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German Pages 269 Year 2014
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 75
Die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses bei der Kapitalgesellschaft Von
Robert Lepiarczyk
Duncker & Humblot · Berlin
ROBERT LEPIARCZYK
Die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses bei der Kapitalgesellschaft
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 75
Die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses bei der Kapitalgesellschaft Von
Robert Lepiarczyk
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg im Sommersemester 2013 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis einschließlich Mai 2013 berücksichtigt. Danken möchte ich zuallererst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Michael Kort für das Vertrauen, das er mir entgegenbrachte, sowie für die Möglichkeit, mich im Rahmen meiner Arbeit am Lehrstuhl wissenschaftlich frei entfalten zu können. Frau Prof. Dr. Martina Benecke danke ich für die zügige Erstellung eines Zweitgutachtens. Ferner möchte ich Herrn Dr. Nikolaus Huber für seine Unterstützung während unserer gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl und Herrn Stefan Emmersberger für die Korrektur des Manuskripts danken. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern Sigrid und Christian Lepiarczyk. Frankfurt a.M., im Oktober 2013
Robert Lepiarczyk
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Teil 1 Der Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft und seine Kontrollbedürftigkeit
26
§ 1 Arten und Ablauf von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 § 2 Die Geltung des Mehrheitsprinzips für Kapitalgesellschaften im UmwG . . . . . . . . . 33 § 3 Die Kontrollbedürftigkeit der Mehrheitsentscheidung im UmwG . . . . . . . . . . . . . . . 38 § 4 Die materielle Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 § 5 Ansätze zur Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle 65
Teil 2 Grundlage, Voraussetzungen und Durchführung der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
74
§ 6 Die materielle Beschlusskontrolle als Ausfluss der Schutzpflicht des Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 7 Voraussetzungen („Ob“) der materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 § 8 Der von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Minimalschutz des Anteilseigentums . . . . . . . 113 § 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Teil 3 Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen im UmwG
166
§ 10 Umwandlungsmaßnahmen als Eingriffe in das Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . 166
10
Inhaltsübersicht
§ 11 Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutzes durch das UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 § 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen . . . . . . 225 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Teil 1 Der Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft und seine Kontrollbedürftigkeit
26
§ 1 Arten und Ablauf von Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Technische und wirtschaftliche Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Die Umwandlungsarten nach dem UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Vermögensübertragungen im Sinne des § 174 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Der Ablauf von Umwandlungen nach dem UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Abschluss des Umwandlungsvertrages und Berichtspflichten in der Vorbereitungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Das grundsätzliche Erfordernis der Zustimmung der Anteilseigner in der Beschlussphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Wirksamwerden der Umwandlung durch Eintragung in das Handelsregister 32 § 2 Die Geltung des Mehrheitsprinzips für Kapitalgesellschaften im UmwG . . . . . . . . . 33 A. Das Einstimmigkeits- und das Mehrheitsprinzip als alternative Modelle für die Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die Willensbildung der Anteilseigner im Wege der Beschlussfassung . . . . 33 II. Abwägung zwischen dem Individualinteresse des Gesellschafters und dem Verbandsinteresse der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
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Inhaltsverzeichnis B. Gesetzliche Mehrheitserfordernisse bei der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . 35 I. Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Kapitalmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Qualifizierte Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten für Umwandlungsbeschlüsse nach dem UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
§ 3 Die Kontrollbedürftigkeit der Mehrheitsentscheidung im UmwG . . . . . . . . . . . . . . . 38 A. Die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Das Fehlen der Funktionsvoraussetzungen für die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Keine Richtigkeitsgewähr durch das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten . . . . 42 D. Unkalkulierbarkeit künftiger Mehrheitsentscheidungen im Gesellschaftsrecht . 43 E. Irreversibilität des Umwandlungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 § 4 Die materielle Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Terminologie: Erfordernis sachlicher Rechtfertigung als Unterfall der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 B. Gesetzlich geregelte Fälle der materiellen Fehlerhaftigkeit des Umwandlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Die Rechtsmissbrauchskontrolle des Umwandlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . 48 D. Die Verletzung mitgliedschaftlicher Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 E. Das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung von Umwandlungsbeschlüssen . . . . 52 I. Der Meinungsstand in der Literatur zur sachlichen Rechtfertigung von Umwandlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Befürwortung der sachlichen Rechtfertigungskontrolle unabhängig vom Beschlussgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Befürwortung der sachlichen Rechtfertigungskontrolle speziell für Umwandlungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Ablehnung einer sachlichen Rechtfertigung für Umwandlungsbeschlüsse seitens der h.L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Inhaltsverzeichnis
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II. Die Rechtsprechung zur sachlichen Rechtsfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Der Bezugsrechtsausschluss und andere Beschlussgegenstände . . . . . . . 58 2. Die Rechtsprechung zur sachlichen Rechtfertigungskontrolle von Umwandlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 § 5 Ansätze zur Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle 65 A. Der Eingriffsgedanke der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 B. Organschaftlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Materielle Beschlusskontrolle als Ausprägung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 D. Notwendigkeit materieller Beschlusskontrolle aufgrund des Fehlens der Funktionsvoraussetzungen für die Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 E. Materielle Beschlusskontrolle als Konkretisierung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 F. Materielle Beschlusskontrolle als Ausfluss der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . 71 G. Begründung der materiellen Beschlusskontrolle mit der Eigentumsgarantie . . . 72 H. Ablehnung der materiellen Beschlusskontrolle mangels tragfähiger Grundlage
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Teil 2 Grundlage, Voraussetzungen und Durchführung der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
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§ 6 Die materielle Beschlusskontrolle als Ausfluss der Schutzpflicht des Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 A. Die Mitgliedschaft im Zivil- und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Das privatrechtliche Verständnis von der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Verbandsrechtlicher Begriff und Rechtsnatur der Mitgliedschaft . . . . . . . 74 2. Die Mitgliedschaft im Gesellschaftsrecht als subjektives Recht . . . . . . . 75 II. Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft als verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
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Inhaltsverzeichnis B. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Bezug auf das gesellschaftsrechtliche Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Die mitgliedschaftliche Rechtsposition in ihrer rechtlichen Substanz . . . . . 78 II. Keine Determinierung des Schutzbereichs durch die das Mehrheitsprinzip konstituierende einfachgesetzliche Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 III. Grundsätzlich keine Einbeziehung des Vermögenswerts der Beteiligung sowie ihrer wertbildenden Faktoren in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Börsennotierung nicht Bestandteil des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Ergebnis: Schutzbereich des Anteilseigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 C. Der Umwandlungsbeschluss als privatrechtlicher Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. Die das Mehrheitsprinzip konstituierenden Regelungen des UmwG als legislative Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Der Mehrheitsbeschluss als das Handeln von Privatrechtssubjekten . . . . . . 89 D. Die Drittwirkung von Art. 14 Abs. 1 GG im Verbandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I. Die grundrechtliche Schutzpflichtenkonzeption der herrschenden Verfassungs- und Zivilrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Unmittelbare Drittwirkung der grundrechtlichen Schutzpflichten und Untermaßverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Stellungnahme: Anerkennung einer Drittwirkung der grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Kein Verlust der Eigenständigkeit des Zivilrechts durch ein drohendes Verfassungszivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Der Anwendungsvorrang der einfachen Gesetze in Bezug auf Verfassungsrecht beim Rechtsvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Ausnahmen vom Anwendungsvorrang der einfachen Gesetze in Bezug auf Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. Die grundrechtlichen Schutzpflichten im Gesellschafterverband . . . . . . . . . 98 1. Die Anerkennung grundrechtlicher Schutzpflichten im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Die Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Die Eignung des Gesellschaftsrechts für eine Anwendung der grundrechtlichen Schutzpflichtenlehre im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Inhaltsverzeichnis
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4. Der Konflikt unter den Gesellschaftern als Anwendungsfeld der grundrechtlichen Schutzpflichtenlehre im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 IV. Die Anwendung von Art. 14 GG durch das BVerfG bei der Überprüfung von Maßnahmen der Aktionärsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 E. Kritik an der Anwendung von Verfassungsrecht bei der Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Abschließende Interessenabwägung durch den Gesetzgeber bei Regelungen über Umwandlungsmaßnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Gefährdung der Privatautonomie der Gesellschafter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Die Privatautonomie als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Grenzen der Privatautonomie bei Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . 109 3. Ergebnis: Zulässige Einschränkung der Privatautonomie durch Inhaltskontrolle auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 § 7 Voraussetzungen („Ob“) der materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 A. Eingriff in das Anteilseigentum durch eine geplante Umwandlungsmaßnahme 111 B. Einfachgesetzliches Schutzdefizit bei einer geplanten Umwandlungsmaßnahme 112 § 8 Der von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Minimalschutz des Anteilseigentums . . . . . . . 113 A. Die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 GG im Gesellschaftsrecht . . . . . . . 113 I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für legislative Eingriffe als verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Die Trias der Zulässigkeitsvoraussetzungen des BVerfG für Eingriffe in Art 14 Abs. 1 GG: legitime Zweckverfolgung, voller Vermögensausgleich, effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Schlussfolgerungen für die Reichweite des Minimalschutzes bei Umwandlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Vereinbarkeit der Umwandlungsmaßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse 116 1. Das Gesellschaftsinteresse als objektive Größe zur Bestimmung der auf den Gesellschaftszweck bezogenen Gesellschafterinteressen . . . . . . . . . . 116 2. Der Gesellschaftszweck der Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Unterscheidung von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Das Verhältnis von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand 119
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Inhaltsverzeichnis 3. Der Gesellschaftszweck als Schranke der Mehrheitsmacht . . . . . . . . . . . 121 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Erfordernis einer vollen Kompensation der Vermögensbeeinträchtigung der Minderheitsgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 C. Bestandschutz der Mitgliedschaft als Teil des von Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Minimalschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Das Konzept des „Dulde und Liquidiere“ in der Rechtsprechung des BVerfG 126 II. Keine Verallgemeinerung der Rechtsprechung des BVerfG zum „Dulde und Liquidiere“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. „Dulde und Liquidiere“ in der Rechtsprechung des BVerfG als Resultat einer Interessenabwägung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Kleinaktionärseigenschaft sowie Börsennotierung als relevante Aspekte in den vom BVerfG entschiedenen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Unvereinbarkeit der Reduktion des Mitgliedschaftsrechts auf die Vermögenskomponente mit dem Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Bestandschutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition als unabdingbares Element des Anteilseigentumsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Erfordernis der Berücksichtigung der Auswahlentscheidung des Gesellschafters in Bezug auf seine Gesellschaftsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Widerspruch zur Anerkennung einer Treuepflicht des Kleinaktionärs . . . 132 4. Schutz des Vertrauens in die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Anlageform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5. Starker Rückgang rechtsmissbräuchlicher Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 D. Vernachlässigung des Bestandschutzes im Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Die Doppelrolle des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger . . 133 II. Vermutung für das Vorliegen reiner Anleger- bzw. Vermögensinteressen des Kleinanlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 E. Kriterien für das Vorliegen reiner Anlegerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Börsennotierung bzw. Kapitalmarktnähe der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Beteiligungsquote von weniger als 5 % des Grundkapitals . . . . . . . . . . . . . 138 1. Verfassungsmäßigkeit des aktienrechtlichen Squeeze-out . . . . . . . . . . . . 138 2. 5 %-Schwelle als Grenze für die Vermutung reiner Anlegerinteressen?
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III. Heranziehung des Schwellenwerts von weniger als 10 % des Grundkapitals für die Vermutung reiner Anlegerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Squeeze-out gem. § 12 Abs. 4 FMStBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Umwandlungsrechtlicher Squeeze-out gem. § 62 Abs. 5 UmwG . . . . . . . 142 IV. Keine relevanten Unterschiede in Bezug auf die Mitverwaltungsrechte bei Beteiligungen von weniger als 5 % und weniger als 10 % . . . . . . . . . . . . . . 144 F. Weitergehender Bestandschutz bei der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Der Inhalt des Gesellschaftsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Bestehende Diskussion über den Inhalt des Unternehmensinteresses als Grenze zulässigen Vorstandshandelns bei der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Gleiche Bedeutung des Begriffspaares Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Keine Pflicht zur gleichrangigen Berücksichtigung aktionärsfremder Interessen bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses . . . . . . . . . . . . 152 4. Zulässigkeit der Orientierung der Hauptversammlung ausschließlich am Aktionärsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Keine Durchsetzbarkeit der interessenspluralistischen Zielkonzeption in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 6. Keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht zur gleichrangigen Berücksichtigung aktionärsfremder Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Keine Verfolgung von Partikularinteressen der Mehrheitsgesellschafter . . . 157 III. Überprüfbarkeit der Vereinbarkeit der Auflösung des übertragenden Rechtsträgers mit dem Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 B. Gewährung einer vollständigen Vermögenskompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 C. Verhältnismäßigkeit des Mehrheitsbeschlusses in Bezug auf existierende Bestandsinteressen von Unternehmergesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
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Inhaltsverzeichnis Teil 3 Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen im UmwG
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§ 10 Umwandlungsmaßnahmen als Eingriffe in das Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . 166 A. Die Eingriffswirkung von Umwandlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Sämtliche Beeinträchtigungen der mitgliedschaftlichen Rechtsposition . . . 166 II. Stimmrechts- und Kapitalverwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Veränderungen der rechtlichen Substanz der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . 168 IV. Der Wertverlust der Beteiligung „an sich“ als Teil des Investitionsrisikos des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 B. Die Eingriffswirkung von Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 C. Die Eingriffswirkung von Spaltungen nach § 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG . . 171 I. Aufspaltung zur Aufnahme gem. § 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG . . . . . . . . . . . . 171 II. Aufspaltung zur Neugründung gem. § 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG . . . . . . . . . 172 III. Abspaltung zur Aufnahme gem. § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Abspaltung zur Neugründung gem. § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG . . . . . . . . . . 174 D. Die Beeinträchtigung des Anteilseigentums durch Ausgliederungen gem. § 123 Abs. 3 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Stimmrechts- und Kapitalverwässerung im übernehmenden Rechtsträger . . 175 II. Kein unmittelbarer Eingriff in Mitgliedschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Mittelbare Beeinträchtigung durch die Möglichkeit der Mediatisierung von Mitwirkungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 IV. Quantitative Voraussetzungen für die Annahme eines mittelbaren Eingriffs durch die Mediatisierung von Mitwirkungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 V. Auswirkung der Mediatisierung von Mitwirkungsrechten auf beide Komponenten des Mitgliedschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 VI. Mögliche Mediatisierung von Mitgliedschaftsrechten bei der Ausgliederung von Vermögen einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 E. Die Beeinträchtigung des Anteilseigentums durch den Formwechsel . . . . . . . . 183 F. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
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§ 11 Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutzes durch das UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 A. Das System zum Schutz der Anteilseigner im UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Die Vereinbarkeit von Umwandlungen mit dem Gesellschaftsinteresse . . . . . . . 186 I. Zweckwahrende Umwandlungen von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . 187 II. Zweckändernde Umwandlungen von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . 188 1. Die Änderung des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Analoge Anwendung von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Änderung des Gesellschaftszwecks von Kapitalgesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Stellungnahme: Entsprechende Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Anwendbarkeit von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Umwandlungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Der Beschluss über einen Formwechsel als echte Satzungsänderung
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b) Die Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Neugründung als echte Satzungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Rechtliche Gleichstellung der Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Aufnahme im übertragenden Rechtsträger mit Satzungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 d) Keine Satzungsänderung bei der Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. Das UmwG als vorrangiges Sonderrecht in Bezug auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Keine generelle Ausschlussfunktion des UmwG in Bezug auf andere Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Wechselwirkung zwischen dem UmwG und anderen Gesetzen . . . . . 202 c) Das Verhältnis des UmwG zu § 311 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 5. Keine vorrangigen und speziellen Regelungen der zweckändernden Umwandlung im UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
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Inhaltsverzeichnis C. Der Schutz der verwaltungsrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft von Unternehmergesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Keine Unterscheidung zwischen Unternehmergesellschaftern und Anlegergesellschaftern im UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Kein Bestandschutz der mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte durch das Schutzkonzept des UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 D. Der Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft durch das UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Mögliche Beeinträchtigung des Vermögensrechts der Mitgliedschaft durch Verschmelzung, Auf-/Abspaltung und Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Kapitalverwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Wertverlust bei Umwandlungen unter Wechsel der Rechtsform . . . . . . . 213 II. Der Schutz des Vermögensrechts im übertragenden Rechtsträger bei Verschmelzung, Auf-/Abspaltung und Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Der Schutz vor einer Kapitalverwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Der Schutz vor einem Wertverlust bei formwechselnden Umwandlungen 214 3. Zusätzlicher Schutz durch Schadensersatzansprüche in Ausnahmefällen 216 III. Der Schutz des Vermögensrechts beim übernehmenden Rechtsträger bei Verschmelzung, Auf-/Abspaltung und Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 IV. Der Schutz des Vermögensrechts bei der Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Der Schutz des Vermögensrechts im übernehmenden Rechtsträger . . . . . 218 2. Eingriffsbedingte Beeinträchtigungen der Vermögensrechte der Gesellschafter beim übertragenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Schutzlücke in Bezug auf das Vermögensrecht beim übertragenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 E. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Rechtsschutzmöglichkeiten der Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Rechtsschutzmöglichkeiten der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 F. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
Inhaltsverzeichnis
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§ 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen . . . . . . 225 A. Gewährung eines Austrittsrechts gegen Abfindung bei Umwandlung unter Beteiligung von AG und KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Keine Besonderheit bei umwandlungsbedingter Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 C. Gewährung eines Austrittsrechts gegen Abfindung bei abhängigkeitsbegründenden Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Einleitung Das Thema der Corporate Governance beherrscht die aktuelle gesellschaftsrechtliche Diskussion.1 Ein wesentliches Ziel, das mit guter Corporate Governance angestrebt wird, ist die Förderung von Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften.2 Im Fokus der Corporate Governance Diskussion steht der klassische PrincipalAgent-Konflikt3 zwischen der Verwaltung einer Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern. Völlig in den Hintergrund gerät in der Corporate Governance Debatte indes der Agenturkonflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern.4 In einer Kapitalgesellschaft mit einem herrschenden Gesellschafter liegt die Leitung der Gesellschaft in der Regel in den Händen des kontrollierenden Mehrheitsgesellschafters, da dieser großen Einfluss auf das Management ausübt. Der eigentliche Principal-Agent-Konflikt besteht in der Praxis bei Gesellschaften mit einem Mehrheitsgesellschafter daher vielmehr zwischen der Mehrheit und der Minderheit als zwischen den Anteilseignern und der Verwaltung.5 Die Attraktivität der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erhöht sich, wenn Investoren darauf vertrauen können, dass neben dem Management der Gesellschaft auch der Mehrheitsgesellschafter beziehungsweise die Gesellschaftermehrheit bei ihren Entscheidungen nicht ausschließlich eigene Interessen auf Kosten der Minderheitsgesellschafter verfolgt.6 1
Thema des 69. Deutschen Juristentages 2012 in München, Abteilung Wirtschaftsrecht, vgl. dazu Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, Gutachten E, S. E 1; Thema des ZGR Symposiums im Januar 2012, ZGR 2012, Beiträge in Heft 2 – 3; siehe auch: Seibert, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1101; ders., in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1111; Bachmann, AG 2011, 181 (181); Hopt, ZHR 2011, 444. 2 Vgl. Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), Absatz 1 Satz 3, zu finden unter: www.corporate-governance-code.de (Stand 19.04. 2013); Krieger, ZGR 2012, 202 (205). 3 Als Principal-Agent-Konflikt wird die Konfliktsituation zwischen einem Auftraggeber (Principal) und einem Auftragnehmer (Agent) bezeichnet, die auf der Annahme basiert, dass der Agent aufgrund besserer Information eigennützig und nicht im Sinne des Pricipals handelt; grundlegend: Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics, 1976, 305; siehe auch: Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., The Anatomy of Corporate Law, 2009, S. 35; Martinek, in: Staudinger, BGB, Vor § 662 Rn. 73; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 192 Rn. 42; Seibert, in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1111 (1111). 4 Zum Mehrheits-Minderheits-Konflikt als weitere Erscheinungsform des Principal-AgentKonflikts, vgl. Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 109 (110 ff.); Seibert, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1101. 5 Hopt, ZHR 2011, 444 (494); M. P. Weller, ZGR 2012, 386 (393). 6 Roe, in: Ménard/Shirley, Handbook of New Institutional Economics, 2005, S. 371 (395); Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 264.
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Einleitung
Neben einer guten Corporate Governance in Hinblick auf den klassischen PrincipalAgent-Konflikt ist aus Sicht potentieller Investoren daher eine gute „horizontale“ Corporate Governance in Bezug auf die Leitung der Gesellschaft durch die Gesellschaftermehrheit ebenfalls sehr wichtig. Dies gilt nicht nur für börsennotierte Gesellschaften, sondern in besonderem Maße auch für geschlossene Gesellschaften, die für institutionelle Anleger gleichermaßen attraktiv sind7 und in denen sich der Mehrheits-Minderheits-Konflikt typischerweise stellt.8 Die Gerichte spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf die „horizontale“ Corporate Governance in einer Gesellschaft. Das Beschlussmängelrecht der §§ 241 ff. AktG ist ein wesentliches Instrument zur Disziplinierung des Mehrheitsgesellschafters, vor allem aufgrund der Anerkennung materieller Schranken in Gestalt der mitgliedschaftlichen Treuepflicht, dem Institut des Rechtsmissbrauchs sowie dem vom BGH in der „Kali&Salz“-Entscheidung9 entwickelten Erfordernis sachlicher Rechtfertigung.10 Die dogmatische Einordnung, der Anwendungsbereich sowie der Umfang der Institute zur inhaltlichen Beschlusskontrolle sind bis heute nicht abschließend geklärt.11 Ungeklärt ist insbesondere, ob und inwieweit Umwandlungsbeschlüsse einer inhaltlichen Überprüfung zu unterwerfen sind. Ziel der Untersuchung ist es, den Umfang einer materiellen Kontrolle für Umwandlungsbeschlüsse in Bezug auf die einzelnen Umwandlungsmöglichkeiten nach dem UmwG zu bestimmen. Die Untersuchung beschränkt sich auf Umwandlungen unter ausschließlicher Beteiligung von Kapitalgesellschaften. Gegenstand der Untersuchung sind zudem nur der Verschmelzungs- und der Spaltungsbeschluss sowie der Beschluss über einen Formwechsel. Vermögensübertragungen im Sinne von § 174 UmwG werden nicht behandelt, da sie mangels der Gewährung von Anteilen an die Anteilseigner in Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts von untergeordnetem Interesse sind. Der erste Teil der Untersuchung verschafft einen Überblick über die Umwandlungsarten und deren Ablauf und erörtert das Mehrheitsprinzip sowie die Kontrollbedürftigkeit von Mehrheitsentscheidungen in einer Kapitalgesellschaft. Im Anschluss daran wird der aktuelle Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur in Bezug auf die Inhaltskontrolle von Kapitalgesellschaftsbeschlüssen dargestellt und die existierenden Ansätze zur Herleitung einer Rechtsgrundlage für die Inhaltskontrolle vorgestellt. Um die Anwendungsvoraussetzungen sowie den Inhalt der materiellen Beschlusskontrolle bestimmen zu können, wird im zweiten Teil der Untersuchung die 7
M. P. Weller, ZGR 2012, 386 (388). Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 276; M. P. Weller, ZGR 2012, 386 (416). 9 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316. 10 Hopt, ZHR 2011, 444 (494, 521); M. P. Weller, ZGR 2012, 386 (404 f.); Seibert, in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1111 (1111). 11 Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 63; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 166. 8
Einleitung
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rechtliche Grundlage für die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses definiert. Dabei steht die mitgliedschaftliche Rechtsposition im Zentrum der Untersuchung, die als Bestandteil des Anteilseigentums verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Inhalt und Grenzen des Anteilseigentums an Kapitalgesellschaften werden anschließend die Anwendungsvoraussetzungen sowie der Inhalt der materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen herausgearbeitet. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, inwieweit der Bestand der Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft geschützt ist und inwieweit die Mitgliedschaft auf ihren Vermögenswert reduziert werden kann. Im dritten Teil der Arbeit wird untersucht, ob die zuvor entwickelten Anwendungsvoraussetzungen für eine materielle Beschlusskontrolle bei Umwandlungen nach dem UmwG vorliegen. Im Zuge dieser Untersuchung werden der Eingriffscharakter der einzelnen Umwandlungsmaßnahmen sowie der durch das UmwG gewährleistete Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung der Anteilseigner bei den einzelnen Umwandlungsmaßnahmen analysiert. Unter Berücksichtigung der beeinträchtigenden Wirkung der einzelnen Umwandlungsmaßnahmen und des Schutzinstrumentariums des UmwG wird bestimmt, ob und inwieweit einzelne Umwandlungsbeschlüsse zusätzliche inhaltliche Anforderungen erfüllen müssen.
Teil 1
Der Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft und seine Kontrollbedürftigkeit § 1 Arten und Ablauf von Umwandlungen A. Technische und wirtschaftliche Umwandlungen Das Gesellschaftsrecht stellt bekanntlich eine Reihe von Rechtsformen für die rechtliche Organisation eines Unternehmens zur Verfügung. Der Unternehmer kann die Rechtsform für die geplante Unternehmung unter den vom Gesetz zur Verfügung gestellten Gesellschaftsformen frei wählen. Da es im Leben einer Gesellschaft häufig sinnvoll oder sogar notwendig ist, ihr Rechtskleid zu ändern, um auf Änderungen der inneren Organisationsstruktur, der äußeren Wirtschaftsbedingungen oder etwa der Änderung von Gesetzen reagieren zu können1, steht diese Wahlfreiheit dem Unternehmer fortlaufend zu.2 Spätere Veränderungen der rechtlichen Organisation einer Gesellschaft können entweder im Wege der durch das allgemeine Zivil-, Handelsund Gesellschaftsrecht bestehenden Möglichkeiten oder durch eine Umwandlung nach dem UmwG erfolgen.3 Umwandlungen nach dem UmwG weisen gegenüber Umwandlungen außerhalb des UmwG4 zwei grundlegende Vorteile auf.5 Zum einen 1 Zu den zahlreichen Motiven für eine rechtliche Umstrukturierungsmaßnahme vgl. Auflistung von J. Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A, Rn. 4. 2 Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, Einl. A, Rn. 11; Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl I, Rn. 1. 3 Das UmwG bietet alternative Umwandlungsmöglichkeiten und entfaltet keine Sperrwirkung, vgl. Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 43 f.; Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 16 f.; Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, § 1 Rn. 40; Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I, Rn. 55; J. Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A, Rn. 82 f.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 1 Rn. 66. 4 Zu den Möglichkeiten der rechtlichen Umstrukturierung außerhalb des UmwG zählen die Anwachsung gem. § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 BGB, die Einzelübertragung des Vermögens des alten Rechtsträgers mit anschließender Abwicklung der übertragenden Gesellschaft, die Gründung einer Gesellschaft in anderer Rechtsform und darauf folgende Einbringung des Vermögens des alten Rechtsträgers bzw. Einzelübertragung des Vermögens des alten Rechtsträgers im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung; für die AG zudem als Umstrukturierung i.w.S.: die Eingliederung gem. §§ 319 ff. AktG und der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags gem. §§ 293 ff. AktG; zu den Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb des UmwG vgl. auch Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 17 f.; Lutter/Drygala, in:
§ 1 Arten und Ablauf von Umwandlungen
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erfolgt die Vermögensübertragung im Rahmen des UmwG kraft Gesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. den §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Zum anderen werden stille Reserven in der Gesellschaft nicht aufgedeckt, vgl. §§ 4, 12 UmwStG. Umwandlungen nach dem UmwG sind deshalb in der Regel einfacher und kostengünstiger als die Umwandlungsvarianten außerhalb des UmwG. Kapitalgesellschaften gehören ausnahmslos zu den umwandlungsfähigen Gesellschaften nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Die Societas Europaea (nachfolgend „SE“) wird gem. Art. 10 SE-VO6 der entsprechenden nationalen Rechtsform der AG gleichgestellt und kann somit an einer Umwandlung beteiligt sein.7 Beim Formwechsel, an dem eine SE beteiligt ist, sind allerdings die speziellen Vorschriften der Art. 2 Abs. 4 i.V.m. Art. 37 SE-VO und Art. 66 SE-VO zu beachten, wonach im Einzelfall bestimmte Sperrfristen für den Formwechsel gelten können. Die durch das MoMiG8 geschaffene Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Sinne von § 5a GmbHG ist eine Rechtsformvariante der GmbH und daher grundsätzlich wie eine GmbH zu behandeln.9 Da die UG eine Unterform der GmbH ist, ist allerdings der Formwechsel einer UG (haftungsbeschränkt) in eine „vollwertige“ GmbH und umgekehrt ausgeschlossen.10 Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Umwandlungsmöglichkeiten, die vom UmwG bereitgestellt werden, ist das UmwG vor allem für Kapitalgesellschaften von großer Bedeutung.11 Umwandlungen nach dem UmwG werden als technische Umwandlungen, solche außerhalb des UmwG als „wirtschaftliche Umwandlungen“ bezeichnet.12 Gegenstand dieser Untersuchung sind ausschließlich technische Umwandlungen nach dem UmwG.
Lutter, § 1 Rn. 27 ff.; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 44 ff.; Kallmeyer, in: ZIP 1994, 1746. 5 Zu den Vorteilen einer Umwandlung nach dem UmwG, vgl. Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, Einl. A, Rn. 48 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 46 Rn. 12. 6 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 S. 1. 7 So die h.M.: Drinhausen, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. C. Rn. 59; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 3 Rn. 14; Marsch-Barner, in: Kallmeyer § 3 Rn. 11, Anh. Rn. 125; ders., in: FS Happ, 2006, S. 165 (173); Schäfer, in: MüKo, AktG, Art. 66 SE-VO Rn. 1; a.A. Hirte, DStR 2005, 700 (704). 8 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008, BGBl. I, S. 2026. 9 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 3 Rn. 8; Miras, in: Michalski, GmbHG, § 5a Rn. 4; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbH, § 5a Rn. 5. 10 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 3 Rn. 9; Petersen, in: KK, UmwG, § 190 Rn. 17; Stengel, in: Semler/Stengel, § 3 Rn. 20a; a.A. Decher, in: Lutter, UmwG, § 191 Rn. 2. 11 Nach dem UmwG existieren nahezu 200 Umwandlungsmöglichkeiten, vgl. Sagasser, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 2 Rn. 2. 12 So auch Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I, Rn. 56; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 6.
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
B. Die Umwandlungsarten nach dem UmwG Das UmwG enthält keine positive Definition einer Umwandlung, sondern definiert die Umwandlung durch eine erschöpfende Aufzählung der nach dem Gesetz existierenden Umwandlungsarten.13 Das Gesetz unterscheidet gem. § 1 Abs. 1 UmwG vier Arten der Umwandlung: die Verschmelzung, die Spaltung, den Formwechsel und die Vermögensübertragung. Der Begriff der „Umwandlung“ wird im Rahmen dieser Arbeit synonym für die vorbezeichneten Umwandlungsarten verwendet. I. Verschmelzung Bei einer Verschmelzung im Sinne von § 2 UmwG, die oft untechnisch als Fusion14 bezeichnet wird, wird das gesamte Vermögen eines oder mehrerer übertragender Rechtsträger15 auf einen anderen übernehmenden Rechtsträger übertragen. Der übertragende Rechtsträger wird dabei ohne die Durchführung einer Liquidation aufgelöst.16 Den Anteilsinhabern der übertragenden Rechtsträger werden Anteile am übernehmenden Rechtsträger gewährt gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG. Existiert der übernehmende Rechtsträger bereits, so handelt es sich um eine Verschmelzung zur Aufnahme im Sinne von § 2 Nr. 1 UmwG. Bei einer Verschmelzung zur Neugründung hingegen wird der aufnehmende Rechtsträger im Zuge der Verschmelzung neu gegründet, vgl. § 2 Nr. 2 UmwG. II. Spaltung Die Spaltung bezeichnet die vollständige oder teilweise Aufteilung des Gesellschaftsvermögens auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger.17 Sie ist das Gegenstück zur Verschmelzung18 und unterscheidet sich von dieser dadurch, dass bei der Spaltung sowohl das gesamte Vermögen als auch nur ein Vermögensteil übertragen werden können. Bei der Verschmelzung hingegen wird stets das gesamte Vermögen übertragen. Bei der Spaltung wird ferner das Vermögen nur eines übertragenden Rechtsträgers gespalten, während bei der Verschmelzung das Vermögen mehrerer Rechtsträger auf nur einen übernehmenden Rechtsträger übertragen werden kann. Das Gesetz unterscheidet gem. § 123 UmwG drei Unterarten der Spaltung: die Aufspaltung, die Abspaltung und die Ausgliederung. Möglich ist eine Spaltung 13
Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 1. Windbichler, GesR, § 38 Rn. 6. 15 Rechtsträger wird im UmwG als Oberbegriff für die beteiligungsfähigen – nicht zwingend rechtsfähigen – Verbände gebraucht, vgl. Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, § 1 Rn. 3; Lutter/ Drygala, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 3; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 409, Rn. 6.89 f. 16 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 56. 17 Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 466 Rn. 2; Windbichler, GesR, § 38 Rn. 2. 18 Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 467 Rn. 7. 14
§ 1 Arten und Ablauf von Umwandlungen
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zur Aufnahme, bei der die übernehmenden Rechtsträger bereits existieren, oder eine Spaltung zur Neugründung, bei der die übernehmenden Rechtsträger im Rahmen des Spaltungsprozesses neu gegründet werden. 1. Aufspaltung Im Zuge einer Aufspaltung wird das gesamte Vermögen eines übertragenden Rechtsträgers unter Auflösung ohne Abwicklung auf mehrere übernehmende Rechtsträger übertragen. Dabei werden den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers Anteile der übernehmenden Rechtsträger gewährt, vgl. § 123 Abs. 1 UmwG. 2. Abspaltung Die Abspaltung bezeichnet im Gegensatz zur Aufspaltung die Übertragung lediglich eines oder mehrerer Teile des Vermögens eines übertragenden Rechtsträgers auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger. Der übertragende Rechtsträger bleibt im Gegensatz zur Aufspaltung bestehen. Den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers werden ebenfalls Anteile des oder der übernehmenden Rechtsträger(s) gewährt, vgl. § 123 Abs. 2 UmwG. 3. Ausgliederung Die Ausgliederung nimmt eine Sonderstellung unter den Spaltungsvarianten ein. Sie entspricht insoweit der Abspaltung, als dass ebenfalls nur ein oder mehrere Teile des Vermögens eines Rechtsträgers auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger übertragen werden. Im Unterschied zur Abspaltung werden aber nicht die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers an den übernehmenden Rechtsträgern beteiligt, sondern der übertragende Rechtsträger wird gem. § 123 Abs. 3 UmwG selbst zum Gesellschafter an der oder den übernehmenden Gesellschaft(en). Im Falle einer Ausgliederung zur Neugründung entstehen somit eine oder mehrere Tochtergesellschaften, an denen der übertragende Rechtsträger zu 100 % beteiligt ist. Die Gesellschafterstruktur des ausgliedernden Rechtsträgers bleibt unverändert. III. Formwechsel An einem Formwechsel ist nur eine Gesellschaft beteiligt. Die Gesellschaft ändert im Zuge eines Formwechsels ihre Rechtsform unter grundsätzlicher Wahrung der Identität des Rechtsträgers.19 Der formwechselnde Rechtsträger ist mit dem umgewandelten Rechtsträger wirtschaftlich identisch, da das Unternehmen und der Ver-
19 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 190 Rn. 3; K. Schmidt, in: FS Ulmer, 2003, S. 557 (564 f.).
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
mögensbestand des Rechtsträgers gleich bleiben.20 Eine Vermögensübertragung findet im Gegensatz zu allen anderen Umwandlungsarten nicht statt.21 Der Rechtsträger bewahrt zudem größtenteils seine rechtliche Identität22, da sich nur das Rechtskleid der Gesellschaft ändert, im Übrigen aber die Vermögensinhaberschaft und die Verbindlichkeiten23 sowie die Mitgliedschaften24 am formwechselnden Rechtsträger beim neuen Rechtsträger fortbestehen. Die Änderung der Rechtsform führt freilich dazu, dass der Rechtsträger anderen Regeln unterworfen wird.25 Hier findet die rechtliche Identität des Rechtsträgers ihre Grenze.26 Der Formwechsel ist folglich geprägt von der Identität des Rechtsträgers sowie der „Kontinuität der Mitgliedschaft“27 einerseits und der Diskontinuität der Rechtsordnung andererseits.28 IV. Vermögensübertragungen im Sinne des § 174 UmwG Die Vermögensübertragung i.S.v. § 174 UmwG nimmt eine Sonderstellung unter den Umwandlungsarten ein, denn sie führt im Ergebnis dazu, dass die dingliche Abwicklung eines Unternehmenskaufs29 für bestimmte Rechtsträger den Grundsätzen des UmwG unterworfen wird. Dadurch soll auch solchen Rechtsträgern, die aufgrund ihrer Struktur keinen Anteilstausch und somit weder eine Verschmelzung noch eine Spaltung durchführen können, die Möglichkeit gegeben werden, bei materiellen Umstrukturierungen in den Genuss der Vorteile des UmwG zu kommen.30 Aufgrund der Beschränkung der Vermögensübertragung auf Fälle der Beteiligung von Versicherungsunternehmen und der öffentlichen Hand tritt diese Umwandlungsart selten auf. Mangels der Gewährung von Anteilen ist diese Umwandlungsart für die vorliegende Untersuchung von untergeordnetem Interesse und wird deshalb nicht behandelt.
20 Decher, in: Lutter, UmwG, Vor § 190 Rn. 2; Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 759 Rn. 10. 21 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 190 Rn. 1. 22 Decher, in: Lutter, UmwG, § 190 Rn. 1; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 190 Rn. 4. 23 Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, Einl. A, Rn. 58. 24 Decher, in: Lutter, UmwG, § 194 Rn. 6; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1616). 25 Petersen, in: KK, UmwG, § 202 Rn. 10. 26 So auch Decher, in: Lutter, UmwG, § 190 Rn. 2. 27 BGH, Urteil vom 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723); Petersen, in: KK, UmwG, § 202 Rn. 22; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1616). 28 Habersack, in: FS M. Winter, 2011, S. 177 (179). 29 In Form eines Asset-Deals. 30 Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 197 f.; Leuering, in: KK, UmwG, § 174 Rn. 1; H. Schmidt, in: Lutter, UmwG, § 174 Rn. 1.
§ 1 Arten und Ablauf von Umwandlungen
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C. Der Ablauf von Umwandlungen nach dem UmwG Umwandlungen nach dem UmwG können in drei Phasen unterteilt werden: die Vorbereitungs-, die Beschluss- und die Vollzugsphase.31 I. Abschluss des Umwandlungsvertrages und Berichtspflichten in der Vorbereitungsphase In der ersten Phase wird der Umwandlungsvertrag zwischen den beteiligten Rechtsträgern geschlossen bzw. ein entsprechender Entwurf gefasst, § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UmwG. Der Umwandlungsvertrag muss den in den §§ 5, 126 UmwG gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt enthalten. Bei der Verschmelzung zur Neugründung gehört hierzu gem. § 37 UmwG insbesondere der Gesellschaftsvertrag des neu zu gründenden Rechtsträgers. Bei der Spaltung zur Neugründung tritt an die Stelle eines Vertrags der Spaltungsplan, den allein das Vertretungsorgan des übertragenden Rechtsträgers erstellt.32 Bei einem Formwechsel tritt an die Stelle eines Vertrags die Erstellung eines Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses, da dieser bereits im Umwandlungsbericht enthalten sein muss, vgl. § 192 Abs. 1 Satz 3 UmwG. Ferner erstellen die Vertretungsorgane der beteiligten Gesellschaften in der Vorbereitungsphase einen Umwandlungsbericht im Sinne der §§ 8, 125 Satz 1, 192 UmwG. Schließlich erfolgt eine Umwandlungsprüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen, soweit eine solche gem. § 9 UmwG erforderlich ist. II. Das grundsätzliche Erfordernis der Zustimmung der Anteilseigner in der Beschlussphase Umwandlungen nach dem UmwG gehören zu den Strukturänderungen einer Gesellschaft.33 Als Strukturänderungen werden alle Maßnahmen bezeichnet, die die Identität, die Rechtsform, die Kapitalstruktur, den Gesellschaftszweck oder die Organzuständigkeiten einer Gesellschaft ändern.34 Strukturänderungen verändern die gesellschaftlichen Grundlagen in rechtlicher und wirtschaftlicher Art. Die Entscheidungskompetenz über Strukturänderungen einer Gesellschaft haben in allen Gesellschaftsformen die Anteilseigner bzw. das die Anteilseigner repräsentierende 31 Sagasser/Luke, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 9 Rn. 38; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 9. 32 Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 136 Rn. 1. 33 Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 43 Rn. 173. 34 Fleischer, in: GroßKomm-AktG, Vor § 327a Rn. 22; Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 1998, S. 1. Andere Strukturänderungen sind: Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, die Liquidation der Gesellschaft, der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, die Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG, die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens gem. § 179a AktG sowie der Squeeze-out gem. §§ 327a ff. AktG (str.), siehe dazu Fleischer, a.a.O.
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
Gesellschaftsorgan.35 Da Umwandlungsmaßnahmen ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Struktur der Gesellschaft und die Stellung der Anteilseigner haben36, werden sie der Entscheidungskompetenz der Anteilseigner zugewiesen.37 Grundsätzlich setzt jede Umwandlung zu ihrer Wirksamkeit die Zustimmung der Anteilseigner aller an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger voraus, vgl. §§ 13 Abs. 1, 125 UmwG und § 193 UmwG.38 Die Zustimmung der Anteilseigner ist dabei nicht nur für das Innenverhältnis einer Gesellschaft maßgeblich. Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung für den Verschmelzungs- und Spaltungsvertrag und beschränkt folglich die Vertretungsmacht der Vertretungsorgane nach außen.39 Eine Ausnahme vom Erfordernis der Fassung eines Umwandlungsbeschlusses besteht für die übernehmende Aktiengesellschaft bei der sogenannten Konzernverschmelzung gem. § 62 Abs. 1 UmwG, bei der eine übernehmende Aktiengesellschaft mit mindestens 90 % an einer übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Gem. § 62 Abs. 2 UmwG können aber die Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft, deren Anteile zusammen 5 % des Grundkapitals erreichen, verlangen, dass ein Verschmelzungsbeschluss gefasst wird. Ferner besteht eine Ausnahme vom Beschlusserfordernis für die übertragende Gesellschaft sowohl bei einer Konzernverschmelzung nach § 62 Abs. 4 UmwG sowie bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften gem. § 122 g Abs. 2 UmwG. Diese zwei Ausnahmen setzen indes Konstellationen voraus, in den die übernehmende Gesellschaft zu 100 % an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist somit allein über die Verschmelzung beschließen müsste. III. Wirksamwerden der Umwandlung durch Eintragung in das Handelsregister Als letzter konstitutiver Akt ist für das Wirksamwerden einer Umwandlung die Eintragung der Umwandlung im Handelsregister erforderlich.40 Die Umwandlung wird gem. den §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG mit der Eintragung im Handelsregister endgültig wirksam. Eventuelle Mängel im Verfahrensablauf einer Umwandlung oder Mängel des Umwandlungsbeschlusses werden geheilt. Die Eintragung der Umwandlung bewirkt für die Umwandlungsmaßnahme einen um35 Für die AG: vgl. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 7; für die GmbH: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 28 ff.; für die Personengesellschaften: Wiedemann, GesR II, S. 500. 36 Sagasser/Luke, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 3 Rn. 7; Hügel, Verschmelzung und Einbringung, 1993, S. 80. 37 Sagasser/Luke, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 3 Rn. 8. 38 Ausnahmen vom Erfordernis der Fassung eines Umwandlungsbeschlusses finden sich in § 62 Abs. 1 und Abs. 4 UmwG für die sogenannte Konzernverschmelzung sowie in § 122g Abs. 2 UmwG für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften. 39 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 12; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 46 Rn. 19. 40 Vgl. für die jeweilige Umwandlungsart §§ 20, 131, 202 UmwG.
§ 2 Geltung des Mehrheitsprinzips für Kapitalgesellschaften im UmwG
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fassenden Bestandschutz.41 Eine Rückabwicklung der eingetragenen Umwandlung kommt ungeachtet der Schwere eines Mangels nicht in Betracht.42
§ 2 Die Geltung des Mehrheitsprinzips für Kapitalgesellschaften im UmwG A. Das Einstimmigkeits- und das Mehrheitsprinzip als alternative Modelle für die Beschlussfassung I. Die Willensbildung der Anteilseigner im Wege der Beschlussfassung Die Mitgliederversammlung43 einer Kapitalgesellschaft ist neben einem gegebenenfalls existierenden Aufsichtsrat und einem gegebenenfalls mehrgliedrigen Geschäftsführungsorgan eines ihrer Kollektivorgane. Sie ist das zentrale Willensbildungsorgan der Gesellschaft.44 Die innere Willensbildung in der Mitgliederversammlung erfolgt durch Beschlussfassung.45 Der Beschluss ist die Entscheidung eines Kollektivorgans über einen Antrag und ist ein Rechtsgeschäft eigener Art.46 Die Stimmabgabe der einzelnen Teilnehmer der Mitgliederversammlung ist als Abgabe
41 Ausführlich zum Bestandschutz im Umwandlungsrecht: Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 250 ff.; ders., AG 2010, 230. 42 OLG Hamburg, Urteil v. 17.8. 2007 – 11 U 277/05 = DNotZ 2009, 227 (227 f.); Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 73; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 86; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 33; Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 256; a.A. für schwere Mängel: Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 376, (Stand 08/2008); K. Schmidt, in: FS Ulmer, 2003, S. 557 (572 f.). 43 Für die GmbH ist umstritten, ob der Gesellschafterversammlung als solcher Organqualität zukommt oder der Gesamtheit der Gesellschafter, vgl. Wolff, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 36 Rn. 1 (m.w.N.). Es handelt sich hierbei jedoch um einen Streit ausschließlich theoretischer Natur ohne praktische Auswirkungen. 44 Während die Gesamtheit der Gesellschafter in der GmbH als das oberste Organ anzusehen ist, das mit zahlreichen Kompetenzen, insbesondere dem Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung (§ 37 GmbHG) und der Zuständigkeit für Änderungen des Gesellschaftsvertrags (§ 53 GmbHG) bei nahezu uneingeschränkter Satzungsautonomie (vgl. Grziwotz, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 18 Rn. 4) ausgestattet ist, ist die Hauptversammlung der AG das Organ, in dem die Aktionäre primär ihre Rechte ausüben, vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 AktG. Dennoch ist sie zentrales Willensbildungsorgan, da ihr neben einigen laufenden Angelegenheiten insbesondere die Grundlagenkompetenz für alle wesentlichen Fragen des verfassungsmäßigen Aufbaus und der Kapitalgrundlage der AG zusteht, vgl. Semler, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 34 Rn. 4. 45 Harrer, in: FS Roth, 2011, S. 211 (212). 46 Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 133 Rn. 3 (m.w.N.); K. Schmidt, GesR, S. 436; Busche, in: FS Säcker, 2011, S. 45 (50).
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
einer Willenserklärung47 zu qualifizieren. Der in einem Beschluss gebildete Wille wird der Gesellschaft über das jeweilige Kollektivorgan als Willensträger zugerechnet.48 Die Stimmabgabe selbst unterliegt als Willenserklärung grundsätzlich den §§ 104 ff., 116 ff., 130 ff. BGB. Die Anfechtung der Stimmabgabe nach Beschlussfassung richtet sich aber allein nach den Regeln über fehlerhafte Beschlüsse der §§ 241 ff. AktG.49 Das GmbHG enthält – anders als das AktG – keine eigenständige Regelung über die Geltendmachung von Beschlussmängeln. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sowie nach Ansicht der h.L. sind die aktienrechtlichen Vorschriften über das Beschlussmängelrecht aber im Grundsatz für die GmbH entsprechend heranzuziehen.50 II. Abwägung zwischen dem Individualinteresse des Gesellschafters und dem Verbandsinteresse der Gesellschaft Ein Beschluss muss entweder einstimmig oder von einer bestimmten Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. Das Einstimmigkeitserfordernis stellt das Individualinteresse des Gesellschafters in den Vordergrund. Das Gesellschaftsinteresse51 als die Schnittmenge der Interessen aller Gesellschafter dahinter zurücktritt. Jeder einzelne Gesellschafter kann durch Verweigerung seiner Zustimmung einen entsprechenden Beschluss und die damit verbundene beabsichtigte Maßnahme verhindern. Das Einstimmigkeitsprinzip fördert damit den Status quo.52 Die Hand47 BGH, Urteil v. 14.7. 1954 – II ZR 342/53; OLG München, Urteil v. 27.10. 1982 – 7 U 4099/81; Hüffer, AktG, § 133 Rn. 18; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 133 Rn. 16; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 7. Im Gegensatz zum Vertrag handelt es sich bei diesen Willenserklärungen jedoch nicht um aufeinandergerichtete, auf die Bildung eines Konsens abzielende Willenserklärungen, sondern um parallel in dieselbe Richtung gehende, auf gemeinsame Willensbildung gerichtete und empfangsbedürftige Willenserklärungen, die gegenüber dem Hauptversammlungsleiter abzugeben sind, vgl. K. Schmidt, GesR, S. 436; Reuter, in: MüKo, BGB, § 32 Rn. 23, 40 ff. 48 OLG Celle, Urteil v. 08.07. 1998 – 9 U 233/97; Hüffer, AktG, § 133 Rn. 2; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 47 Rn. 7. 49 K. Schmidt, GesR, S. 437; dies gilt nach h.M. auch für die GmbH. Das GmbHG enthält – anders als das AktG – keine eigenständige Regelung über die Geltendmachung von Beschlussmängeln. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Senats, die von der herrschenden Meinung im Schrifttum geteilt wird, dass die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend heranzuziehen sind 50 Zuletzt BGH, Urteil v. 11.2. 2008 – II ZR 187/06 = WM 2008, 594 (595); so die h.L.: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. zu § 47 Rn. 1; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 169; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 91; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 21; Wertenbruch, in: MüKo, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1; Wolff, in: Hdb. GesR, GmbH, § 40 Rn. 1; Hüffer, ZGR 2001, 833 (864); K. Schmidt, AG 2009, 248 (253); kritisch: Ulmer/Raiser, in: Ulmer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 7; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 3 ff. (m.w.N.). 51 Zur Definition des Gesellschaftsinteresses siehe unten unter § 8 B. I. 52 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 94.
§ 2 Geltung des Mehrheitsprinzips für Kapitalgesellschaften im UmwG
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lungsfähigkeit der Gesellschaft wird durch das Erfordernis einstimmig gefasster Beschlüsse dagegen stark eingeschränkt. Die Einstimmigkeit lässt sich bei einer großen Anzahl von Anteileignern nur selten und mit hohem Einigungsaufwand erzielen.53 Bei Gesellschaften mit vielen Gesellschaftern kann dies bis zur Handlungsunfähigkeit führen. Das Mehrheitsprinzip trägt dem Charakter der Körperschaft Rechnung54, der im Gegensatz zum Charakter einer Personengesellschaft gerade durch die Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand geprägt ist.55 Durch die Verselbständigung der Gesellschaft steht diese als körperschaftlicher Verband im Vordergrund. Da sämtliche Kapitalgesellschaften Körperschaften sind56, gilt im Kapitalgesellschaftsrecht deshalb grundsätzlich das Mehrheitsprinzip gem. §§ 133 Abs. 1 AktG57, 47 Abs. 1 GmbHG.
B. Gesetzliche Mehrheitserfordernisse bei der Kapitalgesellschaft I. Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit Gem. §§ 133 Abs. 1 AktG, 47 Abs. 1 GmbHG bedürfen die Beschlüsse der Hauptbzw. Gesellschafterversammlung zu ihrer positiven Feststellung grundsätzlich der einfachen Stimmenmehrheit, soweit das Gesetz oder die Satzung nichts Abweichendes vorschreiben. Die einfache Stimmenmehrheit ist erreicht, wenn die Anzahl der abgegebenen und gültigen Ja-Stimmen die Anzahl der abgegebenen58 und gültigen Nein-Stimmen um mindestens eine Stimme übertrifft.59 Die einfache Stimmenmehrheit ist für Tagesordnungspunkte, die in der ordentlichen Hauptversammlung einer AG behandelt werden, der praktisch wichtigste Fall.60 Dies gilt ebenso für Beschlussgegenstände bei der GmbH, nicht zuletzt angesichts des Allzuständigkeitsgrundsatzes der Gesellschafterversammlung der GmbH, wonach die 53
So auch der BGH für die Publikums-Personengesellschaft, vgl. BGH Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 63/77, Tz. 24. 54 Zum Begriff der Körperschaft vgl. Reuter, in: MüKo, BGB, § 22 Rn. 1; Wiedemann, GesR I, S. 89 f. 55 Gem. § 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB gilt das Einstimmigkeitsprinzip deshalb grundsätzlich bei Personengesellschaften, die von der Individualität ihrer Gesellschafter abhängig sind, vgl. hierzu Ulmer, in: MüKo, BGB, Vor § 705 Rn. 2. 56 Für die AG: Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 1 Rn. 2; für die GmbH: Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Einl. I Rn. 1; für die KGaA: K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 1; Assmann/Sethe, in: GroßKomm-AktG, § 278 Rn. 5. 57 In Verbindung mit § 278 Abs. 3 AktG für die KGaA. 58 Enthaltungen werden nicht als Nein-Stimmen gewertet, vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 20.03. 1995 – II ZR 205/94, Tz. 32; Hüffer, AktG, § 133 Rn. 12. 59 Hüffer, AktG, § 133 Rn. 12; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 23. 60 Volhard, in: MüKo, AktG, § 133 Rn. 30; zur überblicksartigen Aufzählung der Fälle einfacher Stimmenmehrheit vgl. Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 133 Rn. 32.
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
Gesellschafterversammlung nahezu jede Angelegenheit an sich ziehen und verbindlich über diese entscheiden darf.61 II. Kapitalmehrheit Zusätzlich62 zur einfachen Stimmenmehrheit ist für zahlreiche Beschlussgegenstände der Hauptversammlung einer AG die Kapitalmehrheit erforderlich. Das Gesetz spricht dabei jeweils von der „Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals“.63 Für die Berechnung der Kapitalmehrheit kommt es nicht auf das insgesamt in der Hauptversammlung vertretene Grundkapital an, sondern auf das an der konkreten Abstimmung teilnehmende Grundkapital der Gesellschaft.64 In den meisten Fällen entspricht die Stimmenmehrheit der Kapitalmehrheit. Praktisch relevant wird die Kapitalmehrheit lediglich in Fällen einer Abweichung des Stimmgewichts vom Nennbetrag bzw. von der Anzahl der Aktien.65 III. Qualifizierte Mehrheitserfordernisse Ferner stellt das Gesetz für einige Beschlussgegenstände das Erfordernis einer qualifizierten Drei-Viertel-Mehrheit auf. Betroffen davon sind wichtige Grundlagenund Strukturentscheidungen einer Gesellschaft66 wie beispielsweise die Satzungsänderung gem. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG, § 53 Abs. 2 GmbHG. Wie das Beispiel der Satzungsänderung zeigt, bezieht sich das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit im Aktienrecht zudem auf die Kapitalmehrheit. Der Gesetzgeber macht damit bedeutende Grundlagenentscheidungen von der Zustimmung einer größeren Mehrheit abhängig.
C. Das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten für Umwandlungsbeschlüsse nach dem UmwG Auch im UmwG gilt für Umwandlungen, an denen ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind, grundsätzlich das Mehrheitsprinzip.67 Da es sich bei 61 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 89; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rn. 1; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 6. 62 AllgM vgl. Hüffer, AktG, § 179 Rn. 14. 63 Z.B. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG; Aufzählung aller Fälle bei Hüffer, AktG, § 133 Rn. 13. 64 Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 133 Rn. 34 (m.w.N.). 65 Eine derartige Abweichung liegt vor bei Stimmrechtsbeschränkungen und teileingezahlten Aktien i.S.v. § 134 Abs. 1 und Abs. 2 AktG sowie bei Mehrstimmrechten gem. § 12 Abs. 2 AktG, § 5 EGAktG. 66 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 16 Rn. 69. 67 In beteiligten Personen- und Partnerschaftsgesellschaften müssen dagegen grundsätzlich alle Gesellschafter zustimmen, vgl. §§ 43 Abs. 1, 45d Abs. 1, 217 Abs. 1, 225c, 233 Abs. 1
§ 2 Geltung des Mehrheitsprinzips für Kapitalgesellschaften im UmwG
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Umwandlungen um grundlegende Maßnahmen handelt, die sich auf die Struktur und den Bestand der Gesellschaft auswirken, setzt das Umwandlungsgesetz für sämtliche Umwandlungen die Zustimmung der Anteilseigner voraus. In § 13 UmwG ist das grundsätzliche Erfordernis der Beteiligung der Anteilsinhaber geregelt. Die Vorschrift schweigt aber zu den erforderlichen Mehrheiten für Umwandlungsbeschlüsse. Diese sind rechtsformspezifisch in besonderen Vorschriften des UmwG geregelt. Ein wirksamer Umwandlungsbeschluss einer AG setzt die Zustimmung einer qualifizierten Kapitalmehrheit von mindestens 75 % voraus. Für den Verschmelzungs-, Spaltungs- und Vermögensübertragungsbeschluss der AG ergibt sich dies aus § 65 Abs. 1 Satz 1 UmwG.68 Für den Beschluss einer AG über einen Formwechsel gilt dies gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 UmwG. Für die Umwandlung einer KGaA in eine andere Kapitalgesellschaft gilt ebenfalls das Mehrheitsprinzip, da gem. § 78 Satz 1 UmwG für eine KGaA, die an einer Verschmelzung oder Spaltung beteiligt ist, grundsätzlich die Vorschriften für die Verschmelzung einer AG gelten. Der Formwechsel einer KGaA bedarf gem. § 240 Abs. 1 Alt. 3 UmwG ebenfalls eines mit einer Drei-Viertel-Kapitalmehrheit gefassten Umwandlungsbeschlusses. Für einen wirksamen Verschmelzungs- und Spaltungsbeschluss einer GmbH ist das qualifizierte Mehrheitserfordernis von mindestens 75 % in § 50 Abs. 1 Satz 1 UmwG69 geregelt. Für den Formwechsel einer GmbH ergibt sich dies aus § 240 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 UmwG. Anders als beim Beschluss einer AG sowie einer KGaA ist aber keine Kapitalmehrheit, sondern lediglich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.70 Das Erreichen der erforderlichen Mehrheiten ist gesetzliche Mindestanforderung. Die Mindestanforderungen dürfen nicht unterschritten werden. Die Satzung einer AG und der Gesellschaftsvertrag einer GmbH können jedoch größere Mehrheiten oder zusätzliche Erfordernisse für das Zustandekommen eines wirksamen Beschlusses vorsehen.71 Nur bei der KGaA gelten Besonderheiten: Die Satzung der KGaA kann gem. § 240 Abs. 1 Satz 2 HS 2 UmwG für den Formwechsel einer KGaA in eine AG auch eine geringere Mehrheit vorsehen. Für diese spezielle Umwandlungsmöglichkeit ist die Drei-Viertel-Mehrheit also keine zwingende Voraussetzung. Das Mehrheitsprinzip als solches kann durch Satzungsbestimmung im Falle des Formwechsels einer KGaA in eine AG indes nicht gänzlich abgeschafft werden. Die UmwG. Dies folgt aus der grundsätzlichen Geltung des Einstimmigkeitsprinzips im Personengesellschaftsrecht. 68 Vgl. gesetzliche Verweisungen in § 125 UmwG für Spaltungen und in §§ 176 ff. UmwG für Vermögensübertragungen. 69 Vgl. gesetzliche Verweisungen in § 125 UmwG für Spaltungen und in §§ 176 ff. UmwG für Vermögensübertragungen. 70 Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 50 Rn. 7. 71 Vgl. für die AG: § 65 Abs. 1 Satz 2 UmwG und § 240 Abs. 1 Satz 2 UmwG. Für die GmbH: §§ 50 Abs. 1 Satz 2, 240 Abs. 1 Satz 2 UmwG.
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
Satzung muss mindestens eine absolute Mehrheit von 50 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals vorsehen.72 Eine Ausnahme vom Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses existiert lediglich für die nichtverhältniswahrende Spaltung. Eine nichtverhältniswahrende Spaltung liegt vor, wenn bei einer Auf- oder Abspaltung die Anteile der übernehmenden Rechtsträger den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers nicht in dem Verhältnis zugeteilt werden, das ihrer Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger entspricht.73 Wirksamkeitsvoraussetzung für eine solche Spaltung ist gem. § 128 Satz 1 UmwG die Zustimmung aller – auch der nicht anwesenden74 – Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers.
§ 3 Die Kontrollbedürftigkeit der Mehrheitsentscheidung im UmwG A. Die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung Es besteht kein Zweifel daran, dass bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich die Mehrheit der Gesellschafter in der Lage sein muss, Entscheidungen zu treffen.75 Es existiert keine Alternative zum Mehrheitsbeschluss, um die Handlungsfähigkeit und Flexibilität einer Kapitalgesellschaft sicherzustellen. Ebenfalls ist heute aber einhellig anerkannt, dass der Ausübung der Mehrheitsmacht in der Gesellschaft Schranken gesetzt werden müssen.76 Dies war nicht immer so.77 So ging das Reichsgericht in der „Hiberia“-Entscheidung78 aus dem Jahre 1907 noch davon aus, dass die Mehrheit die absolute Herrschaft über die Gesellschaft ausübt und die Minderheit sich dieser Herrschaft in jedem Falle zu unterwerfen hat. Dies sollte nach damaliger Überzeugung sogar dann gelten, wenn ein Beschluss als „verkehrt, 72
Arnold, in: Semler/Stengel, UmwG, § 240 Rn. 9. Priester, in: Lutter, UmwG, § 128 Rn. 8. 74 Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 128 Rn. 5; Priester, in: Lutter, UmwG, § 128 Rn. 18. 75 Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 38; Grundmann, in: GroßKomm-AktG, § 133 Rn. 27; Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 48; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 26 f.; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 9 (m.w.N.); Windbichler, AG 1981, 169; siehe auch Enriques/ Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., The Anatomy of Corporate Law, 2009, S. 89. 76 K. Schmidt, GesR, S. 467; ders., in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 45; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 38; Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 47; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 30; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 66; Hopt, in: Perakis, Rights of Minority Shareholders, S. 389 f.; Zöllner, AG 2000, 145 (154). 77 Zur Entwicklung des Minderheitenschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht vgl. Wiedemann, ZGR 1980, 147 (155 f.); zum Mehrheitenschutz im Aktienrecht nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts vgl. Henze, DStR 1993, 1823 (1825). 78 RGZ 68, 235. 73
§ 3 Kontrollbedürftigkeit der Mehrheitsentscheidung im UmwG
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wirtschaftlich nachteilig und die Bestrebungen der Minderheit schädigend erscheint“, da die „Mehrheit […] darüber entscheidet, was im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu tun und zu lassen ist.“79 Dieses Zitat zeigt, dass nach damaliger Rechtsprechung kein Zweifel an der Richtigkeit und uneingeschränkter Geltung der Mehrheitsmacht bestand. Auch aus heutiger Sicht gilt, dass das Mehrheitsprinzip in der modernen rechtsstaatlichen Demokratie als Instrument zur Willensbildung etabliert ist. Das BVerfG zählt das Mehrheitsprinzip zu den fundamentalen Prinzipien der Demokratie im öffentlichen Sektor.80 Dem liegt die Überzeugung zu Grunde, dass das Mehrheitsprinzip die bestmögliche Gerechtigkeit zwischen den widerstreitenden Interessen schafft. Die Tatsache, dass die Mehrheit in einer bestimmten Weise entscheidet, zeigt, dass diese Entscheidung überzeugender ist als andere Entscheidungsmöglichkeiten und dass die Mehrheit der Stimmberechtigten sie als inhaltlich richtig ansieht. Es existiert die Vermutung, dass sich die inhaltlich richtige Entscheidung durchsetzt. Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum hat sich der Terminus etabliert, die Mehrheitsentscheidung trage die „Richtigkeitsgewähr“81 in sich. Im Grundsatz trifft es zu, dass eine von der Mehrheit getroffene Entscheidung inhaltlich richtig ist, selbst wenn sie vordergründig nachteilig ist. Da die gefasste Entscheidung für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt, kann sie für die überstimmte Minderheit nicht nachteiliger sein als für die entscheidende Mehrheit. Sie entspricht demzufolge dem Gesamtinteresse aller Gesellschafter. Die Minderheit hat sich daher dieser Entscheidung zu beugen. Durch das Mehrheitsprinzip wird folglich die Selbstregulierung der Privatrechtssubjekte ermöglicht. Durch die Richtigkeitsgewähr ist sichergestellt, dass es zu sachgerechten Ergebnissen bei der privatautonom getroffenen Entscheidung der Gesellschafter kommt.82
B. Das Fehlen der Funktionsvoraussetzungen für die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung Die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung sowie die aus der Richtigkeitsgewähr folgende uneingeschränkte Legitimation der Mehrheitsentscheidung bestehen aber nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die geläufig als
79
RGZ 68, 235 (245 f.). BVerfG, Entscheidung v. 06.10. 1970 – 2 BvR 225/70 = BVerfGE 29, 154 (165); vgl. auch Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 01/2010, Art. 20 Rn. 42 ff. 81 Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 38; Priester/Veil, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 55; Flume, BGB AT, Band I/2, 1983, S. 209; K. Schmidt, GesR, S. 451; Kreß, Gerichtliche Beschlusskontrolle im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 6; Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (592). 82 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (592). 80
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
„Funktionsvoraussetzungen“83 der Richtigkeitsgewähr bezeichnet werden. Die Richtigkeitsgewähr einer Mehrheitsentscheidung setzt voraus, dass stetig wechselnde Mehrheiten entscheiden und dass unter den Stimmberechtigten grundsätzlich Interessenhomogenität besteht.84 Nur unter diesen Umständen ist gewährleistet, dass sämtliche Gesellschafter an einem Strang ziehen. Diese Voraussetzungen sind in einer Kapitalgesellschaft jedoch nicht erfüllt.85 Die tatsächlichen und rechtlichen Parameter in einer Kapitalgesellschaft führen dazu, dass nicht durchgängig von der Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidungen auszugehen ist. Eine absolute Gleichartigkeit der Interessen aller Gesellschafter liegt praktisch niemals vor.86 Ein absoluter Interessensgleichlauf würde voraussetzen, dass sämtliche Gesellschafter auf ihre Rolle der Teilhabe an einer bestimmten Gesellschaft reduziert werden und daneben keine sonstigen Interessen außerhalb dieser Gesellschaft haben. Tatsächlich verfolgt jeder Anteilseigner mit seiner Investition in eine Gesellschaft aber eigene Ziele, die sich nicht zwangsläufig mit den Zielvorstellungen der übrigen Gesellschafter bzw. der Gesellschaftergesamtheit decken.87 Neben dem Gesellschaftsinteresse88 verfolgen die Gesellschafter oft eigene, außerhalb der Gesellschaft liegende externe Interessen. Es besteht eine unterschiedlich große Divergenz zwischen den Interessen der verschiedenen Mitglieder einer Gesellschaft, die durch zahlreiche Faktoren bestimmt wird wie etwa die Größe der Beteiligung eines Gesellschafters, seinen individuellen, teils auch privaten Zielvorstellungen und seiner möglichen Verflechtung im Konzerngefüge. Dies kann zu Beschlusskonstellationen führen, in denen ein Nachteil für die Mehrheit der Gesellschafter einer Gesellschaft durch einen Vorteil außerhalb der Gesellschaft kompensiert wird.89 Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Mehrheitsgesellschafter einer übertragenden Gesellschaft zugleich an der übernehmenden Gesellschaft mehrheitlich beteiligt und so zugleich begünstigter der Transaktion ist. Je stärker die Interessen der Gesellschafter voneinander abweichen, desto wichtiger ist daher eine ständig wechselnde Mehrheit zur Erhaltung der Richtigkeitsgewähr einer Mehrheitsentscheidung. Bilden sich hingegen Gruppen oder gar stabile Mehrheiten, 83
(595).
So K. Schmidt, in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 45; Fastrich, in: FS Kreutz, 2012, S. 585
84 Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 48; Wiedemann, GesR I, 1980, S. 406; Verse, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, S. 579 (599); Fastrich, in: FS Kreutz, S. 585 (594). 85 So für die AG: Hüffer, AktG, § 243 Rn. 23; Reul, DNotZ 2007, 184 (203); Bachmann/ Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 28. 86 So auch: BVerfG, Beschluss v. 20.09. 1999 – 1 BvR 168/93= NZG 2000, 194 (195) („Scheidemantel II“); Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 180. 87 Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 2. 88 Zum Begriff des „Gesellschaftsinteresses“ siehe unter § 8 B. 89 Wiedemann, GesR I, 1980, S. 430; Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (594).
§ 3 Kontrollbedürftigkeit der Mehrheitsentscheidung im UmwG
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kann nicht mehr von einer gemeinschaftlichen Willensbildung im Interesse aller Gesellschafter gesprochen werden.90 Es existieren im Prinzip nur noch so viele Stimmen wie Gruppen. Ist eine feste Mehrheit etabliert, setzt diese ihr Eigeninteresse, das nicht zwangsläufig mit dem Gesellschaftsinteresse übereinstimmt, gegen den Willen der Minderheit durch und beherrscht diese.91 Die Mehrheitsbildung hat dann keine interessensausgleichende Wirkung mehr. Für Mehrheitsentscheidungen, die unter diesen Umständen getroffen werden, besteht keine Richtigkeitsgewähr92, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine konkrete Entscheidung ausschließlich oder überwiegend dem Eigeninteresse des Mehrheitsgesellschafters bzw. einer Gruppe von Gesellschaftern dient.93 Dem für die Kapitalgesellschaft geltenden Mehrheitsprinzip liegt das Leitbild von einer Gesellschaft zugrunde, deren Anteile sich in Streubesitz befinden und in der wechselnde Mehrheiten entscheiden und dabei das gemeinsame Gesellschaftsinteresse zur Richtschnur ihrer Willensbildung machen.94 Tatsächlich unterscheidet sich die Realstruktur deutscher Kapitalgesellschaften sehr stark von diesem Leitbild. Der Typ der echten Publikumsgesellschaft ohne einen beherrschenden Mehrheitsgesellschafter ist in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung.95 Die Mehrzahl deutscher Gesellschaften – auch die Mehrzahl börsennotierter Gesellschaften – hat einen blockbildenden Mehrheitsgesellschafter.96 Hinzu kommt, dass sich die Konzentration von Stimmrechtsmacht in der Kapitalgesellschaft verstärkt, da sich die Stimmrechtsmacht nicht nach Köpfen, sondern nach der Beteiligungsquote bemisst. Dies fördert die Gruppenbildung unter den Anteilseignern in einer Kapitalgesellschaft. Da die selbstregulierende Wirkung des Mehrheitsprinzips in Kapitalgesellschaften fehlt, besteht die Gefahr, dass das Ge90
So bereits Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, S. 60 f.; Bachmann/Eidenmüller/Engert/ Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 29; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 189 (206); rechtsvergleichend: Perakis, in: Perakis, Rights of Minority Shareholders, 2004, S. 21. 91 Begründung-RegE, in: Kropff, AktG, S. 373; Flume, BGB AT, Band I/2, 1983, S. 209; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 11; Kreß, Gerichtliche Beschlusskontrolle im Kapitalgesellschaftsrecht, 1996, S. 6; Wiedemann, GesR I, 1980, S. 406. 92 Doralt/Winner, in: MüKo, AktG, Vor § 53a Rn. 55. 93 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 96 f. 94 Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 48. 95 Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1731 (1738). 96 Grant/Kirchmaier, Corporate Ownership Structure and Performance in Europe, CEP Discussion Paper No. 631, April 2004, S. 14 f.; Laeven/Levine, Complex Ownership Structures and Corporate Valuations, IMF Working Paper WP/07/140, Juni 2007, S. 22, Table 2; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 16; Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., The Anatomy of Corporate Law, 2009, S. 30; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 646; zur Vorherrschaft von Großaktionären in Deutschland siehe auch: Hellgardt/Hoger, ZGR 2011, 38 (51 ff.); Van der Elst, in: FS Hopt, 2010, 629 (631).
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
sellschaftsinteresse und die Interessen der überstimmten Minderheit beeinträchtigt werden. Die Gefahr der potentiellen Beeinträchtigung der Gesellschafterinteressen wird nicht etwa dadurch gemindert, dass sich theoretisch jeder Gesellschafter durch Veräußerung seiner Anteile von der Gesellschaft lösen kann. Zum einen besteht eine problemlose Veräußerungsmöglichkeit der Gesellschaftsanteile nur für Gesellschafter börsennotierter Gesellschaften, die im amtlichen Handel notiert sind.97 Zum anderen reduziert das Argument der Veräußerbarkeit der Beteiligung die Stellung des Anteilseigners auf eine rein vermögensmäßige Stellung und lässt die herrschaftsrechtliche Komponente seiner Gesellschafterstellung gänzlich außer Betracht.98 Die börsennotierten Gesellschaften machen nur einen geringen Anteil an der Gesamtzahl der Gesellschaften aus. 2012 existierten in Deutschland rund 17.000 Aktiengesellschaften, 261 KGaA und 191 Europäische Aktiengesellschaften (SE)99, von denen insgesamt rund 1200 börsennotiert waren100. Die Zahl der in Deutschland existierenden GmbH lag dagegen 2012 bei über einer Million.101
C. Keine Richtigkeitsgewähr durch das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten Für einen Umwandlungsbeschluss bei einer Kapitalgesellschaft ist nach dem UmwG eine qualifizierte Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen bzw. drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals erforderlich.102 Der Gesetzgeber trägt mit dem Erfordernis qualifizierter Mehrheiten der großen Bedeutung dieser Maßnahmen für die Gesellschaft und deren Anteilseigner Rechnung. Da Umwandlungsmaßnahmen in der Regel zu einem Eingriff in die Rechte der überstimmten Minderheit führen103, ist die Schwelle für die Durchführung solcher Maßnahmen hoch angesetzt. Aber auch ein mit einer qualifizierten Mehrheit gefasster Beschluss einer Kapitalgesellschaft trägt keine Richtigkeitsgewähr in sich, da
97 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 29 f.; Grunewald, in: FS Claussen, S. 103 (103); M. P. Weller, ZGR 2012, 386 (394). 98 Zu den Komponenten des Mitgliedschaftsrechts an einer Gesellschaft siehe unten unter § 8 C. 99 Kornblum, GmbHR 2012, 728 (735). 100 Vgl. Liste der börsennotierten deutschen Unternehmen in Wikipedia, zu finden unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_b%C3%B6rsennotierten_deutschen_Unternehmen (Stand 19.04. 2013); für das Jahr 2010: Meyer-Landrut/Wendel, Satzungen und HV-Beschlüsse der börsennotierten AG, 2011, S. 4 Rn. 15. 101 Kornblum, GmbHR 2012, 728 (735). 102 Siehe § 2 C. 103 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, S. 599 Rn. 33; für Strukturmaßnahmen allgemein: Hüffer, AktG, § 243 Rn. 24.
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sich allein durch das Erfordernis größerer Mehrheiten nichts am Fehlen der Funktionsvoraussetzungen für das Mehrheitsprinzip ändert.104 Durch das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten wird die Richtigkeitsgewähr des Mehrheitsbeschlusses allenfalls erhöht, nicht aber in vollem Umfang gewährleistet.105 Die Funktionsvoraussetzungen des Mehrheitsprinzips müssen ungeachtet der Größe der erforderlichen Mehrheit stets vorliegen, damit der mehrheitlich getroffenen Entscheidung die inhaltliche Richtigkeit zugesprochen werden kann. Es können sich nämlich auch qualifizierte Mehrheiten verfestigen, so dass auch bei Gesellschafterbeschlüssen, die von einer qualifizierten Mehrheit gefasst wurden, nicht von ihrer Richtigkeit ausgegangen werden kann. Freilich findet die Verfestigung einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln in weitaus weniger Fällen statt als die Verfestigung einer einfachen Mehrheit. Dennoch können sich auch qualifizierte Mehrheiten als starre und feste Mehrheiten in einer Gesellschaft etablieren, etwa, wenn eine homogene Gesellschaftergruppe existiert oder wenn ein einzelner Mehrheitsgesellschafter über mehr als 75 % der Stimmanteile verfügt.106 Solche Konstellationen sind regelmäßig bei konzernangehörigen Gesellschaften anzutreffen, bei denen die Mehrheit der Stimmen meist in der Hand eines Unternehmens als Gesellschafter liegt.
D. Unkalkulierbarkeit künftiger Mehrheitsentscheidungen im Gesellschaftsrecht Ein wesentlicher Aspekt für die Kontrollbedürftigkeit von Mehrheitsbeschlüssen bei einer Gesellschaft ist die Unkalkulierbarkeit künftiger Mehrheitsentscheidungen aus Sicht des einzelnen Gesellschafters.107 Am Anfang der Beteiligung an einer Gesellschaft ist nicht erkennbar, welche zufälligen Entwicklungen die Gesellschaft und die Mehrheitsverhältnisse in Zukunft nehmen werden. Es müssen deshalb Mechanismen bereitgestellt werden, die den einzelnen Gesellschafter vor einer unvorhergesehenen Ausübung der Mehrheitsmacht schützen.108 Die Gesellschafter einigen sich bei der Gründung bzw. beim Beitritt zu einer Gesellschaft auf allge104
Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 67; Kreß, Gerichtliche Beschlusskontrolle im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 6; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 26 Rn. 72; Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (670); Wiedemann, GesR I, 1980, S. 445; ders., in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (962 f.); Torggler, GeS 2006 (Österreich), 58 (63 f.); Vorwerk/Wimmers, GmbHR 1998, 717 (722). 105 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 39 f.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbHRecht, 1988, S. 166. 106 Vorwerk/Wimmers, GmbHR 1998, 717 (719). 107 Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1385 f.). 108 Schön, a.a.O. (Fn. 118).
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
meine Grundlagen des künftigen Zusammenwirkens. Sie legen nicht jede konkrete künftige Entscheidung fest, sondern geben eine grobe Richtung für die Gesellschaft vor. Der Gesellschaftsvertrag ist somit ein stets unvollständiger Vertrag, bei dem die Risiken für die Gesellschafterstellung nicht voraussehbar sind.109 Darin liegt gerade das dem Gesellschaftsvertrag immanente Risiko. Es besteht die Gefahr des Verlusts der Selbstbestimmung der Minderheit, da die Mehrheit die Minderheit dominiert und es zu einer Fremdbestimmung kommen kann.110 Der einzelne Gesellschafter kann auf die Entscheidungen in der Gesellschaft zwar stets Einfluss nehmen, jedoch nicht mehr in gleichem Maße wie zum Zeitpunkt der Begründung seiner Mitgliedschaft, wo er unter Umständen eine bessere Verhandlungsposition hatte, sondern nur noch im Rahmen seiner begrenzten Stimmrechtsmacht.111 Die Situation beim Gesellschafterbeschluss ist eine andere als beim Austauschvertrag, der grundsätzlich solange Bestand hat, bis er durch übereinstimmende Willenserklärungen geändert wird.112 Zu den Grundlagen des künftigen Zusammenwirkens in einer Kapitalgesellschaft gehört zwar auch das Mehrheitsprinzip, dem sich der einzelne Gesellschafter willentlich unterwirft. Die Unterwerfung unter den Mehrheitswillen ist aber keine uneingeschränkte Unterwerfung unter die Mehrheitsherrschaft im Sinne eines absoluten Verzichts des einzelnen Gesellschafters auf seine mitgliedschaftlichen und verfassungsmäßigen Rechte.113 Der Gesellschafter erklärt sich nur bereit, den Mehrheitswillen zu akzeptieren, um die Erreichung des durch den Zusammenschluss zur Gesellschaft verfolgten Zwecks zu fördern. Er vertraut damit zugleich darauf, dass die Mehrheit ihre Macht nicht in unzulässiger Weise zuungunsten seiner Rechtsstellung ausüben wird. Fleischer begründet das Schutzerfordernis gegen einen „freiwilligen Vorausverzicht“ des Gesellschafters im Zeitpunkt seines Beitritts zur Gesellschaft mit dem Phänomen begrenzter Rationalität.114 Das Phänomen beschreibt den Hang von Individuen zum übermäßigen Optimismus, der dazu führt, dass sie den gegenwärtigen Nutzen einer Entscheidung systematisch über- und das künftige Risiko unterschätzen.115 Dieses Phänomen taucht vorwiegend bei Gesellschafterentscheidungen im Gründungsbzw. Beitrittsstadium auf.116
109 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2005, S. 639; Wiedemann, GesR II, 2004, S. 94 f.; M. P. Weller, ZGR 2012, 386 (396); siehe auch K. Schmidt, GmbHR 2011, 1289 (1296). 110 Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (836); Reul, DNotZ 2007, 184 (202); Wiedemann, WM 2009, 1 (5). 111 Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (835). 112 Hofmann, a.a.O. (Fn. 122). 113 Hofmann, a.a.O. (Fn. 122), S. 837; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1385); Stumpf, NJW 2003, 9 (10 f.). 114 Fleischer, ZGR 2001, 1 (7). 115 Fleischer, ZGR 2001, 1 (6) (m.w.N.). 116 Fleischer, a.a.O. (Fn. 126).
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E. Irreversibilität des Umwandlungsvorgangs Eine Kontrollbedürftigkeit des Umwandlungsbeschlusses ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass Umwandlungsvorgänge irreversibel sind.117 Die Eintragung der Umwandlung bewirkt für die Umwandlungsmaßnahme einen umfassenden Bestandschutz.118 Die Umwandlung wird gem. den §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG mit der Eintragung in das Handelsregister endgültig wirksam. Eventuelle Mängel im Verfahrensablauf einer Umwandlung oder Mängel des Umwandlungsbeschlusses werden geheilt. Eine Rückabwicklung der eingetragenen Umwandlung kommt ungeachtet der Schwere des Mangels nicht in Betracht.119 Weder besteht ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückabwicklung, noch kann eine Rückabwicklung im Rahmen eines bestehenden Schadensersatzanspruchs ex nunc im Wege der Naturalrestitution beansprucht werden.120 Der umfassende umwandlungsrechtliche Bestandschutz gilt darüber hinaus auch im handelsregisterrechtlichen Löschungsverfahren.121 Die fehlerhafte Eintragung einer Umwandlung kann daher auch nie durch Anstrengung eines Amtslöschungsverfahrens nach §§ 395, 397 FamFG beseitigt werden.122 Mit einer fehlerhaften Eintragung einer Umwandlung können unter Umständen rechtswidrige Beeinträchtigungen der beteiligten Gesellschafter einhergehen, die nicht mehr beseitigt werden können, nachdem eine Umwandlung ins Handelsregister eingetragen und wirksam geworden ist. Es muss daher ein hinreichender Schutz der Minderheitsgesellschafter durch Instrumente gesichert sein, die am Verfahren vor der Eintragung ansetzen. Die inhaltliche Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses ist ein solches Instrument.
