Von der Notwendigkeit des Leidens: Die Theologie des Martyriums bei Tertullian 9783666551864, 352555186X, 9783525551868


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Von der Notwendigkeit des Leidens: Die Theologie des Martyriums bei Tertullian
 9783666551864, 352555186X, 9783525551868

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V&R

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte

Herausgegeben von Adolf Martin Ritter und Thomas Kaufmann

Band 78

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 2001

Von der Notwendigkeit des Leidens Die Theologie des Martyriums bei Tertullian

von Wiebke Bähnk

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 2001

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Bähnk, Wiebke: Von der Notwendigkeit des Leidens: die Theologie des Martyriums bei Tertullian / von Wiebke Bähnk. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2001 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 78) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-525-55186-X

© 2001 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Wintersemester 1998/99 vom Theologischen Fachbereich der Universität Hamburg als Dissertation angenommen worden. Dem Gutachter Prof. Dr. Eckhard Reichert und der Gutachterin Prof. Dr. Inge Mager bin ich für ihre Voten sehr zu Dank verpflichtet. Mein Dank gilt ebenso dem Herausgeber Prof. Dr. Adolf Martin Ritter, der der Aufnahme dieser Arbeit in die „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte" zugestimmt hat. Namhafte Druckkostenzuschüsse gewährten die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche und die Vereinigte EvangelischLutherische Kirche Deutschlands, fur deren finanzielle Unterstützung hier gedankt sei. Die Entstehung der Arbeit mit jeglicher Form von Stärkung und Unterstützung begleitet haben mein Mann, Pastor Walter Günther, meine Eltern, Dorothea und Günther Bähnk, und Pastorin Christa Mohr-Usarski. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Zu der sich in der vorliegenden Arbeit niederschlagenden Beschäftigung mit Tertullian und Cyprian bin ich durch Prof. Dr. Henneke Gülzow (t) angeregt worden, der mir in meiner Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kirchen- und Dogmengeschichte großen Freiraum fur eigenständiges Forschen bot. Das Erscheinen dieser Untersuchung drei Jahre nach seinem Tod steht so auch im Zeichen der Erinnerung an einen akademischen Lehrer, der in besonderer Weise die Liebe zur Kirchengeschichte wecken konnte.

Hamburg, im Juli 2000

WIEBKE BÄHNK

Inhalt

1. Einleitung 1.1 Die Quellenlage 1.2 Hinweise zum Forschungsstand 1.3 Anliegen und Aufbau der Darstellung

9 11 13 24

2. Der historische Kontext: Rom und die afrikanische Christenheit um 200 . 28 3. Die Deutung der Verfolgungssituation 3.1 Die Geschehensebene der Verfolgung 3.1.1 Die Verfolgung als innerweltliche Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen 3.1.2 Die Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi" Exkurs: Die Verfolgung als Kampf des Teufels gegen die als „milites Dei" verstandenen Christinnen und Christen in der altkirchlichen Tradition 3.2 Der göttliche Zweck der Verfolgung: Die Verfolgung als Prüfung der Christinnen und Christen 3.3 Das Selbstverständnis der Verfolgten 3.3.1 Die Verfolgten als Teilhaber des Verfolgungsschicksals aller Gerechten seit Beginn der Welt 3.3.2 Die Verfolgten als von Gott Gerächte 3.4 Die Frage nach der eschatologischen Deutung des Verfolgungsgeschehens: Die Verfolgung als Zeichen des nahen Endes der Zeit? 3.5 Zusammenfassung: Die Aspekte der Verfolgungsdeutung Tertullians in ihren literarischen Kontexten 4. Die Deutung des Martyriums 4.1 Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor" und „martyrium/martyr" bei Tertullian 4.1.1 „confessio/confiteri/confessor" 4.1.2 „martyrium/martyr" 4.2 Die Begründung des Martyriums

40 40 40 58

59 76 84 84 88

100 106 110 110 111 116 124

8

Inhalt

4.2.1

Das Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht gegenüber dem Willen Gottes

124

Das Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

146

4.3

Das Verständnis des Wirkens Gottes im Martyrium

154

4.3.1

Der göttliche Beistand im Leiden

154

4.3.2

Die Gaben des Geistes in den Märtyrerinnen und Märtyrern

164

4.4

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung in der

4.2.2

Verfolgung

168

Exkurs: Flucht und Selbstauslieferung in der altkirchlichen Martyriumstheologie 4.5

169

Die Bedeutung des Martyriums für den Heilsstand der Christinnen und Christen

193

4.5.1

Das Martyrium als Weg zu himmlischem Ruhm

193

4.5.2

Das Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

209

4.5.3

Die Exklusivität des Martyriums in seiner Bedeutung fur den himmlischen Ruhm der Christinnen und Christen

4.6

Die Bewertung des Märtyrertodes im Vergleich zum natürlichen Tod

4.7

220 233

Zusammenfassung: Grundzüge der theologischen Martyriumsdeutung Tertullians

239

5. Bekenntnis und Martyrium im Rahmen der christlichen Gemeinschaft . . 251 5.1

Die Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission

5.2

Die innergemeindliche Bedeutung von Bekenntnis und

251

Martyrium

258

5.2.1

Die gemeindliche Fürsorge für die Bekennerinnen und Bekenner

259

5.2.2

Die Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens

5.3

268

Zusammenfassung: Die Märtyrerinnen und Märtyrer und die „ecclesia"

282

6. Zusammenfassung und Ausblick: Das Profil der Martyriumstheologie Tertullians im Vergleich zu der martyrologischen Konzeption Cyprians von Karthago - Zwei Antworten auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" Abkürzungsverzeichnis

289 316

Quellen- und Literaturverzeichnis

320

Register

342

1. Einleitung Die für uns literarisch greifbare Geschichte des christlichen Nordafrika beginnt mit einem Martyrium: Am 17. Juli 180 werden fünf Frauen und sieben Männer aus Scilli, einem bis heute nicht sicher identifizierten kleinen Ort in der Nähe Karthagos, von dem karthagischen Prokonsul Satuminus auf Grund ihres Bekenntnisses „Christianus sum" zum Tode verurteilt und unmittelbar daraufhingerichtet.1 Mag es auch eine historische Zufälligkeit darstellen, daß gerade die Akten eines Märtyrerprozesses das erste überlieferte Dokument des nordafrikanischen Christentums bilden, so erweist sich dies aber als signifikant für den weiteren Verlauf der Geschichte der Christenheit in dieser Region und für den Charakter ihrer Frömmigkeit: Zeigt bereits die Zeit um 200 erste Ansätze zu einer Verehrung der Märtyrerinnen und Märtyrer2, so entwickelt sich in den folgenden zwei Jahrhunderten um die afrikanischen Blutzeugen ein Kult, der im Vergleich zu dem Märtyrerkult in den anderen Teilen des Imperium Romanum besonders ausgeprägt ist.3 ' Acta Scillitanorum (Musurillo, 86-89). Zu dem Martyrium der Scillitaner vgl. weiter Kap. 2, mit Anm. 5f. 2 Die Verlesung von Märtyrerakten zur Erbauung der Gemeinde („in aedificationem ecclesiae") bezeugen Pro- wie auch Epilog der „Passio Perpetuae et Felicitatis" (l,5f; 21,11). Nach Victor Saxer, Morts, martyrs, reliques en Afrique chrétienne aux premiers siècles. Les témoignages de Tertullien, Cyprien et Augustin à la lumière de l'archéologie africaine, Paris 1980, 79, zeigen auch schon einige redaktionelle Veränderungen innerhalb der „Akten der Scillitanischen Märtyrer", daß sie für die liturgische Lesung bestimmt waren. Theofried Baumeister, Art. Heiligenverehrung I, in: RAC XIV ( 1988), 117, hält es für denkbar, daß die „Passio Perpetuae" „bei der Eucharistiefeier aus Anlaß des Gedächtnistages des Martyriums" vorgelesen wurde. Daß an dem Todestag der Märtyrer und Märtyrerinnen die Eucharistie gefeiert wurde, legt Tertullians Hinweis auf den Brauch nahe, grundsätzlich fur alle Verstorbenen an ihrem Todestag Oblationen darzubringen (De cor. 3,3; CChr.SL II, 1043,22f; De mon. 10,4; CChr.SL II, 1243,23-25). Zu den Belegstellen fur die beginnende Märtyrerverehrung in Nordafrika vgl. weiter Victor Saxer, Die Ursprünge des Märtyrerkultes in Afrika, in: RQ 79 (1984), 2f. 3 Nach Wilhelm Gessel, Monumentale Spuren des Christentums im römischen Nordafrika, in: AW. Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte 12 (1981), 63, finden sich in Nordafrika „die meisten Verehrungsstätten von Märtyrern im gesamten Imperium Romanum". Die Bedeutung des Märtyrerkultes für Nordafrika hat besonders herausgestellt William H.C. Frend, The North African Cult of Martyrs. From Apocalyptic to Hero-Worship, in: Theodor Klauser (Hg.), Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenkschrift für Alfred Stuiber, JAC.E 9, Münster 1982, 154: „From this moment, 17 July 180, when the confessors from the town of Scilli,... heard sentence of death passed on them by the Proconsul of Africa, down to the seventh century when scarcelydecipherable inscriptions on reliquaries commemorate Byzantine as well as North African martyrs, martyrdom and its cult was a dominating feature in the life of the North African Christians. Throughout its 500 years existence the Church of North Africa was a Church of the Martyrs." Zu den bei Tertullian, Cyprian und Augustin zu findenden Belegen für den afrikanischen Märtyrerkult vgl

Einleitung

10

Daß die Fragen des Umgangs mit denjenigen Christen, die in der Verfolgung zu Bekennem und Märtyrern werden, und die theologische Deutung ihres Leidens wesentliche Aspekte der afrikanischen Theologie darstellen, zeigt sich in besonderem Maße in der Mitte des 3. Jahrhunderts bei Cyprian, dessen Werk durchgängig von dieser Thematik geprägt ist.4 Unter den veränderten Vorzeichen der nachkonstantinischen Zeit spiegelt sich die Bedeutung der Martyriumstheologie ebenso auch noch bei Augustin wider.5 Den Beginn dieser eingehenden Beschäftigung mit dem christlichen Martyrium in Afrika aber markiert das Werk Tertullians, in dem sich damit zugleich erstmals eine Martyrologie des lateinischen6 Westens ausformt.

Saxer, Morts, passim, zu inschriftlichen und archäologischen Belegen vgl. Yvette Duval, Loca sanctorum. Bd. 1. Recueil des inscriptions martyrologiques d'Afrique, Bd. 2. Le culte des martyrs en Afrique du IV e au VII e siècle, Rom 1982. 4 Mehr als die Hälfte der von Cyprian verfaßten Briefe innerhalb des überlieferten Briefcorpus (36 von 66 Briefen) sind unmittelbar durch die Verfolgungen unter Decius und Valerian sowie durch innergemeindliche Folgeprobleme veranlaßt. Die Testimoniensammlung „Ad Fortunatum" ist der Ermunterung zum Martyrium unter dem Eindruck einer drohenden Verfolgung gewidmet und erhält entsprechend in einigen Handschriften auch den Titelzusatz „De exhortatione martyrum" bzw. „martyrii". Darüberhinaus finden sich mit einer Ausnahme („Ad Donatum") in jeder seiner weiteren Schriften mehr oder weniger umfangreiche Bezugnahmen auf die Verfolgungs- und Martyriumsthematik. Ihre Bedeutung für Werk und Theologie Cyprians ist mehrfach in der Literatur herausgestellt worden. So bezeichnet José Capmany-Casamitjana, „Miles Cristi" en la espiridualidad de San Cipriano, Barcelona 1956, 70, „la formación martirial de los cristianos" als wesentliche Aufgabe der pastoralen Tätigkeit Cyprians. Henricus A.M. Hoppenbrouwers, Recherches sur la terminologie du martyre deTertullien á Lactance, Nimwegen 1961, sieht in der Beschäftigung mit dem christlichen Martyrium „sa préoccupation constante" und Simone Deléani, Christum sequi Etude d'un theme dans l'œuvre de saint Cyprien, Paris 1979, konstatiert: „La spiritualité de Cyprien est vraiment dominée ... par le concept de martyre." 5 Zu Augustins Auffassung vom Martyrium vgl. Jan den Boeft, „Martyres sunt, homines fuerunt": Augustine on Martyrdom, in: A.A.R. Bastiaensen et al. (Hg.), Fructus centesimus. Mélanges offerts à Gerard J.M. Bartelink à l'occasion de son soixante-cinquième anniversaire, Dordrecht 1989, 115-124. Zu seinen Märtyrerpredigten vgl. A.M. Bonnardière, Les ,Enarrationes in psalmos' prechées par Saint Augustin à l'occasion des fetes des martyrs, in: RechAug 7 (1971), 73-103. 6

Die ursprüngliche Abfassung der „Acta Scillitanorum" auf Latein und die damit angezeigte Ausrichtung auf lateinisch sprechende Adressaten weist daraufhin, daß sich zum Ende des 2. Jhdts. in Nordafrika - anders als in Rom - das Lateinische durchgesetzt hatte. In Afrika zeigen sich nach Victor Reichmann, Art. Bibelübersetzungen I (3.1 Die altlateinischen Übersetzungen des Neuen Testaments), in: TRE VI (1980), 172, auch Ende des 2. Jhdts. die ersten Spuren eines lateinischen Neuen Testaments (vgl. Act.Scill. 12). Zu der Frage der Benutzung lateinischer Bibeltexte durch Tertullian vgl. Paul Monceaux, Histoire littéraire de l'Afrique chrétienne depuis les origines jusqu'à l'invasion arabe. Vol. 1: Tertullien et les origines, Paris 1901, 106-118, der davon ausgeht, daß dieser sowohl selbst aus dem Griechischen übersetzt als auch auf schon bestehende lateinische Übersetzungen zurückgegriffen hat (Monceaux, Histoire, 110). Tertullian hat auch selbst noch griechische Schriften verfaßt, wie er u.a. in De bapt. 15,2 (CChr.SL I, 290,16) und De

Die Quellenlage

11

1.1 Die Quellenlage Auf die verschiedenen, durch seine eigenen Schriften wie auch durch die „Passio Perpetuae et Felicitatis" bezeugten konkreten Übergriffe gegen die afrikanischen, insbesondere die karthagischen Christen sowie auf die grundsätzlich bestehende Situation ihrer permanenten latenten Gefährdung durch die heidnische Umwelt hat Tertullian mehrfach literarisch reagiert. Drei seiner Schriften sind ausschließlich dem Thema des christlichen Leidens in der Verfolgung gewidmet - allerdings mit unterschiedlichen Intentionen: Geht es ihm in „Ad martyras" um die Exhortation und Konsolation inhaftierter Christinnen und Christen, so richten sich seine Ausführungen in „Scorpiace" sowie in „De fuga in persecutione" auf eine polemische Betonung der Notwendigkeit des Martyriumsleidens zum einen gegenüber einer von ihm behaupteten Relativierung der Pflicht zu Bekenntnis und Martyrium in gnostischen Kreisen, zum anderen gegen eine innerhalb des katholischen Klerus vertretene Akzeptanz einer Flucht in der Verfolgung. 7 Ein vierter Traktat, „De corona", ist durch das Bekenntnis eines Soldaten veranlaßt8 und enthält ebenfalls Hinweise zur Bewertung und Deutung dieses Geschehens. Aus apologetischer Perspektive betrachtet Tertullian das Verfolgungsgeschehen und das Leiden der Christinnen und Christen ausführlich im „Apologeticum"9, knapper in „Ad Scapulam". Darüberhinaus finden sich innerhalb seines Werkes sowohl in dogmatischen als auch in den die christliche „disciplina" betreffenden Schriften10 eine Vielzahl

cor. 6,3 (CChr.SL II, 1047,21-23) erwähnt. Von seinen griechischen W e r k e n hat sich aber keines erhalten. Zu den verlorengegangenen Schriften vgl. die in C C h r . S L I, Turnhout 1954, V/VI, aufgeführte Liste sowie Adolf von Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius, Teil 1 : Die Überlieferung und der Bestand, 2. Halbband, Leipzig 195 8 2 , 671-673. 7

