen und erfolglosen Suche nach Ausweichmöglichkeiten nicht verharmlost. Die Einzelanalyse der Handelshemmnisse zeigt andererseits vor allem bei der Gewährung oder Verweigerung des freien oder unterschiedlich stark behinderten Marktzutritts ein hohes Maß an Diskriminierung nach Ländern, Gütern und im Zeitablauf. Das GATT-Prinzip der Nicht-Diskriminierung wird in der Regel verletzt; undiskriminierter Marktzugang wird zunehmend zur Ausnahme.
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Bereits die Schätzungen des regulierten Anteils der Importe von großen Ländergruppen durch Page und die Weltbank sprachen deutlich für eine starke Diskriminierung der Importe von Industrieländern aus Entwicklungsländern gegenüber Importen aus anderen Industrieländern (s. o.). Vor allem Weltbank und OECD heben außerdem hervor, daß sich die Handelshemmnisse heute primär gegen Hauptschuldnerländer richten. 32 Während nach der Weltbankschätzung 1983 nur etwa 10,5% der Industrieländerimporte aus anderen Industrieländern nichttarifären Handelshemmnissen unterlagen, wurden fast 22% der Importe aus Hauptschuldnerländern von den Industrieländern insgesamt behindert. Die EG hat nach dieser Schätzung mit 25% den größten Anteil der Hauptschuldner-Exporte behindert, die USA immerhin 14,5 %, Japan mit 9,6 % den niedrigsten Anteil. Bei der Behinderung der Importe aus einzelnen Hauptschuldnerländern (Tab. 3) zeigt sich, daß die Agrarexporte aus diesen Ländern zu einem Anteil von über 50% (Brasilien) bis zu 100% (Argentinien) durch nichttarifäre Handelshemmnisse von OECD-Ländern behindert werden. Industriegüter werden von der OECD vor allem nichttarifär reguliert, wenn sie aus Südkorea (58,1) oder Brasilien (42,9 %) kommen. Interessant ist in diesem Zusammenhang für die Beurteilung berechneter Anteile des nichttarifär regulierten Handels, daß die OECD in der gleichen Quelle implizit eine engere Abgrenzung von nichttarifären Handelshemmnissen wählt, bei der sich für Südkorea ein Anteil von „nur" 31,6% durch Selbstbeschränkungen und „Orderly Marketing Agreements" behinderter Exporte in die OECD ergibt (Tab. 4). Insgesamt wurden so Industriegüterexporte der erfaßten fünf „newcomer" im internationalen Handel in Höhe von fast 32 Mrd. US-$ (1983) behindert. Die ausschließliche Betonung der Diskriminierung von Entwicklungsländern vor allem durch das Vordringen nichttarifärer Handelshemmnisse der Industrieländer würde die handelspolitische Situation heute verzerrt wiedergeben. Die Protektion der meisten Entwicklungsländer ist nämlich höher als die Protektion der Industrieländer. 33 Diskriminierung durch Verweigerung der Meistbegünstigung und Reziprozität gegenüber Industrieländern ist sogar zum festen Bestand des GATT-Regelwerkes geworden. Wenn in den letzten Jahren bei den meisten Entwicklungsländern Liberalisierungstendenzen gegenüber Verschärfungen und Ausweitungen der Protektion dominieren, so handelt es sich bei dem nach aller Erfahrung nicht irreversiblen und partiellen Abbau von Handelsschranken oft um diskriminierende regionale oder sektorale Vereinbarungen mit anderen Entwicklungsländern. Nichtdiskriminierende Liberalisierungen vieler Entwicklungsländer sind in der Regel nicht Ergebnis einer Unterwerfung unter die ursprünglichen Prin32
Vgl. Weltbank, Weltentwicklungsbericht 1985, S. 44 und S. 46 ff., Tab. 3.3. OECD, Costs and Benefits of Protection, Paris 1995, S. 180 ff. 33 Vgl. z.B. World Bank, Research News, Vol. 7, No. 2, Herbst 1986 und oben, Tab. 1.
73,7
1,4 51,6
3,2
8,0*
35,7
1,8 5,0 2,2
Argentinien
22,2
40,0
55,0
4,3*
58,3
0,61
58,1
98 10,8 30,0
41,7
21,2
0,01
31,4
alle 8 Länder
25,3*
40,8
74,8
Chile
14,3
21
95
Jugoslawien
34,8
68,2
Philippinen 10,4
93,3
Südkorea
0,3 0,6
Indonesien
6,8 0,6 0,8
54,5
0,8 7,7 2,0 1,1
0,2
100
2 0,6 0,9 1,4
Brasilien
Öffentliche Auslandsschulden (1983, Mrd. US-S) 66,7 58,1 24,6 21,7 21,5 10,4 9,1 6,8 218,9 Schuldendienstb) auf diese Schulden — in Mrd. US-$ 9,95 6,98 2,34 2,56 3,74 1,25 1,01 0,89 28,72 — in % vom BSP 7,3 3,5 3,1 3,4 4,7 3,7 2,2 5,1 — in % der Leistungsbilanzexp. 35,9 28,7 24,0 12,8 12,3 15,4 7,6 18,3 a) Kontingente, Lizenzen, Exportselbstbeschränkungen, Orderly Marketing Arrangements, Mindestpreissysteme. b) Summe aus Schuldentilgung und Zinszahlungen. * Die trotz eines sehr hohen Anteils behinderter Agrarexporte niedrigen Anteilswerte für alle Güter ergeben sich für Mexiko, Indonesien und den Durchschnittswert für alle 8 Länder durch die Ölexporte Mexikos und Indonesiens, die durch nichttarifäre Handelshemmnisse der OECD-Länder nicht behindert werden. Quellen: Zu den nichttarifären Handelshemmnissen: OECD, (1985), S. 181 f., Tab. 9.6 und die Erläuterungen auf S. 30 ff. Zu den Indikatoren für die Verschuldungssituation dieser Länder: Weltbank, (1985), Tab. 15 und 16.
aus diesem Land
Summe (1) + (2) Behinderte Importe — inMrd.-$ — in % der gesamten Importe
(2) Behinderte Industrieimporte — in Mrd. US-$ 0,4 1,8 0,2 — in % der gesamten OECD-Industrieimporte aus diesem Land 8,2 42,9
(1) Behinderte Agrarimporte — in Mrd. US-$ — in % der gesamten OECDAgrarimporte aus diesem Land
Mexiko
Tabelle 3 Durch nichttarifäre Handelshemmnissea) behinderte Importe aus Hauptschuldner-Entwicklungsländern; Indikatoren zur Verschuldungssituation 1983 (1982; Mrd. US-S, %) 64 Horst Werner
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Tabelle 4 Wert der durch nichttarifäre Handelshemmnisse regulierten Industriegüterexporte ausgewählter „neuer" Industrieländer in die OECD (1980, 1983) Gesamte Exporte 1980 (Mrd. US-$) a)
Regulierte Exporte 1980 Mrd. US-$
%
1983* Mrd. US-$
%
Japan Südkoreab) Taiwanb) Hongkongc) Singapur01
61,688 10,070 12,034 11,769 3,579
6,96 2,26 1,98 3,42 0,21
11,3 22,4 16,5 29,1 5,9
21,81 3,18 2,22 4,15 0,28
35,4 31,6 18,5 35,3 7,8
Insgesamt
99,140
14,84
15%
31,63*
32 %*
a) 1980: Nichttarifäre Handelshemmnisse gegen japanische Exporte bei Stahl und Schiffen; Exporte in die USA bei Fernsehgeräten behindert. 1983: Exporte von Stahl, Schiffen, Kraftfahrzeugen; 1/3 der Exporte von Fernsehgeräten in die EG; Motorradexporte in die USA behindert. b) 1980: 50 % der Texil- und Bekleidungsexporte Südkoreas und Taiwans, 1/3 der Schuhexporte behindert. Orderly Marketing Agreement mit USA bei Farbfernsehern. 1983: 2/3 Textil- und Bekleidungsexporte, 50 % der Stahlexporte; 50 % der Schuhexporte in EG behindert. c) 1980: 2/3, 1983: 4/5 der Textil- und Bekleidungsexporte behindert. d) 1980: 1/3, 1983: 2/3 der Textil- und Bekleidungsexporte behindert. * Um den Einfluß der Handelshemmnisse auf die Handelsstruktur zu korrigieren, wurde mit den Handelsgewichten von 1980 gerechnet. Quelle: OECD (1985), S. 32 ff., Tab. 1.4 und 1.5.
zipien des GATT. Diese Liberalisierungen werden vielmehr unter dem Druck der kreditgewährenden Institutionen vor allem bei Umschuldungsverhandlungen durchgesetzt. Zusammengefaßt ergibt sich, daß trotz des großen Anteils der durch Protektion behinderten Handelsströme die Offenheit der Märkte weiterhin die Regel ist. Das vor allem bei dynamischer Betrachtung wichtigste Zwischenziel des GATT ist in hohem Maße erreicht. Das Ziel der Gleichbehandlung wird dagegen zunehmend verfehlt. Zwischen „Offenheit der Märkte" und „Diskriminierung" besteht jedoch ein für die Ziele des GATT günstiger Zusammenhang: Die Ausweichmöglichkeiten durch hinreichend offene Märkte verringern den tatsächlichen Grad der Diskriminierung, den auch der Rechtsrahmen des GATT zuließe. 5 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
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Horst Werner
3. Den gordischen Knoten durchschlagen Die bei der Meistbegünstigung und der Reziprozität zu beobachtende Aushöhlung von Prinzipien des GATT, erweiterte Ausnahmen von der Verpflichtung zu freierem Handel und das Vordringen von selektiven Handelshemmnissen und Erhaltungssubventionen gefährden aber zunehmend das bisher noch gewährleistete Prinzip der Offenheit der Märkte. Gerade weil erfolgreiche Anstrengungen der Produzenten sowie der Export- und Importunternehmungen hinreichende Offenheit der Märkte gegen wiedererstarkte Protektionstendenzen durchgesetzt haben, ist weiterhin wachsender Druck auf die Regierungen zu erwarten, protektionistischen Widerstand gegen die Anpassung an geänderte Weltmarktbedingungen zu leisten. Mit der zunehmenden Abkehr von bindenden Regeln im internationalen Handel sind auch für freihändlerisch orientierte Regierungen die Chancen verschlechtert, diesem Druck zu widerstehen; Notstandsklauseln, die Argumente des Schutzes junger Industrien, die These von der Notwendigkeit der „sanften Landung" für „alte Industrien" sowie Dumping- und Subventionsvorwürfe könnten zukünftig in noch stärkerem Maße als Rechtfertigung für neue Protektion oder die Rücknahme von Liberalisierungen herangezogen werden. Dann wäre zumindest zwischen den sich formierenden Handelsblöcken nicht mehr gewährleistet, daß durch unternehmerische Anstrengungen die Offenheit der Märkte gegen eine Eskalation von Handelsschranken durchgesetzt würde. Durch eine Rückkehr zu den ursprünglichen Prinzipien des GATT und daraus folgend zu verläßlichen Regelfällen und eng begrenzten Ausnahmen kann dieser Gefahr auch heute begegnet werden, also in einer Phase großer Anpassungsprobleme in vielen Ländern. Dabei wird sich nach aller Erfahrung die angebliche Rechtfertigung für Staatshilfen insbesondere mit dem Erziehungsargument, mit externen Effekten, dem Argument der „sanften Landung" und bei abrupten Datenänderungen („Schocks") politisch nicht hinreichend zurückweisen lassen. Es dürfte auch in Zukunft nicht genügen, Regierungen davon zu überzeugen, daß Protektion ein ungeeignetes Mittel zur Hilfe in solchen „Ausnahmesituationen" ist. Viel wäre zwar bereits gewonnen, wenn Staatsinterventionen sich auf extreme Ausnahmesituationen beschränken, in denen sich Unternehmungen auch bei hinreichend funktionsfähigen Kapitalmärkten nicht selbst helfen können. Entscheidend ist aber, daß beim Gewirr wechselseitiger Diskriminierungen und kompensierender Protektion ein naheliegender Anfang gemacht wird: Der gordische Knoten der Protektion muß durchschlagen werden, indem die Agrarpreise an Wettbewerbspreise auf offenen internationalen Märkten herangeführt werden. Einem großen Teil der Argumentation vieler
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Entwicklungsländer wäre damit die wichtigste Grundlage entzogen; Spannungen zwischen den USA und den EG würden entschärft. W o Sonderbehandlung armer Länder durch Hilfe zweckmäßig ist, sollte sie nicht handelspolitisch, sondern über die Gewährung unentgeltlicher Entwicklungshilfe erfolgen. Länder, die mit der Abkehr von ihrer protektionistischen Agrarpolitik einen Anfang machen, um auf Protektion als Mittel der Wirtschaftspolitik 34 irreversibel zu verzichten, mögen dann als handelspolitisch „entwickelte Länder" in einer Art „GATT-Plus" mit gehärteten, zuverlässigen Regeln eingestuft werden. „Unterentwickelt" bleiben in diesem Sinne Länder, die weiterhin glauben, auf Protektion im Dienste der Wirtschaftspolitik nicht verzichten zu können.
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Ein großer Schritt in diese Richtung wäre es, wenn sich die Wirtschaftspolitik der OECD-Länder an der jüngsten Beurteilung der Protektion durch den Ministerrat der OECD orientieren würde: „International trade provides, through competition, the most powerful means of promoting economic efficiency and growth. Measures which impede or distort the functioning of international markets tend to impair structural adjustment, preserve outdated economic structures, damage consumer interests, weaken incentives for efficient investment and thus hinder economic growth. Therefore, it is of paramount importance to reverse recent trends towards restrictive trade measures, notably of a bilateral or a discriminatory nature, and to act with determination to strengthen and extend the open multilateral trading system." OECD, Ministerrat, Communiqué der Ministerratstagung vom 12./13. Mai 1987 in Paris, abgedruckt in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 36 (15. Mai 1987), S. 2. 5"
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Zusammenfassung der Diskussion (Referat Werner)
Einleitend stellt Zeppernick fest, der Grundtenor des Referats könne trotz allem optimistisch stimmen: Trotz der Behinderungen, die bestehen, sei der freie Welthandel angeblich weitgehend funktionsfähig. Das könne wohl für Industriegüter zutreffen, aber einige Skepsis bleibe doch bestehen. Der Referent selber habe den Textil- und den Agrarbereich erwähnt, weniger hingegen den Bereich der Dienstleistungen und der Kapitalmärkte. Wahrscheinlich sei ganz entscheidend, wie man den Begriff „Weltmarkt" definiert. Fraglich sei ζ. B., ob nur der Weltmarkt der Industrieländer zugrunde gelegt werde bzw. ob bei dieser Aussage die Entwicklungsländer überhaupt mit berücksichtigt seien. Ein weiteres kritisches Phänomen sei die Tatsache, daß der internationale Handel mit Zwischenprodukten zwischen Industrieländern rapide zugenommen habe, im Verhältnis der Entwicklungsländer untereinander aber praktisch gar nicht. Das sei wahrscheinlich auch auf Protektionismus in der Importpolitik zurückzuführen. Einen anderen Weltmarktbegriff zugrunde legend, könne man also vielleicht zu ganz anderen und auch viel nachdenklicher stimmenden Aussagen gelangen. Werner weist darauf hin, daß in den Zahlen die Entwicklungsländer eingeschlossen sind; es fehlten die Ostblockländer. Im übrigen habe er. Kapitalmärkte und Dienstleistungen in der Auflistung der Ursachen, die systematisch zu einer Unterschätzung des Umfangs und der Intensität der vorhandenen Protektion führen, erwähnt. Tatsächlich könnten diese Bereiche, die jedenfalls bisher nicht von den Regeln des GATT erfaßt würden, zu einer etwas skeptischeren Gesamtbeurteilung führen. Ob sich durch eine andere Berücksichtigung des Handelsvolumens mit Zwischenprodukten das Bild wesentlich verschieben würde, sei unwahrscheinlich. Es sei grundsätzlich zu fragen, wie sich das mit wenigen Ausnahmen andauernd starke Wachstum des Welthandels erkläre. Hier scheine der — allerdings auch nicht unproblematische — „Hindernislauf" der Unternehmungen besondere Bedeutung zu haben — Unternehmungen in Industrieländern, die komparative Vorteile bei der Überwindung oder Umgehung von Protektionsbarrieren haben. Es sei ja nicht etwa so, daß nur bei der konkreten Ausgestaltung von Kontingenten Lösungen gefunden würden, durch die pfiffige, schnelle Inländer bevorzugt würden. Durch Vorsprünge in den Erfahrungen, die Inlandsanbieter
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Zusammenfassung der Diskussion
gerade bei den inzwischen langen Hindernisrennen, etwa im Textilbereich, hätten, sei es in erheblichem Maße gelungen, die negativen Wirkungen für die Verbraucher in den Industrieländern zu mildern. Damit solle natürlich in keiner Weise der Schaden relativiert werden, der den Entwicklungsländern zugefügt worden sei, und ebensowenig die damit in Gang gesetzte dirigistische Spirale (Aushöhlung der Regeln des GATT, Gegenkonzessionen etwa im Bereich der Sonderbehandlungen für Entwicklungsländer). Langhammer geht auf die These in Werners Referat ein, daß sich die Ausnahme im Zeitablauf zur Regel entwickelt habe. Er stellt eine Gegenthese auf, nämlich daß die Ausnahme von Beginn an die Regel sein mußte. Das GATT habe von Beginn an drei wesentliche „Ausnahmen" in das Vertragswerk eingebaut. Die erste bestehe in der Berücksichtigung des Begriffs der Entwicklung. Es habe gar nicht mehr des Teiles IV von 1964 bedurft, um den Begriff zum Tragen zu bringen. Entwicklung sei eine wichtige Ausnahme, weil sie den subventionierten Ressourcentransfer beinhalte, der natürlich im Gegensatz zu Liberalisierungsbestrebungen stehe, die auf Allokationsverbesserungen abzielten. Als zweiten Punkt nennt er die Reziprozität. Die amerikanische Handelsgesetzgebung habe seit den 30er Jahren den Präsidenten immer auf strikte Reziprozität verpflichtet. Und es seien im wesentlichen die Amerikaner gewesen, die in das GATT auch wiederum integrativ von Beginn an den Begriff der Reziprozität einfügten. Reziprozität lasse sich allerdings empirisch kaum messen. Es gebe schöne Beispiele dafür, wie von zwei Seiten der gleiche Tatbestand im Hinblick darauf, was reziprok ist, sehr unterschiedlich beurteilt werden kann. Mithin könne man Liberalisierung vermeiden bzw. verweigern, wenn man die Reziprozität anders auslegt als der Partner. Die dritte wesentliche „Ausnahme", auch wieder integrativ von Beginn an im GATT, sei die Diskriminierung. Artikel X X I V setze ja paradoxerweise die vollständige Diskriminierung als zulässige Ausnahme an, aber nicht die partielle Diskriminierung. Präferenzielle Handelsabkommen, die nicht den Tatbestand der Freihandelszone und Zollunion beinhalten, seien also an sich nicht gestattet. Empirisch zu messen, was vollständige Diskriminierung eigentlich ist, sei ebenfalls sehr schwierig. Ein Beispiel: Als 1960 die lateinamerikanische Freihandelszone gegründet wurde, habe sich diese Frage im GATT gestellt, und man sei zu keiner Entscheidung gekommen, ob es sich wirklich um eine Freihandelszone nach Artikel X X I V handelte oder nur um ein präferenzielles Handelsabkommen. Langhammer unterstreicht im übrigen, was Willgerodt zum Schluß seines Referats etwas optimistisch anklingen ließ, nämlich die Liberalisierungsbestrebungen von innen. Nur vollziehe sich diese Liberalisierung außerhalb des GATT, und sie vollziehe sich einseitig, nicht im Rahmen der multilatera-
Zusammenfassung der Diskussion
len Liberalisierungsrunden. Sie vollziehe sich unter dem Druck von Sanktionsmechanismen, aber nicht von solchen, die im Regelwerk des GAT angesiedelt seien — weil das GATT seinen Sanktionsmechanismus weitgehend aufgegeben habe —, sondern aufgrund der Sanktionsmechanismen des Internationalen Währungsfonds. Die Sanktion, den Zugang zur internationalen Liquidität zu sperren, zwinge Volkswirtschaften dazu, ihre Märkte zu öffnen, sie zwinge sie dazu — beispielsweise im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen — auch ihr Handelsregime zu ändern. Dies geschehe aber einseitig, oft ad hoc, und werde genauso schnell, wenn sich Fehlschläge zeigten, wieder zurückgenommen. Man könne die Frage aufwerfen, ob das GATT noch in der Lage sei, ein internationales öffentliches Gut zu produzieren, wenn sich Liberalisierungsbestrebungen im wesentlichen außerhalb des GATT abspielten. Auch Willgerodt unterstützt diese Sicht: Man könne vielleicht der Meinung sein, freihändlerische Regelungen wären nur möglich, wenn man den Nichtschwimmern die Angst vor dem Untergehen nehme. Die EWG basiere mit ihren Ausnahmeklauseln auf der Hoffnung, daß möglicherweise die Ausnahmeklauseln nicht aktuell werden und daß sich die Ausnahmeklauseln sozusagen nur als wirklicher Notanker, der nicht in Anspruch genommen wird, erweisen würde. Aber das habe sich beim GATT nicht verwirklicht. Die These, das GATT wäre nie abgeschlossen worden, wenn man diese Ausnahmeklauseln nicht gehabt hätte, weil die Länder zuviel Angst gehabt hätten, ohne solche Rettungsringe in den Freihandel zu gehen, sei fragwürdig. Es lasse sich aber nachweisen, daß die Ausnahmeklauseln Notstände, zu deren Behebung sie bestimmt waren, gerade herbeiführten. Curzon greift die Beiträge von Langhammer und Willgerodt auf, indem er darauf hinweist, daß die Amerikaner dem Rest der Welt tatsächlich den Freihandel aufgezwungen hätten. Aber um dies bewerkstelligen zu können, hätten sie auch etwas anbieten müssen, nämlich den Zugang zu dem amerikanischen Markt. Diesen Markt zu bieten und von den Partnern ihrerseits Öffnung zu verlangen, sei Reziprozität gewesen. Und Reziprozität sei somit nicht als Handelshemmnis, sondern als ein Instrument der Handelsförderung gemeint und wirksam gewesen. Ferner geht Curzon auf das Argument ein, Artikel X X I V sei diskriminierend. Das sei nur halb richtig. Die Schlüsselbegriffe in diesem Zusammenhang seien Handelsumlenkung und Handelsschaffung. Wenn man Integrationsversuche den Politikern überließe, käme stets Handelsumlenkung, nicht Handelsschöpfung heraus. Artikel X X I V versuche nun gerade, die Politiker zu zwingen, auch Handelsschöpfung zuzulassen — mit etwas Glück könne das Resultat gleich viel von beidem bringen. Daran lasse sich erkennen, daß Ausnahmeregelungen an sich nichts Negatives seien — es komme immer darauf an, wozu sie dienten.
74
Zusammenfassung der Diskussion
Auch zu Artikel XVIII nimmt Curzon Stellung. Es sei oft durchaus unklar, wer mit dem Begriff „Entwicklungsländer" gemeint sei. Die ersten, die in den Verhandlungen auf diesem Artikel bestanden — Kanada und Australien —, hätten sich damals selbst als Entwicklungsländer betrachtet. Das stimme ja auch, wie jeder wisse, der sie kennengelernt hat. Sie seien schließlich zu enormer Entwicklung fähig, und sie verstünden darunter Industrialisierung. Brasilien und Indien seien dann erst später auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Langhammer stimmt zu, daß die Frage des Referenzsystems sehr wichtig sei. Das GATT sei keine Freihandelsveranstaltung, sondern ein Forum für Protektionsabrüstung auf Gegenseitigkeit, was unter Umständen das Gegenteil besagen könne. Im Englischen habe sich der Ausdruck „disarmament" durchgesetzt, und er wolle auch die Parallele zu Abrüstungsverhandlungen insgesamt ziehen. Das Prinzip der strikten Reziprozität beinhalte eben auch, daß diskriminiert werden könne und daß vor allen Dingen auch Handel behindert werden könne, wenn sich keine Partner fänden, die zur Reziprozität bereit sind. Wenn es eine Absicht der Partner sei, auf strikte Reziprozität zu warten in der Hoffnung, daß sich keiner findet, der darauf eingeht, dann habe man natürlich die Situation, daß die Gruppe der Nontraders, wie sie Curzon nannte, im GATT allmählich die Überhand gewinnt.
Zweiter Teil
Das G A T T vor traditionellen Problemen und neuen Herausforderungen
Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen im Verarbeitenden Gewerbe? Von Michael Breitenacher, München
I. Problemstellung 1. Der Konkursantrag der „Maxhütte" hat das Problem der Schrumpfungsbranchen und deren Protektion wieder einmal in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gelenkt. Soll hier der Staat eingreifen und das Unternehmen „retten" oder soll er das Unternehmen „seinem Schicksal" überlassen, mit der Konsequenz, daß es möglicherweise ganz vom Markt verschwindet und zahlreiche Arbeitsplätze vernichtet werden? Im folgenden sollen einige Überlegungen zu diesem Problemkreis aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland angestellt werden, wobei es vor allem um die Beantwortung der Fragen geht: — Führen staatliche Interventionen bzw. führt Protektionismus zum Erlahmen der Anpassungskräfte? — Und: Wie sind Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen im Rahmen des GATT zu beurteilen? 2. In der Bundesrepublik genießen die Schrumpfungsbranchen Eisen- und Stahlindustrie, Schiffbau sowie der Textil- und Bekleidungssektor eine hohe Protektion. Es wird versucht, die gestellten Fragen am Beispiel des Stahlsektors sowie des Textil- und Bekleidungssektors zu beantworten, und zwar aus folgenden Gründen: —
Diese Sektoren zählen, obwohl sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Beschäftigte freigesetzt haben, nach wie vor zu den wichtigsten Arbeitgebern des verarbeitenden Gewerbes. Im Jahr 1986 waren in der Stahlindustrie 210 000 Arbeitskräfte beschäftigt, in der Textil- und Bekleidungsindustrie über 410 000 Arbeitskräfte.
—
Zum zweiten haben in den genannten Sektoren die Instrumente der Protektion unterschiedliches Gewicht. Während im Textil- und Bekleidungssektor die außenwirtschaftliche Protektion bei weitem überwiegt, gesellt sich im Stahlsektor zur Außenprotektion noch das binnenmarkorientierte Instrument der Subventionen.
78
Michael Breitenacher
—
Und schließlich spricht für die Auswahl der genannten Sektoren ein praktischer Grund: Das Ifo-Institut hat sich mit ihnen im Rahmen von zwei Studien über die Protektions- und Subventionsproblematik beschäftigt 1 .
II. Darstellung der ProtektionsmaQnahmen 3. Der Textil- und Bekleidungssektor ist durch das Welttextilabkommen (WTA) geschützt, das im Rahmen des GATT abgeschlossen wurde. Es hat 43 Signatare, wovon die Europäische Gemeinschaft einer ist. Dem W T A gehören also 54 Länder an 2 . Der multilateral vereinbarte Rahmen des W T A wird durch zweiseitige Verträge mit konkreten Abmachungen ausgefüllt. In der Regel sind dies Vereinbarungen über höchstmögliche Liefermengen von bestimmten Textil- und Bekleidungsgütern aus Niedriglohnländern in Industrieländer. Innerhalb der EG werden die Liefermengen nach einem bestimmten „Lastenteilungsschlüssel" auf die einzelnen Mitgliedsstaaten aufgeteilt. Das W T A verstößt gegen die allgemeinen GATT-Prinzipien der Liberalisierung und der Nicht-Diskriminierung. Was die Bundesrepublik anbelangt, so werden nach Berechnungen von Gesamttextil der Menge nach etwa 50 %, dem Wert nach etwa 40 Prozent der Gesamteinfuhr der Bundesrepublik an Textilien und Bekleidung (ohne Rohstoffe) unter dem Regime des Welttextilabkommens (oder analogen Vereinbarungen) abgewickelt 3 . Die Industrieländer begründen das W T A in erster Linie mit der Marktabschottung und den Dumpingpraktiken der neuindustrialisierten Länder und der Staatshandelsländer. Im Gegensatz zum Textil- und Bekleidungssektor in anderen europäischen Ländern gab es in der Bundesrepublik keine branchenbezogenen Textilsubventionen. Einigen Unternehmen, insbesondere größeren, sind jedoch öffentliche Mittel zugeflossen in Form von Landesbürgschaften oder Zuschüssen oder indirekt über bestimmte, der öffentlichen Hand nahestehende Institute, welche in Schwierigkeiten geratene Unternehmen „künst1
M. Breitenacher, A. Gälli, Κ. Grefermann: Pespektiven des Welttextilhandels — Optionen zur Erneuerung des Welttextilabkommens aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland, Südkoreas und Brasiliens, Ifo-Studien zur Indsutriewirtschaft, Nr. 30, München 1986; W. Gerstenberger, M. Hummel, K.-D. Knörndel, H. Schedi: Subventionen in Europa — Konsequenzen einer Laissez-Faire-Politik am Beispiel der deutschen Stahlindustrie, Ifo-Studien zur Industriewirtschaft, Nr. 29, München 1985. 2 Vgl. E.-H. Stahr im Vorwort zu K. Neundörfer, unter Mitarbeiter von L. Gass: Das vierte Welttextilabkommen, Schriften zur Textilpolitik, Heft 4, Frankfurt/Main 1987, S. 7 ff. 3 E.-H. Stahr, a.a.O., S. 8.
Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen
79
lieh am Leben erhalten" haben 4 . Tatsächlich ist jedoch der effektive Subventionsgrad in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie auf dem gleichen Niveau wie in den meisten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Die deutsche Textilindustrie opponiert eher gegen Beihilfen anderere EG-Länder, als daß sie von der Bundesregierung ähnliche Hilfen erwartet. 4. Der Stahlsektor erfährt eine mehrfache Protektion. Nach außen ist der EG-Stahlmarkt durch bilaterale Abkommen der EG mit ca. 15 Drittländern geschützt. In diesen Abkommen werden Einfuhrkontingente festgelegt. Zusammen mit verbindlichen Produktionsquoten und Mindestpreisen (bis Ende 1985) hat die EG-Kommission die Stahlindustrie der Gemeinschaft weitgehend gegen die Folgen des Marktungleichgewichts abgeschirmt. Hinsichtlich der Einfuhrüberwachung ist anzumerken, daß diese — im Gegensatz zum Textilsektor — nur für die EG insgesamt erfolgt, was zur Folge hat, daß der Importdruck auf dem deutschen Stahlsektor besonders stark ist. Die Hauptursache der Stahlkrise in der EG, nämlich die ungenügende Anpassung der Kapazitäten an die Bedarfsentwicklung, konnte jedoch mit den genannten Maßnahmen nicht beseitigt werden, da vor allem Italien, Frankreich und Großbritannien seit 1975 die Stahlindustrie massiv subventioniert hatten. Die EG-Kommission versuchte daher, den „Wildwuchs" bei den Stahlsubventionen, die an und für sich in der EG strengstens verboten sind, zu kanalisieren, indem sie 1980 mit dem Ersten Subventionskodex ein Konzept vorgelegt hat, mit dem die Kapazitäten der Nachfrage angepaßt werden sollten. Sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Subventionskodex, der Ende 1985 auslief, mußten die Beihilfen zur Modernisierung und Umstrukturierung der europäischen Stahlindustrie beitragen. Ihre Genehmigung war an die Bedingung geknüpft, die Produktionskapazitäten zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Obwohl in den vergangenen Jahren erhebliche Kapazitäten in der europäischen Stahlindustrie stillgelegt wurden, war diese Reduzierung nicht umfangreich genug. So wurde Ende 1985 vom Ministerrat der EG beschlossen, daß auch künftig Subventionen gezahlt werden können. Wenn hierbei sichergestellt wird, daß diese Mittel nur zur Finanzierung der Sozialpläne für solche Unternehmen gewährt werden, welche die Stahlproduktion völlig aufgeben 5, so läßt sich dagegen auch aus dem Blickwinkel des GATT kaum etwas einwenden. Bedenklich stimmt jedoch, daß über diese Schließungsbeihilfen hinaus weiterhin staatliche Kapitalübernahmen möglich sein sollen. Damit könnte das Subventionskarussell in der EG neue Fahrt gewinnen 6 . 4
Vgl. K. Neundörfer, Diskussionsbeitrag, in: M. Zuleeg, Krisenvorsorge und Krisenmanagement in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1984, S. 125. 5 Darüber hinaus können weiterhin auch Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen sowie Beihilfen für Umweltschutzmaßnahmen gewährt werden. 6 Vgl. M. Hummel: Subventionen in Europa, in: Ifo-Schnelldienst, Nr. 32/85, S. 19 f.
80
Michael Breitenacher
Was den Umfang des Subventionsvolumens für die deutsche Stahlindustrie anbelangt, so nimmt sich dieses — unter Berücksichtigung der Bedeutung der Stahlindustrie der einzelnen EG-Länder — eher bescheiden aus. Die Subventionierung der deutschen Stahlindustrie setzte erst 1984/85 massiv ein und stellt einen gewissen Ausgleich für die Verzerrung des Wettbewerbs durch die hohen Subventionen für die Stahlindustrie der anderen europäischen Länder dar.
III. Die Anpassungsmaßnahmen der Schrumpfungsbranchen 5. Staatlichen Interventionen wie außenwirtschaftlicher Protektion und Subventionen wird nachgesagt, daß sie zum Erlahmen der Anpassungskräfte führen. Dies mag in Einzelfällen durchaus zutreffen, und zuweilen wirken derartige Interventionen auch kontraproduktiv. Allerdings stellt sich die Wirklichkeit differenzierter dar: —
Insbesondere die deutsche Textilindustrie ist eine der Branchen mit dem höchsten Produktivitätsfortschritt (Tab.). Im Bekleidungssektor der Bundesrepublik stieg zwar die Arbeitsproduktivität nur unterdurchschnittlich an, immerhin aber so stark wie im gewiß nicht „anpassungslahmen" Maschinenbau. Sowohl der Textil- als auch der Bekleidungssektor haben in den vergangenen Jahren die Kapitalintensivierung des Produktionsprozesses überdurchschnittlich vorangetrieben. Beide Branchen haben sich zudem zunehmend auf die Herstellung von höherwertigen und modischen Artikeln spezialisiert und neue Standorte für die Produktion gesucht. Innerhalb der EG importiert die Bundesrepublik Deutschland überdurchschnittlich viel Textilien und Bekleidung aus Niedriglohnländern. In der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie ist daher der Strukturanpassungsprozeß weiter fortgeschritten als in den anderen EG-Ländern.
—
Was die deutschen Stahlhersteller anbelangt, so haben diese trotz der subventionierten Modernisierungsaktivitäten in den übrigen EGLändern immer noch leichte technologische Vorsprünge halten können. Auch in bezug auf Effizienz, Kosten, Spezialisierung und Außenhandelposition schneiden deutsche Stahlhersteller im Durchschnitt günstiger ab als ihre europäischen Konkurrenten. Die Wettbewerbsfähigkeit ist deutlich höher als die der anderen EG-Länder. Das zeigt sich auch auf Dritt-Länder-Märkten wie den USA. Von den Anpassungsleistungen der Stahlunternehmen zeugen auch deren Diversifizierungsbestrebungen. Der Stahl ist bei den meisten Stahlunternehmen längst nicht mehr „Dreh- und Angelpunkt" 7 .
7
Vgl. Montankonzerne — In Krisen gestählt, in: Wirtschaftswoche Nr. 14 v. 27.3.1987.
Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen
81
„Zweifellos haben Subventionierung und Protektion im Stahlbereich zu Verzerrungen der internationalen Arbeitsteilung und zur Minderung der Effizienz durch unzureichende Auslastung „moderner" und zu hohe Auslastung „alter" Kapazitäten geführt. Diese Entwicklung ging zu Lasten deutscher Stahlhersteller, die trotz moderner Anlagen, höherer Wettbewerbsfähigkeit und im wesentlichen ohne staatliche Hilfen Anpassungsleistungen im ähnlichen Umfang erbringen mußten. W i e die Entwicklung der relativen Löhne gegenüber dem Durchschnitt ds Verarbeitenden Gewerbes zeigt, kann in der Bundesrepublik nicht von einer Verzerrung der nationalen Arbeitsteilung im Zusammenhang mit der Stahlindustrie ausgegangen werden. Die Diagnose eines Anpassungsstaus in der Stahlindustrie der Bundesrepublik kann aus den Untersuchungsergebnissen nicht abgeleitet werden. Unbestritten ist allerdings, daß weltweit betrachtet in diesem Bereich ein Anpassungsstau eingetreten ist 8 ." 6. Die Anpassungsaktivitäten waren — gemessen am Vergleich zwischen Nachfrageentwicklung einerseits und Entwicklung von Produktion und Produktionsfaktoren andererseits — in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie ausgeprägter als in der deutschen Stahlindustrie. Dies mag bis zu einem gewissen Grad mit den strukturellen Besonderheiten der genannten Branchen zusammenhängen. Es liegt auf der Hand, daß eine großbetrieblich strukturierte Branche wie die Stahlindustrie eher Strukturerhaltungshilfen erwarten kann als eine mittelständisch geprägte Branche wie der Textil- und Bekleidungssektor. Hinzu kommt, daß möglicherweise auch die Montanmitbestimmung dazu beigetragen hat, daß die Stahlindustrie auf veränderte Rahmenbedingungen weniger flexibel reagiert hat als das Textil- und Bekleidungsgewerbe. Schließlich ist auf die unterschiedlichen Instrumente der Protektion in den beiden betrachteten Branchen hinzuweisen. Den Subventionen in der Stahlindustrie wohnt noch mehr als den mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen im Textilsektor ein Element der Willkür und der Intransparenz inne. Die Wirkung von Subventionen kann aus wettbewerbspolitischer Sicht sogar widersinnig sein. A m Beispiel der Stahlindustrie läßt sich zeigen, daß ineffiziente Unternehmen belohnt, effiziente dagegen bestraft werden. 7. In der Bundesrepublik war der Anpassungsprozeß — trotz höherer Wettbewerbsfähigkeit und geringerer Subventionen — intensiver als in anderen EG-Ländern. So hat die deutsche Stahlindustrie Anpassungsleistungen erbracht, deren Nutzen den europäischen Konkurrenten zugute kam 9 . Dies geschah im Rahmen des europäischen Restrukturierungsprogramms und der europäischen Quotenregelung im Handel mit den USA. Die 8 9
W. Gerstenberger u. a., a.a.O., S. 94. Vgl. W. Gerstenberger u. a., a.a.O., S. 95.
6 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
Einheit
1970
1980
1985
1986 144,9 66,3 111,5 169,6
37,4 82,9
Textilindustrie Inlandsverfügbarkeit a) 1970 = 100 100 141,9 149,9 149,6 Importquote % 25,4 46,5 55,0 56,1 Produktion1 1970 = 100 100 95,2 89,9 90,3 Beschäftigte^ 1970 = 100 100 59,5 45,7 45,1 Bruttoanlagevermögenc) 1970= 100 100 101,7 91,1 Arbeitsproduktivität0 1970 = 100 100 168,3 209,4 216,7 Kapitalintensität0 1970 = 100 100 166,2 195,5
Eisenschaffende Industrie Inlandsverfügbarkeit a) 1970= 100 100 137,5 Importquote % 22,8 30,9 38,2 Produktion* 1970= 100 100 100,1 88,4 Beschäftigte^ 1970 = 100 100 88,2 68,4 Bruttoanlagevermögenc) 1970 = 100 100 117,4 Arbeitsproduktivität6* 1970 = 100 100 145,4 172,7 Kapitalintensität0 1970= 100 100 145,3 181,1
Bereich/Kennzahl
138,4
Zahlen zur Entwicklung des Stahl- und des Textil-/Bekleidungssektors
Michael Breitenacher
Fachlicher Gesamtumsatz abzügl. Export zuzügl. Import. — Import in % der Inlandsverfügbarkeit. — c) In Preisen von 1980. — Für fachliche Betriebsteile. — c) Bruttowertschöpfungsvolumen je geleistete Beschäftigtenstunde. — Bruttoanlagevermögen je Beschäftigten.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung; Berechnungen des Ifo-Instituts.
u
b)
a)
179,9
234,5
182,9
29,2 126,0 81,3 140,4
237,0
Verarbeitendes Gewerbe Inlandsverfügbarkeit a) Importquote Produktion*0 1970 = Beschäftigte^ 1970= 100 Bruttoanlagevermögen10 Arbeitsproduktivität10 Kapitalintensität0 1970 =
1970= 100 100 199,1 % 16,6 25,1 30,3 100 100 118,6 122,8 100 88,3 79,8 1970= 100 100 133,5 1970= 100 100 153,6 100 100 154^1 17^9
198,2 46,6 68,0 49,6 115,1 155,3
Bekleidungsindustrie Inlandsverfügbarkeit a) 1970 = 100 100 182,2 190,7 Importquote % 15,3 36,5 44,8 Produktion0 1970 = 100 100 84,9 68,2 Beschäftigte^ 1970 = 100 100 66,9 50,6 Bruttoanlagevermögenc) 1970 = 100 100 117,2 Arbeitsproduktivität0] 1970 = 100 100 143,0 151,2 Kapitalintensität0 1970 = 100 100 181,2 234,9
Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen 83
84
Michael Breitenacher
überdurchschnittlichen Anpassungsleistungen des deutschen Textil- und Bekleidungssektors zeigen sich beispielsweise daran, daß die Bundesrepublik der bei weitem bedeutendste Importeur von Textilien und Bekleidung aus Entwicklungsländern ist. Ein Indiz für die hohe Anpassungsleistung der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie ist auch das starke Engagement im sog. passiven Lohnveredlungsverkehr. Demgegenüber wird diese Strategie der Suche nach neuen Standorten vom Textil- und Bekleidungssektor der anderen EG-Länder kaum praktiziert. Ein wichtiger Grund für den intensiveren Anpassungsprozeß in der Bundesrepublik ist einmal darin zu sehen, daß die deutsche Wirtschaftspolitik die protektionistischen Möglichkeiten weniger genutzt hat als andere Länder. Zum anderen war wegen des hohen ökonomischen Entwicklungsstands der Bundesrepublik die deutsche Industrie einem stärkeren Wettbewerbsdruck aus den europäischen Nachbarländern ausgesetzt und mußte sich auf Positionen mit komparativen Vorteilen in der innereuropäischen Arbeitsteilung spezialisieren. 8. In der Bundesrepublik ist der Anpassungsprozeß durch die Ausnahmeregeln nicht blockiert worden. Dafür spricht, daß ζ. B. die Textil- und Bekleidungsfirmen selbst über aktive Maßnahmen wie die bereits erwähnte passive Lohnveredlung und das sog. Vollgeschäft die Importe ins Land geholt haben. Auf die von der Industrie getätigten Importe (sog. Eigenimporte) entfällt etwa ein Viertel der gesamten Einfuhren an Textilien und Bekleidung. Die Unternehmen haben also aktiv versucht, Nutzen aus den Kostendifferenzen zwischen In- und Ausland zu ziehen.
IV. Beurteilung von Ausnahmeregeln 9. Wenn der Anpassungsdruck in bestimmten Branchen hoch und die Anpassungsbereitschaft gering ist, dann erfolgt oft der „Ruf" nach dem Staat um Hilfe. Die historische Erfahrung zeigt, daß im Fall von protektionsträchtigen Anpassungsproblemen der Staat in den Anpassungsprozeß eingreift. Er hofft, dadurch die Anpassungslasten zugunsten der nationalen Industrie zu verändern. Da sich diese Hoffnung in der Regel als trügerisch erweist, wird der Abbau der Protektion mit immer neuen Begründungen hinausgeschoben. „Aus dieser Art von ,Staatsversagen' die Forderung nach genereller strukturpolitischer Abstinenz ableiten zu wollen, ist jedoch problematisch, vor allem dann, wenn eine derartige Forderung die Aufgabe an sich rentabler Kapazitäten bedeutet und eine Umstrukturierung der Wirtschaft in andere wachstumsträchtige Aktivitäten nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung möglich erscheint 10 ." 10
M. Hummel a.a.O., S. 20.
Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen
85
10. Trotz erfolgreicher Liberalisierungsbemühungen des GATT auf einigen Gebieten ist die Protektion nicht verschwunden. Gewechselt haben nur die Instrumente. Die Fülle der Möglichkeiten bei den nicht-tarifären Handelshemmnissen bedeutet für den Welthandel eine große Gefahr. Deshalb sind für die Bewältigung von Anpassungsproblemen sog. „ZweitbestLösungen" von Bedeutung. Internationale Vereinbarungen wie das W T A sind dabei dem „Wildwuchs" bilateraler Vereinbarungen vorzuziehen. Dabei müßte jedoch ein derartiges Abkommen zeitlich befristet und degressiv gestaltet sein. Noch „besser" wäre allerdings, die nicht-tarifäre Protektion durch — zeitlich degressive — Zölle zu ersetzen, da sich diese nicht nur durch größere Transparenz und den Wegfall einer gewissen Willkür auszeichnen, sondern vor allem die Rückkehr zu den GATT-Regeln ermöglichen würden. „Unter gesamt- und weltwirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Ablösung von nicht-tarifären Handelshemmnissen durch Zölle ebenfalls positiv zu beurteilen. Denn Zölle wirken im allgemeinen weniger restriktiv als Kontingente. Während diese nur eine ganz bestimmte Menge an Importen zulassen (die dann nach mehr oder weniger gerechten Maßstäben auf die Lieferländer verteilt werden), kommen bei Zöllen immer die leistungsfähigsten Anbieter zum Zuge. Auch haben neue Anbieter, die ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht haben, stets eine Chance. Damit wird es für jene Länder, die bei Kontingenten einen bestimmten Besitzstand erreicht haben, wesentlich schwieriger, diesen zu verteidigen. Aber auch in den Industrieländern ist die Sicherheit für die heimischen Unternehmen, einen bestimmten Marktanteil halten zu können, wesentlich geringer, somit der Anpassungszwang größer. Unter dem „Regime" von Zöllen wird also der gesamt- als auch der weltwirtschaftliche Strukturwandel ausgeprägter sein als bei mengenmäßigen Beschränkungen. Somit ist diese Option mehr marktwirtschaftlich und weniger dirigistisch orientiert 11 ."
11
M. Breitenacher u. a., a.a.O., S. 150 f.
Zusammenfassung der Diskussion (Referat Breitenacher)
Helmstädter meldet sich mit einigen Bemerkungen zum Textilmarkt zu Wort. Zu Recht habe Werner darauf hingewiesen, daß ein ganz wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei schrumpfenden Branchen die Unternehmensgröße ist. Ergänzend dazu sei die regionale Verteilung wichtig. Der Stahlbereich sei regional konzentriert, die Textilindustrie jedoch flächenweit verbreitet. Wenn man von Schrumpfungsbranchen spreche, sollte man vielleicht sagen, was schrumpft. In beiden Branchen sei die Beschäftigung praktisch halbiert worden. In der Textilindustrie seit 1957, in der Bekleidungsindustrie seit 1963. Die Produktion im Textilbereich stagniere seit Jahrzehnten, aber mit dem Rückgang der Beschäftigung sei eine sehr große Produktivitätssteigerung verbunden gewesen, ähnlich wie im landwirtschaftlichen Bereich, wo die Schrumpfung einen Zwang zur Produktivitätssteigerung ausübte. Im übrigen sollte man nicht so sehr von Branchen sprechen, sondern von Märkten und Unternehmungen, die an Märkten agierten. Die Branche sei eine für Ökonomen wenig brauchbare Einheit, allenfalls verwendbar für Statistiker und für diejenigen, die Tarifverhandlungen führten. In der Textilindustrie gebe es ζ. B. 40 Unterbranchen — alle in Verbänden organisiert —, aber es gebe Tausende von Märkten. A n diesen Märkten hätten sich die kleinbetrieblichen Unternehmen — mit durchschnittlich etwa hundert Beschäftigten — bewährt, und sie würden das auch weiter tun. Deswegen müsse man schon genau hinsehen, bevor man den „Subventions- und Protektionsmief" einer solchen Industrie anprangerte. Die Wettbewerbsfähigkeit sei auf kreativen, modischen, aktuellen Textilmärkten erhalten geblieben, jedoch nicht bei Strümpfen, Oberhemden usw. Mehr als 95 v H der Oberhemden könnten allerdings kaum aus dem Ausland eingeführt werden. Immer existiere ein Markt für Luxushemden, die in Deutschland, nicht ζ. B. in Hongkong hergestellt würden. Hier sei volle Marktöffnung für ausländische Produkte gegeben, und das müsse man in der Diskussion berücksichtigen. Bei den Verhandlungen über das Welttextilabkommen sei die deutsche Position keineswegs einheitlich für den Abschluß gewesen. Gesamttextil sei durchaus nicht mit Nachdruck für dieses Abkommen eingetreten. Die Verhandlungskompetenz liege bei der EGf und auf seiten der Partner in der EG
Zusammenfassung der Diskussion
sei sehr viel mehr Zustimmung und ein stärkerer Wunsch nach Abschluß eines neuen Welttextilabkommens wirksam gewesen. Helmstädter meint, diese A r t des Protektionismus habe sich überlebt. So seien im dritten Welttextilabkommen für die neuralgischen Waren Wachstumsraten festgelegt worden, nicht etwa bestimmte Mengen, sondern Zuwächse über die vier Jahre seiner Geltungsdauer. Dabei habe man die Wachstumsraten der betroffenen Märkte zu hoch eingeschätzt — etwa 6 v H als durchschnittliche Wachstumsrate —, und dadurch sei der Importmarktanteil sehr viel mehr gestiegen als man gedacht hatte. Beim letzten Textilabkommen habe die Frage große Bedeutung gehabt, wie man der Marktentwicklung entsprechend Reduktionen der Wachstumsraten für die Einfuhren solcher neuralgischen Waren finden könnte. Da die Lösungen niemals befriedigten, könnten derartige Dirigismen nicht von Dauer sein. Breitenacher erklärt sich voll und ganz einverstanden. Er weist jedoch darauf hin, daß in der Textilindustrie der Produktionsindex seit 1970 um rund 10 v H gesunken sei, daß es sich dieser Branche also im strengen Sinne auch dann um eine Schrumpfungsbranche handele, wenn man an der Produktion mißt. Nehring wendet sich gegen die von Breitenacher vorgetragene — wenn auch mehr oder weniger schwache — Befürwortung der Ausnahmeregeln für Schrumpfungsbranchen im Rahmen des GATT. Er weist auf die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen hin und fragt nach empirisch gesicherten Anzeichen dafür, daß dort, wo interveniert wurde, etwas Sinnvolles herausgekommen sei. Umgekehrt sei zu prüfen, ob man nicht auf Ausnahmen im Rahmen des GATT überhaupt verzichten und statt dessen, um die Betroffenen nicht in unermeßliche soziale Tiefen fallen zu lassen, nach ganz anderen Istrumenten suchen könnte; ob man nicht so zu einer national und international verbesserten Allokation beitragen könnte. Breitenacher stellt dazu fest, er sei grundsätzlich gegen Ausnahmeregeln, aber die jetzt vorhandenen Ausnahmeregeln akzeptiere er als gegeben. In dieser Situation sei er nicht für abrupte Abschaffung dieser Regeln, sondern für eine zeitlich verteilte Abschaffung, vielleicht über acht bis zehn Jahre je nach Branchengegebenheiten. Eine sofortige Eliminierung würde zu großen Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten insbesondere auf den Märkten der Bundesrepublik führen. Wollte man ζ. B. im Textil- und Bekleidungssektor die GATT-Regeln einführen, so würden viele Industrieländer die Grenzen hierfür schließen. Die Exportströme der Niedriglohnländer würden sich infolgedessen auf die Bundesrepublik konzentrieren, und das wäre nicht akzeptabel. Nehring leuchtet dieses Argument nicht ein: Die Schutzmaßnahmen für die Bundesrepublik seien eigentlich redundant gewesen, und deshalb habe sich die Industrie wahrscheinlich so schnell angepaßt.