117 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 168 f. Rn. 493. 118 Ausführlich zum Bestandschutz im Umwandlungsrecht: Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 250 ff.; ders., AG 2010, 230. 119 OLG Hamburg, Urteil v. 17.8. 2007 – 11 U 277/05 = DNotZ 2009, 227 (227 f.); Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 73; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rn. 86; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 33; Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 256; a.A. für schwere Mängel: Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 20 Rn. 376, (Stand 08/2008); K. Schmidt, in: FS Ulmer, 2003, S. 557 (572 f.). 120 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 70; Simon, in: KK, UmwG, § 20 Rn. 52; Kort, AG 2010, 230 (234 f.). 121 Kort, AG 2010, 230 (236). 122 BGH, Urteil vom 05.10. 2006 – III ZR 283/05 = NZG 2006, 956 (958); Kort, AG 2010, 230 (236 f.).
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
§ 4 Die materielle Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen in Rechtsprechung und Literatur A. Terminologie: Erfordernis sachlicher Rechtfertigung als Unterfall der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen Die Terminologie in Hinblick auf die gerichtliche Überprüfung des Inhalts von Gesellschafterbeschlüssen ist nicht einheitlich. Geläufig sind die Begriffe der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen sowie der materiellen Beschlusskontrolle. Diese Begriffe werden stellenweise ganz allgemein für die inhaltliche Überprüfung eines Beschlusses verwendet, unabhängig von der Kontrollintensität im Einzelfall.123 Teilweise wird aber auch begrifflich nach dem Grad der inhaltlichen Kontrolle unterschieden. Nach dieser Unterscheidung wird die Überprüfung eines Beschlusses unter dem Aspekt des Missbrauchs sowie der Umgehung zwingender Vorschriften als „(Rechts)Missbrauchskontrolle“ bezeichnet.124 Unter materieller Beschlusskontrolle wird hingegen die inhaltliche Kontrolle unter Einschluss sachlicher Erwägungen verstanden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit.125 Diese letztgenannte, intensivste Form der Kontrolle wird oft auch als „Sachkontrolle“126 oder „materielle Beschlusskontrolle im engeren Sinne“127 bezeichnet. Der BGH hat in der „Kali+Salz“-Entscheidung für die intensivste Form der Beschlusskontrolle den Begriff des „Sachgrunderfordernisses“ geprägt und gefordert, dass der Beschluss über den Ausschluss des Bezugsrechts „durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt“ sein müsse.128 Lutter unterscheidet in Bezug auf die inhaltliche Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen nach der Beschlusskontrolle auf erster und zweiter Stufe.129 Auf erster Stufe dieses Modells wird der Mehrheitsbeschluss auf den Missbrauch sowie die Umgehung von Rechtsvorschriften überprüft. Auf zweiter Stufe erfolgt die Überprüfung auf die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit des Beschlusses.130 123 Hüffer, AktG, § 243 Rn. 22; Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 209; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 214. 124 Vgl. Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 169. 125 So etwa Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 65 ff., 259 ff.; Henze, in: FS Boujong, 1996, S. 233. 126 Kreß, Gerichtliche Beschlusskontrolle im Kapitalgesellschaftsrecht, 1996, S. 17; Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (586). 127 Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 65. 128 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 = NJW 1978, 1316 (1317) („Kali+Salz“). 129 Lutter, ZGR 1981, 171 (178). 130 Lutter, ZGR 1981, 171 (178, dort Fn. 34).
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Im Rahmen dieser Untersuchung wird mit dem Begriff des sachlichen Rechtfertigungserfordernisses die intensivste Form der Beschlusskontrolle auf zweiter Stufe bezeichnet. Der Begriff der Inhaltskontrolle bzw. der materiellen Beschlusskontrolle wird hingegen als allgemeiner Oberbegriff für die inhaltliche Überprüfung eines Mehrheitsbeschlusses gebraucht, ohne auf die Intensität der Kontrolle abzustellen. In Zusammenhang mit der inhaltlichen Überprüfung von Gesellschafterbeschlüssen werden im Schrifttum meist auch der Gleichbehandlungsgrundsatz und die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht erwähnt.131 Sowohl die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht als auch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes werden der sachlichen Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen oft als eigenständige Kontrollinstrumente gegenübergestellt.132 Eine klare Abgrenzung bzw. Einordnung dieser Begriffe findet sich meist nicht.133 Der weit überwiegende Teil der Literatur geht davon aus, dass die Überprüfung eines Beschlusses auf die Einhaltung der Treuepflicht der Gesellschafter keine eigenständige Kontrollart, sondern die Rechtsgrundlage für die Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen im Allgemeinen ist.134 Die Überprüfung eines Mehrheitsbeschlusses anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist hingegen nach herrschender Ansicht ein eigenständiges rechtliches Kontrollinstitut, das in § 53a AktG gesetzlich vorgegeben ist.
B. Gesetzlich geregelte Fälle der materiellen Fehlerhaftigkeit des Umwandlungsbeschlusses Umwandlungsbeschlüsse unterliegen jedenfalls einer materiellen Kontrolle, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben ist. Hierzu gehören die Fälle der Überprüfung des Beschlusses auf eine mögliche Erlangung von Sondervorteilen eines Gesellschafters gem. § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG sowie seine Überprüfung auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes135 gem. § 53a AktG.136 Daneben kann der Beschluss im Anfechtungsverfahren gem. § 243 Abs. 1 AktG auf sonstige Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung überprüft werden. Eine Gesetzesverletzung liegt beispielsweise vor, wenn einem nach § 5 UmwG unvollständigen Verschmel131
Vgl. nur Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 39. So etwa Happ/Göthel, in: Lutter, UmwG, § 233 Rn. 53. 133 Grunewald, in: FS Röhricht, 2005, S. 129 (131). 134 Dazu vgl. unten § 5 E. 135 Grundlegend dazu G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, passim. 136 Sowohl § 243 Abs. 1 Satz 1 AktG als auch § 53a AktG sind entsprechend auf die GmbH anwendbar, vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 31; Merkt, in: MüKo, GmbHG, § 13 Rn. 145. 132
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zungsvertrag zugestimmt wird137, der Umwandlungsbeschluss nicht die erforderlichen Angaben im Sinne von § 194 UmwG enthält138 oder der zwingend vorgeschriebene Bericht über die geplante Umwandlung gem. §§ 8, 192 UmwG nicht139 oder fehlerhaft140 erstattet wird. Eine Gesetzesverletzung liegt zudem vor, wenn die Kontinuität der Mitgliedschaft gem. den §§ 2, 123 Abs. 1 bis 3, 194 Abs. 1 Nr. 3 UmwG verletzt wird, was der Fall ist, wenn die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gar nicht oder wertmäßig nicht in äquivalenter Weise am übernehmenden Rechtsträger beteiligt werden.141 Eine klageweise Geltendmachung der fehlenden Wertäquivalenz der Mitgliedschaften ist gem. § 14 Abs. 2 UmwG für die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers jedoch ausgeschlossen. Sie können einen Wertausgleich durch bare Zuzahlung nach § 15 Abs. 1 UmwG vielmehr im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 SpruchG geltend machen.142
C. Die Rechtsmissbrauchskontrolle des Umwandlungsbeschlusses Ferner gehen Rechtsprechung143 und Literatur144 davon aus, dass sämtliche Gesellschafterbeschlüsse und daher auch Umwandlungsbeschlüsse einer Rechtsmiss137 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 14 Rn. 12; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 114. 138 Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rn. 63. 139 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 8 Rn. 33; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 192 Rn. 61. 140 OLG Frankfurt, Beschluss v. 20.03. 2012 – 5 AktG 4/11 = AG 2012, 414 (415); Lutter/ Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 55. 141 OLG Stuttgart, Urteil v. 28.01. 2004 – 20 U 3/03 = NZG 2004, 463 (467); Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 14 Rn. 62, Stand 02/2008; Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 7. 142 Zum Rechtsschutz der Anteilseigner gegen Umwandlungsmaßnahmen vgl. unten unter § 11 E. 143 BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1120); BGH, Urteil vom 28.1. 1980 – II ZR 124/78 = NJW 1980, 1278 (1278) (Auflösungsbeschluss); BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579 (1581) (Auflösungsbeschluss); BGH, Urteil v. 22.05. 1989 – II ZR 206/88 („KochsAdler“) = NJW 1989, 2689 (Verschmelzung); BGH, Urteil v. 18.9. 2006 – II ZR 225/04 = NZG 2006, 905 (906) (Squeeze-out); BGH, Urteil v. 16.3. 2009 – II ZR 302/06 = NZG 2009, 585 (Squeeze-out); OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 08.02. 2006 – 12 W 185/05 („T-Online“) = AG 2006, 249; OLG Düsseldorf, Urteil v. 16.01. 2003 – 6 U 60/02, I-6 U 60/02 = DB 2003, 1318 (1319); OLG Stuttgart, Urteil v. 12.5. 1999 – 20 U 62/98 = NZG 2000, 159. 144 Decher, in: Lutter, UmwG, § 193 Rn. 9 a.E.; Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 04/2007, § 13 Rn. 163.29; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 32 a.E., Rn. 39; Simon, in: KK, UmwG, § 13 Rn. 98; K. Schmidt, in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 48; Semler, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 41 Rn. 36; Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 67.2; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 173 ff.; Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 262; Grunewald, in: FS Röhricht, 2005, S. 129; Kindler, ZHR 1994, 339 (358); Weiler, NZG 2008, 527 (530).
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brauchskontrolle unterliegen. Gemeint ist damit Lutters Beschlusskontrolle auf erster Stufe145, bei der ein Beschluss auf den Missbrauch der Mehrheitsmacht sowie die Umgehung von Rechtsvorschriften überprüft wird. Mit dem Missbrauch der Mehrheitsmacht ist die unzulässige Rechtsausübung der Mehrheitsrechte gemeint. Sie ist gegeben, wenn die Rechtsausübung als solche unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu missbilligen ist, sie anderweitige Pflichten verletzt oder ihr einzig möglicher Zweck die Benachteiligung der Betroffenen ist.146 Ein Umwandlungsbeschluss kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn die konkrete Umwandlung von der Mehrheit art- und funktionswidrig dafür eingesetzt wird, eine Kapital- oder Stimmrechtsverwässerung außenstehender Aktionäre herbeizuführen.147 Im Falle einer Rechtsmissbrauchskontrolle ist zwar von einem grundsätzlich rechtmäßigen Gesellschafterbeschluss auszugehen. Die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit des Gesellschafterbeschlusses kann aber vom Anfechtungskläger widerlegt werden, indem er darlegt und beweist, dass ausnahmsweise die Mehrheit in rechtsmissbräuchlicher Weise gehandelt hat. Umstritten ist, woraus sich die Rechtsmissbrauchskontrolle ableitet und wie ihr Verhältnis zu den Kontrollmechanismen der gesellschafterlichen Treuepflicht und der sachlichen Rechtfertigungskontrolle ist. Diese beiden Fragen stehen in unmittelbarem Zusammenhang, da das Verhältnis der genannten Institute zueinander von der Bestimmung ihrer Rechtsgrundlagen abhängt. Die Rechtsmissbrauchskontrolle wird teilweise auf § 138 BGB148 gestützt oder mit dem allgemeinen Gebot von Treu und Glauben aus § 242 BGB149 begründet. Dementsprechend wird die Rechtsmissbrauchskontrolle von Teilen der Literatur als eigene Kontrollart neben der Überprüfung von Mehrheitsentscheidungen anhand der gesellschafterlichen Treuebindungen und der sachlichen Rechtfertigungskontrolle angesehen.150 Die h.M. sieht die Rechtsmissbrauchskontrolle in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Gesellschafter untereinander begründet.151 Nach h.M. ist das
145
Lutter, ZGR 1981, 171 (178); vgl. auch oben unter § 4 A. Roth/Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 235; Schäfer/Dette, NZG 2009, 1 (2). 147 BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723); Simon, in: KK, UmwG, § 13 Rn. 102. 148 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (585); dagegen Armbrüster, in: MüKo, BGB, § 138 Rn. 7. 149 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 350; Schäfer/Dette, NZG 2009, 1 (2); Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (668). 150 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 23 f.; Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 67.2; Brüls-Dehin, Die Schranken von Mehrheitsmacht und Minderheitsrechten im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 138 f. 151 Fleischer, in: GroßKomm-AktG, § 327a Rn. 76; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 39; Verse, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, S. 579 (599); Henze, BB 1996, 489 (494); Weiler, NZG 2008, 527 (530); Wiedemann, DB 1993, 141 (143). 146
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Rechtsmissbrauchsverbot demnach ein Unterfall der Treuepflichtbindung der Gesellschafter.
D. Die Verletzung mitgliedschaftlicher Treuepflichten Die Existenz von gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten wird heute auch im Aktienrecht nicht mehr in Zweifel gezogen.152 Die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten sind ein fester Bestandteil im Binnenrecht der Gesellschaft.153 Neben den organschaftlichen Treuepflichten154 der Geschäftsführungsorgane gegenüber der Gesellschaft bestehen Treuepflichten auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander.155 Überwiegend wird auch eine Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft anerkannt.156 Als Instrument des Minderheitenschutzes ist aber vor allem die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander bedeutsam.157 Aus der Treuepflicht der Gesellschafter untereinander folgt nach einhelliger Auffassung, dass sämtliche Gesellschafterbeschlüsse auf die Einhaltung der Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter gegenüber den Minderheitsgesellschaftern überprüft werden können und bei Treuwidrigkeit anfechtbar sind.158 Die Treuepflicht unter den Gesellschaftern zählt demnach zu den anerkannten Instrumenten der inhaltlichen Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen.159 Ihre Anerkennung fand die Treuepflicht 152 Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 44; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 159; Lutter, ZHR 1998, 164 (166). 153 M. P. Weller, in: FS M. Winter, 2011, S. 755 (755). 154 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 44; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 9; Spindler, in: MüKo, AktG, § 93 Rn. 92; Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, 2003, S. 55 ff.; Wiedemann, WM 2009, 1 (2 f.); ders., in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (957 ff.). 155 Grundlegend zur Treuepflicht der Gesellschafter: M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, passim; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 42 ff.; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 13 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rn. 18 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, Kapitel II, S. 157 ff.; Zwissler, Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung, 2001, passim; Henze, in: FS Kellermann, 1991, S. 141; ders., ZHR 1998, 186; Kindler, in: FS Spiegelberger, 2009, S. 778; Dreher, DStR 1993, 1632; Kort, ZIP 1990, 294; Lutter, ZHR 1998, 164; Wiedemann, WM 2009, 1 (4 ff.); ders., in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (960 ff.); kritisch zur Treuepflicht Flume, ZIP 1996, 161. 156 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 48; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 19. 157 K. Schmidt, GesR, S. 593. 158 BGH, Urteil v. 5.6. 1975 – II ZR 23/74 („ITT“) = NJW 1976, 191; BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579; BGH, Urteil v. 22.06. 1992 – II ZR 178/90 („IBH/Scheich Kamel“) = NJW 1992, 3167 (3171); BGH, Urteil v. 20.03. 1995 – II ZR 205/94 („Girmes“) = NJW 1995, 1739; BGH, Urteil v. 5.7. 1999 – II ZR 126/98 („Hilgers“) = NZG 1999, 1158; BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (Formwechsel); Fleischer, in: Schmidt/Lutter, § 53a Rn. 64; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 39; Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 209 f. 159 Wiedemann, WM 2009, 1 (9); Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 67.2.
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ursprünglich für Personengesellschaften.160 Sie wurde anfänglich mit dem besonderen Vertrauensverhältnis der Gesellschafter einer Personengesellschaft untereinander begründet.161 Über das Recht der GmbH wurde sie später in das Kapitalgesellschaftsrecht übernommen162 und später auch für die AG163 anerkannt. Die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander wird auch bei der Kapitalgesellschaft auf das mitgliedschaftliche Gemeinschaftsverhältnis gestützt, obwohl die Bindung der Gesellschafter untereinander weit weniger stark ausgeprägt ist als bei einer Personengesellschaft.164 Trotz der seit langem bestehenden Einigkeit über die Existenz von Treuepflichten im Gesellschaftsrecht ist ihr Inhalt weitgehend konturenlos geblieben. Allgemein wird die Treuepflicht umschrieben als die Pflicht der Gesellschafter zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft und die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter165, wobei ihre Intensität von der Realstruktur der Gesellschaft und von der Ausgestaltung der konkreten Mitgliedschaft abhängt.166 Die Treuepflicht ist eine richterrechtliche Generalklausel167, die der Konkretisierung im Einzelfall bedarf.168 Ebenfalls uneinheitlich werden das Verhältnis der Treuepflicht zu anderen Kontrollinstituten und ihre Funktion im Kontext der Anfechtung von Mehrheitsbeschlüssen beurteilt. Teilweise wird die Überprüfung eines Mehrheitsbeschlusses anhand der mitgliedschaftlichen Treuepflichten als eigenes Kontrollinstrument neben der sachlichen Rechtfertigungskontrolle und der Missbrauchskontrolle angesehen.169 Nach h.M. folgt gerade aus dem Wesen der Treuepflicht als Generalklausel die eigentliche Funktion der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Die Treuepflicht unter den Gesellschaftern ist nach herrschender Ansicht die Rechts-
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K. Schmidt, GesR, S. 589; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 109 Rn. 23. A. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947, S. 13 ff.; Wiedemann, GesR II, 2004, S. 194. 162 BGH, Urteil v. 5.6. 1975 – II ZR 23/74 („ITT“) = NJW 1976, 191; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, passim. 163 BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 42; Kort, ZIP 1990, 294. 164 BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579; Kort, ZIP 1990, 294 (295). 165 BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579 (1581 f.). 166 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 54; Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (953). 167 Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (949 f.). 168 Schiessl/Böhm, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 32 Rn. 21. 169 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 23 f.; Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 67.2; Brüls-Dehin, Die Schranken von Mehrheitsmacht und Minderheitsrechten im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 138 f.; Wolf, ZIP 2002, 153 (157). 161
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grundlage170 für alle nicht gesetzlich geregelten Fälle der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen.171 Die Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern definieren nach einhelliger Auffassung keinen spezifischen Kontrollmaßstab und sagen nichts über die Kontrolldichte der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen aus.172 Sie sind die dogmatische Grundlage für die materielle Kontrolle im Allgemeinen, ungeachtet der Frage, wie diese Kontrolle im konkreten Einzelfall aussieht. Nach herrschender Ansicht bildet die Treuepflicht unter den Gesellschaftern somit die Rechtsgrundlage sowohl für die sachliche Rechtfertigungskontrolle173 als auch für die Rechtsmissbrauchskontrolle174 des Gesellschafter- und somit des Umwandlungsbeschlusses.175 Folglich gehört das Verbot rechtsmissbräuchlicher Ausübung der Stimmrechtsmacht nach h.M. zum gesicherten Inhalt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.
E. Das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung von Umwandlungsbeschlüssen I. Der Meinungsstand in der Literatur zur sachlichen Rechtfertigung von Umwandlungsbeschlüssen Die Meinungen zur Intensität der Beschlusskontrolle bei Umwandlungen sind im Schrifttum sehr facettenreich. Einen Beitrag zur Mannigfaltigkeit der bestehenden Ansichten hat der Gesetzgeber geleistet, als er bei Schaffung des UmwG1994 der Empfehlung Hommelhoffs176 gefolgt ist und sich bewusst vom Problemkreis „materielle Beschlusskontrolle“ fernhielt, um die Klärung des Problemkreises Lehre und Rechtsprechung zu überlassen. Die Gesetzesbegründung zum UmwG1994 ist in Bezug auf die „Kali+Salz“-Rechtsprechung sehr offen gehalten. Nach der Gesetzesbegründung ist es zweifelhaft, ob sich die Grundsätze, die für die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss entwickelt wurden, auf Umwandlungsbeschlüsse übertragen lassen.177 Das UmwG sei jedenfalls aber nicht der richtige Ort zur Regelung einer materiellen Beschlusskontrolle, da es sich hierbei um ein
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Zur h.M., die die Treuepflicht als Rechtsgrundlage für das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung ansieht vgl. unten § 5 E. 171 Hüffer, AktG, § 53a Rn. 17; Zwissler, Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung, 2001, S. 138 f.; Henze, BB 1996, 489 (496 f./499); Wiedemann, DB 1993, 141 (143). 172 Wiedemann, ZGR 1999, 857 (868 f.). 173 Vgl. dazu unten § 5 E. 174 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 39; K. Schmidt, in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 47; Henze, BB 1996, 489 (494); Wiedemann, DB 1993, 141 (143). 175 Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 139. 176 Hommelhoff, ZGR 1990, 447 (460 f.). 177 Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 61 und S. 216.
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„Grundsatzproblem des Gesellschaftsrechts“ handle, das die materielle Kontrolle wichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse im Allgemeinen betreffe.178 1. Befürwortung der sachlichen Rechtfertigungskontrolle unabhängig vom Beschlussgegenstand Nach Ansicht, die vor allem von Wiedemann vertreten wird, müssen sämtliche Gesellschafterbeschlüsse über eine strukturändernde Maßnahme sachlich gerechtfertigt sein.179 Wiedemann betont aber, dass die Anforderungen an das Sachlichkeitserfordernis dabei im Einzelfall abgestuft werden können.180 Seiner Ansicht nach muss der Maßstab der Kontrolle von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bis hin zur Prüfung, ob ein Beschluss lediglich im Gesellschaftsinteresse liegt, durch das Gericht flexibel handhabbar sein.181 Strukturmaßnahmen seien ein notwendiges Instrument der Geschäftspolitik. Die Gesellschafter könnten daher nicht verlangen, dass in allen Fällen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Dennoch sieht Wiedemann es als notwendig an, Rechtsschutz gegen unbegründete Eingriffe in die Mitgliedschaft zu gewährleisten. Diese Ansicht bejaht ausnahmslos das „Ob“ der sachlichen Rechtfertigungsprüfung für alle strukturändernden Beschlüsse, wogegen das „Wie“ der Kontrolle für jeden Einzelfall gesondert zu bestimmen sein soll.182 Eine neuere Ansicht von Fastrich stellt in Bezug auf die Frage des sachlichen Rechtfertigungserfordernisses weder auf den Beschlussgegenstand noch auf die Gesellschaftsform ab, sondern allein auf die Interessenslage in der konkreten Beschlusskonstellation.183 Nach dieser Ansicht hat eine Sachkontrolle in sämtlichen Beschlusskonstellationen zu erfolgen, in denen die Richtigkeitsgewähr in typisierbarer Weise fehlt, weil die externen Interessen der Gesellschaftermehrheit regel-
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Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 61 und S. 216. Wiedemann, GesR I, 1980, S. 445; ders., in: FS Heinsius, 1991, 949 (963); ders., WM 2009, 1 (9); ders., ZGR 1999, 857 (869); ders., ZGR 1980, 147 (157); Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 213; Satzl, Freigabe von Gesellschafterbeschlüssen im Kapitalgesellschaftsrecht, 2011, S. 97; Schindler, Das Austrittsrecht, in: Kapitalgesellschaften, 1999, S. 173 ff.; Bischoff, BB 1987, 1055 (1061); Lawall, DStR 1997, 331; C. Schäfer, ZGR 2009, 768 (781); Martens, ZGR 1979, 493 (496 f.). 180 Wiedemann, WM 2009, 1 (9); ders., in: FS Heinsius, 1991, 949 (963); ähnlich auch Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 213 f., der den Kontrollmaßstab als den Kern der Debatte um die materielle Beschlusskontrolle ansieht. 181 Dazu und zum Folgenden Wiedemann, WM 2009, 1 (9). 182 Ähnlich auch Bieder, Das ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranke privater Rechtsausübung, 2007, S. 287 ff. und 308 f., der eine Kontrolle des Gesellschafterbeschlusses im Wege einer Interessenabwägung befürwortet. 183 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (595 ff.). 179
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mäßig überwiegen.184 Um nicht wegen dieser latenten Gefahr alle Beschlüsse der Sachkontrolle zu unterwerfen, müssten Fallgruppen gebildet werden, die zwischen den Fällen unterscheiden, in denen eine solche Gefahr in erhöhtem Maße besteht, und solchen Fällen, in denen diese Gefahr nur geringfügig vorhanden ist.185 Positiv fällt auch die Auswertung der Literatur zum GmbH-Recht hinsichtlich des sachlichen Rechtfertigungserfordernisses aus. Die Mehrheit der Autoren geht davon aus, dass die GmbH-Gesellschafter bei der Beschlussfassung an den Gesellschaftszweck gebunden sind und Beschlüsse, die nachteilig in die Mitgliedschaft eingreifen, den Anforderungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit unterliegen.186 Mangels ausdrücklicher Bezugnahme auf Umwandlungsmaßnahmen kann daraus nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass diese Autoren eine sachliche Rechtfertigung sämtlicher Umwandlungsbeschlüsse einer GmbH fordern. Jedenfalls aber ist die Tendenz zu erkennen, dass bei Gesellschafterbeschlüssen in der GmbH ein strengerer Kontrollmaßstab befürwortet wird, der über die reine Rechtsmissbrauchskontrolle hinausgeht. 2. Befürwortung der sachlichen Rechtfertigungskontrolle speziell für Umwandlungsbeschlüsse Einige Autoren befürworten ein Erfordernis sachlicher Rechtfertigung speziell bei Umwandlungsbeschlüssen nach dem UmwG. Während einige unter ihnen sämtliche Umwandlungsbeschlüsse für sachlich rechtfertigungsbedürftig halten187, wollen andere sie nur in bestimmten Umwandlungskonstellationen einem Zwang zur sachlichen Rechtfertigung unterwerfen. So werden mitunter nur Verschmelzungsbeschlüsse für sachlich rechtfertigungsbedürftig angesehen.188 Zum Teil wird ver184
Ähnlich auch Roth/Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 482, die neben einer unzulässigen Verfolgung externer Partikularinteressen zudem einen gravierenden Eingriff, in: den Kernbereich der Mitgliedschaft fordern. 185 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (596). 186 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 54; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 38c; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 27; Merkt, in: MüKo, GmbHG, § 13 Rn. 93; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 332; Wicke, in: Wicke, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 15; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, 1988, S. 135 ff.; ebenfalls tendenziell für eine Sachkontrolle des Umwandlungsbeschlusses einer GmbH: Raiser, in: Ulmer, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 140; nur die Bindung an den Gesellschaftszweck aber nicht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit erwähnend Wertenbruch, in: MüKo, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 128; für eine sachliche „Rechtfertigung“ des Beschlusses bei schweren Eingriffen aber gegen eine Überprüfung der sachlichen „Richtigkeit“ Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 129a; a.A. Priester/Veil, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 55; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 50; Schiessl/Böhm, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 32 Rn. 32. 187 Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 556; Torggler, GeS 2006 (Österreich), 109 (111); tendenziell dafür auch Reul, DNotZ 2007, 184 (203). 188 Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 148; Ross, Materielle Kontrolle des Verschmelzungsbeschlusses bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften,
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treten, dass sowohl Verschmelzungs- als auch Aufspaltungsbeschlüsse sachlich gerechtfertigt sein müssen.189 Teilweise wird angenommen, dass auch der Ausgliederungsbeschluss einer sachlichen Rechtsfertigungskontrolle unterliegen muss.190 Ferner wird auch vertreten, dass sämtliche Umwandlungsmaßnahmen auf ihre Bindung an den Gesellschaftszweck und das Gesellschaftsinteresse überprüft werden müssen, nicht aber auf ihre Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit.191 3. Ablehnung einer sachlichen Rechtfertigung für Umwandlungsbeschlüsse seitens der h.L. Die vorherrschende Meinung im Schrifttum lehnt im Ergebnis eine sachliche Rechtfertigungskontrolle speziell für Umwandlungsbeschlüsse ab.192 Gleichwohl besteht nach h.M. Einigkeit darüber, dass bei strukturändernden Beschlüssen wegen ihres erheblichen Eingriffs in die Mitgliedschaft im Grundsatz eine sachliche Rechtfertigungskontrolle am Maßstab der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit erfolgen muss.193 Eine sachliche Rechtfertigungskontrolle des Mehrheitsbeschlusses scheide aber für diejenigen Beschlussgegenstände aus, für die das Gesetz bereits eine abschließende Interessenabwägung zwischen der Mehrheit und der betroffenen Minderheit vorgenommen habe.194 Von dieser Prämisse ausgehend lehnt ein Großteil der Literatur das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung für Umwandlungsbeschlüsse mit der Begründung ab, dass das UmwG mit der Legitimation der Umwandlungsmaßnahmen und seinen umfangreichen Regelungen bereits eine eigene und abschließende Interessenabwägung trifft.195 Häufig wird bei der Begründung gegen eine Pflicht zur sachlichen Recht1997, S. 140 f.; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1624 f.); ders., ZHR 1999, 505 (528 f.); R. Becker, AG 1988, 223 (227 f.); offen gelassen Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 195 Rn. 450 f. 189 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 345 und S. 350; tendenziell für eine Sachkontrolle von Spaltungsbeschlüssen auch Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 474 Rn. 26. 190 Veil, ZIP 1998, 361 (364); ihm folgend: OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457 a.E.). 191 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 113, 569 f. 192 Vgl. nur Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 32. 193 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 243 Rn. 24. 194 Hüffer, AktG, § 243 Rn. 24; ders., in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 63; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 33; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 69 Rn. 13; Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 32; Henze, in: FS Boujong, 1996, S. 233 (246 ff.); Lutter, ZGR 1981, 171 (176); ders., ZHR 1989, 446 (449); Timm, ZGR 1987, 403 (420); Feddersen/Kiem, ZIP 1994, 1078 (1084). 195 Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 45; Göz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 243 Rn. 15; Hüffer, AktG, § 243 Rn. 27; K. Schmidt, in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 46; Wagner/Epe, in: Wachter, AktG, § 243 Rn. 26; Decher, in: Lutter, UmwG, § 193 Rn. 9; Heidinger, in: Henssler/ Strohn, GesR, § 13 UmwG Rn. 27; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rn. 19;
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fertigung von Umwandlungsbeschlüssen der strukturell angelegte Minderheitenschutz im UmwG hervorgehoben.196 Es bestehe kein Bedürfnis für die sachliche Rechtfertigung von umwandlungsrechtlichen Maßnahmen, da die Minderheit durch umfangreiche Informations- und punktuelle Zustimmungspflichten sowie aufgrund der Prüfung der Maßnahme durch einen unabhängigen Prüfer hinreichend geschützt sei.197 Zudem bestehe die Möglichkeit gegen Abfindung aus der Gesellschaft auszutreten.198 Hüffer plädiert aber dafür, dass es beim grundsätzlichen Erfordernis der Sachkontrolle bleiben muss, wenn „sich für spezifische Fallgestaltungen Anschauungslücken des Gesetzgebers feststellen lassen“.199 Gemäß diesem Regel-AusnahmeVerhältnis sprechen sich einige Autoren für eine ausnahmsweise gebotene Sachkontrolle des Verschmelzungsbeschlusses im Falle einer abhängigkeitsbegründenden Verschmelzung aus, da ihrer Auffassung nach der Konzerneingangsschutz nur unzureichend gesetzlich geregelt ist.200 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 37; Simon, in: KK, UmwG, § 13 Rn. 96 f.; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 13 Rn. 23; Priester/Veil, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 55; Semler, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 41 Rn. 35; Schiessl/Böhm, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 32 Rn. 32; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, S. 504 Rn. 299; Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (661); Binnewies, GmbHR 1997, 727 (729 f.); Hofmann/Krolop, AG 2005, 866 (870); Kort, AG 2011, 611 (613); Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (664); Weiler, NZG 2008, 527 (530); Timm, ZGR 1987, 403 (440); offen gelassen von: Heidel, in: Heidel, AktG, § 243 Rn. 25; Vollrath, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 10/2000, § 193 Rn. 52; Hommelhoff, ZGR 1990, 447. 196 Bärwaldt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 193 Rn. 17; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 23 f.; Happ, in: Lutter, UmwG, § 233 Rn. 52; Ihrig, in: Semler/Stengel, UmwG, § 233 Rn. 28; Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 13 Rn. 163.27, Stand 04/ 2007; Maulbetsch, in: M/K/R, UmwG, § 13 Rn. 38; Petersen, in: KK, UmwG, § 193 Rn. 2; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 08/2008, § 233 Rn. 155; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 13 Rn. 12; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 178; Harbarth, in: MüKo, GmbHG, § 53 Rn. 110; Hoffmann, in: Michalski, GmbHG, § 53 Rn. 107; Kiem, Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung, 1991, S. 142; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 354 f.; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 87; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 233 ff.; Pfeuffer, Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?, 2006, S. 146; Rettmann, Die Rechtmäßigkeitskontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen, 1998, S. 30; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 290; Grunewald, in: FS Röhricht, 2005, S. 129 (129 f.); Meyer-Landrut/Kiem, WM 1997, 1361 (1365); Vorwerk/Wimmers, GmbHR 1998, 717 (723); für den Fall der Ausgliederung offen gelassen Veil, ZIP 1998, 361 (362 f.). 197 Vgl. nur Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 13 Rn. 12. 198 Vgl. nur Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 23 f. 199 Hüffer, AktG, § 243 Rn. 27; so auch Binnewies, GmbHR 1997, 727 (732 f.), der sich für eine einzelfallbezogene Anwendung der materiellen Beschlusskontrolle auf besonders minderheitsbelastende Umwandlungsvorgänge ausspricht. 200 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 38; H. F. Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, Vor § 311 Rn. 53; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 11 a.E.; Ulmer, in: Ulmer,
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Gegen eine sachliche Rechtfertigung von Umwandlungsbeschlüssen wird teilweise vorgebracht, dass sich Umwandlungsmaßnahmen tatsächlich nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen lassen201 oder aber außerhalb des Gesellschaftszwecks liegen und daher eine Sachkontrolle ausscheidet202. Häufig wird darauf verwiesen, dass die beweglichen Schranken der Treuepflicht und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kontrollmaßstab ausreichen.203 Ein ebenfalls geläufiges Argument gegen eine Sachkontrolle des Verschmelzungsbeschlusses des übertragenden Rechtsträgers ist der Vergleich mit dem Auflösungsbeschluss einer Gesellschaft, der nach Rechtsprechung204 und herrschender Literatur205 – von Missbrauchsfällen abgesehen – kontrollfest ist.206 Vereinzelt wird eine sachliche Rechtfertigungskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen mangels Existenz einer tragfähigen Grundlage abgelehnt.207 Zöllner sieht im Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung eine Manifestation der Treuepflicht der Gesellschafter mit der daraus folgenden Bindung an das Gesellschaftsinteresse.208 Seiner Ansicht nach liegt der Unterschied zwischen einer normalen Überprüfung des Beschlusses auf die Einhaltung der Treuepflichten und dem Sachgrunderfordernis als einer besonderen Variante der Treuepflichtenkontrolle allein in der unterschiedlichen Beweislastverteilung.209 Grundsätzlich müsse der Anfechtungskläger einen Treuepflichtverstoß darlegen und beweisen. Bei besonders einschneidenden Maßnahmen, wie etwa der Umwandlung, gehe die Beweislast auf die beschlussfassende Mehrheit über.210 Nur wenn die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Minderheit wie im UmwG ausreichend geschützt sei, bleibe es seiner GmbH, § 53 Rn. 80; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor 311 AktG Rn. 6; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 69 Rn. 19; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 52 Rn. 21, 27; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 189 f.; Henze, BB 1996, 489 (497); Timm, ZGR 1987, 403 (428); nur für qualifizierte Abhängigkeitsbegründung auch Binnewies, GmbHR 1997, 727 (731). 201 Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 262; Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft, 1996, S. 199. 202 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 321 ff. 203 Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 67; ders., ZIP 1990, 294 (297); Wälzholz, DStR 2006, 236 (240); für den Fall der Ausgliederung Baums, AG 1994, 1 (5 f.). 204 BGH, Urteil v. 28.1. 1980 – II ZR 124/78 = NJW 1980, 1278; BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 = NJW 1988, 1579; OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 21.4. 2009 – 5 U 68/08 = NZG 2009, 1226 (1226). 205 Vgl. nur Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 262 Rn. 31. 206 Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 04/2007, § 13 Rn. 163.24; M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (40). 207 Käpplinger, Inhaltskontrolle von Aktienoptionsplänen, 2003, S. 90. 208 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 101; ders., AG 2000, 145 (154); so auch Roth/Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 482. 209 Dazu und zum Folgenden Zöllner, AG 2000, 145 (154 f.). 210 Zöllner, AG 2000, 145 (154 f.); ähnlich auch: Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 165; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 129a.
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Ansicht nach bei der Darlegungs- und Beweislast des Anfechtungsklägers.211 Im Ergebnis stimmt Zöllner mit der herrschenden Auffassung überein und lehnt eine sachliche Rechtfertigung von Umwandlungsmaßnahmen wegen des seiner Ansicht nach ausreichenden Minderheitenschutzes im UmwG ab. II. Die Rechtsprechung zur sachlichen Rechtsfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen 1. Der Bezugsrechtsausschluss und andere Beschlussgegenstände Der BGH hat das Erfordernis für eine sachliche Rechtfertigung eines Gesellschafterbeschlusses erstmals in der „Kali+Salz“-Entscheidung212 aufgestellt. Gegenstand dieser Entscheidung war der Ausschluss des Bezugsrechts bei der Kapitalerhöhung einer AG. Der BGH war der Ansicht, dass der Beschluss im Interesse der Gesellschaft sachlich gerechtfertigt sein muss und dass die Prüfung dieser ungeschriebenen sachlichen Wirksamkeitsvoraussetzung eine Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck einschließt.213 Begründet hat er das Sachgrunderfordernis damit, dass der Ausschluss des Bezugsrechts einen schweren Eingriff in die Mitgliedschaft bedeutet.214 Der BGH ist mit dieser Entscheidung der im damaligen Schrifttum215 geforderten Kontrolle strukturändernder Mehrheitsbeschlüsse anhand des Gesellschaftsinteresses und am Maßstab der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gefolgt. Das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung unter Einschluss einer Verhältnismäßigkeitsprüfung wurde zunächst in den Entscheidungen „Holzmann“216 und „Deutsche Bank“217 auch auf den Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital übertragen. In der Entscheidung „Siemens/Nold“218 senkte der BGH später die Anforderungen für das genehmigte Kapital wieder.219 Seitdem sieht der BGH es als ausreichend an, dass die Maßnahme im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft 211
Zöllner, AG 2000, 145 (155, 157). BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316 (1317). 213 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316 (1317); BGH, Urteil v. 07.03. 1994 – II ZR 52/93 („Deutsche Bank“) = NJW 1994, 1410 (1410 f.). 214 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316 (1317). 215 Der BGH stützt sich dabei konkret auf Füchsel, BB 1972, 1533 (1538 f.) und namentlich auf: Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 352 f.; Lutter, ZGR 1979, 401; Wiedemann, ZGR 1980, 147 (155 ff.). 216 BGH, Urteil v. 19.04. 1982 – II ZR 55/81 („Holzmann“) = NJW 1982, 2444 (2445). 217 BGH, Urteil v. 07.03. 1994 – II ZR 52/93 („Deutsche Bank“) = NJW 1994, 1410 (1410 f.). 218 BGH, Urteil v. 23.06. 1997 – II ZR 132/93 („Siemens/Nold“) = NJW 1997, 2815 (2815 f.). 219 So auch Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 169. 212
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liegt und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben wird.220 Eine Abwägung der gegenläufigen Interessen sowie eine Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit wurden nicht vorgenommen. Zur Begründung führte der BGH aus, dass die bis dato geltenden Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital zu streng und nicht praktikabel sind. Sie würden dem Institut des genehmigten Kapitals die nötige Flexibilität nehmen, die die Gesellschaften benötigten, um sich auf dem freien Markt behaupten zu können.221 Mangels ausdrücklicher Aufgabe der Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit hat die Entscheidung eine kontroverse Diskussion darüber entfacht, welcher Kontrollmaßstab nun nach Ansicht des BGH heranzuziehen sei.222 Der Schritt weg von der Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung wurde seitdem in mehreren Entscheidungen bekräftigt223, so dass an der Aufgabe dieser Kriterien keine Zweifel mehr bestehen dürften. Die Anforderungen an die sachliche Rechtsfertigung des Bezugsrechtsausschlusses beim genehmigten Kapital wurden vom BGH gelockert, der Beschluss muss aber nach wie vor im Gesellschaftsinteresse liegen. Die „Kali+Salz“-Grundsätze wurden vom BGH im Kapitalgesellschaftsrecht lediglich auf einen Beschluss angewendet, der die Befreiung eines GmbH-Gesellschafters von einem statutarischen Wettbewerbsverbot vorsah und dadurch zur faktischen Abhängigkeit einer GmbH führte.224 Bejaht wurde das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigungskontrolle vom BGH ansonsten nur für einige Beschlüsse in der Personengesellschaft.225 Im Gegensatz dazu stehen einige Entscheidungen des BGH, in denen eine sachliche Rechtfertigungskontrolle des Beschlusses einer Kapitalgesellschaft ausdrücklich abgelehnt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterliegt der 220 BGH, Urteil v. 23.06. 1997 – II ZR 132/93 („Siemens/Nold“) = NJW 1997, 2815 (2815 f.). 221 BGH, a.a.O. (Fn 231). 222 Für die Aufgabe der Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit: Bungert, NJW 1998, 488 (490); Henze, ZHR 1998, 186 (190); Volhard, AG 1998, 397 (402); nur für Aufgabe der Verhältnismäßigkeit: Kindler, ZGR 1998, 35 (39); sehr kritisch in Bezug auf die Rechtsprechungsänderung: Lutter, JZ 1998, 50 ff. 223 BGH, Urteil v. 15.5. 2000 – II ZR 359/98 („adidas-Salomon“) = NJW 2000, 2356 (2357); BGH, Urteil v. 10.10. 2005 – II ZR 148/03 („Mangusta/Commerzbank I“) = AG 2006, 36; BGH, Urteil v. 10.10. 2005 – II ZR 90/03 („Mangusta/Commerzbank II“) = NJW 2006, 374; BGH, Beschluss v. 11.06. 2007 – II ZR 152/06 = NZG 2007, 907; BGH, Urteil v. 18.05. 2009 – II ZR 124/08 = ZIP 2009, 1624; BGH, Urteil v. 18.05. 2009 – II ZR 262/07 („Mindestausgabebetrag“) = NZG 2009, 986; fortgeführt durch OLG Frankfurt, Urteil v. 05.07. 2011 – 5 U 104/10 = NZG 2011, 1029. 224 BGH, Urteil v. 16.02. 1981 – II ZR 168/79 („Süßen“) = NJW 1981, 1512 (1514). 225 BGH, Urteil v. 29.03. 1996 – II ZR 263/94 = NJW 1996, 1678 (1681) für den Gewinnverwendungsbeschluss einer KG; BGH, Urteil v. 10.10. 1994 – II ZR 18/94 = NJW 1995, 194 (195) und BGH, Urteil vom 19.11. 1984 – II ZR 102/84 = NJW 1985, 972 (973) bei Eingriffen in den Kernbereich der Mitgliedschaft.
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Auflösungsbeschluss einer Gesellschaft keiner sachlichen Rechtfertigungskontrolle, da ein mit der nötigen Mehrheit gefasster Auflösungsbeschluss seine Rechtfertigung in sich trägt und es der Mehrheit stets möglich sein muss, das investierte Kapital wieder abzuziehen.226 Das BVerfG hat diese Rechtsprechung im Ergebnis bestätigt und das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung für den Liquidationsbeschluss im Rahmen einer „übertragenden Auflösung“227 abgelehnt.228 Mit derselben Begründung verneinte der BGH ein sachliches Rechtfertigungserfordernis für den Übertragungsbeschluss zu einem Squeeze-out im Sinne der §§ 327a ff. AktG. Der Gesetzgeber habe die Abwägung der widerstreitenden Interessen selbst vorgenommen, weshalb der Squeeze-out seine Rechtfertigung in sich trage.229 Ferner schloss der BGH eine sachliche Kontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses über ein Delisting aus, da die Entscheidung über den Börsenrückzug unternehmerischen Charakter habe und es im Ermessen der Mehrheit der Aktionäre liege, ob die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft zweckmäßig sei und geboten erscheine.230 Ebenfalls abgelehnt wurde das Sachgrunderfordernis für den Fall einer vereinfachten Kapitalherabsetzung nach § 229 ff. AktG, weil nach Ansicht des BGH die sachliche Rechtfertigung der Kapitalherabsetzung bereits aus der gesetzlichen Regelung folgt, die auf einer abschließenden Abwägung der Belange der betroffenen (Klein-)Aktionäre und des Interesses der Gesellschaft an der Maßnahme beruht.231 Insgesamt lässt sich der Rechtsprechung somit entnehmen, dass eine sachliche Kontrolle bei schwerwiegenden Eingriffen in die Mitgliedschaft grundsätzlich zugelassen wird, es sei denn, der Gesetzgeber hat selbst bereits die erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen getroffen und dadurch die jeweilige Maßnahme legitimiert.
226 BGH, Urteil v. 28.01. 1980 – II ZR 124/78 = NJW 1980, 1278 (1278) (GmbH); bestätigt durch BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579 (1581) (AG); fortgeführt durch OLG Frankfurt, Urteil v. 21.4. 2009 – 5 U 68/08 = NZG 2009, 1226 (1226). 227 Bei einer übertragenden Auflösung wird zunächst das gesamte Vermögen einer Gesellschaft auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Gesellschaft übertragen und anschließend die vermögenslose Gesellschaft aufgelöst, vgl. Henze, in: FS Peltzer, S. 181 (182); Wolf, ZIP 2002, 153 (154); ähnlich: Wiedemann, ZGR 1999, 857 (860). 228 BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117. 229 BGH, Urteil v. 18.9. 2006 – II ZR 225/04 = NZG 2006, 905 (905); BGH, Urteil v. 16.3. 2009 – II ZR 302/06 („Wertpapierdarlehen“) = NZG 2009, 585 (587); fortgeführt OLG Frankfurt, Urteil v. 26.8. 2009 – 23 U 69/08 = NZG 2010, 389 (389). 230 BGH, Urteil v. 25.11. 2002 – II ZR 133/01 („Macrotron“) = NZG 2003, 280 (283). 231 BGH, Urteil v. 9.2. 1998 – II ZR 278/96 („Sachsenmilch“) = NJW 1998, 422; a.A. Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 178 Fn. 276.
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Positiv in Bezug auf das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung sprach sich das OLG Stuttgart in einer Entscheidung vom 12.05. 1999 aus.232 Gegenstand dieser Entscheidung war eine GmbH, nach deren Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf einen neuen Gesellschafter von der Genehmigung der Gesellschafterversammlung abhängig war. Die Gesellschaftermehrheit stimmte der Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf eine andere, zu diesem Zweck neu gegründete Holding-Gesellschaft zu. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile war Teil der Umstrukturierung einer Unternehmensgruppe. Daher ging das OLG Stuttgart von einer Strukturmaßnahme aus. Es bedürfe daher – über eine Missbrauchskontrolle i.e.S. hinaus – einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses, das diese Maßnahmen sachlich rechtfertigen muss. Darüber hinaus sei die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beachten.233 2. Die Rechtsprechung zur sachlichen Rechtfertigungskontrolle von Umwandlungsbeschlüssen Gerichtliche Entscheidungen zur inhaltlichen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen liegen nur in geringer Zahl vor. Der BGH hatte sich in einer älteren Entscheidung234 vor Inkrafttreten des UmwG mit der Umwandlung einer KG in eine Kapitalgesellschaft befasst. In erster Linie war über die Zulässigkeit der Einführung des Mehrheitsprinzips durch den Gesellschaftsvertrag zu entscheiden war. Der BGH hat jedoch auch zur Umwandlung im Allgemeinen Stellung genommen: Aus der Treuepflicht unter den Gesellschaftern folge, dass eine aus betriebswirtschaftlichen, rechtlichen oder sonstigen Gründen beschlossene Umwandlung von der Mehrheit nicht dazu ausgenutzt werden dürfe, weitere, nicht durch die Umwandlung selbst oder ihre Gründe notwendig veranlasste Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur zu beschließen.235 Vielmehr seien der Charakter der Gesellschaft, die Grundzüge der Gesellschaftsorganisation, die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane und die Rechtspositionen der einzelnen Gesellschafter im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen zu erhalten oder anzupassen und notwendige Veränderungen nur nach den Grundsätzen des geringstmöglichen Eingriffs vorzunehmen.236 Diesen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass Umwandlungsmaßnahmen nur zur Erreichung der gesetzlich vorgesehenen Ziele eingesetzt und nicht zu übermäßigen Eingriffen führen dürfen. Im Ergebnis ähneln die vom BGH aufgestellten Anforderungen sehr stark den Voraussetzungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Beschlusses. 232 233 234 235 236
OLG Stuttgart, Urteil v. 12.5. 1999 – 20 U 62/98 = NZG 2000, 159. OLG Stuttgart, Urteil v. 12.5. 1999 – 20 U 62/98 = NZG 2000, 159 (161). BGH, Urteil v. 15.11. 1982 – II ZR 62/82 („Freudenberg“) = NJW 1983, 1056. BGH, Urteil v. 15.11. 1982 – II ZR 62/82 („Freudenberg“) = NJW 1983, 1056 (1058 f.). BGH, a.a.O. (Fn. 246).
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Vergleichsweise zurückhaltend in Bezug auf das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung urteilte der BGH in einer jüngeren Entscheidung nach Inkrafttreten des UmwG, in der über die Wirksamkeit eines Beschlusses hinsichtlich des Formwechsels einer AG in eine Publikums-GmbH & Co. KG zu befinden war.237 Im Rahmen des Formwechsels sollte die bereits als Minderheitsaktionärin an der AG beteiligte hundertprozentige Tochtergesellschaft der Mehrheitsaktionärin zur Komplementärin der KG bestellt werden, während die Mehrheitsaktionärin ebenso wie die übrigen Minderheitsaktionäre die Rechtsstellung eines Kommanditisten erhalten sollten. Der BGH überprüfte den Beschluss auf einen Verstoß gegen das Gebot der Kontinuität der Mitgliedschaft, den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Erlangung von Sondervorteilen sowie auf einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Der BGH vermied es aber einen inhaltlichen Kontrollmaßstab für die Überprüfung des Beschlusses anhand der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht festzulegen. Er lehnte eine mögliche Treuepflichtverletzung in Anknüpfung an das „Freudenberg“-Urteil238 mit der Begründung ab, dass es zu keinen anderen als den rechtsformbedingten Änderungen gekommen sei.239 Die Begriffe der „Missbrauchskontrolle“ und der „sachlichen Rechtfertigung“ erwähnte der BGH nicht, obwohl das OLG Düsseldorf in der Vorinstanz eine weitgehende Inhaltskontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich ablehnte und die formwechselnde Umwandlung lediglich einer Missbrauchskontrolle unterwarf.240 Ob daraus der Schluss gezogen werden kann, dass der BGH die Missbrauchs- und die sachliche Rechtfertigungskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen nun als Ausfluss der Treuepflicht unter den Gesellschaftern ansieht, bleibt ungeklärt. In einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 1989241 hat der BGH einen Rückgriff auf die gesellschafterliche Treupflicht zur Begründung des Einwandes des Rechtsmissbrauchs noch ausdrücklich abgelehnt. Der BGH unterscheidet bei der Beurteilung von Umwandlungsbeschlüssen offensichtlich nicht zwischen der Rechtslage vor und nach dem Inkrafttreten des UmwG, wie die ausdrückliche Bezugnahme auf das „Freudenberg“-Urteil zeigt, das vor dem Inkrafttreten des UmwG erlassen wurde. Ähnlich verfuhr das OLG Stuttgart bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Ausgliederung nach dem UmwG. Das Gericht überprüfte den Ausgliederungsbeschluss einer GmbH auf einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treupflicht des Mehrheitsgesellschafters, ohne ausdrücklich klarzustellen, ob es nur eine Missbrauchs- oder eine sachliche Rechtfertigungskontrolle vornahm. In Bezug auf den Inhalt der Treuepflicht führte es aus, dass die gesellschaftsrechtliche Treupflicht die Gesellschafter dazu verpflichtet, sich bei Ausübung des Stimmrechts an den 237 238 239 240 241
BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722. BGH, Urteil v. 15.11. 1982 – II ZR 62/82 („Freudenberg“) = NJW 1983, 1056 (1058 f.). BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723). OLG Düsseldorf, Urteil v. 16.01. 2003 – 6 U 60/02, I-6 U 60/02 = DB 2003, 1318 (1319). BGH, Urteil v. 22.05. 1989 – II ZR 206/88 („Kochs-Adler“) = NJW 1989, 2689 (2692).
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Interessen der Gesellschaft und dem Gesellschaftszweck zu orientieren und diesem zuwiderlaufende Maßnahmen zu unterlassen. Auf die mitgliedschaftlichen Interessen anderer Gesellschafter sei dabei in angemessener Weise Rücksicht zu nehmen.242 Diesen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass das OLG Stuttgart den Gesellschaftszweck und das Gesellschaftsinteresse als Maßstab für die Inhaltskontrolle anhand der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht heranzieht und zudem die Interessen der anderen Gesellschafter in angemessener Weise berücksichtigt. Die vom OLG Stuttgart durchgeführte Prüfung unterscheidet sich stark von einer reinen „Missbrauchskontrolle“ und entspricht eher einer Angemessenheitsprüfung anhand des Gesellschaftsinteresses. Diesem Verständnis entsprechend hatte das OLG Stuttgart bereits in dem dazugehörigen Unbedenklichkeitsverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG die Ansicht vertreten, dass bei der Ausgliederung zur Aufnahme der Schutz vor einem unangemessenen Umtauschverhältnis durch eine materielle Beschlusskontrolle zu verwirklichen sei, da für diesen Fall keine speziellen Regelungen im UmwG existieren, insbesondere die §§ 15, 29 UmwG gem. § 125 S. 1 UmwG keine Anwendung auf die Ausgliederung finden.243 Damit liegt das OLG Stuttgart auf einer Linie mit der h.M., wonach die Treuepflichten in der GmbH stärker ausgeprägt sind als in der AG und die Gesellschafter der GmbH verpflichtet sind, nur solche Maßnahmen zu treffen, die im Gesellschaftsinteresse liegen und die nicht unverhältnismäßig in die Rechte der anderen Gesellschafter eingreifen.244 Anders entschied das OLG Stuttgart allerdings im Falle eines Formwechsels einer KG in eine AG.245 Der Formwechselbeschluss wurde mit der Begründung angefochten, er diene allein zur Vorbereitung eines Squeeze-out und die für den Formwechsel genannten unternehmerischen Ziele hätten auf eine andere Art und Weise erreicht werden können. Das OLG Stuttgart lehnte das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung des Umwandlungsbeschlusses mit der Begründung ab, dass eine inhaltliche Überprüfung, ob die für die Umwandlung angeführten Gründe nach unternehmerischen Kriterien als sachgerecht eingestuft werden können, nicht veranlasst sei. Es finde lediglich eine Rechtsmissbrauchskontrolle statt.246 Auch das OLG Frankfurt lehnte eine Inhaltskontrolle des Verschmelzungsbeschlusses auf seine sachliche Rechtfertigung hin ab.247 Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Verschmelzung eine unternehmerische Grundentscheidung ist, die nicht darauf überprüft werden kann, ob sie überhaupt, mit wem und in welchem 242
OLG Stuttgart, Urteil v. 28.01. 2004 – 20 U 3/03 = NZG 2004, 463 (467). OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457 a.E.). 244 Vgl. oben § 4 E. I. 1., dort Fn. 121. 245 OLG Stuttgart, Beschluss v. 26.11. 2007 – 20 W 08/07 = AG 2008, 464. 246 OLG Stuttgart, Beschluss v. 26.11. 2007 – 20 W 08/07 = AG 2008, 464 (465 f.). 247 OLG Frankfurt, Beschluss v. 20.03. 2012 – 5 AktG 4/11 = ZIP 2012, 766 (769); OLG Frankfurt, Beschluss v. 08.02. 2006 – 12 W 185/05 („T-Online“) = AG 2006, 249; OLG Frankfurt , Beschluss v. 10.02. 2003 – 5 W 33/02 = AG 2003, 573 (574 f.). 243
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Umfang und zu welchen Bedingungen durchgeführt werden soll. Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Aktionäre untereinander folge zwar, dass eine unverhältnismäßige Benachteiligung der schwächeren Partei vermieden werden solle. Eine generelle materielle Kontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen auf Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit resultiere aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht aber nicht, da der Gesetzgeber den Ausgleich typischer Konfliktsituationen in den Verschmelzungsvorschriften im UmwG abstrakt vorweggenommen und unter Abwägung der Interessen der Minderheitsaktionäre gegenüber den Interessen der Mehrheitsaktionäre differenzierte Maßnahmen zum Minderheitenschutz vorgesehen habe.248 Der Ausgliederungsbeschluss wurde lediglich einer Missbrauchskontrolle unterworfen. Das OLG Frankfurt führte in diesem Zusammenhang aber aus, dass eine beschlossene Verschmelzung dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn sie von der Mehrheit dazu benutzt wird, weitere – nicht durch die Umwandlung bedingte oder durch ihre Gründe veranlasste – Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur durchzusetzen und die Minderheitsaktionäre in nicht erforderlicher oder unverhältnismäßiger Weise zu beeinträchtigen.249 Letztlich wurde also eine Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit unter dem Begriff der „Missbrauchskontrolle“ durchgeführt. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das OLG Hamburg über die Rechtmäßigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses zu entscheiden, der einen nachfolgenden Squeeze-out ermöglichen sollte, indem er den Beteiligungsanteil der Minderheitsaktionäre durch die Verschmelzung zielgerichtet auf unter 5 % reduzierte.250 Das Gericht prüfte die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs. Bemerkenswert ist aber, dass die Rechtsmissbräuchlichkeit des Verschmelzungsbeschlusses mit der Begründung abgelehnt wurde, dass neben der gezielten Vorbereitung des Squeeze out beachtliche unternehmerische Gründe für Strukturänderung vorlagen, die darin bestanden, die Führung von Konzernbereichen einer einheitlichen Konzernzwischenholding zu übertragen. Bereits die Existenz unternehmerischer Gründe schließe es aus, dass allein in der Schaffung von Mehrheitsverhältnissen, die den Voraussetzungen des § 327a AktG genügen, ein zur Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses führender Gestaltungsmissbrauch oder eine Sittenwidrigkeit liegt.251 Auch hier wurde letztlich das Vorliegen von sachlichen Gründen für die geplante Maßnahme bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verschmelzungsbeschlusses
248
(253). 249
(253). 250 251
OLG Frankfurt, Beschluss v. 08.02. 2006 – 12 W 185/05 („T-Online“) = AG 2006, 249 OLG Frankfurt, Beschluss v. 08.02. 2006 – 12 W 185/05 („T-Online“) = AG 2006, 249 OLG Hamburg, Urteil v. 01.02. 2008 – 11 U 288/05 = BB 2008, 2199. OLG Hamburg, Urteil v. 01.02. 2008 – 11 U 288/05 = BB 2008, 2199 (2202).
§ 5 Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle
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berücksichtigt, obwohl ausdrücklich nur eine Missbrauchskontrolle durchgeführt wurde. Abschließend lässt sich somit sagen, dass die Rechtsprechung eine sachliche Rechtfertigungskontrolle für Umwandlungsbeschlüsse ausdrücklich ablehnt, die Beschlüsse aber unter anderem einer Überprüfung auf ihre Treuwidrigkeit und auf einen Rechtsmissbrauch unterwirft und im Rahmen dieser Kontrolle durchaus in die Nähe der Anforderungen an die sachliche Rechtfertigungskontrolle kommt.
§ 5 Ansätze zur Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle Die Möglichkeit, einen Beschluss über die gesetzlichen Anforderungen hinaus auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen, ergibt sich an keiner Stelle unmittelbar aus dem Gesetz.252 Da die sachliche Inhaltskontrolle eine zusätzliche über die rein formalen Voraussetzungen hinausgehende materielle Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Gesellschafterbeschluss ist, die über das Erreichen der erforderlichen Mehrheit hinausgeht, bedarf sie einer rechtlichen Grundlage. Die Bestimmung einer Rechtsgrundlage ist zudem ein wesentlicher Schritt zur Festlegung der Anwendungsvoraussetzungen, des Umfangs und der Grenzen der sachlichen Rechtfertigungskontrolle. Uneinigkeit herrscht dabei nicht nur über den Anwendungsbereich der sachlichen Rechtfertigungskontrolle, sondern auch darüber, auf welcher dogmatischen Grundlage die materielle Beschlusskontrolle im engeren Sinne basiert. Zur dogmatischen Begründung der ungeschriebenen Beschlusskontrolle existieren im Schrifttum mehrere Ansätze. Ein großer Teil des Schrifttums erörtert die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Sachkontrolle von Gesellschafterbeschlüssen hingegen gar nicht. Auch die Rechtsprechung lässt die Frage nach der rechtlichen Begründung für das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung offen.
A. Der Eingriffsgedanke der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich nicht eindeutig auf eine Rechtsgrundlage für die sachliche Rechtfertigung von Mehrheitsbeschlüssen festgelegt.253 In der „Kali+Salz“-Entscheidung sah der BGH das Sachgrunderfordernis als eine ungeschriebene Wirksamkeitsvoraussetzung an, die keinen Eingang in die gesetzliche 252
Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 209. Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 15; Käpplinger, Inhaltskontrolle von Aktienoptionsplänen, 2003, S. 84; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 216; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, S. 254. 253
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Regelung gefunden hat.254 Der BGH ging davon aus, dass es die Schwere des Eingriffs in die Mitgliedschaft notwendig mache, für den Bezugsrechtsausschluss eine besondere sachliche Begründung zu fordern.255 Die Orientierung des BGH an der Intensität des Eingriffs eines Mehrheitsbeschlusses prägt die Entscheidungen des BGH im Kapitalgesellschaftsrecht sowohl in Bezug auf die Frage, ob eine Maßnahme überhaupt eines Gesellschafterbeschlusses bedarf256, als auch in Bezug auf die Frage nach der Rechtsmäßigkeit der jeweiligen Maßnahme257. Nur vereinzelt hat der BGH bei der Frage nach einem sachlichen Rechtfertigungsbedürfnis eines Mehrheitsbeschlusses auf die Treuepflicht abgestellt, ohne das Verhältnis der Treuepflicht zur sachlichen Beschlusskontrolle näher zu erläutern.258 Das Vorliegen eines schwerwiegenden Eingriffs in die Mitgliedschaft ist aber keine Rechtsgrundlage, sondern bereits eine Voraussetzung für die sachlichen Rechtsfertigungspflicht. Die Frage nach der Rechtsgrundlage für die sachliche Rechtfertigung von Gesellschafterbeschlüssen hat der BGH somit offen gelassen.
B. Organschaftlicher Anknüpfungspunkt Nach Ansicht von Mülbert besteht der Geltungsgrund der Sachkontrolle von Gesellschafterbeschlüssen in der Organstellung der Gesellschafterversammlung.259 Da die Gesellschaft selbst und jedes Gesellschaftsorgan an die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gebunden seien, gelte diese Beschränkung auch für die Gesellschafterversammlung als Willensbildungsorgan der Gesellschaft.260 Die Beschlusskontrolle läuft dieser Ansicht nach letztlich auf eine Kontrolle der Einhaltung der Kompetenzen der Gesellschafterversammlung im Innenverhältnis der Gesellschaft hinaus. Boese stellt zur Begründung für das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung von Gesellschafterbeschlüssen ebenfalls die Mitgliederversammlung als Organ der 254
BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316 (1317). BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316 (1317). 256 BGH, Urteil v. 25.02. 1982 – II ZR 174/80 („Holzmüller“) = NJW 1982, 1703. 257 BGH, Urteil v. 19.04. 1982 – II ZR 55/81 („Holzmann“) = NJW 1982, 2444; BGH, Urteil v. 09.11. 1992 – II ZR 230/91 („Bremer Bankverein“) = NJW 1993, 400 (402); BGH, Urteil v. 07.03. 1994 – II ZR 52/93 („Deutsche Bank“) = NJW 1994, 1410; BGH, Urteil v. 20.03. 1995 – II ZR 205/94 („Girmes“) = NJW 1995, 1739 (1741); BGH, Urteil v. 23.06. 1997 – II ZR 132/93 („Siemens/Nold“) = NJW 1997, 2815; BGH, Urteil v. 9.2. 1998 – II ZR 278/96 („Sachsenmilch“) = NZG 1998, 422; BGH, Urteil v. 25.11. 2002 – II ZR 133/01 („Macrotron“) = NZG 2003, 280 (281). 258 BGH, Urteil v. 15.11. 1982 – II ZR 62/82 („Freudenberg“) = NJW 1983, 1056 (1058 f.); BGH, Urteil v. 23.09. 1991 – II ZR 189/90 = AG 1992, 58 (59 f.); BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722. 259 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 233 ff. 260 Mülbert, a.a.O. (Fn. 270). 255
§ 5 Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle
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Gesellschaft in den Vordergrund.261 Er kommt zum Ergebnis, dass die AG als juristische Person Treuebindungen gegenüber ihren Aktionären unterliegt. Diese Treuebindungen würden verletzt, wenn ein Hauptversammlungsbeschluss, der der AG zugerechnet wird, in die Rechte der überstimmten Aktionäre eingreift.262 Die Ansicht von Mülbert, wonach der Gesellschaftszweck die Grenze des zulässigen Handelns der Aktionärsgemeinschaft bildet, ist im Ergebnis zutreffend.263 Gegen den organschaftlichen Ansatz von Mülbert spricht aber, dass er der Hauptversammlung als eigenständiges Organ der Gesellschaft gegenüber den Aktionären als solchen ein zu großes Gewicht zuschreibt. Es ist allgemein anerkannt und wird hier nicht in Frage gestellt, dass der Hauptversammlung Organqualität zukommt.264 Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Hauptversammlung das Organ der Gesellschaft ist, das den Willen der Aktionäre abbildet. Die Hauptversammlung als Organ ist nur das Medium, das die Aktionärsinteressen vermittelt. Die Aktionärsinteressen stehen demzufolge im Vordergrund, zumal die Aktionäre theoretisch auch den Gesellschaftszweck jederzeit ändern können. Die Aktiengesellschaft ist in erster Linie eine „Veranstaltung der Aktionäre“.265 Die Aktionäre in ihrer Gesamtheit sind die Initiatoren und die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft. Die Stellung des Aktionärs muss daher den Ausgangspunkt für die Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle bilden. Begreift man die Gesellschaft in erster Linie als einen Zusammenschluss der einzelnen Gesellschafter, lässt sich auch schwerlich eine Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern begründen, die ein Großteil der Literatur anerkennt266. Es ist bereits fraglich, welchen Inhalt eine derartige Pflicht hat. Jedenfalls aber läuft eine Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern auf die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander hinaus.
C. Materielle Beschlusskontrolle als Ausprägung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsgedankens Nach Ansicht von Bachmann liegt die Grundlage der materiellen Beschlusskontrolle im allgemeinen „Ausbeutungsverbot“, wie es in § 242 BGB in Form einer 261 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 37 f. 262 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 68 f. 263 Siehe hierzu unten § 8 B. I. 264 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 118 Rn. 2. 265 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 33; ihm folgend Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 37; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 76 Rn. 12. 266 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 48 (m.w.N.).
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Generalklausel zum Ausdruck kommt.267 Diese Ansicht ähnelt der einst von Hüffer vertretenen Auffassung, wonach die Beschlusskontrolle aus dem allgemeinen Gedanken des institutionellen Rechtsmissbrauchs folge.268 Die Schwäche jedes auf § 242 BGB basierenden Begründungsmodells ist jedoch, dass der Aspekt des Rechtsmissbrauchs zu sehr im Vordergrund steht. Die sachliche Rechtfertigungskontrolle hat aber einen viel weiteren Prüfungsmaßstab als die bloße Rechtsmissbrauchskontrolle, da die Mehrheitsentscheidung auf ihre sachliche Rechtfertigung sowie ihre Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft wird. Auch der Ausbeutungsgedanke passt nicht, da er die bewusste Ausübung der Mehrheitsherrschaft in einer Weise voraussetzt, die für die Minderheit mit sehr weitreichenden negativen Konsequenzen verbunden ist. Ein Beschluss kann im Einzelfall aber bereits sachlich nicht gerechtfertigt sein, ohne dass der Beschluss zu einer Ausbeutung der Minderheitsgesellschafter führt.
D. Notwendigkeit materieller Beschlusskontrolle aufgrund des Fehlens der Funktionsvoraussetzungen für die Richtigkeitsgewähr K. Schmidt sieht das Bedürfnis für eine Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen in der fehlenden Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung. Der Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter müsse durch einen rechtmäßig gebildeten Willen legitimiert sein, was zur Notwendigkeit der materiellen Überprüfung des Beschlusses bei Fehlen seiner Funktionsvoraussetzungen führe.269 Auch Fastrich begründet das System der materiellen Beschlusskontrolle mit dem Fehlen der Funktionsvoraussetzungen für einen gerechten Interessensausgleich.270 Dieser Auffassung ist darin zuzustimmen, dass sie das Fehlen der Richtigkeitsgewähr von Mehrheitsbeschlüssen in der Kapitalgesellschaft erkennt und deshalb zu Recht das Bedürfnis für eine inhaltliche Kontrolle der Mehrheitsentscheidung annimmt. Die Kontrollbedürftigkeit der Mehrheitsentscheidung in einer Kapitalgesellschaft mangels Vorliegens der Funktionsvoraussetzungen für ihre Richtigkeitsgewähr wurde bereits oben erörtert.271 Allein das begründete Bedürfnis für eine Inhaltskontrolle ersetzt aber nicht die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage für eine nicht vom Gesetz angeordnete materielle Beschlusskontrolle, da aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Rechtsprechung die Entscheidungen des Ge267
Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 212 f. So noch Hüffer, AktG, 5. Auflage 1997, § 243 Rn. 21. Hüffer hat diese Ansicht inzwischen ausdrücklich zugunsten der Treuepflicht aufgegebenen, vgl. ders., AktG, 10. Auflage 2012, § 243 Rn. 21. 269 K. Schmidt, in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 45. 270 Fastrich, in: FS Kreutz, 2012, S. 585 (595 ff.). 271 Siehe § 3 B. 268
§ 5 Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle
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setzgebers grundsätzlich zu beachten hat und sich nicht über einfaches Gesetzesrecht hinwegsetzen darf.272
E. Materielle Beschlusskontrolle als Konkretisierung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht Die herrschende Meinung sieht die materielle Beschlusskontrolle, insbesondere das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung von Gesellschafterbeschlüssen, als Konkretisierung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unter den Gesellschaftern an.273 Gegen die h.M. spricht, dass sie zur Begründung der materiellen Beschlusskontrolle ein Institut heranzieht, das heute zwar einhellig anerkannt ist274, dessen Rechtsgrundlage sowie dessen Inhalt aber nicht eindeutig bestimmt sind. So wird teilweise vertreten, dass die mitgliedschaftliche Treuepflicht eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Gesellschaftsrecht ist und sich aus § 242 BGB275 ableitet, teilweise wird die mitgliedschaftliche Treuepflicht als Teil 272
BVerfG, Beschluss v. 25.1. 2011 – 1 BvR 918/10 = NJW 2011, 836 (837); BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830); Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (111); Hermes, NJW 1990, 1764 (1767); Röthel, JuS 2001, 424 (426); Schnorbus, DB 2001, 1654 (1658). 273 Ehmann, in: Grigoleit, AktG, § 243 Rn. 13; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 47; ders., in: GroßKomm-AktG, § 327a Rn. 76; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 17; ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59 (75); Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 158; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 24; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 147; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 101; ders., AG 2000, 145 (154); Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 04/2007, § 13 Rn. 163.13; Roth/ Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 482; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, S. 504 Rn. 298 f.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 16 Rn. 149; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 139; Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, 2001, S. 169 f.; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 339; Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Aktienrecht, 1993, S. 116, 150; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, S. 256; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 90; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 288; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 147; Verse, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, S.579 (599); Henze, BB 1996, 489 (496); ders., ZHR 1998, 186 (192 f.); Lutter, ZHR 1998, 164 (167 f.); Schwark/ Geiser, ZHR 1997, 739 (763); Timm, ZGR 1987, 403 (408); Wiedemann, DB 1993, 141 (143); ders., in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (960 ff.); abweichend ders., WM 2009, 1 (9); a.A. BrülsDehin, Die Schranken von Mehrheitsmacht und Minderheitsrechten im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 138 f., die in der Treuepflicht eine eigenständige Kontrollart neben dem sachlichen Rechtfertigungserfordernis sieht; so auch Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 67.2. 274 Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 42 f.; Lutter, ZHR 1998, 164 (166). 275 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 40; Roth/Schubert, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 173; K. Schmidt, GesR, S. 587 f.; Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 211 f.; Guntz, Treuebindungen von Minderheitsaktionären, 1997, S. 308; Weller, in: FS M. Winter, 2011, S. 755 (762).
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
der Zweckförderungspflicht aus § 705 BGB276 angesehen oder auf den Gesellschaftsvertrag als Sonderbeziehung277 zurückgeführt. Alle Konzepte zur dogmatischen Herleitung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht haben eines gemeinsam: Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft ist die Grundlage für die Treuepflicht unter den Gesellschaftern. Es besteht Einigkeit, dass die Treuepflicht in der Mitgliedschaft wurzelt278 und durch das objektive Recht ausgestaltet ist.279 Hierbei zeigt sich die Schwäche des Begründungsmodells der h.M.: Wenn nach einhelliger Ansicht die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander ihren Ursprung in der Mitgliedschaft in der Gesellschaft hat, stellt sich die Frage, warum die h.M. nicht unmittelbar das Mitgliedschaftsrecht in der Gesellschaft als Grundlage für die sachliche Rechtfertigungskontrolle heranzieht.280 Es ist kein Grund ersichtlich, mit der Treuepflicht eine weitere dogmatische Ebene zu schaffen, die zwischen dem Mitgliedschaftsrecht und der sachliche Beschlusskontrolle liegt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Treuepflicht eine Generalklausel ist, deren Inhalt sich kaum bestimmen lässt281 und sie deshalb für die konkrete Entscheidung mangels greifbaren Inhalts ohnehin bedeutungslos ist. Winter hat daher 1988 zutreffend festgestellt: „Die GmbH-rechtliche Rechtsprechung des BGH bis zum ITTUrteil ist gekennzeichnet durch eine verbale Anerkennung der Treuepflicht einerseits und die praktische Bedeutungslosigkeit der Treuepflicht für die konkreten Entscheidungen andererseits“282. Flume bezeichnete die Treuepflicht als „Leerformel“283. Altmeppen reduziert die Treuepflicht auf eine „allgemeine Charakterisierung der Gesellschafterstellung ohne spezifischen Aussagegehalt“284. Fastrich spricht von einem „dogmatischen Etikett ohne Begründungskraft“285. Angesichts der Konturenlosigkeit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist dieser Kritik teilweise beizupflichten. Die inhaltliche Unbestimmtheit der Treuepflicht hat mit den Gründen für ihre Anerkennung zu tun. Die gesellschafterliche Treuepflicht wurde aus dem Bedürfnis nach einem handhabbaren Instrument ge276
Lutter, AcP 1980, 84 (102 ff.); Reiff/Ettinger, DStR 2004, 1258 (1260). Hüffer, AktG, § 53a Rn. 15; ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59 (65 f.); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 11 Rn. 61; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 134 f.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 67 f.; Henze, BB 1996, 489 (491 f.); Wastl, NZG 2005, 17 (19). 278 Michalski, in: Michalski, GmbHG, System. Darstellung I Rn. 38; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 17 Rn. 15; Bungert, DB 1995, 1749 (1750); Dreher, DStR 1993, 1632 (1633); Wiedemann, WM 2009, 1 (4). 279 So K. Schmidt, in: MüKo, HGB, § 105 Rn. 188. 280 Ähnlich auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 30. 281 K. Schmidt, GesR, S. 588, beschreibt die mitgliedschaftliche Treuepflicht daher als generalklauselhaft im Sinne konkretisierungsbedürftiger Pflichten und somit als komplex. 282 M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 41. 283 Flume, ZIP 1996, 161 (165). 284 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 30. 285 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (591). 277
§ 5 Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle
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schaffen, das den Besonderheiten jedes Einzelfalls Rechnung trägt, das aber im Gesetz nicht existierte. Daher wurde die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht entwickelt, die eine richterrechtliche Generalklausel286 ist und der Konkretisierung im Einzelfall bedarf287. Wie noch zu zeigen ist, muss die Treuepflicht unter den Gesellschaftern nicht zur Begründung einer Inhaltskontrolle des Gesellschafterbeschlusses herangezogen werden, da das Erfordernis für eine materielle Beschlusskontrolle unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich geschützten Anteilseigentum resultiert.288 Letztlich ist auch die gesellschafterliche Treuepflicht nichts anderes als ein Einfallstor der Grundrechte, mit deren Hilfe die Wertungen von Art. 14 Abs. 1 GG zur Geltung gebracht werden.289
F. Materielle Beschlusskontrolle als Ausfluss der Mitgliedschaft Flume stellt zur Begründung der materiellen Beschlusskontrolle die Mitgliedschaft in der Gesellschaft in den Vordergrund: Das Erfordernis für eine Begrenzung der Stimmrechtsausübung eines Gesellschafters ergebe sich aus der Rechtsfigur der Mitgliedschaft, da aus der Mitgliedschaft folge, dass die Ausübung des Stimmrechts durch ein Mitglied stets im Gesellschaftsinteresse liegen müsse.290 Teilweise wird auch vertreten, die Beschlusskontrolle folge aus der Mitgliedschaft als subjektives Recht, das dem Gesellschafter nicht nach Belieben entzogen werden könne, so dass Mehrheitsbeschlüsse, die in das Mitgliedschaftsrecht eingriffen, sachlich begründet sein müssten.291 Im Ansatz ist das zutreffend. Die Mitgliedschaft muss im Zentrum der Diskussion um die Grenzen der Mehrheitsherrschaft in der Gesellschaft stehen. Es sind die mitgliedschaftlichen Rechte, die durch einen Mehrheitsbeschluss beeinträchtigt werden können. Zudem resultieren nach einhelliger Ansicht die Treuepflichten unter den Gesellschaftern, die wie eben erörtert nach h.M. die Rechtsgrundlage der sachlichen Rechtfertigungskontrolle bilden, aus der Mitgliedschaft in der Gesellschaft.292 Der Ansatz, der die Sachkontrolle aus der Mitgliedschaft herleitet, geht aber nicht weit genug, da er nur die zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Seite der Mitgliedschaft berücksichtigt. Es ist jedoch unbestritten und allgemein anerkannt, dass die Mit286
Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 (949 f.). Schiessl/Böhm, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 32 Rn. 21; K. Schmidt, GesR, S. 588. 288 Siehe § 6. 289 Lutter, ZGR 1981, 171 (174 f.). 290 Flume, BGB AT, Band I/2, 1983, S. 211 f.; ders., ZIP 1996, 161 (165). 291 Natterer, Kapitalveränderung der Aktiengesellschaft, Bezugsrecht der Aktionäre und „sachlicher Grund“, 2000, S. 85 ff.; ders., AG 2001, 629 (632). 292 K. Schmidt, in: MüKo, HGB, § 105 Rn. 188. 287
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Teil 1: Umwandlungsbeschluss bei der Kapitalgesellschaft
gliedschaft nicht nur ein subjektives Recht im Sinne der Zivilrechtsordnung ist, sondern dass diese mitgliedschaftliche Rechtsposition auch von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist.293 Der verfassungsrechtliche Aspekt der Mitgliedschaft muss bei der Begründung der Sachkontrolle berücksichtigt werden, zumal es sich bei den Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit eines Beschlusses, die der BGH in der „Kali+Salz“-Entscheidung294 aufgestellt hat, um originär verfassungsrechtliche Grundsätze handelt295.
G. Begründung der materiellen Beschlusskontrolle mit der Eigentumsgarantie Vor allem im jüngeren Schrifttum finden sich Ansätze, wonach das Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung von Gesellschafterbeschlüssen in der Kapitalgesellschaft auf die Eigentumsgarantie der Gesellschafter aus Art. 14 Abs. 1 GG gestützt wird.296 Hofmann ist der Ansicht, dass sich jeder Anteilsinhaber gegenüber der beschließenden Mehrheit auf sein Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen kann, da das Anteilseigentum verfassungsrechtlich geschützt ist.297 Er befürwortet eine eingeschränkt unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte298, was dazu führt, dass die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit von Mehrheitsbeschlüssen anhand der verfassungsrechtlichen Prüfungsdogmatik vorgenommen werden muss, die aus der Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit eines in die Mitgliedschaft eines Minderheitsgesellschafters eingreifenden Mehrheitsbeschlusses besteht.299 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings ist eine unmittelbare Heranziehung der verfassungsrechtlichen Eingriffsdogmatik bei der Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen aufgrund der rein privatrechtlichen Beziehung der Akteure zueinander abzulehnen und durch das Konzept von den Schutzpflichten der Grundrechte300 zu ersetzen.
293
Dazu siehe unten § 6 A. BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316. 295 BVerfG, Beschluss v. 19.10. 1982 – 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80 = NJW 1983, 559 (559); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 01/2010, Art. 20 Rn. 107. 296 Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1252), befürwortet eine Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses „von Verfassungs wegen“; Heidel, in: Heidel, AktG, § 243 Rn. 23 a.E, hält die Eigentumsgarantie der Minderheitsaktionäre für einen wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Begrenzung der Mehrheitsmacht; ähnlich auch Jung, JZ 2001, 1004, (1009), der allerdings die gesellschafterliche Treuepflicht als Medium für grundrechtliche Wertungen betrachtet. 297 Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 69 ff., S. 183 f. 298 Hofmann, a.a.O. (Fn. 308), S. 91. 299 Hofmann, a.a.O. (Fn. 308), S. 121 ff. 300 Dazu im Nachfolgenden Abschnitt § 6 unter D. 294
§ 5 Herleitung einer Rechtsgrundlage für die materielle Beschlusskontrolle
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H. Ablehnung der materiellen Beschlusskontrolle mangels tragfähiger Grundlage Vereinzelt wird eine materielle Beschlusskontrolle ganz abgelehnt.301 Diese Auffassung überzeugt nicht, da ein Bedürfnis für eine Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen in Kapitalgesellschaften besteht. Im folgenden Abschnitt wird gezeigt, dass die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses aus der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 14 Abs. 1 GG resultiert.
