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German Pages 174 Year 1977
Beihefte der Konjunkturpolitik Zeitschrift für angewandte Wirtschaftsforschung Begründet von Albert Wissler
Heft 24
Die konjunkturpolitischen Lehren des letzten Jahrzehnts
Duncker & Humblot · Berlin
Die konjunkturpolitischen Lehren des letzten Jahrzehnts
Beihefte der K o n j u n k t u r p o l i t i k Zeitschrift für angewandte
Konjunkturforschung
Begründet von Albert Wisaler
Heft 2 4
Die konjunkturpolitischen Lehren des letzten Jahrzehnts Bericht über den wissenschaftlichen T e i l der 40. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. i n Bonn am 12. und 13. M a i 1977
DUNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04079 1
Vorbemerkung Dieses Beiheft der „ K o n j u n k t u r p o l i t i k " enthält den Bericht über den wissenschaftlichen Teil der 40. Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, die am 12. und 13. Mai 1977 i n Bonn stattfand. Referate hielten: Prof. Dr. Bender (Essen), Prof. Dr. Büschgen (Köln), Dipl.-Volksw. Gerstenberger (München), Dr. Gschwendtner (Tübingen), Prof. Dr. Korteweg (Rotterdam) und Prof. Dr. Starbatty (Köln). Die schriftlichen Texte sind wiederum wörtlich abgedruckt, während von der Diskussion eine Zusammenfassung gegeben wird. Die Arbeitsgemeinschaft dankt Dr. Wilkens für die sachbezogene Auswertung der Diskussionsbeiträge. Die 41. Mitgliederversammlung soll am 11. und 12. Mai 1978 i n Bonn stattfinden und unter dem Thema „Wachstumsperspektiven i n der Bundesrepublik Deutschland (Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstruktur)" stehen. Kiel, i m November 1977 Prof. Dr. Herbert Giersch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Inhalt Joachim
Starbatty
K o n j u n k t u r u n d K o n j u n k t u r p o l i t i k i m letzten Jahrzehnt Zusammenfassung der Diskussion Helmut
9 31
Geschwendtner
Konjunkturverschärfungen durch S t r u k t u r - u n d Ordnungsmängel? . . Zusammenfassung der Diskussion
35 54
Hans E. Büschgen Anlageinvestitionen i m K o n j u n k t u r v e r l a u f — Z u m halten deutscher Unternehmen
Investitionsver-
57
Wolf gang Gerstenberg er Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen — dargestellt am Beispiel der Anlageinvestitionen Zusammenfassung der Diskussion Dieter
93 112
Bender
Die Übertragung k o n j u n k t u r e l l e r Impulse bei flexiblen Wechselkursen 119 Zusammenfassung der Diskussion Pieter
151
Korteweg
Stabilization Policies i n the OECD Area — Their Past and Future . . 157 Zusammenfassung der Diskussion
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Teilnehmerverzeichnis
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Konjunktur und Konjunkturpolitik im letzten Jahrzehnt Von Joachim Starbatty
„Es sind die gleichen Tugenden, die die Prinzipien sowohl der Außen- w i e auch der Wirtschaftsp o l i t i k bestimmen: Standfestigkeit u n d Beharrlichkeit. Die Treue zur Idee ist es auch, die die Stetigkeit der P o l i t i k verbürgt u n d sie davor bewahrt, sich i n den Strömungen des Alltags u n d i n den Launen des Augenblicks nutzlos und fruchtlos zu verlieren." Ludwig Erhard 1
I. Die Rezessionen 1966/67 und 1974/75: Beide Male „hausgemacht"! Vergleicht man Konjunktur und Konjunkturpolitik i m letzten Jahrzehnt 2 , so läßt sich eine konjunkturpolitische Gesetzmäßigkeit ausmachen: Konjunkturpolitik ist offensichtlich eine Funktion der Erfahrungen aus dem letzten Zyklus. Hatte die Konjunkturpolitik es m i t einem Boom zu tun und hatte sie die inflatorischen Gefahren nicht richtig eingeschätzt, so wollte sie bei nächster Gelegenheit den Preisauftrieb kräftig dämpfen. Hatte sie dann m i t einer scharfen Restriktionspolitik eine Rezession verursacht, so war sie bei der Zügelung des nächsten Aufschwungs entsprechend zaghaft. War dieser deswegen nicht unter Kontrolle zu bringen, so hat sie dann beim nächsten Aufschwung wieder kräftig zugelangt und wiederum eine Rezession erzeugt. Dieses Zyklenschema charakterisiert meines Erachtens treffend die Konjunkturpolitik der Jahre 1965/1966, 1968—1970 und 1973/1974. Ist die beschriebene Gesetzmäßigkeit richtig, so würde 1 L u d w i g Erhard, Die soziale Marktwirtschaft i n der gedämpften W e l t k o n j u n k t u r , Rede auf dem 2. Wirtschaftstag der CDU/CSU, Hannover, 10. A p r i l 1959, S. 27. 2 Vgl. zu T e i l l v o r allem die Jahres- u n d Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; vgl. ferner: Joachim Starbatty, Erfolgskontrolle der Globalsteuerung — K o n j u n k t u r p o l i t i k unter dem Einfluß der politischen Willensbildung, F r a n k f u r t / M . 1976, passim.
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der nächste Boom — vorausgesetzt, daß der jüngste Aufschwung nicht schon wieder versandet ist — mit entsprechender Schonung behandelt. I m Jahre 1965 hatte die Finanzpolitik über Steuersenkung — Begradigung des sogenannten „Mittelstandsbauches" — und prozyklische Ausgabenpolitik dem konjunkturellen Preisauftrieb kräftige Nahrung gegeben und zugleich eine Finanzkrise mittleren Ausmaßes — aus heutiger Perspektive — heraufbeschworen. Die Sanierung der Staatsfinanzen und die Bekämpfung des Preisauftriebs standen so stark i m Blickfeld der konjunkturpolitischen Instanzen (Bundesregierung und Bundesbank), daß darüber der konjunkturelle Abschwung nicht wahrgenommen wurde 3 . Die i m Laufe des Jahres 1966 konjunkturell sinkenden Steuereinnahmen haben die Gebietskörperschaften zu einer restriktiven Haushaltsführung veranlaßt, wobei hauptsächlich die Investitionsausgaben als Puffer dienten, da die anderen Ausgabenblöcke gesetzlich verankert waren. M i t Ausnahme des Bundes war die Investitionstätigkeit der Gebietskörperschaften i n den Jahren 1966/67 stark prozyklisch. Den Investitionsausfall dieser Jahre haben die Gebietskörperschaften i n der folgenden Hochkonjunktur, als die Steuerquellen wieder reichlich sprudelten, wettmachen wollen. Insgesamt war die Finanzpolitik bislang trotz Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von einer atemberaubenden Prozyklik. Nach der Rezession des Jahres 1967 neigte die Bundesregierung — aus Erfahrung klug geworden — zu außerordentlicher konjunkturpolitischer Zurückhaltung, vor allem was die außenwirtschaftliche Absicherung anging. Sie leugnete während des Jahres 1968, obwohl vom Sachverständigenrat und der Bundesbank bei internen Beratungen auf die Gefahren des Inflationsimports hingewiesen, eine außenwirtschaftliche Störung, indem sie außenwirtschaftliches Gleichgewicht einfach neu definierte 4 . Die Bundesregierung wurde damals i m übrigen i n ihrer A b 8 Bezeichnend dafür ist, daß das „Gesetz zur Förderung der Stabilität u n d des Wachstums der Wirtschaft" bereits i n der Phase merklicher K o n j u n k t u r abschwächung als „ E n t w u r f eines Gesetzes zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität" beim Deutschen Bundestag eingebracht w u r d e (2. September 1966) u n d daß es vornehmlich der Bekämpfung der aktuellen Preissteigerungsgefahren dienen sollte. — A u f diese Diskrepanz zwischen k o n j u n k t u r e l ler Lage u n d politischer Absicht hat insbesondere A l f r e d M ü l l e r - A r m a c k i n einer Denkschrift aufmerksam gemacht, abgedruckt unter dem T i t e l „Die k o n j u n k t u r e l l e Lage, das Stabilisierungsgesetz u n d die nächsten wirtschaftspolitischen Aufgaben", i n : „Wirtschaftspolitische C h r o n i k " des Instituts f ü r Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, 1967, H. 1, S. 7 ff. 4 A l s sich i m Jahresverlauf nach Maßgabe der Definition der Bundesregier u n g für „außenwirtschaftliches Gleichgewicht": A n t e i l des Außenbeitrages am Bruttosozialprodukt v o n 1 v. H. (Jahreswirtschaftsbericht 1968, Deutscher Bundestag, Drucksache V/2511, S. 23) ein erhebliches Ungleichgewicht abzeichnete (tatsächliches Ergebnis f ü r 1968: 3,3 v.H.), hat die Bundesregierung die Orientierung an der Grundbilanz, die durch staatlich forcierten K a p i t a l -
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lehnung der Wechselkursänderung von der Mehrheit der K o n j u n k t u r forschungsinstitute unterstützt 5 . Als die Beibehaltung der Parität auf internationalem Parkett nicht mehr zu vertreten und gegen die spekulativen Kapitalzuflüsse nicht mehr zu verteidigen war, hat sich die Bundesregierung i m November 1968 zu einer steuerpolitischen Ersatzaufwertung i n Höhe von 4 °/o entschlossen6. Wie stark die Furcht der Bundesregierung vor Wachstumsverlusten war, läßt sich daraus entnehmen, daß sie der erwarteten dämpfenden Wirkung der Ersatzaufwertung trotz des ungebrochenen Konjunkturaufschwungs m i t einer allgemeinen Nachfragebelebung und einer gezielten Subventionierung begegnen wollte 7 . Wie zu erwarten war, hatte die Ersatzaufwertung keinen dämpfenden Effekt auf Außenbeitrag und Konjunkturentwicklung. Die konjunkturpolitischen Weichen wurden i m November des Jahres 1968 falsch gestellt. Es gehört ins Reich der Legende, daß die unterlassene Aufwertung i m M a i des Jahres 1969 eine Zügelung des Booms hätte gewährleisten und das Auftreten der wilden Streiks i m Herbst des Jahres 1969 hätte verhindern können; denn der i m Mai 1969 ins Auge gefaßte Aufwertungssatz von 6,25 °/o hätte i m Warenverkehr — abgesehen von den EWG-Marktordnungsgütern — lediglich ein Plus von 2,25 %-Punkten gebracht; zu wenig, u m die sich öffnende Inflationsschere zwischen Inland und Ausland zu schließen. Auch hatte der M a r k t — über den Devisenterminhandel — längst eine faktische Aufwertung bewirkt, die über den vorgeschlagenen Aufwertungssatz weit hinausging. Diese Feststellung darf nicht so verstanden werden, als ob die Aufwertung nicht notwendig gewesen wäre; es soll nur die Illusion der Auffassung aufgezeigt werden, daß bei Annahme des vorgeschlagenen Aufwertungssatzes alles anders gekommen wäre. Die Aufwertung der D M u m 8,5 °/o i m Oktober des Jahres 1969 hat Finanz- und Geldpolitik nur eine kurze Atempause verschafft. Als i m Frühjahr 1970 von der Finanzpolitik kein ausreichender Beitrag zur Konjunkturdämpfung zu erwarten war 8 , hat die Bundesbank die Last des Bremsens übernommen, indem sie das Zinsniveau kräftig nach oben export ausgeglichen gehalten werden konnte, als den entscheidenden Maßstab ausgegeben. Vgl. hierzu: Joachim Starbatty, E r f o l g s k o n t r o l l e . . . , a.a.O., S. 148 f. 5 Herbstgutachten 1968, abgedruckt i n : „Wirtschaftskonjunktur", 20. Jg., 1968, S. 8 ff. β Umsatzsteuerliche Be- und Entlastung von E x p o r t - u n d Importgütern m i t Ausnahme der europäischen Marktordnungsgüter. 7 Vgl. Jahreswirtschaftsbericht 1969, Tz. 60 f. (Deutscher Bundestag, Drucksache V/3786). 8 Vgl. hierzu: Otto Schlecht, Erfahrungen u n d Lehren aus dem jüngsten Konjunkturzyklus, Tübingen 1972, S. 22—27. (Walter Eucken Institut, V o r träge u n d Aufsätze, Nr. 35).
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Joachim Starbatty
drückte. Die Opposition sprach damals davon, daß die private Wirtschaft einer „Roßkur" unterzogen würde 9 . I n Wahrheit haben die Unternehmer lediglich inländische gegen ausländische Kreditgeber ausgewechselt. Daraufhin hat die Bundesregierung — von der Bundesbank deutlich gemahnt 10 , jedoch wegen anstehender Landtagswahlen i n drei Bundesländern i n ihrem Aktionsradius behindert — i m J u l i 1970 eine konjunkturpolitische „Umrüstung" ins Werk setzen wollen, u m der Bundesbank die Möglichkeit zu verschaffen, von ihrer Hochzinspolitik abzugehen. Das Konjunkturprogramm vom 8. J u l i 1970 enthielt als „harten" Kern die befristete Aussetzung der degressiven Abschreibung und die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlages. Die Aussetzung der degressiven Abschreibung blieb ohne merkliche konjunkturelle Folgen 11 und der rückzahlbare Konjunkturzuschlag wirkte per saldo inflationsfördernd 12 . Das Prädikat „konjunkturpolitisches Monstrum", das i h m Herbert Ehrenberg gegeben hat 1 3 , verdient er zu Recht. Einschneidende konjunkturelle Wirkung, vor allem über die Härtung des geldpolitischen Kurses, hatte allein die Wechselkursfreigabe i m Mai 1971. Preis- und Lohnpolitik zeigten sofort deutliche Wirkung 1 4 . Der Zeitraum M a i bis Dezember 1971 war jedoch zu kurz, u m bei Politikern und bei den Wirtschaftssubjekten den Eindruck zu erwecken, daß Konjunkturpolitik auch effizient sein kann. Nach dem weltweiten Realignment vom 17./18. Dezember 1971 i n Washington begann wiederum die Phase der „self-defeating policy", was jedoch Bundesbank und Bundesregierung nicht wahrhaben wollten. Der Streit u m die außenwirtschaftliche Absicherung i m Juni 1972 war dann der Anlaß für den Rücktritt des damaligen Wirtschafts- und Finanzministers 15 . I n der Öffentlichkeit mußte sich damals der Eindruck verstärken, daß die konjunkturpolitischen Instanzen nur mit halbem Herzen bei der 9 So der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ernst Müller-Hermann, i n einer E r k l ä r u n g der CDU/CSU-Fraktion zu der Entscheidung der Deutschen Bundesbank v o m 9. März 1970, den Diskontsatz auf den bisher höchsten Stand v o n 7V2 °/o p. a. zu setzen. 10 Vgl. hierzu vor allem den Monatsbericht J u n i 1970. — Die „Neue Zürcher Zeitung" (Das Tauziehen i n der deutschen K o n j u n k t u r p o l i t i k , Fernausgabe v o m 20. J u n i 1970) schrieb v o n einem „ W i n k der Bundesbank m i t dem Zaunpfahl". 11 Vgl. hierzu den Vortrag von Wolfgang Gerstenberger, Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen. (Vortrag auf der 40. M i t gliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V., abgedruckt i n diesem Heft.) 12 Vgl. hierzu: Joachim Starbatty, E r f o l g s k o n t r o l l e . . . , a.a.O., S.78—85. 13 Herbert Ehrenberg, Die Legende v o m letzten Stabilitätspolitiker, „Der Spiegel" v o m 2. Oktober 1972. 14 Vgl. hierzu: Joachim Starbatty, Erfolgskontrolle..., a.a.O., S. 182 ff. 15 Vgl. zu den Gründen: Joachim Starbatty, Erfolgskontrolle..., S. 187—201 und S. 212—216.
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Zügelung des Booms seien und daß die getroffenen Maßnahmen kaum Wirkung zeigten. Die Wirtschaftssubjekte rechneten daher damit, daß sich ihre inflatorischen Erwartungen bestätigen, daß man besser heute als morgen investierte und daß man seine Ersparnisse besser i n Sachais i n Geldvermögen anlegte. Auch ein hoher Zinssatz schreckte nicht, da man die erwarteten Kostensteigerungen für gravierender hielt als die aktuelle hohe Zinsbelastung. Die Bundesbank hat damals konstatiert, daß die seit längerer Zeit anhaltende Uberforderung i m Sektor Wohnungsbau sich als ein besonders günstiger Nährboden für die Vermehrung des Inflationsbazillus erweise 16 . Die Inflationserwartungen wurden durch die amtlichen Beschäftigungsgarantien bekräftigt. Anders formuliert: Sollten die Konjunkturpolitiken tatsächlich Wirkung zeigen, so würden sie schon abgebrochen werden. Lohn- und Preispolitik waren autonom. Dies war die Ausgangssituation des Frühjahrs 1973. Die Bundesbank erlangte nach dem Ubergang zum gemeinschaftlichen Floating ihre Unabhängigkeit von der amerikanischen Geldpolitik zurück. Sie nutzte dies zu einem außerordentlich restriktiven Kurs. Zusätzlich hat die Bundesregierung — aus den Erfahrungen m i t der Bekämpfung des jüngsten Booms klug geworden — i m Mai ein Konjunkturdämpfungsprogramm verabschiedet, das i n seiner einseitigen Kumulation die Investitionslust außerordentlich stark treffen mußte 17 . Die Wirkung blieb nicht aus. I m zweiten Halbjahr 1973 lag die Investitionstätigkeit — i n konstanten Preisen — u m 2 °/o unter Vorjahr. Interessant ist i n diesem Zusammenhang, daß bereits i m ersten Halbjahr 1973, das von den Dämpfungsprogramm noch weitgehend verschont blieb, die Investitionstätigkeit mit einem Zuwachs von 3,6 °/o — i n konstanten Preisen — noch deutlich unter der Zielprojektion des Jahreswirtschaftsberichtes 1973 lag 18 . I m zweiten Halbjahr 1973 war ein deutliches Nachlassen der inländischen Auftriebskräfte zu spüren, doch schien ausländische Nachfrage kompensierend zu wirken. Allerdings waren die Unternehmen nicht mehr zu hohen Lohnabschlüssen m i t den Gewerkschaften geneigt. Da 18
Monatsbericht Oktober 1972, S. 7. Das Maßnahmebündel umfaßte die Aussetzung der degressiven Abschreibung, die Investitionssteuer i n Höhe von 11 °/o, die Aussetzung der 7 b »Abschreibung für private Wohngebäude u n d einen Stabilitätszuschlag i n Höhe von 10 % auf Einkommen- (Lohn-) u n d Körperschaftsteuer (ab einem Jahresverdienst von 24 000 D M für Ledige abzüglich aller Sonder- u n d Werbungsausgaben u n d ab einem Jahresverdienst von 48 000 D M f ü r Ehepaare). 18 I m Jahreswirtschaftsbericht 1973, A n h a n g Tz. 15 (Deutscher Bundestag, Drucksache 7/225) w u r d e als Ziel eine reale Zunahme von 5 bis 6 °/o genannt. — Jedoch zeigten die Auftragseingänge i m ersten H a l b j a h r 1973 eine so starke Zunahme gegenüber V o r j a h r , daß der damaligen Auffassung v o n der Gefahr einer k o n j u n k t u r e l l e n Uberhitzung eine Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. 17
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sprang Anfang 1974 die öffentliche Hand i n die Bresche und ließ sich u m des sozialen Friedens willen eine außerordentlich hohe Zuwachsrate abhandeln. Die privaten Arbeitgeber konnten an diesem beispielhaften Abschluß nicht vorbeigehen. Sie erwarteten überdies, daß die öffentliche Hand und die Bundesbank die Lohnabschlüsse durch eine expansive Politik marktgerecht werden ließen 19 , zumal die öffentliche Hand selbst das lohnpolitische Signal gesetzt hatte. Die Bundesbank hat diese Erwartungen enttäuscht. Inflatorische Erwartungen, Konjunkturdämpfungsprogramm und restriktive Geldpolitik haben gemeinsam die rezessive Entwicklung der Jahre 1974/1975 eingeleitet. Durch einen außergewöhnlichen Exportboom konnte die inländische Rezession zunächst kaschiert werden. Hätten die inländischen Unternehmer nicht i n den Export ausweichen können, so wäre das Bruttosozialprodukt bereits i m Jahre 1974 deutlich zurückgegangen und die Arbeitslosigkeit hätte ein Jahr früher ihr alarmierendes Ausmaß angenommen 20 . Stattdessen konnte noch i m Jahre 1974 ein großer Teil der Arbeitslosigkeit exportiert werden. Es kann keine Rede davon sein, daß w i r die Rezession importiert hätten. I m Gegenteil: W i r konnten sie eine Zeitlang exportieren. Tatsache ist, daß der Rezessionsexport i m Jahre 1975, als die Rezession inzwischen alle Industriestaaten erfaßt hatte, nicht länger möglich war. Der Rückgang des Exportes i m Jahre 1975 ist nicht als Einbruch, sondern als Normalisierung nach den Jahren eines ungezügelten Exportbooms zu werten. Immerhin lag der Außenbeitrag i m Jahre 1975 m i t 2,4% des Bruttosozialprodukts noch deutlich über der Marge, die die Bundesregierung selbst — noch i m Jahreswirtschaftsbericht 1974 — als ihre mittelfristige Zielvorstellung genannt hat: ein Anteil von IV2 bis 2 °/o am Bruttosozialprodukt 21 . Inzwischen hat sich die Konjunkturentwicklung deutlich von der Talsohle gelöst. Aber es war nach allgemeiner Auffassung ein Aufschwung ohne Kraft. Die Konjunkturbeobachter zerfallen derzeit (Mai 1977) i n zwei Lager: Die einen sehen bereits den Beginn einer abermaligen konjunkturellen Talfahrt eingeleitet, wobei ihnen die Meldungen vom A r beitsmarkt für A p r i l 1977 Recht zu geben scheinen; die anderen hoffen 19 Der Sachverständigenrat urteilte i m Jahresgutachten 1974, Tz. 295: „ E i n Nachgeben der Geldpolitik w a r m i t i m K a l k ü l " . 20 Wären die ausländischen M ä r k t e nicht ein V e n t i l f ü r fehlenden inländischen Absatz gewesen u n d wäre der Außenbeitrag so ausgefallen, w i e dies die Bundesregierung i m Jahreswirtschaftsbericht 1974, A n h a n g Tz. 17 (Deutscher Bundestag, Drucksache 7/1646) erwartete, nämlich 15—20 Mrd. D M , so hätte das reale Bruttosozialprodukt bereits i m Jahre 1974 u m 2,5—3 % unter dem Niveau des Vorjahres gelegen. 21 Jahreswirtschaftsbericht 1974, Tz. 17 i m Anhang. (Deutscher Bundestag, Drucksache 7/1646).
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noch darauf, daß die vorläufigen ungünstigen Ergebnisse der Statistik der Auftragseingänge wegen der Umstellung auf ein neues Erhebungskonzept die konjunkturelle Entwicklung verzerren könnten und daß eine Revision dieser Daten ihren Konjunkturoptimismus stütze. Betrachtet man es recht, so läßt sich i m nachhinein der Konjunkturaufschwung als eine technische Reaktion deuten: — Nach einem forcierten Abbau der Vorratshaltung i n den Jahren 1974 und 1975 mußten die Läger wieder aufgefüllt werden; — die Ersatzinvestitionen der privaten Kraftfahrzeughalter, die wegen der unsicheren Konjunkturentwicklung und wegen der Energiekrise unterlassen worden waren, konnten nicht länger hinausgeschoben werden; — wenn man die Investitionszulage mitnehmen wollte, mußte die Bestellung von Investitionsgütern i n das erste Halbjahr 1975 vorgezogen werden. Diese drei Faktoren erklären neben der lebhaften Bestelltätigkeit aus dem Ausland nahezu gänzlich den Konjunkturaufschwung 2 2 . Zur Zeit gehen allein noch von der Automobilindustrie positive Impulse aus. Die staatliche Investitionstätigkeit w i r k t dagegen kontraktiv. Sieht man also auf die treibenden Kräfte des jüngsten Aufschwungs, so kann man von der derzeitigen konjunkturellen Stagnation nicht überrascht sein. Offensichtlich sind die Hypotheken aus der Vergangenheit doch zu lastend, als daß sie schon beim ersten Anlauf hätten abgetragen werden können. I I . Hypotheken für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung 1. Die „Erblast" des strukturellen Finanzierungsdefizits Z u diesen Hypotheken zählt auch oder gerade die „Erblast" 2 3 des strukturellen Finanzierungsdefizits. Die konjunkturellen Ausgangssituationen i n den Jahren 1967 und 1975 weisen Parallelen und Unterschiede 22 Vgl. hierzu insbesondere: K u r t Richebächer, Währungen u n d K r e d i t märkte, Frankfurt/M., versch. Jg. (eigener Rundbrief). — I n der Analyse Nr. 73 v o m 24. Januar 1977 spricht Richebächer von der K o n j u n k t u r als einem „verglimmenden Strohfeuer". 23 Die Charakterisierung „Erblast" habe ich von dem früheren Finanzminister, A l e x Möller, übernommen, der diesen Begriff i n seiner ersten Etatrede einführte, als er den Finanzierungsstand, den er bei Amtsübernahme i m Jahre 1969 vorfand, einer kritischen Würdigung unterzog. (Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, Sitzung v o m 18. Februar 1970, S. 1360). — Nach einer Replik seines A m t s Vorgängers, Franz Josef Strauß (Deutscher Bundestag, Sitzung v o m 19. Februar 1970, S. 1394) hat sich A l e x Möller dieser Charakterisierung nicht mehr bedient.
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auf. I n beiden Jahren hatte der öffentliche Gesamthaushalt ein starkes Finanzierungsdefizit, wenngleich das Ausmaß ein wenig differierte. Nehmen w i r das Bruttosozialprodukt i n jeweiligen Preisen als Bezugsbasis, so machte das Finanzierungsdefizit i m Jahre 1967 2,7 °/o aus, i m Jahre 1975 dagegen 6,3 °/o. Die Unterschiede zwischen 1967 und 1975 liegen darin, daß die damalige große Kalition ein durchgreifendes und sauber durchgerechnetes Sanierungsprogramm vorlegte, zusammen mit einem ersten Konjunkturprogramm. Hierdurch konnte i n der Öffentlichkeit folgender Eindruck erweckt werden: Die Regierung schafft Ordnung i m eigenen Haus und kümmert sich u m die Konjunktur. Die Aktienbörse als unbestechlicher Beobachter reagierte prompt. Seit dem Tage des entsprechenden Kabinettsbeschlusses stiegen die Aktienkurse. Die Börse hat sich nicht getäuscht: Nach nur zwei Jahren (1969) erwirtschafteten die Gebietskörperschaften einen Uberschuß i n Höhe von 2,3 Mrd. DM. Etwas Gleichartiges ist für die nächste Zukunft nicht zu erwarten. Einige — und nicht die unwesentlichen — Konjunkturbeobachter beginnen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, m i t hohen Defiziten leben zu müssen. I n der Finanzplanung des Bundes ist beispielsweise vorgesehen, daß die Zinsausgaben des Bundes i m Jahre 1980 knapp 8 °/o der Steuereinnahmen ausmachen, nachdem sie bis 1973 unter 3 °/o lagen 24 . Auch die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer u m 2 °/o-Punkte w i r d das Defizit nur unwesentlich korrigieren — abgesehen davon (diese A n merkung mache ich als aufgebrachter Steuerzahler und nicht als Ökonom), daß hier ein unwürdiges Spiel m i t dem Steuerzahler getrieben v/ird, der das, was er durch das Steuerberichtigungsgesetz i m Jahre 1975 erhalten hat, wieder zurückgeben soll 25 . Die Hypotheken des Finanzierungsdefizits sind vor allem darin zu sehen, daß über dem Kapitalmarkt ständig ein dunkler Schatten lastet. Wenn die Investitionen so anspringen, wie dies aus beschäftigungspolitischen Gründen notwendig ist, so werden die Ansprüche seitens der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft an den Kapitalmarkt so stark wachsen, daß dies nicht ohne merkliche Zinssteigerungen bleiben 24 I n der Finanzplanung des Bundes sind für 1980 Zinsausgaben i n Höhe von 14 651 M i o D M bei Steuereinnahmen i n Höhe v o n 180 300 M i o D M v o r gesehen (gleich 7,9 % der Steuereinnahmen). I m Jahre 1973 betrug die Relation 3 330 M i o D M zu 114 958 M i o D M (gleich 2,9 °/o). 25 A l s das Referat am 12. M a i 1977 gehalten wurde, mußte m a n noch von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer u m 2 % - P u n k t e ausgehen. Inzwischen (Ende M a i 1977) ist durch Kabinettsbeschluß die Erhöhung auf einen °/o-Punkt reduziert worden, wobei jedoch wegen des Streites der Gebietskörperschaften u m die A u f t e i l u n g des Umsatzsteueraufkommens u n d wegen der M i t w i r kungsrechte des Bundesrates offenbleibt, ob dies seitens der Bundesregierung tatsächlich „das letzte W o r t " ist.
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wird. I m Gegensatz zu früheren Zeiten, als die Unternehmen wegen der Hilflosigkeit der Notenbank glaubten, Zinssteigerungen i m Preis weitergeben zu können und sich deswegen nicht von einer Verschuldung abhalten ließen, ist heute und morgen die Signalwirkung eines steigenden Zinssatzes gänzlich anders zu bewerten. Weiter treibt die steigende Zinslast die Gebietskörperschaften zu ständiger Durchforstung ihrer Ausgaben, was an sich durchaus zu begrüßen wäre, wenn nicht die Positionen für Investitionen die Leidtragenden wären. Die staatliche Investitionstätigkeit war bereits i m Jahre 1975 aus konjunktureller Sicht unbefriedigend; i m zweiten Halbjahr 1975 stagnierte sie bereits und i m Jahre 1976 lag sie deutlich unter dem Niveau des Jahres 19742®. Von der angestrebten Wachstumsrate und dem angestrebten Beschäftigungsniveau her gesehen: ein ökonomischer Widersinn. Es steht zu befürchten, daß das von der Bundesregierung ausgelobte „mehrjährige öffentliche Investitionsprogramm zur wachstumsund umweltpolitischen Vorsorge" lediglich die Investionsvolumina enthält, die zuvor i n den ordentlichen Haushalten gestrichen worden sind.
2. Der inflatorische Sockel Nach einer weit verbreiteten These steigt das Preisniveau von Zyklus zu Zyklus, da sich die konjunkturell bedingten Preissteigerungen, die sich i m Abschwung nur unwesentlich zurückbildeten, auf die konsolidierte Inflationsrate des letzten Zyklus auftürmen und so fort. Z u m Glück stimmt diese defätistische These nicht. I n der Rezession des Jahres 1967 sanken die industriellen Erzeugerpreise unter „ n u l l " und die Verbraucherpreise i n die Nähe von „ n u l l " . Natürlich kann das Ergebnis aus der jüngsten Rezession damit nicht konkurrieren, doch ist die Preisentwicklung seit dem Jahre 1974 eine deutliche Widerlegung der These von den privat administrierten Preisen, vor allem wenn w i r bei den Verbraucherpreisen die staatlich administrierten Preise elimieren und nicht auf den Vorjahresvergleich, der oft die Sünden der Vergangenheit widerspiegelt, sondern auf den Jahresverlauf abstellen 27 . Dabei zeigt sich, daß sowohl der inflatorische Druck als auch der Stabilisierungserfolg größer waren, als in der öffentlichen Diskussion zum Ausdruck kommt. Nehmen w i r als Maßstab die Preisentwicklung innerhalb eines 26 Die Zuwachsraten der öffentlichen Anlageinvestitionen i n der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung betrugen i n den beiden Halbjahren 1975 + 4,0°/o u n d + 0,2 °/o, i n den beiden Halbjahren 1976 —7,2 °/o u n d — 3,9 % (in Preisen von 1962). 27 Vgl. zu diesem Abschnitt: Werner Steuer, Sind Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung unrealisierbare Ziele geworden? „Wirtschaftspolitische Chronik", 26. Jg., 1977, H. 1, S. 53 ff.
2 Konjunkturpolitik, Beiheft 24
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halben Jahres und rechnen sie auf ein Jahr hoch, so stiegen die konjunkturreagiblen Verbraucherpreise i m Jahre 1974 zeitweilig m i t einer Rate von 9,1 °/o; umgekehrt lagen jedoch die Steigerungsraten bereits seit September 1975 unter der 4°/o-Marge. Das heißt: Der Stabilisierungserfolg kam schneller und deutlicher, als sich aus der Entwicklung des Index der Lebenshaltungskosten i m Vorjahresvergleich entnehmen läßt. Noch deutlicher w i r d der Stabilisierungserfolg bei den industriellen Erzeugerpreisen: Der Höhepunkt der Preissteigerungen lag i m Frühjahr 1974 bei ca. 18 °/o, der Tiefpunkt i m Frühsommer 1975: unter 2 °/o. M i t h i n ein eindrucksvoller Stabilisierungserfolg. Die Hypothek ist nicht so sehr i n der preismäßigen Vorbelastung der kommenden Jahre als i n der nicht gänzlich gebrochenen Inflationsmentalität zu sehen. A u f dem Kapitalmarkt lag der Zinssatz trotz eindeutiger Stabilisierungserfolge von Mai 1975 bis September 1976 fest, w e i l die Anleger offensichtlich nicht damit rechneten, daß die Stabilitätspolitik durchgehalten werde. Sie fürchteten Kursverluste, wenn sie sich zum aktuellen Zinssatz engagierten. Nachdem die inflatorischen Erwartungen der Anleger gebrochen werden konnten, ist der Zins auf dem Rentenmarkt nach unten i n Bewegung geraten. Noch entscheidender aber für Stabilität und Vollbeschäftigung ist die Einstellung von Gewerkschaften und Unternehmen. Bis zum Jahre 1973 haben die konjunkturpolitischen Instanzen — i m Vertrauen auf die sogenannte Phillips-Relation — eine kurzfristig beschäftigungspolitisch motivierte Expansion zugelassen28. Der schmerzliche Lernprozeß der Jahre 1974/75 wäre vergebens gewesen, wenn von maßgeblichen Politikern wieder ein grundsätzlicher Konflikt zwischen Vollbeschäftigung und Geldwertstabilität aufgebaut werden sollte. Der Satz — gesprochen auf einer Maikundgebung i m Jahre 1977 —: „Stabilität ist wichtig, aber Unterbeschäftigung ist ein zu hoher Preis als M i t t e l der Inflationsbekämpfung" 2 9 , muß doch bei den gesellschaftlichen Gruppen den Eindruck erwecken, daß i m Zweifel stabilitätswidrige Lohnabschlüsse durch eine expansive Beschäftigungspolitik abgesichert würden und daß wieder auf die Inflation als „social mollifier" 3 0 bei Verteilungskämpfen gesetzt würde. Eine solche Verhaltensweise der politisch Verantwortlichen 28 Vgl. hierzu: Otto Schlecht, Konsequenzen f ü r die Wirtschaftspolitik aus veränderten Wachstums- u n d Strukturbedingungen, i n : Hans Besters, Hrsg., Wachstum u n d K o n j u n k t u r unter veränderten Bedingungen (Gespräche der L i s t Gesellschaft, N. F. Bd. 2), Baden-Baden 1976, S. 110 f. 29 So der SPD-Vorsitzende, W i l l y Brandt, auf der Maikundgebung 1977 des Deutschen Gewerkschaftsbundes i n Bochum (Pressemitteilung der SPD, Nr. 196/77 v o m 1. 5.1977, S. 2). 30 M a r t i n Bronfenbrenner, Some Neglected Implications of Secular Inflation, i n : Kenneth K u r i h a r a , Hrsg., Post-Keynesian Economics, New Brunswick 1954, S. 31 f t
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liegt deshalb so besonders nahe, w e i l die konjunkturelle Erholung auf dem Arbeitsmarkt bisher wenig Spuren hinterlassen hat. 3. Der hohe strukturelle Anteil an der Arbeitslosigkeit Vergleichen w i r den jetzigen Aufschwung m i t dem nach 1967, so würde das Jahr 1977 dem Jahr 1969 entsprechen: I m A p r i l des Jahres 1969 lag die Arbeitslosenquote bei 0,7 °/o, gegenüber 1967 waren 700 000 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt worden, und die Zahl der offenen Stellen lag m i t 763 000 u m 460 000 Stellen über dem Rezessionsniveau. I m A p r i l des Jahres 1977 hat sich dagegen gegenüber dem Rezessionsjahr kaum etwas zum Positiven h i n verändert. Dies läßt darauf schließen, daß der strukturelle A n t e i l an der Arbeitslosigkeit ziemlich hoch ist. M i t anderen Worten: Während der Rezession 1974/75 sind viele Arbeitsplätze nicht vorübergehend abgebaut, sondern für immer vernichtet worden, für die bisher kein Ersatz geschaffen werden konnte. Ein wesentlicher Grund dafür liegt i n der Lohnpolitik der Gewerkschaften begründet, die als inflationserfahrene Verhandlungspartner die Reallohnposition der Arbeitnehmer verteidigen wollten. I n diesem Verhalten wurden sie i m Jahre 1974 durch die Preisprognose der Bundesregierung bestärkt, die erstmalig i n ihrem Jahreswirtschaftsbericht keine Abschwächung des Preisanstiegs, sondern einen kräftigen Inflationsschub erwartete 31 . Es kam hinzu, daß wegen der Verschlechterung der „terms of trade" — Verteuerung importierter Rohstoffe (ölpreisexplosion) — i m Inland real weniger zu verteilen war, als vom Produktivitätsanstieg her möglich gewesen wäre. Zwar versuchten die Unternehmen i m ersten Halbjahr 1974 ihre Ertragspositionen zu verteidigen und die Kostensteigerungen i m Preis weiterzugeben, sie mußten jedoch wegen der restriktiven Geldpolitik diese Versuche einstellen. Zunächst kam es zum Abbau von Überstunden, zum Ubergang zu Kurzarbeit und schließlich zu Entlassungen: „ W e i l der Arbeitsmarkt den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage nicht über den Preis finden konnte, mußte er ihn über die Menge suchen" 32 . Bei den Entlassungen ist zu trennen zwischen den Unternehmungen, die Arbeitskräfte vorübergehend wegen mangelnder aktueller Beschäftigungsmöglichkeit, und den Unternehmen, die Arbeitskräfte auf Dauer freigesetzt haben, w e i l sie entweder Arbeitsplätze „wegrationalisiert" oder Konkurs angemeldet haben. Jeder Konjunkturabschwung führt sowohl zu konjunktureller wie zu struktureller Arbeitslosigkeit. Die 31 Vgl. Jahreswirtschaftsbericht 1974, Anhang Tz. 16. — I n allen vorangegangenen Jahreswirtschaftsberichten hatte die Bundesregierung eine deutliche Abschwächung i m Jahresverlauf prognostiziert, die jedoch nie eingetroffen war. 32 Werner Steuer, a.a.O., S. 61.