Zu den Intentionen von „Scorpiace" und „De fuga in p e r s e c u t i o n e " vgl. Kap. 4.2.1 und 4.4

8

Zu d e m von Tertullian in De cor. 1,1-3 ( C C h r . S L II, 1039,2-1040,22) geschilderten Vorfall vgl. Kap. 2, mit A n m . 35-37. 9 Knappe Hinweise z u m Verständnis des V e r f o l g u n g s g e s c h e h e n s enthalten auch die zwei Bücher „Ad nationes". Da sie aber weitgehend eine vorläufige „ K u r z f a s s u n g " des im „Apologetic u m " Ausgeführten darstellen, werden sie dort jeweils mit angeführt. 10

Die Schwierigkeit einer Kategorisierung der Schriften Tertullians spiegelt sich deutlich in der Literatur wider. So unterteilen z.B. Berthold Altaner/ Alfred Stuiber, Patrologie - Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg/Basel/Wien 1966 7 , 148-160, in I. Apologetische Schriften, II. Dogmatisch-polemische Schriften, III. Praktisch-aszetische Schriften. Unter denen, die sie der dritten Abteilung zugeordnet haben, finden sich aber ebenfalls einige mit deutlich polemischer Tendenz. In ähnlicher Weise zeigt sich dieses Problem bei Fabio Ruggiero, De corona. Introduzione, testo, traduzione e note, Mailand 1992, X X X I f , der zwischen „genere apologetico", „genere sacramentale", „genere parenetico" und „genere antiereticale" unterscheidet. Von den von ihm unter dem „genere parenetico" eingeordneten Schriften ist z.B. „Scorpiace" auch antihäretisch ausgerichtet. Auf Grund dieser Schwierigkeit wird in der vorliegenden Arbeit zuerst nur unter-

12

Die Quellenlage

von Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf sein Verständnis von Verfolgung und Martyriumsleiden ziehen lassen, auch wenn es in den Kontexten nicht eigentlich um dieses Thema, sondern um andere Fragestellungen geht. Solche Äußerungen finden sich in „De praescriptione haereticorum", „De spectaculis", „De oratione", „De baptismo", „De patientia", „De paenitentia", „De cultu feminarum", „Ad uxorem", „Adversus Marcionem", „Adversus Valentinianos", „De anima", „De resurrectione carnis", „Adversus Praxean", „De ieiunio" und „De pudicitia"." Auch wenn es sich hierbei zum Teil nur um kurze Bemerkungen oder beiläufige Hinweise handelt, so weist dieser Überblick doch darauf hin, daß die Beschäftigung mit dem Leiden der Christinnen und Christen in der Verfolgung für Tertullian nicht nur in den direkt diesem Thema gewidmeten Schriften ein zentrales Anliegen darstellt, sondern ein darüberhinausgehendes vitales Interesse und eine Konstante in seiner Deutung christlicher Wirklichkeitserfahrung.12 Die Einordnung dieser Thematik in auf andere Fragestellungen ausgerichtete Kontexte zeigt dabei aber auch deutlich, daß Tertullian sie in den Dienst nimmt, um verschiedene dogmatische oder moralische Zielsetzungen zu verfolgen und argumentativ zu untermauern. Die Frage des christlichen Leidens stellt dabei fur ihn immer

schieden zwischen apologetischen Schriften, die sich zumindest der Intention nach an die Heiden richten, und im weitesten Sinne innerkirchlich ausgerichteten Werken (einschließlich der Auseinandersetzung mit für Tertullian häretischen Auffassungen); innerhalb dieser kann noch differenziert werden zwischen den Schriften, die sich auf Inhalte der christlichen Lehre beziehen, und denen, die primär praktische Fragen der konkreten Verwirklichung des Christentums in Gestalt der Sakramente oder der Moral, d.h. der „disciplina", im Blick haben (zu dem Verständnis von „disciplina" bei Tertullian vgl. Kap. 4.3.1, Anm. 228). Weitere Überlegungen zu Charakter und Ausrichtung einer Schrift finden sich dann jeweils in den betreffenden Zusammenhängen innerhalb der Arbeit. " Die Aufzählung folgt der im CChr.SL vorgegebenen relativen Chronologie der Schriften Tertullians (vgl. „Tabula chronologica", in: CChr.SL II, Turnhout 1954, 1627f). Trotz anhaltender Forschungsbemühungen um zeitliche Einordnungen seiner Werke bleibt die Chronologie aber in vielen Teilen ungeklärt. Dies zeigt sich deutlich an den differierenden Vorschlägen zu Reihenfolge und Datierung der Schriften Tertullians in der Literatur: Vgl. z.B. Monceaux, Histoire, 208f; Heinrich Karpp, Schrift und Geist bei Tertullian, Gütersloh 1955, 9; Timothy David Bames, Tertullian - A Historical and Literary Study, Oxford 1971, 55; Jean-Claude Fredouille, Tertullien et la conversion de la culture antique, Paris 1972, 487f, sowie René Braun, Deus Christianorum. Recherches sur le vocabulaire doctrinal de Tertullien, Paris 19772, 563-577, der zusätzlich zu seinen Datierungen jeweils die Datierungs vorschläge der älteren Forschung seit E. Noeldechen, Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians, Leipzig 1888, aufführt. 12 Angesichts der drei ausschließlich der Martyriumsthematik gewidmeten Schriften und der Vielzahl von entsprechenden Passagen in einem Großteil seiner weiteren Werke bleibt es unklar, warum Saxer, Ursprünge, 2, lediglich von „gelegentlichen Äußerungen (Tertullians) über das Martyrium" spricht. Ebensowenig ist nachvollziehbar, warum er die Bedeutung der Martyriumstheologie Tertullians reduziert, indem er von einer „Art Theologie des Martyriums" spricht, die aber nicht „systematisch" sei.

Hinweise zum Forschungsstand

13

wieder einen, Angelpunkt" in der Bewertung abweichender Auffassungen innerhalb der Lehre oder der Sittlichkeit und Moral dar.

1.2 Hinweise zum Forschungsstand Die große Bedeutung der Martyriumsthematik innerhalb des Wirkens Tertullians ist zuweilen auch in der Literatur explizit betont worden13; dennoch, und obwohl sowohl die theologische Deutung des Martyriums in der Alten Kirche als auch Theologie und Werk Tertullians Gegenstände eingehender Forschung im deutschen, angelsächsischen sowie im romanischen Sprachraum bilden14, stellt eine

13 So hebt Claude Rambaux, Tertullien face aux morales des trois premiers siècles, Paris 1979, 406, hervor: „Tertullien a été vraiment obsédé toute sa vie par le martyre." Gerald Lewis Bray, Holiness and the Will of God - Perspectives on the Theology of Tertullian, Atlanta (1979), 44, spricht von „Tertullian's concentration on martyrdom as a phenomenom", die allerdings in einem unproportionalen Verhältnis zur tatsächlichen Erfahrung von Martyrien in seiner Zeit und in seinem Umfeld gestanden habe. Die von Bray gebotene Erklärung dieser Diskrepanz, daß Tertullian mit der Frage nach dem christlichen Martyrium ein Thema aufgegriffen habe, daß zu diesem Zeitpunkt bereits „a stock theme of Christian literature" geworden sei, greift aber zu kurz und läßt die verschiedenen Intentionen seines Wirkens, in deren Zusammenhänge das Thema „Martyrium" gestellt wird, unberücksichtigt. Deutlich herausgestellt hat auch Claudio Moreschini, Aspetti della dottrina del martirio in Tertulliano, in: Comp 35 (1990), 56, die Bedeutung dieses Themas ftir Tertullians gesamtes Denken: „Con Tertulliano,..., la concezione del martirio è assai importante ed è penetrata profondamente nelle strutture delle sue concezioni e delle sue convinzioni etiche e religiose." 14 Zwar ist seit der grundlegenden Darstellung von Hans von Campenhausen, Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche, Göttingen 1936 (2. durchgesehene und ergänzte Auflage 1964), bis heute kein Versuch mehr unternommen worden, einen Überblick über die gesamte Entwicklung der altkirchlichen Martyriumstheologie zu geben, aber es finden sich gerade in der jüngeren Zeit etliche Veröffentlichungen zu einzelnen Zeitabschnitten innerhalb dieser Entwicklung, zur Martyrologie verschiedener Kirchenväter oder zu thematischen Aspekten der Martyriumstheologie. Den Beginn der christlichen Martyrologie bis ins 2. Jhdt. einschließlich seiner Verwurzelung in der jüdischen Märtyrertheologie hat eingehend dargestellt Theofried Baumeister, Die Anfänge der Theologie des Martyriums, Münster 1980, eine Quellenzusammenstellung, die die Entwicklung bis ins 4. Jhdt. dokumentiert, bietet Ders., Genese und Entfaltung der altkirchlichen Theologie des Martyriums (Traditio Christiana VIII), Bern/Berlin/Frankftirt/New York/Paris/ Wien 1991. Die von Arthur J. Droge/ James D. Tabor, A Noble Death. Suicide and Martyrdom among Christians and Jews in Antiquity, San Francisco 1992, 129, betonte Tatsache, daß das christliche Martyrium „one of the most fascinating and most studied aspects of early Christianity" darstelle, illustrieren fur die jüngere Literatur die von Jan den Boeft und Jan Bremmer seit 1981 in unregelmäßigen Abständen veröffentlichten „Notiunculae Martyrologicae" in „Vigiliae Christianae". Die Literatur zu dem Werk Tertullians, zu Aspekten seiner Theologie, zu Fragen seines Sprachgebrauchs und der durch ihn geprägten lateinischen theologischen Begrifflichkeit sowie zu Problemen seiner weitgehend unbekannten Biographie füllt Regale. Für einen Überblick zur Forschungsgeschichte seit dem Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Tertullian in der Neuzeit bei August Neander vgl. Bray,

14

Hinweise zum Forschungsstand

umfassende monographische Darstellung der in seinem Werk zutagetretenden Deutung des christlichen Leidens in der Verfolgung noch ein Desiderat dar. Bislang ist die Frage der Martyriumstheologie Tertullians lediglich entweder als ein Teilaspekt innerhalb der Literatur zur Theologie bzw. zur Ethik Tertullians oder aber im Rahmen übergreifender Veröffentlichungen zum altkirchlichen Verständnis des Martyriums aufgegriffen worden; darüberhinaus spielt sie eine Rolle in den Untersuchungen zu sprachlichen Entwicklungen innerhalb der christlichen Latinität, in denen auch die martyrologische Terminologie Tertullians betrachtet worden ist. Im folgenden soll ein Überblick über Darstellungen gegeben werden, in denen seit dem Ende des letzten Jahrhunderts die Frage der Deutung christlichen Leidens bei Tertullian aufgegriffen worden ist. Dabei ist keine Vollständigkeit intendiert, sondern vielmehr der Aufweis unterschiedlicher Fragehorizonte und differierender Skopoi in der Charakterisierung der tertullianischen Martyrologie. Knappe Hinweise auf Äußerungen Tertullians zum Martyrium finden sich in der 1885 veröffentlichten Ethik Tertullians von Günther LUDWIG.1s Wie sein Zeitgenosse Christoph Ernst LUTHARDT16 stellt auch er als Prinzip der Moral Tertullians den sukzessive in der Natur, im Alten Testament, im Neuen Testament und zuletzt durch den Parakleten geoffenbarten Gotteswillen heraus; die Aufgabe des Menschen bestehe im absoluten Gehorsam gegenüber der Gesetzesforderung Gottes und in der damit verbundenen strikten Trennung von der Welt und den in ihr wirkenden Mächten der Sünde.17 Das Martyrium erscheint als Folge der Verpflichtung der Christen zum Bekenntnis gegenüber der „widergöttlichen Welt" und der strikten Absage an jeden Götzendienst.18 In ähnlicher Weise hat auch Robert E. ROBERTS in seiner 1924 erschienenen Dissertation „The Theology of Tertullian" das Bild einer wesentlich durch die Betonung der Separation der Christen von der sie umgebenden Welt sowie durch die Eschatologie bestimmten Ethik des Afri-

Holiness, 15-42, Hinweise zu lexikalischen Untersuchungen finden sich bei Braun, Deus Christianorum, passim. Für die Literatur der letzten 25 Jahre vgl. die seit 1975 von René Braun, Jean-Claude Fredouille und Pierre Petitmengin veröffentlichten „Chronica Tertullianea et Cyprianea" in „Revue des Etudes Augustiniennes". " Günter Ludwig, Tertullians Ethik, Leipzig 1885. 16 Vgl. Christoph Ernst Luthardt, Geschichte der christlichen Ethik, Bd. 1. Geschichte der christlichen Ethik vor der Reformation, Leipzig 1888,155-161. 17 Ludwig, Ethik, 56. Vgl. Luthardt, Geschichte, 157, der betont, daß Tertullian „allen Accent auf den Gegensatz zur Welt" setze, so daß sich kein „positives Verhältnis des christlichen Geistes zum Weltleben" abzeichne. Hierin sieht er die Gefahr des Sektentums begründet. " Ludwig, Ethik, 74: „In allen Lebensverhältnissen muß sich der Christ der widergöttlichen Welt gegenüber offen als Christ bekennen. Verstellt und verleugnet er sich jedoch, so wird er bei jeder Sache als Heide angesehen und fällt dem Götzendienste anheim, weil jede Verleugnung Götzendienst ist, wie auch jeder Götzendienst eine Verleugnung, sei es in Werken oder in Worten."

Hinweise zum Forschungsstand

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kaners gezeichnet. Diese sei „essentially legal in character"19: Der Forderung Gottes nach Erfüllung seines Willens müsse der Mensch in Glauben und Gehorsam gegenüberstehen, Nichterfüllung führe zur Bestrafung, Erfüllung zum Lohn Gottes.20 Das Martyrium bilde in Tertullians „anti-worldly view of life" den Weg zu höchstem Ruhm.21 Auf Grund fehlender Ausführungen zur materialen Ethik findet sich darüberhinaus bei Roberts aber keine weitere Einordnung des Martyriums in dieses ethische Konzept. Diese bietet hingegen Theodor B R A N D T in seiner 1928 veröffentlichten Ethik Tertullians.22 Als wesentliche Punkte zu ihrem Verständnis hebt er ihren apologetischen bzw. polemischen Charakter hervor, der dazu führe, daß sie den „genauen Zusammenhang mit dem Glaubensgrund verliert, weil sich andere Normen zwischeneingeschoben haben, mit denen man die Gegner zu überwinden hofft." 23 Konkret in bezug auf das Verständnis des Leidens der Christen mündet diese Bewertung in eine Betonung der darin nicht wirklich überwundenen „Gesetzlichkeit", die „keine ganze Gewißheit der Gnade aufkommen" lasse, da der Sieg der Christen im Martyrium letztlich ihr „eigenes Ringen" sei.24 Geht es hier primär um eine systematische Bewertung und Kritik des tertullianischen Konzeptes an Hand des Maßstabs der Bewahrung des Evangeliums, „das darin besteht, daß der Mensch ohne Verdienst allein aus Gnaden zu Christus und Gott kommt"25, durch den konservativen Lutheraner Brandt, so hat Hans von CAMPENHAUSEN in seiner 1936 erschienenen Darstellung „Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche"26 als erster die Martyrologie Tertullians in den Kontext der Entwicklung der

" Robert E. Roberts, The Theology of Tertullian, London 1924, 223. Roberts, Theology, 224-226: „Corresponding to law on the part of God is faith and obedience on the part of man. Faith is no more than the unquestioning acceptance of the contents of the Rule of Faith ... Obedience, too, is the expression ofthat faith, in doing what is commanded and abstaining from what is prohibited ... It (sc. obedience) is an unending compliance with rules, positive and negative... Since God has given a law, man must obey it If he fails he deserves punishment, which he will receive here or hereafter; if he succeeds in doing all that is commanded, and in abstaining from all that is forbidden, he satisfies God, and so obtains the reward of eternity." 21 Roberts, Theology, 220: „In a world that is fast approaching its end, the ordinary sanctions of morality are reinforced, and indeed replaced, by others whose immediacy gives them transcendent importance. Celibacy, asceticism and other-worldliness are emphasized. The world is doomed; separation from it is salvation. Patience is the supreme virtue, martyrdom the greatest glory ... Tertullian found in the Scriptures an ally of great power. He made much of their eschatological teaching, and pressed them into the service of his anti-worldly view." 22 Theodor Brandt, Tertullians Ethik. Zur Erfassung der systematischen Grundanschauung, Gütersloh (1928). 23 Brandt, Ethik, 17. 24 Vgl. Brandt, Ethik, 179f. 25 Brandt, Ethik, 215. 20