301
So Käpplinger, Inhaltskontrolle von Aktienoptionsplänen, 2003, S. 90.
Teil 2
Grundlage, Voraussetzungen und Durchführung der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses § 6 Die materielle Beschlusskontrolle als Ausfluss der Schutzpflicht des Art. 14 Abs. 1 GG A. Die Mitgliedschaft im Zivil- und Verfassungsrecht Das Mehrheitsprinzip in der Kapitalgesellschaft legitimiert sich als solches nicht durch seine Richtigkeitsvermutung. Mit der Mehrheitsentscheidung kann eine Beeinträchtigung der Interessen der überstimmten Minderheit einhergehen. Ausgangspunkt jeder Untersuchung einer Entscheidung der Gesellschafter ist daher die rechtliche Stellung des einzelnen Gesellschafters, insbesondere die rechtliche Position der überstimmten Minderheitsgesellschafter. Die Stellung des Gesellschafters ist in erster Linie gesellschaftsrechtlich geprägt. Wie im Folgenden gezeigt wird, hat sie aber zugleich eine verfassungsrechtliche Dimension. Der Mehrheits-Minderheits-Konflikt ist nicht nur eine gesellschaftsrechtliche, sondern auch eine verfassungsrechtliche Problematik. Fleischer hat in diesem Zusammenhang zutreffend den Begriff des „Aktienverfassungsrechts“ geprägt.1 I. Das privatrechtliche Verständnis von der Mitgliedschaft 1. Verbandsrechtlicher Begriff und Rechtsnatur der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft ist bereits seit langem Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussion.2 Die Mitgliedschaft im Verband wird einhellig definiert als die auf der Zugehörigkeit zu einem Verband beruhende Stellung einer Person.3 Sie bezeichnet die Gesamtheit der Rechts- und Pflichtenlage, welche durch die verbandsrechtliche 1
Fleischer, DNotZ 2000, 876 (879). Grundlegend Lutter, AcP 1980, 84; aber auch Flume, BGB AT, Band I/2, 1983; S. 189 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; K. Schmidt, ZGR 2011, 108; Hüffer, in: FS Wadle, 2008, S. 387. 3 Reuter, in: MüKo, BGB, § 38 Rn. 1; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996, S. 16; Lutter, AcP 1980, 84 (86); K. Schmidt, ZGR 2011, 108 (113). 2
§ 6 Beschlusskontrolle als Ausfluss der Schutzpflicht des Art. 14 Abs. 1 GG
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Sonderordnung entsteht.4 Die Mitgliedschaft im allgemeinen verbandsrechtlichen Sinne erfasst nicht nur die privatautonom begründete Mitgliedschaft, sondern auch jede auf einen unfreiwilligen Zusammenschluss zurückzuführende Mitgliedschaft.5 Die Rechtsnatur der Mitgliedschaft ist bis heute umstritten, wenngleich sich eine deutlich herrschende Ansicht etabliert hat. Die h.M. misst der Mitgliedschaft eine Doppelnatur bei.6 Danach ist die Mitgliedschaft sowohl ein Rechtsverhältnis, aus dem sich Rechte und Pflichten gegenüber dem Verband und den anderen Verbandsmitgliedern ergeben, als auch ein subjektives Recht.7 Dieser herrschenden Ansicht stehen namentlich Hadding8 und Beuthien9 entgegen. Sie sehen die Mitgliedschaft als die Beteiligung an einem besonderen Organisationsverhältnis an10, aus der sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten ergeben. Die Mitgliedschaft könne aufgrund der mit ihr verbundenen Pflichten kein subjektives Recht sein.11 Diese Mindermeinung ist jedoch wenig überzeugend, da sie dem Wesen der Mitgliedschaft nicht gerecht wird. Das Wesen der Mitgliedschaft ist geprägt vom Nutzen und den Gewinnaussichten für das Mitglied. Die damit verbundenen Pflichten sind eine notwendige Nebenerscheinung zur Ermöglichung der gemeinsamen Zielverfolgung aller Mitglieder und weder Motiv noch Hindernis einer Person zur Begründung der Mitgliedschaft. Es ist daher mit der h.M. von der Doppelnatur der Mitgliedschaft und ihrem Wesen als subjektives Recht auszugehen. 2. Die Mitgliedschaft im Gesellschaftsrecht als subjektives Recht Die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von derjenigen in einem Verband.12 Deshalb wird die Mitgliedschaft im Gesellschaftsrecht nach einhelliger Auffassung definiert als die auf der Zugehörigkeit zu 4
Hüffer, in: FS Wadle, 2008, S. 387 (389). K. Schmidt, ZGR 2011, 108 (113 f.); a.A. Flume, BGB AT, Band I/2, S. 189 ff.; Lutter, AcP 1980, 84 (94). 6 So Henze/Notz, in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 53a – 75 Rn. 11; Casper, in: Spindler/Stilz, AktG, Vor § 241 Rn. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §14 Rn. 3, 6; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 39; Reichert/Weller, in: MüKo, GmbHG, § 14 Rn. 47; Ulmer, in: MüKo, BGB, § 705 Rn. 180; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 11 Rn. 13; K. Schmidt, GesR, S. 549 f.; ders., in: ZGR 2011, 108 (114 f.); Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, S. 62 ff.; Wiedemann, GesR II, S. 431 ff.; ders., in: FS Goette, 2011, S. 617 (618); Hüffer, in: FS Wadle, 2008, 387 (390); Lutter, AcP 1980, 84 (101 f.). 7 Vgl. nur K. Schmidt, ZGR 2011, 108 (114 f.). 8 Hadding, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 46. 9 Beuthien, AG 2002, 266 (268); ders., in: FS Wiedemann, 2002, 755 (756). 10 Beuthien, in: FS Wiedemann, 2002, 755 (756). 11 Beuthien, a.a.O. (Fn. 322); Hadding, in: Soergel, BGB, § 705 Rn. 46. 12 Reichert/Weller, in: MüKo, GmbHG, § 14 Rn. 45; K. Schmidt, GesR, S. 547; Flume, BGB AT, Band I/2, S. 258; Lutter, AcP 1980, 84 (88 f.); a.A. Reuter, in: MüKo, BGB, § 38 Rn. 5. 5
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
einer Gesellschaft beruhende Rechtsposition.13 Sie ist das gesellschaftsvertragliche Rechtsverhältnis und ein subjektives Recht.14 Der BGH hat die Mitgliedschaft als schützenswerte Rechtsposition insbesondere im Holzmüller-Urteil15 anerkannt, in dem er dem Aktionär einen Anspruch darauf zusprach, „dass die Gesellschaft seine [Aktionär] Mitgliedschaftsrechte achtet und alles unterlässt, was sie [Mitgliedschaftsrechte] über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß beeinträchtigt“.16 In einer weiteren Entscheidung des BGH folgte die Anerkennung der Mitgliedschaft als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.17 Die gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft ist anders als die Mitgliedschaft im allgemeinen verbandsrechtlichen Sinne nur die privatautonom begründete Mitgliedschaft, da Zwangsgesellschaften dem Gesellschaftsrecht fremd sind.18 Die Mitgliedschaft ist je nach Rechtsform unterschiedlich ausgestaltet und kann Besonderheiten aufweisen. Ihre rechtliche Struktur bleibt aber unverändert.19 Mitgliedschaften in verschiedenen Gesellschaften unterscheiden sich in ihrer Ausprägung vor allem durch die unterschiedliche Realstruktur der Gesellschaften.20 II. Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft als verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG manifestiert sich in doppelter Gestalt: Sie gewährleistet das Privateigentum als Rechtsinstitut und schützt das Eigentum als subjektives Recht des Einzelnen.21 Letztere Komponente ist bedeutsam für den verfassungsrechtlichen Schutz der mitgliedschaftlichen Stellung des Gesellschafters. Im Kern wird von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das Eigentum geschützt, wie es sich aus der Geltung sämtlicher gesetz13
Henze/Notz, in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 53a – 75 Rn. 11; Dauner-Lieb, in: KK, AktG, § 1 Rn. 25; Bungeroth, in: MüKo, AktG, Vor § 53a Rn. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 11; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 39; Reichert/Weller, in: MüKo, GmbHG, § 14 Rn. 45. 14 Henze/Notz, in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 53a – 75 Rn. 11; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 17 Rn. 1; Schiessl/Böhm, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 31 Rn. 1; Westermann, NZG 2012, 1121 (1122). 15 BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703. 16 BGHZ 83, 122, 133 = NJW 1982, 1703 (1706). 17 BGHZ 110, 323 = NJW 1990, 2877. 18 Hüffer, in: FS Wadle, 2008, 387 (389); die Freiwilligkeit als Wesensmerkmal sämtlicher Mitgliedschaften setzen voraus: Flume, BGB AT, Band I/2, S. 189 ff.; Lutter, AcP 1980, 84 (94); dagegen: K. Schmidt, ZGR 2011, 108 (113 f.). 19 Hüffer, in: FS Wadle, 2008, 387 (395). 20 Wiedemann, in: FS Goette, 2011, S. 617 (619). 21 BVerfGE 58, 300 (339); 50, 290 (339); Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 91; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 1.
§ 6 Beschlusskontrolle als Ausfluss der Schutzpflicht des Art. 14 Abs. 1 GG
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licher Vorschriften ergibt.22 In Anlehnung an den Vorbildcharakter des Sacheigentums wird darüber hinaus jede vermögenswirksame Rechtsposition vom Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst, vorausgesetzt, es handelt sich um eine Rechtsposition, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet ist, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.23 Die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft gleich welcher Rechtsform ist ein mit dem zivilrechtlichen Eigentum vergleichbares subjektives Recht.24 Das Eigentum verleiht dem Inhaber eine Rechtsmacht, die über die Existenz von bloßen Einzelansprüchen hinausgeht und ausschließlich dem Berechtigten umfassend zur Befriedigung seiner Interessen in eigenverantwortlicher Entscheidung zusteht.25 Eine vergleichbare Rechtsstellung hat der Gesellschafter in einer Gesellschaft. Die Nutzung der mit der Mitgliedschaft verbundenen Vorteile und Einzelrechte steht dem Gesellschafter ausschließlich, umfassend und ungeteilt zu.26 Das Mitgliedschaftsrecht ist nach seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet.27 Es ist ein vermögenswertes Recht, da dem Gesellschafter aus seiner mitgliedschaftlichen Stellung vermögensrechtliche Ansprüche u. a. auf den Bilanzgewinn zustehen.28 Daraus folgt, dass das Mitgliedschaftsrecht an einer Kapitalgesellschaft von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist.29 Die Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft bedeutet Anteilsei22
BVerfG NJW 1982, 745, 749. BVerfG, Beschluss vom 7.12. 2004 – 1 BvR 1804/03 = NJW 2005, 879 (880); BVerfG, Beschluss vom 7.12. 2004 – 1 BvR 1804/03 = NJW 2005, 879 (880); BVerfG NJW 2001, 2159; BVerfG NJW 2000, 413; BVerfG NJW 1991, 1807; BVerfG NJW 1989, 1271 (1272); Axer, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013, Art. 14 Rn. 11; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 69 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 160. 24 Hüffer, in: FS Wadle, 2008, 387 (394). 25 Fritzsche, in: BeckOK, BGB, Stand 02/2013, § 903 Rn. 16 ff.; Säcker, in: MüKo, BGB, § 903 Rn. 5; Hüffer, in: FS Wadle, 2008, 387 (393). 26 Mülbert/Leuschner, ZHR 2006, 615 (620). 27 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931). 28 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931); zum Schutzbereich des Anteilseigentums vgl. unter § 6 B (folgender Abschnitt). 29 Grundlegend: Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum, 1966, passim; vgl. auch: Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 142; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 195; Henze/Notz, in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 53a-75 Rn. 27; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 46; H.Winter/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 14 Rn. 8; Raiser, in: Ulmer, GmbHG, § 14 Rn. 20; Appel/Rossi, Finanzmarktkrise und Enteignung, 2009, S. 25; Kort, Bestandschutz fehlerhafter Strukturänderungen, 1998, S. 67; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 8 Rn. 25; Wiedemann, GesR I, 1980, S. 700 ff.; Schatz, Der Missbrauch der Anfechtungsbefugnis, 2012, S. 296; Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1012); Gurlit, NZG 2009, 601 (602 f.); Wolfers/Rau, KSzW 2010, 78 (81); a.A. Leuschner, NJW 2007, 3248 und Mülbert/Leuschner, 23
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
gentum an der Gesellschaft.30 Seit der Feldmühle-Entscheidung31 geht das BVerfG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Aktie gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum ist und als Vermögensrecht den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießt.32 Das BVerfG wählt dabei bewusst die Bezeichnung des gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentums, da der Gesellschafter über die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens grundsätzlich nur mittelbar über die Organe verfügen kann.33 Aufgrund der Wesensgleichheit der Mitgliedschaft in allen Gesellschaftsformen kann die Rechtsprechung des BVerfG zum Anteilseigentum auf die Beteiligung an einer GmbH sowie auf die Stellung der Kommanditaktionäre in einer KGaA übertragen werden. Die Kommanditaktionäre stehen den Aktionären einer AG im Wesentlichen gleich.34
B. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Bezug auf das gesellschaftsrechtliche Anteilseigentum I. Die mitgliedschaftliche Rechtsposition in ihrer rechtlichen Substanz Gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zeichnet sich demnach im Vergleich zu anderen Grundrechten durch eine besonders intensive Normprägung aus.35 Erst durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Inhalts des Eigentums wird der Schutzbereich der verfassungsrechtlich geschützten Position festgelegt. Für den Schutz des Mitgliedschaftsrechts bedeutet dies, dass ZHR 2006, 615 (649 ff.), die einen verfassungsrechtlichen Schutz allein aus Art. 2 GG befürworten. 30 Bungeroth, in: MüKo, AktG, Vor § 53a Rn. 6. 31 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1667). 32 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 („Delisting“); BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (908) („DeutscheHypothekenbank“); BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 – 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 (870); BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380) („Veräußerung eines Unternehmensteils“); BVerfG, Beschluss v. 20.12. 2010 – 1 BvR 2323/07 = NZG 211, 235 (236) („Kuka-AG“); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 1267/06, 1 BvR 1280/06 = NZG 2007, 629 (630); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 („Squeeze-out I“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1118); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931). 33 So auch Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 143; Siekmann, in: FS Stern, 2012, S. 1527 (1531). 34 BGH NZG 2009, 585; Windbichler, GesR, § 34 Rn. 1. 35 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 29; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 38; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 23 Rn. 972.
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seine Reichweite maßgeblich durch die gesellschaftsrechtlichen Normen bestimmt wird.36 Das Mitgliedschaftsrecht ist nach seiner einfachgesetzlichen Ausprägung ein ambivalentes Recht.37 Es gewährt dem Inhaber ein Vermögens- und ein Verwaltungsrecht.38 Die vermögensrechtliche Komponente beinhaltet den gesetzlichen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gem. §§ 58 Abs. 4, 60 AktG, das Bezugsrecht gem. § 186 Abs. 1 Satz 1 AktG39 und den Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös aus § 271 AktG.40 Die verwaltungsrechtliche Komponente besteht aus der Leitungsbefugnis41, die aus der Stimmrechtsmacht in der Gesellschafter- bzw. in der Hauptversammlung folgt. Da das Bezugsrecht gem. § 186 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Verschiebung der Stimmrechtsquote verhindert, gehört es ebenfalls zu der verwaltungsrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft.42 Die durch die Stimmrechtsmacht vermittelten Leitungsbefugnisse der Gesellschafter richten sich nach der gesetzlichen Kompetenzenverteilung, die eine einfachgesetzliche Inhaltsbestimmung ist.43 Für die AG bedeutet dies, dass die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Leitungsbefugnisse der Gesellschafter nicht die Geschäftsführung betreffen.44 Der Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG erstreckt sich auf die mitgliedschaftliche Stellung in der Gesellschaft in ihrem vollen Umfang. Sowohl die Leitungsbefugnisse als auch die vermögensrechtlichen Ansprüche, die beide durch das Anteilseigentum vermittelt werden, sind vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst.45 Von Art. 14 Abs. 1 GG ist somit die Substanz des Anteilseigentums in 36
BVerfG, Beschluss v. 20.9. 1999 – 1 BvR 168/93 = NZG 2000, 194 (195) („Scheidemantel II“). 37 Kindler, ZGR 1998, 35 (55). 38 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 11 Rn. 22 ff. 39 Nach h.M. haben auch die Gesellschafter einer GmbHG ein gesetzliches Bezugsrecht aus § 186 Abs. 1 AktG analog, vgl. nur Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 20 (m.w.N.). 40 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931). 41 Mit der Leitungsbefugnis der Gesellschafter ist hier die verwaltungsrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts gemeint. Der Begriff hat sich in ständiger Rechtsprechung des BVerfG als Bezeichnung für die herrschaftsrechtlichen Verwaltungsrechte der Gesellschafter etabliert, vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380) (m.w.N.). Davon zu unterscheiden ist die Leitungsbefugnis des Vorstands, deren Reichweite vor allem in konzernrechtlichen Konstellationen problematisch ist, vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 16. 42 Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 24; zur doppelten Auswirkung des Bezugsrechtsausschlusses siehe auch Zöllner, AG 2002, 585 (590). 43 BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380). 44 BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380). 45 So die ständige Rechtsprechung des BVerfG: BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/ 07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“); BVerfG, Beschluss v. 24.5. 2012 – 1 BvR 3221/10 = NZG 2012, 1035 (1036) („DaimlerChrysler“); BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (908)
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seiner mitgliedschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Ausgestaltung geschützt.46 Eingriffe in diese Komponenten des Mitgliedschaftsrechts sind nicht ausgeschlossen, bedürfen aber einer besonderen Rechtfertigung.47 Obwohl möglicherweise unterschiedliche Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Vermögenskomponente zum einen und in die Verwaltungskomponente zum anderen gestellt werden, werden gleichwohl beide mitgliedschaftsrechtlichen Komponenten vom Schutz der Verfassung erfasst.48 Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Gesellschaftern eine eigene Regelungsbefugnis in Bezug auf ihre Mitgliedschaft einräumt, indem er ihnen die Ausgestaltung der konkreten Mitgliedschaft durch den Gesellschaftsvertrag überlässt. Für die Mitgliedschaft in der GmbH gilt das in besonderem Maße, da für den Gesellschaftsvertrag eine sehr weit gehende Gestaltungsfreiheit herrscht.49 Zu den gesellschaftsrechtlichen Normen, die den Schutzbereich des Mitgliedschaftsrechts festlegen, gehören deshalb auch die rechtlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, sofern sie die Mitgliedschaft betreffen. Die Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag tragen im Wesentlichen zur Bestimmung des Schutzbereichs des konkreten Mitgliedschaftsrechts bei. Der Schutzbereich des Anteilseigentums muss daher für jede einzelne Mitgliedschaft gesondert bestimmt werden und kann sich von Mitgliedschaften in anderen Gesellschaften, die eine andere oder auch dieselbe Rechtsform haben, unterscheiden. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt somit die mitgliedschaftliche Rechtsposition in ihrer Substanz, so wie sie durch den Gesellschaftsvertrag ausgestaltet ist, mitsamt allen aus der Mitgliedschaft resultierenden Verwaltungs- und Vermögensrechten, die dem einzelnen Gesellschafter durch einfache Gesetze und den Gesellschaftsvertrag eingeräumt werden.50
(„DeutscheHypothekenbank“); BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380); BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 – 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 (870); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (588); BVerfG, Beschluss v. 23.08. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1118); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = NZG 1999, 931 (931); BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = NJW 1962, 1667 (1667); siehe auch: Papier, in: Maunz/ Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 195; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1371); Jung, JZ 2001, 1004 (1012); K. Schmidt, ZGR 2011, 108 (117). 46 BVerfG: BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“). 47 Siehe unten § 8 A. II. 48 Missverständlich diesbezüglich Fleischer, DNotZ 2000, 876 (876 f.), der davon spricht, „dass die herrschaftsrechtliche Seite der Eigentümerstellung von vornherein begrenzt sei“. 49 Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 21. 50 Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 124; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (841); Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 235; ders., JZ 2001, 1004 (1012).
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II. Keine Determinierung des Schutzbereichs durch die das Mehrheitsprinzip konstituierende einfachgesetzliche Vorschrift Da Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetze bestimmt werden und daher der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts sehr stark durch die einfache Rechtsordnung geprägt ist, stellt sich die Frage, ob der Schutzbereich des Anteilseigentums in der Kapitalgesellschaft nicht bereits durch die das Mehrheitsprinzip konstituierenden gesetzlichen Regelungen determiniert ist. Dann würden Mehrheitsbeschlüsse in der Gesellschaft nicht zu einem Eingriff in das Anteilseigentum des Gesellschafters führen. Zur Bestimmung des Schutzbereichs des gesellschaftsrechtlichen Anteilseigentums ist es erforderlich, den verfassungsdogmatischen Charakter derjenigen Vorschriften zu ermitteln, die das Mehrheitsprinzip etablieren.51 Einfachgesetzliche Regelungen können entweder als Inhaltsbestimmungen qualifiziert werden, die den Schutzbereich des Eigentumsrechts festlegen, oder als Schrankenbestimmungen, die einen bereits festgelegten Schutzbereich einschränken und somit einen Eingriff darstellen.52 Zwar ist die Abgrenzung einer Inhalts- von einer Schrankenbestimmung mangels handfester Kriterien schwierig. Eine Differenzierung der beiden Begriffe ist trotzdem möglich und notwendig.53 Allerdings unterscheidet die Rechtsprechung nicht exakt zwischen diesen beiden Kategorien und verwendet den Begriff der Inhalts- und Schrankenbestimmung einheitlich im Sinne einer den Schutzbereich eines Grundrechts einschränkenden Regelung.54 Das UmwG sieht das Mehrheitserfordernis für die Verschmelzung und die Spaltung von Kapitalgesellschaften in §§ 50 Abs. 1, 65 Abs. 1, 78 Satz 1 UmwG55 vor und für den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in § 240 Abs. 1 UmwG. Sähe man diese Vorschriften als Inhaltsbestimmungen an im Sinne von Regelungen, die den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG definieren, so wäre der Schutzbereich des Anteilseigentums bereits durch die Möglichkeit beschränkt, in die Position des einzelnen Gesellschafters durch eine Mehrheitsentscheidung eingreifen zu können. Die gesetzlichen Regelungen, die das Mehrheitsprinzip etablieren, wären immanente Schranken des Anteilseigentums. Eingriffe in den Schutzbereich des Anteilseigentums durch Mehrheitsentscheidungen wären
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Kluth, ZIP 1997, 1217 (1219 ff.). Zu dieser Unterscheidung vgl. I. Schmidt, in: ErfK, Art. 14 Rn. 10; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 23 Rn. 977; Kluth, ZIP 1997, 1217 (1219 ff.). 53 A.A. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 76, der eine Unterscheidung der Inhalts- von der Schrankenbestimmung ablehnt. 54 Vgl. etwa BVerfG, Beschluss v. 27.1. 1999 – 1 BvR 1805/94 = NZG 1999, 302 (303); BGH, Beschluss v. 20.05. 1997 – II ZB 9/96 = NJW 1997, 2242 (2243). 55 Diese Vorschriften gelten gem. § 125 Satz 1 UmwG auch für die Spaltung. 52
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dann nicht denkbar. Diese Ansicht, die etwa Mülbert/Leuschner56 sowie das OLG Stuttgart in der Entscheidung „Moto-Meter II“57 vertreten haben, ist abzulehnen.58 Die Regelungen, die das Mehrheitsprinzip vorsehen, sind Schrankenbestimmungen, die den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG einschränken und somit rechtfertigungsbedürftig sind. Zwar ist das Eigentumsgrundrecht ein sehr stark durch einfache Normen geprägtes und konkretisierungsbedürftiges Grundrecht. Trotz der starken Normprägung von Art. 14 Abs. 1 GG existiert aber ein originär aus der Verfassung herrührender Eigentumsbegriff. Aus der Institutsgarantie des Eigentums folgt, dass ein Grundbestand von Normen gesichert werden muss, die ein Rechtsinstitut errichten, das den Namen Eigentum verdient.59 Das Eigentum ist gekennzeichnet durch die Kriterien der Privatnützigkeit und der Verfügungsbefugnis.60 An der Verfügungsbefugnis würde es aber fehlen, wenn das Anteilseigentum der Herrschaft der Mehrheit unterworfen wäre. Auch sind Mehrheitsentscheidungen in Kapitalgesellschaften, wie bereits gezeigt wurde, kontrollbedürftig, weil ihnen keine Richtigkeitsgewähr zukommt.61 Wäre das Anteilseigentum durch das Mehrheitsprinzip beschränkt, wäre mangels eines Eingriffs jegliche Kontrolle von Mehrheitsentscheidungen ausgeschlossen. Nach einhelliger Ansicht in der Literatur steht aber außer Frage, dass eine schrankenlose Mehrheitsmacht im Gesellschaftsrecht nicht existiert.62 Das vertritt auch die Rechtsprechung, die die Ausübung der Mehrheitsmacht stets einer Kon56 Mülbert/Leuschner, ZHR 2006, 615 (627); siehe auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 64; ders., in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 188. 57 OLG Stuttgart, Beschluss v. 04.12. 1996 – 8 W 43/93 = AG 1997, 136 (138). 58 So auch: Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (838); Jung, JZ 2001, 1004 (1012). 59 BVerfG, Urteil v. 18.12. 1968 – 1 BvR 638, 673/64, 200, 238, 249/56 = NJW 1969, 309 (309). 60 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“); BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 ¢ 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 (870); BVerfG, Beschluss v. 20.12. 2010 – 1 BvR 2323/07 = NZG 211, 235 (236) („Kuka-AG“); BVerfG, Beschluss vom 7.12. 2004 – 1 BvR 1804/03 = NJW 2005, 879 (880); BVerfG, Beschluss vom 7.12. 2004 – 1 BvR 1804/03 = NJW 2005, 879 (880); BVerfG NJW 2001, 2159; BVerfG NJW 2000, 413; BVerfG NJW 1991, 1807; BVerfG NJW 1989, 1271 (1272); Axer, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013; Art. 14 Rn. 11; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 69 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 160. 61 Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 28; siehe auch oben unter § 3 B. 62 K. Schmidt, GesR, S. 467; ders., in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 45; Englisch, in: Hölters, AktG, § 243 Rn. 38; Hüffer, in: MüKo, AktG, § 243 Rn. 47; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 30; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 66; Hopt, in: Perakis, Rights of Minority Shareholders, S. 389 f.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, passim; ders., in: AG 2000, 145 (154); Wiedemann, GesR I, 1980, S. 404 ff.
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trolle zumindest anhand der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterzieht63, vereinzelt aber auch – wie beim Bezugsrechtsausschluss – einen sachlichen Grund für eine bestimmte Maßnahme fordert64. Diejenigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen, die das Mehrheitsprinzip errichten, sind Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG.65 Dies gilt für das UmwG ebenso wie für das übrige Gesellschaftsrecht. Diesbezüglich haben der BGH und das BVerfG die §§ 291 ff. AktG, die unter anderem den Abschluss eines Unternehmensvertrags durch Mehrheitsbeschluss erlauben, als Inhalts- und Schrankenbestimmungen qualifiziert, die in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der außenstehenden Aktionäre einer AG eingreifen und es deshalb erforderlich ist, dass die berechtigten Interessen der außenstehenden Aktionäre gewahrt werden.66 Begründet hat das BVerfG dies damit, dass die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums nicht über Gebühr verkürzt werden darf.67 Im gleichen Sinne hat das BVerfG in zwei weiteren Entscheidungen jeweils in Bezug auf § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AktG entschieden. Diese Regelungen sind nach Ansicht des BVerfG ebenfalls Inhalts- und Schrankenbestimmungen, da sie in das Recht auf Information über die Angelegenheiten der Gesellschaft eingreifen, das ein wesentlicher Bestandteil des von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Mitgliedschaftsrechts ist.68 2011 hat das BVerfG die gesetzliche Kompetenzverteilung im AktG als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung qualifiziert.69 Dieser Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass das gesellschaftsrechtliche Anteilseigentum einen sich direkt aus der Verfassung ergebenden Mindestschutzbereich hat70, dessen Konturen freilich näher be63 BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723) (Formwechselbeschluss); BGH, Urteil vom 29.03. 1996 – II ZR 263/94 = NJW 1996, 1678; BGH, Urteil v. 20.03. 1995 – II ZR 205/94 = NJW 1995, 1739 („Girmes“); BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 = NJW 1988, 1579 („Linotype“); BGH, Urteil vom 16.02. 1981 – II ZR 168/79 = NJW 1981, 1512 („Süssen“). 64 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 = NJW 1978, 1316 („Kali + Salz“); BGH, Urteil v. 19.04. 1982 – II ZR 55/81 = NJW 1982, 2444 („Holzmann“); BGH, Urteil v. 23.06. 1997 – II ZR 132/93 = NJW 1997, 2815 („Siemens/Nold“). 65 So auch Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 71; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (837); Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967, S. 203; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1385 f.). 66 BVerfG, Beschluss v. 27.1. 1999 – 1 BvR 1805/94 = NZG 1999, 302 (303); BGH, Beschluss v. 20.05. 1997 – II ZB 9/96 = NJW 1997, 2242 (2243); BGH, Urteil vom 8.5. 2006 – II ZR 27/05 = NZG 2006, 623 (625 f.). 67 BVerfG, a.a.O. (Fn. 378). 68 BVerfG, Beschluss v. 20.9. 1999 – 1 BvR 636/95 = NZG 2000, 192 (193) („Wenger/ Daimler-Benz“) und BVerfG, Beschluss v. 20.09. 1999 – 1 BvR 168/93= NZG 2000, 194 (195) („Scheidemantel II“). 69 BVerfG, Beschl. v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380). 70 Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1385); damit bleibet das BVerfG seiner Linie treu, wonach der Begriff des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG stets aus der Ver-
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stimmt werden müssen.71 Mülbert folgt unter Aufgabe seiner früher vertretenen Auffassung nun der Ansicht des BVerfG und spricht von einem „verfassungsrechtlich determinierten Meta-Aktienrecht“, in das durch eine „die Verkürzung bewirkende einfach-gesetzliche Vorschrift“ eingegriffen wird.72 III. Grundsätzlich keine Einbeziehung des Vermögenswerts der Beteiligung sowie ihrer wertbildenden Faktoren in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG Nicht zum Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG gehören hingegen der bloße Vermögenswert der Beteiligung sowie der Bestand einzelner wertbildender Faktoren.73 Wertbildende Faktoren des Anteilseigentums sind beispielsweise die marktregulierenden und unternehmensbezogenen Vorschriften des Aktien- und des Börsenrechts74, die Börsenzulassung75 einer AG als solche oder etwa die Unabhängigkeit76 einer Gesellschaft in Bezug auf §§ 15 ff. AktG. Auch die Realstruktur einer Gesellschaft, insbesondere ihre Größe kann für den Wert einer Beteiligung maßgeblich sein.77 Für die Einbeziehung des bloßen Vermögenswerts der Beteiligung in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG spricht, dass der Vermögenswert der Beteiligung für den Gesellschafter von essentieller Bedeutung ist, da jede Beteiligung zumindest auch eine Investitionsentscheidung beinhaltet. Für die Einbeziehung der wertbildenden Faktoren der Beteiligung in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG spricht, dass sie die konkrete Mitgliedschaft in gleichem Maße wie die gesetzlichen und satzungsmäßigen Gegebenheiten prägen können und den Wert der Beteiligung beeinflussen. Richtigerweise ist der bloße Vermögenswert der Beteiligung aber nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst. Der Wert einer Beteiligung ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaft. Er hängt von zahlreichen Faktoren ab und unterliegt ständigen Schwankungen. Der Wertverlust einer Beteifassung selbst gewonnen werden müsse, vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 34. 71 Dazu siehe § 8. 72 Mülbert, in: FS Hopt, 2010, 1039 (1049). 73 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“); a.A. Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 124; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (842). 74 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“). 75 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (829) („Delisting“); Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (842). 76 Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 124; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (842). 77 Stumpf, NJW 2003, 9 (10).
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ligung gehört zum Investitionsrisiko des Gesellschafters. Das Investitionsrisiko des Gesellschafters fällt nicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Ziel des Schutzes von Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht die Wahrung eines bestimmten Anteilswerts, sondern der Erhalt der Mitgliedschaft in ihrer rechtlichen Substanz. Gegen eine pauschale Einbeziehung der wertbildenden Faktoren in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG spricht, dass der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu sehr ausgedehnt werden darf.78 Würden sämtliche wertbildenden Faktoren in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG fallen, hätte jede Änderung dieser Faktoren verfassungsmäßige Relevanz und müsste gegebenenfalls gerechtfertigt werden. Dies würde dazu führen, dass die Kapitalgesellschaft ein starres Gebilde ohne jede Handlungsfreiheit wäre. Der Schutzbereich des Anteilseigentums würde weit über den eigentlichen „Eigentumsbegriff“ hinaus ausgedehnt, da nicht mehr die individuelle mitgliedschaftliche Stellung des einzelnen Gesellschafters im Vordergrund stünde, sondern die jeweilige Kapitalgesellschaft in ihrer gesamten Gestalt. Dies kann nicht das Ziel eines verfassungsmäßigen Schutzes der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des einzelnen Gesellschafters sein. Daher sind wertbildende Faktoren grundsätzlich nicht vom Schutzbereich des Anteilseigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG umfasst. Nur soweit bestimmte Umstände sich unmittelbar auf die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft auswirken, fallen sie in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ist nach dem BVerfG beispielsweise durch die Eingliederung der Aktiengesellschaft in einen Konzern oder durch den Abschluss eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrags betroffen.79 IV. Börsennotierung nicht Bestandteil des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 GG Die Börsennotierung einer Gesellschaft fällt nicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG.80 Der BGH hatte allerdings in der „Macrotron“-Entscheidung aus 2002 die Börsennotierung der Gesellschaft in den Schutzbereich der Mitgliedschaft einbezogen.81 In dieser Entscheidung ging es um die Frage nach der Zuständigkeit 78 So die Richter des 1. Senats des BVerfG in der mündlichen Verhandlung vom 10.1. 2012 im Verfahren 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, nach der Dokumentation von Bosse/Kromer, NZG 2012, 139 (140). 79 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“). 80 Mülbert, in: FS Hopt, 2010, S. 1039 (1053 ff.); a.A. Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (842). 81 BGH, Urteil vom 25.11. 2002 – II ZR 133/01 = NZG 2003, 280 (282 f.) („Macrotron“); zustimmend: Heidel/Lochner, AG 2012, 169 (170); Schön, in: FS Ulmer, S. 2003, S. 1359 (1382); Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465 (473) (m.w.N.); a.A. Ekkenga, ZGR 2003, 878 (883) (m.w.N.); Henze, in: FS Ulmer, S. 2003, 211 (240 f.); später zustimmend, dennoch kritisch ders., in: FS Raiser, S. 2005, 145 (150 ff.).
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der Hauptversammlung für ein reguläres „Delisting“82. Der BGH hat die Hauptversammlungszuständigkeit bejaht und in diesem Zusammenhang die mit der Börsennotierung verbundene faktische Verkehrsfähigkeit und den Verkehrswert der börsennotierten Aktie als Eigenschaften des Aktieneigentums angesehen.83 Das BVerfG ist dieser Beurteilung jedoch 2012 entgegengetreten und hat entschieden, dass der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt auf Antrag des Emittenten grundsätzlich nicht den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs aus Art. 14 Abs. 1 GG berührt.84 Von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist nach dem BVerfG die Substanz des Anteilseigentums in seinem mitgliedschaftlichen und seinem vermögensrechtlichen Element.85 Nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit gehöre zum Schutzbereich des Anteilseigentums.86 Der Bestand einzelner wertbildender Faktoren, insbesondere solcher, die die tatsächliche Verkehrsfähigkeit einer Aktie steigern, sei hingegen nicht geschützt.87 Die rechtliche Verkehrsfähigkeit der Aktie im Sinne der rechtlichen Befugnis zur Veräußerung der Aktie werde aber durch einen Börsenrückzug nicht berührt.88 Das BVerfG hat ferner festgestellt, dass die Börsennotierung auch nicht aufgrund der Geltung zahlreicher Sondervorschriften für börsennotierte AG aus dem Handels-, Aktien- und Börsenrecht zum Schutzbereich des Anteilseigentums gehört.89 Grund dafür sei, dass das dichte Regelwerk für börsennotierte AG in erster Linie die Funktionsfähigkeit der Rechtsform der AG und der Kapitalmärkte sichern solle und nicht der Privatnützigkeit des Eigentums diene. Der Aktionär hätte nur mittelbar und reflexartig gewisse Vorteile aufgrund dieser Regelungen, die nicht zum Schutzgegenstand des Anteilseigentums erhoben werden könnten.90 Das BVerfG hat damit den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf eine Börsennotierung eingeschränkt und der Begründung des BGH aus „Macrotron“, der die Hauptversammlungszuständigkeit für ein Delisting direkt aus Art. 14 Abs. 1 GG 82 Der Begriff des regulären oder echten „Delisting“ bezeichnet den Rückzug der Gesellschaft von den regulierten Märkten aller deutschen Börsen durch Widerruf der Börsenzulassung auf Antrag der Gesellschaft, vgl. Hüffer, AktG, § 119 Rn. 21. 83 BGH, a.a.O. (Fn. 393). 84 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 („Delisting“). 85 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828 f.) („Delisting). 86 BVerfG, a.a.O. (Fn 397); so auch: Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 AktG Rn. 38; Spindler, in: FS Goette, 2011, S. 513 (521 f.); Ekkenga, ZGR 2003, 878 (883 f.); a.A. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 39 BörsG Rn. 3. 87 So bereits das BVerfG, Beschluss v. 26.6. 2002 – 1 BvR 558/91 = NJW 2002, 2621 (2625) in der „Glykol“-Entscheidung, in der es die tatsächliche Absatzmöglichkeit von Waren nicht unter Art. 14 Abs. 1 GG gefasst hat. 88 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828 f.) („Delisting“). 89 BVerfG, a.a.O. (Fn 400). 90 BVerfG, a.a.O. (Fn 400).
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hergeleitet91 hat, die Grundlage entzogen. Ob sich eine Abfindungspflicht beim Delisting zukünftig mit dem einfachen Recht, insbesondere durch eine entsprechende Anwendung von § 29 Abs. 1 Satz 1 HS 1 Fall 2 UmwG begründen lässt oder der Gesetzgeber handeln muss, ist umstritten92, bedarf hier aber keiner Klärung. V. Ergebnis: Schutzbereich des Anteilseigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG lässt sich in Bezug auf das gesellschaftsrechtliche Anteilseigentum demnach wie folgt definieren: Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die mitgliedschaftliche Rechtsposition in ihrer Substanz, so wie sie durch den Gesellschaftsvertrag ausgestaltet ist, mitsamt aller aus der Mitgliedschaft resultierenden Verwaltungs- und Vermögensrechte, die dem einzelnen Gesellschafter durch einfache Gesetze und den Gesellschaftsvertrag im Sinne privatnütziger Verfügbarkeit eingeräumt werden. Der bloße Vermögenswert der Beteiligung sowie der Bestand einzelner wertbildender Faktoren wie die mit der Börsenzulassung verbundene faktische Verkehrsfähigkeit der Aktie fallen grundsätzlich nicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG.
C. Der Umwandlungsbeschluss als privatrechtlicher Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre I. Die das Mehrheitsprinzip konstituierenden Regelungen des UmwG als legislative Eingriffsnormen Um sich auf ein Grundrecht berufen zu können, muss ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts erfolgen. In der verfassungsrechtlichen Dogmatik hat sich der moderne Eingriffsbegriff durchgesetzt. Ein Eingriff ist demzufolge jede Beeinträchtigung des Schutzbereiches eines Grundrechtes durch die öffentliche Gewalt.93 Das Merkmal des staatlichen Akts folgt aus dem klassischen Verständnis
91 Der Herleitung des BGH zustimmend: Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 40; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 39 BörsG Rn. 3; Kubis, in: MüKo, AktG, § 119 Rn. 84; Heidel/Lochner, AG 2012, 169 (170 f.); Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807 (813); wohl auch K. Schmidt, NZG 2003, 601 (603); ablehnend: Benecke, WM 2004, 1122 (1123); zur Anwendung von Art. 14 GG im Gesellschafterverhältnis siehe im Nachfolgenden unter § 6 D. 92 Für eine Abfindungspflicht analog § 29 Abs. 1 UmwG: Hüffer, AktG, § 119 Rn. 25; Habersack, ZHR 2012, 463 (466 f.); Klöhn, NZG 2012, 1041 (1046 f.); a.A. Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645 (654 ff.); offen gelassen von Bungert/Wettich, DB 2012, 2265 (2268 f.). 93 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 265; Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 39; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 6 Rn. 253.
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von den Grundrechten als Abwehrrechte gegenüber dem Staat.94 §§ 50 Abs. 1, 65 Abs. 1, 78 Satz 1, 240 Abs. 1 UmwG enthalten Regelungen, die den Mehrheitsbeschluss für Umwandlungen von Kapitalgesellschaften zulassen. Sie ermöglichen der Mehrheit in einer Gesellschaft Maßnahmen durchzuführen, die unter Umständen die Rechtsstellung der Minderheit verkürzen. Es handelt sich bei den genannten Vorschriften um einfachgesetzliche Inhaltsund Schrankenbestimmungen95 in Bezug auf das Anteilseigentum, die vom Gesetzgeber als staatlichem Hoheitsträger erlassen wurden. Sie sind daher als einfachgesetzliche Eingriffsnormen zu qualifizieren. Die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte96 ergibt sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 GG, daher müssen alle das Mehrheitsprinzip konstituierenden Regelungen verfassungsmäßig gerechtfertigt sein.97 Auf diesem Wege hält das Verfassungsrecht seit dem „Feldmühle“-Urteil98 in ständiger Rechtsprechung des BVerfG Einzug in das Gesellschaftsrecht. Das BVerfG hat bereits mehrfach die Vereinbarkeit gesellschaftsrechtlicher Regelungen mit der Verfassung überprüft. Hierzu gehören etwa die §§ 291 ff. AktG, die unter anderem den Abschluss von Unternehmensverträgen mit Mehrheitsbeschluss ermöglichen sowie die §§ 320 ff., die unter anderem es der Gesellschaftermehrheit erlauben eine andere Gesellschaft einzugliedern99, aber auch die Regelungen über die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens nach § 179a AktG100 sowie die umwandlungsrechtlichen Regelungen zur Verschmelzung101. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Entscheidung des BVerfG zum aktienrechtlichen Squeeze-out. Das BVerfG hat die Vereinbarkeit der Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG mit Art. 14 Abs. 1 GG überprüft.102 Zuletzt unterzog das BVerfG auch die §§ 39a, 39b WpÜG, die einen übernahmerechtlichen Squeeze-out ermöglichen, einer Überprüfung am Maßstab
94 BVerfGE 68, 193 (205); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 182 ff. 95 So bezüglich des aktienrechtlichen Squeeze-out BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (588 f.); Voland, NZG 2012, 694 (695). 96 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 59 ff. 97 BVerfG, Beschluss vom 14.02. 1967 – 1 BvL 17/63 = NJW 1967, 1175; Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 235; Wolfers/Rau, KSzW 2010, 78 (85); Stumpf, NJW 2003, 9 (9); Zöllner/Noack, AG 1991, 157 (162 f.). 98 BVerfG NJW 1962, 1667 = BVerfGE 14, 263 („Feldmühle“), Gegenstand war die Überprüfung des damals geltenden § 15 UmwG von 1956. 99 BVerfG NZG 1999, 931 („DAT/Altana“) (betraf §§ 291, 320 ff. AktG). 100 BVerfG NZG 2000, 1117 („Moto-Meter“). 101 BVerfG NZG 2007, 629. 102 BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587.
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von Art. 14 Abs. 1 GG.103 Entsprechend haben das OLG München104 den Sonderfall des Squeeze-out gem. § 12 Abs. 4 FMStBG105 infolge des Ausschlusses von Minderheitsaktionären der Hypo-Real-Estate und das OLG Hamburg106 die Möglichkeit des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out gem. § 62 Abs. 5 UmwG einer verfassungsrechtlichen Kontrolle anhand von Art. 14 Abs. 1 GG unterzogen. Diese Rechtsprechung zeigt, dass es sich bei den das Mehrheitsprinzip konstituierenden einfachgesetzlichen Regelungen um Inhalts- und Schrankenbestimmungen handelt, die mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar sein müssen. II. Der Mehrheitsbeschluss als das Handeln von Privatrechtssubjekten Bei Eingriffen in die mitgliedschaftliche Rechtsposition ist klar zu unterscheiden zwischen Eingriffen durch gesetzliche Regelungen auf erster Stufe und Eingriffen durch eine konkrete Beschlussfassung auf zweiter Stufe. Eingriffe auf erster Stufe unterfallen als staatliche Akte jedenfalls dem Anwendungsbereich der Grundrechte. Ein Mehrheitsbeschluss hingegen beruht zwar auf der gesetzlichen Regelung über das Mehrheitsprinzip. Er wird aber von der Mehrheit der Gesellschafter gefasst und ist somit das Resultat privatautonomen Handelns.107 Nach dem traditionellen Verständnis der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat sind die Grundrechte nicht auf die Beschränkung des Anteilseigentums durch eine Mehrheitsentscheidung im Innenverhältnis der Gesellschafter anwendbar, weil sie gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar nur die staatliche Gewalt binden.108 Zwar könnte zur Begründung der Grundrechtsbindung der Gesellschaftermehrheit das in der früheren Rechtsprechung des BAG für Tarifverträge vertretene Modell von der staatlich delegierten Rechtsetzungsmacht herangezogen werden.109 Dieses Modell lässt sich aber nicht auf das Mehrheitsprinzip im Gesellschaftsrecht übertragen, da der Ge-
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BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907. 104 OLG München, Urteil v. 28.9. 2011 – 7 U 711/11 („HRE“) = NZG 2011, 1227. 105 Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz v. 17. Oktober 2008, BGBl. I S. 1982. 106 OLG Hamburg, Beschluss v. 14.6. 2012 – 11 AktG 1/12 = ZIP 2012, 1347. 107 So auch: Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 167 Rn. 5; Zöllner, AG 2002, 585 (592); in Bezug auf einen Squeeze-out gem. § 327a AktG: Grunewald, in: MüKo, AktG, Vor § 327a Rn. 6; Mülbert, in: FS Hopt, 2010, S. 1039 (1045); Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1023); in Bezug auf einen Squeeze-out nach § 12 Abs. 4 FMStBG: Wolfers/Rau, KSzW 2010, 78 (83). 108 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 99. 109 BAG, Urteil v. 15.1. 1955 – 1 AZR 305/54 = NJW 1955, 684; BAG, Urteil v. 23.03. 1957 – 1 AZR 326/56 = BAGE 4, 240; BAG, Urteil v. 06.04. 1955 – 1 AZR 365/54 = BAGE 1, 348; vgl. dazu Gornik, NZA 2012, 1399.
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setzgeber mit den Regeln über das Mehrheitsprinzip gerade die Privatautonomie anerkennt und somit kein dem Staat zurechenbares Verhalten vorliegt.110
D. Die Drittwirkung von Art. 14 Abs. 1 GG im Verbandsrecht I. Die grundrechtliche Schutzpflichtenkonzeption der herrschenden Verfassungs- und Zivilrechtslehre 1. Unmittelbare Drittwirkung der grundrechtlichen Schutzpflichten und Untermaßverbot Das Dogma von der Wirkung der Grundrechte allein gegenüber staatlichem Handeln wurde schon früh nach dem Inkrafttreten des GG aufgeweicht. Die zwei prominentesten Theorien, die zur Drittwirkung der Grundrechte in Privatrechtsverhältnissen entwickelt wurden, sind die Theorie der unmittelbaren111 und die Theorie der mittelbaren112 Drittwirkung der Grundrechte.113 Der Terminus von der mittelbaren Geltung der Grundrechte wird allgemein für die Wirkung von Grundrechten im Privatrechtsverhältnis gebraucht, unabhängig davon, wie diese Wirkung im Konkreten aussieht und dogmatisch begründet wird. Die Wirkung der Grundrechte innerhalb privater Rechtsverhältnisse wird im Grundsatz nicht mehr in Frage gestellt114, wenngleich hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer dogmatischen Begründung im Detail Unterschiede bestehen. Die heute nahezu einhellige Ansicht ist vom traditionellen und ausschließlichen Verständnis der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber staatlichem Handeln abgerückt und stellt nunmehr die objektivrechtliche Schutzgebotsfunktion der Grundrechte in den Vordergrund.115 Die 110 A.A. von Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967, S. 9; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 16 ff. 111 Begründer: Nipperdey, RdA 1950, 121. 112 Begründer: Dürig, in: FS Nawiasky, 1956, S. 157. 113 Zu den beiden Drittwirkungslehren im Einzelnen, vgl etwa: Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 303 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 5 Rn. 189 ff. 114 So Stern, in: FS Wiedemann, 2002, 133 (137); siehe auch: Säcker, in: MüKo, BGB, Einl. Rn. 66; Bethge, in: FS Stern, 2012, S. 295 (299); Klein, JuS 2006, 960 (960). 115 BVerfG, Urteil v. 22.02. 2011 – BvR 699/06 = NJW 2011, 1201 („Fraport“); BVerfG, Urteil v. 26.07. 2005 – 1 BvR 782/94 u. 1 BvR 957/96 = NJW 2005, 2363 („Lebensversicherung“); BVerfG, Urteil vom 6.2. 2001 – 1 BvR 12/92 = NJW 2001, 957 („Ehevertrag“); BVerfG, Beschluss vom 19.10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a. = NJW 1994, 36 („Bürgschaft“); BVerfG, Beschluss vom 07.02. 1990 – 1 BvR 26/84 = NJW 1990, 1469 („Handelsvertreter“); BVerfG, Urteil v. 25.02. 1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 = BVerfGE 39, 1 („Schwangerschaftsabbruch“); BVerfG, Urteil v. 15.1. 1958 – 1 BvR 400/57 = NJW 1958, 257 (257 f.) („Lüth“); Säcker, in: MüKo, BGB, Einl. Rn. 65 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Vor Art. 1 Rn. 101 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 317 f.; Herdegen, in:
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Grundrechte etablieren demnach Schutzpflichten, die es gebieten, den Einzelnen vor sämtlichen Beeinträchtigungen seiner Grundrechte zu schützen, also nicht nur vor Beeinträchtigungen von staatlicher, sondern auch vor Beeinträchtigungen von privater Seite.116 Adressat dieser aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte folgenden Schutzpflicht ist der Staat in seiner Gesamtheit, mithin nicht nur der Gesetzgeber, sondern insbesondere auch die Gerichte.117 Diese Ansicht ist maßgeblich auf Canaris zurückzuführen118, der aus der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte die Pflicht des Gesetzgebers und des Zivilgerichts ableitet, einen Minimalschutz der Grundrechte auch im Verhältnis der Bürger untereinander zu gewährleisten. Er spricht vom „Untermaßverbot“ im Privatrechtsverhältnis.119
Maunz/Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 64; Stern, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1572 f.; ders., DÖV 2010, 241; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 5 Rn. 198; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 33 ff.; ders., AcP 1984, 201 (245); Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 67; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 215, 410; Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 37 f.; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 84 f.; Neuner, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 159 (175); Reymann, Das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge, 2009, S. 247 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 195 f.; Szczekalla, Die sogenannten Grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 459 ff.; Singer, in: Neuner, Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, S. 245 (249); Tian, Objektive Grundrechtsfunktionen im Vergleich, 2012, S. 174 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 29 ff.; Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, 2009, S. 31; Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333; ders., in: FS Stern, 2012, S. 275 (287); Classen, AöR 1997, 65 (105 f.); Gurlit, NZG 2012, 249 (251); Hager, JZ 1994, 373 (378 f.); Hermes, NJW 1990, 1764; Klein, JuS 2006, 960 (960); Masing, NJW 2012, 2305 (2306); gegen eine völlige Abkehr von der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte plädierend: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, passim; kritisch gegenüber der Schutzpflichtenlehre: Cherednychenko, in: Grundmann, Constitutional Values and European Contract Law, 2008, S. 59 f.; Sachs, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 385; a.A. Zöllner, AcP 1996, 1 (11), der sich später aber für den Schutz des Art. 14 GG zugunsten der Minderheitsaktionäre bei der Beschlussfassung ausspricht, vgl. ders., in: AG 2002, 585 (592); dazu auch Zöllner/Hanau, AG 1997, 206 (213). 116 BVerfG, Urteil v. 25.02. 1975 – 1 BvF 1/74 = NJW 1975, 573 (575); BVerfG, Urteil v. 06.02. 2001 – 1 BvR 12/92 = NJW 2001, 957 (958); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 75; Gurlit, NZG 2012, 249 (251); Hager, JZ 1994, 373 (379); Jung, JZ 2001, 1004 (1007); Calliess, JZ 2006, 321 (328). 117 BVerfG, Beschluss vom 07.02. 1990 – 1 BvR 26/84= NJW 1990, 1469 (1470) („Handelsvertreter“); Säcker, in: MüKo, BGB, Einl. Rn. 68; I. Schmidt, in: ErfK, Art. 14 Rn. 10; Reymann, Das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge, 2009, S. 249; Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, 2009, S. 31 f.; Floren, Grundrechtsdogmatik im Vertragsrecht, 1999, S. 83 f.; Calliess, in: FS Starck, 2007, S. 201; ders., JZ 2006, 321 (328); Classen, AöR 1997, 65 (85). 118 Canaris, AcP 1984, 201; ders., JuS 1989, 161; ders., Grundrechte und Privatrecht, 1999. 119 Canaris, AcP 1984, 201 (245); ders., JuS 1989, 161 (163).
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Der Begriff des Untermaßverbots hat sich im verfassungsrechtlichen Schrifttum als Folge der Anerkennung der grundrechtlichen Schutzpflichten etabliert120 und wurde vom BVerfG121 übernommen. Aus dem Untermaßverbot folgt, dass stets ein Minimum an wirksamen Schutz einer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition sichergestellt sein muss.122 Die Wirkung der Grundrechte in Form des Untermaßverbots unterscheidet sich von ihrer Wirkung in Gestalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und dem daraus folgenden Übermaßverbot.123 Anders als beim Übermaßverbot, das die Grenze jedes staatlichen Eingriffs markiert, verpflichten die Grundrechte durch das Untermaßverbot den Staat zu einem Ausgleich zwischen den gleichermaßen berechtigten Freiheitssphären der Bürger.124 Das Zivilgericht hat zur Einhaltung des Untermaßverbots dort, wo der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag nicht wirksam nachgekommen ist, der Schutzfunktion des maßgebenden Grundrechts durch verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung Geltung zu verschaffen und die Grundrechte unmittelbar auf Privatrechtsverhältnisse anzuwenden, um so das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum zu garantieren.125 Die Anwendung der Grundrechte durch das Zivilgericht ist nicht auf zivilrechtliche Generalklauseln beschränkt.126 Es ist auch ohne Belang, ob eine auslegungsfähige Norm existiert oder der Gesetzgeber einen bestimmten Fall planwidrig oder bewusst gar nicht geregelt hat.127 Vielmehr müssen die Grundrechte stets herange-
120 Der Begriff des „Untermaßverbots“ wurde geprägt von Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, 1980, S. 15; aufgegriffen u. a. von Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HndbStaatsR, Band 5, 2. Auflage, 2000, Rn. 165; vgl. auch Dieterich, in: ErfK, Einl. zum GG, Rn. 38; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 11/2006, Art. 20, Abschn. VII, Rn. 126; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 319 f.; Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009, passim; Calliess, in: FS Starck, 2007, S. 201; Lee, in: FS Starck, 2007, S. 297; Gurlit, NZG 2012, 249 (251); Klein, JuS 2006, 960 (961) (m.w.N.). 121 BVerfG, Urteil v. 28.05. 1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751 (1754) 122 BVerfG, Urteil v. 28.05. 1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751 (1754); Calliess, in: FS Starck, 2007, S. 201 (208 f.); Klein, JuS 2006, 960 (961). 123 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 11/2006, Art. 20, Abschn. VII, Rn. 126 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 147; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 93 f. 124 Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009, S. 38; Masing, NJW 2012, 2305 (2306). 125 Dieterich, in: ErfK, Einl. zum GG, Rn. 44; Säcker, in: MüKo, BGB, Einl. Rn. 68; Stern, Staatsrecht, Band III/1, 1988, S. 1558; ders., in: FS Wiedemann, 2002, 133 (148); Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 267; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 235 f.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 62; Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333 (339); ders., in: FS Stern, 2012, S. 275 (287); Jung, JZ 2001, 1004 (1005). 126 Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 86; Jung, JZ 2001, 1004 (1006). 127 Hager, JZ 1994, 373 (379); Schnorbus, DB 2001, 1654 (1658).
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zogen werden, wenn eine Schutzlücke besteht.128 Dies ist vor allem der Fall, wenn der Gesetzgeber die Privatautonomie der Rechtssubjekte entweder vollständig ungeregelt lässt oder sie nur unzureichend ausgestaltet.129 Allein die Lückenhaftigkeit der gesetzgeberischen Entscheidung, sei sie bewusst oder unbewusst ergangen, ist maßgebend für die unmittelbare Entfaltung des grundrechtlichen Schutzes. 2. Stellungnahme: Anerkennung einer Drittwirkung der grundrechtlichen Schutzpflichten Der Lehre von den aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte resultierenden umfassenden Schutzpflichten, die ihre Wirkung auch auf horizontaler Ebene entfalten, ist zu folgen. Erkennt man die grundrechtlichen Wertungen als Richtlinien für die Gesellschaft an, so muss man auch deren umfassende Geltung anerkennen. Andernfalls würden die Grundrechte ihre Wirkung nur situationsabhängig entfalten, je nachdem, ob eine Person dem Staat oder einer anderen Person des Privatrechts gegenüber steht. Es kann in Bezug auf den Grundrechtsschutz aber keinen Unterschied machen, ob eine rechtsfähige Person des Privatrechts – bei sonst vergleichbarer Sachlage – dem Staat gegenüber steht oder einer anderen Privatrechtsperson. Die Grundrechte müssen stets gelten, unabhängig von der konkreten Konstellation, in der sich eine Person befindet, da der Bürger im Einzelfall einer privatrechtlichen Person in ähnlicher Weise unterlegen sein kann wie dem Staat. Nur so ist ein effektiver Grundrechtsschutz sichergestellt.130 Gegen ein striktes Beharren auf der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte allein gegenüber dem Staat spricht ferner, dass der Staat heute viel stärker die Rolle des Garanten in Bezug auf den Schutz der Grundrechte einnehmen muss und ein weitreichender Wirkungsumfang der Grundrechte aus diesen Gründen zu ihrer Sicherung unerlässlich ist.131 Für die Geltung der Grundrechte zwischen Privatrechtssubjekten spricht ferner die Verfassung selbst. Eine im Grundsatz umfassende Geltung der Grundrechte folgt genaugenommen bereits aus Art. 1 Abs. 3 GG.132 Danach binden die Grundrechte ausdrücklich auch die Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.133 Das be128 Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333 (335); für eine direkte Anwendung der Grundrechte bei Regelungslücken Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (113). 129 Reymann, Das Sonderprivatrecht der Handels- und Verbraucherverträge, 2009, S. 503; Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333 (340 f.). 130 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 76; Calliess, in: FS Starck, 2007, S. 201 (211). 131 Lee, in: FS Starck, 2007, S. 297 (302); Van der Walt, in: FS Stern, 2012, S. 627 (629); Stern, DÖV 2010, 241 (249). 132 Gegen eine Herleitung einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 3 GG Merten, in: FS Stern, 2012, S. 483 (498 f.), der aber eine staatliche Schutzpflicht vor nichtstaatlichen Eingriffen aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichten befürwortet, vgl. ders., in: Gedächtnisschrift für Burmeister, 2004, S. 227 (236). 133 Zum Vorrang der Bindung des Richters an Gesetz vor der Bindung an die Verfassung als gewissermaßen Einschränkung von Art. 1 Abs. 3 GG, vgl. im Nachfolgenden unter § 6 D. II. 1.
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deutet, dass das Zivilgericht bei der Entscheidungsfindung an die Grundrechte gebunden ist und die Grundrechtspositionen der Parteien in gerechten Ausgleich bringen muss. Wird ein Streit zwischen zwei Parteien des Privatrechts dem Zivilgericht zur Entscheidung vorgelegt, so wird das horizontale Privatrechtsverhältnis durch die Beteiligung des Gerichts als staatlichen Akteur zu einem vertikalen Verhältnis, in dem sich jeweils Bürger und Staat gegenüberstehen. Die Parteien des Rechtsstreits stehen nun dem Staat in Gestalt des Zivilrichters gegenüber und sind seinem Urteil unterworfen. Der Zivilrichter ist gem. Art. 1 Abs. 3 GG bei seiner Entscheidung an die Grundrechte gebunden. Er muss die kollidierenden Grundrechtspositionen der Parteien zum Ausgleich bringen. Die Entscheidung, die in der zivilrechtlichen Sache ergeht, ist ein staatlicher Akt, gegen den die im konkreten Rechtsstreit unterlegene Partei in letzter Instanz die Verletzung ihrer Grundrechte mit der Verfassungsbeschwerde geltend machen kann.134 Das privatrechtliche Verhältnis unterliegt damit der Grundrechtsgeltung. Es ist somit allein die Inanspruchnahme eines staatlichen Gerichts, die dazu führt, dass aus einem Rechtsverhältnis zwischen Privatpersonen auf horizontaler Ebene ein vertikal ausgerichtetes Verhältnis zwischen Privatperson und Staat wird.135 Geht man davon aus, dass ein privatrechtlicher Streit zweier Parteien, die sich nicht einigen können, früher oder später vor ein staatliches Gericht gebracht wird, so ist es letztlich allein die zeitliche Komponente, die das rein privatrechtliche Verhältnis in ein vertikal gerichtetes Verhältnis zwischen Bürger und Staat verlagert. In letzter Konsequenz ist es also stets der Staat, der als Adressat der Grundrechtsbindung betroffen ist.136 Die Drittwirkungsproblematik der Grundrechte wird deshalb von Teilen der Literatur als Scheinproblematik angesehen.137 Gegen die Herleitung einer Drittwirkung aus Art. 1 Abs. 3 GG spricht auch nicht, dass Private in Art. 1 Abs. 3 GG nicht genannt werden. Art. 1 Abs. 3 GG legt ausschließlich den Adressatenkreis fest, nicht aber die Wirkrichtung der Grundrechte. Daher können sich die Grundrechtswirkungen sehr wohl auf Sachverhalte erstrecken, die rein privater Natur sind und bei denen ein Eingriff von privater Seite vorliegt.138 Die Grundrechte entfalten ihre Wirkung – zumindest in Form der Schutzpflichten – in jede Richtung und in jedem Verhältnis. Hinter der Drittwirkungsproblematik der Grundrechte steht letztlich die Frage nach dem Rangverhältnis des anzuwen134
Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerFGG, § 90 Rn. 233. Merten, in: FS Stern, 2012, S. 483 (498 f.) bezeichnet dieses Faktum als „absurde Konsequenz“ derjenigen Ansicht, die eine unmittelbare Drittwirkung aus Art. 1 Abs. 3 GG herleitet. Letztlich aber ist es ein Faktum, das gegen die Ansicht von Merten spricht. 136 So auch Lee, in: FS Starck, 2007, S. 297 (301 f.). 137 Vor allem: Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 9 ff.; vgl. aber auch: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 315 ff.; Van der Walt, in: FS Stern, 2012, S. 627 (628); dazu siehe auch: Dreier, in: Dreier, GG, Vorbemerkung Rn. 98. 138 Krings, in: FS Stern, 2012, S. 425 (435). 135
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denden Rechts, also die Frage, ob der Richter die Verfassung trotz Bestehens einfacher Gesetze anwenden muss. Es handelt sich letztlich also um eine Frage der Kompetenzenverteilung zwischen der Legislative und der Judikative. II. Kein Verlust der Eigenständigkeit des Zivilrechts durch ein drohendes Verfassungszivilrecht 1. Der Anwendungsvorrang der einfachen Gesetze in Bezug auf Verfassungsrecht beim Rechtsvollzug Auf die Kompetenzverteilung zwischen der Legislative und der Judikative läuft letztlich auch die Kritik gegenüber einer Anwendung von Verfassungsrecht im Zivilrecht hinaus, wonach die Eigenständigkeit des Privatrechts durch die Anwendung von Verfassungsrecht im Zivilrecht gefährdet sei und eine Anwendung von Verfassungsrecht im Zivilrecht zu einem „Verfassungszivilrecht“ führe.139 Auf eine Eigenständigkeit des Privatrechts im Sinne einer Unabhängigkeit des Zivilrechts vom Verfassungsrecht zielt diese Kritik allerdings nicht ab, da eine Unabhängigkeit des Zivilrechts im Sinne einer völligen Freiheit des Zivilrechts vom Verfassungsrecht nicht besteht. Der Gesetzgeber unterliegt gem. Art. 1 Abs. 3 GG der Bindung an die Verfassung. Das Zivilrecht ist die Konkretisierung des Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte und hat keinen von der Verfassung abgekoppelten Regelungsbereich. Die einfache Rechtsordnung wird vielmehr „konstitutionalisiert“ oder „vergrundrechtlicht“.140 Gemeint ist mit der Eigenständigkeit des Zivilrechts vielmehr die Wahrung der einfachgesetzlichen Entscheidungen und Wertungen, die der Gesetzgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen Ermessens bei der Konkretisierung von Verfassungsrecht getroffen hat. Die einfachgesetzlichen Entscheidungen und Wertungen sind vom Richter zu respektieren und dürfen nicht durch die unmittelbare Anwendung von Verfassungsrecht übergangen oder in sonstiger Weise unbeachtet gelassen werden. Hinter der Diskussion um die Anwendung von Verfassungsrecht im Privatrecht verbirgt sich also die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen der Legislative und der Judikative bzw. die Frage nach dem Verhältnis von einfachem Gesetzesrecht zum Verfassungsrecht, das bei der Rechtsanwendung durch den Richter beachtet werden muss. Die Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Gesetzes- und Verfassungsrecht ergibt sich aus der Verfassung selbst. Gem. Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ gebunden. Dies bedeutet eine doppelte
139 Diederichsen, in: Starck, Rangordnung der Gesetze, 1994, S. 39 ff.; Classen, AöR 1997, 65 (69); Gurlit, NZG 2012, 249 (251) (m.w.N.); Sendler, NJW 1994, 709 (710). 140 Bethge, in: FS Stern, 2012, S. 295 (298).
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Bindung des Richters sowohl an die Verfassung als auch an das einfache Recht.141 Die Bindung des Richters an die Grundrechte als Teil der Verfassung ergibt sich zudem ausdrücklich aus Art. 1 Abs. 3 GG. Ein Rangverhältnis von Verfassungs- zur Gesetzesbindung lässt sich dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG hingegen nicht entnehmen.142 Das Rangverhältnis ergibt sich aber aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, dem Rechtsstaatsprinzip und der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG.143 Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt, dass die Rechtsprechung die Entscheidungen des Gesetzgebers zu beachten hat und sich nicht über einfaches Gesetzesrecht hinwegsetzen darf, indem sie Verfassungsrecht anwendet.144 Aus dem Rechtsstaatsprinzip in Gestalt des Gebots der Rechtssicherheit folgt, dass die Rechtsprechung das einfache Gesetzesrecht ausnahmslos anzuwenden hat.145 Der Vorrang der Bindung an das einfache Gesetz vor einer Bindung an das Verfassungsrecht kommt zudem in Art. 100 Abs. 1 GG zum Ausdruck, wonach der Richter zur Vorlage an das BVerfG verpflichtet ist, wenn er ein Gesetz für verfassungswidrig hält. Die Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 1 GG enthält die Wertung, dass der Richter sich nicht eigenmächtig über die Entscheidung des Gesetzgebers hinwegsetzen darf.146 Die Verfassung stellt mit diesen Grundsätzen sicher, dass dem Gesetzgeber ein politischer Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben verbleibt. Die Verfassung bzw. das jeweilige Grundrecht geben einen Mindestinhalt in Bezug auf eine bestimmte Rechtsposition vor, der vom Gesetzgeber gewährleistet werden muss. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber einen politischen Gestaltungsfreiraum und kann im Rahmen seiner Einschätzungsprägorative eine grundrechtlich verbürgte Rechtsposition beliebig ausgestalten. Der politische Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers darf nicht durch eine richterliche Entscheidung eingeschränkt werden. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich demnach der Vorrang der Bindung des Richters an das Gesetz vor der Bindung an die Verfassung, der zu einem „Anwendungsvorrang“ der einfachen Gesetze beim Rechtsvollzug führt.147 141 Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 12/2007, Art. 20 Rn. 60, 65; Huster/ Rux, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013, Art. 20 Rn. 156 ff. 142 Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (109). 143 Röthel, JuS 2001, 424 (426); Stern, in: FS Wiedemann, 2002, S. 133 (144 ff.). 144 BVerfG, Beschluss v. 25.1. 2011 – 1 BvR 918/10 = NJW 2011, 836 (837); BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830); Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (111); Hermes, NJW 1990, 1764 (1767); Schnorbus, DB 2001, 1654 (1658). 145 Röthel, JuS 2001, 424 (426). 146 Schnorbus, DB 2001, 1654 (1658). 147 Zum Begriff des „Anwendungsvorrangs“ in diesem Zusammenhang: Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013, Art. 20 Rn. 156; Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (108 ff., 111).
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2. Ausnahmen vom Anwendungsvorrang der einfachen Gesetze in Bezug auf Verfassungsrecht Der Richter ist bei seiner Entscheidungsfindung vorrangig an das einfache Gesetz gebunden. Fehlt eine einfachgesetzliche Regelung, geht der Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzes „ins Leere“.148 Fehlt eine gesetzgeberische Entscheidung, weil ein Bereich ungeregelt ist oder weil der Gesetzgeber die Entscheidungskompetenz bewusst weitergegeben hat, rückt an die Stelle der Gesetzesbindung die Bindung des Richters an die Verfassung. Bedenken gegen die Anwendung von Verfassungsrecht durch die Zivilgerichtsbarkeit sind nur begründet, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch gesetzgeberische Entscheidungen missachtet werden.149 In den Fällen, in den ein Bereich ungeregelt ist, hat der Gesetzgeber von seinem politischen Entscheidungsspielraum keinen Gebrauch gemacht, so dass der Richter in diesem Fall zur Rechtsfortbildung verpflichtet ist und dazu in letzter Konsequenz die Verfassung und die Grundrechte direkt heranziehen muss.150 Die Schließung von Regelungslücken von Verfassungs wegen ist nicht zu beanstanden und ist keine unzulässige richterliche Eigenmacht, wenn sie – was bei Regelungslücken stets der Fall ist – dem Willen des Gesetzgebers nicht widerspricht.151 Der Gesetzgeber selbst hat die zulässige Rechtsfortbildung als Aufgabe der Rechtsprechung definiert und in §§ 132 Abs. 4 GVG, 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO ausdrücklich betont. Auch muss der Richter in den Fällen tätig werden, in denen andernfalls der verfassungsrechtlich vorgegebene Mindestgehalt eines Grundrechts nicht gewährleistet wäre. Der politische Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers beginnt nämlich erst dort, wo der grundrechtlich vorgegebene Mindestgehalt einer Rechtsposition gewährleistet ist. Zum Mindestgehalt einer grundrechtlich verbürgten Rechtsposition gehört insbesondere das Schutzminimum, das durch das Untermaßverbot verfassungsrechtlich vorgegeben ist. Ist ein Minimalschutz nicht gewährleistet, besteht eine verfassungswidrige Schutzlücke, die der Richter schließen muss, ohne dabei in den politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugreifen. Demnach gilt der Anwendungsvorrang des Gesetzes nicht, wenn eine bewusste Weitergabe des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in Form von Generalklauseln oder unbestimmten Rechtsbegriffen vorliegt, eine gesetzgeberische Entscheidung fehlt oder eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht.152 Eine Schutzlücke kann insbesondere durch eine Regelungslücke oder eine geringe Regelungsdichte entstehen.153
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So Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (108 ff., 112). BVerfG, Beschluss v. 25.1. 2011 – 1 BvR 918/10 = NJW 2011, 836 (838). 150 Maurer, in: FS Stern, 2012, S. 101 (113); Benecke, WM 2004, 1122 (1124); Goetz, BB 2012, 2767 (2768). 151 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830). 152 Stern, in: FS Wiedemann, 2002, S. 133 (147 f.). 149
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Wie im Folgenden gezeigt wird, weist das Gesellschaftsrecht eine sehr geringe Regelungsdichte auf, da die nötige Flexibilität der Gesellschaften gewährleistet werden muss und es schlichtweg nicht möglich ist, die Vielzahl denkbarer Konstellationen zu regeln, die im Laufe der Zeit bei einer Gesellschaft auftreten können. Ein vom Gesetzgeber bewusst ungeregelter Bereich ist die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft durch Mehrheitsbeschlüsse. Statt bestimmte Entscheidungen gesetzlich festzuschreiben, hat der Gesetzgeber das Mehrheitsprinzip für bestimmte Entscheidungen festgelegt und es bewusst den Gesellschaftern überlassen, selbst über wichtige Entwicklungen der Gesellschaft zu entscheiden. Der Gesetzgeber hat somit bewusst einen Bereich ungeregelt gelassen, der einer Anwendung von Verfassungsrecht zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat es in der Gesetzesbegründung zum UmwG1994 ausdrücklich offengelassen, ob eine materielle Beschlusskontrolle von Umwandlungsbeschlüssen von den Gerichten durchgeführt werden muss.154 Die Gesetzesbegründung enthält keine Entscheidung des Gesetzgebers in Bezug auf das Erfordernis einer materiellen Beschlusskontrolle.155 Der Gesetzgeber bringt aber zweifelsfrei zum Ausdruck, dass er gerade keine Entscheidung gegen eine Inhaltskontrolle von Umwandlungsbeschlüssen getroffen, sondern diese Entscheidung offengelassen hat.156 Die inhaltliche Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen widerspricht demnach nicht dem Willen des Gesetzgebers.157 Art. 100 Abs. 1 GG steht einer Inhaltskontrolle von Mehrheitsentscheidungen ebenfalls nicht entgegen. Die Norm regelt das Verwerfungsmonopol des BVerfG in Bezug auf Gesetze. Im Falle einer Mehrheitsentscheidung der Gesellschafter liegt privatrechtliches Handeln vor. Daher besteht keine Vorlagepflicht gem. Art. 100 Abs. 1 GG. III. Die grundrechtlichen Schutzpflichten im Gesellschafterverband 1. Die Anerkennung grundrechtlicher Schutzpflichten im Gesellschaftsrecht Die Anerkennung der horizontalen Wirkung der Grundrechte ist das Resultat einer Entwicklung, die nicht nur in der verfassungs- und der allgemeinen zivilrechtlichen Literatur erfolgt ist. Auch im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum ist eine 153 Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013, Art. 20 Rn. 156 ff.; Stern, in: FS Wiedemann, 2002, S. 133 (148). 154 Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 61 und S. 216. 155 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 31; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1624, Fn. 182); Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (458 f.). 156 M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (40). 157 So auch Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 331 f.
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starke Tendenz zur Anwendung von Verfassungsrecht im Innenverhältnis der Gesellschaft zu erkennen.158 Zahlreiche Autoren folgen der Schutzpflichtenlehre und befürworten die Anwendung der Grundrechte im Verhältnis der Gesellschafter zueinander und zur Gesellschaft, soweit dies zum Schutz des Mitgliedschaftsrechts erforderlich ist.159 Nach Ansicht von Wiedemann unterliegen privatautonome Entscheidungen nach der Schutzpflichtenlehre des BVerfG der richterlichen Überprüfung, sofern die Vertragsparität gestört ist.160 Dies gelte auch im Gesellschaftsrecht.161 Zur Begründung führt Wiedemann an, dass die Schutzpflichtenlehre durch die Rechtsprechung des BVerfG zur Vertragsfreiheit162 mittlerweile Verfassungsrang erhalten hat.163 An anderer Stelle spricht Wiedemann in Bezug auf Mehrheitsbeschlüsse von „enteignungsgleichen Eingriffen der Mehrheitsgesellschafter“ und bezeichnet sie als „Privatenteignungen“, die nur unter sachlichen Voraussetzungen zulässig seien, die
158 Heidel, in: Heidel, AktG, § 243 Rn. 23 a.E.; Peifer, in: MüKo, AktG, § 186 Rn. 75; Angerer, Schranken gesellschaftsvertraglicher Gestaltungsfreiheit bei Eingriffen in die Privatsphäre, 1993, S. 49 ff; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 53 ff.; Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 91, 693; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (843); Hüffer/Schmidt-Assmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 51 ff.; Kehren, Geschichte und verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern, 2013, passim; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 78; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 141 ff.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 167 Rn. 5; Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1014); Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1392); Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1731 (1737); Gurlit, NZG 2012, 249 (251); Stumpf, NJW 2003, 9 (10); Jung, JZ 2001, 1004 (1016); Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht, 2004, S. 68 ff., 86, 129 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 289; K. Schmidt, in: FS Kropff, 1997, S. 259 (263); Reul, DNotZ 2007, 184 (203). 159 Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 91, 693, der gar von einer weiterreichenden „eingeschränkt unmittelbaren Drittwirkung“ der Grundrechte ausgeht; ders., in: FS Hopt, 2010, 833 (843); ähnlich Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht, 2004, S. 68 ff., 86, 129 ff.; Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1014, 1024); ähnlich auch Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 289; für eine „verfassungsgetragene Rechtsfortbildung“ auch K. Schmidt, in: FS Kropff, 1997, S. 259 (263); Reul, DNotZ 2007, 184 (203), erkennt die Bedeutung der Grundrechte für das Gesellschaftsrecht zwar, spricht sich aber gegen das Grundgesetz als unmittelbare Grundlage für die materielle Beschlusskontrolle aus. 160 Wiedemann, WM 2009, 1 (8). 161 Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1731 (1737). 162 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.02. 1990 – 1 BvR 26/84= NJW 1990, 1469 („Handelsvertreter“); BVerfG, Beschluss vom 19.10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a. = NJW 1994, 36 („Bürgschaft“); BVerfG, Urteil vom 6.2. 2001 – 1 BvR 12/92 = NJW 2001, 957 („Ehevertrag“); BVerfG, Urteil v. 26.07. 2005 – 1 BvR 782/94 u. 1 BvR 957/96 = NJW 2005, 2363 („Lebensversicherung“). 163 Wiedemann, WM 2009, 1 (8).
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dem staatlichen Eingriff in Art. 14 Abs. 3 GG vergleichbar sind.164 In diese Richtung gehend vertrat Zöllner in einem Beitrag zum Bezugsrechtsausschluss die Ansicht, dass die privatrechtliche Natur des Hauptversammlungsbeschlusses der Aktionärsmehrheit keinen Freibrief gebe und der Schutz des Art. 14 GG den überstimmten Aktionären mittelbar dadurch zugutekomme, dass der Eingriff wegen seiner partiell eigentumsentziehenden Wirkung nur zulässig sei, wenn er aus schutzwürdigen Gründen erforderlich und verhältnismäßig ist.165 2. Die Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes Überträgt man die grundrechtliche Schutzpflichtenkonzeption auf das Gesellschaftsrecht, insbesondere auf den Mehrheits-Minderheits-Konflikt bei einer Kapitalgesellschaft, so muss der Staat die widerstreitenden Interessen der Gesellschafter in angemessenen Ausgleich bringen.166 Dabei stehen sich die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter gleichrangig gegenüber.167 Adressat der grundrechtlichen Schutzpflicht ist zunächst der Gesetzgeber. Er hat einen ausreichenden Schutz der betroffenen Positionen durch einfachgesetzliche Regelungen sicherzustellen. Ist das Minimum an Grundrechtsschutz im Innenverhältnis der Gesellschafter nicht durch gesetzliche Regelungen gewährleistet, muss das Gericht rechtsfortbildend tätig werden und durch unmittelbare Anwendung von Verfassungsrecht, insbesondere von Art. 14 GG, ein ausreichendes Mindestmaß an Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung sicherstellen.168 Dies gilt unabhängig davon, ob eine Generalklausel existiert oder eine Schutzlücke vorliegt, weil der Gesetzgeber – bewusst oder unbewusst – gar keine Regelung erlassen hat.169 Das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Schutz wird im Wege einer materiellen Beschlusskontrolle hergestellt.170 Die inhaltliche Kontrolle der Mehrheitsent164
Wiedemann, in: FS Goette, 2011, S. 617 (620). Zöllner, AG 2002, 585 (592); in Bezug auf den Squeeze-out ähnlich auch Vetter, DB 2001, 743 (746). 166 Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1021); Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1392); Jung, JZ 2001, 1004 (1014); Stumpf, NJW 2003, 9 (9). 167 Hüffer/Schmidt-Assmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 54; Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 15; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1383). 168 So auch: Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 167 Rn. 5; Gurlit, NZG 2012, 249 (251); Stern, in: FS Wiedemann, 2002, S. 133 (148); Jung, JZ 2001, 1004 (1006). 169 Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 90; Leuschner, Verkehrsinteresse und Verfassungsrecht, 2005, S. 86; Schnorbus, Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001, S. 144; Jung, JZ 2001, 1004 (1006). 170 So in Bezug auf die Inhaltskontrolle beim Vertrag: Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333 (335). 165
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scheidung ist folglich der Ausgleich der grundrechtlich geschützten Positionen der Gesellschafter durch den Richter im Wege praktischer Konkordanz.171 3. Die Eignung des Gesellschaftsrechts für eine Anwendung der grundrechtlichen Schutzpflichtenlehre im Allgemeinen Die Entfaltung der grundrechtlichen Schutzpflichten setzt voraus, dass eine Schutzlücke besteht. Gerade im Gesellschaftsrecht ist die Lückenhaftigkeit der Regulierung besonders hoch. Das Gesellschaftsrecht ist ein Rechtsgebiet, das im Vergleich zu anderen privatrechtlichen Materien eine geringe Regelungsdichte aufweist.172 Dies gilt für das GmbH-Recht, aber auch für das Aktien- und Umwandlungsrecht. Obwohl das Aktienrecht umfassender durchnormiert ist als das Recht der GmbH und vom Grundsatz der Satzungsstrenge gem. § 23 Abs. 5 AktG geprägt ist, weist es im Vergleich zu anderen privatrechtlichen Materien dennoch eine relativ hohe Gestaltungsfreiheit der Parteien auf.173 Dasselbe gilt für das UmwG. Dort gilt der umwandlungsrechtliche numerus clausus gem. § 1 Abs. 2 UmwG und das Gebot des zwingenden Charakters der umwandlungsrechtlichen Vorschriften gem. § 1 Abs. 3 UmwG. Aber auch das UmwG lässt Raum zur parteiautonomen Gestaltung, wie etwa beim Inhalt des Verschmelzungsvertrags oder des Spaltungsplans.174 Der Grund für eine relativ geringe Regelungsdichte im Gesellschaftsrecht ist, dass im Gesellschaftsrecht ein hohes Maß an Privatautonomie gewährleistet werden muss. Privatautonomie ist unerlässlich zur Erhaltung der Flexibilität der Unternehmen im Wirtschaftsleben175 und unverzichtbare Funktionsvoraussetzung für die Marktwirtschaft176. Mit der Gewährung größtmöglicher Privatautonomie geht eine sehr niedrige Regelungsdichte einher. Hinzu kommt, dass die Legislative sich gerade im Gesellschaftsrecht bei der Normierung von Regelungsbereichen oftmals bewusst zurückhält, um zunächst der Rechtsprechung die Entwicklung von Rechtsregeln praeter legem zu überlassen.177 Die Zurückhaltung des Gesetzgebers im Gesellschaftsrecht ist ein wesentlicher Grund dafür, dass viele Regelungslücken existieren, 171 Die Beschlusskontrolle als Eingriffskompensation unter Privaten anerkennend: Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1025). 172 Hofmann, Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 99; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 189 (204); Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59 (59). 173 So Hirte, in: ZGR-Sonderheft 13, 1998, S. 61 (69 f.). 174 Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, § 1 Rn. 53; K. Schmidt, GesR, S. 361. 175 Hommelhoff, in: ZGR-Sonderheft 13, 1998, S. 36 (45 f.). 176 Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85 (100). 177 Ulmer, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht 1971 – 1985, 1986, S. 42; als Beispiel kann hier die Kodifizierung der lange zuvor durch die Rechtsprechung herausgearbeitete Business Judgment Rule angeführt werden, vgl. Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 2010, S. 121 f.