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Vernichtung betrieblicher Kapazitäten können w i r m i t Schumpeter als „Reinigungskrise" oder als „schöpferische Zerstörung" deuten. A n sich ist dies durchaus normal und auch erwünscht; denn i n einer nicht-stationären Volkswirtschaft müssen Produktionsfaktoren freigesetzt werden, damit die Durchsetzung „neuer Kombinationen" gesichert wird. Zum Problem w i r d die strukturelle Arbeitslosigkeit, wenn allzu reichlich i m Abschwung Kapazitäten vernichtet worden sind und wenn es danach nicht zur Verwirklichung ausreichend „neuer Kombinationen" kommt. Genau dies ist derzeit der Fall. Erschwerend kommt hinzu, daß sich die strukturellen Risiken seit 1973 kumulierten, da die inflationär bedingte Verzerrung der Produktionsstruktur (Stichworte: „Betongold" und „Betonhalden") eine Bereinigung durch Kapazitätsabbau erforderlich machte. W i r können daher mit Alfred Müller-Armack festhalten, daß die gegenwärtigen Schwierigkeiten auf der Uberlagerung einer allgemeinen konjunkturellen Rezession m i t strukturellen Prozessen beruhen 33 . Geradezu folgerichtig erreichte i m Jahre 1975 die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen und freien Berufen Nachkriegshöchststand; i m A u f schwungjahr 1976 blieb die Zahl der Insolvenzen nur knapp darunter 3 4 — sozusagen das Nachbeben der Rezession. A u f dem Arbeitsmarkt lastet obendrein noch die Hypothek des staatlichen Finanzierungsdefizits; denn die öffentlichen Arbeitgeber sehen sich gezwungen, Arbeitsplätze „wegzurationalisieren". Und sie haben das bereits i n erheblichem Umfange getan 35 . Das prozyklische Verhalten des Staates ist angesichts der leeren Kassen verständlich. A u f lange Sicht ist ein solches „Wegrationalisieren" sogar erwünscht; doch ist der Zeitpunkt der Überlegung, daß man an sich m i t weniger Arbeitskräften auskommen könnte, außerordentlich unglücklich gewählt. 4. Der Investitionsattentismus U m die Arbeitslosen i n den Produktionsprozeß eingliedern zu können, muß das Produktionspotential wachsen. Nach einer Berechnung des 33 A l f r e d Müller-Armack, Die fünf großen Themen der künftigen W i r t schaftspolitik, vervielfältigte Denkschrift v o m Januar 1977, S. 11. 34 Vgl. hierzu: „Wirtschaft u n d Statistik", H. 2, 1977, S. 93 ff. 35 Dazu einige Zahlen. Der B u n d hat während der Zeit außerordentlicher Arbeitskräfteknappheit (1969—1973) 19 971 Vollzeitbeschäftigte zusätzlich eingestellt, i m Jahr 1976 dagegen die Z a h l der Vollzeitbeschäftigten u m 2 389 vermindert. — Noch drastischer ist das prozyklische Verhalten bei den Bundesunternehmen Bahn u n d Post. Nachdem die Bundesbahn v o n 1959—69 ihren Personalstand u m 135 195 Beschäftigte reduziert hat, stockte sie diesen während der Zeit der Arbeitskräfteknappheit (1969—1973) u m 39 201 Personen auf, u m i h n seit 1974 wieder u m 28 656 Personen zu senken. — Ä h n l i c h bei der Bundespost: Erhöhung des Personalbestandes u m 50 546 Personen von 1968 bis 1973, seit 1974 Verminderung u m 25 430. — Quelle: Schriftliche M i t teilung des Statistischen Bundesamtes v o m 27. 6.1977.
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Bundeswirtschaftsministeriums ist hierzu ein Wachstum des Bruttosozialprodukts bis 1980 i n Höhe von 5 °/o und danach ein durchschnittliches Wachstum i n Höhe von 4 °/o erforderlich. I n diesem Kontext müssen die Investitionen der privaten Wirtschaft bis 1980 u m 8 bis 8,5 °/o und danach u m 7 bis 7,5 % wachsen — real — 3 e . Da die privaten Wohnungsbauinvestitionen dabei nur unterproportional zunehmen, müssen die Investitionen ohne Wohnungsbau u m ca. 10 °/o wachsen — real. Die Forschungsinstitute haben die Investitionstätigkeit i m ersten Halbjahr 1977 mit einem Plus von 4 °/o geschätzt 37 . M i t anderen Worten: Es muß i m zweiten Halbjahr einen wahren Investitionsboom geben, wenn das mittelfristige Ziel der Bundesregierung nicht schon i n der Eingangsphase verfehlt werden soll. Ein wenig überraschend für den Außenstehenden ist der derzeitige relative Optimismus der Institute beispielsweise bei der Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen, die zu 95 °/o von den Privaten getätigt werden. Nach einer schwachen Zunahme i m ersten Halbjahr (4,5 °/o) prognostizieren sie für das zweite Halbjahr 1977 einen Anstieg von 10,5 υ /ο — real. Basis dieser optimistischen Erwartung scheint wohl die Überlegung zu sein: Was das erste Halbjahr nicht gebracht hat, muß das zweite doppelt bringen 38 . Interessant ist auch ein Blick zurück — zu den Gemeinschaftsgutachten 1968 und 1969. Obwohl die Konjunkturindikatoren damals einen ungebrochenen Boom signalisierten, war die Mehrheit der Institute relat i v skeptisch. Sie rechneten seinerzeit für die zweite Jahreshälfte 1969 mit einer deutlichen Abschwächung der Investitionstätigkeit. Begründung: Das Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen hätte schon seit einem Jahr den längerfristig erreichbaren Wachstumspfad beträchtlich überschritten 39 . Jetzt rechnen die Institute vielleicht deshalb mit einer so starken Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen i m zweiten Halbjahr, weil deren Wachstum bereits seit einem Jahr den längerfristig erreich86 Vgl. hierzu: Otto Schlecht, Konsequenzen f ü r die W i r t s c h a f t s p o l i t i k . . . , a.a.O., S. 116. 87 Die Lage der Weltwirtschaft und der Westdeutschen Wirtschaft i m F r ü h j a h r 1977, Zahlenteil, abgedruckt i n : „Wochenberichte des D I W " , Nr. 16/17, 44. Jg., 1977, S. 145. 88 I n der Diskussion zu diesem Referat hat Norbert Walter v o m „ K i e l e r I n s t i t u t f ü r Weltwirtschaft" vorgebracht, daß die Zuwachsrate f ü r die A u s rüstungsinvestitionen i m Vorjahresvergleich i m zweiten H a l b j a h r so hoch ausfalle, w e i l die Investitionstätigkeit i m zweiten H a l b j a h r 1976 n u r schwach zugenommen habe. 89 Vgl. das Herbstgutachten 1968 u n d das Frühjahrsgutachten 1969, abgedruckt i n : „Wirtschaftskonjunktur 1 *, 20. u. 21. Jg., 1968 u. 1969, H. 4, S. 9 u n d H. 2, S. 8. — Anderer Auffassung als die Mehrheit w a r auch damals schon das Rheinisch-Westfälische I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, Essen.
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baren Wachstumspfad beträchtlich unterschreitet. Bisher hat es den „zündenden Funkten" 4 0 bei den Investitionen auf jeden Fall noch nicht gegeben. Soweit zu den Hypotheken aus dem letzten Zyklus, die die Konjunkturentwicklung der nächsten Jahre belasten.
I I I . Erfahrungen mit der Konjunkturpolitk im letzten Jahrzehnt Diese Erfahrungen möchte ich auf folgende vier Kurzformeln bringen: — Instabilität des öffentlichen Sektors; — Investitionsbelebung ist schwerer als Investitionsdämpfung; — i n der Politik überwiegt der Grundsatz des „learning by doing"; — das Gegenteil von guter Konjunkturpolitik ist gutgemeinte Sozialpolitik. 1. Instabilität des öffentlichen Sektors Ohne die ewigwährende Streitfrage von der Instabilität des öffentlichen oder privaten Sektors entscheiden zu wollen, müssen w i r festhalten, daß sich i m letzten Jahrzehnt Konjunkturüberhitzungen und -einbrüche tatkräftiger öffentlicher Unterstützung erfreuten, ob w i r nun auf die prozyklische Ausgabengebarung der öffentlichen Hand, auf die Vollbeschäftigungsversprechen, auf die Bemühungen an der Außenwirtschaftsfront bis zum gemeinschaftlichen Floating, auf schwerwiegende prognostische Irrtümer oder auf ad hoc konzipierte konjunkturpolitische Maßnahmen abstellen. Es läßt sich leicht nachweisen, daß das Verhalten der politisch Verantwortlichen destabilisierend gewirkt hat. Dies ist beileibe keine spezifische Eigenart deutscher Globalsteuerung, sondern offensichtlich ein Charakteristikum keynesianischer Konjunkturpolitik überhaupt. Assar Lindbeck stellte i n seinem internationalen Uberblick vor der „American Economic Association" fest, „daß die wirklich dramatischen makroökonomischen Turbulenzen während des letzten Jahrzehnts . . . mehr das Ergebnis von Regierungspolitiken als von Instabilitäten i m privaten Sektor gewesen sind" 4 1 . Jedoch kann man nicht — zumindest nicht für die Bundesrepublik Deutschland — nachweisen, daß sich Konjunktur- und Wahlzyklen i n 40 So Ernst Helmstädter i n einem Diskussionsbeitrag zu dem Referat von Otto Schlecht, Konsequenzen f ü r die Wirtschaftspolitik . . . , a.a.O., S. 131. 41 Assar Lindbeck , Richard T. E l y Lecture: Stabilization Policy i n Open Economies w i t h Endogenous Politicians, „ A m e r i c a n Economie Review", Bd. 66,1976 (Papers and Proceedings), S. 17.
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dem Sinne deckten, daß die Politiker ihre Konjunkturpolitik auf die jeweiligen Wahltermine hin dimensionierten 42 . Einmal ist die konjunkturelle Entwicklung kaum nach einem vorgegebenen Zeitplan steuerbar. Zum anderen wiegt vielleicht noch schwerer, daß w i r es bei der politischen Willensbildung m i t einem komplexen Bündel divergierender Ziele und kompetitiver politischer Interessen oder — nach einer anschaulichen Formulierung K u r t Schmidts 43 — m i t einem „Sammelsurium von A l l o kationsmechanismen" zu tun haben. Das Vorhaben, die gesamte Anlage der Politik an einem nationalen konjunkturpoltischen Timing auszurichten, würde sich als utopisch erweisen. Diese Feststellung besagt nicht, daß die Gemeinplätze: „Vor Wahlen nichts Unpopuläres" oder „Politische Rationalität rangiert vor ökonomischer Rationalität", nicht richtig wären. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das vermeintlich politisch Populäre tatsächlich zur Stimmenmaximierung beigetragen hat; denn die Orientierung konjunkturpolitischer Maßnahmen an der politischen Rationalität (Wiederwahl und Verwirklichung des Regierungsprogramms) setzt die Kenntnis der Wirkungen konjunkturpolitischen Handelns oder Unterlassens auf kurz- und mittelfristige Sicht voraus. Also: Die Orientierung an der politischen Rationalität bedingt in hohem Maße ökonomischen Sachverstand. Da es sich hierbei i m politischen Raum u m ein „knappes Gut" handelt, w i r d oft ein Handeln als „politisch rational" etikettiert, das alles andere als das ist. 2. Investitionsbelebung ist schwerer als Investitionsdämpfung M i t der Orientierung der Politik am vermeintlich Populären hängt zusammen, daß w i r — u m eine Formulierung Fritz Neumarks aufzugreifen — von der „asymmetrischen Leistungsfähigkeit" der Globalsteuerung sprechen 44 , sie könne zwar einen Aufschwung inszenieren, w e i l dies allgemein begrüßt werde, nicht aber einen Boom wegen vermuteter Unpopularität rechtzeitig zügeln. Doch erleben w i r derzeit, daß 42 Auch Bruno S. Frey (Theorie u n d Empirie politischer K o n j u n k t u r z y k l e n , „Zeitschrift f ü r Nationalökonomie", Bd. 36, 1976, S. 99—102) k o m m t zu dem Ergebnis, daß sich f ü r die Bundesrepublik Deutschland bei einer Betrachtung der wichtigsten makroökonomischen Variablen n u r geringe Anzeichen f ü r einen Wahlzyklus feststellen lassen; allenfalls bei der Wachstumsrate des verfügbaren Nominaleinkommens könne hiervon gesprochen werden. — Es ist anzumerken, daß wegen Tarifautonomie die Bundesregierung auf die N o m i naleinkommensentwicklung n u r begrenzt Einfluß nehmen kann. 43 K u r t Schmidt, Diskussionsbeitrag, i n : H a n s - K a r l Schneider u n d Christian Watrin, Hrsg., Macht u n d ökonomisches Gesetz, „Schriften des Vereins für Socialpolitik", Bd. 74 I I , B e r l i n 1973, S. 1328. 44 Fritz Neumark, Z u r Problematik einer Steigerung der Effizienz flskalpolitischer Instrumente des Stabilitätsgesetzes, „Finanzarchiv", Bd. 28, 1969, S. 105.
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starke Impulse — deutliche Herabbildung der Zinsen, kräftige Alimentierung der konsumtiven Nachfrage, Investitionszulage — bei der Investitionstätigkeit kaum Wirkung gezeigt haben. Ja sogar betriebliches Desinvestment ist oder war einzelwirtschaftlich rational; denn die Unternehmen können oder konnten zeitweise mehr verdienen, wenn sie ihre erwirtschafteten Abschreibungen nicht i n Ersatzinvestitionen, sondern auf dem Kapitalmarkt anlegen oder anlegten. Das Phänomen des Investitionsattentismus ist aber keineswegs ungewöhnlich. Als Beleg ein Zitat: „ U n d so ist auch das Vorhandensein großer lediger Geldkapitalien, der scheinbare ,Überfluß an Geld', nur die Kehrseite der Schwierigkeit, neue zinstragene Kapitalgüter herzustellen, somit ein sicheres — wenn leider oft mißverstandenes — Zeichen des annähernden stationären Zustandes". Soweit — nicht der Keynes der 30-er Jahre, sondern der Wickseil der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts 45 . I m Zusammenhang m i t dem unternehmerischen Investitionsattentismus w i r d oft das B i l d von der Wassertränke und dem Pferd, das nicht saufen w i l l , verwendet: Man könne das Pferd zwar zur Tränke führen, aber saufen müsse es selbst. Ich glaube, daß dieses B i l d falsch ist, zumindest falsche Assoziationen erweckt. Jedes Pferd, das längere Zeit Durst leiden mußte, w i r d saufen wollen. Dies ist ein elementarer Trieb, wenigstens für das Normalpferd. Ich zweifle aber, ob Investieren ein elementarer Trieb ist. Man sollte daher das Gleichnis vom desinteressierten Pferd etwas anders fassen. W i r alle kannten bisher ein Pferd, das nichts so sehr wie das Galoppieren liebte. Es ließ sich auch nicht verdrießen, daß neben dem Reiter auch etliche Handicaps auf i h m lasteten. Doch hat der Reiter durch weitere Zuladung, durch starke „Kreuzeinwirkung" und etliche scharfe Paraden das Pferd schließlich doch zum Stand gebracht. Nach einer Weile soll das Pferd wieder galoppieren; der Reiter klopft es aufmunternd m i t seinen Schenkeln, gibt und verspricht i h m Zucker. Aber zu mehr als zu einem müden Trab ist es nicht zu bewegen. Denn: Ein rasanter Galopp bei extremer Belastung ist für das Normalpferd kein elementares Bedürfnis. Ob man nun die Belastbarkeit eines Pferdes oder einer Volkswirtschaft testen w i l l , beide Male ist es außerordentlich riskant. Wilhelm Vocke hat einmal angemerkt, daß „man bei einer Brücke, die über einen Fluß führt, den Techniker fragen muß, welche Höchstleistung sie trägt; und kein anderer, nicht einmal ein Politiker, kann eine höhere Belastung anordnen" 46 . Inzwischen ist die Erkenntnis, daß die Be45 K n u t Wicksell, Überproduktion — oder Überbevölkerung? „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft", 46. Bd., 1890, S. 12. 46 Zitiert i n : Wolf gang Schröder, Bilanz der Krisenmacher, StuttgartDegerloch 1976, S. 7.
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lastung der Unternehmen m i t Sozialabgaben, Steuern und Lohnkosten gemindert werden müßte, Allgemeingut. I n diesem Zusammenhang hat Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs bei der Einbringung des Jahr es wirtschaftsberichtes 1977 i m Parlament einige sehr deutliche Worte gefunden, die jedoch wohl mehr auf die eigene Koalition als auf die sonstige interessierte Öffentlichkeit gemünzt waren. Friderichs führte u. a. aus: „Zwar ist das Aufspüren neuer Investitionschancen Bestandteil unternehmerischen Risikos; die Investoren werden aber kaum bereit sein, die insgesamt größer gewordenen Risiken zu übernehmen, wenn sie nicht eine entsprechend höhere Risikoprämie in Form von ausreichenden Erträgen erwarten können" 4 7 . A n dieser Stelle kann man sich fragen, ob es überhaupt noch genügend Unternehmer gibt, die zu unternehmerischem Risiko bereit sind. Herbert Giersch hat einmal griffig formuliert 4 8 , daß w i r nicht den Unternehmer vom Keynes-Typ brauchen, der auf Nachfragewellen wartet, die die konjunkturpolitischen Instanzen erzeugt haben, sondern den Unternehmer vom Schumpeter-Typ, der sich selbst die Nachfrage durch Verwirklichung „neuer Kombinationen" verschafft und die Volkswirtschaft i n einen neuen Aufschwung zieht. Jedoch gedeiht der dynamische Unternehmer, wie ein Blick i n Joseph Schumpeters „Theorie der w i r t schaftlichen Entwicklung" zeigt, nicht in jedem „Bioklima" 4 9 ; die Gesellschaft, die dynamische Unternehmer hervorbringt, muß nach Schumpeter bereit sein, daß die Unternehmer „einer Zeit ihren Stempel aufdrücken, Lebensstil, moralisches und ästhetisches Wertsystem formen" 5 0 . Der dynamische Unternehmer Schumpeters fühlt keine Verantwortung für das Gesamtgesellschaftliche; er ist eher vom Zuschnitt der spanischen Konquistadoren, ein Kämpfer um des Kampfes willen, „egoistisch gefärbt — auch i n der Bedeutung von . . . Rücksichtslosigkeit" 51 . N u n — Schumpeter selbst hat i n seinem Spätwerk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" von den „bröckelnden Mauern" und der „wachsenden Feindseligkeit" gegenüber der unternehmerischen Funktion gesprochen 52. Schumpeter würde uns sagen, wenn w i r uns über 47 Hans Friderichs, i n der 21. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. März 1977, 8. Wahlperiode, abgedruckt i n : „Das Parlament", Nr. 15 v o m 16. A p r i l 1977, S. 2. 48 I n einem Vortrag auf dem Europäischen Management-Symposion i n Davos 1977 (unveröffentlicht). 49 Nach Otto Schlecht (Konsequenzen für die W i r t s c h a f t s p o l i t i k . . . , a.a.O., S. 121) k o m m t es „gerade f ü r das Wiedererstarken der I n v e s t i t i o n s t ä t i g k e i t . . . i n Z u k u n f t besonders auf ein gesundes ,Bioklima 4 i m sozio-ökonomischen U m feld der Unternehmungen an". 60 Joseph Schumpeter , Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 5. A u f lage, B e r l i n 1952, S. 116. « Ebenda, S. 134. — Vgl. auch S. 138 f. 52 Bern 1950, 2. Auflage, 12. u n d 13. Kapitel.
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mangelnden unternehmerischen M u t beklagen, daß jede Gesellschaft nicht nur die Regierung habe, die sie verdiene, sondern auch die Unternehmer oder — i n der Terminologie Schumpeters — die „Wirte", die sie verdiene. 3. Vom „Learning by doing" in der Politik Daß die Belastbarkeit der Wirtschaft ihre Grenzen hat, mußte erst ausprobiert werden. Klaus Dieter A r n d t — er kannte sich i n der politischen Arena ziemlich gut aus 53 — sagte einmal i m währungspolitischen Zusammenhang: „Für die Massen — und i n diesen Massenbegriff schließe ich in dieser Frage Notenbankleiter, Politiker und Bankiers ein — gibt es nur learning by doing" 5 4 . Allerdings waren einige Lernprozesse für die Gesellschaft mit hohen Kosten verbunden, ob w i r nun auf die Kosten der Inflation oder der Arbeitslosigkeit abstellen. Jeder, der sich i n Außenwirtschaftsproblemen engagiert hatte und das kleine ökonomische Einmaleins beherrschte, mußte sich beispielsweise über die Vehemenz wundern, m i t der sich die Deutsche Bundesbank von 1970 bis zum Frühjahr 1973 dagegen wehrte, daß i h r geldpolitisches Instrumentarium wieder funktionsfähig wurde 5 5 . Regierung und Bundesbank haben sich erst zum gemeinschaftlichen Floating bereitgefunden, nachdem — buchstäblich — nichts anderes mehr ging. Oder nehmen w i r die Vollbeschäftigungsversprechen der Regierung. Eine besonders griffige Formel dafür ist i m Jahre 1970 i m Deutschen Bundestag präsentiert worden: „Die Politik dieser Koaliation bedeutet: Kein Arbeitnehmer braucht aus konjunkturellen Gründen u m seinen Arbeitsplatz zu bangen und kein Unternehmer hat eine rezessive Nachfragelücke zu befürchten" 5®. Ich glaube, es war Herbert Giersch, der als erster die Kühnheit hatte, von der Notwendigkeit der „Reprivatisierung des Beschäftigungsrisikos" zu sprechen. Er ist deswegen i m Deutschen Bundestag vom damaligen Wirtschafts- und Finanzminister und heutigen Bundeskanzler arg gebeutelt worden 5 7 . Und auch sonst hat man 53 Klaus Dieter Arndt w a r Parlamentarischer Staatssekretär i m Bundeswirtschaftsministerium (1967—1970) u n d anschließend, bis zu seinem Tod 1974, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. 51 Klaus Dieter Arndt, Diskussionsbeitrag, i n : H a n s - K a r l Schneider u n d Christian Watrin, Hrsg., a.a.O., Bd. 74 I I , S. 724. 65 Vgl. hierzu: Joachim Starbatty, Erfolgskontrolle der Globalsteuerung.. a.a.O., S. 195—201 u n d S. 212—216. 5β K . Lenders als Sprecher der SPD-Fraktion i n der 55. Sitzung des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 3. J u n i 1970, S. 2850 f. 67 Der damalige Wirtschafts- u n d Finanzminister, H e l m u t Schmidt (199. Sitzung des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 22. September 1972,
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ihn gezielt zur Ordnung gerufen 58 . Sogar die Opposition hat sich damals ebenfalls flugs von i h m distanziert 59 . Inzwischen wissen wir, daß keine Regierung die Sicherheit der A r beitsplätze garantieren kann und daß viele Arbeitskräfte nur deswegen ohne Beschäftigung sind, w e i l die gesellschaftlichen Gruppen auf die Einhaltung dieser Versprechen gesetzt hatten. Auch die Bundesregierung spricht jetzt unverklausuliert von den hohen Risiken für die Betroffenen und für die Gesamtwirtschaft, die aus der mangelnden Berücksichtigung des Rahmens, den die Bundesbank m i t der Ausweitung der Zentralbankmenge vorgibt, erwachsen 60 . 4. Das Gegenteil von guter Konjunkturpolitik ist gutgemeinte Sozialpolitik Der Prozeß des „learning by doing" ist jedoch noch keineswegs abgeschlossen. Es gibt viele Bereiche, i n denen noch nicht hinreichend oft und gründlich experimentiert worden ist. Einer dieser Bereiche ist der Arbeitsmarkt. Das größte Experiment steht der Volkswirtschaft vielleicht noch bevor, nämlich der Ersatz des Allokationsinstrumentes „ M a r k t " durch ein administratives Zuteilungsverfahren. I n aller Regel w i r d der Marktmechanismus durch ein Zuteilungsverfahren abgelöst, wenn das Angebot nicht ausreicht, u m die vorhandene Nachfrage zu befriedigen und die Verteilung der Güter nach dem MarktmechanisS. 11 807): „ M a n muß eine solche Formel w i e ,Reprivatisierung des Beschäftigungsrisikos 1 langsam auf der Zunge zergehen lassen, u m zu begreifen, welch politische Brisanz d a r i n steckt. »Brisanz 1 ist ein sehr freundliches Wort ohne Wertung; m a n könnte ein sehr böses W o r t dazu sagen. I n Wirklichkeit geht es darum, daß einige Stabilität herstellen wollen auf dem Rücken der A r b e i t nehmer u n d ihrer Beschäftigung". 68 I n einer E r k l ä r u n g des Bundeswirtschafts- u n d -flnanzministeriums zum Herbstgutachten 1972 der Konjunkturforschungsinstitute heißt es: „Drei I n stitute sprechen sich i m Anschluß an Äußerungen der letzten Zeit aus den gleichen Institutskreisen f ü r eine Stabilisierung i m Wege der Bedrohung der Tarifpartner m i t einem erhöhten Beschäftigungsrisiko aus. Die Bundesregier u n g weist m i t Nachdruck die Z u m u t u n g zurück, die absichtliche Einschränk u n g des v o m Gesetz geforderten hohen Beschäftigungsstandes als M i t t e l der Wirtschaftspolitik verwenden zu sollen". (Tagesnachrichten des B M W F , Nr. 6651 v o m 25. Oktober 1972). 89 A u f die Behauptung des damaligen Bundeskanzlers, W i l l y Brandt, daß auf CDU-Veranstaltungen von der „Reprivatisierung des Beschäftigungsrisikos" gesprochen werde, hat seinerzeit der Vorsitzende der CDU/CSUBundestagsfraktion, Rainer Barzel, entgegnet: „ H e r r Bundeskanzler, ist Ihnen bekannt, daß das auf dieser Tagung ein Professor gesagt hat, daß das aber einstimmig v o n allen anwesenden Kollegen u n d Nichtkollegen der ChristlichDemokratischen u n d Christlich-Sozialen-Union abgelehnt worden ist, w e i l f ü r uns der gesicherte Arbeitsplatz i n der Wertskala obenan steht?" (199. Sitzung des Deutschen Bundestages, 6. Wahlperiode, 22. September 1972, S. 11 768). 60 Jahreswirtschaftsbericht 1975, Tz. 14 m (Deutscher Bundestag, Drucksache 7/3197).
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mus aus politischen Gründen nicht akzeptiert werden kann, ob es sich nun u m Lebensmittel, Wohnungen, Devisen oder Rohstoffe handelt. Administrative Zuteilung liegt immer dann nahe, wenn es sich bei dem knappen Gut u m ein sogenanntes „Essential" handelt. Bei der Verteilung von Arbeit handelt es sich nicht nur u m irgendein „Essential", sondern meines Erachtens u m das entscheidende „Essential" schlechthin. Ich habe daher volles Verständnis — ja Respekt — für diejenigen, die nach M i t t e l n und Wegen suchen, wie die gegebene Arbeitsmenge besser verteilt werden kann. Das Wollen derjenigen, die so geartete Vorschläge einbringen, ist über jeden Zweifel erhaben. Ich zweifle bloß, ob sie m i t Eingriffen i n den Marktmechanismus tatsächlich ihrer Zielgruppe, den jetzt Arbeitslosen und den künftig Erwerbstätigen, helfen können. Die derzeitigen sozialpolitischen Überlegungen zielen — neben dem Vorschlag der generellen Arbeitszeitverkürzung — in Richtung Abbau der Überstundentätigkeit® 1 . Abgesehen davon, daß die temporäre Einschränkung der Angebotselastizität für den Verbraucher oft lästig sein kann, muß erstens nachgewiesen werden, daß sich das Ableisten von Überstunden für die Gesamtwirtschaft negativ auswirkt, und zweitens, daß nach Abbau der Überstundentätigkeit mehr Arbeitskräfte eingestellt werden: — Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren Überstunden, wenn dies für beide Seiten attraktiv ist; für den Arbeitgeber, w e i l er einen temporären Nachfragestoß nutzen oder seinen Maschinenpark besser auslasten kann; für den Arbeitnehmer, w e i l er neben dem üblichen Entgelt einen zusätzlichen Überstundenzuschlag erhält. Einzelwirtschaftlich steigen die betriebliche Rentabilität und die Kaufkraft des Arbeitnehmers, gesamtwirtschaftlich Gesamtangebot und Gesamtkaufkraft. Dies ist für sich genommen bereits positiv zu werten; auf mittelfristige Sicht w i r k t sich dies auch arbeitsplatzschaffend aus, wenn w i r davon ausgehen, daß erhöhte Rentabilität und Erweiterungsinvestitionen etwas miteinander zu tun haben. — Soll dagegen die freie Vereinbarung über Mehrarbeit unterbunden werden, so w i r d der Unternehmer i n aller Regel auf die temporäre Ausweitung der Produktion verzichten und sich stattdessen der Aktionsparameter Lieferfrist oder Preis bedienen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß er zusätzliche Arbeitskräfte einstellt, die zudem angelernt werden müssen, wenn er nicht weiß, ob er diese auf Dauer 61 I n diese Richtung gehen die Überlegungen einer Arbeitsgruppe „Arbeitsm a r k t " der SPD-Bundestagsfraktion, die v o m M i n i s t e r i u m für A r b e i t aufgegriffen worden sind. Diese Überlegungen haben insbesondere durch die enttäuschenden Nachrichten von der Entwicklung des Arbeitsmarktes i m A p r i l 1977 A u f t r i e b erhalten.
Konjunktur und Konjunkturpolitik im letzten Jahrzehnt
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beschäftigen kann. Folglich entfällt die kurzfristige Erhöhung der Produktion und der Kaufkraft, damit auch die Möglichkeit zu Erweiterungsinvestitionen. Die Schlußfolgerung: Die eventuelle Behinderung freier Vereinbarung über Mehrarbeit w i r k t sich aus wachstumspolitischer Sicht negativ aus, sowohl was die Auslastung als auch die beschäftigungsfördernde Ausweitung des Produktionspotentials angeht. Unsere These, daß das zukünftige Angebot an Arbeitsplätzen geschmälert wird, kann durch die Erfahrungen mit der Erschwerung von Kündigungen gestützt werden. Herbert Giersch spricht vom „Pferdefuß" 6 2 sozialpolitischer Regelungen dieser A r t : „Wenn man rezessionsbedingte Entlassungen verhindert, nimmt man den Unternehmen den Mut, i m Aufschwung neue Arbeitskräfte einzustellen. Dies ist sicher beklagenswert, aber es war nicht unvorhersehbar, und es ist wieder ein Zeichen dafür, welche Bumerangeffekte eine vordergründig wohlgemeinte Politik hat" 8 3 . Und Carl Christian von Weizsäcker sieht durch eine solche Arbeitsmarktpolitik ein entscheidendes Grundrecht des Arbeitnehmers, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, bedroht. Er schreibt: Es gibt „eine Vollbeschäftigung, in der das ,Recht auf Arbeit' zu einem Schutz vor Entlassung konkretisiert wird, das sich gemäß der Dynamik innerbetrieblicher Beziehungen zu einem Anrecht auf einen bestimmten Arbeitsplatz ausgestaltet mit der Folge, daß Rationalisierungsfortschritte nicht erzielt werden. Der technische Fortschritt ist gering, der Streit u m die Verteilung des Produkts spitzt sich zu. Es gibt nur wenige Neueinstellungen und deshalb keine Wahlmöglichkeit mehr für den Arbeitnehmer: die Unfreiheit des Unternehmers (das Verbot der Freisetzung von Arbeitnehmern) verwandelt sich i n die Unfreiheit des Arbeitnehmers bezüglich der Wahl seines Arbeitsplatzes" 64 . IV. Was tun? Beziehungsweise was nicht zu tun ist! Viele Wege führen nach Rom, aber einige sicherlich nicht. Ubertragen auf die konjunkturpolitischen Ziele Vollbeschäftigung und Wachstum: Administrative Zuteilung von Arbeit u n d die stärkere politische Steuerung des Wirtschaftsprozesses — auch „mehr demokratische Gesamtverantwortung . . . für den wirtschaftlichen Prozeß" genannt 65 — w i r 62
Herbert Giersch, Konjunkturelle, strukturelle u n d internationale Aspekte des Arbeitslosenproblems, i n : Kieler Diskussionsbeiträge, Nr. 49, Institut für Weltwirtschaft Kiel, Januar 1977, S. 40. 63 Ebenda. 64 Carl Christian von Weizsäcker, Die Welt aus der Sicht des Ökonomen, i n : Heiko Körner u. a., Hrsg., Wirtschaftspolitik — Wissenschaft u n d politische Aufgabe, Festschrift f ü r K a r l Schiller, Bern u n d Stuttgart 1976, S. 79. 65 So der SPD-Vorsitzende W i l l y Brandt auf der Maikundgebung 1977 i n Bochum (Pressemitteilung der SPD, a.a.O., S. 2).
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ken sich kontraproduktiv aus. Auch w i r d die politische Steuerung des Wirtschaftsprozesses nicht so sehr den Bereich demokratischer Kontrolle erweitern, wie das Übergewicht der Exekutive, das heißt der Ministerialbürokratie, verstärken. Politische Steuerung des Wirtschaftsprozesses heißt letztendlich: Bürokratisierung des Wirtschaftsprozesses.
Zusammenfassung der Diskussion Die anschließende Aussprache hielt sich i m wesentlichen an die durch das Referat vorgegebene Reihenfolge: Zunächst ging es um die Ursachen der gegenwärtigen Rezession, dann um die wirtschaftspolitischen Möglichkeiten. Einige Tagungsteilnehmer meinten, die Gewichte der verschiedenen Rezessionsauslöser müßten anders gesehen werden. So bezeichnete Rüstow als wichtigste Ursache die Ölpreiserhöhung des Jahres 1973. Die Dämpfungsmaßnahmen kurz vor der Rezession seien angemessen und unausweichlich gewesen, denn bis dahin hätten Überinvestitionen ständig zu viele Arbeitsplätze geschaffen, wie am Arbeitsmarkt m i t dem langanhaltenden Arbeitskräftemangel und m i t der hohen Zahl ausländischer Arbeitskräfte deutlich geworden sei. Erst die zusätzlich auftretenden Verteuerungen der Rohstoffe hätten die Unternehmer veranlaßt, ihre Investitionstätigkeit weit über das gebotene Maß einzuschränken. Einen anderen Schwerpunkt sah Giersch: Die Überbeschäftigung i n der Zeit vor der Rezession sei Folge eines Reallohnniveaus gewesen, das i m Verhältnis zur Arbeitsproduktivität zu niedrig war. Der — unter marktwirtschaftlichen Gegebenheiten — daraus resultierende A n passungsprozeß schieße wahrscheinlich über die Marke hinaus, die langfristig die richtige wäre. Das Reallohnniveau sei gegenwärtig — i m Gegensatz zu den 60er Jahren — zu hoch. A u f diesem Hintergrund wurde darauf hingewiesen, daß die Verschlechterung der Terms of Trade während der „Ölkrise" von der Lohnpolitik der Tarifpartner, insbesondere von der Abeitnehmerseite, nicht rechtzeitig zur Kenntnis genommen und akzeptiert worden sei (Großer, Giersch). Es sei allerdings auch die Schuld der Ökonomen gewesen, nicht ausreichend darauf hingewiesen zu haben, daß sich der beschäftigungsneutrale Verteilungsspielraum eingeengt hatte. Auch habe man sich zunächst von Gedanken der OECD und anderer Organisationen zu stark beeindrucken lassen, die darauf hinausliefen, die internationale Umverteilung der Einkommen werde einen erheblichen Nachfrageausfall nach sich ziehen (mangelnde Absorptionsfähigkeit der ölländer). Man habe wohl auch deshalb die inländische Nachfrage nicht weiter behindern wollen und überhöhte Lohnforderungen toleriert.
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Man müsse außerdem feststellen, daß das Verschwinden der Geldillusion auf Seiten der Gewerkschaften zu einem „Reallohnwiderstand" (Hicks) gegenüber vollbeschäftigungskonformen Löhnen geführt habe (Willgerodt). So werde i n Großbritannien jetzt auch von linken Nationalökonomen die Zähmung der Gewerkschaften gefordert, um zur Vollbeschäftigung zurückzugelangen. Es sei fraglich, ob man bei solchem Reallohnwiderstand — auch i n der Bundesrepublik — noch das keynesianische Rezept der Nachfragebelebung anwenden könne. Schließlich wies Helmstädter darauf hin, nicht allein die Löhne seien für die Rezession verantwortlich zu machen; wesentlich seien die mangelnde Nachfrage und die pessimistischen Erwartungen über die mittelfristige Nachfrageentwicklung. Dadurch seien auch die Investitionen ausgeblieben, die den gesamten Aufschwung so stabil gemacht haben würden, daß die aus den Lohnerhöhungen resultierende Kostenbelastung hätte getragen werden können, und zwar ohne Gewinnkompression. Unwidersprochen blieb diese These nicht: Giersch wies auf die außenwirtschaftliche Flanke hin. Importdruck beschränke die Überwälzbarkeit der Lohnkostensteigerungen. Dies gelte insbesondere nach der Richtigstellung der Wechselkurse. Damit sei die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen gegenüber den ausländischen Produzenten stark geschrumpft, manche Branchen seien nun bei den gegebenen Wechselkursverhältnissen nicht mehr international wettbewerbsfähig. Sie könnten deshalb auch keinen Exportboom mittragen. Einige weitere Folgen der aktuellen Rezession wurden erörtert: — Export der Rezession ins Ausland, — die Frage der Arbeitsbereitschaft auf Seiten der Arbeitslosen, — das Problem der grundsätzlichen Stabilität des privaten Sektors. Willgerodt stellte die These von Starbatty i n Frage, daß der Außenhandel der Bundesrepublik die Rezession zunächst ins Ausland exportiert habe — über hohe Exportüberschüsse und entsprechende Leistungsbilanzdefizite einiger westlicher Industrieländer. Es sei vielmehr die starke außenwirtschaftliche Position der Bundesrepublik gewesen, die es ihr erst ermöglicht habe, anderen Ländern Zahlungsbilanzhilfen zu gewähren und diese Länder damit zeitweilig von dem Zwang zu restriktiver Wirtschaftspolitik zu entlasten. Ohne die Stützung eines überhöhten Realeinkommensniveaus i n den Defizitländern hätte es sicherlich zu bedeutend schärferen Einbrüchen i n der Weltkonjunktur kommen müssen. Lediglich i n der Rückkehr der Gastarbeiter i n ihre Heimat sei eindeutig ein Rezessionsexport zu erblicken. Starbatty wollte sein Argument nur auf die ungewöhnlich hohen Exportzuwächse 1973/74 bezogen wissen, die in der Bundesrepublik einen Teil der aus-
Zusammenfassung der Diskussion
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bleibenden Nachfrage ersetzten. Giersch stellte die Frage, was es denn für einen Sinn habe, die inländische Nachfrage durch die K o n j u n k t u r stütze „Export" zu beleben, wenn man den Käuferländern das Geld anschließend in Form von Anleihen gleich nachliefern muß. Ob denn die Regierungen der Defizitländer kreditwürdiger seien als die deutsche Bundesregierung. Diese Frage sei auch bei der Betrachtung des Kapitalmarkts wichtig, bei dem man i m übrigen — ebenso wie bei den realen Vorgängen — nicht i n den Kategorien einer geschlossenen Wirtschaft denken sollte. Die Diskussion streifte auch aktuelle Pressemeldungen, nach denen von Arbeitgeberseite festgestellt worden war, ein großer Teil der A r beitslosen sei aus verschiedenen Motiven gar nicht bereit, eine neue Beschäftigung aufzunehmen (Steuer). Zwar sei es i n der BRD noch nicht so weit wie angeblich i n den USA, daß mancher arbeitslos Gemeldete sich finanziell besser stehe, wenn er das Arbeitslosengeld m i t Schwarzarbeit ergänze, als wenn er eine neue Stelle annähme. Eine entsprechende Entwicklung sei aber auch bei uns nicht auszuächließen (,Starbatty). Teschner bezweifelte die grundlegende These der Darlegungen Starbatty s, daß der private Sektor sich stabiler entwickle als der öffentliche, zumindest daß die öffentliche Hand die Schwankungen kräftig verstärkt habe. Vielmehr sehe er das Hauptproblem i n dem sich verschärfenden Verteilungskonflikt, der vornehmlich innerhalb der privaten Wirtschaft ausgetragen werde. Hier liege das entscheidende H i n dernis für eine erfolgreiche Konjunktursteuerung. Man habe es m i t einem sehr instabilen privaten Sektor zu tun. I n den Erörterungen einzelner möglicher Maßnahmen zur Überwindung der Krise nahm die These unerwünschter Zinserhöhungen bei einer Deficit-spending-Politik breiteren Raum ein. Zweig wies darauf hin, von einer Verdrängung der privaten Kreditnehmer durch hohe Kreditanforderungen des Staates (crowding-out) könne i n der gegenwärtigen Situation gar keine Rede sein. Die Banken hätten eher Überliquidität zu melden als konjunkturpolitisch unerwünschte Zinssteigerungen. Rüstow meinte, die zusätzlichen Staatsausgaben könnten die Zinsen sogar noch gesenkt haben, weil die Gewinne dadurch stiegen und möglicherweise — bei nicht anspringender K o n j u n k t u r — den Kreditbedarf der Privatwirtschaft weiter geschmälert haben. Walter hatte schon vorher daran erinnert, daß die Staatsdefizite infolge der Steuerprogression gar nicht so groß ausgefallen waren, wie früher vermutet. Starbatty betonte, die Gefahr des Crowding-out stelle sich erst nach Beginn des Aufschwungs ein, dazu trage dann auch bei, daß die Anleger mittelfristig ein höheres Zinsniveau erwarteten. 3 Konjunkturpolitik, Beiheft 24
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Zusammenfassung der Diskussion
Auch die Richtung der Staatsausgaben stand zur Debatte. Während Teschner eine Stärkung des Staatsverbrauchs befürwortete, verwies Helmstädter auf das Ablaufschema früherer Aufschwungphasen mit Initialzündungen i m Export und bei den Investitionen. Willgerodt bezweifelte, ob dieser Mechanismus heute noch funktionieren könne — angesichts der kämpferischen Reallohnpoliitik der Gewerkschaften. Kellenbenz befürchtete, die geschwundene Geldillusion bewirke heute — i m Gegensatz zu früheren Erfahrungen —, daß hohe Staatsdefizite kein Vertrauen auf eine nachhaltige Besserung der Wirtschaftsentwicklung aufkommen lassen. I n dieser veränderten Situation stelle sich die Frage, ob die Defizite nicht verringert werden müßten, u m die notwendige Klimaverbesserung zu erzielen. Bei der Diskussion u m wirtschaftspolitische Maßnahmen kam man zu keiner einfachen Rezeptur. Z u m Zeitpunkt der Tagung herrschte bei vielen — wenn auch nicht bei allen — Teilnehmern noch Optimismus über den aktuellen Konjunkturverlauf vor. Walter ζ. B. wies darauf hin, daß bereits i n sechs vorangegangenen Quartalen die Ausxüstungsinvestitionen m i t 3 - 7 v H p. a. zwar leicht aber dauernd gestiegen seien. Man vertraute vielfach auf eine Verstetigungspolitik der öffentlichen Hand i n Verbindung m i t einem mehr und mehr sich selbst tragenden ruhigen Aufschwung.