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Hinweise zum Forschungsstand

Deutung christlichen Martyriums gestellt und auf dieser Basis ihr Profil erhoben. In seiner auf der grundsätzlichen Abhebung des christlichen Martyriums von der Vorstellung des Glaubenstodes im Judentum basierenden Arbeit27 gelangt aber auch er zu der abwertenden Konsequenz, daß Tertullians Konzept als „gesetzlich" zu charakterisieren sei. Ihm fehle die für die „urchristliche Märtyreridee" entscheidende Auffassung vom Martyrium als eines „lebendigen Zeugnisses im Kampf mit der gegen Christus stehenden, feindlichen Welt". Vielmehr gehe es um „die Erfüllung des göttlichen Gebotes, wie es Gott im alten und neuen Gesetz gegeben hat".2* Da die Märtyrer mit dieser Forderung auf sich selbst zurückgeworfen seien, höre „das Martyrium überhaupt auf, ein im tiefsten Grunde seliges Ereignis zu sein".29 Der Heilige Geist wirke im Martyrium lediglich als „ein Bundesgenosse des Märtyrers in dessen Kampf, an seine menschliche Bemühung und Bewährung ... gebunden"30; insofern sei die Hoffnung Tertullians letztlich auf eine Bewährung und Rettung durch den Menschen selbst ausgerichtet.31 Diese Grundzüge bezeich-

26 Zu dem Ort dieses Werkes innerhalb der Biographie von Campenhausens vgl. Adolf Martin Ritter, Hans von Campenhausen und Adolf von Hamack, in: ZThK 87 (1990), 326-328. 27 Vgl. Campenhausen, Idee, 1.5: „Die Idee des Martyriums und die Vorstellung des Märtyrers sind christlichen Ursprungs ... Jesu Auftreten, Predigt und Tod sind die entscheidende Voraussetzung für die Idee und Wirklichkeit des Martyriums." Gegenüber dieser Abgrenzung hat William H.C. Frend, Martyrdom and Persecution in the Early Church. A Study of a Conflict from the Maccabees to Donatus, Oxford 1965, 31-78, die vielfältigen inneren Zusammenhänge zwischen jüdischer und christlicher Martyriumstheologie herausgearbeitet. Ebenso hat Baumeister, Anfänge, I, nachdrücklich auf die „Verwurzelung der christlichen Märtyreridee in der jüdischen Martyriumsdeutung" hingewiesen, die er an Hand einer ausführlichen Darstellung der Martyrologie des Judentums, wie sie sich u.a. in ÄthHen, Jub, AssMos, den Makkabäer-Büchern und Martles niedergeschlagen hat, aufweist (Baumeister, Anfange, 6-65). Dennoch betont auch er das „Spezifikum der christlichen Märtyreridee", das in der Nachfolge Jesu gründet (Baumeister, Anfange, 4f). 21 Campenhausen, Idee, 120. Die „Gesetzlichkeit" Tertullians hat von Campenhausen auch in dem Abschlußsatz seiner biographischen Skizze in: Ders., Lateinische Kirchenväter, Stuttgart/ Berlin/ Köln/Mainz 19835, 35f, betont: „... (Tertullian) ist in allem doch mehr ein Christ des Alten als des Neuen Testamentes geblieben; er ist, theologisch geurteilt, beinahe ein Jude." Die letzten Worte des Zitates fehlen bezeichnenderweise in dem Abdruck dieses Abschnittes in Martin Greschat (Hg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 1 (Alte Kirche), Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1984, 119. 29 Campenhausen, Idee, 122. 30 Campenhausen, Idee, 122. 31 Campenhausen, Idee, 123: „Gewiß kann das Verhältnis zwischen Gottes und menschlicher Treue auch im Sinn des Neuen Testaments nur dialektisch entwickelt werden, aber hier handelt es sich nicht darum, sondern einfach um eine Koordination, die damit praktisch dem Menschen das letzte Wort gibt. Christus und der Geist sind für Tertullian nicht das unbedingte Ende aller menschlichen Möglichkeiten. Vielmehr geht Tertullian, paulinisch gesprochen, noch durchaus den Weg des „Gesetzes", indem er im Gehorsam gegen die Gebote und im Vertrauen auf Gottes Allmacht und wunderbaren Beistand sich zuletzt doch selbst zu bewähren und zu erretten hofft."

Hinweise zum Forschungsstand

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neten nach von Campenhausen die „Schwäche" der martyrologischen Konzeption Tertullians.32 In deutlicher Abhängigkeit von von Campenhausen hat 1956 Antonius VERMEULEN innerhalb seiner Darstellung zur semantischen Entwicklung des Begriffs „gloria" in der christlichen Latinität eine kurze Charakterisierung der Martyriumstheologie Tertullians gegeben33 und dabei ebenfalls das Zurücktreten des Zeugnis-Aspektes betont. Das Martyrium sei vielmehr zu verstehen als „serious obligation imposed upon the Christian by God".34 Bei aller Unterschiedlichkeit in Ansatz und Fragestellung zeigt sich bei den bislang aufgeführten Veröffentlichungen doch insofern eine Konstante, als die „Gesetzlichkeit" Tertullians in der Einschärfung seiner ethischen Forderungen und speziell des Martyriums herausgestellt und er - außer bei Vermeulen - auf der Basis unterschiedlicher Kriterien einer entsprechenden Kritik unterzogen wird. Die methodische Problematik dieser Darstellungen besteht darin, daß die Äußerungen Tertullians zum christlichen Leiden nicht in ihre jeweiligen literarischen und argumentativen Kontexte eingeordnet und entsprechend differenziert, sondern als systematisiertes Gesamtbild dargeboten werden. Unabhängig davon sind mit der Betonung der Gehorsamsforderung Gottes als Grundlage der Forderung nach dem Martyrium, dem - bei von Campenhausen herausgestellten - Zurücktreten der Christusbeziehung und der geringen Betonung der „Göttlichkeit" des Martyriumsereignisses wesentliche Punkte benannt, die in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen und überprüft werden. Die zuletzt erwähnten Ausführungen Vermeulens gehören in den Zusammenhang der Arbeit der von J. SCHRIJNEN begründeten Nimwegener Schule, die sich der Erforschung des altchristlichen Lateins in seinem Charakter als Sondersprache gewidmet hat. Als erster lateinischer Schriftsteller, dessen Werk zu einem Großteil überliefert ist, hat Tertullian eine zentrale Rolle für diese Forschungsrichtung gespielt35, wobei auch die Frage seiner martyrologischen Terminologie in den Blick genommen worden ist. So findet sich bereits in der Darstellung „Sprachlicher Bedeutungswandel bei Tertullian" von Stephan TEEUWEN aus dem Jahr 1 9 2 6 eine

32

Campenhausen, Idee, 120.

33

Antonius Johannes Vermeulen, The Semantic Development of Gloria in Early Christian Latin, Nimwegen 1956, 58-64. " Vermeulen, Development, 60. 35

Vgl. die Bemerkung bei Robert Dick Sider, Approaches to Tertullian: A Study of recent Scholarship, in: SecCent 2 (1982), 238: „Tertullian was, of course, central in the Nijmegen School: convinced that the primitive community was the creative force in developing a special language of Christians, the school assigned to Tertullian the role of „first witness" to a language already in the process of formation."

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Hinweise zum Forschungsstand

ausführliche Untersuchung der Verwendung der Begriffe „confiteri", „confessor" und „martyr" bei Tertullian.36 Methodische Kritik an dieser Darstellung hat 1961 Henricus HOPPENBROUWERS geübt, der in seinen „Recherches sur la terminologie du martyre de Tertullien á Lactance" wesentlich stärker den jeweiligen literarischen und historischen Kontext der Verwendung eines Begriffs in den Blick nimmt. Im Unterschied zu Teeuwen ergibt sich für ihn aus dieser Prämisse, daß sich mit einem Terminus in verschiedenen Zusammenhängen auch eine differierende Vorstellung verbinden kann.37 Im Bereich der lexikalischen und semantischen Untersuchungen war damit der Weg für eine Erfassung und Darstellung der Martyriumstheologie Tertullians in ihren jeweiligen literarischen und historischen Zusammenhängen bereitet. Ein Verständnis der tertullianischen Martyriumstheologie als eines maßgeblich durch den Montanismus beeinflußten Konzeptes hat im Jahr 1940 Johannes KLEIN in seiner Darstellung „Tertullian - Christliches Bewußtsein und sittliche Forderungen" geboten.38 Unter Aufnahme der These, daß Tertullian der Herausgeber und Redaktor der „Passio Perpetuae et Felicitatis" gewesen sei39, versteht er dessen Martyrologie als eine Art „Kommentar" zu diesen Märtyrerakten.40 Unter ihrem Einfluß habe sich „das christliche Bewußtsein Tertullians ... zu dem System einer Ethik (gesteigert), deren bestimmender Mittelpunkt und krönender Höhepunkt die Forderung des Martyriums ist."41 Damit habe sich seine Ethik zwar an sich an alle Christen gewandt, sei aber letztlich „doch nur die Ethik der Auser-

36

Stephan W.J. Teeuwen, Sprachlicher Bedeutungswandel bei Tertullian. Ein Beitrag zum Studium der christlichen Sondersprache, Paderborn 1926, 80-97. 37

Zur Kritik an Teeuwen vgl. Hoppenbrouwers, Recherches, If.

38

Johannes Klein, Tertullian - Christliches Bewußtsein und sittliche Forderungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Moral und ihrer Systembildung, Düsseldorf 1940. Als Ziel dieser von Joseph Lortz angeregten katholischen Arbeit stellt Klein, Bewußtsein, 14, heraus, „... die ethischen Gedanken und Forderungen Tertullians zu erfassen und in Beziehung zu bringen zu den ihnen zugeordneten Grundanschauungen, die ihrerseits in ihrem Zusammenhang mit seinem allgemeinen religiös-sittlichen Bewußtsein und dessen durch zeit-räumliche und personale Situation bedingten Wandlungen aufzuzeigen sind." Mit dieser Betonung des Wandels richtet er sich gegen protestantische Kritik, die die spätere Kirche im allgemeinen an dem Maßstab der Frühzeit mißt und den „abgrundtiefen Graben", der sie von der Zeit der Apostel trenne (vgl. Brandt, Ethik, 16), betont, sowie gegen eine entsprechende Abwertung Tertullians im besonderen. 39 40

Klein, Bewußtsein, 274. Zu dieser These und ihrer Kritik vgl. Kap. 4.3.2, Anm. 280.

Der entsprechende Abschnitt bei Klein, Bewußtsein, 274-313, ist betitelt: „Die Auswirkung der in der Passio Perpetuae geschilderten Geschehnisse auf das christliche Bewußtsein Tertullians und seine Hinneigung zum Montanismus (Tertulllians theologische Ethik des Martyriums als Kommentar zur Passio Perpetuae)." 41 Klein, Bewußtsein, 311.

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wählten, ..., die Ethik der Märtyrer" gewesen.42 Ebenfalls eine zentrale Rolle in der Ausprägung der tertullianischen Martyrologie hat 25 Jahre später auch William H.C. FREND dem Montanismus zugewiesen. In „Martyrdom and Persecution in the Early Church" charakterisiert er die sich in Tertullians Schriften widerspiegelnde Stimmung als durch „radical apocalypticism" und „provocation of persecution and joyful voluntary martyrdom" bestimmt43; im Zuge seiner Konversion zum Montanismus hätten sich diese Themen zunehmend in alle Bereiche der tertullianischen Theologie ausgebreitet.44 Beide Darstellungen enthalten problematische Aspekte, unter denen insbesondere die Schlüsselfunktion der durchaus fragwürdigen Herausgeberschaft der „Passio Perpetuae" durch Tertullian bei Klein sowie die von Frend herausgestellte Bedeutung der seiner Auffassung nach mit dem Montanismus verbundenden eschatologischen Spannung für Tertullians Martyrologie45 zu nennen sind. Für die Untersuchung der Martyriumstheologie Tertullians geben sie aber die Frage nach der Rolle der von der „Neuen Prophetie" ausgehenden Einflüsse auf deren Ausformung mit auf den Weg. Einen Einschnitt in der Beschäftigung mit Tertullian stellte die 1971 erschienene Arbeit „Tertullian - A Historical and Literary Study" von Timothy D. BARNES dar. Wirken und Werk Tertullians werden in das ausführlich beschriebene historische und literarische Umfeld eingezeichnet bzw. auch aus diesem rekonstruiert.46 Für die Darstellung seiner Auffassung des christlichen Martyriumsleidens bedeutet dieser Ansatz, daß die Aussagen Tertullians zum Martyrium in ihrem literarischen Kontext beleuchtet und mit der Argumentation der jeweiligen Gegner bzw. der

42

Klein, Bewußtsein, 312.

43

Frend, Martyrdom, 361.

44

Frend, Martyrdom, 370: „If we move on to his (sc. Tertullians) transition to Montanism from 205-208 we find martyrdom and Divine judgement continuing to enter every aspect of his theology." 45

Auch in seinem Artikel „Montanismus" in: TRE XXIII (1994), 275, hat Frend diesen Zusammenhang hervorgehoben: Der Montanismus machte den Christen „angesichts des näherkommenden Endes ihre gesteigerten Verpflichtungen insbesondere im Blick auf das Martyrium bewußt... Darin lag fur Tertullian seine wesentliche Anziehungskraft." 46 Zur Kritik an Barnes vgl. René Braun, Un nouveau Tertullien: problèmes de biographie et de chronologie, in: REL 50 (1972), 67-84, der aber trotz einzelner Hinweise auf problematische Rekonstruktionen, z.B. im Bereich der Chronologie der Schriften Tertullians, der Darstellung grundsätzlich anerkennend gegenübersteht: „Sur ces substructures s'édifie une présentation documentée et vivante de ce qu'on pourrait appeler ,Tertullien dans son milieu et dans son temps'." Negativ äußert sich hingegen Bray, Holiness, 30f, zu Barnes' Darstellung, die mehr „a possible reconstruction ... than a documented history" darstelle. Barnes habe darüberhinaus Tertullians Schriften lediglich als „Steinbruch" verwendet, um aus den gesammelten Informationen „a framework of his own design" aufzubauen. Hinweise auf Tertullians Wirken könnten ausschließlich aus seinen Schriften entnommen, sein Denken nur aus deren innerer Struktur erhoben werden.

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Hinweise zum Forschungsstand

angesprochenen Adressaten in Verbindung gebracht werden. 47 In enger Anlehnung an Barnes haben 1992 Arthur J. D r o g e und James D. TABOR in ihrer Darstellung „A Noble Death. Suicide and Martyrdom among Christians and Jews" die Martyriumstheologie Tertullians skizziert. Wie bei Barnes bleibt aber auch in ihren kurzen Ausführungen „Ad martyras" weitgehend unberücksichtigt 48 , die Deutung des Martyriums wird im wesentlichen auf der Grundlage von „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" erhoben; ein Schwerpunkt liegt entsprechend auf der Bewertung der Flucht in der Verfolgung durch Tertullian. Übereinstimmend ist in beiden Veröffentlichungen - im Unterschied zu den oben erwähnten Darstellungen von Klein und Frend - die Unabhängigkeit der Argumentation Tertullians von seinen montanistischen Überzeugungen hervorgehoben worden. 49 Am konsequentesten durchgeführt worden ist die Interpretation der einzelnen Aussagen Tertullians zum christlichen Leiden innerhalb ihres literarischen Kontextes von Christel

BUTTERWECK

in ihrer 1995 erschienenen Studie zu der Frage

einer „Martyriumssucht" in der Alten Kirche.50 Unter der Leitfrage nach Funktion und Gestalt der Behauptung christlicher Todesbereitschaft innerhalb unterschiedlicher literarischer Zusammenhänge untersucht sie auch die Rolle dieses Motivs in den auf diese Thematik bezogenen Schriften Tertullians. Dieser greife in erster Linie in den Kontexten auf die Betonung der Martyriumsbereitschaft zurück, wo es ihm entweder um eine Argumentation gegen die Verfolgung seitens der Heiden oder um Abgrenzung gegenüber divergierenden Auffassungen innerhalb der Kirche oder gegenüber Häretikern gehe, d.h. in apologetischen oder in polemischen Zusammenhängen. 51 In letzteren spreche er gegenüber den Gnostikem vom Martyrium, „wo das Wesen und die Autorität Gottes, das Bekenntnis zu Christus und die Schriftauslegung auf dem Spiel" stünden 52 , gegenüber den Katholiken, wo die Gestalt der Praktizierung der „den Gläubigen von Gott geschenkte(n) Freiheit im Alltag" in Frage stehe. 53 Zwar beinhaltet insbesondere die Funktion der Martyriumsthematik innerhalb der antignostischen Auseinandersetzung Tertullians noch weitere Aspekte, grundsätzlich ist aber die bei Butterweck zu findende Herausstel-

47

Barnes, Tertullian, 163-186.