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Zusammenfassung der Diskussion
Dönges stellt den ersten Satz der These 5 im Referat von Breitenacher zur Diskussion: „In der Bundesrepublik wäre der Anpassungsprozeß unter liberalisierten Bedingungen kaum schneller vonstatten gegangen als mit Protektion." Das beziehe sich im wesentlichen wohl auf die Textilindustrie. Die erste Frage dazu laute, woher er das wisse. Als Empiriker müsse er wohl mit irgendwelchen Alternativmodellen gerechnet haben. Hierüber wünscht er mehr zu erfahren. Zweitens fragt Dönges, ob das möglicherweise bedeute, daß Protektion gar nicht hilft. Wenn das so wäre, sei weiter zu fragen, ob nicht Politiker einer Protektionsillusion unterlägen, wenn sie glaubten, solche Maßnahmen würden einer strukturschwachen Branche helfen. Anders sei dann kaum zu verstehen, warum das Multifaser-Abkommen oder das Welttextilabkommen, das ja ursprünglich nur für drei Jahre gedacht war, dauernd verlängert würde. Im Gegensatz zu Helmstädter, der meinte, daß damit bald Schluß sein werde — und auch er würde das gern sehen —, sei er sicher, daß man das nicht erleben werde. Schließlich sei auch zu fragen, warum sich die Entwicklungsländer dauernd über den Textilprotektionismus beklagten. Sie müßten dann ja ebenfalls einer Illusion unterliegen. Breitenacher erwidert, er habe bei seiner These unterlassen zu betonen, daß sie unter der Bedingung gelte, daß in sämtlichen Ländern liberalisiert werde, nicht nur in der Bundesrepublik. Unter dieser Voraussetzung wäre der Anpassungsprozeß in der Bundesrepublik nicht anders gelaufen, als er tatsächlich gelaufen ist. Man müsse auch in diesem Fall die Gegebenheiten als Ausgangspunkt der Analyse akzeptieren, also etwa das Welttextilabkommen oder die Subventionierung in den anderen Ländern. Ohne diese Prämisse wäre der Anpassungsprozeß in der Tat anders verlaufen; es wären wahrscheinlich noch viel mehr Unternehmen ausgeschieden und der Beschäftigtenabbau wäre wahrscheinlich noch viel stärker gewesen. Curzon kommentiert die Beziehung des GATT zu den beiden Industriezweigen. Das Argument, durch die Aufsicht über die Durchführung des Textilabkommens legalisiere das GATT diese Vorgänge, komme auf das gleiche hinaus wie die Behauptung, dadurch, daß sich die Feuerwehr in offizieller Eigenschaft mit dem Feuer befasse, würden Brände legal. Wenn man Brände bekämpfte, bedeute das aber doch nicht, daß man sie billige. Obwohl die Mitarbeiter des GATT Beamte seien, die sich nicht völlig unabhängig äußern dürften, enthielten selbst die Jahresberichte kritische Passagen zum Textilabkommen. Die Tatsache, daß der Stahlsektor nicht in den Verantwortungsbereich des GATT aufgenommen wurde, sei als Versuch zu werten, den Fehler eines Generaldirektors nicht zu wiederholen, der in den fünfziger Jahren den Wunsch hatte, sein kleines Reich ein wenig auszuweiten. Es sei kein Zweifel daran möglich, daß das Textilabkommen dem GATT absolut widerspreche. Es gebe im GATT keine Rechtfertigung dafür, und der GATT-Text sei niemals geändert worden, um die Vereinbarung an diesen klaren Bruch der Abkommenstexte anzupassen.
Zusammenfassung der Diskussion
Diesen generellen Bemerkungen fügt Curzon Überlegungen zur Nützlichkeit des Textilabkommens bei. Dönges könne diese Frage für den Fall der Bundesrepublik Deutschland sicher besser beantworten als er. Es gebe aber auch Studien für Schweden (Hamilton) und Großbritannien (Silverstone), die erstens zeigten, daß das Protektionsniveau relativ klein sei — 20 bis 25 % des Zollniveaus — und zweitens, daß der Vorteil aus dem Quotensystem generell nicht den Ländern zugute komme, die die Restriktionen erlassen, sondern den Exportländern. Die Renten würden von denen abgeschöpft, denen die Quote zugeteilt werde. Dadurch habe man eine Interessengruppe geschaffen, die für das Fortbestehen dieses Systems arbeite. Breitenacher sieht das genauso. Es sei wirklich so, daß einige Exporteure aus dem Welttextilabkommen Nutzen zögen. Deshalb habe er auch am Schluß seines Referats erwähnt, daß die Substitution von mengenmäßigen Beschränkungen durch Zölle sehr positiv zu beurteilen wäre; denn dann würden die Renten, die aus diesen Quoten resultieren, verschwinden. Langhammer kritisiert, Breitenacher habe offenbar zwei Referenzsysteme, einmal das der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zweitens das der Politik anderer Länder. Das könnten wohl Referenzsysteme für die Empirie sein, auch für die Politik, aber es seien sicherlich keine für die Ökonomie. Denn das einzige Referenzsystem, das man als Ökonom anerkennen sollte, sei das der komparativen Kostenvorteile. Das sei ein anderes als das der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit beziehe alle Verzerrungen mit in das Konzept ein, während man beim Konzept der komparativen Kostenvorteile eindeutig wisse, daß jede Verzerrung den Blick auf komparative Kostenvorteile verstelle und mehr Ressourcen in der Produktion von Gütern binde, in denen das Land keine komparativen Kostenvorteile besitze, als unter der Bedingung offener Märkte. Breitenacher erläutert, er habe die internationale Wettbewerbsfähigkeit am Anteil der Niedriglohnländer am Warenkorb der Exporte bzw. der Importe der Bundesrepublik gemessen. Man könne so feststellen, ob die deutschen Exporte sehr stark durch Produkte aus Niedriglohnländern gefährdet sind. In dieser Meßzahl komme natürlich indirekt auch der komparative Kostenvorteil oder -nachteil zum Ausdruck. Zweitens fragt Langhammer, ob er den Referenten richtig verstanden habe, daß er sagte, an sich rentable Produktion dürfte nicht daran scheitern, daß es Subventionen gibt. Ob dies nicht bedeute, Gegensubventionen zu befürworten. Er äußert dazu eine Gegenthese. Einmal seien Subventionen Geschenke anderer Länder an diejenigen, die keine Subventionen zahlten, d. h. sie hätten einen positiven Einkommenseffekt. Zum anderen wisse man in vielen Fällen gar nicht, ob Subventionen — z.B. Exportsubventionen von Schwellenländern — tatsächlich den Tatbestand von Dumping erfüll-
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ten. In vielen Fällen seien Exportsubventionen von Schwellenländern wie Südkorea und vor allen Dingen auch Brasilien einfach Maßnahmen, die die Benachteiligung der Exporte gegenüber der Binnenmarktproduktion abbauten, nicht aber einen expliziten Vorteil für die Exportproduktion setzten. Unter den Bedingungen überbewerteter Wechselkurse, wie man sie oft in Lateinamerika vorfinde, sei die Exportsubvention eine Kompensationsmaßnahme, sie begründe aber noch keinen expliziten Wettbewerbsvorsprung oder ein explizites Anreizsystem zugunsten der Exportproduktion und zu Lasten der Binnenmarktproduktion. Auf die Kritik von Langhammer, er träte dafür ein, daß an sich rentable Produktionen nicht abgebaut werden dürften, weil andere Länder subventionierten, weist Breitenacher darauf hin, daß hier der Staat eine gewisse Verpflichtung habe und zumindest kurzfristig eingreifen sollte. Wenn sich herausstellte, daß es sich um ein längerfristiges Phänomen handelt, sollte sich der Staat zurückziehen, d. h. nicht mehr subventionieren. Aber er müsse dafür sorgen, daß die betreffenden Kapazitäten sozusagen in einem geordneten Rückzug abgebaut würden und nicht abrupt. Schließlich sei es äußerst schwierig, neue Arbeitsplätze aus dem Boden zu stampfen. Auch Franzmeyer geht auf Langhammers Beitrag ein und fragt, ob für ihn die komparativen Kostenvorteile ausschließlich etwas exogen Vorgegebenes seien oder ob er nicht auch meine, daß man es im Falle von Textil und Bekleidung zum großen Teil mit intraindustriellem Handel zu tun hat, wo die komparativen Kostenvorteile nur marginal sind und zum Teil durch endogene, firmeninterne Prozesse entstehen, und daß dies auch durch Staatsinterventionen beeinflußt werden kann. Langhammer erwidert, daß die komparativen Kostenvorteile zunächst exogen durch die Faktorausstattung vorgegeben seien, diese sich aber im Zeitablauf und als Folge der von Franzmeyer genannten Faktoren ändern könnten. Die Gültigkeit des komparativen Kostenvorteil-Arguments werde dadurch nicht berührt. Es komme wesentlich darauf an, daß man überhaupt erkennt, worin die komparativen Kostenvorteile liegen. Es gehe ja immer um die Frage, ob man sich auf die Produktion des einen Gutes oder eines anderen Gutes spezialisiert. Die Meßzahl, die vom Ifo entwickelt wurde, trage dieser Fragestellung nicht Rechnung und beantworte sie nicht. Man könne komparative Kostenvorteile nicht messen. Man könne zwar feststellen, daß durch Interventionen in bestimmten Branchen Ressourcen gebunden wurden, die unter Bedingungen des offenen Marktes woanders eingesetzt worden wären. In welchen Sektoren, das könne man nicht vorhersagen, weil sich das nur am Markt entscheiden könne. Langhammer wendet sich — und das sei auch durch die Antwort von Breitenacher deutlich geworden — gegen die trügerische Hoffnung, man könnte durch staatliche Maßnahmen Anpassungsprozesse in die Wege lei-
Zusammenfassung der Diskussion
ten. Man erreiche dadurch genau das Gegenteil: Man hoffe auf Zeitgewinn, und wisse genau, daß dieser Zeitgewinn nicht eintritt. Der dann entstehende Anpassungsstau mache es sehr schwierig, bereits eingetretene Erwartungen — sozusagen Gewohnheitsrechte — auf Protektion abzubauen, vor allem in einer Situation, wo die Problematik vielleicht noch gravierender geworden sei. Es gebe jedenfalls keinerlei Evidenz dafür, daß dies in der Vergangenheit geschehen ist. Willgerodt geht auf das Beispiel der Stahlindustrie ein. Hier gebe es ein permanentes EWG-Kartell, und von einer geordneten Anpassung könne keinerlei Rede sein. Breitenacher habe auch selbst hervorgehoben, daß die deutsche Industrie sich stärker anpaßte als die anderen. Erklärungsbedürftig sei aber, warum die deutsche Industrie nicht die Außenseiterposition im Kartell eingenommen hat, obwohl sie die stärkste wirtschaftliche Position hat. Das hänge wohl mit der Kartelltradition der Stahlindustrie in Deutschland zusammen. Sie könne sich offenbar an die Möglichkeit, selber der beste Wettbewerber zu sein, nicht gewöhnen. Oder es sei so etwas wie Wasserscheu vor dem freien Wettbewerb, und das sei wohl am wahrscheinlichsten. Die These, man könne hier eine sanfte Landung vornehmen, indem man Dauersubventionen gewährt, sei falsch, und Breitenachers These, daß es an sich rentable Unternehmen gebe, die nur wegen der Auslandssubventionen leider vorübergehend nicht rentabel seien, setze voraus, daß die Ausländer ihre Subventionen irgendwann abbauen und privatwirtschaftlich diese Erwartung nicht intemalisiert werden kann.
Die Landwirtschaft — Kein Fall für das GATT? Von Stefan Tangermann, Göttingen
1. GATT ohne Landwirtschaft? Es gibt wohl kaum einen anderen Bereich, in dem die Produktivität des GATT bisher so gering war wie in der Landwirtschaft: Der Aufwand war groß, der Ertrag gering. Die Landwirtschaft hat von Anbeginn an einen großen Anteil an den Aktivitäten des GATT ausgemacht. In nahezu allen GATT-Runden hat der Agrarhandel erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen; ein nicht geringer Teil der Verhandlungsbemühungen in verschiedenen GATT-Runden ist dem Versuch gewidmet worden, die Bedingungen im internationalen Handel mit Agrarpodukten zu verbessern; immer wieder ist es in den GATTRunden zu Situationen gekommen, in denen der Erfolg in Verhandlungen über andere Fragen gefährdet war, weil im Agrarbereich kein Fortschritt erzielt wurde. Aber auch außerhalb der GATT-Runden hat die Landwirtschaft in den „täglichen" Aktivitäten des GATT ein ungewöhnlich hohes Gewicht gehabt. Zu verschiedenen Zeiten sind besondere GATT-Ausschüsse eingerichtet worden, die sich mit Fragen des Agrarhandels auseinanderzusetzen hatten (so z.B. das 1958 eingerichtete Committee II und das 1983 eingesetzte Committee on Trade in Agriculture). Vor allem aber ist es im Agrarbereich zu einer Häufung von Streitfällen gekommen. Von den insgesamt 94 Streitschlichtungsverfahren, die von 1948 bis 1985 auf der Grundlage von Art. XXIII vor dem GATT geführt worden sind, haben sich alleine 44 Beschwerden, also fast die Hälfte, auf den Handel mit Agrarprodukten bezogen (Hartwig und Tangermann, 1987). Insbesondere seit der Tokio-Runde hat die Häufigkeit von GATT-Beschwerden über Eingriffe im Agrarhandel deutlich zugenommen. Angesichts der Tatsache, daß der Agrarhandel inzwischen nur noch etwa 10 % des gesamten Welthandels ausmacht, wird deutlich, daß das GATT in der Landwirtschaft einen weit überproportionalen Aufwand betrieben hat. Der Erfolg des GATT ist auf der anderen Seite im Agrarbereich enttäuschend gering geblieben. Die Landwirtschaft ragt als ein steiler Felsen des
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Protektionismus aus der allgemeinen Landschaft der Handelspolitik hervor. Protektionsraten von hundert Prozent und mehr sind im Agrarbereich keine Seltenheit. Der Gesamtbetrag der Stützung, die die Regierungen durch ihre verschiedenen Maßnahmen der Landwirtschaft zukommen lassen, machte 1979-81 im Durchschnitt der OECD-Länder 32 % des Wertes ihrer Agrarproduktion zu heimischen Preisen aus (OECD, 1987). In der EG betrug der Stützungsgrad 43 %, in den Nordischen Ländern 56 % und in Japan 59 % (ebenda). Dabei kommt im Agrarbereich ein komplexes Gemenge heimischer und außenwirtschaftlicher Maßnahmen des Protektionismus zum Einsatz. Eine große Rolle spielen insbesondere nicht-tarifäre Maßnahmen, die sich dem Einfluß des GATT weitgehend entziehen. Die Folge ist, daß der Welthandel mit Agrarprodukten nicht die komparativen Vorteile einzelner Länder widerspiegelt, sodnern eher einem Kampfplatz der nationalen Agrarpolitiken gleicht. Die Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Produkte sind nicht Indikator der relativen Knappheitsverhältnisse, sondern Ausdruck der Subventionsfähigkeit der Regierungen. Handelsströme und Preise unterliegen darüber hinaus ausgeprägten Schwankungen, weil die nationalen Märkte nicht nur gegenüber dem Niveau, sondern auch gegenüber den Veränderungen der Weltmarktpreise abgeschüttet sind. Die Handelsströme sind in einem kaum zu beschreibenden Ausmaß verzerrt: Länder, die eigentlich importieren sollten, sind Exporteure; Länder mit erheblichen Kostenvorteilen werden vom Markt verdrängt; Produkte, für die es normalerweise keinen Markt gäbe, werden in großen Mengen gehandelt. Im Agrarhandel kommt es immer wieder zu Spannugen und offenen Konflikten zwischen Staaten, die ansonsten friedlich miteinander verkehren würden. Im Agrarbereich trifft deshalb noch immer zu, was der frühere Generaldirektor des GATT, Sir Eric Wyndham White, 1967 formuliert hat, als er feststellte, die Landwirtschaft sei „an area which has obstinately resisted all attempts at rational treatment". Und im Hinblick auf das Ergebnis der Bemühungen des GATT in diesem Bereich stimmt immer noch die Beobachtung „it would be difficult to conclude that GATT's record in the sphere of temperate-zone agricultural commodities is other than one of failure" (Dam, 1970, S. 257). Wenn die Produktivität, also die Relation zwischen Ertrag und Aufwand, in einem Unternehmen bei einem bestimmten Produkt gering ist, so sollte die entsprechende Produktlinie aufgegeben werden. Die Frage liegt deshalb nahe, ob die Landwirtschaft kein Fall für das GATT ist, ob also die Landwirtschaft nicht besser aus dem GATT ausgegliedert werden sollte. Zwei Argumente könnten dafür sprechen: Zum einen ließe sich die Auffassung vertreten, daß angesichts der desolaten Lage im internationalen Agrarhandel die Situation sich kaum noch
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verschlechtern könnte, wenn der Agrarhandel aus dem Regelwerk des GATT ausgenommen würde. Zum anderen könnte man sogar die Hoffnung nähren, daß eine Ausgliederung der Landwirtschaft aus dem GATT die Situation in anderen Bereichen verbessern könnte, und zwar deshalb, weil dann die negativen externen Effekte des Agrarhandels auf andere GATTAktivitäten unterbunden würden. Insbesondere hätten Vertragsparteien des GATT dann keinen Grund mehr, bei anderen Gütern mit Retaliation zu drohen oder zu reagieren, weil sie im Agrarbereich ihre Rechte beeinträchtigt sehen. Konkret würde dies etwa bedeuten, daß die USA nicht mehr den Import von Volkswagen belasten könnten, weil ihre Exporte von Geflügelfleisch nach Deutschland behindert werden, wie dies im „Hähnchenkrieg" der Jahre 1962-63 der Fall war. So reizvoll es sein mag, in einem akademischen Disput darüber nachzusinnen, ob die Radikallösung einer Ausgliederung der Landwirtschaft aus dem GATT nicht wirklich Vorteile hätte — in der Realität kommt sie wohl kaum infrage. Zum einen würden die Vertragsparteien einer solchen „Lösung" wohl auf keinen Fall zustimmen. Zum anderen kann aber auch nicht übersehen werden, daß — trotz der insgesamt geringen Wirksamkeit des GATT im Agrarbereich — das GATT immerhin wohl auch im Agrarhandel verhindert hat, daß die Entwicklung noch schlechter verlaufen ist, als sie dies ohnehin schon getan hat. Insbesondere läßt sich darauf verweisen, daß auch im Agrarhandel in der Regel zumindest die gebudenen Zölle eingehalten werden. Wenngleich (wie oben ausgeführt wurde) im allgemeinen gebundene Zölle im Agrarhandel keine große Rolle spielen, so gibt es doch einzelne Fälle, in denen sie außerordentlich wichtig sid. So hat vor allem die in der Dillon-Runde erfolgte Null-Bindung der Zölle auf Importe von Ölsaaten und Ölkuchen sowie -mehlen in die Europäische Gemeinschaft die EG bisher davon abgehalten, bei diesen Produkten Importhindernisse zu errichten, obwohl sie dies aus binnenwirtschaftlichen bzw. agrarpolitischen Gründen gerne getan hätte. Angesichts des erheblichen wirtschaftlichen Gewichts des internationalen Handels mit diesen Produkten, vor allem aber angesichts der ausschlaggebenden Bedeutung dieses Handels für die Beziehungen zwischen den USA und der EG ist diese Zollbindung (wie auch die Bindung von Null-Zöllen auf die EG-Importe von Corn Gluten Feed, das ebenfalls im wesentlichen aus den USA kommt) etwas, worauf nicht leicht zu verzichten wäre. 1 Im übrigen gilt natürlich auch im Agrarhandel, daß das GATT immerhin insoweit einen Wert hat, als es zumindest bisweilen von der Regierung als Argument im Widerstand gegen allzu überzogene Forderungen der Interes1
Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß die gegenwärtig in der EG geführte Diskussion über die etwaige Einführung einer Fettsteuer den Wert der Bindung von Null-Zöllen auf Ölsaaten in einem weniger günstigen Licht erscheinen läßt.
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senvertreter verwenet wird. So ist ζ. B. in der EG von einigen Agrarpolitikern darauf hingewiesen worden, daß ein von manchen landwirtschaftlichen Kreisen gewünschter Beimischungszwang von heimischem Getreide zu Futtermitteln sich deshalb nicht verwirklichen lasse, weil er im Widerspruch zum GATT stehe — ein Argument, das durchaus zutreffend ist und wohl auch in der agrarpolitischen Diskussion nicht ganz seine Wirkung verfehlt hat. Wenn also eine Ausgliederung der Landwirtschaft aus dem GATT nicht wirklich eine Lösung darstellt, so kann es in der Uruguay-Runde.nur darum gehen, neue und bessere Regeln für den Agrarbereich zu entwickeln, die die Hoffnung bieten, daß der Handel mit Agrarprodukten wieder vermehrt in die internationale Handelsordnung eingegliedert wird. Jede Diskussion über solche Regeln muß von der Tatsache ausgehen, daß der Agrarhandel bisher auch in formaler Hinsicht eine Sonderstellung im Regelwerk des GATT einnimmt. Der folgende Abschnitt dieses Beitrags wird die wichtigsten Charakteristika dieser Sonderstellung kurz erläutern. In den Vorbereitungen zu den Agrarverhandlungen der Uruguay-Runde hat sich leider gezeigt, daß im GATT eine ausgeprägte Tendenz besteht, diese Sonderstellung noch weiter auszubauen. Abschnitt 3 wird darauf eingehen. Soll eine solche immer weiter gehende Herauslösung des Agrarhandels aus den Grundprinzipien der GATT verhindert werden, so müssen grundsätzlich neue Ansätze erwogen werden. Ein solcher Reformansatz soll in Abschnitt 4 vorgestellt werden.
2. Die Sonderstellung des Agrarhandels im GATT Anders als der Handel mit Fasern und Textilien, der effektiv aus dem GATT-Regelwerk ausgegliedert ist und im Rahmen des Multifiber Arrangement eine Sonderrechtstellung genießt, ist der Agrarhandel rechtlich vollständig in das GATT integriert. Alle 38 Artikel des GATT gelten sowohl für Agrarprodukte als auch für industrielle Erzeugnisse. Nur wenige Artikel des GATT erwähnen Agrarprodukte (und andere Rohstoffe) gesondert (Artikel VI, XI, XVI, XX). Allerdings sind die dort für den Agrarhandel getroffenen Ausnahmen zum Teil sehr signifikant — wenngleich auch nicht so weitgehend, daß sie für sich genommen das volle Ausmaß der tatsächlichen Abweichung des Agrarhandels von grundlegenden GATT-Prinzipien erklären könnten. Die spezifischen Ausnahmeregeln des GATT für den Agrarhandel betreffen sowohl den Marktzutritt (Importregeln) als auch den Wettbewerb unter den Agrarexporteuren (Exportsubventionen).
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Marktzutritt Im Bereich der Importregeln genießt die Landwirtschaft im GATT insofern eine Sonderbehandlung als die im allgemeinen im GATT untersagten mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen bei Agrarprodukten unter bestimmten Umständen erlaubt sind. Insbesondere sind sie (nach Art. X I Abs. 2) dann zulässig, wenn sie zur Absicherung einer durch die heimische Agrarpolitik den inländischen Erzeugern auferlegten Beschränkung ihrer Produktion erforderlich erscheinen (ζ. B. Kontingentierung der inländischen Produktion). Allerdings dürfen die Einfuhrbeschränkungen „nicht so beschaffen sein, daß sie zu einer Verminderung der Gesamteinfuhr im Verhältnis zur gesamten Inlandsproduktion führen". In der handelspolitischen Praxis hat diese Sonderstellung des Agrarhandels, so potentiell bedeutsam sie auf den ersten Blick erscheinen mag, insofern nur geringe Bedeutung, als sich nur wenige Länder auf sie berufen. Das Erfordernis der wirksamen Beschränkung der heimischen Produktion erscheint in den meisten Fällen offensichtlich als zu anspruchsvoll, als daß die Regierungen es auf sich (und auf ihre Landwirte) nehmen wollen. W o aber doch die inländische Produktion durch Maßnahmen wie eine Kontingentierung beschränkt wird, da handelt es sich in fast allen Fällen um Länder, die ihre Überschüsse auf diese Weise eindämmen wollen. Solche Länder sind ohnehin nicht (mehr) Importeure, sondern Exporteure, für die eine Beschränkung der Importe keine Erleichterung bringt. Die (bedingte) Ausnahme der Landwirtschaft vom Verbot der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen hat deshalb in der konkreten Praxis des internationalen Handels mit Agrarprodukten bisher keine große Bedeutung erlangt. Indirekt ist sie allerdings insofern außerordentlich bedeutsam geworden, als sie den Hintergrund einer Sonderstellung der USA im internationalen Agrarhandel darstellt. Obwohl nämlich die Möglichkeit von mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen bei Agrarprodukten gerade auf Drängen der USA im GATT eröffnet wurde, stellten die USA bald danach fest, daß noch nicht einmal diese Sonderbehandlung von Agrarprodukten ausreichte, um der amerikanischen Agrarmarktpolitik den von ihr als erforderlich angesehenen Spielraum zu eröffnen. Die USA beantragten und erhielten deshalb 1955 eine spezifische, nur für sie geltende Ausnahme von der allgemeinen Ausnahmeregelung. Aufgrund dieses berühmt-berüchtigten Agrar-Waivers haben die USA das Recht, mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen bei Agrarprodukten auch dann anzuwenden, wenn sie die inländische Produktion nicht beschränken. Dieser Waiver für die USA existiert noch heute und wird immer noch angewendet. Die USA beschränken also nach wie vor durch Importkontingente den Import bei einer Reihe von Agrarprodukten.
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Zwar hat auch die tatsächliche Anwendung des Waivers durch die USA bei den meisten davon betroffenen Produkten inzwischen nicht mehr große wirtschaftliche Bedeutung, da die USA den Inlandsmarkt bei diesen Produkten wohl auch ohne mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen (allerdings nicht ohne ihre übrigen agrar- und handelspolitischen Maßnahmen) weitgehend selbst versorgen würden. 2 Erhebliche und kaum zu überschätzende Bedeutung hat der Agar-Waiver der USA allerdings für die Atmosphäre, in der im GATT der Agrarhandel betrachtet wird. Wenn ein so großes Land wie die USA, mit all seinem wirtschaftlichen Gewicht gerade auch für den internationalen Agrarhandel sowie mit seiner (zumindest von den USA selbst als bedeutsam empfundenen) Funktion als „Hüter der internationalen wirtschaftlichen Ordnung", in wesentlichen Elementen von GATT-Disziplinen ausgenommen ist, so muß das notwendigerweise weit ausstrahlende negative Wirkungen auf die Gesamtheit der internationalen Handelspolitik im Agrarbereich haben. Konkret hat sich das auch immer wieder in GATTVerhandlungen erwiesen, wenn andere Vertragsparteien das Drängen der USA auf eine Liberalisierung des internationalen Agrarhandels mit dem Hinweis auf die Sonderrechte der USA abgewehrt haben. Im Jargon des GATT wird dabei dann regelmäßig auf die „balance of rights and obligations" verwiesen, was nichts anderes bedeutet, als daß andere Länder nicht bereit sind, ihre Argarhandelspolitik zu reformieren, solange die USA ihre Sonderrechte nicht aufgeben. Wenn diese formellen Sonderregeln für Importrestriktionen bei Agrarprodukten ihre Wirkung vornehmlich in atmosphärischer und politischer Hinsicht entfalten, so ist es umgekehrt so, daß einige Regelungs-Lücken des GATT, also ein Mangel an formellen GATT-Disziplinen, im Agrarbereich sehr konkrete Effekte haben. Angesprochen sind hier die sogenannten „Grauzonen-Maßnahmen". Dazu gehören insbesondere auch nicht-tarifäre Importhindernisse, die über den Preis wirksam werden. Herausragende Bedeutung im Agrarhandel haben in dieser Hinsicht vor allem variable Einfuhrabschöpfungen, wie sie von der EG bei fast allen wichtigen Agrarprodukten angewendet werden. Der Rechtsstatus dieser im Agrarhandel so weit verbreiteten Maßnahmenart ist bislang im GATT nie definiert worden, und überraschenderweise hat sich bisher auch noch keine der Vertragsparteien dazu entschließen können, die rechtliche Beurteilung von variablen Abschöpfungen im GATT durch ein Beschwerdeverfahren nach Art. XXIII abklären zu lassen.
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Eine — bedeutsame — Ausnahme ist allerdings Zucker, denn bei diesem Produkt hat gerade in der jüngeren Vergangenheit eine progressive Reduktion der von den USA eröffneten Einfuhrkontingente zu einer geradezu dramatischen Verdrängung von Importen geführt.
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Konkret bedeutet dies, daß ein zweiter großer Akteur im internationalen Agrarhandel, die Europäische Gemeinschaft, bei ihrem Einfuhrregime keinen effektiven GATT-Disziplinen unterliegt. Die EG kann ihre Schwellenpreise und damit ihre Einfuhrabschöpfungen so hoch ansetzen wie sie will — im Rahmen des GATT stößt sie dabei auf keine Einschränkungen. Wenn es aber so ist, daß die zwei größten Akteure im internationalen Agrarhandel, die USA und die EG, im Hinblick auf ihre Importhindernisse bei wichtigen Agrarprodukten keinerlei effektiven Disziplin im GATT unterliegen, so braucht der beklagenswerte Zustand des internationalen Agrarhandels nicht zu überraschen. Ebenfalls in den Bereich der „Grauzone" fällt in der bisherigen Praxis des internationalen Agrarhandels die Tätigkeit staatlicher und parastaatlicher Handelsinstitutionen. Solche Institutionen (z. B. marketing boards) spielen im Agrarhandel eine ausschlaggebende Rolle. So ist beispielsweise geschätzt worden, daß bei Weizen etwa 95 % des internationalen Handels auf der Importseite oder der Exportseite (oder auf beiden Seiten) von solchen staatlichen oder parastaatlichen Handelsorganisationen abgewickelt wird (McCalla und Schmitz, 1979). Zwar enthält das GATT durchaus Regeln für die Aktionen solcher Handelsorganisationen (insbesondere in den Artikeln II und XVII), die im wesentlichen verlangen, daß sie sich verhalten sollten als wären sie private Unternehmen, die unter nach dem GATT erlaubten staatlichen Handelspolitiken operieren. In der Praxis — und insbesondere in der Praxis des internationalen Agrarhandels — haben sich diese Vorschriften allerdings als nicht effektiv erwiesen. Auch im Agrarhandel haben darüber hinaus Selbstbeschränkungsabkommen, also eine weitere Kategorie von „Grauzonen-Maßnahmen", zunehmende Bedeutung erlangt (Winterling, 1986). Ein besonders eklatantes Beispiel dafür ist das Tapioka-Abkommen zwischen der EG und Thailand (Hartwig und Tangermann 1987a; Winterling und Tangermann, 1987). Schließlich werden gerade auch im Agrarbereich bei der Behinderung von Importen weithin handelspolitische Maßnahmen angewendet, die schlicht als „illegal" unter dem GATT bezeichnet werden müssen. Wenn auch bisweilen solche Praktiken zu Streitfällen vor dem GATT führen, so bleiben sie doch im wesentlichen ohne formelle Verurteilung. Offensichtlich haben gerade im Agrarbereich viele Regierungen besonders geringe Hemmungen, vom Geist und vom Buchstaben des GATT abzuweichen. Und da in dieser Hinsicht viele Länder „Sünder" sind, bleiben gegenseitige Anklagen ohne Wirkung.
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Exportkonkurrenz Im Hinblick auf die Behandlung von staatlicher Exportförderung ist die Sonderbehandlung des Agrarsektors im GATT noch stärker ausgeprägt al bei den Maßnahmen auf der Importseite. Der Agrarhandel ist der einzige Bereich, in dem (gemäß Art. X V I Abs. 3) das GATT Exportsubventionen zuläßt. Dabei sind im GATT an die Gewährung von Exportsubventionen für Agrarprodukte keinerlei Voraussetzungen gebunden. Unabhängig von der Ausgestaltung der heimischen Agrarpolitik (und natürlich auch unabhängig von jeder wirtschaftlichen Rechtfertigung) kann daher jedes Land, das dies für richtig erachtet, seine Agrarexporte subventionieren. Die einzige Randbedingung, die dabei gewahrt bleiben muß, ist diejenige, daß das exportierende Land sich durch seine Subventionen keinen „mehr als angemessenen" Anteil am Weltexport des entsprechenden Produktes verschaffen darf. Der Gedanke bei Einfügung dieser Bestimmung in das GATT 3 war, daß es angesichts der vorherrschenden Praxis im internationalen Agrarhandel unrealistisch sei, die Subventionierung von Agrarexporten gänzlich zu verbieten, daß man aber dafür sorgen müsse, daß Exportsubventionen nicht überhand nähmen, also nicht zu einer Ausweitung der Weltmarktanteile der subventionierenden Länder führten. Der „angemessene Anteil" an den Weltexporten sollte als Riegel gegen einen übermäßigen Gebrauch von Exportsubventionen dienen. Dabei ist von vornherein nie richtig klar gewesen (und vielleicht auch absichtlich im Dunkeln gelassen worden), wie der „angemessene Anteil" eines Landes bei einem bestimmten Produkt zu bestimmen sei. Der in der Tokio-Runde ausgearbeitete Subventionskodex hat hier versucht, eine Verbesserung zu erreichen, indem er die bereits in Art. X V I angesprochene „frühere Vergleichsperiode", die bei der Beurteilung der Angemessenheit des Weltmarktanteils zu berücksichtigen ist, genauer als die jüngsten drei Jahre definiert, in denen „normale Marktbedingungen" herrschten. Auch hat der Subventionskodex die Bestimmung hinzugefügt, daß Exportsubventionen bei Agrarprodukten nicht die Exporte anderer Länder von ihren jeweiligen Märkten verdrängen und nicht zu einer Preisunterbietung führen dürfen. Aus ökonomischer Sicht fällt es schwer, aus solchen Bestimmungen nachvollziehbare Handlungsanweisungen abzuleiten. Aber auch in der Praxis der GATT-„Rechtsprechung" (d. h. in den Streitbeilegungsverfahren unter Anrufung von Panels) ist es nicht gelungen, diese Bestimmungen mit einem konkreten Inhalt zu füllen oder sie auch nur für Einzelfälle handfest anwendbar zu machen. Inzwischen hat es vor dem GATT eine erhebliche Anzahl 3
Für einige Anmerkungen zur historischen Entwicklung der GATT-Regeln im Hinblick auf die Exportsubventionierung bei Agrarprodukten siehe Tangermann, 1987.
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von Streitbeilegungsverfahren im Zusammenhang mit Exportsubventionen für Agrarprodukte gegeben. In der Tat, „the handling of agricultural subsidy cases in GATT is the single largest source of complaints about both the GATT rules and procedures" (Hathaway, 1986). Trotz der Vielzahl der PanelVerfahren ist es nach wie vor nicht gelungen, über eine Reihe von in solchen Verfahren entscheidenden Fragen Klarheit zu schaffen. Schwierigkeiten hatten die Panels insbesondere mit folgenden Fragen (Hartwig und Tangermann, 1987): —
Liegt eine Ausfuhrsubvention im Sinne von Art. X V I Abs. 3 vor?
—
Ist ein mengenmäßiger Anstieg der subventionierten Ausfuhren festzustellen?
—
Hat die Ausweitung der Exporte zu einer Erhöhung des Weltmarktanteils geführt?
—
Ist ein Kausalzusammenhang zwischen dem erhöhten Weltmarktanteil des subventionierenden Landes und dem rückläufigen oder stagnierenden Anteil anderer Exportländer gegeben?
—
Inwieweit müssen in diesem Zusammenhang die in Art. X V I Abs. 3 angesprochenen „besonderen Umstände" berücksichtigt werden?
—
Liegt eine Marktverdrängung und/oder Preisunterbietung vor?
Da sich Fragen dieser Art nicht klären ließen ud deshalb die entsprechenden Panel-Verfahren im wesentlichen nicht zu Ergebnissen kamen, hat sich letzten Endes ein Zustand eingestellt, in dem jedes Land in der Praxis Exportsubventionen für Agrarprodukte gewähren kann, wann und soviel es will. Das GATT hat deshalb im Hinblick auf die Subventionierung von Agrarexporten nahezu keinerlei Wirksamkeit. Hinzu kommt, daß heimische Subventionen ohnehin im GATT ohne wesentliche Einschränkung erlaubt sind. Aus ökonomischer Sicht ist die asymetrische Behandlung von heimischen und beim Export gewährten Subventionen im GATT kaum zu rechtfertigen. Gerade im Agrarbereich lassen sich heimische Subventionen (ζ. B. in Form der in den USA bei Getreide gewährten deficiency payments) leicht für Exportsubventionen substituieren. In der Praxis des GATT hat sich die eigentlich beabsichtigte Unterscheidung der Behandlung von heimischen und beim Export gewährten Subventionen allerdings ohnehin verwischt, da eben auch bei Exportsubventionen keine wirksamen Einschränkungen durchseztbar waren. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß dem Agrarhandel im GATT entweder bereits bei der Formulierung des Abkommenstextes oder aber in seiner konkreten Anwendung eine weitgehende Sonderstellung eingeräumt worden ist. Die Agrarpolitiker haben nicht gezögert, diese Sonderstellung durch die Ausgestaltung ihrer nationalen Agrar- und Handelspolitiken extensiv auszunutzen. In der Uruguay-Runde muß es deshalb
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darum gehen, die Behandlung des Agrarbereichs im GATT grundlegend neu zu gestalten, wenn eine spürbare Verbesserung der Bedingungen im Weltagrarhandel erreicht werden soll. Die bisher erkennbaren Ansätze geben allerdings kaum die Hoffnung, daß das gelingen könnte.
3. Tendenzen zur Neuregelung des Agrarbereichs im GATT Seit einigen Jahren ist im GATT intensiv an der Vorbereitung neuer Verhandlungen über den Agrarbereich gearbeitet worden, insbesondere in dem von der Ministerkonferenz des Jahres 1982 eingesetzten Ausschuß für Agrarhandel (Committee on Trade in Agriculture). In einem gewissen Maße haben diese vorbereitenden Gespräche (wie aber auch die inzwischen sich geradezu dramatisch verschärfenden Probleme im internationalen Agrarhandel) ihren Niederschlag in dem besonderen Gewicht gefunden, das die Deklaration von Punta del Este auf Verbesserungen im Agrarhandel legt, aber auch in den Formulierugen, die die Deklaration für die angestrebten Verhandlungsziele im Agrarbereich enthält. Zwar ist im Ausschuß für Agrarhandel in keiner Weise Einigkeit darüber erzielt worden, wie die Situation im Agrarbereich verbessert werden sollte, und auch die Deklaration von Punta del Este verbirgt hinter ihren (insbesondere im Vergleich zu früheren GATT-Runden) relativ stringenten Formulierungen ein hohes Maß an Unterschieden der Auffassugen über den richtigen Weg. Dennoch sind einige Tendenzen erkennbar geworden, die — wenn sie sich in den Verhandlungen der Uruguay-Runde durchsetzen sollten — befürchten lassen, daß der Agrarhandel nicht besser mit den Grundprinzipien des GATT in Übereinstimmung gebracht, sondern nur noch weiter aus einer liberalen Welthandelsordnung ausgegrenzt wird. Eine große Rolle haben nämlich in den bisherigen Überlegungen insbesondere die Möglichkeiten gespielt, die Importregelungen des Art. X I und die Vorschriften des Art. X V I über den „angefressenen Anteil " stringenter zu formulieren, besser operational zu machen und zu weiter verbreiteter Anwendung zu bringen. Im Hinblick auf Importhindernisse ist beispielsweise erwogen worden, die Regelungen des Art. XI nicht nur auf mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen anzuwenden, sondern sie z. B. auch auf variable Abschöpfungen zu übertragen. Dabei spielt offensichtlich die Hoffnung eine große Rolle, daß dann die Mindesteinfuhrverpflichtung des Art. X I auf eine größere Zahl von Fällen anwendbar würden. Im Hinblick auf Exportsubventionen ist unter anderem viel darüber diskutiert worden, wie sich das Konzept des „angemessenen Anteils" am Welthandel operational gestalten ließe, so daß Länder, die ihre Exporte subventionieren, strengeren Regeln für das erlaubte Ausmaß ihrer Exportmengen unterliegen. Im
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Grunde laufen solche Tendenzen also darauf hinaus, „akzeptable" Handelsmengen festzulegen und die Vertragsparteien des GATT darauf zu verpflichten, diese Handelsstrukturen einzuhalten. So naheliegend es auf den ersten Blick erscheinen mag, Ländern mit protektionistischer Politik vorzuschreiben, daß sie Importe zumindest in einem bestimmten Umfang zuzulassen haben, und von Ländern, die ihre Exporte subventionieren, zu verlangen, daß sie über bestimmte Exportmengen nicht hinausgehen dürfen — eine wirkliche Verbesserung der Verhältnisse im internationalen Agrarhandel und eine Wiedereingliederung des Agrarhandels in die Grundprinzipien des GATT läßt sich auf diesem Weg kaum erreichen. Abgesehen von allen auch weiterhin zu erwartenden praktischen Schwierigkeiten in der Definition und konkreten Anwendung von Regeln der traditionellen (wenn auch verbesserten) Art ist nämlich grundsätzlich zu fragen, ob Regeln, die letztlich festlegen, welche Mengen einzelne Länder importieren müssen oder exportieren dürfen, auch nur im entferntesten in Einklang mit den Prinzipien einer liberalen internationalen Handelsordnung zu bringen sind. Entscheidend ist dabei, daß es keinen Weg gibt, auf dem „akzeptable" Handelsmengen so bestimmt werden könnten, daß sie einer sinnvollen Allokation der Ressourcen in der Weltagrarwirtschaft (oder in irgendeinem anderen Bereich) entsprechen würden. Das GATT hat in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Konzepte für „akzeptable" Handelsmengen zu definieren versucht. Es greift dabei im wesentlichen auf zwei Konzepte zurück, zum einen die tatsächlichen Handelsmengen in einer „früheren Vergleichsperiode" (ζ. B. in Art. X V I Abs. 3), zum anderen die Handelsstrukturen die sich „aller Voraussicht nach ergeben würden, wenn die Maßnahme nicht bestünde" (wie ζ. B. in Art. X I Abs. 2). In der Praxis laufen beide Konzepte im wesentlichen auf das gleiche Ergebnis hinaus (Tangermann, 1987), schon deshalb, weil sich nie feststellen läßt, was geschehen wäre, wenn eine bestimmte handelspolitische Maßnahme nicht ergriffen worden wäre, so daß die Orientierung an den Beobachtungen der Vergangenheit immer nahe liegt. Wie immer in Zukunft solche Regelungen gefaßt werden könnten — aus ökonomischer Sicht bleiben sie in jedem Fall zweifelhaft. Eine Ordnung für den Weltagrarhandel, die in starkem Maße auf der Vorstellung von „akzeptablen" Handelsmengen aufgebaut wäre und allen Ländern freie Hand bei der Ausformung ihrer Agrar- und Handelspolitik ließe, solange sie sich an solche „akzeptablen" Handelsmengen halten, würde gewiß keinen Schritt in Richtung auf einen liberaleren Weltagrarhandel und auf eine stärkere Orientierung der Handelsströme an komparativen Vorteilen darstellen. Sie würde vielmehr dazu führen, daß das Agrarhandelssystem der „Ordnung" des Handels mit Fasern und Textilien im Rahmen des Multifiber Arrangement
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ähnlich wird. Mit einer stärkeren Verwirklichung der Grundprinzipien des GATT auch im Agrarbereich hätte eine solche Entwicklung wenig zu tun. Auf der anderen Seite ist zumindest nicht offensichtlich, wie bessere GATT-Regeln für die Landwirtschaft aussehen könnten, wenn sie nicht darauf hinauslaufen sollten, bestimmte handels- und agrarpolitische Eingriffe schlicht zu untersagen (was politisch wenig realistisch wäre) oder den Vertragsparteien vorzuschreiben, wieviel sie mindestens importieren müssen oder höchstens exportieren dürfen (was ökonomisch nicht sinnvoll ist). Die wesentliche Schwierigkeit besteht dabei darin, Regeln zu entwickeln, die sich auf die im Agrarhandel so weithin vorherrschenden nicht-tarifären Maßnahmen anwenden lassen. Das ist deshalb so schwierig, weil nicht-tarifäre Maßnahmen in der unterschiedlichsten Ausprägung auftreten, weil sie zum Teil komplexe Formen annehmen und weil sich ihre Inzidenz nicht in jedem Fall mit einfachen Verfahren messen läßt (Jaeschke, 1986). Dennoch ist ein Ansatz denkbar, der sich für den Agrarhandel eignen würde.