Konjunkturverechärfungen durch Struktur- und Ordnungemängel ? Von Helmut
Gschwendtner*
„Die K o n j u n k t u r ist", wie treffend bemerkt wurde, auch „nicht mehr das, was sie einmal war" 1 . I n der Konjunkturentwicklung des letzten Jahrzehntes zeigt sich eine Verschärfung i n der A r t , daß einerseits die durchschnittliche Inflationsrate stark angestiegen ist und andererseits das Ausmaß der konjunkturellen Depressionen gegenüber früheren Konjunkturverläufen zugenommen hat. Die betriebene Politik der Globalsteuerung hat diese Verschärfung nicht verhindern können und ist deshalb etwas i n Verruf geraten. Es w i r d vermutet, daß die Verschärfung der konjunkturellen Situation u. a. auf Struktur- und Ordnungsmängel zurückzuführen ist, die durch Globalsteuerung nicht beeinflußt werden können. N i m m t man den Begriff „Struktur" beim Wort, so bedeuten Strukturmängel, daß irgend etwas m i t dem Verhältnis von Teilen — i n unserem Falle: der Wirtschaft — zueinander oder zum Ganzen nicht i n Ordnung ist; schön wissenschaftlich ausgedrückt: Es existieren strukturelle Disparitäten. Nun hat man i m wirtschaftlichen Bereich reichlich viele Möglichkeiten, Strukturmerkmale zu definieren. I m Zusammenhang m i t Konjunkturverschärfungen könnte man sie ζ. B. den Bereichen Einkommensverteilung, gesamtwirtschaftliche Nachfrage oder Außenhandel entnehmen. Setzt man sich bei der Interpretation des Begriffs „Strukturmängel" keine Grenzen, so läßt sich die Aussage, Konjunkturverschärfungen seien durch Strukturmängel hervorgerufen, immer begründen. Denn Mängel einer Sache sind immer auch Mängel ihrer Teile. Wenn eine Gedankenverbindung zwischen den Begriffen K o n j u n k t u r und Struktur hergestellt wird, hat man dabei in der Regel die sektorale Unterteilung des Produktionsbereiches i m Auge. Dies liegt nahe, w e i l die Gesamtkonjunktur sich unmittelbar als Summe der sektoralen Einzelkonjunkturen begreifen läßt. Ich w i l l infolgedessen bei der Suche nach konjunkturverschärf enden strukturellen Disparitäten auch i m Bereich der Produktionssektoren ansetzen. Dieses Vorgehen läßt i m * H e r r n Prof. Dr. Hans Willgerodt habe ich f ü r zahlreiche thematische Anregungen zu danken. 1 Gerhard Wilke, S t r u k t u r p o l i t i k als K o n j u n k t u r p o l i t i k ? , Der Bürger i m Staat, 27. Jg. (1977), Heft 1, S. 39. 3*
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Helmut Gschwendtner
übrigen die Möglichkeit offen, bei der Verfolgung der Ursachen aufgefundener struktureller Disparitäten i n andere Wirtschaftsbereiche vorzudringen. Nun zu den Ordnungsmängeln. Ordnung ist bekanntlich etwas, wofür hauptsächlich der Staat zu sorgen hat. I n bezug auf die Wirtschaft lassen sich zwei Teilbereiche der staatlichen Ordnungspolitik unterscheiden: Die allgemeine Ordnungspolitik sorgt — vorwiegend i n Form von zwingenden Rechtsnormen — für die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich das Wirtschaftsleben abspielen kann. M i t Hilfe der speziellen Ordnungspolitik werden Sonderregelungen i n Teilbereichen der Wirtschaft (ζ. B. i n Form von Höchst- oder Mindestpreis Vorschriften) getroffen. I m folgenden wäre also zu untersuchen, ob sich bei dieser ordnenden Tätigkeit konjunktur verschärf ende Mängel eingeschlichen haben. Diese können übrigens auch darin bestehen, daß notwendig erscheinende Eingriffe unterlassen wurden. Ich möchte i n diesem Zusammenhang erwähnen, daß ich über den m i r i m Titel vorgegebenen, stark wertbehafteten Ausdruck „Mängel" nicht sehr glücklich bin. Ordnungspolitische Eingriffe erfolgen i n der Regel nicht aus konjunkturpolitischen, sondern aus anderen — z.B. aus sozialpolitischen — Gründen. Wenn ich hier einen bestimmten Eingriff — w e i l konjunkturverschärfend — als „Mangel" qualifizieren soll, bleibt außer acht, daß dieser Eingriff i m Lichte anderer Zielvorstellungen vorteilhaft erscheinen mag. Da ich — schon aus Zeitgründen — keine Zielabwägungen vornehmen w i l l , muß ich meine Zuhörer bitten, sich i m folgenden dieser Bewertungsprobleme bewußt zu bleiben. Auch i m Zusammenhang m i t strukturellen Disparitäten ist der Ausdruck „Mängel" nicht ganz zutreffend, w e i l auch hier unterschiedliche Zielvorstellungen aufeinanderprallen können. N u r andeutungsweise: So kann ζ. B. die starke Exportabhängigkeit der deutschen Industrie unter bestimmten Bedingungen konjunktur verschär fend wirken. I m Hinblick auf das Ziel einer längerfristigen Wachstumssteigerung mag sie sich dagegen als vorteilhaft erweisen. Gegen die Verwendung des Ausdrucks „Mängel" i m Zusammenhang mit Strukturproblemen spricht auch, daß man dadurch angeregt wird, eine „Schuldfrage" zu stellen. Diese ist i n vielen Fällen — bei sogenannten exogen bedingten Strukturproblemen — nicht sinnvoll. Aus all den genannten Gründen w i l l ich i m folgenden statt „Mängel" den neutraleren Ausdruck „Tatbestände" verwenden. Bei dem Problem der Aufdeckung von konjunkturverschärfenden Struktur- und Ordnungstatbeständen, vor dem ich nun stehe, sehe ich zwei prinzipielle Schwierigkeiten: Erstens den Nachweis von UrsacheWirkungs-Beziehungen zwischen Struktur- und Ordnungstatbeständen
Konjunkturverschärfungen durch Struktur- und Ordnungsmängel?
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einerseits und K o n j u n k tur Verschärfungen andererseits; und zweitens die Gewichtung dieser Einflüsse innerhalb eines Bündels anderer Einflußgrößen. Beide Probleme lassen sich — besonders bei Betrachtung von Ordnungstatbeständen — kaum exakt behandeln. M a n ist weitgehend auf Plausibilitätsbetrachtungen angewiesen. Bei der Vorbereitung dieses Referates mußte ich einige Male feststellen, daß auf den ersten Blick plausibel erscheinde Zusammenhänge bei näherem H i n sehen sich als nicht haltbar erwiesen. Da die Darlegung der jeweiligen Zusammenhänge relativ viel Raum erfordert, sehe ich mich gezwungen, die Erörterungen auf wenige Unterthemen zu beschränken. Bei der Auswahl habe ich mich zum Teil von gängigen Thesen leiten lassen, die m i r einer Überprüfung wert erschienen. So greife ich i m nächsten Abschnitt die These auf, die generelle ordnungspolitische Verunsicherung der Unternehmer habe die gegenwärtige K o n j u n k t u r misere m i t verursacht. I n den beiden folgenden Abschnitten geht es u m die Erklärung der hohen Inflationsrate aus Ordnungstatbeständen; ich spreche über Wettbewerbspolitik und staatlich administrierte Preise. I m weiteren Verlauf kommen dann strukturelle Tatbestände ins Spiel. Es ist zunächst einiges zum generellen Zusammenhang zwischen sektoralen Strukturänderungen und Konjunkturverschärfungen zu sagen. Abschließend möchte ich anhand zweier, den Agrar- und Wohnungsmarkt betreffender „Fallstudien" überprüfen, ob durch spezielle ordnungspolitische Eingriffe i n diesen Sektoren Konjunkturverschärfungen erzeugt wurden.
Ordnungspolitische Verunsicherung der Unternehmer? Die These, m i t der ich mich i m ersten Abschnitt beschäftigen w i l l , lautet: Die ständige ordnungspolitische Verunsicherung der Unternehmer habe zur gegenwärtigen Konjunkturmisere beigetragen. Versucht man, Tatbestände zu benennen, die eine Verunsicherung der Unternehmer bewirkt haben könnten, stößt man etwa auf folgendes: — Die Mitbestimmungsdiskussion und die Ausdehnung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Großunternehmen; letztere schränkt die Dispositionsfreiheit der Unternehmer (hier verstanden als Interessenverwalter des Kapitals) ein; — Pläne zur verstärkten Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, aus denen Befürchtungen über eine „Enteignung" der Unternehmer abgeleitet werden könnten (um diese Pläne ist es mittlerweile wieder still geworden);
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— Einführung eines „Planungswertausgleichs" für „spekulative" Bodenwertsteigerungen, die ebenfalls die Enteignungsthese nähren; — die Diskussion über Investitionslenkung, die den Verdacht auf bevorstehende „Sozialisierung" der Produktionsmittel aufkommen läßt. Es handelt sich hier vorwiegend u m psychologische Momente, welche die Zukunftserwartungen der Unternehmer negativ beeinflussen könnten. Da Erwartungen bei der Konjunkturerklärung seit jeher eine bedeutsame Rolle spielen, ist eine Mitschuld der genannten Tatbestände an der gegenwärtigen Konjunkturmisere nicht auszuschließen. I h r Einfluß müßte sich vor allem i n Zurückhaltung bei den Investitionen der Unternehmer niederschlagen. Betrachtet man den Verlauf der Zeitreihe der privaten realen A n lageinvestitionen, so läßt sich i n der zweiten Hälfte des Jahres 1973 ein starker Einbruch feststellen, der i m Jahre 1975 seinen Tiefpunkt erreicht und aus dem sich erst i m Jahre 1976 eine Erholung anbahnt. Die Frage ist nun, ob hier ein „normaler" konjunktureller Vorgang vorliegt, der sich allein aus dem üblichen Interaktionsschema der Konjunktur» und Investitionstheorie erklären läßt. Oder liegt hier etwas Neuartiges vor — ein Strukturbruch i m Investitionsverhalten — für den man u. a. auch die angebliche oder tatsächliche ordnungspolitische Verunsicherung der Unternehmer verantwortlich machen könnte? Es reizt natürlich sehr, dieser Frage durch einen empirischen Test nachzugehen, auch wenn ich schon den Hammer der Methodenkritik auf mich niedersausen sehe. U m die Frage nach einem Strukturbruch i m Investitionsverhalten zu überprüfen, kann man sich u. a. der Techn i k des Einbaues einer sogenannten Dummy-Variable i n eine ökonometrisch geschätzte Investitionsfunktion bedienen. Die Dummy-Variable ist eine Zeitreihe, welche von der Stelle an, an der ein Strukturbruch vermutet w i r d (in unserem Falle: die zweite Hälfte des Jahres 1973), den Wert 1 erhält und davor durchgehend den Wert 0. Ein Strukturbruch gilt als erwiesen, wenn diese Dummy-Variable statistisch signifikant ist. U m den Test durchzuführen, benötigt man eine Investitionsfunktion, m i t deren Hilfe das „normale" Investitionsverhalten erklärt wird. Man hat hier zunächst das Problem, unter mehreren, i n Frage kommenden Ansätzen auswählen zu müssen, die natürlich alle theoretisch plausibel und ökonometrisch hinreichend gesichert sein müssen. Die Auswahl ist für die vorliegende Problemstellung insofern bedeutsam, als die Dummy-Variable i n manchen Ansätzen gesichert sein mag, i n anderen nicht, so daß man beim Test aller i n Frage kommender Investitions-
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funktionell kein einheitliches Urteil über die Strukturbruchhypothese abgeben kann. U m das Auswahlproblem zu reduzieren, habe ich Schätzansätze verwendet, i n denen statt der absoluten Höhe der Investitionen deren Wachstumsrate erklärt werden soll. Solche Ansätze w i r k e n wegen weitgehender Ausschaltung des allgemeinen Wachstumstrends erfahrungsgemäß als schärferer Auslesefilter für Testhypothesen. Von den getesteten Ansätzen blieb über dieses Verfahren der folgende übrig, der nach ökonometrischen Qualitätskriterien die anderen weit übertraf: Die Veränderungsrate der Bruttoanlageinvestitionen der Unternehmen w i r d erklärt durch die Veränderungsrate der Unternehmereinkommen und die Profitrate der Unternehmen. Die Schätzungen wurden m i t Halbjahresdaten aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durchgeführt; der Schätzzeitraum umfaßt die Jahre 1962—1976. Ich w i l l es kurz machen: Der Einfluß der Dummy-Variable auf die Erklärung des Investitionsverhaltens ist nach üblichen Kriterien i n diesem Ansatz statistisch nicht signifikant 2 . Die Vermutung eines eventuell durch ordnungspolitische Verunsicherung bedingten Strukturbruchs i m Investitionsverhalten der Unternehmer hat sich i m Rahmen des vorgenommenen Tests empirisch nicht bestätigt. Der ökonometriker würde die Strukturbruchhypothese verwerfen, w e i l sie i n seinen Augen nichts Wesentliches zur Erklärung des Investitionsverhaltens beiträgt. Sie ist damit natürlich nicht widerlegt; aber es gibt keinen Grund, sie nachhaltig zu vertreten. Wenn man Gründe für den beobachteten Rückgang der Unternehmerinvestitionen suchen w i l l , findet man sie über die beiden anderen erklärenden Variablen: i m Rückgang der Unternehmereinkommen und der Profitrate. Diese Zusammenhänge zu behandeln, ist jedoch nicht mein Thema 8 . 2
Der f ü r den Test benutzte Schätzansatz lautet:
V(Iu) = — 0,79 + 0,46 V(Yu) + 10,41 (r + r _ ! ) / 2 + 0,11 ά ± + 0,02 d 2 (t-Werte) (5,26) (4,98) (5,08) (4,28) (1,26) Schätzzeitraum: 1962i — 1976n; R 2 = 0,935; D W = 2,08 V Iu Υα r dj d2
= — = =
Veränderungsrate Bruttoanlageinvestition der Unternehmen (in lfd. Preisen) Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit u n d Vermögen Profitrate (Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit u n d Vermögen: Nettoanlagevermögen der Unternehmen) = Saisondummy m i t Wert 0 i m 1. Halbjahr, Wert 1 i m zweiten H a l b jahr = D u m m y - V a r i a b l e f ü r Strukturbruch i m Investitionsverhalten
Der Einfluß einer Variable i m Erklärungsansatz k a n n nach einem üblichen ökonometrischen K r i t e r i u m dann als gesichert gelten, w e n n i h r Koeffizient m i t einer Wahrscheinlichkeit v o n mindestens 95 % statistisch gegen 0 gesichert ist. Dies ist i m vorliegenden Falle identisch m i t der Bedingung, daß der betreffende t - W e r t > 2,06 ist. Da diese Bedingung f ü r die D u m m y - V a riable d 2 nicht erfüllt ist, muß die Strukturbruchhypothese als ungesichert angesehen werden.
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Ich wende mich nun der Konjunkturverschärfung i n Gestalt erhöhter Inflationsraten zu. Mein nächstes Thema lautet: Mehr Wettbewerbspolitik zur Inflationsbekämpfung? Nach verbreiteter Auffassung begünstigen monopolistische oder oligopolitische Marktstrukturen (letztere i n Verbindung mit Preisführerschaft oder abgestimmtem Preisverhalten der Anbieter) die Bildung von sogenannten administrierten Preisen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß sie auf einen Rückgang der Nachfrage nicht normal — d. h. ebenfalls m i t einem Rückgang — reagieren. Für die Stabilisierungspolitik ergibt sich daraus folgendes Dilemma: Wenn die Inflationsrate durch Nachfragedämpfung gedrosselt werden soll, nehmen die eine Politik administrierter Preise betreibenden Unternehmen eher einen Rückgang von Absatz und Beschäftigung i n Kauf, als daß sie die Preise senken. Die dadurch wachsende Unterbeschäftigung der Arbeitskräfte erzwingt eine alsbaldige Umstellung der Stabilisierungspolitik auf Expansionskurs. Die daraus folgende Nachfrageausweitung sanktioniert das gezeigte Preisverhalten. U m die Wirksamkeit der Anti-Inflationspolitik zu verbessern, erscheint es nach dieser Argumentationskette der Inflationstheorie zwingend notwendig, dem Übel der administrierten Preise durch verstärkte Wettbewerbspolitik zu begegnen — sei es durch Verhinderung weiterer Unternehmenskonzentration oder durch verstärkte Mißbrauchsaufsicht auf Märkten m i t bereits vorhandener Konzentration. Ich w i l l mich i m folgenden m i t dieser Forderung auseinandersetzen. Ich lasse dabei außer acht, ob administrierte Preise — wie behauptet — bestimmten Marktformen zuzuordnen sind, oder ob sie eine allgemeine Erscheinung auch auf polypolistischen Märkten sind, so daß sie durch konzentrationshemmende Wetbewerbspolitik ohnehin nicht beseitigt werden können. Wichtiger erscheint m i r die Überprüfung der Grundthese, daß die Existenz administrierter Preise für Mißerfolge bei der Inflationsbekämpfung verantwortlich sei. Ich w i l l hierzu einen Vergleich von administrierten Preisen m i t konjunkturell flexiblen Preisen hinsichtlich ihrer Inflationswirkung durchführen. 3 Verschiedene ordnungspolitische Eingriffe verursachen Kostenerhöhungen bei den Unternehmen; vgl. dazu: Lothar Rail u n d Susanne Wied-Nebbeling, Die Belastungen der gewerblichen Wirtschaft durch Gesetzgebung und Verwaltungsmaßnahmen seit 1968. Gutachten i m A u f t r a g des Ministeriums f ü r Wirtschaft, Mittelstand u n d Verkehr Baden-Württemberg, Forschungsberichte aus dem I n s t i t u t f ü r Angewandte Wirtschaftsforschung, Serie A , Nr. 10, Tübingen 1975. Soweit diese zusätzlichen Kosten nicht überwälzbar sind, werden dadurch Unternehmereinkommen u n d Profitrate tangiert. Eine Behandlung dieser Zusammenhänge unterblieb i m vorliegenden Referat, w e i l f ü r Verteilungsfragen ein gesondertes Referat vorgesehen war.
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Rein deflatorisch kann man den Preis eines bestimmten Gutes darstellen als Produkt der durchschnittlichen Stückkosten und eines Gewinnaufschlagfaktors, der sich zusammensetzt aus 1 + Gewinnaufschlag. U m den folgenden Vergleich zu erleichtern, gehe ich von vorgegebenen Stückkosten aus, die hauptsächlich durch die Lohnpolitik, die Kapitalkosten und — natürlich — durch die erzeugte Produktmenge bestimmt werden. Durch formale Ableitung erhält man folgenden Zusammenhang: Die Veränderungsrate des Produktpreises ist gleich der Veränderungsrate des Gewinnaufschlagfaktors plus der Veränderungsrate der Stückkosten 4 , wobei letztere als gegeben anzusehen ist. Eine genaue, einheitliche Definition des Begriffs „administrierte Preise" fehlt. Ich w i l l i m folgenden von administrierten Preisen dann sprechen, wenn der Gewinnaufschlag konstant bleibt, er also unabhängig ist von der Veränderung der Nachfrage und damit auch der Gesamtkonjunktur. Man kann diese Kalkulationsmethode auch als starres Vollkostenprinzip bezeichnen. Die Wachstumsrate des Produktpreises ist bei Anwendung des starren Vollkostenprinzips gleich der Wachstumsrate der Stückkosten. Dies gilt übrigens unabhängig davon, ob nun ein Fall vollständiger Konkurrenz oder etwa ein Monopolfall (mit eventuell höherem Gewinnaufschlagfaktor) vorliegt. Eine Übertragung des starren Vollkostenprinzips auf gesamtwirtschaftliche Ebene impliziert, daß die Inflationsrate gleich der Veränderungsrate der gesamtwirtschaftlichen Stückkosten ist. Letztere ist auch i m Falle einer Rezession infolge weiterhin steigender Nominallöhne und ansteigender Fixkostenbelastung noch positiv, so daß eine positive Inflationsrate verbleibt. Stellen w i r den administrierten Preisen nun konjunkturell flexible Preise gegenüber. Statt des starren Vollkostenprinzips w i r d hier eine flexible Aufschlagskalkulation angewendet i n der Art, daß der Gewinnaufschlag — und damit auch der Gewinnaufschlagfaktor — sich bei einem Rückgang der Nachfrage vermindern. Da die Wachstumsrate des Gewinnaufschlagsfaktors also bei rezessiver Entwicklung negativ wird, bleibt die Inflationsrate hinter der Wachstumsrate der gesamtwirtschaftlichen Stückkosten zurück — eine für die Antiinflationspolitik zunächst begrüßenswerte Entwicklung. Ein verminderter Gewinnaufschlag läßt sich jedoch auf Dauer nicht durchhalten, wenn eine ausreichende Rentabilität erhalten werden soll, die den Bestand der Unter4 Unter Einführung der Bezeichnungen ρ = Produktpreis, d = durchschnittliche Stückkosten, g = Gewinnaufschlag, γ = Gewinnaufschlagsfaktor gilt: p = (l + g ) d = Y d Daraus folgt näherungsweise für die Wachstumsraten (w) : Wp = Wy + Wd
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nehmen garantiert. Dies bedeutet, daß bei erster Gelegenheit — das heißt: i m Konjunkturaufschwung — der Gewinnaufschlag stark erhöht werden muß, u m die i m Abschwung entgangenen Gewinne zu kompensieren. Der Gewinnaufschlag schwankt dann i m Konjunkturrhythmus u m einen Mittelwert, der die Rentabilität längerfristig garantiert. Die Preise steigen i m Konjunkturabschwung langsamer, i m Aufschwung dafür u m so schneller. Da sich negative und positive Wachstumsraten des Gewinnaufschlagfaktors längerfristig kompensieren, wächst das Preisniveau auf längere Sicht auch hier m i t der Wachstumsrate der Stückkosten. Konjunkturell flexible Preise lassen hiernach gegenüber administrierten Preisen keine Verminderung der durchschnittlichen Inflationsrate erwarten. Die Argumentation muß noch i n einer Hinsicht ergänzt werden. Unterstellt man einmal ungeprüft, daß bei Vorliegen monopolistischer oder oligopolistischer Markformen ein höherer durchschnittlicher Gewinnaufschlag angesetzt w i r d als bei atomistischer Konkurrenz, so würde eine zunehmende Unternehmenskonzentration einhergehen m i t einer positiven Wachstumsrate des durchschnittlichen Gewinnaufschlags während der Konzentrationsphase. Es ist dabei aber der auch i n der Wettbewerbstheorie diskutierte Effekt 5 zu berücksichtigen, daß zunehmende Unternehmenskonzentration vielfach produktionstechnische Rationalisierungsmöglichkeiten eröffnet, die sich i n einer Verringerung der Wachstumsrate der Stückkosten niederschlagen. Hierdurch kann die (unbewiesene) Steigerung des Gewinnaufschlagfaktors mehr als kompensiert werden. Aus den vorgetragenen Argumenten ergibt sich, daß die These, Inflationsbekämpfung würde durch Existenz administrierter Preise erschwert, die Zusammenhänge i n ein falsches Licht rückt. Durch konjunkturell flexible Preise würde die Inflationsbekämpfung auf Dauer nicht erleichtert. Denn Flexibilität der Preise nach unten bedeutet auch Flexibilität nach oben. Man darf sich von verstärkten Anstrengungen der Wettbewerbspolitik zur Herstellung größerer konjunktureller Flexibilität der Preise keinen wesentlichen Beitrag zur Inflationsbekämpfung erwarten®, selbst wenn diese erfolgreich verlaufen sollten. Wettbewerbspolitik auf der Anbieterseite mag aus vielen Gründen sinnvoll und notwendig sein. U m Wettbewerbspolitik auch zur Inflationsbekämpfung nutzbar zu machen, sollte man meiner Meinung nach 5 Vgl. u.a.: Erhard Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, Göttingen 1966, S. 54 ff. β Vgl. dazu auch: Erich Streissler u. a., Z u r Relativierung des Zieles der Geldwertstabilität, Schriftenreihe der Kommission f ü r wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Nr. 100, Göttingen 1976, S. 300—302.
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verstärkte Akzente auf der Nachfragerseite setzen. Ich denke hier insbesondere an den Bereich der Verbraucherpolitik. Mein Eindruck ist, daß die Verbraucher die bestehenden Preisdifferenzen nur unzureichend nutzen. Diese mangelnde Preiselastizität b i l det die Voraussetzung dafür, daß Unternehmen m i t unterschiedlich hohen Stückkosten und Gewinnaufschlagfaktoren auf Märkten m i t vergleichbaren Gütern nebeneinander bestehen können. Der Anreiz, die Preise relativ zu denen der Konkurrenz zu senken, ist bei mangelnder Preiselastizität der Nachfrage gering, da eine Erhöhung des Gesamtgewinns über erhöhten Umsatz nicht zu erwarten ist. Ein verstärktes Preisbewußtsein der Verbraucher dagegen würde die m i t erhöhten Preisen operierenden Unternehmen zwingen, ihre Gewinnaufschlagfaktoren zu reduzieren und/oder die Wachstumsrate der Stückkosten durch verstärkte Rationalisierung zu begrenzen, wenn sie längerfristig am M a r k t bestehen wollen. Verstärkte Anpassungszwänge dieser A r t würden tendenziell zu einer längerfristigen Verminderung der Inflationsrate führen. Die Ursachen für unzureichende Preisreagibilität der Verbraucher sind vielfältiger — u. a. auch ordnungspolitischer — A r t . Ich w i l l nur ein Beispiel für hier relevante Ordnungstatbestände aufführen. Wenn ein Autofahrer von zwei nebeneinander liegenden Tankstellen diejenige m i t höherem Benzinpreis aufsucht, liegt dies vielleicht an Unsicherheit über die Benzinqualität der billigeren. Bindende Qualitätsvor* Schriften würden ein preisbewußteres Verhalten begünstigen. I n gleicher Richtung w i r k t eine bessere Aufklärung der Verbraucher (ζ. B. über die Tatsache, daß i n manchen Regionen das gesamte Benzin aus einer einzigen Raffinerie fließt); man könnte hier auf ordnungspolitischem Gebiet etwa an eine Aufhebung des Verbots vergleichender Werbung denken. Auch das Werbeverbot an Autobahnen über nahegelegene preisgünstige Tankmöglichkeiten außerhalb der Autobahnen steht zur Disposition. Dies sind nur Beispiele dafür, daß auf vielen Gebieten wettbewerbshemmende Detailregelungen beseitigt werden könnten, die i n ihrer Summe w o h l zu Buche schlagen. Als gewichtigste Maßnahme wäre eine Erweiterung der geltenden Ladenschlußordnung ins Auge zu fassen, die den berufstätigen Verbrauchern mehr Zeit für Preisvergleiche und preisgünstigen Einkauf lassen würde. Bevor ich das Thema Inflationsbekämpfung durch ordnungspolitische Maßnahmen abschließe, möchte ich noch — wie angekündigt — auf die staatlich administrierten Preise eingehen.
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Staatlich administrierte Preise als Inflationsquelle? Uber dieses Thema liegen zwei neuere Untersuchungen vor 7 . Auch der Sachverständigenrat hat sich i n seinem jüngsten Gutachten damit befaßt 8 . Ich stütze mich i m folgenden auf die für meine Zwecke aussagekräftigste Studie von H. Baum. Anstelle einer Definition w i l l ich eine Aufzählung von Preisen wiedergeben, die ganz oder teilweise durch den Staat festgelegt — also administriert — werden. Dies sind 9 : — Preise für Leistungen, die dem Endverbraucher v o m Staat direkt dargeboten werden, z.B. Tarife öffentlicher Verkehrsmittel; — Preise, die staatlicher Genehmigung unterliegen, ζ. B. Mieten f ü r Sozialwohnungen, Kfz-Haftpflichtversicherungsprämien, Prämien f ü r private Krankenversicherungen ; — durch spezielle Verbrauchssteuern quasi-administrierte Preise, ζ. B. für Benzin; — Preise von Nahrungsmitteln, die über die Agrarmarktordnung direkt reguliert werden oder i n die preisregulierte Agrarmarktprodukte durch Weiterverarbeitung eingehen.
Nach der genannten Untersuchung liegt der A n t e i l der i n voller Höhe vom Staat administrierten Preise am Warenkorb des Preisindex der Lebenshaltung bei 5 °/o, der A n t e i l der teil-administrierten Preise bei 24 °/o — ein auf den ersten Blick nicht unbeträchtlich anmutendes Stabilisierungspotential 10 . Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß die staatlich administrierten Preise i m Untersuchungszeitraum 1969 bis 1974 nur einen leicht überproportionalen Beitrag zur durchschnittlichen Preissteigerungsrate geleistet haben 11 . Dazu ist anzumerken, daß i n diesem Ergebnis erhebliche Mehrbelastungen durch erhöhte spezielle Verbrauchssteuern enthalten sind, die — als geplante Erhöhung des Aufkommens an indirekten Steuern — eigentlich nicht den administrierten Preisen angelastet werden sollten. Der Beitrag, den die staatlich administrierten Preise zur Inflation geleistet haben, dürfte i n der öffentlichen Diskussion also meist überbewertet werden. Fragt man nach dem Beitrag, den staatlich administrierte Preise zur Inflationsbekämpfung hätten leisten können (also nach deren Stabilisierungspotential), so wäre es meines Erachtens unsinnig, ein Ein7 Helmut Bott, Der A n t e i l staatlich administrierter Preise am Preisindex der Lebenshaltung, Schriftenreihe der Kommission f ü r wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Nr. 75, Göttingen 1976. Herbert Baum, Das Stabilisierungspotential staatlich administrierter Preise, Jahrbücher f ü r Nationalökonomie und Statistik Bd. 190 (1976), S. 352 ff. 8 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1976/77, Ziff. 144 f. 9 Nach H. Baum, a.a.O., S. 352 f. 10 A.a.O., S. 358. " A.a.O., S. 367 f.
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frieren der staatlich fixierten Preise zu fordern. Bei steigenden Kosten müßten i n erhöhtem Maße Subventionen geleistet werden, die das Steueraufkommen belasten. Wenn die staatlich administrierten Preise — was i m Prinzip sinnvoll erscheint — sich an der Entwicklung der entsprechenden Kosten orientiert hätten, wäre nach der vorher zitierten Untersuchung eine kaum nenenswerte Senkung der Inflationsrate u m 0,1 °/o möglich gewesen 12 . Auch wenn gegen die angewandten Berechnungsmethoden i m Detail Einwände möglich sind, kann über staatlich administrierte Preise angesichts dieser Größenordnung kaum ein Stabilisierungserfolg erwartet werden. Zu prüfen wäre allerdings, ob alle Möglichkeiten der Rationalisierung und damit einer Dämpfung des Kostenauftriebes bei staatlichen Leistungen genutzt werden. Damit möchte ich die Inflationsdiskussion vorerst abschließen. I m nächsten Abschnitt befasse ich mich wieder m i t dem anderen, i n der Einführung als Konjunkturverschärfung charakterisierten Tatbestand: der verstärkten Rezessionsneigung der Wirtschaft. Die Frage ist, ob diese A r t der Konjunkturverschärfung eine Folge struktureller Disparitäten ist. Wie angekündigt, soll als Einstieg die sektorale Produktionsstruktur gewählt werden. Verschärfte Konjunkturkrisen als Folge sektoraler Disparitäten? Als Indikator für die Konjunkturlage kann u.a. die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes gewählt werden. Da das Bruttoinlandsprodukt i n die Beiträge der einzelnen Wirtschaftsbereiche zerlegt werden kann, gilt folgendes: Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes ist gleich der Summe der gewichteten Wachstumsraten der Einzelbeiträge. Als Gewichte fungieren hier die Anteile der Einzelbeiträge am Gesamtprodukt der Vorperiode 13 . Dieser Formalismus verdeutlicht die fast triviale Aussage, daß die Gesamtkonjunktur nichts anderes ist als eine Summe sektoraler Einzelkonjunkturen, die an den Wachstumsraten der Einzelbeiträge abgelesen werden können. Von einer Konjunkturkrise kann gesprochen werden, wenn die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes über eine oder mehrere Pe12
A.a.O., S. 371. Bezeichnet m a n das Bruttoinlandsprodukt m i t Y, die Beiträge der Sektoren m i t Y j , . . . , Y n , so g i l t : Y = Yt + ... + Y n Durch Bildung von Wachstumsraten ( w Y ) erhält man: w Y = gi w Y ! + . . . + g n w Y n 13
gi = Y i . - i / Y - i Vgl. dazu: Adolf Wagner, Die Wachstumszyklen i n der Deutschland, Tübingen 1972, S. 51.
Bundesrepublik
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rioden hinweg unterhalb eines für erforderlich gehaltenen Minimums liegt, das z.B. durch das Ziel einer ausreichenden Beschäftigung der Arbeitskräfte vorgegeben werden kann. Nach der Summenformel kann eine Konjunkturkrise also auf zu geringes Wachstum der Einzelsektoren zurückgeführt werden. N u n sind die Wachstumsraten der Einzelsektoren aber über die Input-Output-Beziehungen des Produktionssystems miteinander verknüpft und hängen über die Endnachfrage von der Gesamtkonjunktur ab, so daß die sektoralen Wachstumsraten immer eine konjunkturelle Komponente enthalten. Die Frage ist, ob sich innerhalb einzelner Sektoren Ursachen ausmachen lassen, welche die sektoralen Wachstumsraten i n einem besonderen Maße vermindert haben, das nicht mehr aus der allgemeinen konjunkturellen Interdependenz erklärt werden kann. Man kann i n solchen Fällen von Strukturkrisen sprechen. So definierte Strukturkrisen entfalten also einen eigenen negativen Impuls, der über die Summenformel auf die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes w i r k t . Sie können daher als M i t ursache für Konjunkturkrisen angesehen werden. Ich möchte i m folgenden drei verschiedene Gruppen von Ursachen unterscheiden, die über Strukturkrisen eine allgemeine Konjunkturkrise auslösen können: 1. Uberraschende Ereignisse im politisch-ökonomischen Bereich Als markantes Beispiel hierfür ist der durch die OPEC-Staaten 1973/1974 verhängte teilweise Lieferstopp für Rohöl noch i n frischer Erinnerung. Er w i r k t e sich i m Bereich der Mineralöl V e r a r b e i t u n g und — noch gewichtiger — i n der Automobilindustrie aus. Die allgemeinen konjunkturellen Folgen sind bekannt. 2. Eingriffe der staatlichen Wirtschaftspolitik Ich möchte mich hier auf ein Beispiel aus dem Bereich der Ordnungspolitik beschränken: Dem Ubergang von festen zu flexiblen Wechselkursen der D - M a r k gegenüber dem Dollar. Der jahrzehntelange durch verspätete Anpassung niedrig gehaltene Wechselkurs förderte den Aufbau exportlastiger Industriezweige, die nach der Wechselkursumstellung teilweise erhebliche Exportschwierigkeiten hatten. Andere Industrien sahen sich nach der Umstellung einem verschärften Wettbewerbsdruck durch Importe ausgesetzt. Dieser kann ζ. B. i n der Textilindustrie als eine der Ursachen der dortigen Strukturkrise angesehen werden. Ich werde i m Schlußabschnitt meines Vortrags noch andere ordnungspolitische Eingriffe i n die sektorale Produktionsstruktur behandeln.