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die durch die Rechtsprechung gefüllt werden müssen.178 Zum anderen ist es aus Sicht des Gesetzgebers aufgrund der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse gar nicht möglich, alle erdenklichen Konfliktsituationen, die im Laufe der Zeit in einer Gesellschaft entstehen können, vorauszusehen und gesetzlich zu regeln.179 Das kann aber auch nicht das Ziel des Gesetzgebers sein, da – wie bereits erwähnt – ein zu dicht geregeltes Gesellschaftsrecht die Inflexibilität der Unternehmen und einen Nachteil im Wettbewerb der Rechtsordnungen zur Folge hätte. 4. Der Konflikt unter den Gesellschaftern als Anwendungsfeld der grundrechtlichen Schutzpflichtenlehre im Besonderen Die grundrechtlichen Schutzpflichten entfalten ihre Wirkung vor allem dann, wenn der Gesetzgeber einen Bereich ungeregelt lässt.180 Eine größtmögliche Gestaltungsfreiheit räumt der Gesetzgeber den Parteien im Innenverhältnis einer Gesellschaft durch das Mehrheitsprinzip ein.181 Im UmwG gilt das Mehrheitsprinzip für Umwandlungen von Kapitalgesellschaften.182 Der Gesetzgeber lässt die Privatautonomie in diesem Bereich bewusst ungeregelt. Dadurch erhalten die Gesellschafter eine eigene Reglungsbefugnis hinsichtlich der Änderung der Gesellschaftsstruktur.183 Die Gestaltungsfreiheit ist im Rahmen von Mehrheitsentscheidungen nur für wenige Ausnahmefälle gesetzlich beschränkt. Hierzu gehören die wenigen Fälle der materiellen Fehlerhaftigkeit des Umwandlungsbeschlusses wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung gem. § 243 Abs. 1 AktG. Materiell fehlerhaft ist ein Umwandlungsbeschluss nach dem UmwG etwa bei der Verletzung der Kontinuität der Mitgliedschaft, wenn die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gar nicht oder wertmäßig nicht in äquivalenter Weise am übernehmenden Rechtsträger beteiligt werden.184 Ferner liegt ein materieller Fehler des Umwandlungsbeschlusses bei der Erlangung von Sondervorteilen gem. § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG und der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 53a AktG vor.185
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Zöllner, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 85 (94). Stumpf, NJW 2003, 9 (10); Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59 (59). 180 Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333 (340 f.). 181 So für die GmbH: Zöllner, in: Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 85 (96). 182 Siehe oben § 2 C. 183 So in Bezug auf den Beschluss über einen aktienrechtlichen Squeeze-out: Grunewald, in: MüKo, AktG, Vor § 327a Rn. 6. 184 Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 7. 185 Sowohl § 243 Abs. 1 Satz 1 AktG als auch § 53a AktG sind entsprechend auf die GmbH anwendbar, vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 31; Merkt, in: MüKo, GmbHG, § 13 Rn. 145. 179
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Darüber hinaus enthält das Gesetz nur wenige Regelungen, die die konkrete Ausübung der Mehrheitsmacht in der Sache regeln oder begrenzen.186 Gesetzliche Anfechtungsgründe bestehen überwiegend aufgrund formeller Fehler des Umwandlungsbeschlusses. Dazu zählen Verstöße gegen Vorschriften, die das Beschlussverfahren sowie die Durchführung der Anteilseignerversammlung betreffen.187 Solche Vorschriften schränken nicht die Gestaltungsfreiheit ein, sondern stellen die ausreichende Information der Gesellschafter im Vorfeld der Beschlussfassung sowie deren Beteiligung an der Anteilseignerversammlung sicher und garantieren eine möglichst umfassende Entscheidungsgrundlage für die Willensbildung der Gesellschafter. Der ungeregelte Bereich der Privatautonomie bei der Fassung von Umwandlungsbeschlüssen ist folglich ein typisches Einfallstor für grundrechtliche Schutzpflichten. Hier greift das grundrechtliche Schutzpflichtenkonzept: Das Zivilgericht hat im Einzelfall im Wege der Anwendung von Art. 14 GG einen Minimalschutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition sicherzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. IV. Die Anwendung von Art. 14 GG durch das BVerfG bei der Überprüfung von Maßnahmen der Aktionärsmehrheit Das BVerfG hat erstmals im „Lüth“-Urteil aus dem Jahre 1958 den Grundrechten über ihre abwehrrechtliche Funktion hinaus auch einen objektiven Wertgehalt zugesprochen, der sich auf alle Bereiche des Rechts auswirkt.188 Die Rechtsprechung des BVerfG zur objektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte im Privatrecht wurde seitdem in zahlreichen Entscheidungen bestätigt.189 Das BVerfG hat insbesondere in einigen Entscheidungen zum Gesellschaftsrecht gezeigt, dass es von der Geltung des Art. 14 GG im Verhältnis von Minderheits- zu Mehrheitsgesellschaftern ausgeht. Es unterscheidet in seiner Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht nicht stringent zwischen jenen Eingriffen in die mitgliedschaftliche Rechtsposition, die durch eine gesellschaftsrechtliche Regelung erfolgen und solchen Eingriffen, die durch einen gesetzlich legitimierten Mehrheitsbeschluss erfolgen.
186 Zu weiteren Beispielen materieller Fehlerhaftigkeit des Umwandlungsbeschlusses wegen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften, vgl. oben § 4 B. 187 Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 6. 188 BVerfG, Urteil v. 15.1. 1958 – 1 BvR 400/57 = NJW 1958, 257 (257 f.) („Lüth“). 189 BVerfG, Urteil v. 25.02. 1975 – 1 BvF 1,2,3,4,5,6/74 = BVerfGE 39, 1 („Schwangerschaftsabbruch“); BVerfG, Beschluss vom 07.02. 1990 – 1 BvR 26/84= NJW 1990, 1469 („Handelsvertreter“); BVerfG, Beschluss vom 19.10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a. = NJW 1994, 36 („Bürgschaft“); BVerfG, Urteil vom 6.2. 2001 – 1 BvR 12/92 = NJW 2001, 957 („Ehevertrag“); BVerfG, Urteil v. 26.07. 2005 – 1 BvR 782/94 u. 1 BvR 957/96 = NJW 2005, 2363 („Lebensversicherung“).
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Das BVerfG geht vielmehr davon aus, dass die einfachen Gerichte von Verfassungs wegen die Vereinbarkeit einzelner Maßnahmen der Gesellschaftermehrheit mit Art. 14 GG zu prüfen haben und nimmt regelmäßig eine Abwägung der Interessen der Minderheitsgesellschafter mit den Interessen der Mehrheitsgesellschafter im Einzelfall vor. Bei der Abwägung der Interessen der Mehrheit mit den Interessen der Minderheit ist die Beteiligungsquote der überstimmten Minderheitsgesellschafter ein wesentliches Kriterium.190 Das BVerfG hat im „Moto-Meter“-Beschluss festgestellt, aus Art. 14 Abs. 1 GG folge, dass Minderheitsaktionäre gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht geschützt werden müssen.191 Damit bringt das BVerfG klar zum Ausdruck, dass Art. 14 Abs. 1 GG die Grundlage für eine Rechtsmissbrauchskontrolle ist. Zwar hat es im selben Zusammenhang auch erwähnt, dass es durch Art. 14 Abs. 1 GG zwar erlaubt, aber nicht geboten ist, Hauptversammlungsbeschlüsse dem Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung zu unterwerfen.192 Damit stellte das BVerfG aber lediglich auf den Umfang bzw. die Kontrollintensität der Inhaltskontrolle ab, ohne Art. 14 Abs. 1 GG als Grundlage für die materielle Beschlusskontrolle in Frage zu stellen.193 2011 hat das BVerfG in einem obiter dictum in der „Fraport“Entscheidung festgestellt, dass die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates nahe- oder auch gleichkommen könne und hat sich damit deutlich für eine horizontale Wirkung der Grundrechte ausgesprochen.194 In der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG zum Aktienrecht wird diese Linie konsequent weiterverfolgt. Das BVerfG zieht Art. 14 GG zur Beurteilung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen unmittelbar heran. So hat das BVerfG in Bezug auf die Veräußerung von Unternehmensteilen in einer Entscheidung aus 2011 ausgeführt, dass es „von Verfassungs wegen im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG nicht geboten [ist], zum Schutz von Minderheitsaktionären einfachrechtlich eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz […] stets schon dann anzunehmen, wenn ein Unternehmensteil veräußert wird.“195 Das BVerfG hat folglich zur Beantwortung der Frage nach einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit bei der Veräußerung von Unternehmensteilen unmittelbar auf Art. 14 GG zurückgegriffen, obwohl es sich um die Kompetenz-
190 So etwa BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119). 191 BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1120). 192 BVerfG, a.a.O. (Fn. 503); kritisch dazu Fleischer, DNotZ 2000, 876 (878). 193 Ähnlich auch Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1252); zum Kontrollmaßstab der Inhaltskontrolle siehe unten § 9. 194 BVerfG, Urteil v. 22.02. 2011 – BvR 699/06 = NJW 2011, 1201 (1203, Rn. 59) („Fraport“); zustimmend: Masing, NJW 2012, 2305 (2308). 195 BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380).
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verteilung der Organe der Gesellschaft und somit um ein aus verfassungsdogmatischer Sicht horizontales Rechtsverhältnis unter Privatpersonen handelt. So verfuhr auch der BGH in der „Macrotron“-Entscheidung aus dem Jahre 2002. Gegenstand der Entscheidung war die Frage nach der Hauptversammlungszuständigkeit für den Börsenrückzug einer Gesellschaft. Der BGH leitete die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung für das reguläre „Delisting“196 unmittelbar aus Art. 14 GG her, obwohl es sich um das Innenverhältnis der Gesellschaft und damit um ein privatrechtliches Verhältnis handelt.197 Der BGH betonte insbesondere, dass der Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären zu beachten ist.198 Der Begründung des BGH wurde im Schrifttum überwiegend zugestimmt, gleichwohl blieb sie nicht ohne Kritik.199 Zum Delisting hat 2012 auch das BVerfG festgestellt, dass der Widerruf der Börsenzulassung auf Antrag der Gesellschaft nicht den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG berührt und der Aktionär den Rückzug von der Börse daher als geschäftspolitische Maßnahme des Unternehmens und seiner Organe hinnehmen müsse.200 Damit entzog das BVerfG der Begründung des BGH aus der „Macrotron“-Entscheidung zwar ihre Grundlage. Der Begründung des BGH für eine Hauptversammlungszuständigkeit für das Delisting wurde die Grundlage vom BVerfG aber nicht deshalb entzogen, weil Art. 14 Abs. 1 GG keine Wirkung im Verhältnis der Gesellschafter entfaltet, sondern nur deshalb, weil der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG bei einem Delisting nicht eröffnet ist.201 Die Heranziehung von Art. 14 Abs. 1 GG durch den BGH wurde vom BVerfG weder thematisiert noch beanstandet.
196 Der Begriff des regulären oder echten „Delisting“ bezeichnet den Rückzug der Gesellschaft von den regulierten Märkten aller deutschen Börsen durch Widerruf der Börsenzulassung auf Antrag der Gesellschaft, vgl. Hüffer, AktG, § 119 Rn. 21. 197 BGH, Urteil v. 25.11. 2002 – II ZR 133/01 („Macrotron“) = NZG 2003, 280 (282 f.). 198 BGH, Urteil v. 25.11. 2002 – II ZR 133/01 („Macrotron“) = NZG 2003, 280 (282). 199 Zustimmend: Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 39 BörsG Rn. 3; Kubis, in: MüKo, AktG, § 119 Rn. 88; Heidel/Lochner, AG 2012, 169 (170 f.); Schwark/Geiser, ZHR 1997, 739, (761 ff.); Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807 (813); wohl auch K. Schmidt, NZG 2003, 601 (603); kritisch: Bürgers, NJW 2003, 1642 (1643); ablehnend: Hüffer, AktG, § 119 Rn. 24; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 119 Rn. 50; Benecke, WM 2004, 1122 (1123). 200 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (829). 201 So auch Bürgers, NJW 2003, 1642 (1643).
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
E. Kritik an der Anwendung von Verfassungsrecht bei der Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen I. Abschließende Interessenabwägung durch den Gesetzgeber bei Regelungen über Umwandlungsmaßnahmen? Wie bereits gezeigt wurde202, steht der gesetzgeberische Wille einer Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses auf Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG nicht entgegen. Damit wird zugleich ein weiteres Argument entkräftet, das häufig gegen eine Inhaltskontrolle von Umwandlungsbeschlüssen vorgebracht wird. Es wird argumentiert, dass der Gesetzgeber mit der Legitimation der Umwandlungsmaßnahmen und der Etablierung des Mehrheitsprinzips bereits eine eigene und abschließende Interessenabwägung getroffen habe.203 Der BGH hat ebenso argumentiert, als er eine sachliche Rechtfertigungspflicht für den Auflösungsbeschluss sowie für den Beschluss über den aktienrechtlichen Squeeze-out abgelehnt hat und annahm, diese Beschlüsse trügen die Rechtfertigung in sich.204 Diese Argumentation kann aber nicht auf Umwandlungsbeschlüsse übertragen werden. Umwandlungsmaßnahmen können nicht mit der Auflösung einer Gesellschaft gleichgesetzt werden.205 Umwandlungsmaßnahmen unterscheiden sich grundlegend von der Auflösung einer Gesellschaft, da die Gesellschaftermehrheit bei der Umwandlung einer Gesellschaft anders als bei ihrer Auflösung keine Deinvestitionsentscheidung trifft.206 Umwandlungen nach dem UmwG können auch nicht mit dem aktienrechtlichen Squeeze-out verglichen werden. Der aktienrechtliche Squeeze-out kann gem. § 327a Abs. 1 AktG nur von einem Hauptaktionär, der mindestens mit 95 % am Grundkapital beteiligt ist und nur zulasten einer Aktionärsminderheit, die mit weniger als 5 % am Grundkapital beteiligt ist, durchgeführt werden. Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG hingegen können auch Gesellschafter benachteiligen, die mit weniger als 25 % am Grundkapital bzw. am Stammkapital beteiligt sind. 202
Vgl. § 6 D. II. 2. Vgl. zu diesem Argument etwa: K. Schmidt, in: GroßKomm-AktG, § 243 Rn. 46; Heidinger, in: Henssler/Strohn, GesR, § 13 UmwG Rn. 27; Semler, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 41 Rn. 35. 204 BGH, Urteil v. 28.01. 1980 – II ZR 124/78 = NJW 1980, 1278 (1278); BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579 (1581); BGH, Urteil v. 18.9. 2006 – II ZR 225/04 = NZG 2006, 905 (905); BGH, Urteil v. 16.3. 2009 – II ZR 302/06 („Wertpapierdarlehen“) = NZG 2009, 585 (587). 205 So auch: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34 Fn. 3; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 551; Binnewies, GmbHR 1997, 727 (731 f.); Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (659); siehe auch unten unter § 9 A. III. 206 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 335 f.; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 551. 203
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Ferner hat der Gesetzgeber die Entscheidung darüber, ob eine materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses durchzuführen ist, in der Gesetzesbegründung zum UmwG1994207 ausdrücklich der Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen und die Frage nach dem Erfordernis der materiellen Beschlusskontrolle nicht negativ beantwortet.208 Weder die Etablierung des Mehrheitsprinzips im Umwandlungsrecht noch die Zulassung bestimmter Umwandlungsmaßnahmen als solche können demnach nicht als abschließende Entscheidungen des Gesetzgebers angesehen werden, die eine Inhaltskontrolle ausschließen. Die entgegengesetzte Auffassung wird zudem nicht konsequent verfolgt. Sowohl die Rechtsprechung als auch die herrschende Literatur erkennen nämlich eine Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen anhand der gesellschafterlichen Treuepflicht zumindest im Grundsatz an und unterwerfen alle Gesellschafterbeschlüsse einer Rechtsmissbrauchskontrolle.209 Unter der Prämisse, der Gesetzgeber habe mit den Regelungen über das Mehrheitsprinzip eine abschließende Interessenabwägung getroffen, dürften Mehrheitsbeschlüsse aber überhaupt keiner inhaltlichen Kontrolle unterliegen, weder in Bezug auf die Einhaltung der gesellschafterlichen Treuepflicht noch hinsichtlich eines Rechtsmissbrauchs. Die Auffassung, wonach der Gesetzgeber mit der Legitimation der Umwandlungsmaßnahmen und der Etablierung des Mehrheitsprinzips bereits eine eigene und abschließende Interessenabwägung getroffen habe, vermengt die reine Inhaltskontrolle von privaten Rechtsgeschäften mit der Ausübungskontrolle210, die stets zulässig ist. Ebenso wie die einfachgesetzlichen Regelungen, die das Mehrheitsprinzip zulassen, als Eingriffsnormen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein müssen211, müssen die Maßnahmen, die aufgrund dieser Regelungen ergehen, einer inhaltlichen Kontrolle standhalten212. Von der Frage nach einer abschließenden Interessenabwägung des Gesetzgebers ist allerdings die Frage zu trennen, ob der Gesetzgeber einen hinreichenden Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition bei Umwandlungsvorgängen auf einfachgesetzlicher Ebene etabliert hat. Wenn das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum durch einfachgesetzliche Regelungen sichergestellt wäre, hätte der Gesetzgeber bereits eine Interessenabwägung in Bezug auf den Umfang des Minder207
Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 61 und S. 216. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 31; Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 331 f.; M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (40); Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (458 f.). 209 Siehe oben unter § 4 C. 210 Wiedemann, WM 2009, 1 (8). 211 Siehe oben unter § 6 C. 1. 212 BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1120). 208
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
heitenschutzes getroffen, die nicht durch einen zusätzlichen Schutz in Form einer materiellen Beschlusskontrolle unterlaufen werden dürfte. In diesem Falle wäre kein Raum für eine Anwendung von Art. 14 Abs. 1 GG, da Art. 14 Abs. 1 GG es nur gebietet, ein notwendiges Schutzminimum zu gewährleisten. Die Entscheidung, ob darüber hinaus ein weitergehender Schutz errichtet werden soll, liegt beim Gesetzgeber, der diesbezüglich eine Einschätzungsprärogative hat. Die Anwendungsvoraussetzungen für die materielle Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen hängen daher maßgeblich von der Frage ab, ob im UmwG ein hinreichendes einfachrechtliches Schutzkonzept zugunsten der Anteilseigner existiert. Die Beantwortung dieser Frage wird unter § 8 und § 11 behandelt.
II. Gefährdung der Privatautonomie der Gesellschafter? 1. Die Privatautonomie als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG Privatautonomie ist das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen.213 Privatautonomie setzt somit Selbstbestimmung voraus.214 Selbstbestimmt ist ein Handeln, wenn es auf einem Konsens beruht, der zwischen gleichberechtigten Parteien bei Vorliegen eines Kräftegleichgewichts zustande gekommen ist.215 Ist ein Handeln fremdbestimmt, ist es nicht mehr von einem Konsens gedeckt, so dass der Schutzbereich der Privatautonomie nicht eröffnet ist.216 Bei fremdbestimmten Handeln besteht somit nicht die Gefahr einer unzulässigen Einschränkung der Privatautonomie durch die Kontrolle der entsprechenden privatrechtlichen Entscheidung. Vielfach wird gegen eine Kontrolle privatrechtlicher Entscheidungen am Maßstab der Grundrechte vorgebracht, dass sie die Privatautonomie der Gesellschafter in unzulässiger Weise einschränkt und ihre fortschreitende Ausweitung die Privatautonomie im Zivilrecht insgesamt gefährdet.217 Diese Bedenken sind zwar im Grundsatz berechtigt, nicht aber hinsichtlich des Mehrheits-Minderheits-Konflikts in einer Gesellschaft. Das Gesellschaftsrecht steht als besonderer Teil des Zivilrechts in der Normenhierarchie nicht etwa neben der Verfassung, sondern unterliegt wie jedes 213
Flume, in: FS DJT, 1960, S. 135 (141); ders., BGB AT, Band 2, 1992, § 1 Rn. 1. BVerfG, Urteil v. 26.07. 2005 – 1 BvR 782/94 u. 1 BvR 957/96 = NJW 2005, 2363 (2365) („Lebensversicherung“); BVerfG, Urteil v. 26.7. 2005 – 1 BvR 80/95 = NJW 2005, 2376 (2377); BVerfG, Urteil vom 6.2. 2001 – 1 BvR 12/92 = NJW 2001, 957 (958) („Ehevertrag“); Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 189 (206); Reul, DNotZ 2007, 184 (201). 215 BVerfG, Urteil vom 6.2. 2001 – 1 BvR 12/92 = NJW 2001, 957 (958) („Ehevertrag“); Immenga, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 189 (206); ähnlich auch Wiedemann, GesR II, 2004, S. 141. 216 Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (834). 217 So bereits Flume, in: FS DJT, 1960, S. 135 (140); Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 59; Reul, DNotZ 2007, 184 (195). 214
§ 6 Beschlusskontrolle als Ausfluss der Schutzpflicht des Art. 14 Abs. 1 GG
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einfache Gesetzesrecht der Bindung an die Verfassung.218 Das ergibt sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Grundrechte gebunden ist. Daher ist das Argument, die Privatautonomie dürfe keinesfalls angetastet werden, unzutreffend. Die Privatautonomie ist kein unantastbares Rechtsgut, das neben der verfassungsmäßigen Rechtsordnung steht. Sie ist im Gegenteil ebenfalls eine grundrechtlich garantierte Position219, die Bestandteil der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit220 ist. Das Recht der Privatautonomie wird folglich nur eingeschränkt, falls gegenüber der Privatautonomie speziellere Grundrechte im Einzelfall eingreifen.221 2. Grenzen der Privatautonomie bei Gesellschafterbeschlüssen Bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Privatautonomie der Gesellschafter müssen zwei Stadien unterschieden werden. Das Gründungsstadium bzw. die Phase des Beitritts zu einer Gesellschaft muss von der darauffolgenden Phase der aktiven Gesellschaft unterschieden werden. In der Gründungs- bzw. Beitrittsphase ist die Entscheidung des Gesellschafters von einem breiten Konsens in dem Sinne getragen, dass sein Handeln in freier Entscheidung nach Abwägung der Vor- und Nachteile und somit selbstbestimmt erfolgt.222 In der Phase der Begründung der Mitgliedschaft ist daher der Schutzbereich der Privatautonomie eröffnet. Anders ist die Situation aber bei Mehrheitsentscheidungen in der aktiven Gesellschaft. Die Gesellschafter einigen sich bei der Gründung bzw. beim Beitritt zu einer Gesellschaft auf allgemeine Grundlagen des künftigen Zusammenwirkens. Sie legen nicht jede konkrete künftige Entscheidung fest, sondern geben eine grobe Richtung für die Gesellschaft vor. Der Gesellschaftsvertrag ist somit ein stets unvollständiger Vertrag, bei dem die Risiken für die Gesellschafterstellung nicht voraussehbar sind.223 Darin liegt gerade das dem Gesellschaftsvertrag immanente Risiko. Es besteht die Gefahr des Verlusts der Selbstbestimmung der Minderheitsgesellschafter, da die 218
Bethge, in: FS Stern, 2012, S. 295 (297 f., 299); Röthel, JuS 2001, 424 (424). Badura, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S. 333 (340). 220 BVerfG, Beschluss vom 19.10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a. = NJW 1994, 36 („Bürgschaft“); BVerfG, Urteil v. 08.04. 1997 – 1 BvR 48/94 = NJW 1997, 1975 (1976); BVerfG, Urteil v. 26.07. 2005 – 1 BvR 782/94 u. 1 BvR 957/96 = NJW 2005, 2363 (2365) („Lebensversicherung“); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2001, Art. 2 Rn. 19; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 136; Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht, 2004, S. 21; Flume, in: FS DJT, 1960, S. 135 (140). 221 BVerfG, Beschl. v. 10.1. 2000 – 1 BvR 1398/99 = NJW 2000, 1480 (1481); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2001, Art. 2 Rn. 21. 222 Reul, DNotZ 2007, 184 (201); Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1376 f.). 223 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2005, S. 639. 219
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Mehrheit die Minderheit dominiert, weshalb es zu einer Fremdbestimmung kommen kann.224 Zu den Grundlagen des künftigen Zusammenwirkens in einer Kapitalgesellschaft gehört zwar auch das Mehrheitsprinzip, dem sich der einzelne Gesellschafter willentlich unterwirft. Die Unterwerfung unter den Mehrheitswillen ist aber keine uneingeschränkte Unterwerfung unter die Mehrheitsherrschaft im Sinne eines absoluten Verzichts des einzelnen Gesellschafters auf seine mitgliedschaftlichen und verfassungsmäßigen Rechte.225 Der Gesellschafter erklärt sich nur bereit, den Mehrheitswillen zu akzeptieren, um dadurch die Erreichung des gemeinsamen Zwecks zu fördern bzw. nicht zu beeinträchtigen. Er vertraut damit zugleich darauf, dass die Mehrheit ihre Macht nicht in unzulässiger Weise zuungunsten seiner Rechtsstellung ausüben wird.226 Der Schutzbereich der Privatautonomie reicht nur soweit, wie der Konsens der Gesellschafter reicht. Der Konsens der Gesellschafter besteht aus dem Inhalt, auf den sich die Gesellschafter in Bezug auf ihr zukünftiges Zusammenwirken in der Gesellschaft einigen. Der Inhalt dieses Konsenses ist im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Durch die Festlegung des Inhalts des Gesellschaftsvertrags üben die Gesellschafter zum einen ihre Privatautonomie aus. Zum anderen begrenzen die Gesellschafter aber mit dem festgelegten Inhalt des Gesellschaftsvertrags die Privatautonomie für zukünftige Entscheidungen der Gesellschaftermehrheit. Der Schutzbereich der Privatautonomie ist in Bezug auf zukünftige Entscheidungen der Gesellschaftermehrheit demnach begrenzt durch den Inhalt des Gesellschaftsvertrags und somit insbesondere durch den darin festgelegten Gesellschaftszweck.227 Die Privatautonomie des Gesellschafters ist in der aktiven Gesellschaft ist daher durch den Inhalt des Gesellschaftsvertrags begrenzt, insbesondere durch den vereinbarten Gesellschaftszweck, da der Konsens der Gesellschafter bei Gründung bzw. Beitritt zur Gesellschaft aus dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Inhalt besteht. 3. Ergebnis: Zulässige Einschränkung der Privatautonomie durch Inhaltskontrolle auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG Jeder Gesellschafter kann sich ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur Mehrheit oder Minderheit auf die Privatautonomie nur berufen, wenn es um Entscheidungen geht, die sich innerhalb des im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Bereichs bewegen. In Bezug auf Entscheidungen, die über das Vereinbarte hinausgehen, ist der Schutzbereich der Privatautonomie nicht eröffnet. Der Inhalt des Gesellschaftsvertrags bildet somit die Grenze der Privatautonomie. 224
Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (836); Reul, DNotZ 2007, 184 (202); Wiedemann, WM 2009, 1 (5). 225 So auch Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (837); Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1385); Stumpf, NJW 2003, 9 (10 f.). 226 Siehe auch oben unter § 3 D. 227 Boese, Anwendungsgrenzen sachlicher Rechtfertigung, 2004, S. 102.
§ 7 Voraussetzungen („Ob“) der materiellen Kontrolle von Art. 14 Abs. 1 GG
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Der Schutzbereich des Anteilseigentums gem. Art. 14 Abs. 1 GG ist ebenfalls durch die Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag determiniert.228 Der Umfang des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 GG ist durch den Gesellschaftsvertrag in der Weise bestimmt, dass die Mitgliedschaft, so wie sie durch den konkreten Gesellschaftsvertrag ausgestaltet ist, geschützt wird. Der Gesellschaftsvertrag definiert demnach den Schutzbereich der konkreten Mitgliedschaft und bildet zugleich die Grenze der Privatautonomie. Eine dem Gesellschaftsvertrag widersprechende Mehrheitsentscheidung bedeutet für die Minderheit demnach ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG, der nicht von der Privatautonomie der Mehrheit gedeckt ist. Daraus folgt, dass es nicht zu einer Aushöhlung bzw. zu einer unzulässigen Einschränkung der Privatautonomie durch die Anwendung von Art. 14 GG kommen kann.
§ 7 Voraussetzungen („Ob“) der materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG A. Eingriff in das Anteilseigentum durch eine geplante Umwandlungsmaßnahme Grundlegende Voraussetzung für die Inhaltskontrolle eines Mehrheitsbeschlusses ist, dass ein Eingriff in den Schutzbereich des von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Anteilseigentums erfolgt. Schutzmechanismen sind nur erforderlich, wenn durch bestimmte Maßnahmen geschützte Rechtspositionen beeinträchtigt werden. Ist ein Gesellschafterbeschluss neutral in dem Sinne, dass er die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte mitgliedschaftliche Rechtsposition nicht beeinträchtigt, scheidet eine gerichtliche Überprüfung dieses Beschlusses aus. In der Regel führen strukturändernde Maßnahmen einer Gesellschaft, wozu insbesondere Umwandlungsbeschlüsse gehören, zu einem Eingriff229 in das verfassungsrechtlich geschützte Anteilseigentum der Minderheitsgesellschafter, da Umwandlungen die Mitgliedschaft insgesamt verändern.230
228
Zum Schutzbereich des Anteilseigentums siehe oben unter § 6 B. So auch die h.M., die deshalb im Grundsatz eine sachliche Rechtfertigungskontrolle bei strukturändernden Maßnahmen befürwortet, vgl. nur Hüffer, AktG, § 243 Rn. 24. 230 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, S. 599 Rn. 33. 229
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
B. Einfachgesetzliches Schutzdefizit bei einer geplanten Umwandlungsmaßnahme Die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte entfaltet ihre Wirkung auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander in Form von Schutzpflichten, die eine Inhaltskontrolle des Mehrheitsbeschlusses im Einzelfall veranlassen können.231 Voraussetzung für eine materielle Beschlusskontrolle durch das Gericht in Erfüllung der aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Schutzpflicht ist, dass im Einzelfall ein Schutzdefizit in Bezug auf die mitgliedschaftliche Rechtsposition der Minderheitsgesellschafter besteht. Ist der durch Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Mindestschutz bei einer konkreten Mehrheitsentscheidung nicht durch einfachgesetzliche Regelungen sichergestellt, ist der Mehrheitsbeschluss einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen. Auf diesem Wege wird das aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte resultierende Untermaßverbot verwirklicht, aus dem folgt, dass ein hinreichender Minimalschutz der geschützten Rechtsposition verfassungsrechtlich sichergestellt sein muss.232 Gewährleistet der Gesetzgeber bereits ein ausreichendes Schutzminimum durch entsprechende einfachrechtliche Vorschriften, besteht kein Bedürfnis für einen zusätzlichen Schutz des Anteilseigentums durch einen Ausgleich der kollidierenden Positionen anhand von Art. 14 Abs. 1 GG. Auch darf die Rechtsprechung in diesem Fall keinen weiterreichenden Schutz gewähren, da sie sich sonst über die gesetzgeberische Entscheidung hinwegsetzen würde.233 Der Gesetzgeber muss lediglich ein Schutzminimum sicherstellen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die Reichweite des Schutzes bei der konkreten Mehrheitsentscheidung. Gewährt der Gesetzgeber keinen über das verfassungsrechtliche Minimum hinausgehenden Schutz, trifft er damit eine negative Entscheidung in Bezug auf einen weiterreichenden Schutzstandard, die gemäß dem Grundsatz der Gewaltenteilung ebenso respektiert werden muss. Bleibt der einfachgesetzliche Schutzumfang hinter diesem verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimum zurück, ist das gebotene Mindestmaß an Schutz durch das Gericht im Wege einer Inhaltskontrolle des Beschlusses wieder herzustellen. Im Ergebnis läuft dies auf eine einzelfallbezogene materielle Beschlusskontrolle hinaus.234 231
Siehe oben unter § 6 D. BVerfG, Urteil v. 28.05. 1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751 (1754); Canaris, JuS 1989, 161 (163); Gurlit, NZG 2012, 249 (251); Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, 2011, S. 172 Rn. 23; vgl. auch oben unter § 6 D. I. 1. 233 Siehe § 6 II. 234 Im Ergebnis für eine einzelfallbezogene materielle Beschlusskontrolle: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 33; Binnewies, GmbHR 1997, 727 (732 f.); allg. in Bezug auf sämtliche Beschlussgegenstände auch Hüffer, AktG, § 243 Rn. 27. 232
§ 8 Von Art. 14 Abs. 1 GG gebotener Minimalschutz des Anteilseigentums
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§ 8 Der von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Minimalschutz des Anteilseigentums Wie gezeigt wurde, resultiert aus den grundrechtlichen Schutzpflichten das verfassungsrechtliche Untermaßverbot. Aus dem Untermaßverbot folgt, dass stets ein Minimum an wirksamen Schutz sichergestellt sein muss.235 Deshalb ist zu bestimmen, wo das Schutzminimum bei dem von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Anteilseigentum anzusiedeln ist.
A. Die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 GG im Gesellschaftsrecht I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für legislative Eingriffe als verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an Schutz Das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Schutz lässt sich nicht allgemein bestimmen, sondern muss für das jeweilige Grundrecht und die jeweilige Gefährdungslage entwickelt werden.236 Das BVerfG hat in Bezug auf das Untermaßverbot festgestellt, dass die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung Mindestanforderungen entsprechen muss. Die Mindestschutzerfordernisse hingen dabei maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter.237 Es müsse jedenfalls ein – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessener und wirksamer Schutz gewährleistet sein.238 Den Ausgangspunkt zur Bestimmung des durch ein Grundrecht gebotenen Minimalschutzes bildet der Schutzbereich des einschlägigen Grundrechts. Der Schutzbereich eines Grundrechts legt fest, ob und in welchem Umfang bestimmte Positionen geschützt sind. Der Schutzbereich definiert die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes. Der durch das Untermaßverbot angezeigte Mindestschutz kann deshalb nicht weiter gehen, als der Schutzbereich selbst und ist daher durch den Schutzbereich eines Grundrechts begrenzt. Der verfassungsrechtlich gebotene Minimalschutz kann im Einzelfall mit dem Schutzbereich eines Grundrechts übereinstimmen. In der Regel bleibt der gebotene 235 BVerfG, Urteil v. 28.05. 1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751 (1754); Klein, JuS 2006, 960 (961). 236 Dieterich, in: ErfK, Einl. zum GG, Rn. 38. 237 BVerfG, Urteil v. 28.05. 1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751 (1756). 238 BVerfG, Urteil v. 28.05. 1993 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751 (1754 f.); Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 76.
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Mindestschutz aber hinter dem Schutzbereich zurück und beschränkt sich nur auf einen unentziehbaren Kern des Schutzbereichs. Dieser Schluss ergibt sich aus einem Vergleich mit dem in der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik entwickelten Übermaßverbot239. Das Übermaßverbot folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und zieht staatlichen Eingriffen eine Grenze, indem es übermäßige und nicht gerechtfertigte Eingriffe in ein Grundrecht verbietet.240 Grundrechtseingriffe des Staates bedürfen folglich der verfassungsmäßigen Rechtfertigung, zu der auch der Nachweis der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gehört.241 Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass Grundrechte nicht absolut gelten können und Beschränkungen zum Schutz anderer Rechtsgüter zugänglich sein müssen, diese Beschränkungen aber auf der anderen Seite den grundrechtlichen Schutz nicht konterkarieren dürfen.242 Staatliche Eingriffe in den Schutzbereich eines Grundrechts sind somit im Einzelfall zulässig, wenn sie gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig sind. Bestimmte Eingriffe in den Schutzbereich eines Grundrechts lassen sich aber nicht rechtfertigen, weil sie den Schutzbereich so stark einschränken, dass von diesem kaum mehr etwas übrig bleibt.243 Jedes Grundrecht gewährt daher einen Mindestschutzbereich, in den nicht eingegriffen werden darf. Eingriffe in den Mindestschutzbereich wären keinesfalls verhältnismäßig im Sinne des Übermaßverbots. Der Mindestschutzbereich definiert zugleich den aus dem Untermaßverbot resultierenden Mindestschutz. Wenn demnach Mindestanforderungen an die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Eingriffs in Bezug auf ein bestimmtes Grundrecht existieren, bestimmen diese Mindestanforderungen zugleich den Inhalt des aus dem Untermaßverbot resultierenden Minimalschutzes für das betreffende Grundrecht.244 Das BVerfG legt folglich den verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandard fest245, wenn es Voraussetzungen für die Zulässigkeit staatlicher Eingriffe in ein bestimmtes Grundrecht im Rahmen einer Übermaßkontrolle aufstellt. Untermaß- und Übermaßverbot stehen daher in Bezug auf dasselbe Grundrecht derart in Korrelation zueinander, dass die durch das Übermaßverbot bestimmte Grenze zugleich den durch das Untermaßverbot gebo239 Zum Übermaßverbot vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 145 ff.; Stern, Staatsrecht, Band III/2, 1994, § 84. 240 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 145 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 308. 241 Dieterich, in: ErfK, Einl. zum GG, Rn. 27; Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013, Art. 20 Rn. 177. 242 Huster/Rux, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013, Art. 20 Rn. 176. 243 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 167 Rn. 5, spricht diesbezüglich von einer „so intensiven Bedrohung eines Grundrechts, dass dieses nahezu funktionslos wird“. 244 Hager, JZ 1994, 373 (381); weitere Nachweise bei Klein, JuS 2006, 960 (963). 245 So auch Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 88; ähnlich auch Schön, in: FS Ulmer, 2003, S 1359 (1383).
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tenen Mindestschutzbereich festlegt. Untermaßverbot und Übermaßverbot sind deshalb im Prinzip kongruent und unterscheiden sich allein in der Perspektive, aus der ein Eingriff betrachtet wird.246 Das zulässige Höchstmaß für einen Eingriff aus Sicht des Eingreifenden ist das Schutzminimum aus Sicht des Beeinträchtigten. II. Die Trias der Zulässigkeitsvoraussetzungen des BVerfG für Eingriffe in Art 14 Abs. 1 GG: legitime Zweckverfolgung, voller Vermögensausgleich, effektiver Rechtsschutz Beim Mehrheits-Minderheits-Konflikt in der Kapitalgesellschaft stehen sich in erster Linie die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten mitgliedschaftlichen Anteilsrechte der Gesellschafter gleichrangig gegenüber.247 Die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 Abs. 1 GG im Gesellschaftsrecht kann daher zur Bestimmung des aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Schutzminimums herangezogen werden. Das BVerfG hat bestimmte Voraussetzungen entwickelt, die an verhältnismäßige Eingriffe in das Anteilseigentum durch ein Gesetz zu stellen sind. Richtungsweisend ist hierfür die „Feldmühle“-Entscheidung248. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung erstmals bestimmte Anforderungen an die verfassungsmäßige Rechtfertigung von gesellschaftsrechtlichen Normen mit Eingriffscharakter in Bezug auf Art. 14 GG aufgestellt. So sind nach der seither ständigen Rechtsprechung des BVerfG Regelungen, die der Gesellschaftermehrheit einen Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsgesellschafter erlauben, mit Art. 14 GG vereinbar, wenn der Gesetzgeber mit den Regelungen erstens einen legitimen Zweck verfolgt, zweitens die betroffenen Gesellschafter wirtschaftlich voll entschädigt werden und drittens ein effektiver Rechtsschutz zur Durchsetzung der aus dem Mitgliedschaftsrecht resultierenden Gesellschafterinteressen gewährleistet ist.249 Legislative Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sind im Allgemeinen nur bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen zulässig. Die vom BVerfG aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen konstatieren die Mindestanfor246
So die zutreffende Beschreibung von Klein, JuS 2006, 960 (962 a.E.); für die Kongruenzthese: Szczekalla, Die sogenannten Grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2002, S. 437; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, 1996, S. 85 f.; a.A. Calliess, in: FS Starck, 2007, S. 201 (217 f.), der von einem Spielraum zwischen Unter- und Übermaßverbot ausgeht. 247 Hüffer/Schmidt-Assmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005, S. 54; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1383). 248 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.) („Feldmühle“). 249 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589); BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (909) („DeutscheHypothekenbank“).
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derungen, die an einen verhältnismäßigen Eingriff in das Anteilseigentum zu stellen sind. Weitergehende Eingriffe, die nicht diese Voraussetzungen erfüllen, sind unzulässig. Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen definieren somit einen unantastbaren Bereich des Anteilseigentumsrechts. Dieser Bereich legt den Mindestschutzbereich des Anteilseigentumsrechts fest. Mithilfe der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen lässt sich demnach das aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutzminimum bestimmen, das bei einem Eingriff durch einen Mehrheitsbeschluss gewährleistet sein muss.
B. Schlussfolgerungen für die Reichweite des Minimalschutzes bei Umwandlungsmaßnahmen I. Vereinbarkeit der Umwandlungsmaßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse 1. Das Gesellschaftsinteresse als objektive Größe zur Bestimmung der auf den Gesellschaftszweck bezogenen Gesellschafterinteressen Zu klären ist zunächst, was das Gesellschaftsinteresse ist. Ein eigenständiges Interesse der juristischen Person existiert nicht, da weder die Gesellschaft noch der Verband als solcher ein eigenes Interesse haben können.250 Die Gesellschaft ist lediglich ein gedankliches Konstrukt, das durch privatautonome Entscheidung der Gesellschafter ins Leben gerufen wurde. Die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit sind die „Herren“ über die Gesellschaft. Sie können die Kooperation jederzeit beenden. Folglich kann das Gesellschaftsinteresse nicht das eigenständige Interesse der Gesellschaft sein. Das Gesellschaftsinteresse ist vielmehr das gemeinsame Interesse aller Gesellschafter. Das gemeinsame Interesse aller Gesellschafter ist aber auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet. Das Gesellschaftsinteresse ist daher das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks.251 Teilweise wird das Gesellschaftsinteresse zutreffend auch
250 Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 52 ff.; Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 211 f.; Brüls-Dehin, Die Schranken von Mehrheitsmacht und Minderheitsrechten im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 5, 126 ff.; Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 183 ff.; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 135; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004, S. 222 f.; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1374 f.). 251 So Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 138; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (846); im Ergebnis auch: Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 52 ff.; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 4; Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 73; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 12; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 95; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 27; Hanau, NZG 2002, 1040 (1044); Kuhner, ZGR 2004, 244 (246); Lutter, ZGR 1981, 171 (177); Zöllner, AG 2003, 2 (7).
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als der im Einzelfall konkretisierte Gesellschaftszweck252 oder als die Kehrseite des Gesellschaftszwecks253 beschrieben. Das kollektivierte Interesse aller Gesellschafter ist nicht die Summe der Einzelinteressen der beteiligten Gesellschafter, sondern die Schnittmenge ihrer Eigeninteressen.254 Es steht somit über dem Individualinteresse des einzelnen Gesellschafters.255 Da das Gesellschaftsinteresse nicht mit den Einzelinteressen der Gesellschafter identisch ist, kann es dem Interesse eines einzelnen Gesellschafters durchaus zuwiderlaufen.256 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Maßnahme für den einzelnen Gesellschafter vorteilhaft ist, aber nicht der Förderung des Gesellschaftszwecks dient. In dem Fall entspricht die Maßnahme dem Partikularinteresse eines Gesellschafters, nicht aber dem Gesellschaftsinteresse. Es kann folglich konstatiert werden, dass das Gesellschaftsinteresse lediglich der Bestimmung der kollektivierten Interessen der Gesellschafter dient und letztlich nur eine objektive Größe ist.257 Der Gesellschaftszweck bildet den Bezugspunkt für die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses. Ein Gesellschaftsinteresse losgelöst vom Gesellschaftszweck existiert nicht. 2. Der Gesellschaftszweck der Kapitalgesellschaft a) Unterscheidung von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand Der Gesellschaftszweck ist in § 1 GmbHG ausdrücklich erwähnt. Im AktG hingegen ist in § 3 AktG und in § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG nur vom Unternehmensgegenstand die Rede. Der Unternehmensgegenstand einer Gesellschaft ist die Art der Tätigkeit, die das Unternehmen ausübt.258 Der Unternehmensgegenstand ist zwingender Bestandteil sowohl des Gesellschaftsvertrags einer GmbH als auch der Satzung einer AG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Es ist 252
(489).
Zöllner, AG 2000, 145 (147); ders., in: Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 2007, S. 462
253 So Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 214; ders., AG 2009, 766 (772). 254 Hoffmann-Becking, in: FS Hommelhoff, 2012, S. 433 (435); Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (846). 255 Peifer, in: MüKo, AktG, § 186 Rn. 75; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (840); Mülbert, ZGR 1997, 129 (141). 256 Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004, S. 18; Kuhner, ZGR 2004, 244 (246). 257 Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 183; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 135 f.; Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (464). 258 BGH v. 15.12. 1980 – II ZR 53/80 und BGH v. 09.11. 1987 – II ZB 49/87; Wicke, in: MüKo, GmbHG, § 3 Rn. 9; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 33.
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allgemein anerkannt, dass auch im Aktienrecht ein vom Unternehmensgegenstand zu unterscheidender Gesellschaftszweck existiert.259 Der Gesellschaftszweck ist nicht notwendiger Bestandteil der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags.260 Der Gesellschaftszweck kann in der Regel dem Unternehmensgegenstand entnommen werden, andernfalls ist er gesondert anzugeben.261 Eine einheitliche Definition des Gesellschaftszwecks existiert ebenso wenig wie eine klare Abgrenzung des Gesellschaftszwecks vom Unternehmensgegenstand.262 Einigkeit besteht im Schrifttum nur darüber, dass der Gesellschaftszweck das „primäre Leitziel“ einer Gesellschaft ist.263 Er bestimmt den Charakter der Gesellschaft, legt zugleich ihre Geschäftsgrundlage fest und schützt sie vor Änderungen.264 Der BGH hat in einer den Verein betreffenden Entscheidung den Vereinszweck als „grobe Linie“ angesehen, „um deretwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben“ und weiter ausgeführt „dass eine Zweckänderung nur vorliegt, wenn der Charakter eines Vereins sich ändert”.265 Der Zweck einer Gesellschaft besteht in der Regel in der Erwirtschaftung von Gewinnen.266 Er kann aber auch gemeinnütziger267 oder ideeller Natur sein oder aber aus einer Mischform268 bestehen. Kapitalgesellschaften sind aufgrund ihrer Zweckoffenheit auch sehr gut geeignet zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke.269 Möglich ist auch die Verfolgung eines öffentlichen
259 Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21; Doralt/Diregger, in: MüKo, AktG, § 3 Rn. 14; Pentz, in: MüKo, AktG, § 23 Rn. 70; Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Limmer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 23 Rn. 18; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 23 Rn. 25. 260 Brändel, in: Großkomm-AktG, § 3 Rdnr. 24; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 18. 261 So für die GmbH: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rn. 5. 262 Ausführlich dazu Pentz, in: MüKo, AktG, § 23 Rn. 70 ff. und Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 1 Rn. 7 f; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 13 ff. 263 Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 18; Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Holzborn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 179 Rn. 58; Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 90; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 1 Rn. 5; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 1 Rn. 4. Als „finalen Sinn“ bezeichnend: Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 34; als „Endziel“ bezeichnend: Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 1 Rn. 9. 264 Michalski, in: Michalski, GmbHG, § 1 Rn. 4. 265 BGH, Urteil v. 11.11. 1985 – II ZB 5/85 = NJW 1986, 1033 (1034). 266 Davon ist in Ermangelung ausdrücklicher anderweitiger Satzungsbestimmung auszugehen. Dies gilt insbesondere für die AG, die der „Prototyp“ einer rein erwerbswirtschaftlich handelnden Gesellschaft ist, vgl. Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 92 f.; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 9 Rn. 10. 267 Im Sinne von § 52 AO. 268 Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 111; Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Kort, in: NZG 2011, 929 (931). 269 Priester, GmbHR 1999, 149; Raupach/Böckstiegel, in: FS Widmann, S. 459 (467); zur Zweckoffenheit der AG, vgl. auch Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 9 Rn. 9 f.
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Zwecks270, wie es meist bei Unternehmen der öffentlichen Hand der Fall ist. Ein öffentlicher Zweck ist in der Regel sozialwirtschaftlicher bzw. sozialpolitischer Natur. b) Das Verhältnis von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand Das Verhältnis von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand besteht nach zutreffender Ansicht271 in einer Zweck-Mittel-Relation: Der Gesellschaftszweck ist das Ziel der Gesellschaft, der Unternehmensgegenstand das Mittel zu seiner Erreichung. Eine andere Ansicht272 sieht den Unternehmensgegenstand als einen Teil des Gesellschaftszwecks und nicht lediglich als Mittel zu seiner Erreichung, wobei vereinzelt betont wird, dass der Gesellschaftszweck vorrangig das Innenverhältnis der Gesellschaft betreffe, der Unternehmensgegenstand dagegen in erster Linie die Tätigkeit der Gesellschaft im Außenverhältnis beschreibe. Diese Ansicht wird der Interessenslage bei den Gesellschaftern jedoch nicht gerecht. Die Gesellschafter schließen sich in erster Linie zusammen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Die Erreichung eines bestimmten Zwecks wird durch eine Zweckgemeinschaft unter Umständen überhaupt erst möglich, zumindest aber wird die Verfolgung eines bestimmten Zwecks durch eine Zweckgemeinschaft erleichtert. Der Zusammenschluss ermöglicht es, größere Kapitalbeträge zu konzentrieren und diese zum Betrieb eines Unternehmens einzusetzen, mit dem der gemeinsame Zweck effektiver erreicht werden kann. Ferner kann die Steuerung des Unternehmens in die Hände von qualifizierten und erfahrenen Personen gelegt werden, um so eine optimale Zweckerreichung zu gewährleisten. Aber gerade der Einsatz von Leitungs- und Geschäftsführungsorganen zeigt, dass die Gesellschafter sich häufig nicht zusammenschließen, um ein konkretes Unternehmen selbst zu betreiben, sondern dies Dritten in Fremdorganschaft überlassen. Die Art der konkreten Tätigkeit des Unternehmens spielt zwar eine wichtige, aber im Vergleich zum Zweck der Gesell270
Ausführlich zum öffentlichen Zweck: Harbarth, Anlegerschutz im öffentlichen Unternehmen, S. 49 ff. 271 KG, Urteil v. 03.09. 2004 – 14 U 333/02 = NZG 2005, 88 (89); Doralt/Diregger, in: MüKo, AktG, § 3 Rn. 15; Emmerich, in: Scholz/Emmerich, GmbHG, § 1 Rn. 2b; Holzborn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 179 Rn. 58; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Körber, in: Bürgers/Körber, AktG, § 23 Rn. 29; Michalski, in: Michalski, GmbHG, § 1 Rn. 5; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 1 Rn. 4; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 34; Solveen, in: Hölters, AktG, § 23 Rn. 21; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 23 Rn. 25; Wachter, in: Wachter, AktG, § 179 Rn. 19; Wicke, GmbHG, § 1 Rn. 2; Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 54; Kort, NZG 2011, 929 (931); unklar Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 1 Rn. 3. 272 Brändel, in: GroßKomm-AktG, § 3 Rn. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 1 Rn. 5; Pentz, in: MüKo, AktG, § 23 Rn. 76; Ulmer, in: Ulmer, GmbHG, § 1 Rn. 8; Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 112; ders., Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 27; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 26 ff.
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schaft, eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung der Gesellschafter für die Gründung oder den Beitritt zu einer Gesellschaft. Primär steht die bestmögliche Erreichung des (gemeinsamen) Zwecks im Vordergrund. Der Unternehmensgegenstand ist aber ein wesentliches Kriterium bei der (objektiven) Auslegung der Satzung zur Ermittlung des Gesellschaftszwecks273, sofern der Zweck nicht ausdrücklich in der Satzung festgelegt wurde.274 Das Zweck-Mittel-Verhältnis von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck ergibt sich auch aus § 110 Abs. 2 KAGB275. Danach muss der satzungsmäßig festgelegte Unternehmensgegenstand einer Investmentaktiengesellschaft die Anlage und Verwaltung ihrer Mittel […] zum Nutzen ihrer Aktionäre sein. Daraus geht klar hervor, dass der Gesetzgeber den Unternehmensgegenstand als das Mittel ansieht, das zum Nutzen der Aktionäre eingesetzt werden muss. Auch der BGH geht von einer Zweck-Mittel-Relation aus. In einer Entscheidung zum Vereinsrecht führte der BGH in Bezug auf die Änderung der Vereinstätigkeit aus, dass „die zur Eintragung angemeldete Satzungsänderung […] den Satzungszweck des Verbandes nicht berührt, sondern […] lediglich eine Änderung der Mittel zur Zweckerreichung darstellt“.276 Die Gegenansicht, die den Unternehmensgegenstand als Teil des Gesellschaftszwecks ansieht, hat dagegen erhebliche Schwierigkeiten zu begründen, warum ihrer Ansicht nach nicht bereits eine Änderung des Vereinsgegenstands der Einstimmigkeit nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB bedarf. Gegen eine Gleichstellung von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck spricht ferner, dass es ideelle und gemeinnützige Zwecke geben kann, ein ideeller oder gemeinnütziger Unternehmensgegenstand existiert hingegen nicht. Da der Unternehmensgegenstand die konkrete Tätigkeit des Unternehmens bezeichnet, kann er – anders als der Gesellschaftszweck – nicht ideell oder gemeinnützig sein277, da die Tätigkeit eines Unternehmens stets wirtschaftlicher Art ist. Sie ist immer möglichst effizient und kostensparend, folglich ökonomisch organisiert. Auch wenn ideelle oder gemeinnützige Zwecke verfolgt werden, werden diese nur durch ein ökonomisch handelndes Unternehmen erreicht, da das Unternehmen andernfalls nicht aufrechterhalten werden kann.
273
Stein, in: MüKo, AktG, § 179 Rn. 130; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 1 Rn. 14. Der Gesellschaftszweck muss anders als der Unternehmensgegenstand nicht explizit in der Satzung festgelegt sein und ist es meist auch nicht, vgl. § 23 Abs. 3 AktG, § 3 Abs. 1 GmbHG; Brändel, in: GroßKomm-AktG, § 3 Rn. 24; Wachter, in: Wachter, AktG, § 179 Rn. 19. 275 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vom 4. Juli 2013, BGBl. I S. 1981. 276 BGH, Urteil v. 11.11. 1985 – II ZB 5/85 = NJW 1986, 1033 (1034). 277 So Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 123; a.A. Braunfels, in: Heidel, AktG, § 23 Rn. 21; Doralt/Diregger, in: MüKo, AktG, § 3 Rn. 17. 274
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3. Der Gesellschaftszweck als Schranke der Mehrheitsmacht Legislative Eingriffe in das Anteilseigentum sind nach der Rechtsprechung des BVerfG nur zulässig, wenn der Gesetzgeber mit den entsprechenden Regelungen einen legitimen Zweck verfolgt.278 Ein legitimer Zweck kann aus Sicht des Gesetzgebers unter anderem in der Förderung von Konzernierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen279, aber auch in der Vermeidung von Mehraufwand durch eine geringe Zahl von Minderheitsaktionären280 liegen. Die verfassungsgerichtliche Vorgabe zur Verfolgung eines legitimen Zwecks hat das BVerfG im Rahmen der Übermaßkontrolle und Verhältnismäßigkeitsprüfung gesetzgeberischer Eingriffsnormen entwickelt. Die Vorgabe zur Verfolgung eines legitimen Zwecks ist daher primär an den Gesetzgeber gerichtet. Soll das gem. Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutzminimum in Hinblick auf Eingriffe durch Mehrheitsbeschlüsse bestimmt werden, müssen die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen für legislative Eingriffe modifiziert werden. Insbesondere muss die an den Gesetzgeber gerichtete Vorgabe der Verfolgung eines legitimen Zwecks an das Verhältnis der Gesellschafter untereinander angepasst werden. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die mitgliedschaftliche Rechtsposition, wie sie durch den Gesellschaftsvertrag ausgestaltet ist, mitsamt aller aus der Mitgliedschaft resultierenden Verwaltungs- und Vermögensrechte, die dem einzelnen Gesellschafter durch einfache Gesetze und den Gesellschaftsvertrag im Sinne privatnütziger Verfügbarkeit eingeräumt werden.281 Das Anteilseigentum ist ein stark normgeprägtes Grundrecht. Neben den einfachgesetzlichen Regelungen bestimmt daher der Gesellschaftsvertrag maßgeblich den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft. Mit dem Gesellschaftsvertrag legen die Gesellschafter entweder ausdrücklich oder im Rahmen des Unternehmensgegenstands den Gesellschaftszweck fest, der das allgemeine Leitziel282 der Gesellschaft vorgibt. Ein wesentlicher Bestandteil des Schutzbereichs des Mitgliedschaftsrechts ist demnach der Gesellschaftszweck. Der Zweck einer Gesellschaft ist nicht nur Grundlage der Verbandsgemeinschaft, sondern das konstituie278
BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589). BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.) („Feld-mühle“); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931) BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589) („Squeeze-out I“). 280 BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1118 f.). 281 Zum Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf das Anteilseigentum siehe § 6 B. 282 Sinngemäß: BGH, Urteil v. 11.11. 1985 – II ZB 5/85 = NJW 1986, 1033 (1034); Lutter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 3 Rn. 3; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 1 Rn. 9; Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (465). 279
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rende Verbandelement283 und zugleich ein wesentliches Kriterium des Gesellschafters für die Beitrittsentscheidung bzw. für die Gründung einer Gesellschaft. Der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft lässt sich bewusst und freiwillig auf eine Kooperation mit seinen Mitgesellschaftern ein, weil ein gemeinsamer Zweck verfolgt und der gemeinsame Zweck durch privatautonomen Akt im Gesellschaftsvertrag als Leitziel der Kooperation zugrunde gelegt wird. Er vertraut darauf, dass der Mitgesellschafter sich in seinem Handeln nicht in Widerspruch zum vereinbarten Gesellschaftszweck setzt.284 Der Gesellschaftszweck ist das Fundament, auf dem die Beitrittsentscheidung der Gesellschafter fußt. Dieses Fundament kann im Nachhinein nicht durch eine Mehrheit der Stimmen entgegen dem Willen der Minderheit geändert werden. Dies wäre im Falle der Änderung eines erwerbswirtschaftlichen in einen nichterwerbswirtschaftlichen Zweck eine erhebliche Beeinträchtigung des Vermögensrechts der überstimmten Gesellschafter. Das Vermögensrecht der Gesellschafter ist ein unentziehbarer Bestandteil ihres Mitgliedschaftsrechts.285 Aufgrund der erheblichen Bedeutung des Gesellschaftszwecks für die Gesellschafter, sind nur solche Mehrheitsentscheidungen zulässig, die den Gesellschaftszweck fördern. Der Gesellschaftszweck bildet daher die Grenze der Mehrheitsmacht.286 Maßnahmen, die nicht den Gesellschaftszweck fördern, sind stets unzulässige Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG.287 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit gesellschaftszweckwidriger Mehrheitsentscheidungen kann auch nicht mit der Privatautonomie der Mehrheit begründet werden. Mehrheitsentscheidungen, die nicht dem Gesellschaftszweck dienen, sind nicht von der Privatautonomie der Mehrheit gedeckt. Der Schutzbereich der von Art. 2 Abs. 1 GG288 geschützten Privatautonomie umfasst nur selbstbestimmtes Handeln und reicht demnach nur soweit, wie die Gesellschafter sich im Gesellschaftsvertrag auf bestimmte Inhalte geeinigt haben.289 Der Gesellschaftszweck bestimmt daher nicht nur den Schutzbereich des Anteilseigentums, sondern bildet zugleich die Grenze des Schutzbereichs der Privatautonomie.290 Eine Berufung der 283 Harbarth, Anlegerschutz im öffentlichen Unternehmen, S. 227; Mülbert, AG 2009, 766 (769) (m.w.N.). 284 Hanau, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Schranke privater Gestaltungsmacht, 2004, S. 131; Jung, JZ 2001, 1004 (1012). 285 KG Berlin, Urteil v. 17.9. 2009 – 23 U 15/09 = NZG 2010, 462, im Volltext bei JurisOnline unter Tz. 30. 286 K. Schmidt, GesR, S. 65; Wiedemann, GesR I, S. 10 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 133; Mülbert, AG 2009, 766 (769). 287 Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (845 f.). 288 BVerfG, Beschluss vom 19.10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a. = NJW 1994, 36 („Bürgschaft“). 289 Zum Schutzbereich der Privatautonomie der Gesellschafter siehe § 6 E. II. 290 Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (846).
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beschlussfassenden Mehrheit auf ihre Privatautonomie bei Entscheidungen, die nicht dem Gesellschaftszweck entsprechen, scheidet demnach aus. Die vom BVerfG postulierte Voraussetzung einer legitimen Zweckverfolgung beschränkt sich bei Mehrheitsbeschlüssen in einer Kapitalgesellschaft demnach auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks.291 Die Einhaltung des Gesellschaftszwecks gehört somit zu dem aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Schutzminimum in Bezug auf Eingriffe durch Mehrheitsentscheidungen der Gesellschafter. 4. Ergebnis Die Ausrichtung des Gesellschafterhandelns auf den Gesellschaftszweck gehört zum grundrechtlich geschützten Mindestinhalt von Art. 14 Abs. 1 GG. Das Gesellschaftsinteresse ist das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks. Das Gesellschaftsinteresse wird objektiv bestimmt. Der Gesellschaftszweck bildet den Bezugspunkt für die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses. Folglich müssen Umwandlungsmaßnahmen mit dem Gesellschaftsinteresse vereinbar sein.292 II. Erfordernis einer vollen Kompensation der Vermögensbeeinträchtigung der Minderheitsgesellschafter Ferner sieht es das BVerfG in ständiger Rechtsprechung als unerlässliche Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Eingriff in das Anteilseigentum an, dass die betroffenen Minderheitsgesellschafter für einen Rechtsverlust, den sie durch einen Mehrheitsbeschluss erleiden, wirtschaftlich voll entschädigt werden.293 Der Mehrheitsaktionär müsse ausgleichen, was dem Minderheitsaktionär an Eigentum im Sinne von
291 Wiedemann, GesR I, S. 704; Hofmann, in: FS Hopt, 2010, S. 833 (845 f.); Jung, JZ 2001, 1004 (1012); im Ergebnis mit anderer Begründung auch: Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 53; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 93, ders., AG 2000, 145 (154), der die Bindung an den Gesellschaftszweck in der gesellschafterlichen Treupflicht begründet sieht; so auch das OLG Stuttgart, Urteil v. 28.01. 2004 – 20 U 3/ 03 = NZG 2004, 463 (467). 292 Für eine Bindung der Mehrheit an das Gesellschaftsinteresse auch: Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134 ff.; Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 187; Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1019); Wiedemann, WM 2009, 1 (9). 293 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/ 89 = NZG 2000, 28 (29) („Hartmann&Braun“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589).
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Art. 14 Abs. 1 GG verloren geht.294 Wie bereits erörtert, umfasst der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG das Mitgliedschaftsrecht in seiner gesamten Ausprägung, einschließlich der Verwaltungs- sowie der Vermögensrechte. Das BVerfG geht davon aus, dass eine Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts im Einzelfall durchaus zulässig sein kann. Wenn es aber zu einer Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Rechtsposition kommt – sei es durch eine Abhängigkeitsbegründung der Gesellschaft oder durch einen gänzlichen Verlust der Mitgliedschaft etwa bei einem Squeeze-out – muss das Vermögensinteresse des betroffenen Gesellschafters voll ersetzt werden. Hierzu gehört vor allem, dass eine Kompensation in voller Höhe erfolgt. Dies ist nach dem BVerfG nur gewährleistet, wenn die Abfindung so bemessen ist, dass die Minderheitsaktionäre den Gegenwert ihrer Gesellschaftsbeteiligung erhalten.295 Die Entschädigung müsse den wirklichen Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluss stiller Reserven und des inneren Geschäftswerts widerspiegeln.296 Die Entschädigung muss also den vollen Wert der Beteiligung ersetzen.297 Darüber hinaus muss nach dem BVerfG die Abfindung so bemessen sein, dass die Minderheitsaktionäre nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung erlangt hätten.298 Daraus folgt, dass der Börsenkurs die Untergrenze zur Bestimmung der Abfindung bildet.299 Die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts ist im Gegensatz zur verwaltungsrechtlichen Komponente in vollem Umfang geschützt. Das Gebot der vollen Entschädigung ist das „Fundamentalprinzip“ des „Aktienverfassungsrechts“.300 Die Vermögenskomponente des Mitgliedschaftsrechts gehört daher zu dem von Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Schutzminimum. 294
BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/89 = NZG 2000, 28 (29) („Hartmann&Braun“). 295 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931). 296 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932) („DAT/Altana“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1118) („Moto-Meter“); so auch BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316; BGH, Urteil v. 25.11. 2002 – II ZR 133/01 („Macrotron“) = NZG 2003, 280. 297 Liebscher, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschn. 1.01 Rn. 12.9.; Paulsen, in: MüKo, AktG, § 305 Rn. 72 (m.w.N.); Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 70 Rn. 124. 298 Zuletzt BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (909) („DeutscheHypothekenbank“). 299 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932) („DAT/Altana“); BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 ¢ 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 („T-Online“); BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (829) („Delisting“); Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24c; Paulsen, in: MüKo, AktG, § 305 Rn. 72; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 305 Rn. 55. 300 So Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 95.
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III. Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes Ferner gehört nach der Rechtsprechung des BVerfG zu den unabdingbaren Voraussetzungen für einen zulässigen Eingriff in das Anteilseigentum, dass ein effektiver Rechtsschutz für die benachteiligten Gesellschafter gewährleistet ist. Dies ist der Fall, wenn den betroffenen Gesellschaftern ein Rechtsmittel gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht zur Verfügung steht und sie die Möglichkeit haben, die Entschädigung in voller Höhe gerichtlich durchzusetzen.301 Das Erfordernis der Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gehört daher zum verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimum.
C. Bestandschutz der Mitgliedschaft als Teil des von Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Minimalschutzes Wie bereits erörtert, wird in Bezug auf das Mitgliedschaftsrecht einhellig unterschieden zwischen der verwaltungsrechtlichen und der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG erstreckt sich nach einhelliger Auffassung auf beide Komponenten, mithin sowohl auf die daraus resultierenden Leitungsbefugnisse302 der Gesellschafter als auch auf die vermögensrechtlichen Ansprüche.303 Wie bereits festgestellt wurde, folgt daraus aber nicht, dass beide Komponenten von dem von Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Minimalschutz umfasst sind, der im Rahmen des Untermaßverbots gewährleistet werden muss. Dieser Minimalschutz erstreckt sich vielmehr nur auf einen unentziehbaren Kern des verfassungsrechtlich geschützten Anteilseigentums. Es wurde gezeigt, dass die oben genannten Mindestzulässigkeitsanforderungen, die das BVerfG an gesetz301 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932 f.); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119). 302 Mit der Leitungsbefugnis der Gesellschafter ist hier die verwaltungsrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts gemeint. Der Begriff hat sich in ständiger Rechtsprechung des BVerfG als Bezeichnung für die herrschaftsrechtlichen Verwaltungsrechte der Gesellschafter etabliert, vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380) (m.w.N.). Davon zu unterscheiden ist die Leitungsbefugnis des Vorstands, deren Reichweite vor allem in konzernrechtlichen Konstellationen problematisch ist, vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 16. 303 BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (908); BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (588); BVerfG, Beschluss v. 23.08. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1118); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = NZG 1999, 931 (931); BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = NJW 1962, 1667 (1667).
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geberische Eingriffe in das Anteilseigentum aufstellt, zeigen, dass die vermögensrechtliche Seite des Mitgliedschaftsrechts vollen Schutz genießt und somit Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimums ist. Fraglich ist, ob die verwaltungsrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts ebenfalls zu dem von Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Minimalschutz gehört. I. Das Konzept des „Dulde und Liquidiere“ in der Rechtsprechung des BVerfG Eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz des Anteilseigentums ergibt, dass das BVerfG einen umfassenden Vermögensschutz anstelle eines Bestandschutzes gewährt. Der zwangsweise Ausschluss von Minderheitsaktionären durch Mehrheitsbeschluss ist nach Ansicht des BVerfG grundsätzlich mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Voraussetzung sei aber, dass die berechtigten Interessen der außenstehenden Aktionäre gewahrt werden, woraus folge, dass die Aktionäre für ihren Rechtsverlust voll entschädigt werden müssen.304 Zur Begründung der Vorrangigkeit der Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre führt das BVerfG aus, dass das Mitgliedschaftsinteresse eines Aktionärs in der Regel umso niedriger bewertet werden kann, je geringer dessen Anteil an der Gesellschaft ausfällt. Relevanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik könnten Minderheitsaktionäre in der Regel nicht ausüben. Für sie stelle die Aktie typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung dar.305 Das BVerfG verwirklicht mit dieser Rechtsprechung im Ergebnis ein Konzept des „Dulde und Liquidiere“, wonach der Gesellschafter einen Eingriff in den Bestand seiner Mitgliedschaft gegen eine finanzielle Kompensation zu dulden habe und damit auf sein Vermögensinteresse reduziert wird.306
304 BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (908); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (588); BVerfG, Beschluss v. 23.08. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1118) („Moto-Meter“); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = NZG 1999, 931 (931) („DAT/Altana“); BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = NJW 1962, 1667 (1667) („Feldmühle“). 305 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668) („Feldmühle“); BVerfG, Beschluss v. 23.08. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1118) („Moto-Meter“); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589) („Squeeze-out I“). 306 So auch Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 85; Hanau, NZG 2002, 1040 (1040); K. Schmidt, NZG 2003, 601 (603); Seibert, NZG 2007, 841 (845).
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II. Keine Verallgemeinerung der Rechtsprechung des BVerfG zum „Dulde und Liquidiere“ 1. „Dulde und Liquidiere“ in der Rechtsprechung des BVerfG als Resultat einer Interessenabwägung im Einzelfall Obwohl das BVerfG dem Bestandsinteresse der Minderheitsgesellschafter in seiner Rechtsprechung wenig Gewicht verleiht, kommt dem Prinzip des „Dulde und Liquidiere“ indes keine über die vom BVerfG entschiedenen Einzelfälle hinausgehende, allgemeine Geltung zu. Sämtlichen Entscheidungen des BVerfG zum Bestandschutz der Gesellschafter liegt vielmehr eine Abwägung der Interessen im konkreten Einzelfall zugrunde. Das BVerfG bekräftigt die Annahme, dass eine pauschale Übertragung des Konzepts vom „Dulde und Liquidiere“ auf sämtliche Mehrheits-Minderheits-Konflikte nicht stattfindet, indem es in einer Entscheidung zum Squeeze-out ausdrücklich offen lässt, ob es in einem anders gelagerten Fall in Bezug auf den Bestandschutz der Mitgliedschaft in derselben Weise entschieden hätte. So führt es aus, dass es offen bleiben könne, ob in Bezug auf die Vernachlässigung des Bestandsinteresses des Minderheitsaktionärs etwas anderes gelte, wenn ein Aktionär im Einzelfall ein weitergehendes, anerkennenswertes Interesse an der Beteiligung an einem Unternehmen habe, wie es etwa bei Aktionären aus dem Familienkreis bei Familienunternehmen denkbar ist, da ein solches besonderes Interesse nicht dargelegt wurde.307 In einer anderen Entscheidung begründete das BVerfG seine Annahme, dass vornehmlich vermögensrechtliche Interessen eines Aktionärs betroffen sind, ausdrücklich damit, dass weder entgegenstehende Angaben in der Verfassungsbeschwerde enthalten sind, noch sonstige Anhaltspunkte für ein über das finanzielle Interesse hinausgehendes gewichtiges Anliegen bestünden. Vielmehr könne bei einem Aktionär, der nicht geltend macht, einen namhaften Anteil an der Aktiengesellschaft zu halten, regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es typischerweise die Vermögenskomponente seines Aktieneigentums ist, die im Vordergrund seines Interesses steht.308 Das im Ergebnis vom BVerfG in einigen Entscheidungen verwirklichte Konzept des „Dulde und Liquidiere“ ist somit jeweils das Resultat einer Interessenabwägung im Einzelfall und gilt nicht pauschal für sämtliche Fälle der Ausübung von Mehrheitsmacht gegenüber einer Gesellschafterminderheit.
307
BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589) („Squeezeout I“). 308 BVerfG, Beschluss v. 26.3. 2009 – 1 BvR 119/09 = NZG 2009, 512 (514) („Commerzbank“).
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2. Kleinaktionärseigenschaft sowie Börsennotierung als relevante Aspekte in den vom BVerfG entschiedenen Fällen Den einschlägigen Entscheidungen des BVerfG, in denen es um den Schutz der Stellung der Minderheitsgesellschafter vor Beeinträchtigungen sowohl durch gesetzgeberischen Eingriffe als auch durch Mehrheitsbeschlüsse ging, lagen jeweils Sachverhalte zugrunde, die zwei für den Bestandschutz der Mitgliedschaft sehr wichtige Aspekte aufwiesen. Es handelte sich zum einen stets um Fallkonstellationen, in denen Aktiengesellschaften betroffen waren, die in den meisten Fällen zudem eine Börsennotierung vorwiesen.309 Zum anderen war nahezu allen einschlägigen Entscheidungen gemein, dass die betroffenen Minderheitsaktionäre mit sehr geringen Quoten oder ausschließlich mit Vorzugsaktien ohne Stimmrecht310 an den Aktiengesellschaften beteiligt waren. Die Größe der Beteiligung der Minderheitsaktionäre in den einschlägigen Entscheidungen reichte dabei von einer Aktie311 bis höchstens 4,994 % des Grundkapitals der Gesellschaft312. Bei der betroffenen Minderheit handelte es sich stets um Kleinaktionäre mit einer geringen Kapitalbeteiligung und einer dementsprechend geringen Stimmrechtsmacht. Lediglich in dem der Feldmühle-Entscheidung313 zugrunde liegenden Sachverhalt waren die Minderheitsaktionäre mit mehr als 5 % am Grundkapital beteiligt. Der Feldmühle-Fall wies aber eine besondere Konstellation auf: Gegenstand der Entscheidung war die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des damals geltenden § 15 UmwG1956, der eine übertragende Mehrheitsumwandlung ermöglichte, bei der das Vermögen einer AG auf eine andere AG übertragen wird und die außenstehenden Aktionäre aus der Gesellschaft ausscheiden. Die Größe der Minderheitsbeteiligung war im konkreten Fall nicht relevant für die Entscheidung, da keine Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen wurde, so dass die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Größe der Beteiligungsquote für die vorliegende Analyse unberücksichtigt bleiben kann. Dennoch hatte das BVerfG auch im Feldmühle-Urteil bei
309
So in: BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 („DeutscheHypothekenbank“); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 („Squeeze-out I“); BVerfG, Beschluss v. 29.11. 2006 – 1 BvR 704/03 = NZG 2007, 228 („Eingliederung“); BVerfG, Beschluss v. 20.9. 1999 – 1 BvR 636/95 = NZG 2000, 192 („Wenger/Daimler-Benz“); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/89 = NZG 2000, 28 („Hartmann & Braun“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 („Moto-Meter“); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 („DAT/Altana“). 310 Zu Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG. 311 So in BVerfG, Beschluss v. 20.9. 1999 – 1 BvR 636/95 = NZG 2000, 192 („Wenger/ Daimler-Benz“). 312 So in BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 („DAT/Altana“). 313 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 („Feldmühle“).
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der Begründung stets den Kleinaktionär im Blick.314 Das Konzept des „Dulde und Liquidiere“ wurde somit vom BVerfG bisher nahezu ausschließlich bei börsennotierten AG verwirklicht, in denen die Minderheitsaktionäre Kleinaktionäre mit geringen bis geringsten Beteiligungen waren. III. Unvereinbarkeit der Reduktion des Mitgliedschaftsrechts auf die Vermögenskomponente mit dem Anteilseigentum 1. Bestandschutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition als unabdingbares Element des Anteilseigentumsrechts Es sprechen gewichtige Gründe gegen ein Konzept des „Dulde und Liquidiere“ im Kapitalgesellschaftsrecht. Dies gilt insbesondere für nicht börsennotierten Aktiengesellschaften und GmbH sowie für Minderheitsbeteiligungen, die eine relevante Größe erreichen.315 Die Reduzierung des Anteilseigentums auf seine finanzielle Komponente führt zur Aushöhlung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs.316 Nach der Rechtsprechung des BVerfG folgt aus der Institutsgarantie des Eigentums, dass ein Grundbestand von Normen gesichert werden muss, die ein Rechtsinstitut errichten, das den Namen Eigentum verdient.317 Das Eigentum im Allgemeinen ist gekennzeichnet durch die Kriterien der Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis.318 Ferner ist die Nutzungsmöglichkeit des Eigentums ein immanenter Bestandteil des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs.319 Eine Verkürzung der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des Gesellschafters auf die Vermögenskomponente entzieht dem Gesellschafter sowohl die Verfügungsbefugnis als auch die Nutzungsmöglichkeit seiner Mitgliedschaft, da ihm die Mitgliedschaft durch die Gesellschaftermehrheit gegen seinen Willen entzogen werden kann. Der Begriff des Anteilseigentums wird so gewissermaßen zur leeren 314 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668) („Feldmühle“). 315 Zur relevanten Beteiligungsgröße für den Bestandschutz siehe § 8 E II., III. und IV. 316 Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1019); ähnlich auch Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1373), der „die prinzipielle Reduktion des Kleinaktionärs auf einen „Kapitalanleger“ mit der Rückbindung jeder Gesellschaftsform auf die Eigentümerfreiheit der Gesellschafter“ als nicht vereinbar ansieht; ähnlich kritisch auch Stumpf, NJW 2003, 9 (11). 317 BVerfG, Urteil v. 18.12. 1968 – 1 BvR 638, 673/64, 200, 238, 249/56 = NJW 1969, 309 (309). 318 BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 – 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 (870); BVerfG, Beschluss v. 20.12. 2010 – 1 BvR 2323/07 = NZG 211, 235 (236) („Kuka-AG“); BVerfG, Beschluss vom 7.12. 2004 – 1 BvR 1804/03 = NJW 2005, 879 (880); BVerfG, Beschluss vom 7.12. 2004 – 1 BvR 1804/03 = NJW 2005, 879 (880); BVerfG NJW 2001, 2159; BVerfG NJW 2000, 413; BVerfG NJW 1991, 1807; BVerfG NJW 1989, 1271 (1272); Axer, in: BeckOK, GG, Stand 01/2013; Art. 14 Rn. 11; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 69 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 160. 319 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 65.
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Floskel, da es sich letztlich nur noch um einen Anteilswert handelt und das Anteilseigentum auf eine Vermögensgarantie reduziert wird.320 Das Anteilseigentum wird zum „Eigentumsrecht zweiter Klasse“321, das nicht mehr das Mitgliedschaftsrecht, sondern allein das Vermögen schützt. Dies widerspricht nicht nur dem Schutzbereich des Anteilseigentums, der nach einhelliger Ansicht das Mitgliedschaftsrecht in seiner Gesamtheit erfasst.322 Es steht vielmehr auch in Widerspruch mit der einhellig vertretenen Definition des Eigentumsgrundrechts, wonach der Schutz des Vermögens gerade nicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG fällt.323 Der Schutz des Vermögens wird zu Recht von Art. 14 Abs. 1 GG ausgeklammert, da sich das Eigentum dadurch vom reinen Vermögen unterscheidet, dass es nicht auf seinen wirtschaftlichen Wert reduziert wird, sondern die Eigenheit und Substanz des konkreten Eigentums im Vordergrund stehen. Wenn aber das Mitgliedschaftsrecht in einer Gesellschaft auf die Vermögenskomponente reduziert wird, handelt es sich im Ergebnis um einen reinen Schutz des Vermögens als wirtschaftlichen Wert ohne Berücksichtigung der konkreten Qualität der rechtlichen Position. Aus diesen Gründen muss der Mitgliedschaft im Gesellschaftsrecht grundsätzlich sowohl Bestandschutz als auch Vermögensschutz eingeräumt werden.324 2. Erfordernis der Berücksichtigung der Auswahlentscheidung des Gesellschafters in Bezug auf seine Gesellschaftsbeteiligung Die Reduzierung der mitgliedschaftlichen Rechtsposition auf ihren Vermögenswert verkennt zudem die Bedeutung der Auswahlentscheidung des Gesellschafters, die in doppelter Hinsicht vorliegt. Zum einen entscheidet sich der Gesellschafter, sein Kapital in Form einer Gesellschaftsbeteiligung anzulegen. Zum
320 Ähnlich Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 191; Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, 2003, S. 1009 (1012). 321 So Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1731 (1734); ähnlich auch: Stumpf, NJW 2003, 9 (11); Jung, JZ 2001, 1004 (1012); ähnlich kritisch in Bezug auf ein Differenzierung zwischen Kapitaleigentum und sonstigem Eigentum äußert sich auch Siekmann, in: FS Stern, 2012, S. 1527 ff., der allerdings vorrangig die Herabwürdigung anonymer Kapitalbeteiligungen kritisiert. 322 Wiedemann, in: FS Goette, 2011, S. 617 (620); zum Schutzbereich siehe oben unter § 6 B. 323 BVerfGE 4, 7; BVerfG, Urteil v. 08.04. 1997 – 1 BvR 48/94 = NJW 1997, 1975 (1975); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 07/2010, Art. 14 Rn. 160. 324 So im Ergebnis auch Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, 1731 (1741); ders., in: FS Goette, 2011, S. 617 (620); kritisch in Bezug auf das Konzept des „Dulde und Liquidiere“ bereits Kindler, ZGR 1998, 36 (51), der es als zweifelhaft ansieht, ob dieses Konzept zu einer Neubestimmung der sachlichen Voraussetzungen eines Entzugs von Mitgliedschaftsrechten führt.