4. Ein neuer Ansatz für den Agrarhandel im GATT Ein solcher Ansatz sollte grundsätzlich nicht an Handelsmengen, sondern an Preisen orientiert sein und damit der Grundphilosophie des GATT entsprechen, die ja darin besteht, daß — falls überhaupt — eigentlich nur Zölle zur Beeinflussung des internationalen Handels verwendet werden sollten. Gleichzeitig sollte ein solcher neuer Ansatz für den Agrarhandel im GATT in der Lage sein, die unterschiedlichsten agrar- und handelspolitischen Maßnahmen in gleicher Weise zu erfassen und stringenteren GATT-Disziplinen zu unterwerfen. Insbesondere sollte er sowohl heimische als auch an den Grenzen wirkende Maßnahmen einbeziehen. Er sollte auf diese Weise in ausgeglichenem Maße für Länder mit unterschiedlichen agrar- und handelspolitischen Systemen und insbesondere sowohl für exportierende als auch für importierende Länder gelten und anwendbar sein. Diese Forderung ist schon aus ökonomischen Erwägungen zu erheben, denn es gibt keinen Grund, protektionistische Maßnahmen verschiedener Länder unterschiedlich zu behandeln und insbesondere Importländer anders zur Disziplin zu rufen als Exportländer. Ausgewogenheit und Universalität des Ansatzes sind aber auch aus politischen Gründen anzustreben, weil eine Einigung auf GATT-Regeln, die einige Länder und Politiken einer strengeren Disziplin unterwerfen, während sie in anderen Fällen offensichtliche Schlupflöcher bestehen lassen, politisch nicht tragfähig und daher entweder von vorneherein nicht zu verwirklichen oder zumindest nicht haltbar wäre. Schließlich sollte ein neuer Ansatz anstreben, daß die im Agrarbereich eingesetzten heimischen und handelspolitischen Maßnahmen so definierbar
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werden, daß sie Gegenstand von Verhandlungen und GATT-Bindungen werden können. Viele im Agrarhandel vorherrschenden Maßnahmen sind nämlich von ihrer Ausgestaltung und Handhabung her so geartet, daß sie bei den gegenwärtigen GATT-Regeln weder in Verhandlungen einbezogen noch einer Bindung unterworfen werden können. Das gilt ζ. B. für variable Abschöpfungen. Verhandelbarkeit und Bindungsfähigkeit wären deshalb bereits als solche ein erheblicher Fortschritt, denn sie würden, auch wenn nicht unmittelbar eine weitgehende Liberalisierung des Agrarhandels erreichbar wäre, zumindest eine bessere Möglichkeit eröffnen, in Zukunft in weiteren Verhandlungen Fortschritte in Richtung auf eine Liberalisierung des internationalen Handels mit Agrarprodukten anzustreben. Ein Ansatz, der diese Eigenschaften hat, ist die Verwendung von „Stützungsbeträgen" für die Agrarverhandlungen im Rahmen des GATT. Solche „Stützungsbeträge" drücken den Gesamteffekt aller in einem Land zum Einsatz gelangenden agrar- und handelspolitischen Maßnahmen in einem monetären Äquivalent aus. Sie haben damit Verwandtschaft mit den schon seit längerer Zeit in der Literatur über nicht-tarifäre Maßnahmen bekannten Zolläquivalenten. Angesichts der Tatsache, daß manche agrarpolitischen Maßnahmen die Produzentenseite anders beeinflussen als die Verbraucherseite, können „Stützungsbeträge" für beide Seiten gesondert berechnet werden. „Stützungsbeträge" auf der Produzentenseite (producer subsidy equivalents, PSEs) geben, vereinfacht ausgedrückt, den Betrag des Einkommens der Produzenten an, der entfallen würde, wenn die Gesamtheit aller auf das jeweilige Produkt einwirkenden staatlichen Maßnahmen eliminiert würde. 4 Sie beziehen dabei nicht nur Politikinstrumente ein, die auf der Ebene der Outputs wirken, sondern schließen auch die Effekte von Maßnahmen mit Ansatz bei den Inputs ein. PSEs können somit als (um die Auswirkungen von Input-Politiken) korrigierte nominale Protektionsmaßstäbe angesehen werden. Entsprechend messen „Stützungsbeträge" auf der Verbraucherseite (consumer subsidy equivalents, CSEs) die Auswirkungen staatlicher Eingriffe auf die Verbraucher der entsprechenden Produkte. Das Konzeptz von PSEs und CSEs, das ursprünglich von Josling für die FAO entwickelt wurde (FAO, 1973 und 1975), ist bisher nur für die Politikanalyse verwendet worden. Besondere Bekanntheit hat es dabei durch die Arbeit der OECD an einer groß angelegten Studie über die Auswirkungen der Agrarpolitiken auf den internationalen Agrarhandel sowie über die möglichen Folgen einer schrittweisen Liberalisierung des internationalen 4
Im Gegensatz zu dem in der Wohlfahrtsanalyse bekannten Konzept der Produzentenrente gehen PSEs, wie sie in der Politikanalyse bisher verwendet worden sind und für Verhandlungen im GATT infrage kämen, allerdings von konstanten Inputund Outputmengen aus.
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Agrarhandels (im Rahmen des Ministerial Trade Mandate der OECD) gewonnen (OECD, 1987). Auch das US-Agrarministerium hat dieses Konzept in einer jüngst erschienenen Studie verwendet (USDA, 1987). Allerdings eignet sich dieses Konzept nicht nur für die Politikanalyse. Es könnte vielmehr auch als Grundlage der Agrarverhandlungen im GATT verwendet werden. Statt modifizierte und neue Regeln und Disziplinen der traditionellen Art zu entwickeln, könnte nämlich angestrebt werden, alle Verpflichtungen der Vertragsparteien des GATT im Agrarbereich in bezug auf PSEs (und möglicherweise auch CSEs) festzulegen. Idealerweise würde dabei in drei Schritten vorgegangen. Zunächst einmal müßte — nach einer grundsätzlichen Einigung auf die Verwendung dieses Ansatzes — Einigkeit über die genaue Definition und empirische Messung von PSEs erzielt werden. Im zweiten Schritt könnte dann eine Bindung der gegenwärtig bestehenden PSEs vereinbart werden. Die PSEs würden dann wie gebundene Zölle in den Tariflisten der einzelnen Vertragsparteien festgehalten. Im dritten Schritt wäre dann über eine schrittweise Reduktion der PSEs und damit über eine allmähliche Liberalisierung des internationalen Agrarhandels zu verhandeln. Dabei könnten Formeln für eine multilaterale und alle Agrarprodukte betreffende Verminderung der PSEs vereinbart werden (wie ζ. B. die in der Tokio-Runde für den Zollabbau verwendete „Schweizer Formel"; Senti, 1986, S. 85 ff.), oder die Verhandlungen könnten (im herkömmlichen „request and offer" Verfahren) bilateral geführt und die Ergebnisse über das Prinzip der Meistbegünstigung auf alle Vertragsparteien übertragen werden. Ein solcher Ansatz hätte den Vorteiel, daß er in der Tat die Gesamtheit aller agrar- und handelspolitischen Maßnahmen — sowohl die heimischen als auch die an den Grenzen angewendeten, sowohl diejenigen in Exportländern als auch diejenigen von Importländern — in einheitlicher Weise erfassen würde. Er würde dabei den Vertragsparteien die konkrete Instrumentierung ihrer Politik freistellen, solange sie die Bindung der jeweiligen PSEs respektieren. Insbesondere aber würde es dieser Ansatz erlauben, auf an Handelsmengen orientierte Regeln zu verzichten. Er wäre vielmehr preisorientiert und käme damit dem Prinzip der grundsätzlich zollbasierten GATTRegeln nahe, ohne so weit zu gehen, daß im Agrarhandel tatsächlich nur noch Zölle zulässig sind. Der hier skizzierte Ansatz — der völlige Ersatz bisheriger GATT-Regeln für den Agrarbereich durch die Bindung und Reduktion von PSEs — wäre eine sehr weitgehende Neuorientierung der bisherigen Verfahrensweisen des GATT im Agrarbereich. Auch weniger weitgehende Lösungen sind denkbar, bei denen Regeln bezüglich PSEs mit traditionellen GATT-Regeln für den Agrarhandel kombiniert würden, ohne diese gänzlich zu ersetzen (Tangermann, Josling, Pearson, 1987). Das ist insofern von Bedeutung, als
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möglicherweise wegen der Neuartigkeit dieses Ansatzes viele Vertragsparteien nicht auf die Beibehaltung der traditionellen GATT-Regeln verzichten mögen (auch wenn diese Regeln sich in der Vergangenheit nicht als besonders erfolgreich herausgestellt haben). Wenngleich ein solcher Ansatz eine große Anzahl von Vorteieln hätte, so darf doch nicht übersehen werden, daß eine Reihe von konzeptionellen und technischen Fragen geklärt werden müßten, bevor er sich in den Verhandlungen der Uruguay-Runde verwenden ließe. Auf die meisten dieser Fragen lassen sich durchaus befriedigende Antworten finden (Tangermann, Josling, Pearson, 1987). Dabei ist insbesondere darauf zu verweisen, daß das Konzept von PSEs in keiner Weise rigide festliegt. Vielmehr kann es außerordentlich flexibel verwendet und auf den jeweiligen Zweck zugeschnitten werden. Dabei wären in vielen Fragen nicht prinzipielle ökonomische, sondern pragmatische politische Antworten zu suchen, die in entsprechenden Verhandlungen gefunden werden müßten. Gerade hierin liegt allerdings auch — das darf nicht übersehen werden —eine gewisse Gefahr für einen erfolgreichen Abschluß der Agrarverhandlungen in der Uruguay-Runde. Es könnte sich nämlich im ungünstigen Fall herausstellen, daß viel — vielleicht zu viel — Zeit mit den Vor-Verhandlungen über die Verwendbarkeit und Ausformung des Ansatzes der „Stützungsbeträge" verstreicht. Möglicherweise könnten einige Vertragsparteien es sogar bewußt darauf anlegen, mit solchen Verhandlungen Zeit zu gewinnen und ernsthaften Entscheidungen aus dem Weg zu gehen. Deshalb wäre unter Umständen daran zu denken, von vorneherein nur einen begrenzten Zeitraum für solche Vor-Verhandlungen einzuräumen und, falls in diesem Zeitraum eine positive Entscheidung nicht zustande kommt, zu den traditionellen Ansätzen des GATT zurückzukehren.
5. Schlußbemerkungen
Der „Erfolg" des GATT war bisher im Agrarbereich außerordentlich gering. Der Agrarhandel genießt eine Sonderstellung im Hinblick auf einige wichtige GATT-Regeln, sowohl bei Importbeschränkungen als auch bei Exportsubventionen. Wichtige Agrarhandelsländer unterliegen in weiten Bereichen ihrer Agrarmarkt- und handelspolitik keinen effektiven GATTDisziplinen. Und auch da, wo das GATT im Agrarbereich eigentlich bindende Regeln enthält, ist die Bereitschaft, diese Regeln einzuhalten, bei vielen Regierungen bemerkenswert gering.
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Eine Ausgliederung der Landwirtschaft aus dem GATT könnte nicht wirklich eine Verbesserung bewirken. Vielmehr ist es an der Zeit, ernsthafte Bemühungen zu unternehmen, die Grundprinzipien des GATT auch im Agrarbereich in einem stärkerem Maße zur Wirkung zu bringen. Die Uruguay-Runde bietet dazu eine historisch einmalige Chance. Die Situation im internationalen Agrarhandel hat sich inzwischen so dramatisch verschärft, daß viele Regierungen erkannt haben, daß der bisher beschrittene Weg nicht unverändert fortgesetzt werden kann. Die Bereitschaft zu ernsthaften Reformen ist gewiß noch nicht überall groß genug. Die Deklaration von Punta del Este läßt aber erkennen, daß der Wille zu Veränderungen diesmal stärker ausgeprägt ist als in früheren GATT-Runden. Bisher in den Vorbereitungen für die Agrarverhandlungen der UruguayRunde zu erkennende Tendenzen lassen allerdings noch keinen Ansatz erkennen, der geeignet wäre, die Schwierigkeiten, die das GATT bisher im Agrarbereich hatte, grundsätzlich zu lösen. Vielmehr ist die Sorge nicht unbegründet, daß der Agrarhandel sich immer weiter von den Grundprinzipien des GATT fortentwickeln würde, wenn mit den traditionellen Ansätzen weiter gearbeitet würde. Angesichts der schlechten Erfahrungen, die mit den bisherigen Verfahrensweisen im Agrarhandel gemacht worden sind, gibt es wenig Grund, nicht einen vollkommen neuen Ansatz zu wagen. Die Verwendung von „Stützungsbeträgen" (PSEs) zur Definition von neuen Verpflichtungen für den Agrarhandel im GATT könnte ein solcher Ansatz sein. Auch dieser Ansatz ist nicht ohne Schwierigkeiten und Gefahren. Er bietet aber so viele potentielle Vorteile, daß er nicht ohne sehr ernsthafte Gründe unversucht bleiben sollte. Einige Vertragsparteien scheinen sich inzwischen dazu entschlossen zu haben, einem solchen Ansatz eine Chance zu geben. Möglicherweise wird dieser Ansatz deshalb in den kommenden Monaten in den Agrarverhandlungen der Uruguay-Runde eine gewisse Rolle spielen. Auch dieser Ansatz kann allerdings — wie alle anderen Vorgehensweisen — letztlich nur insoweit zum Erfolg führen, wie die Regierungen den politischen Willen haben, im Agrarbereich wirklich Fortschritte zu erzielen. Das entscheidende Indiz für einen solchen Willen wird die Bereitschaft sein, nicht nur von anderen Ländern Anpassungen ihrer Agrarpolitik zu verlangen, sondern selber ernsthafte Angebote für Reformen im eigenen Land zu unterbreiten. Bisher ist diese Bereitschaft nur von wenigen Ländern zum Ausdruck gebracht worden. Nach wie vor herrscht das Bemühen vor, die eigene Position möglichst unverändert beizubehalten und Reformbedarf hauptsächlich bei anderen zu sehen. Gerade die USA und die EG sollten diese Haltung bald revidieren. Beide sind jeweils für sich, vor allem aber zusammen genommen für die Gesamtsituation des internationalen Agrarhandels so ausschlaggebend, daß ohne
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einschneidende Veränderungen bei ihnen keine wirksamen Verbesserungen zu erzielen sind. Und beide haben sich für ihre Agrarpolitik einen großen Freiraum im GATT zu verschaffen gewußt. Entsprechend viel könnten sie in die Verhandlungen der Uruguay-Runde einbringen, indem sie Änderungen ihrer Agrarpolitik anbieten. Die USA könnten auf ihren Waiver verzichten, die EG könnte sich hinsichtlich ihrer variablen Abschöpfungen festen Verpflichtungen unterwerfen (ζ. B. Höchstbeträge der Abschöpfungen binden). Sollten sich beide Seiten von sich aus zu solchen Schritten verpflichten, so könnten die Verhandlungen über den Agrarhandel in ein völlig neues Stadium treten und erheblich an Substanz und Erfolgsaussicht gewinnen. Die Uruguay-Runde, deren Gesamterfolg vermutlich in starkem Maße von Fortschritten im Agrarbereich abhängen wird, würde dann als ein Wendepunkt in die Geschichte des internationalen Agrarhandels eingehen.
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OECD, National Policies and Agricultural Trade. Paris, May 1987. Tangermann, S., Proposals for a „Rule-Oriented" Liberalization of International Agricultural Trade. Paper prepared for the Conference on „The New GATT Round of Multilateral Trade Negotiations: Legal and Economic Problems", organized by the Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, 11-13 June 1987. Tangermann, S.r T. E. Josling und S. R. Pearson, Multilateral Negotiations on Farm Support Levels: The Role of PSEs. Erscheint im Septemberheft 1987 der Zeitschrift „World Economy", (veröffentlicht) Winterling, H.-J., Selbstbeschränkungsabkommen im internationalen Agrarhandel — Eine qualitative sowie quantitative Analyse ihrer Bedeutung und Wirkungen am Beispiel des Tapiokaabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Thailand. „Agrarwirtschaft", Sonderheft 111. Frankfurt 1986. Winterling, H.-J., und S. Tangermann , Economic Implications of Restricting Manioc Trade between Thailand and the EEC. Kiel 1987. Wyndham White, Sir E., Intematioal Trade Policy: The Kennedy Round and Beyond. Address to the Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Bad Godesberg, 27. Oktober 1967.
Zusammenassung der Diskussion (Referat Tangermann)
Adlung geht auf die Frage der Subventionsäquivalente ein. Nach der jüngsten Entwicklung auch in der OECD könne man sich wohl über dieses Konzept in irgendeiner Form verständigen. Die Diskussionslinie scheine sich ja dahin zu verlagern, welche Maßnahmen — und in welcher Form — in dieses Konzept einbezogen werden. Bei den speziellen Problemen der deutschen Agrarpolitik — Präferenz für mengenorientierte Maßnahmen (Stichworte: Quoten, Fächenstillegungen) — sei zu überlegen, wie sie in Verhandlungen zu handhaben sind und in welche längerfristige Perspektive sie sich einordnen. Probleme wie im Agrarbereich gebe es im übrigen in manchen anderen Sektoren auch: Eine zunehmende wettbewerbspolitische Problematik. Die Rechnung in Äquivalenten könne in der weiteren Zukunft vielleicht Modell sein oder zumindest in eine Richtung weisen, in der sich die GATT-Diskussionen entwickeln könnten. Dieses Konzept brauche ja per se nicht auf die Landwirtschaft beschränkt zu bleiben, sondern könne sich ausweiten. Es sei im Extremfall denkbar, daß die Länder nicht mehr ihre Zollsätze binden, sondern daß sie effektive Protektionsraten, Subventionsäquivalente und dergleichen mehr binden. Das möge wesentlich mehr Transparenz schaffen, möge viele Vorteile haben. Er befürchte jedoch, daß dann eine Ausweichbewegung in Richtung auf mehr administrative Lenkung stattfinden könnte, ähnlich wie die erfolgreichen Zollbemühungen zum Teil eine Verlagerung in den Bereich der Binnenprotektion verursacht hätten. Tangermann schätzt den Beitrag Adlungs über die Möglichkeit, daß tatsächlich im Agrarbereich Subventionsäquivalente ein Ansatz im GATT werden könnten, als optimistisch ein. Er wäre froh, wenn es schon so wäre, aber es gebe in einigen Ländern leider erhebliche Widerstände dagegen. Zweitens weist Tangermann auf das Problem hin, sich auf eine Definition für die Messung der Subventionsäquivalente zu einigen. Eines der besonders schwierigen Probleme sei in der Tat die Behandlung von heimischen Politiken, die nicht die Produktion steigern und damit die Exporte erhöhen und die Importe vermindern, sondern die umgekehrt ein „Beitrag zur Marktbereinigung" sind, nämlich Kontingente. Politiken, die man als liberaler Ökonom aus der heimischen Sicht nicht gerne sehe, weil sie zu allen möglichen
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Zusammenfassung der Diskussion
Verknöcherungen der internen Struktur führten, die auf der anderen Seite aber zumindest im Bereich des internationalen Handels tatsächlich eine gewisse Entlastung böten und die insofern wohl auch Länder, die solche Politiken betreiben, berechtigen sollten, einen Abzug von ihrem Subventionsäquivalent zu erhalten. Wie man das berechnen sollte, sei ein großes Problem, für das im Moment nach einer Lösung gesucht werde. Das auf andere Bereiche zu übertragen, sei überall da zu erwägen, wo die nichttarifären Maßnahmen, einschließlich vor allem der heimischen Maßnahmen, eine große Rolle spielten. Der Grund, im Agrarbereich damit anzufangen, liege einfach darin, daß die Zölle hier noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs sind, sondern bestenfalls das Fähnchen auf der Spitze des Eisbergs. Die Politik werde eigentlich mit anderen Maßnahmen betrieben, die sich für Verhandlungen, für Bindungen und für Abbauvereinbarungen im GATT nicht gut eigneten. Subventionsäquivalente seien also ein möglicher Ansatz, um mit nichttarifären Maßnahmen überhaupt in irgendeiner Weise im GATT zurechtzukommen. In allen anderen Bereichen, in denen die nichttarifären Maßnahmen — einschließlich all der heimischen Subventionen — eine große Rolle spielen, wäre deshalb mit der gleichen Berechtigung nach ähnlichen Konzepten zu suchen. Es wäre möglich, daß es dann weitere Ausweichbewegungen gäbe; aber man könne ja nicht viel anderes tun, als mit dem GATT so weit vorzustoßen, daß das immer noch weitere Ausweichen den Regierungen zumindest schwerer gemacht wird. Subventionsäquivalente seien ein erheblicher Schritt in eine solche Richtung. Willgerodt findet diesen Ansatz sehr verdienstvoll, nur scheine ihm das Problem der Preise noch nicht gelöst zu sein. In der Bundesrepublik werde die Politik verfolgt, das Mengenproblem zu lösen, damit im Anschluß daran wieder eine kartellartige Preiserhöhung stattfinden kann. Das sei das offizielle Ziel, das Minister Kiechle verkündet habe. Das Problem der Agrarpolitik werde dadurch unlösbar gemacht. Sicherlich habe Kiechle darin recht, daß die internationalen Preise zu niedrig sind und allmählich erhöht werden müßten, um die wechselseitigen Agrar-Dumpingmaßnahmen abzubauen. Aber die Differenz zwischen den Weltmarktpreisen und den Binnenpreisen in der EWG sei zu groß. Das gelte auch für Japan. In Amerika hätten sich ja immerhin gewisse, wenn auch noch nicht ausreichende Tendenzen der Vernunft bemerkbar gemacht. In der Bundesrepublik Deutschland sei die Differenz zwischen den am Weltmarkt gültigen Preisen und den Preisen auf dem Binnenmarkt so absurd hoch, daß die Senkung der Preise auf dem Binnenmarkt unvermeidlich sei, auch wenn die Mengenpolitik des Landwirtschaftsministers wirklich greifen sollte. Wie sie technisch greifen sollte, sei allerdings noch nicht zu sehen. Man fange mit der Milch an, aber wenn man nicht die ganze Landwirtschaft unter Kuratel stellte, fände sie immer
Zusammenfassung der Diskussion
wieder neue Produkte, wo neue Überschüsse produziert würden. Die Landwirte seien ja viel zu tüchtig, um das nicht fertigzubringen. Wenn nun die Subventionsäquivalente ausgerechnet wären, sei immer noch das Preisproblem zu lösen und ebenso die Technik der Verhandlungen über Subventionsäquivalente. Worüber man verhandeln könnte, sei der wechselseitige Abbau der Dumpingexporte. Das würde die Kontingentierung auch auf den Export übertragen: vom Binnenmarkt her weiter auf den Weltmarkt. Aber das könne zu internationalen Mengenabsprachen führen und damit auf internationaler Ebene zu ähnlichen Überschuß-Problemen wie in der EG. Tangermann erwidert, wenn man einen Subventionsäquivalenz-Approach im GATT konsequent verwirklichen könnte, müßte man sich über die administrierten Preise als solche nicht mehr sehr viele Gedanken machen; denn sie seien ja nur eine der vielen agrarpolitischen Maßnahmen, und die Preispolitik würde in ihrem Effekt eingehen in die Bemessung des Subventionsäquivalents. Und wenn es dann gelingen sollte, tatsächlich Subventionsäquivalente zunächst einmal zu binden — formell in den Zollisten der GATT-Mitgliedsländer — und sie zweitens einer Abbauverhandlung zu unterwerfen, dann würden damit auch die Preisfixierungen oder andere äquivalente Maßnahmen, die so wirken wie die heimische Preispolitik, einer solchen Disziplin unterworfen und müßten ebenfalls gesenkt werden. Zur Frage, wie solche Verhandlungen sich vollziehen sollten, könnte man sich alles mögliche vorstellen. Ideal wäre es wohl, so etwas wie die Schweizer Formel aus der Tokio-Runde auf Subventionsäquivalente im Agrarbereich anzuwenden und formelgebundene Senkungen vorzunehmen: die besonders hohen würden besonders stark reduziert. Man könnte dieses Vorgehen in der Tat, ohne daß bilateral über die Subventionsäquivalente verhandelt werden müßte, durch einen solchen Formelansatz multilateralisieren. Das würde auf der Linie der Studie der OECD liegen, die verschiedene agrarspezifische Formeln untersucht habe, immer unter dem Mandat, das die OECD in diesem Bereich hatte, nämlich „gradual and balanced reduction of protectionism". Wegner schätzt den Versuch, Subventionsäquivalente zu konstruieren, als eine Art roten Hering ein, der verwendet werde, um die Debatte technisch möglichst zu verzögern. Ob man nicht etwas viel Radikaleres und dabei Einfacheres erfinden könnte? Tangermann habe ferner angedeutet, er hätte einige Länder entdeckt, die zu der Hoffnung Anlaß geben, daß sich die Dinge ändern. Er frage sich nun, welche Länder das ein könnten — Länder wie Australien oder wirklich einer der bestimmenden Agrarproduzenten? Tangermann bekräftigt den ersten Teil der Frage. Er würde mit Wonne die Abschaffung der Exportsubventionen und den ausschließlichen Einsatz von Zöllen auf der Importseite fordern. Das sollte am Ende der Uruguay-Runde herauskommen. Nur fürchte er, das hätte keinen großen Effekt. Aber selbst 8 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
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wenn ein großes Land versuchen wollte, so voranzugehen, würden nur wenige folgen. Die Amerikaner hätten im Committee on Trade and Agriculture in der Tat den Vorschlag gemacht, sämtliche Importbarrieren zu verbieten außer Zöllen, allerdings zu erlauben, daß die bisher bestehenden Import barrieren umgewandelt werden in Zölle und dann aber tatsächlich nur noch als Zölle in der puren Form erhalten bleiben dürften. Dieser Vorschlag sei im Committee on Trade and Agriculture schnell wieder vom Tisch gewesen. So wünschenswert das wäre, sei doch zu fürchten, derartige Vorschläge hätten wenig Chancen, realisiert zu werden. Zu der Frage, welche Länder es sind, die drängen, nennt Tangermann zunächst einmal die kleinen Länder, die Cairns-Gruppe, die 14 Länder, die sich selber als nichtsubventionierende Agrarexporteure bezeichnet haben — obwohl einige von ihnen auch subventionierten. Es seien tatsächlich im wesentlichen kleine Länder, die größten dabei Australien und Kanada, die besonders drängten. Es drängten allerdings auch die Amerikaner sehr stark. Sie hätten als hegemoniale Macht im Agrarhandel die wirkliche Chance, in diesen Verhandlungen etwas zu erreichen, wenn sie selber bereit wären, etwas auf den Verhandlungstisch zu legen. Wenn sie ζ. B. bereit wären, auf ihren waiver zu verzichten, könnten die Agrarverhandlungen wirklich in Bewegung gesetzt werden. Die Chancen dafür seien selten so gut gewesen wie in dieser Zeit. Auch Franzmeyer geht auf das Wie der Verhandlungen ein, in denen die Agrarpolitiken zum Gegenstand gemacht werden müßten. Wenn es so wäre, daß ζ. B. in Europa die Agrarsubventionen gezahlt werden in Reaktion auf Subventionen in Amerika und sich das gleichzeitig hochschaukelt, dann wäre das GATT sicherlich das richtige Forum, hierüber mit Aussicht auf Erfolg zu verhandeln. Es sei aber doch wohl so, daß die Subventionen in der EG und das Übermaß an Chaos, das dadurch entstanden ist, hervorgerufen worden sind durch eine totale Fehlkonstruktion der gesamten Agrarpolitik in Europa. Deshalb müßte wohl erst einmal hier der Hebel angesetzt werden. Es sei fraglich, ob die Veränderungen am Weltmarkt eine Herausforderung wären von einem Kaliber, das ausreichen würde, die Europäer so zu sensibilisieren, daß eine wirkliche Reform der Agrarpolitik herbeigeführt wird, die dann die Überschüsse vermeiden hilft. Zur Hegemonialstellung Amerikas bemerkt er, daß Amerika ja auch das ökonomische Argument stärker auf seiner Seite habe als Europa, denn die Produktivität im Agrarbereich sei dort ja wohl, alles in allem, doppelt so hoch wie hier. Der Grad an Subventionierung brauche also dort nicht so hoch zu sein, wie er in Europa ist, um am Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Also könne von daher sicherlich Bewegung in die Protektionismus-Landschaft kommen, aber weniger auf der GATT-Ebene als direkt ausgehend von der Hegemonialmacht Amerikas.
Zusammenfassung der Diskussion
Tangermann stimmt zu, daß der unmittelbare Ansatzpunkt tatsächlich die Korrektur und Reform der heimischen Agrarpolitiken sein sollte und daß das GATT eigentlich nur subsidiär wirksam werden könne. Nur seien von allen Seiten seit Jahrzehnten diese heimischen Agrarpolitiken kritisert worden, ohne daß etwas geschah. Der kleine Funke Hoffnung in dieser Situation bestehe darin, daß nun auch ein internationaler Druck auf die Probleme hinzugekommen sei, so daß möglicherweise der Funken springen und etwas geschehen könnte. Ob das wirklich gelingen werde, könne niemand wissen. Sicherlich sei es denkbar, daß die Uruguay-Rude zu Ende geht, ohne daß im Agrarbereich irgendwelche wesentlichen Fortschritte gemacht sind. Nur glaube er, daß diesmal die Chance, daß etwas geschieht, größer sei als in bisherigen Runden. Auch die Chance, daß, wenn etwas geschieht, dieses einen größeren Schritt bedeuten würde als bisher, sei größer. Insofern sei ein bißchen vorsichtiger Optimismus diesmal eher gerechtfertigt als bei bisherigen GATT-Verhandlungen.
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im G A T T Eine Nutzen- und Kostenbilanz Von Rolf J. Langhammer, Kiel
I. Einführung Die Rolle der Entwicklungsländer im GATT unterscheidet sich grundsätzlich von der in der zweiten weltwirtschaftlichen Ordnungsinstitution, dem Internationalen Währungsfonds. Versuche, im Fonds Gruppenpositionen zu formulieren und durchzusetzen, haben im GATT keine Parallele gefunden, obgleich das GATT anders als der Fonds Entwicklungsländern ausdrücklich Sonderrechte einräumt. Nach bisherigen Erfahrungen verhalten sich viele Entwicklungsländer im GATT nach dem Minimumprinzip, d. h. sie streben einen bestimmten Erfolg durch ein Minimum an Einsatz an, in den meisten Fällen durch die bloße Mitgliedschaft. Die Regeln des GATT prämieren ein derartiges Verhalten, da sie Mitnahmeeffekten Vorschub leisten. Derartige Effekte werden durch das Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung ebenso begünstigt wie durch die Strategie der Industrieländer, nur mit dem über Marktöffnung zu verhandeln, der ein Maximum an Gegenzugeständnissen verspricht (principal supplier rule), d. h. mit anderen Industrieländern. Verschiedene Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, daß Taktieren nach dem Minimumprinzip in längerer Sicht nicht nur weitere Liberalisierungsfortschritte und damit die Zukunft des GATT gefährdet, sondern vor allem den Verfechtern derartiger Defensivstrategien selber schadet. Entwicklungsländer sollten daher in ihrem eigenen Interesse diese Strategien aufgeben (Srinivasan, 1982; Hudec, 1984; Leutwiler-Bericht, 1985; Curzon, 1986; Wijkman, 1986; Wolf, 1986; Langhammer/Sapir, 1987). Gegenthesen besagen, daß die Hauptverantwortung für die geringe Beteiligung der Entwicklungsländer an den bisherigen Liberalisierungsrunden in erster Linie bei den Industrieländern zu suchen ist und daß die Initiative zum Strategiewechsel von ihnen auszugehen habe (Krishnamurti, 1980; Ahmad, 1985; Lorenz, 1986). Im folgenden wird untersucht, —
auf welchen institutionellen Grundlagen Sonderregeln für Entwicklungsländer im GATT beruhen (Kapitel II);
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—
ob Abweichungen von der unbedingten Meistbegünstigung und fortschreitenden Handelsliberalisierung auf der Importseite der Entwicklungsländer entwicklungsfördernd waren (Kapitel III);
—
ob die Handelspräferenzen der Industrieländer für Entwicklungsländer den Begünstigten geholfen haben, mehr zu exportieren, als dies bei Gleichbehandlung der Fall gewesen wäre (Kapitel IV);
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ob die Vorverhandlungen für die kommende GATT-Runde veränderte Verhaltensweisen der Entwicklungsländer signalisieren (Kapitel V).
Schlußfolgerungen werden in Kapitel V I gezogen.
II. Grundlagen der Sonderbehandlung Das GATT ist keine Freihandelsveranstaltung, sondern ein Forum für Protektionsabrüstung auf Gegenseitigkeit. Es läßt zu, Exportliberalisierung als ,Nutzen' mit Importliberalisierung als ,Kosten' zu saldieren und ordnet Handelsliberalisierung einem politischen Durchsetzungsprozeß unter, in dem die Opposition gegen eine Öffnung der Importmärkte diszipliniert werden soll. Folglich ist Importprotektion angebracht, sofern Handelspartner nicht willens sind, ihrerseits ihre Märkte zu öffnen. Von diesem politischen Selbstverständnis aus ist es kein weiter Weg zu der Sicht, daß Importliberalisierung Kosten verursacht, die nur den fortgeschritteneren Mitgliedern, nicht aber den „in der Entwicklung" befindlichen Partnern auferlegt werden können. Diese Sicht folgt aus der These, daß die letztgenannten Mitglieder einer stärkeren Opposition gegen Importliberalisierung ausgesetzt sind als die erstgenannten und daß an dieser Opposition Liberalisierungsansätze scheitern würden, bestünde nicht die Rückzugsmöglichkeit für die Regierungen, Ausnahmeregeln für sich zu reklamieren. Damit kann aus der GATT-Konzeption heraus die eine Seite ungleicher Behandlung von GATT-Mitgliedern erklärt werden, nämlich nicht selbst liberalisieren zu müssen, auch wenn dies die fortgeschritteneren Mitglieder tun. Ungleiche Behandlung beinhaltet aber auch noch eine zweite Seite, die Kehrseite der ersten. Wenn Länder im Entwicklungsprozeß von der Verpflichtung zur Importliberalisierung entbunden werden, hat dies zur Folge, daß ihre geschützten Industrien auf den Weltmärkten wettbewerbsunfähig werden. Sie können damit die Chancen, die sich ihnen durch die Marktöffnung seitens der anderen GATT-Mitglieder bieten, nicht wahrnehmen, es sei denn, ihnen wird ein besserer Marktzugang eingeräumt als Partnerländern, die ihre Industrien nicht oder weniger stark schützen. Handelspräferenzen für Entwicklungsländer stellen demnach die zweite Sicht ungleicher Behandlung dar. A n die Stelle des Konzepts des komparativen Kostenvorteils tritt das des allmählichen Heranreifens zur internationalen Wettbe-
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
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werbsfähigkeit: Ländern am Beginn des Entwicklungsprozesses werden Handelsinterventionen zugestanden und Vergünstigungen gewährt, die diesen Reifeprozeß fördern sollen 1 . Ungleiche Behandlung dieser Art hat im GATT Tradition. Als Präambel der nie verwirklichten Havanna-Charta über eine internationale Handelsorganisation, die Handel und Entwicklung gleichrangig fördern sollte, stand das GATT von Beginn an unter dem Anspruch, Mitgliedern, die sich im Entwicklungsprozeß befänden (»ärmeren 1 Mitgliedern natürlich nur), Freikarten für einseitige Handelsinterventionen bereitzustellen. Sonderrechte für Protektion und Präferenzen dürfen seitdem Entwicklungsländer beanspruchen aus —
Art. XVIII GATT (Erziehungszollschutz und Restriktionen aus Zahlungsbilanzgründen), der viel weiter geht und erheblich unbestimmter ist als der entsprechende Artikel für entwickelte Länder (Art. XII),
—
dem 1964 hinzugefügten Teil IV des GATT, der Entwicklungsländern erstmalig wie bei der UNCTAD einen Gruppenstatus zuerkannte und den Entwicklungsländern, ohne sie namentlich oder inhaltlich zu definieren, das Recht zusprach, Beiträge zur multilateralen Handelsliberalisierung zu verweigern, sofern diese inkonsistent mit ihren Entwicklungsbedürfnissen seien,
—
der Rechtsrahmenerklärung der Tokio-Runde vom November 1979, die den Entwicklungsländern unterschiedliche und bevorzugte Behandlung zugestand (»Enabling Clause' über Zollpräferenzen der Industrieländer für Entwicklungsländer, präferentielle Handelsvereinbarungen zwischen Entwicklungsländern, die nicht mit dem Zollunionsartikel X X I V GATT vereinbar seien, unterschiedliche und bevorzugte Behandlung von Entwicklungsländern bei Vereinbarungen über den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse und besonders bevorzugte Behandlung der am wenigsten entwickelten Länder) und schließlich
—
aus der GATT-Ministertagung von Punta del Este im September 1986, die alle bisherigen Sonderregeln für die Entwicklungsländer ausdrücklich bestätigte.
1
Auf eine kurze Parabel reduziert bedeutet dies: Auch wenn das Rauchen als gesundheitsschädlich erkannt worden ist, dürfen Arme weiterrauchen, solange sie noch nicht reich sind (Hudec, 1984). Gleichzeitig sollen Reiche Armen Medikamente verabreichen, mit denen die schädlichen Folgen des Rauchens behandelt werden.
120
Rolf J. Langhammer
I I I . Sonderrechte für die Handelspolitik der Entwicklungsländer Bei den Sonderrechten, die Entwicklungsländer für ihre eigene Handelspolitik beanspruchen können, muß unterschieden werden zwischen dem Recht, —
bestimmte Handelspartner der Entwicklungsländer zu begünstigen, ohne daß sich diese Partner mit den jeweiligen Entwicklungsländern zu einer Freihandelszone oder Zollunion gemäß Art. XXIV GATT zusammenschließen;
—
den Schutz heimischer Anbieter gegen die Konkurrenz aus GATTMitgliedern einseitig zu erhöhen, ohne letztere zu kompensieren;
—
in multilateralen Zollsenkungsrunden eigene Liberalisierungsschritte zu verweigern, gleichzeitig aber von der Liberalisierung der Importmärkte der anderen Mitglieder über die unbedingte Meistbegünstigung zu profitieren.
Zur ersten Option: Im vergangenen Vierteljahrhundert haben Entwicklungsländer nicht nur zahlreiche Versuche unternommen, dem Vorbild der EG entsprechend Freihandelszonen, Zollunionen, Gemeinsame Märkte und Wirtschaftsunionen mit benachbarten Ländern zu gründen und mit ökonomischem Gehalt zu füllen. Sie haben zudem auch präferentielle Handelsvereinbarungen regionaler und überregionaler Bedeutung getroffen, die unterhalb der Schwelle der Freihandelszone blieben, und somit formal die Sonderregel beansprucht 2 . Weitere präferentielle Handelsabkommen befinden sich im Verhandlungsstadium, darunter das nach Wunsch der UNCT A D möglichst alle Entwicklungsländer umfassende f Global System of Trade Preferences'. Es gibt wenige Themen in der entwicklungspolitischen Diskussion, die nach umfassenden empirischen Beobachtungen eine derart eindeutige Kosten- und Nutzenbilanz zulassen wie die über regionale Integration bzw. regionale oder überregionale Präferenzvereinbarungen zwischen Entwicklungsländern. Dabei sollen noch nicht einmal lediglich auf dem Papier bestehende Gemeinschaften wie beispielsweise der ,Arabische Gemeinsame Markt' bewertet werden, die Haberler ( 1974 :18) als Ausgeburten internationaler Bürokratie oder Pläne ambitiöser Politiker bezeichnete. Wie das Beispiel von Integrationsversuchen in Lateinamerika, Afrika, aber auch Asien 2 Das bekannteste Beispiel eines überregionalen Präferenzabkommens ist das im Rahmen des GATT vereinbarte »Protocol Relating to Trade Negotiations Among Developing Countries', das 1971 geschlossen wurde und 1973 in Kraft trat, nachdem es von sechzehn Entwicklungsländern Europas, Asiens, Afrika und Lateinamerikas ratifiziert wurde (GATT, Basic Instruments and Selected Documents (BISD), 2IS/126, 22S/73, 23S/147, 24S/154, 25S/163, 26S/337, 27S/172, 28S/129, 29S/155 und 30S/203). Zu einer Wirkungsanalyse siehe Langhammer (1980).
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
121
(ASEAN) zeigt, waren alle Ansätze außerstande, ihren Mitgliedern Wachstumsimpulse zu vermitteln, die auch nur annähernd an die heranreichten, die ihnen der Weltmarkt bot. Verteilungskonflikte gewannen rasch die Oberhand über Allokationsziele; Handelsumlenkung dominierte über Handelsschaffung; administratives Zuteilen von Industriestandorten zu bestimmten Mitgliedern verschüttete den Wettbewerb zwischen Regionen. Der Binnenzollabbau blieb in Anfängen stecken — sofern ein Zeitplan apriori festgesetzt worden war — oder beschränkte sich auf Güter, die keinem internen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt waren und auch ohne Liberalisierung gehandelt worden wären. Dort, wo der Binnenzollabbau wie in der ehemaligen Ostafrikanischen Gemeinschaft oder in der früheren Lateinamerikanischen Freihandelszone tatsächlich Anpassungsdruck auslöste und den Bestand etablierter Industrien bedrohte, wurde er rasch zurückgenommen. Das Außenzollniveau orientierte sich weiterhin an der Protektionsnachfrage des Grenzanbieters, sofern nicht bereits natürliche Handelsbarrieren wie Transportkosten prohibitiv wirkten. Nicht zuletzt verlor selbst nennenswerter Binnenzollabbau viel von seiner handelsfördernden Wirkung, wenn nicht-tarifäre Hemmnisse unberührt blieben und überbewertete Wechselkurse die tarifäre Protektion redundant machten 3 . Kurz: Der Diskriminierungseffekt hat in allen Gemeinschaften die Oberhand über den Liberalisierungseffekt behalten, nicht nur wegen fehlender Binnenliberalisierung und der weiterhin hohen Außenprotektion, sondern auch wegen des geringen Binnenmarktvolumens. Bestenfalls blieben die Vereinbarungen bedeutungslos, schlimmstenfalls verschoben sie die Gewichte von einer exzessiven nationalen zur regionalen Importsubstitution. Zur zweiten Option: Entwicklungsländer können einseitige Importrestriktionen allgemein aus entwicklungspolitischen Gründen (Teil IV GATT, Art. XVIII, 1-6 und Abschnitt C) oder im besonderen aus zahlungsbilanzpolitischen Gründen heraus (Art. XVIII: B) rechtfertigen. Eine Synopse der von betroffenen GATT-Mitgliedern offiziell monierten Importrestriktionen sowie der Stellungnahmen der Entwicklungsländer 4 zeigt, was entwicklungspolitische Gründe anlangt, freibriefähnliches Verhalten: GATTMitglieder der untersten Einkommenskategorie, überwiegend aus Schwarzafrika, beschränken Importe einseitig, ohne dies inhaltlich zu begründen (Tabelle 1). Industrieländer, allen voran die USA, monieren dies; jedoch nicht mit dem Ziel einer Rücknahme, sondern lediglich in der Absicht, Beschränkungen zu formalisieren (Konsultationen) bzw. sie auf alle GATT3
Zu einer ausführlichen empirischen Analyse regionaler Integration einerseits sowie präferentieller Handelsvereinbarungen andererseits siehe Langhammer und Spinanger (1984 : Kapitel I und II). 4 Diese Notifikationen werden seit Beginn der achtziger Jahre vom GATT in einem detaillierten Verzeichnis nicht-tarifärer Hemmnisse gesammelt und laufend ergänzt (GATT, Inventory of Non-Tariff Measures. Part I-V, October 1981 und Add.)
Importrestriktionen
Importlizensierung
Anzeigeanlaß des Industrielandes Handelshemmnis
Stellungnahme des Entwicklungslandes Schutz heimischer Industrien; Anrufung Art. XVIII wird erwogen —
Diskriminierung gegenüber EG; keine Konlultation; Maßnahme erscheint gerechtfertigt nach Art. XVIII USA Burundi (240) Importlizensierung Keine Konsuitionen; Berufung auf Teil IV Maßnahme erscheint GATT und Art. XVIII ge rechtfertigt nach Art. XVIII USA, Hongkong Kamerun (800) Importlizensierung siehe unter Benin — USA Zentralafrikanische Importquoten Diskriminierung gegenErziehungszollargument Republik (280) über Franc-Zonen-Län- zukünftige Konsultation dem; keine Konsul tazugesagt tionen USA Chad (80) Importlizensierung siehe unter Benin — USA Kongo (1230) Importlizensierung siehe unter Benin — Kanada, Ungarn, USA Zypern (3720) Importlizensierung Diskriminierung gegenErziehungszollargument über osteuropäischen Ländern; keine Konsultation; Maßnahme erscheint gerechtfertigt nach Art. XVIII
Benin (290)
Barbados (3930)
Kanada, USA
USA
Maßnahme Entwicklungsland3*
Anzeigendes GATT-Mitglied
Tabelle î — Verzeichnis der von Entwicklungsländern verhängten und von anzeigenden GATT-Mitgliedern aus entwicklungspolitischen Gründen gebilligten mengenmäßigen Beschränkungen (Stand September 1982)
122 Rolf J. Langhammer
In Klammer: Pro-Kopf-Einkommen in US $ 1983.
Quelle: GATT, Inventory on Non-Tariff Measures, October 1981; Add. I-V, September 1982. — Eigene Zusammenstellung.
a)
Kenia (340)
Importlizensierung und Diskriminierung, HanErziehungszollargument Importquoten delshemmnis USA Madagaskar (290) Quoten und Vorwegsiehe Benin keine Diskriminierung genehmigung von Importen USA Malawi (210) Importlizensierung Diskriminierung gegen- keine Diskriminierung über Sterling-Block-Ländern; keine Konsultation; Maßnahme erscheint gerechtfertigt nach Art. XVIII USA, Japan Mauretanien (440) Importlizensierung siehe unter Benin Konsultationen zugesagt USA, Japan Niger (240) Diskriminierung, siehe unter Benin Diskriminierungsvorwurf Vorweggenehmigung bestritten USA Ruanda (270) Importlizensierung Handelshemmnis — Japan, USA Senegal (440) Importzertifikate siehe unter Benin Diskriminierungsvorwurf bestritten USA Tanzania (240) Importlizensierung keine Konsultation; Erziehungszollargument, Maßnahme erscheint Diskriminierungsvorwurf gerechtfertigt nach bestritten Art. XVIII USA Togo (280) Importlizensierung siehe unter Zentralafri— kanische Republik USA Sierra Leone (380) dto. Handelshemmnis — USA Burkina Faso (180) dto. siehe unter Benin —
USA
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
124
Rolf J. Langhammer
Mitglieder zu erweitern, sofern der Verdacht diskriminierender Anwendung besteht. Dieses permissive Verhalten der Industrieländer geht so weit, daß Entwicklungsländer sogar explizit auf die Möglichkeit hingewiesen werden, entwicklungspolitische Gründe geltend zu machen. Dies läßt folgende Schlüsse zu: Erstens, solange die Entwicklungsländer keine zahlungsbilanzpolitischen Gründe für Importrestriktionen vorbringen können, berufen sie sich auf »development needs', d. h. konkret auf das Erziehungszollargument 5 . Dabei wird offensichtlich der Konsultationsweg vermieden und der Hinweis auf das rudimentäre Entwicklungsniveau für ausreichend gehalten, sofern überhaupt Importrestriktionen begründet werden. Zweitens, die USA als nahezu alleiniges Klageland monieren lediglich die Diskriminierung eigener Exporte in die Länder gegenüber EG-Exporten oder Exporten anderer GATT-Mitglieder sowie die fehlende Unterrichtung, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, geschweige denn deren ökonomische Sinnhaftigkeit. Das GATT erscheint hier wiederum nicht als Veranstaltung, Protektion gemeinsam zurückzudrängen, sondern Exportinteressen gegenüber konkurrierenden Exporteuren durchzusetzen. Nicht Abbau der Hemmnisse, sondern die Gültigkeit der Hemmnisse für alle Partner erscheint als Ziel. Als gleichrangige Verhandlungspartner werden Entwicklungsländer, die sich auf das Erziehungszollargument berufen, nicht angesehen. Im Gegenteil, nach dem Kriterium des Pro-Kopf-Einkommens scheiden etwa 40 v H der GATT-Mitglieder als Verhandlungspartner aus, da sie sich alle auf das »development needs'-Argument berufen und dieses akzeptiert wird 6 . Drittens, die EG tritt kein einziges Mal als Klageland gegenüber den Mitgliedern auf, mit denen sie in der überwiegenden Zahl der Fälle über das Lomé-Abkommen verbunden ist. Hier wird deutlich, daß entwicklungspolitisch begründete Handelsinterventionen ihren stärksten Fürsprecher im GATT in der EG gefunden haben, abgesehen von den Entwicklungsländern selbst. Es spricht einiges für die These, daß der Konflikt zwischen den USA und der EG in der Frage der Ungleichbehandlung der Entwicklungsländer das Ausufern einer permissiven Entwicklungsideologie gefördert hat. Bei diesem Konflikt geht es nicht mehr um den Schaden, den sich Entwicklungsländer selber zufügen, wenn dem Erziehungszollargument gefolgt wird, sondern lediglich um die alte Auseinandersetzung zwischen der Gemeinschaft 5
Das gilt beispielsweise für die afrikanischen GATT-Mitglieder der Franc-Zone, deren Zahlungsbilanzdefizite entweder im Clearing-Verfahren von Überschußländern der Franc-Zone oder vom Leitwährungsland Frankreich finanziert werden. 6 Zusätzlich zu den in Tabelle 1 aufgelisteten Ländern haben sich nach dem GATT-Verzeichnis noch Nicaragua, Nigeria, Malta, Ruanda, Trinidad und Tobago, Tunesien und Uganda auf das Erziehungszollargument berufen.