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3. Ökonomisch-technologisch bedingte Strukturwandlungen Diese A r t von sektoralen Umstrukturierungsprozessen werden ausgelöst durch Veränderungen der Nachfragestruktur, der Technologie, der Rohstoffversorgung, der Konkurrenzsituation i m Ausland u. ä. Die Umstrukturierungsprozesse gehen hier relativ kontinuierlich und auf längere Sicht vor sich. U m aus dieser A r t längerfristiger Strukturwandlungen auf Konjunkturverschärfungen zu schließen, muß ich etwas ausholen. Längerfristig ablaufende Strukturwandlungen sind — darüber besteht Einigkeit — etwas völlig Normales und auch Notwendiges i m wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß. Sie äußern sich i n unterschiedlichem Wachstum der Produktionssektoren, das längerfristig zu einer Verschiebung der Produktionsanteile führt. Nach dem längerfristigen Verhältnis von sektoraler zur gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate kann man Wirtschaftszweige m i t über- und unterproportionalem Wachstum unterscheiden. Das beschleunigte Wachstum der einen gleicht über den gewogenen Durchschnitt der Wachstumsraten die Wachstumsverzögerungen der anderen aus. Nun hat man als Folge der genannten ökonomisch-technologischen Ursachen immer eine Reihe von Produktionszweigen, die zu geringem Wachstum, Stagnation oder Rückgang der Produktion neigen. Dies ist für die Konjunkturentwicklung nicht weiter schlimm, so lange eine genügend große Anzahl anderer Produktionsbereiche zu einem verstärkten Expansionstempo neigt. Wenn jedoch die Anreize für eine verstärkte längerfrisige Expansion einzelner Produktionszweige nachlassen, w i r d der gewogene Durchschnitt der sektoralen Wachstumsraten niedriger liegen, womit eine Konjunkturverschärfung erklärt wäre. Um ein solches Nachlassen der sektoralen Antriebskräfte theoretisch zu erklären, könnte man auf säkulare Entwicklungstheorien oder auf Konjunkturtheorien zurückgreifen, welche längerfristige Schwankungen i m Innovationsbereich behaupten. Ein empirischer Nachweis, daß die beobachtete aktuelle Konjunkturverschärfung durch ein Nachlassen der sektoralen Antriebskräfte m i t verursacht ist, dürfte jedoch schwer zu erbringen sein. Man kann den Umstruktierungsprozeß zwischen über- und unterproportional wachsenden Wirtschaftszweigen auch noch unter einem anderen Aspekt sehen. Es kann sein, daß der Umstrukturierungsprozeß i n folge von Reibungsverlusten langsamer abläuft, als dies sein müßte. Auch hierdurch w i r d — durch Hemmung expansionsfreudiger Industriezweige — das durchschnittliche Wachstum und damit die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung behindert.
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Ein solches Hemmnis zeigt sich ζ. B. i n der Beobachtung, daß selbst bei den gegenwärtigen hohen Arbeitslosenquoten i n manchen Produktionsbereichen Schwierigkeiten bestehen, freie Arbeitsplätze zu besetzen. Es herrscht insbesondere ein Mangel an bestimmten Facharbeitern. Die Ursachen für diese strukturelle Disparität auf dem Arbeitsmarkt sind verschieden: Mangelnde regionale und sektorale Mobilität der Arbeitnehmer, Mängel i m Bildungs- und Ausbildungssystem oder — i n manchen Fällen — auch mangelnde Arbeitswilligkeit. U m den Gründen hierfür nachzugehen, müßte eine Fülle von Details — vor allem auch auf ordnungspolitischem Gebiet — erörtert werden — eine A u f gabe, die aus Zeitmangel unterbleiben muß 1 4 . Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß mangelnde Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt auch von Arbeitgebern gezeigt wird. Viele Arbeitgeber zögern, kapazitätsmäßig notwendige Neueinstellungen vorzunehmen, weil sie bei eventuell später erforderlicher Entlassung mit Kosten und Unannehmlichkeiten durch Einsprüche des Betriebsrates oder durch Auseinandersetzungen vor Arbeitsgerichten rechnen 15 . Hier w i r k t ein ordnungspolitischer Tatbestand — das Kündigungsschutzgesetz — zwiespältig auf die Konjunktur: Einerseits werden durch verstärkten Kündigungsschutz möglicherweise Entlassungen verhindert, andererseits unterbleiben fällige Neueinstellungen. Ich w i l l den Abschnitt über Konjunktur Verschärfungen durch allgemeine strukturelle Disparitäten damit abschließen. I m folgenden geht es u m strukturelle Disparitäten i n zwei ausgewählten Wirtschaftsbereichen, dem Agrar- und dem Wohnungsmarkt. Beide Bereiche zeichnen sich durch ein besonderes Ausmaß an spezieller ordnungspolitischer A k t i v i t ä t des Staates aus. Die Frage ist, ob diese ordnungspolitischen Aktivitäten Ungleichgewichte i n diesen Bereichen hervorgerufen ha-
14 Ich w i l l zur Illustration n u r ein Beispiel aufführen: Die regionale M o b i l i t ä t der Arbeitnehmer w i r d u. a. durch das bestehende Förderungssystem i m Sozialen Wohnungsbau behindert. Einem Arbeitnehmer w i r d ein Ortswechsel schwer fallen, w e n n er eine billige Sozialwohnung aufgeben muß, am neuen Arbeitsort aber eine solche nicht mehr beziehen kann, w e i l er der entsprechenden Einkommensgrenze entwachsen ist. 15 E i n Beispiel f ü r eine solche H a l t u n g findet sich i n einer Leserzuschrift, abgedruckt i n der Süddeutschen Zeitung v o m 2S./24. 4. 1977, S. 115: „Jeder Personalverantwortliche i n K l e i n - u n d Mittelbetrieben hat heute Angst, neue Mitarbeiter einzustellen, obwohl es die Auftragslage erfordern würde, w e i l die Komplikationen bei einer fälligen Entlassung i n jedem F a l l zeitraubend u n d kostenträchtig sind. Weder bei Untauglichkeit des Eingestellten noch bei eventuellem Auftragsrückgang hat der Personalverantwortliche große Chancen, ohne Einspruch des Betriebsrates oder ohne arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung auszukommen. Es sollte darum weder die Gewerkschaften noch den Arbeitsminister noch den Bundeskanzler wundern, wenn Unternehmer versuchen, kapazitätsmäßige Spitzen durch Uberstunden oder durch Vergabe von Aufträgen an Billigländer zu nivellieren."
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ben, die konjunkturverschärfend wirken. Die Uberschrift des folgenden letzten Abschnittes lautet demgemäß: Konjunkturverschärfung durch sektorale Ordnungspolitik? Der agrarmarktpolitische Tatbestand braucht in diesem Kreise nicht ausführlich erörtert zu werden. I m Zusammenhang m i t meinem Thema ist besonders die Festsetzung von Mindestpreisen für bestimmte Agrarmarktprodukte interessant. Diese rief MarktungleichgewLchte i n Gestalt von Überproduktion an Agrarprodukten hervor. Die ursprünglich als Anpassungshilfen gedachten Eingriffe i n den Marktmechanismus haben den Charakter von Einkommensgarantien angenommen, welche eine Abwanderung von Produktionsfaktoren i n andere Bereiche hemmten, i n denen ein produktiverer Einsatz möglich gewesen wäre. Es ist also zu fragen, ob sich aus einer derartigen Agrarmarktpolitik Konjunkturverschärfungen ergeben haben könnten. A u f den ersten Blick scheint dies nicht der Fall: Die Agrarproduktion ist gegenüber der industriellen Produktion weit weniger anfällig gegen allgemeine Konjunkturschwankungen. Der Agrarprotektionismus hat den A n t e i l dieses Bereiches an der gesamtwirtschaftlichen Produktion gestärkt. Dies würde zunächst darauf hindeuten, daß damit tendenziell die A m plituden der allgemeinen Konjunkturschwankungen verkleinert w u r den. Andererseits dürften durch den Agrarprotektionismus nicht unbeträchtliche Einbußen an gesamtwirtschaftlichen Produktionsgewinnen entstanden sein. Dies deutet auf eine Erhöhung der Inflationsrate hin 1 6 . I n dieser Hinsicht ist durch den Agrarprotektionismus wahrscheinlich eine Konjunkturverschärfung eingetreten. Man kann die Wirkungskette noch weiter verfolgen: Der durch erhöhte Inflation ausgelöste vermehrte Stabilisierungszwang führt zu Unterbeschäftigung i n anderen Sektoren, so daß der Agrarprotektionismus sich letztlich als konjunkturell destabilisierend darstellt. Wenn man diese leicht zu verallgemeinernden Schlußfolgerungen überdenkt, erscheint es angebracht, auch einen vergleichenden Blick auf Nachbarländer wie England oder Italien zu werfen, i n denen der Hang zur Protektion von Wirtschaftszweigen noch stärker ausgeprägt ist als i n der Bundesrepublik. Möglicherweise kann man i m Protek16 Die durch den Agrarprotektionismus entstandenen Produktivitätsverluste implizieren auch gesamtwirtschaftliche Wachstumsverluste. Diese Wachstumsverluste lassen ebenfalls den Schluß auf eine Erhöhung der I n flationsrate zu. Vgl. dazu Helmut Gschwendtner, Wirkungen v o n K o n j u n k t u r u n d Wachstum auf die Inflation i n der Bundesrepublik Deutschland 1953 bis 1974, Jahrbücher f ü r Nationalökonomie u n d Statistik (im Druck).
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tionismus eine Quelle konjunktureller Instabilität ausmachen, deren Bedeutung noch nicht voll erkannt ist. Ordnungspolitische Eingriffe unter geradezu umgekehrtem Vorzeichen — nämlich zugunsten der Nachfrageseite — sind auf dem Wohnungsmarkt zu beobachten. Die Entwicklung läßt sich kurz folgendermaßen charakterisieren 17 : Anfang der sechziger Jahre war die kriegsbedingte Wohnungszwangswirtschaft weitgehend abgebaut. Eine stufenweise Liberalisierung der preisgebundenen Altbaumieten setzte ein. Ein ordnungspolitischer Umschwung wurde Ende 1971 durch Inkrafttreten neuer Mietgesetze18 dokumentiert. Mietpreiserhöhungen waren nur möglich, wenn der Vermieter vergleichbare Wohnungen m i t einer entsprechend hohen Miete nachweisen konnte. Das Kündigungsrecht der Vermieter wurde eingeschränkt, u m Mieterhöhungen auf dem Wege der Kündigung zu verhindern. Die Regelungen zielten darauf ab, den Mietanstieg zugunsten der Mieter zu begrenzen. Aus unserer Sicht interessieren nun zwei Aspekte des Wohnungsmarktes: Die Entwicklung der Mietpreise i m Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Inflationsrate und die Entwicklung der Bautätigkeit an Wohnungen wegen der konjunkturellen Wirkung i n Bau- und Gesamtwirtschaft. Zunächst zur Mietpreisentwicklung (vgl. dazu Abbildung 1): Z w i schen den Jahren 1962 und 1969 ist die durchschnittliche Wachstumsrate des i m Preisindex der gesamten Lebenshaltung enthaltenen Index für Wohnungsmiete m i t 6,6 % etwa zweieinhalb mal so hoch wie die durchschnittliche Wachstumsrate des Gesamtindex. I n den Jahren 1970 und 1971 liegt die Wachstumsrate der Wohnungsmieten noch knapp über der — inzwischen stark angestiegenen — allgemeinen Preissteigerungsrate. I n den folgenden Jahren 1972—1975 bleibt die Mietpreissteigerungsrate erstmals hinter der allgemeinen Preissteigerungsrate zurück, u m 1975 und 1976 wieder leicht darüber zu liegen. Die Ursachen für diese Mietpreisentwicklungen lassen sich nicht eindeutig bestimmen. Bei dem anfänglich starken relativen Mietpreisanstieg hat die Liberalisierung der Altbaumieten mitgewirkt. Eine Sonderrolle kommt den i m Preisindex enthaltenen Mieten i m sozialen 17 Vgl. Dieter Duwendag, Marktwirtschaft und Immobiliensektor — Konsequenzen f ü r die Vermögenspolitik, i n : P. Harbusch u n d D. Wiek (Hrsg.), Marktwirtschaft. Eine Einführung i n das Konzept der freiheitlichen W i r t schaftsordnung, Stuttgart 1975, S. 299. 18 F ü r die folgende Diskussion ist v o n Bedeutung das Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum v o m 25. November 1971 (BGBl. I S. 1 839).
K o n j u n k t u r v e r s c h ä r f u n g e n durch S t r u k t u r - u n d O r d n u n g s m ä n g e l ?
Abbildung 1
Wachstumsraten der Preisindizes für Lebenshaltung und Wohnungsmiete (für alle Haushalte) vH
Erteilte Baugenehmigungen zur Errichtung neuer Wohnungen in Wohnbauten Anzahl in 1000
Quellen: Statistisches Bundesamt,Fachserie M,Preise,Löhne,Wirtschaftsrechnungen Reihe 6, Preise und Preisindizes der Lebenshaltung; Fachserie E, Bauwirtschaft, Bautätigkeit,Wohnungen »Reihe 3, Bautätigkeit.
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Wohnungsbau zu, die kostengebunden sind. Man könnte aus der Entwicklung aber zumindest einen zeitweisen Stabilisierungserfolg des neuen Mietrechts herauslesen, wenn der Preisindex der Lebenshaltung als (allerdings fragwürdige) Bezugsbasis genommen wird. Die relative Stabilität der Mietpreisentwicklung kann jedoch — wie i m folgenden noch deutlich w i r d — auch andere Ursachen haben. Betrachten w i r nun die Bautätigkeit bei Wohnungen. Ich nehme als Indikator hierfür die Baugenehmigung zur Errichtung neuer Wohnbauten. Die Baugenehmigungen bieten — da sie den Baufertigstellungen etwa ein Jahr vorauseilen — ein besseres B i l d der aktuellen Marktlage als letztere. Bis 1969 zeigt die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen einen relativ konstanten Verlauf (vgl. Abbildung 2), der sich i n der Größenordnung u m 500 000 Einheiten bewegt. Von 1970 an ist ein starker Anstieg zu beobachten, der 1972 mit über 700 000 Einheiten seinen Höhepunkt erreicht. I m Jahre 1974 setzt ein abrupter Rückgang ein, der die Genehmigungsspitze fast halbiert und der sich noch i n das Jahr 1975 hinein fortsetzt. Klammert man die vorwiegend für Eigenbedarf gebauten Gebäude mit ein und zwei Wohnungen einmal aus, so w i r d noch deutlicher, daß hier ein Zusammenbruch i m Mietwohnungsbau vorliegt. Wurde hier m i t ordnungspolitischen M i t teln eine Strukturkrise erzeugt? Es erscheint an sich einsichtig, daß niemand Geld i n eine Sache investiert, die sich als unrentabel erweist. Bei steigenden Baukosten und begrenztem Mietanstieg muß ein Punkt kommen, i n dem Wohnungsbauinvestitionen keine ausreichenden Mieterträge mehr erbringen w ü r den, u m eine angemessene Rendite zu ermöglichen. So einleuchtend dieses Argument klingen mag, so muß man doch Zweifel anmelden, ob der geschilderte Eingriff i n das Mietrecht als Ursache des aktuellen Zusammenbruchs i m Mietwohnwagen angesehen werden kann. Die von 1970 an kräftig steigende allgemeine Inflationsrate löste eine Flucht ins sogenannte „Betongold" aus, von der sich die Investoren nicht nur eine Absicherung ihres Vermögens gegen Inflationsverluste, sondern noch Zugewinn durch weiterhin überproportional ansteigende Immobilienpreise versprachen. Steigende Bau- und Kreditkosten trieben aber bald die nach Rentabilitätsgesichtspunkten errechneten Mieten i n eine Höhe, welche für viele potentielle Mieter über der Grenze der Belastbarkeit ihres Einkommens lag. Hinzu kam eine etwa vom Jahre 1973 an erkennbare Sättigung des Wohnungsbedarfes durch die Gesamtzahl der vorhandenen Wohnungen1®. Die Errichtung neuer Woh19 Vgl. Statistisches Bundesamt, Bestand an Wohngebäuden u n d Wohnungen am Jahresende 1975, Wirtschaft u n d Statistik, Jg. 1976, S. 433.
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nungen zum Zwecke der Vermietung war — auch ohne Mietrechtsänderung — längst unrentabel geworden 20 . Welche Faktoren nun letztlich entscheidend für den Zusammenbruch i m Mietwohnungsbau waren, wage ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls gab die einsetzende allgemeine Konjunkturkrise dann noch den Rest. Auch wenn also zweifelhaft bleiben muß, ob der Mietrechtsänderung ein entscheidender A n t e i l am Zusammenbruch des Mietwohnungsbaues zukommt, so läßt sich doch nicht übersehen, daß durch die Mietrechtsänderung ein Strukturproblem auf dem Wohnungsmarkt vorprogrammiert wurde. Daß möglicherweise durch andere Faktoren ein vorzeitiger Zusammenbruch ausgelöst wurde, ändert daran nichts. Ordnungspolitik sollte i n einem marktwirtschaftlichen System eigentlich dazu dienen, die Funktionsfähigkeit der Märkte und der W i r t schaft allgemein zu erhalten und zu verbessern. W i r d sie — wie i n den Beispielen Agrar- und Wohnungsmarkt — dazu mißbraucht, M a r k t kräfte abzuschirmen, lassen sich schwerwiegende Nachteile — auch i n Form der hier allein interessierenden Konjunkturverschärfungen — erwarten. Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen und hoffe, trotz begrenzter Themenauswahl genügend Diskussionsstoff geboten zu haben.
20 E i n Indiz hierfür findet sich i n der Tatsache, daß die Kostenmiete i m öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau seit 1969- erheblich stärker angestiegen ist als die Neubaumieten i m freifinanzierten Wohnungsbau; vgl. dazu Ulrich Hoffmann, Entwicklung der Kostenmiete i m öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau seit 1962, Wirtschaft u n d Statistik, Jg. 1976, S. 292 f.
Zusammenfassung der Diskussion Z u Beginn der Aussprache umriß Willgerodt als Organisator der Tagung die Ziele, die er m i t dem vorgeschlagenen Thema angestrebt hatte. Es ging u m drei Hauptfragen: — Sind die Mißerfolge der Globalsteuerung systembedingt oder beruhen sie auf falscher Bedienung der Hebel; — Kann man das Wirtschaftssystem so ändern, daß es m i t weniger Globalsteuerung und mehr Selbststeuerung auskommt und gegen fehlerhafte Maßnahmen der Konjunkturpolitik resistenter wird? — Wie sind die Vorschläge kritisch zu beurteilen, die darauf hinauslaufen, m i t lediglich symptomatischen partialinterventionistischen Mitteln konjunkturpolitische, d. h. gesamtwirtschaftliche, Erfolge erzielen zu wollen? Die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise müsse dabei einbezogen werden, auch wenn das vielleicht ungewöhnlich sei. Willgerodt betonte noch einmal, daß vorgesehen war, die Verteilungsproblematik, die eine starke ordnungspolitische Dimension habe, in einem gesonderten Referat zu behandeln. (Der vorgesehene Referent, Wolfgang Mückl, hatte kurzfristig absagen müssen.) I n der folgenden Diskussion wurde zunächst die Frage der sinnvollen Spezifikation der Gleichungen bei Gschwendtner erörtert. Gerstenberger wies darauf hin, daß die Richtung des Zusammenhangs zwischen Investitionen und Gewinn keineswegs eindeutig sei, es handele sich um ein ungelöstes Henne-und-Ei-Problem. Letztlich stehe auf beiden Seiten der Gleichung dasselbe, nämlich die Investitionen. Rüstow schien es völlig klar, daß Profite erst durch Investitionen entstehen können, für die allerdings wiederum zunächst Profiterweiterungen notwendig seien. Dagegen betonte Gschwendtner, daß Profiterwartungen von den laufenden Gewinnen induziert werden und bei geringen Gewinnen di)e Investitionen ebenfalls gering sind. Eine Time-lag-Analyse sei nicht gemacht worden, weil auch sie problematisch sei. Gerstenberger schlug vor, eine Lag-Analyse zwischen Investitionsnachfrage (ζ. B. Auftragseingänge bei den Investitionsgüterherstellem) und den Gewinnen anzustellen. Wenn die These richtig sei, müsse die Profitentwicklung der Nachfrage nach Investitionsgütern vorauseilen.
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Eine eher technische Frage war die nach der Verläßlichkeit der Quellen. Willgerodt gab zu bedenken, daß die Schätzgleichungen nur die Veränderungen von makroökonomischen Größen zueinander i n Beziehung setzen. Diese Veränderungen seien aber sehr klein i m Vergleich zu den Gesamtgrößen (Beispiel: Änderung der Zuwächse des privaten Verbrauchs i m Verhältnis zum privaten Verbrauch insgesamt). Fraglich sei, ob die Statistik überhaupt exakt genug sei, u m die Reaktionen der Unternehmen auf bestimmte Veränderungen m i t hinreichender Sidierheit anzuzeigen. Die Entgegnung von Gschwendtner, man müsse siich auf das Statistische Bundesamt verlassen können, trug i h m Heiterkeit unter den Diskussionsteilnehmern ein. Starbatty warf die Frage auf, ob die Vermutung, die Krise sei Folge eines Ordnungsmangels, wirklich entkräftet sei. Zwar habe Gschwendtner die Rezession auf den Rückgang der Profitrate zurückgeführt, zu untersuchen sei aber, ob nicht der Rückgang der Profitrate selbst die Folge eines Ordnungsmangels war, speziell eines Mangels, der bewirkt, daß ζ. B. der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr ganz funktioniert. Bei sozialisiertem Beschäftigungsrisiko führe eine greifende Geldpolitik nun einmal zu plötzlicher Arbeitslosigkeit. Als nächste wurde die Frage nach der Gewiinnaufschlag-Hypothese berührt. Gerstenberg er wies auf den Einfluß der Wettbewerbsordnung auf die Stückkosten- bzw. Produktivitätsentwicklung hin. Dieser Zusammenhang sei bei Gschwendtner unerwähnt geblieben. Giersch ergänzte diesen Einwand: Auch Konjunkturschwankungen hätten Einfluß auf die Oligopolisierung und damit auf die Kostenabhängigkeit der Preise. Viele Manager strebten nicht nach maximalem, sondern nur befriedigendem Gewinn. (Hicks: „Der beste Monopolgewinn ist ein ruhiges Leben"). Statt in die Expansion zu gehen oder Preiserhöhungen vorzunehmen, beschafften sie sich den ruhigen Schlaf, der m i t langen Lieferfristen verbunden ist. Dies habe konjunkturpolitisch die Wirkimg, daß Preiserhöhungsspielräume entstehen, die von der K o n j u n k t u r - oder Geldpolitik nicht mitbeobachtet oder nicht ernstgenommen werden, so daß aus dem Nachhinken der Preise ein Nachhinken der Geldpolitik resultiert. Von hier aus ging das Gespräch auf die Bedeutung der staatlich administrierten Preise über. Kellenbenz bemerkte, ein Stabilitätsbeitrag sei von diesem Bereich nicht zu erwarten, solange die Preise i m Ausmaß der Kostensteigerungen erhöht werden. Hierauf folgte der Hinweis auf dite bekannten Argumente der Debatte über Preisleitlinien: Bereiche m i t höheren Produktivitätsfortschritten müßten diese i n Form entsprechend geringerer Preissteigerungen an die Nachfrager weitergeben. Die Bereiche mit staatlich administrierten Preisen seien deshalb nicht
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Zusammenfassung der Diskussion
so einseitig, wie es häufig geschieht, als Inflationstreiber anzusehen (Wilkens). Dabei müsse man aber auch sehen, daß gerade durch die administrierten Preise der Zwang zur Rationalisierung gemildert werde (Giersch). Willgerodt ging auf die englische Diskussion um die Problematik einer restriktiven Konjunkturpolitik bei Vorherrschen administrierter Preise ein. Es sei nicht auszuschließen, daß unter diesen Bedingungen eine Kontraktion der Geldmenge einen Preisanstieg zur Folge habe — entlang der Stückkostenkurve wegen der administrierten Preise. Zudem könne dann auch der Zinsanstieg kosten- und damit preiswirksam werden.
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf — Zum Investitionsverhalten deutscher Unternehmen V o n Hans E.
Büschgen*
I. Problemstellung Die Investitionstätigkeit der Unternehmen steht seit geraumer Zeit i m M i t t e l p u n k t erhöhten wirtschaftspolitischen Interesses i n der B u n desrepublik 1 . Unter Gesichtspunkten des Wachstums, der Arbeitsplatzsicherung und Arbeitsplatzbeschaffung bereitet die sog. „Investitionslücke" erhebliche Sorgen. Dieser Investitionsausfall aufgrund der rückläufigen Investitionsentwicklung über die letzten Jahre scheint aber zunächst hauptsächlich strukturbedingt zu sein, d. h. mitbedingt durch Faktoren w i e z . B . hohes Lohnniveau u n d hohes Besteuerungsniveau sowie dessen Verbindung m i t der Geldentwertung. Z u m Zwecke einer exakteren Diagnose der wirtschaftlichen Lage u n d des darauf mitbasierenden adäquaten Einsatzes wirtschaftspolitischer Instrumente erscheint es indessen erforderlich, von solchen strukturbedingten Entwicklungen der Investitionstätigkeit jene zu isolieren, die konjunkturbedingt sind. Z u eben diesem Problem — dem Erkennen des Konjunktur^influsses auf die Investitionstätigkeit von Unternehmen — sollen h i e r einige Aspekte beigetragen werden. Deshalb können wegen des begrenzten Raumes n u r einige wenige Ansatzpunkte zur Frage des unternehmerischen Investitionsverhaltens i m K o n j u n k turablauf — dem Thema entsprechend i n ex-post-Betrachtung — hervorgehoben werden, die auch als von besonderem betriebswirtschaftlichen Interesse erscheinen, und i n deren Richtung etwa i n der betriebswirtschaftlich-investitionstheoretischen L i t e r a t u r Hypothesen formul i e r t werden. — I m übrigen ist die E r m i t t l u n g einer universellen ge* Meinem Kölner Kollegen Hans Willgerodt bin ich für kritische Anmerkungen und Anregungen zu diesem Beitrag zu besonderem Dank verpflichtet. Meinem Mitarbeiter D i p l . - K f m R.-Ch. Wentz danke ich für seine Arbeit zu diesem Beitrag, Dipl.-Volkswirt H.-D. Lindener bei der empirischen Erhebung. 1 Vgl. dazu Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Zeit zum Investieren, Jahresgutachten 1976/77, Stuttgart-Mainz 1976, insbesondere Ziffern 272 ff.
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samtwirtschaftlichen Investitionsfunktion ein Gebiet, mit dem man sich i n der Volkswirtschaftslehre schon frühzeitig beschäftigte. Doch ein derartiges Projekt mußte wohl scheitern. Immer mehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß möglicherweise gar keine zeitinvariante Investitionsfunktion existiert, daß vielmehr die Investitionstätigkeit der Unternehmen i m Konjunktur verlauf von einer wechselnden Zahl sich verändernder Einflußfaktoren m i t unterschiedlicher Einwirkungsintensität abhängig zu sein scheint. F ü r d i e I s o l i e r u n g d e r Hauptdeterminanten
des
Investitionsverhal-
tens von Unternehmen könnte sich zunächst eine externe statistischempirische Analyse anhand von Jahresabschlußzahlen eignen 2 . Die Auseinandersetzung m i t den Detailproblemen des Investitionsprozesses und insbesondere mit der ganzen Breite von Einfluß nehmenden Determinanten macht dagegen den Rückgriff auf die empirische Datenerhebung mittels Fragebogen- bzw. Interviewtechnik erforderlich 3 . U m eine größere Zahl von Unternehmen ansprechen zu können, w u r de hier die Fragebogentechnik verwendet. Die Grundgesamtheit wurde definiert als die Gesamtheit jener Unternehmen des produzierenden Gewerbes (der Sektoren Bergbau, Grundstoff- und Produktionsgüterindustrien, Investitionsgüterindustrien, Verbrauchsgüterindustrien sowie Nahrungs- und Genußmittelindustrien), die i n einem verfügbaren umfassenden Verzeichnis von Mittel- und Großunternehmen von 1976 enthalten waren. Diese Grundgesamtheit erwies sich für eine zügige Durchführung einer Fragebogenaktion als am geeignetsten. I n dieser Grundgesamtheit sind nur Unternehmen enthalten, die (u. a.) mindestens 200 Beschäftigte haben. Da Größenklasse und Branchenzugehörigkeit vielfach als wesentliche Determinanten für Unterschiede i m Investitionsverhalten angesehen werden, wurde die Stichprobe als eine proportional geschichtete Auswahl gebildet. Die Schichtung erfolgte dabei nach drei Größenklassen (200—499, 500—999, 1000 und mehr Beschäftigte) sowie nach den genannten fünf Industriehauptgruppen des produzierenden Gewerbes. Innerhalb dieser 15 Schichten wurde m i t Hilfe einer strikten Zufallsauswahl nach dem Zufallszahlenverfahren eine Anzahl von Stichprobenelementen gezogen, die proportional war zum prozentualen Anteil der Unternehmensanzahl dieser Schicht an der Gesamtzahl der Unter2 Vgl. z. B. Horst Albach: Steuersystem und unternehmerische Investitionsp o l i t i k , Wiesbaden 1970, u n d Franz Theelen: Das Investitions- u n d Finanzierungsverhalten deutscher Unternehmungen. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse von Konjunkturschwankungen, Diss. Münster 1975. 3 Dieser Gesichtspunkt w i r d gerade auch von Albach betont. Vgl. Horst Albach: Investitionstheorie, K ö l n 1975, S. 26.
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
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nehmen des produzierenden Gewerbes mit mehr als 200 Beschäftigten 4 . Insgesamt wurden 300 Unternehmen i n die Stichprobe aufgenommen. Von diesen angeschriebenen 300 Unternehmen sandten bis zum Erhebungsabschlußstichtag 173 Unternehmen eine verwertbare A n t w o r t zurück, was einer Antwortquote von 57,7 °/o entspricht 5 . II. Zum Investitionsverhalten der Unternehmen im Konjunkturverlauf unter Außerachtlassung fiskalischer Maßnahmen 1. Organisatorische Voraussetzungen für ein konjunkturabhängiges Investitionsverhalten Ob und mit welcher zeitlichen Verzögerung Unternehmen in ihrem Investitionsverhalten auf eine veränderte Konjunkturlage reagieren, ist betriebswirtschaftlich nicht allein abhängig davon, ob sie die konjunkturelle Veränderung erkennen und ihre Investitionstätigkeit zu ändern beabsichtigen. Mitentscheidend für ein konjuinkturabhängiges, flexibles Investitionsverhalten ist darüber hinaus eine betriebliche Organisation, die solche Verhaltensanpassungen ermöglicht bzw. fördert. Das Kriterium, m i t dessen Hilfe die verschiedenen Organisationstypen hier unterschieden werden sollen, ist der zeitliche Rhythmus, i n dem über die Vornahme von Investitionen entschieden wird. So ist es denkbar, daß Unternehmen m i t einem starren Rhythmus der Investitionsentscheidungen nicht i n der Lage sind, auf ei'ne sich schnell ändernde Konjunkturlage so schnell zu reagieren wie Unternehmen m i t mehr situationsabhängigem, flexiblem Investitionsentscheidungsrhythmus. Die Vermutung liegt nahe, daß der zeitliche Rhythmus der Investitionsentscheidung und damit die Fähigkeit zu einer zeitlich unverzögerten Reaktion auf eine veränderte Konjunkturlage nicht zuletzt von der Unternehmensgröße bestimmt wird. Das w i r d deutlich ζ. B. durch eine Stellungnahme des zuständigen Vorstandsmitglieds der August-Thyssen-Hütte: „ W i r sind bei unserer Größenordnung überhaupt nicht i n der Lage, zwischendurch irgendwelche Investitionen zu beschließen und zu realisieren. W i r müssen eine angemessene Zeit haben darüber nachzudenken, ob das auch richtig ist; dazu brauchen w i r immer ein Jahr"®. 4 Vgl. Anlage 1 bezüglich der Verteilung der Stichprobengesamtheit über die einzelnen Schichten. 5 Vgl. die Verteilung der A n t w o r t e n über die einzelnen Schichten i n A n lage 2. 6 Vgl. Hauptversammlungs-Stenogramm August Thyssen-Hütte, i n : Blick durch die Wirtschaft, 22.5.1975, S. 3. Vgl. auch Spiegel-Verlag (Hrsg.): Die industrielle Einkaufsentscheidung. Eine empirische Untersuchung zum I n f o r mations- u n d Entscheidungsverhalten. Anlage u n d Durchführung der U n t e r suchung: E M N I D - I n s t i t u t für industrielle M a r k t - u n d Werbeforschung, H a m burg 1967, S. 14.
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Zur Überprüfung dessen wurde deshalb von folgender „Rhythmushypothese" ausgegangen: Großunternehmen entscheiden über die Vornahme von Investitionen i n einem weiteren zeitlichen Rhythmus (d. h. m i t einer größeren zeitlichen Verzögerung) als Mittel- und Kleinunternehmen. Die Auswertung der Stichprobe ergab jedoch zusammenfassend folgenden Befund (vgl. Anlage 3): Eine Überprüfung der prozentualen Anteile jener Unternehmen, die in einem starren Rhythmus von mindestens einem Jahr planen, an der Gesamtzahl von Unternehmen der jeweiligen Größenklasse zeigt keine signifikanten Unterschiede auf dem 5 O /o-Niveau zwischen diesen relativen Häufigkeiten der verschiedenen Größenklassen 7 . Die Unterschiede i n den relativen Häufigkeiten erscheinen demnach zufallsbedingt. Die Rhythmushypothese über die Abhängigkeit des Investitionsplanungszeitraums von der Unternehmungsgröße erscheint also als widerlegt, ein wohl etwas überraschendes Ergebnis. Es bliebe allerdings zu überprüfen, ob das Investitionsverhalten von Unternehmen m i t weniger als 200 Beschäftigten signifikant abweicht von dem Verhalten der Unternehmen i n den hier untersuchten Größenklassen. Durch die Ermittlung des Investitionsentscheidungsrhythmus ist aber noch nicht geklärt, welcher A r t die Reaktion der Unternehmer ist, wenn sie über die Vornahme von Investitionen entscheiden. Es läßt sich vermuten, daß die A r t der Reaktion davon abhängt, ob das betreffende Unternehmen über eine formalisierte mittelfristige Investitionsplanung verfügt oder nicht. Eine solche Investitionsplanung ist gleichzeitig Voraussetzung, scheint aber auch ein gewisses Hindernis für eine flexible Reaktion der Unternehmung auf Konjunkturschwankungen zu sein: Einerseits stellt ein solcher Investitionsplan das Endprodukt eines gedanklichen Prozesses dar, der aus allen möglichen Investitionsprojekten die vorteilhaftesten auswählt, so daß es gerechtfertigt erscheint, auf Konjunkturschwankungen allein durch die Verschiebung der Termine für die Durchführung dieser Investitionsprojekte zu reagieren; andererseits scheinen solche Investitionspläne tendenziell aber auch zu einer gewissen gedanklichen Starrheit zu führen, indem sie dazu verleiten, nach der Verabschiedung des Planes eingetretene Datenänderungen zu übersehen, die an und für sich dazu hätten führen müssen, gewisse i n den Investitionsplan aufgenommene Investitionsprojekte durch neue Projekte zu ersetzen. Insofern kann ein Investitionsplan also auch ein gewisses Hindernis für eine flexible Reaktion auf K o n j u n k t u r 7
Die Uberprüfung erfolgte m i t H i l f e des Chi-Quadrat-Testes.
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Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
S c h w a n k u n g e n d a r s t e l l e n , d i e d a r i n bestände, das I n v e s t i t i o n s v o l u m e n u n d die einzelnen I n v e s t i t i o n s v o r h a b e n g r u n d l e g e n d
zu
überdenken
u n d zu überarbeiten 8. Es erscheint deshalb v o n Interesse festzustellen, ob sich dieser Z u s a m m e n h a n g zwischen m i t t e l f r i s t i g e r f o r m a l i s i e r t e r Investitionsplan u n g u n d der A r t der Reaktion v o n Unternehmen i m Investitionsverh a l t e n a u f eine v e r ä n d e r t e K o n j u n k t u r l a g e n a c h w e i s e n l ä ß t . B i s h e r i n d e r B u n d e s r e p u b l i k d u r c h g e f ü h r t e empirische U n t e r s u c h u n g e n h a b e n n ä m l i c h ergeben, daß gerade b e i d e n G r o ß u n t e r n e h m e n eine beachtliche Anzahl über derartige mittelfristige Investitionspläne verfügt 9. Demzufolge m ü ß t e n sich gerade G r o ß u n t e r n e h m e n d a d u r c h auszeichnen, daß sie a u f eine v e r ä n d e r t e K o n j u n k t u r l a g e d e r a r t reagieren, daß sie lediglich die Termine f ü r die Durchführung bestimmter, eingeplanter I n v e s t i t i o n s p r o j e k t e verschieben 1 0 . D e s h a l b w u r d e d i e folgende „ I n v e s t i t i o n s r e a k t i o n s h y p o t h e s e " ü b e r p r ü f t : B e i G r o ß u n t e r n e h m e n i s t d e r A n t e i l d e r U n t e r n e h m e n , die a u f eine v e r ä n d e r t e K o n j u n k t u r s i t u a t i o n l e d i g l i c h m i t e i n e r V e r s c h i e b u n g der T e r m i n e f ü r die D u r c h f ü h r u n g der eingeplanten Investitionen 8 Vgl. solche Hinweise auf die Schwierigkeiten von Planrevisionen bei ζ. B. Thomas Oursin : Probleme industrieller Investitionsentscheidungen. Ergebnisse schriftlicher u n d mündlicher Befragungen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, B e r l i n 1962, S.40ff., u n d J. P. Petersen; G. Spanakakis: Die k o n j u n k t u r e l l e Bedeutung der Aussetzung der degressiven Abschreibung, (unveröffentlichte) empirische Untersuchung i m A u f t r a g des Bundeswirtschaftsministeriums, T e i l I I I , Bericht über persönliche Gespräche m i t Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, I f o - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung München, November 1971, S. 13. 9 Vgl. Th. Oursin , a.a.O. (FN 8), S. 13 if.; R. Bemerl ; F. Ο. Bcmhoeffer ; W. Strigel : „ W i e plant die Industrie?", i n : Wirtschaftskonjunktur, 18. Jg., Heft 1/1966, S. 27 ff. (31); Κ . Brockhoff: „Planung u n d Prognose i n deutschen Großunternehmen", i n : Der Betrieb, 27. Jg. (1974), S. 838 ff; Armin Töpfer: „ Z u m Entwicklungsstand von Planungs- u n d Kontrollsystemen i n der deutschen Industrie — Ergebnisse einer empirischen Untersuchung", i n : Jürgen Wild (Hrsg.): Unternehmensplanung, H a m b u r g 1975, S. 169ff. (181); Werner Keppler, et al.: Langfristige Planungssysteme. Empirische Ergebnisse zu Strukturen u n d Prozessen der Langfristplanung i n Unternehmen, München 1975, S. 7 ff.; Werner Kirsch: Planung u n d Organisation i n Unternehmen. Bericht aus einem empirischen Forschungsprojekt, München 1975, S. 29 ff.; HansWilhelm Grabbe: Investitionsrechnung i n der Praxis — Ergebnisse einer U n ternehmensbefragung, K ö l n 1976, S. 27. 10 Vgl. dazu auch Th. Oursin , a.a.O. (FN 8), S. 33 ff.; W. Gerstenberger: Die Auswirkungen der Investitionsförderungsmaßnahmen der Bundesregierung auf die Investitionstätigkeit der Industrie. T e i l I u n d I I einer (unveröffentlichten) empirischen Untersuchung i m A u f t r a g des Bundesministeriums der Finanzen, I f o - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, München, J u l i 1975, S. 10; h k h : „BZ-Umfrage per U l t i m o : Kurse, Kosten u n d Erträge", in: B ö r sen-Zeitung, Nr. 253, Jahresabschluß-Ausgabe 1976, S. 26 ff.: Hauptversammlungs-Stenogramm B A S F AG, i n : Blick durch die Wirtschaft, Nr. 1, 3. 1. 1977, S. 3; Bericht des Vorstandsvorsitzenden: „Die laufenden Investitionen i n Sachanlagen haben w i r i m Berichtsjahr unbeirrt fortgeführt. Lediglich die Termine für neue Projekte haben w i r gelegentlich hinausgeschoben..."