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anderen entscheidet sich der Gesellschafter dazu, gerade in ein bestimmtes Unternehmen zu investieren. Der erste Aspekt der Auswahlentscheidung des Gesellschafters besteht darin, liquides Kapital in Gesellschaftsanteile als solche umzuwandeln. Die Reduktion des Anteilseigentums auf einen reinen Vermögensschutz führt aber zur Gleichsetzung der Aktie bzw. der Gesellschaftsanteile mit Geld. Der substantielle Unterschied einer Gesellschaftsbeteiligung gegenüber Geld besteht aber darin, dass mit der Beteiligung Gewinn- und Wertsteigerungschancen verbunden sind.325 Das Motiv für die Transformation von Geld in Gesellschaftsanteile kann aber auch die Erreichung von Vermögensschutz durch Bestandschutz sein, da an die Stelle des Geldes ein realer Substanzwert tritt. Der Entscheidung des Anlegers für die Beteiligung am Unternehmen als solche wird bei der Durchführung eines „Dulde und Liquidiere“ daher nicht Rechnung getragen.326 Der zweite Aspekt der Auswahlentscheidung ist die Entscheidung des Gesellschafters, gerade in ein bestimmtes Unternehmen zu investieren, an dessen wirtschaftliches Potential er unter Umständen große Erwartungen hat327 oder aus sonstigen Gründen gerade an diesem Unternehmen beteiligt sein möchte, weil er etwa dem Management der Gesellschaft ein besonderes, persönlich motiviertes Vertrauen entgegenbringt oder besondere Erwartungen an das von der konkreten Gesellschaft betriebene Geschäft hat.328 Dieser Aspekt ist Teil des Mitgliedschaftsrechts und findet in der gesellschaftsrechtlichen Definition der Mitgliedschaft seinen Ausdruck. Die Mitgliedschaft wird als eine auf der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft beruhende Rechtsposition definiert.329 Die Mitgliedschaft ist demnach geprägt vom Merkmal der Beziehung des einzelnen Gesellschafters zur Gesellschaft.330 Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft gehört zum Kern des Mitgliedschaftsrechts.331 Der Bezug des Gesellschafters zur konkreten Gesellschaft bleibt aber gänzlich unberücksichtigt, wenn seine Rechtsposition auf die Vermögenskomponente reduziert wird. Durch eine Verwirklichung des Konzepts des „Dulde und Liquidiere“ wird dem Gesellschafter nicht nur die Chance genommen, an Wert- und Gewinnsteige325
Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1389). Ähnlich Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1392). 327 Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191 (210); Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, 1731 (1734); Fleischer, DNotZ 2000, 876 (877); Hanau, NZG 2002, 1040 (1043). 328 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 614 Rn. 1291. 329 Henze/Notz, in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 53a – 75 Rn. 11; Dauner-Lieb, in: KK, AktG, § 1 Rn. 25; Bungeroth, in: MüKo, AktG, Vor § 53a Rn. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 14 Rn. 11; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, § 14 Rn. 39; Reichert/Weller, in: MüKo, GmbHG, § 14 Rn. 45; siehe § 6 A. I. 330 Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996, S. 16; Lutter, AcP 1980, 84 (86); Zöllner, AG 2002, 585 (591). 331 Wiedemann, in: FS K. Schmidt, 2009, 1731 (1734). 326
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rungen gerade eines bestimmten Unternehmens teilzuhaben332, sondern ihm wird insgesamt die Auswahlentscheidung für ein konkretes Unternehmen genommen. Aber gerade diese Auswahlentscheidung ist für einen Anleger von signifikanter Bedeutung. Sehr deutlich wird dies am Beispiel der Kapitalanlage in Form von Aktien. Eine bestimmte Aktie ist aus Sicht des Anlegers eben nicht durch eine ähnliche Anlage oder gar eine vergleichbare Aktie austauschbar.333 Wäre dem so, wäre die gesamte Anlegerberatungsbranche mitsamt den einschlägigen Pressegattungen ihrer Existenzberechtigung beraubt.334 3. Widerspruch zur Anerkennung einer Treuepflicht des Kleinaktionärs Eine Reduzierung des Mitgliedschaftsrechts ausschließlich auf die vermögensrechtliche Komponente steht ferner in Widerspruch zur Anerkennung einer Treuepflicht des Kleinaktionärs. Der Kleinaktionär unterliegt nach h.M. ebenfalls Treuepflichten gegenüber dem Mehrheitsaktionär sowie gegenüber anderen Aktionären, die ihn dazu verpflichten, seine Mitgliedschaftsrechte unter angemessener Berücksichtigung der gesellschaftsbezogenen Interessen der anderen Aktionäre auszuüben.335 Es lässt sich aber nur schwer begründen, dass dem Kleinaktionär einerseits eine Treuepflicht auferlegt wird, die ihn im Einzelfall zur Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet, ihm auf der anderen Seite aber das Bestandsinteresse an seiner Mitgliedschaft mit der Begründung abgesprochen wird, er habe keinerlei unternehmerisches Mitverwaltungsinteresse. Ein Gesellschafter, der kein unternehmerisches Mitverwaltungsinteresse an der Gesellschaft hat und lediglich an seiner Anlage interessiert ist, kann mangels Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft auch nicht den anderen Gesellschaftern gegenüber zu einem bestimmten Handeln verpflichtet sein, da sich seine Rolle auf die Einbringung von Kapital beschränkt. 4. Schutz des Vertrauens in die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Anlageform Ferner sprechen ökonomische Gründe gegen eine Reduzierung des Mitgliedschaftsrechts auf das Vermögensinteresse des Gesellschafters. Eine Reduktion der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ausschließlich auf den Vermögenswert führt zum Verlust des Vertrauens in diese Anlageform. Potentielle Investoren werden 332 Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 107 f.; Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1389). 333 Zöllner, AG 2002, 585 (591). 334 So zutreffend Hanau, NZG 2002, 1040 (1043). 335 BGH, Urteil v. 20.03. 1995 – II ZR 205/94 = NJW 1995, 1739 („Girmes“); Bungert, DB 1995, 1749; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 53a Rn. 50; Spindler, in: MüKo, AktG, § 117 Rn. 77; Werner, in: FS Semler, 1993, S. 419.
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abgeschreckt, wenn sie befürchten müssen, jederzeit grundlos aus ihrem Investment gedrängt zu werden. Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft verliert so an Attraktivität.336 5. Starker Rückgang rechtsmissbräuchlicher Klagen Aus rechtstatsächlicher Sicht spricht gegen eine Reduktion des Mitgliedschaftsrechts auf seinen Vermögenswert, dass die Zahl rechtsmissbräuchlich erhobener Anfechtungsklagen in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist. Die Angst vor erpresserischen Anfechtungsklagen ist einer der Hauptgründe für den restriktiven Umgang mit der materiellen Beschlusskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen in Rechtsprechung und Literatur.337 Die gesetzgeberischen Maßnahmen, die seither zum Schutz vor einem Missbrauch des Anfechtungsrechts unternommen worden sind, sind erfolgreich. Seit Inkrafttreten des ARUG338 im Jahre 2009 ist die Zahl rechtsmissbräuchlicher Anfechtungsklagen um 50 % gesunken.339 Die Reform des Freigabeverfahrens hat den Lästigkeitswert von Beschlussmängelklagen erheblich reduziert.340 Aufgrund dieser Tatsachen besteht kein Anlass (mehr), das Bestandsinteresse in Bezug auf die Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft gänzlich hinter das Vermögensinteresse zu stellen.
D. Vernachlässigung des Bestandschutzes im Ausnahmefall I. Die Doppelrolle des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger Die Tendenz in der Rechtsprechung des BVerfG hin zu einem „Dulde und Liquidiere“ entspricht im Großen und Ganzen dem von Mülbert vertretenen Konzept des rein vermögensbezogenen Aktionärsschutzes, das seiner Ansicht nach im gesamten Aktienrecht angelegt ist.341 Danach ist der Schutz der Aktionärsstellung bei beeinträchtigenden Maßnahmen allein dadurch zu gewährleisten, dass dem Aktionär
336 Roe, in: Ménard/Shirley, Handbook of New Institutional Economics, 2005, S. 371 (395 f.); Siems, Die Konvergenz der Rechtssysteme im Recht der Aktionäre, 2005, S. 264. 337 So Wiedemann, WM 2009, 1 (7 f.). 338 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2479. 339 Bayer/Hoffmann/Sawada, ZIP 2012, 897 (910). 340 Bayer/Hoffmann/Sawada, a.a.O. (Fn. 651). 341 Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433; ders., Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 299 ff., 303; zweifelnd in Bezug darauf, dass dieses Konzept im Aktienrecht angelegt ist: Hirte, WM 1997, 1001 (1007).
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der Vermögenswert seiner Beteiligung voll ersetzt wird.342 Für eine darüber hinaus gehende Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme bestehe keine Notwendigkeit.343 Diesem Verständnis von der Aktionärsstellung liegt die maßgeblich durch den Einfluss des Kapitalmarktrechts entstandene Erkenntnis zu Grunde, dass der Aktionär eine Doppelrolle einnimmt.344 Er ist nicht nur Verbandsmitglied sondern (vor allem) auch Kapitalanleger.345 Das Aktionärsinteresse hat gemäß der Doppelrolle des Aktionärs demnach ebenfalls eine doppelte Ausrichtung. Es beinhaltet zum einen das Interesse an der Mitverwaltung der Gesellschaft und Teilhabe an der gemeinsamen Unternehmung und zum anderen das Investitionsinteresse, das ausschließlich finanzieller Art ist. Da der Einfluss eines Aktionärs auf die Leitung der Aktiengesellschaft von seiner Stimmrechtsmacht und somit von der Größe seiner Beteiligung abhängt, kann sich je nach Größe der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft auch der Schwerpunkt des Aktionärsinteresses in eine dieser Richtungen verlagern. Das unternehmerische Mitverwaltungsinteresse des Aktionärs nimmt in der Regel mit seinen Einflussmöglichkeiten ab.346 Je kleiner seine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft ist, umso kleiner ist sein Leitungs- bzw. Mitverwaltungsinteresse.347 Mit Blick auf ihren Interessenschwerpunkt können Aktionäre daher in zwei Grundtypen unterteilt werden: den Unternehmeraktionär und den Anlegeraktionär.348 Der Unternehmeraktionär ist meist Mitgründer der AG, Mitglied der Eigentümerfamilie, strategischer Investor, die Konzernmuttergesellschaft oder die öffentliche Hand.349 Seine Beteiligung geht über eine Splitterbeteiligung hinaus.350 Der 342 Kritisch Spindler, in: FS Goette, 2011, S. 513 (515); a.A. Hanau, NZG 2002, 1040 (1040), der das Konzept des „Dulde und Liquidiere“ als einen Bruch mit „fundamentalen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien“ bezeichnet. 343 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 299 ff. 344 Spindler, in: MüKo, AktG, Vor § 76 Rn. 63; K. Schmidt, GesR, S. 15; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 297; Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433 (449); ders., Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 154 ff.; Fleischer, ZIP 2006, 451 (454); ausführlich zu den verschiedenen Aktionärstypen: Schiel, Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt, 2009, S. 79 ff.; Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 95 ff. 345 Kalss, Anlegerinteressen – Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt, 2001, S. 63; Schiel, Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt, 2009, S. 98 ff.; Fleischer, ZIP 2006, 451 (454); Merkt, AG 2003, 126 (133); Schiessl, AG 1999, 442 (446); Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807 (813). 346 BVerfG, Beschluss v. 19. September 2007 – 1 BvR 2984/06 = WM 2007, 2199 (2200) („Squeeze-out II“). 347 Wolf, ZIP 2002, 153 (156). 348 Ausführlich zum Typus des Unternehmergesellschafters, vgl. Jung, Der Unternehmensgesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft, 2002, S. 24 ff; Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 95 ff. 349 Beispiele aus Bayer, Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, Gutachten E, S. E 101.
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Unternehmeraktionär ist am langfristigen Erfolg des Unternehmens und deshalb auch am Bestand seiner Mitgliedschaft interessiert.351 Der Anlegeraktionär hingegen verfolgt ausschließlich das Ziel einer bestmöglichen Kapitalanlage.352 II. Vermutung für das Vorliegen reiner Anleger- bzw. Vermögensinteressen des Kleinanlegers Die Gewichtung der Interessen eines Gesellschafters kann in Bezug auf das Mitverwaltungs- und das Anlegerinteresse je nach Einzelfall unterschiedlich ausfallen. Es muss daher für den Einzelfall bestimmt werden, ob unternehmerische Mitverwaltungsinteressen eines Gesellschafters existieren und welches Gewicht ihnen im Vergleich zu den möglicherweise gegenläufigen Interessen eines Mehrheitsgesellschafters zukommt. In diesem Zusammenhang können Fallgruppen gebildet werden, für die eine Vermutung besteht, dass sich das Interesse eines Gesellschafters auf ein reines Anleger- bzw. Vermögensinteresse beschränkt. In Rechtsprechung und Literatur wird für Kleinaktionäre die Vermutung aufgestellt, dass das Interesse des Kleinaktionärs sich vorwiegend oder gar ausschließlich auf seine Kapitalanlage beschränkt und er keinerlei Mitverwaltungsinteressen verfolgt.353 Wie bereits erläutert wird diese Vermutung damit begründet, dass der Kleinaktionär ohnehin keinen relevanten Einfluss auf die Steuerung der Gesellschaft hat.354 Für Kleinaktionäre könne es eher ökonomisch rational sein, Anteile zu veräußern, statt sich an einer Hauptversammlung zu beteiligen.355 Diese Vermutung steht allerdings im Spannungsverhältnis zum eben dargelegten Grundsatz des vollen Bestandschutzes der Mitgliedschaft im Gesellschaftsrecht.
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Bayer, a.a.O. (Fn. 661). Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 8 f., Rn. 25; Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 95 f.; Bayer/Fiebelkorn, ZIP 2012, 2181 (2187). 352 Bayer, a.a.O (Fn. 661); Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 93. 353 BVerfG, Beschluss v. 19. September 2007 – 1 BvR 2984/06 = WM 2007, 2199 (2200) („Squeeze-out II“); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589) („Squeeze-out I“); BGH, Urteil v. 18.9. 2006 – II ZR 225/04 = NZG 2006, 905 (905); Spindler, in: MüKo, AktG, Vor § 76 Rn. 63; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191 (211); Wiedemann, in: FS K.Schmidt, 2009, 1731 (1740); Wolf, ZIP 2002, 153 (156). 354 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668) („Feldmühle“); BVerfG, Beschluss v. 23.08. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1118) („Moto-Meter“); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589) („Squeeze-out I“). 355 Spindler, in: MüKo, AktG, Vor § 76 Rn. 63. 351
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E. Kriterien für das Vorliegen reiner Anlegerinteressen I. Börsennotierung bzw. Kapitalmarktnähe der Gesellschaft Das Verständnis von der Doppelrolle356 des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger und insbesondere die Betonung seiner Rolle als Teilnehmer am Kapitalmarkt stammen aus dem Kapitalmarktrecht357. Im Fokus des Kapitalmarktrechts stehen die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und der Anlegerschutz.358 Das Kapitalmarktrecht schützt den Aktionär als Anleger von Kapital, der mit seiner Anlageentscheidung vor allem Vermögensinteressen verfolgt.359 Betrachtet man den Aktionär aus dieser Perspektive, ist er tatsächlich in erster Linie ein Anleger, dessen Interesse vorwiegend oder ausschließlich auf die Optimierung seiner Kapitalanlage gerichtet und für den die Beteiligung an einer Gesellschaft lediglich eine unter vielen Investitionsmöglichkeiten ist. Ein wesentlicher Aspekt in Bezug auf die Entscheidung des Anlegergesellschafters für eine bestimmte Beteiligung ist ihre Fungibilität. Ein Anlegergesellschafter ist vorrangig an der Rendite seiner Kapitalanlage interessiert. Er ist folglich nicht daran interessiert, an einer negativen Wertentwicklung seiner Anlage teilzunehmen und möchte deshalb stets die Möglichkeit haben, die Investition im Falle einer negativen Wertentwicklung der Kapitalanlage kurzfristig zu beenden. Eine solche „Exit“-Option setzt aber die Liquidität seiner Beteiligung voraus. Liquidität ist gegeben, wenn eine Beteiligung jederzeit und ohne größeren Zeitverlust verkauft und durch eine andere Beteiligung ersetzt werden kann.360 Nur unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass der Investor allein an der Kapitalanlage und weniger am konkreten Unternehmen interessiert ist.361 Das BVerfG betont ebenfalls die Bedeutung der Fungibilität der Aktie, wenn auch aus einem etwas anderen Blickwinkel. Das BVerfG sieht in der Fungibilität der Aktie ein wesentliches Argument, das gegen einen unabdingbaren Bestandschutz beim Kleinaktionär spricht, weil es dem Aktionär aufgrund der Fungibilität der Aktie möglich ist, eine alternative Kapitalanlage in einem Unternehmen gleicher oder ähnlicher Ausrichtung zu finden.362 Die Fungibilität ist demnach ein notwendiges 356
Zur Doppelrolle des Aktionärs, vgl. Fn. 656. Das Kapitalmarktrecht wird definiert als die Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte und der auf sie bezogenen Tätigkeiten sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden sollen, vgl. Wittig, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 5 Rn. 1.10. 358 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 1826 Rn. 14.141. 359 Spindler, in: MüKo, AktG, Vor § 76 Rn. 63; Schiessl, AG 1999, 442 (445 f.). 360 Kalss, Anlegerinteressen – Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt, 2001, S. 465. 361 Ähnlich auch Drygala, AG 2001, 291 (297 f.). 362 BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1119) („Moto-Meter“). 357
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Kriterium für die Annahme, dass Anlegeraktionäre von einer beschlossenen Maßnahme betroffen sind. Die Aktie ist jedoch nur fungibel, wenn die Gesellschaft an der Börse363 notiert ist und ein funktionierender Kapitalmarkt existiert364 oder die Anteile zumindest an einem sonstigen Handelsplatz365 gehandelt werden366. Die Börsennotierung bzw. die Kapitalmarktnähe einer Gesellschaft spricht somit für eine Gewichtung der Anlegerinteressen. Die Hervorhebung der Anlegerinteressen ist bei kapitalmarktnahen Gesellschaften sozusagen „kapitalmarktrechtlich legitimiert“.367 Handelt es sich hingegen um eine kapitalmarktferne Gesellschaft, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihre Aktionäre mit der Beteiligung vorrangig Vermögensinteressen verfolgen.368 In diesem Falle fehlt die kapitalmarktrechtliche Legitimation für eine solche Vermutung. Das Mitgliedschaftsverhältnis ist bei kapitalmarktfernen Gesellschaften ausschließlich gesellschaftsrechtlich geprägt.369 Der Aktionär lässt sich in diesem Fall auf eine gesellschaftsrechtlich geprägte Mitgliedschaft ein.370 Das Gesellschaftsrecht schützt aber den Bestand der mitgliedschaftlichen Rechtsposition.371 Gerade der gesellschaftsrechtliche Bestandschutz und die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Verwaltung der Gesellschaft können Anreiz und Motiv für einen Investor sein, Anteile einer Gesellschaft zu kaufen. Auch das Aktienrecht kennt die Unterscheidung zwischenbörsennotierter und nicht börsennotierter AG.372 Das Aktienrecht enthält in § 3 Abs. 2 AktG eigens eine Definition der börsennotierten AG. Zudem knüpfen zahlreiche Regelungen des Aktienrechts an die Börsennotierung der AG. Als Beispiel können die §§ 161, 123 Abs. 3 Satz 2, 149 Abs. 1, 248a Satz 1 AktG genannt werden. Dies zeigt aber zu363
Staatlich geregelter und überwachter Markt im Sinne von § 3 Abs. 2 AktG. Spindler, in: FS Goette, 2011, S. 513 (515 f.); Fleischer, DNotZ, 2000, 876 (877). 365 Handelsplatz im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 8 WpHG oder im Sinne § 2 Abs. 10 WpHG oder der Freiverkehr gem. § 48 BörsG. 366 Heldt/Royé, AG 2012, 660, (664); Klöhn, NZG 2012, 1041 (1046); Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807 (814). 367 Merkt, AG 2003, 126 (133). 368 Entsprechend groß fiel deshalb auch die Kritik in Bezug auf die Erstreckung des aktienrechtlichen Squeeze-out auf nicht börsennotierte Gesellschaften aus, vgl. dazu: Fleischer, in: GroßKomm-AktG, Vor § 327a Rn. 13; ders., ZGR 2002, 757 (770); Hüffer, AktG, § 327a Rn. 4a; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327a AktG Rn. 5; ders., ZIP 2002, 1230 (1234 f.); Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 191; Drygala, AG 2001, 291 (297 f.); Merkt, AG 2003, 126 (133). 369 Habersack, ZIP 2001, 1230 (1235); Hanau, NZG 2002, 1040 (1043). 370 Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 188. 371 Spindler, in: MüKo, AktG, Vor § 76 Rn. 63. 372 K. Schmidt, GesR, S. 15. 364
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gleich, dass nicht von einer Überlagerung des Aktien- oder gar des gesamten Gesellschaftsrechts durch das Kapitalmarktrecht gesprochen werden kann.373 Das Kapitalmarktrecht hat vielmehr nur punktuell Auswirkung auf das Aktienrecht. Daher kann die kapitalmarktrechtliche Sichtweise auch nicht auf die Stellung des Aktionärs im Allgemeinen übertragen werden.374 Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass bei kapitalmarktnahen AG meist der Typus des Anlegergesellschafters anzutreffen ist375, während bei kapitalmarktfernen Gesellschaften nicht ohne weiteres vom Anlegergesellschafter ausgegangen werden kann.376 Es besteht überdies keine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass an kapitalmarktnahen AG ausschließlich Anlegeraktionäre beteiligt sind. Daher taugt die Kapitalmarktnähe allein nicht als Kriterium zur Abgrenzung des Unternehmergesellschafters vom Anlegergesellschafter. So ist zum einen nicht ausgeschlossen, dass ein Teilnehmer am Kapitalmarkt ebenfalls ein unternehmerisches Interesse mit der Beteiligung an einer Gesellschaft verfolgt, was bei institutionellen Anlegern meist der Fall ist. Umgekehrt ist zum anderen nicht ausgeschlossen, dass Anlegergesellschafter an kapitalmarktfernen Gesellschaften beteiligt sind. Vielmehr muss die Beurteilung, ob Unternehmer- oder Anlegergesellschafter von einer Mehrheitsentscheidung betroffen sind, anhand anderer Kriterien vorgenommen werden. II. Beteiligungsquote von weniger als 5 % des Grundkapitals 1. Verfassungsmäßigkeit des aktienrechtlichen Squeeze-out Von großer Bedeutung für die Unterscheidung eines Unternehmergesellschafters im hier gemeinten Sinne377 von einem Anlegergesellschafter ist die Beteiligungsquote. Die Beteiligungsquote ist ein Indikator für die Interessensausrichtung eines Gesellschafters. Fraglich ist, wie hoch der Schwellenwert der Beteiligung anzusetzen ist, ab dem nicht mehr von einem unternehmerischen Interesse eines Gesellschafters ausgegangen werden kann. Anhaltspunkte diesbezüglich liefern die Rechtsprechung und das Gesetz. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des aktienrechtlichen Squeeze-out nach § 327a AktG im Jahre 2001 die Schwelle für einen grundlosen Ausschluss von Minder-
373
Ähnlich Habersack, in: MüKo, AktG, Einl. Rn. 193; Fleischer, ZIP 2006, 451 (459). Spindler, in: MüKo, AktG, Vor § 76 Rn. 63. 375 So auch Bayer, in: Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, Gutachten E, S. E 101 f. 376 In diese Richtung gehend: Hirte, WM 1997, 1001 (1008); Wiedemann, in: FS Goette, 2011, S. 617 (619 f.). 377 Zum Begriff des Unternehmergesellschafters im hier gemeinten Sinne siehe oben unter § 8 D. I. 374
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heitsaktionären bei einer Beteiligungsquote von weniger als 5 % angesetzt.378 Minderheiten mit einer geringeren Beteiligungsquote können seitdem auf Verlangen des Hauptaktionärs aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die Vereinbarkeit des aktienrechtlichen Squeeze-out mit Art. 14 Abs. 1 GG wurde vom BGH379 und vom BVerfG380 bestätigt. Diese Auffassung wird auch von der h.L. vertreten.381 Zweck der Squeeze-out-Regelung ist die Vereinfachung der Unternehmensführung im AG-Konzern.382 Hinter dieser Regelung steht eine Abwägung zwischen dem Rationalisierungsinteresse der Mehrheit und dem Bestandsinteresse der Minderheit. Das Rationalisierungsinteresse der Mehrheit ist durch den Kostenaufwand begründet, der bei der Existenz von Gesellschaftern mit sehr geringen Beteiligungsquoten dadurch entsteht, dass Hauptversammlungen abgehalten, Informationen erteilt, Berichtspflichten erfüllt und Anfechtungsprozesse geführt werden müssen.383 Diese Kosten stehen außer Verhältnis zu den Einflussmöglichkeiten, die diese Minderheitsgesellschafter auf die Gesellschaft haben. Auch der Nutzen, den die Gesellschaft durch die Kleinstbeteiligungen erlangt, ist gering, da diese nur einen kleinen Teil des benötigten Eigenkapitals ausmachen.384 Ferner hat die Mehrheit ein Interesse daran, eine bestimmte Maßnahme binnen angemessener Zeit und kostengünstig durchzuführen. Die Existenz von Klein- und Kleinstbeteiligungen birgt aber ein Verzögerungs- und Blockaderisiko. Häufig lassen sich Aktionäre ihre Blockadeposition von der Gesellschaft abkaufen, was Strukturmaßnahmen bei Gesellschaften verteuert. Bei einer Beteiligung unter der 5 %Schwelle überwiegt daher das Interesse der Gesellschaftermehrheit an einer effizienten und kostengünstigen Führung der Gesellschaft das Bestandsinteresse der Minderheit.385 Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des Squeeze-out in § 327a AktG diese Abwägung vorgenommen und das Ergebnis vorgegeben.386 Dieselbe Wertung schlägt sich in einigen anderen gesetzlichen Regelungen nieder. So ermöglichen §§ 320 Abs. 1, 320a AktG die Eingliederung einer 95 %378
Packi, ZGR 2011, 776 (789). BGH, Beschluss v. 25.07. 2005 – II ZR 327/03 = NZG 2006, 117. 380 BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 („Squeeze-out I“); BVerfG, Beschluss v. 19.09. 2007 – 1 BvR 2984/06 = WM 2007, 2199 („Squeeze-out II“). 381 Grunewald, in: MüKo, AktG, Vor § 327a Rn. 7; Hüffer, AktG, § 327a Rn. 4; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327a AktG Rn. 7; Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, § 327a Rn. 5; Fleischer ZGR 2002, 757 (764). 382 Hasselbach, in: KK, WpÜG, § 327a AktG Rn. 6. 383 Hasselbach, in: KK, WpÜG, § 327a AktG Rn. 6; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S.191 (211). 384 Hasselbach, in: KK, WpÜG, § 327a AktG Rn. 6. 385 So auch Wolf, ZIP 2002, 153 (156). 386 So auch: Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369 (1375); Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (664). 379
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Tochtergesellschaft unter Ausschluss der Minderheit. Ferner sieht § 62 Abs. 1 UmwG eine Ausnahme vom Erfordernis der Fassung eines Umwandlungsbeschlusses für die übernehmende Aktiengesellschaft bei der sogenannten Konzernverschmelzung vor, bei der eine übernehmende Aktiengesellschaft mit mindestens 90 % an einer übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Gem. § 62 Abs. 2 UmwG können aber die Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft, deren Anteile zusammen 5 % des Grundkapitals erreichen, verlangen, dass ein Verschmelzungsbeschluss gefasst wird. Außerdem ist die im Jahre 2006 eingeführte Regelung des übernahmerechtlichen Squeeze-out in § 39a WpÜG zu erwähnen, die dem Hauptaktionär den Ausschluss einer Restminderheit erlaubt, wenn er eine Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % an einer Zielgesellschaft in Folge eines öffentlichen Übernahmeangebots erworben hat. Die Vereinbarkeit von § 39a WpÜG mit Art. 14 Abs. 1 GG hat das BVerfG bestätigt.387 Im Ergebnis gehen die Rechtsprechung und der Gesetzgeber davon aus, dass bei Beteiligungen an AG mit weniger als 5 % keine Bestandsinteressen bestehen bzw. diese vernachlässigt werden können. 2. 5 %-Schwelle als Grenze für die Vermutung reiner Anlegerinteressen? Fraglich ist, ob die Beteiligungsgröße, bei der eine rein vermögensorientierte Beteiligung vermutet wird, höher angesetzt werden kann. Im Schrifttum wird ein Beteiligungsquorum in Höhe von 5 % des Grundkapitals als Grenzwert für die Vermutung angesehen, dass eine rein auf Vermögensinteressen ausgerichtete Mitgliedschaft vorliegt.388 Die Überschreitung der 5 %-Schwelle in Bezug auf einen Ausschluss der Minderheit wird als problematisch in Hinblick auf das Mitgliedschaftsrecht beurteilt. Wolf hingegen vertritt die Ansicht, dass Beteiligungen bis zu 25 % rein vermögensbezogene Beteiligungen sind, wenn sich die übrigen Anteile nicht in Splitterbesitz, sondern – wie beim Squeeze-out – in einer Hand befinden.389 Er relativiert den hohen Schwellenwert aber zugleich, indem er einen Mehrheitsbeschluss wegen Treuepflichtverstoßes für anfechtbar hält, wenn eine Minderheit trotz im Einzelfall existierender mitgliedschaftlicher Interessen aus der Gesellschaft gedrängt wird.390 387
BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 („DeutscheHypothekenbank“). 388 So: Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des Umwandlungsgesetzes, 2000, S. 30; Schiel, Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt, 2009, S. 165 f.; Gurlit, NZG 2009, 601 (606); Henze, in: FS Peltzer, 2001, S. 181 (189); Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S.191 (220); Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433 (450); Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359 (1389 f.); Bachmann, ZIP 2009, 1249 (1255); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 262 Rn. 38; Bayer/Fiebelkorn, ZIP 2012, 2181 (2189); Hanau, NZG 2002, 1040 (1043); Rühland, WM 2002, 1957 (1962); Vetter, DB 2001, 743 (746); Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369 (1375). 389 Wolf, ZIP 2002, 153 (156); ähnlich auch Roth, NZG 2003, 998 (1000). 390 Wolf, ZIP 2002, 153 (157).
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Ob im Einzelfall unternehmerische Interessen der Aktionäre existieren, will er im Rahmen einer Beschlusskontrolle feststellen.391 Im Ergebnis meint Wolf, dass im Einzelfall überprüft werden muss, ob unternehmerische Interessen der Minderheit bestehen. Somit besteht auch aus seiner Sicht keine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass Aktionäre bei einem Anteilsbesitz bis zu 25 % ausschließlich Vermögensinteressen verfolgen. III. Heranziehung des Schwellenwerts von weniger als 10 % des Grundkapitals für die Vermutung reiner Anlegerinteressen 1. Squeeze-out gem. § 12 Abs. 4 FMStBG Fraglich ist, ob der Schwellenwert der Beteiligungsquote für die unwiderlegliche Vermutung vom Vorliegen reiner Vermögensinteressen der Aktionäre, bei weniger als 10 % des Grundkapitals anzusetzen ist. Einen ersten Anhaltspunkt liefert § 12 Abs. 4 FMStBG392. Im Zuge der Finanzmarktkrise hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 4 FMStBG die Möglichkeit geschaffen, Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen, die mit weniger als 10 % am Grundkapital beteiligt sind. Da § 12 Abs. 4 FMStBG ausdrücklich auf die §§ 327a ff. AktG verweist, handelt es sich bei dem Squeeze-out nach § 12 Abs. 4 FMStBG um eine Modifizierung des aktienrechtlichen Squeeze-out. Es stellt sich demnach die Frage, ob § 12 Abs. 4 FMStBG eine Entscheidung des Gesetzgebers enthält, die Schwelle für den Ausschluss von Minderheitsaktionären von weniger als 5 % generell bei weniger als 10 % des Grundkapitals anzusetzen. § 12 Abs. 4 FMStBG ist Bestandteil der gesetzgeberischen Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Stabilität der Finanzmärkte zur Zeit der Finanzmarktkrise wiederherzustellen. Es handelt sich somit um eine Ausnahmevorschrift, die infolge akuten Handlungsbedarfs geschaffen wurde. Der Squeeze-out gem. § 12 Abs. 4 FMStBG ist dementsprechend an besondere Voraussetzungen geknüpft, die den Ausnahmecharakter dieser Regelung verdeutlichen. So ist § 12 Abs. 4 FMStBG gem. § 1 FMStBG nur auf Unternehmen des Finanzsektors im Sinne des § 2 FMStFG393 anwendbar, denen zum Zwecke der Stabilisierung des Finanzmarktes Stabilisierungsmaßnahmen gewährt werden. Ferner ist vorausgesetzt, dass der Finanzmarktstabilisierungsfonds des Bundes (FMS)394 im Sinne von § 1 FMStFG tätig wird und dies nur im Rahmen seiner Aufgaben nach § 2 FMStFG.
391
Wolf, a.a.O. (Fn. 702). Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz v. 17. Oktober 2008, BGBl. I S. 1982. 393 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz v. 17. Oktober 2008, BGBl. I S. 1982. 394 Auch als Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung – SoFFin bezeichnet, vgl. Schlitt/Ries, in: MüKo, AktG, Band 6, § 35 WpÜG Rn. 49a. 392
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Die Auffassung vom Ausnahmecharakter von § 12 Abs. 4 FMStBG teilt auch das OLG München. In einer Entscheidung, in der es um den Ausschluss von Aktionären der Hypo Real Estate Holding AG gem. § 12 Abs. 4 FMStBG ging, sah das OLG München die Absenkung des Aktienquorums des Mehrheitsgesellschafters auf 90 % (= Erhöhung des Schwellenwerts der Minderheitsbeteiligung auf weniger als 10 %) gem. § 12 Abs. 4 FMStBG in Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG als angemessen und verhältnismäßig an.395 Es betonte aber, dass nicht die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer generellen Absenkung des Mehrheitsquorums auf 90 % Gegenstand der Entscheidung sei, sondern es um die Verfassungsmäßigkeit der Absenkung des Schwellenwerts in einem segmentellen Bereich des Gesellschaftsrechts gehe. Da § 12 Abs. 4 FMStBG an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sei und zudem den bisherigen Aktionären bei einer späteren Wiederveräußerung der Anteile ein Bezugsrecht nach § 13 FMStBG396 eingeräumt werde, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Absenkung des Aktienquorum auf 90 % in § 12 Abs. 4 FMStBG.397 Das OLG München hat den Sondercharakter dieser Regelung bestätigt. Mit dem OLG München ist daher davon auszugehen, dass § 12 Abs. 4 FMStBG eine Ausnahmevorschrift ist und nur deshalb die Erhöhung des Schwellenwerts zum Ausschluss der Minderheit auf weniger als 10 % verfassungsgemäß ist. 2. Umwandlungsrechtlicher Squeeze-out gem. § 62 Abs. 5 UmwG Einen anderen Anhaltspunkt dafür, dass bei einer Beteiligung mit weniger als 10 % des Grundkapitals reine Anlegerinteressen zu vermuten sind, liefert die im Jahre 2011 eingeführte Möglichkeit eines verschmelzungsspezifischen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG.398 Die Norm sieht vor, dass die Hauptversammlung einer übertragenden AG die Minderheit aus der Gesellschaft ausschließen kann, wenn sie von einer anderen AG mit einem Anteil von 90 % beherrscht wird und auf diese verschmolzen werden soll. Minderheiten mit einem Anteilsquorum von weniger als 10 % können auf diesem Wege aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die Frage, ob mit dieser Regelung eine über den Anwendungsbereich von § 62 Abs. 5 UmwG hinausgehende, generelle Absenkung des Mehrheitsquorums für einen Squeeze-out auf 90 % beabsichtigt ist, wird vom Gesetzgeber selbst negativ beantwortet. Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG ausdrücklich gegen eine generelle, ebenfalls für den Squeeze-out nach § 327a AktG geltende, Absenkung des Mehrheitsquorums auf 90 % ausgesprochen und eine Änderung des § 327a AktG unterlassen. Es müsse 395
Verfassungsrechtliche Bedenken hingegen äußert Gurlit, NZG 2009, 601 (606). Inzwischen aufgehoben mit Wirkung vom 1.3. 2012 durch Gesetz vom 24.2. 2012, BGBl. I S. 206. 397 OLG München, Urt. v. 28.9. 2011 – 7 U 711/11 = NZG 2011, 1227 (1228). 398 Eingeführt durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (3. UmwÄndG), BGBl. I 2011, 1338 v. 14.7. 2011. 396
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in verfassungsrechtlicher Hinsicht sichergestellt sein, dass „grundsätzlich nur solche Aktionäre ausgeschlossen werden können, deren Anlegerinteresse sich angesichts des Fehlens realer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung auf die vermögensrechtliche Komponente konzentriert“.399 Der Schwellenwert von 90 % des Grundkapitals wurde daher nur für den verschmelzungsspezifischen Squeeze-out abgesenkt und der Ausschluss der Minderheit an weitere Voraussetzungen geknüpft. So muss der Squeeze-out gem. § 62 Abs. 5 Sätze 1 und 2 UmwG mit dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags sachlich und zeitlich zusammenhängen und wird gem. § 62 Abs. 5 Satz 7 UmwG nur wirksam, wenn die Verschmelzung anschließend tatsächlich durchgeführt wird. § 62 Abs. 5 UmwG ist somit nach der Intention des Gesetzgebers als Sonderform des Squeezeout ausgestaltet, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Betrachtet man jedoch die rechtstatsächlichen Auswirkungen der Regelung zum umwandlungsrechtlichen Squeeze-out, kommt man zwangsläufig zum Ergebnis, dass der Gesetzgeber das Mehrheitsquorum für den Ausschluss von Minderheitsaktionären faktisch auf 90 % des Grundkapitals abgesenkt hat.400 Zwar wurde der Squeeze-out nach § 62 Abs. 5 UmwG an besondere Voraussetzungen geknüpft, die einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Verschmelzung herstellen. Jene zusätzlichen Voraussetzungen können in der Praxis aber durch entsprechende Gestaltungsmaßnahmen problemlos geschaffen werden, die nach h.M. nicht rechtsmissbräuchlich sind.401 Beispielsweise kann eine 90 %-ige Beteiligung des Hauptaktionärs in eine neu gegründete AG eingebracht und anschließend die Konzernverschmelzung gem. § 62 Abs. 5 UmwG durchgeführt werden.402 Deshalb wird dem umwandlungsrechtlichen Squeeze-out im Schrifttum eine sehr große praktische Bedeutung zugesprochen und davon ausgegangen, dass nunmehr bei Mehrheitsquoren zwischen 90 % und 95 % häufig auf diese neue Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern zurückgegriffen wird.403 Ferner ist kein Grund für die Unterscheidung der bisherigen Squeeze-out-Varianten von der umwandlungsrechtlichen Squeeze-out-Variante in Bezug auf die er399
Begründung-RegE zum 3. UmwÄndG, BT-Drucksache 17/3122, S. 13. So Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2010, 271 (272); Freytag, BB 2011, 1731 (1734). 401 Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 62 Rn. 32d; Bayer/Schmidt, ZIP 2010, 953 (961); Freytag, BB 2010, 1611 (1617); Heckschen, NZG 2010, 1041 (1045); Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2010, 271 (272); a.A. Wagner, DStR 2010, 1629 (1634). Der BGH hat die Rechtsmissbräuchlichkeit des Mehrheitsbeschlusses bisher für den Squeeze-out nach § 327a AktG selbst dann verneint, wenn die 95 %-ige Anteilsinhaberschaft des Mehrheitsgesellschafters nur zeitweilig im Wege einer Wertpapierleihe herbeigeführt wird, vgl. BGH, Urteil v. 16.3. 2009 – II ZR 302/06 = NJW-RR 2009, 828. 402 Zu weiteren Gestaltungsvarianten, vgl.: Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2549 ff.); Kiefner/Brügel, AG 2011, 525 (534 ff.); Packi, ZGR 2011, 776 (783 ff.). 403 Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2551); Freytag, BB 2011, 1731 (1734); Heckschen, NZG 2010, 1041 (1044); Packi, ZGR 2011, 776 (781 f.); Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (663). 400
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forderliche Mehrheitsbeteiligung ersichtlich. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Rationalisierungsinteresse der Mehrheit nur deshalb besonders schützenswert sein soll, weil die Umstrukturierung durch eine Verschmelzung erfolgt.404 Der Gesetzgeber stellt in der Gesetzesbegründung zum neuen § 62 Abs. 5 UmwG fest, dass selbst mit einem Kapitalanteil von 10 % typischerweise noch keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung verbunden sind und daher bei den von § 62 Abs. 5 UmwG erfassten Konstellationen regelmäßig nicht davon auszugehen ist, dass Minderheitsaktionäre betroffen sind, die ein über die reine Kapitalanlage hinausgehendes Bestandsinteresse haben.405 Entscheidend für ein Abstellen auf den Schwellenwert von 90 % Mehrheitsbeteiligung bzw. weniger als 10 % Minderheitsbeteiligung in Bezug auf die Vernachlässigung des Bestandschutzes ist aber, dass auch der Europäische Gesetzgeber davon ausgeht, dass Beteiligungen von weniger als 10 % keinen besonderen Bestandschutz genießen.406 Mit dem 3. UmwÄndG wurde die Änderungsrichtlinie 2009/109/EG407 umgesetzt, die Vorgaben für die Verschmelzungsrichtlinie408 enthält. Die Schwelle von 90 % für das Mehrheitsquorum ist gem. Art. 27 und 28 der Verschmelzungsrichtlinie zwingend vorgegeben. Daher durfte der deutsche Gesetzgeber nicht von dieser Vorgabe abweichen. Auch ist der Schwellenwert für das Mehrheitsquorum generell für den Squeezeout in vielen Rechtsordnungen in Europa bei 90 % angesetzt. So ist ein Squeeze-out generell schon ab einem Anteilsquorum von 90 % in Dänemark, Österreich, Schweden, Norwegen und Finnland möglich, unter zusätzlichen Voraussetzungen auch in Spanien, Portugal und Großbritannien.409 IV. Keine relevanten Unterschiede in Bezug auf die Mitverwaltungsrechte bei Beteiligungen von weniger als 5 % und weniger als 10 % Die Herabsetzung des Mehrheitsquorums für den Fall des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out auf 90 % des Grundkapitals ist nach herrschender Auffassung mit 404 So auch Bayer/J. Schmidt, ZIP 2010, 953 (961); Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2549); Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (679). 405 Begründung-RegE zum 3. UmwÄndG, BT-Drucksache 17/3122, S. 13. 406 So auch Packi, ZGR 2011, 776 (785). 407 RL 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9. 2009 zur Änderung der RL 77/91/EWG, 78/855/EWG, 82/891/EWG des Rates sowie der RL 2005/56/EG hinsichtlich der Berichts- und Dokumentationspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen , ABl. EU v. 2.10.2009, L 259/14. 408 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl. EG v. 20.10. 1978, L 295/36. 409 Angabe aus Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2549).
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dem Anteilseigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.410 Die h.M begründet ihre Auffassung im Wesentlichen damit, dass keine Unterschiede hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der Aktionäre zwischen Beteiligungen von weniger als 10 % und solchen von weniger als 5 % bestehen.411 Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass selbst mit einem Kapitalanteil von bis zu 10 % typischerweise noch keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung verbunden sind.412 Das OLG Hamburg hat sich dieser Argumentation angeschlossen und die Herabsenkung des Mehrheitsquorums auf 90 % beim umwandlungsrechtlichen Squeeze-out für verfassungsmäßig erachtet.413 Diese Auffassung überzeugt. Das AktG gewährt zusätzliche Minderheitsrechte erst ab dem Erreichen eines Anteilsquorums von 10 %. Dabei handelt es sich jedoch ohnehin meist um Vetorechte der Minderheit gegen den Verzicht der Hauptversammlung auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft. Die beiden wichtigsten Fälle betreffen den Verzicht von Ersatzansprüchen gegen Vorstand und Aufsichtsrat gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG (i.V.m. § 116 Satz 1 AktG) sowie gegen den gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens gem. § 309 Abs. 3 Satz 1 AktG. Daneben existieren weitere Vetorechte in §§ 50 Satz 1, 117 Abs. 4, 147 Abs. 2 Satz 2 AktG. Ferner kann eine Minderheit mit einer Kapitalbeteiligung von 10 % die Abstimmung über die gesonderte Entlastung eines einzelnen Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieds gem. § 120 Satz 2 AktG verlangen, einen Beschluss über den Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern gem. § 137 AktG beantragen und die Einberufung einer gesonderten Versammlung oder die Bekanntmachung eines Gegenstands zur gesonderten Abstimmung bei gewissen Sonderbeschlüssen gem. § 138 Satz 3 AktG verlangen. Diese Rechte betreffen jedoch lediglich die Vermögensinteressen der Aktionäre bzw. das Beschlussverfahren414, so dass sie in Hinblick auf die Einflussnahmemöglichkeiten auf die Gesellschaft ohnehin hätten unberücksichtigt bleiben können.
410
OLG Hamburg, Beschluss v. 14.6. 2012 ¢ 11 AktG 1/12 = NZG 2012, 944 (945); Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012; Absch. 7.01 Rn. 3.18 Fn. 28; Austmann, NZG 2011, 684 (689); Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2549); Diekmann, NZG 2010, 489 (490); Drinhausen, BB 2012, 2077 (2078); Heckschen, NZG 2010, 1041 (1044); Kiefner/Brügel, AG 2011, 525 (527) Packi, ZGR 2011, 776 (787 f.); Stephanblome, AG 2012, 814 (819 f.); kritisch in Bezug auf Rechtfertigung der Herabsenkung des Schwellenwerts auf 90 % allein durch Verknüpfung mit der Verschmelzung, Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (678 f.). 411 Austmann, NZG 2011, 684 (689); Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2548); Heckschen, NZG 2010, 1041 (1045); Kiefner/Brügel, AG 2011, 525 (527, 534); Stephanblome, AG 2012, 814 (820). 412 Begründung-RegE zum 3. UmwÄndG, BT-Drucksache 17/3122, S. 13. 413 OLG Hamburg, Beschluss v. 14.6. 2012 – 11 AktG 1/12 = NZG 2012, 944 (945). 414 Begründung-RegE zum 3. UmwÄndG, BT-Drucksache 17/3122, S. 13; Bungert/Wettich, DB 2010, 2545 (2548).
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Mit der Erreichung eines Anteilsquorums von weniger als 10 % geht insgesamt betrachtet keine im Vergleich zu einer Beteiligung von weniger als 5 % relevante Erweiterung der Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft einher. Es kann bei einer Beteiligung an einer AG in Höhe von weniger als 10 % noch von einer Restminderheit gesprochen werden, so dass der Zweck des Squeeze-out, eine Restminderheit auszuschließen, erfüllt ist.415
F. Weitergehender Bestandschutz bei der GmbH Betrachtet man die Gründe, die für die Vernachlässigung des Bestandschutzes der Mitgliedschaft sprechen, so lässt sich insgesamt feststellen, dass sie auf der Vorstellung von einer großen Publikumsgesellschaft mit zahlreichen Gesellschaftern aufbauen, deren Anteile sich bis zu einem gewissen Prozentsatz in Streubesitz befinden. Die Idee von der Doppelstellung416 des Aktionärs ist sehr stark von kapitalmarktrechtlichen Gedanken geprägt. Das Bild des Kleinanlegers, der kein Interesse an der Leitung des Unternehmens hat, ist ebenfalls mit Blick auf große Publikumsgesellschaften entstanden. Das Kriterium der unverhältnismäßig hohen laufenden Kosten, die durch geringe Restminderheiten verursacht werden, spielt bei einer geringen Gesellschafterzahl ebenfalls kaum eine Rolle. Letztlich ist das Bild vom kleinen Anlegergesellschafter nahezu ausschließlich durch das Bild vom Kleinaktionär geprägt. Sämtliche Aspekte, die für eine Vernachlässigung der unternehmerischen Komponente des Mitgliedschaftsrechts sprechen, lassen sich daher nicht ohne weiteres auf die Rechtsform der GmbH übertragen. Eine Unterscheidung zwischen Anlegergesellschaftern und Unternehmergesellschaftern im hier gemeinten Sinne417 ist bei der GmbH nicht veranlasst. In der GmbH ist der Gesellschafter regelmäßig am Unternehmen interessiert.418 Anders als die AG, deren wirtschaftliche Bedeutung in ihrer Funktion als Kapitalsammelbecken419 liegt, ist die GmbH ihrer Struktur nach nicht auf große Publikumsgesellschaften ausgerichtet.420 Der GmbH liegt das Leitbild zugrunde, wonach sie ein zwischen dem „kapital- und dem personengesellschaftsrechtlichen Strukturtyp stehender Verband“421 ist. Die GmbH ist stärker personalistisch ausgestaltet, was sich etwa in der dominierenden Stellung der Gesellschafterversammlung, dem solidarischen Einstehenmüssen bei der Ausfallhaftung gem. §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG und in der weitgehenden Gestaltungsfreiheit 415 Der Gesetzgeber betont dies ausdrücklich, vgl. Begründung-RegE zum 3. UmwÄndG, BT-Drucksache 17/3122, S. 13. 416 Zur Doppelrolle des Aktionärs vgl. § 8 D. I. 417 Zum Begriff des Unternehmergesellschafters im hier gemeinten Sinne siehe oben unter § 8 D. I. 418 Kindler, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 669 (675). 419 Statt aller: Habersack, in: Müko, AktG, Einl. Rn. 5. 420 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Einl. Rn. 6. 421 Michalski, in: Michalski, GmbHG, System. Darstellung I Rn. 2.
§ 8 Von Art. 14 Abs. 1 GG gebotener Minimalschutz des Anteilseigentums
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in Bezug auf den Gesellschaftsvertrag zeigt.422 Darüber hinaus verursachen die Gesellschafterversammlungen bei der GmbH deutlich geringere Kosten, da keine den §§ 121 bis 128 AktG vergleichbaren Normen existieren und überdies die wenigen gesetzlichen Anforderungen für das Abhalten einer Gesellschafterversammlung im Gesellschaftsvertrag stark reduziert werden können.423 Die Rechtstatsachen bestätigen das Leitbild von der stärker personalistisch geprägten GmbH. Tatsächlich haben die meisten GmbH wenig Gesellschafter. Ca. 25 % der GmbH sind Einmann-GmbH.424 Rund 70 % der GmbH sind personalistisch strukturierte GmbH, die aus drei bis fünf Gesellschaftern bestehen425 und somit „keine bloße Vermögensgemeinschaft von Eigenkapitalgebern, sondern eine Tätigkeitsgemeinschaft“426 bilden. Großunternehmen werden hingegen nur selten als GmbH betrieben.427 Die Vermutung, ein GmbH-Gesellschafter sei Anlegergesellschafter, der mit seiner Beteiligung ausschließlich Vermögensinteressen verfolgt, ist mit der gesetzlich vorgegebenen Struktur und dem Leitbild der GmbH daher nicht vereinbar. Die Zahlen belegen, dass die Realität dem gesetzlichen Leitbild der GmbH entsprich. Reine Anlegergesellschafter sind in einer GmbH regelmäßig nicht anzutreffen. Die Mitgliedschaft in der GmbH genießt daher grundsätzlich einen größeren Bestandschutz als in der AG. Rechtsprechung und Literatur gehen vom größeren Bestandschutz der Mitgliedschaft bei der GmbH aus. So darf der Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters nur aus wichtigem Grund erfolgen. Aus diesem Grunde sind etwa sogenannte Hinauskündigungsklauseln im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich unzulässig, die den Ausschluss eines Gesellschafters in das freie Ermessen der anderen Gesellschafter stellen.428 Auch bestehen nach Rechtsprechung429 und Literatur430 im Vergleich zum tendenziell anonymen Aktionär stärkere Treuepflichten. Der BGH hat bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1954 ausgeführt, dass die Treupflicht der 422
Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 18; siehe auch Martens, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 199, S. 607 (629). 423 Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (674). 424 Grziwotz, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 1 Rn. 32. 425 Grziwotz, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 1 Rn. 31. 426 So Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 37. 427 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Einl. Rn. 6; Grziwotz, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 1 Rn. 35. 428 BGH, Urteil v. 09.07. 1990 – II ZR 194/89 = NJW 1990, 2622; BGH, Urteil v. 19.9. 2005 – II ZR 173/04 = NZG 2005, 968; Goette, Die GmbH, 2002, S. 179 Rn. 14; Kort, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 29 Rn. 33, 38; zum größeren Bestandschutz bei der GmbH siehe auch: Kindler, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 669 (675); Martens, in: FS 100 Jahre GmbHGesetz, 1992, S. 607 (629 f.); Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (685 f.). 429 BGH, Urteil v. 5.6. 1975 – II ZR 23/74 („ITT“) = NJW 1976, 191. 430 Grundlegend M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, passim; Merkt, in: MüKo, GmbHG, § 13 Rn. 90; Wicke, in: Wicke, GmbHG, § 13 Rn. 19; Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, § 53a Rn. 12; Dreher, DStR 1993, 1632 (1634).
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Gesellschafter einer GmbH größer und stärker ist als die Treupflicht der Aktionäre, da die Beziehungen der Gesellschafter einer GmbH untereinander und zur Gesellschaft in der Regel enger sind, als dies bei der Aktiengesellschaft der Fall ist.431 Die Treuepflicht des GmbH-Gesellschafters kann sogar dazu führen, dass er sein Stimmrecht in einer bestimmten Weise ausüben muss, um die erforderliche Mehrheit für einen notwendigen Beschluss zu erreichen.432 Die Annahme einer derart starken Treuepflicht setzt voraus, dass der Gesellschafter ein Interesse an der unternehmerischen Mitgestaltung hat und nicht bloß ein Investor ist, der ausschließlich an seiner Anlage interessiert ist. Der Gesetzgeber stützt ebenfalls die These vom größeren Bestandschutz der Mitgliedschaft bei der GmbH, indem er alle Squeeze-out-Regelungen433 lediglich für die Rechtsform der AG vorgesehen hat.434
G. Ergebnis Die Mitgliedschaft in der Kapitalgesellschaft genießt im Grundsatz Bestandschutz durch Art. 14 Abs. 1 GG. Der Bestandschutz wird durch einen reinen Vermögensschutz ersetzt, wenn bei einer Beteiligung ausschließlich Vermögensinteressen bestehen. Für Beteiligungen von weniger als 10 % des Grundkapitals, ist unwiderleglich zu vermuten, dass ausschließlich Vermögensinteressen existieren. Bei größeren Kapitalanteilen kann selbst bei Börsennotierung bzw. Kapitalmarktnähe der Gesellschaft nicht davon ausgegangen werden, dass reine Anlegeraktionäre von einer Mehrheitsentscheidung betroffen sind. Für die GmbH gibt es keine Vermutung für die Existenz von Anlegergesellschaftern. Die Mitgliedschaft in der GmbH kann daher auch bei einer Anteilsquote unter 10 % nicht generell auf das Vermögensinteresse reduziert werden. Daraus folgt, dass der durch Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Mindestschutz für das Anteilseigentum im Sinne des Untermaßverbots erstens die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse, zweitens den vollen Ersatz des Vermögensinteresses sowie drittens einen effektiven Rechtsschutz umfasst. Der Bestand der Mitgliedschaft ist hingegen nur bei Mitgliedschaften von Unternehmergesellschaftern im hier gemeinten Sinne435 vom Schutzminimum erfasst. In AG kann für Beteiligungen mit weniger als 10 % des Grundkapitals ausgeschlossen werden, dass sie von Unternehmergesellschaftern gehalten werden. Bei GmbH-Gesellschaftern 431
BGH, Urteil v. 9.6. 1954 – II ZR 70/53 = BGHZ 14, 25 (37 f.). BGH, Urteil v. 25.09. 1986 – II ZR 262/85 = NJW 1987, 189; vgl. auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 111. 433 Zu den gesetzlichen Regelungen über einen Squeeze-out vgl. § 327a AktG, § 39a WpÜG, § 62 Abs. 5 UmwG, § 12 Abs. 4 FMStBG. 434 Eine analoge Anwendung der Squeeze-out-Regelungen findet für die GmbH nicht statt, vgl. Kort, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 29 Rn. 32a. 435 Zum Begriff des Unternehmergesellschafters im hier gemeinten Sinne siehe oben unter § 8 D. I. 432
§ 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle
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kann hingegen nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um Unternehmergesellschafter handelt.
§ 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle Liegen die unter § 7 und § 8 entwickelten Voraussetzungen für eine materielle Beschlusskontrolle vor, stellt sich die Frage nach dem „Wie“ einer solchen Kontrolle, also nach deren Maßstab. Der Maßstab der materiellen Beschlusskontrolle orientiert sich an den durch Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Mindestanforderungen für den Schutz des Anteilseigentums. Wird das durch Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Mindestmaß an Schutz unterschritten, muss das Gericht im Rahmen der materiellen Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses den in Bezug auf das Anteilseigentum der Minderheit gebotenen Schutz wiederherstellen.
A. Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse Es wurde gezeigt, dass zu dem aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Mindestschutz die Einhaltung des Gesellschaftszwecks gehört.436 Das gemeinsame Interesse aller Gesellschafter an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks wird als Gesellschaftsinteresse beschrieben. Das Gesellschaftsinteresse ist das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks.437 Daraus folgt, dass jeder Mehrheitsbeschluss, der in die mitgliedschaftliche Rechtsposition der Minderheit eingreift, grundsätzlich auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse überprüft werden muss. Eine solche Kontrolle erfolgt nicht, wenn bereits das Gesetz die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse gewährleistet und auf diese Weise das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum sicherstellt. In diesem Fall fehlt es mangels eines Schutzdefizits schon an einer der Anwendungsvoraussetzungen für die inhaltliche Beschlusskontrolle.
436
Siehe § 8 B. I 3. Siehe § 8 B. I. 1. So auch: Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 4; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 12; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134 f.; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (846); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 95; Kuhner, ZGR 2004, 244 (246); Lutter, ZGR 1981, 171 (177); Zöllner, AG 2003, 2 (7). 437
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
I. Der Inhalt des Gesellschaftsinteresses 1. Bestehende Diskussion über den Inhalt des Unternehmensinteresses als Grenze zulässigen Vorstandshandelns bei der AG Das Gesellschaftsinteresse wurde definiert als das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks.438 Als kollektiviertes Interesse der Gesellschafter steht es über den Partikularinteressen der einzelnen Gesellschafter.439 Erfolgt eine Beschlusskontrolle, ist in deren Rahmen zu prüfen, ob der Mehrheitsbeschluss im Gesellschaftsinteresse liegt. In einer Gesellschaft mit erwerbswirtschaftlichem Zweck ist das gemeinsame Interesse aller Gesellschafter auf die Ertragsmaximierung und die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft gerichtet.440 In Bezug auf die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses im Einzelfall stellt sich die Frage, ob zum Gesellschaftsinteresse neben den Zweckerreichungsinteressen der Gesellschafter auch die Interessen der stakeholder gehören. Als stakeholder werden diejenigen Personen bezeichnet, die nicht an der Gesellschaft beteiligt sind, aber mit der Gesellschaft in einer rechtlichen Verbindung stehen und mehr oder minder von der Gesellschaft abhängig sind, so dass es für sie ebenfalls von Bedeutung ist, wie sich die Gesellschaft, insbesondere das Unternehmen der Gesellschaft, entwickelt. Zur Gruppe der stakeholder gehören die Gläubiger der Gesellschaft, ihre Arbeitnehmer und ihre sonstigen Vertragspartner sowie die allgemeine Öffentlichkeit.441 Im Aktienrecht wird die Frage, ob die Interessen der stakeholder berücksichtigt werden müssen, bislang in Zusammenhang mit dem Begriff des Unternehmensinteresses diskutiert. Das Unternehmensinteresse bildet den Rahmen für zulässiges Vorstandshandeln. Der Vorstand hat die Aktiengesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung zu leiten. Er hat bei seinen Entscheidungen folglich einen Ermessensspielraum.442 Dieser Ermessensspielraum ist begrenzt durch das Unternehmensinteresse, an dem der Vorstand stets sein Handeln ausrichten muss. Es ist umstritten, was das Unternehmensinteresse beinhaltet. Ein Teil der Literatur vertritt 438 Siehe § 8 B. I. 1. So auch: Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 4; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 12; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134 f.; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (846); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 95; Kuhner, ZGR 2004, 244 (246); Lutter, ZGR 1981, 171 (177); Zöllner, AG 2003, 2 (7). 439 Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (840); Mülbert, ZGR 1997, 129 (141). 440 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 13; Mülbert, ZGR 1997, 129 (158); Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (467); Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 74; ders., Gutachten im Auftrag der HansBöckler-Stiftung, 2008, S. 13; Semler, in: FS Hopt, 2010, S. 1391 (1392). 441 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 29; ähnlich auch: Kort, AG 2012, 605 (605). 442 N. Huber, Die Reichweite konzernbezogener Compliance-Pflichten des Mutter-Vorstands des AG-Konzerns, 2013, S. 72.
§ 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle
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die Ansicht, dass das Unternehmensinteresse nicht nur die Interessen der Aktionäre (shareholder) erfasst, sondern dass auch die Interessen der stakeholder gleichrangig berücksichtigt werden müssen im Sinne einer „interessenspluralistischen Zielkonzeption“.443 Die Gegenansicht vertritt das Konzept von der shareholder value und räumt den Aktionärsinteressen den Vorrang ein, wobei unterschiedliche Auffassungen über die Definition des shareholder value existieren.444 Sie reichen von einem „moderaten“ shareholder-value-Konzept445, das von einem am Gesellschaftszweck orientierten auf dauerhafte Gewinnsteigerung ausgerichteten vorrangigen Aktionärsinteresse ausgeht und die Interessen der stakeholder nur nachrangig berücksichtigt bis zu einem extremen shareholder-value-Konzept446, das ausschließlich die auf kurzfristige Steigerung des Aktienkurses abzielenden Aktionärsinteressen für maßgeblich hält. 2. Gleiche Bedeutung des Begriffspaares Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse Fraglich ist, ob diese Diskussion auf das hier thematisierte Gesellschaftsinteresse übertragbar ist. Die beiden Begriffe Unternehmensinteresse und Gesellschaftsinteresse werden in der Literatur je nach Kontext meist unterschiedlich verwendet. Der Begriff des Unternehmensinteresses hat sich als Richtschnur für das Vorstandshandeln etabliert, während der Begriff des Gesellschaftsinteresses primär in Zusammenhang mit Streitigkeiten unter den Gesellschaftern einer Gesellschaft verwendet wird. Nach nahezu einhelliger Ansicht wird mit dem Begriff des Unternehmensinteresses aber keine vom Gesellschaftsinteresse zu trennende Kategorie
443
Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12a; ders., in: FS Raiser, 2005, 163 (168 ff.); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 15; Semler, in: FS Hopt, 2010, S. 1391 (1393 f., 1394 Fn. 12). 444 Zum Begriff des shareholder value, vgl.: Kuhner, ZGR 2004, 244 (248 ff.); Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (446 f.). 445 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 37; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 79; ders., Gutachten im Auftrag der Hans-BöcklerStiftung, 2008, S. 13; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 76 Rn. 15; Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 22; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 20; Goslar, in: Wilsing, DCGK, 2012, 4.1.1 Rn. 18; Göppert, Die Reichweite der Business Judgment Rule bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 2010, S. 93; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 38 ff., 58; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004, S. 57; Klöhn, ZGR 2008, 110 (154 f.); Kuhner, ZGR 2004, 244 (279); Wiedemann, ZGR 2011, 183 (195); Zöllner, AG 2003, 2 (7 f.); so auch Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 54, tendenziell aber mehr in Richtung einer interessenspluralistischen Zielkonzeption gehend nun ders., AG 2012, 607. 446 Mülbert, ZGR 1997, 129 (131 ff.); vgl. aber auch Mülbert, AG 2009, 766 (772 ff.), wo er Handeln im Sinne einer corporate social responsibility dann für zulässig erachtet, wenn es der „langfristigen Ertragsstärkung“ dient und somit im Gesellschaftsinteresse liegt, was eher dem „moderaten“ shareholder value-Konzept entspricht.
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
aufgestellt.447 Zum einen existiert in Abgrenzung zur Gesellschaft kein verselbständigtes Unternehmen an sich.448 Das Unternehmen als Organisation ist nicht rechtsfähig und kann deshalb nicht Träger eigenständiger Interessen sein.449 Zum anderen spricht das Gesetz in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG vom Wohl der Gesellschaft und nicht vom Wohl des Unternehmens, woraus deutlich wird, dass das Gesellschaftsinteresse als maßgeblicher Orientierungspunkt auch für das Vorstandshandeln gilt.450 Die Rechtsprechung verwendet die Begriffe des Unternehmens- und des Gesellschaftsinteresses ebenfalls synonym für die Gesamtheit der in einer Gesellschaft existierenden Interessen.451 Da das Unternehmensinteresse gleichbedeutend ist mit dem Gesellschaftsinteresse, muss daher bestimmt werden, ob das Gesellschaftsinteresse interessenspluralistisch auszulegen ist und die Interessen der stakeholder erfasst. 3. Keine Pflicht zur gleichrangigen Berücksichtigung aktionärsfremder Interessen bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses Eine gleich- oder vorrangige Berücksichtigung anderer Interessen außer dem gemeinsamen auf die Förderung des Gesellschaftszwecks ausgerichteten Aktionärsinteresse ist bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses abzulehnen. Zum einen überzeugt die Ansicht nicht, wonach der Vorstand die Interessen der stakeholder auf Kosten der Aktionärsinteressen gleich- oder vorrangig berücksichtigen muss. Zum anderen führte eine Pflicht des Vorstands zur gleich- oder vorrangigen Berücksichtigung von stakeholder-Interessen zwangsläufig dazu, dass auch die 447 Vgl. zum synonymen Gebrauch der Begriffe etwa: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 25; Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 23; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 52 ff.; vgl. auch Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (445 f.); Mülbert, AG 2009, 766 (772), lehnt den Begriff des „Unternehmensinteresses“ gänzlich ab und sieht allein das Gesellschaftsinteresse als Leitlinie auch für das Handeln der Verwaltungsorgane an. 448 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 15; Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 64; Kort, AG 2012, 605 (605); Zöllner, AG 2003, 2 (8); zur a.A. aus dem älteren Schrifttum vgl. Nachweise bei Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 69 Fn. 3. 449 Zöllner, AG 2003, 2 (8). 450 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 93 Rn. 15; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, § 93 Rn. 23. 451 So auch das Ergebnis einer Analyse der Rechtsprechung von: Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 23; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004, S. 77; dazu siehe z. B.: BGH, Urteil v. 18.3. 2002 – II ZR 369/00 = NZG 2002, 636 (638): „das geschäftsführende Organ [ist] berechtigt und verpflichtet, im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Interesse der Gesellschaft über das eingebrachte Vermögen zu verfügen“; BGH, Beschluss v. 8.5. 1995 – NotZ 28/94 = DNotZ 1996, 219 (222): „angesichts der aus seiner Organstellung erwachsenen Pflicht, die Gesellschaftsinteressen zu wahren und zu fördern“; hingegen BGH, Urteil v. 21.4. 1997 – II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1928) („ARAG/ Garmenbeck“): „die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes […] unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind […] oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss“.
§ 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle
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Hauptversammlung diese Interessen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen müsste.452 Ein solches Ergebnis ist mit der Grundidee der Kapitalgesellschaft als Zusammenschluss der Gesellschafter nicht vereinbar. Richtigerweise hat der Vorstand sein Handeln allein an den Aktionärsinteressen – im Sinne eines kollektivierten Interesses der Aktionärsgesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks – auszurichten.453 Der Vorstand ist gem. § 82 Abs. 2 AktG an die Satzung gebunden, die unter anderem insbesondere den Unternehmensgegenstand festlegt. Zwar ist der Gesellschaftszweck nicht notwendiger Bestandteil der Satzung einer AG.454 Es ist im Aktienrecht anerkannt, dass zwischen dem Unternehmensgegenstand und dem Gesellschaftszweck differenziert werden muss.455 Der Gesellschaftszweck ergibt sich in der Regel aus dem Unternehmensgegenstand, andernfalls ist er gesondert anzugeben.456 Der Vorstand ist daher auch an den Gesellschaftszweck gebunden.457 Bei einem erwerbswirtschaftlichen Zweck der Gesellschaft hat der Vorstand demnach stets das Ziel der Ertragsmaximierung zu verfolgen.458 Die Ertragsmaximierung ist dabei aber nicht im Sinne eines extremen shareholder-value Konzepts zu verstehen, das ausschließlich die kurzfristige Gewinn- und Kurssteigerung als primäres Aktionärsinteresse ansieht, sondern im Sinne einer auf die dauerhafte Rentabilität ausgerichteten Leitung der Gesellschaft.459 Dies schließt nicht aus, dass Interessen der stakeholder tatsächlich berücksichtigt werden.460 Voraussetzung für ihre Berücksichtigung ist aber, dass sie mit dem Gesellschaftszweck vereinbar sind und diesem nicht zuwiderlaufen. Es ist deutlich zu trennen zwischen der Festlegung des rechtlichen Rahmens für das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse und der Frage, ob einzelne Entscheidungen des Vorstands innerhalb dieses rechtlich festgelegten Rahmens liegen.461 Der rechtliche Rahmen des Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresses beinhaltet die Ausrichtung des Vorstands allein an den Aktionärsinteressen im Sinne eines kollektivierten Interesses der Aktionärsgesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob einzelne Entschei452
So auch Zöllner, AG 2000, 145 (146 f.). Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 76 Rn. 14 ff.; Mülbert, AG 2009, 766 (772). 454 Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 18. 455 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22. Siehe auch oben § 8 B. I. 2. 456 So für die GmbH: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rn. 5. 457 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 37; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 16; Mülbert, ZGR 1997, 129 (141). 458 Kort, NZG 2012, 926 (929); so auch Semler, in: FS Hopt, 2010, S. 1391 (1394). 459 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 14; ders., in: FS Raiser, 2005, 163 (180); Kort, in: GroßKommAktG, § 76 Rn. 52; Spindler, in: MüKo, AktG, § 76 Rn. 75; so auch: Mülbert, AG 2009, 766 (772); tendenziell für eine Ausrichtung an kurzfristigen Gewinn- und Kurssteigerungen noch: ders., ZGR 1997, 129 (131 ff.). 460 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 38; Zöllner, AG 2003, 2 (8); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 20. 461 Kort, AG 2012, 605 (607 f.). 453
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dungen des Vorstands innerhalb dieses rechtlich festgelegten Rahmens liegen, also ob einzelne Entscheidungen des Vorstands dem Aktionärsinteresse an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks entsprechen und somit die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft steigern. Letzteres ist eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands, die der business judgment rule gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG unterliegt. Die Beurteilung, ob die Berücksichtigung von Interessen der stakeholder im Einzelfall die dauerhafte Rentabilität steigert und somit mit dem Gesellschaftszweck vereinbar ist, ist daher eine unternehmerische Entscheidung im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Der Vorstand kann somit nach seinem eigenen Ermessen beurteilen, ob die stakeholder-Interessen berücksichtigt werden können. Diese Entscheidung ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Meist stimmen die Interessen der stakeholder ohnehin mit dem auf den Gesellschaftszweck bezogenen Interesse der Aktionärsgesamtheit überein. Die Wahrung der Interessen der stakeholder, wie beispielsweise die Schaffung und Aufrechterhaltung eines guten Arbeitsklimas, die ordnungsgemäße Erfüllung von Vertragspflichten, aber auch gemeinwohlorientiertes Handeln, das die allgemeine Akzeptanz der Gesellschaft durch ihren Ruf als good corporate citizen462 erhöht, steigert in der Regel die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft und fördert somit den erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftszweck. Nur wenn ein Gleichlauf der Interessen nicht besteht, muss der Vorstand dem gemeinsamen Aktionärsinteresse den Vorrang geben. Die vorrangige Berücksichtigung der Aktionärsinteressen bedeutet aber nicht, dass der Vorstand den Interessen nur einzelner Aktionäre oder dem Interesse eines Mehrheitsaktionärs den Vorrang einräumen darf.463 Das Aktionärsinteresse ist stets als das kollektivierte Interesse der Aktionärsgesamtheit zu verstehen, das auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks ausgerichtet ist. Dem Interesse des einzelnen Aktionärs wird so reflexartig Rechnung getragen, da jeder Aktionär neben einem möglicherweise bestehenden Partikularinteresse, zumindest partiell ein Interesse an der Ertragsmaximierung der Gesellschaft hat.464 4. Zulässigkeit der Orientierung der Hauptversammlung ausschließlich am Aktionärsinteresse Eine Pflicht des Vorstands bzw. der Geschäftsführung zur Berücksichtigung von Interessen Dritter sowie von Gemeinwohlinteressen besteht indes nicht.465 Wäre der Vorstand zur Berücksichtigung von stakeholder-Interessen verpflichtet, führte dies dazu, dass auch die Hauptversammlung als Organ der Gesellschaft bei ihren Entscheidungen stakeholder-Interessen berücksichtigen müsste. Erstens unterscheiden 462
Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 38; kritisch gegenüber diesem Begriff: Kort, NZG 2012, 926 (927 f.). 463 So auch das OLG Frankfurt, Urteil v. 17.08. 2011 – 13 U 100/10 = AG 2011, 918; Kuhner, ZGR 2004, 244 (247). 464 Mülbert, ZGR 1997, 129 (159). 465 Kort, NZG 2012, 926 (926 f.); Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (474).
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sich die Begriffe des Unternehmens- und des Gesellschaftsinteresses, wie bereits erörtert, nicht, so dass die beiden Begriffe gleich ausgelegt werden müssen. Zweitens arbeiten Vorstand und Hauptversammlung in zahlreichen Bereichen zusammen.466 Drittens sind alle Entscheidungen des Vorstands „potentielle“ Entscheidungen der Hauptversammlung, da der Vorstand gem. § 119 Abs. 2 AktG jede Entscheidung der Hauptversammlung vorlegen kann. Eine Verpflichtung der Hauptversammlung zur Berücksichtigung aktionärsfremder Interessen ist mit dem konzeptionellen Grundverständnis der Kapitalgesellschaft als Zusammenschluss der Gesellschafter nicht vereinbar. Die Aktiengesellschaft ist in erster Linie eine „Veranstaltung der Aktionäre“.467 Die Aktionäre in ihrer Gesamtheit sind die Initiatoren und die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft. Die Aktionärsgesamtheit bestimmt letztlich, was mit der Gesellschaft passiert, da die Entscheidungskompetenz für wichtige Angelegenheiten der Gesellschaft, die über die Geschäftsführung hinausgehen, stets bei der Hauptversammlung liegt.468 Eine Pflicht der Hauptversammlung zur Berücksichtigung aktionärsfremder Interessen widerspricht daher der gesetzlichen Kompetenzverteilung. Müssten die Interessen der stakeholder bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses berücksichtigt werden, so dürfte die Hauptversammlung bei der Beschlussfassung nicht ausschließlich im eigenen Interesse entscheiden, wenn die Entscheidung beispielsweise mit den Interessen von Arbeitnehmern konfligiert.469 Hauptversammlungsbeschlüsse wären unter dem Gesichtspunkt anfechtbar, dass sie nicht mit Interessen der stakeholder vereinbar sind. Die Hauptversammlung ist aber theoretisch nicht einmal an den Gesellschaftszweck gebunden. Sie kann den Gesellschaftszweck einstimmig ändern und – gegebenenfalls nach einer Satzungsänderung – Entscheidungen treffen, die dem ursprünglichen Gesellschaftszweck widersprechen. Die Hauptversammlung darf daher bei der Beschlussfassung ausschließlich ihre eigenen Interessen, somit die Interessen der Aktionäre verfolgen. Aus den eben genannten Gründen lehnen selbst die Vertreter der interessenspluralistischen Sichtweise eine Pflicht der Hauptversammlung zur Berücksichtigung von stakeholder-Interessen ab.470 Die Ansicht, dass das Gesellschaftsinteresse in466
Zöllner, AG 2000, 145 (146 Fn. 21). Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 33; ihm folgend Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 37; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 76 Rn. 12. 468 Vgl. zur Hauptversammlungskompetenz § 119 Abs. 1 AktG; die Hauptversammlungskompetenz für grundlegende Strukturmaßnahmen der Gesellschaft ergibt sich zudem aus zahlreichen Einzelvorschriften, vgl. die §§ 179a, 293, 319, 327a AktG, 13 UmwG. 469 So auch erkannt von: Semler, in: FS Hopt, 2010, S. 1391 (1396 f.); Zöllner, AG 2000, 145 (146 f.). 470 Semler, in: FS Hopt, 2010, S. 1391 (1396 f.); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 15, die wohlgemerkt von einem eigenständigen Unternehmensinteresse ausgehen, das nicht mit dem Gesellschaftsinteresse im hier verstandenen Sinn übereinstimmt, vgl. dieselben, a.a.O. Rn. 15. 467
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teressenspluralistisch zu verstehen ist, ist abzulehnen. Es ist nicht überzeugend, dass die Interessen Dritter berücksichtigt werden, wenn der Vorstand eine Entscheidung trifft, die Interessen Dritter aber nicht berücksichtigt werden, wenn dieselbe Entscheidung gem. § 119 Abs. 2 AktG von der Hauptversammlung getroffen wird. 5. Keine Durchsetzbarkeit der interessenspluralistischen Zielkonzeption in der Praxis Gegen eine interessenspluralistische Zielkonzeption, die die Interessen der stakeholder als gleichrangig mit dem Aktionärsinteresse ansieht, spricht zudem, dass sie letztlich nicht durchsetzbar ist. Dies lässt sich am Beispiel von § 119 Abs. 2 AktG illustrieren. Die Hauptversammlung entscheidet gem. § 119 Abs. 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung, wenn der Vorstand es verlangt. Befindet sich der Vorstand einer AG nun in einer Situation, in der er sich nicht sicher ist, ob er eine bestimmte Entscheidung treffen darf, so kann er darüber gem. § 119 Abs. 2 AktG die Hauptversammlung entscheiden lassen.471 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Vorstand darüber entscheiden muss, ob er eine hohe Summe an Entschädigungszahlungen an Dritte leisten darf, die durch Produkte der Gesellschaft geschädigt wurden und keinen gesicherten Anspruch gegen die Gesellschaft haben. Will der Vorstand nach dem Gebot des sichersten Wegs kein Haftungsrisiko eingehen, so muss er aus seiner Sicht die Hauptversammlung anrufen, wenn es – wie in diesem Beispiel – um die Frage geht, ob der Vorstand die Interessen Dritter auf Kosten der AG berücksichtigen darf, da diese Frage rechtlich sehr umstritten ist. Folglich wird in diesem Fall die Hauptversammlung entscheiden, die ihre eigenen Interessen nicht hinter die Interessen Dritter stellen braucht. Ein rechtlich gut beratener Vorstand wird bei schwierigen Entscheidungen meist den Weg über § 119 Abs. 2 AktG wählen. Andernfalls aber wird er im Falle eines Interessenskonflikts im Aktionärsinteresse und gegen die Interessen der stakeholder entscheiden, da er nicht befürchten muss, von der Gesellschaft dafür in Haftung genommen zu werden. Eine Inanspruchnahme des Vorstands wegen mangelnder Berücksichtigung von Drittinteressen ist kaum denkbar, da hierzu die Mitwirkung des Aufsichtsrats erforderlich ist, der aber mehrheitlich die Interessen der Aktionäre vertritt, selbst wenn die AG der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegt. Zudem müsste die Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von stakeholder-Interessen durch den Vorstand zu einem Schaden der Gesellschaft führen. Die Nichtberücksichtigung von stakeholderInteressen führt aber in der Regel nicht zu einem Schaden der Gesellschaft.472 Aus den genannten Gründen ist die interessenpluralistische Zielkonzeption bei der Bestimmung des Unternehmensinteresses letztlich nicht durchsetzbar.473 471
So auch Philipp, AG 2000, 62 (66). Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (461). 473 Ähnlich argumentiert auch Klöhn, ZGR 2008, 110 (146 f.), der eine interessenspluralistische Sichtweise praktisch als untauglich ansieht. 472
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6. Keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht zur gleichrangigen Berücksichtigung aktionärsfremder Interessen Eine Pflicht zur Berücksichtigung von Interessen Dritter und der Allgemeinheit besteht nur, soweit es durch gesetzliche Regelungen ausdrücklich vorgeschrieben ist. Der Vorstand unterliegt einer Legalitätspflicht und muss sich gesetzeskonform verhalten.474 Er hat daher seine Entscheidungen in Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften zu treffen. Die stakeholder sind bereits durch gesetzliche Regelungen hinreichend geschützt, insbesondere durch zahlreiche Regelungen zum Gläubigerschutz sowie durch das gesamte Arbeitsrecht. Darüber hinaus muss der Vorstand aktionärsfremde Interessen nicht berücksichtigen.475 Das Gesetz sieht die Berücksichtigung der Interessen von stakeholdern im Rahmen der Ermessensausübung des Vorstands nicht vor. Eine Fortgeltung des Rechtsgedankens von § 70 Abs. 1 AktG1937, wonach der Vorstand „das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und den gemeinen Nutzen von Volk und Reich“ zu berücksichtigen hatte, besteht nicht und wird auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.476 Solange der Gesetzgeber die Berücksichtigung von stakeholder-Interessen nicht gesetzlich festschreibt, sind der Vorstand und die Hauptversammlung bei einer erwerbswirtschaftlich handelnden Gesellschaft allein dem Ziel der Ertragsmaximierung und dauerhafter Rentabilität verpflichtet.477 7. Ergebnis Im Ergebnis ist somit davon auszugehen, dass das Gesellschaftsinteresse die auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichteten gemeinsamen Interessen der Gesellschaftergesamtheit erfasst. Die Interessen Dritter, wozu insbesondere die stakeholder gehören, sowie ein Interesse der Allgemeinheit sind für die Bestimmung des Gesellschaftsinteresses ohne Bedeutung. II. Keine Verfolgung von Partikularinteressen der Mehrheitsgesellschafter Das Gesellschaftsinteresse ist das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks.478 Als gemeinsames Interesse 474
Zur Legalitätspflicht vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004, S. 100. 476 Vgl. Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 33; Mülbert, AG 2009, 766 (770). 477 Spindler, Gutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, 2008, S. 20 f.; Reiner, ZVglRWiss 2011, 443 (443). 478 Siehe § 8 B. I. 1:; so auch: Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 4; Westermann, in: Bürgers/Körber, § 76 Rn. 12; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134 f.; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (846); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 95; Kuhner, ZGR 2004, 244 (246); Lutter, ZGR 1981, 171 (177); Zöllner, AG 2003, 2 (7). 475
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der Gesellschafter steht es über den Partikularinteressen der einzelnen Gesellschafter.479 Liegen die Voraussetzungen für eine materielle Kontrolle der Mehrheitsentscheidung über eine Umwandlungsmaßnahme vor, ist im Rahmen der Beschlusskontrolle anhand des Gesellschaftsinteresses zu prüfen, ob die beschlossene Maßnahme dem gemeinsamen Interesse aller Gesellschafter an der Förderung des Gesellschaftszwecks entspricht. Die Gesellschaft trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Sie hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass es sich um eine im Gesellschaftsinteresse liegende Umwandlungsmaßnahme handelt.480 Die Gesellschaft kann sich hierzu auf den Inhalt des Umwandlungsberichts stützen, da in dem Bericht die unternehmerische Notwendigkeit481 und Zweckmäßigkeit482 der Umwandlungsmaßnahme darzulegen und zu begründen sind.483 Die geplante Maßnahme liegt nicht im Gesellschaftsinteresse, wenn der Mehrheitsgesellschafter bzw. die Gesellschaftermehrheit mit einer Maßnahme vorwiegend ihre Partikularinteressen oder externe, außerhalb der Gesellschaft liegende, Interessen verfolgt.484 Zur Feststellung, ob die Gesellschaftermehrheit vorwiegend Partikularinteressen verfolgt, sind sämtliche Kriterien zu berücksichtigen, die für das Vorliegen einer entsprechenden Interessenslage relevant sein können. Dazu zählen beispielsweise Verflechtungen des Mehrheitsgesellschafters außerhalb der konkreten Gesellschaft, insbesondere Beteiligungen an anderen Konzerngesellschaften, die es ermöglichen, dass Nachteile, die der Mehrheitsgesellschafter durch eine nicht im Gesellschaftsinteresse liegende Beschlussfassung erleidet, außerhalb der Gesellschaft kompensiert werden.485 Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen in diesem Zusammenhang daher Fallkonstellationen, in denen die Gesellschaftermehrheit auf beiden Seiten einer geplanten Maßnahme beteiligt ist. Diese als related parties transactions486 bezeichneten Fallkonstellationen, in den der Mehrheitsgesellschafter der betroffenen Gesellschaft zugleich begünstigter der Transaktion ist, sind besonders kritisch, da hierbei das Verfolgen partikularer bzw. externer Interessen des 479 Peifer, in: MüKo, AktG, § 186 Rn. 75; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 134; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 833 (840); Mülbert, ZGR 1997, 129 (141). 480 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (595 f.); Zöllner, AG 2000, 145 (153 ff.). 481 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 36; M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (27). 482 BGH, Urteil v. 22.05. 1989 – II ZR 206/88 („Kochs-Adler“) = NJW 1989, 2689 (2690); OLG Frankfurt, Beschluss v. 20.03. 2012 – 5 AktG 4/11 = AG 2012, 414 (416); Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (653 f.); für den Ausgliederungsbericht nach § 127 UmwG: Veil, ZIP 1998, 361 (362); für den Umwandlungsbericht beim Formwechsel: Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (687). 483 Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 550. 484 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585, hält deshalb die materielle Beschlusskontrolle in den Fällen für angezeigt, in den „externe“ Interessen der Gesellschafter existieren. 485 Fastrich, in: FS Kreutz, 2010, S. 585 (594). 486 Zum Begriff: Enriques/Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a., The Anatomy of Corporate Law, 2009, S. 153 ff.; Drygala, AG 2013, 198 (206).