48

Barnes untersucht „Ad martyras" in bezug auf die Frage nach den von Tertullian darin ver-

arbeiteten literarischen Genera (Tertullian, 225-228), nicht aber im Blick auf die darin zutagetretende Deutung des christlichen Leidens in der Verfolgung. 49

Barnes, Tertullian, 183; Droge/Tabor, Death, 148.

50

Christel Butterweck, „Martyriumssucht" in der Alten Kirche ? Studien zur Darstellung und

Deutung christlicher Martyrien, Tübingen (1995). 51

Vgl. Butterweck, Martyriumssucht, 46-62.

52

Butterweck, Martyriumssucht, 51.

53

Butterweck, Martyriumssucht, 58.

Hinweise zum Forschungsstand

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lung der primären „Sitze im Leben" dieses Themas in apologetischen sowie besonders in polemischen Kontexten zentral fur das Verständnis des Charakters der Martyriumstheologie Tertullians. Wieder auf die systematische Frage der Charakterisierung der Ethik Tertullians im Sinne eines „gesetzlichen" Konzeptes sind von unterschiedlichen Ansätzen aus zwei neuere Untersuchungen aus Schweden und den USA zurückgekommen, von denen die erstere sich allerdings nicht auf die Frage des Martyriums bezieht. Sie wird hier aber deshalb erwähnt, weil es in ihr um die grundsätzliche Charakterisierung der tertullianischen Ethik und des ihr zugrundeliegenden Verhältnisses zwischen Gott und Mensch geht. Die 1984 erschienene Dissertation von Gösta HALLONSTEN, „Satisfactio bei Tertullian", ist der Kritik der Forschungstradition, die in Tertullian den „Vertreter einer Satisfaktions- und Verdienstlehre" sieht, gewidmet.54 Auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung der Verwendung der Begriffe „satisfactio" und „satisfacere" bei Tertullian, speziell in „De paenitentia", kommt er zu dem Schluß, daß diese wohl etwas mit „Gehorsam und dem Befolgen einer kirchlichen Disziplin" zu tun hätten, sie aber kein Anspruchs- oder Rechtsverhältnis gegenüber Gott bezeichneten.55 Diese Konsequenz seiner Untersuchung bezieht sich auf die Frage des zwischen Gott und Menschen stattfindenden Geschehens in der Buße, in der es Tertullian nicht um eine vom Menschen ausgehende Genugtuung und einen daraus resultierenden Anspruch auf Versöhnung gehe, sondern um ein von Gott aus ergehendes Angebot.56 Für die von Hallonsten nicht in den Blick genommene Frage nach dem Martyrium als einer möglicherweise „verdienstlichen" Leistung ist der Hinweis auf den prinzipiell von Gott auf Grund seiner Güte in Aussicht gestellten Lohn, auf den der Mensch keinen 54

Gösta Hallonsten, Satisfactio bei Tertullian. Überprüfung einer Forschungstradition, Malmö 1984. Zu dieser Darstellung vgl. auch Gert Haendler, Tertullianforschung in Nordeuropa, in: ThLZ 111 (1986), 4-7. 55 Hallonsten, Satisfactio, 151f. 56 Hallonsten, Satisfactio, 138f: „Die Buße ist eine Initiative Gottes, eine unerwartete Gelegenheit, eine Rettungsplanke ... Der Sprachgebrauch betont ständig das aktive Handeln Gottes: Er tut den ersten Schritt, und es ist Gott und niemand anders, der die Sünden vergibt. Es wird von T(ertullian) nirgendwo behauptet, daß der Mensch nach der Erfüllung der Voraussetzung etwas fordern, einen Anspruch auf venia oder salus erheben kann. Der Mensch bittet, Gott gibt." Die vorlaufende Eröffnung der Heilsmöglichkeit durch Gott, die „Praevalenz der Gnade", hatte auch Stephan Otto, „Natura" und „Dispositio". Untersuchungen zum Naturbegriff und zur Denkform Tertullians, München 1960, 144f, herausgestellt: „Die Voraussetzung dazu, daß wir uns das Heil , verdienen' können, ist die, daß uns der Weg zum Heil bereits geöffnet ist: ,Dem Christen steht erst der Himmel, dann der Weg dorthin offen; es gibt keinen Weg zum Himmel, wenn nicht für den, dem der Himmel bereits geöffnet ist; wenn er diesen Weg betritt, wird er in den Himmel eintreten können' (Scorp. 10)." Er bleibt aber dennoch, wie auch Hallonsten, Satisfactio, 44, in seiner Kritik der Darstellung Ottos betont, bei der Vorstellung einer tertullianischen „Verdienstlehre".

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Hinweise zum Forschungsstand

„Rechtsanspruch" erwerben könne, wesentlich; die von ihm abgelehnte Auffassung des Denkens Tertullians als eines „kompensatorischen Denkens" bleibt fur die Interpretation der tertullianischen Auffassung vom Martyrium aber in dem Sinne von Bedeutung, als letzterer von einer unmittelbaren Korrelation zwischen „Leistung" und „Lohn" ausgeht. Diese ist entscheidend für die singulare Bewertung des Glaubenstodes innerhalb der tertullianischen Ethik. Von einem anderen Ansatz ausgehend hat auch John Osborn GOOCH Kritik an der unwidersprochen vorherrschenden Auffassung der Ethik Tertullians als auf der Vorstellung von Gehorsam und Verdienst basierend geübt. Im Anschluß an Gerald Lewis BRAY 5 7 hat er in seiner 1983 erschienenen Dissertation „The Concept of Holiness in Tertullian" die Bedeutung der von Irenaus übernommenen Rekapitulationstheorie bei Tertullian betont: In Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi sei die durch den Fall verlorengegangene Gleichheit mit Gott wiederhergestellt worden. Die Erlösung, die durch Christus gekommen sei, müsse aber von den Christen in ihrem täglichen Leben realisiert werden; dieses sei also zu verstehen als „a struggle to bring to fullness or completion what is there in essence".58 Die Möglichkeit hierzu erhielten die Christen durch die Taufe und den in ihr verliehenen Geist Gottes. Die Forderung, diesem neuen Status zu entsprechen, bildet für Gooch das Zentrum der tertullianischen Ethik59, wobei bei der Erfüllung dieser Forderung entscheidend sei, daß dem Menschen durch die Erlösung und die Zueignung dieser Erlösung in der Taufe Gottes Gnade vorlaufend zuteil geworden sei. Insofern sei die Erfüllung des Willens Gottes als Gabe Gottes zu verstehen60, als „gift of grace and a response to grace, not the result of one's own efforts at rigtheous living".61 Mit dieser — als Korrektiv gegenüber der bisherigen Forschung zu verstehenden - pointierten Herausstellung der Bedeutung der göttlichen Gnade innerhalb des ethischen Konzeptes Tertullians hat Gooch auf die auch für die Frage des Martyriums wichtige Verknüpfung von Tauftheologie und Ethik aufmerksam gemacht; dennoch bedarf die Rolle des Gnadenhandelns Gottes im Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer einer weiteren Überprüfung.

57

Bray, Holiness, 89f. " John Osborn Gooch, The Concept of Holiness in Tertullian, Saint Louis 1983, 79f. 59 Gooch, Concept, 89. 60 Gooch, Concept, 105: „Christian holiness is a derived holiness, in the sense that it is a gift from God. It is a grace given to Adam and lost in the Fall, but restored to its fullness in the recapitulatio, when the lost likeness to God is restored and joined to the image. Sanctification is conferred in baptism, the sacrament of recapitulation." 61 Gooch, Concept, 79.

Hinweise zum Forschungsstand

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Zu den zahlreichen Arbeiten, die nach dem Verhältnis Tertullians zur römischen Tradition, insbesondere zum Recht, zur Rhetorik und zur Philosophie fragen, gehört auch die 1 9 7 9 erschienene Veröffentlichung von Claude R a m b a u x , der in der Tradition vor allem französischer Forscher steht, die die besondere Rolle der Moral in Tertullians Denken betont haben.62 In seinem eingehenden Vergleich zwischen der Ethik Tertullians und ethischen Aussagen des Neuen Testaments sowie christlicher und besonders auch heidnischer Autoren der ersten drei Jahrhunderte hat dieser auch die Frage des Martyriums in den Blick genommen 63 , sich dabei weitgehend aber auf die Untersuchung von „De fuga in persecutione" beschränkt. Seine Gegenüberstellung des darin ausgeführten Verbotes einer Flucht in der Verfolgung zu Aussagen innerhalb des Neuen Testaments, bei den „orthodoxen" christlichen Schriftstellern und in der heidnischen Philosophie, insbesondere der Stoa, fuhrt zu einer Betonung der Rigorosität und Isoliertheit der tertullianischen Position.64 Insgesamt läuft seine Darstellung auf eine Verurteilung Tertullians hinaus, die jeglicher Differenzierung entbehrt: Dessen vollständiger Bruch mit der Welt und seine Ablehnung aller Freuden des Lebens6S habe darin gegipfelt, daß er seine Mitchristen zum Tod aufgefordert habe als ein Mensch, der „gierig gewesen sei, alles zu zerstören" (assoiffé de tout anéantir).66 Den Forschungsüberblick abschließend, sei zuletzt noch auf zwei Veröffentlichungen aus jüngerer Zeit hingewiesen, die sich wieder deutlich an von Campenhausens Charakterisierung der tertullianischen Martyrologie angelehnt haben. So hat William Carl W e i n r i c h in seiner 1 9 8 1 erschienenen Untersuchung zum Wirken des Heiligen Geistes im Zusammenhang von Martyrium und Verfolgung in

62

Vgl. z.B. Charles Guignebert, Tertullien. Étude sur ses sentiments a l'égard de l'Empire

et de la société civile, Paris 1901, 389: „Les préoccupations morales tiennent dans l'esprit de Tertullien une place presque aussi considérable que les préoccupations religieuses, parce que les prescriptions chrétiennes conduisent, dans la pratique, à des obligations morales et que c'est la morale qui mène l'homme au salut." Monceaux, Histoire, 380, nennt Tertullian „un austère moraliste". In diesem Sinne betontauch Rambaux, Tertullien, 12, die Bedeutung der Moral für Tertullian: „... la morale lui parait tout aussi importante que la théologie." 63

Rambaux, Tertullien, 367-406.

64

Vgl. die bei Rambaux, Tertullien, 391, gegebene Zusammenfassung des Vergleichs: „...

notre auteur parait passablement isolé tant que l'on compare sa position avec celle de Jésus, de l'orthodoxie juive ou chrétienne, et même des principales philosophies de son époque,...". 65

So spricht Rambaux, Tertullien, 395f, von „sa rupture totale avec la vie d'ici-bas", mit der

eine vollständige Verurteilung aller Freuden und Vergnügungen des irdischen Lebens einhergegangen sei: „Le moraliste a toujours condamné rigoureusement tous les plaisiers et toutes les joies du siècle ...". 66

Rambaux, Tertullien, 406. Hallonsten, Satisfactio, 54, hat treffend zu dieser Darstellung

geäußert, daß mit ihr „vermutlich die Art der Forschung ihren unübertreffbaren Höhepunkt erreicht (hat), die mehr darauf aus ist, den Standpunkt Tertullians zu verurteilen, als ihn zu beschreiben."

Anliegen und Aufbau der Darstellung

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der neutestamentlichen und altkirchlichen Literatur betont, daß die Martyriumstheologie Tertullians von einer „ethischen Perspektive" bestimmt sei.67 Das Martyrium sei „essentially the Christian's obedience to the divine command to have no other god before the Creator". Die Gegenwart Christi oder des Heiligen Geistes sei zwar notwendig zur Bewahrung der Standhaftigkeit, aber diese seien nicht als aktiv kämpfend vorgestellt. In diesem Sinne sei der Märtyrer „by and large alone in his martyrdom". 68 Auf von Campenhausen hat sich 1990 auch Claudio MORESCHIN1 in der einzigen speziell dem Thema der Martyriumstheologie Tertullians gewidmeten Veröffentlichung zurückbezogen. In seinem Aufsatz „Aspetti della dottrina del martirio in Tertulliano" hat letzterer die einzelnen Aussagen Tertullians zu dieser Thematik kurz in ihren jeweiligen literarischen und argumentativen Kontext eingeordnet; der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf „Scorpiace" und der in dieser Schrift in den Blick genommenen gnostischen Position.69 In seiner abschließenden Bewertung der Grundlage des christlichen Martyriums bei Tertullian hat Moreschini die von von Campenhausen betonte „Gesetzlichkeit" Tertullians prinzipiell bestätigt, sie aber anders bewertet: In der nicht zu leugnenden „Hinwendung zur Gesetzlichkeit" (inclinazione al legalitarismo) bei diesem sei kein Rückschritt zu sehen, sondern die in der Kirche des Abendlandes verbreitete Auffassung. 70

1.3 Anliegen und Aufbau der Darstellung Die angeführten Veröffentlichungen weisen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen, methodischer Ansätze und Deutungsschwerpunkte hin, unter denen das Verständnis christlichen Martyriumsleidens bei Tertullian betrachtet worden ist. Die nachhaltigsten Impulse für die weitere Forschung bis in die jüngste Zeit sind dabei von Hans von Campenhausen und Timothy D. Barnes ausgegangen. Ihre Bedeutung ebenso wie diejenige anderer genannter Darstellungen

67

William Carl Weinrich, Spirit and Martyrdom - A Study o f the Work of the Holy Spirit in

the Contexts of Persecution and Martyrdom in the N e w Testament and Early Christian Literature, Washington (1981), 266. 68

Weinrich, Spirit, 266. In seiner Rezension der Arbeit Weinrichs in: VigChr 37 (1983),

308-310, hat Theofried Baumeister herausgestellt, daß dieser durch den (von ihm nicht weiter begründeten) Abschluß der Untersuchung mit Tertullian „einen mit diesem Autor beginnenden ,Abfall' von der ursprünglichen Höhe des christlichen Martyriumsverständnisses" suggeriere. 69

Moreschini, Aspetti, 60-68.

70

Moreschini, Aspetti, 69: „Una forma di legalitarismo è innegabile, ma quella era la via

sulla quale si stava avviando la Chiesa occidentale ...".