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
125
und den USA, ob die Präferenzabkommen der EG mit ehemaligen Kolonien der EG-Mitglieder GATT-konform nach Art. X X I V sind oder nicht 7 . Dabei ist völlig in den Hintergrund gedrängt worden, daß die effiziente Produktion öffentlicher Güter durch Private nicht durch Importprotektion, sondern nur durch zeitlich begrenzte und produktionsbezogene Beihilfen erreicht werden kann, von der erstbesten Lösung vollkommener Kapitalmärkte einmal abgesehen (Baldwin, 1969). Wie fundiert diese These ist, zeigt sich deutlich an der Wettbewerbsunfähigkeit und dem geringen Wachstums- und Beschäftigungsbeitrag der Industrien gerade in den Ländern, die im GATT Importrestriktionen allgemein mit »development needs' und konkret mit dem Erziehungszollargument rechtfertigen 8 . Im Gegensatz zu entwicklungspolitisch motivierten Importrestriktionen, mit denen längerfristige „Struktur"-probleme behoben werden sollen (jedenfalls nach der Vorstellung der Entwicklungsländer), könnte erwartet werden, daß zahlungsbilanzmotivierte Eingriffe in den Zugang zu Entwicklungsländermärkten lediglich kurzfristiger und vorübergehender Natur seien. Dem ist nicht so. Spätestens seit dem ersten Ölpreisschock und den starken realen Wechselkursschwankungen nach 1973 sind vor allem fortgeschrittene Entwicklungsländer, auch und gerade aus den Reihen der ölexportierenden Länder, mit permanenten Zahlungsbilanzkrisen konfrontiert worden. Viele Länder, vor allem aus dem lateinamerikanischen Raum, haben dabei auf kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen zurückgegriffen und einer Politik der Importdrosselung und binnenmarktorientierten Entwicklung Priorität eingeräumt, anstatt die vielfältigen Diskriminierungen der Exporte als Folge von Importprotektion und Wechselkursverzerrungen abzubauen. Die Optionen des Art. XVIII : Β halfen ihnen dabei, Importrestriktionen GATT-konform zu gestalten, nicht nur, weil sie inhaltlich weitgehender sind als die des Art. XII für die Industrieländer. Wichtig war vor allem, daß es den Entwicklungsländern als Ergebnis der Tokio-Runde zugestanden wurde, Art. XVIII : Β über mengenmäßige Beschränkungen hinaus auch auf andere Behinderungen der Importe wie Zollaufschläge, Bardepotverpflichtungen usw. auszudehnen (GATT, 1979 : 150). Zwar geschah dies in der Absicht, alle importbeschränkenden Maßnahmen in die Konsultationsverpflichtung einzubeziehen und somit Transparenz herzustellen 9 . Erkauft wurde die Offenle7 Die Gemeinschaft bejaht diese Frage und fügt unter anderem auch entwicklungspolitische Gesichtspunkte für Ungleichbehandlung an. Siehe hierzu die fundamentale Kritik Pattersons (1966 : Kapitel IV und V ; 1983). 8 Siehe hierzu Agarwal et al. ( 1985), die die Hauptverantwortung für den wachsenden Entwicklungsrückstand der in Tabelle 1 aufgeführten Länder in exzessiven Güter- und Faktorpreisinterventionen der jeweiligen Regierungen sehen, hohe Importprotektion eingeschlossen. 9 Entwicklungsländer, die Art. XVIII : Β anrufen, um Importbeschränkungen aus Zahlungsbilanzgründen zu rechtfertigen, müssen in zweijährigem Abstand das
126
Rolf J. Langhammer
gungspflicht jedoch mit ungleicher Behandlung: Während die Vereinbarung die Industrieländer „verpflichtet", restriktive Maßnahmen aus zahlungsbilanzpolitischen Gründen so weit wie möglich zu unterlassen, fehlt eine derartige Klausel für Entwicklungsländer. Ungleiche Behandlung wird auch dahingehend praktiziert, daß Industrieländer bei ihren Maßnahmen die Exportinteressen der Entwicklungsländer berücksichtigen sollen, während Entwicklungsländer „externe Faktoren" und „vereinfachte Konsultationsverfahren" für sich reklamieren dürfen. Im Klartext: Art. XVIII : Β ist auf Transparenz, nicht auf Abschaffung der von Entwicklungsländern verfolgten handelsbeschränkenden Maßnahmen ausgerichtet, während Konsultationen für Industrieländer unter Art. XII viel stärker die Beseitigung der Maßnahmen anstreben (Anjaria, 1986 : 12). Eine Übersicht über die formell von Entwicklungsländern nach Art. XVIII: Β vorgenommenen Konsultationen zwischen 1974 und 1986 weist aus, daß vereinfachte Konsultatioen, d. h. bloße Offenlegungen, dominieren und daß mit Ausnahme Mexikos, das erst 1985 den G ATT-Aufnahmeantrag stellte, alle wesentlichen Schuldnerländer vertreten sind (Tabelle 2). Darüber hinaus gibt es nach Fonds-Schätzungen weitere sechzehn Entwicklungsländer, die Importzollaufschläge und Bardepotverpflichtungen eingeführt haben, ohne das GATT zu konsultieren 10 . Dies zeigt erstens deutlich, daß auch zahlungsbilanzpolitisch begründete Importrestriktionen von Entwicklungsländern permissiv im GATT behandelt werden, und zwar nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zu Restriktionen, die aus gleichem Anlaß von Industrieländern vorgenommen werden. Zweitens kann auch die These von der Kurzfristigkeit der Maßnahmen nicht aufrechterhalten werden. Dagegen spricht, daß seit 1974 alle bedeutenden Schuldnerländer regelmäßig konsultierten, d. h. ihre Maßnahmen revolvierten und somit die Grenzen zwischen dauerhaften entwicklungspolitisch begründeten Hemmnissen und zahlungsbilanzmotivierten Restriktionen verwischten. Somit besitzen Entwicklungsländer gleich welchen Entwicklungsniveaus de facto die Wahl darüber, ob sie konsultieren oder nicht, und wenn sie konsultieren, auf welchen GATT-Artikel sie ihre Maßnahmen stützen. Wenn dabei, von den ärmsten Ländern einmal abgesehen, überwiegend von der Zahlungsbilanz (Art. XVIII : B) und weniger vom Erziehungszollschutz GATT Committee on Balance of Payments Restrictions konsultieren, d. h. ihre Maßnahmen transparent machen und rechtfertigen (Industrieländer nach Art. XII in jährlichem Abstand). Dabei ist zwischen vereinfachten und vollen Konsultationen zu unterscheiden. Während die erstgenannte im wesentlichen lediglich der Transparenzpflicht genügt, wird bei der letztgenannten unter Hinzuziehung von Analysen des Währungsfonds eine Wirkungsanalyse der Maßnahmen erstellt. 10 Nach Anjaria (1986) sind dies Belize, Burkina Faso, Zypern, Dominikanische Republik, Haiti, Jamaika, Kenia, Mauritius, Nicaragua, Ruanda, Sierra Leone, Surinam, Thailand, Uruguay, Sambia und Simbabwe.
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
127
(Art. XVIII : C) her argumentiert wird, dann im wesentlichen deshalb, weil das Abheben auf die Zahlungsbilanz den Schutz aller Industrien erlaubt, während das Erziehungszollargument nach Art. XVIII : C nur den Schutz einer bestimmten Industrie zuläßt. Hinzu kommt noch, daß das Zahlungsbilanzargument Vergeltungsmaßnahmen der betroffenen GATT-Mitglieder ausschließt, während Art. XVIII : C die Möglichkeit offen läßt, daß Betroffene ihrerseits zu Vergeltungsmaßnahmen greifen. Jedoch hat auch hier die Tokio-Runde dazu beigetragen, Klarheiten zu beseitigen und Rechtsunsicherheit herzustellen: Die Vereinbarung über »Safeguard Action for Development Purposes' gesteht den Entwicklungsländern nicht nur zu, einzelne Industrien zu schützen, sondern auch Restriktionen zu ergreifen, um „breitere" Entwicklungsziele zu erreichen (GATT, 1979 : 104). Zudem können sie unter „ungewöhnlichen Umständen" Restriktionen aus entwicklungspolitischen Gründen einführen, ohne prozedurale Karenzfristen einzuhalten. Dies ist ein Widerspruch in sich, denn das Erreichen entwicklungspolitischer, d.h. langfristiger Ziele kann nicht davon abhängen, ob Karenzfristen zwischen 30 und 90 Tagen eingehalten werden oder nicht. Zur dritten Option: Die Frage, ob Entwicklungsländer selbst aktiv im Rahmen des GATT liberalisiert haben, läßt sich nicht vollständig beantworten, wenn lediglich auf die sogenannten Konzessionslisten innerhalb der multilateralen Zollsenkungsrunden und die daran beteiligten Entwicklungsländer abgestellt wird. Dieser Beitrag war,wie Tabelle 3 für die Tokio-Runde ausweist, gering. Sowohl was die Zahl der Länder als auch den Liberalisierungsumfang und das Zollsenkungsausmaß anlangt, blieben Beiträge der Entwicklungsländer deutlich hinter dem zurück, was Industrieländer anboten. In einigen Fällen wurden Zölle lediglich für bindend erklärt und damit nicht zurückgenommen, sondern im Niveau festgeschrieben. Ein derartiges Ergebnis entspricht ganz der Vorstellung ungleicher Behandlung unter den Vorzeichen unbedingter Meistbegünstigung und der ,principal supplier rule'. Länder mit kleinen Binnenmärkten können dabei zu Trittbrettfahrerverhalten veranlaßt werden, weil sie keine gleichwertigen Konzessionen in den Verhandlungen mit Industrieländern bieten können. Tatsächlich haben jedoch zahlreiche Entwicklungsländer außerhalb der multilateralen Verhandlungen unilateral liberalisiert, weil die negativen Allokations- und Distributionswirkungen exzessiver Binnenmarktorientierung politisch nicht mehr vernachlässigt werden konnten 11 . Hinzu kommt, daß vor dem Hintergrund schwerer Zahlungsbilanzkrisen die Rückgewinnung der Kreditwürdigkeit auf internationalen privaten Kapitalmärkten, aber auch der Zugang zu Krediten des IMF oder der Weltbank (Strukturan11
Viele Regierungen sahen sich mit rasch wachsenden Schatten wirtschaften konfrontiert, die als Konsequenz eines kleinen, hoch protegierten formalen Sektors entstanden und die die Autorität der Regierungen und damit die Fähigkeit zur Produktion kollektiver Güter deutlich minderten.
X
X
X
X
1974
X
Χ
Χ Χ
X
Χ Χ
Χ
1975
Χ Χ
Χ
Χ
Χ
Χ
Χ Χ
Χ
Χ
X
X
Χ Χ
Χ Χ
X X
Χ
X
X
Χ Χ
Χ
Χ X
Χ Χ Χ
Χ
Χ X
Χ
Χ Χ Χ
X
Χ
X
Χ Χ
X
1981
X
X
XX
X
Χ
1979 1980
Χ Χ Χ Χ
Χ
1978
X
Χ
Χ Χ XX
Χ XX
Χ Χ
X
X X
Χ
Χ
1976 1977
Konsultationen sowohl nach Art. XVIII als auch nach Art. XVIII : B. X = vereinfachte Konsultationen
X
Quelle: Anjaria (1986 : 34).
a)
Ägypten Argentinien Bangladesch Brasilien Chile Ghana Griechenland*1 Indien Indonesien Jugoslawien Kolumbien Korea Nigeria Pakistan Peru Philippinen Ski Lanka Türkei Tunesien
Entwicklungsländer
X
X X X
X
X
X X
X
Χ
X
X Χ
X
X
1983
X X
1984
X = volle Konsultationen
X
1982
1985
X
Tabelle 2: Konsultationen des GATT-Komitees für Zahlungsbilanzrestriktionen nach Art XVIII: B, 1974-1986
1986
128 Rolf J. Langhammer
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
129
Tabelle 3 Liberalisierungsangebote von Entwicklungsländern im Rahmen der Tokio-Runde — Liberalisierungsumfang und Zollsenkungsausmaß Liberalisierungsumfang a) (in vH)
Land
Zollsenkungsausmaßb)
Ägypten Argentinien Brasilien Elfenbeinküste Indien Indonesien Jamaika Korea, Rep. Malaysia Pakistan Peru Singapore
1,3 5,9 0,6 3,5 13,3 2,3 0,1 5,7 1,0 0,1 1,5 0,1
33,3 39,5 16,3 0 19,1 3,3 0 18,4 0 70,6 0 0
Zum Vergleich: Industrieländer
46c
39
a|
—
Anteil der begünstigten I m p o r t e a n d e n G e s a m t i m p o r t e n 1979 oder nächstverfügbarem Jahr. b ) Berechnet nach
XyMi
wobei y d i e D i f f e r e n z z w i s c h e n A u s g a n g s z o l l s a t z u n d G A T T - K o n z e s s i o n s z o l l s a t z ist, t d e r A u s g a n g s z o l l s a t z u n d M d e r A u s g a n g s w e r t d e r I m p o r t e , j e w e i l s b e i m G u t i. — c ) I m p o r t e a u s E n t w i c k lungsländern.
Quelle: Eigene Schätzungen nach nationalen Außenhandelsstatistiken: Ägypten: Federation of Egyptian Industries, Yearbook 1979. Argentinien: Intercambio Comercial Argentina Segun Ν.C.C.A. Ano 1979. Brasilien: Comercio Exterior do Brasil, Importaçao, 1979. Elfenbeinküste: UN, Commodity Trade Statistics, Series D. Indien: Monthly Statistics of Foreign Trade of India, 1979, March-May, Vol. 2. Indonesien: Imports by Commodity and Country of Origin 1979. Jamaika: External Trade 1979 (Provisional), Dept. of Statistics. Korea, Rep.: Import: Statistical Yearkbook of Foreign Trade, Office of Customs Administration, 1979. Malaysia: Annual Statistics of External Trade, 1979. Pakistan: Foreign Trade, Statistics Division, 1979. Peru: UN, Commodity Trade Statistics, Series D. Singapore: Import and Export, Singapore Trade Statistics. Die Zollsätze wurden entnommen aus GATT (1980:33) und GATT, Geneva (1979) Protocol, Schedules, Vols. I-IV, 156 1-156 IV. Geneva, 30 June 1979 und Protocol Supplementary, 164, 22 November 1979.
9 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
130
Rolf J. Langhammer
passungsdarlehen) daran geknüpft wurde, nationale Preise und Preisrelationen an internationale Preise anzupassen. Verändert werden mußten dabei nicht nur die Wechselkursregime, sondern auch die Handelsregime. Man kann sagen, daß die internationale Geld- und Kreditordnung zumindest in Teilen die internationale Handelsordnung im Bereich der Entwicklungsländer dominiert und diszipliniert hat. Dies liegt daran, daß die monetäre Ordnung über einen wirksamen Sanktionsmechanismus verfügt, während sich die Handelsordnung ihrer Mechanismen gegenüber Entwicklungsländern weitgehend begeben hat. Daß Länder wie Argentinien, Brasilien, Indien, Korea, Taiwan und Thailand in den achtziger Jahren ihre Handelsregime liberalisierten, vor allem aber auch nicht-tarifäre durch tarifäre Maßnahmen ersetzten, zeigt eine Übersicht, die nur die wichtigsten Länder und deren Politik aufführt (Tabelle 4) 12 . Auch andere Länder bis hin zur untersten Einkommenskategorie (beispielsweise Ghana und Zaire) haben sich der zwingenden Notwendigkeit zur Liberalisierung nicht länger verschließen können, ohne dabei das GATT und die internationale Handelsordnung im Auge zu haben. Wenn Erfolge ausblieben und die Märkte wieder geschlossen wurden, so lag es zumeist daran, daß die Liberalisierung des Handelsregimes ebenso ad hoc und inkohärent zu anderen wirtschaftspolitischen Schritten eingeleitet wurde, wie sie in der Vergangenheit bereits mehrmals beendet wurde. Blieb der Wechselkurs überbewertet, so erwies sich die Senkung der tarifären Protektion wirkungslos in bezug auf eine Intensivierung der Importkonkurrenz, weil der Importwert zum offiziellen Wechselkurs berechnet und auch auf dieser Basis der Zoll erhoben wurde (Zollredundanz). Aber selbst wenn die effektive Protektion gesenkt und der Wechselkurs angepaßt wurde, scheiterte oft die Liberalisierung des Handelsregimes an der Inkonsistenz des gesamten Politikbündels. Blieb beispielsweise der heimische Kapitalmarkt stark reguliert, so konnte er nicht die Anreize zur privaten Kapitalbildung schaffen, die notwendig gewesen wären, um die mit der intensivierten Importkonkurrenz verbundene Abschreibung eines Teils der heimischen Sachkapitalstocks zu kompensieren. Neues einheimisches Kapital für neue Branchen, die nach der Wechselkursanpassung und der Senkung der Protektion wettbewerbsfähig wurden, stand somit ebensowenig zur Verfügung wie privates ausländisches Kapital, das oft der Dauerhaftigkeit des Reformkurses mißtraute und abwartete. A n den Problemen des ,timing' und ,sequencing' einer Liberalisierungsstrategie, der mangelnden Konsistenz von Politikmaßnahmen bei gleichzeitig zunehmender Marktinterdependenz sowie der fehlenden Glaubwürdigkeit der Regierungspolitik bei in- und ausländischen Kapitalanbietern sind viele Reformansätze rasch 12
Die in Tabelle 4 aufgeführten sechzehn Entwicklungsländer zeichnen für etwa 90 vH der Industriegüterexporte aus Entwicklungsländern verantwortlich.
Die Sonderbehandlung der Entwicklungsländer im GATT
131
gescheitert bzw. zu einer ,stop and go'-Politik degeneriert (Hiemenz/Langhammer, 1986 : Chapter IV). Dies belegen in Tabelle 4 im Bereich der Handelspolitik die Beispiele Argentiniens, Malaysias und Thailands, die entweder nach einer Phase der Marktöffnung auf einen restriktiveren Kurs umschwenkten (Malaysia, Thailand) oder umgekehrt Importhemmnisse abzubauen begannen (Argentinien). Alle diese Beispiele zeigen, daß die meisten Entwicklungsländer ihre Handelspolitik in der Vergangenheit weder in der einen Richtung (Marktschließung) noch in der der Marktöffnung nach Reziprozitätsgesichtspunkten ausgerichtet haben. Sie zeichnen sich statt dessen durch Einseitigkeit der Maßnahmen aus, unter Beharren auf einem Sonderstatus in der einen Richtung und unter äußerem Druck in der anderen Richtung, aber auch durch Unstetigkeit und mangelnde Vorhersehbarkeit. Dies hat ihre Effizienz in der Vergangenheit erheblich beeinträchtigt, weil heimische wie ausländische Investoren auf dauerhafte Preissignale nicht rechnen konnten und daher ihre Investitionsentscheidungen auf kurzfristige Planungshorizonte einstellten. Gleichzeitig hat die Unstetigkeit einseitiger handelspolitischer Maßnahmen diese Länder bislang als Träger einer liberalen Handelsordnung innerhalb des GATT disqualifiziert. Die ökonomischen Kosten für die Inanspruchnahme der Position, innerhalb des GATT r, ,non-contracting' contracting parties" (Wolf, 1986 : 4) zu sein, d. h. die GATT-Verpflichtungen nicht zu erfüllen, haben die Länder selbst getragen.
IV. Die andere Seite der Ungleichbehandlung: Exklusivpräferenzen für Entwicklungsländer Wenn das Rauchen, obgleich als gesundheitsschädlich erkannt, Armen gestattet ist, solange sie noch nicht reich sind, können dann Medikamente, die die Armen von den Reichen erhalten, die schädlichen Folgen des Rauchens kurieren? Dieser Zusammenhang zwischen der einen Seite der Ungleichbehandlung, dem Exklusivrecht auf Protektion, und der anderen Seite, dem Exklusivrecht auf Präferenzen, ist lange Zeit vernachlässigt worden. Statt dessen wurde der Erfolg von Präferenzen stärker in Abhängigkeit vom Verhalten der Industrieländer als von dem der Entwicklungsländer gesehen 13 . Tatsächlich aber stellen Präferenzen nur eine mögliche Form der 13
Johnson beispielsweise (1966, 1967 : 199-201) unterschied zwischen der »rational protectionist view of preferences', nach der Industrieländer Handel von nicht-begünstigten starken Handelspartnern auf begünstigte schwächere Partner umzulenken anstreben, und der ,free trader's view of preferences', die die Maximierung der Handelsschaffung zu Lasten der heimischen Produktion als Ziel sieht. Der Erfolg der Präferenzen hänge davon ab, sie auf Güter zu konzentrieren, in denen Entwicklungsländer bereits komparative Vorteile besäßen oder sie potentiell hätten, d.h. die ,free 9·
ja
ja
ja
ja
Indien
Israel
Nigeria
Probleme
ja
Chile Mexico Ägypten
Hongkong jab)
1979Ergänzungsprotokoll dto. TB; SCDM; IL; dto. dto. dto. neina) — — — dto. dto. 1979 ErgänTB; SCDM; IL; Regelmäßige dto. Zunehmende RestrikzungsKonsultationen tionen durch zusätzliche Protokoll nicht-preisliche Eingriffe dto. SCD; IL; CV; dto. Zunehmende HandelsZunehmende graduelle liberalisierung, mehr Handelsliberalisierung Transparenz, Zahlungsbilanzprobleme dto. nein dto. Mehr HandelsrestrikZunehmende Restriktionen und abnehmende tiónen durch zusätzliche Transparenz als Folge nicht-preisliche Eingriffe von Zahlungsbilanzproblemen nein nein Erste Konsulta- dto. dto. tionen 1983 nein nein Keine Konsul- Offener Markt; keine Keine Änderung der Zutationen Zahlungsbilanzgangsbedingungen
ja
Brasilien
1983-84
Regelmäßige Mehr HandelsrestrikMaßnahmen in Richtung Konsultationen tionen, abnehmende Abbau von ImportrestrikTransparenz als Folge tionen von Zahlungsbilanzproblemen TB; SCD; CV; dto. dto. dto.
TB; IL; CV;
1979 Protokoll
Konsultationen über Importregimec) 1978-82
Argentinien ja
GATT-Mit- ZollBeteiligung an gliedschaft konzessionen Codes über nicht-tarifäre Hemmnissed)
Klassifizierung der Handelspolitik, ihrer Trends und der Zahlungsbilanzsituation0
Niveau und Trends in den Handelspolitiken wichtiger Entwicklungsländer 1978-84
Institutionelle Faktoren (Beteiligungan multilateralen Zollverhandlungen)c
Tabelle 4:
132 Rolf J. Langhammer
nein
Quelle: Zusammengestellt aus OECD-Unterlagen.
1979ErgänzungsProtokoll
Regelmäßige Zunehmende HandelsZunehmende RestrikKonsultationen restriktionen und abtionen durch zusätzliche nehmende Transparenz nicht-preisliche Eingriffe als Folge von Zahlungsbilanzproblemen Korea, Rep. ja dto. TB; SCD; CV; dto. Zunehmende HandelsZunehmende graduelle liberalisierung, mehr Handelsliberalisierung Transparenz, Zahlungsbilanzprobleme Malaysia ja dto. nein Keine Konsul- Relativ liberales Zunehmende Restriktationen Handelsregime, gering- tionen durch zusätzliche fügige Zahlungsbilanznicht-preisliche Maßprobleme nahmen Philippinen Beitritt nein TB; Regelmäßige Zunehmende Handelsdto. 1980 Konsultationen restriktionen als Folge von Zahlungsbilanzproblemen Singapore ja 1979ErgänTB; GP; Keine Konsul- Liberales HandelsreKeine Änderung der zungstationen gime, keine ZahZugangsbedingungen Protokoll lungsbilanzprobleme Taiwan nein — — — Zunehmende HandelsZunehmende graduelle liberalisierung, keine Handelsliberalisierung Zahlungsbilanzprobleme Thailand Beitritt — — Keine Konsulta- Zunehmende HandelsZunehmende Restrik1982 tionen nach liberalisierung, mehr tionen durch zusätzliche 1982 Transparenz, Zahlungs- tarifäre Maßnahmen bilanzprobleme a) Beitritt 1985 beantragt. — b) 1986 als Vollmitglied beigetreten. — c) Tokio-Runde. — d) Abkürzungen für Übereinkommen zu nicht-tarifären Hemmnissen, die von den jeweiligen Entwicklungsländern unterzeichnet wurden : TB = Technische Handelsbarrieren; GP = Öffentliches Beschaffungswesen; SCD = Subventionen und Ausgleichszölle; IL = Importlizensierung; CV = Zollwertregelungen. — c) In Zusammenhang mit dem GATT Komitee für zahlungsbilanzbezogene Restriktionen (Art XVIII:B). — f) Abnehmende Transparenz bedeutet Hinwendung zu nicht-preislichen Restriktionen wie diskretionäre Lizensierung, Devisenrationierung, Importverbote etc. Die Philippinen führten neben weiteren nicht-tarifären Hemmnissen zusätzliche tarifäre Maßnahmen ein (Importzuschläge).
Indonesien ja
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Beteiligung von Dritten an den Kosten eines mittelfristigen Strukturwandels in Entwicklungsländern dar und sind in ihrem Erfolg daher zunächst entscheidend von der Bereitschaft der Entwicklungsländer abhängig, den Strukturwandel mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen einzuleiten. Wollen beispielsweise rohstoffexportierende Entwicklungsländer mit Industriegütern auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig werden, so werden sie real stärker abwerten müssen, als notwendig ist, um die Devisenerlöse, die im wesentlichen vom Export der traditionellen Erzeugnisse bestimmt sind, zu maximieren. Dies rührt daher, daß mineralische und landwirtschaftliche Rohstoffe niedrige Preiselastizitäten aufweisen, so daß eine Abwertung die Erlöse aus dem Export dieser Güter mindert. Zwar stehen dieser Einbuße Erlöszuwächse aus dem Export der Industriegüter gegenüber, die höhere Preiselastizitäten aufweisen. Angesichts des zunächst geringen Anteils von Industriegütern am Exportangebot dürften jedoch die Einbußen höher als die Zuwächse sein, es sei denn, Industriegüterexporte werden durch eine hohe reale Abwertung besonders stimuliert. Entwicklungsländer sehen sich somit einem wechselkurspolitischen Konflikt zwischen dem kurzfristigen Ziel der Exporterlösmaximierung bei unveränderter Güterstruktur und dem mittelfristigen Ziel der Erlössteigerung durch Exportdiversifizierung gegenüber (Murray, 1977 : 18 ff). Exportsubventionen für Industriegüter bei gleichzeitiger Erhebung von Exportsteuern auf Rohstoffe können Auswege aus diesem Konflikt bieten, ebenso wie gespaltene Wechselkurse. Ganz abgesehen von möglichen Vergeltungsmaßnahmen der Industrieländer aber liegen die Finanzierungskosten in jedem Falle auf Seiten der Entwicklungsländer, sei es durch die direkte Subventionierung als Ersatz für eine Abwertung, sei es durch die Reduzierung des Exportpreises in ausländischer Währung als Folge der Abwertung. Zollpräferenzen für Industriegüter aus Entwicklungsländern verschieben die Finanzierungslasten auf die Industrieländerseite, denn sie erhöhen die Industriegüterexporterlöse, ohne die der Primärgüter zu schmälern. Finanziert wird der Strukturwandel von der Regierung des Importlandes (durch verminderte Zolleinnahmen), von Produzenten in nicht-begünstigten Ländern (durch Handelsumlenkung) und von den konkurrierenden Produzenten im Importland. Die Konsumenten im Importland erhalten einen Realeinkommensgewinn mit der wahrscheinlichen Folge, daß die Nettolast für das importierende Land negativ wird 1 4 . trader's view' zum Zuge kommen zu lassen. Dabei legte er das Schwergewicht auf die Senkung der effektiven Protektion durch Präferenzen und setzte voraus, daß Entwicklungsländer ihre Bestrebungen nach industrieller Selbstversorgung aufgäben und daß Industrieländer zum Abbau von Kapazitäten in den bislang geschützten Branchen bereit wären. Gerade die letztgenannte Voraussetzung wurde bereits 1966 von Patterson als unrealistisch bezeichnet, lange bevor empirische Ergebnisse deutlich machten, daß in der Tat die »protectionist view of preferences' vorherrschte und daß Geberländer Präferenzen nicht als Allokations-, sondern als Redistributionsinstrument ansahen.
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Präferenzen der Industrieländer können somit einen Finanzierungsbeitrag zum Strukturwandel in Entwicklungsländern leisten. Dieser kann deshalb nicht durch Einkommenstransfers substituiert werden, weil direkte Transfers unter günstigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen lediglich dazu beitragen können, die im Entwicklungsland selbst liegenden Voraussetzungen für den Strukturwandel zu schaffen, nicht aber beim wichtigen Problem des Zugangs zu Industrieländermärkten ansetzen. Das Herauswachsen aus der Erziehungszollphase in die der internationalen Wettbewerbsfähigkeit erfordert nach Meinung der Präferenzbefürworter einen vorübergehenden Zugangsvorsprung, der die Anpassung an den intensiven Preis- und Qualitätswettbewerb auf Weltmärkten erleichtern soll. Damit ist die Forderung nach Präferenzen so zu bewerten wie ein Erziehungszollargument für „Zukunftsbranchen" der Entwicklungsländer auf internationalen Märkten. Von den alternativen Möglichkeiten, Wettbewerbsfähigkeit ohne Zolldiskriminierung, aber mit verstärkten Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer zu erlangen, einmal abgesehen, hängt der Erfolg der Präferenzen von einer Reihe von Voraussetzungen ab: 1. Entwicklungsländer müssen von exzessiven Importsubstitutionsstrategien Abschied nehmen und die durch die Wirtschaftspolitik induzierte Benachteiligung der Exporte gegenüber der Binnenmarktproduktion zurücknehmen. 2. Präferenzen müssen sich auf Güter konzentrieren, in denen Effektivzölle auch nach den multilateralen Zollverhandlungen im Rahmen des GATT noch ein Zugangshemmnis darstellen. Anders ausgedrückt: Güter, in denen Zölle bereits weitgehend abgebaut und/oder durch nicht-tarifäre Hemmnisse ersetzt wurden, sind ungeeignet für Präferenzen, es sei denn, diese werden auf nicht-tarifäre Maßnahmen ausgedehnt. 3. Präferenzen müssen sich auf Güter konzentrieren, in denen Industrieländer komparative Kostennachteile gegenüber Entwicklungsländern aufweisen 15 . 4. Präferenzen für einzelne Güter müssen,open-ended' sein, d. h. sie dürfen nicht mengenmäßig nach Vergangenheitswerten begrenzt sein, da sonst Quoten ausgeschöpft werden und die Importeure eines Industrielandes Informationsvorsprünge gegenüber der Vielzahl der Exporteure erhalten. Derartige Vorsprünge werden zumeist dadurch in Renten umgesetzt, daß Importeure die Zollersparnis nicht an den Konsumenten weitergeben, 14
Dies gilt dann, wenn die gestiegene Konsumentenrente den Verlust an Produzentenrente plus die Zollmindereinnahmen übersteigt. 15 Die Punkte 2 und 3 sind weitgehend identisch, da eine Effektivzollbelastung, die nicht redundant ist, dort am höchsten ist, wo die Entwicklungsländer ihre komparativen Vorteile haben, ζ. B. bei Bekleidung.
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sondern einbehalten, und daß andererseits der Exporteur den Exportpreis nicht erhöhen kann. 5. Präferenzen müssen Wettbewerb zwischen Entwicklungsländern zulassen, wenn schon der Wettbewerb zu Ungunsten der Industrieländer verzerrt wird. W i r d auch noch zwischen Entwicklungsländern diskriminiert, indem einzelnen wettbewerbsstarken Entwicklungsländern Höchstgrenzen für Präferenzexporte verordnet werden, so sinkt die Auslastung der Präferenzen, weil weniger wettbewerbsstarke Länder ihre Quoten nicht ausschöpfen können. Es kommt also darauf an, den Kreis der Begünstigten ex ante eng zu ziehen und nicht ex post Ländern diskretionär Präferenzen zu entziehen. 6. Präferenzen bedürfen klarer, d. h. einfacher administrativer Regeln. Jeder Versuch, durch Ursprungsregeln, Verschiffungsvorschriften, Sonderpräferenzen für Einzelländer oder Ländergruppen u. a. angeblich den besonderen Umständen einzelner Länder gerecht zu werden, schafft Rechtsunsicherheit und Informationsvorsprünge der Importeure gegenüber den Exporteuren aus Entwicklungsländern 16 . Zur Klarheit gehört auch, daß die Konditionen über einen längeren Zeitpunkt unverändert bleiben und nicht etwa jährlich geändert werden. Seit 1971 gibt es „Allgemeine Zollpräferenzen", die jedes OECD-Mitglied nach eigenen Vorstellungen an alle Entwicklungsländer (bzw. an die, die von der „Gruppe der 77" als solche akzeptiert werden) vergibt. Vorher wurden bereits spezielle Präferenzen für Ländergruppen wie die mit der EG assoziierten Entwicklungsländer aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik gewährt. Gemessen an den oben skizzierten Erfolgsvoraussetzungen ist der empirische Befund eindeutig: Alle Voraussetzungen wurden gröblich verletzt. Die Geberländer vergeben Präferenzen in äußerst selektiver und diskriminierender Form, entweder indem sie bestimmte Güter und Länder aus dem Präferenzkatalog herausnehmen (USA-Verfahren), oder indem sie eine Vielzahl von Höchstgrenzen länder- und güterbezogener Art sowie andere Hemmnisse verordnen (EG-Verfahren). Grundsätzlich sind Präferenzen nicht am komparativen Kostenvorteil der Entwicklungsländer bemessen, sondern an deren Nachteilen: Hier sind sie großzügig, dort äußerst restriktiv. Der Wettbewerb zwischen Entwicklungsländern ist eingeengt durch enge Präferenzen für wettbewerbsstarke und weite Präferenzen für wettbewerbsschwache 16 Dieser Einwand gilt natürlich grundsätzlich für Präferenzen. Er richtet sich gegen Argumente, nach denen uniforme Regeln für internationale Wirtschaftsbeziehungen „ungerecht" seien, weil damit Ungleiche gleich behandelt werden, und daß universale Regeln, beispielsweise Präferenzen, gelten sollten, sofern sich die Partner auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen befänden (Streeten, 1983 : 86 ff.). Vielfach sind auch diese Forderungen nach „gerechter" Behandlung lediglich der Reflex von versteckten Eigeninteressen (ζ. B. Protektionismus).
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Länder. Damit ist auch implizit eine Aussage über die erste Voraussetzung verbunden: Es gibt keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der eigenen Wirtschaftspolitik der Entwicklungsländer und den ihnen gewährten Präferenzen. Weder nutzten Länder großzügige Präferenzregelungen dazu, die Benachteiligung der Exporte durch Korrekturen der heimischen Güterund Faktorpreisrelationen abzubauen (afrikanische Entwicklungsländer), noch konnten restriktive oder sogar verweigerte Präferenzen die großen asiatischen Exporteure (Hongkong, Südkorea, Taiwan) davon abhalten, ihre Exportexpansion zu forcieren. Angesichts dieser Realität kann es nicht überraschen, daß die Importe aus Entwicklungsländern, die unter Präferenzbedingungen auf OECD-Märkte gelangten, relativ gering blieben: In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre hielten diese Importe lediglich einen Anteil zwischen 43 und 48 v H der Importe von den in den Präferenzlisten verzeichneten Gütern (OECD, 1983: 47) 17 . Das heißt, daß sich der größte Teil der Importe von Präferenzgütern unter normalen Meistbegünstigungsbedingungen auf den Absatzmärkten als wettbewerbsfähig erwies. Einiges spricht dafür, daß nicht nur die Verweigerung des Präferenzstatus durch die Importländer (wegen ausgeschöpfter Quoten oder nicht erfüllter Ursprungsbedingungen) Ursache für die geringe Auslastung der Präferenzen ist, sondern einfach auch die Tatsache, daß Importeure die bürokratischen Prozeduren scheuen und Präferenzen nicht beantragen. In vielen Fällen stellen eben Präferenzen bei einem Durchschnittszoll von 5 v H keinen wichtigen Exportanreiz mehr dar, am wenigsten für Exporteure, eher noch für Importeure, die Mischkalkulationen zwischen nicht-präferenzierten und präferenzierten Partien vornehmen können 18 . Die geringe Bedeutung der Präferenzen im Gesamthandel der Entwicklungsländer auch bei Industriegütern stützt zwar recht gut die These, daß Präferenzen keine große handelsfördernde Wirkung gehabt haben; eine Antwort auf die Frage, ob Handel ohne Präferenzen unterblieben wäre, ist dies aber noch nicht. Hierzu gibt es eine Fülle von empirischen Untersuchungen auf der Basis von Gravitationsmodellen, von ceteris paribusVergleichen der Exportentwicklung begünstigter und nicht-begünstigter Exportländer sowie von Phasen mit und ohne Präferenzen u. a. Sie sollen hier nicht im einzelnen referiert werden, sondern lediglich in bezug auf ihr 17
Bezogen auf die gesamten OECD-Importe aus Entwicklungsländern, auf die überhaupt Zölle erhoben werden, betrug der Anteil tatsächlich präferenzierter Importe lediglich 14 vH im Jahre 1980. Dieses Niveau blieb während der zweiten Hälfte der siebziger Jahre konstant. 18 Präferenzen können im übrigen die effektive Protektion des Fertigwarensektors erhöhen, wenn Vorleistungen zu Präferenzzollsätzen importiert werden, Fertigwaren aber zu Meistbegünstigungszollsätzen (wegen Ausschluß aus Präferenzlisten oder niedriger Präferenzquoten). Dies kommt vor allem bei einigen Agrargütem im EGPräferenzschema vor (Langhammer , 1983).
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Ergebnis zusammengefaßt werden 19 . Alle Studien bewegen sich in ihrem Bewertungsspektrum zwischen „geringen bzw. nicht ausschlaggebenden Präferenzwirkungen" (Borrmann et al.f 1985; Möbius, 1986) und „nicht nachweisbaren Wirkungen" (Langhammer, 1983; Langhammer/Sapir, 1987). Darüber hinaus gibt es UNCTAD-Schätzungen zur Frage, inwieweit die Entwicklungsländer dadurch Handelsnachteile erleiden, daß ihre Präferenzmargen durch die Ergebnisse der Tokio-Runde gemindert werden. Sie kommen zwar zum Ergebnis deutlicher Nachteile (UNCTAD, 1980; auch Ginman et al., 1980), sind aber in einer ausführlichen empirischen Studie von Hasse (1985)20 wegen der Wahl „geeigneter" Parameter und Elastizitäten 21 als tendenziös und unseriös zurückgewiesen worden. Reduziert man die gesamte empirische Evidenz über Zollpräferenzen auf einen wirtschaftspolitisch wichtigen und für die GATT-Beteiligung der Entwicklungsländer entscheidenden Kern, so kann die Gültigkeit der These ,no reciprocity, no concession' (Murray, 1977 : 162) nicht angezweifelt werden. Industrieländer verstehen und gestalten Präferenzen als Einkommenstransfer, der nicht Gegenstand von Verhandlungen ist. Je mehr der Marktzugang für Industriegüterexporte aus Entwicklungsländern von der Präferenzfrage beherrscht wird, desto stärker sinkt das Eigeninteresse der Entwicklungsländer an weiteren GATT-Verhandlungen über Zollsenkungen. Es sind somit beide Seiten, die die Entwicklungsländer aus der Rolle des Verhandlungspartners um Zollsenkungen drücken: die Entwicklungsländer selbst, die die Erosion ihrer Präferenzmargen fürchten und Präferenzverbesserungen fordern, und die Industrieländer, die diese Forderung unter „Transfers" abbuchen und nicht mit sich verhandeln lassen. Zugespitzt formuliert: Mit der Forderung nach und dem Empfang von Präferenzen haben sich die Entwicklungsländer entscheidend von der GATT-Konzeption der Zollabrüstung auf Gegenseitigkeit entfernt. Damit aber laufen sie Gefahr, weiter an Verhandlungsmacht einzubüßen, weil jedes einzelne Industrieland jedem einzelnen Entwicklungsland separat Zollkonzessionen zuteilen kann. Eine Begrenzung zukünftigen Schadens hängt davon ab, ob es gelingt, die Präferenzen auf die zunehmend unwichtige Frage der Zölle zu reduzieren. 19 Siehe hierzu unter den jüngsten Arbeiten detailliert am Beispiel der EG Langhammer, 1983; Borrmann et al., 1985; Möbius 1986; Langhammer/ Sapir, 1987. In diesen Arbeiten wird auf ältere Studien verwiesen. 20 Siehe auch die grundsätzliche Kritik von Balassa (1980). 21 Die entscheidende Variable, die in allen Konzepten in Anlehnung an die statische Zollunionstheorie kontrovers diskutiert wird, ist die Substitutionselastizität zwischen Importen aus begünstigten und nicht-begünstigten Ländern (Baldwin/ Murray, 1977; Baldwin/Murray, 1986; Pomiret, 1986; Langhammer /Sapir, 1987 : Kapitel 3). Diese Elastizität entscheidet über den Handelsumlenkungseffekt. Aber ganz unabhängig von dieser Variablen kann der gesamte Handelseffekt der Präferenzen nicht bedeutend sein, wenn nur ein geringer Teil der zur Präferenzbehandlung anstehenden Güter tatsächlich Präferenzen erhält.
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V. Die kommende Uruguay-Runde: Mehr oder weniger Utigleichbehandlung? Nimmt man die Abschlußerklärung der Ministertagung von Punta del Este/Uruguay (15.-20.9.1986) als Maßstab für eine Antwort auf die obige Frage, so scheint die Antwort klar: Es wird sich nichts ändern. Im Teil B. 1 der Erklärung werden die Grundaussagen des Teils IV des GATT sowie die »Enabling Clause' über unterschiedliche und günstigere Behandlung von Entwicklungsländern ausdrücklich bekräftigt. Danach erwarten die Industriestaaten in der kommenden Runde keine Reziprozität bei eigenen Zugeständnissen, ebensowenig wie sie von den Entwicklungsländern Liberalisierungsschritte erwarten, die „inkonsistent" mit der Entwicklung und den finanziellen Bedürfnissen der Länder seien. Die Entwicklungsländer ihrerseits erwarten, daß ihre Fähigkeit zur Liberalisierung wächst in Abhängigkeit von der „progressiven" Entwicklung ihrer Volkswirtschaften und von Verbesserungen ihrer Handelssituation (GATT, FOCUS, Nr. 41, Oktober 1986, S. 3). Im Klartext bedeutet dies die Fortsetzung von Ungleichbehandlung sowie eine deutliche Absage an die These, daß Liberalisierung zur Entwicklung beiträgt. Derartige Aussagen sind indessen Formelkompromisse und eher zur Beruhigung jener zahlenmäßig recht bedeutenden Gruppe kleiner und wenig entwickelter GATTMitglieder gedacht, die in den Verhandlungen keine Rolle spielen, weil ihre hauptsächlich aus Rohstoffen bestehenden Exporte sowieso zollfrei auf die Industrieländermärkte gelangen. Wichtiger ist eine Gruppe bestehend aus Brasilien, Indien, Ägypten, Argentinien und Jugoslawien, die in den Vorverhandlungen als Bremser auftraten, indem sie ihre Zustimmung zu einer neuen Runde von der Erfüllung alter Verpflichtungen der Industrieländer (Tokio-Runde und Ministererklärung vom November 1982) abhängig machten. Gegenpole im Sinne einer vorbehaltlosen Aufnahme von Verhandlungen fanden sich bei der ASEAN-Gruppe und anderen ostasiatischen Ländern. Grob skizziert verläuft die Trennungslinie zwischen den wirtschaftlich relativ erfolglosen, binnenmarktorientierten und mit Defiziten im Strukturwandel behafteten Ländern Afrikas und Lateinamerikas (mit Brasilien als teilweisem Ausreißer) und den eher weltmarktoffenen Ländern ost- und südostasiatischen Typs. Erstere beharren auf der Ungleichbehandlung sozusagen als Kompensation für die protektionistischen Maßnahmen der Industrieländer (Agrarmarkt, Multifaserabkommen). Letztere scheinen unter starkem monetären Druck von außen erkannt zu haben, daß erstens eine einseitige Liberalisierung zum eigenen ökonomischen Vorteil gereicht, und daß zweitens die Beteiligung an GATT-Verhandlungen die einheimische politische Opposition gegen Liberalisierung zu disziplinieren vermag. Dem zweiten Punkt kommt besondere
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Bedeutung zu, da die internationale Kreditwürdigkeit eines Entwicklungslandes auch davon bestimmt wird, wie sehr sich das Land an einer internationalen Handelsordnung beteiligt 22 . Ob mehr Bereitschaft zur „Gleichbehandlung" einzelnen Entwicklungsländern allerdings besseren Zugang zu Industriegütermärkten verspricht als bisher, ist sehr unsicher. Länder wie Hongkong und Singapore, die ihren Markt immer offen hielten und wegen ihrer Angebotsstärke (überschrittene Quoten) und ihrer starken intra-industriellen Spezialisierung (geringe heimische Wertschöpfungsanteile) keinen nennenswerten Nutzen aus Präferenzen ziehen konnten, sind zwar von Antidumpingmaßnahmen verschont geblieben, nichtsdestoweniger wurden protektionistische Maßnahmen gegen sie erhoben. Umgekehrt mußten Entwicklungsländer wie Brasilien und auch Südkorea mit Dumpingvorwürfen und Vergeltungsmaßnahmen der Industrieländer rechnen, weil ihr Handelsregime kompliziert und mit vielen sich gegenseitig kompensierenden Preisverzerrungen behaftet war (Importprotektion bei gleichzeitiger Exportsubventionierung und verzerrten Wechselkursen). Sollte sich die amerikanische Haltung, sogenannte ,lessthan-fair-value'-Fälle mit besonderen (bilateralen) Sanktionen zu belegen, in der kommenden Uruguay-Runde durchsetzen, so wäre dies in jedem Falle ein Anreiz für die fortgeschrittenen Entwicklungsländer, ihr Handelsregime transparenter zu gestalten, d. h. weniger zu diskriminieren und mengenmäßige Restriktionen durch preisliche Interventionen zu ersetzen (Wolf, 1986). Dies ist ein Schritt in Richtung weniger Ungleichbehandlung, der allerdings lediglich eine der beiden Seiten der Ungleichbehandlung umfaßt. Die andere Seite ist kontroverser, denn sie rührt an Besitzständen der Entwicklungsländer und verlangt den Industrieländern Maßnahmen zum Abbau der bevorzugten Behandlung von fortgeschrittenen Entwicklungsländern ab (Graduierung). Industrieländer können sich hier zum einen auf den „de jure"-Standpunkt zurückziehen, daß Präferenzen nicht verhandelbar sind, und zum anderen auf ihre bisherige Interpretation von Präferenzen als Transferleistung. Sie könnten es GATT-Mitgliedern freistellen, sich entweder selbst als „bedürftig" zu bezeichnen und zu versuchen, besseren Marktzugang über Präferenzen zu erreichen, dafür aber im Zuge bedingter Meistbegünstigung von den in der Uruguay-Runde ausgehandelten Zollsenkungén ausgeschlossen zu bleiben. Die andere Option für fortgeschrittene Entwicklungsländer bestünde darin, ein bestimmtes Graduierungsmaß der 22
Ahmad (1985 : 1083) sieht den Zusammenhang anders herum: Die Fähigkeit zur Reziprozität wird von der Devisenverfügbarkeit bestimmt und damit vom Zugang zu internationalen Zahlungsmitteln. Eine solche Sicht unterstellt, daß Entwicklungsländer nicht bereit sind, zahlungsbilanzmotivierte Importrestriktionen aufzugeben, Wechselkursflexibilität zuzulassen und einen kohärenten Öffnungskurs einzuleiten, ohne sich vorher gegen die Risiken eines derartigen Kurswechsels bei den Industrieländern rückzuversichern.
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Industrieländer zu akzeptieren, Präferenzen u. U. somit einzubüßen, dafür aber Zollsenkungen auf der Basis unbedingter Meistbegünstigung auszuhandeln. Die fortgeschrittenen Entwicklungsländer als die Schwächeren in diesen Verhandlungen dürften sich der Grundhaltung in der Uruguay-Runde gegen ,free rider' bewußt sein und die zweite Option wählen, zumal Präferenzen — selbst wenn sie ohne Quoten vergeben würden — zukünftig weniger denn je über den Marktzugang entscheiden werden.
VI. Schlußfolgerungen und Ausblick Ungleiche Behandlung hat Entwicklungsländern keine dauerhaften Wachstumsimpulse vermitteln können, weder im Hinblick auf das Recht, heimische Sektoren überdurchschnittlich stark zu schützen, noch darauf, Präferenzen von Industrieländern zu erhalten. Es ist heute empirisch gesichertes Wissen, daß Entwicklungsländer, die ein neutrales Anreizsystem zwischen Produktion für den Binnenmarkt und Exporten anstreben, wirtschaftliches Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigungsziele eher verwirklichen können als Länder, die die Signale im Anreizsystem mittels exzessiver Protektion, Wechselkursüberbewertung und anderen internen Eingriffen in die Marktpreisbildung auf Binnenmarktproduktion setzen. Ebenso unumstritten sind die geringen Wirkungen von Präferenzen. A l l dies mag ungleiche Behandlung nicht per se disqualifizieren, so etwa beim Zugang zu Entwicklungshilfe. Es schließt aber aus, ein Entwicklungsland in der Liberalisierung des eigenen Handelsregimes anders zu behandeln als ein Industrieland, einmal ganz abgesehen davon, daß die Schnittstelle zwischen beiden unscharf ist, weil politisch bestimmt 2 3 . Fast alle Entwicklungsländer haben Aufholprozesse eingeleitet, ihre Exporte diversifiziert und ihre heimischen Märkte erweitert. ,At the margin' ist heute nahezu jedes Entwicklungsland ein Markt für Industriegüterprodukte, ebenso wie jedes Industrieland heute ein wichtigerer Absatzmarkt für Entwicklungsländerexporte ist als vor einem Vierteljahrhundert. Diese Prozesse verlangen Gleichbehandlung, nicht handelspolitische Freiräume, in denen Entwicklungsländer ihre Weltmarktchancen dank exzessiver Protektion selbst zunichte machen und in denen Industrieländer dank Präferenzen 23 Bis heute spottet die politische Regel „Einmal Entwicklungsland, immer Entwicklungsland; einmal Industrieland, immer Industrieland" der wirtschaftlichen Realität von Aufhol- und Niedergangsprozessen im Verhältnis zwischen Ländern. Das GATT kann von dieser Kritik nicht ausgenommen werden.