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(Vorziehen i m Aufschwung, Hinausschieben i n der Rezession) reagieren, größer als bei Mittel- und Kleinunternehmen. Als Befund der Stichprobe ergab sich zusammenfassend folgendes (vgl. Anlage 4): Die Unterschiede zwischen den Größenklassen i n der relativen Häufigkeit eines bloß zeitlichen Verschiebens der Termine für die Realisierung von Investitionen sind auf dem 5 °/o-Niveau signifikant (Chi-Quadrat-Test). Die formulierte Investitionsreaktionshypothese erscheint som i t als nicht falsifiziert. M i t einiger Berechtigung läßt sich also wohl sagen, daß tendenziell eine kleinere Unternehmensgröße Reaktionen zu erleichtern scheint, die i m grundlegenden Überdenken und Überarbeiten von Investitionsvolumen und Investitionsvorhaben bestehen. Allerdings muß hier natürlich sogleich kritisch angemerkt werden, daß bei kleineren Unternehmen diese Reaktion einfach schon deshalb häufiger erwartet werden kann, weil eben oft nicht mittelfristig durchdacht ( = geplant) wird, welche Investitionen vorzunehmen sind. Somit fehlt dann oft der Maßstab (d. h. der Plan), an dem zu messen ist, ob es sich lediglich um eine zeitliche Verschiebung oder um eine grundlegende Überarbeitung der Investitionsprojekte handelt. Nach dieser Erörterung gewisser organisatorischer Rahmenbedingungen für ein flexibles, konjunkturorientiertes Investitionsverhalten liegt ein Blick auf die Haupteinflußgrößen eines konjunktur abhängigen unternehmerischen Investitionsverhaltens nahe: dem sich i m Konjunkturverlauf ändernden Gewinn und der sich ändernden Liquidität. 2. Zum Gewinn als Hauptdeterminante eines konjunkturabhängigen Investitionsverhaltens Die Bedeutung des Gewinns als solchen als Determinante der Investitionstätigkeit wurde bereits vielfach nachgewiesen 11 und w i r d auch von Unternehmerseite immer wieder betont. Hier sei zunächst auf den Gewinn als Erwartungsgröße und nicht als Finanzierungsquelle abgestellt. Dabei interessiert zunächst, wie die Unternehmen zu der Auffassung gelangen, ob ein Investitionsprojekt rentabel oder nicht rentabel ist. Weil sich i m Bereich der Investitionsrechnimg leichter operat i o n a l Kriterien für eine Verhaltensänderung unter dem Einfluß einer veränderten Konjunkturlage finden lassen, wurde ausschließlich untersucht, ob die Unternehmen die hinsichtlich der Investitionsvorhaben geforderte Amortisationsdauer oder den Risikoaufschlag auf den K a l 11 Vgl. z.B. H. Albach, a.a.O. (FN 2); F. Theelen, a.a.O. (FN 2), S. 94 ff. und Th. Oursin , a.a.O. (FN 8), S. 52 ff., der besonders die Bedeutung des A u f tragsbestandes als Grundlage für die Gewinnerwartung betont.
Anlageinvestitionen im Konjunktur verlauf
kulationszinssatz i n Reaktion auf Risiko änderten 12 .
ein verändertes
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konjunkturelles
Z u diesem Zweck wurde folgende erste „Anforderungshypothese" formuliert: Die Unternehmen reagieren auf ein im Konjunktur ver lauf verändertes Investitionsrisiko i n der A r t , daß sie die von den Investitionsvorhaben geforderte Soll-Amortisationsdauer verkürzen (Rezession) bzw. verlängern (Aufschwung) oder den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinssatz erhöhen (Rezession) bzw. senken (Aufschwung). Die Auswertung der Stichprobe ergab jedoch zusammenfassend folgendes Resultat (vgl. Anlage 5): Es zeigt sich, daß eine erhebliche Anzahl von Unternehmen zumindest im formalisierten Teil des Investitionsentscheidungsprozesses, nämlich in der Investitionsrechnung, auf ein i m Konjunkturverlauf verändertes Investitionsrisikos nicht m i t einer Änderung der geforderten Soll-Amortisationsdauer bzw. des Risikoaufschlages auf den Kalkulationszinssatz reagiert. Die erste Anforderungshypothese erscheint i n der formulierten Ausschließlichkeit daher als nicht haltbar. Allerdings ist hierbei der Einwand zu beachten, daß dies auch daran liegen könnte, daß eben ein großer Teil der Unternehmen für seine Investitionsrechnung K r i t e rien wie die Amortisationsdauer oder den Kalkulationszinssatz (als Ausdruck der Altemativrendite) gar nicht verwendet. Da bislang nur wenige Untersuchungen über die i n der bundesdeutschen Praxis verwendeten Investitionsrechnungsverfahren vorliegen und diese meist nicht für alle Unternehmensgrößenklassen repräsentativ sind 13 , wurde hier zunächst der Einfluß der Unternehmensgröße auf die investitionsrechnerische Reaktion auf Konjunkturschwankungen untersucht. Hierzu wurde folgende zweite „Anforderungshypothese" formuliert: Die Unternehmensgröße beeinflußt nicht die Reaktion der Unternehmen auf ein i m Konjunkturverlauf verändertes Investitionsrisiko, sei es, daß diese die von den Investitionsvorhaben geforderte SollAmortisationsdauer verkürzen (Rezession) bzw. verlängern (Aufschwung), sei es, daß sie den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinssatz erhöhen (Rezession) bzw. senken (Aufschwung). Die Auswertung hierzu ergab zusammenfassend folgendes B i l d (vgl. Anlage 6): Die Unterschiede i n der Reaktion von Unternehmen auf ein i m Konjunkturverlauf verändertes Investitionsrisiko zwischen den einzelnen 12 Vgl. Peter Swoboda: „Antizyklische steuerliche Regelungen und betriebliche Investitionsentscheidungen", i n : Finanzarchiv, Bd. (1969), S. 55 ff., der auf S. 70 diese beiden Prämissen setzt. 13 Vgl. insbesondere H.-W. Grabbe, a.a.O. (FN 9), und die dort auf S. 57 ff. angegebene Literatur.
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Größenklassen sind auf dem 5 °/o-Niveau völlig insignifikant (Chi-Quadrat-Test). Um zu überprüfen, ob die erhebliche Zahl von Unternehmen, die auf ein i m Konjunkturverlauf verändertes Investitionsrisiko also weder mit einer Anpassung der Soll-Amortisationsdauer noch des Risikoaufschlages auf den Kalkulationszinssatz reagieren, darin begründet liegt, daß eben diese Unternehmen i n der Investitionsrechnung weder mit dem K r i t e r i u m „Amortisationsdauer" noch mit dem K r i t e r i u m „ K a l k u lationszinssatz" überhaupt rechnen, wurde der Prozentsatz der Unternehmen, die i n einer der angedeuteten Weisen reagieren müßten, abgeschätzt. Für die Schätzung könnte als jüngere Untersuchung eine Erhebung von Grabbe 14 behilflich sein, der allerdings eine etwas andere Grundgesamtheit zugrundeliegt als der vorliegenden Untersuchung — nämlich nur Unternehmen m i t mindestens 210 Mio. D M Umsatz bzw. mindestens 100 Mio. D M Nominalkapital 1 5 . Dennoch wurde es unter allen Vorbehalten unternommen, jene Ergebnisse m i t den hier für die größte Größenklasse ermittelten Ergebnisse zu vergleichen. Wenn das Ergebnis der ersteren Untersuchung, daß 77 °/o der Unternehmen die Soll-Amortisationsdauer der Beurteilung von Investitionsprojekten zugrunde legen 16 , auf die größte Größenklasse hier übertragen wird, müßten 28 der 36 i n der größten Größenklasse befindlichen Unternehmen, die geantwortet haben, m i t einer Änderung der Soll-Amortisationsdauer auf Konjunkturschwankungen reagieren — falls die Prämisse stimmte, daß alle die Unternehmen, die m i t der Amortisationsdauer rechnen, die Soil-AmortisatiOnsdauer i m Konjunkturverlauf verändern. Tatsächlich aber ergibt sich statt bei den hypothetischen 28 nur bei 7 Unternehmen eine Reaktion i n der bezeichneten Weise. Da das Rechnen m i t der Amortisationsdauer aber i n allen Unternehmensgrößenklassen stark verbreitet zu sein scheint 17 , läßt sich die Behauptung, daß die erste „Anforderungshypothese" — konjunkturelle Unternehmensreaktion durch Veränderung bei Soll-Amortisationsdauer bzw. Kalkulationszinssatz — falsifiziert sei, hinsichtlich der Soll-Amortisationsdauer wohl guten Gewissens aufrechterhalten. Eine Anpassung der geforderten Soll-Amortisationsdauer an die konjunkturelle Lage scheint also i n wesentlich geringerem Maße zu erfolgen als oft angenommen. Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so eindeutiges Ergebnis gilt für die Prämisse der Veränderung des Risikoaufschlages auf den K a l k u 14
Vgl. H.-W. Grabbe, a.a.O. (FN 9), S. 24 ff. Vgl. ders., a.a.O. (FN 9), S. 18. Vgl. H. W. Grabbe , a.a.O. (FN 9), S. 25. 17 Vgl. bereits Erich Gutenberg : Untersuchungen über die Investitionsentscheidungen industrieller Unternehmen, Köln-Opladen, 1959, S. 195 ff., und i n der Folgezeit zahlreiche weitere Aussagen i n diesem Sinne. 15
1β
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
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lationszinssatz. Wenn man nur davon ausgeht, daß alle Unternehmen, die nach einer sog. dynamischen Investitionsbeurteilungsmethode rechnen — das sind nach der vorerwähnten Untersuchung 60 °/o der Unternehmen 1 8 —, m i t einer Anpassung des Risikoaufschlages auf den K a l kulationszinssatz reagieren, hätten hier 22 Unternehmen diese A n t wortmöglichkeit bejahen müssen. Tatsächlich taten dies aber nur 10. Die Behauptimg der ersten „Anforderungshypothese", daß alle Unternehmen auf ein i m Konjunkturverlauf verändertes Investitionsrisiko derart reagieren, daß sie die von den Investitionsvorhaben geforderte Amortisationsdauer verkürzen (Rezession) bzw. verlängern (Aufschwung) oder den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinssatz erhöhen (Rezession) bzw. senken (Aufschwung), kann i n dieser Ausschließlichkeit damit wohl als unzutreffend betrachtet werden. Wenn hier auch festgestellt wurde, daß nicht alle Unternehmen, die i n der Investitionsrechnung mittels einer „dynamischen" Methode rechnen, den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinssatz i n Abhängigkeit von der Konjunktur verändern, so ist damit indessen noch nicht gesagt, daß ein i m Konjunkturverlauf schwankender Kapitalmarktzins nicht bei allen diesen Unternehmen über eine Anpassung des Kalkulationszinssatzes selbst eine Wirkung auf die Beurteilung der einzelnen Investitionen ausübt 19 . Daher wurde hier (ζ. B.) für den Rezessionsfall die folgende erste „Zinseinflußhypothese" überprüft: Ein (ζ. B.) sinkender Kapitalmarktzins beeinflußt die Beurteilung der einzelnen Investitionsvorhaben. Das Ergebnis ist zusammengefaßt wie folgt (vgl. Anlage 7): A l l e i n rund 7 0 % der Unternehmen antworten, daß ein sinkender Kapitalmarktzins keine Wirkung auf die Beurteilung der einzelnen Investitionsprojekte ausübt. Damit erscheint die erste „Zinseinflußhypothese" in der formulierten Ausschließlichkeit als widerlegt. U m den Größeneinfluß zu isolieren, kann die erste Zinseinflußhypothese zu einer zweiten „Zinseinflußhypothese" wie folgt modifiziert werden: Der prozentuale A n t e i l der Unternehmen, bei denen ein sinkender Kapitalmarktzins die Beurteilung der einzelnen Investitionen beeinflußt, ist für alle Unternehmensgrößenklassen derselbe. 18
Vgl. H.-W. Grabbe, a.a.O. (FN 9), S. 25. Vgl. zum Einfluß der Zinssatzhöhe auf die Investitionsentscheidungen E. Gutenberg, a.a.O. (FN 17), S. 182 f.; Th. Oursin , a.a.O. (FN 8), S. 54 f.; F. Theelen, a.a.O (FN 2), S. 98 ff.; Horst Albach: „Steuerpolitik u n d Investitionsrechnung", i n : Investitionen — Element der Zukunftssicherung. Referate, Thesen u n d Diskussionsbeiträge — Gemeinsames Symposium des Instituts der deutschen Wirtschaft u n d des Vereins Deutscher Machinenbau-Anstalten (VDMA), K ö l n , 1976, S. 153 ff. (166 f.). 19
5 Konjunkturpolitik, Beiheft 24
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Das Resultat sieht hier zusammengefaßt folgendermaßen aus (vgl. Anlage 8): Es gibt auf dem 5°/o-Niveau keine signifikanten Unterschiede i m Zinseinfluß zwischen den einzelnen Größenklassen (Chi-Quadrat-Test). Die zweite „Zinseinflußhypothese" kann also nicht als widerlegt angesehen werden: Großunternehmen erweisen sich danach i n ihrem diesbezüglichen Investitionsverhalten nicht als signifikant weniger zinsreagibel als kleinere Unternehmen. Uberträgt man wiederum die Ergebnisse von Grabbe, der betont, daß sich die geforderte Mindestverzinsung von untersuchten Investitionsprojekten überwiegend nach dem Fremdkapitalzinssatz richte20, auf die größte Größenklasse i n der vorliegenden Untersuchung 21 , so müßten bereits 22 Unternehmen die Beurteilung der untersuchten I n vestitionsprojekte aufgrund eines fallenden Kapitalmarktzinses verändern. Tatsächlich waren es aber nur 6 Unternehmen. Man kann also w o h l m i t gestärkter Berechtigung annehmen, daß ein nennenswerter Teil der Unternehmen i m Konjunktur ver lauf weder den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinssatz noch den Kalkulationszinssatz selbst ändert, auch wenn sich der Kapitalmarktzins ändert. Diese Behauptung bleibt auch dann gültig, wenn man nur jene Unternehmen betrachtet, die (überhaupt) m i t einem Kalkulationszinssatz rechnen, weil sie z. B. eine sog. dynamische Investitionsrechnungsmethode verwenden. 3. Zur Liquidität als weiterer Hauptdeterminante eines konjunkturabhängigen Investitionsverhaltens Die Gewinnerwartungen allein können die Schwankungen der Investitionstätigkeit i m Konjunkturverlauf offenbar nicht völlig erklären. Sie bestimmen die Investitionsneigung. Hinzukommen muß die Investitionsmöglichkeit, nämlich das Vorhandensein ausreichender liquider Mittel. Eine Situation der Kapitalrationierung w i r d i n der Betriebswirtschaftslehre bzw. der Investitionstheorie häufig unterstellt. Es liegt deshalb nahe, zu untersuchen, wie sich die Liquiditätslage der Unternehmen während des Konjunkturverlaufs verändert 22 . 20
Vgl. H.W. Grabbe, a.a.O. (FN 9), S. 27. 60 °/o der Unternehmen verwenden eine oder mehrere „klassische" dynamische Investitionsrechnungsmethoden: Vgl. H.-W. Grabbe, a.a.O. (FN 9), S 25 22 Vgl. dazu Th. Oursin , a.a.O. (FN 8), S. 55 f.; F. Theelen, a.a.O. (FN 2), S. 112 ff., 134; Axel Siedenberg: Investitionsorientierte Fiskalpolitik. Eine Effizienzanalyse m i t H i l f e investitionstheoretischer Ansätze, B e r l i n 1976, S. 239 ff. 21
Anlageinvestitionen i m Konjunkturverlauf
67
Es wurde zunächst folgende erste „Liquiditätshypothese" formuliert: Bis zum Höhepunkt der letzten Rezession, dem Jahr 1975, spitzte sich die Liquiditätslage bei vielen Unternehmen zu, so daß die Anzahl der Unternehmen m i t liquiditätsmäßigen Anspannungen von 1974 auf 1975 zunahm. Mitentscheidend für diese Liquiditätsverknappung war die verzögerte Anpassung der Unternehmen an die einsetzende Rezession (zusätzliche Finanzmittelbindung i n Forderungen und Fertigfabrikatelagern und verzögerter Abbau dieser Vermögenspositionen, verzögerte Anpassung des Personalstandes) 23 . Und: Dagegen verfügten die Unternehmen i m Aufschwungjahr 1976 über ausreichende liquide M i t t e l zur Finanzierung der erwünschten bzw. notwendigen Anlageinvestitionen. Die Stichprobenauswertung ergab zusammenfassend folgendes B i l d (vgl. Anlage 9): Die vermutete Liquiditätsentwiddung von 1974 bis 1975 w i r d bestätigt, wenn sich auch die Liquiditätsilage i m Jahre 1975 auf dem 5 °/ounterscheidet (Chi-Quadrat-Test). Dagegen w i r d der zweite Teil der ersten „Liquiditätshypothese" widerlegt: Durchaus nicht alle Unternehmen verfügten i m Jahre 1976 über ausreichende liquide M i t t e l i n der von ihnen gewünschten Form, um die erwünschten bzw. notwendigen Investitionen zu finanzieren. Vielmehr war auch die von den Unternehmen empfundene Liquiditätslage i m Jahre 1976 auf dem 5°/o-Niveau nicht signifikant besser als diejenige i m Jahre 1975. Bedeutsam erscheint auch die Erkenntnis, daß nicht nur die sog. objektive Kapitalrationierung einen Teil der erwünsditen bzw. notwendigen Investitionen verhindert, sondern auch die sog. subjektive Kapitalrationierung, die einem gewachsenen Gefühl des Risikos der Unternehmen entspringt: sei es gegenüber der Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals, sei es angesichts eines gewachsenen Insolvenzrisikos. U m den Einfluß der Unternehmensgröße zu ergründen, wurde noch folgende zweite „Liquiditätshypothese" überprüft: Der prozentuale A n t e i l der Unternehmen, denen es i n den Jahren 1974—1976 an der erforderlichen Liquidität i n der von ihnen gewünsch23
Vgl. H. Lipfert: „Der Einfluß einer Rezession auf die Finanzierung der Unternehmung", i n : H. Jacob: Unternehmenspolitik bei schwankender K o n j u n k t u r , Bd. 1, Schriften zur Unternehmensführung, Wiesbaden o. J., S. 19 if. Vgl. dazu auch ο. V.: „Ertragslage u n d Eigenfinanzierung der Unternehmen 1973 u n d 1974", i n : Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 11, 1975 (27. Jg.), S. 11 ff.; ο. V.: „Ertragslage u n d Finanzierungsverhältnisse der U n ternehmen i m Jahre 1975", i n : Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Heft 12, 1976 (28. Jg.), S. 43 ff. (45 f.). 5*
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Hans E. Büschgen
ten Form zur Finanzierung der erwünschten bzw. notwendigen Anlageinvestitionen mangelte, ist für alle Unternehmensgrößenklassen derselbe. Der Befund (vgl. Anlage 10) ergab zusammengefaßt folgendes: Für die Jahre 1974—1976 zeigen sich auf dem 5 %-Niveau keine signifikanten Unterschiede i n der Liquiditätslage zwischen den einzelnen Unternehmensgrößenklassen (Chi-Quadrat-Test). Dies scheint manchen Vorstellungen zu widersprechen, nach denen Großunternehmen wegen günstigerer Geldbeschaffungsmöglichkeiten seltener eine Liquiditätsanspannung empfinden müßten als kleinere Unternehmen 24 . Auch die folgende dritte „Liquiditätshypothese" — der prozentuale Anteil der Unternehmen, denen es i n den Jahren 1974—1976 an der erforderlichen Liquidität i n der von ihnen gewünschten Form zur Finanzierung der erwünschten bzw. notwendigen Anlageinvestitionen mangelte, ist für alle Branchen derselbe — läßt sich m i t Hilfe des ChiQuadrat-Testes auf dem 5 °/o-Niveau (auf dem Aggregationsniveau der fünf Industriehauptgruppen) nicht widerlegen (vgl. Anlage 11). Von Interesse ist auch, m i t Hilfe welcher Indikatoren die Unternehmen abschätzen, ob die von außen zuzuführenden liquiden M i t t e l knapp sind oder n i c h t Hier ist insbesondere die Indikatorrolle des Kapitalmarktzinses zu erörtern. Dabei ist hier der Zinssatz nicht als ein i n die Investitionsrechnung eingehendes Kostenelement zu untersuchen, sondern als Indikator der Kapitalknappheit am Finanzierungsmittelmarkt 2 5 . Wie sich zeigt, können Unternehmen, die sich i n der Beurteilung einzelner Investitionen durch einen sich ändernden Kapitalmarktzins nicht beeinflussen lassen, dennoch bereit sein, bei einem fallenden Kapitalmarktzins zusätzliche Finanzierungsmittel auf dem Wege der Außenfinanzierung aufzunehmen. Ein solches Verhalten, das zunächst paradox erscheint, muß nach der betriebswirtschaftlichen Investitionstheorie w o h l vornehmlich m i t dem Vorhandensein einer Kapitalrationierungssituation erklärt werden, i n dem Sinne, daß eben ein fallender Kapitalmarktzins die Entspannimg des Kapitalmarktes andeutet und damit eine verbesserte Investitionsmöglichkeit, so daß Investitionen vorgenommen werden können, die, obwohl sie rentabel sind, vorher wegen Kapitalknappheit nicht finanziert werden konnten. 24 Vgl. z. B. F. Neumann: Die konjunkturpolitische Bedeutung der Aussetzung der degressiven Abschreibung, (unveröffentlichte) empirische Untersuchung i m A u f t r a g des Bundeswirtschaftsministeriums, T e i l I. Auswertung einer Sonderumfrage i m Rahmen der Nacherhebung zum Ifo-Investitionstest 1969/70, abgeschlossen i m März 1971. 25 Vgl. F. Theelen, a.a.O. (FN 2), S. 103 ff.
Anlageinvestitionen im Konjunktur verlauf
69
Daher wurde folgende „Indikatorhypothese" überprüft: Jene Unternehmen, die sich i n der Beurteilung einzelner Investitionen nicht durch einen sinkenden Kapitalmarktzins beeinflussen lassen, nehmen bei einem sinkenden Zins auch keine zusätzlichen Finanzierungsmittel i m Wege der Außenfinanzierung auf. Die Stichprobe ergab zusammengefaßt folgendes B i l d (vgl. Anlage 12): 18 % der Unternehmen, die sich i n der Beurteilung einzelner Investitionen nicht durch einen sinkenden Kapitalmarktzins beeinflussen lassen, nehmen trotzdem bei sinkendem Kapitalmarktzins zusätzliche Finanzierungsmittel i m Wege der Außenfinanzierung auf. Die „Indikatorhypothese" erscheint damit i n ihrer Ausschließlichkeit nicht als zutreffend. Aus der Häufigkeit der Nennung der Kombination: „Keine Wirkung auf die Beurteilung einzelner Investitionen" — „ A u f nahme von zusätzlichen Finanzierungsmitteln" kann man auf die Häufigkeit einer Kapitalrationierung schließen, es sei denn, daß dieser Erklärungszusammenhang dadurch gestört wird, daß ein sinkender Kapitalmarktzins von vielen Unternehmen auch als ein Indikator insgesamt verbesserter Gewinnerwartungen angesehen wird, so daß sich die Rentabilitätserwartungen für die Investitionen auch ohne die direkte Wirkung auf die i n der Investitionsrechnung zu berücksichtigenden Zinskosten indirekt verbessern. Angesichts der ungefähren zahlenmäßigen Ubereinstimmung m i t den vorher zur Liquiditätslage ermittelten Resultaten scheint jedoch mehr für die Richtigkeit der Erklärung des Stichprobenergebnisses mit Hilfe der Kapitalrationierungshypothese zu sprechen. I I I . Zum Investitionsverhalten der Unternehmen in Reaktion auf konjunkturbeeinflussende fiskalische Maßnahmen Hier soll nur eine kleine Auswahl — auch betriebswirtschaftlich interessanter — fiskalischer Maßnahmen m i t konjunkturbeeinflussender Zielsetzung kurz angesprochen werden: nämlich Abschreibungsvergünstigungen und der Verlustrücktrag. I n Anbetracht der Tatsache, daß man an anderen Stellen bereits ausführlich zur Frage einer investitionsbeeinflussenden Wirkung der Investitionszulage berichtet hat 2 8 , w i r d hier auf eine Behandlung dieser Maßnahme ganz verzichtet. 26
VgL insbesondere W. Gerstenberger: Die Auswirkungen der Investitionsförderungsmaßnahmen der Bundesregierung auf die Investitionstätigkeit der Industrie, Teile I u n d I I einer (unveröffentlichten) empirischen Untersuchung i m A u f t r a g des Bundesministeriums f ü r Finanzen, abgeschlossen i m J u l i 1975, T e i l I I I , abgeschlossen i m August 1975, u n d W. Gerstenberger; F. Neumann: Die Auswirkungen der Investitionsförderungsmaßnahmen der Bundesregierung auf die Investitionstätigkeit der Industrie. Schlußbericht, abgeschlossen i m Dezember 1975.
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Hans E. Büschgen
Nicht zuletzt angesichts der Empfehlungen i m Jahresgutachten 1976/ 77 des Sachverständigenrates, die Möglichkeiten zu Abschreibungen zu erweitern 2 7 , sei hier auf einige betriebswirtschaftliche Aspekte der Abschreibungsvergünstigungen auf das Investitionsverhalten i m Konjunkturverlauf eingegangen. Als wohl einer der ersten hat sich Gaugier mit hierzu implizierten betriebswirtschaftlichen Fragen auf empirischem Wege eingehender auseinandergesetzt 28 . Er kommt i m wesentlichen zu dem Ergebnis, daß Sonderabschreibungen keine Investitionen bewirken, die niicht bereits vorher geplant sind. Vielmehr handelt es sich bei den i m Begünstigungszeitraum zusätzlich getätigten Investitionen weit überwiegend nur u m solche, die zeitlich vorgezogen werden. Als entscheidend für eine positive Wirkung von Abschreibungsvergünstigungen auf das Investitionsverhalten erweist sich, daß die kon^ junkturellen Erwartungen der Unternehmen nicht völlig der Zielrichtung der AbschreibungsVergünstigungen zuwiderlaufen: Das heißt, daß zumindest die ersten Anzeichen einer Überwindung der Rezession vorliegen müssen, wenn man eine investitionsbelebende Wirkung der A b schreibungsvergünstigungen erwarten w i l l . Diese Aussagen wurden von später vorgenommenen Untersuchungen etwa des Ifo-Instituts i n ihrer Richtigkeit bestätigt 29 . Man hat konkret die Frage untersucht, ob und inwieweit es über die Aussetzimg der degressiven Abschreibung zu einer zeitlichen Verlagerung ursprünglich geplanter Investitionsvorhaben auf die Zeit nach der Wiedereinführung der degressiven Abschreibung kommt. Diese Fragestellung nach der W i r k i m g einer Wiedereinführung der degressiven Abschreibungsmöglichkeit deckt sich praktisch m i t der Frage nach der Wirkung von Abschreibungsvergünstigungen. Man kommt hierbei zu dem betriebswirtschaftlich relevanten Schluß 30 , daß Unternehmen von Abschreibungsvergünstigungen meist nur dann Gebrauch machen, wenn sie für die Zukunft günstige bzw. steigende Absatzchancen erwarten. Als wirtschaftspolitische Maßnahme 27 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Zeit zum Investieren. Jahresgutachten 1976/77, Stuttgart und Mainz 1976, Ziffer 325. 28 Vgl. Eduard Gaugier: „Sonderabschreibungen als K o n j u n k t u r m a ß nahme", i n : ZfbF, 20. Jg. (1968), S. 518 ff., u n d ders.: „Betriebswirtschaftliche Probleme konjunkturpolitischer Sonderabschreibungen", i n : Neue Betriebswirtschaft, 22. Jg. (1969), Heft 4, S. 22 ff. 29 Vgl. F. Neumann: Die konjunkturpolitische Bedeutung der Aussetzung der degressiven Abschreibung, (unveröffentlichte) empirische Untersuchung i m A u f t r a g des Bundeswirtschaftsministeriums, T e i l I I , Auswertung der Ergänzungsumfrage v o m F r ü h j a h r 1971, abgeschlossen i m J u n i 1971. 30 Vgl. F. Neumann, a.a.O. (FN 29), S. 12 f.
Anlageinvestitionen im Konjunktur verlauf
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zur Umkehrung eines vorhandenen Trends der Investitionstätigkeit dürften Abschreibungsvergünstigungen demnach weniger geeignet sein 31 . Als zweite Vorbedingung für eine positive Wirkung der Abschreibungsvergünstigungen w i r d oft die Voraussetzung angeführt, daß die Unternehmen über den finanziellen Spielraum verfügen müssen, u m die begünstigten Investitionen finanzieren zu können. Wie dile dargestellten Ergebnisse zur Liquiditätsentwicklimg i n der Rezession zeigen, scheint die Erfüllung dieser Vorbedingungen i n der Tat von erheblicher Relevanz für die Effizienz der Abschreibungsvergünstigungen zu sein. Ebenso verhält es sich m i t der dritten Bedingung für eine investitionsbelebende W i r k i m g von AbschreibungsVergünstigungen: daß die Unternehmen i m steuerrechtlich erheblichen Begünstigungszeitraum bzw. zumindest i n den folgenden Jahren (zwecks Abbau eines eventuellen Verlustvortrages) entsprechende Gewinne erzielen müssen, eine i m Grunde triviale Aussage. Angesichts der mittlerweile eingeführten Möglichkeit zum Verlustrücktrag hat sich diese Bedingung zwar leicht geändert insofern, als bereits ein genügend hoher steuerlicher Gewinn i n dem Jahr vor der Einführung der Abschreibungsvergünstigung ausreicht, u m diese giewinnbezogene Voraussetzung für eine Investitionsbelebung zu erfüllen. Allerdings hat sich damit die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieser gewinnbezogenen Bedingung nur tendenziell erhöht. Die Bedeutung der Voraussetzung eines ausreichenden Gewinnes f ü r eine investitionsbelebende Wirkung bleibt grundsätzlich bestehen. Angesichts der Unsicherheit der Gewinnerwartungen für die Zukunft läßt sich die genannte Vorbedingung eines ausreichenden Gewinnes wohl restriktiv fassen in dem Sinne, daß eine investitionsbelebende Wirkung von den Sonderabschreibungen hauptsächlich wohl nur zu erwarten ist, wenn der I n vestor zum Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung m i t einem ausreichenden Gewinnanfall i m Begünstigungszeitraum rechnen kann oder der Gewinn i m Jahr vor der Geltendmachung der Sonderabschreibungen (zum Zwecke des Verlustrücktrags) groß genug war 3 2 . Inwieweit diese Vorbedingungen erfüllt sein können, sei kurz untersucht. Da Personengesellschaften steuerrechtlich keine selbständigen Rechtssubjekte sind, ihre Einkünfte vielmehr den Gesellschaftern zugerechnet werden und die amtliche Statistik keine getrennte Statistik führt über die Einkommensverteilung von natürlichen Steuerpflichtigen m i t ge31 Vgl. zum folgenden E. Gaugier, a.a.O. (FN 28), „Betriebswirtschaftliche Probleme . . S . 26 f. 32 Vgl. G. Pieper, a.a.O. (FN 31), S. 102 if.
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werblichen Einkünften, erfolgt hier eine Beschränkung auf die Kapitalgesellschaften. Bei der Durchsicht der amtlichen Körperschaftsteuerstatistik 33 fällt auf, daß die Einkommensverteilungen der Kapitalgesellschaften für die letztveröffentlichten Jahre 1965, 1968 und 1971, die durchaus unterschiedlichen Phasen i m Konjunkturzyklus zuzurechnen sind, eine überraschende Ähnlichkeit aufweisen (vgl. Anlage 13): So z.B. schwankt der A n t e i l der steuerlichen Verlustfälle zwischen 35,9 °/o und 40,2 %> der steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften. Der A n t e i l der steuerlichen Verlustfälle aufgrund eines Verlustabzuges („Verlustvortragsfälle"), die also i n mindestens zwei Jahren hintereinander einen steuerlichen Verlust verzeichnen, schwankt zwischen 10,1 °/o und 10,6 °/o der steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften. Unterstellt man, daß die der Einkommensverteilung zugrunde liegenden Faktoren sich auch i n den letzten Jahren nicht grundsätzlich geändert haben, so w i r d bereits daraus ersichtlich, welche Bedeutimg einem fehlenden Gewinn als Hindernis für eine investitionsbelebende W i r kung von Abschreibungsvergünstigungen zukommt. Schon angesichts des erheblichen Anteils der Unternehmen, die m i t einem steuerlichen Verlust abschließen, scheint Vorsicht angebracht bei der Einschätzung des voraussichtlichen Ausmaßes der positiven W i r k u n g von Abschreibungsvergünstigungen auf die Investitionstätigkeit. Die Einführung des Verlustrücktrages ist damit begründet worden, daß er zu einer alsbaldigen Steuerrückzahlung und damit zu einer Verbesserung der Liquidität führe, die vor allem kleinere Unternehmen i n der Rezession besonders nötig hätten 8 4 . Daneben wurde die Vermutung geäußert, daß der Verlustrücktrag die Rentabilität von neuen, mittels Investitionsrechnungen überprüften Investitionen erhöhen und auf diese Weise ebenfalls investitionsbelebend wirken könnte 3 5 . 33 Sie w i r d i m Drei-Jahres-Rhythmus erstellt. Die zuletzt veröffentlichte (für 1971) liegt leider bereits sechs Jahre zurück. VgL Gerhard Werbik: „ E i n kommen u n d Besteuerung der Körperschaften. Ergebnis der Körperschaftsteuerstatistik 1965", i n : Wirtschaft u n d Statistik, Jg. 1968, Heft 7, S. 339 ff.; Roland Schöffler, derselbe Titel, f ü r 1968, i n : Wirtschaft u n d Statistik, Jg. 1972, Heft 4, S. 220 ff., u n d Marianne Renz, derselbe Titel, f ü r 1971, i n : W i r t schaft u n d Statistik, Jg. 1975, Heft 7, S. 448 ff. 34 Vgl. Bundestags-Drucksache 7/4604. Vgl. obige Ergebnisse zur Insignifikanz der Unterschiede hinsichtlich der Liquiditätslage zwischen den Größenklassen. 35 Vgl. Gerhard Scherrer: „ Z u m Einfluß eines Verlustrücktrages auf die unternehmerische Investitionsentscheidung", i n : Horst Albach, Hermann Simon: Investitionstheorie u n d Investitionspolitik privater u n d öffentlicher Unternehmungen. Bericht v o n der wissenschaftlichen Tagung des Verbandes der Hochschullehrer f ü r Betriebswirtschaft e. V. v o m 20. bis 24. M a i 1975 i n Bonn, Wiesbaden 1976, S. 371 ff. (374 ff.).
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
73
Letztlich ist eine Überprüfung einer Aussage von Albach vorzunehmen, daß „ I n v e s t i t i o n e n . . . getätigt werden, wenn ein Unternehmen Gewinnerwartungen hegt, nicht dagegen, wenn es sich damit trösten kann, daß ein Teil der Verluste vom Staat übernommen w i r d " 3 6 . Es wurde zunächst folgende erste „Verlustrücktragshypothese" überprüft: Die Unternehmen nehmen zusätzliche Investitionen aufgrund der rentabilitätssteigenden Wirkung des Verlustrücktrages vor. Die Auswertung der Stichprobe ergab zusammengefaßt folgendes Ergebnis (vgl. Anlage 14): N u r fünf der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen nehmen zusätzliche Investitionen aufgrund der rentabilitätserhöhenden W i r kung des Verlustrücktrages vor. Dieses Ergebnis widerlegt die universelle Form der ersten „Verlustrücktragshypothese". Da der Verlustrücktrag auf die Höhe eines Verlustes von 5 Mio. D M beschränkt ist und damit für Großunternehmen weniger interessant sein dürfte, wurde eine zweite „Verlustrücktragshypothese" untersucht: Die Unternehmen der Größenklasse von 200—499 Beschäftigte nehmen zusätzliche Investitionen aufgrund der rentabilitätssteigernden W i r k u n g des Verlustrücktrages vor. Und: Die investitionsbelebende, w e i l rentabilitätssteigernde Wirkung des Verlustrücktrages nimmt m i t wachsender Unternehmensgröße ab. Die Auswertung ergibt zusammengefaßt folgendes B i l d (vgl. Anlage 15): 3 7
Die zweite „Verlustrücktragshypothese" trifft ebenfalls nicht zu: I n der niedrigsten Unternehmensgrößenklasse n i m m t nur eine verschwindende Minderheit, nämlich 2 °/o der Unternehmen, aufgrund der rentabilitätssteigernden W i r k u n g des Verlustrücktrages zusätzliche Investitionen vor. Als nicht ganz erwartet erscheint auch, daß i n der zweiten Unternehmensgrößenklasse auf dem 5°/o-Niveau signifikant mehr Unternehmen eine rentabilitätssteigernde und damit investitionsbelebende Wirkung des Verlustrücktrages vorweisen als i n der ersten bzw. dritten Größenklasse (Fisher-Test m i t einseitiger Fragestellung). Es verbleibt aber noch die Aufgabe, zu überprüfen, ob der Verlustrücktrag über eine Verbesserung der Liquiditätslage der Unternehmen investitionsbelebend w i r k t . Daher wurde eine dritte „Verlustrücktragshypothese" formuliert: δβ 87
ff. Albach, a.a.O. (FN 19), S. 156. Vgl. F N 33.