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Mehrheitsgesellschafters naheliegt und das Risiko eines self-dealing487 des Mehrheitsgesellschafters für die Minderheit sehr hoch ist.488 III. Überprüfbarkeit der Vereinbarkeit der Auflösung des übertragenden Rechtsträgers mit dem Gesellschaftsinteresse Zum Teil wird argumentiert, dass eine Überprüfung des Verschmelzungs- und des Aufspaltungsbeschlusses anhand des Gesellschaftsinteresses ausscheidet, da die Verschmelzung sowie die Aufspaltung eine große Ähnlichkeit mit der Auflösung der Gesellschaft aufweisen und die Auflösung nach einhelliger Ansicht kontrollfrei ist.489 Begründet wird die Ähnlichkeit von Verschmelzung und Aufspaltung mit der Auflösung einer Gesellschaft damit, dass die übertragenden Rechtsträger bei sämtlichen Verschmelzungsvarianten gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG und bei der Aufspaltung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG erlöschen. Richtig ist, dass die Auflösung der Gesellschaft nicht im Gesellschaftsinteresse liegen kann, weil bei der Auflösung einer Gesellschaft die Deinvestitionsentscheidung der Gesellschafter im Vordergrund steht und die Auflösung der Gesellschaft den ursprünglichen Gesellschaftszweck abändert, indem die Liquidation der Gesellschaft als neuer Gesellschaftszweck beschlossen wird. Obwohl der Auflösungsbeschluss eine zweckändernde Maßnahme ist, gilt für ihn ausnahmsweise nicht das grundsätzlich für die Änderung des Gesellschaftszwecks bestehende Einstimmigkeitserfordernis490. Die Geltung des Mehrheitsprinzips für den Auflösungsbeschluss ergibt sich aus den §§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Die Gleichstellung von Umwandlungsmaßnahmen mit der Auflösung der Gesellschaft ist jedoch nicht überzeugend.491 Umwandlungsmaßnahmen unterscheiden sich grundlegend von der Auflösung einer Gesellschaft. Bei der Auflösung der Gesellschaft beschließt die Gesellschaftermehrheit das Kapital zu deinvestieren und die Verfolgung des Gesellschaftszwecks aufzugeben. Bei der Verschmelzung und der Aufspaltung beschließt die Gesellschaftermehrheit hingegen, den Gesellschaftszweck in rechtlich veränderter Gestalt weiterzuverfolgen, nämlich als Gesellschafter 487
Zum Begriff vgl.: Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 43 Rn. 170; Spindler, in: MüKo, AktG, § 93 Rn. 92. 488 Wiedemann, WM 2009, 1 (5). 489 Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 13 Rn. 163.24 (Stand 04/2007); M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (40); ähnlich auch: Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (659). 490 Zum Einstimmigkeitserfordernis für zweckändernde Kapitalgesellschaftsbeschlüsse vgl. unten § 11 B. II. 491 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34 Fn. 3; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 551; Binnewies, GmbHR 1997, 727 (731 f.); so auch Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (659), der aber gleichwohl eine Kontrolle anhand des Gesellschaftsinteresses ablehnt.
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der übernehmenden Gesellschaft(en).492 Umwandlungsmaßnahmen sind daher nicht mit der Auflösung einer Gesellschaft vergleichbar und können daher auf ihre Vereinbarkeit mit dem am Gesellschaftszweck orientierten Gesellschaftsinteresse überprüft werden.493 Anders als bei der einzelnen Gesellschaft ist aber zu prüfen, ob das fertige Gesamtprodukt nach der Umwandlung dem Gesellschaftsinteresse entspricht. Es ist also zu untersuchen, ob die Umwandlung wirtschaftlich sinnvoll und dem Ziel der Ertragsmaximierung und der dauerhaften Rentabilität der Gesellschaft entspricht.494
B. Gewährung einer vollständigen Vermögenskompensation Die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts ist in vollem Umfang von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.495 Eine vermögensmäßige Beeinträchtigung des Anteilseigentums muss vollständig ausgeglichen werden. Der Gesetzgeber hat daher im Rahmen seines grundrechtlich verbürgten Schutzauftrags einen vollständigen Schutz der Vermögenskomponente des Anteilseigentumsrechts durch einfachgesetzliche Ausgleichs- bzw. Abfindungsansprüche sicherzustellen. Existieren im konkreten Fall keine gesetzlichen Ausgleichsansprüche, ist das unter § 8 definierte verfassungsrechtlich gebotene Schutzminim nicht erfüllt. Das Gericht hat in diesem Fall dafür zu sorgen, dass eine mögliche Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft ausgeglichen wird. Das Gericht muss daher im Rahmen der materiellen Beschlusskontrolle prüfen, ob der konkrete Umwandlungsbeschluss die Vermögensinteressen der Minderheitsgesellschafter beeinträchtigt und den Minderheitsgesellschaftern im Falle einer Beeinträchtigung eine angemessene Entschädigung in Geld zusprechen. Methodologisch kann das Gericht die Begründung eines Entschädigungs- oder Abfindungsanspruchs auf eine Analogie zu existierenden Ausgleichsregelungen stützen.496
492
Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 335 f.; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 551. 493 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 335 f. 494 So auch Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 552. 495 Siehe § 8 B. II. 496 So ausdrücklich bestätigt vom BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830 ff.) („Delisting“), für den Fall des Rückzugs vom regulierten Markt der Börse, obwohl der „wertbildende Effekt“ einer Börsennotierung nicht zum Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG gehört und ein Ausgleich für die Einschränkung der Handelbarkeit der Aktie daher verfassungsrechtlich gar nicht geboten ist; zur Analogie in Bezug auf bestehende Entschädigungsregelungen vgl. auch Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 287 ff., 328 f; ders., NZG 2012, 1041 (1046); Habersack, ZHR 2012, 463 (466); Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 261 (266).
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Der Vermögensausgleich muss der Höhe nach angemessen sein. Angemessen ist ein Vermögensausgleich nur, wenn er den vollen Wert der Beteiligung widerspiegelt.497 Die Beeinträchtigung der Vermögenskomponente der Mitgliedschaft muss voll ersetzt werden. Zur Bestimmung des Anteilswerts muss der Unternehmenswert ermittelt werden.498 Die Durchführung einer Unternehmensbewertung ist verfassungsrechtlich geboten.499 Art. 14 Abs. 1 GG schreibt aber weder die Heranziehung einer bestimmten Bewertungsmethode500 vor noch die Bestimmung des Unternehmenswerts durch sämtliche denkbaren Bewertungsmethoden.501 Verfassungsrechtlich geboten ist nur die Auswahl einer im gegebenen Fall geeigneten und aussagekräftigen Bewertungsmethode.502 Die Ertragswertmethode503 wurde in diesem Zusammenhang vom BVerfG als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft.504 Bei börsennotierten Gesellschaften bildet der Börsenkurs grundsätzlich die Untergrenze für die Bewertung des Unternehmens.505 Liegt der tatsächliche Wert der Beteiligung unter dem Börsenkurs, ist daher der Börsenkurs zur Bestimmung der Entschädigungshöhe heranzuziehen.506 497 Zuletzt BVerfG, Beschluss v. 24.5. 2012 – 1 BvR 3221/10 = NZG 2012, 1035 (1036) („DaimlerChrysler“); Paulsen, in: MüKo, AktG, § 305 Rn. 72 (m.w.N.); Simon, in: KK, UmwG, § 30 Rn. 5; Vollrath, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 08/2008; § 30 Rn. 6; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 70 Rn. 124; Liebscher, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschn. 1.01 Rn. 12.9. 498 Hüffer, AktG, § 305 Rn. 17; Simon, in: KK, UmwG, § 30 Rn. 5; Vollrath, in: Widmann/ Mayer, UmwG, Stand 08/2008, § 30 Rn. 8; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 70 Rn. 124. 499 So auch Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 290 ff.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 169 Rn. 11. 500 Ausführlich zu den einzelnen durch die Betriebswirtschaft entwickelten Bewertungsmethoden: Vollrath, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 08/2008; § 30 Rn. 27 ff. 501 BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 – 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 (870) („T-Online“); BVerfG, Beschluss v. 24.5. 2012 – 1 BvR 3221/10 = NZG 2012, 1035 (1037) („DaimlerChrysler“); BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (909) („DeutscheHypothekenbank“). 502 BVerfG, Beschluss v. 16.5. 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 = NZG 2012, 907 (909) („DeutscheHypothekenbank“). 503 Bei der Ertragswertmethode werden die zukünftigen Erträge eines Unternehmens prognostiziert, auf den Bewertungsstichtag abgezinst und dadurch zum Ertragswert kapitalisiert, vgl. Simon, in: KK, UmwG, § 30 Rn. 8; vgl. auch Vollrath, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 08/2008; § 30 Rn. 30. 504 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 („DAT/Altana“); BVerfG, Beschluss v. 24.5. 2012 – 1 BvR 3221/10 = NZG 2012, 1035 (1037) („DaimlerChrysler“). 505 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932) („DAT/Altana“); BVerfG, Beschluss v. 26.4. 2011 – 1 BvR 2658/10 = NZG 2011, 869 (870) („T-Online“); Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24c; Paulsen, in: MüKo, AktG, § 305 Rn. 72; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 305 Rn. 55; K. J. Müller, in: Wachter, AktG, § 305 Rn. 17; Liebscher, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschn. 1.01 Rn. 12.11. 506 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 169 f. Rn. 11.
162
Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Die Vermögensentschädigung muss die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung berücksichtigen. Maßgeblich für die Unternehmenswertbestimmung ist daher grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschlussfassung.507 Ist jedoch auf den Börsenkurs abzustellen, kann nicht der Börsenkurs an einem bestimmten Stichtag herangezogen werden, da dieser das Ergbnis einer punktuell auftretenden Kursschwankung sein kann und daher unter Umständen kein realistisches Bild vom Wert der Beteiligung abgibt. Verfassungsrechtlich ist nicht vorgegeben, wie der maßgebliche Börsenwert bei der Bewertung einer börsennotierten Gesellschaft festzusetzen ist.508 Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist aber zu gewährleisten, dass der volle Wert der Beteiligung, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung bestand, entschädigt wird. Deshalb ist zur Börsenkursbestimmung auf einen bestimmten Referenzzeitraum abzustellen, um einen realistischen Börsenwert im Sinne eines auf die Verhältnisse bei der Beschlussfassung bezogenen Durchschnittswerts zu erhalten.509 Die Länge des Referenzzeitraums und die Wahl des Endstichtags für den Referenzzeitraum hängen vom konkreten Beschluss ab und haben sich allein daran zu orientieren, dass im Ergebnis ein voller Ausgleich für den von den Minderheitsgesellschaftern hinzunehmenden Verlust sichergestellt ist.510 Der BGH und die herrschende Literatur halten ein Referenzzeitraum von drei Monaten für ausreichend.511 Als Endstichtag für den Referenzzeitraum eignet sich grundsätzlich die Bekanntmachung der Strukturmaßnahme, da so keine Gefahr vor atypischen Kursentwicklungen aufgrund des Bekanntwerdens der Maßnahme besteht.512 Wenn das Gericht im Rahmen der materiellen Beschlusskontrolle durch Rechtsfortbildung den Minderheitsgesellschaftern einen Entschädigungsanspruch zuspricht und die angemessene Höhe der Entschädigung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben festsetzt, erfüllt es zugleich auch die Funktion der Überprüfung der Entschädigungshöhe. Das Gericht ist somit gewährende und überprüfende Instanz zugleich. Die gerichtliche Überprüfbarkeit der Entschädi-
507
Liebscher, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschn. 1.01 Rn. 12.9. BVerfG, Beschluss v. 29.11. 2006 – 1 BvR 704/03 = NZG 2007, 228 (229) („Eingliederung“); Vollrath, in: Widmann/Mayer, UmwG, Stand 08/2008; § 30 Rn. 22; Zeidler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 30 Rn. 10. 509 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 („DAT/Altana“); W. Müller, in: Kallmeyer, UmwG, § 30 Rn. 6; Vollrath, in: Widmann/ Mayer, UmwG, § 30 Rn. 22 (Stand 08/2008). 510 Zeidler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 30 Rn. 10. 511 BGH, Beschluss v. 12.3. 2001 – II ZB 15/00 = NJW 2001, 2080; BGH, Beschluss v. 19.7. 2010 – II ZB 18/09 = NJW 2010, 2657 („Stollwerck“); Stephan, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 305 Rn. 103; W. Müller, in: Kallmeyer, UmwG, § 30 Rn. 6; Liebscher, in: Happ, Konzernund Umwandlungsrecht, 2012, Abschn. 1.01 Rn. 12.12.; für einen längeren Referenzzeitraum: Hüffer, AktG, § 305 Rn. 24 f.; Veil, in: Spindler/Stilz, § 305 Rn. 54. 512 BGH, Beschluss v. 19.7. 2010 – II ZB 18/09 = NJW 2010, 2657 („Stollwerck“); anders noch BGH, Beschluss v. 12.3. 2001 – II ZB 15/00 = NJW 2001, 2080; zustimmend: K. J. Müller, in: Wachter, AktG, § 305 Rn. 20. 508
§ 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle
163
gungshöhe gehört ebenfalls zum Schutzminimum des Anteilseigentumsrechts.513 Das BVerfG hat aber klargestellt, dass die Überprüfung der Höhe einer Entschädigung im Spruchverfahren aber auch im Rahmen einer Anfechtungsklage erfolgen kann514, so dass keine Bedenken gegen diese Vorgehensweise bestehen.
C. Verhältnismäßigkeit des Mehrheitsbeschlusses in Bezug auf existierende Bestandsinteressen von Unternehmergesellschaftern Der Bestandschutz der Mitgliedschaft von Unternehmergesellschaftern im hier gemeinten Sinn515 gehört grundsätzlich zu dem aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Minimalschutz.516 Anlegergesellschafter, die ausschließlich Vermögensinteressen mit ihrer Beteiligung verfolgen, genießen hingegen keinen verfassungsrechtlich garantierten Bestandschutz. Sie haben lediglich ein Recht auf volle Kompensation ihres beeinträchtigten Vermögensinteresses. Für Aktionäre mit Beteiligungen von weniger als 10 % des Grundkapitals wird unwiderleglich vermutet, dass sie ausschließlich Vermögensinteressen verfolgen.517 Hat der Gesetzgeber auf einfachgesetzlicher Ebene keine Vorkehrungen getroffen, die den Bestandschutz der Mitgliedschaft von Unternehmergesellschaftern sichern, ist das bestehende Schutzdefizit in Bezug auf die verwaltungsrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts durch eine materielle Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses auszugleichen, indem das Gericht den konkreten Mehrheitsbeschluss auf seine Verhältnismäßigkeit in Bezug auf eventuelle Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter überprüft. Das Gericht hat im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse der Mehrheit an der Durchführung der konkreten Maßnahme gegen das Bestandsinteresse der überstimmten Minderheitsgesellschafter abzuwägen. Hierfür muss es zunächst feststellen, wie stark etwaige Bestandsinteressen ausgeprägt sind. Das konkrete Bestandsinteresse der überstimmten Gesellschafter hängt von zahlreichen Faktoren ab und variiert von Fall zu Fall. Ein maßgeblicher Faktor zur Bestimmung des konkreten Bestandsinteresses ist die Größe der Minderheitsbeteiligung. Je größer eine Minderheitsbeteiligung ist, desto größer ist das Bestandsinteresse, da mit zunehmender Beteiligungsgröße auch die Möglichkeit zum unternehmerischen Einfluss in einer Kapitalgesellschaft steigt.
513
Siehe § 8 B. II. BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 = NZG 2000, 1117 (1119) („Moto-Meter“). 515 Zur Unterscheidung zwischen Unternehmer- und Anlegergesellschaftern siehe oben unter § 8 D. I. Fn. 661. 516 Siehe § 8 C. 517 Siehe § 8 E. III. und IV. sowie § 8 G. 514
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Teil 2: Grundlage der materiellen Kontrolle eines Umwandlungsbeschlusses
Ebenfalls von Bedeutung für die Gewichtung der gegenläufigen Interessen ist die Beteiligungsstruktur.518 Existiert ein einziger Minderheitsgesellschafter mit einer größeren Beteiligung, ist sein Bestandsinteresse größer als dasjenige vieler Gesellschafter mit jeweils sehr kleiner Beteiligung. Maßgeblich ist vor allem die Anzahl der Gesellschafter insgesamt. Je geringer die Anzahl der Gesellschafter ist, umso „personalistischer“ ist die Gesellschaft519 und umso eher sind Unternehmergesellschafter anzutreffen, die sich mit der Gesellschaft identifizieren und somit ein größeres Bestandsinteresse haben. Existiert ein Mehrheitsgesellschafter, insbesondere eine Konzernobergesellschaft, und zugleich zahlreiche Minderheitsgesellschafter, ist das Interesse an einer Vereinfachung der Unternehmensstruktur grundsätzlich stärker zu gewichten als bei einer Gesellschaftermehrheit, die sich aus mehreren oder vielen Gesellschaftern mit kleineren Beteiligungen zusammensetzt. Ist der Anteilsbesitz gestreut, so dass die Mehrheit aus zahlreichen Gesellschaftern besteht, muss dem Bestandsinteresse der Minderheitsgesellschafter mehr Gewicht zukommen, da bei Vorliegen einer solchen Beteiligungsstruktur Mehrheit und Minderheit stetig wechseln können. Die Minderheit ist bei breitem Streubesitz eher in der Lage, durch entsprechende Koalitionsbildung bei zukünftigen Beschlüssen auch Teil der Mehrheit zu werden und Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, so dass sie ein größeres Bestandsinteresse hat. Dabei ist auch die Relation der Beteiligungsgrößen sowohl innerhalb der Mehrheit als auch innerhalb der Minderheit in Betracht zu ziehen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Verhältnis unter den existierenden Gesellschafterblöcken. Bestehen feste Allianzen, beispielsweise in Form von Stimmrechtskonsortien520, ist es für die Minderheit tendenziell schwieriger, ihre Interessen bei zukünftigen Entscheidungen durchzusetzen. In einer solchen Konstellation können die Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter bei der Interessensabwägung im Rahmen der Kontrolle des konkreten Umwandlungsbeschlusses vernachlässigt werden. Aber auch die Kapitalmarktnähe, insbesondere eine Börsennotierung kann für die Bestimmung des Bestandinteresses der Minderheitsgesellschafter relevant sein. Bei börsennotierten AG ist eine Reduzierung der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung des Aktionärs auf die Vermögenskomponente eher möglich, da der angemessene Vermögensausgleich, der dem Aktionär zwingend zu gewähren ist, sich bei börsennotierten AG besser feststellen lässt, da der Börsenkurs die Untergrenze521 für den Ausgleich bildet und so ein voller Ersatz des
518
Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 95. 519 Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (669 f.). 520 Bei einem Stimmrechtskonsortium schließen sich mehrere Gesellschafter zusammen und verpflichten sich durch einen Stimmbindungsvertrag ihre Stimmrechte in der vertraglich festgelegten Weise dauerhaft oder in Bezug auf eine einzelne Abstimmung auszuüben, Hüffer, AktG, § 133 Rn. 25; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 19 f. 521 Siehe oben § 9 B.
§ 9 Durchführung („Wie“) der materiellen Beschlusskontrolle
165
Vermögensinteresses gewährleistet ist.522 Aber auch die Tatsache, dass eine Gesellschaft in der Vergangenheit an der Börse notiert war, kann ein Indiz dafür sein, dass es sich bei den Minderheitsaktionären um Anlegeraktionäre handelt. Wenn beispielsweise eine Gesellschaft in der Vergangenheit an der Börse notiert war und sich dann von der Börse zurückgezogen hat und sich nun ein bestimmter Prozentsatz des Grundkapitals in Streubesitz befindet, spricht dies dafür, dass diese Minderheitsgesellschafter hauptsächlich oder sogar ausschließlich Anlegerinteressen verfolgen. Liegen die unter § 7 und § 8 entwickelten Voraussetzungen für die materielle Beschlusskontrolle vor, hat das Gericht daher bei der Durchführung der Beschlusskontrolle zu ermitteln, ob Unternehmer- oder Anlegerinteressen von den betroffenen Minderheitsgesellschaftern verfolgt werden und welches Gewicht das Vollzugsinteresse der Mehrheit hat. Handelt es sich bei der beeinträchtigten Minderheit um Unternehmergesellschafter, die ein relevantes Bestandsinteresse in Bezug auf ihre Mitgliedschaft haben, und steht dem kein überwiegendes Vollzugsinteresse der Mehrheit entgegen, ist der Beschluss unverhältnismäßig.523
522 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 91 f. 523 Jung, JZ 2001, 1004 (1013).
Teil 3
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen im UmwG Voraussetzung für die Durchführung der materiellen Beschlusskontrolle auf Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG ist, dass die Umwandlungsmaßnahme einen Eingriff in das Anteilseigentum bewirkt und ein Schutzdefizit in Bezug das Mitgliedschaftsrecht besteht.
§ 10 Umwandlungsmaßnahmen als Eingriffe in das Anteilseigentum A. Die Eingriffswirkung von Umwandlungsmaßnahmen Umwandlungsmaßnahmen können in dreifacher Weise in das Mitgliedschaftsrecht der Gesellschafter eingreifen. Sie können die Beteiligung an einer Gesellschaft qualitativ beeinträchtigen, indem sie zu einer Verwässerung der Stimmrechte bzw. zu einer Stimmrechtsverschiebung führen. Ferner kann es bei unzutreffender Ermittlung der Wertrelation der Anteile an den beteiligten Gesellschaften zusätzlich quantitativ zu einer Verwässerung des Werts der Mitgliedschaft (Kapitalverwässerung) kommen. Schließlich verändern einige Umwandlungsvorgänge das Mitgliedschaftsrecht in seiner rechtlichen Substanz, indem sie die ursprüngliche Mitgliedschaft in einem Rechtsträger beenden und durch die Mitgliedschaft in einem anderen Rechtsträger ersetzen oder die wirtschaftliche Substanz der Gesellschaft erheblich verändern, wodurch es zur Schmälerung der Einflussmöglichkeiten und zu einem eingriffsbedingten Wertverlust der Beteiligung kommen kann. I. Sämtliche Beeinträchtigungen der mitgliedschaftlichen Rechtsposition Ein Eingriff ist nach der herkömmlichen Definition jede Beeinträchtigung des Schutzbereiches eines Grundrechtes durch die öffentliche Gewalt.1 Wie bereits 1 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 265; Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Stand 02/2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 39; Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 6 Rn. 253.
§ 10 Umwandlungsmaßnahmen als Eingriffe in das Anteilseigentum
167
gezeigt, schützt Art. 14 Abs. 1 GG im Wege des Untermaßverbots auch vor privatrechtlichen Eingriffen.2 Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG umfasst die mitgliedschaftliche Rechtsposition in ihrer Substanz, so wie sie durch den Gesellschaftsvertrag ausgestaltet ist, mitsamt aller aus der Mitgliedschaft resultierenden Verwaltungs- und Vermögensrechte, die dem einzelnen Gesellschafter durch einfache Gesetze und den Gesellschaftsvertrag im Sinne privatnütziger Verfügbarkeit eingeräumt werden.3 Ein Eingriff in das verfassungsmäßig geschützte Mitgliedschaftsrecht liegt daher vor, wenn der Gesellschafter seine Rechtsposition verliert oder diese in ihrer Substanz verändert wird.4 Der gravierendste Eingriff in das Anteilseigentumsgrundrecht ist der gänzliche Entzug der Mitgliedschaft.5 Beim Entzug der Mitgliedschaft ist sowohl ihre verwaltungsrechtliche als auch ihre vermögensrechtliche Komponente betroffen. Außer im Falle des Entzugs der Mitgliedschaft, liegt ein evidenter Eingriff in die verfassungsmäßig geschützte Rechtsposition des Gesellschafters bei der Beschneidung der Vermögens- oder der Verwaltungsrechte aus der Mitgliedschaft vor. Zu den vermögensmäßigen Rechten gehören das Recht auf Beteiligung am Gewinn, das Bezugsrecht und das Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös.6 Die verwaltungsrechtliche Komponente der Mitgliedschaft betrifft die Beteiligungs- und Stimmrechte der Gesellschafter im jeweiligen Organ. II. Stimmrechts- und Kapitalverwässerung Neben der unmittelbaren Beschneidung dieser Rechte greifen auch solche Maßnahmen in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung ein, die sich im Ergebnis ebenso auswirken wie die Beschneidung der genannten Rechte. Insbesondere Maßnahmen, die in ihren Wirkungen einem Bezugsrechtsausschluss gleichstehen, sind als Eingriffe in das Anteilseigentum zu werten. Das Bezugsrecht gem. § 186
2
Siehe § 6 D. Siehe § 6 B. 4 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“). 5 Der Entzug der Mitgliedschaft ist zu unterscheiden von ihrer Beendigung im Falle einer Auflösung der Gesellschaft. Beim Entzug der Mitgliedschaft bleiben andere Mitgliedschaften an der Gesellschaft erhalten. Bei der Beendigung der Mitgliedschaft durch Auflösung enden alle Mitgliedschaften an der Gesellschaft und werden auch nicht in einer anderen Gesellschaft fortgesetzt. Die Auflösung der Gesellschaft unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH keiner sachlichen Beschlusskontrolle, da es der Gesellschaftermehrheit gestattet bleiben muss, ihr gebundenes Kapital zu deinvestieren, vgl. BGH, Urteil v. 28.01. 1980 – II ZR 124/78 = NJW 1980, 1278 (1278) (GmbH); bestätigt durch BGH, Urteil v. 01.02. 1988 – II ZR 75/87 („Linotype“) = NJW 1988, 1579 (1581) (AG). 6 BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (931). 3
168
Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
Abs. 1 Satz 1 AktG7 gehört zum Kernbestand des Mitgliedschaftsrechts und wird aufgrund seiner wirtschaftlichen Wichtigkeit8 für die Gesellschafter von Teilen der Literatur als „mitgliedschaftliches Grundrecht“9 bezeichnet. Das Bezugsrecht schützt die verwaltungsrechtliche Komponente sowie die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft. Es gewährleistet, dass die Beteiligung eines Gesellschafters im Falle einer Kapitalerhöhung qualitativ erhalten bleibt, da die Ausübung des Bezugsrechts verhindert, dass die Stimmrechte des Gesellschafters durch das Aufnehmen neuer Gesellschafter verwässert werden und es zu einer (horizontalen) Stimmrechtsverschiebung kommt.10 Außerdem schützt das Bezugsrecht die Beteiligung in quantitativer Hinsicht, da die Ausübung des Bezugsrechts den Anteil an der vermögensmäßigen Substanz der Gesellschaft wahrt und so vor einer Verwässerung des Werts der Mitgliedschaft (Kapitalverwässerung) schützt, die sich durch die Ausgabe junger Aktien unter dem wahren Wert realisieren kann.11 Maßnahmen, die entweder qualitativ zu einer Stimmrechts- oder quantitativ zu einer Kapitalverwässerung führen, greifen folglich in das mitgliedschaftliche Anteilseigentum der Gesellschafter ein. III. Veränderungen der rechtlichen Substanz der Mitgliedschaft Maßnahmen der Gesellschaft, die nicht unmittelbar die mit der konkreten Mitgliedschaft verbundenen Rechte verkürzen, bewirken nur ausnahmsweise einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG, wenn sie die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft verändern.12 Eine Veränderung der rechtlichen Substanz liegt mit dem BVerfG vor, wenn sich die Innenstruktur der Gesellschaft ändert, insbesondere wenn der Bestand des Mitgliedschaftsrechts und die aus der Mitgliedschaft fließenden relativen Beteiligungsrechte angetastet werden, was vor allem bei einer Schwächung der mitgliedschaftsrechtlichen Stellung des Aktionärs durch eine „Mediatisierung“ seiner Mitwirkungsrechte der Fall ist.13 Als Mediatisierung der Mitwirkungsrechte wird die faktische Verkürzung mitgliedschaftlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte durch 7 Nach h.M. haben auch die Gesellschafter einer GmbHG ein gesetzliches Bezugsrecht aus § 186 Abs. 1 AktG analog, vgl. nur Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 20 (m.w.N.). 8 Begründung-RegE, in: Kropff, AktG, S. 305. 9 Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 186 Rn. 13; Zöllner, AG 2002, 585 (585). 10 Peifer, in: MüKo, AktG, § 186 Rn. 1; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 24. 11 Hüffer, AktG, § 186 Rn. 2; Peifer, in: MüKo, AktG, § 186 Rn. 1; Servatius, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 186 Rn. 1; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 186 Rn. 24; Zöllner, AG 2002, 585 (590). 12 So im Ergebnis BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828 f.) („Delisting“). 13 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“); vgl. auch Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645 (648).
§ 10 Umwandlungsmaßnahmen als Eingriffe in das Anteilseigentum
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unternehmerische Entscheidungen der Leitungs- und Geschäftsführungsorgane bezeichnet, die die Struktur der Gesellschaft nachteilig in Bezug auf die Gesellschafterstellung ändern, indem Vermögen der AG dem direkten Zugriff der Aktionäre entzogen und so der Einfluss der Gesellschafter auf wesentliche die Gesellschaft betreffende Fragen vermindert wird.14 Hirte bezeichnet dies als „vertikale Beeinträchtigung“, bei der eine Benachteiligung des Gesellschafters anders als bei einer horizontalen Beeinträchtigung nicht dadurch eintritt, dass seine Stimmrechtsmacht seitlich auf andere Gesellschafter verschoben wird, sondern dadurch, dass seine „Einflussmöglichkeiten in die Tiefe des Konzerns hinein von ihm weggeschoben werden“.15 In beiden Fällen ist die Beeinträchtigung unter dem Gesichtspunkt des Verlusts der Einflussmacht auf die Entwicklung der Gesellschaft gegeben. Das Paradebeispiel für eine mediatisierende Änderung tatsächlicher Gegebenheiten ist die Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile auf eine Tochtergesellschaft, wie sie der „Holzmüller“-Entscheidung16 des BGH zugrunde lag. Im Zuge einer Ausgliederung werden die mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter und die innerverbandliche Kompetenzverteilung nicht unmittelbar angetastet, das Betriebsvermögen aber dem direkten Zugriff der Gesellschafter entzogen und somit faktisch der unmittelbare Einfluss der Gesellschafter auf das ausgegliederte Vermögen verringert.17 Das BVerfG stellt klar, dass auch Veränderungen tatsächlicher Gegebenheiten, wie beispielsweise die Veränderung der Vermögenszusammensetzung einer Gesellschaft, die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft beeinträchtigen können. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Mitwirkungsrechte mediatisiert und somit verkürzt werden.18 Ob eine Mediatisierung der mitgliedschaftlichen Rechte vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. In einem Beschluss aus 2011 hat das BVerfG offengelassen, ob die Veräußerung eines Unternehmensteils zu einer Mediatisierung der Mitwirkungsrechte führt und festgestellt, dass dies jedenfalls nicht unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung der Maßnahme angenommen werden kann.19 Ebenfalls offengelassen hat das 14 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 AktG Rn. 38; Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 63; Spindler, in: FS Goette, 2011, S. 513 (516). 15 Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzernbildung, 1986, S. 156 f. 16 BGH, Urteil v. 25.02. 1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 („Holzmüller“), der in der Mediatisierung der Mitwirkungsrechte im konkreten Fall einen schwerwiegenden Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht sah und eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz für die konkrete Maßnahme annahm. 17 Vgl. auch Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. zu § 173 Rn. 30. 18 So auch Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 119 Rn. 30. 19 BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380) („Veräußerung eines Unternehmensteils“), in dem es ebenfalls um die Frage einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz ging; vgl. dazu Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18a.
170
Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
BVerfG, ob auch solche Maßnahmen als Eingriffe in Art. 14 Abs. 1 GG eingestuft werden müssen, die nach ihrem Ausmaß die wirtschaftliche Substanz des Aktieneigentums beeinträchtigen.20 IV. Der Wertverlust der Beteiligung „an sich“ als Teil des Investitionsrisikos des Gesellschafters Voraussetzung für das Vorliegen eines Eingriffs in das Anteilseigentum ist, dass die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft verändert wird. Der Wertverlust einer Beteiligung reicht für sich genommen nicht, um einen Eingriff in das Anteilseigentum zu begründen, da der bloße Vermögenswert des Anteilseigentums nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist.21 Der Wertverlust einer Beteiligung gehört zum Investitionsrisiko des Gesellschafters. Der Wert einer Beteiligung ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaft. Er hängt von zahlreichen Faktoren ab und unterliegt ständigen Schwankungen. Das Anteilseigentum schützt die Mitgliedschaft nur in ihrer rechtlichen Substanz und soll gerade nicht die Erhaltung eines bestimmten Anteilswerts gewährleisten. Der Wertverlust der Beteiligung kann ein Indiz für einen Eingriff sein und begründet die Annahme eines Eingriffs allenfalls, wenn er nach seinem Ausmaß die wirtschaftliche Substanz des Aktieneigentums derart berührt, dass dies einer Veränderung der rechtlichen Substanz gleichkommt.22
B. Die Eingriffswirkung von Verschmelzungen Bei einer Verschmelzung wird das gesamte Vermögen eines oder mehrerer übertragender Rechtsträger auf einen übernehmenden Rechtsträger übertragen. Der übertragende Rechtsträger erlischt mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG. Die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger werden Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG. Die Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger wird beendet und durch eine neue Mitgliedschaft am übernehmenden Rechtsträger ersetzt.23 Ein Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht liegt schon deshalb vor, weil die Anteilsinhaber ihre Mit-
20 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830) („Delisting“). 21 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“); Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 278; siehe oben unter § 6 B. 3. 22 Offengelassen vom BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830) („Delisting“). 23 Simon, in: KK, UmwG, § 2 Rn. 78.
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gliedschaft am übertragenden Rechtsträger verlieren24. Zwar erfolgt eine Mitgliedschaftsperpetuierung dem Grunde und dem Wert nach, nicht aber ihrer Art und Funktion nach, so dass die Mitgliedschaft in ihrer rechtlichen Substanz insgesamt verändert wird.25 Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Mischverschmelzung26 erfolgt, an der Rechtsträger unterschiedlicher Rechtsformen beteiligt sind. Ferner kommt es durch den Anteilstausch ähnlich wie bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss zu einer Stimmrechtsverwässerung, da sich die Zahl der Gesellschafter im übernehmenden Rechtsträger erhöht und die Beteiligungsquote jedes Gesellschafters sinkt.27 Die herrschaftsrechtliche Komponente der Mitgliedschaft ist beeinträchtigt, da die Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft vermindert werden. Durch eine Unterbewertung der Anteile am übertragenden Rechtsträger kann es zudem zu einer Verwässerung des Werts der Mitgliedschaft (Kapitalverwässerung) kommen.28 Daher ist mit einer Verschmelzung ein Eingriff in das Anteilseigentum der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers verbunden. Es ist sowohl die vermögensrechtliche als auch die herrschaftsrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts betroffen. Die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft werden beeinträchtigt, da es hier ebenfalls zur Stimmrechtsverwässerung und bei Überbewertung der Anteile am übertragenden Rechtsträger zur Kapitalverwässerung kommt.29
C. Die Eingriffswirkung von Spaltungen nach § 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG I. Aufspaltung zur Aufnahme gem. § 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG Im Zuge einer Aufspaltung zur Aufnahme wird das gesamte Vermögen eines übertragenden Rechtsträgers unter Auflösung ohne Abwicklung auf mehrere übernehmende Rechtsträger übertragen. Dabei werden den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers Anteile der übernehmenden Rechtsträger gewährt, § 123 Abs. 1 UmwG a.E. Die Aufspaltung zur Aufnahme unterscheidet sich in ihrer 24 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 2 Rn. 42; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 2 Rn. 40; H. Schmidt, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, S. 10 (16). 25 Simon, in: KK, UmwG, § 2 Rn. 85, § 13 Rn. 93. 26 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 2. 27 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34; Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 203 Rn. 489; M. Winter, in: FS Lutter, 2000, S. 1279 (1285); Bayer, ZIP 1997, 1613 (1624 f.). 28 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34; Binnewies, GmbHR 1997, 727 (729). 29 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 46 Rn. 35; Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 310 ff.
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Eingriffswirkung nicht von einer Verschmelzung.30 Die Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger gehen unter und werden durch Mitgliedschaften an den übernehmenden Gesellschaften ersetzt. Es kommt zu einer Stimmrechtsverwässerung bei den Gesellschaftern der beteiligten Rechtsträger, da sich die Zahl der Gesellschafter in den übernehmenden Gesellschaften erhöht. Ferner besteht die Gefahr der Kapitalverwässerung durch ein unangemessenes Umtauschverhältnis der Anteile. II. Aufspaltung zur Neugründung gem. § 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG Die Aufspaltung zur Neugründung unterscheidet sich von der Aufspaltung zur Aufnahme dadurch, dass ausschließlich die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers an der Umwandlung beteiligt sind. Es droht nur ein Eingriff auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers, da die übernehmenden Gesellschaften erst gegründet werden und bisher keine Anteilseigner auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft existieren. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers sind nach dem gesetzlich vorgesehenen Regelfall verhältniswahrend an den neu gegründeten übernehmenden Gesellschaften zu beteiligen.31 Dies bedeutet, dass die Anteile am übernehmenden Rechtsträger, den Gesellschaftern des übertragenden Rechtsträgers in dem Verhältnis zugeteilt werden, das ihrer Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger entspricht. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers werden somit am „selben unternehmerischen Potential im gleichen Verhältnis beteiligt“.32 An die Stelle einer Beteiligung treten aber zwei oder mehrere Beteiligungen. Die verhältniswahrende Aufspaltung zur Neugründung ist eine rein interne Umstrukturierung, bei der es in der Regel weder zu einer Stimmrechts- noch zu einer Kapitalverwässerung kommt.33 Eine Stimmrechtsverwässerung scheidet bei einer verhältniswahrenden Aufspaltung zur Neugründung aus, da die Stimmrechtsmacht und somit die Einflussmöglichkeiten in der neuen Gesellschaft gewahrt bleiben.34 Eine Kapitalverwässerung droht ebenfalls nicht, da sich ein potentiell falsch ermitteltes Wertverhältnis der Vermögensmassen bei gleicher Weiterbeteiligung aller Gesellschafter nicht negativ auswirkt.35 30 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 348; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 93 Rn. 260; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (301 f.). 31 Priester, in: Lutter, UmwG, § 126 Rn. 73; Simon, in: KK, UmwG, § 126 Rn. 76. 32 Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300). 33 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 93 Rn. 261; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300); ihm folgend: Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 350. 34 Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300). 35 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 350.
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Der potentielle Eingriffscharakter der verhältniswahrenden Aufspaltung zur Neugründung ergibt sich aber aus der Möglichkeit, dass die übertragende und die übernehmende Gesellschaft verschiedene Rechtsformen haben.36 Durch einen Wechsel der Rechtsform wird die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft verändert und es kann zu einem durch den Rechtsformwechsel bedingten Wertverlust der Beteiligung kommen. Zwar kann auch eine nichtverhältniswahrende Aufspaltung durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG, wonach im Spaltungsvertrag zwingend der Maßstab für die Aufteilung der Anteile an den übernehmenden Rechtsträgern auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers anzugeben ist.37 Der Schutz der Anteilseigner ist für die nichtverhältniswahrende Aufspaltung aber durch das Einstimmigkeitserfordernis gem. § 128 UmwG gewährleistet. Da das Einstimmigkeitsprinzip den größtmöglichen Schutz38 für das Mitgliedschaftsrecht bietet, bleibt die nichtverhältniswahrende Spaltung hier außer Betracht.
III. Abspaltung zur Aufnahme gem. § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG Bei der Abspaltung werden im Gegensatz zur Aufspaltung nur ein Teil bzw. mehrere Teile des Vermögens eines übertragenden Rechtsträgers auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger übertragen. Der übertragende Rechtsträger bleibt im Gegensatz zur Aufspaltung mit dem Restvermögen bestehen. Den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers werden Anteile der übernehmenden Rechtsträger gewährt, vgl. § 123 Abs. 2 UmwG. Beim übernehmenden Rechtsträger kommt es durch eine Abspaltung zur Aufnahme zu einer Stimmrechtsverwässerung, da sich die ursprüngliche Gesellschafterzahl durch die Beteiligung der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhöht. Ferner besteht die Gefahr einer Kapitalverwässerung durch eine Überbewertung des abgespaltenen Vermögens.39 Die Mitgliedschaften beim übertragenden Rechtsträger bestehen unverändert fort. Es droht auch keine Mediatisierung der Mitwirkungsrechte40, da die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers am übernehmenden Rechtsträger unmittelbar beteiligt werden und so weiterhin Zugriff auf den abgespaltenen Vermögensteil im Rahmen ihrer Kompetenzen haben. Ein Eingriff liegt auf Seiten des 36 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 99 Rn. 282; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300). 37 Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, § 126 Rn. 82; Willemsen, in: Kallmeyer, UmwG, § 126 Rn. 41. 38 Binnewies, GmbHR 1997, 727 (732). 39 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 351. 40 Anders kann es bei der Ausgliederung sein, vgl. zum Begriff der Mediatisierung unten unter § 10 D. III. 3.
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übertragenden Rechtsträgers aber deshalb vor, weil es infolge der Erhöhung der Gesellschafterzahl im übernehmenden Rechtsträger zu einer Stimmrechtsverwässerung in Bezug auf das abgespaltene Vermögen kommt. Zudem besteht die Gefahr einer Kapitalverwässerung bezüglich des abgespaltenen Vermögens bei Unterbewertung des abgespaltenen Vermögens.41 Die herrschaftsrechtliche und die vermögensrechtliche Komponente werden folglich durch eine Abspaltung zur Aufnahme beeinträchtigt. IV. Abspaltung zur Neugründung gem. § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG Das Eingriffspotential ist bei der Abspaltung zur Neugründung dasselbe wie bei der Aufspaltung zur Neugründung. Da ausschließlich Altgesellschafter an der Abspaltung zur Neugründung beteiligt sind, kann es bei einer verhältniswahrenden Abspaltung zur Neugründung weder zu einer Stimmrechts- noch zu einer Kapitalverwässerung kommen. Wie im Falle der Aufspaltung zur Neugründung werden die Anteilseigner am selben unternehmerischen Potential im selben Verhältnis beteiligt. Einer nichtverhältniswahrenden Abspaltung zur Neugründung müssen alle Anteilseigner gem. § 128 UmwG zustimmen. Eine Mediatisierung in Bezug auf den abgespaltenen Vermögensteil findet nicht statt, da die Anteilseigner unmittelbar an der neu gegründeten Gesellschaft beteiligt werden. Die Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger bleibt unverändert erhalten. Das Vermögen der übertragenden Gesellschaft wird zwar verringert. Dieser Vermögensabfluss wird aber durch die Beteiligung an der neuen Gesellschaft kompensiert. Eine Kapitalverwässerung droht nicht, da sich ein möglicherweise falsch ermitteltes Wertverhältnis der Vermögensmassen bei gleicher Weiterbeteiligung aller Gesellschafter nicht negativ auswirkt.42 Der potentielle Eingriffscharakter der Abspaltung zur Neugründung ergibt sich aber aus der Möglichkeit, dass die übertragende und die übernehmende Gesellschaft eine verschiedene Rechtsform haben. 43 Durch einen Wechsel der Rechtsform wird die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft verändert und es kann zu einem durch den Rechtsformwechsel bedingten Wertverlust der Beteiligung kommen.
41 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 94 Rn. 263. 42 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 350. 43 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 99 Rn. 282; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300).
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D. Die Beeinträchtigung des Anteilseigentums durch Ausgliederungen gem. § 123 Abs. 3 UmwG I. Stimmrechts- und Kapitalverwässerung im übernehmenden Rechtsträger Die Ausgliederung entspricht im Grundsatz der Abspaltung, bei der aber anstelle der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers, gem. § 123 Abs. 3 UmwG der übertragende Rechtsträger selbst am übernehmenden Rechtsträger beteiligt wird. Aus Sicht des übernehmenden Rechtsträgers wird bei der Ausgliederung zur Aufnahme zusätzliches Vermögen aufgenommen und die übertragende Gesellschaft als zusätzlicher Gesellschafter am übernehmenden Rechtsträger beteiligt. Es kommt zu einer Erhöhung der Gesellschafterzahl und somit zu einer Stimmrechtsverwässerung. Ferner besteht auf Seiten des übernehmenden Rechtsträgers die Gefahr einer Kapitalverwässerung, falls das ausgegliederte Vermögen überbewertet wird. Die Ausgliederung führt somit beim übernehmenden Rechtsträger unmittelbar zu einem Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht der Anteilseigner. II. Kein unmittelbarer Eingriff in Mitgliedschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger Beim übertragenden Rechtsträger führt die Ausgliederung nicht unmittelbar zu einem Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht. Sowohl die Ausgliederung zur Aufnahme als auch die Ausgliederung zur Neugründung bewirken beim übertragenden Rechtsträger einen Aktivtausch in der Bilanz.44 Der Abfluss von Nettoaktivvermögen wird durch den Zuwachs im Beteiligungsvermögen kompensiert.45 Eine Kapitalherabsetzung ist nicht erforderlich.46 Das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers wird nicht reduziert, sondern umgeschichtet.47 Die Mitgliedschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger bleiben selbst im Falle einer Totalausgliederung, bei der das gesamte Vermögen ausgegliedert wird48, unverändert.49 Es werden nicht die mit 44 Sagasser/Bultmann, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 18 Rn. 175; Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 470 Rn. 13; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (296 f.); Schaub, NZG 1998, 626 (626). 45 Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 145 Rn. 14; Schwab, in: Lutter, UmwG, § 145 Rn. 4. 46 Schwab, in: Lutter, UmwG, § 145 Rn. 28. 47 Stengel, in: Semler/Stengel, § 123 Rn. 16; Simon, in: KK, UmwG, § 123 Rn. 26; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (296 f.). 48 Zur Totalausgliederung vgl. H. Schmidt, AG 2005, 26. 49 Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rn. 11; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 25; Kort, AG 2011, 611 (612); H. Schmidt, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, S. 10 (17).
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der Mitgliedschaft verbundenen Rechte verändert, sondern allein der Rechtsgegenstand, auf den sich die Rechte aus der Mitgliedschaft beziehen.50 Im Gesellschaftsvermögen der übertragenden Gesellschaft befinden sich nach der Ausgliederung, anstelle etwa von Produktionsmitteln, Anteile an einer anderen Gesellschaft. Es kommt bei der Ausgliederung in Bezug auf die Mitgliedschaft beim übertragenden Rechtsträger also weder zu einer Stimmrechtsverwässerung noch zu einer Kapitalverwässerung, da sich die ursprüngliche Mitgliedschaft beim übertragenden Rechtsträger nicht verändert. Ein Eingriff durch eine nichtverhältniswahrende Ausgliederung, bei der die Anteile am übernehmenden Rechtsträger nicht entsprechend dem ursprünglichen Beteiligungsverhältnis zugeteilt werden, ist nicht möglich. Denkbar wäre solch ein Fall, wenn zwei übertragende Rechtsträger gleichzeitig Vermögen ausgliedern und nicht im Verhältnis ihrer Beteiligung am ausgegliederten Vermögen an den übernehmenden Rechtsträgern beteiligt werden. Diesen Fall sieht das Gesetz jedoch nicht vor, da an der Ausgliederung nach dem Gesetzeswortlaut gem. § 123 Abs. 3 UmwG nur ein übertragender Rechtsträger beteiligt sein kann.51 Die einzige denkbare unmittelbare Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts beim übertragenden Rechtsträger ist bei der Ausgliederung von Vermögen einer Gesellschaft ein möglicher Wertverlust der Beteiligung. Der Wert der Anteile am übertragenden Rechtsträger sinkt, wenn die Gegenleistung für das ausgegliederte Vermögen, die aus der Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger besteht, unzureichend ist.52 In diesem Falle kommt es zu einem Vermögensabfluss sowie zur Schmälerung des Beteiligungswerts beim übertragenden Rechtsträger.53 Der Fall einer zu niedrig bemessenen Gegenleistung für das ausgegliederte Vermögen ist kein Fall der nichtverhältniswahrenden Ausgliederung.54 Der Fall einer zu niedrig bemessenen Gegenleistung betrifft vielmehr die Frage eines angemessenen Umtauschverhältnisses bei der Ausgliederung, da es nicht um das Verhältnis der Beteiligung ausschließlich auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers geht, sondern um das Verhältnis der wertmäßigen Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers zu den Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers. Der Wertverlust einer Beteiligung allein ist aber kein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte mitgliedschaftliche Rechtsposition. Ein Eingriff in das Anteilseigentum setzt vielmehr voraus, dass die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft betroffen ist, da Art. 14 Abs. 1 GG das Mitgliedschaftsrecht in seiner Substanz 50 H. Schmidt, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, S. 10 (15 f.); Joost, ZHR 1999, 164 (170). 51 Simon, in: KK, UmwG, § 123 Rn. 36; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 32; Veil, ZIP 1998, 361 (363). 52 Simon, in: KK, UmwG, § 125 Rn. 36. 53 Simon, in: KK, UmwG, § 125 Rn. 36; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 95 Rn. 266. 54 So auch Priester, in: Lutter, UmwG, § 128 Rn. 9 a.E.
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schützt und nicht den Wert der Beteiligung. Der Wertverlust bei einer Beteiligung gehört zum Investitionsrisiko des Gesellschafters.55 Nur wenn dem Wertverlust der Beteiligung ein Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht zugrunde liegt, ist der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG tangiert. Wie bereits erwähnt, kommt es bei der Ausgliederung auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers aber lediglich zu einem Austausch der Aktiva. Ein unmittelbarer Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erfolgt bei der Ausgliederung aber nicht. Nur wenn die Ausgliederung ausnahmsweise zu einer Mediatisierung der Mitwirkungsrechte der Gesellschafter und damit zu einem Eingriff in die Rechtsstellung der Gesellschafter führt, ist möglicherweise ein zusätzlicher Schutz vor einem entsprechenden Wertverlust angezeigt. Die Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG führt somit nicht zu einem unmittelbaren Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte beim übertragenden Rechtsträger.56 III. Mittelbare Beeinträchtigung durch die Möglichkeit der Mediatisierung von Mitwirkungsrechten Ein Eingriff in die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft kommt bei der Ausgliederung daher nur mittelbar unter dem Aspekt der Mediatisierung von Mitwirkungsrechten in Betracht.57 Als Mediatisierung der Mitwirkungsrechte wird die faktische Verkürzung mitgliedschaftlicher Verwaltungs- und Vermögensrechte durch unternehmerische Entscheidungen der Leitungs- und Geschäftsführungsorgane bezeichnet, die die Struktur der Gesellschaft nachteilig in Bezug auf die Gesellschafterstellung ändern, indem Vermögen der AG dem direkten Zugriff der Aktionäre entzogen und so der Einfluss der Gesellschafter auf wesentliche die Gesellschaft betreffende Fragen vermindert wird.58 Die Betonung liegt dabei auf der Wesentlichkeit der Ausgliederung, da nicht jede Ausgliederung von Vermögensteilen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu einer Mediatisierung von Mitwirkungsrechten führt59. 55
Dazu siehe oben unter § 6 B. III. und § 10 A. IV. Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 123 Rn. 11; Kallmeyer, in: FS Lutter, 2000, S. 1245 (1252); Reichert, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, S. 25 (37); Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 226. 57 So Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 46 Rn. 36; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300); Joost, ZHR 1999, 164 (182). 58 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 AktG Rn. 38; Staake, Ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 63; Spindler, in: FS Goette, 2011, S. 513 (516). 59 Ähnlich: Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 360; Grunewald/Royla/Vetter, AG 2012, 324 (325); Veil, ZIP 1998, 361 (368). 56
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Die Frage, ob eine Ausgliederung im konkreten Fall zu einer Mediatisierung der Mitwirkungsrechte und somit zu einem Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilseigner führt, weist eine große Ähnlichkeit zur „Holzmüller“- Problematik auf. In der „Holzmüller“-Entscheidung60 ging es um die Frage, ob eine Hauptversammlungskompetenz für den Fall einer Ausgliederung des wertvollsten Betriebsteils auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft besteht. Der wesentliche Unterschied zwischen dem „Holzmüller“-Fall und dem Fall der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG ist, dass dem „Holzmüller“-Fall eine Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge (wirtschaftliche61 Ausgliederung) zugrunde lag, für die eine gesetzliche Hauptversammlungskompetenz nicht besteht. Für den Fall der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG ist die Zustimmungspflicht der Anteilseignerversammlung hingegen gesetzlich normiert. Das UmwG differenziert nicht zwischen Ausgliederungen von wesentlichen und unwesentlichen Vermögensteilen.62 Die Anteilseigner der beteiligten Rechtsträger müssen gem. § 125 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 UmwG jeder Ausgliederungsmaßnahme zustimmen. Die „Holzmüller“-Grundsätze können dennoch zur Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob eine Mediatisierung der Mitwirkungsrechte und somit ein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers im konkreten Fall einer Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG vorliegen. Sowohl die Frage nach einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz als auch die Frage nach dem Vorliegen eines Eingriffs durch eine Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG haben gemeinsam, dass sie eine Mediatisierung der Mitwirkungsrechte der Anteilseigner voraussetzen. Die „Holzmüller“-Problematik betrifft die Abgrenzung von Geschäftsführungsmaßnahmen zu solchen Maßnahmen, die in die Kompetenz der Anteilseignerversammlung fallen. Das entscheidende Abgrenzungskriterium ist die Mediatisierung der Mitwirkungsrechte der Anteilseigner. Nach den „Holzmüller“-Grundsätzen unterliegen solche Maßnahmen der Hauptversammlungskompetenz, die der Gesellschaft einen wesentlichen Vermögensteil entziehen und dadurch den Einfluss der Aktionäre hierauf mediatisieren.63
60
BGH, Urteil v. 25.02. 1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 („Holzmüller“); fortgeführt BGH, Urteil v. 26.4. 2004 – II ZR 155/02 = NZG 2004, 571 („Gelatine I“); BGH, Urteil v. 26.4. 2004 – II ZR 154/02 = NZG 2004, 575 („Gelatine II“). 61 Die Ausgliederung im technischen Sinn nach § 123 Abs. 3 UmwG wurde erst mit dem UmwG1994 geschaffen. Zum Begriff der technischen und der wirtschaftlichen Umwandlung siehe oben unter § 1 A. 62 Reichert, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, S. 25 (37); Veil, ZIP 1998, 361 (367); kritisch in Bezug auf das Zustimmungserfordernis der Anteilseigner auch für „Mini“-Ausgliederungen: Grunewald/Royla/Vetter, AG 2012, 324. 63 BGH, Urteil v. 25.02. 1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 (1707 f.) („Holzmüller“).
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Das BVerfG hat jüngst in einer Entscheidung zum Delisting unter Bezugnahme auf die „Holzmüller“- und „Gelatine“-Rechtsprechung des BGH bestätigt, dass es zu einem Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht durch eine Mediatisierung der Mitwirkungsrechte kommen kann.64 In einer anderen Entscheidung aus 2011 hat das BVerfG aber klargestellt, dass die Veräußerung eines Unternehmensteils an sich – unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung der Maßnahme – nicht zur Verkürzung der Aktionärsrechte führt.65 Für das Vorliegen eines Mediatisierungseffekts muss daher als zusätzlicher Faktor die wirtschaftliche Bedeutung des auszugliedernden Vermögensteils berücksichtigt werden.66 Die Mediatisierung der Gesellschafterrechte setzt demnach voraus, dass der auszugliedernde Vermögensteil in quantitativer Hinsicht von wesentlicher Bedeutung ist.67 Da § 123 Abs. 3 UmwG nicht zwischen der Ausgliederung großer und kleiner Vermögensteile unterscheidet, kann es sein, dass für die Gesellschaft wesentliche Vermögensteile ausgegliedert werden.68 Die Ausgliederung hat daher potentiell Eingriffscharakter.69 Eine materielle Kontrolle des Ausgliederungsbeschlusses scheidet somit bei Ausgliederungen nicht per se aus. Vielmehr muss die konkrete Ausgliederungsmaßnahme auf ihre Eingriffswirkung untersucht werden. IV. Quantitative Voraussetzungen für die Annahme eines mittelbaren Eingriffs durch die Mediatisierung von Mitwirkungsrechten Wie soeben gezeigt, ist Voraussetzung für die Annahme eines mit der Mediatisierung der Mitgliedschaftsrechte verbundenen mittelbaren Eingriffs in die mitgliedschaftliche Rechtsposition, dass der auszugliedernde Vermögensteil in quan64 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“). 65 BVerfG, Beschluss v. 07.09. 2011 – 1 BvR 1460/10 = NZG 2011, 1379 (1380) („Veräußerung eines Unternehmensteils“). 66 BGH, Urteil v. 25.02. 1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 („Holzmüller“); BGH, Urteil v. 26.4. 2004 – II ZR 155/02 = NZG 2004, 571 („Gelatine I“); Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 119 Rn. 24; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 34; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18b; Kubis, in: MüKo, AktG, § 119 Rn. 50; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 119 Rn. 31; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 100 Rn. 288 f.; Grunewald/Royla/Vetter, AG 2012, 324 (325). 67 So auch: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. zu § 173 Rn. 35; H. Schmidt, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen; S. 10 (19). 68 Grunewald/Royla/Vetter, AG 2012, 324, plädieren deshalb für eine Änderung des § 123 Abs. 3 UmwG und eine Herausnahme von „Mini-Ausgliederungen“ aus seinem Anwendungsbereich. 69 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 363; a.A. Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 97 Rn. 273 a.E., der stets eine Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte im Falle der Ausgliederung annimmt.
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titativer Hinsicht von wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung ist.70 Die Rechtsprechung hat in Bezug auf eine quantitative Erheblichkeitsschwelle für die Annahme eines Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte keine genauen Vorgaben entwickelt. Im „Holzmüller“-Fall ging es um die Ausgliederung von Vermögen, das rund 80 % der Aktiva der ausgliedernden Gesellschaft entsprach. In den „Gelatine“Entscheidungen hat der BGH später klargestellt, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Maßnahme in etwa die Ausmaße wie im „Holzmüller“-Fall erreichen muss, also mindestens 75 % der Aktiva.71 Im Schrifttum wurden Vorschläge für Schwellenwerte in Bezug auf das auszugliedernde Vermögen gemacht, die das gesamte Spektrum von 10 % des bilanziellen Aktivvermögens bzw. des bilanziellen Gesamtwerts des Konzerns bis zu 75 % des Umsatzes abdecken.72 Die Beurteilung, ob eine Ausgliederungsmaßnahme durch eine Mediatisierung von Mitgliedschaftsrechten zu einem Eingriff führt, ist für jeden Einzelfall gesondert zu treffen. Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in die sämtliche Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind.73 Die positive Feststellung eines Eingriffs durch eine Mediatisierung der Mitwirkungsrechte muss bei der Ausgliederung aber die Ausnahme bleiben. Bei der Ausgliederung von Vermögen handelt es sich nämlich um eine reine Vermögensumschichtung, die sich nicht unmittelbar auf die Gesellschafterebene auswirkt.74 Die Annahme eines Eingriffs durch eine Mediatisierung der Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter muss sich daher auf Ausnahmefälle von erheblichem Gewicht für die Rechtsposition der Gesellschafter beschränken.75 Eine solche Erheblichkeit ist mit der Rechtsprechung des BGH erst anzunehmen, wenn das auszugliedernde Vermögen mindestens 75 % des Vermögens oder des Umsatzes der ausgliedernden Gesellschaft entspricht.76
70 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828) („Delisting“); BGH, Urteil v. 25.02. 1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 („Holzmüller“); Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. zu § 173 Rn. 35; H. Schmidt, ZHR 1999/ Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen; S. 10 (19); Veil, ZIP 1998, 361 (368). 71 BGH, Urteil v. 26.4. 2004 – II ZR 155/02 = NZG 2004, 571 („Gelatine I“); BGH, Urteil v. 26.4. 2004 – II ZR 154/02 = NZG 2004, 575 („Gelatine II“); Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 62. 72 Ausführliche Übersicht der Vorschläge mit Nachweisen bei Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 62. 73 Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 119 Rn. 24; Fleischer, NJW 2004, 2335 (2339). 74 Stengel, in: Semler/Stengel, § 123 Rn. 16; Simon, in: KK, UmwG, § 123 Rn. 26; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (296 f.). 75 BGH, Urteil v. 26.4. 2004 – II ZR 155/02 = NZG 2004, 571 („Gelatine I“); OLG Hamm, Urteil v. 19.11. 2007 – 8 U 216/07 = NZG 2008, 155 (157); OLG Stuttgart, Urteil v. 13.07. 2005 – 20 U 1/05 = AG 2005, 693 (694 f.); Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18b; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 64; Spindler, in: FS Goette, 2011, 513 (517). 76 Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 119 Rn. 24; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18b; Mertens/Cahn, in: KK, AktG, § 76 Rn. 64; Priester, AG 2011, 654 (661).
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V. Auswirkung der Mediatisierung von Mitwirkungsrechten auf beide Komponenten des Mitgliedschaftsrechts Die Mediatisierung von Mitwirkungsrechten bei der Ausgliederung beeinträchtigt neben der verwaltungsrechtlichen ebenfalls die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft. Mit der Ausgliederung geht der Verlust von Kompetenzen an die Geschäftsführungsorgane einher, da das ausgegliederte Vermögen nicht mehr dem unmittelbaren Einfluss der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft unterliegt. Damit ist die Gefahr verbunden ist, dass Gewinne beim übernehmenden Rechtsträger thesauriert werden und dass der Anteil an dem aus dem ausgegliederten Vermögen fließenden Gewinn verwässert wird.77 Zudem besteht bei der Ausgliederung die Gefahr eines Wertverlusts der Beteiligung am übertragenden Rechtsträger durch eine Unterbewertung des ausgegliederten Vermögens. Der Wertverlust bei der Beteiligung gehört zwar grundsätzlich zum Investitionsrisiko und ist nicht vom Schutzbereich des Anteilseigentums erfasst. Tritt der Wertverlust der Beteiligung aber als Folge einer Ausgliederung auf, die aufgrund der Mediatisierung der Mitwirkungsrechte zu einem Eingriff in das Anteilseigentum führt, so fällt der Wertverlust nicht mehr in das Investitionsrisiko des Gesellschafters und es bedarf besonderer Schutzmechanismen. VI. Mögliche Mediatisierung von Mitgliedschaftsrechten bei der Ausgliederung von Vermögen einer GmbH Eine Mediatisierung von Mitwirkungsrechten und somit ein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte ist auch im Falle der Ausgliederung von Vermögen einer GmbH als übertragender Rechtsträger möglich. Die Geschäftsführer einer GmbH unterliegen zwar gem. § 37 Abs. 1 GmbHG den Weisungen der Gesellschafter.78 Daher ist die Möglichkeit der Einflussnahme auf das ausgegliederte Vermögen im übernehmenden Rechtsträger größer als im Falle einer AG als übertragende Gesellschaft. Die Gesellschafter einer ausgliedernden GmbH können auf die übernehmende Gesellschaft Einfluss nehmen, indem sie das Geschäftsführungsorgan ihrer GmbH, also des übertragenden Rechtsträgers, anweisen, sein Stimmrecht bei der übernehmenden Gesellschaft in bestimmter Weise auszuüben oder dem Geschäftsführungsorgan der übernehmenden Gesellschaft seinerseits Weisungen zu erteilen. Eine Mediatisierung von Mitwirkungsrechten kann aber auch in einer GmbH als übertragender Rechtsträger eintreten, wenn die Einflussmöglichkeiten der GmbH-Gesellschafter auf die übernehmende Gesellschaft durch die Mediatisierung
77 Simon, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 9.01 Rn. 3.1; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300); Fleischer, NJW 2004, 2335 (2336); Hoffmann-Becking, ZHR 2008, 231 (237). 78 Kleindieck, in: Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 17; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 20.
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Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
des Weisungsrechts geschmälert werden.79 Dies ist der Fall, wenn Vermögen der GmbH auf eine AG ausgegliedert wird. Ist die übernehmende Gesellschaft eine AG, kann nach der Ausgliederung nur noch im Rahmen der (beschränkten) Hauptversammlungskompetenzen auf das Vermögen der übernehmenden Gesellschaft Einfluss genommen werden.80 Ist die übernehmende Gesellschaft hingegen eine GmbH, können zwar die GmbH-Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers ihre Geschäftsleitung anweisen, dass die übertragende GmbH als Gesellschafter der Geschäftsleitung der übernehmenden GmbH bestimmte Weisungen erteilt. Es besteht somit eine durchgehende Weisungsmöglichkeit von den Gesellschaftern der übertragenden GmbH bis hin zur Geschäftsführung der übernehmenden GmbH. Die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter der übertragenden GmbH werden bei der Ausgliederung zur Aufnahme auf eine andere GmbH aber dennoch mediatisiert: Durch die Ausgliederung zur Aufnahme auf eine bestehende GmbH erhöht sich die Anzahl der Gesellschafter, die auf die Verwendung des ausgegliederten Vermögens Einfluss nehmen können. Zur übertragenden GmbH als Gesellschafter kommen die bereits existierenden Gesellschafter der übernehmenden GmbH hinzu. Dies führt dazu, dass die Gesellschafter der übertragenden GmbH nach der Ausgliederung über Weisungen nur noch im Rahmen des geringeren Stimmrechts der übertragenden GmbH auf die Verwendung des ausgegliederten Vermögens Einfluss nehmen können. Das Stimmrecht der Gesellschafter der übertragenden GmbH wird daher in Bezug auf das ausgegliederte Vermögen verwässert.81 Nicht beeinträchtigt werden die Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter der ausgliedernden GmbH auf die übernehmende GmbH hingegen im Falle einer Ausgliederung zur Neugründung, da dann eine 100 %ige Tocher-GmbH entsteht.82 Die Gesellschafter der ausgliedernden Gesellschaft behalten ein mittelbares Weisungsrecht, das aber aufgrund der 100 %igen Beteiligung an der Tochter-GmbH ebenso effektiv wie ein unmittelbares Weisungsrecht ist. Sie können das Geschäftsführungsorgan der übertragenden Gesellschaft anweisen, dem Geschäftsführungsorgan der Tochter-GmbH Weisungen zu erteilen. Diese Weisungen werden trotz der Verlängerung des Weisungswegs umgesetzt, da keine weiteren Gesellschafter beim neugegründeten Rechtsträger, also der Tochter-GmbH existieren. Eine relevante Beeinträchtigung der Gesellschafterstellung bei der übertragenden GmbH 79 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Anh. zu § 318 AktG Rn. 49; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, Anh. zu § 13 Rn. 985; Decher/Kiefner, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, 2012, § 68 Rn. 13; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlussAnh. Rn. 100. 80 Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617 (621). 81 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 95 Rn. 268; v. Riegen, Gesellschafterschutz bei Ausgliederung durch Einzelrechtsnachfolge, 1999, S. 111 f. 82 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, § 37 GmbHG Rn. 7; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 37 Rn. 9; Ettinger/Reiff, GmbHR 2007, 617 (621); a.A. Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 95 Rn. 268.
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liegt selbst dann nicht vor, wenn aufgrund einer großen Zahl der Arbeitnehmer in der übernehmenden GmbH ein Aufsichtsrat gebildet werden muss, in dem es im Rahmen der Mitbestimmungsgesetze zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen kommt.83 Es bleibt gleichwohl beim Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Tochter-GmbH.
E. Die Beeinträchtigung des Anteilseigentums durch den Formwechsel Im Gegensatz zu allen anderen Umwandlungsarten ist an einem Formwechsel nur eine Gesellschaft beteiligt. Die Gesellschaft ändert im Zuge eines Formwechsels ihre Rechtsform unter grundsätzlicher Wahrung der Identität des Rechtsträgers.84 Der formwechselnde Rechtsträger ist mit dem umgewandelten Rechtsträger wirtschaftlich und rechtlich identisch, da das Unternehmen, der Vermögensbestand und die Mitgliedschaften des Rechtsträgers grundsätzlich gleich bleiben.85 Die Änderung der Rechtsform führt aber dazu, dass der Rechtsträger einer anderen Rechtsordnung unterworfen wird.86 Der Formwechsel ist somit zum einen geprägt von der Identität des Rechtsträgers sowie der „Kontinuität der Mitgliedschaft“87 und zum anderen von der Diskontinuität der Rechtsordnung.88 Aus dem Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft folgt, dass die Gesellschafter des formwechselnden Rechtsträgers mit gleichem Anteilsverhältnis am umgewandelten Rechtsträger beteiligt bleiben.89 Es kommt daher grundsätzlich weder zu einer Stimmrechts- noch zu einer Kapitalverwässerung.90 Zwar kann beim Formwechsel nach herrschender Ansicht vom Grundsatz der Kontinuität abgewichen werden, indem ein nichtverhältniswahrender Formwechsel durchgeführt wird, bei dem die Beteiligungsverhältnisse der Anteilseigner ver-
83
A.A. Kleindieck, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11. BGH, Urteil v. 27.11. 2009 – LwZR 15/09 = NZG 2010, 314 (315); Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 844 Rn. 320; K. Schmidt, in: FS Ulmer, S. 557 (564 f.); Heckschen, DB 2008, 2122 (2122); Priester, DNotZ 1995, 427 (448). 85 Decher, in: Lutter, UmwG, § 190 Rn. 1; Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 190 Rn. 3. 86 Decher, in: Lutter, UmwG, § 190 Rn. 2; Petersen, in: KK, UmwG, § 202 Rn. 10. 87 BGH, Urteil vom 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723); Petersen, in: KK, UmwG, § 202 Rn. 22; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1616). 88 Habersack, in: FS M. Winter, 2011, S. 177 (179). 89 BGH, Urteil vom 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723); Decher, in: Lutter, UmwG, § 194 Rn. 6; Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 847 Rn. 333; Heckschen, DB 2008, 2122 (2122). 90 Bayer, ZIP 1997, 1613 (1624). 84
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schoben werden.91 In diesen Fällen sieht das Gesetz aber die gesonderte Zustimmung derjenigen Gesellschafter zum Umwandlungsbeschluss vor, die sich nicht entsprechend ihrer bisherigen Beteiligung auch am neuen Rechtsträger beteiligen können. Für den Formwechsel einer GmbH in eine AG oder in eine KGaA ist das Zustimmungserfordernis in § 241 Abs. 1 UmwG geregelt. Für den Formwechsel einer AG oder einer KGaA in eine GmbH sieht § 242 UmwG eine gesonderte Zustimmung der betroffenen Gesellschafter vor. Der Formwechsel wirkt sich trotz des Kontinuitätsgedankens aber dennoch auf die Rechtsstellung der Gesellschafter aus und hat deshalb Eingriffscharakter.92 Das Mitgliedschaftsrecht wird durch den Wechsel der Rechtsform beeinträchtigt, da sich das für die Mitgliedschaft geltende Recht ändert.93 Im Falle eines Formwechsels einer AG in eine GmbH wird die rechtliche Verkehrsfähigkeit der Anteile vermindert, da die Übertragung von GmbH-Anteilen im Gegensatz zu Aktien nicht formfrei möglich ist, sondern der Beurkundungspflicht gem. § 15 Abs. 3 GmbHG unterliegt.94 Die rechtliche Verkehrsfähigkeit gehört anders als die rein tatsächliche Verkehrsfähigkeit nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG.95 Zudem unterliegen die Anteilseigner als GmbH-Gesellschafter anderer als Aktionäre der Ausfallhaftung gem. §§ 24, 31 GmbHG.96 Die Umwandlung einer GmbH in eine AG führt zur Reduzierung der Einflussrechte auf die Geschäftsführung.97 Soweit allerdings ferner die Gefahr besteht, dass die GmbH-Gesellschafter durch den Formwechsel bestimmte Sonderrechte, wie etwa Veto-, Mehrstimm-, Entsendungs-, Vorkaufs- oder Informationsrechte verlieren oder die Vinkulierung ihrer Anteile aufgehoben wird, sind diese Gesellschafter durch entsprechende Zustimmungserfordernisse der §§ 193 Abs. 2, 240 Abs. 2, 241 UmwG geschützt.98
91 So die h.M.: Bärwaldt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 194 Rn. 18; Decher, in: Lutter, UmwG, § 194 Rn. 13; Drinhausen/Keinath, in: Henssler/Strohn, GesR, § 194 UmwG Rn. 7; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 194 Rn. 34; Petersen, in: KK, UmwG, § 196 Rn. 7; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG § 202 Rn. 7; Vollrath, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 194 Rn. 17 (Stand 02/2008); Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 768 Rn. 31; Priester, DNotZ 1995, 427 (451). 92 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 46 R. 37; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 302. 93 Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 203 Rn. 488. 94 Happ/Göthel, in: Lutter, UmwG, § 242 Rn. 16. 95 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828 f.) („Delisting). 96 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 367; Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft, 1996, S. 63 f. 97 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 116 Rn. 338. 98 Vgl. dazu Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (690 ff.).
§ 11 Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutzes
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F. Zusammenfassung und Ergebnis Die Verschmelzung greift in die herrschafts- und die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschafter ein. Dasselbe gilt grundsätzlich für die Aufspaltung und Abspaltung im Sinne von § 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG sowie für den Formwechsel, da diese Vorgänge zur Beendigung der Mitgliedschaft in der bis dato existierenden Form am übertragenden Rechtsträger führen oder eine Beteiligungs- bzw. Stimmrechtsverwässerung für die Anteilseigner der beteiligten Rechtsträger bewirken. Die Ausgliederung greift in die herrschafts- und in die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger ein, da es im übernehmenden Rechtsträger ebenfalls zu einer Stimmrechts- und Kapitalverwässerung kommt. Eine Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger droht bei der Ausgliederung nur in Form einer Mediatisierung von Mitwirkungsrechten, die nur im Falle der Ausgliederung von wesentlichen Unternehmensteilen angenommen werden kann. Werden die mitgliedschaftlichen Rechte mediatisiert, liegt ein Eingriff in die herrschafts- und die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft vor. Ob eine Mediatisierung der Mitgliedschaftsrechte vorliegt, hat das Gericht im Einzelfall zu bestimmen. Diese Bestimmung ist bereits Bestandteil der materiellen Beschlusskontrolle. Grundsätzlich kein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte an der übertragenden Gesellschaft liegt hingegen vor bei der Ausgliederung zur Neugründung von einer GmbH auf eine oder mehrere neu gegründete GmbH sowie im Falle der Auf- und Abspaltung zur Neugründung, bei der die neu gegründete Gesellschaft dieselbe Rechtsform hat wie die übertragende Gesellschaft. Diese Umwandlungskonstellationen unterliegen daher keiner materiellen Beschlusskontrolle.
§ 11 Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutzes durch das UmwG Nach dem hier entwickelten Konzept ist eine materielle Beschlusskontrolle durchzuführen, wenn das von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutzminimum in Bezug auf das Anteilseigentum nicht durch einfaches Gesetzesrecht sichergestellt ist. Das aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierende Schutzminimum erfordert die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse, den vollen Ersatz des beeinträchtigten Vermögensinteresses und einen effektiven Rechtsschutz. Der Bestand der Mitgliedschaft ist hingegen nur vom Schutzminimum erfasst, soweit die Mitgliedschaften von Unternehmergesellschaftern betroffen sind. Bei Gesellschaftern mit Beteiligungen an AG von weniger als 10 % des Grundkapitals wird unwiderleglich vermutet, dass sie Anlegeraktionäre sind, die mit der Beteiligung reine Vermögensinteressen verfolgen. Sie genießen daher keinen Bestandschutz.
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Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
A. Das System zum Schutz der Anteilseigner im UmwG Ein wesentliches Ziel des Gesetzgebers bei der Konzeption des UmwG war der Schutz der Anteilseigner, insbesondere der Minderheitenschutz.99 Das Schutzkonzept des UmwG besteht vereinfacht dargestellt aus drei Säulen: einem formalisierten Verfahren in der Vorbereitungs- und der Beschlussphase der Umwandlung, der Sicherung eines angemessenen Umtauschverhältnisses und der Austritts- und Abfindungsrechte der Anteilseigner im Anschluss an eine Umwandlung.100 Das umwandlungsrechtliche Verfahren dient in erster Linie der umfassenden Information der Anteilseigner über eine geplante Umwandlungsmaßnahme. Den Anteilseignern der an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger ist der Inhalt des Umwandlungsvertrags bzw. des Umwandlungsbeschlusses gem. den §§ 42, 47, 63, 216 UmwG vorab mitzuteilen. Über die angestrebte Umwandlung ist gem. den §§ 8, 127, 192 UmwG ein ausführlicher Bericht anzufertigen. Ferner erfolgt eine Prüfung des Umwandlungsvertrags durch unabhängige Prüfer nach den §§ 9, 48, 60 UmwG. Flankiert wird das Verfahren durch das Recht der Anteilseigner zur Entscheidung, durch Erfordernisse qualifizierter Mehrheiten sowie durch gesonderte Zustimmungserfordernisse101 für bestimmte Fälle. Zudem sind die Anteilseigner der übertragenden Rechtsträger nach der Konzeption des UmwG zwingend an den aufnehmenden oder neu entstehenden Rechtsträgern zu beteiligen. Das Gesetz sieht vor, dass die Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger gem. den §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 126 Abs. 1 Nr. 2 UmwG im Umwandlungsvertrag bzw. gem. § 194 Abs. 1 Nr. 3 UmwG im Umwandlungsbeschluss enthalten sein muss. Ferner existieren Ansprüche auf eine bare Zuzahlung im Falle eines zu niedrigen Umtauschverhältnisses gem. den §§ 15, 196 UmwG sowie Austrittsrechte gegen eine Barabfindung in den §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 207 UmwG. Die Höhe des Anspruchs auf bare Zuzahlung sowie die Höhe der Barabfindung können im Spruchverfahren gem. § 1 Nr. 4 SpruchG gerichtlich überprüft werden.
B. Die Vereinbarkeit von Umwandlungen mit dem Gesellschaftsinteresse Wie unter § 8 B. I. gezeigt wurde, gehört zu den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutzanforderungen aus Art. 14 Abs. 1 GG, dass Umwandlungsmaßnahmen mit dem Gesellschaftsinteresse vereinbar sind. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich gehalten, durch gesetzliche Normen sicherzustellen, dass jede Um99 Sagasser/Luke, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 3 Rn. 1; Vollrath, in: FS Widmann, 2000, S. 117 (117). 100 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 13 Rn. 23. 101 Z. B.: §§ 13 Abs. 2, 51 UmwG.