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Konkurrenten auf Distanz halten. Dabei muß die Initiative von dem ausgehen, dessen Opportunitätskosten bei Ungleichbehandlung am höchsten sind, und dies sind zweifelsohne die Länder im Aufholprozeß, die sich stärker an Industrieländermärkte gekoppelt haben als umgekehrt. In diesem Aufholprozeß benötigen sie erstens einfache und stabile Regeln für den Marktzugang, keine jederzeit kündbaren Vergünstigungen, und zweitens Meßlatten, welche eigenen Produkte komparative Kostenvorteile genießen und welche nicht. Das Eigeninteresse spricht somit eindeutig für eine offensive Beteiligung der Entwicklungsländer am Liberalisierungsprozeß. Dabei ist es wichtig, Interessenkoalitionen herzustellen zwischen den Entwicklungsländerproduzenten und den Industrieländerkonsumenten, um letztere über die Höhe des entgangenen Realeinkommens dank Protektion zu informieren und somit Widerstände gegen die Argumentation vom „Billiglohnanbieter" zu formieren. Gelingt eine derartige Interessenkoalition, so kann in den Industrieländern ein Teufelskreis durchbrochen werden, der von Produzenteninteressen bestimmt wird, nämlich nur nach strikter Reziprozität zu liberalisieren (mit dem Hintergedanken, daß sich der reziprozitätsbereite Partner nicht findet). Entwicklungsländer sind diesen Interessen bislang gefolgt, indem sie Ungleichbehandlung forderten und auch bereitwillig erhielten. So gesehen, war das Einbringen der Ungleichbehandlung in das GATT eine taktische Meisterleistung der ,non-traders' (Curzon, 1986). Gleichbehandlung von Seiten der Entwicklungsländer anzubieten hieße, die ,non-traders' innerhalb der Industrieländer bloßzustellen und sie zum Offenbarungseid zu zwingen. Das GATT könnte dabei als Verstärker agieren und Transparenz darüber herstellen, wer unter seinen Mitgliedern letztlich ,trader' und wer ,non-trader' ist.
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Zusammenlassung der Diskussion (Referat Langhammer)
Lorenz bekräftigt ein Argument Langhammers: den Hinweis auf den Internationalen Währungsfonds, seine Liberalisierungsstrategie und in diesem Zusammenhang den Einsatz — wie begrenzt und mit wieviel Erfolg auch immer — von Sanktionen. Das GATT habe hingegen zu wenig oder gar keine Möglichkeiten, Sanktionen zu verhängen. Ein Fortschritt bei der Liberalisierung hänge von Maßnahmen ab, die dem GATT nicht zur Verfügung stünden. Langhammer betont, seine These sei, daß es dank eines noch bestehenden internationalen Sanktionsmechanismus im monetären Bereich möglich ist, Länder auch in der Handelspolitik zur Liberalisierung zu zwingen, und zwar außerhalb des GATT. Damit verlagere sich die relative Einflußmöglichkeit vom GATT zum Währungsfonds. Diese Verlagerung habe sich schon in der Vergangenheit vollzogen insofern, als der Währungsfonds bei den Konsultationsmaßnahmen für Entwicklungsländer im Rahmen des GATT ständig als Berater zugezogen wird. Somit bestehe auch eine gewisse Transparenz hinsichtlich der Wirkung von Maßnahmen, die die Entwicklungsländer einführen. Er würde es ebenfalls gern sehen, wenn das GATT einen Sanktionsmechanismus anwenden würde, denn dadurch könnte der Internationale Währungsfonds wirkungsvoller tätig werden. Gäbe es zwei Regelwerke, die über funktionierende Sanktionsmechanismen verfügten, dann wäre es für das eine — den Internationalen Währungsfonds — leichter als bisher, seinen Sanktionsmechanismus mit weniger politisch beladenen Therapien zu versehen. Tangermann stellt an Langhammer die Frage, welches Ziel er als Verhandlungsführer der Gruppe der 77 in der Uruguay-Runde anstreben würde, wenn er davon ausgehen könnte, daß aus politischen, moralischen oder welchen Gründen auch immer die Industrieländer bereit wären, den Entwicklungsländern spezielle Zugeständnisse zu machen. Hierauf antwortet Langhammer, die Gruppe der 77 habe zwar innerhalb der UNCTAD den Versuch unternommen, eigene Positionen zu formulieren, aber es habe de facto im GATT bisher keine Gruppe der 77 gegeben. 10 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
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Zusammenfassung der Diskussion
Zwischen Singapur und Burundi seien die Unterschiede noch größer als vielleicht sogar zwischen Industrieländern. Natürlich würden auch die fortgeschrittenen Entwicklungsländer in einem solchen Fall fordern, daß GSP noch großzügiger zu machen. Aber das GSP habe heute seine Wirkung dadurch wesentlich eingebüßt, daß es sich erstens nicht auf mengenmäßige Beschränkungen und auf andere nichttarifäre Hemmnisse, sondern nur auf Zölle stützt. Zweitens seien in vielen Bereichen auch schon zwischen Industrieländern — z.B. zwischen der EWG und der EFTA — die Zölle im gewerblichen Bereich abgeschafft, so daß auch da kein großer Vorteil mehr bestehe. Wenn die Industrieländer als Gruppe etwas für die Entwicklungsländer tun wollten, gäbe es dazu die als GATT-plus bezeichnete Möglichkeit. GATT-plus würde bedeuten: Die Industrieländer binden ihre Politik und garantieren damit ein bereits erreichtes Liberalisierungsniveau — dann natürlich multilateral; aber wenn sie alle Produkte einbezögen, würden auch Entwicklungsländer davon profitieren können — und verpflichten sich zudem unwiderruflich, Zölle, aber vor allen Dingen mengenmäßige Beschränkungen wieder abzubauen oder mengenmäßige Beschränkungen in Zolläquivalente zu übersetzen und diese dann abzubauen. Zu einzelnen liberalisierungsbereiten Partnern könnten dann auch andere stoßen, z.B. Schwellenländer oder kleine Länder, die sich sowieso an eine Volkswirtschaft gekoppelt haben. Zu denken wäre an einige schwarzafrikanische und mittelamerikanische Länder, die ihren Handel überwiegend mit einem Partner abwickeln (EG, USA) und feste Wechselkurse mit den betreffenden Ländern haben. Für diese Länder wäre eine GATT-plus-Regelung sicherlich ein ganz großer Vorteil. Nehring bezieht sich auf Langhammers Bemerkung, daß man am ehesten die Rücknahme von Importbeschränkungen zu Hause durchsetzen kann, wenn man auf der Exportseite Erfolge erzielt. Er fragt, ob das konkretisiert werden könnte für solche Fälle, wo die heute Privilegierten nicht identisch sind mit den morgen Begünstigten? Langhammer antwortet, man wisse aus der politischen Ökonomie der Liberalisierung und auch aus der Erfahrung der 20er Jahre, daß Länder wie Österreich und Ungarn die nationale Opposition gegen Liberalisierung im wesentlichen dadurch geschwächt und ihre eigene Politik gebunden hätten, daß sie international unwiderrufliche Verpflichtungen eingegangen seien. Dann könne die Regierung allen Lobbyistengruppen Zugeständnisse mit dem Hinweis auf internationale Festlegungen verweigern, die dem Land auch Vorteile brächten. Heute sei ζ. B. der Zugang zur internationalen Liquidität gebunden an die Frage, inwieweit die Wirtschaftspolitik eines Landes als mittelfristig stabil, glaubwürdig, transparent angesehen wird. Das erreiche das Land am besten dadurch, daß es seine Politik international bindet.
Zusammenfassung der Diskussion
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Problematisch sei allerdings, daß Entwicklungsländer immer den graduellen Ansatz wollten, den langsamen Abbau von Interventionen. Das halte nach allen Erfahrungen die Regierung keines Industrielandes aber auch keines Entwicklungslandes durch. Deswegen spreche vieles doch entweder für eine internationale Bindung oder für einen schockartigen Abbau über Nacht, damit sich diese Lobbyistengruppen gar nicht erst bilden können. Nehring weist dagegen auf die Probleme des Agrarsektors hin und die Gefahr für die eigene Stabilität, die eine Regierung durch solches Handeln für sich selbst heraufbeschwören würde. Demgegenüber verweist Langhammer auf die Erfahrungen Österreichs und Ungarns in der Mitte der 20er Jahre. Die Regierungen hätten ihre Politik international verbindlich festgelegt, so daß die Lobbyisten-Opposition ins Leere gelaufen sei. Das sei ja auch gerade das, was der Internationale Währungsfonds und die Weltbank gern von den Entwicklungsländern wollten. Es sei auch ein Grund dafür, daß die Diskussion in Lateinamerika so schwierig ist: Dieses Aufgeben der nationalen Souveränität in der Wirtschaftspolitik könne eben auch zu Beginn hohe Kosten der politischen Durchsetzbarkeit beinhalten — Kosten im wesentlichen in der Geldpolitik, denn die Geldpolitik wäre dann auch gebunden. Die Handelspolitik sei übrigens im jetzt angesprochenen Zusammenhang der gesamten Wirtschaftspolitik eher am Rande zu nennen. Viel wichtiger seien wohl die Liberalisierung der Kapitalmärkte bzw. die Disziplinierung der Geldpolitik und die Abschaffung bzw. Reduzierung von Budgetdefiziten in Entwicklungsländern. Denn in vielen Bereichen sei die Handelspolitik durch überbewertete Wechselkurse redundant. Wenn man bei einem überbewerteten Wechselkurs die Zölle auf der Basis des nicht realistischen Kurses berechne, sei die Protektion nicht wirksam, denn die Importe würden durch überbewertete Wechselkurse künstlich verbilligt. Dehn nimmt auf Langhammers Argument bezug, ein Abbau der Präferenzierung zugunsten der Entwicklungsländer könne sich günstig auf den Abbau des Protektionismus auswirken. Es sei nicht klar, wie das funktionieren sollte. Wenn Protektionismus bestehe, dann doch nicht im Zusammenhang mit dieser Präferenzierung, sondern weil es jeweils inländische Lobbies verstanden hätten, für sich auf diese Art Vorteile herauszuschlagen. Fraglich sei, woher eigentlich die Verhandlungsmacht kommen sollte, die den Abbau einseitig gewährter Präferenzen zum Anlaß nähme, Protektionismus gegenüber Entwicklungsländern abzubauen. Eigentlich sei die Frage in dieser Form nicht relevant. Sie wäre es nur, wenn es tatsächlich Verhandlungen dieser Art gäbe, wie sie Schwellenländer ja auch in der Regel wollten. Diese könnten auf die Präferenzen verzichten, wenn im Bereich der nichttarifären Handelshemmnisse ernsthaft liberalisiert würde. So herum stimme es schon, aber davon, daß die Präferenzen abgebaut würden, werde kein einziges nichttarifäres Hemmnis leichter abbaubar. 10·
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Zusammenfassung der Diskussion
Hierauf erwidert Langhammer, Präferenzen seien grundsätzlich von den multilateralen Zollverhandlungen zu trennen. Präferenzen seien ja ein Kind der UNCTAD, nicht des GATT. Sie würden von den Industrieländern nicht als Teil der Handelspolitik, sondern der Entwicklungshilfe gesehen und teilweise mit handelspolitischen Restriktionen „verrechnet". Es gebe im übrigen im Bereich der Textilien ein Verbindungsglied zwischen Präferenzen und Protektionismus: Länder, die sich weigerten, mit Industrieländern ein bilaterales Selbstbeschränkungsabkommen im Bereich Textilien zu unterschreiben, bekämen keine Zollpräferenzen für diese Waren, — obwohl dies überhaupt nichts miteinander zu tun habe. Das eine betreffe ja den zollfreien Zugang zum Markt, das andere den Zugang zum Markt überhaupt. Den Abbau von Präferenzen vollzögen die USA durch einseitige Streichung gegenüber bestimmten Ländern, von denen anzunehmen sei, sie brauchten die Präferenzen nicht mehr, um wettbewerbsfähig zu werden. Bei der EG geschehe das sublimer, komplizierter wie immer, nämlich durch das Einfrieren von Quoten, durch das Einführen von länderspezifischen Quoten, durch das Ersetzen von Plafonds durch Quoten usw. Würde man auf dieses System ganz verzichten und seinen möglichen „Hilfe"effekt in bar auszahlen, so könnten sich Lobbyistengruppen bei ihrem Widerstand gegen Liberalisierung zugunsten von „Billiglohnländern" nicht mehr auf das Argument zurückziehen, diese Länder bekämen ja bereits Präferenzen ohne Gegenseitigkeit. Schultz bestätigt Langhammer, er habe stringent vorgeführt, daß durch eine internationale Bindung der Lauf der Lobbyisten zu hemmen wäre. Das sei die Überzeugung des Ökonomen. Nur sei offen, welcher Politiker diese Bindung eingehen sollte. Er begäbe sich dadurch wesentlicher Macht. Hier fehle wohl doch die Brücke zur Realität. Langhammer entgegnet, es gebe sehr wohl Politiker, die dem Gerangel mit heimischen Lobbyistengruppen ausweichen möchten, indem sie ihre Politik international binden. Aber diese Politiker seien meist skeptisch hinsichtlich der künftigen Erträge. Sie beurteilten also die internationale Glaubwürdigkeit ihrer Politik — nicht nur hinsichtlich der Frage, ob es Kapitalflucht gibt oder nicht, sondern auch hinsichtlich des Zugangs zu Risikokapital, Direktinvestitionen beispielsweise — selber sehr skeptisch. Das sei auch der wesentliche Grund, warum viele Länder in Lateinamerika und in Afrika nicht bereit seien, ihre Politik offiziell zu binden, obwohl sie dies inoffiziell — ζ. B. über IWF-Programme oder über Währungsunionen mit Industrieländern — längst täten. Die Frage sei nur, wie wirksam eine derartige informelle Bindung sein könnte. Willgerodt stellt fest, die Vorstellung, das Erziehungsschutzargument sei das einzig haltbare Argument zugunsten von Protektion, sei bei ihm zusammengebrochen, weil die Verbindung von Erziehung und Wohlfahrt des Landes
Zusammenfassung der Diskussion
nicht mehr bestehe. Das Erziehungsargument sei nur — theoretisch jedenfalls — haltbar, wenn es Nichtinternalisierbarkeit externer Wirtschaftlichkeitvorteile gibt. Aber es fehle der Beweis, daß diese Nichtinternalisierbarkeit externer Wirtschaftlichkeitsvorteile in Entwicklungsländern systematisch größer sei als in Industrieländern. Er vermute, es sei genau umgekehrt, daß nämlich externe Wirtschaftlichkeitsvorteile in Entwicklungsländern leichter internalisierbar sind. Somit gelte das Erziehungsargument für Entwicklungsländer möglicherweise weniger als für Industrieländer. Killinger gibt im Zusammenhang mit dem Infant Industry-Argument zu bedenken, daß der Aufbau einer eigenen Industrie in den Entwicklungsländern ja auch sinnvoll sein könne, wenn er nicht zum Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Industrie führt, sondern wenn damit Devisen eingespart werden. Dabei sei besonders an Bereiche wie Nahrungsmittelproduktion, Textilien, Bekleidung und dergleichen zu denken. Langhammer teilt die von Willgerodt vorgetragenen Überlegungen aus komparativ-statischer Sicht. Hinzu käme aber noch ein Argument aus dynamischer Sicht: Durch Infant-Industry-Schutz solle eine Art Vorfinanzierung künftiger Erträge erfolgen. Bei perfekten Kapitalmärkten wäre das über den Kapitalmarkt möglich. Da die Kapitalmärkte nicht perfekt seien, böte sich immer noch eine produktionsbezogene Beihilfe an, die erfahrungsgemäß effizienter sei als ein Eingriff in die Primärallokation mittels Preisintervention, sprich durch Zölle. Aber was man auch aus vielen empirischen Studien wisse, sei — und hier geht Langhammer auf das Argument von Killinger ein —, daß die durch Infant-Industry-Maßnahmen angeblich geschützten Industrien eben keine Netto-Deviseneinsparer seien, sondern im Gegenteil die größten Devisenverschwender. In einem Land mit relativ knappem Faktor Sach- und Humankapital werde gerade dieser knappe Faktor durch die Protektion subventioniert. Somit würden nicht nur mehr Ressourcen in dem Sektor gebunden, als gesamtwirtschaftlich vertretbar wäre, sondern dieser Sektor binde auch besonders viel Kapital, wegen der meist sehr hohen Kapitalintensität. Die Nachfrage nach Kapital werde aus dem Ausland befriedigt. Die Nachfrage nach importierten Sach- und Kapitalgütern in diesen Sektoren sei deshalb besonders groß. Daraus ergebe sich der typische Fall einer hohen Kapitalintensität mit niedrigen Beschäftigungseffekten und einer hohen Unterauslastung der Kapazitäten — das Ergebnis einer Infant-Industry-Protektion in Entwicklungsländern, die zum Dauertatbestand würde, weil eine Industrie mit diesen Merkmalen ohne ständige Protektion keiner Konkurrenz aus dem Ausland standhalten könne.
Dienstleistungen und GATT Von Siegfried Schultz, Berlin
1. Einführung Die Expansion des Welthandels seit dem zweiten Weltkrieg bis in die siebziger Jahre hinein war vom Austausch von Rohstoffen, Nahrungsmitteln und Erzeugnissen der verarbeitenden Industrie getragen. Insofern ist es nur natürlich, daß die Regeln für die Abwicklung und Intensivierung des internationalen Handels sich auf den Warenverkehr konzentrierten. Über die Landesgrenzen hinweg wurden international gehandelte Dienstleitungen im wesentlichen in Verbindung mit Gütern gehandelt. Der seither erheblich gestiegene Stellenwert der Dienstleistungen drückt sich inhaltlich in zwei wichtigen Trends aus 1 : Einmal hat sich die Servicekomponente der gehandelten Güter im Laufe der Zeit deutlich verstärkt, weil die gelieferten Industrieerzeugnisse technisch zunehmend komplexer werden und hochspezialisierte Betreuung erfordern, die im Importland nicht im ausreichenden Umfang zur Verfügung steht (ζ. B. Pilotenausbildung und Wartung von zuvor gelieferten Flugzeugen). Auf diesen engen Zusammenhang zwischen Gütern und Diensten zielt das Schlagwort „compacks" 2 — Dienstleistungen sind eng mit dem Warenhandel verbunden und können ihn sogar fördern. Zum anderen haben sich Wissen und Information als Bereich des internationalen Handels verselbständigt; die Verbindung von Telekommunikation und Computertechnologie hat völlig neue Aspekte für den internationalen Absatz von Dienstleistungen eröffnet. Der Vertrieb neuer Dienstleistungen im Ausland verändert nicht nur die Struktur innerhalb des Dienstleistungsbereichs, sondern schlägt auch nennenswert auf die Zusammensetzung des Welthandels durch. Dienstleistungen haben heute den Status des „unsicht1 W. E. Brock, Trade in services and economic cooperation, in: Die Zukunft des Welthandels: Protektionismus oder offener Welthandel?/ The future of world trade: Freedom or protectionism? Festschrift für W. Haferkamp zum 60. Geburtstag. BadenBaden 1983, S. 21-33; hier: S. 23. 2 Gemeint sind damit „komplexe Pakete" von eng verzahnten Gütern und Diensten. Damit verwischen sich auch zunehmend die Grenzen zwischen den klassischen Sektoren. Vgl. A. Bressand, International division of labor in the emerging global information economy : the need for a new paradigm (Manuskript), April/Juni 1986, S. 10.
152
Siegfried Schultz
baren" Beiwerks des Warenverkehrs verloren und sind zu einem dynamischen Element des Welthandels geworden.
2. Charakteristika Die kritische Durchsicht der bisherigen Ansätze, Dienstleistungen für die Analyse internationaler Handelsströme umfassend zu definieren, führt zu dem Schluß: Ein geschlossenes theoretisches Konzept, das zudem auch praktischen Zwecken genügt, liegt noch nicht vor. Insbesondere im Rahmen der empirisch-statistischen Anwendung wird fast ausschließlich mit der klassischen Drei-Sektoren-Teilung gearbeitet (vgl. das ISIC-Schema der Vereinten Nationen), die aber wesentliche Aktivitäten des modernen Dienstleistungsgewerbes nur pauschal enthält und somit nicht in der Lage ist, den dynamischen Kern des gegenwärtigen Trends in seinen Einzelkomponenten hinreichend zu erfassen. Auf die vielfältigen begrifflichen Aspekte und Interpretationen von Dienstleistungen kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden 3 . Prinzipiell lassen sich bei ihrer Definition jedoch zwei Ansätze unterscheiden: —
Dienstleistungen als Erzeugung nicht-materieller Produkte („funktionaler Ansatz");
—
Dienstleistungen als Residuum, wenn man aus der Gesamtproduktion die Aktivitäten des Primärbereichs und des verarbeitenden Gewerbes ausblendet („institutioneller Ansatz").
Beide Definitionen sind jedoch nicht befriedigend. Die erste ist zu eng, weil sie Dienstleistungen ausschließt, die sich in materiellen Produkten manifestieren (ζ. B. Publizistik, bildende Kunst oder Forschung und Entwicklung). Die zweite Definition ist sehr grob: Erstens enthält eine Restgröße immer auch die Fehler bei der Erfassung der anderen Bereiche; zum zweiten werden Dienstleistungen auch in anderen Sektoren produziert (und warenproduzierende Aktivitäten im Dienstleistungssektor bleiben außer Betracht). Überdies verbergen sich selbst hinter den wenigen gleichlautenden bzw. synonymen Bezeichnungen (Versicherung; Staat bzw. Regierung) unterschiedliche Meßkonzepte. In der aktuellen Diskussion gibt es unterschiedliche Positionen in bezug auf die Charakteristika der Dienstleistungen: Skeptiker führen ins Feld, die Unterschiede zum Warenverkehr seien so groß, daß eine gemeinsame Be3
Zu einer ausführlichen Diskussion von Abgrenzungsfragen vgl. H. J. Petersen/F. Franzmeyer/P. Hrubesch/S. Schultz/D. Schumacher/H. Wilkens, Der internationale Handel mit Dienstleistungen aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland: Entwiklung, Handel, Politik. Beiträge zur Strukturforschung, Heft 78, Duncker & Humblot, Berlin 1984.
Dienstleistungen und GATT
153
handlung von Gütern und Diensten wenig sinnvoll sei. Dem steht die (mehrheitlich vertretene) Meinung gegenüber, daß es genügend gemeinsame Grundlagen gebe. Was sind die Argumente beider Seiten? Für Unterschiede zwischen Diensten und Gütern finden sich folgende Ansatzpunkte 4 : 1. Dienstleistungen sind in aller Regel nicht physisch greifbar, können in vielen Fällen nicht gelagert, also nicht auf Vorrat erzeugt werden; sie müssen daher zum Zeitpunkt des Verbrauchs erbracht werden. 2. In einer Reihe von Ländern werden — Ausdruck der jeweiligen Wirtschaftsphilosophie — Dienstleistungen von staatlichen oder staatlich kontrollierten Institutionen bereitgestellt. Derartige Angebotsmonopole in öffentlicher Hand können die Wettbewerbsverhältnisse erheblich verändern. Diese Frage spielt im Bereich der Dienstleistungen eine größere Rolle als bei Gütern. 3. Exporteure von Gütern können sich im allgemeinen ohne weiteres des Distributionssystems im Importland bedienen, während von ausländischen Dienstleistungsanbietern (ζ. B. mit Hinweis auf staatliche Aufsichtspflichten und Verbraucherschutz) häufig verlangt wird, daß sie zur Vermarktung und Verteilung örtliche Niederlassungen gründen. Auflagen dieser Art berühren den Handel mit Dienstleistungen — und dessen statistischen Ausweis — im Kern (vgl. Punkt 1) und haben daher eine andere Qualität als beim Warenverkehr. Worin bestehen die Gemeinsamkeiten zwischen Diensten und Gütern? 1. Spezialisierung und Nutzung komparativer Vorteile sind Grundlage der internationalen Arbeitsteilung und fördern Wirtschaftswachstum und internationalen Handel. Es ist nicht erkennbar, daß dies nur für Gütermärkte richtig ist, sondern es gilt generell. 2. Die gegenwärtig wichtigen Handelshemmnisse im internationalen Warenverkehr sind nicht-tarifärer Art. Die Behinderungen im Dienstleistungsverkehr sind gleicher Natur — physische Grenzkontrollen sind bei Dienstleistungen weitgehend unmöglich — und rechtfertigen ein gemeinsames Vorgehen zu ihrer Bekämpfung. 3. Die Prinzipien eines Systems von Rechten und Pflichten, wie sie im GATT vereinbart sind (Meistbegünstigung, Nichtdiskriminierung im Falle von Handelshemmnissen, Gleichstellung mit inländischen Anbietern), sind sektoral unteilbar.
4
Vgl. u. a. Brock, S. 27 f. bzw. ders., A simple plan for negotiating on trade in services, in: The World Economy, Bd. 5, Nr. 3 (Nov. 1982), S. 229-240; hier: S. 237 f.
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Siegfried Schultz
3. Diffizile statistische Erfassung 5 Für die Erfassung und Darstellung des internationalen Dienstleistungshandels stehen als Datenbasis im wesentlichen die grenzüberschreitenden Leistungsströme zur Verfügung, wie sie sich im Zahlentableau der Zahlungsbilanz widerspiegeln. Nach IWF-Definition umfaßt Außenhandel alle registrierten Transaktionen zwischen Bewohnern eines Landes und Personen/Institutionen, die dort nicht ansässig sind 6 . Der Dienstleistungsabschnitt der Zahlungsbilanz bildet nur einen Teil der internationalen Verflechtung des (institutionell abgegrenzten) Dienstleistungssektors ab und läßt somit Dienstleistungen, die aus anderen Produktionsbereichen kommen, unberücksichtigt; ferner berichtet die Dienstleistungsbilanz über Ströme, die weder inhaltlich dem Dienstleistungssektor zuzuschreiben sind, noch aus ihm stammen. Dies gilt vor allem für Tätigkeiten von Unternehmen der primären und sekundären Wirtschaftsbereiche (Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe), die Dienstleistungen ins Ausland verkaufen 7 . Die derzeit mögliche zahlenmäßige Darstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Dienstleistungssektor insgesamt sowie in seinen verschiedenen Branchen hängt ganz wesentlich von der Erfassung in den Zahlungsbilanzen der einzelnen Staaten ab. Erhebliche definitorische Unterschiede und offenbar beachtliche statistische Fehler beeinträchtigen die Analyse des internationalen Dienstleistungsverkehrs. Für einige wirtschaftspolitische Fragen, ζ. B. die nach der Auslandsabhängigkeit oder nach der weltweiten Einkommensverteilung, kommt es weniger 5
Dieser Abschnitt fußt in weiten Teilen auf Petersen et al., op. cit., S. 21-34. Unter „Dienstleistungen11 werden im Rahmen der Zahlungsbilanzanalyse NichtFaktor-Leistungen verstanden, wie z. B. Frachten, sonstige Transporte, Reiseverkehr, andere private Leistungen sowie andere öffentliche Leistungen. „Faktoreinkommen" bezieht sich überwiegend auf Kapitaleinkommen. Gastarbeiterüberweisungen werden nach allgemeiner Konvention unter unentgeltlichen privaten Übertragungen verbucht. 7 Das betrifft vor allem Forschungs- und Entwicklungsleistungen, die auf die Produktanwendung abstellen. Bedeutend dürften aber auch viele andere Dienstleistungsarten sein, z.B. Handelsvermittlung, Unterstützung bei der Verkaufsförderung, Beratung im Management, Leasing, Bauplanung und -durchführung sowie SoftwareEntwicklung in der Datenverarbeitung. Typische Beispiele sind der Großanlagenbau und anwendungstechnische Beratungsstellen der Chemischen Industrie. Beim Großanlagenbau werden komplette Produktionsanlagen hergestellt; das verkaufte Gesamtprodukt umfaßt aber auch die Beratungs-, Planungs- und häufig auch Management· und Ausbildungsleistungen (zumindest in der Anlaufphase). Ähnlich ist es bei der chemischen Anwendungsberatung: Verkauft werden chemische Produkte einschließlich der auf den spezifischen Fall zugeschnittenen produktionstechnischen Lösungen, z. B. für die Optimierung der mechanischen Eigenschaften von Kunststoffartikeln oder für die erfolgreichste Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im konkreten Einzelfall. 6
Dienstleistungen und GATT
155
auf den Produktions- bzw. Verbrauchsstandort als auf das Sitzland des Eigentümers an, weil dort die zentralen Entscheidungen getroffen werden. Die Zuordnung von Transaktionen als Inlands-, Auslands- oder grenzüberschreitende Aktivität kann somit je nach Anwendung des einen oder des anderen Konzepts differieren. Dies wird besonders deutlich, wenn man die US-Praxis heranzieht: Dort sind Transaktionen zwischen einer Inlandsfirma und ihrer ausländischen Tochter nach dem Eigentümerkonzept keine grenzüberschreitende, sondern eine rein nationale Aktivität. Analog sind Transaktionen zwischen einem im Inland ansässigen Unternehmen in ausländischem Besitz und einer Unternehmung im Ausland gemäß Eigentümerkonzept kein internationaler, sondern ein rein ausländischer Geschäftsvorfall. Eine Transaktion zwischen einem inländischen Unternehmen und einem im Inland ansässigen Zweigbetrieb, der in ausländischem Besitz ist, wäre nach dem Standortkonzept kein, nach dem Eigentümerkonzept aber sehr wohl grenzüberschreitender Handel. Neben diesen definitorischen Differenzen gibt es nicht unerhebliche statistische Mängel, die bereits auf der nationalen Ebene die Analyse der außenwirtschaftlichen Verflechtung im Dienstleistungsbereich behindern. Auf der internationalen Ebene kommen weitere Schwächen hinzu, die den Ländervergleich dort beeinträchtigen, wo die nationalen Informationen unterschiedlich detailliert sind. Unter den durch diese Unzulänglichkeiten gesetzten Rahmenbedingungen sind Zahlungsbilanzstatistiken des IWF dank der laufenden Revision und Ergänzung die ergiebigste Quelle für den internationalen Vergleich von Dienstleistungsströmen. Dennoch ergeben sich auch dort Inkonsistenzen, die aus der globalen Dienstleistungsbilanz ersichtlich werden. Weltweit sollte es keinen Saldo zwischen Dienstleistungseinnahmen und -ausgaben geben. Tatsächlich betrug die Diskrepanz zwischen den aggregierten Ausgaben und Einnahmen aller Berichtsländer für Dienstleistungen (in der weiten Definition des IWF, also einschließlich Kapitalerträgen) 1984 knapp 100 Mrd. US-$8. Das IWF-Standardschema, nach dem die in den nationalen Dienstleiètungsbilanzen enthaltenen Informationen aufbereitet werden, kennt nur wenige Kategorien der grenzüberschreitenden Dienstleistungen 9 . Selbst bei diesem kargen Raster sind jedoch weder alle Länder abgedeckt (für manche Länder sind allerdings auch detailliertere Informationen ausgewiesen), noch sind die Daten der erfaßten Länder durchweg einheitlich dokumentiert. Insofern sollten internationale Zahlefivergleiche mit Zurückhaltung interpretiert werden. 8
IWF-„Survey" ν. 9.3.1987. Zur inhaltlichen Definition und meßtechnischen Abgrenzung im einzelnen s. IWF, Balance of Payments Manual, 4. Ausg., Washington, ©.C 1977. — Im nachfolgenden Zahlenabschnitt wurde für alle betrachteten Länder die Kategorie „Other goods, services, and income" benutzt. 9
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Siegfried Schultz
4. Dienstleistungshandel im Spiegel der Zahlen Unter Beachtung dieser Vorsichtsformeln lassen sich dennoch einige grobe Trends erkennen: —
Nur etwa 8 bis 10 v H der insgesamt erzeugten Dienstleistungen werden auch international gehandelt. Weltweit dürfte der Dienstleistungsexport nach — eher konservativen — IWF-Angaben 1985 eine Größenordnung von mindestens 400 Mrd. US-$ gehabt haben. Es finden sich aber auch ernstzunehmende Schätzungen, die davon ausgehen, daß die üblichen Statistiken das tatsächliche Handelsvolumen unterzeichnen und die den internationalen Handel mit Dienstleistungen bereits für 1980 auf 500 Mrd. US-$ beziffern 10 n . Der Anteil des Dienstleistungsexports dürfte bei etwa 25 bis 30 v H des gesamten Welthandels (Güter und Dienste zusammengefaßt) liegen.
—
Gut drei Viertel der Dienstleistungsausfuhr stammt aus Industrieländern. A n der Spitze stehen dabei seit längerem die USA mit ca. 10 v H des Exportvolumens; einige EG-Länder, wie Frankreich und die Bundesrepublik, folgen dicht auf. Japan, traditionell ein starker Importeur von Dienstleistungen 12 , hat bei seiner Ausfuhr im Laufe der achtziger Jahre aufgeholt. Einige Entwicklungsländer, wie Mexiko, Südkorea und neuerdings Brasilien, haben sich feste Positionen auf dem Weltmarkt aufgebaut. Insbesondere Singapur ist hier zu nennen, das mit nennenswerten Überschüssen in mehreren Dienstleistungssparten aber eher die Ausnahme unter den Ländern der Dritten Welt ist. Der Handel mit international gefragten Dienstleistungen ist hochgradig konzentriert und wird von einer Gruppe von rund 25 Ländern abgewickelt (Tabelle
1). —
10
Das Wachstum der Dienstleistungsausfuhr hat in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren deutlich zugenommen. Während in der Zeitspanne von 1970 bis 1980 bzw. 1982 die durchschnittliche jährliche Zunahme des Dienstleistungsexports um ein bis zwei Prozentpunkte unter der des Güterexports ( + 20 vH) lag 13 , ist der Dienstleistungsaustausch seit etwa Mitte der siebziger Jahre schneller als der Warenhandel gewachsen.
G. C. Hufbauer/ J. J. Schott , Trading for growth: The next round of trade negotiations. Policy Analyses in International Economics, Bd. 11 ; Institute for International Economics, Washington, D. C. 1985, S. 66. 11 Neben den erfassungstechnischen Schwierigkeiten selbst für "klassische" Dienstleistungssparten ist darüber hinaus auf die Lücken hinzuweisen, die sich aus dem nicht-erfaßten Dienstleistungsgehalt international gehandelter Güter ergibt. Einer schwedischen Studie zufolge galt 1980 für exportierte Bauleistungen eine Relation von 1:4 zwischen dem Wert der Ware und dem der Dienstleistungen. 12 J. D. Aronson, Trade in services: An agenda for international trade negotiations (Manuskript), Februar 1986, S. 7.
Dienstleistungen und GATT
157
—
Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt hat sich das Gewicht der Dienstleistungen in der Zeitspanne von 1975 bis 1985 in den meisten Industrieländern deutlich erhöht. Dies gilt bei den führenden Industrieländern („G-5" bzw. „G-7") für die Aus- und Einfuhr von Diensten durchweg. Dieses Muster findet sich auch bei den meisten Schwellenländern (Tabelle 2). Die im Vergleich zum Warenhandel schnellere Zunahme des Dienstleistungshandels im genannten Zeitraum gilt für die Mehrzahl der Industrieländer (Ausnahme: Kanada, Bundesrepublik), unter den betrachteten Entwicklungsländern auch für Südkorea und Indien.
—
Als „Devisenbringer" hat die Dienstleistungsausfuhr unter den führenden Industrieländern einen hohen Rang vor allem im Falle Großbritanniens, der USA und Frankreichs (ca. 40-50 v H der Gesamtausfuhr); hierzu tragen bei der benutzten statistischen Kategorie auch Erträge aus Direktinvestitionen bei. Die Bundesrepublik Deutschland und Japan bewegen sich eher im Mittelfeld (gut 20 vH), also in derselben Größenordnung wie die Schwellenländer Singapur, Indien, Mexiko und Südkorea. Deutlich wird auch der Stellenwert des Tourismus, vor allem für europäische Mittelmeeranrainer und einige Entwicklungsländer 14 (Tabelle 3).
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich Dienstleistungen zu einem wichtigen Bereich des Welthandels entwickelt haben. Der Zuwachs an Bedeutung des tertiären Sektors wird auch in Zukunft anhalten. Der Produktivitätsgewinn bei Benutzung moderner Techniken der Information, Kommunikation und Datenverarbeitung leistet der Ausweitung des Welthandels dadurch Vorschub, daß eine Reihe von Dienstleistungssparten besser als bisher oder überhaupt erst international handelbar werden 15 . Obwohl derzeit schneller im Wachstum als Produkte des verarbeitenden Gewerbes, verdrängen Dienstleistungen die Güter nicht vom Weltmarkt. Vielmehr ergänzt und unterstützt der Dienstleistungshandel den Warenhandel.
13
Aronson, a.a.O. — Nach Angaben einer Studie auf der Grundlage der „UNCTAD Data Base on Services" betrugen die Wachstumsraten sowohl für die Dienstleistungen als auch für die Gesamtausfuhr je etwa 5 vH weniger. Vgl. M. Gibbs, Continuing the intematioal debate on services, in: Journal of World Trade Law, Bd. 19, Nr. 3 (Mai/Juni 1985), S. 199-218; hier: S. 203. 14 Bei einigen Entwicklungsländern, die hohe Dienstleistungsanteile an ihrer Ausfuhr aufweisen, liegt die Vermutung nahe, daß auch ein Teil der Überweisungen aus dem Ausland hier verbucht wurde. 15 Aronson, S. 9.
1985
Vereinigte Staaten
1985
1985
BR Deutschland
Japan
1985
1985
1985
1985
1985
Italien
Niederlande
Schweiz
Saudi-Arabien
Kanada
Belgien/Luxemburg 1985
1985
Frankreich
Vereinigtes Königreich
Jahr
Länder
Tabelle 1
Mrd. $
Mrd. $
Mrd. $
Mrd. S
vH
vH
$
Bruttoinlands-
214.77 143.83 122.58 21.25 3.6 67.0 3957.00 1980 224.36 118.23 83.28 34.95 4.4 52.7 2684.40 1985 100.71 100.22 88.12 12.10 22.2 99.5 452.23 1980 110.28 91.22 82.32 8.91 17.0 82.7 535.07 95.75 58.49 50.54 7.95 11.4 61.1 511.64 1980 107.56 64.30 50.92 13.38 9.8 59.8 655.36 173.47 49.50 53.83 -4.34 7.9 28.5 624.97 1980 183.16 51.37 63.45 -12.08 6.3 28.0 813.61 173.58 45.52 50.69 -5.17 3.4 26.2 1325.21 1980 126.80 31.50 42.85 -11.35 3.0 24.8 1059.26 47.05 33.13 31.65 1.48 38.9 70.4 85.20 1980 55.17 33.77 32.33 1.44 28.1 61.2 120.34 72.21 26.03 24.00 2.03 7.8 36.0 333.61 1980 76.84 28.16 22.78 5.38 7.1 36.6 395.54 62.29 24.22 23.36 0.87 19.5 38.9 124.25 1980 67.49 30.26 28.66 1.60 17.9 44.8 169.38 37.06 19.62 11.04 8.58 21.3 52.9 92.14 1980 29.26 12.66 7.17 5.49 12.5 43.3 101.63 27.92 15.35 27.37 -12.02 16.4 55.0 93.65 1980 100.72 11.27 33.67 -22.41 9.7 11.2 115.97 90.24 14.79 29.16 -14.37 4.2 16.4 348.85 1980 67.51 10.51 20.38 -9.88 4.0 15.6 265.04
Export
Export
Güter-
VerhältVerhältnis zwi. nis zwi. DL-Export DL-Export produkt und BIP und Güter(BIP) Import Saldo Export
Dienstleistungen (DL)
Die wichtigsten Dienstleistungs — Exporteure, 1980 und 1985 158 Siegfried Schultz
1985
1980
24.01
20.56
14.75 8.90 5.85 9.0 61.4 164.08 13.31 8.82 4.49 6.3 64.7 210.21 Österreich 1985 16.91 12.59 8.84 3.74 19.1 74.5 66.05 1980 17.02 14.27 9.26 5.01 18.6 83.8 76.88 Norwegen 1985 19.92 9.54 10.71 -1.17 16.5 47.9 57.91 1980 18.66 9.60 9.91 -0.30 16.6 51.5 57.71 Schweden 1985 30.08 8.69 11.17 -2.48 8.7 28.9 100.25 1980 30.67 8.72 9.64 -0.91 7.0 28.4 124.15 Singapur 1985 21.50 8.23 5.28 2.95 45.3 38.3 18.19 1980 18.20 7.04 4.29 2.74 61.2 38.7 11.50 Mexiko 1985 21.87 7.86 16.19 -8.33 4.4 36.0 177.48 1980 16.07 8.57 14.17 -5.60 4.6 53.3 186.34 Südkorea 1985 26.39 6.66 8.11 -1.44 7.7 25.2 86.18 1980 17.22 5.36 6.76 -1.39 8.6 31.2 62.42 Australien 1985 22.28 5.13 13.18 -8.05 3.3 23.0 155.58 1980 21.56 4.78 10.32 -5.54 3.3 22.2 144.86 Israel 1985 6.59 4.10 5.65 -1.56 18.6 62.2 22.03 1980 5.80 3.99 4.58 -0.58 19.0 68.8 20.98 Ägypten 1985 3.84 3.44 4.40 -0.96 7.4 89.7 46.45 1980 3.85 2.66 2.93 -0.27 12.0 69.1 22.10 Jugoslawien 1983 9.91 3.31 5.45 -2.14 7.5 33.4 43.98 1980 9.08 4.73 6.50 -1.77 7.5 52.1 63.03 Finnland 1985 13.49 3.27 4.65 -1.38 6.6 24.3 49.67 1980 14.07 3.26 3.89 -0.63 6.3 23.2 51.62 Griechenland 1985 4.29 2.80 2.70 0.10 8.5 65.4 32.78 1980 4.09 4.28 2.02 2.26 10.7 104.5 40.15 Südafrika 1985 16.27 2.61 5.90 -3.29 4.8 16.1 54.40 1980 25.69 3.56 7.72 -4.16 4.5 13.8 79.70 Zur Abgrenzung und zum Berechnungsverfahren siehe Tabelle 2. Quelle: IWF, Balance of Payments und International Financial Statistics, verschiedene Jahrgänge.
Spanien
Dienstleistungen und GATT 159
1975
1985
1975
Güter
, .
imcu· moc Wachstum ' von 1975 bis 1985 " ~~ I ~~ Ausfuhr Einfuhr 1985 BIP
Güter Dienste Güter Dienste
C)
1975
Dienste
ΛΑ ,
1985
bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt
1985
Dienste
Einfuhr
b)
Dienstleistungen einschließlich aus dem Ausland bezogene und dorthin gezahlte Einkommen (ζ. B. Kapitalerträge). — Angaben für 1984 in Klammern. — c ) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate auf der Basis von Nominalwerten; jeweilige US-$ und Wechselkurse. Quellen: IWF, UN und nationale Quelle (Taiwan). — Berechnungen des DIW.
a)
Kanada 20,5 25,9 3,5 4,2 20,8 22,0 6,4 8,3 7,8 10,3 9,7 8,4 10,7 Japan 10,9 13,1 2,7 3,4 9,9 8,9 3,8 3,8 10,2 12,3 12,9 9,0 10,4 USA 6,8 5,4 3,1 3,6 6,2 8,6 2,2 3,1 9,6 7,2 11,5 13,2 13,5 Belgien/Luxemburg 35,2 55,3 16,4 38,9 36,5 55,6 13,9 37,2 2,7 7,4 11,9 7,1 Bundesrep.Deutschland 21,0 27,8 5,5 8,0 17,0 23,3 7,0 8,6 4,1 7,1 7,9 7,4 Frankreich 14,7 18,8 6,9 11,5 14,4 19,7 5,7 9,9 4,2 6,8 9,6 7,5 10,2 Großbritannien 18,1 22,2 13,4 22,0 21,3 22,7 11,3 19,4 6,8 9,0 12,3 7,5 12,7 Italien 18,0 21,8 5,7 7,8 18,6 23,7 5,6 7,3 6,4 8,5 9,8 9,1 9,4 Niederlande 36,8 50,2 14,8 19,5 35,8 46,0 12,7 18,9 3,6 6,9 6,6 6,3 7,8 Spanien 7,4 14,6 5,8 9,0 14,5 17,0 3,2 5,4 4,6 11,9 9,3 6,3 10,4 Österreich 20,0 25,7 13,0 19,1 25,2 31,7 8,1 13,4 5,8 8,4 9,9 8,2 11,3 Schweiz 24,1 40,2 11,6 21,3 24,2 41,9 6,1 12,0 5,4 11,0 12,0 11,4 12,8 Brasilien 6,8 (12,9) 1,2 (1,5) 9,7 (6,6) 4,0 (7,8) (6,0) 11,7 9,8 0,9 12,9 Hongkong 64,3 (88,8) 72,2 (89,5) (14,6) 17,5 15,9 Indien 5,3 (5,4) 1,1 (2,0) 5,6 (7,6) 1,6 (2,6) (8,7) (9,1) (16,1) (12,4) (14,3) Mexiko 3,4 12,3 3,8 4,4 7,1 7,6 4,8 9,1 7,3 21,9 8,9 7,9 14,2 Singapur 90,6 (120,8) 56,1 (48,8) 133,2 (142,5) 23,2 (29,9) (14,3) 15,5 10,0 12,6 14,9 Südkorea 23,7 30,7 4,2 7,7 31,6 30,7 6,3 9,4 15,1 18,1 22,4 14,8 19,9 Taiwan 34,5 51,5 6,3 8,4 36,1 32,6 8,5 11,3 14,4 19,1 17,7 13,3 17,7
1975
Güter
Ausfuhr
Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie Güter- und Dienstleistungshandela), 1975 und 1985b) in vH
13,2 6,4
160 Siegfried Schultz
Dienstleistungen und GATT
161
5. Bisherige Behandlung von Dienstleistungen im GATT Das GATT-Vertragswerk bezieht sich nur in sehr begrenztem Umfang auf Dienstleistungen. Der Ausdruck „Produkt" ist im Vertragstext nicht ausdrücklich definiert und könnte insofern auf Dienstleistungen ausgedehnt werden 16 . Die Vorgeschichte des Abkommens von 1947 läßt jedoch erkennen, daß das GATT im wesentlichen für Güter entworfen worden ist. Nur wenige Artikel beziehen sich direkt auf den Dienstleistungshandel 17 , andere könnten modifiziert werden, um eine Anwendung auf Dienste zu ermöglichen. Der Bedarf an Regeln für international gehandelte Dienstleistungen verstärkte sich im Zuge der wachsenden Bedeutung von Diensten bei der Fortentwicklung der klassischen Industrieländer in Richtung auf „post-industrielle Informationsgesellschaften". Der Ruf nach solchen Regeln artikulierte sich Mitte der siebziger Jahre, zuerst in den USA; sie waren seither die treibende Kraft, Dienstleistungen auf die Agenda für multilaterale Verhandlungen zu setzen. Mit dem Trade Act (1974) erhielt der Präsident Verhandlungsvollmacht für weitreichende internationale Vereinbarungen im Rahmen der Tokio-Runde auch über Einzelaspekte des Dienstleistungsverkehrs. Im Zuge der weltweit wachsenden Bedeutung von Dienstleistungen als eigenständigem Bereich des internationalen Handels wurde dieses Mandat im Trade Agreements Act (1979) inhaltlich erweitert. Der tatsächliche Erfolg der Tokio-Runde in bezug auf Dienstleistungen war sehr begrenzt, weil die Mehrzahl der Vertragsparteien befürchtete, die Verhandlungen zu überfrachten. Stattdessen wurde über Einzelaspekte am Rande verhandelt. So enthalten einige der in der Tokio-Runde verabschiedeten Kodizes in gewissem Umfang bereits Aspekte, die auch für den Dienstleistungsbereich relevant sind (ζ. B. Regierungskäufe, Zollwertfeststellung, Subventionen und Ausgleichsabgaben sowie das Sektorabkommen über den Handel in der Zivilluftfahrt) 18 . 16 A. Koekkoek/J. de Leeuw, The applicability of GATT to international trade in services: General considerations and the interest of developing countries, in: Außenwirtschaft, 42. Jg. (1987), Heft I, S. 65-84; hier: S. 70. 17 Dies ist der Fall bei den Artikeln III (Verkauf, Transport, Verteilung), Artikel III ( 10) in Verbindung mit Artikel IV (Spezifizierung von mengenmäßigen Beschränkungen bei der Vorführung importierter Kinofilme), Artikel V (freier Transitverkehr), Artikel VIII (Begrenzung von Abgaben), Artikel XVII (Regeln für Staatshandelsunternehmen und Vermarktungsgesellschaften) sowie Artikel XXXVII (Appell zur Begrenzung von Handelsspannen bei Erzeugnissen aus Entwicklungsländern, soweit der Staat darauf einen Einfluß hat). R. J. Krommenacker, World-traded services: The challenge for the eighties, Dedham, Ma. 1984, S. 163. — Vgl. auch R. Senti, GATT als System der Welthandelsordnung, Zürich 1986, S. 351. 18 R. J. Krommenacker, Trade-related services in GATT, in: Journal of World Trade Law, Bd. 13, Nr. 6 (Nov./Dez. 1979), S. 510-522, hier: S. 515 ff. — Zu einer 11 Konjunkturpolitik, Beiheft. 34
162
Siegfried Schultz
Tabelle 3: Anteil der Dienstleistungen an der Gesamtausluhr von Gütern und Diensten10, 1985b) in vH 10 bis 15
unter 10 Nigeria Algerien Ghana Kongo Libyen Gabun Oman Rumänien Sambia Zaire Indonesien Liberia Nicaragua
3 5 6 6 6 7 7 7 7 7 8 8 9
Guatemala Mauretanien Papua-Neug. Ecuador Brasilien Surinam Honduras Kanada Simbabwe Südafrika Taiwan Ungarn Madagaskar Malaysia
15 bis 20 11 11 11 12 13 13 14 14 14 14 14 14 15 15
Bolivien China, VR Irland Uganda Venezuela Niederl.Ant. Birma Guyana Argentinien Australien Botsuana Trinidad&T. Finnland
20 bis 25 15 15 15 16 16 17 18 18 19 19 19 19 20
Chile Malawi Mali Salomonen Sri Lanka Südkorea Japan Bangladesch BR Deutschland Kamerun Peru Ruanda Schweden Kolumbien El Salvador Neuseeland Sierra Leone Tansania Sao Tomé&P. Tschad · Zentr.Afr.R.