74
Hans E. Büschgen
Die Unternehmen nehmen zusätzliche Investitionen aufgrund der liquiditätsverbessernden W i r k i m g des Verlustrücktrages vor. Das Ergebnis der Uberprüfung ergab zusammengefaßt (vgl. Anlage 16): Nur 6 der 173 Unternehmen nehmen zusätzliche Investitionen aufgrund einer liquiditätsverbessernden Wirkung des Verlustrücktrages vor. Damit erscheint die dritte „Verlustrücktragshypo these" als widerlegt. Die Überprüfung einer vierten „Verlustrücktragshypothese" : Die Unternehmen der Größenklasse 200—499 Beschäftigte nehmen zusätzliche Investitionen vor aufgrund der liquiditätsverbessernden Wirkung des Verlustrücktrages. Und: Die investitionsbelebende, w e i l liquiditätsverbessernde Wirkung des Verlustrücktrages nimmt m i t der Unternehmensgröße ab, ergibt zusammengefaßt folgendes Ergebnis (vgl. Anlage 17): I n der ersten Größenklasse nehmen nur 4°/o der Unternehmen zusätzliche Investitionen aufgrund der liquiditätsverbessernden Wirkung des Verlustrücktrages vor. Damit erscheint der erste Teil der vierten „Verlustrücktragshypothese" als falsifiziert. Der zweite Teil der vierten „Verlustrücktragshypothese" kann ebenfalls nicht vertreten werden, da das Stichprobenergebnis auf dem 5 °/o-Niveau nicht signifikant der Nullhypothese einer Gleichverteilung der relativen Häufigkeiten über die einzelnen Größenklassen widerspricht (Fishers exakter Test m i t einseitiger Fragestellung). Es ist nun allerdings noch auf Einwände einzugehen, die m i t Hecht gegen die A r t der Überprüfung der dritten und vierten „Verlustrücktragshypothesen" erhoben werden können. Es wurde nämlich noch nicht beachtet, daß eine Bejahung der investitionsbelebenden, w e i l rentabilitäts- und liquiditätsverbessernden Wirkung des Verlustrücktrages gar nicht von allen Unternehmen erwartet werden konnte. Vielmehr war eine Bejahung einer investitionsbelebenden Wirkung nur von denjenigen Unternehmen zu erwarten, die tatsächlich den Verlust durch einen Rücktrag m i t einem Gewinn i m vorangegangenen Jahr verrechnen könnten. Bei weitem nicht alle Unternehmen weisen diese Kombination „1. Jahr: Gewinn — 2. Jahr: Verlust" auf. Den Prozentsatz der Unternehmen m i t dieser Kombination kann man m i t Hilfe der amtlichen Statistik zu ermitteln versuchen. Dabei kommt aus den schon angeführten Gründen eine Beschränkung auf die Untersuchung der Kapitalgesellschaften m i t Hilfe der Körperschaftsteuerstatistik in Frage. Diese Beschränkung auf Kapitalgesellschaften bietet sich auch schon aus dem Grunde an, weil bei den Personengesellschaften die durch den Verlustrücktrag bewirkten Steuerrückzahlungen nicht dem Unternehmen zufließen, sondern den Gesell-
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
75
schaftern, ohne daß diese unmittelbar zu einer Wiedereimzahlung des Gegenwertes der Steuerrückzahlung i n die Gesellschaftskasse verpflichtet wären 3 8 . Die Anzahl von Unternehmen m i t der Kombination „1. Jahr: Gewinn — 2. Jahr: Verlust" wurde zur Illustration für das Jahr 1975 ermittelt, das nach der gesetzlichen Vorschrift auch der Veranlagungszeitraum ist, auf den die Vorschrift des Verlustrücktrages erstmalig anzuwenden ist 3 9 : Verlustfälle insgesamt i n 1975 ·/· Anzahl von Unternehmen m i t Kombination „Verlust 1974 — Verlust 1975" ( = Verlustfälle aufgrund eines Verlustabzuges aus früheren Jahren lt. amtlicher Statistik) = Anzahl an Unternehmen m i t Kombination „Gewinn 1974 — Verlust 1975" 40 . Wenn man — wie oben erwähnt — unterstellt, daß die der Einkommensverteilung zugrunde liegenden Faktoren auch i n den letzten Jahren dieselben geblifeben sind, kann man anhand der Körperschaftsteuerstatistiken (bis einschließlich 1971) den A n t e i l der Kapitalgesellschaften m i t der Kombination „Gewinn 1974 — Verlust 1975" auf etwa 30 °/o der steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften schätzen. Aus den aus der hier vorliegenden Umfrage eingegangenen A n t w o r ten wurden, soweit identifizierbar, die Kapitalgesellschaften ausgesondert (vgl. Anlage 18) und ermittelt, wieviele von ihnen zusätzliche Investionen aufgrund der — wie es der Intention entsprach — investitionsbelebenden, w e i l rentabilitäts- und liquiditätsverbessernden W i r kung des Verlustrücktrages vorgenommen haben. Dies waren lediglich zwei der 64 identifizierten Kapitalgesellschaften. Hätten alle Kapitalgesellschaften m i t der Kombination „1. Jahr: Gewinn — 2. Jahr: Verlust" diese Wirkung bejaht, hätten es etwa 3 0 % der identifizierten 64 Kapitalgesellschaften sein müssen, also 19. Die dritte „Verlustrücktragshypothese" bleibt offensichtlich falsifiziert, auch wenn man also nur jene Unternehmen betrachtet, die aufgrund ihrer Gewinn-Verlust-Kombination eine investitionsbelebende Wirkung des Verlustrücktrages hätten bejahen müssen. 38 Vgl. Günther Felix: „Keine Wahlmöglichkeit zwischen Verlustvortrag u n d Verlustrücktrag", i n : Blick durch die Wirtschaft, Nr. 23, 28. 1. 1976, S. 5. 39 Vgl. § 52 Abs. 16 EStG 1975. 40 I n der Anzahl an Unternehmen m i t der K o m b i n a t i o n „ G e w i n n 1974 — Verlust 1975" sind allerdings noch jene, aber w o h l eine relativ unbedeutende Z a h l ausmachenden Unternehmen enthalten, die auch i n 1974 einen Verlust hatten, diesen aber wegen Ablaufs der Fünf-Jahres-Vortragsfrist nicht w e i ter vortragen können.
76
Hans E. Büschgen
Offenbar gibt es noch andere, bisher nicht erwähnte Hindernisse auf dem Wege einer rentabilitäts- und liquiditätsverbessernden Entfaltung des Verlustrücktrages: z. B. die gesetzliche Vorschrift, entstandene Verluste erst einmal durch Rücktrag und Verrechnung m i t dem Gewinn des Vorjahres abzugleichen zu versuchen und nur den dann noch nicht verrechneten Verlust zum Ausgleich durch Verlustvortrag und Verrechnung m i t den Gewinnen der nachfolgenden Jahre zuzulassen. Dieser Zwang zum Verlustrücktrag kann sich i n einigen Fällen aufgrund nachteiliger Steuerprogressionseffekte steuererhöhend auswirken 41 . Als ein weiteres Hindernis ist vielleicht die zeitliche Verzögerung der Steuererstattung durch eine relative Langwierigkeit des Veranlagungsverfahrens zu nennen 42 . Neben diesen Barrieren, die eine Verbesserung der Investitionsmöglichkeiten verhindern, steht die grundsätzliche Überlegung, ob nicht eine positive W i r k u n g des Verlustrücktrages auf die Investitionsneigung durch i n der Psychologie der Unternehmer liegende Schranken ausgeschlossen oder stark beeinträchtigt wird. Angesichts der entscheidenden Bedeutimg der Gewinnerwartungen für die Investitionsneigung der Unternehmer müßte es von vornherein fraglich sein, ob die rentabilitätserhöhende Wirkung des Verlustrücktrages überhaupt Beachtung findet. Einiges spricht nämlich dafür, daß größere Investitionsvorhaben, die i m Verlaufe ihrer Lebensdauer auch nur m i t einer gewissen Wahrscheinlichkeit Verluste aufweisen, schon gar nicht i n die engere Auswahl der genauer zu untersuchenden Investitionsprojekte einbezogen werden 43 . Nach der Behandlung der fiskalischen Maßnahmen „Abschreibungsvergünstigungen" und „Verlustrücktrag" bleibt also abschließend nur noch festzustellen, daß beide keine „Allheilmittel" darstellen, sondern wahrscheinlich weniger positiv auf die Investitionstätigkeit wirken als offenbar vielfach erwartet. Während grundsätzlich ein konjunkturell inflexibles (wenn nicht sogar antizykliSches) Investitionsverhalten, das zur Stabilisierung der K o n j u n k t u r beitragen könnte, erwünscht ist, scheint umgekehrt i m Zusammenhang m i t konjunkturbeeinflussenden (fiskalischen) Maßnahmen ein flexibles Investitionsverhalten w ü n schenswert. Beide Wünsche stehen jedoch offensichtlich i n einem Span41 Vgl. Norbert Cirsovius: Der Verlustrücktrag, Stuttgart-Wiesbaden 1976, S. 31 ff. 42 Vgl. G. Felix: a.a.O. (FN 3). 43 Vgl. auch Lutz Haegert; Rainer Kramm: „Die Bedeutung des steuerlichen Verlustrücktrages f ü r die Rentabilität u n d das Risiko v o n Investitionen", i n : ZfbF, 23. Jg. (1977), S. 203 ff., die ebenfalls (theoretisch) darstellen, daß der Verlustrücktrag eine n u r geringe investitionsbelebende W i r k u n g haben kann, da er das Investitionsrisiko n u r geringfügig mindert u n d die Nettoerträge der Investitionsprojekte n u r unbedeutend erhöht.
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
77
nungsverhältnis zueinander, w i r d doch eine (fiskalische) Beeinflussung der Investitionstätigkeit über dieselben Determinanten (wie z.B. Gewinn, Liquidität) versucht, die sich auch i m Konjunkturverlauf ändern und dort dann eben teilweise zu dem unerwünschten prozyklischen Investitionsverhalten führen. — Lediglich hingewiesen sei auch auf den nur schwer erforschbaren (kombinierten) Einfluß von Geldentwertung und Besteuerung auf den unternehmerischen Investitionskalkül. Vielleicht entfalten die beiden hier diskutierten fiskalischen Maßnahmen, nämlich Abschreibungsvergünstigungen und Verlustrücktrag, eine insgesamt stärker investitionsbelebende Wirkung dann, wenn sie für einen längeren Zeitraum beibehalten werden und nicht, wie i n ähnlichen Fällen oft geschehen, relativ bald wieder ausgesetzt werden: Denn i n dem Falle der längerfristigen Beibehaltung solcher Maßnahmen würden vielleicht mehr Unternehmen den auch organisatorischen Aufwand auf sich nehmen, auch diese fiskalischen Maßnahmen als beeinflussende Variablen i n ihren Investitionsplanungen zu berücksichtigen.
78
Hans E. Büschgen Anlage 1 Verteilung der Stichprobengesamtheit über die einzelnen Schichten (Anzahl der Unternehmen) Größenklasse (Beschäftigte)
Sektoren 200—499
Bergbau
über 1000
500—999
Σ
3
1
3
7
Grundstoff- u n d Produktionsgüterindustrie
40
14
13
67
Investitionsgüterindustrie
80
31
25
136
Verbrauchsgüterindustrie
51
12
4
67
Nahrungs- u n d Genußmittelindustrie
16
5
2
23
190
63
47
300
Σ
Anlage 2 a Verteilung der Antworten über die einzelnen Schichten Größenklasse (Beschäftigte) 200—499
500—999
über 1000
Σ
100 (52,6 °/o)
34 (54,0 % )
36 (76,6 °/o)
173 (57,7 % ) *
* Die Größenklasse von drei Unternehmen ließ sich nicht ermitteln.
Anlage 2 b Verteilung der Antworten über die einzelnen Schichten Sektoren Bergbau
Grundst. &PG.
Invest. G.
VerbrauchsG.
Nah. & Ge.
2
4 (57,1 % )
34 (65,4 % )
73 (52,1 °/o)
49 (62,8 °/o)
10 (43,5 °/o)
173 (57,7 °/o)
* Die Sektorenzugehörigkeit von drei Unternehmen ließ sich nicht ermitteln.
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
79
Anlage 3
Rhythmus der Investitionsentscheidung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße Z a h l der Fälle Größenklasse (Beschäftigte) Rhythmus, i n dem über die Vornahme v o n Investitionsprojekten entschieden w i r d
200—499
500—999
über 1000
°/α
absol.
31
(31)
Jährlich, daneben aber auch i m mehrjährigen Rhythmus
3
(3)
—
(-)
—
n u r i m mehrjährigen Rhythmus
1
(1)
—
(-)
2,8
(1)
jährlich, aber auch w a n n immer es aufgrund veränderter Umstände nötig/empfehlenswert erscheint
21
(21)
32,4
(11)
38,9
(14)
w a n n immer es aufgrund veränderter Umstände nötig/empfehlenswert erscheint
43
(43)
23,5
(8)
13,9
(5)
(-)
2,8
(1)
n u r jährlich
jährlich, m e h r j ä h r i g u n d w a n n i m m e r es aufgrund veränderter Umstände nötig/empfehlensw e r t erscheint anderer Rhythmus Σ
°/α
absol.
°/o
absol.
44,1
(15)
41,7
(15)
(-) 1
(1)
100
(100)
—
100
(-) (34)
—
100
(-)
(-) (36)
Hans E. Büschgen
80
Anlage 4
Reaktion auf eine veränderte Konjunkturlage hinsichtlich Investitionsvolumen und -vorhaben in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße Z a h l der Fälle A u f eine veränderte K o n j u n k t u r reagieren . . . ( . . . ' % der) U n t e r nehmen (der einzelnen Größenklassen), indem sie
Größenklasse (Beschäftigte) 200—499
°/o
absol.
500—999
über 1000
°/o
absol.
°/o
absol.
Investitionsvolumen u n d Investitionsvorhaben grundsätzlich beibehalten u n d lediglich die Termine f ü r die Durchführung bestimmter, eingeplanter Investitionen vorziehen (Aufschwung) bzw. hinausschieben (Rezession)
26,0
(26)
20,6
(7)
50,0
(18)
Investitionsvolumen u n d Investitionsvorhaben grundlegend überdenken u n d überarbeiten
68,0
(68)
67,6
(23)
41,7
(15)
sowohl Investitionsvolumen u n d -vorhaben grundlegend überdenken als auch die Termine f ü r beibehaltene Projekte verschieben
3,0
(3)
11,8
(4)
8,3
(3)
Andere A n t w o r t
2,0
(2)
—
(-)
—
(-)
Keine A n t w o r t
1,0
(1)
—
(-)
—
(-)
100
(100)
Σ
100
(34)
100
(36)
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
81
Anlage 5
Änderung der an die Investitionsprojekte gestellten Anforderungen im Konjunkturverlauf Z a h l der Fälle . . . ( . . . °/o der 173) Unternehmen reagieren auf ein i m K o n j u n k t u r verlauf verändertes Investitionsrisiko derart, daß sie . . .
Ja
Keine Antwort
Nein
°/o
absol.
°/o
absol.
°/o
absol.
die von den Investitionsvorhaben geforderte Amortisationsdauer verkürzen (Rezession) bzw. verlängern (Aufschwung)
22,0
(38)
58,4
(101)
19,6
(34)
den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinsfuß f ü r die Uberprüfung dieser Investitionsvorhaben erhöhen (Rezession) bzw. senken (Aufschwung)
22,0
(38)
49,7
(86)
28,3
(49)
KA
Ja
Nein
KA
26,5 °/o (34) (9)
29,4 °/o (10)
44,1 °/o (15)
Nein
58.3 °/o (21)
66,7 % (5)
Nein
19,4 °/o (24)
27,8 °/o (10)
Ja
iihpr ιοοο über 1000
den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinsfuß für die Überprüfung dieser Investitionsvorhaben erhöhen (Rezession) bzw. senken 18 °/o 48 °/o 34 °/o (Aufschwung) (18) (48)
Ja
500—999 500—yyy
52,9 °/o 26,5 °/o (18) (9) (7)
''·
200—499 2üü—4yy
Unternehmensgröße (Beschäftigte) Zahl der Fälle (°/o und [absolut])
die von den Investitionsprojekten geforderte Amortisationsdauer verkürzen (Rezession) bzw. ver23 °/o 57 °/o 20 °/o 20,6 °/o längern (Aufschwung) (23) (57) (20) (7)
daß sie
tes Investitionsrisiko derart,
...(... °/o der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) reagieren auf ein im Konjunkturverlauf veränder-
13,9 %
13,9 °/o (5)
KA
Änderung der an die Investitionsprojekte gestellten Anforderungen im Konjunkturverlauf in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
Anlage 6
82 Hans E. Büschgen
Anlageinvestitionen im Konjunktur ver lauf
83
Anlage 7
Zinseinfluß auf die Investitionsentscheidung Z a h l der Fälle ein sinkender Kapitalmarktzins folgende W i r k u n g :
°/o
absolut
Keine W i r k u n g auf die Beurteilung der einzelnen Investitionen
70,5
122
Die den einzelnen Investitionen anzulastenden Zinskosten werden entsprechend gesenkt
19,7
34
Die den einzelnen Investitionen anzulastenden Zinskosten werden nicht entsprechend vollständig gesenkt
3,5
6
Keine A n t w o r t
6,3
11
100,0
173
Σ
Anlage 8
Zinseinfluß auf die Investitionsentscheidung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße Zahl der Fälle Unternehmensgröße (Beschäftigte)
Bei ( °/o der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) hat ein sinkender K a p i t a l marktzins folgende W i r k u n g :
200—499 °/o
500—999
über 1000
absol.
°/o
absol.
°/o
absol.
I Keine W i r k u n g auf die Beurteilung der einzelnen Investitionen
67,0
(67)
76,5
(26)
75,0
(27)
Die den einzelnen Investitionen anzulastenden Zinskosten werden entsprechend gesenkt
22,0
(22)
17,6
(6)
16,7
(6)
Die den einzelnen Investitionen anzulastenden Zinskosten w e r den nicht entsprechend v o l l ständig gesenkt
5,0
(5)
Keine A n t w o r t
6,0
(6)
5,9
(2)
8,3
(3)
100
(100)
100
(34)
100
(36)
Σ
(-)
(-)
Hans E. Büschgen
84
Anlage 9
Liquiditätslage in den Jahren 1974—76 Z a h l der Fälle* I n den Jahren 1974—76 mußten . . . ( . . . °/o der 173) Unternehmen auf die Vornahme eines Teils der erwünschten bzw. n o t wendigen Investitionen verzichten, w e i l
Jahr 1975
1974
°/o
absol.
°/o
1976
absol.
°/o
absol.
es ihnen an ausreichender, aus dem Umsatzprozeß hereinfließender L i q u i d i t ä t mangelte
39
50
42
die Fremdverschuldung zurückgeführt werden mußte
24
31
25
es an ausreichendem neuen Fremdkapital mangelte
13
14
10
es an ausreichendem neuen Eigenkapital zur Einlage i m Unternehmen mangelte
30
34
34
Zwischensumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
30,6
53
38,2
66
28,9
50
sie es ablehnten, durch die zusätzliche Aufnahme v o n Fremdkapital zusätzliche Risiken einzugehen
48
55
48
sie es als vordringlich ansahen, die L i q u i d i t ä t des Unternehmens zu verstärken zur V o r sorge gegen ein gewachsenes Insolvenzrisiko
52
57
50
Andere Begründung
2
2
2
Keine Begründung
3
4
3
Totalsumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
45,1
78
53,8
Mehrfachnennungen in den einzelnen Antwortzeilen möglich.
93
43,3
75
Anlageinvestitionen im Konjunktur verlauf
85
Anlage 10
Liquiditätslage in den Jahren 1974—76 in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße I n den Jahren 1974—76 mußten . . . ( . . . der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) auf die Vornahme eines Teils der erwünschten bzw. notwendigen Investitionen verzichten, weil
Z a h l der Fälle (in °/o u n d absolut) Unternehmensgröße (Beschäftigte) Jahr 1974 200—499
500—999
%
°/o
ab
ab
über 1000 ®/o
ab
es ihnen an ausreichender, aus dem Umsatzprozeß hereinfließender L i q u i d i t ä t mangelte
25
8
6
die Fremdverschuldung zurückgeführt werden mußte
15
4
5
9
1
3
19
8
5
es an ausreichendem neuen Fremdkapital mangelte es an ausreichendem neuen Eigenkapital zur Einlage i m Unternehmen mangelte Zwischensumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
34,0
34
29,4
10
22,2
8
sie es ablehnten, durch die zusätzliche Aufnahme von Fremdk a p i t a l zusätzliche Risiken einzugehen
32
8
8
sie es als vordringlich ansahen, die L i q u i d i t ä t des Unternehmens zu verstärken zur V o r sorge gegen ein gewachsenes Insolvenzrisiko
33
10
8
Andere Begründung
—
2
Keine Begründung
—
2
Totalsumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
46,0
46
50,0
17
—
1 41,7
15
Hans E. Büschgen
86
Anlage
10 a
Liquiditätslage in den Jahren 1974—76 in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße I n den Jahren 1974—76 mußten . . . ( . . . der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) auf die Vornahme eines Teils der erwünschten bzw. notwendigen Investitionen verzichten, weil
Z a h l der Fälle (in °/o u n d absolut) Unternehmensgröße (Beschäftigte) Jahr 1975 200—499
500—999
über 1000
%
%
°/o
ab
ab
ab
es ihnen an ausreichender, aus dem Umsatzprozeß hereinfließender L i q u i d i t ä t mangelte
31
9
9
die Fremdverschuldung zurückgeführt werden mußte
22
4
6
8
2
4
20
7
7
es an ausreichendem neuen Fremdkapital mangelte es an ausreichendem neuen Eigenkapital zur Einlage i m Unternehmen mangelte Zwischensumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
43,0
43
35,3
12
27,8
10
sie es ablehnten, durch die zusätzliche Aufnahme von Fremdk a p i t a l zusätzliche Risiken einzugehen
34
10
9
sie es als vordringlich ansahen, die L i q u i d i t ä t des Unternehmens zu verstärken zur V o r sorge gegen ein gewachsenes Insolvenzrisiko
37
10
11
Andere Begründung
—
Keine Begründung Totalsumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
2 54,0
54
61,8
2
—
2
—
21
47,2
17
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf Anlage
87
10 b
Liquiditätslage in den Jahren 1974—76 in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße I n den Jahren 1974—76 mußten . . . ( . . . der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) auf die Vornahme eines Teils der erwünschten bzw. notwendigen Investitionen verzichten, weil
Z a h l der Fälle (in °/o u n d absolut) Unternehmensgröße (Beschäftigte) Jahr 1976 200—499 °/o
ab
5 0 0 - -999
ab
%
über 1000 °/o
ab
es ihnen an ausreichender, aus dem Umsatzprozeß hereinfließender L i q u i d i t ä t mangelte
25
10
8
die Fremdverschuldung zurückgeführt werden mußte
14
5
5
6
1
3
19
7
7
es an ausreichendem neuen Fremdkapital mangelte es an ausreichendem neuen Eigenkapital zur Einlage i m Unternehmen mangelte Zwischensumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
31,0
31
32,4
11
8
22,2
sie es ablehnten, durch die zusätzliche Aufnahme von Fremdk a p i t a l zusätzliche Risiken einzugehen
29
10
9
sie es als vordringlich ansahen, die L i q u i d i t ä t des Unternehmens zu verstärken zur V o r sorge gegen ein gewachsenes Insolvenzrisiko
29
11
11
Andere Begründung
—
Keine Begründung Totalsumme nach Bereinigung von Mehrfachnennungen
2 2
42,0
42
—
—
50,0
17
—
41,7
15
45,8 °/o (33)
36,4 °/o (12)
36,7 °/o (18)
34,7 % (25)
54,5 °/o (18)
29,2 °/o (15)
IG IV
28,6 °/o (21)
54,2 °/o 44,9 °/o 45,5 °/o 38,9 °/o 34,7 °/o (39) (22) (15) (28) (17)
26,5 °/o 45,5 % 44,4 °/o 34,7 °/o 45,5 °/o (13) (15) (32) (17)
IG III
Industriehauptgruppe
(14)
Hans E. Büschgen
y IG II = Grundstoff- und Produktionsgüterindustrie IG III = Investitionsgüterindustrie IG IV = Verbrauchsgüterindustrie
•Wegen unzureichender Besetzung der Felder „Bergbau" und „Nahrungs- und Genußmittelindustrie" wurde auf deren Auswertung verzichtet.
es ihnen an ausreichender Liquidität aus den oben genannten Quellen mangelte und sie es ablehnten, durch die zusätzliche Aufnahme von Fremdkapital zusätzliche Risiken einzugehen bzw. weil sie angesichts eines gewachsenen Insolvenzrisikos die Stärkung der Unternehmensliquidität als vordringlich 42,4 °/o ansahen (14)
es ihnen an ausreichender Liquidität aus dem Umsatzprozeß, ausreichendem Fremdbzw. Eigenkapital mangelte
In den Jahren 1974—76 mußten Zahl der Fäiie (in ·/. und [absolut]) ...(...% der) Unternehmen (in den einzelnen Industrie— hauptgruppen) auf die VorIndustriehauptgruppe Industriehauptgruppe nähme eines Teils der er1974 1975 1976 wünschten bzw. notwendigen • Investitionen verzichtenweil ... IG Ily IG III IG IV IG II IG III IG IV IG II
Liquiditätslage in den Jahren 1974—76 in Abhängigkeit von den Industriehauptgruppen*
Anlage 11 88
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
89
Anlage 12
Einfluß eines sinkenden Kapitalmarktzinses auf die Aufnahme zusätzlicher Finanzmittel . . . ( . . . °/o der 122) Unternehmen, die sich i n der Beurteilung einzelner Investitionen nicht durch einen sinkenden Kapitalmarktzins beinflussen lassen, nehmen bei sinkendem K a p i t a l m a r k t zins . . .
Zahl der Fälle
°/o
absolut
keine zusätzlichen Finanzmittel auf i m Wege der Außenfinanzierung
25,4
(31)
zusätzliche Finanzmittel auf i m Wege der Außenfinanzierung
18,0
(22)
Keine A n t w o r t
56,6
(69)
90
H a n s E. Büschgen Anlage
13
E i n k o m m e n s v e r t e i l u n g der körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften g e m ä ß a m t l i c h e r Körperschaftssteuerstatistik 1965
1971
1968
absol.
°/o
absol.
°/o
absol.
%
Steuerpflichtige insgesamt
67152
100,0
75 197
100,0
88 933
100,0
Verlustfälle insgesamt
24 113
35,9
30113
40,0
35 753
40,2
Laufende Verlustfälle
17 338
25,8
22 257
29,5
26 405
29,6
Verlustfälle aufg r u n d eines Verlustabzuges
6 375
10,1
7 856
10,5
9 348
10,6
Mit Einkommen veranlagte Steuerpflichtige
43 039
64,1
45 084
60,0
53180
59,8
u n t e r 12 000
18 562
27,6
19 948
26,5
23 045
25,9
12 000—50 000
11171
16,6
11259
14,9
12 818
14,4
50 000—100 000
4 047
6,0
4 066
5,4
5 006
5,6
100 000—200 000
3 024
4,5
3 128
4,1
3 925
4,4
200 000—500 000
2 802
4,1
2 877
3,8
3 622
4,0
500 000—1 M i o .
1 389
2,0
1445
1,9
1913
2,1
1 M i o — 2 Mio.
914
1,3
1038
1,3
1275
1,4
2 Mio.—5 Mio.
637
0,9
714
0,9
900
1,0
5 Mio.—10 Mio.
240
0,4
282
0,4
346
0,4
10 M i o . — 2 0 M i o .
117
0,2
163
0,2
183
0,2
20 M i o . u . m e h r
136
0,2
164
0,2
147
0,2
Quelle: Werbik, Gerhard: „Einkommen und Besteuerung der Körperschaften. Ergebnis der Körperschaftsteuerstatistik 1965", in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 1968, Heft 7, S. 339 ff., Schöffler, Roland: „Einkommen und Besteuerung der Körperschaften. Ergebnis der Körperschaftsteuerstatistik 1968", in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 1972, Heft 4, S. 220 ff., Renz, Marianne: „Einkommen und Besteuerung der Körperschaften. Ergebnis der Körperschaftsteuerstatistik 1971", in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 1975, Heft 7, S. 448 ff.
Anlageinvestitionen im Konjunkturverlauf
91
Anlage 14 Investitionsbelebende Wirkung des Verlustrücktrages über eine Rentabilitätssteigerung
Z a h l der Fälle
. . . ( . . . % der 173) Unternehmen nehmen zusätzliche Investitionen vor, w e i l . . .
der Verlustrücktrag rentabilitätssteigernde Wirkungen auf diese Investitionen hat
°/o
absolut
2,9
5
Anlage 15 Investitionsbelebende Wirkung des Verlustrücktrages über eine Rentabilitätssteigerung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
. . . ( . . . % der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) nehmen zusätzliche Investitionen vor, w e i l . . .
der Verlustrücktrag rentabilitätssteigernde Wirkungen auf diese Investitionen hat
Zahl der Fälle Unternehmensgröße (Beschäftigte) 200—499
500—999
°/o
absol.
°/o
absol.
2,0
(2)
11,8
(4)
über 1000 absol.
%
(-)
—
Anlage 16 Investitionsbelebende Wirkung des Verlustrücktrages über eine Liquiditätsverbesserung
Zahl der Fälle . . . ( . . . % der 173) Unternehmen nehmen zusätzliche Investitionen vor, w e i l
der Verlustrücktrag durch den Liquiditätsgewinn die Finanzierung dieser Investition erlaubt
°/o
absolut
3,5
(6)
92
Hans E. Büschgen Anlage 17 Investitionsbelebende Wirkung des Verlustrücktrages über eine Liquiditätsverbesserung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
. . . ( . . . % der) Unternehmen (in den einzelnen Größenklassen) nehmen zusätzliche Investitionen vor, w e i l . . .
der Verlustrücktrag durch den Liquiditätsgewinn die Finanzierung dieser Investitionen erlaubt
Z a h l der Fälle Unternehmensgröße (Beschäftigte) 200—499
500—999
°/o
absol.
°/o
abs.
4,0
(4)
4,4
(2)
über 1000 °/o
T
abs.
(-)
Anlage 18 Unterscheidung der Stichprobe und des Rücklaufs, soweit identifizierbar, nach der Rechtsform Stichprobe abgesandt
eingegangen u n d identifiziert
Gesamtzahl
300
140
davon: Kapitalgesellschaften
137
64
163
76
Andere Rechtsformen
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen dargestellt am Beispiel der Anlageinvestitionen V o n Wolfgang
Gerstenberger
A m 8. J u n i 1967 trat das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums i n Kraft. Dieses Gesetz brachte für Bund und Länder i m Vergleich zu den 50er und 60er Jahren eine stärkere Verantwortung für den Wirtschaftsablauf. Die Gebietskörperschaften wurden nicht nur zu einer konjunkturgerechten Haushaltsführung verpflichtet. Der Bundesregierung wurden auch einige Instrumente zur Beeinflussung der privaten Konsum- und Investitionsentscheidungen i m Falle von konjunkturellen Fehlentwicklungen an die Hand gegeben. I m folgenden soll die Wirkung der verschiedentlich ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Beeinflussung der privaten Investitionstätigkeit näher untersucht werden. Ich beschränke mich dabei auf die Analyse der Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit der Industrie, da nur für diesen Bereich auch empirisches Material zur Reaktion auf konjunkturpolitische Eingriffe i n die Investitionsentscheidungen zur Verfügung steht. Die Industrie tätigt rd. ein Viertel aller Investitionen i m Unternehmenssektor und ist damit, abgesehen vom Sektor Wohnungsvermietung, der bedeutendste Investor. Trotzdem sind für diesen Bereich festgestellte Wirkungen konjunkturpolitischer Maßnahmen auf die Investitionstätigkeit nicht unbedingt auf andere Wirtschaftsbereiche zu übertragen. Zumindest ist dabei stets zu beachten, inwieweit ein Ergebnis von den spezifischen Produktions- und Absatzbedingungen der Industrie beeinflußt ist. I m einzelnen werden i n die Untersuchung einbezogen — die zeitweise Aussetzung der degressiven Abschreibung 1 und die Einführung eines [befristeten] rückzahlbaren Zuschlags i n Höhe von 10 °/o der Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld 2 i m Jahre 1970, — die Maßnahmen des 2. Stabilitätsprogramms der Bundesregierung 3 vom Mai 1973, (Erhebung einer Stabilitätsabgabe i n Höhe von 10 °/o 1 Zweite Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen v o m 21. J u l i 1970. 2 BGB1. I 1970, S. 1125. 3 B u l l e t i n der Bundesregierung Nr. 53 vom 11. 5.1973.
Wolfgang Gerstenberger
94
der Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld i m Zeitraum 1. 7. 1973 bis 30. 6. 1974, Einführung einer Investitionssteuer i n Höhe der Mehrwertsteuer auf die Dauer von zwei Jahren, Aussetzung der degressiven Abschreibung für bewegliche Güter des Anlagevermögens, die i n der Zeit vom 9. 5.1973 bis zum 30. 6. 1974 in Auftrag gegeben wurden.) — die Investitionsförderungsmaßnahmen des Programms „Stabilitätsgerechter Aufschwung" vom Dezember 19744. Kernstück dieses Programms bildete die befristete Einführung einer Investitionszulage von 7,5 °/o der Anschaffungs- und Herstellungskosten. Die Gewährung der Zulage setzte bei beweglichen Gütern des Anlagevermögens voraus, daß die Bestellung i m Zeitraum 1. Dezember 1974 bis 31. Juni 1975 und die Lieferung bzw. Fertigstellung bis spätestens 30. Juni 1976 erfolgte. Gebäude wurden begünstigt, wenn i m erstgenannten Zeitraum die Baugenehmigung beantragt wurde und die Fertigstellung vor dem 1. J u l i 1977 lag. Den genannten konjunkturpolitischen Maßnahmen ist gemeinsam, daß sie von vornherein zeitlich befristet waren. Das Ziel der Eingriffe war dementsprechend nicht die substantielle Veränderung der Bedingungen für die Investitionsentscheidungen. Die Maßnahmen sollten nur die zeitliche Verteilung der Investitionen i n Richtung auf eine Glättung der konjunkturellen Ausschläge verändern. Eine derartige Glättung der konjunkturellen Schwankungen i n der Investitionsnachfrage ohne Änderung der Investitionstätigkeit auf mittlere und längere Sicht setzt voraus, daß die mittel- und langfristige Investitionsquote unabhängig von den konjunkturellen Ausschlägen ist. Dies wäre zu erwarten, wenn stets auf einen kräftigen Boom der Investitionstätigkeit ein ebenso kräftiger konjunktureller Rückschlag, auf einen milden Investitionsaufschwung hingegen stets ein entsprechend milder Rückgang der Investitionen folgen würde. Diese strenge Abhängigkeit zwischen der Intensität der A u f - und Abschwünge i n der Investitionstätigkeit kann empirisch nicht nachgewiesen werden. I n der Bundesrepublik ist eher umgekehrt die Konstellation kräftiger Boom — milde Rezession und milder Aufschwung — kräftige Rezession zu beobachten. Die Gründe hierfür liegen i m Multiplikator-Akzeleratorzusammenhang, i n den stärkeren Rationalisierungsimpulsen nach kräftigen Aufschwungsphasen (starker Kostenauftrieb) sowie i n der Tatsache, daß die Investitionen zeitlich nicht unabhängig voneinander sind (Problem der Folgeinvestitionen). Nach dieser Überlegung muß i n Frage gestellt werden, ob eine zeitliche Verlagerung der Investitionsnachfrage ohne Änderung der mittel- und längerfristigen Investitionstätigkeit möglich ist. 4
B u l l e t i n der Bundesregierung Nr. 153 vom 16. Dez. 1974.
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen
95
I. Theoretische Überlegungen zur Wirkung der konjunkturpolitischen Maßnahmen Die Nachfrage der Unternehmen nach Bauten und Ausrüstungsgütern hängt ab von den Absatzerwartungen, der erwarteten Preis- und Kostenentwicklung und dem Bedarf an Ersatzinvestitionen. Die neoklassische Investitionstheorie 5 bringt diese Einflußgrößen formal i n folgenden Zusammenhang:
(1)
INt = β
et
Ot — - ^ - O t - i ) + δ Kt-.i W-i
β
= Produktionselastizität des Faktors K a p i t a l
Ρ
=
c
= Preis der Kapitalnutzung
Ο
=
Produktionsniveau
δ
=
Verschrottungsrate
Κ
=
Kapitalbestand
t
=
Zeitperiode
Produktpreis
Die konjunkturpolitischen Maßnahmen haben primär zu einer zeitweiligen Veränderung des Preises der Kapitalnutzung geführt. A u f den Preis der Kapitalnutzung w i r k e n neben dem Preis der Investitionsgüter, der Abnutzungsrate und dem Verzinsungssatz für Eigenund Fremdkapital die Höhe des Satzes der Einkommen- und Körperschaftsteuer und des steuerlichen Abschreibungssatzes®. Eine Senkung des steuerlichen Abschreibungssatzes — und dies bedeutet ein Ubergang von der degressiven zur linearen Abschreibung —, eine Erhöhung des direkten Steuersatzes (Konjunkturzuschlag) sowie eine Erhöhung der Investitionsgüterpreise (Invistitionssteuer) führen ceteris paribus zu einer Erhöhung des Preises der Kapitalnutzung. Umgekehrt bedeutet die Investitionszulage eine Senkung des Anschaffungspreises und damit auch eine Senkung von ct. Ein Blick auf Gleichung (1) zeigt, daß die Erhöhung des Preises der Kapitalnutzung eine Minderung, eine Senkung umgekehrt eine Verstärkung der Nachfrage nach Investitionsgütern nach sich zieht. Nach der neoklassischen Investitionstheorie 5 Vgl. D. W. Jorgenson: The Theory of Investment Behaviour, i n : Déterminantes of Investment Behaviour, hrsg. v o m NBER, New Y o r k 1967, S. 129 ff. e I m einzelnen vgl. hierzu D. W. Jorgenson u n d J. A. Stephenson: Investment Behaviour i n U.S. Manufacturing, 1947—1960, i n : Econometrica Vol. 35, Nr. 2, S. 186.
96
Wolfgang Gerstenberger
würden demnach stets die erwünschten Reaktionen auf die konjunkturpolitischen Eingriffe erfolgen. Auch die beabsichtigte zeitliche Verlagerung der Nachfrage würde realisiert, da die Aufhebung der Maßnahmen die jeweils entgegengesetzte Wirkung auf den Preis der Kapitalnutzung haben. Es ist jedoch fraglich, ob die neoklassische Investitionstheorie ohne weiteres auf die vorliegende Problemstellung angewandt werden kann. Die Bedenken stützen sich dabei weniger auf die rigiden Annahmen (z. B. keine Unsicherheit über die Zukunft), die Gleichung (1) zugrunde liegen. Bei der Ableitung von Gleichung (1) w i r d angenommen, daß die Unternehmen eine gegebene Änderung der Steuer- und Abschreibungssätze stets als für die weitere Zukunft gültig erachten. Die A n wendung dieser Theorie auf zeitlich befristete Datenänderungen erscheint damit problematisch. Die theoretische Analyse der W i r k u n g der konjunkturpolitischen Eingriffe muß vielmehr gerade die zeitliche Befristung der Maßnahmen berücksichtigen. Dabei erscheint es zweckmäßig davon auszugehen, daß die Unternehmen zu jedem Zeitpunkt über ein Investitionsprogramm verfügen, das alle für die Investitionsentscheidung relevanten Einflußfaktoren, wie Absatzerwartungen, erwartete Preis- und Kostenentwicklung, unternehmenspolitische Zielsetzungen, Finanzierungsmöglichkeiten widerspiegelt. I m Fall des konjunkturpolitischen Eingriffs, der die Rentabilität der Investitionsvorhaben und eventuell die Finanzierungsmöglichkeiten verändert, steht dann jedes Unternehmen vor der Frage, ob es sich lohnt, vom ursprünglich vorgesehenen Vollzug des Investitionsprogramms i m Zeitablauf abzuweichen. Eine Veränderung lohnt sich immer dann, wenn die Kosten der Veränderung kleiner sind als die Kosten bzw. der entgangene Gewinn bei Beibehaltung des Investitionsprogramms i n der ursprünglichen Form. I m Fall der Aussetzung der degressiven Abschreibungen sind z. B. die daraus resultierenden Liquiditäts- und Zinsnachteile sowie die dam i t verbundene Vergrößerung des Investitionsrisikos 7 abzuwägen gegen die Kosten einer Verschiebung der Realisierung des Investitionsprogramms auf einen späteren Zeitraum. Diese Kosten setzen sich zusammen aus dem entgangenen Gewinn durch eine spätere Produktionsaufnahme und/oder spätere Realisierung von Kostensenkungen. Hinzu kommt die eventuelle Erhöhung der Beschaffungs- und Finanzierungskosten zu einem späteren Zeitpunkt. I m Fall der zeitlich befristeten 7 Vgl. hierzu i m einzelnen R. Lenk, R. Par sehe u n d G. Spanakakis: Die W i r k u n g e n einnahmepolitischer Konjunkturmaßnahmen auf die private I n vestitions- u n d Konsumnachfrage, Studien zur Finanzpolitik, Nr. 19, hrsg. v o m Ifo-Institut, München 1975, S. 42 ff.