Anliegen und Aufbau der Darstellung

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zeigt sich auch in der vorliegenden Arbeit - sei es durch die Rezeption von Fragestellungen, Schwerpunktsetzungen und Ergebnissen, wie sie im Forschungsüberblick angeführt worden sind, oder auch durch Abgrenzung. Über die aufgeführten Veröffentlichungen hinausgehend, soll es in ihr aber um einen umfassenderen monographischen Überblick über die in Tertullians Schriften zutagetretende theologische Deutung des christlichen Leidens in der Verfolgungssituation gehen, wobei nicht nur die speziell dieser Thematik gewidmeten Traktate, sondern auch seine weiteren Werke, insbesondere die einleitend genannten, die Quellengrundlage bilden. Als Grundlage für das Verständnis der Martyriumstheologie Tertullians als eines aus seiner Zeit heraus zu deutenden, historischen Phänomens erfolgt zunächst eine Einführung in ihren zeitgeschichtlichen Kontext, der Situation der Christinnen und Christen in Afrika um 200, auf der Basis der aus seinen eigenen Schriften sowie aus weiteren Quellen zu entnehmenden Nachrichten (Kap. 2). Damit werden zugleich die wesentlichen auf die Martyriumsthematik bezogenen Traktate in ihr zeitliches Umfeld eingeordnet. In einem ersten Hauptschritt soll dann nach den von Tertullian zur Deutung des Verfolgungsgeschehens herangezogenen Motiven gefragt, d.h. quasi die „Außenseite" des christlichen Martyriums beleuchtet werden (Kap. 3). Vor dem Hintergrund seiner theologischen Verfolgungsdeutung werden dann in einem zweiten Hauptschritt die zur Interpretation des Martyriums verwendeten Deutungsmuster untersucht und dargestellt, mit Hilfe derer Tertullian das christliche Leiden begründet, die ihm innewohnende Verheißung charakterisiert und seinen Stellenwert innerhalb der Ethik bestimmt (Kap. 4). Geht es in diesem Teil primär um die Bedeutung des Martyriums für den einzelnen Christen oder die einzelne Christin, so betrachtet der dritte Hauptabschnitt gesondert die überindividuelle Bedeutung des Martyriumsleidens und nimmt die Frage des bei Tertullian zutagetretenden Verständnisses des Martyriums im Kontext der christlichen Gemeinschaft, seines ekklesiologischen Bezuges, in den Blick (Kap. 5). Innerhalb der Darstellung der einzelnen Motive der Martyriumsdeutung werden die Einzelaussagen in ihren jeweiligen literarischen und argumentativen Kontext eingeordnet, so daß sich der Zusammenhang zwischen der Intention eines Textes und der jeweils spezifischen Aufnahme eines Motivs bzw. dem Vorkommen eines Deutungsmusters überhaupt zeigt. Damit verfolgt die Arbeit ein zweifaches Ziel: Zum einen die Erhebung des Bestandes der von Tertullian zur Deutung von Verfolgung und Martyrium herangezogenen Motive und damit verbunden die Herausarbeitung von Grundstrukturen und -tendenzen innerhalb seiner Martyrologie, zum anderen eine Differenzierung der Aufnahme dieser Motive nach literarischen und argumentativen Zusammenhängen und ihrer jeweiligen durch die

26

Anliegen und Aufbau der Darstellung

Argumentationsrichtung bedingten Gestalt und Funktion. Letzteres bedeutet, daß die Theologie des Martyriums bei Tertullian als Konzept mit durchaus unterschiedlichen Akzent- und Schwerpunktsetzungen betrachtet wird, mit denen dieser auf verschiedene theologische Herausforderungen im Bereich von Lehre und Moral reagiert. Darüberhinaus soll die im Forschungsüberblick angedeutete Frage nach der Bedeutung der „Neuen Prophetie" für die Ausformung seiner Martyrologie in den Blick genommen werden, ohne daß hierauf aber das Hauptaugenmerk liegt. Die Untersuchung der bei Tertullian vorliegenden Martyrologie erfolgte in stetem Vergleich mit der martyriumstheologischen Konzeption seines karthagischen „Nachfolgers" Cyprian. Zwar finden sich in der Literatur zuweilen kurze Gegenüberstellungen zwischen Äußerungen Tertullians und denjenigen anderer Kirchenväter zu dieser Thematik, aber bevorzugt wird dort auf seinen Zeitgenossen Clemens von Alexandrien verwiesen71, dessen auf eine Spiritualisierung des Martyriums hinauslaufendes Konzept72 eine deutliche Kontrastierung erlaubt. Ein eingehender Vergleich zwischen Tertullians Martyriumstheologie mit der zwar ein halbes Jahrhundert später ausgeformten, aber in der gleichen geographischen Region angesiedelten und entsprechend durch gemeinsame Traditionsströme sowie durch literarische Abhängigkeit73 verbundenen Martyrologie Cyprians ist hingegen in der Literatur noch nicht durchgeführt worden, obwohl die neben vielen Gemeinsamkeiten in den verwendeten Motiven bestehenden grundsätzlichen Differenzen 71 Vgl. z.B. Campenhausen, Idee, 119: „Der Abstand von Klemens und seiner heroisierenden Martyrologie ist überall (sc. bei Tertullian) deutlich"; Droge/Tabor, Death, 144: „Tertullian stands in sharp contrast to his Alexandrian contemporary." Barnes, Tertullian, 168-171, stellt die Position Tertullians derjenigen des Petrus von Alexandrien gegenüber, der zu Beginn des 4. Jhdts. die Flucht gutheißt und die Selbstauslieferung ablehnt. 72 Zu Clemens' Konzept, daß der „wahre Gnostiker", der sich durch ein Leben in „imitatio" auszeichnet, der sich selbst in der Gewalt hat, geduldig ist, gerecht lebt, seine Leidenschaften beherrscht und anderen gegenüber mildtätig ist, kurz: nach den Geboten Gottes lebt, als „Märtyrer" anzusehen ist (Clem.AI., Strom. II, 19), vgl. Edward E. Malone, The Monk and the Martyr - The Monk as the Successor of the Martyr, Washington 1950, 8-14. Mit dieser Ausweitung hat Clemens ein ethisches Ideal postuliert, das prinzipiell allen Christen zugänglich ist, nicht nur einigen Auserwählten: „Martyrdom as an ideal of perfection had suffered from the defect - so to speak - of being the portion of only those to whom God granted it as a special grace." (Malone, Monk, 10) 73

Nach Hieron., De vir.ill. 53, hat Cyprian täglich nach den Schriften seines „magister" Tertullian verlangt. Der Bezug Cyprians auf die Werke seines Vorgängers ist in der Literatur vielfach hervorgehoben worden und bestätigt sich sowohl im Blick auf den Aufbau als auch auf den Inhalt mehrerer seiner Traktate. Entgegen der vielfach zu findenden Behauptung der prinzipiellen Uneigenständigkeit Cyprians in theologischer Hinsicht (vgl. exemplarisch die bei Johannes Quasten, Patrology, Vol. II, The Ante-Nicene Literature after Irenaus, Utrecht 1953, 340, zu findende Aussage, „... as a theologian Cyprian is entirely dependent on Tertullian.") zeigt sich aber gerade in der Martyriumstheologie eine deutliche theologische Eigenständigkeit.

Anliegen und A u f b a u der Darstellung

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zwischen beiden Konzepten unter anderem deutliche Rückschlüsse auf die unmittelbare Abhängigkeit zwischen historischer Situation einerseits und Gestalt und Ausformung der Martyrologie andererseits erlauben. Da es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, die gesamte Darstellung der Martyriumstheologie Cyprians derjenigen Tertullians gegenüberzustellen, soll lediglich in einem abschließenden Ausblick auf die Grundzüge der Martyrologie Cyprians hingewiesen werden, in denen der Unterschied zwischen ihm und seinem Vorgänger in der Deutung und Wertung christlichen Leidens deutlich hervortritt (Kap. 6). Diese Gegenüberstellung erfolgt unter der Leitfrage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" - „Fordert Gott das Blut des Menschen?". Cyprian hat etwa fiinzig Jahre, nachdem Tertullian diese Frage in „Scorpiace" von seinen gnostischen Gegnern übernommen und in seinem Sinne beantwortet hat, ebenfalls eine Antwort auf diese Frage formuliert, die sich aber in signifikanter Weise von derjenigen Tertullians unterscheidet. Beide Antworten, die Bejahung bei Tertullian, die eine von Gott ausgehende „ Notwendigkeit des Leidens " behauptet, wie auch die Verneinung bei Cyprian, stellen durch die jeweilige Intention bedingte und herausgeforderte „Spitzensätze" innerhalb ihrer martyrologischen Konzepte dar. Dennoch sind sie geeignet, eine grundsätzliche, den Stellenwert des Martyriums innerhalb der Ethik betreffende, Differenz dieser Konzepte „in nuce" zusammenzufassen. Dieser Ausblick auf die „Antwort" Cyprians soll sowohl zu einer abschließenden Profilierung des Konzeptes Tertullians auf dem Wege der Kontrastierung beitragen als auch auf die Weiterentwicklung der afrikanischen Martyriumstheologie vorausweisen.

2. Der historische Kontext: Rom und die afrikanische Christenheit um 200 Als Tertullian in den 90er Jahren des 2. Jahrhunderts anläßlich einer Verfolgungssituation mit seiner literarischen Tätigkeit beginnt1, hat die afrikanische Christenheit bereits eine längere Geschichte hinter sich2, deren Konturen allerdings auf Grund der mangelnden literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse für die Zeit des 1. und 2. Jahrhunderts undeutlich bleiben.3 Sicher ist aber, daß es bereits in der Zeit vor Tertullian zu Konfrontationen zwischen afrikanischen Christen und ihrer heidnischen Umwelt gekommen war. Hierfür legt das erste überlieferte literarische Dokument der afrikanischen Christenheit - die „Acta Scillitanorum" - beredtes Zeugnis ab. Diese Märtyrerakten berichten von einem Prozeß gegen drei Frauen und drei Männer vor dem karthagischen Prokonsul Saturninus im Jahr 180. Auf Grund ihres Bekenntnisses „Christianus sum"4 wurden sie sowie wahrscheinlich sechs weitere Christinnen und Christen5 zum Tod durch das Schwert verurteilt. Unter der Voraussetzung, daß der von Tertullian in „Ad Scapulam" erwähnte Vigellius Saturninus mit dem in den „Acta Scillitanorum" genannten Prokonsul identisch ist, handelte es sich hierbei um die ersten in Africa proconsularis über Christinnen und Christen verhängten Todesstrafen:

' Hier wird vorausgesetzt, daß die Reihe der uns überkommenen tertullianischen Werke im Jahr 197 mit der an inhaftierte Christen gerichteten Exhortationsschrift „Ad martyras" sowie mit dem „Apologeticum" einsetzt. Zu dieser Einschätzung vgl. Anm. 12.14. 2 Vgl. Alfred Schindler, Art. Afrika I, in: TRE I (1977), 642. 3 Insbesondere die Ursprünge des afrikanischen Christentums bilden eines der größten „missing links" der Kirchengeschichte. Vgl. Frend, Martyrdom, 361. Zu der Frage nach den Anfängen des afrikanischen Christentums vgl. W. Telfer, The Origins of Christianity in Africa, in: StPatr 4 (1961), 512-517; René Braun, Aux origines de la Chrétienté d'Afrique: un homme de combat, Tertullien, in: BAGB 1965/2, 189-191; Gilles Quispel, African Christianity before Minucius Felix and Tertullian, in: Jan den Boeft (Hg.), Actus. Studies in Honour of H.L. W. Nelson, Utrecht 1982, 257335. Daß sich das afrikanische Christentum zum Ende des 2. Jhdts. von der Stadt bereits auf das Land ausgebreitet hatte, belegen die „Akten der Scillitanischen Märtyrer". Darüberhinaus bezeugt eine bei Cypr., ep. 71,4; ep. 73,3 erwähnte Synode, an der 70 Bischöfe aus Numidien und Africa proconsularis teilnahmen (zu dieser Zahl vgl. Aug., De bapt. 13,22; CSEL LUI, 21,21f), die weite Ausbreitung des Christentums in Afrika zu Beginn des 3. Jhdts. 4 Act.Scili. 9.10.13 (Musurillo, 88,7.10.18). 5 Vgl. Act.Scill. 14 (Musurillo, 88,20-24): „Saturninus proconsul decretum ex tabella recitavit: Speratum, Nartzalum, Cittinum, Donatam, Vestiam, Secundam et ceteros ritu Christiano se vivere confessos,..., gladio animadverti placet"; Act.Scill. 16(Musurillo, 88,27-30): „Saturninus proconsul per praeconem dici iussit: Speratum, Nartzalum, Cittinum, Veturium, Felicem, Aquilinum, Laetantium, Ianuarium, Generosam, Vestiam, Donatam, Secundam duci iussi."

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„Vigellius Saturninus, qui primus hic gladium in nos egit ,..".6 Der Verlauf des Verhörs und der Verurteilungsgrund - das „nomen ipsum" - weisen darauf hin, daß auch im Afrika des ausgehenden 2. Jahrhunderts die im Plinius-Trajan-Reskript festgelegten Anweisungen für das Vorgehen gegenüber Christen maßgebend waren 7 - eine rechtliche Situation, die bis zur „Decischen Verfolgung" in den Jahren 249/50 bestehen bleiben sollte.8 In der auf diesen Prozeß folgenden Zeit scheint es bis zum Jahr 197 infolge der toleranten Haltung einiger Statthalter zu einer Entspannung im Verhältnis zwischen Christen und Heiden in Afrika gekommen zu sein.9 Die Prokonsuln der Jahre 190/191 bzw. 191/192, Cincius Severus und Vespronius Candidus10, werden von Tertullian noch in der 212 verfaßten Schutzschrift „Ad Scapulam" als positive Beispiele für das Verhalten römischer Magistrate angeführt." Von 197 bis 212, dem Zeitraum, für den Tertullians Schriften Zeugnisse bieten, sind nach seiner Darstellung mehrfach Übergriffe und Verfolgungen gegenüber

6 Ad Scap. 3,4 (CChr.SL II, 1129,21f). Rudolf Freudenberger, Die Akten der scilitanischen Märtyrer als historisches Dokument, in: WS 86 ( 1973), 196, geht von einer Identität dieses Prokonsuls mit dem in den „Acta Scillitanorum" genannten aus. Ebenso Pier Angelo Gramaglia, A Scapula. Introduzione, traduzione e note, Rom 1980,193; Hans Armin Gärtner, Die Acta Scillitanorum in literarischer Interpretation, in: WS 102 (1989), 154. Ein Rest von Unsicherheit bleibt bei dieser Identifizierung aber, weil die Namensform in Ad Scap. 3,4 textkritisch nicht zweifelsfrei ist. 7

Die Einheitlichkeit des Vorgehens der Römer gegenüber den Christen im 2. Jhdt. auf der Basis des Plinius-Trajan-Reskriptes betont Joachim Molthagen, Der römische Staat und die Christen im 2. und 3. Jahrhundert, Göttingen 1970, 35f: „(Das) Festhalten an dem trajanischen „conquirendi non sunt" erklärt den sporadischen Charakter der „Verfolgungen". Sie blieben jeweils örtlich und zeitlich begrenzt, und stets waren nur einzelne Christen betroffen. In den Verfahren war das Entscheidende immer die Frage, ob der Angeklagte Christ sei. Bekannte er es, verfiel er der Todesstrafe." Nach Rudolf Freudenberger, Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jhdt. Dargestellt am Brief des Plinius an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians, München 1967, 241, ist das Christenreskript Trajans bereits zur Zeit Hadrians, im Jahr 124/25, in die kaiserlichen Mandate aufgenommen worden, wodurch die im Reskript getroffene Regelung auf das ganze Reich ausgedehnt wurde. „Damit wäre die Gleichförmigkeit im grundsätzlichen Vorgehen der praeses bei ordnungsgemäßen Anzeigen gegen Christen als solche im ganzen Reich trotz der Unterschiede im konkreten Verfahren fur das 2. und das beginnende 3. Jhdt. geklärt." 8

Grundsätzlich zu den rechtlichen Grundlagen der Christenverfolgungen vgl. Antonie Wlosok, Die Rechtsgrundlagen der Christenverfolgungen der ersten zwei Jahrhunderte, in: Gym 66 (1959), 14-32; H. Last, Art. Christenverfolgung II (juristisch); in: RAC II (1954), 1212-1228. Quellenzusammenstellungen bei Timothy David Barnes, Legislation against the Christians, in: JRS 58 (1968), 32-50 sowie in der ausfuhrlichen Sammlung P.R. Coleman-Norton, Roman State and Christian Church - A Collection of Legal Documents to A.D. 535, Vol. 1-3, London 1966. 9

Vgl. Antonio Quacquarelli, La persecuzione secondo Tertulliano, in: Gr 31 (1950), 566. Zur Datierung der Statthalterschaften vgl. Gramaglia, A Scapula, 203. " Ad Scap. 4,3 (CChr.SL II, 1130,12-15).