20 20 20 20 20 20 21 22 22 22 22 22 22 23 24 24 24 24 25 25 25
a) Einschließlich aus dem Ausland bezogene Einkommen (ζ. B. Kapitalerträge). — b ) bzw. das jüngste verfügbare Jahr (1984: Äthiopien, Antigua & Barbuda, Dominikan. Rep., El Salvador, Gabun, Haiti, Indien, Irland, Jemen (DVR), Kamerun, Kongo, Libyen, Madagaskar, Marokko, Mauretanien, Papua-Neuguinea, Ruanda, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Tschad, Zaire, Zentralafrikan. Rep.; 1983: Gambia, Jugoslawien, Nicaragua, Niederländ. Antillen, St. Lucia, St. Vincent; 1982: Burkina Faso, Malawi; 1981: Tansania, Tonga, Uganda; 1980: Senegal.) Quellen: IWF, International Financial Statistics und Balance of Payments Yearbook; verschiedene Ausgaben; The Central Bank of China, Financial Statistics, Nr. 7/86. — Berechnungen des DIW.
Im SchluBkommuniqué der GATT-Ministerratstagung vom November 1982 wurden Dienstleistungen explizit angesprochen — mehr oder minder als Erinnerungsposten im letzten Punkt der gemeinsamen Erklärung. Imgenerellen handelspolitischen Bewertung der Kodizes s. B. Stecher, Zum Stand der internationalen Handelspolitik nach der Tokio-Runde. Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 69, Kiel 1980, S. 8 ff.
Dienstleistungen und GATT
163
Tabelle 3: (Fortsetzung)
30 bis 40
25 bis 30 Bahrain Jugoslawien Mauritius Italien Mexiko Togo Costa Rica Dominiça Indien Pakistan Marokko Niederlande Singapur Türkei Dänemark Portugal Somalia
25 25 25 26 26 26 27 27 27 27 28 28 28 28 29 29 29
Burkina Faso Thailand Belize Norwegen Gambia Syrien Äthiopien Elfenbeink. Haiti Island St. Vincent Saudi-Arab. Schweiz Uruguay Dominik.Rep. Kuwait Frankreich Israel Kenia Spanien Tunesien Swasiland Griechenland
über 50
40 bis 50 31 31 32 32 33 33 34 34 34 34 34 35 35 36 37 37 38 38 38 38 38 39 40
USA Belgien/Lux. Westsamoa Philippinen Österreich Senegal Ägypten St. Lucia Sudan Jamaika Nepal Großbritan. Malta
40 41 41 42 43 46 47 47 47 48 49 50 50
Grenada Fidschi Barbados Jordanien Tonga Panama Zypern Antigua&B. Paraguay Malediven Wanuatu Bahamas Jemen, DVR Lesotho Seychellen Jemen, AR
56 60 62 62 63 69 69 72 72 74 78 79 81 94 94 96
merhin war damit dokumentiert, daß es sich dabei nicht nur um eine Sammlung sektorspezifischer Einzelfragen handelt, sondern um einen Themenbereich, der generelle Fragen der Handelspolitik aufwirft und künftig die Aufmerksamkeit aller Vertragsparteien finden sollte. Als Ergebnis des Arbeitsauftrags des Ministerrats von 1982 liegt inzwischen eine Reihe nationaler Studien über die Dienstleistungsproblematik vor, die eine Mischung aus historischer Darstellung, quantitativer Analyse und voluntaristischer Zukunftsbeschreibung sind. Gemäß der Ministererklärung vom September 1986 in Punta del Este ist für den Bereich der Dienstleistungen eine gesonderte Verhandlungsgruppe im Rahmen der neuen Runde multilateraler Handelsgespräche eingerichtet worden. Das Arbeitsprogramm ist nach schleppendem Vorlauf im Januar 1987 festgelegt worden, und bis dato hat die Verhandlungsgruppe in zwei Sitzungen den verabredeten Themenkatalog von fünf sogenannten Kem-„Elementen" 19 in Angriff genommen, wobei sich die Arbeit bislang auf definitorische und statistische Fragen konzentriert. 11·
164
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6. Nord-Süd-Problematik Bei allen kontroversen Debatten auch innerhalb der Gruppe der Industrieländer (ζ. B. US-Kritik an der staatlichen Monopolstellung der PTT-Dienste in Europa) ziehen die Industrieländer doch mehr oder weniger an einem Strang in bezug auf die Einbeziehung des Dienstleistungs-Themas in die multilateralen Verhandlungen. Das Konfliktpotential konzentriert sich vor allem im Verhältnis Nord - Süd. Die raschen technologischen Veränderungen im Dienstleistungssektor schaffen Möglichkeiten für eine starke Expansion auch des Dienstleistungshandels zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Eine Fülle von sektorspezifischen Handelshemmnissen hat eine Reihe führender Industrieländer veranlaßt, sich für die Schaffung weltweit akzeptierter Regeln für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr einzusetzen. In der großen und zudem inhomogenen Gruppe der Entwicklungsländer steht das Interesse an einer Behandlung der akuten Probleme der Verschuldung und an Verhandlungen über eine stärkere Unterstützung der Entwicklung im Vordergrund — sei es im Wege spürbar verbesserter Exportchancen, verstärkter kommerzieller Kreditgewährung oder großzügigerer Kapitalhilfe 20 . Mit Ausnahme einiger Schwellenländer (ζ. B. Hongkong und Singapur) steht die Mehrzahl der Entwicklungsländer derzeit jedem internationalen Abkommen skeptisch gegenüber, das ihre Handlungsfreiheit eingrenzen würde, ihr eigenes Dienstleistungspotential gegen den erwarteten Importdruck bei Marktöffnung zu schützen. Diese in Vorabsprachen gefestigte Position steht dem US-Begehren diametral entgegen, die Liberalisierung im Dienstleistungsbereich auf jeden Fall voranzutreiben. Dieser potentielle Sprengsatz für die gesamte anstehende neue Verhandlungsrunde konnte in Punta del Este durch den Kunstgriff entschärft werden, über Nachbesserungen im Warenbereich und die Neuordnung im Dienstleistungsbereich formal getrennt zu verhandeln. Einflußreiche Entwicklungsländer, in erster Linie Brasilien und Indien, wehren sich seit längerem vehement gegen eine Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs im Rahmen des GATT. Sie fürchten, daß Konzessionen im Warenhandel mit einer Marktöffnung für Dienstleistungen verknüpft wür19 GATT, „Focus"-Newsletter, Nr. 43 (Jan./Febr. 1987), S. 7 f. Diese „Elemente" sind: — Definition und statistische Fragen — Grundkonzepte für konkrete Prinzipien und Regeln — Reichweite multilateraler Gespräche — Vorhandene Regeln und Übereinkommen — Handelshemmnisse 20 Vgl. „GATT: Aktuelle Handelspolitik gegenüber der Dritten Welt", in: DIWWochenbericht, Nr. 36/86, S. 456.
Dienstleistungen und GATT
165
den, durch die sie ihre Souveränität bedroht sehen: Ein liberalisierter Dienstleistungshandel führe zur Überfremdung in Schlüsselbranchen wie Banken, Versicherung und Nachrichtenwesen; wirtschaftlich nütze er in erster Linie den etablierten Unternehmen der Industrieländer 21 . Diese Sorge ist nicht unbegründet; andererseits überschattet sie ein nüchternes Urteil über den Nutzen, den ein stärker liberalisierter Dienstleistungshandel auch Entwicklungsländern zu bringen vermag. Bei ungleicher Marktmacht ist die Alternative zu fehlenden multilateralen Abkommen in aller Regel eine bilaterale „Lösung" mit einseitigem Vorteil. Unter solchen Voraussetzungen ist der Druck auf einzelne Entwicklungsländer, ihre Märkte zu öffnen, im Zweifel höher (und die Chance, in anderen Bereichen besseren Marktzutritt zu erhalten, schlechter) als unter einem multilateralen Dach mit verabredeten Prinzipien und Grundregeln — die freilich auch von einem wirksamen Mechanismus der Konfliktregulierung flankiert sein müssen. Der unter Berücksichtigung des weltwirtschaftlichen Strukturwandels multilateral zu schaffende vertragliche Rahmen für die Abwicklung des Dienstleistungshandels müßte, soll er Chancen zum Abbau der abwartenden oder völlig ablehnenden Haltung der meisten Entwicklungsländer haben, auf spezielle Probleme und Bedürfnisse dieser Staatengruppe eingehen 22 . Jenseits der politischen Kategorie der „Überfremdung" (alternativ auch: Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit, Verlust an Kontrolle strategischer Bereiche) werden als Begründung mit ökonomischem Hintergrund vor allem die nachhaltigen Zahlungsbilanzprobleme, der Schutz für neu aufzubauende Wirtschaftszweige („infant industry"-Argument) 23 und die zentrale Rolle der Dienstleistungen bei der Bereitstellung von Infrastruktur für die Entwicklung zukunftsträchtiger Branchen herausgestellt. Dieses Argument läßt sich freilich auch umkehren: Gerade weil es sich dabei um essentielle Inputs zum Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaftsstruktur handelt, sollten Entwicklungsländer zu ihrem eigenen ökonomischen Vorteil vom — zudem unter Konkurrenzbedingungen preisgünstigen — ausländischen Angebot Gebrauch machen. Überdies legt die Theorie der komparativen Kosten nahe, im Zuge der stärkeren Einbindung in die inter21
Wirtschaftsdienst 1985/X, S. 490. Krommenacker, World-trade services . . ., S. 124, sowie R. Κ. Shelp, Trade in services, in: Foreign Policy, Nr. 65 (Winter 1986/87), S. 64-84; hier : S. 83. 23 Zu einem Katalog der Motive für die Einführung bzw. Aufrechterhaltung von Handelshemmnissen im Dienstleistungsbereich s. S. Schultz, Protektionismus im Dienstleistungssektor, in: H. Giersch (Hrsg.), Probleme und Perspektiven der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Schriften des Vereis für Socialpolitik/Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, N. F., Bd. 148, Duncker & Humblot, Berlin 1985, S. 185 ff. — Vgl. auch C. Secchi und A. Guglielmetti, Developing countries and international trade in services, in: EADI-Bulletin 2.85, S. 11-33; hier: S. 19 ff. 22
166
Siegfried Schultz
nationale Arbeitsteilung sich nicht nur auf die klassischen Exportprodukte zu konzentrieren, sondern auch bei Dienstleistungen auf jene Sparten zu setzen, bei denen sich aufgrund der Faktorausstattung komparative Vorteile ergeben. Leider ist das empirisch belegte Wissen über die Determinanten des internationalen Dienstleistungshandels noch recht begrenzt 24 . Bei dem Versuch, im Rahmen des Weltbankstudienprogramms den klassischen Ansatz der Theorie der komparativen Kosten durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Faktorausstattung zu ergänzen und — wie auch die Produktzyklustheorie — empirisch zu testen 25 , konnten einige ökonomische Faktoren als Bestimmungsgründe für komparative Vorteile und damit für die Struktur des internationalen Dienstleistungsverkehrs identifiziert werden. Dies sind im wesentlichen die Ausstattung mit physischem Kapital und mit Humankapital. Vor allem das Angebot im Verkehrswesen (Fracht- wie Passagierdienste) werde von der Ausstattung mit physischem Kapital determiniert, während Humankapital nach dieser Studie ein zentraler Faktor beim konkurrenzfähigen Angebot von Versicherungsleistungen ist. Der grenzüberschreitende Handel mit „sonstigen Dienstleistungen" steht offenbar in engem Zusammenhang mit technologischem Know-how 2 6 — das wiederum eine Funktion der Ausstattung mit Humankapital ist. Die starke Know-how-Komponente der Sammelgruppe „sonstige Dienste" im Falle der Industrieländer und die starke personelle Besetzung dieser Gruppe sowohl in Industrie- wie in Entwicklungsländern nährt den Verdacht, daß die geringe Disaggregation der derzeit verfügbaren statistischen Information wichtige qualitative Unterschiede der Art der Dienstleistungen und ihrer Produktivität verdeckt. Immerhin spricht einiges für die These 27 , daß im nationalen Kontext die zur Güterproduktion komplementären Dienstleistungen (etwa im Verkehrs- und Versicherungswesen) in Industriewie in Entwicklungsländern durchaus vergleichbar sind, hingegen die »Residual 1 -Dienste in Entwicklungsländern zu einem beträchtlichen Teil aus persönlichen Dienstleistungen mit geringer Produktivität bestehen, während sie in Industrieländern in starkem Maße die informationsintensiven Aktivitäten enthalten. Dies würde bedeuten, daß Industrieländer daraus im inter24 Diesen Punkt betonen insbesondere Herman/van Holst, die im übrigen dem Heckscher-Ohlin-Ansatz nur sehr begrenzten Wert zur Erklärung und insbesondere Vorhersage von Handelsströmen zusprechen. B. Herman/ Β. van Holst, International trade in services: Some theoretical and practical problems, in: EADI-Bulletin, 2.85, S. 35-62; hier:S. 42 f. 25 A. Sapir/G . Lutz, Trade in services: Economic determinants and development —related issues. World Bank Staff Working Paper, Nr. 480; Washington, D. C. 1981. 26 A. Sapir, North-South issues in trade in services, in: The World Economy, Bd. 8, Nr. 1 (März 1985), S. 27-42; hier: S. 36. 27 J. F. Rada, Information technology and services (Manuskript), Januar 1986, S. 17 f.
Dienstleistungen und GATT
167
nationalen Handel einen Wettbewerbsvorteil ziehen, weil nicht nur ihre dominierende Stellung in dynamischen Zweigen des verarbeitenden Gewerbes (z.B. Computer, Telecom-Ausrüstung) den wachsenden informationsintensiven und datenverarbeitungsbasierten Teil ihres Dienstleistungsbereichs unterstützt, sondern auch der (über eine bessere Humankapitalausstattung pro Erwerbstätigen) leistungsfähigere Tertiärbereich die weltweite Vermarktung physischer Güter erleichtert sowie die internationale Verkehrsfähigkeit bestimmter Dienstleistungen erhöht. Diese „Inputkomplementarität von Gütern und Diensten" 28 bedeutet, daß sich komparative Vorteile bei der kapitalintensiven Erzeugung von Gütern und Diensten gegenseitig verstärken. Die enge Verknüpfung von Hardware bei high-tech-Produkten und begleitenden Dienstleistungen (Software und Wartung) macht dies besonders deutlich. Beispiele lassen sich aber auch im Großanlagenbau und bei Bauleistungen finden 29 . Dieser Zusammenhang mag einen Teil des Argwohns der Entwicklungsländer erklären, mit dem sie den Liberalisierungsbemühungen führender Industrieländer begegnen 30 . Liberalisierung ist aber nicht notwendigerweise ein Nullsummen-Spiel. Auch Nettoimporteure von Dienstleistungen ziehen Vorteile aus der erweiterten internationalen Arbeitsteilung. Im Zuge der zunehmenden „Informatisierung" der Gesellschaft gehen von intelligenten' Dienstleistungen dynamische Rückwirkungen auf die Güterproduktion aus. Es wäre für die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer von Nachteil, wenn sie den Import und die heimische Erzeugung von Dienstleistungen nur als Alternative sehen. Allerdings sind zu einer Auflockerung der Position der Mehrheitsfraktion der Entwicklungsländer auch spürbare Schritte zur Senkung des Protektionsniveaus in Industrieländern für das traditionelle Angebot der Dritten Welt erforderlich, um den Boden für eine globale Lösung zu bereiten.
7. Mutmaßliche Verhandlungslinien Die Vorgeschichte der GATT-Ministerratstagung vom September 1986 hat deutlich gemacht, wie schwierig es ist, in wirtschaftlichen Krisenzeiten globalen Ordnungsprinzipien Geltung zu verschaffen und neue Bereiche der internationalen Zusammenarbeit zu regeln. Die vier Jahre seit dem vorletzten Ministerrat waren durch eine Reihe taktischer Kunstgriffe gekennzeich28 Sapir , S. 36. — Vgl. auch R. J. Krommenacker, The impact of information technology on trade interdependence, in: Journal of World Trade Law, Bd. 20, Nr. 4 (Juli/August 1986), S. 381-400. 29 Vgl. Fußnoten 7 und 11. 30 Dieser Abschnitt folgt Sapir, North-South issues ..., S. 40.
168
Siegfried Schultz
net, die den Diskussionsprozeß materiell voranbrachten, ohne dabei Grundsatzentscheidungen auszulösen. Dazu zählt nicht zuletzt, trotz widerstreitender Interessen wichtiger Länder die Vorarbeit für ein neues hochrangiges Treffen zu leisten. So konnte die seit 1984 existierende „Jaramillo-Gruppe" zur Befriedigung der „hardliner" unter den Entwicklungsländern ihre Tätigkeit fortsetzen, während parallel dazu ein Vorbereitungskomitee unter A. Dunkel Vorschläge für die Organisation einer neuen Handelsrunde ausarbeitete 31 . In Punta del Este setzte sich diese Art des politischen Kompromisses fort, indem das Thema Dienstleistungen durch eine Entscheidung der beteiligten Minister in ihrer Funktion als Ressortchefs für Wirtschaft bzw. Handel auf die Tagesordnung kam, hingegen der Beschluß über Verhandlungen im Güterverkehr von denselben Personen in ihrer Rolle als Vertreter von GATT-Vertragspartnern gefaßt wurde 32 . Eine formale Klammer bildet der neu gegründete Handelsverhandlungsausschuß, der die Fortschritte in beiden Bereichen überwacht. Die Ergebnisse sollen nach jetziger Planung 1990 einem GATT-Ministerrat als Gremium der vertragsschließenden Parteien vorgelegt werden, der dann entscheidet, ob die Empfehlungen aus dem Dienstleistungsflügel der Verhandlungen in das GATT eingegliedert werden. Derartige Verfahrensfragen scheinen in ökonomischer Perspektive als recht läppisch, doch bieten sie in der Handelsdiplomatie den Beteiligten Ausweichmöglichkeiten unter Wahrung des eigenen Gesichts 33 . Vor der förmlichen Eröffnug der Uruguay-Runde haben die USA sehr deutlich zu erkennen gegeben, daß sie versuchen würden, eine Union Gleichgesinnter zu organisieren, sollte ein neuer Anlauf, den Dienstleistungshandel im GATT zu regeln, abermals scheitern. Als Kerngruppe wären im wesentlichen die OECD-Länder in Frage gekommen, zuzüglich einiger kooperationswilliger ASEAN-Länder 34 . Aber auch rein bilaterale Vereinbarungen nach dem Muster des Handelsabkommens mit Israel und der Verhandlungen mit Kanada waren im Gespräch. Die Vorteile einer solchen Regional-Liberalisierung sollten weitere Interessenten — mit Gegenkonzessionen — anlocken. Dieses Vorgehen käme amerikanischen Wünschen entgegen, nämlich sowohl eine schnelle Lösung zu schaffen als auch ,Trittbrettfahrer' fernzuhalten. Die Gefahr dieser zweitbesten Lösung — häufig als „GATT-Plus" apostrophiert, obwohl die gegenteilige Wertung treffender wäre — ist offenkundig: Der Welthandel würde weiter fragmentiert, und zwar nicht nur sektoral, sondern auch regional. Rückwirkungen auf Bereiche, die durch Meistbegünstigung geregelt sind, wären möglich.
31 32 33 34
Zu mehr Details s. Koekkoek/de Leeuw, S. 78-80. Shelp, S. 76. Neue Zürcher Zeitung v. 13. Juli 1985, S. 16. Aronson, S. 42.
Dienstleistungen und GATT
169
Bei der jetzigen GATT-Option sind verschiedene Formen für die Regelung des Dienstleistungsbereiches denkbar. Es ist nicht völlig auszuschließen, daß sich die Gespräche in eine solche Richtung entwickeln, daß die Mehrheit der Verhandlungspartner schließlich überzeugt ist, die Spezifika des Sektors rechtfertigten auch materiell eine getrennte Behandlung. So haben zwar die 16 nationalen Studien aus Industrieländern über Kennzeichen, Stellenwert und Probleme des Dienstleistungssektors die Vermutung erhärtet, daß eine Reihe von Gemeinsamkeiten gesehen wird, die Anlaß für ein einheitliches Vorgehen bei der Formulierung von Regeln für den internationalen Handel sein könnten. Demgegenüber betont jedoch insbesondere Frankreich die Heterogenität des Dienstleistungsmarktes mit seinen differenzierten Produkten und vielfältigen Regulierungen. Im Kreis der Industrieländer ist die Position der Niederlande eher skeptisch in bezug auf rasch erzielbare Ergebnisse in einem Feld, für das bislang keine klare definitorische Abgrenzung existiert. Ähnliche Passagen finden sich auch in der EG-Studie 35 . Die Skeptiker verbindet überdies die Überzeugung, daß der internationale Flügel des Dienstleistungsmarktes von multinationalen Unternehmen beherrscht wird, die umfangreiche Transaktionen innerhalb ihres weltweit gespannten Konzernnetzes abwickeln, über deren Geschäftsgebaren besonders wenig bekannt ist. Sollten sich die Bedenken häufen, könnte dies zur Folge haben, daß die Verhandlungen über Dienstleistungen sich über Erwarten in die Länge ziehen und damit einen schnelleren Abschluß im Warenbereich behindern. Eine solche sachliche und zeitliche Verselbständigung der Verhandlungspakete entspräche im übrigen dem zuvor bei informellen Gesprächen in Stockholm (1985) von Brasilien eingebrachten 36 und von Indien im März 1987 erneuerten Vorschlag, ein multilaterales Dienstleistungs-Vertragswerk vollständig unabhängig vom Güterverkehr auszuhandeln mit dem Ziel, auf diese Weise der kreuzweisen Verrechnung von Konzessionen und Vergünstigungen wirksam vorzubeugen. Die Alternativen einer Behandlung unter dem Dach des GATT laufen im Prinzip darauf hinaus, entweder existierende Vertrags-Artikel und Kodizes abzuändern bzw. zu erweitern oder neue Kodizes nach Art der bereits früher bechlossenen zu entwickeln. Da einige Teile des GATT-Textes nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Vertragsparteien geändert werden können und andere gar Einstimmigkeit fordern, ist die Ergänzung keine praktikable und daher eine unwahrscheinliche Lösung 37 . Der Ausweg ist die Fortsetzung 35
GATT, Services: Analytical summary of information exchanged among Contracting Parties, MDF/7/Rev. 2, 25. Nov. 1985. 36 Hufbauer/Schott, S. 69. 37 Diese Ausführungen stützen sich auf P. Rees, The future of the GATT in a troubled world, in: Die Zukunft des Welthandels: Protektionismus oder offener Welthandel? / The future of world trade: Freedom or protectionism? Festschrift für W. Haferkamp zum 60. Geburtstag, Baden-Baden 1983, S. 57-65; hier: S. 59.
170
Siegfried Schultz
einer 1967 mit der Formulierung des Antidumping-Kodex begonnenen Praxis, mit interessierten Vertragsparteien Nebenabsprachen zu treffen, die nicht mit dem Text des GATT-Abkommens verknüpft sind. Potentiell steht es dann den über 90 Vertragsparteien und den weiteren rund 30 Ländern, die de facto GATT-Regeln anwenden, frei, auf der Basis bedingter Meistbegünstigung beizutreten; tatsächlich ist es natürlich ein Instrument, das Teillösungen auch bei mangelnder Mehrheit bzw. Einstimmigkeit schafft. Die Flexbilität der Kodex-Technik hat es beispielsweise ermöglicht, die Verhandlungsergebnisse über einige nicht-tarifäre Hemmnisse im Rahmen der Tokio-Runde in eine Form zu gießen, die mit Sicherheit nicht den juristischen Voraussetzungen zur Änderung von GATT-Artikeln genügt hätte. Freilich hat dieser Kunstgriff auch seinen Preis: Einige der bisherigen Kodizes sind nur von einer Minderheit der GATT-Mitglieder unterschrieben worden, d.h. die ursprünglichen Hoffnungen in bezug auf die Zahl der späteren Signatarstaaten haben sich nicht erfüllt. Insofern ist durchaus eine Fragmentierung des juristischen Rahmens des GATT im weiteren Sinne eingetreten. Aber solche Unterschriften ,,à la carte" 38 dürften immer noch einen stärkeren Zusammenhalt des GATT-Rahmens gewährleisten als Sonderabkommen im Kreis einiger wirtschaftlich fortgeschrittener Länder. Eine der zentralen Aufgaben für den fruchtbaren Fortgang der derzeitigen Verhandlungen ist die Entwicklung eines tragfähigen „konzeptionellen Rahmens", der die Probleme im Tertiärsektor angemessen berücksichtigt, den von Land zu Land unterschiedlichen Stellenwert der öffentlichen Hand bei der Gestaltung des Dienstleistungsbereichs sowie die rasche technologische Veränderung und die dadurch fließend gewordenen Abgrenzungen zwischen einzelnen Dienstleistungssparten in Rechnung stellt 39 . Innerhalb der OECD leistet der Handelsausschuß dafür seit einer Reihe von Jahren wertvolle Vorarbeiten. Insbesondere geht es dabei um die Identifizierung von Parallelen und Unterschieden zwischen dem Güter- und dem Dienstleistungsbereich 40 . Als schwierig hat sich dabei herausgestellt, eine klare Abgrenzung zwischen Fragen zu schaffen, die den Handelsbereich betreffen, und jenen, die sich auf Investitionen beziehen. Zwar sind ausländische Investitionen ein Teil der internationalen Kapitalbewegungen und nicht des Dienstleistungshandels. Aber Dienstleistungen sind von der Investitionsproblematik besonders tangiert, weil eine Reihe von ihnen nur durch Nieder38 Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments zur neuen Runde multilateraler Handelsverhandlungen im Rahmen des GATT, Dok. A2-87/86; Zwischenbericht von H.-J. Zahorka, in: ABl. Nr. C 255 v. 13.10.1986, S. 77, Punkt 60. 39 H. B. Malmgren, Negotiating international rules for trade in services, in: The World Economy, Bd. 8, Nr. 1 (März 1985), S. 11-26 bzw. wiederabgedruckt in: economic impact, Nr. 54, 1986/2, S. 27-32; jeweils letzte Seite. 40 Shelp, S. 71 f. — Vgl. auch D. Lorenz, Ein GATT für die Merkantilisten?, in: Wirtschaftsdienst 1985/X, S. 497-502; hier: S. 499.
Dienstleistungen und GATT
171
lassungen im Verbraucherland („in situ") bereitgestellt werden kann. Entsprechend ist hier auch das Arsenal der Abwehrmaßnahmen zweigeteilt 41 : So sieht sich der internationale Dienstleistungshandel Hemmnissen gegenüber, die zum Teil durchaus denen im Warenhandel vergleichbar sind. Darüber hinaus gibt es jedoch zusätzliche Behinderungen für jene Fälle, in denen das Dienstleistungsangebot über Investitionen im Gastland stattfindet. Unter den Vorarbeiten innerhalb der OECD-Gruppe sind sowohl von den sektorspezifischen Studien über einzelne Dienstleistungssparten (Bau- und Ingenieurwesen, Versicherung, Schiffahrt, Banken, Tourismus etc.) als auch durch die Untersuchungen über generelle Charakteristika und Probleme des Dienstleistungssektors positive Impulse auf die Diskussionen im Kreis der GATT-Mitglieder ausgegangen. Insbesondere der sektorübergreifende, „horizontale Ansatz" hat eine Reihe von Stichworten geliefert bzw. vorhandene Begriffe präzisiert 42 . Dazu zählen vor allem Fragen des Marktzutritts, der Transparenz der Marktbedingungen, des Niederlassungsrechts sowie der nationalen Behandlung und Wettbewerbsgleichheit. Zu nennen ist aber auch die Abgrenzung und gegenseitige Respektierung von national geschützten Bereichen. Ohne einen Grundkonsens unter den GATT-Mitgliedern über die Anwendung dieser Prinzipien bzw. Regeln — im Dienstleistungsbereich und generell — wird die Verabredung von Punta del Este, den bestehenden Grad von Protektionismus zuerst einzufrieren und ihn später im gegenseitigen Einvernehmen zu senken, nur verbales Bekenntnis bleiben. Bei den Optionen für die Wahl des Verhandlungsziels (Dachabkommen für den gesamten Dienstleistungsbereich versus verschiedene Branchenabkommen) lassen sich für beide Wege sowohl Vorteile ins Feld führen als auch Nachteile ausmachen 43 : Einmal würden Verhandlungen über einzelne Subsektoren wahrscheinlich schneller vorankommen, zum anderen liefe dieser Ansatz aber Gefahr, im Zuge vieler kleiner Schritte Lösungen mit sich zu bringen, die zu stark divergieren und keine nachträgliche Vereinheitlichung mehr zulassen. Der Vorteil eines Abkommens über allgemein anwendbare Prinzipien und Regeln liegt in dessen Signalwirkung für die gesamten multilateralen Handelsverhandlungen und dürfte zudem auch die Liberalisierung in den Einzelsparten begünstigen. Das Hauptproblem dieses Ansatzes ist das Risiko des Scheiterns zu einem Zeitpunkt, in dem Protektionismus eher auf dem Vormarsch als auf dem Rückzug ist. Per Saldo erscheint es als die bessere Strategie, von vornherein eine Art Dachabkommen anzustreben, bevor in Branchenabkommen die Besonderheiten ange41 42 43
Ausführlicher bei Schultz, S. 183 f. Petersen et al., S. 164. Aronson, S. 43-45; Malmgren (in: economic impact), S. 30.
172
Siegfried Schultz
sprochen und der Abbau von spezifischen Hemmnissen in Angriff genommen wird.
8. Schlußfolgerungen Aus den Fakten und der skizzierten Interessenlage der Beteiligten sollen abschließend einige Schlußfolgerungen zur künftigen Behandlung von Dienstleistungen im Rahmen des GATT gezogen werden: 1.
Das wirtschaftliche Umfeld — mäßige Wachstumsraten und hohe Arbeitslosigkeit — ist derzeit nicht günstig für die Gestaltung eines zusätzlichen Bereichs der Weltwirtschaft mit dem Endziel eines liberaleren Welthandels. Angesichts der Risiken der weiteren Ausbreitung von ,Wildwuchs 1 in der handelspolitischen Praxis ist weiteres Zuwarten jedoch die schlechtere Lösung.
2.
Der Strukturwandel in Richtung auf eine wachsende Bedeutung von Dienstleistungen ist in vollem Gange („Tertiarisierung") . Auch der Außenhandel ist davon erfaßt; der grenzüberschreitende Dienstleistungshandel nimmt seit rund zehn Jahren stärker als der Warenhandel zu. Ein gewisser Regelungsbedarf ist offenbar allseits unumstritten. Soll jedoch ein Netz unübersichtlicher bilateraler Absprachen vermieden werden, müßten einige grundlegende Regeln multilateral verankert werden.
3.
Das GATT ist dafür das richtige Gremium. Diese „Notgemeinschaft" 44 (nach dem Scheitern der anspruchsvollen Havanna-Charta) hat sich als überlebensfähiges und elastisches Gremium bewährt. Allerdings müssen einige Grundregeln mit neuem Leben erfüllt werden.
4.
Die grundlegenden Ziele einer Verhandlungsrunde im Bereich Dienstleistungen müssen sein, (a) die Ausbreitung neuer Handelshemmnisse zu stoppen, (b) unter Mitwirkung der Mehrheit der Mitgliedsländer ein System von Prinzipien und Grundregeln zu entwickeln, das für möglichst viele Dienstleistungsarten Anwendung finden sollte und (c) vorerst jene Hemmnisse abzubauen, die nicht zum harten Kern der Interessen (wie Aufbau neuer Dienstleistungssparten in Entwicklungsländern oder Verbraucherschutz in Industrieländern) gehören.
5.
In einigen Dienstleistungsbranchen findet ein rasanter Wandel statt: Statt abgegrenzter Gebiete wie Banken, Versicherungen, Maklertätigkeit und Wertpapierhandel entwickeln sich „Finanz-Supermärkte" 45 ; 44
D. Lorenz, S. 500. C. M. Aho/ J. D. Aronson, Trade talks: America better listen! Council on Foreign Relations, New York 1985, S. 30. 45
Dienstleistungen und GATT
173
aus der Verbindung von Telekommunikation und Computertechnologie erwächst eine eigenständige Informationswirtschaft. Die dynamische Entwicklung in diesem modernen Teil des Dienstleistungsbereichs macht die Verhandlungen über ein weltweit respektiertes Regelwerk objektiv schwerer als bei den damaligen Verhandlungen über den Warenhandel. Trotz gewisser Unterschiede zum Warenhandel erscheint es sinnvoll, die Regeln und Mechanismen des GATT als Ausgangspunkt für die Diskussion über die künftige Organisation des internationalen Dienstleistungsverkehrs zu nehmen. Die Verhandlungsstrategie sollte auf Regeln gerichtet sein, die auf allgemeinen Prinzipien des Welthandels und nicht auf branchenspezifischen Faktoren beruhen. Es sollten Regeln eher für generelle denn für spezielle Probleme formuliert werden, um diesem Regelwerk bei dem schnellen und anhaltenden technologischen Wandel im Bereich des grenzüberschreitenden Dienstleistungshandels ein langes Leben zu sichern. Bedingt durch die Eigenheiten im Dienstleistungssektor, bedeutet Protektionismus hier Behinderung sowohl im Handels- als auch im Investitionsbereich. Die Diskussionen über die Stellung und die Rechte von Auslandsniederlassungen sind ein Handicap für baldige Erfolgschancen der Verhandlungen. In dieser Situation könnte es das Prozedere erleichtern, mit den Handelsfragen zu beginnen und die Frage der Investitionen später aufzugreifen. Der skeptischen bis ablehnenden Haltung der Mehrheit der Entwicklungsländer könnte durch Maßnahmen begegnet werden, die geeignet sind, ihre Absatzmöglichkeiten zu erhöhen. Das würde auch ihr Verschuldungsproblem bekämpfen. Je höher die Forderungen der Industrieländer bei Dienstleistungen, desto größer müßte die Marktöffnung für traditionelle und verarbeitete Erzeugnisse auf Seiten der Industrieländer ausfallen. Erfolg und Mißerfolg des GATT waren und sind Spiegelbild des herrschenden Trends in den Handelspolitiken der wichtigen Welthandelspartner. Es sind aber auch institutionelle Reformen notwendig, die eine wirksame Überwachung von Verabredungen sicherstellen und Sanktionsmechanismen schaffen, um zu gewährleisten, daß alte und neu eingegangene Verpflichtungen von den Vertragsparteien auch eingehalten werden. Es wäre allerdings abwegig, das GATT in Richtung auf eine Art internationalen Gerichtshof fortzuentwickeln; es lebt vom politischen Konsens.
Zusammenassung der Diskussion (Referat Schultz)
Dönges akzeptiert zwar den von Schultz hervorgehobenen Gegensatz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern im Zusammenhang mit der Liberalisierung der Dienstleistungen, stellt jedoch fest, daß es in diesem Bereich auch ein gehöriges Konfliktpotential über den Atlantik hinweg gebe, und zwar konkret zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Das kürzlich im amerikanischen Kongreß verabschiedete Gephardt-Gesetz über faire Handelsbeziehungen in der Zukunft, demzufolge Überschußländer mit Strafzöllen oder sonstigen restriktiven Maßnahmen in den USA belegt werden sollen, wenn sie nicht ihren Überschuß herunterfahren — vorausgesetzt, daß dieser Überschuß auf unfairen Handelspraktiken beruht —, sei im Falle der Bundesrepublik ausdrücklich mit den Regulierungen im Telekommunikationssektor begründet worden, — zu recht, wie er meine; das Stichwort sei hier das Postmonopol. Insofern sollte man sich nicht der Hoffnung hingeben, daß das Ganze eine Veranstaltung in Nord-Süd-Richtung sein werde, sondern hier müsse sich auch die Bundesrepublik etwas einfallen lassen. Die Probleme seien hier ähnlich wie im Agrarbereich — die Bundesrepublik gehöre zu den ganz großen Bremsern. Eigentlich brauche man hier gar nicht das GATT; es gebe sehr gute, überzeugende Argumente ökonomischer Art, die in diesen Bereichen für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland Deregeulierung nahelegten. Er sei im übrigen nicht allzu pessimistisch, sondern vertraue auf die neuen Techniken. Diese würden jeden Versuch der Regulierung über kurz oder lang wirkungslos machen. Das werde man dann wieder kriminalisieren, ähnlich wie bei der Schwarzarbeit, aber es funktioniere zumindest und zeige, daß sich die Marktkräfte früher oder später durchsetzten. Krupp bemerkt, in bezug auf die Telekommunikation habe Dönges wieder einmal unter Beweis gestellt, daß der Optimismus des Kieler Instituts nicht so schnell zu schlagen ist. Er hoffe zwar, daß Dönges recht behalten möchte, doch sei er sehr viel skeptischer, wenn er auf die genannten Prozesse abstelle. Hier gebe es noch viel Diskussionsbedarf und auch sehr viele Argumentationsnotwendigkeiten. In der Öffentlichkeit würden diese Probleme noch gar nicht richtig erkannt, und man sei in der Bundesrepublik wirklich in Gefahr, von ganzen Entwicklungslinien abgekoppelt zu werden.
Zusammenfassung der Diskussion
Schultz stimmt der Argumentation von Dönges zu, weist aber darauf hin, daß in diesem Zusammenhang noch ein paar weitere Punkte zu erwähnen seien. Die Trilateralisten hätten ein gehöriges Potential an Dingen, die sie untereinander freier regeln könnten. Aber bei den anstehenden Debatten liege das Hauptproblem für die Auseinandersetzungen im Nord-Süd-Bereich. Hierbei sei wohl etwas mehr auf das relativ weite Spektrum der Interessen auf Seiten der Entwickungsländer einzugehen. Eine Position laufe darauf hinaus, daß Länder, die ihren Dienstleistungsbereich relativ stark abgeschüttet haben — Schwellenländer —, durchaus bereit wären, das auf den Verhandlungstisch zu legen, wenn sie dafür materielle Zugeständnisse im Bereich von Industriegüter-Exporten in Industrieländer bekämen. Unter der Führerschaft von Brasilien und Indien, die diese Bereiche auseinanderhalten wollten, bestehe diese Möglichkeit nicht, weil jene kreuzweise Verrechnung vermieden werden solle. Das sei ein starkes Konfliktpotential innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer. Staaten wie Singapur, Taiwan und Hongkong hätten eine völlig andere Interessenlage als irgendein afrikanischer Staat. Insofern sei die politische Klammer für zentrale wirtschaftliche Interessen überhaupt nicht maßgeblich. Curzon bestätigt die Bemerkung von Schultz, die Verhandlungen und eventuellen Übereinkommen könnten ebensogut multilateralen oder —wenn dies nicht erreichbar wäre — bilateralen Charakter haben. Die Vorteile multilateraler Abkommen ebenso wie die Nachteile des Bilateralismus gälten nur in einer ökonomischen Idealwelt, nicht in einer Welt der Second Best-Lösungen. Wenn die multilateralen Verhandlungen — und das befürchteten viele der Beteiligten und der Beobachter — eine lange Liste von Restriktionen hervorbrächten, dann könne es leicht sein, daß man am Ende viel weniger Handel und Dienstleistungsaustausch hätte als vorher. In manchen Kategorien des internationalen Handels würde den bilateralen oder komparativen Vorteilen besser entsprochen, wenn es gar keine Vereinbarung gäbe. Nebenbei bemerkt Curzon, wie undenkbar es sowohl in Europa als auch in den USA wäre, daß öffentliche Auftraggeber etwa koreanischen Bauunternehmen den Zuschlag gäben — so sehr sich darüber die Steuerzahler freuen würden. Es sei kein Wunder, daß die Entwicklungsländer argumentierten, wer ihre Baufirmen nicht zuließe, dürfe auch nicht erwarten, daß seine Versicherungsgesellschaften in Entwicklugsländer-Märkten zugelassen würden. Andererseits sei es aber eine Selbstverständlichkeit, etwa in Indien, erstklassige und billige Computer-Software zu kaufen — ohne daß es dazu eines GATT bedürfte. Schultz teilt die Bedenken hinsichtlich des vermutlichen Ausgangs der Diskussionen über Dienstleistungen. Es gebe ja auch eine Reihe von Bereichen, die bereits anders geregelt sind, und nicht alles müsse unter dem Dach des GATT passieren. Als ein Beispiel nennt er die Fernmeldeunion. Aber der entscheidende Punkt sei, daß diese Regeln für 15 bis 20 Jahre halten sollten
176
Zusammenfassung der Diskussion
und daß heute noch gar nicht alle generellen Probleme hinreichend abgreifbar seien. Ein Punkt, der die ganze Diskussion beherrschen und vermutlich auch behindern werde, sei das Gelenk, wo man aus den Gesprächen über reine Handelsfragen in das Niederlassungsrecht kommt. Gerade bei Dienstleistungen sei ja häufig die Niederlassungsfrage der zentrale Punkt. Falls sich dieser Teil der Diskussion zu lange hinzöge und damit das Gesamtpaket zu verzögern drohte, wäre sein Vorschlag, daß man diesen Teil, der sich mit den Niederlassungen befaßt, später behandelte und daß man versuchte, die Teile zu isolieren, die den Warenströmen ähnlich sind, entweder mit ihnen eng verbunden oder leichter zu regeln als Niederlassungsfragen. Langhammer fragt, ob es nicht bei den Dienstleistungen ähnlich wie bei Zöllen die Unterscheidung zwischen preislichen Interventionen und mengenmäßigen Interventionen gibt. Im Referat sei der Eindruck erweckt worden, als ob es sich nur um mengenmäßige Interventionen, Regulierungen oder Zugangsbarrieren handelte und nicht um preisliche Interventionen. Wenn preisliche Interventionen vorkämen, ζ. B. bei öffentlichen Dienstleistungen, wollte er doch wieder eine Lanze für einen monetären Sanktionsmechanismus brechen, der ja auch in vielen Entwicklungsländern gerade die Preisgestaltung für öffentlich angebotene Dienstleistungen einer Revision unterworfen habe. In diesem Fall könnte sich das Problem entspannen. Denn wenn die nationalen Preise für Dienstleistungen an die internationalen herangeführt würden, entfiele ja eine wesentliche Zugangsbarriere. Schultz entgegnet, erstens bestehe ein Problem bei preislichen Intervention: Man müsse eine Bewertung vornehmen, wenn man beim grenzüberschreitenden Verkehr einen Zoll erheben wollte. Fraglich sei dann, welcher Wert zugrunde zu legen wäre: Kostenwert, Nutzungswert, etc. Das zweite und wichtigere Problem liege in der Schwierigkeit, den internationalen Dienstleistungsaustausch überhaupt zu erfassen. Er unterliege nicht im gleichen Sinne wie bei physischen Gütern der Kontrolle an der Grenze und das impliziere auch die Wahl anderer Mittel, nämlich daß der Austausch bestimmter Dienstleistungen überhaupt nicht zugelassen werde, und andere Leistungen nur in bestimmtem Umfang im Land verwendet werden dürften.
Nationale Hochtechnologieförderung und das GATT Von Gernot Klepper, Kiel
Einleitung Hochtechnologieförderung und das sog. „Industrial Targeting" sind in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand öffentlicher Diskussion geworden. Befürworter versprechen sich davon Vorsprünge im internationalen Technologiewettbewerb und hoffen, damit komparative Vorteile im Hochtechnologiebereich zu erlangen. Kritiker (ζ. B. Klodt 1987) verweisen darauf, daß insbesondere die Förderung industrieller Großprojekte sich bisher als Fehlschlag erwiesen hat. Nicht nur national ist der Nutzen von Hochtechnologieförderung umstritten, auch international hat sie unerwünschte Effekte auf das handelspolitische Klima. Die Europäische Förderung der zivilen Luftfahrzeugindustrie hat genauso wie japanische F&E-Aktivitäten im Halbleiterbereich in letzter Zeit zu internationalen Handelskonflikten geführt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Angesichts der politisch emotionalisierten Diskussion ist es sinnvoll, zunächst mit einer Bestandsaufnahme der Hochtechnologieförderung zu beginnen. Daran knüpfen sich einige Thesen darüber an, warum die Hochtechnologieförderung so stark in den Mittelpunkt getreten ist. Im zweiten Teil wird eine ökonomische Bewertung vorgenommen und anschließend die Rolle des GATT im Bereich der Technologiepolitik erörtert.
Nationale Hochtechnologieförderung im internationalen Vergleich Im Rahmen dieser kurzen Bestandsaufnahme wird der wahrscheinlich erfolglose Versuch, den Begriff Hochtechnologie zu definieren, gar nicht erst unternommen. Deshalb können auch nur einige Indikatoren für die staatlichen Aktivitäten in den sogenannten Hochtechnologiebereichen angegeben werden. Nationale Hochtechnologieförderung diskriminiert definitionsgemäß Ausländer und kann deshalb als protektionistische Maßnahme mit einer speziellen Zielsetzung angesehen werden, der das übliche Instrumentarium 12 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
178
G e o t Klepper
des Protektionismus zur Verfügung steht. Bedeutende Formen der direkten und indirekten Förderung sind — — — —
F&E-Subventionen, zollpolitische Maßnahmen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse und diskriminierende Formen des staatlichen Beschaffungswesens (insbesondere Rüstungsgüter und zivile Telekommunikation).
Häufig werden zur Förderung einer bestimmten Hochtechnologie mehrere dieser Instrumente eingesetzt. Zentrales Instrument der Hochtechnologiepolitik sind F&E-Subventionen. Obwohl sie absolut zugenommen haben, ist jedoch ihr Anteil an den gesamten F&E-Aufwendungen in allen wichtigen Industrienationen im Vergleich zu den sechziger Jahren zurückgegangen (siehe Tabelle 1 ). Länder mit traditionell hohen staatlichen Anteilen wie die USA und Frankreich verzeichnen einen stärkeren Rückgang als die Bundesrepublik, Großbritannien und Japan 1 . Mit der Ausnahme von Japan zeichnet sich eine Nivellierungstendenz in den staatlichen F&E-Intensitäten ab. Selbst wenn man die öffentlich-rechtlichen Forschungsinstitutionen außer acht läßt und nur die Förderung von unternehmensinterner, d. h. auch eher anwendungsorientierter, F&E betrachtet, so haben sich auch dort die staatlichen Anteile im Durchschnitt eher verringert. Japan mit seinem sehr niedrigen Niveau fällt dabei aus dem Rahmen. Während Großbritannien und die Bundesrepublik in etwa konstante staatliche Anteile haben, ist in den USA und Frankreich ein beträchtlicher Rückgang zu verzeichnen. Die anderen Formen der Hochtechnologieförderung sind aus analytischen und empirischen Gründen schwerer zu quantifizieren. Die Wirkung der Zollpolitik zeigt sich erst im Detail. Ihre globale Wirkung ist wohl gering, da innerhalb der GATT-Regeln eine Ausweitung des nominalen Zollschutzes für technologieintensive Waren nicht erlaubt und wohl höchstens in Einzelfällen zu beobachten ist. So genießt von den stark F&E-subventionierten Branchen nur die Luft- und Raumfahrtindustrie auch überdurchschnittlichen effektiven Zollschutz und effektive Gesamtprotektion (siehe Tabelle 2). Dieser Effekt wird allerdings erzielt durch Zollaussetzung für alle Inputs für große zivile Verkehrsflugzeuge, womit insbesondere die Endmontage des Airbus geschützt wird (Weiss 1985). Aber als Hochtechnologieförderung ist dies kaum zu bezeichnen, denn gerade die Unternehmen, die die technologieintensiven Inputs als Zulieferer herstellen, erhalten keinen Schutz. Mit der Rationalität der Förderung von Hochtechnologie ist es in dieser Beziehung anscheinend nicht weit her. 1
Auch bei Tabelle 1 muß darauf hingewiesen werden, daß eine F&E-Subvention nicht immer auch Hochtechnologieförderung ist. Wenn man aber annimmt, daß nicht bewußt alte Technologien gefördert werden, sind diese Zahlen zumindest von der Intention der Geldgeber her korrekt.