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen
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Investitionsförderung w i r d das einzelne Unternehmen nur dann eine zeitliche Raffung des Investitions-Programms vornehmen, wenn die daraus entstehenden Kosten einer vorübergehenden Überkapazität und/ oder aus Reibungsverlusten mehr als ausgeglichen werden. Aus diesen Überlegungen folgt, daß die Reaktion auf einen bestimmten konjunkturpolitischen Eingriff ganz entscheidend vom allgemeinen ökonomischen Umfeld abhängt Wenn die Unternehmen ein kräftiges Nachfragewachstum und/oder deutliche Kostensteigerungen erwarten, w i r d ihre Reaktion auf einen restriktiven konjunkturpolitischen Eingriff schwächer ausfallen als wenn die Kosten einer zeitlichen Strekkung der Investitionsvorhaben angesichts gedämpfter oder unsicherer Absatzerwartungen als gering erachtet werden. Für den F a l l der Investitionsförderung gilt analoges. Das allgemeine ökonomische Umfeld ist jedoch nicht nur für die Reaktion auf den konjunkturpolitischen Eingriff entscheidend. Es bebestimmt auch maßgeblich, ob i m Fall der erwünschten Reaktion auch tatsächlich nach dem Ende des Eingriffs die erwünschten Gegenreaktionen erfolgen. So müssen nach Ablauf der Frist für den restriktiven Eingriff durchaus nicht alle zurückgestellten Investitionsvorhaben realisiert werden. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der restriktiven Konjunkturpolitik könnten ζ. B. die Absatzerwartungen gedämpft worden sein. I n diesem Fall würden ursprünglich nur zurückgestellte Investitionsvorhaben möglicherweise endgültig fallengelassen. Besonders problematisch ist i n diesem Zusammenhang die befristete Investitionsförderung. Das zeitliche Raffen der i n der Rezessionsphase regelmäßig ohnehin nicht umfangreichen Investitionsprogramme ist überhaupt nur erfolgversprechend, wenn bis zum Fristablauf mit hinreichender Sicherheit positive Veränderungen i n den Investitionsdeterminanten zu erwarten sind. Die Maßnahme ist immer dann wirkungsvoll, wenn die positive Änderung i m wesentlichen unabhängig von dem konjunkturpolitischen Impuls für die Investitionstätigkeit ist (ζ. B. Belebung der Exporte, nachhaltige Verringerung des Kostenauftriebs). Hängt die positive Veränderung des Datenkranzes dagegen maßgeblich von den Anstoßwirkungen der Investitionsförderungsmaßnahme ab, so kann sogar der gegenteilige Effekt auftreten: Da die Unternehmen den Anstieg der Nachfrage nach Investitionsgütern als künstlich erzeugt und dementsprechend als vorübergehend werten können, werden sie nach Ablauf der Förderungsmaßnahmen erst recht eine abwartende Haltung einnehmen. Bisher wurden nur die materiellen Bedingungen für die Wirksamkeit von befristeten konjunkturpolitischen Eingriffen diskutiert. Selbst7 Konjunkturpolitik, Beiheft 24
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verständlich hängt die Wirksamkeit der Maßnahmen darüber hinaus entscheidend vom rechtzeitigen Einsatz der Maßnahmen und der — i m F a l l des restriktiven Eingriffs — weitgehenden Ausschaltung von Umgehungsmöglichkeiten ab. Gerade i m Zusammenhang m i t der Investitionstätigkeit kommt es wegen der zahlreichen und gewichtigen Lags i m Investitionsprozeß darauf an, frühzeitig sich anbahnenden Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Dementsprechend ist vor allem auch der politische Handlungslag 8 , d. h. die Zeitspanne zwischen Erkennung einer Fehlentwicklung und dem Einsatz der Gegenmaßnahme, so kurz wie möglich zu halten. Eine rasche Reaktion ist zugleich notwendig, u m die Umgehungsmöglichkeiten 9 (z.B. vorzeitige Vergabe von Aufträgen i m Hinblick auf eine befürchtete Restriktionsmaßnahme) zu minimieren.
I I . Empirische Ergebnisse zur Reaktion auf die konjunkturpolitischen Maßnahmen 1. Zum Datenmaterial Zur Reaktion der Industrie auf die verschiedenen konjunkturpolitischen Eingriffe wurden jeweils Sonderumfragen i m Rahmen des IfoInvestitionstests durchgeführt 10 . Untersucht wurde dabei stets, wie häufig, und i n welcher Form die Industrie auf die jeweilige konjunkturpolitische Maßnahme reagiert hat. Einige Sonderumfragen dienten darüber hinaus der Beantwortung der Frage, i n welchem Umfang die Investitionspläne der Industrie geändert wurden. Gewisse Anhaltspunkte für den Effekt der Eingriffe lassen sich natürlich auch aus dem tatsächlichen Verlauf der industriellen Investitionstätigkeit ableiten. Die Entwicklung der tatsächlichen Investitionsausgaben (Zugänge auf Anlagekonten) eignet sich allerdings nicht zur Messung der Wirkung. Wegen der teilweise erheblichen Unterschiede i n den Lieferfristen, aber auch wegen anderer Lags i m Investitionsprozeß, spiegeln die Investitionsausgaben i n einem bestimmten Zeitraum Investitionsentscheidungen wider, die zu unterschiedlichen früheren Zeitpunkten gefällt wurden. M i t anderen Worten, der Verlauf der tatsächlichen Investitionsausgaben nach dem konjunkturpolitischen Eingriff reflektiert nicht nur die Investitionsentscheidungen, die unter dem 8
Vgl. R. Lenk u. a.: a.a.O., S. 32 f. Z u den verschiedenen Ausweichmöglichkeiten vgl. R. Lenk u . a . : a.a.O., S. 18 ff. 10 A n dieser Erhebung nehmen regelmäßig rd. 4000 Industrieunternehmen teil. A u f den Berichtskreis entfallen mehr als die Hälfte der B r u t t o - A n l a g e investitionen der Industrie. Näheres zu dieser Erhebung bei F. O. Bonhoeffer u n d W. R. Streck: Der Investitionstest des Ifo-Instituts. E i n Überblick über Entwicklung u n d heutigen Stand, i n : Ifo-Studien, 12. Jg., 1966, Heft 1/2. 9
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Eindruck der konjunkturpolitischen Maßnahme gefällt wurden, sondern stets auch Entscheidungen, die bereits vor dem Eingriff getroffen worden sind. Die Wirkung der Maßnahme kann deshalb unmittelbar nur anhand der Entwicklung der Nachfrage nach Investitionsgütern beurteilt werden. Die Nachfrage der Industrie nach Ausrüstungsgütern und Bauten insgesamt w i r d statistisch nicht erfaßt. I n der Auftragseingangs-Statistik des Verbandes deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) werden jedoch die Auftragseingänge aus dem Inland für eine Reihe von Fachzweigen ausgewiesen, die für die Investitionen der Industrie typische Güter herstellen. Faßt man die Fachzweigergebnisse zu einem Index „Maschinen für die Industrie" zusammen, so erhält man einen brauchbaren Indikator für die Nachfrage der Industrie nach Investitionsgütern. Diese Aussage ist gestattet, da der entsprechend konstruierte Index der Inlandsumsätze hoch m i t den Ausrüstungsinvestitionen korreliert (vgl. hierzu auch Abb. 1). I m folgenden w i r d dieser Indikator zusätzlich zu den Erhebungsergebnissen für die Analyse der Wirkungen der konjunkturpolitischen Maßnahmen herangezogen. 2. Wirkung der Aussetzung der degressiven Abschreibungen und der Einführung eines Konjunkturzuschlags zur Einkommenund Körperschaftsteuer im Jahre 1970 Die Aussetzung der degressiven Abschreibung und die Einführung eines 10°/oigen Konjunkturzuschlags zur Einkommen- und Körperschaftsteuer i m J u l i 1970 erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Höhepunkt i n der Nachfrage nach Investitionsgütern bereits überschritten war. Dies gilt auch für die industrielle Investitionsnachfrage (Abb. 1). I m Zuge des Nachfragebooms 1968/69 wurden hohe Auftragsbestände aufgebaut. Dementsprechend lang waren 1970 die Lieferfristen für Ausrüstungsgüter1 1 und die Fertigstellungszeiten bei Bauten. Daraus folgt, daß i m Regelfall ein Investitionsvorhaben i m 2. Hj. 1970 oder 1971 nur dann realisiert werden konnte, wenn die Auftragsvergabe 1969 oder Anfang 1970 erfolgt war. Nach diesen Überlegungen überrascht es nicht, daß nur wenige der am Investitionstest beteiligten Industrieunternehmen wegen der Aussetzung der degressiven Abschreibung und der Einführung des rückzahlbaren Konjunkturzuschlags ihre Investitionspläne für 1970 nach unten revidiert haben. N u r 7,5 °/o der befragten Unternehmen kürzten 11
Bei Werkzeugmaschinen betrug ζ. B. die Lieferfrist des V D W Ende 1969 14 Monate. 7·
nach Erhebungen
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100
die Investitionsbudgets wegen des konjunkturpolitischen Eingriffs. Als Grund wurde dabei häufiger die Aussetzung der degressiven Abschreibungen als die Einführung des Konjunkturzuschlags genannt. I m Vergleich zu den übrigen genannten Kürzungsgründen lag die Restriktionsmaßnahme erst an der dritten Stelle der Kürzungsgründe nach „Abschwächung der Nachfrage" und „Finanzierungsschwierigkeiten" (rd. 10 °/o bzw. 9 °/o der befragten Firmen). Wichtig erscheint noch die Feststellung, daß der restriktive konjunkturpolitische Eingriff i n der Regel nur zusammen mit Finanzierungsschwierigkeiten und/oder einer schwächeren Nachfrage Anlaß zur Revision der Investitionsbudgets für 1970 nach unten gab 12 . Wie erwähnt, konnten unter Berücksichtigung des späten Zeitpunktes des konjunkturpolitischen Eingriffs von vornherein nur geringe Wirkungen auf die Anlagezugänge 1970 erwartet werden. Der eigentliche Effekt mußte deshalb i n der Revision der i m Ausschlußzeitraum geplanten Investitionsgüterbestellungen zum Ausdruck kommen. Wie Tab. 1 zeigt, waren i m August 1970 jedoch auch nur rd. 8 °/o der beteiligten Unternehmen entschlossen, wegen der Aussetzung der degressiven Abschreibung und der Einführung des Konjunkturzuschlags bis Ende 1970 weniger Aufträge als ursprünglich vorgesehen für Bauten und Ausrüstungen zu vergeben. Tabelle 1
Gründe für die Kürzung der Investitionsgüterbestellungen in der Bundesrepublik Deutschland 1970 Kürzungsgrunda) Abschwächung der Nachfrage*»)
in
+°
/o d
f _ antwortenden F i r m e n 11,0
Finanzierungsschwierigkeiten
7,7
Aussetzung des degressiven Abschreibungsverfahrens
5,7
dar.: als einziger G r u n d genannt
(1,1)
Konjunkturzuschlag
4,7
dar.: als einziger G r u n d genannt
(0,3)
7,8c)
a) Angabe mehrerer Gründe war möglich. — b) Bereits eingetreten oder aber erwartet. — c) Bei Zusammenfassung wurden Doppelmeldungen ausgeschlossen. Quelle: 12
Ifo-Investitionstest
Vgl. R. Lenk u. a.: a.a.O., S. 51 f.
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen
101
Wiederum wurde die Verringerung der Bestellungen i n der Regel nicht allein mit dem konjunkturpolitischen Eingriff begründet. Aus den Absichtserklärungen der beteiligten Industrieunternehmen deutete sich damit nur eine geringe Reaktion der industriellen Investitionsnachfrage an. Dies w i r d durch die Ergebnisse einer i m Frühjahr 1971 durchgeführten Kontroll-Umfrage bei denjenigen Unternehmen bestätigt, die i m August wegen der konjunkturpolitischen Maßnahmen zu einer Verringerung ihrer Investitionsgüterbestellungen entschlossen waren. Ein Sechstel hat diese Absicht nicht i n die Tat umgesetzt. Angesichts der geringen Breitenwirkung dieser Maßnahme überrascht es nicht, daß i n der Entwicklung der Nachfrage der Industrie nach Maschinen i m Laufe des Jahres 1970 kein dezidierter Einfluß des Eingriffs vom J u l i 1970 abzulesen ist. Die Gründe für die geringe Reaktion dürften i n den damals i m Durchschnitt noch optimistischen Absatzerwartungen (vgl. Abb. 2) und i n der eingetretenen kräftigen Beschleunigung des Preisauftriebs bei Bauten und Ausrüstungsgütern liegen. Letzteres wurde auch durch die Ergebnisse von Interviews bestätigt, die zur Vertiefung der Ergebnisse der schriftlichen Umfragen durchgeführt wurden 1 3 . Die geringe Belastungswirkung der Aussetzung der degressiven Abschreibung — beim Ubergang von der linearen zur degressiven Abschreibung ergibt sich unter den Bedingungen i n der Bundesrepublik ζ. B. bei einem Steuersatz von 50 °/o, einer Abschreibungsdauer von 10 Jahren und einem Kalkulationszinsfuß von 20 °/o ceteris paribus eine Renditeerhöhung von 4,7 % 1 4 — konnte bei dieser Datenkonstellation nicht die Kosten einer Verzögerung der Investitionsvorhaben aufwiegen. Ein weiterer Grund für die geringe Reaktion dürfte darin gelegen haben, daß die Belastungen aus der Aussetzung der degressiven Abschreibungen auch wegen des kurzen Ausschlußzeitraums relativ leicht umgangen werden konnten. Sowohl die Möglichkeit der Rückdatierung von Bestellungen als auch die der unverbindlichen Reservierung wurden genutzt 15 . Wenngleich mit der Aussetzung der degressiven Abschreibung nur relativ wenige Unternehmen zur Verringerung ihrer ursprünglich für den Ausschlußzeitraum geplanten Bestellungen veranlaßt werden konnten, ist für die Beurteilung der Maßnahme doch von Interesse, ob — wie erwünscht — diese Bestellungen 1971 dann nachgeholt wurden. Nach der i m Frühjahr durchgeführten Kontrollumfrage hatte nur ein Sechstel der Firmen die Absicht, die aufgeschobenen Investitionsgüter13
Vgl. R. Lenk u. a.: a.a.O., S. 51 f. Vgl. H. Albach: Steuersystem u n d unternehmerische Investitionspolitik, Wiesbaden 1970, S. 157 ff. 15 Vgl. R. Lenk u. a.: a.a.O., S. 61. 14
102
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bestellungen 1971 i n vollem Umfang zu vergeben 16 . Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen wollten die zurückgestellten Investitionsvorhaben nur teilweise nachholen, immerhin 3 0 % verzichteten 1971 auf die Inangriffnahme dieser Projekte. Bei den kleineren Unternehmen bedeutete die Aufschiebung sogar i n fast der Hälfte der Fälle die A u f gabe der Vorhaben. Als Grund für den teilweisen oder vollständigen Verzicht auf die ursprünglich geplanten Investitionen wurde überwiegend die Nachfrageentwicklung angegeben 17 . Die Bedeutung der A b satzerwartungen für die Entscheidung, ob die ausgefallenen Bestellungen nachgeholt werden, w i r d durch die sektoralen Differenzierungen i n den Antworten noch unterstrichen. N u r i n der Nahrungs- und Genußmittelindustrie — ein Bereich m i t sehr stetiger Absatzentwicklung — wurden die zurückgestellten Bestellungen i n 7 von 10 Fällen 1971 ganz nachgeholt. 3. Auswirkungen des 2. Stabilitätsprogramms vom Mai 1973 I m Unterschied zum Investitionsaufschwung 1968—70 griff die Bundesregierung m i t dem 2. Stabilitätsprogramm i m Aufschwung, der 1972 begann, frühzeitig restriktiv ein. Die Nachfrage der Industrie nach Ausrüstungsgütern w a r gerade 3 Quartale lang gestiegen. I m 1. Quartal 1973 überstieg der Auftragseingang aus dem Inland gerade erst den laufenden Umsatz (vgl. Abb. 1). Die Restriktion war außerdem stärker dosiert als der Eingriff von 1970. Neben der erneuten Aussetzung der dedressiven Abschreibungen und der Einführung eines, diesmal nicht rückzahlbaren, Zuschlags zur Einkommen- und Körperschaftsteuer i n Höhe von 1 0 % wurde für die Dauer von längstens zwei Jahren eine Investitionssteuer i n Höhe des Mehrwertsteuersatzes — i m Regelfall also i n Höhe von 11 % des Anschaffungswertes — eingeführt. Die I n vestitionssteuer mußte nur für solche Investitionsvorhaben entrichtet werden, die nach dem 9. M a i i n Auftrag gegeben wurden bzw. m i t deren Herstellung nach diesem Termin begonnen wurde. Die übrigen Regelungen des 2. Stabilitätsprogramms betrafen nicht die Investitionstätigkeit der Industrie. Zur Reaktion der Industrie auf das 2. Stabilitätsprogramm liegt das Ergebnis einer Sonderumfrage i m Juni 1973 i m Berichtskreis der IfoErhebung Prognose 10018 vor. I n diesem Berichtskreis von rd. 300 Un16 Vgl. F. Neumann: Die konjunkturpolitische Bedeutung der Aussetzung der degressiven Abschreibung, T e i l I I : Auswertung der Engänzungsumfrage v o m F r ü h j a h r 1971, S. 6. 17 Vgl. F. Neumann, a.a.O., S. 9. 18 Näheres zu dieser Erhebung vgl. W. Gerstenberger u n d W. H. Strigel: Prognose 100 — eine neue Erhebung des Ifo-Instituts, i n : Ifo-Schnelldienst Nr. 37 v o m 13. 9.1971.
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen
103
ternehmen sind ausschließlich längerfristig planende Industriefirmen zusammengefaßt. A u f sie entfällt rd. ein Viertel aller Industriebeschäftigten. Da i n der Regel nur Großunternehmen über eine ausgebaute Fünf-Jahres-Planung verfügen, sind die Ergebnisse an sich nur für I n dustrieunternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten repräsentativ. Nach den Ergebnissen der Sonderumfrage hatte das 2. Stabilitätsprogramm eine wesentlich größere Breitenwirkung als die Dämpfungsmaßnahmen von 1970. N u r rd. zwei Fünftel der befragten Unternehmen sahen sich durch den restriktiven Eingriff nicht veranlaßt, Änderungen am Investitionsprogramm vorzunehmen. Ein Fünftel hatte bereits i m Juni die Investitionsbudgets für 1973 und 1974 gekürzt, ein weiteres Fünftel wollte zu den bereits vorgenommenen Kürzungen noch weitere Abstriche vornehmen. Die restlichen Unternehmen (17 %>) hatten i m Juni i h r Investitionsprogramm noch nicht überarbeitet, trugen sich aber m i t Kürzungsabsichten. Insgesamt reagierten also diesmal drei Fünftel der befragten Unternehmen i m Sinne der Maßnahme. 1970 waren es weniger als 10 °/o der Firmen. Die Kürzungen betrafen i m Regelfall sow o h l das Investitionsprogramm für 1973 als auch für 1974. Insgesamt wurden die Investitionsbudgets für 1974 häufiger nach unten revidiert. Bei der Bewertung der Breitenwirkung des 2. Stabilitätsprogramms ist zu berücksichtigen, daß diese Durchschnittsergebnisse stark durch die A r t der Reaktion von Großunternehmen geprägt sind. Differenziert man nach Unternehmensgrößenklassen, so zeigt sich — wie schon bei der Umfrage von 1970 — eine noch stärkere Reaktion bei den Unternehmen m i t weniger als 300 Beschäftigten. Damit dürften die dargestellten Häufigkeiten der Reaktion eher eine Untergrenze für die Breitenwirkung der Restriktionsmaßnahme i n der Industrie markieren. Das 2. Stabilitätsprogramm hatte jedoch nicht nur eine große Breitenwirkung, auch der quantitative Umfang der beabsichtigten Kürzung der Investitionsbudgets war beachtlich. M i t einer Modellanalyse auf Firmenebene konnte gezeigt werden, daß die reagierenden Unternehmen i m Durchschnitt ihre ursprünglichen Investitionsbudgets für 1973 und 1974 u m 20 bzw. 25 °/o der tatsächlichen Investitionsausgaben des Jahres 1972 gekürzt hatten. Angesichts dieser Ergebnisse konnte der kräftige Abfall der Nachfrage der Industrie i m 3. und 4. Quartal 1973 nicht überraschen (Abb. 1). Die i m Vergleich zu 1970 weit stärkere Reaktion der Industrie ist sicher auf die höhere Dosierimg der Restriktionsmaßnahmen zurückzuführen. Hinzu kamen jedoch noch weitere Faktoren. Einmal gewährleistete die Absicherung der außenwirtschaftlichen Flanke die Wirkung der scharf restriktiven Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank. Wich-
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104
Zur Nachfrage der Industrie nach Ausrüstungsgütern 160
-15 0 -14 0 -13 0 -12 0 11 0
100 9 0 8 0
6 0 50 4 0
1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1 ) In jeweiligen Preisen. 2) Saisonbereinigt. 3 ) Umsatz 1970 » 100. 4 ) Herstellen von Baustoffmaschmen, Hütten-u. Walzwerksanlagen, Gießereimaschinen, Apparatebau, Holzbearbeitungsmaschinen, Gummi- u. Kunststoff maschi η en, Druck-u. Papiermaschinen, Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge, Schuhe- u. Leder maschinen, Trocknungsanlagen, Textilmaschinen, Nähmaschinen, Nahrungsmittelmaschinen. Quelle: VDMA, Ifo-Investitionstest.
IFO-INSTITUT für WirtjAoftsfonchung München
132/76 '
t i g erscheint darüber hinaus, daß sich auch die großen Industrieunternehmen bereits Ende 1972 zu einer zurückhaltenden mittelfristigen Investitionspolitik veranlaßt sahen (vgl. Abb. 2). Für die Revision der mittelfristigen Investitionspläne nach unten w a r neben den redu-
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen
105
ABSATZERWARTUNCEN UND INVESTITIONSPLÄNE Erwartetes mittelfristiges Nachfragewachstum11
1971-75
72-76
73-77
7t-78
75-79
76-80
77-81
Zeitraum
Geplante mittelfristige Investitionsquote 2 ]
1972-76 1970 ^ Real,auf 2) Geplante
73-77
I
i
1971
den inländischen
74-78
75 - 7 9
76 - 8 0
I
I
I 1975
1972 1973 Absatzmärkten,Durchschnitt
Investitionsausgaben
in vH des geplanten
Unternehmen. Quelle: I t o - E r h e b u n g Prognose 100.
197t aller
befragten
77- 81
Zeitraum I 1976 Erhebungsjahr
Industrieunternehmen.
Umsatzes, gewogener Durchschnitt
aller
befragten
Wolfgang Gerstenberger
106
zierten Absatzerwartungen für die inländischen Absatzmärkte (Abb. 2) sicher auch der ständige Druck i n Richtung auf eine DM-Aufwertung verantwortlich. Angesichts dieser Datenkonstellation lag es nahe, daß die Industrieunternehmen die Kosten der Verlagerung der Investitionsvorhaben auf einen späteren Zeitpunkt gering einschätzten. Für die Bewertung der Gesamtwirkung des 2. Stabilitätsprogramms ist wiederum die A r t der Reaktion von Interesse. Wie Tab. 2 zeigt, reagierten i m Durchschnitt weniger als die Hälfte der Unternehmen, die ihre Investitionsbudgets i m Juni 1973 bereits gekürzt hatten bzw. kürzen wollten, nur m i t der erwünschten Streckung des Investitionsprogramms, über die Hälfte hatten eine endgültige Streichung vorgesehen. Von den Unternehmen m i t weniger als 300 Beschäftigten hatten sogar mehr als drei Viertel Investitionsvorhaben gestrichen. Die Industriefirmen entschieden sich damals vermutlich häufig zu Streichungen einzelner Investitionsvorhaben, w e i l die Restriktionsmaßnahmen diesmal für einen längeren Zeitraum — bei der Investitionssteuer bis zu zwei Jahren — gültig bleiben sollten. Tabelle 2
Art der Reaktion auf das Stabilitätsprogramm vom Mai 1973 . . °/o der befragten Unternehmen haben unter dem Eindruck des Stabilitätsprogramms ihre Investitionsbudgets f ü r 1973 u n d 1974 v o n diesen w i e d e r u m . . . % durch Unternehmen mit Beschäftigten
gekürzt 3 ) °/o
Streichung einzelner Vorhaben
Streckung des Investitionsprogramms
Sowohl Streckung als auch Streichung einzelner Vorhaben
bis 299
61,8
20,6
23,5
55,9
300—999
46,2
8,0
48,0
44,0
1000—9999
61,2
12,2
53,4
34,4
10000 u n d mehr
62,8
8,0
64,0
28,0
alle Unternehmen
58,7
12,6
48,3
39,1
a) bzw. hatten die Absicht zu kürzen. Quelle: Ifo-Erhebung Prognose 100.
Reaktionen der Industrie auf konjunkturpolitische Maßnahmen
107
Aus der Tatsache, daß die Regelungen des 2. Stabilitätsprogramms bereits am 19. 12. 1973 wieder aufgehoben wurden, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß die ex ante vorgesehenen Streichungen letztlich doch nicht realisiert wurden. I m Gegenteil: Bei der allgemeinen Verunsicherung i m Gefolge der Mineralölkrise dürfte eher noch manches Investitionsprojekt unterlassen worden sein, das ursprünglich nur zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden sollte. Die Vermutung, daß die unter dem Einfluß des 2. Stabilitätsprogramms aufgeschobenen Investitionsvorhaben nur i n geringem Umfang nach der A u f hebung der Maßnahme nachgeholt wurden, w i r d durch den Verlauf der Nachfrage der Industrie nach Investitionsgütern i m 1. Halbjahr 1974 gestützt. Natürlich ist dieser Sachverhalt nicht der Maßnahme anzulasten. Bei der damaligen radikalen Änderung der Datenkonstellation wäre es geradezu befremdend, wenn die Unternehmen an ihren ursprünglichen Investitionsplänen festgehalten hätten.
4. Wirkung der Investitionszulage vom Dezember 1974 A m 2. Dezember 1974 beschloß die Bundesregierung ihr „Programm stabilitätsgerechter Aufschwung". Den K e r n des Programms bildete eine zeitlich befristete Investitionszulage von 7,5% der Anschaffungsoder Herstellkosten zur Anregung der privaten Investitionstätigkeit. Voraussetzung für die Gewährung der Zulage war, daß die Investitionsgüter nachweislich zwischen dem 1. Dezember 1974 und dem 30. Juni 1975 bestellt oder i n diesem Zeitraum m i t der Herstellung begonnen wurde und daß bestimmte Fertigstellungstermine (Ausrüstungsgüter 30. Juni 1976, Bauten 30. Juni 1977) eingehalten wurden. Aus den durchgeführten drei Sonderumfragen zu Wirkungen der Investitionszulage lassen sich folgende Feststellungen 19 ableiten: a) Die Industrie reagierte auf das Angebot der Investitionszulage anfangs nur sehr zögernd. Bei der Umfrage i m März wollte erst ein Viertel der beteiligten Firmen aus der verarbeitenden Industrie auf die Investitionszulage m i t höheren Bestellungen i m Förderungszeitraum reagieren. Letztlich haben dann doch mehr als die Hälfte posit i v reagiert (Tab. 3). Die anfänglich zurückhaltende Aufnahme hing sicher damit zusammen, daß sich die konjunkturelle Datenkonstellation Anfang 1975 durch die offenkundig gewordene Weltrezession deutlich verschlechtert hatte. 19 Vgl. W. Gerstenberger u n d F. Neumann: Investitionszulage verhindert stärkeren Investitionseinbruch, i n : Ifo-Schnelldienst Nr. 10 v o m 5. A p r i l 1976.
108
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b) Uberwiegend wurde nur die Auftragsvergabe für bereits vorgesehene Investitionsvorhaben vorgezogen. Nur 5°/o der Unternehmen konnten zur Aufnahme von zusätzlichen Investitionsvorhaben veranlaßt werden (Tab. 3). Das induzierte zusätzliche Investitionsvolumen war sicher nicht größer als die Mittel, die der Industrie insgesamt durch die Investitionszulage zuflossein (ca. 2 Mrd. DM). I n nennenswertem Umfang wurden auch Aufträge aus dem Jahr 1976 vorgezogen. Ein Fünftel der Industrie vergab 1975 wegen der Investitionszulage mehr Aufträge als ursprünglich beabsichtigt. c) Durch die Investitionszulage wurde ein tieferer Investitionseinbruch i m Jahre 1975 verhindert. Ohne die Investitionszulage hätte die Industrie i m Förderungszeitraum u m etwa 8 Mrd. D M oder reichlich 35 β/β weniger an Nachfrage nach Investitionsgütern entwickelt. Die Brutto-Anlageinvestitionen der verarbeitenden Industrie wären ohne die Zulage nicht u m real 7 bis 8 °/o zurückgegangen, sondern um mehr als das Doppelte.
Tabelle 3
Reaktion auf die Investitionszulage
Unternehmen mit Beschäftigten von
. . % der F i r m e n waren entschlossen (haben) mehr Investitionsgüter als ursprünglich beabsichtigt zu bestellen (bestellt) i m Zeitraum 1.12. 74 bis 30. 6.75 nach Angaben v o m März 1975a)
10-49 50—199 200—999 1000 u n d mehr alle Firmen
14,5 20,8 27,0 47.5 24.6
(2,4) (3,0) (2,1) (1,5) (2,4)
August 1975a) 34.5 44.6 55,1 75.7 51,7
(6,7) (4,4) (4,0) (3,9) (4,6)
i m Jahr 1975 insgesamt nach Angaben v o m März 1975
August 1975
8,5 12.7 12,1 16.8 12,0
20,8 18,0 18,8 21,1 19,3
a) I n Klammern: dabei auch ursprünglich nicht vorgesehene Bestellungen. Quelle: Ifo-Investitionstest, Sonderumfragen 1975.
Die Investitionszulage hat sich damit als wirkungsvolles Instrument zur Bekämpfung rezessiver Tendenzen i n der Investitionsneigung erwiesen. Trotz Weltrezession erhöhte die besonders exportabhängige Industrie ihre reale Nachfrage nach Investitionsgütern auch auf das ganze Jahr 1975 gesehen i m Vergleich zum Vorjahr leicht. So wirksam
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die Zulage unter diesem Aspekt w a r — für die Bekämpfung einer exportinduzierten Rezession war sie ursprünglich gar nicht konzipiert — so problematisch erwies sie sich unter dem Aspekt der weiteren Konjunkturentwicklung. Da durch die Investitionszulage überwiegend nur die Auftragsvergabe für bereits geplante Investitionsvorhaben zeitlich vorverlagert wurde, mußte nach Ende der Förderungsfrist m i t einer Reaktion der Nachfrage gerechnet werden. Bereits die zweite Umfrage vom Juni 1975 deutete an, daß i m 2. Halbjahr 1975 ein Rückgang der Auftragsvergaben der Industrie i m Vergleich zum 1. Halbjahr u m schätzungsweise 4 0 % zu erwarten war 2 0 . Die Auftragseingänge aus dem Inland i m industrieabhängigen Maschinenbau fielen vom 1. Hj. 1975 zum 2. H j . 1975 tatsächlich u m 36 %. Da i n nennenswertem Umfang auch A u f träge, die ursprünglich erst 1976 vergeben werden sollten, vorgezogen wurden, erstreckte sich das Auftragsloch erwartungsgemäß auch nach 1976 hinein (vgl. Abb. 1). I m Durchschnitt des Jahres 1976 lagen die Auftragseingänge aus dem Inland bei den industrieabhängigen Maschinenbauern sogar nominal noch u m 7 % unter dem Niveau des Jahres 1975. Das beabsichtigte Durchstarten ist demnach nicht geglückt, nur der mögliche Sturzflug konnte verhindert werden. Es wäre allerdings auch eine Überraschung gewesen, wenn angesichts der gravierenden Änderungen i n den Determinanten für die I n vestitionsneigung der Industrie eine zeitlich befristete Förderungsmaßnahme eine nachhaltige Belebung der Investitionsnachfrage hätte auslösen können. Genauso wie die Wirtschaftssubjekte keiner Geldillusion mehr unterliegen, genauso unterliegen sie nicht einer Nachfrageillusion i n dem Sinne, daß sie auf einen künstlich erzeugten Nachfrageschub ebenso reagieren würden wie auf eine endogene Belebung der Investitionsneigung. Die wesentlichen Determinanten für die Investitionsneigung — nämlich die mittelfristigen Absatz- und Gewinnerwartungen — wurden durch die Maßnahme kaum verändert. Wie Abb. 2 zeigt, haben sich die mittelfristigen Absatzerwartungen der Industrie Ende 1976 i m Vergleich zu Ende 1975 nur wenig gebessert und liegen immer noch unter den Erwartungen von Ende 1974. Die Gewinnquote ist zwar 1976 kräftig gestiegen, erreichte aber bei weitem noch nicht das früher gewohnte Niveau. Für 1977 ist nicht m i t einer weiteren Besserung zu rechnen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß die Investitionsausgaben der Industrie 1976 und 1977 real nur schwach expandieren. 20 Vgl. W. Gerstenberger: Die Auswirkungen der Investitionsförderungsmaßnahmen der Bundesregierung auf die Investitionstätigkeit der Industrie, T e i l I I I , München August 1975, S. 2.
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Wolfgang Gerstenberger
I I I . Synopse der Ergebnisse Z u m Abschluß soll versucht werden, die Ergebnisse der Wirkungsanalysen der verschiedenen konjunkturpolitischen Maßnahmen zusammenzuschauen. Bei allen drei untersuchten konjunkturpolitischen Eingriffen zeigte sich, daß erwartungsgemäß die allgemeine ökonomische Datenkonstellation, insbesondere die Absatz- und Inflationserwartungen, ganz entscheidend für die Wirkung des Eingriffs war. Dies gilt sowohl für den Effekt auf die Nachfrage nach Investitionsgütern während des Zeitraums des konjunkturpolitischen Eingriffs wie auch für die Reaktion nach Beendigung des Eingriffs. Daraus folgt, daß die Wahl der richtigen Dosierung wie auch das Timing des Eingriffs eine zutreffende Diagnose und Prognose der konjunkturellen Triebkräfte voraussetzt. Diese für alle diskretionären Eingriffe gültige Voraussetzung war i n keinem Fall hinreichend erfüllt. 1970 hätte angesichts der vorhandenen Absatz.- und Inflationserwartungen ein wesentlich früherer Eingriffszeitpunkt und eine höhere Dosierung gewählt werden müssen. Der Eingriff von 1973 erwies sich wegen des ölschocks nachträglich als überdosiert. Ende 1974 wurde schließlich die bereits i n Gang gekommene Weltrezession nicht erkannt. A l l e Maßnahmen waren zeitlich befristet. Sie zielten damit primär nur auf eine zeitliche Verlagerung der Nachfrage ab. Die zeitliche Raffung der i n rezessiven Phasen regelmäßig schwachen Investitionsnachfrage ist von vornherein nur dann sinnvoll, wenn hinreichende Sicherheit besteht, daß sich die Determinanten für die Investitionsneigung nach Beendigung des Eingriffs zum Positiven h i n gewandelt haben. Ein besonderes Problem ist dabei, daß die Förderungsmaßnahme direkt wenig zur Verbesserung der Absatzerwartungen beitragen kann, da kein Investitionsgüterhersteller die Illusion hat, daß die künstlich geraffte Nachfrage den neuen Trend seiner Auftragseingänge markiert. I n der Retrospektive ist es natürlich leicht zu sagen, daß es vermutlich günstiger gewesen wäre, wenn statt der Investitionszulage z. B. eine zeitlich nicht befristete Erhöhung der Abschreibungssätze eingeführt worden wäre. Dies hätte möglicherweise den Rückgang der Investitionen i m Jahr 1975 nicht so stark gemildert, aber bessere Voraussetzungen für eine mittelfristige Erhöhung der Investitionsneigung geschaffen. Die beabsichtigte Streckung der Investitionsprogramme durch die befristeten restriktiven Eingriffe 1970 und 1973 ist nur teilweise gelungen. 1970 und insbesondere 1973 reagierte ein Teil der Industrieunternehmen auf die Restriktion m i t der Aufgabe von Investitionsprojekten. 1974 wurde zusätzlich vermutlich auch ein erheblicher Teil der u r sprünglich n u r zurückgestellten Vorhaben nicht nachgeholt. Damit zeigt
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sich auch hier, daß eine Stop-and-Go-Politik nicht ohne Wirkung auf die mittel- und längerfristige Investitionsentwicklung ist. A l l e n drei konjunkturpolitischen Eingriffen ist weiter gemeinsam, daß sie unter strukturpolitischem Aspekt nicht neutral gewirkt haben. Durch die restriktiven Maßnahmen wurde die Investitionstätigkeit von kleineren Unternehmen stärker tangiert — umgekehrt haben Großunternehmen von der Investitionszulage stärker profitiert 2 1 . Die Bilanz der getroffenen konjunkturpolitischen Maßnahmen fällt damit insgesamt nicht positiv aus. Ähnlich wie bei der Geld- und Kreditpolitik erscheint auch für die Fiskalpolitik eine mittelfristige Orientierung geeigneter, das Ziel einer Verstetigung der Wirtschaftsentwicklung zu erreichen.
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Vgl. W. Gerstenberger
und F. Neumann: a.a.O., S. 10.