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Christen in Afrika zu verzeichnen gewesen. Bereits in der 197, zu Beginn seiner literarischen Tätigkeit, verfaßten Exhortationsschrift „Ad martyras"12, wendet Tertullian sich an inhaftierte Christinnen und Christen, die im Kerker auf ihren Prozeß warten13, um sie zur Standhaftigkeit zu ermuntern. In demselben Jahr weist er auch in seinem „Apologeticum"14 daraufhin, daß die Christen Verfolgungen ausgesetzt sind.15 Ebenfalls noch in die Regierungszeit des Septimius Severus (193-211), in das Jahr 20316, fallen die in der „Passio Perpetuae et Felicitatis"

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„Ad martyras" wird in der Forschung weitgehend übereinstimmend zu den ersten Werken Tertullians gezählt und in das Jahr 197 datiert: So z.B. bei Carl Becker, Tertullians Apologeticum - Werden und Leistung, München (1954), 350-54; Antonio Quacquarelli, Q.S.F. Tertulliani Ad Martyras. Prolegomeni, testo critico, traduzione e commento, Rom 1963, 23; Franceso Sciuto, Tertulliano. Tre Opere Parenetiche (Ad Martyras, De Patientia, De Paenitentia), Catania 1961, XIV; René Braun, Sur la date, la composition et le texte de l'Ad martyras de Tertullien, in: REAug 24 (1978), 221-223.231 ; Barnes, Tertullian, 38.55, wobei allerdings die relative Chronologie, besonders das zeitliche Verhältnis zum „Apologeticum", unterschiedlich gesehen wird. Einen Datierungsvorschlag in die Jahre 202/203 bieten Altaner/Stuiber, Patrologie, 156; Heinrich Kellner, Tertullians private und katechetische Schriften, Kempten/München 1912 (BKV VII), 93. Diese Datierung beruht auf der hypothetischen Identifikation der in Ad mart, angeredeten „benedicti martyres designati" mit den Märtyrern der „Passio Perpetuae et Felicitatis". Ausfuhrlich ist diese These begründet worden bei Willy Rordorf, Dossier sur l'Ad martyras de Tertullien, in: REAug 26 (1980), 3-14; ebda., 14-17, findet sich eine Widerlegung einiger der genannten Argumente durch René Braun. Einen Gesamtüberblick zu den vorgeschlagenen Datierungen bietet Quacquarelli, Ad Martyras, 21-23. 13 Ein Anklang an den ausstehenden Prozeß findet sich im Zusammenhang des von Tertullian durchgeführten Vergleichs zwischen dem „carcer" im wörtlichen Sinne und dem „mundus career" (Ad mart. 2,1 ; CChr.SL I, 3,30-4,4), in welchem letzterer als eigentliches Gefängnis herausgestellt werden soll: „Plures postremo mundus reos continet, scilicet universum hominum genus. Iudicia denique non proconsulis, sed Dei sustinet." (Ad mart. 2,3; CChr.SL I, 4,8-10) 14

Zur Datierung des „Apologeticums" auf das Jahr 197 vgl. Becker, Apologeticum, 350-354; Braun, Deus Christianorum, 568. Auf 197 oder 198 datiert Barnes, Tertullian, 55. 15 Vgl. z.B. Apol. 50,12 (CChr.SL 1,171,51-56): „Sed hoc agite, boni praesides, meliores multo apud populum, si illis Christianos immolaveritis, cruciate, torquete, damnate, atterite nos ... Nam et proxime ad lenonem damnando Christianam poti us quam ad leonem putastis ...". Umstritten ist aber, inwieweit die Äußerungen des „Apologeticums" sich unmittelbar auf eine aktuelle Verfolgungssituation beziehen: Nach Joseph Vogt, Art. Christenverfolgung I (historisch), in: RAC II (1954), 1180, sowie Wlosok, Rechtsgrundlagen, 24, Anm. 32, deutet die Doppelung der auf eine Verfolgungssituation bezogenen Schriften Tertullians im Jahr 197 auf ein besonders intensives Vorgehen der römischen Magistrate zu diesem Zeitpunkt hin; in den Zusammenhang einer aktuellen Verfolgungssituation bringt auch Paul Keresztes, The Emperor Septimius Severus: A Precursor of Decius, in: Hist 19 (1970), 567, das „Apologeticum" sowie „Ad Nationes". Molthagen, Staat, 39, hingegen wehrt diese Überlegung auf Grund des Charakters des „Apologeticums" ab, „das nicht eine um augenblicklicher lokaler Ereignisse willen rasch niedergeschriebene Eingabe an die Statthalter" darstelle. Deshalb könne ein Schluß auf eine aktuelle Verfolgung aus seiner Veröffentlichung nicht abgeleitet werden. 16

Zur Datierung des Martyriums der Perpetua vgl. Timothy David Barnes, Pre-Decian Acta martyrum, in: JThS 19 (1968), 522.

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überlieferten Martyrien der Perpetua, vierer weiterer Katechumenen und ihres Lehrers Saturus. Nachdem sie nach ihrer Festnahme noch getauft worden waren, wurden sie von dem Prokurator Hilarianus auf Grund ihres Bekenntnisses zum Christsein „ad bestias" verurteilt17 und während eines Tierkampfes anläßlich des Geburtstags des Caesaren Geta hingerichtet.18 Daß die Übergriffe gegen Christen zu diesem Zeitpunkt über die hier bezeugten Martyrien hinausgingen, belegt die Passio selbst, wenn sie eine Paradies-Vision des Saturus wiedergibt, in der dieser drei Märtyrer sieht, die in derselben Verfolgung lebendig verbrannt worden seien, sowie einen weiteren, der im Kerker gestorben sei.19 Umstritten ist in der Forschung, auf welcher Rechtsgrundlage das in der „Passio Perpetuae" berichtete Vorgehen beruhte. Im Anschluß an die bei Eusebius erhaltene Überlieferung einer reichsweiten Verfolgung unter Septimius Severus20 sowie die in der „Historia Augusta" zu findende Vorstellung eines von diesem Kaiser erlassenen Übertrittsverbotes zum Juden- und Christentum21 zeigt sich in Teilen vor allem der älteren Literatur die Tendenz, ein „Christengesetz" des Kaisers als Grundlage der Übergriffe in dieser Zeit anzunehmen. Nach Moreau erließ Septimius Severus ein Übertrittsverbot zum Juden- und Christentum und „inaugurierte ... eine neue Ära der Unterdrückungspolitik, wenn diese sich auch nicht sofort auswirken sollte."22 Frend geht von „the first co-ordinated world-

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Pass.Perp. 6,6 (Habermehl, Passio, 12). Zu dieser als besonders grausam und entehrend geltenden Form der Kapitalstrafe vgl. Peter D.A. Garnsey, Social Status and Legal Privilege in the Roman Empire, Oxford 1970, 129-131. 18 Pass.Perp. 18-21 (Habermehl, Passio, 22-26). Zu der Angabe des Anlasses vgl. Pass.Perp. 7,9 (Habermehl, Passio, 14). 19 Pass.Perp. 11,9 (Habermehl, Passio, 18): „Ibi invenimus Iocundum et Satuminum et Artaxium, qui eadem persecutione vivi arserunt, et Quintum, qui et ipse martyr in carcere exierat." 20 Eus., HE VI, 1 ; VI,2,3. 21 HA, vita Sept.Sev. 17,1: „in itinere Palaestinis plurima iura fundavit (Septimius Severus). Iudaeos fieri sub gravi poena vetuit. idem etiam de Christianis sanxit." Zur Tendenz dieser Quelle vgl. Karl-Heinz Schwarte, Das angebliche Christengesetz des Septimius Severus, in: Hist. 12 ( 1963), 201f. Den geringen Quellenwert dieses Werkes, einer „antichristlichen Tendenzschrift des ausgehenden vierten oder des fünften Jahrhunderts", betont auch Molthagen, Staat, 38. 22 Jacques Moreau, Die Christenverfolgung im römischen Reich, Berlin/New York 19712, 73. Er geht aber auch davon aus, daß einige der Martyrien aus der Zeit dieses Kaisers auf der Grundlage der vorher bestehenden, nicht außer Kraft gesetzten Rechtslage erfolgt sind, nicht infolge der von ihm erlassenen Vorschriften (Moreau, Christenverfolgung, 74). Von einem "Christengesetz" bei Septimus Severus gehen auch aus Peter Kawerau, Geschichte der Alten Kirche, Marburg 1967, 86; Vogt, Christenverfolgung, 1180f; Frend, Martyrdom, 319-23. Innerhalb der neueren Literatur vertritt dezidiert Keresztes, Emperor, 564-578, ein Übertrittsverbot des Kaisers als Grundlage des Vorgehens gegen Christen; dieses hätte das Ziel gehabt „to stop the increase of Christianity. To achieve this, catechumens and neophytes were to be searched out on the initiative of the governments and without waiting for denunciations." Um dem Gegenargument der lokalen und zeitlichen

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wide move against the Christians"23 unter Septimius Severus aus. Dagegen sprechen die für Karthago ebenso wie die für Alexandrien erhaltenen Zeugnisse eines Vorgehens gegen Christen24 aber eher für ein Weiterbestehen lokal und zeitlich begrenzter Übergriffe auf einer dem Plinius-Trajan-Reskript entsprechenden Rechtsgrundlage.25 Unterstützt wird diese Einschätzung, daß das Vorgehen nicht auf einem kaiserlichen Edikt beruhte, durch Tertullian selbst, der dem Kaiser Septimius Severus noch im Jahr 212 in „Ad Scapulam" eine positive Bewertung zukommen läßt und ihn als Beschützer von Christen charakterisiert26 - eine Dar-

Begrenztheit der Übergriffe, die für viele Historiker für ein Weiterbestehen der rechtlichen Lage des Plinius-Trajan-Reskriptes und gegen ein kaiserliches Edikt als Grundlage der Verfolgungen spricht (vgl. Anm. 25), begegnen zu können, behauptet auch er, daß trotz dieses kaiserlichen Dekretes die rechtliche Situation der Christen unverändert geblieben sei: „Severus' anti-conversion measure also left the legal status of Christians unchanged." (Keresztes, Emperor, 577) Die von ihm angenommene behördliche Suche nach Katechumenen und Neophyten auf Grund des Übertrittsverbotes würde aber den rechtlichen Status der Christen gegenüber dem „conquirendi non sunt" des Plinius-TrajanReskriptes wesentlich verändert haben. Innerhalb der neuesten Literatur ist der Gedanke eines Übertrittsverbotes des Kaisers als Grundlage der Verfolgungen seiner Zeit wieder vertreten worden von Christine Pouilly, Tertullien et les Persécuteurs, in: Connaissance des Pères de l'Église 47 (Sept. 1992), 18; Günter Eckert, Orator Christianus. Untersuchungen zur Argumentationskunst in Tertullians Apologeticum, Stuttgart 1993, 20. 23

Frend, Martyrdom, 321. Zu Übergriffen gegen Christen in Alexandrien vgl. Eus., HE VI,1-5. Möglicherweise waren auch Christen in Kappadokien (Tert., Ad Scap. 3,4; CChr.SL Π, 1129,22-24) und in Rom (Eus., HE V,28,8-12) zu dieser Zeit von Verfolgung betroffen. Nach Karl Johannes Neumann, Der römische Staat und die allgemeine Kirche bis auf Diokletian, Bd. I, Leipzig 1890, 170, sind auch die bei Cyprian (ep. 39,3,1; CChr.SL ΠΙ B, 189,44-48) erwähnten Martyrien einer Frau und zweier Männer in die Zeit des Septimius Severus zu datieren. Diese Einschätzung ist aber in der Forschung umstritten, da sich aus Cyprians Hinweis auf die für diese Märtyrerin und die Märtyrer eingerichtete „anniversaria commemoratio", die bereits häufiger begangen worden sei (ep. 39,3,1 ; CChr.SL ΠΙ Β, 189,49-51), lediglich schließen läßt, daß diese Martyrien nicht in der zum Zeitpunkt der Briefabfassung wütenden Verfolgung unter Decius, sondern zu einem weiter zurückliegenden Zeitpunkt stattfanden. Entsprechend ist in der Literatur für diese Martyrien auch die Zeit Caracallas (Molthagen, Staat, 44, Anm. 48) oder der Zeitraum zwischen Caracalla und Decius (Timothy David Barnes, Three neglected Martyrs, in: JThS 22 (1971), 159-161) vorgeschlagen worden. 24

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Vgl. Schwarte, Christengesetz, 197f: „Die Christenverfolgungen am Beginn des 3. Jhdts. waren ... örtlich begrenzt und zeitlich auf wenige Jahre beschränkt, wobei besonders ins Gewicht fällt, daß bereits die letzten Regierungsjahre des Septimius Severus wieder ohne Verfolgungen verliefen. Solange Trajans Weisung, daß Christen conquirendi non sunt, als auch für die Severerzeit gültig angesehen wird, ist dieser Sachverhalt in keiner Weise auffällig und durch wechselnde Häufigkeit von Denunziationen zu erklären". Gegen ein Übertrittsverbot des Kaisers als Grundlage der Verfolgungen dieser Zeit spricht nach Barnes, Legislation, 40, daß „in the only contemporary account of a martyrdom of the time which is extant, the Passio Perpetuae, the charge is still being a Christian, not having become one." Auch er geht von einem Weiterbestehen der in dem PliniusTrajan-Reskript festgelegten Rechtssituation aus: „The legal position of Christians continues exactly as Trajan defined it until Decius." (Barnes, Legislation, 48)

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Stellung, die jenseits der Frage nach der Historizität ihrer Details27 zumindest dagegen spricht, daß in Karthago ein „Christengesetz" des Septimius Severus als Grundlage der genannten Übergriffe angenommen worden wäre.28 Daß die Amtszeit des Prokurators Hilarianus, der Perpetua verurteilte, in Karthago generell durch eine besonders christenfeindliche Stimmung gekennzeichnet war, zeigt die bei Tertullian zu findende Erwähnung pogromartiger Übergriffe gegen Christen auf Grund von Mißernten: Unter der Parole „areae non sint!" sei das Volk zu dieser Zeit gegen die Christen vorgegangen, wobei es mit der Bezeichnung „areae" nach seiner Auskunft die Begräbnisplätze (areae sepultarum) der Gläubigen meinte.29 Welcher Vorgang sich allerdings genau hinter dieser kurzen Notiz in „Ad Scapulam" verbirgt, ist umstritten. Unter der Voraussetzung, daß die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt bereits eigene Begräbnisplätze besaß30, könnte hinter dieser Parole die Forderung gestanden haben, den Christen diese gänzlich wegzunehmen.31 Eine andere Interpretation versteht den Ausruf als Ausdruck der Verweigerung ordentlicher Begräbnisse auf den karthagischen Friedhöfen für die Christen und insbesondere die Märtyrer, um auf diese Weise die christliche Auferstehungshoffhung angreifen zu können.32 Ebenso könnte eine solche Verweige26 Ad Scap. 4,5f (CChr.SL II, 1130,27-1131,35): „Ipse etiam Severus ... Christianorum memor fuit. ... Sed et clarissimas feminas et clarissimos viros Severus, sciens huius sectae esse, non modo non laesit, verum et testimonio exornavit, et populo furenti in nos palam resistit." 27 Die apologetische Zielsetzung des Kontextes und die mit wenigen Ausnahmen positive Zeichnung der römischen Kaiser durch Tertullian - auch entgegen der geschichtlichen Realität - (vgl. Kap. 3.1.1) berechtigen zu Skepsis gegenüber den Details der Darstellung des Septimius Severus bei ihm. 28 Anders Keresztes, Emperor, 577, der zwar auf die positive Wertung des Kaisers durch Tertullian hinweist ebenso wie auf sein Schweigen über ein etwaiges kaiserliches Dekret, diese deutlichen Indizien aber nicht als Argumente gegen die Existenz eines Übertrittsverbotes als Grundlage der Verfolgungen zu Beginn des 3. Jhdts. gelten lassen will. Das Schweigen Tertullians könnte seiner Auffassung nach allenfalls noch darauf zurückzuführen sein, daß nicht ein öffentlich publiziertes Edikt, sondern lediglich ein an einen Statthalter ergangenes Reskript das Augenmerk auf die Christen lenkte. Ähnlich spricht William H.C. Frend, Art. Persecution, in: Encyclopedia of the Early Church, Bd. II (1992), 672, von „... (a) reply to a provincial governor who had asked for instructions about popular movements against the Christians, particularly against converts." 29 Tert., Ad Scap. 3,1 (CChr.SL II, 1129,3-5): „... sub Hilariano praeside, cum de aréis sepulturarum nostrarum acclamassent: „Areae non sint!" Areae ipsorum non fuerunt: messes enim suas non egerunt." 30 So z.B. Neumann, Staat, 112; Saxer, Morts, 117; Henri Leclercq, Art. Carthage, in: DACL II/2 (1925), 2285f; Gramaglia, A Scapula, 191f. 31 So Leclercq, Carthage, 2286. Auch David Ivan Rankin, Tertullian and the Church, Cambridge 1995,13, spricht in bezug auf diesen Hinweis Tertullians von „hostility against the Christians which led, inter alia, to calls for the closure of Christian burial areas ..." 32 So Georg Schöllgen, Ecclesia sordida? Zur Frage der sozialen Schichtung frühchristlicher Gemeinden am Beispiel Karthagos zur Zeit Tertullians (JAC.E 12), Münster 1984, 30. Er führt den Brief der Gemeinde von Vienne und Lyon an (Eus., HE V, 1,62), in dem die Verbrennung der Leichen