§ 11 Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutzes
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wandlung mit dem Gesellschaftsinteresse übereinstimmt. Ebenfalls wurde gezeigt, dass das Gesellschaftsinteresse das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks ist. Gesellschaftsinteresse und Gesellschaftszweck sind daher untrennbar miteinander verbunden. Das einfache Recht muss daher gewährleisten, dass jede Umwandlung auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks abzielt. Fehlen entsprechende Regelungen, so ist der Umwandlungsbeschluss auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen. Bei der Analyse der gesetzlichen Regelungen unter dem Aspekt ihrer Tauglichkeit zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses ist zu differenzieren zwischen zweckwahrenden und zweckändernden Umwandlungsbeschlüssen. I. Zweckwahrende Umwandlungen von Kapitalgesellschaften Bei der zweckwahrenden Umwandlung sind ausschließlich Gesellschaften mit demselben Gesellschaftszweck102 an einer Umwandlung beteiligt. Der Gesellschaftszweck ändert sich durch die Umwandlung nicht. Die zweckwahrende Umwandlung ist der Normalfall, da Kapitalgesellschaften überwiegend einen erwerbswirtschaftlichen Zweck verfolgen. Im UmwG finden sich keine Regelungen, die sicherstellen, dass eine Umwandlungsmaßnahme mit dem Gesellschaftszweck vereinbar ist. Das Schutzkonzept des UmwG gewährleistet nicht, dass stets nur solche Umwandlungsmaßnahmen durchgeführt werden, die dem auf den Gesellschaftszweck ausgerichteten Gesellschaftsinteresse entsprechen. Das umwandlungsrechtliche Verfahren, insbesondere der nach den §§ 8, 192 UmwG erforderliche Umwandlungsbericht und die nach § 9 UmwG erforderliche Umwandlungsprüfung, garantieren nicht, dass eine beschlossene Umwandlung im Gesellschaftsinteresse liegt. Der Umwandlungsbericht soll eine objektive Entscheidung der Anteilseigner ermöglichen103 und somit die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung erhöhen. In diesem Bericht sind die unternehmerische Notwendigkeit104 und Zweckmäßigkeit105 der Umwandlungsmaßnahme darzulegen und zu begründen. Richtig ist, dass die Darlegung und die Begründung der Notwendigkeit einer Maßnahme im Umwandlungsbericht schwer
102
Zum Gesellschaftszweck siehe oben unter § 8 B. I. 2. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 3; Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (654); Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (454). 104 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 36; M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (27). 105 BGH, Urteil v. 22.05. 1989 – II ZR 206/88 („Kochs-Adler“) = NJW 1989, 2689 (2690); OLG Frankfurt, Beschluss v. 20.03. 2012 – 5 AktG 4/11 = AG 2012, 414 (416); Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (653 f.); für den Ausgliederungsbericht nach § 127 UmwG: Veil, ZIP 1998, 361 (362); für den Umwandlungsbericht beim Formwechsel: Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660 (687). 103
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fallen wird, wenn die Maßnahme die Minderheit schwächen soll.106 Eine Richtigkeitsgewähr besteht indes nicht, da die Mehrheit im Extremfall auch offensichtlich wirtschaftlich nicht notwendige bzw. nur in ihrem Eigeninteresse liegende Maßnahmen gegen den Willen der Minderheit durchsetzen kann.107 Die hohen Mehrheitserfordernisse sind ebenfalls keine Garantie für die Richtigkeitsgewähr108 des Umwandlungsbeschlusses und damit auch keine Garantie für seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse. Daher existiert im UmwG ein Schutzdefizit in Bezug auf die Vereinbarkeit von Umwandlungsmaßnahmen mit dem Gesellschaftsinteresse. II. Zweckändernde Umwandlungen von Kapitalgesellschaften Anders ist die Rechtslage bei zweckändernden Umwandlungen. Im Vereinsrecht ist gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Änderung des Vereinszwecks die Zustimmung aller Vereinsmitglieder erforderlich. Diese Regelung gewährt den durch Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Minimalschutz, da das Einstimmigkeitserfordernis den größtmöglichen Schutz für das Mitgliedschaftsrecht bietet.109 Im Falle des Einstimmigkeitserfordernisses kann jeder Gesellschafter eine Maßnahme verhindern, so dass sichergestellt ist, dass die Maßnahme im Interesse aller Gesellschafter durchgeführt wird. Angesichts von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB stellen sich zwei Fragen. Zum einen ist fraglich, ob das Einstimmigkeitserfordernis für Änderungen des Gesellschaftszwecks ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip ist, das ebenfalls für Kapitalgesellschaften gilt. Zum anderen stellt sich daran anknüpfend die Frage, ob § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für Umwandlungsbeschlüsse gilt, die zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks führen. Beide Fragen werden im Folgenden positiv beantwortet. 1. Die Änderung des Gesellschaftszwecks Umwandlungen können prinzipiell zu einer Zweckänderung führen, wenn an der Umwandlung Gesellschaften mit unterschiedlichem Gesellschaftszweck beteiligt sind110 oder beim Formwechsel der Gesellschaftszweck in der Satzung des neuen Rechtsträgers vom bisherigen Gesellschaftszweck abweicht. Die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft werden mit dem Wirksamwerden der Umwandlungsmaßnahme zu Mitgliedern der übernehmenden Gesellschaft(en) gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG bzw. beim Formwechsel zu Anteilsinhabern am Rechtsträger neuer Rechtsform gem. § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Sind an einer Umwandlung Gesellschaften mit unterschiedlichem Gesellschaftszweck beteiligt bzw. wird dieser beim 106
So: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 36; Baums, AG 1994, 1 (10); Hofmann/ Krolop, AG 2005, 866 (870). 107 Hofmann/Krolop, AG 2005, 866 (870). 108 Zur fehlenden Richtigkeitsgewähr eines Beschlusses trotz qualifizierter Mehrheitserfordernisse, siehe § 3 C. 109 Binnewies, GmbHR 1997, 727 (732). 110 Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 203 Rn. 487.
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Formwechsel abweichend vom bisherigen Gesellschaftszweck festgelegt, führt dies dazu, dass die Gesellschafter der übertragenden bzw. formwechselnden Gesellschaft sich nach Wirksamwerden der Umwandlung in einer Gesellschaft wiederfinden, die einen anderen Gesellschaftszweck verfolgt. Der BGH hat festgestellt, dass eine Zweckänderung nur ausnahmsweise vorliegt, wenn von der „großen Linie“ abgewichen wird, um deretwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und sich der „Charakter eines Vereins ändert“.111 Folglich liegt eine Änderung des Gesellschaftszwecks dann vor, wenn der erwerbswirtschaftliche Zweck in einen gemeinnützigen, ideellen oder sozialwirtschaftlichen Zweck ganz oder teilweise übergeht oder umgekehrt.112 Nach der Definition in § 52 AO liegt ein gemeinnütziger Zweck vor, wenn die Tätigkeit des Unternehmens darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Selbstlosigkeit bedeutet gem. § 55 AO, dass mit der Förderung nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – gewerbliche oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden. Ein ideeller Zweck liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht erwerbswirtschaftliche, sondern beispielsweise gesellige, sportliche, wissenschaftliche, künstlerische, karitative, aber auch politische Zwecke verfolgt.113 Ein sozialwirtschaftlicher bzw. sozialpolitischer Zweck ist gegeben, wenn die Gesellschaft – meist ein Unternehmen der öffentlichen Hand – Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnimmt, wirtschaftspolitische Zielsetzungen verfolgt oder dem Umweltschutz dient.114 Letztlich existiert eine große Schnittmenge dieser nichterwerbswirtschaftlichen Zwecktypen. Ihnen ist gemeinsam, dass die durch den jeweiligen Unternehmensbetrieb erzielten Überschüsse allein zur Zweckerreichung eingesetzt werden und nicht den Gesellschaftern als Gewinn zufließen.115 111
BGH, Urteil v. 11.11. 1985 – II ZB 5/85 = NJW 1986, 1033 (1034). Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 114; Stein, in: MüKo, AktG, § 179 Rn. 131. 113 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 1 Rn. 12; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, § 1 Rn. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 1 Rn. 11. 114 Ehlers, JZ 1990, 1089 (1091). 115 Der Zweck einer Gesellschaft ist daher in der Regel tangiert, wenn über die Gewinnverwendung, über den gesetzlich zulässigen Rahmen hinaus, neu beschlossen wird. Bei einer Gesellschaft mit erwerbswirtschaftlichem Zweck betrifft dies Beschlüsse, die eine Ermächtigung über die Verwendung von Gewinnen außerhalb der Gesellschaft im Sinne von § 58 Abs. 3 Satz 2 AktG einführen oder ändern, vgl. Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 114; Kind, NZG 2000, 567 (571). Eine Zweckänderung liegt aber bereits dann vor, wenn die Verwendung des Gewinns für andere Zwecke als zur Ausschüttung an die Aktionäre beschlossen wird, vgl. Stein, in: MüKo, AktG, § 179 Rn. 131. Davon ausgenommen ist die Verwendung der Gewinne für Investitionen der Gesellschaft, da diese langfristig der Gewinnerzielung und somit dem erwerbswirtschaftlichen Zweck dienen. Beschlüsse, die die Bildung von Rücklagen vorsehen, sind daher in der Regel keine Zweckänderung, vgl. § 58 Abs. 3 S. 1 AktG. Eine Zweckänderung kann aber auch bei der Einstellung in Gewinnrücklagen vorliegen, wenn schlechthin kein kaufmännischer Grund für die Einstellung des Gewinns in Rücklagen ersichtlich ist, vgl. 112
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2. Analoge Anwendung von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Änderung des Gesellschaftszwecks von Kapitalgesellschaften? a) Meinungsstand Nach h.M. verkörpert § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip und gilt daher entsprechend für Satzungsänderungen in Kapitalgesellschaften, die eine Änderung des Gesellschaftszwecks zum Gegenstand haben.116 Eine andere Ansicht lehnt diese Analogie ab und lässt für die Änderung des Gesellschaftszwecks einer Kapitalgesellschaft eine Drei-Viertel-Mehrheit gem. §§ 179 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG genügen.117 Die Rechtsprechung hat zur Frage der analogen Anwendung von § 33Abs. 1 Satz 2 BGB auf Kapitalgesellschaften bisher nicht Stellung genommen. Das KG Berlin hat diese Frage in einer Entscheidung ausdrücklich offen gelassen.118 Für die entsprechende Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips auf die Änderung des Gesellschaftszwecks einer Kapitalgesellschaft wird vorgebracht, es handele sich nicht um eine normale Satzungsänderung, sondern um die Änderung der Grundlage der Gesellschaft. 119 Der „Übergang vom Gewinnstreben zum Idealzweck und umgekehrt“ bedeute „einen weit schwerwiegenderen Eingriff als die Änderung
Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 115; ähnlich Schiessl/Böhm, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 32 Rn. 31. 116 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff; GmbHG, § 53 Rn. 23; Fleischer, in: MüKo, GmbHG, Einl. Rn. 30; Harbarth, in: MüKo, GmbHG, § 53 Rn. 188; Haberstock/Greitemann, in: Hölters, AktG, § 179 Rn. 19; Hoffmann, in: Michalski, GmbHG, § 53 Rn. 91; Holzborn, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 179 Rn. 60; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 33; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 42; Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 91; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 10; Stein, in: MüKo, AktG, § 179 Rn. 132; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 76 Rn. 14; Wachter, in: Wachter, AktG, § 179 Rn. 19; Wicke, in: Wicke, GmbHG, § 53 Rn. 15; Semler, in: Münch. Hdb. GesR, AG, 2007, § 39 Rn. 62; Wiesner, in: Münch. Hdb. GesR, AG, 2007, § 9 Rn. 10; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 29; ders., in: KK, AktG, § 179 Rn. 113; ders., Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 30; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 161; ders., AG 2009, 766 (772); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 40; K. Schmidt, GesR, S. 65; Tieves, Der Unternehmensgegenstand in der Kapitalgesellschaft, S. 21; Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 226 f.; Habersack, ZGR 1996, 544 (551); Hellgardt, in: FS Hopt, 2010, S. 765 (785); Käpplinger, in: FS Schwark, S. 209 (214); Philipp, AG 2000, 62 (66). 117 Wiedemann, GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 56; ders., GesR I, S. 156 f.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 16 Rn. 70; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 301 f.; Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, S. 113; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 121 ff./S. 124 ff.; Timm, Konzernspitze, 1980, S. 31. 118 KG, Urteil v. 03.09. 2004 – 14 U 333/02 = NZG 2005, 88 (89). 119 So K. Schmidt, GesR, S. 65.
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des Unternehmensgegenstands“.120 Die h.M. ist deshalb der Ansicht, dass kein Gesellschafter eine Änderung des Gesellschaftszwecks gegen seinen Willen hinnehmen muss, da mit der Zweckänderung die Grundlage für den Zusammenschluss zur Gesellschaft im konkreten Fall entfällt.121 Folglich müssten höhere Anforderungen bestehen. Die §§ 179 AktG, 53 GmbHG betreffen nach herrschender Ansicht nur normale Satzungsänderungen und gelten deshalb nicht für zweckändernde Beschlüsse. Die Gegenauffassung begründet ihre Ansicht zum einen mit dem systematischen Argument, die §§ 179 AktG, 53 GmbHG seien im Verhältnis zu § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB verdrängende Spezialregelungen.122 Zum anderen stützt sich die Gegenauffassung darauf, dass das Recht der Kapitalgesellschaften vom Mehrheitsprinzip beherrscht wird und darin die „konkludente Absage“ des Gesetzgebers an das Einstimmigkeitsprinzip zu sehen ist.123 Dies sei Folge der Praktikabilitätsprobleme, die das Einstimmigkeitserfordernis mit sich bringe, da bei seiner Geltung eine Zweckänderung ab einer gewissen Gesellschafterzahl praktisch ausgeschlossen wäre124 und eine Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit vorläge125. Zudem beruft sich diese Ansicht darauf, dass das Gesetz für andere Maßnahmen, die eine Zweckänderung nach sich ziehen, ebenfalls eine Mehrheitsentscheidung zulässt.126 Genannt werden in diesem Zusammenhang die Auflösung der Gesellschaft gem. den §§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, der Abschluss eines Unternehmensvertrags gem. § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG und die Mehrheitseingliederung gem. § 320 Abs. 1 AktG. Diese Regelungen zeigten, dass der Gesetzgeber auch für zweckändernde Beschlüsse das Mehrheitsprinzip vorsehe. Gleichwohl erkennen die Vertreter der Gegenansicht aber an, dass ein Schutzbedürfnis der überstimmten Minderheit besteht, da bei einer Änderung des Gesellschaftszwecks ein erheblicher Eingriff in die Rechtsstellung der betroffenen Gesellschafter vorliegt.127 Wiedemann schlägt daher vor, den mehrheitlich gefassten Zweckänderungsbeschluss gerichtlich 120 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 30; im Ergebnis auch: Hüffer, AktG, § 179 Rn. 33; Holzborn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 179 Rn. 60. 121 Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 91. 122 Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbHRecht, S. 113, dort Fn. 68. 123 So Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 33, dort Fn. 94. 124 Vgl. Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986, S. 116; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 33; Wiedemann, GesR I, 1980, S. 157. 125 Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbHRecht, 1986, S. 112. 126 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 301. 127 Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 34; Für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, S. 115.
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auf seine sachliche Rechtfertigung hin überprüfen zu lassen und den überstimmten Gesellschaftern ein Austrittsrecht gegen Abfindung einzuräumen.128 b) Stellungnahme: Entsprechende Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Kapitalgesellschaften Der Streit über die Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Kapitalgesellschaften betrifft die Frage nach Umfang und Grenze der Mehrheitsmacht in einer Gesellschaft. Wenn der Zweck einer Gesellschaft nur einstimmig geändert werden kann, bildet er die Grenze der Mehrheitsmacht.129 Zwar ist § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB eine vereinsrechtliche Norm. Vereinsrechtliche Regelungen können aber grundsätzlich auf andere Körperschaften angewandt werden, da der Verein die Grundform der Körperschaft ist. Eine analoge Anwendung setzt allerdings voraus, dass eine planwidrige Regelungslücke besteht. Für Satzungsänderungen gelten §§ 179 AktG, 53 GmbHG, wonach wirksame Satzungsänderungen nur einer Drei-Viertel-Mehrheit bedürfen. Diese Vorschriften betreffen aber nur die Satzungsänderung im Allgemeinen. Die Änderung des Gesellschaftszwecks ist eine besondere Satzungsänderung. Dies ergibt sich aus § 33 Abs. 1 BGB, der zwischen normalen Satzungsänderungen in Satz 1 und der Änderung des Gesellschaftszwecks in Satz 2 unterscheidet. Verglichen mit § 33 Abs. 1 BGB regeln §§ 179 Abs. 2 Satz 1 AktG, 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in der Tat nur die Satzungsänderung im Allgemeinen, so wie es auch in § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB der Fall ist. Eine spezielle Regelung für die Änderung des Gesellschaftszwecks als Satzungsänderung im Besonderen, die § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB entspräche, existiert dagegen weder im Aktien- noch im GmbH-Recht, obwohl das GmbHG den Gesellschaftszweck ansonsten in §§ 1, 61 GmbHG ausdrücklich erwähnt. Das Argument der Gegenmeinung, wonach §§ 262, 293, 320 AktG zeigten, dass das Mehrheitsprinzip vom Gesetzgeber auch für zweckändernde Beschlüsse der Kapitalgesellschaft beabsichtigt sei, ist nicht überzeugend. §§ 262, 293, 320 AktG konstituieren das Mehrheitsprinzip für den Auflösungsbeschluss, den Beschluss über den Abschluss eines Unternehmensvertrags sowie für den Beschluss über die Eingliederung, die ihrer eigentlichen Funktion nach zweckändernde Beschlüsse sind. Wenn aber das Mehrheitsprinzip ohnehin für sämtliche Gesellschafterbeschlüsse – 128 Wiedemann, GesR I, 1980, S. 157; ders., in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 56; ihm folgend: Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 302; so auch: Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 34; ähnlich, auf die Bindungen der Mehrheit durch Treuepflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz abstellend: Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbHRecht, 1986, S. 115. 129 BGH, Urteil v. 11.11. 1985 – II ZB 5/85; Röhricht, in: GroßKomm-AktG, § 23 Rn. 91; K. Schmidt, GesR, S. 65.
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zweckändernde Beschlüsse eingeschlossen – gälte, bedürfte es aber keiner ausdrücklichen Normierung des Mehrheitsprinzips für diese Spezialfälle.130 §§ 262, 293, 320 AktG müssen daher als Ausnahmeregeln zum Grundsatz gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden. Ferner wäre die Anwendung des Mehrheitsprinzips auf die Zweckänderung nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Wie bereits gezeigt, muss nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Rechtsverlust der betroffenen Minderheitsgesellschafter, den sie durch einen Mehrheitsbeschluss erleiden, wirtschaftlich voll entschädigt werden, um die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Anteilseigentum zu erfüllen.131 Für die Fälle der Liquidation, des Abschlusses eines Unternehmensvertrags sowie der Mehrheitseingliederung existieren gesetzliche Ausgleichs- und Entschädigungsregelungen, §§ 304, 305, 320b AktG sowie § 271 AktG. Für eine Änderung des Gesellschaftszwecks im Übrigen bestehen hingegen keine Abfindungsregelungen. Die überstimmten Gesellschafter haben nicht einmal die Möglichkeit, aus der Gesellschaft mit neuem Zweck auszutreten. Wiedemann schlägt deshalb vor, den Zweckänderungsbeschluss einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen und ein Austrittsrechts unter Abfindung zum tatsächlichen Wert der Beteiligung analog §§ 305 Abs. 2 Nr. 3, 320b Abs. 1 Satz 3 AktG zu gewähren.132 Diese Lösung ist aber abzulehnen. Zum einen ist eine materielle Kontrolle des Zweckänderungsbeschlusses nicht durchführbar.133 Zum anderen kann das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum einfacher durch die analoge Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB erreicht werden. Eine materielle Kontrolle des Zweckänderungsbeschlusses ist nicht durchführbar, da sich eine materielle Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen nur durchführen lässt, wenn ein Bezugspunkt existiert, anhand dessen beurteilt werden kann, ob ein Beschluss materiell rechtmäßig ist. Das Gesellschaftsinteresse dient, wie bereits gezeigt, wurde als Bezugspunkt für eine materielle Beschlusskontrolle. Das Gesellschaftsinteresse ist das kollektivierte Interesse der Gesellschaftergesamtheit
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So auch Harbarth, Anlegerschutz im öffentlichen Unternehmen, S. 227. BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/ 89 = NZG 2000, 28 (29) („Hartmann&Braun“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589). 132 Vgl. Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 56; Wiedemann, GesR I, 1980, S. 157. 133 Hofmann/Krolop, AG 2005, 866 (869); Reuter, ZGR 1987, 475 (487 f.), ders., in: MüKo, BGB, § 33 Rn. 26; a.A. Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 122; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 34; so auch Wiedemann, GesR I, 1980, S. 157, der allerdings hiervon wieder abgerückt ist, vgl. ders., in: GroßKomm-AktG, § 179 Rn. 56. 131
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an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks.134 Der Gesellschaftszweck dient daher als Kontrollmaßstab zur Kontrolle eines Beschlusses auf seine Zweckmäßigkeit.135 Wird der Gesellschaftszweck geändert, entfällt aber dieser Bezugspunkt. Es ist folglich nicht möglich eine Zweckänderung auf ihre sachliche Rechtfertigung im Gesellschaftsinteresse und somit in Bezug auf den Gesellschaftszweck zu überprüfen, da der konkrete Gesellschaftszweck gerade geändert wird.136 Es lässt sich auch nicht beurteilen, ob eine Zweckänderung ohne den Bezug zum Gesellschaftsinteresse an sich sach- bzw. interessensgerecht ist. Während Maßnahmen, die den Gesellschaftszweck nicht ändern, danach beurteilt werden können, ob die sie zur Erreichung des Gesellschaftszwecks geeignet sind und somit im Gesellschaftsinteresse liegen, lässt sich eine Abwägung unterschiedlicher Zwecke nicht vornehmen. Bei der Wahl des Zwecks handelt es sich um eine grundlegende Weichenstellung der Gesellschaft, für die es keine objektiven Kriterien zur Beurteilung ihrer Richtigkeit gibt. So können etwa der erwerbswirtschaftliche und der nichterwerbswirtschaftliche Zweck nicht gegeneinander abgewogen werden, da nicht per se der eine Zweck den anderen überwiegt. Aber auch die eigenen Interessen der Mitglieder einer Gesellschaft scheiden als Kontrollmaßstab aus, da eine Zweckänderung immer eine Entscheidung eindeutig gegen die eigenen Interessen derer ist, die den bisherigen Zweck weiter verfolgen möchten. Eine Überprüfung des Zweckänderungsbeschlusses auf seine Interessensgerechtigkeit hätte somit im Ergebnis stets die Unwirksamkeit der Entscheidung zur Folge.137 Im Ergebnis liefe somit eine materielle Kontrolle des Zweckänderungsbeschlusses stets auf seine Rechtswidrigkeit hinaus, worin letztlich kein Unterschied zum Einstimmigkeitserfordernis bestünde. Gegen eine entsprechende Anwendung der Ausgleichs- und Abfindungsregelungen gem. §§ 305 Abs. 2 Nr. 3, 320b Abs. 1 Satz 3 AktG spricht, dass das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum durch die analoge Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB erreicht werden kann. Eine Analogie zu §§ 305 Abs. 2 Nr. 3, 320b Abs. 1 Satz 3 AktG würde hingegen eine ganze Reihe von Folgefragen aufwerfen und zu weiteren Unklarheiten führen.138 §§ 305 ff. AktG und §§ 320 ff. AktG be134
Siehe § 8 B. I. 2. Zum Gesellschaftsinteresse vgl. § 8 B. I. 136 So auch: Hofmann/Krolop, AG 2005, 866 (869); Reuter, ZGR 1987, 475 (487 f.), ders., in: MüKo, BGB, § 33 Rn. 26. Dies gilt nicht für die Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG, da eine zweckändernde Ausgliederung nicht denkbar ist, zur Ausgliederung vgl. unten § 10 D. 137 A.A. Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 138 f., der eine Zweckänderung für unangemessen hält, wenn das mit ihr verfolgte Ziel auf eine weniger beeinträchtigende Weise für die Minderheit verwirklicht werden könne, der damit aber zugleich außer Acht lässt, dass der Zweck selbst das oberste Ziel einer Gesellschaft ist. 138 Ausführlich zu den Folgeproblemen der analogen Anwendung von Abfindungsansprüchen, vgl. Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, § 7 B, C, D. 135
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treffen jeweils verschiedene Maßnahmen und differieren demzufolge in ihrer tatbestandlichen Ausgestaltung. Bei einer analogen Anwendung müsste exakt bestimmt werden, welche Regelungen dieser Tatbestände im Detail auf den Fall der Zweckänderung passen. Dies würde zu großen Auslegungsproblemen führen.139 Ferner wären bei einer analogen Anwendung dieser Abfindungsregelungen möglicherweise rechtsformspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, da §§ 305 ff. AktG nur für die AG gelten. Ferner müsste die Vereinbarkeit einer Analogie mit den Kapitalbindungsregeln sichergestellt werden, die für die GmbH und die AG ebenfalls Unterschiede aufweisen. Dies hätte unter Umständen zur Folge, dass §§ 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG, 33 Abs. 3 GmbHG ebenfalls analog herangezogen werden müssten.140 Dies zeigt, dass der Vorschlag, den Zweckänderungsbeschluss einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen und ein Austrittsrechts unter Abfindung zum tatsächlichen Wert der Beteiligung analog §§ 305 Abs. 2 Nr. 3, 320b Abs. 1 Satz 3 AktG zu gewähren, mehr Probleme schafft als behebt. Der Streit um das Einstimmigkeitserfordernis wäre letztlich nur auf eine andere Ebene verlagert. Aus den genannten Gründen ist es vorzugswürdig, § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB analog auf Kapitalgesellschaften anzuwenden. 3. Anwendbarkeit von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Umwandlungsbeschlüsse a) Der Beschluss über einen Formwechsel als echte Satzungsänderung § 33 Abs. 1 S. 1 BGB setzt tatbestandlich die Änderung des Gesellschaftszwecks voraus. Die Zweckänderung ist in materieller Hinsicht eine Satzungsänderung.141 Satzungsänderungen im weiten Sinne sind alle inhaltlichen oder formalen Veränderungen der Satzungsbestimmungen durch Einwirken auf den Text der Satzungsurkunde.142 Als echte Satzungsänderungen oder Satzungsänderungen im engeren Sinn werden nach allgemeiner Ansicht die Änderungen der materiellen Satzungsbestandteile bezeichnet.143 Der Beschluss über den Formwechsel ist bei genauer Betrachtung ebenfalls eine Satzungsänderung. Im Zuge eines Formwechsels ändert die Gesellschaft ihre Rechtsform unter Wahrung ihrer wirtschaftlichen Identität.144 Beim Formwechsel
139 Zu den Auslegungsproblemen umfassend: Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 369 ff. 140 Zur Problematik der Kapitalerhaltung bei ungeschriebenen Abfindungsansprüchen, vgl. Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 369 ff. 141 Reuter, in: MüKo, BGB, § 33 Rn. 12. 142 Stein, in: MüKo, AktG, § 179 Rn. 22; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 6. 143 Hüffer, AktG, § 179 Rn. 4; Stein, in: MüKo, AktG, § 179 Rn. 23 f.; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 179 Rn. 7. 144 Decher, in: Lutter, UmwG, Vor § 190 Rn. 2.
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ändert sich nur das Rechtskleid der Gesellschaft145, die Gesellschaft im Übrigen hinsichtlich ihrer Struktur und ihres Charakters aber unverändert bleibt. Der Formwechsel ist geprägt von der Identität des Rechtsträgers146 sowie der Kontinuität der Mitgliedschaft147 zum einen und der Diskontinuität des Rechtsregimes zum anderen, weil die Gesellschaft neuer Rechtsform einer anderen Rechtsordnung unterliegt.148 Die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft muss gem. § 4 AktG bzw. § 4 GmbHG in der Firma der Gesellschaft enthalten sein und wird so zum Inhalt der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags. Die Firma der Gesellschaft ist eine zwingende materielle Bestimmung der Satzung gem. § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG bzw. des Gesellschaftsvertrags gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG. Zumindest die Firma muss bei einem Formwechsel demnach im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft neuer Rechtsform geändert werden.149 Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft neuer Rechtsform ist gem. §§ 243 Abs. 1 S. 1, 218 Abs. 1 S. 1 UmwG im Umwandlungsbeschluss über den Formwechsel enthalten. Die Anteilseigner stimmen durch Fassung des Umwandlungsbeschlusses daher letztlich den Änderungen im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft neuer Rechtsform zu. Der Formwechselbeschluss unterscheidet sich daher weder formal noch materiell von einer Satzungsänderung. Der Umwandlungsbeschluss über einen Formwechsel ist eine echte Satzungsänderung.150 Der Formwechsel ist somit tatbestandlich von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB erfasst.
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Dies kommt in § 194 Abs. 1 Nr. 1 UmwG zum Ausdruck. Decher, in: Lutter, UmwG, Vor § 190 Rn. 2; K. Schmidt, in: FS Ulmer, S. 557 (564 f.). 147 BGH, Urteil vom 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (723); Decher, in: Lutter, UmwG, § 194 Rn. 6; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1616). 148 Habersack, in: FS M. Winter, 2011, S. 177 (179). 149 Mutter, in: Semler/Stengel, § 243 Rn. 9. 150 So auch die h.M.: BGH, Urteil v. 9.5. 2005 – II ZR 29/03 = NZG 2005, 722 (724, 725); Hüffer, AktG, § 179 Rn. 37; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 13; Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 140; ders., in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 37; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 10; Decher, in: Lutter, UmwG, § 193 Rn. 8; Mutter, in: Semler/ Stengel, UmwG, § 243 Rn. 9 ff.; Petersen, in: KK, UmwG, § 193 Rn. 1; im Ergebnis auch Happ/Göthel, in: Lutter, UmwG, § 243 Rn. 35; Marquardt, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 22 Rn. 106; Habersack, in: FS M. Winter, 2011, S. 177 (180); Veil, Umwandlung einer Aktiengesellschaft, 1996, S. 17 hingegen sieht im Formwechsel und im zukünftigen Gesellschaftsvertrag zwei strikt voneinander zu trennende Beschlussgegenstände, wobei letzterer eine echte Satzungsänderung ist; a.A. jedoch ohne nach der Umwandlungsart zu differenzieren: Hoffmann, in: Michalski, GmbHG, § 53 Rn. 159; Harbarth, in: MüKo, GmbHG, § 53 Rn. 232; Kort, AG 2011, 611 (613). 146
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b) Die Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Neugründung als echte Satzungsänderungen Die Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Neugründung sind ebenfalls Satzungsänderungen.151 Die Anteilseigner der jeweiligen Gesellschaft stimmen dem Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbeschluss zu, der gem. § 37 UmwG152 den Gesellschaftsvertrag bzw. die Gesellschaftsverträge der neu zu gründenden Gesellschaft (en) enthält. Die Anteilseiger finden sich nach Eintragung der Umwandlung – wie beim Formwechsel – in einer oder mehreren Gesellschaft(en) wieder, die den mit der Neugründung festgelegten und gegebenenfalls geänderten Zweck verfolgen. Die Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Verschmelzung und die Aufspaltung ist nach richtiger Ansicht153 auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der übertragende Rechtsträger bei der Verschmelzung und der Aufspaltung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erlischt. Es wird vertreten, dass die Verschmelzungs- und Aufspaltungsbeschlüsse der übertragenden Gesellschaften einer Auflösung der Gesellschaft gleichstehen und deshalb eine Drei-Viertel-Mehrheit gem. §§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG genügt.154 Diese Ansicht ist abzulehnen, da sie das Erlöschen der Gesellschaft mit ihrer Auflösung gleichsetzt. Es besteht aber ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers im Rahmen einer Umwandlung und der Auflösung der Gesellschaft, die nach §§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einer Drei-Viertel-Mehrheit bedarf. Umwandlungsmaßnahmen unterscheiden sich grundlegend von der Auflösung einer Gesellschaft. Bei der Auflösung der Gesellschaft beschließt die Gesellschaftermehrheit das Kapital zu deinvestieren und die Verfolgung des Gesellschaftszwecks aufzugeben. Bei der Verschmelzung und der Aufspaltung beschließt die Gesellschaftermehrheit hingegen, den Gesellschaftszweck in rechtlich veränderter Gestalt weiterzuverfolgen, nämlich als Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft(en).155 Anders als die Auflösung einer Gesellschaft, die zu ihrer Liquidation und letztlich zum Ausscheiden ihrer Mitglieder führt, führen Verschmelzung und 151 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 10; Marquardt, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 22 Rn. 108; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1622). 152 Für die Spaltung gilt dies gem. §§ 125 S. 1, 37 UmwG. 153 D. Leuering, in: KK, UmwG, § 103 Rn. 13; Katschinski, in: Semler/Stengel, UmwG, § 103 Rn. 19; Reuter, in: MüKo, BGB, 5. Auflage 2006, § 41 Rn. 41; Reichert, Hdb. des Vereins- und Verbandsrechts, 2007, Rn. 4150; Neumayer/Schulz, DStR 1996, 872 (873). 154 Für die Verschmelzung eines rechtsfähigen Vereins: Hennrichs, in: Lutter, UmwG, § 103 Rn. 11; Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 99 Rn. 95 (Stand 02/2008); Raupach/ Böckstiegel, in: FS Widmann, S. 482; für die Aufspaltung eines rechtsfähigen Vereins: Hennrichs, in: Lutter, UmwG, § 149 Rn. 14. 155 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 335 f.; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 551.
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Aufspaltung zum Fortbestand des Engagements als Gesellschafter in veränderter rechtlicher und wirtschaftlicher Form.156 c) Rechtliche Gleichstellung der Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Aufnahme im übertragenden Rechtsträger mit Satzungsänderungen Die Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Aufnahme unterscheiden sich sowohl vom Formwechsel als auch von der Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Neugründung darin, dass dem Gesellschaftsvertrag des übernehmenden Rechtsträgers bei der Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Aufnahme anders als bei der Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Neugründung nicht durch Beschluss der Anteilseigner zugestimmt wird. Fraglich ist, ob die Verschmelzung/Auf- und Abspaltung zur Aufnahme rechtlich wie Satzungsänderungen zu behandeln sind. In der Literatur finden sich dazu Anhaltspunkte in einem etwas anderen Zusammenhang: Für Satzungsänderungen können in der Satzung einer Gesellschaft zusätzliche, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende, Voraussetzungen festgelegt werden. Strittig ist, ob die in der Satzung über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Voraussetzungen für Satzungsänderungen auch für den Verschmelzungs- und Spaltungsbeschluss des übertragenden Rechtsträgers gelten. Größtenteils wird vertreten, dass solche gegenüber dem Gesetz erhöhten Anforderungen nicht nur für Satzungsänderungen, sondern auch für Verschmelzungen und Spaltungen gelten.157 Eine andere Ansicht lehnt eine generelle Anwendung von erhöhten satzungsmäßigen Anforderungen auf Umwandlungsbeschlüsse ab.158 Vielmehr soll dieser Ansicht nach im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden, ob der konkrete Umwandlungsbeschluss von der jeweiligen Satzungsbestimmung erfasst wird. Teilweise wird vertreten, dass weder der Verschmelzungsbeschluss noch der Spaltungsbeschluss Satzungsänderungen sind, da es sich um qualitativ andere Maßnahmen handle.159 Richtigerweise sind die Verschmelzung sowie die Auf- und Abspaltung zur Aufnahme rechtlich wie Satzungsänderungen zu behandeln.160 Die Verschmelzung sowie die Auf- und Abspaltung zur Aufnahme wirken sich auf das Mitglied156 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 335 f.; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 551. 157 Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 13 Rn. 11; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 21; M. Winter, in: Lutter, UmwG, § 50 Rn. 6; Teichmann, in: Lutter, UmwG, § 123 Rn. 14; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 65 Rn. 12; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 50 Rn. 42 (02/2008); Harbarth, in: MüKo, GmbHG, § 53 Rn. 232. 158 Simon, in: KK, UmwG, § 13 Rn. 23; Hoffmann, in: Michalski, GmbHG, § 53 Rn. 159; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 37. 159 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 65 Rn. 6; Kort, AG 2011, 611 (611). 160 Marquardt, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 22 Rn. 108.
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schaftsrecht der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers genauso aus wie eine Satzungsänderung des übertragenden Rechtsträgers.161 Im Zuge einer Verschmelzung sowie einer Auf- und Abspaltung zur Aufnahme erhalten die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers Anteile am übernehmenden Rechtsträger gem. §§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, 125 Satz 1 UmwG. Sie werden fortan Mitglieder des übernehmenden Rechtsträgers – somit einer anderen Gesellschaft – und unterliegen deren gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen, die unter Umständen stark von den Bestimmungen des bisherigen Gesellschaftsvertrags des übertragenden Rechtsträgers abweichen können. Die Verschmelzung sowie die Auf- und Abspaltung zur Aufnahme sind beim übertragenden Rechtsträger daher rechtlich Satzungsänderungen gleichzustellen.162 Bei den übernehmenden Rechtsträgern hingegen ändert sich in Bezug auf die gesellschaftsvertragliche Grundlage nichts für ihre Anteilseigner. Die Beschlüsse in den übernehmenden Rechtsträgers sind daher keine Satzungsänderungen. d) Keine Satzungsänderung bei der Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG Die Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG unterscheidet sich dagegen grundlegend von einer Satzungsänderung.163 Im Falle der Ausgliederung wird ein Teil des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger übertragen. Im Unterschied zur Abspaltung werden aber nicht die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers an den übernehmenden Gesellschaften beteiligt, sondern der übertragende Rechtsträger selbst, vgl. § 123 Abs. 3 UmwG. Für die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ändert sich aber gerade nichts an der gesellschaftsvertraglichen Grundlage ihrer Mitgliedschaft. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers sind auch nach Vollzug der Ausgliederung nur an diesem beteiligt. Die Ausgliederung führt zu einer Übertragung von Vermögensteilen, die die wirtschaftliche Grundlage der Gesellschaft – nicht aber ihre rechtliche – berührt, da lediglich ein Aktivtausch beim übertragenden Rechtsträger erfolgt. Eine Satzungsänderung ist mit der Ausgliederung daher nicht verbunden. Wie bereits gezeigt, kann die Ausgliederung wesentlicher Vermögensteile des übertragenden Rechtsträgers aber zu einem Eingriff in das Mitglied-
161 Maßnahmen, die keine echte Satzungsänderung sind, mit einer solchen aber hinsichtlich ihrer Wirkungen vergleichbar sind, werden auch als „faktische“ Satzungsänderungen bezeichnet, vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 21; Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 109; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1622). Dieser Begriff wird jedoch auch für „Satzungsdurchbrechungen“ verwendet, weshalb er hier nicht gebraucht wird, vgl. Hüffer, AktG, § 179 Rn. 9. 162 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 10; Wicke, in: Wicke, GmbHG, § 53 Rn. 3; Marquardt, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 22 Rn. 108; Bayer, ZIP 1997, 1613 (1622). 163 A.A. Marquardt, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 22 Rn. 85.
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schaftsrecht unter dem Aspekt der Mediatisierung der Mitwirkungsrechte führen.164 Solche Eingriffe fallen in den Anwendungsbereich der materiellen Beschlusskontrolle und sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen.165 Erfolgt demnach im Einzelfall eine Ausgliederung wesentlicher Vermögensteile einer erwerbswirtschaftlich handelnden Gesellschaft auf eine nichterwerbswirtschaftlich handelnde Gesellschaft, ist § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels eines satzungsändernden Charakters der Ausgliederung nicht anwendbar. In diesem Fall besteht ein Schutzdefizit und es ist im Rahmen einer materiellen Beschlusskontrolle zu prüfen, ob die Ausgliederung mit dem Gesellschaftsinteresse vereinbar ist. Das Gesellschaftsinteresse ist das kollektivierte Interesse aller Gesellschafter an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks. Die Ausgliederung wesentlicher Vermögensteile einer erwerbswirtschaftlich handelnden Gesellschaft auf eine Gesellschaft mit nichterwerbswirtschaftlichem Zweck wird daher in der Regel einer materiellen Inhaltskontrolle auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse nicht standhalten.166 So entschied das KG Berlin in einem Fall, in dem es um die Ausgliederung wesentlicher Geschäftsbereiche auf eine gemeinnützige Gesellschaft ging, dass der Ausgliederungsbeschluss treuwidrig ist. Das Gericht erachtete den Ausgliederungsbeschluss deshalb für treuwidrig, da er in das unentziehbare Recht auf Teilhabe am Gewinn sowie am Wertzuwachs der Gesellschaft eingreife.167 Die Anteile an der gemeinnützigen Gesellschaft verkörperten lediglich Stimmrechte und seien wirtschaftlich praktisch wertlos.168 Die Entscheidung des KG Berlin lässt sich nahtlos in das hier entwickelte System einfügen. e) Ergebnis Die Verschmelzung sowie die Auf- und Abspaltung sind rechtlich wie Satzungsänderungen zu behandeln. Sie fallen daher tatbestandlich in den Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG ist hingegen keine Satzungsänderung. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt daher nicht für die Ausgliederung.
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Zur Mediatisierung der Gesellschafterrechte bei der Ausgliederung siehe § 9 D. III. OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457); Veil, ZIP 1998, 361 (364); zur Anfechtbarkeit des Ausgliederungsbeschlusses vgl. auch § 10 D. IV. 3. 166 Anders ist die Rechtslage, wenn eine Konzernklausel in der Satzung exisitert, die die Beteiligung an einer gemeinnützigen Gesellschaft zulässt. 167 KG Berlin, Urteil v. 17.9. 2009 – 23 U 15/09 = NZG 2010, 462, im Volltext unter Tz. 30 bei Juris-Online. 168 KG Berlin, a.a.O. (Fn. 1002). 165
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4. Das UmwG als vorrangiges Sonderrecht in Bezug auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB Ferner stellt sich die Frage, wie das Verhältnis des UmwG zu Regelungen in anderen Gesetzen ist, insbesondere ob das UmwG ein abgeschlossener Regelungsbereich ist und eine Sperrwirkung in Bezug auf die Anwendung von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB entfaltet.169 a) Keine generelle Ausschlussfunktion des UmwG in Bezug auf andere Gesetze Im UmwG existieren zahlreiche Vorschriften, die zeigen, dass das UmwG keinen abschließenden Charakter in Bezug auf die Anwendung anderer Gesetze auf Umwandlungsvorgänge hat. Gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 UmwG sind das UmwG ergänzende Bestimmungen in Verträgen, Satzungen oder Willenserklärungen zulässig, es sei denn, dass das UmwG Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Dem lässt sich entnehmen, dass das UmwG ergänzende Bestimmungen nicht generell ausschließt, es also nicht per se als eine abgeschlossene Regelungsmaterie anzusehen ist. §§ 55, 69 UmwG sprechen gegen eine abschließende Funktion des UmwG. Diese Vorschriften erklären zahlreiche Vorschriften des GmbHG bzw. des AktG für den Fall einer Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft ausdrücklich für nicht anwendbar. Daraus lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass Vorschriften aus anderen Gesetzen grundsätzlich auch für Umwandlungen gelten. Ein weiteres Argument gegen den abschließenden Charakter des UmwG ist die Regelung in § 324 UmwG, wonach § 613a Abs. 1 sowie Abs. 4 bis Abs. 6 BGB auf die Verschmelzung und die Spaltung Anwendung finden. Das UmwG bestimmt in diesem Fall ausdrücklich die Anwendung einer allgemeinen Vorschrift auf einen vom UmwG geregelten Bereich, obwohl der spezielle Fall des Übergangs der Arbeitsverhältnisse bereits im UmwG selbst geregelt ist. Die Arbeitsverhältnisse gehen bei den genannten Umwandlungsarten nämlich ohnehin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über, vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Dies zeigt, dass das UmwG kein abschließender Regelungsbereich ist, der einer Anwendung von Vorschriften aus anderen Gesetzen nicht zugänglich ist. Daher geht das BAG davon aus, dass die Umwandlung gegenüber dem Betriebsübergang kein spezieller Tatbestand ist und die Voraussetzungen von § 613a BGB daher unabhängig vom UmwG zu prüfen sind.170 169 Diese Frage ist von der sog. Ausstrahlungswirkung des UmwG zu unterscheiden, bei der es um die Frage geht, ob im UmwG existierende Vorschriften zum Schutz der Minderheitsgesellschafter entsprechend auf außerhalb des UmwG stattfindende wirtschaftliche Umwandlungen angewendet werden sollen, vgl. Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I, Rn. 57; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des UmwG, 2000, passim. Die hier vorliegende Fragestellung betrifft hingegen die Anwendung von Vorschriften aus anderen Gesetzen auf umwandlungsrechtliche Vorgänge. 170 BAG, Urteil v. 25.5. 2000 – 8 AZR 416/99 = NZA 2000, 1115.
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Gegen einen abschließenden und generell verdrängenden Charakter des UmwG in Bezug auf andere Gesetze sprechen zahlreiche weitere Regelungen im UmwG, die die Existenz von Vorschriften in anderen Gesetzen voraussetzen. Das UmwG enthält zahlreiche Vorschriften, die einen Regelungsbereich nur punktuell regeln und auf Regelungen aus anderen Gesetzen aufbauen und diese Regelungen ergänzen.171 So normiert beispielsweise § 13 UmwG lediglich das Erfordernis eines Verschmelzungsbeschlusses. Das konkrete Verfahren zur Beschlussfassung sowie die mit dem Verfahren zusammenhängenden Detailfragen ergeben sich aus den für die jeweilige Gesellschaftsform einschlägigen Gesetzen. Als weitere Beispiele können die §§ 14, 32 UmwG genannt werden, die die Zulässigkeit von Klagen gegen Umwandlungsbeschlüsse betreffen. Diese Normen setzen voraus, dass ein Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse allgemein etabliert ist und modifizieren somit die Regelungen der §§ 243 ff. AktG. In diesem Zusammenhang zu nennen sind ebenfalls die §§ 58, 74, 75, 76 UmwG, die ausdrücklich auf das GmbHG bzw. AktG Bezug nehmen. Ferner ist das UmwG stark mit dem Registerrecht nach §§ 8 ff. HGB, 374 ff. FamFG verknüpft. So ist die Eintragung im Handelsregister Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Umwandlung, vgl. §§ 20, 131, 202 UmwG. Ergänzend dazu bestimmt § 8a Abs. 1 HGB den genauen Zeitpunkt der Wirksamkeit der Eintragung. Ferner richtet sich die Bekanntmachung der Umwandlung gem. § 9 Abs. 3 UmwG nach § 10 HGB. b) Wechselwirkung zwischen dem UmwG und anderen Gesetzen Umgekehrt finden sich Vorschriften in anderen Gesetzen, die auf das UmwG Bezug nehmen. So ermöglichen § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG und § 33 Abs. 3 GmbHG den Erwerb eigener Anteile der Gesellschaft zur Abfindung im Rahmen einer Umwandlung nach dem UmwG. Das AktG und das GmbHG knüpfen bestimmte Rechtsfolgen an umwandlungsrechtliche Vorgänge und integrieren somit den Regelungsbereich des UmwG in das Aktien- bzw. GmbH-Recht. Dies zeigt, dass das UmwG keinen abschließenden Regelungsbereich definiert, sondern in Wechselwirkung mit anderen Gesetzen steht. Eine Wechselwirkung besteht auch mit Vorschriften des Kapitalmarktrechts, insbesondere mit Regelungen des WpHG und des WpÜG. Es handelt sich dabei um eine vom UmwG grundsätzlich verschiedene Regelungsmaterie. Die Vorschriften des Kapitalmarktrechts dienen primär der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und dem Anlegerschutz.172 Das WpÜG soll zudem den Informationsfluss bei Unternehmensübernahmen gewährleisten und ihre Transparenz erhöhen.173 Dennoch gibt es Überschneidungen vom Kapitalmarktrecht zum Umwandlungsrecht. Umwandlungen können beispielsweise Mitteilungspflichten gem. den §§ 21, 22 WpHG und Veröf171
Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, Einl. A, Rn. 62. Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2011, S. 1826 Rn. 14.141; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 1 Rn. 7. 173 Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, WpÜG, Einl., Rn. 9. 172
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fentlichungspflichten gem. § 26 WpHG auslösen.174 Auch muss ein Pflichtangebot gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG abgegeben werden, wenn es durch eine Umwandlung zu einem Kontrollerwerb kommt.175 Das Umwandlungs- und das Kapitalmarktrecht stehen somit gleichrangig nebeneinander.176 Die Anwendbarkeit des WpHG und des WpÜG ist nicht etwa ausgeschlossen, wenn es sich um einen Vorgang handelt, der dem Regelungsbereich des UmwG unterfällt. Dasselbe gilt für das Verhältnis von UmwG zur kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle nach den §§ 35 ff. GWB sowie nach der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (FKVO)177. Umwandlungen können eine kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle zur Folge haben.178 Ob das der Fall ist, beurteilt sich nach dem Vorliegen der Voraussetzungen der einschlägigen Zusammenschlusstatbestände. Ein Ausschluss der Anwendung kartellrechtlichen Vorschriften durch das UmwG erfolgt auch hier nicht. Ein weiteres Argument gegen den abschließenden Charakter des UmwG ist, dass Umwandlungen nicht zwingend nach dem UmwG erfolgen müssen, sondern auch außerhalb des UmwG durchgeführt werden können.179 Aus der Zulässigkeit wirtschaftlicher Umwandlungen außerhalb des UmwG kann der allgemeine Schluss gezogen werden, dass das UmwG gleichrangig neben anderen – hier vor allem den allgemeinen zivil- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften – existiert und einen Teilbereich des Gesellschaftsrechts regelt, auf den auch Vorschriften außerhalb des UmwG Anwendung finden können.180 c) Das Verhältnis des UmwG zu § 311 AktG In jüngerer Zeit werden der Charakter des UmwG und sein Verhältnis zu Normen aus anderen Gesetzen in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion vor allem in Zusammenhang mit dem Konzernrecht erörtert. Es geht um die Frage, ob bei einer Umwandlung nach dem UmwG innerhalb eines faktischen Konzerns eine Aus-
174 Bayer, in: MüKo, AktG, Band 1, § 21 WpHG Rn. 26; Schwark, in: Schwark/Zimmer, WpHG, § 22 Rn. 56. 175 Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, WpÜG, § 35 Rn. 20 ff. 176 Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, WpÜG, § 35 Rn. 20; Fleischer, NZG 2002, 545, 549 f. 177 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20.1. 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24 vom 29.1. 2004, S. 1). 178 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 37 Rn. 7; Maier, in: Sagasser/ Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 7 Rn. 1. 179 Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 43 f.; Kallmeyer, in: Kallmeyer, UmwG, § 1 Rn. 16 f.; Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, § 1 Rn. 40; Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I, Rn. 55; J. Semler/Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, Einl. A, Rn. 82 f; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 1 Rn. 66. 180 So auch Priester, in: FS Goette, 2011, S. 369 (374).
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gleichspflicht nach § 311 AktG entsteht.181 Entscheidend für die Lösung dieses Problems ist insbesondere das Verhältnis des UmwG zu § 311 AktG. Bisher wurde nahezu einhellig vertreten, dass ein Umwandlungsbeschluss der Hauptversammlung eine nachteilige Maßnahme im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG sein kann, so dass bei Umwandlungsvorgängen im faktischen Konzern eine Ausgleichspflicht zugunsten der abhängigen Gesellschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 311 AktG besteht.182 Neuerdings hat sich eine differenzierende, nunmehr herrschende Ansicht etabliert, wonach bereits die Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG im Grundsatz ausgeschlossen sei.183 Begründet wird diese Auffassung mit der Spezialität und der Vorrangigkeit des Vorschriften des UmwG im Verhältnis zu §§ 311 ff. AktG. Das UmwG ist dieser Ansicht nach eine § 311 ff. AktG ausschließende Sonderregelung, die ein eigenes Schutzprogramm für die von ihm geregelten Umwandlungsvorgänge enthält, so dass ein Rückgriff auf §§ 311 ff. AktG nicht zulässig ist.184 Dies spricht auf den ersten Blick für die Annahme eines generellen Vorrangs des UmwG vor anderen Regelungen. Bei genauerer Betrachtung der vorgebrachten Argumente zeigt sich aber, dass die Vertreter dieser Ansicht nicht von einer generellen Sperrwirkung des UmwG in Bezug auf andere Gesetze ausgehen. Vielmehr gehen auch sie im Grundsatz von einem Nebeneinander des UmwG und den Regelungen in anderen Gesetzen aus. Die Anwendung von § 311 AktG ist nach der h.M. nur deshalb ausgeschlossen, weil das UmwG den mit § 311 Abs. 1 AktG bezweckten Schutz der Vermögensinteressen der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger185 durch eigene Schutzinstrumente sicherstellt. Das UmwG sei nur soweit vorrangig, als es spezielle Regelungen für einen bestimmten Fall enthalte.186 Ein Rückgriff auf § 311 Abs. 1 AktG bei Umwandlungsmaßnahmen ist nach h.M. zulässig, wenn ein 181 Ausführlich dazu: Pfeuffer, Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?, 2006, passim. 182 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Auflage 2008, § 311 AktG Rn. 29; Hüffer, AktG, 8. Auflage 2008, § 311Rn. 17; Koppensteiner, in: KK, AktG, § 311 Rn. 25; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 69 Rn. 84; Kropff, in: MüKo, AktG, 2. Auflage 2000, § 311 Rn. 110 ff.; H. F. Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, § 311 Rn. 21; im Grundsatz auch Pfeuffer, Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?, 2006, S. 98; Kerber, DB 2004, 1027 (1029 f.). 183 Fett, in: Bürgers/Körber, AktG, § 311 Rn. 20; Altmeppen, in: MüKo, AktG, 3. Auflage 2010, § 311 Rn. 129; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 311 Rn. 80; Priester, in: FS Goette, S. 369; Tillmann/Rieckhoff, AG 2008, 486. Dieser Ansicht haben sich auch angeschlossen: Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Auflage 2010, § 311 AktG Rn. 30; Hüffer, AktG, 9. Auflage 2010; § 311 Rn. 35a. 184 So Priester, in: FS Goette, 2011, S. 369 (376); Tillmann/Rieckhoff, AG 2008, 486 (491 f.). 185 Ganz h.M. zum Schutzzweck des § 311 Abs. 1 AktG, vgl. nur J. Vetter, in: Schmidt/ Lutter, AktG, § 311 Rn. 3 (m.w.N.). 186 Priester, in: FS Goette, 2011, 369 (379).
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hinreichender Schutz durch das UmwG im Einzelfall nicht gewährleistet ist.187 Als Beispiele dafür werden der treuwidrig gefasste Umwandlungsbeschluss und die existenzgefährdende Umwandlung genannt.188 Diese Argumentation verdeutlicht, dass es sich beim UmwG um ein Sonderrecht handelt, das zur Nichtanwendbarkeit einzelner Vorschriften aus anderen Gesetzen im Einzelfall führen kann, wenn es spezielle Regelungen für den jeweiligen Einzelfall enthält. d) Ergebnis Eine abschließende Gesamtbetrachtung zeigt, dass das UmwG keine abgeschlossene Regelungsmaterie ist, sondern vielmehr ein auf allgemeinen Vorschriften aufbauendes und diese ergänzendes Sonderrecht darstellt, das weder die Anwendung allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Regelungen noch die Anwendung sonstiger Vorschriften auf Umwandlungsvorgänge per se ausschließt.189 Nur dort, wo das UmwG besondere Regelungen für einen bestimmten Bereich enthält, verbietet sich grundsätzlich ein Rückgriff auf andere Vorschriften. 5. Keine vorrangigen und speziellen Regelungen der zweckändernden Umwandlung im UmwG Es wurde festgestellt, dass das UmwG vorrangiges Sonderrecht im Verhältnis zu anderen Vorschriften ist. Existieren im UmwG spezielle Regelungen, die Zweckänderungen bei Umwandlungen regeln, ist ein Rückgriff auf die allgemeine vereinsrechtliche Norm des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das UmwG unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen Umwandlungen, die zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks führen und Umwandlungen, die zweckwahrend sind. Eine solche Differenzierung erfolgt lediglich in § 275 Abs. 1 UmwG. Diese Regelung sieht vor, dass der Formwechsel eines rechtsfähigen Vereins in eine Kapitalgesellschaft nur einstimmig gefasst werden kann, wenn mit dem Formwechsel der Zweck des Rechtsträgers geändert wird. Für die Verschmelzung sowie Spaltung eines rechtsfähigen Vereins existiert hingegen keine entsprechende Vorschrift im UmwG.190 Für Kapitalgesellschaften 187
Pfeuffer, Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?, 2006, S. 98, 227 ff. 188 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 30; J. Vetter, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 311 Rn. 81; Priester, in: FS Goette, 2011, S. 369 (377); Tillmann/Rieckhoff, AG 2008, 486 (492). 189 Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 41; so auch: Dauner-Lieb, in: KK, UmwG, Einl. A, Rn. 62; Maulbetsch, in: M/K/R, UmwG, Einl. Rn. 50; Sagasser/Luke, in: Sagasser/ Bula/Brünger, Umwandlungen, 2011, § 9 Rn. 302; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkungen des UmwG, 2000, S. 182; Priester, in: FS Goette, 2011, S. 369 (376 f.). 190 Eine analoge Anwendung auf die Verschmelzung und Spaltung eines rechtsfähigen Vereins bejahend: D. Leuering, in: KK, UmwG, § 103 Rn. 13; Katschinski, in: Semler/Stengel,
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fehlen ebenfalls spezielle Vorschriften im UmwG, die eine Gesellschaftszweckänderung gesondert regeln. §§ 13, 50, 65, 193, 240 UmwG, die das Mehrheitserfordernis für den Umwandlungsbeschluss in einer Kapitalgesellschaft regeln, schließen zweckändernde Umwandlungsbeschlüsse nicht ein. Sie regeln nur den Fall einer normalen Umwandlung und sind keine verdrängenden Spezialvorschriften in Bezug auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie sind vergleichbar mit §§ 179 AktG, 53 GmbHG, die ebenfalls nur normale Satzungsänderungen regeln, die nicht zu einer Zweckänderung führen. Lex specialis gegenüber § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB sind hingegen §§ 262, 293, 320 AktG, die das Mehrheitserfordernis für die Auflösung der Gesellschaft, den Abschluss eines Unternehmensvertrags sowie die Eingliederung einer Gesellschaft aufstellen.191 Diese Normen erfassen ausschließlich Maßnahmen, die zur Zweckänderungen der Gesellschaft führen. Die Auflösung der Gesellschaft ist eine Zweckänderung, da an die Stelle des bisherigen Zwecks, der Abwicklungszweck der Liquidationsgesellschaft tritt.192 Die Änderung des Gesellschaftszwecks bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags liegt darin, dass an die Stelle einer unabhängigen erwerbswirtschaftlichen Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, eine dienende, dem Interesse der Konzernspitze untergeordnete gesellschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft tritt.193 Durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags verpflichtet sich eine Gesellschaft, ihren Gewinn ganz oder teilweise an ein anderes Unternehmen abzuführen. Durch einen Gewinnabführungsvertrag wird über die Verwendung des Gewinns außerhalb des Rahmens von § 58 AktG beschlossen, worin stets eine Änderung des Gesellschaftszwecks einer erwerbswirtschaftlich handelnden Gesellschaft liegt.194 Die Mehrheitseingliederung ist erst recht eine Zweckänderung, da die Eingliederung einer Gesellschaft gem. den §§ 323, 324 AktG zu einer noch intensiveren Unterordnung führt als der Abschluss eines Beherrschungsvertrags.195 UmwG, § 103 Rn. 19; Reuter, in: MüKo, BGB, 5. Auflage 2006, § 41 Rn. 41; Reichert, Hdb. des Vereins- und Verbandsrechts, 2007 Rn. 4150; Neumayer/Schulz, DStR 1996, 872 (873); a.A. Schießl, Die Ausgliederung von Idealvereinen auf Kapitalgesellschaften, 2003, S. 69; Heermann, ZIP 1998, 1249 (1252). 191 Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 113. 192 Hüffer, AktG, § 262 Rn. 2. 193 BGH, Beschluss v. 30.01. 1992 – II ZB 15/91 = NJW 1992, 1452 (1453); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 291 AktG Rn. 15; Würdinger, in: GroßKomm-AktG, § 291 Rn. 6; Koppensteiner, in: KK, AktG, Vor § 291 Rn. 156; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 179 Rn. 10; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 10; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 163; Wiedemann, GesR I, 1980, S. 157; ähnlich U.H. Schneider, ZGR 1980, 511. 194 Koppensteiner, in: KK, AktG, Vor § 291 Rn. 160; Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 291 Rn. 33; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 166 f. 195 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, S. 166; Sonnenberg, Die Änderung des Gesellschaftszwecks, 1990, S. 68.
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§§ 262, 293, 320 AktG regeln somit explizit zweckändernde Maßnahmen. Anders hingegen ist es bei §§ 13, 50, 65, 193, 240 UmwG, die die Mehrheitserfordernisse bei den gesetzlich zur Verfügung stehenden Umwandlungsmöglichkeiten regeln. Umwandlungen führen als solche regelmäßig aber nicht zu einer Zweckänderung der beteiligten Gesellschaften. Eine Zweckänderung geht nur ausnahmsweise mit einer Umwandlung einher, wenn Gesellschaften mit unterschiedlichem Gesellschaftszweck beteiligt sind. §§ 13, 50, 65, 193, 240 UmwG sind daher keine § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB verdrängende Sonderregeln.196 Die Änderung des Gesellschaftszwecks einer Kapitalgesellschaft ist demnach im UmwG nicht geregelt. § 275 Abs. 1 UmwG bestätigt dieses Ergebnis, da es dieser Regelung nicht bedürfte, wenn die zweckändernde Umwandlung im UmwG ohnehin bereits geregelt wäre. III. Ergebnis Im UmwG besteht ein Schutzdefizit in Bezug auf die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Umwandlungsmaßnahmen mit dem Gesellschaftsinteresse, so dass jede Umwandlungsmaßnahme grundsätzlich auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse überprüft werden muss. Dies gilt nicht für die zweckändernde Verschmelzung, die zweckändernde Aufund Abspaltung sowie den zweckändernden Formwechsel, da diese Umwandlungsvorgänge eines einstimmig gefassten Umwandlungsbeschlusses nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB analog bedürfen. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip und gilt auch für Kapitalgesellschaften. Die Verschmelzung, die Spaltung sowie der Formwechsel sind Satzungsänderungen im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das UmwG steht der Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels spezieller Regelungen nicht entgegen. Angesichts des Einstimmigkeitserfordernisses ist das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum bei einer zweckändernden Verschmelzung, einer zweckändernden Auf- und Abspaltung sowie bei einem zweckändernden Formwechsel gewährleistet. Eine materielle Beschlusskontrolle findet daher nicht statt. Die Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG auf eine Gesellschaft mit einem anderen Gesellschaftszweck fällt hingegen nicht in den Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist deshalb im Wege der materiellen Beschlusskontrolle auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen.
196 So in Bezug auf die Verschmelzung des Vereins: Reichert, Hdb. des Vereins- und Verbandsrechts, 2007, Rn. 4150.
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C. Der Schutz der verwaltungsrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft von Unternehmergesellschaftern Der Bestand der mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechte ist von dem aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden Schutzminimum nur erfasst, soweit Mitgliedschaften von unternehmerisch tätigen Gesellschaftern betroffen sind. Beteiligungen an AG, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals, genießen keinen Bestandschutz, da bei Beteiligungen dieser Größe unwiderleglich vermutet wird, dass ausschließlich Anlegeraktionäre betroffen sind, die mit der Beteiligung reine Vermögensinteressen verfolgen. I. Keine Unterscheidung zwischen Unternehmergesellschaftern und Anlegergesellschaftern im UmwG Das UmwG unterscheidet weder konkret noch abstrakt zwischen den Gesellschaftertypen in einer Gesellschaft. Jeder Anteilseigner wird im UmwG grundsätzlich gleichbehandelt. Es existieren keine Regelungen, die einem potentiell größeren Bestandsinteresse von unternehmerisch tätigen Anteilseignern bei der Umwandlung Rechnung tragen. Das UmwG sieht zwar gesonderte Zustimmungsrechte für bestimmte Fälle vor.197 Keines der gesonderten Zustimmungsrechte, die im UmwG für die Umwandlung von Kapitalgesellschaften existieren, knüpft jedoch an die Größe der Beteiligung oder den konkreten Gesellschaftertypus an. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang allenfalls § 50 Abs. 2 UmwG, wonach dem Umwandlungsbeschluss einer übertragenden GmbH diejenigen Gesellschafter zustimmen müssen, die auf dem Gesellschaftsvertrag beruhende Minderheitsrechte oder besondere Geschäftsführungssonderrechte haben. Erfasst sind alle einem Gesellschafter zustehenden Individualrechte, die unabhängig von der Beteiligungsquote bestehen. Beispiele sind Zustimmungs- oder Vetorechte gegenüber Gesellschafterbeschlüssen oder statutarische Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechte.198 Als Geschäftsführungssonderrechte gelten gem. § 50 Abs. 2 Alt. 2 UmwG auch Rechte bei der Bestellung der Geschäftsführer und Rechte hinsichtlich eines Vorschlagsrechts für die Geschäftsführung. Diese Regelung sichert zwar gewisse unternehmerische Rechte bestimmter Gesellschafter. Sie erfasst aber nur die abschließend aufgezählten statutarischen Individualrechte199 und berücksichtigt nicht ein möglicherweise bestehendes Bestandsinteresse eines Gesellschafters, der keine gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Sonderrechte hat.
197
Zum Überblick über die gesonderten Zustimmungsrechte nach dem UmwG, vgl. Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 206 ff. 198 M. Winter, in: Lutter, UmwG, § 50 Rn. 15 ff. 199 Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 205 Rn. 497; Wälzholz, DStR 2006, 236 (238 f.).
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II. Kein Bestandschutz der mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte durch das Schutzkonzept des UmwG Da das UmwG zwar nach der Rechtsform, nicht aber innerhalb der Rechtsform nach Gesellschaftertypen bzw. nach der Beteiligungsgröße differenziert, fragt sich, ob das UmwG einen hinreichenden Bestandschutz für alle Mitgliedschaften gewährleistet, um die verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutzanforderungen zu erfüllen. Dieser Bestandschutz schließt die Erhaltung der Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter in der Gesellschaft ein. Wie bereits gezeigt, greifen die meisten Umwandlungsvorgänge in den Bestand der Mitgliedschaft ein.200 Einige Umwandlungsvorgänge führen zur Beendigung der Mitgliedschaft in der bis dato existierenden Form. Dies gilt für die Verschmelzung des übertragenden Rechtsträgers, die Aufspaltung und den Formwechsel. Die meisten Umwandlungsvorgänge bewirken zudem eine Beteiligungs- bzw. Stimmrechtsverwässerung für die Anteilseigner der beteiligten Rechtsträger, da sich die Zahl der Gesellschafter im neuen Rechtsträger erhöht und die Beteiligungsquote jedes Gesellschafters sinkt. Das UmwG bietet grundsätzlich keinen Schutz vor einer Beeinträchtigung der verwaltungsrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft. Eine Ausnahme findet sich lediglich in § 128 UmwG für den Fall der nichtverhältniswahrenden Spaltung, wonach alle Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers der Spaltung zustimmen müssen. In allen anderen Fällen haben die Gesellschafter nach der Konzeption des UmwG die mit einer Umwandlung einhergehende Beteiligungsverwässerung sowie eine Veränderung ihrer Mitgliedschaft hinzunehmen.201 Das umwandlungsrechtliche Verfahren, insbesondere der nach §§ 8, 192 UmwG erforderliche Umwandlungsbericht und die nach § 9 UmwG erforderliche Umwandlungsprüfung, sind nicht geeignet, den Bestand der Mitgliedschaft zu sichern. Wie bereits in Bezug auf die Sicherstellung der Vereinbarkeit des Umwandlungsbeschlusses mit dem Gesellschaftsinteresse festgestellt wurde, kann die Mehrheit im Extremfall auch eine offensichtlich wirtschaftlich nicht sinnvolle Maßnahme gegen den Willen der Minderheit durchsetzen.202 Der Umwandlungsbericht ermöglicht eine objektive Entscheidung der Anteilseigner203 und erhöht damit lediglich die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung. Das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers gegen die Verwaltungs- und die Aufsichtsorgane gem. §§ 25 200
Siehe § 10. Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 208 Rn. 604. 202 Hofmann/Krolop, AG 2005, 866 (870). 203 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 3; Westermann, in: FS Semler, 1993, S. 651 (654); Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (454). 201
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Abs. 1, 205 Abs. 1 UmwG bietet ebenfalls keinen hinreichenden Schutz der herrschaftsrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts. Schadensersatzansprüche kompensieren nur den Vermögensnachteil, den die Anteilseigner erleiden, und sind daher in Bezug auf die Sicherung des Bestands der Mitgliedschaft untauglich.204 Aus denselben Gründen ist auch die Umwandlungsprüfung nicht geeignet, den Bestand der Mitgliedschaft zu schützen. Selbst wenn die unabhängige Prüfung zum Ergebnis kommt, dass die geplante Umwandlung an Mängeln leidet, kann die Maßnahme gegen die Minderheit durchgesetzt werden und wird mit ihrer Eintragung in das Handelsregister endgültig wirksam. Für sonstige Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsorgane wegen der Durchführung der Maßnahme trotz existierender Mängel und gegen die unabhängigen Prüfer wegen etwaiger Fehler bei der Umwandlungsprüfungaus § 11 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 323 HGB gilt ebenfalls, dass sie nur das Vermögensinteresse kompensieren und daher keinen Bestandschutz bieten. Die Rückabwicklung einer eingetragenen Umwandlungsmaßnahme im Wege der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB scheidet in jedem Falle aus, da die Umwandlung mit ihrer Eintragung irreversibel wird.205 Die anderen Schutzinstrumente, wie der Anspruch auf bare Zuzahlung im Falle eines zu niedrigen Umtauschverhältnisses der Anteile gem. den §§ 15, 196 UmwG sowie das Spruchverfahren zur gerichtlichen Überprüfung des Umtauschverhältnisses, schützen vor einer Verwässerung des Vermögenswerts der Beteiligung und betreffen ausschließlich den Schutz der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts. Die Verwässerung der Stimmrechtsanteile an der Gesellschaft wird durch das UmwG hingegen weder verhindert noch ausgeglichen.206 Im Gegenteil erhöht das UmwG die Gefahr einer Stimmrechtsverwässerung. Die Anfechtungsklage der Gesellschafter der übertragenden bzw. formwechselnden Gesellschaft wegen eines zu niedrig bemessenen Umtauschverhältnisses der Anteile am übertragenden 204 Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft haben keine gesonderten Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorgane der Gesellschaft. Ihnen stehen nur die allgemeinen Regelungen zur Verfügung. Die Durchsetzung der allgemeinen Haftung nach den §§ 93 Abs. 2, 116 AktG, § 43 Abs. 2, 52 Abs. 1 GmbHG ist für die Minderheit jedoch schwierig. Es müssen die rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere der Eintritt eines Schadens bewiesen werden. Vor allem aber muss die Gesellschafterminderheit sich auch in Bezug auf die Geltendmachung dieser Ansprüche in der Gesellschafterversammlung durchsetzen bzw. den Aufsichtsrat zur Durchsetzung dieser Ansprüche bewegen, da es sich um Ansprüche der Gesellschaft gegen die Organmitglieder handelt. Zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch eine Aktionärsminderheit vgl. Hölters, in: FS Wiedemann, 2002, S. 975. 205 OLG Hamburg, Urteil v. 17.8. 2007 – 11 U 277/05 = DNotZ 2009, 227 (227 f.); Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 70; zum umfassenden Bestandschutz der Umwandlung siehe oben § 3 E. 206 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 208 Rn. 606; Veil, ZIP 1998, 361 (364).
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Rechtsträger ist gem. den §§ 14 Abs. 2, 195 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen. Für diesen Fall steht den Anteilseignern gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwG i.Vm. § 1 Nr. 4 SpruchG allein das Spruchverfahren zur Verfügung, in dem ein angemessener finanzieller Ausgleich für die Verwässerung des Vermögenswerts erzielt werden kann. Dieser Mechanismus bietet ausschließlich Schutz vor einer Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts. Ein zu niedrig bemessenes Umtauschverhältnis der Anteile führt aber nicht nur zur Verwässerung des Vermögenswerts, sondern verstärkt die mit der Umwandlungsmaßnahme meist ohnehin verbundene Stimmrechtsverwässerung noch zusätzlich. Während die Verwässerung des Vermögenswerts im Spruchverfahren ausgeglichen wird, bleibt die Verwässerung der Stimmrechtsmacht ohne Ausgleich.207 Das UmwG ermöglicht es somit, dass Minderheitsgesellschafter im Wege einer Umwandlungsmaßnahme durch eine entsprechende Festlegung des Umtauschverhältnisses aus der Gesellschaft hinausgekauft werden können.208 III. Ergebnis Mangels eines ausreichenden Bestandschutzes der verwaltungsrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts durch das UmwG besteht bei Umwandlungen ein Schutzdefizit, von dem Unternehmergesellschafter209 mit schützenswerten Bestandsinteressen betroffen sind. Jeder Umwandlungsbeschluss ist deshalb auf seine Verhältnismäßigkeit in Bezug auf potentielle Bestandsinteressen der Minderheit zu überprüfen. Dies gilt nicht für Umwandlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft, deren klagende Aktionäre Beteiligungen halten, die jeweils kleiner sind als 10 % des Grundkapitals, da die unwiderlegliche Vermutung besteht, dass es sich hierbei um Anlegeraktionäre handelt, die mit dem Investment ausschließlich Vermögensinteressen verfolgen und daher keinen Bestandschutz genießen.210
207 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 210 Rn. 606. 208 So Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 210 Rn. 609; Philipp, AG 1998, 264 (266), spricht in diesem Zusammenhang von einem „partiellen Zwangsverkauf“. 209 Zum Begriff des Unternehmergesellschafters im hier gemeinten Sinne siehe oben unter § 8 D. I. 210 Siehe § 8 D. und E.
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D. Der Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft durch das UmwG I. Mögliche Beeinträchtigung des Vermögensrechts der Mitgliedschaft durch Verschmelzung, Auf-/Abspaltung und Formwechsel Eine Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts kann bei Umwandlungsmaßnahmen entweder durch eine Verwässerung des Werts der Mitgliedschaft (Kapitalverwässerung) eintreten oder durch einen Wertverlust der Beteiligung aufgrund eines mit der Umwandlung verbundenen Rechtsformwechsels (formwechselnde Umwandlung). Aus Art. 14 Abs. 1 GG folgt, dass die betroffenen Minderheitsgesellschafter für einen Rechtsverlust, den sie durch einen Mehrheitsbeschluss erleiden, wirtschaftlich voll entschädigt werden müssen.211 1. Kapitalverwässerung Bei den meisten Umwandlungsvorgängen besteht die Gefahr einer Kapitalverwässerung. Als Kapitalverwässerung wird die Wertminderung der Beteiligung an einer Gesellschaft bezeichnet, die durch eine unzutreffende Bewertung der Gesellschaftsanteile mehrerer Gesellschaften eintritt. Bei Umwandlungen kann es zu einer Kapitalverwässerung kommen, wenn die Anteile an einer der beteiligten Gesellschaften im Verhältnis zu den Anteilen an der anderen Gesellschaft unterbewertet werden. Die Inhaber der unterbewerteten Anteile erhalten in diesem Fall kapitalmäßig keine gleichwertige Beteiligung an der Gesellschaft, die durch die Umwandlung entstanden ist. Sie partizipieren am Gesamtwert der durch die Umwandlung entstandenen Gesellschaft nicht entsprechend ihres Kapitalanteils an der bisherigen Gesellschaft. Die Gefahr einer Kapitalverwässerung besteht bei der Verschmelzung sowohl beim übertragenden als auch beim übernehmenden Rechtsträger, je nachdem, ob die Anteile am übertragenden Rechtsträger unter- oder überbewertet werden.212 Dasselbe gilt für die Auf- und Abspaltung zur Aufnahme.213 Bei der Auf- und Abspaltung zur Neugründung droht hingegen keine Kapitalverwässerung, da sich ein potentiell falsch ermitteltes Wertverhältnis der Vermögens211 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/ 89 = NZG 2000, 28 (29) („Hartmann&Braun“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589); siehe auch oben § 8 B. II. 212 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 46 Rn. 35; Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen, 2004, S. 310 ff.; Binnewies, GmbHR 1997, 727 (729). 213 Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 94 Rn. 263.
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massen aufgrund gleicher Weiterbeteiligung aller Gesellschafter nicht negativ auswirkt.214 2. Wertverlust bei Umwandlungen unter Wechsel der Rechtsform Ferner kann die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft durch einen durch die Umwandlung bedingten Wertverlust der Beteiligung beeinträchtigt sein. Dies ist insbesondere bei Umwandlungen der Fall, bei denen sich die Rechtsform der übernehmenden Gesellschaften von der Rechtsform der übertragenden Gesellschaft unterscheidet (formwechselnde Umwandlungen), wie etwa bei einer Verschmelzung oder Auf- und Abspaltungen unter Beteiligung sowohl von GmbH als auch AG. Aber auch beim Formwechsel im Sinne von § 190 UmwG droht eine Wertminderung der Beteiligung. II. Der Schutz des Vermögensrechts im übertragenden Rechtsträger bei Verschmelzung, Auf-/Abspaltung und Formwechsel 1. Der Schutz vor einer Kapitalverwässerung Das UmwG bewirkt den Schutz vor einer Verwässerung des Kapitalwerts der Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger durch einen finanziellen Ausgleich der Vermögensbeeinträchtigung. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers haben gem. §§ 15 Abs. 1, 196 Abs. 1 UmwG einen Anspruch auf bare Zuzahlung, wenn das Umtauschverhältnis der Anteile unangemessen ist. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs und zur gerichtlichen Überprüfung der Höhe der Zuzahlung steht den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft das Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 SpruchG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwG zur Verfügung. Die bare Zuzahlung ist der Höhe nach nicht begrenzt.215 Selbst für die Fälle, in denen gem. §§ 54 Abs. 4, 68 Abs. 3 UmwG eine im Verschmelzungsvertrag festgesetzte bare Zuzahlung nur 10 % des Grund- bzw. Stammkapitals betragen darf, bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 UmwG ausdrücklich, dass die gesetzlich vorgeschriebene bare Zuzahlung höher als 10 % des Grund- bzw. Stammkapitals ausfallen darf. Dadurch ist gewährleistet, dass auch bei einer erheblichen Verletzung der Wertäquivalenz der Anteile ein voller Ausgleich der Vermögensbeeinträchtigung erfolgt. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ergibt sich aus einem Vergleich des Werts der Anteile am übertragenden Rechtsträger mit der im Umwandlungsvertrag vorgesehenen Gegenleistung für diese Anteile, wobei der Wert der Anteile nicht der Verkehrswert des Anteils als eigenständiges Wirtschaftsgut, sondern der auf das Mitgliedschaftsrecht nach der jeweiligen Beteiligungsquote entfallende Anteil am Wert
214 215
Siehe § 10 C. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 15 Rn. 21; Simon, in: KK, UmwG, § 15 Rn. 9.
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des Unternehmens als Ganzes zu verstehen ist.216 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Anteilswerts ist der Tag der Beschlussfassung des übertragenden Rechtsträgers.217 Auf diese Weise ist eine volle Kompensation einer vermögensmäßigen Beeinträchtigung des Anteilseigentums am übertragenden Rechtsträger sichergestellt. 2. Der Schutz vor einem Wertverlust bei formwechselnden Umwandlungen Der Schutz des Vermögenswerts der Mitgliedschaft bei formwechselnden Umwandlungen ist im UmwG durch Austritts- und Abfindungsrechte gewährleistet. §§ 29, 207 UmwG gewähren den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft ein Austrittsrecht gegen Abfindung für diejenigen Umwandlungen, die zu einem Wechsel der Rechtsform führen. Formwahrende Umwandlungen sind grundsätzlich abfindungsfrei.218 Ein Austrittsrecht besteht bei formwahrenden Umwandlungen gem. § 29 Abs. 1 Satz 2 UmwG nur wenn die Anteile am übernehmenden Rechtsträger Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind, da in diesen Fällen ebenfalls die Gefahr eines Wertverlust als Folge der Einschränkung der rechtlichen Verkehrsfähigkeit der Anteile besteht.219 Ihrer Natur nach sind die im UmwG geregelten Austrittsrechte gesetzlich normierte Fälle des allgemeinen Rechtsgedankens, wonach niemand auf unbegrenzte Dauer gegen seinen Willen an einem Dauerschuldverhältnis festgehalten werden kann, wenn ein wichtiger Grund dagegen spricht.220 Die mit dem Austrittsrecht verknüpften Abfindungsansprüche hingegen resultieren aus der Usurpation der mitgliedschaftlichen Rechte.221 Gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG steht den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft ein Austrittsrecht gegen Barabfindung bei der Mischverschmelzung222 zu, bei der eine Gesellschaft auf eine Gesellschaft anderer Rechtsform verschmolzen wird. Dies gilt entsprechend auch für die Fälle der Verschmelzung zur Neugründung gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 UmwG sowie für die Auf- und Abspaltung gem. § 125 Satz 1 216 OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 3.9. 2010 – 5 W 57/09 = NZG 2010, 1141 (1141); OLG Stuttgart, Beschluss v. 8.3. 2006 – 20 W 5/05 = DStR 2006, 626. 217 Bork, in: Lutter, UmwG, § 15 Rn. 3; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 15 Rn. 19; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 15 Rn. 2. 218 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 236. 219 Eine weitere Ausnahme von der Abfindungsfreiheit formwahrender Umwandlung bildet die Verschmelzung einer inländischen AG auf eine AG ausländischer Rechtsform gem. § 122i Abs. 1 Satz 1 UmwG. 220 Grunewald, in: FS Claussen, 1997, S. 103 (112); dazu auch: Decher, in: Lutter, UmwG, § 207 Rn. 1; Kalss, in: Semler/Stengel, § 29 Rn. 20; Kort, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 29 Rn. 2; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 242 Rn. 690. 221 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 270. 222 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 2.