12·
1964/65 1983/84
1964/65 1983/85
3,1 2,8
1,5 2,8
2,1 2,2
68,5 28,9a) 44,3 63,0 49,2 24,0 40,9 54,4
1,5 2,6
Japan
54,1 50,2
2,3 2,3
Bundesrepublik
1971;
b)
1967.
Quelle: OECD (unveröffentlichtes Zahlenmaterial); KLODT (1987); eigene Berechnungen.
a)
Staatlicher Anteil an der Finanzierung der F & E-Auf1965/66 54,6 2,0a) 17,4b) 40,4 29,4 Wendungen in Unternehmen, 1983 32,2 1,7 17,0 22,4 30,2 in v.H. Anteil der militärischen F & E an staatlich finanzierter 1975 50,8 4,7 19,2 32,8 52,8 F &E, in v.H. 1985 68,0 5,8 17,5 36,3 60,5 Branchenstruktur der staatlichen Projektförderung in der Verarbeitenden Industrie, 1983, in v.H. Luft-und Raumfahrzeugbau 53,7 0,0 25,8 56,1 45,7 Elektrotechnik 26,5 21,7 38,6 31,5 47,8 Maschinenbau, inkl. ADV 6,0 7,9 10,0 3,9 3,5 Chemische Industrie 2,3 11,5 8,4 5,0 0,7 Restliche Industrie 11,5 58,5 17,2 3,5 2,3
Staatlicher Anteil an der Finanzierung der F & E-AufWendungen, in v.H.
Forschungsintensitäten
USA
Tabelle î: Indikatoren der Hochtechnologieförderung Frankreich
Großbritannien Nationale Hochtechnologieförderung und das GATT 179
180
G e o t Klepper
Tabelle 2 Effektive Protektionsraten und staatliche Projektförderung a) in der Verarbeitenden Industrie der Bundesrepublik Deutschland 1982/85 Produktgruppe
Effektvie Protektion b)
Chemische Erzeugnisse 12,5 ; Mineralölerzeugnisse 11,3 I1 Kunststofferzeugnisse 8,5 ] 1 Gummierzeugnisse 7,5 j 6,4 ]Ι Steine und Erden Feinkeramische Erzeugnisse 8,0 1 Glas und Glaswaren 9,1 J Eisen- und Stahl 53,9 NE-Metalle 13,1 5,4 Gießereierzeugnisse Erzeugnisse der Ziehereien und Kaltwalzwerke -1,3 Stahl und Leichtmetallbau 0,4 Eisen-, Blech- und Metallwaren 4,3 Maschinenbauerzeugnisse 3,3 ÌΙ Büromaschinen, 1 ADV-Geräte 1 11,8 Luft- und Raumfahrzeuge 40,8 Elektrotechnische 7,8 Erzeugnisse Feinmechanische und optische Erzeugnisse, 7,0 Uhren Holz 18,3 1 7,2 J( Holzwaren Zellstoff, Holzschliff, Papier, Pappe 15,0 Papier- und Pappwaren 23,9 4 7 Druckereierzeugnisse ' Leder, Lederwaren, Schuhe 7,5 Textilien 49,9 > Bekleidung 73,5 J Musikinstrumente, Spielwaren, )ι Sportgeräte, Schmuck 8,5 ! Wasserfahrzeuge 15,0 J1
J
a)
Staatliche Wirtschaftszweig Projektförderung 4,8 6,1
Chemische Industrie, einschl. Mineralölverarbeitung Kunststoff- und Gummiverarbeitung
10,1
Steine, Feinkeramik, Glas
29,9 13,0
Eisen- und Stahlindustrie NE-Metallindustrie
13,7
Metallwarenindustrie
68,8
Maschinenbau, einschl. Herstellung von Büromaschinen, ADV-Geräte Luft- u. Raumfahrzeugbau
24,6
Elektrotechnik
12,7
Meß- und Regeltechnik
8,9
9,9
Holzindustrie
9,1
Papier- und Druckindustrie
22,2
Textil- u. Bekleidungsindustrie
8,2
Übrige Industriezweige
Anteil staatlicher Fördermittel an den gesamten F & Ε - A u f w e n d u n g e n des Wirtschaftszwei· ges in v.H. —b ) Einschl. ausgewählter NTB's. Quelle: W E I S S ( 1 9 8 7 ) , K L O D T ( 1 9 8 7 ) .
Nationale Hochtechnologieförderung und das GATT
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Nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind generell ein Problem der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Ohne dies quantitativ oder qualitativ spezifizieren zu können, muß man davon ausgehen, daß die NTB's als Substitut für Zollpolitik auch im Hochtechnologiebereich eingesetzt werden. Bedeutende Diskriminierungen finden jedoch durch die staatliche Beschaffung von Rüstungsgütern und Gütern im Telekommunikationsbereich im Zusammenhang mit dem Postmonopol statt. Die Zunahme des Anteils militärischer F&E-Subventionen (Tabelle 1) ist ein Indiz für die Bedeutung staatlicher Beschaffung. Zusammen mit dem generellen Rückgang des staatlichen Anteils an der Finanzierung von F&E-Vorhaben der Industrie wird klar, welche Bedeutung heute die Militärforschung in der staatlichen Technologiepolitik gewonnen hat. Die Hochtechnologieförderung ist demnach im Durchschnitt in den Industrienationen wohl nicht intensiviert worden. Allerdings kann eine selektivere Förderung auf gegebenem Gesamtniveau stattgefunden haben. Wenn die gegenwärtige Diskussion um „Industrial Targeting" auf mehr als politischer Rhetorik oder merkantilistischem Denken beruht, dann müssen noch andere Faktoren hinzugekommen sein, die die internationale Arbeitsteilung beeinflußt haben. In den letzten Jahrzehnten haben technologische Veränderungen stattgefunden, die die Welthandelsstruktur und das Denken über Handels- und Industriepolitik gleichermaßen beeinflußt haben. Es sei dahingestellt, ob dieser technische Wandel nur so ausgeprägt erscheint, weil Ökonomen ihm zunehmend Aufmerksamkeit widmen, oder ob er tatsächlich so stark war. Immerhin scheinen mit dem hohen Innovationstempo drei Phänomene einherzugehen: —
Neue Produktions- und Fertigungstechniken erlauben eine Großserienproduktion, für die viele nationale Märkte zu klein sind. Die Allokation der Produktionsstätten und damit der Produzentenrenten findet in den Ländern statt, die als erste diese Techniken beherrschen.
—
Kumulative Erfahrungsgewinne in Form steiler Lernkurven haben ebenfalls den Effekt, daß die Vorreiter einen Vorsprung haben, der nur schwer aufzuholen ist. Während der gesamten Aufholphase entstehen Renten, die auf den Weltmärkten im Wettbewerb nur langsam abgebaut werden können.
—
Produktinnovationen bieten, wenn auch temporär, die Möglichkeit, Innovationsrenten abzuschöpfen.
Zieht man dazu noch in Betracht, daß bei bestimmten Schlüsseltechnologien externe Erträge in Form von Spillovers möglich sind, so findet man hinreichend Gründe, die einen Technologiewettlauf zwischen Volkswirtschaften auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen lassen. Dies mag auch die
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Aufmerksamkeit erklären, die Industrieländer der Hochtechnologieförderung ihrer Handelspartner schenken. Die Existenz von Innovationsrenten macht allerdings nicht notwendigerweise staatliche Interventionen wünschenswert, genausowenig wie staatliche Hochtechnologieförderung automatisch zu nationalen oder weltweiten Wohlfahrtsverlusten führen müssen. Erst eine ökonomische Bewertung, wenn nicht jeder einzelnen Maßnahme innerhalb ihres industriellen Rahmens, so doch von bestimmten idealtypischen Konstellationen kann klären, wie nationale bzw. Weltwohlfahrt beeinflußt werden und welche Schlußfolgerungen daraus für die ordnungspolitische Ausrichtung einer internationalen Institution wie dem GATT zu ziehen sind.
Wohlfahrtstheoretische Überlegungen zur Hochtechnologieförderung In einer Industrie, die dem Ideal vollkommener Konkurrenz nahekommt, d. h. bei konstanten oder abnehmenden Skalenerträgen, relativ geringen Fixkosten, hoher Diffusionsgeschwindigkeit von Innovationen und Abwesenheit von Eintrittsbarrieren, können Renten höchstens sehr kurzfristig auftreten. Eine Hochtechnologieförderung in diesem Rahmen würde eher die Wohlfahrt des Rests der Welt erhöhen als die Wohlfahrt des Landes, das seine Technologie fördert (siehe dazu ζ. B. Hiemenz/Weiss 1984). Wenn Staaten trotzdem eine solche Förderpolitik verfolgen, kann das nur auf merkantilistischen Vorstellungen beruhen, die durch die politische Ökonomie erklärt werden können. Eine Notwendigkeit international solche staatlichen Eingriffe zu regulieren, existiert nicht; die Staaten schädigen ja nur sich selbst. Viel komplexer wird die Situation bei technischem Wandel gepaart mit vergleichsweise geringer Diffusionsgeschwindigkeit und hohen Fixkosten. Hier kann es sich lohnen, mit staatlicher Hilfe einen Vorsprung zu erlangen, der auf Kosten anderer Länder geht, wobei Ausmaß und Dauer der temporären Renten durch die Diffusionsgeschwindigkeit bestimmt werden. Darüber hinaus erhoffen sich Protagonisten dieser Strategie, einmal eroberte Weltmarktpositionen zu erhalten, indem sie auch langfristig die Kostenvorteile der erreichten Skalenerträge als Marktzutrittsbarriere einzusetzen versuchen 2 . Da eine solche Politik in der Regel nicht unbeantwortet bleibt, sind die Wurzeln für den sogenannten „Subventionswettlauf" gelegt. Dabei werden nicht nur die Innovationsrenten sehr schnell im Wettbewerb der Subventionsgeber wegkonkurriert. Die Subventionierung hat darüber hinaus die bekannten allokationsverzerrenden Wirkungen, die in allen subventionierenden Ländern zu einer ineffizienten Wirtschaftsstruktur führen. Von 2
Siehe dazu ζ. B. Grossman (1981).
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einem bestimmten Punkt der Eskalation der strategischen Subventionierung an müssen diese Länder Wohlfahrtsverluste hinnehmen. Die strategischen Konsequenzen der angeführten Politikalternativen lassen sich in einem Zwei-Länder-Beispiel leicht verdeutlichen 3 . Einseitige Subventionierung ohne Retorsionsmaßnahmen führt zu Gewinnen des subventionierenden auf Kosten des nicht-subventionierenden Landes. Subventionierung mit Retorsion verschlechtert die Lage beider Länder gegenüber einer nicht interventionistischen Politik. Abbildung 1 veranschaulicht diese Situation.
Land 2
Keine Subvention Subvention
Land Keine Subvention 400, 400 500, 100
Subvention 100, 500
200, 200
Abbildung 1
Die Auszahlungsmatrix zeigt jeweils das Wohlfahrtsniveau für Land 1 links und daneben für Land 2 4 , die alternativen Strategien sind für jedes Land Subventionierung oder wirtschaftspolitische Abstinenz. In dieser als „Gefangenendilemma" bekannt gewordenen Situation besteht für jeden Spieler, d. h. jedes Land, die optimale Strategie darin, zu subventionieren, obwohl beide ihre Wohlfahrt verbessern könnten, wenn sie beide übereinkommen könnten, nicht zu subventionieren. Das Problem dabei ist, daß jedes Land den Anreiz hat, mit Hilfe von Subventionen Renten auf Kosten des anderen zu erwirtschaften. Hier läge die eigentliche Aufgabe einer internationalen Institution: Nämlich den Rahmen zu bieten, innerhalb dessen kooperatives, d. h. nicht interventionistisches Verhalten praktiziert werden kann. Unten wird darauf eingegangen, inwieweit das GATT diese Rolle erfüllen kann und inwieweit sie diese tatsächlich erfüllt. Wieder anders stellt sich die Situation bei positiven externen Effekten von technischem Wandel dar. Hier würde Hochtechnologieförderung als second-best Politik die Wohlfahrt aller Länder erhöhen und es dürfte kein Widerstand gegen diese Art der Intervention zu erwarten sein. Dies gilt gleichermaßen für das Modell vollkommener Konkurrenz wie für das der oligopolistischen Marktstruktur. 3 Obwohl dies eine grobe Vereinfachung darstellt, bleibt das allgemeine strategische Problem auch in komplexen Situationen das gleiche. 4 Es kommt dabei nur auf die Relation der Zahlen und nicht auf ihre absoluten Werte an.
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Wenn sich selbst bei idealtypischer Betrachtung eine Vielzahl möglicher Konstellationen identifizieren läßt, wird klar, daß es keine generelle Antwort über Sinn oder Unsinn von Hochtechnologieförderung geben kann. Nicht nur das, es muß in jedem Einzelfall eine Wohlfahrtsanalyse durchgeführt werden, die nationale Aktion und internationale Reaktion miteinbezieht. Inzwischen gibt es einige empirische Untersuchungen über die Wohlfahrtseffekte der Hochtechnologieförderung einzelner Produkte. Das interessante dabei ist, daß selbst in Fällen, die man wegen hoher Fixkosten, steiler Lernkurven und externer Effekte als aussichtsreiche Kandidaten für eine erfolgreiche beggar-my-neighbour-policy ansehen könnte, nicht immer Wohlfahrtsgewinne auftreten. So wurde ζ. B. geschätzt, daß die japanische Entscheidung, den 16-K-Ram Markt zu erobern, nicht einmal zu einer Wohlfahrtssteigerung in Japan geführt hat. Die von Baldwin und Krugman (1986) berechneten Wohlfahrteffekte sind in der Auszahlungsmatrix (Abb. 2) zusammengefaßt. Der Istzustand ist dabei durch die Niveaus rechts oben beschrieben. Für Japan wäre eine nicht-interventionistische Politik unter wohlfahrtsökonomischen Aspekten vorzuziehen gewesen. Dies um so mehr, als ein Handelskrieg mit den USA für Japan größere Verluste gebracht hätte als für die USA (vergleiche die rechte Spalte in Abb. 2). Angesichts der Tatsache, daß die Verluste der Intervention für Japan im Vergleich zur Freihandelssituation gering sind und daß — nach den Simulationsergebnissen von Baldwin und Krugman — ohne den staatlichen Protektionismus kein japanisches Unternehmen auf den 16-K-Ram-Markt hätte kommen können, wird verständlich, warum eine merkantilistische Politik, die zu japanischen Marktanteilen von 12 % in den USA, 87 % in Japan und 28 % im Rest der Welt führte (Baldwin/ Krugman 1986), große Attraktivität haben kann. Man muß dabei aber auch bedenken, daß die japanische Regierung bei ihrer Entscheidung wohl von der Hoffnung auf einen Nettowohlfahrtsgewinn ausgegangen ist, der sich expost nicht materialisiert hat.
USA
Freihandel Intervention
Japan Freihandel Intervention 1828,5 738,9 1651,8 698,4 a a 1636,7 225,6
a) a)
nicht berechnet. Quelle: B A L D W I N / K R U G M A N ( 1 9 8 6 ) , T a b l e 5 .
Abbildung 2
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Nur in dem extremen Fall der zivilen Luftfahrtzeugproduktion gibt es Indizien, die dafür sprechen, daß die europäischen Airbus-Subventionen das amerikanische Monopol auf diesem Markt durchbrechen und damit zu einer Erhöhung der Weltwohlfahrt beitragen könnten. Eine Simulation des Marktes für Mittelstreckenflugzeuge, d. h. Airbus A300 und Boeing 767, bis zum Jahr 1998 zeigt, daß die Subventionierung des Airbus A300 wie eine AntiMonopol-Politik wirkt (Baldwin/ Krugman 1987). Ohne den Airbus lägen die Flugzeugpreise um über 50 % über den voraussichtlichen Preisen. Verglichen mit der Situation ohne Subventionierung des A300 würde Boeing als Monopol zwar mehr Profite erhalten, aber alleine der Verlust an Konsumtenrente in den USA würde diese Gewinne schon übersteigen. Hinzu kämen noch die Kosten des Monopols für den Rest der Welt. Eine staatliche Unterstützung der zivilen Luftfahrzeugtechnologie wäre nach diesen Berechnungen deshalb volkswirtschaftlich sinnvoll, weil ein Markteintritt eines weltweit zweiten Anbieters nicht privatwirtschaftlich profitabel wäre. Ob es allerdings noch viele Märkte gibt, auf denen die Technologie so beschaffen ist, daß weltweit nur ein Unternehmen im Marktprozeß überleben kann, ist sehr zweifelhaft. Zusammenfassend kann man sagen, daß es mit Sicherheit keine generelle Antwort auf die Wirkung von Hochtechnologieförderung auf nationale bzw. Wohlfahrt gibt. Wie die wenigen empirischen Untersuchungen zeigen, sollte man aber eher skeptisch gegenüber solchen Eingriffen sein, denn in vielen Fällen wird es nicht einmal die eigene Wohlfahrt erhöhen. Selbst eine national wünschenswerte Politik auf Kosten anderer Länder wird zuletzt selbstschädigend sein, wenn erst einmal das Subventionskarussell in Gang gekommen ist. Da darüber hinaus Regierungen den Erfolg ihrer eigenen Hochtechnologieförderung eher optimistisch und den anderer Länder als eher schädlich einschätzen, ist ein internationales Forum vonnöten, in dem diese Divergenzen diskutiert und geklärt werden können. In einem solchen Fall ist das GATT als internationale Institution gefragt.
GATT-Regeln und Hochtechnologieförderung Hochtechnologieförderung wird durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Maßnahmen betrieben. Deshalb beziehen sich GATT-Regeln nie explizit auf Hochtechnologieförderung, sondern auf einzelne Instrumente, die zwar auch für andere Ziele eingesetzt, aber hier auf ihre Wirksamkeit in bezug auf Technologiepolitik diskutiert werden. Innerhalb der drei wichtigen Bereiche der Instrumente der Hochtechnologieförderung — Handelspolitik, staatliches Beschaffungswesen und F&ESubventionen — ist das staatliche Beschaffungswesen sicher am schwersten
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Gernot Klepper
in internationalen Vereinbarungen zu regeln. Nationale Souveränitätsansprüche, militärische Interessen und andere politische Ziele stehen dem entgegen. Man muß die Bereitschaft der Regierungen, sich hier internationalen Regeln zu unterwerfen, eher pessimistisch beurteilen. Wenn sich hier etwas zum besseren entwickeln soll, muß es wohl auf nationaler Ebene geschehen. Eine sorgfältige Analyse der volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen nationaler militärischer F&E-Subventionierung, insbesondere der so hoch bewerteten zivilen Spin-offs, könnte hier mehr bewirken, als internationale Verhandlungen und Vereinbarungen. Die Fortschritte in der Zollpolitik seit der Gründung des GATT haben bereits heute zu relativ niedrigen Zöllen in den Industrieländern geführt. Zölle sind deshalb nur als Retorsionsmaßnahmen im Rahmen von internationalen Auseinandersetzungen um die Hochtechnologieförderung von Bedeutung. Der GATT-Artikel V I „Anti-Dumping and Countervailing Duties", der dies erlaubt, ist im „Code on Subsidies and Countervailing Duties and Key Articles of the GATT — Agreement on Interpretation and Application of Articles VI, X V I and XXIII of the General Agreement on Tariffs and Trade" 1979 interpretiert und spezifiert worden. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich darin, vor einer Einführung von Anti-DumpingZöllen die Klage einer Industrie über Dumping-Praktiken eines anderen Landes zu untersuchen (Teil 1, Artikel 2) und zugleich auch das Exportland zu konsultieren, um den Konflikt möglichst rasch zu beseitigen (Teil 1, Artikel 3). Im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse liegt noch einiges im Argen. Für sie gilt, was generell das Problem von NTB's ausmacht. Sie sind schwer zu quantifizieren und lassen sich, da sie häufig als interne nicht-handelspolitische Maßnahmen formuliert sind, nur schwer in internationalen Abkommen regeln. Das Hauptproblem liegt bei den F&E-Subventionen, die im GATT-Text allgemein und im Rahmen des Subsidies-Code von 1979 auch direkt angesprochen sind. GATT-Artikel X V I (Subventionen) unterscheidet zwischen Subventionen im allgemeinen (Section A) und spezifischen Exportsubventionen (Section Β). Für jedes Land besteht bei direkt oder indirekt handelswirksamen Subventionen Informationspflicht gegenüber allen Mitgliedsstaaten über — Ausmaß und Art der Subvention, — den erwarteten Effekt auf den Außenhandel in dem betroffenen Gut und — die Gründe, die die Subvention notwendig erscheinen lassen. Im Falle einer ernsthaften Schädigung eines anderen Mitgliedslandes muß der Subventionsgeber mit dem Geschädigten die Möglichkeit diskutieren, die Subventionierung zu reduzieren. Exportsubventionen sind prinzipiell verboten 5 . 5
Es gibt einige Ausnahmen in Artikel XVI, B, die hier nicht von Interesse sind.
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Im „Code on Subsidies and Countervailing Duties and Key Articles of the GATT" von 19796 wird noch einmal Bezug genommen auf jene Subventionen, die nicht direkt Exportsubventionen sind. Artikel 11 führt eine Liste von erlaubten Subventionen auf, darunter auch das Recht, Subventionen mit dem Ziel „to encourage research and development programmes, especially in the field of high-technology industries" (Artikel 11, d) zu gewähren. Allerdings kann ein Mitgliedsstaat auch dagegen vorgehen (Artikel 12, 3); die Beweispflicht einer Verletzung der GATT-Prinzipien oder eines ernsthaften Schadens liegt dann bei ihm. Der Wortlaut des GATT-Textes sowie der Ergänzungen im SubsidiesCode scheint also mit der ökonomischen Problematik insofern konform zu gehen, als dem Externalitätenargument und der Möglichkeit wohlfahrtssteigernder F&E-Subventionen Raum gegeben wird. Gerade die Informationspflicht (Artikel XVI, 1 GATT) und die Möglichkeit eines jeden Mitgliedssstaates, im Falle einer Schädigung ein stufenweises Konfliktlösungsverfahren zu beantragen (Artikel 12, 13, Subsidies-Code), bieten die Flexibilität jede F&E-Subvention zu untersuchen, zu diskutieren und — hoffentlich — zu kooperativen Lösungen zu kommen. Das Problem ist, daß weder Artikel XVI, noch der Subsidies-Code ernsthaft praktiziert werden. Wir befinden uns damit heute in einer recht widersprüchlichen Situation. Nach den ersten empirischen Untersuchungen über strategische Industrieund Handelspolitik, scheint der überwiegend Teil produktnaher Hochtechnologieförderung nicht einmal die nationale Wohlfahrt des Subventionsgebers zu erhöhen. Damit ist eine internationale Regelung solcher Subventionen in vielen Fällen eigentlich nicht nötig. Andererseits gibt es außerhalb des GATT-Rahmens immer wieder Kontroversen um vermeintlich schädigende Hochtechnologieförderung anderer Länder. Auch die deutsche technologiepolitische Diskussion steht ganz unter dem Motto des Technologiewettlaufs, in dem der Staat helfend eingreifen müsse, obwohl sein Nutzen auch ohne strategische Retorsionsmaßnahmen zweifelhaft ist. Der Ruf nach internationaler Regulierung im Rahmen des GATT ist deshalb irreführend. Er ist häufig politische Rhetorik, die von der merkantilistischen Politik im eigenen Land ablenken soll. Wenn Hochtechnologieförderung nicht nur von technischen und betriebswirtschaftlichen, sondern auch vermehrt volkswirtschaftlicher Analyse unterworfen würde, entstünden viele Anlässe für internationale Konflikte erst gar nicht. Leider steht diese Art mikroökonomischer empirischer Analyse erst in den Kinderschuhen. Das GATT könnte allerdings Anreize in dieser Richtung schaffen, indem im Subsidies-Code nicht wie bisher der Geschädigte beweisen muß, daß er geschädigt wurde. Vielmehr sollte man die Beweislastpflicht umkehren. 6 Er ist von nur Industrienationen.
30 Staaten unterzeichnet, darunter aber von allen
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Dann müßte der Subventionsgeber jeweils beweisen, daß andere Staaten keine negativen Effekte erleiden. Ein solcher Vorschlag mag ökonomisch wünschenswert sein, politisch ist er wohl kaum realisierbar. Die Tatsache, daß der Subsidies-Code kaum in Anspruch genommen wird, deutet schon darauf hin, daß kein Land ein Interesse daran hat, mit eigenen Aktivitäten sozusagen eine Lawine loszutreten. Jedes Land weiß um seine eigenen Sünden. Diese Solidarität wird wohl in absehbarer Zeit nicht zerbrechen.
Literatur
Baldwin, Richard and Paul R. Krugman (1986), Market Access and International Competition: A Simulation Study of 16 Κ Random Access Memories, NBERWorking Paper Series No. 1936. — (1987), Mündliche Präsentation auf dem CEPR-Workshop, Empirical Studies of Strategie Trade Policy, 30. Januar 1987, London. Grossmann, Sanford J. (1981), Nash Equilibrium and Industrial Organization of Markets with Large Fixed Costs, Econometrica, Vol. 49, No. 5, p. 1149-1172. Hiemenz, Ulrich und Frank Weiss (1984), Das internationale Subventionskarussell — Dabeisein oder Abspringen? Institut für Weltwirtschaft, Kieler Diskussionsbeiträge, 98. Klodt, Henning (1987), Wettlauf um die Zukunft — Technologiepolitik im internationalen Vergleich, Kieler Studien, 206. Weiss, Frank (1985), Importrestriktionen der Bundesrepublik Deutschland, Die Weltwirtschaft, Heft 1, S. 88-100. — (1987), Domestic Dimensions of the Uruguay Round: The Case of West Germany in the European Community, Manuskript eines Vortrages auf der Konferenz des Carnegie Council on Ethics and International Affairs und des Centre for Applied Studies in International Negotiations in Montreux, 6.-8. März 1987.
Zusammenassung der Diskussion (Referat Klepper)
Franzmeyer bringt gegen das von Klepper vorgetragene System eine Reihe von Einwänden vor: Erstens würde bei einer Behandlung des Hochtechnologiesektors im Rahmen des GATT zumindest der gesamte Sicherheitsbereich ausgeklammert, und Klepper habe selber erwähnt, daß dies eines der wichtigsten Vehikel für technologische Innovation sei. Zweitens sei zu fragen, wie die Exportrestriktionen bei Hochtechnologie einzuordnen wären. Selbstverständlich müsse man nicht auf allen Gebieten forschen, wenn man die Ergebnisse billiger im Ausland erhalten könnte; das liefe auf Ressourcenverschwendung hinaus. Aber die Voraussetzung sei natürlich, daß man die entsprechenden Güter auch tatsächlich importieren könnte, und gerade im militärischen Bereich — die Amerikaner hätten da einiges vorexerziert — sei das nicht immer gewährleistet. Drittens müßte nicht nur sichergestellt sein, daß man diese Hochtechnologie auch importieren könnte, sondern auch, daß man sie als Vorleistungen in nationale Produkte einbringen und diese dann frei exportieren könnte — soweit man nicht eindeutig mit Cocom-Vorschriften usw. in Konflikt gerät. Das sei nicht durchweg gesichert, und dies sei einer der wichtigen, zugegebenermaßen politischen, Gründe dafür, daß man Hochtechnologieförderung auch in Fällen betreibe, wo ökonomische dagegen sprechen. Zu dem Problem der Cocom-Liste und der entsprechenden Exportbeschränkungen bemerkt Klepper, dahinter stehe auch eine ökonomische und nicht nur eine politische Logik. Beabsichtigt sei, daß die Diffusiosgeschwindigkeit abnimmt und damit Renten länger gehalten werden können. Das stehe im Zusammenhang mit den Fragen der Exportbeschränkungen und des intellektuellen Eigentums, die in anderen Bereichen innerhalb des GATT diskutiert werden müßten. Klepper meint ebenfalls, im militärischen Bereich herrsche ökonomische Rationalität nur beschränkt, wenn überhaupt. Er sei allerdings optimistisch für die Zukunft. Die militärische Forschung sei traditionell immer sehr erfolgreich gewesen mit Spin-offs in zivile Bereiche. Es gebe Indizien dafür, daß in Zukunft diese Spin-offs geringer werden. Jede Volkswirtschaft, die weiter in dem alten Ausmaß Militärforschung betriebe, obwohl die Spinoffs nicht mehr einträten, würde sich langfristig selber schädigen. Knappe Ressourcen würden abgezogen, ohne später der zivilen Produktion und der Wettbe-
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Zusammenfassung der Diskussion
werbsfähigkeit auf zivilen Märkten zugute zu kommen. Insofern könne man die Hoffnung haben, daß in Zukunft die Militärforschung an Bedeutung verliert. Franzmeyer merkt zu Kleppers Optimismus im Hinblick auf abnehmende zivile Spin-offs an, daß die Erwartungen sehr umstritten und sicherlich auch projektspezifisch sehr unterschiedlich seien. Beim SDI-Projekt sei man der Meinung, sie würden geringer, aber z.B. beim VASIC-Projekt in Amerika werde erwartet, daß sie genauso groß sein werden wie früher auch. Frau Büchner-Schöpf wendet dagegen ein, daß verschiedene amerikanische Untersuchungen ergeben hätten, daß ein Teil der heute schon vorhandenen weitverbreiteten Wettbewerbsschwäche der amerikanischen Industrie auf die Fokussierung der Förderung und die Konzentration der manpower auf den Verteidigungsbereich zurückgeht. Im Moment sehe man deutlich, daß die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie selbst in den unmittelbar von der Förderung der militärischen Forschung profitierenden Bereichen — wie electronics — zurückgegangen sei. Die Amerikaner hätten auch in diesem Bereich Marktanteile gegenüber den Japanern verloren. Bruce Nussbaum habe kürzlich in Bonn ausgesagt, per Saldo seien die Spin-off-Effekte mehr negativ als positiv; er habe erklärt, daß die Unternehmen, die jahrelang oder jahrzehntelang vom Pentagon abhängig gewesen seien, so immobil geworden seien wie das Pentagon selber, während andere Unternehmen sehr viel wettbewerbsfähiger seien; und es sei nicht verwunderlich, daß z.B. IBM es immer abgelehnt habe, Aufträge vom Pentagon anzunehmen, weil sich dieses Unternehmen seine Unabhängigkeit habe bewahren wollen und sich auch nicht in die Schablonen und Förderziele des Pentagon habe einspannen lassen wollen. Dönges ergänzt, daß Exportrestriktionen nicht zum Nulltarif zu haben seien, auch nicht für die Amerikaner, und das wüßten sie auch. Sie hätten vielleicht vorübergehend einen kleinen Wettbewerbsvorteil, aber der Preis bestehe darin, daß sie anderswo — vor allem in der Europäischen Gemeinschaft — Gegenreaktionen auslösten, also eine Importsubstitution im Hochtechnologiebereich. Auf diese Weise würden auf Dauer praktisch auch den Amerikanern Möglichkeiten der technologischen Kooperation, die aus ihrer Sicht vernünftig wären, verlorengehen. Man könne das auch jetzt schon beobachten — abgesehen von den Cocom-Listen — im Zusammenhang mit den sonstigen Verschärfungen seitens des Pentagon in den letzten Jahren. Amerikanische Unternehmen drängten bereits die Administration in Washington, hier den Bogen nicht zu überspannen und es wirklich beim Notwendigsten bewenden zu lassen. Also bestehe hier zwar in der Tat ein Problem, aber es gebe dabei auch ein Selbstkorrektiv. Ein weiterer Gesichtspunkt bestehe darin, daß auch diese Restriktionen —wie alle anderen — einen Anreiz darstellten, umgangen zu werden. Es sei ja nicht so, daß die Cocom-Listen die Sowjetunion daran gehindert hätten, sich
Zusammenfassung der Diskussion
technologisch im Rüstungsbereich zu entwickeln, und das werde auch künftig so weitergehen. Es würden sich immer irgendwelche Unternehmen finden, die bereit sind, unter Einstreichen hoher Prämien illegal solche Geschäfte zu vermitteln und durchzuführen. Man wisse ja, daß die Bundesrepublik und natürlich auch Berlin — neben Hamburg — zu den bedeutenden Umschlagplätzen gehört. Also auch von daher gesehen brauchte man sich keine allzu großen Sorgen zu machen. Aber dennoch sei dies ein Bereich, über den man im GATT reden müsse. Klepper meint, die Frage nach den Spin-offs könne er nur mit vagen Spekulationen beantworten. Es gebe ζ. B. Tendenzen, daß bestimmte Elektronik-Untemehmen in Deutschland sich nicht mehr bei Ausschreibungen des Verteidigungsministeriums bewerben, weil ihnen Militärforschung auf dem zivilen Markt weniger nützt. Militärische Aufträge fielen ja auch sehr diskontinuierlich an, und ohne Spin-offs gäbe es keine großen Anreize, sich auf diesen Markt zu begeben, es sei denn, die Gewinne wären sehr hoch; aber es herrsche anscheinend auch im Elektronikbereich ein starker Wettbewerb. Im Luft- und Raumfahrtbereich hätten z.B. die Kampfflugzeuge kaum etwas, gerade bei der Konstruktion der Antriebsaggregate, mit zivilen Flugzeugen zu tun. Also gebe es dort auch nur noch wenige Spin-offs, manchmal sogar in umgekehrter Richtung vom zivilen zum militärischen Bereich. Zum rückläufigen staatlichen Anteil an FuE-Förderung merkt Frau Biichner-Schöpf an, daß dies nicht mit dem Anteil der High Tech-Industrien übereinstimmen müsse. Im ganzen sei der Begriff schillernd, und es sei sehr schwierig, damit zu operieren. In der Bundesrepublik werde ζ. B. FuE-Förderung auch für Industriebereiche gewährt, die nicht zu High Tech zu rechnen seien. Sicherlich würde man ein Programm zur Forschungsförderung in der Bekleidungsindustrie oder der Lederindustrie niemals unter High Tech-Förderung rechnen. Außerdem weist sie auf die steuerliche FuE-Förderung hin, die jeder erhält, der bestimmte FuE-Tätigkeiten erbringt, ohne Rücksicht darauf, für welchen Sektor das geschieht. So sei es z.B. auch in Großbritannien geregelt. Man könne also allein aus der Tatsache, daß die FuE-Förderung zahlenmäßig zurückgegangen sei, nicht ohne weiteres die Aussage ableiten, daß die Förderung für die sogenannten High Tech-Bereiche zurückgegangen sei. Auch bedeute der Rückgang der FuE-Förderung nur, daß die Staatskassen allenthalben leerer geworden seien. Eine neue Untersuchung der OECD stelle fest, daß der Interventionismus in allen Industrieländern zurückgegangen sei. Die OECD stelle die Frage — erst die Zukunft werde das erweisen —, ob es tatsächlich die Renaissance einer neuen, marktwirtschaftlich orientierten Industriepolitik gibt oder ob nur bugetäre Enge dazu geführt hat, daß die Subventionen für die Industriezweige in den meisten OECD-Länder zurückgegangen sind.
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Zusammenfassung der Diskussion
Daß sich die Länder durch Subventionen schaden, sei auf lange Sicht zwar wahrscheinlich. Aber zunächst einmal hätten sie natürlich ihren Mitwettbewerbern auf dem Weltmarkt sehr geschadet. Das Argument, abzuwarten, bis die anderen sich eines Tages selber schaden, sei also mitunter politisch recht schwer verkäuflich. Bis es dahin kommt, daß derjenige, der mit Subventionen arbeitet, sich selber schadet, dauere es lange, und es sei schwierig dies zu vermitteln. Klepper bezweifelt, daß der Schaden erst viel später auftrtitt, wenn Hochtechnologie-Förderung gemacht wird, die ökonomisch nicht sinnvoll ist. Der Schaden trete sofort auf; man habe sofort eine ineffiziente Allokation der Ressourcen. Man könne das vielleicht nicht sofort messen, aber man könne aufgrund theoretischer Überlegungen ziemlich klar sagen, wo der Grundstein für eine falsche Allokation gelegt wird, und die sei falsch von dem Tage an, wo Forschung mit Subventionen übertrieben gefördert wird. Hierzu stellt Krupp ergänzend die Frage, ob nicht vielleicht zwischen den rückläufigen Spin-offs auf der einen Seite und den Technologieförderungen der anderen Länder ein Zusammenhang besteht. Es könne doch sein, daß die eigene Förderung der militärischen Forschung um so weniger wert ist, je stärker die Technologieförderung der Konkurrenzländer wird. Zu der Frage des Unterschieds zwischen High Tech- und FuE-Subventionen bemerkt Klepper, die Abgrenzung sei in der Tat problematisch, auch weil es keine Definition von High Tech gibt. Er habe die OECD-Zahlen benutzt, und diese seien nicht besonders gut, weil jedes Land ein bißchen mogele: Manch ein Land wolle nicht so viel FuE-Subventionen sichtbar werden lassen, manche wollten weniger Militär, manche mehr Militär aufscheinen lassen usw. Aber trotz dieser großen Unterschiede könne man wohl doch feststellen, daß sich das Problem der Hochtechnologie-Förderung zumindest quantitativ nicht dramatisch geändert hat. Frau Büchner-Schöpf bittet ferner um genauere Aussagen zu dem Problem, wie High Tech-Subventionen mit den GATT-Regeln gezähmt werden könnten. Es bestehe ja die Gefahr, daß man sehr viele Bereiche, gerade die interessanten, unter dem Aspekt Sicherheit, Verteidigung usw. herausnimmt. Letztlich könne man die High Tech-Bereiche bei extensiver Interpretation alle unter Sicherheitsaspekten herausnehmen. Hierzu bemerkt Klepper, man müsse unterscheiden zwischen der politischen Seite und den GATT-Prinzipien bzw. dem GATT-Wortlaut. Der Wortlaut des GATT stimme durchaus mit dem überein, was man als Ökonom als vernünftigen internationalen Mechanismus ansehen würde. Man könne ihn vielleicht verbessern, indem man die Frage der Eigentumsrechte änderte und die Beweislast umkehrte. Aber der GATT-Text mit dem Subsidy Code erlaube ohne weiteres, diese Fragen mit internationalen Konsultationen zu lösen. Das politische Problem bestehe allerdings darin, daß es am Willen dazu fehle.
Zusammenfassung der Diskussion
Dönges fügt eine methodische Bemerkung an: Klepper habe die Ergebnisse einer neuen Wachstumsindustrie im akademisch-literarischen Bereich der US-Wirtschaftswissenschaften vorgetragen. Aus der Möglichkeit der steigenden Skalenerträge und den Besonderheiten unvollkommener Märkte usw. sei eine neue Theorie der Handelspolitik abgeleitet worden, die alle diejenigen, die sich im internationalen Handel protektionistisch betätigen wollten, sehr leicht für ihre Zwecke benutzen könnten. Endlich liefere die Wissenschaft die Argumente. Natürlich könne man ζ. B. beim Airbus sagen, daß alle jene Besonderheiten gegeben seien und daß insofern all das, was man sonst über Freihandel erklärt, hier nicht anwendbar sei; im Gegenteil, es sei wohlfahrtssteigernd, wenn man in diesem Bereich intervenierte — eine gefährliche Argumentation. Diese Denkweise sei in der Bundesrepublik noch nicht so stark vertreten wie anderswo. Das hänge einfach damit zusammen, daß deutsche Professoren nicht unter einem ähnlichen permanenten Veröffentlichungsdruck stünden wie die amerikanischen, die ja wohl aus Fußnoten immer gleich Aufsätze und Bücher machen müßten. Konferenzen würden veranstaltet; immer säßen die Beamten dabei und hörten sich das an, und irgendwann intemalisierten sie das. Es sei zu befürchten, daß man dasselbe auch in der Bundesrepublik erleben werde. Natürlich seien alle diese theoretischen Untersuchungen mit allen möglichen Prämissen abgesichert. Aber die Ergebnisse würden sich dann verselbständigen, und am Schluß bleibe nur zu prüfen, ob im konkreten Fall steigende Skalenerträge unvollkommene Märkte, hohe Fixkosten-Anteile und viel Forschung und Entwicklung festzustellen seien. Überall, wo diese Attribute gegeben wären, würde dann — mit der Wissenschaft im Rücken — gefordert, von Staats wegen einzugreifen, denn das sei wohlfahrtssteigernd, nicht für die Welt, aber für das einzelne Land. Klepper teilt diese Befürchtungen nicht. Ganz im Gegenteil, bisher habe der politische Prozeß so ausgesehen, daß Unternehmen die von Dönges angeführten Argumente (hohe Fixkosten, hohe Forschungs- und Entwicklungskosten, geringes Risikokapital, sinkende Grenzkosten und Durchschnittskosten usw.) vorbrachten und Subventionen forderten. Deshalb sehe er es als positiv an, daß jetzt diese Argumente in die Modelle integriert und empirisch überprüft würden. Dabei habe sich in fast allen Fällen — er kenne nur eine Ausnahme — sogar ein negativer Effekt auf die nationale Wohlfahrt gezeigt. Somit bestehe aus ökonomischer Rationalität kein Grund, selbst bei Existenz einer nicht normalen Produktionsfunktion, bei der betreffenden Technologie Forschungsförderung zu betreiben. Insofern glaube er, daß gerade die neue Handelstheorie einen positiven Beitrag leisten könne. Daß man nicht theoretisch argumentieren und schematisch aus bestimmten Fixkosten herleiten dürfe, Subventionierung sei gerechtfertigt, sei im Zusammenhang mit der neuen Handelstheorie ganz klar aufgezeigt worden.
13 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
Dritter Teil
Die Zukunft des G A T T
Reforming GATT? By Gerard Curzon and Victoria Curzon Price, Geneva
Blaming the messenger for bad news is a widespread practice 1 . Similarly, the GATT today is often blamed for the deterioration of the world trade system. Yet a moment's reflection will confirm that the GATT has no independent existence of its own. It is what its contracting parties wish to make of it. If they no longer wish to live by its rules, they will make others or try living without any rules at all. The GATT as the 40-year-old treaty which has served the international community since the last war only exists as long as the sovereign states which have a acceded to it continue to submit voluntarily to its disciplines. In this respect, the tidings are bad indeed. In the view of one observer — a former Canadian Ambassador and chief negotiator for his country in the Tokyo and other GATT Rounds: " . . . the GATT as a set of rules is no longer effective, if it ever was. It no longer serves adequately the interests of smaller countries (such as Australia); it no longer serves effectively the interets even of the larger countries — which also need rules . . ." 2 or again, in the view of the seven eminent persons asked by the Director-General of GATT to serve as an independent group to study the problems facing the international trading system: "Today more and more countries are increasingly ignoring the trading rules, and concluding bilateral, discriminatory and restrictive agreements outside the GATT rules" 3 or again, in the view of the Deputy Director-General of GATT during the Tokyo Round and a distinguished legal consultant: 1
J. C. Frazer, in The Golden Bough, Macmillan, London 1957, gives many examples of such "contagious magic" which proceeds on the notion that events which appear to be linked in time or space are in fact also causally conjoined. 2 Rodney C. de Grey, The Decay of the Trade Relations System, in: Issues in World Trade Policy: GATT at the Crossroads, R. H. Snape ed. Macmillan, 1986, p. 25. 3 Trade policies for a better future : Proposals for action, report of the group of "wise men", GATT, Geneva, 1985, p. 19. (Hereinafter referred to as the Leutwiler Report, in honour of the Chairman of the group).
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Gerard Curzon and Victoria Curzon Price
"Given all the changes in the world economy and, too, the redistribution of economic power since it was drafted, the GATT's rules are often seen as irrelevant and, even when not, they are more honoured in the breach. «4 A l l this is only too true. We shall not repeat, in this paper, the long and growing list of misdeeds which almost all of GATT's contracting parties have committed. We can only agree with Wolter that "the GATT has not prevented the world economy from relapsing into protectionism" 5 . Furthermore, writing in mid-1987, we are witness to the sorry spectacle of the United States Administration, until recently the principal guarantor of the trade system based on GATT, indulging in a paroxism of anti-Japanese sentiment and treating this country in a discriminatory, unfriendly and illegal manner, while the US Congress adopts legislation forbidding bilateral trade deficits. One might just as well outlaw the tides. One is staggered both by the ignorance of economics and the sheer disregard, in high places, for the most elementary concern with basic international obligations or even, at the most pragmatic level, with the possible practical repercussions of such actions. To write of the reform of GATT in these circumstances is a thankless task indeed and one may perhaps be forgiven for taking a rather gloomy view of the options before us. Should one advocate a pragmatic re-definition of rules that countries could abide by and live with? There is a danger that any attempt to reform GATT in the present inauspicious circumstances would result in regression rather than progress in terms of a set of workable, economically respectable rules. Should one take the view that no reform is called for, since the basic rules are sensible and, though not always strictly observed, serve as a useful backdrop to "the diplomatic process of accommodation" 6 ? This view stresses the virtues of continuous discussion and negotiation, of agreements to disagree, or even agreements to agree, as long as countries continue to talk to each other on a semi-permanent basis. But what if we agree to more and more cartels, a la MFA or the US-Japan semi-conductor pact? Pragmatism has its limits too. Should one emphasize the institutional side of things? Should independent surveillance mechanisms be introduced into the GATT system, to 4
Gardner and Eliza Patterson , Importance of a GATT Review in the New Negotiations, The World Economy, June 1986, p. 154. 5 Frank Wolter, Trade Liberalization within the GATT framework? (preliminary working paper, 1986). 6 Olivier Long, Law and its limitations in the GATT multilateral trade system, Martinus Nijhoff Publishers, Dordrecht etc. 1985, p. 109.
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shame countries into behaving better? 7 Should individuals be granted the right to invoke GATT rules against actions by their own governments? 8 These are all admirable ideas, but why would GATT's contracting parties apply them? Should one advocate the reintroduction, into GATT, of agriculture, textiles and clothing? The conversion of voluntary export restraints into their tariff equivalents? It is unfortunately not difficult, at this juncture, to suggest any number of improvements. The question is whether the GATT's contracting parties have any wish at all to adopt them. Pro-trade policies, like charity, begin at home. If governments adopt anti-trade attitudes it is because they have already reached the conclusion that they cannot live with competition and the free play of market forces, except in the anaemic form that survives behind their own domestic frontiers. Many authors stress the notion that governments subject themselves to international disciplines because they constitute a bulwark against strong internal pressure groups, whose interests they rightly judge to the incompatible with the general good, but if so, they have failed to keep that bulwark in good repair. However, it is on the faint possibility that the governments still recognize the need for such a bulwark that we must pin our hopes.
Is GATT outdated? It is quite true that at the time when GATT was drawn up most of the measures which are in common use today to influence production and trade flows were not even dreamed of, or if they were, they were not so common as to empty the agreement of significance. Lacunae and lack of precision abound. But can the existing provisions be significantly improved on? Take the troubled question of subsidies. The GATT permits "the payment of subsidies exclusively to domestic producers" (Article III, 8 (b). However, if any subsidy operates directly or indirectly to increase exports or decrease imports, and if it causes "serious prejudice" to a partner country, the issue falls into the international domain — in other words, it becomes a legitimate issue for bilateral consultation (Article XVI). However, if no redress is forthcoming, and if the effect of the subsidy is "such as to cause or threaten 7
Richard Blackhurst, GATT Surveillance of Industrial Policies, Außenwirtschaft (Swiss Review of Internatioal Economic Relations), Vol. 41, Sept. 1986, p. 199-216. The Leutwiler Report also recommends this. 8 See Jan Tumlir, International Economic Order and Democratic Constitutionalism", ORDO Jahrbuch, Vol. 33, 1983, pp. 71-83. and Emst-Ulrich Petersmann, Trade Policy as a Constitutional Problem. On the "Domestic Policy Functions" of International Trade Rules, Außenwirtschaft, Vol. 41, Sept. 1986, pp. 243-278.