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rung auch zum Ziel gehabt haben, den Christen keinen „Kristallisationspunkt" für eine nachfolgende Verehrung etwaiger Märtyrer zu bieten, wobei allerdings ungeklärt ist, ob um 200 die Feier des Gedächtnistages des Märtyrers tatsächlich bereits am Märtyrergrab stattfand.33 Nach einer Phase, die Tertullian als „bona et longa pax" bezeichnet34, lassen sich die nächsten Auseinandersetzungen zwischen Heiden und Christen in Afrika erst wieder für den Beginn der Regierungszeit des Caracalla (211-217) belegen. Zunächst berichtet Tertullians Traktat „De corona" von einem Soldatenmartyrium im Jahre 211,35 Ein christlicher Soldat - nach seiner Darstellung ohnehin „mehr ein Krieger Gottes"36 - weigerte sich, anläßlich einer an die Soldaten ausgeteilten Geldzuwendung37 seinen Kranz aufzusetzen38 und wurde daraufhin inhaftiert.

der Märtyrer und das Streuen der Asche in die Rhone auf den Wahn der Heiden zurückgeführt werden, „Herr über Gott zu werden und die Auferstehung der Märtyrer zu verhindern" (Eus., HE V, 1,62). 33 Baumeister, Heiligenverehrung, 117, geht davon aus, daß die Gemeinde in Karthago die Eucharistiefeier anläßlich des Gedächtnistages eines Martyriums um 200 noch dort feierte, „wo man sich normalerweise zum Gottesdienst versammelt. Die Verlagerung des Gedächtnisses an das Märtyrergrab wäre dann in Afrika später erfolgt..." 34 De cor. 1,5 (CChr.SL Π, 1040,29). 35 Die Datierung dieses Ereignisses beruht im wesentlichen darauf, daß der Anlaß für das Martyrium, eine im Heer ausgeteilte Geldspende, von Tertullian als „liberalitas praestantis simorum imperatorum" bezeichnet wird (vgl. Anm. 37). Der Plural weist daraufhin, daß dieses Ereignis im Jahr 211 stattfand, als Caracalla noch zusammen mit seinem Bruder Geta regierte, der am 19.2.212 ermordet wurde. Nach Rudolf Freudenberger, Der Anlaß zu Tertullians Schrift „De corona militis", in: Hist 19 (1970), 580, fand der Vorfall nur kurz vor der Abfassung der Schrift im Herbst 211 statt (vgl. die Angabe in De cor. 1,1; CChr.SL II, 1039,2: „proxime factum est"). Ruggiero, De corona, 61, geht davon aus, daß es sich bei der erwähnten „liberalitas" um eine Geldspende gehandelt habe, die „in occasione della ascesa all'impero, col rango di Augusto, dei figli di Settimio Severo" ausgeteilt worden sei; demnach müßte der geschilderte Vorfall unmittelbar nach dem Tode des Septimus Severus im Februar 211 stattgefunden haben. Zu Anlaß, Ort und Verlauf des Vorfalls vgl. Quacquarelli, Persecuzione, 569; Ruggiero, De corona, 61f, sowie detailliert Freudenberger, Anlaß, passim. 36

De cor. 1,1 (CChr.SL II, 1039,4): „magis dei miles". De cor. 1,1 (CChr.SL Π, 1039,2f) spricht von einer „liberalitas praestantis simorum imperatorum", 12,3 (CChr.SL II, 1059,21) von einem „donativum". Eine „liberalitas" war eine Geldspende aus dem Privatvermögen des Kaisers an Zivilpersonen, um 200 konnten aber bereits auch die an das Heer gerichteten „donativa" mit dem gleichen Begriff bezeichnet werden. Vgl. Helmut Berve, Art. liberalitas I, in: PW XIII/1 (1926), 92. Nach Berve, liberalitas, 88f, waren diese Geldzuwendungen besonders für die Kaiser des 3. Jhdts. ein wichtiges Mittel, um sich die Anerkennung des Volkes, bzw. wie in diesem Fall, des Heeres zu verschaffen. 38 Während Tertullian in Apol. 42,6 (CChr.SL I, 157,21f) und De spect. 18,3 (CChr.SL I, 243,12f) nur kurz konstatiert, daß eine Bekränzung fiir Christen nicht opportun sei, stellt „De corona" eine ausführliche Begründung für die strikte Ablehnung jeglicher Bekränzung durch Christen dar, wobei das zentrale Argument die Beziehung zum Götzendienst darstellt: Der Brauch der Kränze erweise sich als idololatrisch, weil er sowohl von den Göttern ausgehe als auch zu ihrer Verehrung diene (vgl. De cor. 7,7; CChr.SL II, 1049,51-54). 37

Der historische Kontext

35

Die Verurteilung eines anderen Christen „ad bestias" sowie die grundsätzlich christenfeindliche Stimmung unter der Statthalterschaft Scapulas39 bildete den Anlaß für die Abfassung der Schutzschrift „Ad Scapulam" durch Tertullian im Jahr 212.40 Diese Schrift weist daraufhin, daß es nicht nur in Karthago, sondern auch in anderen Teilen Afrikas, in Numidien und Mauretanien, zu Verurteilungen von Christen kam.41 Auf eine Verfolgungssituation um das Jahr 212 herum deutet möglicherweise auch der Traktat „De fuga in persecutione" hin.42 Da seine Datierung aber umstritten ist43, muß die zeitliche Einordnung der in ihm zu findenden Hinweise auf Inhaftierungen und Verurteilungen von Christen letztlich unsicher bleiben. Ebenso unsicher ist die Zuordnung des in der 212 verfaßten Fastenschrift von Tertullian erwähnten Martyriums.44 Als Ausdruck massiver Gefährdung der Christinnen und Christen durch aktuelle Verfolgungen erscheint Tertullians Schrift „Scorpiace".45 Zum Zeitpunkt ihrer Abfassung gab es sowohl Inhaftierte, die im Kerker auf das Martyrium warteten,

39 Die Verurteilung erwähnt Tertullian in Ad Scap. 3,5 (CChr.SL II, 1129,32f), die grundsätzlich christenfeindliche Haltung des Statthalters beklagt er in Ad Scap. 5 (CChr.SL II, 1131,11132,26). 40 Zur Datierung der Statthalterschaft Scapulas vgl. Gramaglia, A Scapula, 40. „Ad Scapulam" wird in der Literatur mit großer Übereinstimmung in das Jahr 212 datiert. Vgl. Braun, Deus Christianorum, 575. 41 Ad Scap. 4,8 (CChr.SL II, 1131,51-53): „Nam et nunc a praeside Legionis, et a praeside Mauritaniae vexantur hoc nomen, sed gladio tenus ...". Mit „ sed gladio tenus" ist wahrscheinlich gemeint, daß keine so schweren Strafen wie Kreuzigung, Damnatio ad bestias o.ä. verhängt wurden; vgl. die Konjektur E. Kroymanns in CSEL LXXVI, 15,53: „gladio tenus, non tormentis". Molthagen, Staat, 44, mutmaßt, daß der in De cor. 1 berichtete Fall von Insubordination die „Welle von Anklagen und Verurteilungen von Christen" in Numidien, Mauretanien und Africa proconsularis ausgelöst habe. 42 Vgl. De fuga 1,1 (CChr.SL II, 1135,8f): „Quanto enim frequentiores imminent persecutiones

43 Unumstritten in bezug auf „De fuga " ist, daß es sich um eine montanistische Schrift handelt. Die Vorschläge zur genauen Datierung variieren in der Forschung hingegen: Barnes, Tertullian, 55, datiert auf 208/209, Altaner/Stuiber, Patrologie, 159, gehen von der Zeit um 212 aus, Monceaux, Histoire, 207; Braun, Deus Christianorum, 576, von 213; Karpp, Schrift, 9, von derZeit nach 213. 44

De ieiun. 12,3 (CChr.SL II, 1271,30) : „... ille Pristinus vester non Christianus martyr ...". Fraglich ist hier die Deutung von „pristinus/Pristinus" entweder als Attribut zu „martyr", d.h. im Sinne von „euer früherer Märtyrer", oder als Personenname, wie es in den Textausgaben im CSEL und im CChr.SL gesehen wird, sowie von Schöllgen, Ecclesia sordida, 202. In letzterem Fall enthielte der Satz keinerlei Hinweis auf den Zeitpunkt des Martyriums. 45 Scorp. 1,10 (CChr.SL II, 1070,lOf): „Et nunc in praesentia rerum est medius ardor, ipsa canícula persecutionis ...". Nach Ilona Opelt, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980, 35, handelt es sich bei dem Ausdruck „canícula persecutionis" („Hundsstern der Verfolgung") um eine „astronomische Metapher", die die „Klimax der Verfolgung" kennzeichnet.

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Der historische Kontext

als auch Christen, die bereits durch Feuer, Schwert oder wilde Tiere den Martertod gestorben waren.46 Von der Forschung ist diese Schrift zumeist als montanistisches Werk angesehen47 und dem Zeitraum zwischen 211 und 213 zugeordnet worden.48 Diese Einschätzung ist aber zunehmend infragegestellt worden49 und auf Grund verschiedener Charakteristika dieser Schrift eher unwahrscheinlich.50 Da „Scorpiace" keinerlei zeitgeschichtlich eindeutig zuzuordnende Hinweise enthält, läßt sich der Zeitpunkt der in ihr erwähnten Inhaftierungen und Martyrien ebenfalls nicht genau bestimmen.51 Nach dem Zeugnis der Werke Tertullians, die für den Zeitraum um 200 die Hauptquelle für die Frage nach Christenverfolgungen in Afrika bilden, sowie der „Passio Perpetuae et Felicitatis" gab es in dieser Zeit also mindestens drei Zeitpunkte, in denen es schwerpunktartig zu Übergriffen des Volkes gegen die Christen und zu Verhaftungen und Verurteilungen seitens der römischen Behörden kam (197, 202/203, 211/212). Dabei scheint auf Grund des Weiterbestehens der rechtlichen Weisungen des Plinius-Trajan-Reskriptes die Zahl der aus diesen Verfolgungssituationen hervorgegangenen Märtyrer nicht sehr groß gewesen zu sein52

46

Vgl. Scorp. 1,11 (CChr.SL II, 1070,11-1071,14) Vgl. Barnes, Tertullian, 171: „For generations the Scorpicae was expounded as an expression of Tertullian's montanism." 48 So z.B. bei Monceaux, Histoire, 206; Roberts, Theology, 95; Emesto Buonaiuti, L'Antiscorpionico di Tertulliano, in: RR 3 (1927), 146; Vermeulen, Development, 60; Altaner/Stuiber, Patrologie, 155; Karpp, Schrift, 9; in der jüngeren Zeit bei Francine Jo Cardman, Tertullian on the Resurrection, Yale 1974, VII; Braun, Deus Christianorum, 574; Paolo Siniscalco, Art. Tertullian, in: Encyclopedia of the Early Church, Bd. II (1992), 819; Ruggiero, De corona, XXXII. 49 Bereits bei Kellner, BKV 24, 2Iff, findet sich eine Zuordnung von „Scorpiace" in die katholische Zeit und eine Datierung auf 203/204; nachdrücklich vertreten hat diese Datierung aber vor allem Timothy David Bames, Tertullian's Scorpiace, in: JThS 20 (1969), 105-132, ohne eigene Diskussion übernommen worden ist sie bei Weinrich, Spirit, 259f; Droge/Tabor, Death, 147; Butterweck, Martyriumssucht, 52f. Kellners Versuch, die hinter der Abfassung stehende Verfolgung als die Severianische zu identifizieren und so die Schrift auf203 zu datieren, ist auf Grund der Fragwürdigkeit einer solchen Verfolgung aber nicht überzeugend. An das Ende der katholischen Zeit, in die Jahre 206/207, ist „Scorpiace" von René Braun eingeordet worden: Vgl. Braun, Tertullien, 80. 50 Vgl. Kap. 4.2.1, mit Anm. 177. 51 So läßt z.B. der in Scorp. 1,10 (CChr.SL II, 1070,11) zu findende Hinweis auf den „cynocephalus" als Urheber der aktuellen Verfolgung auf Grund seiner Rätselhaftigkeit keine Aussage über den Zeitpunkt dieser Verfolgung zu. 52 Für die Übergriffe aus dem Jahr 197 bestätigt Neumann, Staat, 171, diese Einschätzung: „Die Verfolgung des Jahres 197 hat in Afrika wohl einzelne Martyrien hervorgerufen, aber ihre Zahl kann nur eine ganz beschränkte gewesen sein." Von „Opfern in höherer Anzahl" spricht er hingegen in bezug auf die Zeit um 202/03, fur die er aber auch von einer Verfolgung auf Grund eines Reskriptes seitens des Kaisers Septimius Severus ausgeht. Unter den von ihm dieser Zeit zugeordneten 17 Martyrien in Afrika (vgl. Neumann, Staat, 170-177) sind aber sechs (der von Tertullian in De fuga 5 erwähnte Rutilius sowie die von Cyprian in ep. 39,3 und De laps. 13 überlieferten Martyrien der 47

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- wo Tertullian konkret von Verhaftungen oder Verurteilungen berichtet, handelt es sich durchwegs um einzelne Christen oder kleine Gruppen. Namentlich erwähnt er tatsächlich nur drei Märtyrer und eine Märtyrerin aus seiner Zeit.S3 Dennoch spiegeln seine Schriften ein Klima grundsätzlicher Gefährdung durch repressives Verhalten der Magistrate, durch Angriffe seitens des Volkes und Denunziationen bei den Behörden wider54, das die gesamte afrikanische Christenheit, insbesondere aber die Hauptstadtgemeinde Karthago betraf. Das von Tertullian mehrfach konstatierte Wachstum der Christenheit ebenso wie ihre Ausdehnung in höhere Gesellschaftsschichten55 hat die christenfeindliche Stimmung dabei vermut-