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UmwG. Für den Formwechsel ergibt sich ein Austrittsrecht gegen Barabfindung aus § 207 Abs. 1 UmwG. Das Austrittsrecht gegen Barabfindung schützt die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft in erster Linie vor einem drohenden Wertverlust der Beteiligung infolge der Umwandlung. Es bietet aber auch einen zusätzlichen Schutz vor einer drohenden Kapitalverwässerung. Die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft können sich für den Ausstieg aus der Gesellschaft entscheiden und eine Ausgleichszahlung für den Verlust ihrer Mitgliedschaft verlangen, wenn sie eine drohende Kapitalverwässerung oder einen drohenden Wertverlust ihrer Beteiligung infolge der Umwandlung befürchten. Maßgeblich für die Höhe der Abfindung sind gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 UmwG die Verhältnisse des übertragenden Rechtsträgers im Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses. Somit ist gewährleistet, dass die ausscheidenden Gesellschafter den vollen Wert erhalten, den ihre Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft hatte. Der Gesetzgeber hat ein Austrittsrecht gegen Barabfindung gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 2 UmwG zudem auch für die Fälle des sogenannten kalten Delisting223 vorgesehen, in denen es zu einer Verschmelzung oder einer Spaltung unter Übertragung von Vermögen von einer börsennotierten auf eine nichtbörsennotierte Gesellschaft kommt. Die Regelung schützt die Anteilseigner vor möglichen Beeinträchtigungen durch den Verlust der faktischen Verkehrsfähigkeit der Aktie. Die faktische Verkehrsfähigkeit ist im Gegensatz zur rechtlichen Verkehrsfähigkeit aber nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst.224 Eine Wertminderung der Beteiligung in Form eines Kursverfalls, der nach seinem Ausmaß die wirtschaftliche Substanz des Aktieneigentums berührt, geht mit einem Delisting nach Ansicht des BVerfG jedenfalls nicht zwingend einher.225 Der Schutz des Anteilseigentums vor Beeinträchtigungen durch ein Delisting ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Gesetzgeber hat mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 29 Abs. 1 UmwG auf die Fälle des kalten Delisting vielmehr eine über den verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutz hinausgehende Regelung getroffen. Es handelt sich hierbei um eine Entscheidung, die der Gesetzgeber im Rahmen seiner parlamentarischen Einschätzungsprärogative treffen kann.
223 Zum Begriff vgl. Hüffer, AktG, § 119 Rn. 26; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 29 Rn. 4a. 224 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (828 f.) („Delisting“). 225 BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 (830) („Delisting“).
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3. Zusätzlicher Schutz durch Schadensersatzansprüche in Ausnahmefällen Der Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft ist auch in Ausnahmefällen gesichert. Ein solcher Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn es nach der Umwandlung zur Insolvenz der übernehmenden Gesellschaft kommt oder die übernehmende Gesellschaft nicht über eine ausreichende Eigenkapitaldecke verfügt. In diesen Fällen können die Ansprüche auf bare Zuzahlung bzw. die Abfindungsansprüche nicht erfüllt werden226, da diese stets von der übernehmenden Gesellschaft zu leisten sind. In diesen Fällen ist der Schutz des Vermögensrechts der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft durch Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsorgane aus § 25 UmwG und durch Schadensersatzansprüche gegen die Umwandlungsprüfer aus § 11 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 323 HGB gesichert. III. Der Schutz des Vermögensrechts beim übernehmenden Rechtsträger bei Verschmelzung, Auf-/Abspaltung und Formwechsel Für die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft stellt sich die Frage nach dem Schutz der vermögensrechtlichen Komponente ihrer Mitgliedschaft nur im Falle der Verschmelzung und der Auf- und Abspaltung zur Aufnahme, da bei den Umwandlungsvarianten, bei den die übernehmenden Gesellschaften im Rahmen des Umwandlungsvorgangs neu gegründet werden, keine Anteilseigner auf Seiten der übernehmenden Gesellschaften existieren. Dasselbe gilt für den Formwechsel, da hier überhaupt nur eine formwechselnde Gesellschaft beteiligt ist. Da bei der Verschmelzung und der Auf- und Abspaltung zur Aufnahme die Rechtsform der übernehmenden Gesellschaft stets unverändert bleibt, besteht für die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft nur die Gefahr einer Beeinträchtigung in Form der Kapitalverwässerung. Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft haben bei der Verschmelzung sowie bei der Spaltung zur Aufnahme ausweislich des Gesetzeswortlauts weder einen Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 15 Abs. 1 UmwG noch ein Recht zum Austritt gegen Barabfindung gem. § 29 Abs. 1 UmwG. Dennoch ist ein hinreichender Schutz der vermögensrechtlichen Komponente auch in Bezug auf die Mitgliedschaften beim übernehmenden Rechtsträger gewährleistet. Die Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft können den Umwandlungsbeschluss mit der
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Es ist strittig, ob die übernehmende Gesellschaft die Ansprüche auf bare Zuzahlung sowie die Abfindungsansprüche erfüllen muss, wenn dadurch gegen die Regeln zur Erhaltung des Eigenkapitals verstoßen würde: Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rn. 18; Simon, in: KK, UmwG, § 15 Rn. 13 ff.; Hoger, AG 2008, 149; dazu auch Vollrath, in: FS Widmann, 2000, S. 117 (125 ff.).
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Begründung anfechten, das Umtauschverhältnis sei unangemessen.227 Dies ergibt sich e contrario aus §§ 14 Abs. 2, 195 Abs. 2 UmwG, wonach die Möglichkeit einer Anfechtung des Umwandlungsbeschlusses wegen eines zu niedrigen Umtauschverhältnisses für die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers explizit ausgeschlossen ist.228 Die Gewährung eines angemessenen Umtauschverhältnisses ist gesetzlich vorgesehen, so dass Beschlüsse über die Verschmelzung sowie die Aufund Abspaltung zur Aufnahme beim übernehmenden Rechtsträger bereits ex lege auf die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses überprüft werden müssen und es insoweit keines Rückgriffs auf das Instrument der materiellen Beschlusskontrolle bedarf.229 Die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Umwandlungsbeschluss führt grundsätzlich zu einer Registersperre gem. § 16 Abs. 2 UmwG, die die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister verhindert. Über eine bestehende Registersperre kann sich die Gesellschaft zwar mit einem erfolgreich durchgeführten Unbedenklichkeitsverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG hinwegsetzen und so die Eintragung der Umwandlung erreichen. Die Anfechtungskläger haben aber für den Fall, dass die Umwandlung eingetragen wird und die erhobene Anfechtungsklage sich als begründet erweist, gem. § 16 Abs. 3 Satz 8 HS. 1 UmwG einen verschuldensunabhängigen230 Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihnen durch die Eintragung der Umwandlung entstanden ist. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaften für ihre Vermögensverluste infolge der Umwandlung voll entschädigt werden. IV. Der Schutz des Vermögensrechts bei der Ausgliederung Die Ausgliederung nimmt eine Sonderstellung unter den Umwandlungsarten im UmwG ein.231 Als Gegenleistung für das ausgegliederte Vermögen erhält der übertragende Rechtsträger selbst Anteile am übernehmenden Rechtsträger. Beim übertragenden Rechtsträger kommt es folglich zu einem Aktivtausch, bei dem direkt
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BGH, Beschluss v. 02.07. 1990 – II ZB 1/90 = NJW 1990, 2747 (2749); OLG Stuttgart, Urteil v. 28.01. 2004 – 20 U 3/03 = NZG 2004, 463 (467); OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457); Bork, in: Lutter, UmwG, § 14 Rn. 14; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 14 Rn. 17; Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 14 Rn. 60, Stand 02/2008; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34; MarschBarner, in: Kallmeyer, UmwG; § 14 Rn. 15; Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 45; Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 68.3; Boujong, in: FS Kellermann, 1991, S. 1 (14); Hirte, ZHR 2003, 8 (31); van Aerssen, AG 1999, 249 (254 a.E.). 228 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 14 Rn. 17; van Aerssen, AG 1999, 249 (255). 229 So auch Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34; Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 7. 230 Bork, in: Lutter, UmwG, § 16 Rn. 39; Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, § 16 Rn. 49. 231 H. Schmidt, ZHR 1999/Beiheft Nr. 68: Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, S. 10 (17).
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gehaltenes Vermögen zu Beteiligungskapital wird.232 Die Mitgliedschaft beim übertragenden Rechtsträger bleibt unberührt. 1. Der Schutz des Vermögensrechts im übernehmenden Rechtsträger Bei einer Ausgliederung zur Aufnahme besteht auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft die Gefahr einer Kapitalverwässerung, da hier die übertragende Gesellschaft als zusätzlicher Gesellschafter aufgenommen wird. Eine Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts infolge eines Wechsels der Rechtsform droht den Gesellschaftern der übernehmenden Gesellschaft hingegen nicht. Der Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft im übernehmenden Rechtsträger ist im Falle der Ausgliederung zur Aufnahme mit dem Schutz bei den anderen Umwandlungsarten identisch. Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft haben weder einen Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 15 Abs. 1 UmwG noch ein Recht zum Austritt gegen Barabfindung gem. § 29 Abs. 1 UmwG. Die Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft können den Umwandlungsbeschluss aber mit der Begründung anfechten, die Gegenleistung für den Erwerb des auszugliedernden Vermögens sei unangemessen hoch, da ihr Mitgliedschaftsrecht von der Ausgliederungsmaßnahme unmittelbar betroffen ist und § 14 Abs. 2 UmwG gem. § 125 Satz 1 UmwG für die Ausgliederung nicht gilt. Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft können die Ausgliederung auf diese Weise stoppen. Für den Fall, dass die Umwandlung nach einem erfolgreichen Unbedenklichkeitsverfahren gem. § 16 Abs. 3 UmwG dennoch eingetragen wird und sich die erhobene Anfechtungsklage als begründet erweist, besteht gem. § 16 Abs. 3 Satz 8 HS. 1 UmwG ein verschuldensunabhängiger233 Anspruch auf Ersatz des Schadens, der den Anteilsinhabern der übernehmenden Gesellschaft durch die Eintragung der Umwandlung entstanden ist. Die Kompensation der Beeinträchtigung des Vermögensrechts durch ein unangemessenes Umtauschverhältnis ist somit sichergestellt. 2. Eingriffsbedingte Beeinträchtigungen der Vermögensrechte der Gesellschafter beim übertragenden Rechtsträger Beim übertragenden Rechtsträger wirkt sich die Ausgliederung zur Aufnahme nicht unmittelbar auf Gesellschafterebene aus. Ein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers findet nur mittelbar statt, wenn es zu einer Mediatisierung der Mitwirkungsrechte und dem damit verbundenen Verlust von Einflussmöglichkeiten auf das ausgegliederte Vermögen kommt.234 232
Simon, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 9.01 Rn. 1.1. Bork, in: Lutter, UmwG, § 16 Rn. 39; Schwanna, in: Semler/Stengel, UmwG, § 16 Rn. 49. 234 Zur Erheblichkeitsschwelle für die Annahme einer Mediatisierung siehe § 10 D. IV. 233
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Durch die Mediatisierung der mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter kann es zu einer Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft kommen. Zum einen wird der Einfluss auf die Gewinnverwendung bei der übernehmenden Gesellschaft reduziert und der Anteil an dem aus dem ausgegliederten Vermögensteil fließenden Gewinn verwässert.235 Zum anderen kann es zur Minderung des Werts der Anteile am übertragenden Rechtsträger kommen, wenn die Gegenleistung – die Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger – unzureichend ist.236 In letzteren Fall kommt es zu einem Vermögensabfluss beim übertragenden Rechtsträger und damit zur Schmälerung des Beteiligungswerts am übertragenden Rechtsträger.237 Die Mediatisierung der Mitwirkungsrechte ist Voraussetzung dafür, dass eine Verminderung des Werts der Beteiligung an einer ausgliedernden Gesellschaft vom Schutzbereich des Anteilseigentums erfasst ist. Wertverluste hingegen, die sich infolge von Fehlinvestitionen oder schädlichen Verfügungen der Geschäftsführungsorgane realisieren, die die Geschäftsführungsorgane im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenzen treffen, gehören zum wirtschaftlichen Risiko der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter238 und lassen den Schutzbereich des Anteilseigentums unberührt. Das gilt etwa, wenn der Vorstand einen rechtlich unselbstständigen Betrieb unter Vorliegen der Voraussetzungen der business judgment rule aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu billig an einen Dritten veräußert, ohne eine Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG durchzuführen.239 In diesem Fall sinkt das Vermögen der Gesellschaft ebenfalls und damit auch der Anteilswert. Es besteht im Ergebnis kein Unterschied zu einer Vermögensumschichtung durch Ausgliederung. Nur wenn sich ein Wertverlust infolge einer Ausgliederungsmaßnahme einstellt, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Erheblichkeit die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter mediatisiert, ist der Fall anders zu behandeln. In diesem Fall beinhaltet die Investmententscheidung der Leitungsorgane zugleich die Entscheidung über eine strategische Neuausrichtung, die auch die Gesellschafter betrifft.240 Dann bedarf es eines Schutzes der Minderheitsgesellschafter.
235 Simon, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 9.01 Rn. 3.1; Koppensteiner, in: FS Zöllner, 1998, S. 295 (300); Fleischer, NJW 2004, 2335 (2336); Hoffmann-Becking, ZHR 2008, 231 (237). 236 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 125 Rn. 17; Simon, in: KK, UmwG, § 125 Rn. 36. 237 Simon, in: KK, UmwG, § 125 Rn. 36; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 95 Rn. 266. 238 Ähnlich auch Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, § 43 Rn. 278. 239 Beispiel aus Hoffmann-Becking, ZHR 2008, 231 (236). 240 Fleischer, NJW 2004, 2335 (2336).
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3. Schutzlücke in Bezug auf das Vermögensrecht beim übertragenden Rechtsträger Für die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft gilt bei der Ausgliederung im Vergleich zu den anderen Umwandlungsarten eine Besonderheit: Da die Ausgliederung beim übertragenden Rechtsträger nicht zu einem Anteilstausch auf Gesellschafterebene führt, die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft also von der Ausgliederung nicht unmittelbar betroffen sind, haben sie weder einen Anspruch auf bare Zuzahlung noch ein Austrittsrecht gegen Abfindung. Die Anwendung der §§ 15, 29 UmwG ist für die Ausgliederung gem. § 125 S. 1 UmwG ausgeschlossen. Wie bereits erörtert, kann es bei der Ausgliederung von Vermögen aber zu einer Schmälerung des Werts der Beteiligung am übertragenden Rechtsträger kommen, wenn die Gegenleistung, die in der Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger besteht, zu niedrig ist. Zwar gehört es zur Sorgfaltspflicht der Geschäftsführungsorgane dafür zu sorgen, dass der Vermögensabfluss bei der Ausgliederung durch eine angemessene Gegenleistung kompensiert wird und es nicht zu einer Schädigung der Gesellschaft kommt. Es besteht daher ein Gleichlauf der Interessen der Gesellschafter und der Geschäftsführungsorgane.241 Dieser Schutz allein reicht jedoch nicht aus, da Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführungsorgane nur existieren, wenn eine verschuldete Pflichtverletzung vorliegt. Eine Pflichtverletzung der Geschäftsführungsorgane bei der Festlegung der Gegenleistung liegt jedoch nur selten vor, da die Bewertung von Vermögen stets mit Unsicherheiten verbunden ist. Ein Schutz der Vermögenskomponente des Mitgliedschaftsrechts der Anteilseigner der ausgliedernden Gesellschaft besteht nicht durch die Möglichkeit, Anfechtungsklage zu erheben. Die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu erheben, ist für die Anteilseigner der ausgliedernden Gesellschaft zwar nicht ausgeschlossen, da § 14 Abs. 2 UmwG für die Ausgliederung gem. § 125 Satz 1 UmwG nicht gilt. Die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft können den Ausgliederungsbeschluss aber nicht wegen einer zu niedrigen Gegenleistung der übernehmenden Gesellschaft anfechten, da sie von der Ausgliederung gerade nicht unmittelbar in ihren Mitgliedschaftsrechten betroffen sind. Hier besteht daher eine Schutzlücke. Da die Anteilseigner der ausgliedernden Gesellschaft von der Ausgliederung nicht unmittelbar betroffen sind, verneint ein Teil der Literatur die Möglichkeit, dass die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft den Ausgliederungsbeschluss wegen einer zu niedrigen Gegenleistung anfechten können. Der Ausschluss von § 14 Abs. 2 UmwG durch § 125 Satz 1 UmwG sei nur deklaratorischer Natur.242 Deshalb 241 Boese, Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HVBeschlüssen, 2004, S. 362 f. 242 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 125 Rn. 9; wohl auch: Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 569 Rn. 360; unklar: Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 125 Rn. 18 f., die eine Anwendung von § 14 Abs. 2 auf die Ausglie-
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folge aus dem Ausschluss des § 14 Abs. 2 UmwG nicht, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses nun doch auf das Umtauschverhältnis gestützt werden könne.243 Nach anderer, zutreffender Ansicht können die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft den Ausgliederungsbeschluss hingegen wegen einer unangemessenen Gegenleistung anfechten.244 Maßgeblich für diese Ansicht spricht, dass ein Schutzbedürfnis in Bezug auf die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte der Gesellschafter der ausgliedernden Gesellschaft besteht.245 Die überstimmten Gesellschafter haben weder einen Anspruch auf bare Zuzahlung noch können sie gegen eine Abfindung aus der Gesellschaft austreten. Die Gesellschafter der ausgliedernden Gesellschaft müssen daher jede Ausgliederungsmaßnahme hinnehmen. Sie können weder einen finanziellen Ausgleich verlangen, falls ihre Beteiligung infolge einer unangemessenen Gegenleistung des übernehmenden Rechtsträgers an den übertragenden Rechtsträger an Wert verloren hat, noch können sie die Gesellschaft zu einer Abfindung zum aktuellen Beteiligungswert verlassen. Das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum besteht somit ohne Gewährleistung eines Anfechtungsrechts nicht, da nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG246 aus Art. 14 Abs. 1 GG folgt, dass eine volle wirtschaftliche Kompensation der Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts sichergestellt sein muss.247 Es ist daher verfassungsrechtlich geboten, den Anteilseignern der ausgliedernden Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, den Ausgliederungsbeschluss wegen einer unangemessenen Gegenleistung anzufechten. Dogmatisch handelt es sich bei der Anfechtung des Ausgliederungsbeschlusses durch die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft wegen einer unangemesderung ausschließen, eine materielle Kontrolle von Spaltungsbeschlüssen aber pauschal ablehnen. 243 Stengel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 125 Rn. 9. 244 OLG Stuttgart, Urteil v. 28.01. 2004 – 20 U 3/03 = NZG 2004, 463 (467); OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457); Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 125 Rn. 18; Simon, in: KK, UmwG, § 125 Rn. 16; Veil, ZIP 1998, 361 (364). 245 OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457); Simon, in: KK, UmwG, § 125 Rn. 16. 246 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/ 89 = NZG 2000, 28 (29) („Hartmann&Braun“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589). 247 Zum umfassenden Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögensrechts aus Art. 14 GG siehe § 8 B. II.
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senen Gegenleistung nicht um eine Anfechtung wegen eines Gesetzesverstoßes. Im UmwG existieren keine speziellen Regelungen über die Angemessenheit der Gegenleistung und die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Bewertung der an der Ausgliederung beteiligten Rechtsträger.248 Aus § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ergibt sich, dass bei einer Ausgliederung ein Umtauschverhältnis nicht festzulegen ist. Die Überprüfung der Angemessenheit der Gegenleistung für das ausgegliederte Vermögen im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Ausgliederungsbeschluss ist dogmatisch vielmehr ein Fall der materiellen Beschlusskontrolle.249 Das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum ist nicht gewährleistet. Daher liegt ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor. Das Zivilgericht hat daher die Angemessenheit der Gegenleistung für das ausgegliederte Vermögen zu überprüfen. V. Ergebnis Das UmwG schützt bei Verschmelzungen, Auf-/Abspaltungen und beim Formwechsel sowohl die Anteilseigner des übertragenden als auch des übernehmenden Rechtsträgers umfassend vor einer Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts. Eine Schutzlücke existiert hingegen in Bezug auf den Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft bei der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG, da sich die Anfechtbarkeit des Ausgliederungsbeschlusses wegen einer unangemessenen Gegenleistung für das auszugliedernde Vermögen mangels unmittelbarer Betroffenheit der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers nicht bereits aus dem Gesetz ergibt. In diesem Fall ist die Angemessenheit der Gegenleistung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Ausgliederungsbeschluss im Wege einer materiellen Beschlusskontrolle zu überprüfen, um so das durch Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutzminimum herzustellen.
E. Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes Das Erfordernis der Gewährleistung effektiven Rechtschutzes gehört ebenfalls zum verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimum.250 Zu den nach der Rechtsprechung des BVerfG unabdingbaren Voraussetzungen für einen zulässigen Eingriff in das Anteilseigentum gehört, dass für die benachteiligten Gesellschafter ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist. Ein effektiver Rechtschutz besteht, wenn den betroffenen Gesellschaftern ein Rechtsmittel gegen einen Missbrauch wirtschaftli248
So auch: OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457). 249 So auch: OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457); Veil, ZIP 1998, 361 (364). 250 Siehe oben unter § 8 B. III.
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cher Macht zur Verfügung steht und sie die Möglichkeit haben, die Entschädigung in voller Höhe gerichtlich durchzusetzen.251 Das UmwG erfüllt diese Anforderungen, indem es einen effektiven Rechtsschutz gegen Eingriffe in das Mitgliedschaftsrecht der Anteilseigner sicherstellt. I. Rechtsschutzmöglichkeiten der Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft können in vollem Umfang mit der Anfechtungsklage gegen Umwandlungsbeschlüsse vorgehen. Der Klageausschluss gem. § 14 Abs. 2 UmwG gilt für die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft nicht.252 Die Klagefrist von einem Monat nach § 14 Abs. 1 UmwG ist in Bezug auf einen effektiven Rechtsschutz grundsätzlich unbedenklich. Der Ablauf der Klagefrist kann nur im Einzelfall dazu führen, dass der erforderliche Rechtsschutz für die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft nicht besteht. Wird nämlich die Abfindung ausscheidender Anteilseigner erst im Spruchverfahren heraufgesetzt oder erstmals zu hoch festgesetzt, können die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft eine Anfechtungsklage gegen das Umtauschverhältnis wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist nicht mehr erheben. In einem solchen Fall ist den Anteilseignern der übernehmenden Gesellschaft Rechtsschutz durch eine analoge Anwendung der Vorschriften über das Spruchverfahren zu gewähren und ihnen so die Möglichkeit zu geben, das Umtauschverhältnis gerichtlich überprüfen zu lassen. Der BGH hat die Gewährung von Rechtsschutz im Spruchverfahren für einen solchen Fall ausdrücklich für verfassungsrechtlich geboten angesehen, da die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft nach seinen Ausführungen „ansonsten einen Vermögensverlust erleiden müssten, der möglicherweise auf eine verfassungswidrige Beeinträchtigung ihres durch Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaftsrechts hinausliefe“.253 II. Rechtsschutzmöglichkeiten der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft Die Anfechtungsklage wegen eines zu niedrig bemessenen Umtauschverhältnisses ist für die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft zwar gem. §§ 14 Abs. 2, 195 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen. Die Anteilseigner des übertragenden 251 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932 f.); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119). 252 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 34 (m.w.N.); Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 45; Richter, in: Happ, Konzern- und Umwandlungsrecht, 2012, Abschnitt 7.01 Rn. 68.3. 253 BGH, Urteil v. 18.12. 2000 – II ZR 1/99 = NZG 2001, 574 (576).
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Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
Rechtsträgers können Beeinträchtigungen der vermögensrechtlichen Komponente ihrer Mitgliedschaft aber im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 SpruchG gerichtlich geltend machen und die Höhe der baren Zuzahlung gem. §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 196 Satz 2 UmwG und die Höhe der Abfindung gem. §§ 34, 212 UmwG im Spruchverfahren überprüfen lassen. Anfechtungsklagen, die sich nicht auf ein unangemessenes Umtauschverhältnis stützten, sind vom Klageausschluss gem. § 14 Abs. 2 UmwG hingegen nicht erfasst.254 Mit der Anfechtungsklage kann daher die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG gerügt werden. Das Gericht muss dann im Wege der materiellen Beschlusskontrolle die Vereinbarkeit der Umwandlungsmaßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse sowie die Verhältnismäßigkeit des Umwandlungsbeschlusses in Bezug auf zu berücksichtigende Bestandsinteressen von möglicherweise bestehenden unternehmerischen Interessen der Minderheitsgesellschafter überprüfen, um das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum herzustellen.255 Dieser Anfechtungsgrund ist von §§ 14 Abs. 2, 195 Abs. 2 UmwG nicht erfasst.256 Die Geltendmachung berechtigter Bestandsinteressen von Unternehmergesellschaftern unterfällt auch nicht etwa deshalb §§ 14 Abs. 2, 195 Abs. 2 UmwG, weil die Beeinträchtigung der herrschaftsrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft im Einzelfall auch auf die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses zurückzuführen ist. Sinn und Zweck des Klageausschlusses in §§ 14 Abs. 2, 195 Abs. 2 UmwG ist es nicht, Anfechtungsklagen gegen Umwandlungsbeschlüsse gänzlich auszuschließen, sondern Verzögerungen der Umwandlung wegen Streitigkeiten über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses zu verhindern, da solche Streitigkeiten sehr häufig vorkommen.257
254 So die h.M.: Bärwaldt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 195 Rn. 28; Heckschen, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 14 Rn. 53, Stand 10/06; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 40; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 14 Rn. 14; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 195 Rn. 29; Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 32; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 14 Rn. 26; Wälzholz, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 195 Rn. 26, Stand 10/06; Hofmann, Der Minderheitenschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 554; zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage trotz der Rüge eines unangemessenen Umtauschverhältnisses in Ausnahmefällen: Klein/Stephanblome, ZGR 2007, 351 (368 f.); Grunewald, in: FS Röhricht, 2005, S. 129 (133); a.A. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 14 Rn. 31; Pfeifer, Schutzmechanismen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, 2001, S. 213 Rn. 617 ff. 255 Zur Unverhältnismäßigkeit des Umwandlungsbeschlusses wegen entgegenstehender Bestandsinteressen überstimmter Unternehmer-Gesellschafter siehe unten § 9 A. III. 256 Statt aller: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 40, 44. 257 Zum Sinn und Zweck der Norm: Bork, in: Lutter, UmwG, § 14 Rn. 13; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 14 Rn. 12; Simon, in: KK, UmwG, § 14 Rn. 32.
§ 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen 225
Nur wenn die Geltendmachung berechtigter Bestandsinteressen von unternehmerisch interessierten Gesellschaftern möglich ist, ist ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet.258
F. Gesamtergebnis Für Beschlüsse über eine zweckändernde Verschmelzung, eine zweckändernde Auf- und Abspaltung sowie einen zweckändernden Formwechsel scheidet eine materielle Beschlusskontrolle mangels eines Schutzdefizits aus. Alle anderen Umwandlungsbeschlüsse mit beeinträchtigender Wirkung für das Mitgliedschaftsrecht können hingegen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse sowie auf ihre Verhältnismäßigkeit in Bezug auf potentiell existierende Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter überprüft werden. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgt nicht bei Umwandlungsbeschlüssen einer AG, deren überstimmte Aktionäre jeweils Beteiligungen halten, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals. Bei der Ausgliederung zur Aufnahme ist zudem die Angemessenheit der Gegenleistung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Ausgliederungsbeschluss im Wege einer materiellen Beschlusskontrolle zu überprüfen.
§ 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen A. Gewährung eines Austrittsrechts gegen Abfindung bei Umwandlung unter Beteiligung von AG und KGaA § 78 Satz 4 UmwG regelt für die Verschmelzung und für die Spaltung259, dass die AG und die KGaA nicht als Rechtsträger anderer Rechtsform im Sinne der §§ 29 und 34 UmwG gelten. Entsprechend regelt § 250 UmwG für den Formwechsel, dass §§ 207 bis 212 UmwG nicht für den Formwechsel einer AG in eine KGaA und umgekehrt gelten. Daraus folgt, dass den Anteilseignern der übertragenden Rechtsträger bei Umwandlungen von AG auf KGaA und bei Umwandlungen von KGaA auf AG kein Austrittsrecht gegen Barabfindung zusteht, da die Austrittsrechte eine formwechselnde Umwandlung voraussetzen. Begründet wird § 78 Satz 4 UmwG damit, dass die Entstehung eigener Aktien bei der übernehmenden Gesell-
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Meilicke/Heidel, BB 2003, 1805, sehen im Klageausschluss nach § 14 Abs. 2 UmwG hingegen einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK, da ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet ist. 259 Gem. § 125 Satz 1 UmwG gilt § 78 UmwG auch für die Spaltung.
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Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
schaft durch den Erwerb der Anteile der ausscheidenden Gesellschafter vermieden werden soll.260 Umwandlungen, an denen AG und KGaA beteiligt sind, führen zu einem Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers, da die ursprünglichen Mitgliedschaften beim übertragenden Rechtsträger durch Mitgliedschaften im übernehmenden Rechtsträger ersetzt werden, die aber einem anderen Rechtsregime unterliegen. Es kommt zu einer Veränderung der rechtlichen Substanz der Mitgliedschaft in Bezug auf das von der Umwandlung betroffene Vermögen, die zu einer Schwächung der Rechte führt und zu einer dadurch bedingten Wertminderung der Anteile.261 Die Umwandlungsbeschlüsse, an denen AG und KGaA beteiligt sind, sind daher auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen und daraufhin zu untersuchen, ob sie verhältnismäßig in Bezug auf die Bestandsinteressen etwaiger Unternehmergesellschafter sind. Wegen des Ausschlusses der Austrittsrechte in §§ 78 Satz 4, 250 UmwG fehlt es zudem an einem wirksamen Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft, soweit eine Beeinträchtigung des Anteilswerts durch den Wechsel der Rechtsform eintritt. Es besteht ein Schutzdefizit, das im Wege der Inhaltskontrolle ausgeglichen werden muss. Den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers ist daher im Rahmen einer Inhaltskontrolle in gravierenden Fällen zusätzlich ein finanzieller Ausgleich für einen durch den Rechtsformwechsel bedingten Wertverlust zu gewähren. Es wird von einem Teil der Literatur vorgeschlagen, dass ein solcher Ausgleich durch die Gewährung eines allgemeinen Austrittsrechts gegen Abfindung erfolgt.262 Teils wird auch vorgeschlagen, eine teleologische Reduktion der §§ 78, 250 UmwG für solche Fälle vorzunehmen, in denen es zu einer Verminderung der Rechtsstellung der Gesellschafter kommt.263 Der erste Vorschlag ist vorzugswürdig, da er sich besser im Rahmen des hier entwickelten Konzepts der Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Schutzminimums durch eine Inhaltskontrolle des Umwandlungsbeschlusses umsetzen lässt.
260
Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 118. Perlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 78 Rn. 36; Petersen, in: KK, UmwG, § 250 Rn. 4; Scheel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 250 Rn. 2; so auch Rieger, in: Widmann/Meyer, UmwG, § 250 Rn. 7, 11, Stand 03/97, der aber eine Beeinträchtigung des Vermögensrechts ablehnt; ihm folgend: Dirksen/Blasche, in: Kallmeyer, UmwG, § 250 Rn. 1. 262 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 78 Rn. 11; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 6; Perlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 78 Rn. 36; Scheel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 250 Rn. 2 Fn. 6; zum allgemeinen Austrittsrecht bei der AG: Grunewald, in: FS Claussen, 1997, S. 103. 263 Petersen, in: KK, UmwG, § 250 Rn. 4. 261
§ 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen 227
B. Keine Besonderheit bei umwandlungsbedingter Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger Die Anteilseigner der an einer Umwandlung beteiligten Gesellschaften sind nach der Konzeption des UmwG an den übernehmenden Rechtsträgern zu beteiligen. Aus der Pflicht zur Anteilsgewährung folgt, dass die Anteile, die als Gegenleistung an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft geleistet werden müssen, bei der übernehmenden Gesellschaft im Wege einer Kapitalerhöhung neu geschaffen werden müssen, falls die übernehmende Gesellschaft keine eigenen Anteile hält, die sie übertragen kann.264 In den meisten Fällen muss das Kapital der übernehmenden Gesellschaft erhöht werden, um neue Anteile zu bilden. Eine Kapitalerhöhung zum Zwecke der Schaffung von Anteilen, die als Gegenleistung für das eingebrachte Vermögen im Zuge einer Umwandlung übertragen werden sollen, ist im UmwG unter erleichterten Bedingungen möglich. §§ 55, 69, 142 UmwG erleichtern das Verfahren zur Erhöhung des Stamm- bzw. Grundkapitals einer Kapitalgesellschaft in Zusammenhang mit einer Verschmelzung bzw. Spaltung. Da die neu geschaffenen Anteile als Gegenleistung für die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft bestimmt sind, ist das Bezugsrecht der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft gem. §§ 55, 69 UmwG kraft Gesetzes ausgeschlossen.265 Zwar muss ein Ausschluss des Bezugsrechts nach der „Kali&Salz“-Rechtsprechung des BGH sachlich gerechtfertigt sein.266 Da das Bezugsrecht bei der umwandlungsbedingten Kapitalerhöhung aber bereits per Gesetz ausgeschlossen ist, bedarf der umwandlungsbedingte Kapitalerhöhungsbeschluss keiner sachlichen Rechtfertigung nach den Grundsätzen der „Kali&Salz“-Entscheidung des BGH.267 Die umwandlungsbedingte Kapitalerhöhung wirkt sich auf die mitgliedschaftliche Rechtsstellung der Gesellschafter im übernehmenden Rechtsträger nicht anders aus als eine reguläre Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss, da insbesondere die Beteiligungsquote der Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers verringert wird. Diese Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte folgt zwingend aus der Umwandlung. Es geht hierbei nicht darum, ob der Beschluss über die Kapitaler264
Limmer, in: Limmer, Hdb. der Unternehmensumwandlung, 2012, S. 131 Rn. 223. Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 69 Rn. 15; Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 55 Rn. 20; Simon, in: KK, UmwG, § 69 Rn. 12; M. Winter, in: Lutter, UmwG, § 55 Rn. 25. 266 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316; dazu Hüffer, AktG, § 186 Rn. 25 ff. 267 So die h.M.: Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 69 Rn. 15; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 35; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 69 Rn. 12; Rieger, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 68 Rn. 37; Simon, in: KK, UmwG, § 69 Rn. 38; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzernspitze, 1980, S. 81; wohl auch: Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 69 Rn. 15; a.A.: Hüffer, AktG, § 186 Rn. 34; Peifer, in: MüKo, AktG, § 183 Rn. 40; Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 183 Rn. 61; Krieger/Kraft, in: Münch. Hdb. GesR, § 56 Rn. 85; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 70; M. Winter, in: Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, 1995, S. 19 (41). 265
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Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
höhung der übernehmenden Gesellschaft besonderer materieller Anforderungen bedarf, sondern vielmehr um die Frage, ob der Umwandlungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft aufgrund seiner mit dem Bezugsrechtsausschluss vergleichbaren Wirkungen für die Anteilseigner einer materiellen Inhaltskontrolle unterliegt.268 Der Umwandlungsbeschluss ist daher, soweit die oben unter § 7 entwickelten Voraussetzungen vorliegen, auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse sowie auf seine Verhältnismäßigkeit in Bezug auf mögliche Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter269 zu überprüfen, soweit nicht lediglich überstimmte Aktionäre betroffen sind, die Beteiligungen halten, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals. Der Schutz der Vermögenskomponente der Mitgliedschaft beim übernehmenden Rechtsträger ist gewahrt, da die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft den Umwandlungsbeschluss wegen eines unangemessenen Umtauschverhältnisses anfechten können, weil hierfür der Ausschluss der Anfechtungsklage in § 14 Abs. 2 UmwG nicht gilt. Bei einer Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger ergeben sich somit keine Besonderheiten in Bezug auf die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses.
C. Gewährung eines Austrittsrechts gegen Abfindung bei abhängigkeitsbegründenden Umwandlungen Ein grundsätzliches Erfordernis für eine materielle Kontrolle im Sinne einer sachlichen Rechtfertigungskontrolle270 des Umwandlungsbeschlusses wird im Schrifttum überwiegend abgelehnt.271 Nur wenn sich Anschauungslücken des Gesetzgebers für spezifische Fallkonstellationen feststellen lassen, soll nach h.M. der Beschluss ausnahmsweise strengeren materiellen Voraussetzungen unterliegen.272 Eine Ausnahme soll nach h.M. für Umwandlungsbeschlüsse gelten, die eine Abhängigkeit der Gesellschaft im Sinne der §§ 15 ff. AktG begründen.273
268
So auch Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 69 Rn. 15. Siehe § 11 C. 270 Zu den Termini in Bezug auf die materielle Beschlusskontrolle siehe oben unter § 4 A. 271 Siehe § 4 E. I. 3. 272 Hüffer, AktG, § 243 Rn. 27; so auch Binnewies, GmbHR 1997, 727 (732 f.), der sich für eine einzelfallbezogene Anwendung der materiellen Beschlusskontrolle auf besonders minderheitsbelastende Umwandlungsvorgänge ausspricht. 273 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 38; H. F. Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, Vor § 311 Rn. 53; Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 243 Rn. 11 a.E.; Ulmer, in: Ulmer, GmbH, § 53 Rn. 80; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor 311 AktG Rn. 6; Krieger, in: Münch. Hdb. GesR, AG, § 69 Rn. 19; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 2010, § 52 Rn. 21, 27; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzern269
§ 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen 229
Der BGH hat in der „Süssen“-Entscheidung einen die Konzernherrschaft begründenden Gesellschafterbeschluss einer GmbH materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterworfen.274 Wegen der mit der Abhängigkeitsbegründung verbundenen Gefahren für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des abhängigen Unternehmens müsse ein Gesellschafterbeschluss einer GmbH, der eine Befreiung von einem Wettbewerbsverbot beinhaltet und so die Gesellschaft in Abhängigkeit von einem Unternehmensgesellschafter bringt, durch besondere Umstände im Interesse der potentiell abhängigen GmbH sachlich gerechtfertigt sein.275 Die herrschende Literatur leitet aus der „Süssen“-Entscheidung ein allgemeines Rechtsfertigungserfordernis für sämtliche Gesellschafter- und Hauptversammlungsbeschlüsse ab, die die Abhängigkeit einer bisher unabhängigen Gesellschaft begründen.276 Begründet wird dies mit einem unzureichenden Konzerneingangsschutz, da die §§ 311 ff. AktG erst eingreifen, wenn bereits eine Abhängigkeit begründet wurde.277 Die Verschmelzung sowie die Auf- und Abspaltung können im Einzelfall dazu führen, dass die Gesellschafter einer übertragenden und bisher unabhängigen Gesellschaft im Zuge der Umwandlung Anteile an einer abhängigen Gesellschaft erhalten. Die Abhängigkeit der übernehmenden Gesellschaft kann in Form eines Beherrschungsvertrags oder in Form faktischer Abhängigkeit im Sinne der §§ 15 ff. AktG bestehen. Ein gesonderter Schutz für den Fall einer abhängigkeitsbegründenden Umwandlung ist im UmwG nicht vorgesehen. Ein zusätzlicher Schutz des Mitgliedschaftsrechts ist jedoch nur erforderlich, wenn die Abhängigkeitsbegründung zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung führt, die über die mit der Umwandlung ohnehin einhergehende Beeinträchtigung278 hinausgeht. Gerät eine Gesellschaft in Abhängigkeit von einer anderen Gesellschaft, kann es durch die Abhängigkeitsbegründung unmittelbar zu einer Wertminderung der Anteile an der abhängigen Gesellschaft kommen. Ferner besteht die Gefahr, dass die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft bei der abhängigen Gesellschaft dadurch beeinträchtigt wird, dass sämtliche Entscheidungen im Interesse der beherrschenden Gesellschaft getroffen werden. Im Falle einer Umwandlung auf eine faktisch abhängige Gesellschaft besteht die zusätzliche Gefahr, dass die herrschende bildung, 1986, S. 189 f.; Henze, BB 1996, 489 (497); Timm, ZGR 1987, 403 (428); nur für qualifizierte Abhängigkeitsbegründung auch Binnewies, GmbHR 1997, 727 (731). 274 BGH, Urteil v. 16.02. 1981 – II ZR 168/79 („Süssen“) = NJW 1981, 1512. 275 BGH, Urteil v. 16.02. 1981 – II ZR 168/79 („Süssen“) = NJW 1981, 1512 (1514). 276 Altmeppen, in: MüKo, Vor § 311 Rn. 43; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, Vor 311 AktG Rn. 6; Hüffer, AktG § 186 Rn. 32; Liebscher, in: MüKo, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 276, Lutter, in: KK, AktG, § 186 Rn. 71; Wiedemann, in: GroßKomm-AktG, § 186 Rn. 172; a.A. Decher/Kiefner, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 68 Rn. 10. 277 Altmeppen, in: MüKo, Vor § 311 Rn. 33; Zöllner/Beurskens, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlussanh. Rn. 93. 278 Zu den Beeinträchtigungen durch die einzelnen Umwandlungsarten siehe § 10.
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Teil 3: Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Kontrolle
Gesellschaft bei sämtlichen Entscheidungen ihre eigenen Interessen verfolgt. Diese Gefahr ist aber konzernspezifisch und durch das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG hinreichend berücksichtigt. Die zusätzliche Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente durch die Verfolgung der Eigeninteressen der herrschenden Gesellschaft ist im Falle einer Abhängigkeit der übernehmenden Gesellschaft auch bei Bestehen eines Unternehmensvertrags gegeben, da Gewinne abgeführt werden müssen bzw. der Einfluss auf die abhängige Gesellschaft im Interesse der beherrschenden Gesellschaft ausgeübt wird. Im Falle des Bestehens eines Unternehmensvertrags wird die zusätzliche Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft aber durch die Gewährleistung eines wiederkehrenden angemessenen Ausgleichs gem. § 304 AktG kompensiert. Der Ausgleich gem. § 304 AktG steht auch denjenigen Gesellschaftern zu, die im Zuge der Umwandlung zu Gesellschaftern der abhängigen Gesellschaft werden. Es bedarf somit hinsichtlich der zukünftigen Gefahren, die durch die Abhängigkeit der Gesellschaft für das Vermögensrecht auftreten, keiner zusätzlichen Schutzvorkehrungen für eine abhängigkeitsbegründende Umwandlung. Bei der Begründung von Abhängigkeit bestehen somit grundsätzlich keine Besonderheiten in Bezug auf die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses. Der Umwandlungsbeschluss ist, soweit die oben unter § 7 entwickelten Voraussetzungen vorliegen, auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse sowie auf seine Verhältnismäßigkeit in Bezug auf mögliche Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter279 zu überprüfen, soweit nicht lediglich überstimmte Aktionäre betroffen sind, die Beteiligungen halten, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals. Jedoch müssen die Gesellschafter bei einer Abhängigkeitsbegründung auch vor einem Wertverlust ihrer Beteiligung geschützt werden, der unmittelbar durch die Begründung der Abhängigkeit der Gesellschaft eintritt. Ein solcher Schutz der vermögensrechtlichen Komponente kann nur durch die Einräumung der Möglichkeit gewährleistet werden, die Gesellschaft gegen eine Abfindung zu verlassen. Die Abfindung muss nach dem Wert der Anteile bemessen sein, die diese vor der Begründung der Abhängigkeit hatten. Ein Schutzdefizit besteht daher, soweit die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft nicht die Möglichkeit haben, die Gesellschaft zu verlassen, wenn diese in Abhängigkeit gerät. Bei Abschlusses eines Unternehmensvertrags haben die außenstehenden Aktionäre ein Austrittsrecht gegen Abfindung gem. § 305 AktG. Die Gesellschafter einer übertragenden Gesellschaft, die durch eine Umwandlung zu Gesellschaftern einer aufgrund eines Unternehmensvertrags abhängigen übernehmenden Gesellschaft werden, können jedoch in der Regel nicht mehr gem. § 305 AktG aus der Gesellschaft austreten, da die Frist zur Annahme des Abfindungsangebots gem. § 305 Abs. 4 AktG in den meisten Fällen abgelaufen sein wird. 279
Siehe § 11 C.
§ 12 Materielle Beschlusskontrolle in spezifischen Umwandlungskonstellationen 231
Die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft haben stattdessen aber in der Regel ein Austrittsrecht gegen Abfindung nach § 29 UmwG, dessen Rechtsfolgen mit demjenigen des Austrittsrechts aus § 305 AktG nahezu identisch sind. Eine Schutzlücke besteht indes in den Fällen, in den weder ein Austrittsrecht gem. § 305 AktG noch ein Austrittsrecht gem. § 29 UmwG besteht. Dies ist der Fall bei einer rechtsformwahrenden Umwandlung auf eine abhängige Gesellschaft, da das umwandlungsrechtliche Austrittsrecht gem. § 29 UmwG nur bei formwechselnden Umwandlungen besteht. Die zusätzliche Beeinträchtigung der Mitgliedschaft durch die Begründung der Abhängigkeit muss in diesen Fällen durch die Gewährung eines allgemeinen Austrittsrechts gegen Abfindung kompensiert werden. Da die Gefahren für die Minderheitsgesellschafter bei einer faktischen Abhängigkeit in gleichem Maße wie bei einer Abhängigkeit durch einen Unternehmensvertrag bestehen, ist ein Austrittsrecht bei jeder Art von Abhängigkeitsbegründung zu gewähren. Den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft ist im Rahmen der Inhaltskontrolle des Umwandlungsbeschlusses daher ein allgemeines Austrittsrecht gegen Abfindung in den Fällen zu gewähren, in denen kein gesetzliches Austrittsrecht gem. § 305 AktG oder gem. § 29 UmwG besteht.280
280 So im Ergebnis auch: Decher/Kiefner, in: Münch. Hdb. GesR, GmbH, § 68 Rn. 11; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 32; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 193.
Zusammenfassung 1. Die Mehrheitsmacht in einer Kapitalgesellschaft besteht nicht grenzenlos, da die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung in der Kapitalgesellschaft nicht gewährleistet ist.1 Hinzu kommt, dass der Gesellschaftsvertrag ein stets unvollständiger Vertrag ist, bei dem die Risiken für die Gesellschafterstellung nicht voraussehbar sind, da künftige Entwicklungen der Gesellschaft und der Mehrheitsverhältnisse im Zeitpunkt der Begründung der Mitgliedschaft nicht erkennbar sind. Anders als bei Austauschverträgen besteht in der Kapitalgesellschaft die Gefahr, dass die Mehrheit die Minderheit dominiert und es zu einer Fremdbestimmung kommt. Insbesondere bei Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG besteht ein gesteigertes Bedürfnis für eine Kontrolle des Mehrheitsbeschlusses im Vorfeld der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister, da der Umwandlungsvorgang mit der Eintragung gemäß §§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG einen umfassenden Bestandschutz erlangt und irreversibel ist. 2. Um Anwendungsbereich und Grenzen einer materiellen Beschlusskontrolle zu bestimmen, muss eine Rechtsgrundlage für die Beschlusskontrolle definiert werden. In Rechtsprechung und Schrifttum ist ungeklärt, auf welcher rechtlichen Grundlage eine materielle Beschlusskontrolle im Allgemeinen erfolgt. Die h.L. geht davon aus, dass jede Art von materieller Beschlusskontrolle auf Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht erfolgt. Sowohl die Missbrauchskontrolle als auch das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung sind nach h.L. Konkretisierungen der Treuepflicht unter den Gesellschaftern. Die Treuepflicht unter den Gesellschaftern eignet sich jedoch nicht als Grundlage für die Inhaltskontrolle von Mehrheitsbeschlüssen, da ihr Inhalt zu unbestimmt ist und sie für die konkreten Entscheidungen praktisch bedeutungslos ist.2 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist eine richterrechtliche Generalklausel, die der Konkretisierung im Einzelfall bedarf. Sie ist ein Einfallstor der Grundrechte, mit deren Hilfe die Wertungen von Art. 14 Abs. 1 GG zur Geltung gebracht werden.3 Es besteht jedoch keine Notwendigkeit für die Heranziehung der Treuepflicht, da im Einzelfall das Erfordernis für eine materielle Beschlusskontrolle unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich geschützten Anteilseigentum resultiert. Die Grundlage für eine materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses ist daher richtigerweise das Anteilseigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.4 1 2 3 4
Siehe § 3. M. Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 41. Lutter, ZGR 1981, 171 (174 f.). Siehe § 6.
Zusammenfassung
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3. Die Mitgliedschaft in der Kapitalgesellschaft ist die auf der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft beruhende privatautonom begründete Rechtsposition. Sie ist das gesellschaftsvertragliche Rechtsverhältnis und ein subjektives Recht. Die mitgliedschaftliche Rechtsposition in einer Kapitalgesellschaft ist von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.5 Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst die mitgliedschaftliche Rechtsposition in ihrer Substanz, so wie sie durch den Gesellschaftsvertrag ausgestaltet ist, mitsamt aller aus der Mitgliedschaft resultierenden Verwaltungs- und Vermögensrechte, die dem einzelnen Gesellschafter durch einfache Gesetze und den Gesellschaftsvertrag im Sinne privatnütziger Verfügbarkeit eingeräumt werden. Der bloße Vermögenswert der Beteiligung sowie der Bestand einzelner wertbildender Faktoren wie die mit der Börsenzulassung verbundene faktische Verkehrsfähigkeit der Aktie fallen grundsätzlich nicht in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG.6 Nur soweit bestimmte Umstände sich unmittelbar auf die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft auswirken, tangieren sie den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. 4. Der Umwandlungsbeschluss ist das Resultat privatautonomen Handelns.7 Die Minderheitsgesellschafter können sich daher gegenüber einem Eingriff in ihre mitgliedschaftlichen Rechte durch eine Mehrheitsentscheidung grundsätzlich nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen, da die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Funktion unmittelbar nur gegenüber staatlichem Handeln gelten. Neben ihrer abwehrrechtlichen Funktion haben die Grundrechte indessen auch eine objektivrechtliche Schutzdimension. Aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte resultieren Schutzpflichten, die nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch das Gericht dazu verpflichten, ein verfassungsrechtlich gebotenes Mindestmaß an Schutz für den Grundrechtsbetroffenen zu gewährleisten. Dies gilt sowohl für Beeinträchtigungen von staatlicher als auch für Beeinträchtigungen von privater Seite.8 Das Zivilgericht hat zur Einhaltung des Untermaßverbots dort, wo der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag nicht wirksam nachgekommen ist, der Schutzfunktion des maßgebenden Grundrechts durch verfassungskonforme Auslegung und Rechtsfortbildung Geltung zu verschaffen und das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum zu garantieren. Die Bedeutung von Art. 14 Abs. 1 GG für das Gesellschafterinnenrecht wird zunehmend auch in der gesellschaftsrechtlichen Literatur erkannt und befürwortet.9 Die Mehrheitsentscheidung der Gesellschafter bietet ein ideales Anwendungsfeld für die grundrechtlichen Schutzpflichten, da der Gesetzgeber den Gesellschaftern in Bezug auf die Entscheidungen im Innenverhältnis weitgehende Gestaltungsfreiheit 5
Siehe § 6 A. BVerfG, Urteil v. 11.07. 2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08 = NZG 2012, 826 („Delisting“); siehe § 6 B. 7 Siehe § 6 C. 8 Siehe § 6 D. 9 Siehe Nachweise unter § 6 D. III. 1. 6
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Zusammenfassung
einräumt und so einen Bereich ungeregelt lässt.10 Der von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Mindestschutz der mitgliedschaftlichen Rechtsposition ist vom Gericht im Wege einer materiellen Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses sicherzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. 5. Erste Voraussetzung für das „Ob“ der materiellen Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG ist, dass einer solchen Kontrolle keine gesetzgeberischen Entscheidungen entgegenstehen, da andernfalls das Gewaltenteilungs- und Rechtsstaatsprinzip verletzt werden würde.11 Der materiellen Kontrolle von Umwandlungsbeschlüssen stehen gesetzgeberische Entscheidungen nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über eine materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses ausdrücklich der Wissenschaft und der Rechtsprechung überlassen.12 6. Die Privatautonomie der Gesellschafter wird durch eine materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses nicht beeinträchtigt.13 Die Privatautonomie ist eine grundrechtlich geschützte Position und folgt aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich der Privatautonomie ist in zweifacher Hinsicht begrenzt. Zum einen ist die Privatautonomie durch den Inhalt des Gesellschaftsvertrags, insbesondere durch den vereinbarten Gesellschaftszweck, begrenzt, da der für ein privatautonomes Handeln erforderliche Konsens der Gesellschafter bei der Gründung bzw. beim Beitritt zur Gesellschaft aus dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Inhalt besteht. Zum anderen findet die selbstbestimmte Entscheidung des Gesellschafters ihre Grenze bei zukünftigen und nicht voraussehbaren Entwicklungen, wozu insbesondere die Mehrheitsentscheidungen in einer Kapitalgesellschaft gehören. 7. Weitere Voraussetzung für das „Ob“ der materiellen Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses ist, dass ein Eingriff in den Schutzbereich des Anteilseigentums vorliegt.14 Mehrheitsentscheidungen, die nicht in das Mitgliedschaftsrecht eingreifen, bedürfen keiner gerichtlichen Überprüfung, da mangels einer Beeinträchtigung der Rechtsposition kein Schutzbedürfnis besteht. 8. Eine materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses setzt ferner voraus, dass ein Schutzdefizit in Bezug auf das aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierende Schutzminimum besteht. Dies ist der Fall, wenn das aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierende Schutzminimum nicht durch einfachgesetzliche Normen gewährleistet und deshalb das Untermaßverbot verletzt ist.15 Besteht ein hinreichender Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung durch einfachgesetzliche Regelungen, darf kein
10 11 12 13 14 15
Siehe § 6 D. III. Siehe § 6 D II. Siehe § 6 D. II. und E. I.; Begründung-RegE, in: Ganske, UmwR, S. 61 und S. 216. Siehe § 6 E. II. Siehe § 7 A. Siehe § 7 B.
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weiterreichender Schutz durch das Gericht gewährt werden, da andernfalls der parlamentarische Ermessensspielraum des Gesetzgebers angetastet werden würde. Zum verfassungsrechtlich gebotenen Schutzminimum in Bezug auf Art. 14 Abs. 1 GG gehört die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gesellschaftsinteresse, der volle Ersatz des Vermögensinteresses sowie ein effektiver Rechtsschutz.16 Die verwaltungsrechtliche Komponente der Mitgliedschaft bzw. der Bestand der Mitgliedschaft ist grundsätzlich vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst.17 Der Bestandschutz wird aber durch einen reinen Vermögensschutz ersetzt, wenn bei einer Beteiligung ausschließlich Vermögensinteressen der Gesellschafter bestehen. Bei Beteiligungen an Aktiengesellschaften, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals, wird unwiderleglich vermutet, dass ausschließlich Vermögensinteressen betroffen sind.18 Bei größeren Kapitalanteilen sind hingegen selbst bei einer Börsennotierung bzw. bei Kapitalmarktnähe der Gesellschaft die Aktionäre nicht als reine Anlegeraktionäre anzusehen. Der Umwandlungsbeschluss einer AG unterliegt daher nur der materiellen Kontrolle in Bezug auf die Bestandsinteressen des klagenden Aktionärs, wenn der klagende Aktionär eine Beteiligung in Höhe von mindestens 10 % des Grundkapitals hält. Für die GmbH besteht keine Vermutung, dass ihre Gesellschafter Anlegergesellschafter sind. Die Mitgliedschaft in der GmbH kann daher auch bei einer Beteiligungsquote von unter 10 % nicht generell auf das Vermögensinteresse reduziert werden.19 Eine materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses einer GmbH ist bei Vorliegen aller Voraussetzungen daher unabhängig von der Beteiligungsquote durchzuführen. 9. Der Maßstab bzw. das „Wie“ der materiellen Beschlusskontrolle orientiert sich an den von Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen Mindestanforderungen für den Schutz des Anteilseigentums. Liegen die Voraussetzungen für die Durchführung einer materiellen Beschlusskontrolle des Umwandlungsbeschlusses vor, hat das Gericht im Wege der Kontrolle ein bestehendes Schutzdefizit auszugleichen und den in Bezug auf das Anteilseigentum der Minderheit gebotenen Schutz wiederherzustellen. Der Umwandlungsbeschluss ist in diesem Falle auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen.20 Ferner ist eine Beeinträchtigung des Vermögensrechts voll zu kompensieren, wofür gegebenenfalls auf eine Analogie zu existierenden Ausgleichsansprüchen zurückgegriffen werden kann.21 Ist bei einem Umwandlungsbeschluss nicht ausgeschlossen, dass den überstimmten Gesellschaftern
16 17 18 19 20 21
Siehe § 8 A. und B. Siehe § 8 C. Siehe § 8 D. und E. Siehe § 8 F. Siehe § 9 A. Siehe § 9 B.
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Unternehmergesellschafter im hier gemeinten Sinne22 angehören, die nicht ausschließlich Anlegerinteressen verfolgen, ist der Beschluss zudem auf die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf möglicherweise bestehende Bestandsinteressen der Unternehmergesellschafter zu überprüfen.23 Das Gericht hat im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse der Mehrheit an der Durchführung der konkreten Maßnahme gegen das konkrete Bestandsinteresse des klagenden Gesellschafters abzuwägen.24 10. Umwandlungsmaßnahmen können das Mitgliedschaftsrecht beeinträchtigen, indem sie zu einer Verwässerung der Stimmrechte oder zu einer Verwässerung des Anteilswerts führen oder die Einflussmöglichkeiten sowie den Wert einer Beteiligung schmälern, weil es zu einem Wechsel der Rechtsform oder zu einer erheblichen Änderung der wirtschaftlichen Substanz der Gesellschaft kommt.25 Der Wertverlust einer Beteiligung an sich begründet keinen Eingriff in das Anteilseigentum, da dieser zum Investitionsrisiko des Gesellschafters gehört. 11. Die Verschmelzung im Sinne von § 2 UmwG greift in die verwaltungs- und die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts aller an der Verschmelzung beteiligter Gesellschafter ein.26 Dasselbe gilt für die Aufspaltung und Abspaltung im Sinne von § 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG sowie für den Formwechsel im Sinne von § 190 UmwG, da diese Vorgänge zur Beendigung der Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger in der bis dato existierenden Form führen oder eine Beteiligungs- bzw. Stimmrechtsverwässerung für die Anteilseigner der beteiligten Rechtsträger bewirken.27 Kein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte liegt hingegen vor bei der Auf- und Abspaltung zur Neugründung, bei der die neu gegündete Gesellschaft dieselbe Rechtsform hat wie die übertragende Gesellschaft.28 12. Die Ausgliederung29 greift in die verwaltungs- und in die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaften am übernehmenden Rechtsträger ein, da es dort ebenfalls zu einer Stimmrechts- und Kapitalverwässerung kommt. Eine Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte am übertragenden Rechtsträger droht bei der Ausgliederung nur in Form einer Mediatisierung der Mitgliedschaftsrechte. Eine Mediatisierung der Mitgliedschaftsrechte liegt bei der Ausgliederung nur ausnahmsweise vor, da die Ausgliederung eine reine Vermögensumschichtung ist, die prinzipiell zu den Aufgaben und Kompetenzen der Geschäfts22 Zum Begriff des Unternehmergesellschafters im hier gemeinten Sinne siehe oben unter § 8 D. I. 23 Siehe § 9 C. 24 Siehe § 9 C. 25 Siehe § 10 A. 26 Siehe § 10 B. 27 Siehe § 10 C. und E. 28 Siehe § 10 C. II., IV. 29 Siehe § 10 D.
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führungs- und Leitungsorgane gehört, auch wenn das UmwG alle Ausgliederungen der Kompetenz der Anteilseignerversammlung unterstellt. Eine Mediatisierung von Mitgliedschaftsrechten ist daher nur im Falle der Ausgliederung von wesentlichen Unternehmensteilen gegeben, die von erheblichem Gewicht für die Rechtsposition der Gesellschafter ist. Eine solche Erheblichkeit ist gegeben, wenn das auszugliedernde Vermögen mindestens 75 % des Vermögens oder des Umsatzes der ausgliedernden Gesellschaft entspricht. Werden die mitgliedschaftlichen Rechte mediatisiert, liegt ein Eingriff in die verwaltungs- und die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger vor. Kein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte an der übertragenden Gesellschaft liegt hingegen bei der Ausgliederung zur Neugründung von einer GmbH auf eine oder mehrere neu gegründete GmbH vor.30 13. In Bezug auf die Sicherstellung der Vereinbarkeit von zweckwahrenden Umwandlungsmaßnahmen mit dem Gesellschaftsinteresse existiert ein Schutzdefizit im UmwG.31 Das Schutzkonzept des UmwG gewährleistet nicht, dass stets nur solche Umwandlungsmaßnahmen durchgeführt werden, die dem Gesellschaftsinteresse als dem kollektivierten Interesse der Gesellschaftergesamtheit an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks32 entsprechen. Weder die umfassende Information der Anteilseigner über die geplante Maßnahme im Vorfeld noch die unabhängige Prüfung der Umwandlung garantieren, dass eine beschlossene Umwandlung im Gesellschaftsinteresse liegt. 14. Kein Schutzdefizit besteht bei einer zweckändernden Verschmelzung, bei einer zweckändernden Auf- und Abspaltung sowie bei einem zweckändernden Formwechsel. Diese Umwandlungsvorgänge bedürfen eines einstimmig gefassten Umwandlungsbeschlusses nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.33 § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ein allgemeines verbandsrechtliches Prinzip und gilt somit auch für Kapitalgesellschaften. Die Verschmelzung, die Spaltung sowie der Formwechsel sind zudem Satzungsänderungen im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das UmwG steht der Anwendung von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels spezieller und verdrängender Regelungen nicht entgegen. Infolge des Einstimmigkeitserfordernisses fehlt es an einem Schutzdefizit bei den genannten Maßnahmen. Eine materielle Beschlusskontrolle scheidet für diese Maßnahmen daher aus. Die Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG auf eine Gesellschaft mit einem anderen Gesellschaftszweck fällt hingegen nicht in den Anwendungsbereich von § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB. 15. Das UmwG bietet grundsätzlich keinen Schutz vor einer Beeinträchtigung der verwaltungsrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts an einer Kapitalgesellschaft.34 Das umwandlungsrechtliche Verfahren, insbesondere der nach §§ 8, 192 30 31 32 33 34
Siehe § 10 D. VI. Siehe § 11 B. I. Zum Gesellschaftsinteresse siehe § 8 B. I. 1. Siehe § 11 B. II. Siehe § 11 C.
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UmwG erforderliche Umwandlungsbericht und die nach § 9 UmwG erforderliche Umwandlungsprüfung sind nicht geeignet, den Bestand der Mitgliedschaft und die mit der Mitgliedschaft verbundenen Verwaltungsrechte an der Gesellschaft zu sichern. Mögliche Schadensersatzansprüche der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers gegen die Verwaltungs- und Aufsichtsorgane aus §§ 25 Abs. 1, 205 Abs. 1 UmwG sowie Schadensersatzansprüche gegen die unabhängigen Prüfer aus § 11 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 323 HGB bieten ebenfalls keinen hinreichenden Schutz der verwaltungsrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts, da Schadensersatzansprüche nur einen Vermögensnachteil kompensieren und kein Ersatz für den Verlust von Beteiligungsrechten bieten. Der Anspruch auf bare Zuzahlung aus §§ 15, 196 UmwG für den Fall eines zu niedrigen Umtauschverhältnisses der Anteile sowie das bereitgestellte Spruchverfahren zur gerichtlichen Überprüfung des Umtauschverhältnisses schützen ausschließlich vor einer Kapitalverwässerung und betreffen ebenfalls nur den Schutz der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts. Während eine Verwässerung des Vermögenswerts der Anteile im Spruchverfahren ausgeglichen wird, bleibt die Verwässerung der Stimmrechtsmacht nach dem UmwG ohne Ausgleich. Im UmwG besteht daher ein Schutzdefizit in Bezug auf die verwaltungsrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts. 16. Der Schutz der vermögensrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts ist im UmwG für die Verschmelzung, die Auf- und Abspaltung sowie für den Formwechsel hinreichend gewährleistet.35 Beim übertragenden Rechtsträger ist das Vermögensrecht durch Ansprüche auf bare Zuzahlung gem. §§ 15 Abs. 1, 196 Abs. 1 UmwG und durch Austritts- und Abfindungsrechte gem. §§ 29, 207 UmwG geschützt. Die Höhe der Ansprüche kann jeweils im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 SpruchG überprüft werden. In Extremfällen, in denen die Ansprüche auf Zuzahlung sowie Abfindung von der übernehmenden Gesellschaft nicht erfüllt werden können, ist das Vermögensrecht durch Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsorgane und gegen die Umwandlungsprüfer geschützt. Beim übernehmenden Rechtsträger ist das Vermögensrecht der Anteilsinhaber durch die Möglichkeit geschützt, den Umwandlungsbeschluss wegen eines unangemessenen Umtauschverhältnisses anzufechten. Die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Umwandlungsbeschluss bewirkt grundsätzlich eine Registersperre gem. § 16 Abs. 2 UmwG, die eine Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister verhindert. Für den Fall, dass die Umwandlung nach einem erfolgreichen Unbedenklichkeitsverfahren gem. § 16 Abs. 3 UmwG eingetragen wird und die erhobene Anfechtungsklage sich als begründet erweist, besteht gem. § 16 Abs. 3 Satz 8 HS. 1 UmwG ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz des 35
Siehe § 11 D. II. und III.
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Schadens, der den Anteilsinhabern der übernehmenden Gesellschaft durch die Eintragung der Umwandlung entstanden ist. 17. Im Falle der Ausgliederung im Sinne von § 123 Abs. 3 UmwG ist die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft hinreichend geschützt.36 Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft können den Ausgliederungsbeschluss wegen einer unangemessenen Gegenleistung für das auszugliedernde Vermögen anfechten, da ihr Mitgliedschaftsrecht von der Ausgliederungsmaßnahme unmittelbar betroffen ist und § 14 Abs. 2 UmwG gem. § 125 Satz 1 UmwG für die Ausgliederung nicht gilt. Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft können die Ausgliederung auf diese Weise stoppen. Wird die Ausgliederung infolge eines erfolgreichen Unbedenklichkeitsverfahrens dennoch eingetragen und erweist sich die Anfechtungsklage als begründet, wird die Beeinträchtigung des Vermögensrechts durch einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Schadensersatz aus § 16 Abs. 3 Satz 8 HS. 1 UmwG kompensiert. 18. Eine Schutzlücke besteht hingegen in Bezug auf die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft in der übertragenden Gesellschaft.37 Die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft haben weder einen Anspruch auf bare Zuzahlung noch ein Austrittsrecht gegen Abfindung, vgl. § 125 S. 1 UmwG. Zwar ist die Möglichkeit der Anteilseigner der ausgliedernden Gesellschaft, eine Anfechtungsklage gegen den Ausgliederungsbeschluss zu erheben, gem. § 14 Abs. 2 UmwG nicht ausgeschlossen, vgl. § 125 Satz 1 UmwG. Ausgeschlossen ist aber die Anfechtung des Ausgliederungsbeschlusses wegen einer zu niedrigen Gegenleistung, da die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft von der Ausgliederung nicht unmittelbar in ihren Mitgliedschaftsrechten betroffen sind und im UmwG keine speziellen Regelungen über die Angemessenheit der Gegenleistung und die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Bewertung der an der Ausgliederung beteiligten Rechtsträger existieren. Da die Gesellschafter der ausgliedernden Gesellschaft weder einen finanziellen Ausgleich für einen Wertverlust ihrer Anteile verlangen noch die Gesellschaft gegen eine Abfindung zum aktuellen Beteiligungswert verlassen können, ist das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum unterschritten. Aus Art. 14 Abs. 1 GG folgt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG38, dass eine volle wirtschaftliche Kompensation der Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft sichergestellt sein muss. Es ist daher verfassungsrechtlich geboten, den Anteilseignern der ausgliedernden Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, den Ausgliederungsbeschluss wegen eines unangemessenen 36
Siehe § 11 D. IV. 1. Siehe § 11 D. IV. 3. 38 BVerfG, Urteil v. 07.08. 1962 – 1 BvL 16/60 („Feldmühle“) = BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 (1668 f.); BVerfG, Beschluss v. 27.04. 1999 – 1 BvR 1613/94 („DAT/Altana“) = BVerfGE 100, 289 = NZG 1999, 931 (932); BVerfG, Beschluss v. 08.09. 1999 – 1 BvR 301/ 89 = NZG 2000, 28 (29) („Hartmann&Braun“); BVerfG, Beschluss v. 23.8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97 („Moto-Meter“) = NZG 2000, 1117 (1119); BVerfG, Beschluss v. 30.05. 2007 – 1 BvR 390/04 = NZG 2007, 587 (589). 37
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Umtauschverhältnisses anzufechten. Die Überprüfung der Angemessenheit der Gegenleistung für das ausgegliederte Vermögen im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Ausgliederungsbeschluss ist ein Fall der materiellen Beschlusskontrolle.39 19. Im UmwG existiert ein effektiver Rechtsschutz gegen beeinträchtigende Umwandlungsbeschlüsse.40 Die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft können gegen Umwandlungsbeschlüsse in vollem Umfang mit der Anfechtungsklage vorgehen. Der Klageausschluss gem. § 14 Abs. 2 UmwG gilt für die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft nicht. Die Klagefrist von einem Monat nach § 14 Abs. 1 UmwG ist in Bezug auf einen effektiven Rechtsschutz unbedenklich. Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers hingegen können Beeinträchtigungen der vermögensrechtlichen Komponente ihrer Mitgliedschaft im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 SpruchG gerichtlich geltend machen und sowohl die Höhe der baren Zuzahlung als auch die Höhe der Abfindung im Spruchverfahren überprüfen lassen. Anfechtungsklagen der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers, die sich nicht auf ein unangemessenes Umtauschverhältnis stützen, bleiben hingegen vom Klageausschluss gem. § 14 Abs. 2 UmwG unberührt.41 Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers mit der Anfechtungsklage geltend machen können, dass ihr Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt ist, weil der Umwandlungsbeschluss nicht dem Gesellschaftsinteresse entspricht oder ihre Bestandsinteressen einer Umwandlung entgegenstehen. 20. Der Beschluss über eine rechtsformneutrale Auf- und Abspaltung zur Neugründung42 sowie der Beschluss über eine Ausgliederung zur Neugründung unter ausschließlicher Beteiligung von GmbH43 unterliegen mangels eines Eingriffs in das Mitgliedschaftsrecht der Anteilseigner nicht der materiellen Beschlusskontrolle. Im Übrigen aber unterliegt der Ausgliederungsbeschluss in jedem Falle der materiellen Beschlusskontrolle insoweit, dass überprüft wird, ob wesentliche Vermögensteile ausgegliedert werden und somit eine Mediatisierung der Mitgliedschaftsrechte eintritt. Für die Beschlüsse über eine zweckändernde Verschmelzung, eine zweckändernde Auf- und Abspaltung sowie einen zweckändernden Formwechsel scheidet eine materielle Beschlusskontrolle aus, da für diese Maßnahmen ein hinreichender Schutz durch das Einstimmigkeitserfordernis gewährleistet ist. 21. Im Übrigen sind sämtliche Umwandlungsbeschlüsse, die in das Mitgliedschaftsrecht der Anteilseigner eingreifen, auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse zu überprüfen.44 Die beschlossene Maßnahme muss dem gemeinsamen Interesse aller Gesellschafter an der Förderung des Gesellschaftszwecks 39 So auch: OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03. 2002 – 20 W 32/2001 und 20 W 32/01 = AG 2003, 456 (457); Veil, ZIP 1998, 361 (364). 40 Siehe § 11 E. 41 So die h.M., vgl. Fn. 1085. 42 Siehe § 10 C. II., IV. 43 Siehe § 10 D. VI. 44 Siehe § 9 A.
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entsprechen und darf nicht vorwiegend im Partikularinteresse der Gesellschaftermehrheit liegen. Die Gesellschaft hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass es sich um eine im Gesellschaftsinteresse liegende Maßnahme handelt. Der Inhalt des Umwandlungsberichts kann zur Orientierung dienen, da in dem Bericht die unternehmerische Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Umwandlungsmaßnahme darzulegen und zu begründen sind. In einer Gesellschaft mit erwerbswirtschaftlichem Zweck ist das gemeinsame Interesse aller Gesellschafter auf die Ertragsmaximierung und die dauerhafte Rentabilität der Gesellschaft gerichtet. Aktionärsfremde Interessen, insbesondere die Interessen der stakeholder, sind bei der Bestimmung des Gesellschaftsinteresses nicht zu berücksichtigen.45 Die geplante Maßnahme liegt nicht im Gesellschaftsinteresse, wenn mit der Maßnahme vorwiegend Partikular- oder externe Interessen der Gesellschaftermehrheit bzw. des Mehrheitsgesellschafters verfolgt werden. Zur Feststellung, ob die Gesellschaftermehrheit bzw. der Mehrheitsgesellschafter vorwiegend Partikularinteressen verfolgt, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die auf eine entsprechende Interessenslage hindeuten. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen in diesem Zusammenhang Fallkonstellationen, bei denen die Gesellschaftermehrheit auf beiden Seiten der geplanten Maßnahme beteiligt ist (related parties transactions) bzw. der Mehrheitsgesellschafter der betroffenen Gesellschaft zugleich begünstigter einer Transaktion ist, da in einer solchen Konstellation das Risiko eines self-dealing für die Minderheit sehr hoch ist.46 22. Ferner ist jeder Umwandlungsbeschluss, der in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilseigner eingreift, auf seine Verhältnismäßigkeit in Bezug auf potentiell existierende Bestandsinteressen der Minderheit zu überprüfen, da das UmwG keinen hinreichenden Bestandschutz der verwaltungsrechtlichen Komponente des Mitgliedschaftsrechts gewährleistet.47 Dies gilt nicht für Umwandlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft, deren klagende Aktionäre jeweils Beteiligungen halten, die kleiner als 10 % des Grundkapitals sind. Für Aktionäre mit Beteiligungen an der AG, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals, besteht eine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass es sich hierbei um Anlegeraktionäre handelt, die mit dem Investment ausschließlich Vermögensinteressen verfolgen und daher keinen Bestandschutz genießen.48 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist das Interesse der Mehrheit an der Durchführung der konkreten Maßnahme gegen das Bestandsinteresse der überstimmten Minderheitsgesellschafter abzuwägen.49 Hierfür muss zunächst das Bestandsinteresse der überstimmten Gesellschafter bestimmt werden, das von zahlreichen Faktoren abhängt, wie der Größe der Minderheitsbeteiligung, der Beteiligungsstruktur, der Anzahl der Gesellschafter insgesamt, der Relation der 45 46 47 48 49
Siehe § 9 A. I. Wiedemann, WM 2009, 1 (5). Siehe § 11 C. Siehe § 8 D. und E. Siehe § 9 C.
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Beteiligungsgrößen sowohl innerhalb der Gesellschaftermehrheit als auch innerhalb der Gesellschafterminderheit und einer bestehenden Kapitalmarktnähe der Gesellschaft, insbesondere einer Börsennotierung. Haben die überstimmten Minderheitsgesellschafter ein relevantes Bestandsinteresse in Bezug auf ihre Mitgliedschaft und steht dem kein überwiegendes Vollzugsinteresse der Mehrheit entgegen, ist der Beschluss unverhältnismäßig.50 23. Ein Schutzdefizit in Bezug auf die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts existiert im UmwG bei der Ausgliederung zur Aufnahme auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers, da nach der Gesetzeslage die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers mangels unmittelbarer Betroffenheit von der Maßnahme nicht die Möglichkeit haben, den Ausgliederungsbeschluss wegen einer unangemessenen Gegenleistung für das auszugliedernde Vermögen anzufechten.51 Bei der Ausgliederung zur Aufnahme ist daher die Angemessenheit der Gegenleistung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Ausgliederungsbeschluss im Wege einer materiellen Beschlusskontrolle zu überprüfen, um das von Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutzminim herzustellen. 24. Wegen des Ausschlusses der Austrittsrechte in §§ 78 Satz 4, 250 UmwG fehlt es zudem an einem wirksamen Schutz der vermögensrechtlichen Komponente der Mitgliedschaft der Gesellschafter im übertragenden Rechtsträger bei Umwandlungen, an denen AG und KGaA beteiligt sind.52 Durch den Wechsel der Rechtsform wird die rechtliche Substanz der Mitgliedschaft verändert. Die Rechte der Anteilseigner werden geschwächt. Infolge des Rechtsformwechsels kann es zu einer Wertminderung der Anteile kommen. Den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers ist daher im Rahmen einer materiellen Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses in gravierenden Fällen zusätzlich ein finanzieller Ausgleich für einen durch den Rechtsformwechsel bedingten Wertverlust zu gewähren. Ein solcher Ausgleich erfolgt durch die Einräumung eines allgemeinen Austrittsrechts gegen Abfindung.53 25. Für den Umwandlungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft ergeben sich in Bezug auf die materielle Kontrolle keine Besonderheiten, wenn mit der Umwandlung eine Kapitalerhöhung im übernehmenden Rechtsträger verbunden ist.54 Das Kapital des übernehmenden Rechtsträgers muss in der Regel erhöht werden, um neue Anteile zu schaffen, die den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft gewährt werden können. Da der Ausschluss des Bezugsrechts gem. §§ 55, 69 UmwG angeordnet ist und nicht im Beschluss über die Kapitalerhöhung 50
Jung, JZ 2001, 1004 (1013). Siehe § 11 D. IV. 3. 52 Siehe § 12 A. 53 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 78 Rn. 11; Kalss, in: Semler/Stengel, UmwG, § 29 Rn. 6; Perlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 78 Rn. 36; Scheel, in: Semler/Stengel, UmwG, § 250 Rn. 2 Fn. 6. 54 Siehe § 12 B. 51
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erfolgt, bedarf der umwandlungsbedingte Kapitalerhöhungsbeschluss keiner sachlichen Rechtfertigung nach den Grundsätzen der „Kali&Salz“-Entscheidung55 des BGH. Die Beeinträchtigungen des Mitgliedschaftsrechts der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft sind ausschließlich durch die Umwandlungsmaßnahme bedingt. Zusätzliche, über die mit der Umwandlung typischerweise einhergehende Beeinträchtigungen, erfolgen für die Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft durch die Kapitalerhöhung nicht. Angesichts einer Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger bestehen somit keine Besonderheiten in Bezug auf die materielle Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses. Der Umwandlungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft ist auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse sowie auf seine Verhältnismäßigkeit in Bezug auf potentiell existierende Bestandsinteressen der Minderheitsgesellschafter zu überprüfen, falls die klagenden Aktionäre nicht jeweils Beteiligungen halten, die kleiner sind als 10 % des Grundkapitals. 26. Durch eine abhängigkeitsbegründende Umwandlung wird die vermögensrechtliche Komponente des Mitgliedschaftsrechts über die umwandlungsspezifischen Folgen hinaus zusätzlich beeinträchtigt. Konzernspezifische Beeinträchtigungen des Vermögensrechts werden durch das Schutzsystem der §§ 304, 311 ff. AktG kompensiert. Eine Schutzlücke besteht im Falle einer Verschmelzung oder Spaltung auf eine abhängige Gesellschaft, in dem weder ein Austrittsrecht gem. § 29 UmwG noch ein Austrittsrecht gem. § 305 AktG besteht.56 Die zusätzliche Beeinträchtigung der Mitgliedschaft durch die Begründung einer Abhängigkeit muss in diesen Fällen im Rahmen der materiellen Kontrolle des Umwandlungsbeschlusses durch die Gewährung eines allgemeinen Austrittsrechts gegen Abfindung kompensiert werden. Dies gilt für die faktische und die vertragliche Abhängigkeit gleichermaßen.
55 BGH, Urteil v. 13.03. 1978 – II ZR 142/76 („Kali+Salz“) = NJW 1978, 1316; dazu Hüffer, AktG, § 186 Rn. 25 ff. 56 Siehe § 12 C.
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Sachverzeichnis Abschließende Interessenabwägung UmwG 55, 106 f. Abspaltung siehe Spaltung Aktionär – Bestandschutz 125 ff., 208 ff. – Doppelrolle 133 f. – Interesse 40, 152 ff. – Vermögensschutz 123 ff., 160 ff., 212 ff. Anlegerinteressen 133 ff., 136 ff. Anteilseigentum – Beschlusskontrolle 72 – Bestandsschutz 125 ff., 133 ff. – Börsennotierung 85 ff. – Eingriff 87 ff., 111, 166 ff. – Geschützte Rechtsposition 76 – Minimalschutz 116 ff. – Rechtsprechung BVerfG 103 ff., 113 ff. – Schutzbereich 78 ff. Aufspaltung siehe Spaltung Ausgliederung 29, 175 ff., 181 ff., 199, 217 ff. Bestandschutz siehe Aktionär Börsennotierung siehe Anteilseigentum Drittwirkung Grundrechte 90 ff. Dulde und liquidiere 125 ff. Einstimmigkeitserfordernis 34, 159, 188 ff. Formwechsel 29, 183 ff., 195 ff., 212 ff. Gesellschaftsinteresse 34, 116 ff., 149 ff., 186 ff. Gesellschaftszweck 31, 54, 66 f., 110, 116 ff., 149 ff., 188 ff. Grundrechtliche Schutzpflichten 90 ff. – im Gesellschaftsrecht 98 ff. Inhaltskontrolle siehe materielle Beschlusskontrolle
Kleinaktionär 128 f., 132, 135 ff., 146 Materielle Beschlusskontrolle – Literaturansichten 46 ff. – Rechtsgrundlage 65 ff., 74 ff. – Rechtsprechung 58 ff. – Terminologie 46 – Umwandlungsbeschluss 52 ff., 111 ff., 149 ff., 225 ff. Mediatisierung Mitwirkungsrechte 177 ff., 200, 218 Mehrheitserfordernisse siehe Mehrheitsprinzip Mehrheitsprinzip 33 ff., 81 ff., 102 Mitgliedschaft im Verbands-/Gesellschaftsrecht 74 ff. Privatautonomie 89 f., 101 ff., 108 ff., 122 ff. Rechtsmissbrauchskontrolle 46, 48 ff., 104 Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung 38 ff., 68, 82, 187 f. Sachgrunderfordernis siehe sachliche Rechtfertigungskontrolle Sachliche Rechtfertigungskontrolle 52 ff., 68, 70 Schutzkonzept UmwG 186 ff. Schutzpflichtenlehre 90 ff. Spaltung 28, 171 ff., 197 ff., 212 ff. Treuepflicht 46, 50 ff., 69 f., 107, 132, 147 Umwandlung – abhängigkeitsbegründend 228 ff. – Ablauf 31 ff. – Arten 26 ff. Umwandlungsbeschluss – Erfordernis 31
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Sachverzeichnis
– Gesetzliche Fehlerhaftigkeit 47 – Materielle Kontrolle 46 ff., 111 ff., 149 ff. Untermaßverbot 90 ff., 112 ff., 125, 148
Vermögensschutz siehe Aktionär Verschmelzung 28, 170, 212 ff. Zweckändernde Umwandlung 188 ff.