Zusammenfassung der Diskussion Die beiden Referate von Büschgen und Gerstenberger wurden in einer gemeinsamen Sitzung diskutiert. Die Referenten gaben zu Beginn eine kurze Zusammenfassung ihrer Aussagen. Büschgen legte noch einmal dar, daß es keineswegs etwa nur die Großunternehmen sind, die i n einem starren Rhythmus von mindestens einem Jahr planen. Großunternehmen reagierten auf eine veränderte Konjunktursituation typischerweise lediglich m i t einer Verschiebung der Termine für die Durchführung der bereits eingeplanten Vorhaben. I n einer kurzen Diskussion (Giersch, Willgerodt) wurde die Frage beleuchtet, ob diese Verschiebungen prozyklisch oder antizyklisch vorgenommen werden. Die Untersuchung von Büschgen gab hierauf keine eindeutige Antwort, aus Gesprächen meinte Büschgen aber den Schluß ziehen zu können, daß prozyklisches Verhalten überwiegt — Vorziehen der Investitionen i m Aufschwung, Hinausschieben i n der Rezession. Eine zweite Aussage war, daß — entgegen gängigen Lehrbuchmeinungen — die Soll-Amortisationsdauer für Investitionsprojekte i m Konjunkturablauf unverändert bleibt, die Unternehmen also den Risikoaufschlag auf den Kalkulationszinsfuß nicht variieren. Barth wies darauf hin, daß die Amortisationsdauer i m Durchschnitt so lang sein könnte, daß sie über den Konjunkturzyklus hinausreicht. Dann seien auch keine kurzfristigen Veränderungen zu erwarten. Auch sei für die Unternehmen der längerfristige Trand auf ihrem speziellen M a r k t segment relevant, und deshalb sei es methodisch fragwürdig, überhaupt von zyklisch schwankenden Risikofaktoren auszugehen (Helmstädter). Damit fiel dieser Erklärungsversuch für konjunkturelle Schwankungen der Investitionstätigkeit weg. E i n weiteres Problem war die Reaktion auf Zinsänderungen. Büschgen stellte klar, daß die Befragung einen nur relativ geringfügigen Zinsrückgang, nämlich von 9 auf 7 v H unterstellte. Giersch merkte dazu an, daß die Veränderung von Preisen verschiedene Wirkungen hat, je nachdem, ob die Erwartungen positiv oder negativ elastisch sind. Bei einer allmählichen Zinssenkimg ζ. B. sei allgemein die Neigung groß, anzunehmen, daß die Entwicklung noch weiter i n dieser Richtung verlaufen wird. Barth fragte nach dem Einfluß der Fristigkeit von Festzusagen der Banken. Er verwies auf die Parallele zum Kapitalmarkt. Hombre-
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eher stellte dazu allerdings fest, daß derartige Fristenprobleme nur bei jenen Banken entstehen, die sich über den Kapitalmarkt refinanzieren (Beispiel Hypotheken). Die reinen Bankkredite würden i m allgemeinen m i t variablen Zinsen ausgestattet. — Beide Fragen (Erwartungselastizität und Fristigkeit der Festzinskredite) konnten i m Rahmen der U n tersuchung von Büschgen nicht abschließend beantwortet werden. Zur Frage der Liquidität meldete Helmstädter Zweifel an: Es sei denkbar, daß die Befragten die bekannten Zahlen über die Ausstattung der Unternehmen i m Ausland m i t risikotragendem Eigenkapital i m Sinn hatten, als sie ihre negativen Einschätzungen abgäben. Fraglich sei, ob die i n Deutschland vorzufindende Finanzierungsstruktur w i r k lich für die mangelnde Investitionsneigung verantwortlich ist. N u r wenn diese Argumente ernst zu nehmen seien, müsse man dafür sorgen, daß eine verstärkte Eigenkapitalbildung zustande komme, ζ. B. mit den bekannten Vorschlägen zur Vermögenspolitik. Büschgen bejahte die Frage, ob die Finanzierungsseite w i r k l i c h Bedeutung habe, er stellte aber klar, daß aus der Befragung i n erster Linie die Besorgnis über einen unzureichenden Cash-flow hervorgehe. Rüstow hob hervor, aus den Befragungsergebnissen (nur geringe Reaktion auf globale kredit- und fiskalpolitische Maßnahmen) könne nicht gefolgert werden, daß die Globalsteuerung wirkungslos sei. Es gelte j a immer nur, Grenzinvestitionen entweder anzuregen oder zu drosseln, d. h. jenen kleinen Ausschnitt an Investitionsprojekten, die gerade an der Grenze der Rentabilitätsschwelle zu liegen versprechen. Die Masse der Investitionsprojekte erscheine den Unternehmern so hochrentabel, daß sie unter allen Umständen durchgeführt werden. A n sich prozyklische Neigungen der Unternehmer könnten so m i t Hilfe der Globalsteuerung konterkariert werden. Giersch unterstützte diese A u f fassung: Es sei für die Konjunkturpolitik unter Umständen schon ausreichend, wenn sich nur einige Unternehmen so verhielten, wie es die zugrundeliegenden Hypothesen vorsehen. Auch Walter bestärkte diese Argumente: Wenn die Leute sagten, sie reagierten nicht auf zyklische Phänomene, verstehe er nicht, wieso erstens die Nachfrage nach Konjunkturprognosen steigt und zweitens die Investitionstätigkeit so schwankend ist. (Heiterkeit). Es wurden einige Erklärungen für die zyklischen Schwankungen der Investitionstätigkeit versucht. Gschwendtner meinte, die Investitionen müßten der Konjunkturentwicklung m i t Verzögerimg folgen, wenn die Unternehmer sich eigentlich an ihre mittelfristigen Pläne halten w o l l ten, aber durch die Konjunkturentwicklung irgendwann zu Planabweichungen gezwungen würden. Solche Lags seien aber empirisch nicht nachzuweisen. Helmstädter stellte dagegen das Argument, erst die I n 8 Konjunkturpolitik, Beiheft 24
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vestitionsschwankungen — ausgelöst durch irreguläre Trendänderungen auf den einzelnen Märkten — verursachten die Schwankungen der Gesamtkonjunktur. Walter wandte dagegen ein, daß die Regelmäßigkeit des Konjunkturzyklus aufgrund einer Kumulation von Zufällen verwunderlich sei. Eine derartige These sei zumindest nicht plausibel. Gersteriberger wies auf die m i t den prozyklisch schwankenden Absatzerwartungen der Unternehmen verbundenen Investitionsentscheidungen hin: Die Unternehmen ließen sich durch die Erfahrimg, daß die Nachfrage stark gestiegen oder stark gesunken ist, i n ihrer Prognose für die unmittelbare Zukunft, aber auch für die mittelfristige Entwicklung beeinflussen. Hieraus folge, daß die Investitionen nicht so eindeutig i n der Position des Cyclemaker zu sehen seien. Wenn die Erwartungen der Investoren durch den Zyklus widerlegt würden, paßten sie sich an, indem sie Projekte hinauszögern oder vorziehen. Dies sei die typische Reaktion der Großunternehmen. Willgerodt warnte vor einer unzulässigen Verallgemeinerung der Untersuchung von Büschgen. Sie sei zu einem Zeitpunkt durchgeführt worden, als die Investitionen ein zu niedriges Niveau hatten. Z u diesem Zeitpunkt sei die Unempfindlichkeit der Unternehmensentscheidungen auf anregende wirtschaftspolitische Maßnahmen festgestellt worden. Z u Zeiten der Hochkonjunktur könnten die Reaktionen ganz anders aussehen. Es folgte eine kurze Zusammenfassung des Referats von Gerstenb erger. Seine allgemeine Schlußfolgerung war, daß man von kurzfristigen Maßnahmen weg zu einer mittelfristigen Orientierung der Geld- und Fiskalpolitik gelsuigen müsse, u m die mittelfristigen Erwartungen zu stabilisieren. Dieses Ergebnis wurde vor allem m i t folgenden Argumenten begründet: — Die Sicherheit der Konjunkturprognosen reiche nicht aus, u m diskretionäre Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen und richt i g zu dosieren. — Es stimme nicht, daß eine einmal unterdrückte Nachfrage nach I n vestitionen später automatisch wiederkomme. Unter dem Eindruck eines konjunkturpolitischen Eingriffs änderten sich die Datenkonstellationen für die Unternehmen, so daß häufig letztlich anders über die Investitionsprojekte entschieden werde. — Restriktions- und Ankurbelungsmaßnahmen w i r k t e n strukturell asymmetrisch. Durch Dämpfungsmaßnahmen würden kleine Unternehmen i n der Regel härter betroffen als große. Umgekehrt seien Großunternehmen meist leichter i n der Lage, ζ. B. von Investitionszulagen zu profitieren. Für sie sei es gewöhnlich kein Problem, ein-
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zelne Projekte ihres längerfristigen Investitionsplans vorzuziehen, während kleine Unternehmen i n der Regel schubweise investieren und deshalb oft nichts zum Vorziehen hätten. Zunächst wurde erörtert, ob eine mittelfristige Ausrichtung der W i r t schaftspolitik bessere Erfolgsaussichten hat als die bisherige K o n j u n k turpolitik. Die Empfehlung dazu klinge zwar plausibel, doch habe man eine Einsicht i n die mittelfristige Entwicklung möglicherweise noch viel weniger als eine korrekte Konjunkturprognose (Klinkmüller). Dem hielt Giersch entgegen, daß es bei der kurzfristigen Prognose hauptsächlich u m die Vorhersage der Nachfragenentwicklung gehe, bei der mittelfristigen aber u m die Angebotsseite. Das Angebotspotential sei aber recht gut einzuschätzen. I n einer kurzen Debatte kristallisierte sich heraus, daß diese Einschätzung gehalten werden kann, wenn auch hierbei nicht alle Probleme gelöst sind. Insbesondere ging es u m die folgenden Fragen: — K a n n eine Nachfragelücke richtig geschätzt und geschlossen werden? (Helmstädter) — Können kumulative Prozesse, d. h. Multiplikatorwirkungen i m A u f schwung, so gesteuert werden, daß der Boom nicht i n die bekannten Übersteigerungen ausufert? (Rüstow) — Können die sprunghaften Änderungen des Kapitalkoeffizienten i n den Umbruchjahren der K o n j u n k t u r so verarbeitet werden, daß eine mittelfristige Potentialprognose hinreichend verläßlich ist? (Mülhaupt) — Können die Interdependenzen zwischen Kapitalstock und technischem Fortschritt auf der einen Seite und Investitionen in ihrer Nachfrageabhängigkeit auf der anderen Seite i n eine PotentialSchätzfunktion integriert werden? (Gschwendtner) Bei aller Problematik der mittelfristigen Vorausschau sah Giersch hierin doch die bestmögliche Politik-Alternative. Die Wahrscheinlichkeit, sich zu verschätzen, sei auf jeden Fall viel geringer als bei der Nachfrageprognose. Gerstenberger betonte noch einmal, daß eine m i t telfristige Orientierung des Staates, die auch w i r k l i c h eingehalten werde, die Erwartungen i m privaten Bereich stabilisieren würde und damit zur Belebung der Investitionen beitrüge. Ein weiterer Diskussionsgegenstand w a r die Frage, ob nicht die durch die Investitionszulage ausgelösten Investitionen primär Rationalisierungsinvestitionen seien und damit Arbetsplätze vernichtet würden (Mülhaupt). Gerstenberger stellte fest, daß die Gesamteffekte der Iri8»
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vestitionszulage nicht direkt analysiert werden konnten, insbesondere die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze nicht quantifiziert worden seien. Einerseits handele es sich sicherlich bei den vorgezogenen Investitionsprojekten u m solche, die zu einer Zeit geplant worden waren, als die Einsparung von Arbeitskräften noch eines der wichtigsten Ziele war. A u f der anderen Seite verschafften die zusätzlichen Investitionen aber der Investitionsgüterindustrie zunächst einmal zusätzliche Beschäftigung. Rüstow bemerkte — allerdings nicht unwidersprochen —, es stelle sich — gesamtwirtschaftlich — erst ex post heraus, i n welchem Maß es sich bei den Investitionen u m Rationalisierungs- oder u m Erweiterungsinvestitionen gehandelt habe. Das entscheide sich nämlich danach, wie viele alte Anlagen stillgelegt würden, und dies ergebe sich wiederum aus der Erlös-Kosten-Relation zum gegebenen Zeitpunkt. Ob sich die Investitionen als Rationalisierungs- oder als Erweiterungsinvestitionen auswirkten, hänge damit nicht von den Absichten der Unternehmer, sondern nur von der allgemeinen Wirtschaftslage ab. Helmstädter stellte dem das Beispiel einer Unternehmimg entgegen, die zu entscheiden hat zwischen einer Neuinvestition, die aber erst bei starker Absatzsteigerung rentabel würde, und der Generalüberholung einer alten Anlage. Die Entscheidung liege eben doch beim Investor. Willgerodt bezweifelte, daß das einzelne Unternehmen zwischen den Investitionstypen eine klare Trennimg ziehen könne, w e i l bei den meisten Projekten beide Motive eine Rolle spielten. Es gehe i m übrigen darum, ausreichend Rationalisierung zu erreichen, damit eine Nachfragebelebung — etwa über eine lockere Geldpolitik — ohne Inflationsgefahr betrieben werden könne. M i t der Frage der Rationalisierung hängt das Problem der Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Produktionsstandort zusammen. Helmstädter stellte zur Debatte, warum denn i n Deutschland zu wenig investiert werde, während die Auslandsinvestitionen stiegen. Dieses Investitionsverhalten werde m i t Lohnkostendifferenzen begründet, es sei aber doch nicht zu übersehen, daß die Exportkraft der deutschen Produzenten ungebrochen ist. Sie müßten deshalb eigentlich auch geneigt sein, i n Deutschland zu investieren. Gerstenberger stellte fest, die Ifo-Erhebung „Prognose 100" habe ergeben, daß die Unternehmen seit Beginn der Währungsunruhe etwa 1971 regelmäßig ihre Exportentwicklung unterschätzt haben. Gleichzeitig ging die Investitionsquote zurück. Möglicherweise seien die Unternehmen der A n sicht gewesen, es lohne sich nicht mehr, i n der Bundesrepublik Kapazitäten für den Export auszubauen. Dabei spielte auch die aufwertungsbedingte Begünstigung des Kapitalexports eine Rolle.
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Dagegen wies Barth nach, daß sidi die Wettbewerbsposition der deutschen Exporteure tatsächlich verschlechtert hat. Der Zuwachs der LohnStückkosten — bewertet zu jeweiligen Wechselkursen — sei i n Deutschland relativ zum Ausland deutlich höher gewesen als der entsprechende Preisanstieg. Die Stückgewinne i m Export müßten demnach fühlbar zurückgegangen sein. Die Folge sei ein Umdenken der Unternehmer: Sie begrüßen zwar die Auslandsnachfrage, weil sie hilft, die Kapazitäten besser auszulasten. I m Gegensatz zu früher nähmen sie diese Nachfrage aber nicht zum Anlaß, neue Kapazitäten zu schaffen. Gegen diese Sicht wurde eingewendet (Hellwig), daß die Lohndifferenzen bei der Entscheidimg über Auslandsinvestitionen „fast nie eine größere Rolle gespielt" hätten. Zur Wechselkursentwicklung sei anzumerken,'daß ihre Veränderung offenbar kaum eine Rolle gespielt habe. So sei die Exportquote i m Maschinenbau — der Branche, die am meisten über die Aufwertung geklagt habe — von 40 auf über 60 v H gestiegen. Diese Beweisführung wurde von Gerstenberger zurückgewiesen, der auf die preisunelastische Nachfrage gerade beim Maschinenbau hinwies. Hier komme es i n besonderem Maße auf Aspekte wie Technologie, Lieferfristen und Qualität der Produkte an. Als Ausblick auf die Probleme der unmittelbaren Zukunft waren mehrere Beiträge zu verstehen. So wies Vesper darauf hin, daß eine mittelfristige Ausrichtung der Finanzpolitik einiges zum Abbau der Arbeitslosigkeit beigetragen hätte. Dennoch solle der Staat nicht auf eine antizyklische Ausgabenpolitik verzichten. Die W i r k u n g der Fiskalpolitik dürfe aber nicht — wie bisher noch weithin üblich — anhand des Finanzierungsdefizits eingeschätzt werden, sondern stattdessen vor allem am Ausgabenvolumen. Rail gab zu überlegen, ob sich die Funktion des Unternehmers bei uns möglicherweise gewandelt habe. Angesichts der gesunkenen Profitrate müsse man doch erwarten, daß die Unternehmer offensiv würden und ein Schumpeter-Prozeß i n Gang käme. Stattdessen beobachte man immer häufiger, daß von den Investoren eine A r t Gewinngarantie erwartet werde. Der Vergleich m i t Gruppen, die ein hohes und sicheres Einkommen beziehen (Beispiele: Ärzte, Akademiker m i t Nebeneinkünften) führe bei vielen mittelständischen Unternehmern zu der Idee eines Mindest-Gewinniveaus, das erreichbar erscheinen müsse, bevor eine I n vestition gewagt werde. Letztlich führe das zu der merkwürdigen Konsequenz, daß die kontraktbestimmten Einkommen das Residuum w ü r den — m i t entsprechenden Folgen für den Arbeitsmarkt. Willgerodt lenkte die Aufmerksamkeit noch einmal auf das aktuelle konjunkturpolitische Grundproblem: Man wisse, daß durch Inflation
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keine Vollbeschäftigung mehr herbeizuführen sei. Auch über eine Konsumbelebung sei kaum Wesentliches zu erreichen; die letzte Steuersenkung, die unter diesem Gesichtspunkt vorgenommen worden sei, habe sich konjunkturpolitisch als Fehlschlag erwiesen. Die Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand habe ebenfalls versagt. So blieben schließlich nur die Investitionen als Motor eines neuen Aufschwungs übrig. M i t t e l zur Anregung eines Investitionsbooms seien aber nicht ohne weiteres zur Hand. Deficit spending sei i n der gegenwärtigen Situation angesichts der unmittelbaren Inflationsgefahr wie das Hantieren m i t Sprengstoff. Es gelte die Rahmenbedingungen wieder neu zu schaffen, unter denen die Beschäftigung entweder automatisch wieder größer werde oder die Anwendbarkeit des Keynes'schen Rezepts gewährleistet wäre. I n diesem Sinne mahnte Rüstow zur Drosselung des Zuwachses von Löhnen und Gehältern, u m Spielraum für die Ausweitung der Investitionsquote zu erhalten. Ferner sei eine Herabsetzung des Diskontsatzes auf 2V2 v H erforderlich — ein Niveau, das man aus früheren vergleichbaren Situationen gewohnt sei. I n seinem Schlußwort wies Gerstenberger darauf hin, daß die mittelfristige Orientierung nicht zuletzt das Vertrauen i n eine stetige Entwicklung und i n die Glaubwürdigkeit des Staates stärken soll. Dazu gehören aber auch die Ausgewogenheit der Haushaltsstruktur, ζ. B. i m Verhältnis von Personal- und Investitionsaufwand.
Die Übertragung konjunktureller Impulse bei flexiblen Wechselkursen V o n Dieter
Bender
Flexible Wechselkurse: Erwartungen und Erfahrungen Die seit 1973 wesentlich erhöhte Flexibilität des Wechselkurssystems hat manche der Erwartungen, die aus den Ergebnissen früherer Modelle reiner Wechselkursflexibilität geboren wurden, auch i n einer diesem Modell nur teilweise angepaßten währungspolitischen Umwelt durchaus zufriedenstellend erfüllen können. A u f dieser positiven Seite der bisherigen Erfahrungsbilanz stehen verringerte Zahlungsbilanzsalden und damit verbesserte Geldbasiskontrolle ebenso wie eine größere Dispersion der nationalen Inflationsraten (gemessen durch ihre Standardabweichung) 1 , die eine Lockerung des internationalen Inflationszusammenhangs und damit eine verbesserte Abschirmung gegen Inflationsimporte indiziert. Diese Evidenz erscheint allerdings i n getrübtem Licht, wenn als Dispersionsmaß der Variationskoeffizient nationaler I n flationsraten (Standardabweichung/durchschnittliche Weltinflationsrate) verwendet wird, da i m gleichen Zeitraum die durchschnittliche Weltinflationsrate gestiegen ist 2 . Die Fähigkeit flexibler Wechselkurse, die an relativer Geldwertstabilität orientierten Länder wirksamer gegen eine Anpassungsinflation zu immunisieren, zeigte sich jedoch erwartungsgemäß i n der engeren Differenz zwischen Geldmengen- und (realem) Sozialproduktwachstum und i n langfristigen Aufwertungstrends der Wechselkurse relativ preisstabiler Länder, so daß die Standardabweichung der Inflationsraten als adäquater Indikator der Lockerung des internationalen Inflationszusammenhanges erscheint. Eine diesem Abschirmungsmechanismus analoge Lockerung des internationalen Konjunkturzusammenhanges, deren exaktester Indikator ein steigendes Streuungsmaß der nationalen Auslastungsgrade des Produktionspotentials wäre, ließ sich bisher nicht m i t gleicher Deutlich1 VgL R. L. Teigen, Interpreting Recent W o r l d Inflation, u n d W. Salant The International Transmission of Inflation, American Economic Review 65 (1975). 2 Vgl. R. H. Heller, International Reserves and W o r l d w i d e Inflation, I M F Staff Papers 23 (1976).
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keit nachweisen . Es setzt sich nicht nur die Erfahrung des i m Zeitalter fester Wechselkurse häufig beobachtbaren internationalen K o n j u n k t u r gleichschritts fort, sondern darüber hinaus erscheint die Amplitude des gegenwärtigen Zyklus deutlich höher als i m Durchschnitt früherer Konjunkturschwankungen nach dem 2. Weltkrieg. Früher erlebte internationale Muster der konjunkturellen Dependenz und Interdependenz scheinen fortzubestehen: kanadische, japanische und deutsche Konjunkturen folgen der US-amerikanischen Konjunktur, die deutsche Konj u n k t u r wiederum erscheint als Vorläufer der konjunkturellen Prozesse i n europäischen Nachbarländern 4 . So pflanzte sich auch der gegenwärtige Aufschwung von den Vereinigten Staaten auf Japan und die Bundesrepublik fort, die wiederum die Rolle des Vorreiters einer Wiederbelebung i n anderen europäischen Staaten übernimmt, von der erneut expansive Rückwirkungen auf unsere Volkswirtschaft erwartet werden müssen. Die Hartnäckigkeit, m i t der sich ein solches Muster konjunktureller Dependenzen, gegenseitiger Abhängigkeiten und Parallelbewegungen auch i n einer Ä r a relativ flexibler Wechselkurse am Leben hält, mag zunächst denjenigen überraschen, der i m Vertrauen auf eine durch Kursflexibilität ermöglichte gesteigerte Autonomie und Effizienz nationaler Stabilisierungspolitiken auch eine gegenüber festen Kursen größere Eigenständigkeit und Auslandsunabhängigkeit nationaler Konjunkturprozesse erwartet hätte. Lenkt man aber den Blick auf die historische Phase eines flexiblen kanadischen Wechselkurses (1950 bis 1962), so spiegelt diese zunächst recht deutlich die heutige Erfahrung eines internationalen Konjunkturgleichschritts trotz flexibler Wechselkurse. Jene Phase einer zugleich hohen Kapitalmobilität zwischen K a nada und USA war durch eine sehr enge Synchronisierung von USamerikanischer und kanadischer K o n j u n k t u r 5 sowie durch ausgeprägte Stabilität der Kursrelation zwischen amerikanischem und kanadischem Dollar gekennzeichnet, die i n geringen kurzfristigen Kursschwankungen u m einen langfristig von relativ wenig Veränderung bestimmten Kurstrend zum Ausdruck kam. Offenbar hat i n diesem Zeitraum des flexiblen kanadischen Wechselkurses der Kapitalverkehr die durch Veränderungen der US-amerikanischen K o n j u n k t u r verursachten Salden3 Z u r Diskussion einiger der bisherigen empirischen Ergebnisse vgl. die Ausführungen v o n Μ. v. N. Whitman , International Interdependence and the US. Economy, i n : W. Fellner (Hrsg.), Studies on Contemporary Economic Problems, 1976. 4 Quantitative Deskriptionen dieses Konjunkturverbundes i n der Phase fester Wechselkurse u n d der Abweichung v o n solchen Mustern des K o n j u n k turzusammenhanges finden sich i n der Untersuchung von H. K . Majer und A. Wagner, Der internationale Konjunkturzusammenhang, Tübingen 1974. 5 Vgl. V. Bonomo u n d J. E. Tanner, Canadian Sensitivity to Economic Cycles i n the United States, Review of Economics and Statistics 54 (1972); R. Rhomberg, A Model of the Canadian Economy under Fixed and Fluct u a t i n g Exchange Rates, Journal of Political Economy 72 (1964).
Die Übertragung konjunktureller Impulse
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Verschiebungen der kanadischen Leistungsbilanz so weitgehend kompensieren können®, daß es überhaupt nicht zu jener Reagibilität des kanadischen Wechselkurses i n bezug auf die Konjunktur des Nachbarlandes kam, die ein gegenüber festen Kursen verändertes Verhalten der kanadischen K o n j u n k t u r hätte hervorrufen können. Wenn aber ein freibeweglicher Wechselkurs jener i n einem System fester Kurse auch gegen den Markt erzwungenen Stabilität recht nahe kommt, so ist es nicht verwunderlich, daß trotz Kursflexibilität die Bedingungen für den internationalen Konjunkturzusammenhang nicht wesentlich verändert werden können. Eine i n diesem Rückblick nach Erklärungen suchende Übertragung kanadischer Erfahrungen auf die heutige Realität flexibler Kurse kann aber trotz eines vergleichbar hohen Integrationsgrades der Kapitalmärkte nur eine unzureichende Begründung für die gegenwärtige konjunkturelle Synchronisierung liefern. Z u m einen haben seit dem Übergang zu größerer Wechselkursbeweglichkeit relativ starke kurzfristige Kursschwankungen die mittelfristig meist kräftigen A u f oder Abwertungstrends, die nicht nur auf einen bloßen Ausgleich der längerfristigen Differenzen nationaler Inflationsraten beschränkt blieben 7 , überlagert — der Wechselkursmechanismus war also nicht mehr konjunkturneutral. Z u m anderen sei auf die Auffassung verwiesen, die den gegenwärtigen Konjunkturgleichlauf ebenso wie dessen überhöhte Amplitude auf vom jeweiligen Wechselkurssystem unabhängige Ursachen zurückführt. Wenn als Zyklenverursacher oder -Verstärker eine allen Ländern gemeinsame exogene Datenänderung (ölpreisschocks der Jahre 1973—1974) und eine anschließende wegen unzureichender Beachtung ihrer Rückwirkungen überdosierte restriktive Reaktion zahlreicher Länder angesehen wird 8 , so können antizyklische (oder prozyklische) Effekte des Wechselkursmechanismus nicht a priori ausgeschlossen werden. Sind solche Effekte nachweisbar, so ist aber — selbst i n einer Phase exogen verursachten internationalen Konjunkturgleichschritts — die Erscheinungsform und Wirkungsweise des internationalen Konjunkturzusammenhanges unter den Bedingungen flexibler Wechselkurse verändert worden. I m Zusammenhang m i t der sich stellenden Frage, inwieweit flexible Wechselkurse zur Lockerung des internationalen Konjunkturzusammenhangs beitragen können bzw. beigeβ Z u dieser Auffassung vgl. auch M . Mussa , Monetary and Fiscal Policy under a Regime of Controlled Floating, Scandinavian Journal of Economics 7B (1976), Proceedings of a Conference on Flexible Exchange Rates and Stabilization Policy, S. 240. 7 Vgl. hierzu die Übersicht i m Jahresgutachten 1976/77 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, S. 81 u n d Ziff. 153—161. 8 Z u dieser Auffassung vgl. die Stellungnahme des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen E n t w i c k l u n g i m Jahresgutachten 1975/76, Ziff. 1—6.
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tragen haben, muß also geprüft werden, ob die Kanäle der K o n j u n k t u r übertragung i n diesem Wechselkurssystem die gleichen sind und ob die über diese Kanäle vom Ausland empfangenen Konjunkturimpulse durch den Wechselkursmechanismus transformiert werden können. Wie i m folgenden noch verdeutlicht werden soll, kann dabei von den Ergebnissen vorliegender Untersuchungen 9 ausgegangen werden, die die Wirksamkeit eines Exports oder Imports konjunktureller I m pulse auch unter den Bedingungen flexibler Wechselkurse nachweisen, so daß jenes sichtbare Maß an Auflockerung des mittelfristigen internationalen Preiszusammenhangs auf der kurzfristigen Ebene des internationalen Konjunkturzusammenhangs gar nicht erwartet werden kann. Hiervon ausgehend soll die Untersuchung auf folgende Fragen konzentriert werden, u m unterschiedliche Ausprägungen des K o n j u n k turverbundes bei festen und flexiblen Wechselkursen analytisch sichtbar zu machen: 1. Sind die bei flexiblen Wechselkursen vom Ausland empfangenen konjunkturellen Impulse gleichgerichtet oder andersgerichtet als die unter sonst gleichen Bedingungen i m System fixer Kurse wirksamen Transmissionseffekte? 2. W i r d die Intensität dieser dem internationalen Konjunkturzusammenhang zurechenbaren Impulse durch den Übergang zu flexiblen Wechselkursen vermindert, verstärkt oder nicht wesentlich verändert? 3. W i r k t der Wechselkursmechanismus i m Vergleich zum Festkurssystem als antizyklischer Stabilisator oder als prozyklischer Destabilisator der ausländischen Impulsen ausgesetzten Inlandskonjunktur? Die Phänomenologie des internationalen Konjunkturzusammenhanges bei flexiblen Kursen setzt also einen Vergleich m i t dem gleichen Untersuchungsobjekt unter den institutionellen Bedingungen fester Kurse voraus. Z u diesem Zweck sei von einem Referenzmodell des internationalen Konjunkturverbundes bei festen Wechselkursen ausgegangen. Internationaler Konjunkturzusammenhang bei festen Wechselkursen: Ein Referenzmodell Die Analyse des internationalen Konjunkturzusammenhanges soll und braucht nicht auf die grundlegende konjunkturtheoretische Pro9 Vgl. J. Roth, Der internationale Konjunkturzusammenhang bei flexiblen Wechselkursen, Tübingen 1975; G. Graf, Hypothesen zur internationalen K o n junkturtransmission, Weltwirtschaftliches A r c h i v 111 (1975); F. R. Casas, Efficient Macroeconomic Stabilization Policies under Floating Exchange Rates, International Economic Review 16 (1975).
Die Übertragung konjunktureller Impulse
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blematik der Erzeugung zyklischer Schwankungen i m Auslastungsgrad des Produktionspotentials zurückgeführt werden. Die Existenz nationaler Konjunkturzyklen, die meist durch Schwankungen der Investitionstätigkeit und hier vor allem Lagerzyklen erklärt werden 10 , werde also modellexogen vorausgesetzt. Die Theorie des internationalen K o n j u n k turverbundes analysiert dann die durch ausländische Expansions- oder Kontraktionsprozesse ausgestrahlten Konjunkturimpulse, welche die Inlandskonjunktur überlagern und somit beeinflussen 11 . Wenn diese I m pulse die Richtung der Auslandskonjunktur großer und somit dominanter Länder aufweisen, werden normalerweise Tendenzen zu einer internationalen Synchronisierung der Konjunkturschwankungen wirksam, die i n der Tat i m EWG-Raum m i t stark integrierten Güter- und Kapitalmärkten deutlich sichtbar wurden 1 2 . Die durch Konjunkturprozesse relativ großer Länder auf andere Länder übertragenen Impulse können nach der Richtung des Übertragungseffektes (Paralleleffekt, Konträreffekt), nach dem Übertragungskanal (Handelsverkehr, Kapitalverkehr, Arbeitskräftewanderungen) und der Qualität der übertragenen Impulse (Mengeneffekt, Preiseffekt) unterschieden werden. Da Preiszyklen den Mengenzyklen m i t zeitlicher Verzögerung folgen, setzt eine solche Qualifizierung eines Preis- oder Mengenimpulses eine genauere Analyse der relevanten Konjunkturphasen und beschäftigungspolitischen Reaktionen 13 voraus. I m folgenden soll die Analyse auf den internationalen Konjunkturverbund als Zusammenhang von realen Wachstumsraten und Auslastungsgraden des Produktionspotentials (also auf Realmodelle) konzentriert bleiben. I n dem von einem stationären Gleichgewichtsmodell ausgegangen wird, lassen sich Änderungen des Volkseinkommens m i t Schwankungen i m Auslastungsgrad des Produktionspotentials identifizieren. Der internationale Preiszusammenhang w i r d dabei als mittelfristiges (weitgehend konjunkturunabhängiges) Trendphänomen ausgeklammert bleiben, da die vollständige Anpassung an ausländische Inflationsraten wegen der Existenz nationaler Güter wesentlich längeren Verzögerungen unter10 Vgl. etwa G. J. Tichy, Konjunkturschwankungen, B e r l i n — Heidelberg — New Y o r k 1976, S. 88—102. 11 Z u einem einfachen Modell, welches die durch solche Impulse v e r u r sachten zyklischen Schwankungen zu erklären sucht, vgl. P. Vartia, A Theoretical Model for International Transmission of Business Cycles, Swedish Journal of Economics 72 (1970). 12 Vgl. H. Willgerodt u. a., Wege u n d Irrwege zur europäischen W ä h rungsunion, Freiburg/Brsg. 1972, S. 25 - 35. 13 Z u einem Versuch der simultanen Analyse von Mengen- u n d Preiseffektten i n einem Modell des internationalen Konjunkturzusammenhanges vgl. J. Roth, Internationale Konjunkturübertragungen u n d nationale Stabilisierungspolitiken bei flexiblen Wechselkursen, I n s t i t u t für Weltwirtschaft an der Universität K i e l 1976.
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worfen ist als die kurzfristige Transmission realwirtschaftlicher I m pulse. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß m i t konjunkturbedingten Verschiebungen der relativen Preise von I n - und Ausland keine konjunkturellen Übertragungseffekte verbunden seien. Der vereinfachende analytische Rahmen des Realmodells dient lediglich der Identifizierung der vorlaufenden Mengeneffekte, die von den (nicht weiter betrachteten) relativen Preiseffekten überlagert werden. Paralleleffekte (Konträreffekte) liegen vor, wenn der empfangene Impuls die gleiche (entgegengesetzte) Richtung aufweist wie die ihn auslösende Konjunkturbewegung: expansiver (kontraktiver) Transmissionseffekt bei Auslandsexpansion. Die K o n j u n k t u r eines relativ großen Landes w i r d über die Transmissionskanäle Handelsverkehr und A r beitskräftewanderungen Paralleleffekte i n anderen Ländern auslösen: Expansionsprozesse führen zu steigenden Exporten der Handelspartner und somit zu einem gegenüber der Situation ohne Übertragungseffekt verbesserten Leistungsbilanzsaldo der impulsempfangenden Länder. Kommt es darüberhinaus aus diesen Ländern zur Abwanderung von Arbeitskräften i n das Expansionsland, so können zusätzliche expansive Übertragimgsimpulse auftreten, wenn Einkommenstransfers i n die Heimatländer fließen 14 . Während es sich bei diesen Transmissionswirkungen u m primäre Nachfrageeffekte handelt, w i r d der Übertragungskanal Kapitalverkehr bei festen Wechselkursen mit primären Liquiditätswirkungen verbunden sein, die nicht m i t gleicher Eindeutigkeit als Parall e l · oder Konträreffekt qualifizierbar sind. W i r d der Aufschwungsprozeß des impulsaussendenden Landes durch Geldmengenexpansion und Zinssenkungen getragen, so werden bei zinselastischen Kapitalbewegungen und Abwesenheit geldpolitischer Neutralisierungsoperationen i m impulsempfangenden Lande parallele Liquiditätseffekte wirksam 1 5 . Dominiert hingegen i m Aufschwungsprozeß eine autonome Nachfrageexpansion i n Verbindung mit steigenden Zinsen, so können zinsinduzierte Kapitalexporte des konjunkturell beeinflußten Landes konträre Liquiditätseffekte auslösen, deren Wirkungskraft m i t steigenden Zinselastizitäten des Kapitalverkehrs und der Investitionen sowie sinkenden Zinselastizitäten der Geldnachfrage zunimmt1®. Da jedoch insgesamt der Liquiditätseffekt vom Zahlungsbilanzsaldo und nicht allein von der Kapitalbilanzreaktion abhängt, sind parallele Liquiditätseffekte als wahrscheinlicher anzusehen, da die übrigen Übertragungskanäle zusätzlich i n diese Richtung w i r k e n werden. 14
Vgl. H. Willgerodt u. a., a.a.O., S. 27. Vgl. G. Graf, a.a.O., S. 545—546 u n d die dort zitierten Untersuchungen. Vgl. G. Graf, a.a.O., S. 549. Z u r Schlußfolgerung konträrer Übertragungsw i r k u n g e n des internationalen Kapitalverkehrs gelangen auch ff. Willgerodt u. a., a.a.O., S. 27. 15
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Die "Übertragung konjunktureller Impulse
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So erscheinen auch i n Analysen des Zusammenwirkens aller Übertragungskanäle i m Einklang m i t empirischen Ergebnissen Paralleleffekte als die bei festen Wechselkursen vorherrschende Form des internationalen Konjunkturverbundes 1 7 . Die Wirkungsweise des internationalen Konjunkturzusammenhanges bei festen Wechselkursen läßt sich daher m i t hinreichender Aussagegenauigkeit durch ein auf den Übertragungsmechanismus der Leistungsbilanz konzentriertes Referenzmodell beschreiben, dessen Ergebnisse durch die Wirksamkeit anderer Übertragungskanäle eher verstärkt als abgeschwächt werden dürften. U m die Transformation des inländischen Konjunkturzyklus durch die Übertragung von Paralleleffekten i n möglichst einfacher Form zu isolieren, w i r d ein Modell der konjunkturellen Dependenz betrachtet, i n dem das impulsempfangende Inland seinerseits keine zurückwirkenden Konjunkturimpulse auf das Ausland ausstrahlt. Es w i r d eine zyklische Schwankung der autonomen inländischen Ausgaben Aa u m einen langfristigen Durchschnittswert Aa = 100 unterstellt, wobei induzierte I n landsabsorption Aind und inländische Importe M m i t 1-periodiger Verzögerung von inländischen Einkommen Y, die Inlandsexporte X m i t der gleichen Verzögerung von Auslandseinkommen Y* (alle ausländischen Variablen und Parameter seien m i t * indiziert) abhängen mögen. Das inländische Volkseinkommen i m Zeitpunkt t (wobei t alle K o n j u n k t u r phasen durchlaufen soll) ergibt sich dann aus
(1)
Yt = Aa (t) + At ina
+
(3)
Xt=g*Y*_
(4)
Mt = gYt-i
(6)
t
A* nd=aY t-1
(2)
(5)
Xt-~M
Bt = X
t
1
- Mt = g* yU
Yt = A« (t) + (a-g)
Y t_ t
-gYt-i + g* Y*_
x
17 Neben der bereits zitierten Übersicht v o n G. Graf vgl. hierzu auch J. Roth, Der internationale K o n j u n k t u r z u s a m m e n h a n g . . a . a . O . , S. 148—151. Der i n den vorliegenden Ausführungen nicht berücksichtigte terms of tradeEffekt des Laursen-Metzler-Modells (vgl. J. Roth, der internationale K o n junkturzusammenhang . . . , a.a.O., S. 89—102) ist zwar eine Übertragungshypothese, aus der ebenfalls Konträreffekte folgen, jedoch k a n n i h r k e i n signifikanter Einfluß zugebilligt werden.
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so daß sich der inländische Leistungsbilanzsaldo aus Y* = Y U = 1000 X t = 0,2-1 000 = 200
ergibt, und der zyklische Verlauf des inländischen Einkommens gemäß
Y? = Y*(t) Y t = A*(t) + (a —g) Yt-i
+ g* Y*_
x
von der autonomen Schwankungskomponente der heimischen Absorption und der zyklischen Schwankung des ausländischen Einkommens abhängt. Als Verhaltensparameter seien eingeführt: marginale inländische Absorptionsquote a = 0,8, marginale inländische Importquote g = 0,2 und marginale ausländische Importquote g* = 0,2. Das ausländische (inländische) Volkseinkommen schwanke u m einen stationären Gleichgewichtswert von 1000 (750). Da die konjunkturelle Wirkung der Paralleleffekte sichtbar gemacht werden soll, w i r d zunächst der Einfluß der Auslandskonjunktur durch die Annahme konstanter Werte von Yt* und somit von Xt ausgeschaltet. Tabelle
1a
Inländischer Konjunkturzyklus bei Ausschaltung des Einflusses der Auslandskonjunktur 9
10
11
12
13
14 15 16
100 110 115 118 120
118 115 110 100
90
85
82
80
82 85 90
600 608 617 625
631 634 634 629
618 603 590 580
572 569 570
Xt
200 200 200 200 200
200 200 200 200
200 200 200 200
200 200 200
Mt
150 152 154 156
158 158 158 157
154 151 147 145
143 142 142
Yt
750 760 771 781 789
791 791 786 772
754 737 725 715
711 712 718
55
57 58 58
t
At* Atind
Bt
1
2
50
3
48
4
46
5
44
6
42
7
42
8
42
43
46
49
53
Tabelle 1 a zeigt die sich unter diesen Bedingungen ergebende Schwankung von Yt, der inländische Leistungsbilanzsaldo Bt schwankt invers zu Yt. I n Tabelle 1 b werden sodann exogene Schwankungen des
650 850 925
A Y* B C
70 30 89
130 170 185
A M t i n