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material injury" a contracting party has the right to levy a countervailing duty to offset "any bounty or subsidy bestowed, directly or indirectly, upon the manufacture, production or export of any mechandise" (Article VI). The Tokyo Round Code on Subsidies and Countervailing Duties did not alter these rules, but attempted to clarify the terms, and, above all, brought the United States into their ambit, for until then the United States had applied its own domestic legislation which provided for mandatory countervail without proof of injury. It has been observed that since the adoption of this Code (as well as the Kennedy Round Anti-Dumping Code) there has been a sharp increase of anti-dumping and countervailing duty actions, both in the United States and in the European Community. The latter, in particular, has provided itself with a "new Community instrument" so as to process complaints more efficiently 9 . Is this system of "contingency protection" a retrograde step, biased in favour of the large industrial countries and power-oriented, as Rodney Grey suggests?10, or does it set acceptable limits to subsidization by GATT contracting parties? The rules themselves strike one as being fair. Conflicts and accusations that "contingency protection" is just another form of bullying, however, are bound to arise because each contracting party interprets what is meant by "injury" and what the margin of subsidization amount to by itself. In the case of European exports of steel to the United States, which no one denied came from some highly subsidized producers, the protagonists preferred to settle the matter by means of "voluntary" export restraints. They thus avoided a potential dispute. But what about the unilateral determination by the United States that Canadian wood shingles are subsidized? What about Airbus? The only way to resolve head-on conflict would be to submit to independent evaluation by a GATT panel. What is needed is an independent, semijudicial procedure to apply the rules, rather than a change in the rules themselves. The Leutwiler Report puts forword some very sensible, possibly feasible, suggestions in this regard, such as the building up of a permanent roster of non-governmental experts to examine disputes, allowing the DirectorGeneral of GATT to initiate mediation and conciliation at an early stage in a dispute and setting milestones to monitor the implementation of the panel reports. But at present, the dispute-settlement process only gets moving after the harm is done and the dispute has had time to raise tempers. Thus the problem is not so much one of GATT's rules being "outdated", but of improving the procedures to help their implementation.
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EEC Regulation 2176/84. Rodney de C. Grey, op. cit., p. 27.
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Or take the awful problem of voluntary export restraints. Notwithstanding some firmly-held views that GATT does not expressly prohibit such practices, the general rule of non-discrimination is stated forcefully in several contexts, and the founders were always careful to specify that the rule applied as much to exports as to imports. Thus, to take only two examples: "No prohibitions or restrictions other than duties, taxes or other charges, whether made effective through quotas, import or export licences or other measures, shall be instituted or maintained by any contracting party on the importation of any product of the territory of any other contracting party or on the exportation or sale for export of any product destined for the territory of any other contracting party" (Article XI) or again: "No prohibition or restriction shall be applied by any contracting party on the importation of any product of the territory of any other contracting party or on the exportation of any product destined for the territory of any other contracting party, unless the importation of the like product of all third countries or the exportation of the like product to all third countries is similarly prohibited or restricted." (Article XIII) Thus it seems clear that it is not the state of the rules that is at fault, but rather our willingness to apply them. The same could be said for agriculture (nowhere is it specified in the General Agreement that agriculture should be excluded) or for textiles and clothing. Similarly, complaints are frequently and rightly made about the state of application of Article X X I V (relating to customs unions and free trade areas). Apart from the EEC, EFTA and a handful of other "respectable" regional integration schemes, there exist an embarrassing number of preferential zones which fall short of the fairly strict standards set in Article XXIV. But does the fault lie in the rules themselves? Should Article XIX relating to safeguards for particular industries be amended? Let us recall, for a moment, the logic of the GATT escape clauses as they stand at present. If a country finds that it is not competing on a "level playing field" (other countries dump and subsidize) it is authorized to take countervailing action if "material injury" threatens. In this case, it is clear, the countervailing duty will be applied only to the imports of the country, or even the firm, found to be at fault. Discrimination is not only permitted, it is equitable (although economists might have reservations concerning dumping, which will not retain us here) and serves as a potential deterrent. If, however, a country finds that it cannot stand the pace of unsubsidized competition, and that it threatens to cause "serious" injury, 1 1 the GATT 11 GATT working parties have struggled with little success to discover the exact meaning of the difference between "material" injury and "serious" injury.
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allows the introduction of non-discriminatory emergency measures. Even if this last statement is open to interpretation (since the text refers only to the permission "to suspend the obligation in whole or in part or to withdraw or modify the concession" which is the immediate cause of the problem), it is clear on the economic merits of the question that emergency action to combat lack of competitiveness should not be taken on a discriminatory basis, since it would single out the most efficient supplier and result in loss of welfare. In addition to being inefficient, it would also be inequitable and conflict-laden. It will be recalled that the Safeguards Code negotiations during the Tokyo Round foundered on this point, the United States insisting on the orthodox view, while the EC wanted to permit discriminatory safeguard action under certain carefully controlled circumstances. The same discussions, offering much the same trade-off (discriminatory emergency action accompanied by reinforced multilateral surveillance) will doubtless return to plague the Uruguay Round. Our own view, for what it is worth, is that freer trade cannot be painless, or if it is, it is worthless. Article XIX is a generous enough escape clause as it stands. Anything less would convert GATT into a forum for constant re-negotiation of concessions whenever a domestic lobby called for help, thus ensuring that no new gains from trade of any significance could ever occur. The one area, however, where we would recommend a change in substantive GATT rules would be in provisions relating to developing countries. The latter receive special treatment under the terms of Article XVIII and in Part IV of GATT, but it has yet to be demonstrated that this has been of any use to them. Quite the contrary, because it has allowed them to enjoy a measure of market access for their exports without offering similar access to imports, the GATT has been unable to play the role of bulwark against special-interest pleading, or to protect less-developed country governments against themselves. Our conclusions thus far are that substantive GATT rules, with very minor exceptions, are sensible and consistent and do not need amendment. Clarification and interpretation, perhaps — but not (with the exception of provisions relating to developing countries) actual change. They are good, sensible rules for any group of market economies wishing to conduct trade relations on a civilized basis. 12 On the other hand, if this group no longer 12
It has seemed for some time now that the balance of payments clause, allowing a contracting party to introduce import restrictions, including quantitative restrictions, in order to "safeguard its external financial position and its balance of payments" mightbe allowed to lapse: after all, in a flexible exchange rate world this provision makes little sense. However, in the light of the present trade hysteria in the United States, one should perhaps retain it. By invoking Article XII she could take amazingly satisfying action and still remain within GATT's legal bounds.
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whises to so conduct its trade policies, there is no system of rules on earth which can stop them from doing so.
Institutional reform If contracting parties were anxious to repair the bulwark function of GATT, they could do worse than to start with reinforcing its surveillance and dispute settlement procedures. These aspects have always been stunted because of GATT's early history. But even without much in the way of formal surveillance and dispute settlement procedures written into the Agreement, monitoring by means of giving injured parties the right to complain, first bilaterally, then multilaterally, worked reasonably well during GATT's early years. There were fewer members, fewer ingenious non-tariff barriers, fewer sensitive products. Each contracting party monitored the actions of its partners, and complained when it suffered "injury" or "nullification or impairment" of benefits expected. One finds the same self-governing surveillance and dispute settlement procedures in EFTA, for example, where they also work well because of the small numbers and limited nature of the obligations. However, GATT of the 1980's is too large a body for effective self-government in this respect. Misdeeds pass unnoticed in the sheer size and complexity of the organization. Even if they are noted, contracting parties prefer not to complain, since people who live in glass houses do not throw stones. The EC, for its part, has developed an exceedingly far-reaching system of judicial review, with the Commission playing the role of initiator and investigator and the European Court handing down legally binding decisions. In view of the depth and complexity of the Community's form of economic integration, one could argue that such a system of judicial review is an indispensable part of the whole. It should be noted, in passing, that by subjecting intra-European economic relations to binding judicial review, the Community is in the process of formalizing what used to take place behind closed doors at the discretion of national administrations. W e refer, inter alia, to the "new Community mechanism" to deal with anti-dumping and countervailing duty actions, the increasingly strict surveillance of subsidization by the Commission and the more aggressive view taken nowadays by the Court and the Commission of the use of technical regulations and norms for covert protectionist purposes. Although in many ways foreign to the "European" way of doing things, this growing emphasis on "due process" is obviously a much clearer and better basis for applying the law than waiting for Members to act. It is also, incidentally, making the Community increasingly resemble the United States, with the introduction of a judicial process for
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determining, for instance, anti-dumping and countervailing action, as mentioned above. 13 Of course one could never seriously suggest that the GATT might develop a Community-type of judicial review, but on the other hand, leaving surveillance to spontaneous action by contracting parties is clearly inadequate. The following ideas have been put forward by knowledgeable persons: The Leutwiler Report proposes that "governments should be required regularly to explain and defend their overall trade policies" 14 . To this end they suggest that the GATT secretariat should prepare an annual report on the trade policies of each major contracting party and that a panel representing "three to five governments" would review it, "subject its representatives to questioning, and make recommendatios". In addition, it is suggested that the GATT secretariat should be given some limited powers to initiate studies, "to collect, maintain, and publish comprehensive information on trade policy measures and actions", so that it can act as a "watchdog" on behalf of the trading system as a whole. The Leutwiler Report also suggests that third parties should us their right to initiate complaints about bilateral agreements which may not cause them direct injury, but which undermine the GATT and reduce its ability to manage the trade system. In this regard, it is interesting to note that the EC has indeed lodged a complaint under Article XXIII (Nullification or Impairment) over the US-Japanese micro-processor pact. However, this is the first time that a VER/OMA type of arrangement has been complained of officially, which again suggests that it would be better to have an independent watchdog, rather than to rely too much on peer-group monitoring. In this connection, we recall briefly the very broad terms of Article XXIII to show that it indeed allows any contracting party to raise any matter concerning the application of the General Agreement, even if the matter complained of is not in conflict with GATT: "If any contracting party should consider that any benefit accruing to it directly or indirectly under this Agreement is being nullified or impaired or that the attainment of any objective of the Agreement is being impeded as a result of: (a) the failure of another contracting party to carry out its obligations under this Agreement, or 13
See in particular Jacques Pelkmans, The Bickering Bigemony: GATT as an instrument in Atlantic Trade Policy, in: Loukas Tsoukalis, Ed. Europe, America and the World Economy, Blackwell, for the College of Europe, 1986, pp. 83-106. 14 Leutwiler Report, op. cit., p. 42.
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(b) the application by another contracting party of any measure, whether or not it conflicts with the provisions of this Agreement, or (c) the existence of any other situation Also included in the Leutwiler Report is a suggestion that a permanent Ministerial-level body of limited membership (Super-GATT) should be created "to ensure continuous high-level attention to problems in international trade policy, and to encourage prompt negotiations of solutions of them". It is not expressly suggested in the Report that the G-18 (the size of the present GATT Council) might initiate studies and act as watchdog, probably because the whole issue of Super-GATT is very sensitive, but seems to us that one needs as many independent trigger mechanisms as possible, and that such a group could be added to the list of possible initiators of studies and complaints. The Leutwiler Report does not endorse the radical Tumlir-Petersmann proposal 15 that individuals should be given immediate private rights to sue their own governments, in their national courts, for the non-application of their GATT obligations. This seems to be a very attractive proposal which democracies might perhaps consider adopting — and not just for trade law. But we leave the pros and cons to the experts. However, one of the Leutwiler Report's most imaginative ideas is that of the "protection balance sheet". It recommends that any proposal for protective action should be systematically analyzed within the national political context of every contracting party. Such a system of public hearings would "greatly improve the quality of public discussion by demonstrating the trade-offs in any protective measure, and would also help to create a constitutency in favour of open trade policies" 16 . Although this would not be directly part of an international surveillance mechanism, whose aim is to bring to light the harm done to a country by its trade partners' actions, it would help to make the process of domestic trade policy formulation more transparent by emphasizing the harm done to a country by its own policy actions. There is clearly room for both types of scrutiny. 17 Dr. Richard Blackhurst, Director of Research at the GATT-Secretariat, has broken down the surveillance function into the following components: (i) (ii) (iii) 15 16 17
collection and dissemination of information evaluation of the information action based on the information
See footnote 8. Leutwiler Report, op. cit., p. 35. Richard Blackhurst, op. cit., p. 215.
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The first two steps would not imply much more than a reinforcement of the current procedure whereby the GATT Council meets every six months in Special Session to carry out reviews of the compliance of contracting parties with various reporting requirements and, in particular, with the 1982 standstill commitment. Thus the GATT Council could establish a series of small permanent sub-committees to review the compliance of individual contracting parties with their general GATT obligations, reporting back to the Council as and when appropriate for evalution. As for dissemination, the GATT Secretariat's twice-yearly report on developments in the trading system is already made public after six months, but it of course contains no judgment as to the legality of the measures ennummerated. Evaluation is a ticklish matter which in the present GATT context cannot be left to the Secretariat. Should it be based more on rules or on merit? In EFTA the tendency has been to move away from strict legal interpretation and to evaluate policies on the basis of their "effects". There is clearly a balance to be struck which will differ from one organization to another and possibly from one case to another. One should however not use the ambiguity of some of the GATT's legal rules as an excuse to stop the implementation of better surveillance procedures, as the European Community has argued. The third step, as Blackhurst points out, is more problematic and would logically end where the dispute settlement procedure begins.
Progress by Codes? Whatever the merits of these various proposals, it is clear that even if appropriate texts were drawn up, it would be very unlikely that more than a handful of GATT contracting parties would sign and ratify them. Whether one likes it or not, the system is moving towards a GATT-of-the-like-minded. As long as the Codes merely interpret and clarify the General Agreement, they need create no incompatibilities with regard to the actual obligations undertaken within the General Agreement on the one hand and the Codes on the other. However, once the Codes go beyond what is current GATT practice, the question of most-favoured-nation treatment arises. A Surveillance Code, for instance, could apply between limited numbers of GATT contracting parties without any problems occurring. By demonstrating its usefulness it might even attract new members. Even today, countries applying the Anti-dumping and Countervailing Duties Codes do not appear to discriminate (in their anti-dumping and countervailing duty actions) as between signatories and non-signatories 18 .
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However, significant steps with regard to public procurement, technical barriers to trade, services, subsidies to high-tech industries, agriculture and perhaps even escape-clause action are all likely to create rifts between signatories and non-signatories, raising the issue of discrimination within GATT. There is also a danger that if one proceeds piecemeal, the membership of various Codes will not be uniform. The result will be a GATT a geometrie très variable . . . In fact, excessive reliance on the Code mechanism runs the risk of ultimately tearing GATT apart. Is this an acceptable risk in view of the fact that the GATT, for all its faults, is all we have — and that we are unlikely ever to be able to re-build another GATT from scratch? As we hinted at earlier, GATT is not responsible for the deterioration of the international trade system. It is its principal contracting parties that are to blame. By the same token, they and they alone can "put Humpty Dumpty together again". The fact that they show no sings of wishing to do so is ominous, for the remedy is extremely simple. As Jan Tumlir used to say, all that is needed to cure the great majority of GATT's ills is a solemn reaffirmation of the rule of non-discrimination. But this is precisely what they seem to fear most. Delving slightly deeper into why this might be so, we note that as long as we rely on the coordinating powers of the market, not only do production and consumption decisions dovetail quite naturally within and across international borders, but incremental structural change takes place constantly. In such circumstances very few international trade disputes could logically arise. In fact, only the most rudimentary international trade organization would be needed. This is essentially what the original GATT was, and the system developed progressively as long as member countries relied on the coordinating powers of the market for most economic decision-making. Those areas where the market system was not acceptable to society at large as an allocative system (i. e. agriculture) proved impossible to govern internationally according to GATT rules, since these only made sense in a market-economy framework. In the 1970's and early 1980's the failure of macroeconomic fullemployment policies so shook our societies' confidence in the ability of the market system to provide for growth, employment and structural change that "industrial policies" were advocated and adopted for all sorts of sectors, especially those which were suffering particularly sharp changes of fortune. Inevitably this caused conflict at the level of international trade. Economic decisions no longer dovetailed automatically. Instead, independently con18 See, for instance, the annual EC reports to the European Parliament on antidumping and countervailing duty actions (COM (83) 519 final/2, COM (84) 721 final and COM (86) 308 final).
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ceived and enacted industrial policies clashed head-on, not only with each other, but with the few market-based systems that still survived. We speak of all this, doubtless optimistically, in the past tense. Is it too much to hope that with the return of milder economic weather we shall gradually unwind our industrial policies and return to market-based decision making processes? That the present craze for privatization is more than just a quick fix for cash-hungry governments? If so, GATT will revive of its own accord. However, the problem of making progress in new areas and in many non-tariff barrier fields will remain, especially as large numbers of (mainly) developing countries are still very far from basing their economies on market-economy principles . . . It is in this conncetion that we would suggest that a group of like-minded countries could proceed faster by means of an open-ended trade liberalization agreement. Although discriminatory, it could remain well within the existing GATT framework. 19
A general agreement to free trade Those countries (which we will call "traders") which embrace the idea that freer international trade is a means to an end, namely that of increasing one's own efficiency, income and welfare, should identify themselves and work towards a really spectacular objective, such as free trade by the end of the century. The group would naturally have to be self-selected and open to newcomers, providing they also subscribed to the objective and the agreed means of achieving it. The countries embarking on this course would use Article X X I V of GATT and create a free trade area among themselves only. The purpose of this discrimination would be two-fold. First, it would make the goal of free trade much easier to "sell" politically on the home front. Secondly, it would create a dynamic whereby countries which had remained outside to start with would have an incentive to review their entire attitude to the trade question (at the moment, a free-rider attitude appears virtually costless). It is true that discrimination carries costs, in particular those of trade diversion. However, since the GATT would remain in place, and since the members of the group would by definition be "traders", the level of protection between the group and the rest of GATT would not be excessive. Secondly, since the agreement would be open-ended and accessible to all 19 This section draws on Gerard Curzon and Victoria Curzon Price , Defusing Conflict between Traders and non-Traders, in: The World Economy, Vol. 9, No. 1, March 1986, pp. 19-35.
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"traders" (whether developed or developing) it would most likely include the world's lowest cost producers. Trade diversion, in such a case, would be zero. What is a quorum for such an agreement? Ideally, it should include most of Europe, North America, Japan and the "traders" in the developing world, but smaller membership would be acceptable to start with. Either the FTA would be so small it would not matter, or it would be large enough to matter, in which case it would exercize a powerful dynamic effect on the nonparticipants. In the meantime, the agreement would not only include the elimination of customs tariffs on industrial goods between members by the end of the century, but would tackle all the awkward non-tariff barrier issues that have proved so intractable so far — like subsidies, government procurement, technical barriers to trade, restrictive business practices and so forth. These negotiations would take place among the same group of countries, who would soon notice that the same basic principles could be used to govern subsidies as government procurement or technical barriers to trade (see for example EFTA's "frustration" criterion) and who would above all avoid the potential choas of piecemeal Code-making. Quite probably, such a free trade area would still not include agriculture. There is nothing to make one believe that the management of this sector is about to be returned to the market. It will therefore remain a managed sector, both domestically and internationally. The best one can hope for is an agreement which promotes planned trade and specialization and which avoids conflict in third markets. However, the free trade agreement would have to include "substantially all the trade" (according to the terms of Article XXIV of GATT), i. e. most everything except agriculture. Although it would have to provide for exceptions and escape clauses, these would always have to be temporary, degressive and monitored. Once a sector was part of the agreement, it could not be withdrawn (if selectivity is permitted in a preferential system, it soon degenerates into pure trade-diverision). What would be the motivation for developed countries, in particular the United States, the European Community and Japan, to form such an openended free trade area? Its main attraction would be to put trade on a clear reciprocal basis. It would be calling the bluff of the "level-playing field" lobby. It would ensure that only market-oriented countries would be included, which would immediately contain the problem of subsidization, state trading and having to compete with foreign treasuries. Tighter rules would ensure better surveillance of non-tariff measures, fewer departures from the general rules and more rigorous procedures for dispute settlement. It could be objected that the goal of free trade for substantially all goods, including coming to grips with non-tariff barriers, is far too ambitious. However, the timetable could stretch far into the future — long enough for all 14 Konjunkturpolitik, Beiheft 34
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economic agents to be amply warned. (Incidentally, it is fascinating to see how seriously the EC Commission's goal of a unified market by 1992 is being taken by the private sector: it is already being used as a reason for forcing the pace of rationalization and is being looked forward to with a pleasurable shiver of anticipation). Furthermore, whatever the countries that will compose the group, their common organizing principle will consist of being pro-market and pro-trade. They will have joined forces because the GATT convoy is too slow. In other words, if the general climate ever turns sufficiently positive for one to be able to think of reviving GATT, the same circumstances would also permit one to think of a general agreement to free trade among like-minded countries. Although it would be inevitably discriminatory to begin with, we believe that it would attract new members fast enough so that the ultimate objective — to include all GATT members in a workable trade system — would be met faster than if one had taken the non-discriminatory GATT track instead.
Conclusions It is not without misgivings that we suggest progress via discrimination in GATT. However, the overriding consideration which leads us to this conclusion is the fact that it is an illusion to think that over 100 sovereign countries can generate sufficient enthusiasm and unity of purpose to achive the necessary reforms. Secondly, this is the direction in which events are pushing us anyway: witness the G-18 (GATT Council) or the G-5, G-6 (or 7), G-10, G-20 in the IMF. Finally, GATT originally applied to only 22 countries. Though non-discriminatory and universal in spirit, it applied to only a handful of countries. Had they been more rigorous, both in the application of GATT rules to trade between themselves and in accepting new members on similar terms, we would not now have to advocate a "Super-GATT" within GATT. We would also emphasize that the dynamics of discrimination are such that non-traders would soon revise their policies and apply to join the group — but this time on rigorous terms. In the meantime, it is clear that only closed-ended free trade areas are in the offing (EFTA, EFTA-EC, US-Israel, US-Canada etc.) which are not at all the same thing. These are neither especially good, nor especially bad — just symptomatic of the fact that the world's trading nations are still very far, in practice, from being in a position to do anything radical about freeing trade or reforming GATT. In short, the easy part of our task is to imagine what could be done to improve the current state of affairs: the hard part is to convince ourselves that what is likely to happen will not be something worse.
Zusammenfassung der Diskussion (Referat Curzon) Werner bezieht sich auf die von Curzon benutzte Metapher vom GATT als Feuerwehr. Man müsse hier eine Unterscheidung treffen. Soweit es um die veröffentlichte Meinung über das GATT und seine Grundsätze geht, stimmt Werner der Ansicht zu, beim GATT handele es sich wirklich um eine Feuerwehr in einem freihändlerischen Sinne. Bei den Abkommen, in denen man die Vertragsparteien ja nicht ganz ausklammern könne, habe man es aber mit einer Feuerwehr zu tun, die zu oft Öl ins Feuer gießt. Das leite über zu den Konsequenzen, zum weiteren Vorgehen. Es sei dazu gesagt worden: „Don't touch the GATT rules." Auch von der „wisdom of rules" sei die Rede gewesen. W o aber weder wisdom noch rules zu erkennen seien —nämich u. a. in Art. XI, 2 — sei ersatzlose Streichung angebracht; genauso im Falle von Art. XII. Zum Textilbereich bemerkt Werner, von einer Anpassung des Textilabkommens an die Notwendigkeiten verstärkten Austauschs sei zwar die Rede gewesen. Ihm wäre aber eine von Seiten der Vertragsparteien kommende deutliche Zurückweisung der Verlängerung des Abkommens lieber gewesen als das, was bei vielen den Eindruck von Anpassung hervorgerufen hat. Curzon verweist auf die vollständige Fassung seines Referats. Dort sei die Landwirtschaft ausführlich behandelt und Zuwendungen seien ausgeschlossen worden. Außerdem habe er dort darauf hingewiesen, daß er es nicht für denkbar halte, daß Länder, die ihren Binnenmarkt nicht-marktwirtschaftlich organisieren, sich in ihrer Außenwirtschaft an eine internationale Organisatio n binden, die auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruht. Lorenz findet den Vorschlag Curzons sehr interessant, vor allen Dingen unter der Perspektive, daß man mit der Gründung der alten Weltwirtschaftsordnung nach 1945 habe feststellen müssen, daß die Instrumente für die Aufgaben, die ihnen zugewiesen worden sind, zu schwach seien. Beim IMF und bei der Weltbank sei festzustellen, daß sie sich immer mehr auf die Entwicklungsländer, auf eine bestimmte Gruppe von Ländern, konzentriert hätten. Nun schlage Curzon für das GATT die Konzentration auf eine lose definierte Gruppe vor, die Art. XXIV auffüllen soll. Damit sei der Kern der Gruppe angesprochen, die Schwierigkeiten bereitet, gerade auch wenn man die NICs, Japan, die USA und Westeuropa einbeziehe. Lorenz begrüßt es, zu versuchen, eine Gruppe zu bilden, in der bestimmte Probleme vielleicht lösbar 14*
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sind. Zu unterstreichen sei das Wort „vielleicht". Fraglich ist es z. B.r ob es bei Hereinnahme auch der NICs tatsächlich leichter würde, zu einer Einigung zu kommen. Andererseits sei ebenfalls nicht sicher, ob zwischen den Trilateralisten — den drei Großen, zwischen denen gerade in letzter Zeit sehr viele Probleme aufgetaucht seien — eine Einigung leichter zu finden wäre. Curzon weist darauf hin, daß Korea die Mitgliedschaft in der OECD anstrebt, ein Antrag der kaum abgelehnt werden könne, da ja auch Japan Mitglied sei. Korea dürfte den vorhersehbaren Schwierigkeiten in der Uruguay-Runde durch Zugeständnisse begegnen, um diskriminierenden Maßnahmen gegen das Land zuvorzukommen. Somit sei die Frage nicht mehr, ob man mit den Schwierigkeiten zurechtkommen könne, sondern wie das zu bewerkstelligen sei. Anbieter von den heimischen Märkten auszuschließen sei zwar möglich, aber die Industrieländer lebten schließlich nicht von ihren Binnen- sondern von den Außenmärkten. Es sei nicht durchsetzbar, Wettbewerber vom heimischen Markt auszuschließen, aber gleichzeitig von ihnen fairen Wettbewerb auf den Drittmärkten zu verlangen. Es gehe somit ausschließlich um die Frage, welche Art der Anpassung möglich wäre. Eine weitere Bemerkung zu der tatsächlichen Situation der Weltwirtschaft schließt Curzon an: In der Kennedy-Runde schlugen die USA Freihandel für Warengruppen vor, die 80 v H des Handels mit Europa ausmachten. Dieser Vorschlag sei im Kongreß mit einer nur sehr kleinen Mehrheit abgelehnt worden, er könne jederzeit erneuert werden. Die großen Handelspartner seien sicherlich zu einer solchen Regelung auf den Märkten bereit, in denen sie ohnehin kaum noch Zölle erheben. Bei aller Sympathie für den Vorschlag einer offenen Freihandelszone weist Dönges auf einen Widerspruch in Curzons Argumentation hin: In seinem Papier habe er nicht das GATT, sondern die Hauptvertragspartner für den Verfall des internationalen Handelssystems verantwortlich gemacht. Gleichzeitig setze er aber bei seinem Vorschlag gerade auf diese Handelspartner, um zu einer Liberalisierung zu gelangen. Es scheine fraglich, warum gerade die Industrieländer und einige NICs, die ständig gegen die GATT-Regeln verstießen, nun zu Vorreitern des Freihandels werden sollten. Dönges fügt an, ihm scheine es — gerade wenn eine offene Freihandelszone verwirklicht werden sollte — immer noch dringlich, das GATT-Sekretariat mit Sanktionsmacht auszustatten. Es gelte, dies den beteiligten Regierungen klarzumachen, die sich dann auch leichter gegen protektionistische pressure groups im eigenen Land durchsetzen könnten. Curzon gesteht zu, daß ein solcher Widerspruch besteht. Er habe aber auch versucht darzulegen, wie dieser Widerspruch verschwinden könnte. Zur Zeit leisteten die großen Handelsblöcke — USA, Europa, Japan — zwar Lippenbekenntnisse für den Freihandel, verhielten sich aber entgegengesetzt. Sie
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argumentierten, sie täten dies, um ein System freieren Handels zu etablieren — sie könnten dabei auf das GATT nicht mehr vertrauen, sondern müßten selbst Maßnahmen treffen. Sie würfen dem System mangelnde Transparenz vor, aber keiner wolle die Initiative ergreifen und selber Freihandelsregeln anwenden, um dann von den anderen ein Nachziehen zu fordern. Demgegenüber wäre es reizvoll, einem chancenreichen Freihandelsmarkt anzugehören. Ein besonderer Vorteil läge auch darin, daß das Trittbrettfahrer-Problem auf diese Weise gelöst werden könnte. Gegenwärtig würde eine Menge nützlicher Maßnahmen unterlassen, weil jeder finde, zu viele würden profitieren, aber sich nicht an den Kosten beteiligen. Auch bei dem jüngsten US-Vorstoß in dieser Richtung habe sich die Scheu vor diesem Mitnahme-Effekt als Bremse erwiesen. Derartige Hindernisse würden in einem veränderten System nicht auftreten. Willgerodt läßt nochmals die Anzeichen für zunehmende Kräfte des Freihandels Revue passieren. So gebe es in Ländern in Europa, die sich vor dem Zweiten Weltkrieg extrem gegeneinander abgeschüttet hatten, den Wunsch, die Grenzen total abzuschaffen. Das bedeute eine völlige Veränderung im Laufe der letzten 60 Jahre. Das Streben, die Europäische Gemeinschaft zu erweitern und die Brücke zur EFTA zu schlagen, und der Wunsch außenstehender Länder, sich möglicherweise der Europäischen Gemeinschaft anzuschließen, sei noch immer stark, auch wenn die meisten Länder jenem Freihandelsgebiet inzwischen angeschlossen sind. In Norwegen werde, obwohl ein Handelsabkommen geschlossen wurde, überlegt, ob man nicht doch wieder eine engere Bindung zu EG eingehen könne. Die Türkei habe um Aufnahme ersucht. Es gebe noch weitere Bestrebungen in dieser Hinsicht. Die meisten dieser europäischen Länder — abgesehen von der Türkei — hätten ähnliche Wirtschaftsstrukturen, so daß der innere Wettbewerb entgegen den Gruppeninteressen durch jenen inter-industry trade sehr stark belebt worden sei. Mit einem allzu starken Pessimismus hinsichtlich der protektionistischen Gruppeninteressen sei dieses Streben nicht recht vereinbar. Die politischen Kräfte des Freihandels seien vielleicht in eine bestimmte Richtung gedrängt worden; sie seien aber jedenfalls vorhanden, und sie seien auch stark. Daß die Europäische Gemeinschaft, um den Wettbewerb nicht allzu stark werden zu lassen, nach außen hin durch protektionistische Politik zu kompensieren versucht, was an Handelsausweitung innerhalb der Gemeinschaft stattgefunden hat, sei wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Die Statistiken zeigten, daß der Außenhandel der EG trotz dieser Bemühungen der EG-Behörden und der nationalen Behörden wächst, wenn auch innerhalb der Gemeinschaft stärker als nach außen hin. Er sei deswegen nicht besonders pessimistisch im Hinblick auf das immer größere und damit immer stärkere, wenn auch in seinem politischen Gehalt verdünnte Gebilde der EG. Abgesehen davon sei zu erwähnen, daß die Politik auch auf eine Einigung mit Amerika und
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sogar mit Japan drängt. Nach diesen Vorstellungen sollte die Einigung keine rein europäische Angelegenheit sein. Der erwähnte Verdünnungseffekt gehe somit in Richtung auf eine offene Freihandelsgesellschaft — trotz aller Absurditäten, die die Europäische Gemeinschaft aufweise. Die Agrarpolitik und die damit verbundenen Absurditäten würden oft mit dem Vergrößerungsglas gesehen. Der größte Teil des Handels innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und auch mit außenstehenden Ländern werde aber nicht in diesem Bereich abgewickelt. Es seien übrigens auch nicht alle landwirtschaftlichen Produkte protektionistisch geschützt, ζ. B. nicht die tropischen Produkte. Willgerodt befürwortet, daß die Offenheit des Systems, das Curzon vorschlug und mit dem er sehr sympathisiere, die Nichtdiskriminierung derjenigen einschließen müßte, die nach wie vor diskriminieren. Das liege im Interesse dieses großen Gebietes; das free-rider-Problem sei weniger wichtig. Eine solche Großzügigkeit gegenüber den übrigbleibenden Entwicklungsländern sei durchaus akzeptabel. Er habe ein gewisses Vertrauen, daß die Entwicklungsländer von selber zu der Überzeugung kommen, daß die ihnen gewährte Ausnahme von der Meistbegünstigung und ähnlichem sie selbst schädigt. Curzon stimmt dem im wesentlichen zu. Wie groß die praktische Bedeutung des Trittbrettfahrer-Problems ist, sei eine Frage persönlicher Einschätzung; oft stehe es in der Tat weniger im Vordergrund. Brasilien und Korea beispielsweise erregten nicht als Trittbrettfahrer Anstoß, sondern wegen ihrer selbstgewählten Bezeichnung als Entwicklungsländer. Irgendwann müßten den fortgeschrittenen Ländern diese Privilegien entzogen werden. Weitaus wichtiger sei jedoch, was 1992 in Europa eintreten werde (Vollendung des EG-Binnenmarktes). Es sei erstaunlich und erfreulich, wie sehr sich Wirtschaftskreise in Europa auf den zu erwartenden verstärkten Handel einstellten. Daraus könne man auch für eine weiter gezogene Freihandelszone Hoffnung schöpfen — Curzon nennt Norwegen, Schweden und die Schweiz. Für die EFTA-Länder könne die verstärkte EG-Integration anfangs Probleme bringen, weil die EGBinnenmarkt sie ausgrenze und die EFTA-intemen Regelungen die Vorteile der EG-Wettbewerber nicht kompensieren könnten. Es sei möglich, daß die Szene 1992 in einer Weise in Bewegung komme, wie sie heute noch gar nicht abzusehen sei. Die USA könnten dann eine noch stärkere Diskriminierung als erwartet zu spüren bekommen. Dies könnte die USA dann zu einem kooperativeren Handelspartner machen als während der Kennedy-Runde. Somit könne eine Bewegung hin zu mehr Freihandel im Grunde überall einsetzen. Sie könne bei den USA anfangen, die rund um die Welt bilaterale Handelszonen einrichten wollten, sie könne aber auch mit einer größeren Freihandelszone beginnen oder in der EG, wenn sie wirklich ein Binnenmarkt würde. Dönges begrüßt Willgerodts Optimismus. Zweierlei sollte man aber nicht aus den Augen verlieren. Im Rahmen der Strukturberichterstattung des Insti-
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tuts für Weltwirtschaft habe eine Studie über den Einfluß der EG-Politiken auf Wachstumsstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland ergeben, daß der Konsensus über offene Märkte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft im gewerblichen Bereich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre praktisch verbraucht war. Seitdem überwiege wieder die versteckte oder offene Einführung von Handelshemmnissen der verschiedensten Art. Besonders intensiv agierten hier übrigens die der Gemeinschaft neu beigetretenen Länder, allen voran Griechenland, aber auch andere Länder. Jede Maßnahme sei zwar, für sich genommen, eine Kleinigkeit, die man vergessen könnte. Aufsummiert ergebe sich jedoch ein anderes Bild. Untersuchugen zufolge hätten sich inzwischen allein die Grenzformalitäten — nur bezogen auf den gewerblichen Bereich — zu 5 % des Umsatzies der innerhalb der EG über die Grenzen hinweg handelnden Unternehmen aufsummiert. Es gebe also auch innerhalb der EG Kräfte, die zumindest das gefährden, was einmal erreicht worden war. Im Agrarbereich habe es einen gemeinsamen Markt überhaupt nur 1968/69 für genau 18 Monate gegeben, seitdem nicht mehr. Was die EG in diesem Bereich anstelle, sei besonders gravierend in bezug auf das, was weltweit an Verzerrungen ausgelöst wird. Dadurch würden bestimmte Länder — häufig Entwicklungsländer, oft auch hochverschuldete Länder, die gar nicht wüßten, wie sie ihre Devisen verdienen sollten — ganz gezielt getroffen. Mit „gezielt" meine er nicht, daß man gewissermaßen direkt auf sie zugeht. Sie würden aber gezielt getroffen: Natürlich gelangten tropische Produkte bei uns auf den Markt, ebenso wie alles andere, was man nicht im Inland produzieren kann. Genau darin bestehe der Trick des Systems. Fast 100% von dem, was wir produzierten, werde protektioniert. Dabei sei nicht nur die Abwehr von Importen das Problem, sondern ebenso auch die Exportsubventionen, die mit dem Protektionismus einhergehen. Die EG sei in dieser Hinsicht sehr stark gefordert, und die Agrarpolitik werde neben dem Dienstleistungssektor wahrscheinlich darüber entscheiden, ob man in der Uruguay-Runde vorankommt. Langhammer bringt den Vorschlag von Curzon für eine offene Freihandelszone mit der gelegentlich zu hörenden Idee in Verbindung, daß das GATT sich an der EG orientieren sollte, was seinen juristischen Apparat angeht. Der große Unterschied liege darin, daß die EG eine Zollunion ist. Weil die EG eine Zollunion ist und weil in einer Zollunion der Langsamste das Tempo bestimmt, brauche man einen großen legalistischen Apparat. Curzons Vorschlag für eine offene Freihandelszone sei zwar sehr attraktiv, aber man müsse hervorheben, daß es bei der Schaffung einer Freihandelszone natürlich solcher Partner bedarf, die — ähnlich wie in der EFTA —geringe Unterschiede im Protektionsniveau haben und ein Mindestmaß an wirtschaftspolitischer Kongruenz aufweisen. A l l das gebe es in der vorgeschlagenen Freihandelszone aber nicht. Im Gegenteil, in einer solchen Freihandelszone würden sehr konträre Partner zusammengebracht. Dies würde ganz erhebliche Probleme schaffen.
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Auch Wolter meint, mit diesem Vorschlag sei nichts gewonnen, weil man genau die Gruppe von Ländern, die große Probleme miteinander haben, in den zu gründenden „Club" einbeziehen müßte. Das Problem im GATT-System seien nicht die non-traders, sondern die traders. Unter diesen wiederum handele natürlich jede einzelne Vertragspartei unter dem Diktat der innenpolitischen Auseinandersetzung, also unter dem Diktat der Interessengruppen des betreffenden Landes. Das werde an den Beispielen der Landwirtschaft, des Stahlbereichs und des Textil- und Bekleidungssektors deutlich. Wolter stimmt Willgerodt zu: Das Problem seien nicht die free riders. Es wäre ein sehr unaufgeklärter Standpunkt von Seiten der Regierungen, wenn sie dies wirklich als wesentliches Problem empfänden. Wenn Regierungen Liberalisierungen vornähmen, profitierten jene Länder ja zunächst einmal selbst davon. Insofern sei das Problem der free riders ein verhandlungspolitisches, aber kein ökonomisches Argument. Zu den Verhandlungen im Textilbereich, im Agrarbereich und in anderen Problembereichen — z.B. bei den Selbstbeschränkungsabkommen — bemerkt Wolter, es gelte im Grunde genommen, in den Verhandlungen Interessengegensätze zu maximieren, so daß man einen maximalen Druck auf diejenigen ausüben kann, die gegen Regelsysteme verstoßen. Man benötige in diesen Verhandlungen also eine möglichst breite Vielfalt von Interessen, um gegen die sehr starken protektionistischen Kräfte ankämpfen zu können. Das sei in einem multilateralen Rahmen, der so viele Länder wie auch nur irgend möglich umfaßt, am besten erreichbar. Langhammer bezweifelt dies: Die Maximierung von Interessengegensätzen, das Hervorkehren eines Maximums an Einzelinteresse bei bestimmten Maßnahmen würde wohl nur zu Lösungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner führen und avantgardistische Lösungen von vornherein ausschließen. Das müsse man vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der EG befürchten. Wolter weist auf die Gefahr hin, daß mit einer offenen Freihandelszone wieder ein Kartell der Produzenten geschaffen werden könnte. Bei den Agrarverhandlungen im GATT sei eine gewisse Gefahr in dieser Richtung bereits offensichtlich. Die sogenannte Caims-Gruppe dränge darauf, dem Preismechanismus im internationalen Agrarhandel weiteren Spielraum zu verschaffen. Die Rückfallposition der Cairns-Gruppe, die in diesem Sinne in den Verhandlungen natürlich eine sehr nützliche Funktion erfülle, könnte so aussehen, daß gesagt würde: Wenn wir das gesetzte Ziel gegen den Widerstand der Europäischen Gemeinschaft oder der Vereinigten Staaten nicht erreichen können, wollen wir bei der Aufteilung der Weltmärkte im Agrarbereich doch zumindest in das Kartell mit den Vereinigten Staaten und mit der Europäischen Gemeinschaft hineinkommen. Dies könnte sehr wohl auch auf der Grundlage der Vorstellungen über einen traders' club geschehen. Wolter plädiert deshalb dafür, sich weiter im multilateralen Rahmen zu bewegen.
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Hierin bestehe die einzige Chance, aus der gegenwärtigen Situation herauszukommen. Wanninger äußert ebenfalls Zweifel an dem Gedanken eines Kristallisationspunktes. Ein wichtiges Element bei der Behandlung dieser handelspolitischen Probleme sei, sie multilateral anzugehen. Bei dem Konzept eines Kristallisationspunktes bestehe die Gefahr, daß sich die Dinge wieder in Richtung Bilateralismus bewegen. Zu Curzons Bemerkung über die „Lippenbekenntnisse" der USA, Japans und der EG stellt Wanninger fest, die handelspolitische Welt sei selbstverständlich nicht in Ordnung. Es sei aber doch ein positives Zeichen, daß sich gerade die erwähnten Handelsmächte mit großem Nachdruck für die neue Runde eingesetzt haben. Nehring meint, der Curzon-Vorschlag und das bestehende System brauchten einander nicht auszuschließen. Ein offener Club von Freihändlern, wie Curzon ihn vorschlug, solle das GATT ja nicht ersetzen, sondern neben dem GATT im Sinne eines konkurrierenden Mechanismus bestehen. Somit könnte — salopp formuliert — der gute Verein den schlechteren Verein im weltwirtschaftlichen Maßstab verdrängen. Natürlich müßten, wenn es zu einem solchen Club kommen sollte, zwei potentielle Teilnehmer oder ein Handelsdreieck den Anfang machen, vielleicht die besagten großen Drei, nämlich Japan, die EG und die USA. Das Entscheidende sei aber doch, daß dieser Club hinreichend Anreize bieten müßte. In diesem Zusammenhang weist Nehring Langhammers Skepsis zurück. Eine wirtschaftspolitische Umkehr — wie aktuell in Frankreich — könne das Zustandekommen eines solchen Clubs beschleunigen. Ein offener Club im Sinne eines konkurrierenden Instruments sei durchaus sinnvoll. Man müsse freilich immer beobachten, ob das GATT durch diesen Konkurrenzmechanismus nicht gewissermaßen hochgeschaukelt würde. Schultz kommentiert das Problem des dispute settlement, das Curzon erwähnt hatte. Es existierten zwar Regeln für den Fall, daß man sich streitet. Diese Regeln würden aber nicht in Anspruch genommen, weil die Verfahren lange dauern und auch Kompensation gefordert werden kann. Ausweichmöglichkeit böten die Selbstbeschränkungs- und Marktregulierungsabkommen (VER und OMA). Die Betroffenen würden veranlaßt, angedrohten Maßnahmen auszuweichen und würden so Strafen schon akzeptieren, bevor überhaupt der Nachweis eines Fehlverhaltens oder einer Schädigung geführt worden sei. Wenn das Regelwerk aufrechterhalten bleiben solle, sei zu fragen, wer dann der Wächter sein sollte. Wenn man sich die Funktion und die Möglichkeiten des Sekretariats anschaue, kristallisierten sich im wesentlichen drei Punkte heraus. Das Sekretariat dürfe erstens Vorschläge für die Tagesordnung prüfen. Ês habe zweitens ein Recht auf beschränkte Konsultationen mit einzelnen Mitgliedsländern. Drittens dürfe es bestimmte Berichte vorlegen. Die wichtige Funktion der Überwachung falle dagegen nicht in den Kompetenzbereich des
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Sekretariats. Eine Entwicklung in Richtung auf einen intematioalen Gerichtshof sei sicherlich nicht erstrebenswert, aber eine offene Flanke sei erkennbar: W o könnte ein dispute settlement angesiedelt sein, und wie müßte es ausgestattet sein, wenn es wirksam sein soll? In seinem Schlußwort stellt Curzon klar, er sei als einer der eifrigsten Verfechter des multilateralen Handelssystems bekannt, und er halte an dieser Haltung fest. Was er meine, sei jedoch, daß ein solches System real nicht existiere und daß es gelte, es wieder einzurichten. Die Delegierten sprächen in den Verhandlungen zwar unablässig davon, aber sie nähmen die Realität kaum zur Kenntnis. Offenbar dächten sie, es ginge darum, Regelungen festzuschreiben. Sie vergäßen darüber, daß es darauf ankomme, den Handel zu mehren. Curzon meint, es müsse ein neuer Anstoß gegeben werden, um das multilaterale Handelssystem wieder auf die Schienen zu setzen. Insofern sehe er keine Divergenz zu den Diskussionsbeiträgen. Die Meinungsunterschiede bestünden in der Frage, wie die Aufgabe am besten zu lösen wäre. Zu Langhammers Beitrag bemerkt Curzon, wenn alle Länder Freihandelsprinzipien befolgten, brauche man keine internationale Organisation. In der EFTA seien wenige Regeln notwendig, weil sich die Mitgliedsländer ohnehin so verhielten, wie es etwaige Regeln vorsehen würden. In der EG sei ein so umfangreiches Regelwerk erforderlich, nicht weil sie eine Zollunion sei, sondern weil sie viele Mitglieder habe, die sich nicht an die Regeln hielten, die in einer Zollunion gelten sollten. Er meine nun, daß die Länder, die er in seinem Vorschlag erwähnt hatte, mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes miteinander teilten. Sie fielen jetzt durch Regelwidrigkeiten auf, weil jeder den anderen verdächtige, sich nicht an die Regeln zu halten. Das Problem könne nur durch mehr Transparenz gelöst werden, und diese könne man durch eine engere Beziehung zwischen diesen Ländern erreichen. Sein Endziel sei dabei immer das multilaterale Handelssystem.
Teilnehmerverzeichnis
Leiter der Tagung:
Hans K. Schneider, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute
Mitgliedsinstitute: Berlin:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Fritz Franzmeyer, Hans-Jürgen Krupp, Siegfried Schultz
Berlin:
Osteuropa-Institut an der Freien Universität Berlin Erich Klinkmüller
Bonn:
Institut für Mittelstandsforschung Rainer Gerding
Braunschweig:
Institut für landwirtschaftliche Marktforschung der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Dirk Manegold
Düsseldorf:
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hartmut Küchle
Essen:
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Hans K. Schneider, Gregor Winkelmeyer HWWA — Institut für Wirtschaftsforschung Dietrich Kebschull, Christian Langer, Hans-Jürgen Schmahl
Hamburg:
Hannover:
Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung Harald Legier
Kiel:
Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Juergen B. Dönges, Gernot Klepper, Rolf Langhammer
Köln:
Deutsches Institut zur Förderung des industriellen Führungsnachwuchses Rolf Wippermann Institut der deutschen Wirtschaft Hans-Peter Fröhlich
Köln:
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Teilnehmerverzeichnis
Köln:
— Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln Johannes Hoffmann, Ralf Nowak, Hans-Jürgen Scheid, Stephan Heimbach, Horst Werner, Hans Willgerodt
Mainz:
— Forschungsinstitut für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz Paul-Günther Schmidt
München:
— Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung Michael Breitenacher, Angelika Emst, Anneliese Herrmann, Manfred Wegner
Münster:
— Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft an der Universität Münster Friedrich Aumann, Ernst Helmstädter
Nürnberg:
— Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit Leo Pusse
Tübingen:
— Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung Rudi Kurz, Lothar Rail
Wiesbaden:
— Statistisches Bundesamt Siegfried Guckes
Nicht vertreten waren folgende Institute: Internationales Institut für Management und Verwaltung IIMV/Arbeitsmarktpolitik und IIMV/Strukturpolitik (Berlin), Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. (Bonn), Institut für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn e.V. — IWG — Wissenschaftszentrum, Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung, Institut für Seeverkehrswirtschaft und -Logistik (Bremen), Energiewirtschaftliches Institut an der Universität Köln, Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln, Schmalenbach-Gesellschaft — Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft (Köln), Osteuropa-Institut München, GfK-Nürnberg, Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V. Ministerien:
— Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Claus Hofmann — Bundesminsterium der Finanzen Dieter Knoll — Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Heinrich Dehn, Eberhard Killinger — Bundesministerium für Wirtschaft Rudolf Adlung, Melitta Büchner-Schöpf, Wediger von Dewitz, Hans-Joachim Hochstrate, Volker Hallwirth, Franz Neueder, Lorenz Schomerus, Josef Wanninger, Ralf Zeppemick
Bundeskanzleramt:
— Dieter Cramerdinger, Sighart Nehring
Teilnehmerverzeichnis
Organisationen:
— Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Bonn Bernd Kubista — Deutsche Bank, Frankfurt Stefan Schneider — Deutsche Girozentrale, Frankfurt Hans-Helmut Kotz — Deutscher Bundestag Helmut Brandt — Deutscher Industrie- und Handelstag, Bonn Helmut Giesecke, Bernd H. J. Kitterer — EG-Kommission, Brüssel Marianne Klingbeil — Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bonn Klaus Broichhausen — Freie Universität Berlin Detlef Lorenz — GATT-Verhandlungsdelegation, Genf Frank Wolter — Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, Bonn Werner Steuer — Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus, Essen Franz-Josef Wodopia — Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Genf Gerard Curzon — Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wiesbaden Michael Heise — Süddeutsche Zeitung, Bonn Norbert Sturm — Georg-August-Universität Göttingen Stefan Tangermann — Wirtschaftswoche, Düsseldorf Karen Heemann — Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie, Frankfurt Rudolf Scheid