Celerina, des Laurentius, Egnatius, Castus und Aemilius) in ihrer zeitlichen Zuordnung ungeklärt. Zu den Martyrien der Celerina, des Laurentius und des Egnatius vgl. Anm. 24. 53 Perpetua (De an. 55,4; CChr.SL II, 862,32); Rutilius (De foga 5,3; CChr.SL II, 1142,25); Pristinus (De ieiun. 12,3; CChr.SL II, 1271,30); Mavilus (Ad Scap. 3,5; CChr.SL II, 1129,32). Auf die geringe Zahl der von ihm konkret erwähnten Martyrien weist auch Bray, Holiness, 43, hin, der für die Zeit Tertullians von „a period of relative calm in which very few Christians were put to death" spricht. Anders hingegen Hoppenbrouwers, Recherches, 7, der „un nombre appréciable de victimes parmi les chrétiens" fur die Zeit Tertullians annimmt; dessen Schriften zeigten seiner Auffassung nach, daß Verfolgungen zu dieser Zeit regelmäßig vorkamen, ebenso erweckten die „Acta Scillitanorum" und die „Passio Perpetuae" den Eindruck, daß es sich nicht um exzeptionelle Vorkommnisse gehandelt habe. Dennoch lassen sich über die unmittelbar durch Tertullians Schriften und die genannten Märtyrerakten bezeugten Verfolgungen und Übergriffe hinaus keine weiteren zu dieser Zeit belegen, so daß Hoppenbrouwers Auffassung hypothetisch bleiben muß. 54 Vgl. z.B. Apol. 37,2 (CChr.SL I, 147,4-148,7): „Quotiens enim in Christianos desaevitis, partim animis propriis, partim legibus obsequentes? Quotiens etiam praeteritis vobis suo iure nos inimicum vulgus invadit (lapidibus et incendiis)?" Die stete Gefährdung durch christenfeindliche Stimmung und dieser gegenüber willfährige Magistrate illustrieren u.a. auch Apol. 7,4 (CChr.SL I, 99,15-17); Apol. 9,6 (CChr.SL 1,102,25f); Apol. 35,8 (CChr.SL I, 146,37f); Apol. 50,12 (CChr.SL I, 171,51-53); Ad Scap. 4,7 (CChr.SL II, 1131,35); De exhort.cast. 12,4 (CChr.SL II, 1032,28f); De spect. 27,1 (CChr.SL I, 249,1-4). Eine solche feindliche Stimmung konnte jederzeit aufbrechen, zumal die Christen von der heidnischen Umwelt bei vielerlei Mißständen als Sündenböcke angesehen wurden: „Si Tiberis ascendit in moenia, si Nilus non ascendit in rura, si caelum stetit, si terra movit, si fames, si lues, statim .Christianos ad leonem!'" (Apol. 40,2; CChr.SL I, 153,6-9). 55

Zur Ausbreitung der Christen in höhere Gesellschaftsschichten und zu ihrer zahlenmäßigen Ausdehnung vgl. Ad nat. 1,2 (CChr.SL I, 11,7-12); Apol. 1,7 (CChr.SL I, 86,38-41); Apol. 37,4 (CChr.SL I, 20-22); Ad Scap. 2,10 (CChr.SL Π, 1128,420; Ad Scap. 5,2 (CChr.SL II, 1132,8-10); Adv.Marc. III, 20,2 (CChr.SL 1,535,13f); De cor. 12,4 (CChr.SL II, 1059,30f) u.a. Bei den Angaben Tertullians zum Wachstum der Christenheit ist allerdings zu berücksichtigen, daß diese wesentlich auch apologetischen Zielsetzungen dienten. Zur Funktion dieser Argumentation in apologetischen Kontexten vgl. Hans-Werner Thönnes, Caelestia recogita et terrena despicies. Altkirchliche Apologetik am Beispiel Tertullians im Vergleich mit modernen Entwürfen, Frankfurt/Main 1994, 15-21. Zur sozialgeschichtlichen Auswertung der Nachrichten Tertullians zum Wachstum der Gemeinde in Karthago vgl. Schöllgen, Ecclesia sordida, 298, zur Ausdehnung der afrikanischen Christenheit um 200 vgl. auch Anm. 3. Schindler, Afrika, 644, geht davon aus, daß es zu diesem Zeitpunkt noch nicht unbedingt eine große Anzahl von Christen gab, „wohl aber eine beachtliche Streuung in geographischer (Africa proconsularis, nördlich und südlich, Mauretanien, wahrscheinlich Numidien), sozialer und institutioneller Hinsicht."

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lieh erheblich verstärkt56, ebenso die in verschiedenen Lebensbereichen deutlich werdende Abgrenzung der Christen gegenüber den heidnischen Lebensformen, die nicht zuletzt zu dem Vorwurf der „Geschäftsschädigung" seitens der Heiden führte.57 Die in Tertullians Werk zu findenden Äußerungen zur Deutung von Verfolgungserfahrung und Martyriumsleiden sind also vor dem Hintergrund einer für alle Christen und Christinnen stets latenten Drohung von Verfolgung und Übergriffen zu verstehen, in der potientiell alle Mitglieder der christlichen Gemeinde der Herausforderungssituation eines Pogroms oder eines Prozesses ausgesetzt sein konnten, realiter aber nur eine Minorität zu Märtyrern wurde. Wesentlich für ihre Interpretation ist dabei, daß es in der karthagischen Gemeinde offensichtlich unterschiedliche Auffassungen gab, wie auf die Herausforderung seitens der heidnischen Umwelt und etwaige Verfolgungen konkret zu reagieren sei. Die Notwendigkeit eines öffentlichen Bekenntnisses und Martyriums, die Frage einer möglichen Selbstauslieferung gegenüber den heidnischen Behörden einerseits wie auch diejenige einer Flucht in der Verfolgung andererseits wurden nach dem Zeugnis der Schriften Tertullians kontrovers diskutiert. Verstärkt wurde diese Diskussion zum einen durch die Propaganda gnostischer Gruppierungen, die gegen eine Pflicht der Gläubigen zur Martyriumsbereitschaft polemisierten58 und damit unter den Karthagern zumindest soviel Erfolg hatten, daß Tertullian sich zur Abfassung der Gegenschrift „Scorpiace" veranlaßt sah. Zum anderen spielten die montanistischen Einflüsse in Nordafrika59 für diese Auseinandersetzungen eine wesentliche Rolle, insofern sie zu einer verstärkten Rigorosität sittlicher Forderungen, auch in bezug auf das Verhalten in der Verfolgung, führten oder diese zumindest unterstützten. Tertullians Schriften, insbesondere „Scorpiace", „De fuga in persecutione" und „De corona" spiegeln, wenn auch zuweilen polemisch überspitzt, deutlich die unterschiedlichen Auffassungen wider, die in bezug auf die Frage christlichen Verhaltens in der Verfolgung vertreten wurden. Insofern sind

56 Vgl. Ad nat. 1,2 (CChr.SL I, 11,7-12): „Adeo quotidie adolescentem numerum Christianorum ingemitis; obsessam voeiferamini civitatem, in agris, in castellis, in insulis Christianos; omnem sexum, omnem aetatem, omnem denique dignitatem transgredí a vobis quasi detrimento doletis." 57 Vgl. Apol. 42,1-7 (CChr.SL I, 156,1-157,30). Zu diesem Vorwurf vgl. Georg Schöllgen, Die Teilnahme der Christen am städtischen Leben in vorkonstantinischer Zeit - Tertullians Zeugnis für Karthago, in: RQ 77 (1982), 3-13, der entgegen dieser Unterstellung aber betont, daß sich aus Tertullians Schriften kein Hinweis darauf ergebe, „daß sich die Christen vom Wirtschaftsleben der Stadt distanziert oder gar ausgeschlossen hätten". 58 Zu der Position der Gnostiker vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 79. 59 Zu der Frage, welche Gestalt der Montanismus hatte, der nach Afrika gelangte, vgl. Kap. 3.4, Anm. 261-263.

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sie als Ausdruck des in der karthagischen Gemeinde bestehenden Spannungsfeldes zu werten, innerhalb dessen Tertullian nachdrücklich und zumeist polemisch seine eigene Position bestimmt.

3. Die Deutung der Verfolgungssituation

3.1 Die Geschehensebene der Verfolgung Innerhalb der Äußerungen Tertullians zu den Christenverfolgungen zeigen sich zwei Ebenen, auf denen die Auseinandersetzung verstanden und dargestellt wird. Zum einen erscheint sie als politisch-rechtlicher Konflikt zwischen Heiden und Christen, d.h. als ein innerweltliches Phänomen. Zum anderen wird die Verfolgung als ein Geschehen begriffen, in dem die Gläubigen nicht menschlichen Gegnern, sondern dem hinter ihnen stehenden Teufel gegenüberstehen. In dieser Metaebene wird die mit politischen und juristischen Kategorien beschreibbare Auseinandersetzung transzendiert zu einem Konflikt mit kosmischer Bedeutung. Beide Deutungsebenen sind von Tertullian in jeweils unterschiedlichen literarischen Kontexten aufgegriffen worden. Die Differenz in der Betrachtung der Verfolgungssituation wie auch die Unterschiedlichkeit der Aufnahme beider Ebenen soll im folgenden dargestellt werden.

3.1.1 Die Verfolgung als innerweltliche Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen Die vorangegangene historische Einfuhrung hat gezeigt, daß sich in zahlreichen Schriften Tertullians die Situation der afrikanischen Christenheit in ihrer Konfrontation mit der heidnischen Umwelt widerspiegelt. Es finden sich bei ihm eine Vielzahl von Nachrichten über das konkrete Vorgehen gegen die Christinnen und Christen: So werden pogromartige Übergriffe seitens des Volkes von ihm ebenso überliefert wie Verurteilungen durch die römischen Magistrate; er erwähnt die Anwendung von Folter gegenüber den Christen1 ebenso wie die verschiedenen Formen der Kapitalstrafen, die über diese verhängt wurden. 2 Darüberhinaus

1 Vgl. z.B. Apol. 2,10-13 (CChr.SL I, 89,45-69); Ad Scap. 3,4 (CChr.SL II, 1129,27f); Ad Scap. 4,2 (CChr.SL II, 1130,5f); Scorp. 1,11 (CChr.SL II, 1070,12f). 2 In Tertullians Schriften finden sich Hinweise auf folgende Kapitalstrafen: Bergwerksstrafe („damnatio ad metalla": Apol. 12,5; 39,6; 44,3); Verbannung auf eine Insel („relegatio bzw. deportatio ad insulam": Apol. 12,5; 39,6); Verurteilung einer Christin zum Bordell („damnatio ad

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werden von ihm aber auch die politischen und juristischen Voraussetzungen für die Verfolgung der Christen angesprochen und untersucht; ebenso wirft er die Frage nach den entscheidenden Triebkräften des Vorgehens gegen die christlichen Gemeinden auf. Unter diesen Aspekten nimmt die Frage nach den juristischen Bedingungen der Verfolgung und dem prozessualen Vorgehen gegenüber den Christen bei Tertullian einen vorrangigen Platz ein. Nach ersten Anmerkungen zu diesem Thema in „Ad nationes"3 hat er sich in ausfuhrlicher Weise im „Apologeticum" mit dem Verlauf der Christenprozesse auseinandergesetzt und diesen einer harschen Kritik unterzogen. Er setzt dabei ein mit der apologetischen Feststellung, daß die eigentliche Ursache der Verurteilungen der Gläubigen in der Unkenntnis der Heiden über das Christentum zu suchen sei, denn nur auf ihrer „ignorantia" beruhe die den Christinnen und Christen entgegengebrachte Ablehnung. 4 Deutliches Indiz dieser Unwissenheit, die als Ursache wie auch als Konsequenz des Hasses gegen

lenonem": Apol. 50,12). Unter den verschiedenen Formen der Todesstrafe erwähnt er den Tierkampf („damnatio ad bestias": Apol. 12,4; 30,7; 44,3; 50,12; Ad nat. I, 3,10; 1, 18,1; Ad Scap. 3,6; Scorp. 1; De pat. 13; Ad mart. 4,2.9), die Enthauptung („gladius": Apol. 12,4; 30,7; Ad Scap. 4; Scorp. 1 ; Ad nat. I, 3,10; I, 18,1; De pat. 13; Ad mart. 4,2.9), die Kreuzigung („crux": Ad nat. I, 3,10; I, 18,1; Apol. 12,3; 30,7; 50,12; De pat. 13; Ad mart. 4,2.9), die Pfáhlung, („stipes": Apol. 12,3) und den Feuertod („ignis": Apol. 12,5; 30,7; Scorp. 1; D e pat. 13; Ad Scap. 4; 11; Ad nat. 1,18; Ad mart. 4,2.9; 5,1). „Damnatio ad bestias", „ad crucem" und „ad ignem" waren die besonders häufig über Christen verhängten Formen der Todesstrafe, die von Tertullian auch mehrfach in stereotyper Reihung aufgezählt werden (vgl. z.B. Ad mart. 4,9; De pat. 13). Zur Häufigkeit der Verhängung dieser Strafen über Christen vgl. auch Garnsey, Social Status, 126f. 130, der dort weitere Belegstellen zu ihrer Vollstreckung an diesen bietet. Eine ausführliche Übersicht über die allgemein in den ersten drei Jahrhunderten über Christen verhängten Strafen findet sich bei Paul Allard, Dix leçons sur le martyre, Paris 1907, 273-307. Die Unterschiedlichkeit der Urteile und Strafsentenzen weist darauf hin, daß die römischen Magistrate bei der Verhängung der Strafen gegen Christen einen Ermessenspielraum hatten. Vgl. Allard, D i x leçons, 282: „... a partir de la fin du second siècle, le choix des peines à prononcer contre les martyrs parait avoir été, presque toujours, laisse à l'arbitraire de leurs juges", sowie Freudenberger, Verhalten, 233, der als einen der wesentlichen Punkte des Reskriptes Hadrians an Minicius Fundanus, das in Ergänzung des Plinius-Trajan-Reskriptes die Rechtssituation der Christen im 2. Jhdt. bestimmte, anmerkt: A u f die Bestätigung des Christseins eines Angeklagten folge die Verhängung einer Kapitalstrafe, wobei „die konkrete Strafe ... dem Ermessen des Statthalters überlassen (bleibt); der Kaiser gibt nur die generellen Richtlinien." 3 4

Ad nat. I, 2f (CChr.SL 1, 12, 8-14,20).

Apol. 1,4-9 (CChr.SL I, 85,21-86,52); ähnlich schon Just., Apol. 1,3. Hintergrund dieser Vorstellung ist der sokratisch-platonische Gedanke, daß niemand freiwillig Unrecht tue, sondern nur auf Grund mangelnder Kenntnis. Vgl. U w e Kühneweg, Die griechischen Apologeten und die Ethik, in: VigChr 4 2 ( 1988), 114. Für Tertullian ist damit aber keine Entschuldigung der Unwissenden verbunden, vielmehr ist ihre Unkenntnis schuldhaft: „Malunt nescire, quia iam oderunt" (Apol. 1 , 9 ; CChr.SL I, 86,47). Zu der Frage der in der heidnischen Umwelt vorhandenen Kenntnisse über das Christentum vgl. Joseph Walsh, On Christian Atheism, in: VigChr 45 (1991), 264f; Robert L. Wilken, The Christians as the Romans saw them, N e w Haven/London 1984.

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die Christen zu verstehen sei, ist für Tertullian das durchweg ungerechte Vorgehen der Behörden diesen gegenüber. Um diese Ungerechtigkeit im juristischen Umgang mit Christinnen und Christen zu erweisen, bietet er eine detaillierte Darstellung des ihnen gegenüber durchgeführten Verfahrens und vergleicht dieses mit den für andere Strafprozesse gültigen Rechtsgrundlagen und Verfahrensnormen. Als Ausgangspunkt der Argumentation weist er auf das Vorurteil der Römer hin, daß es sich bei den Christen um Verbrecher handele. Unter dieser Voraussetzung müßten sie aber auch genauso wie jeder andere unter der Anklage eines Verbrechens Stehende behandelt werden.5 Daß demgegenüber in der Rechtspraxis aber eine fundamentale Ungleichbehandlung der Christen im Vergleich zu anderen Angeklagten festzustellen sei, erweist Tertullian an Hand verschiedener Aspekte des Verfahrens - der Möglichkeit einer Verteidigungsrede, der Zulässigkeit der Fahndung nach den „Delinquenten" und der Funktion der Folter innerhalb des Prozesses. Während in jedem anderen Strafprozeß den Angeklagten die Möglichkeit einer Verteidigungsrede offenstünde, erlaube man den Christen nicht, sich ausführlich zu verteidigen; Ziel der Befragung sei vielmehr ausschließlich das Bekenntnis des Christseins.6 Im Unterschied zu anderen Verbrechen, bei denen nach den genauen Umständen, nach der „Beschaffenheit" (qualitas) der Tat, nach Ort, Zeit und Mittätern gefragt werde, erfolge nach dem Bekenntnis des Christseins auch keinerlei Untersuchung mehr über die den Christen zur Last gelegten Verbrechen.7 Nach jedem Verbrecher dürfe gefahndet werden, die Christen allein hingegen stünden auf Grund des Reskriptes Trajans an Plinius8 unter dem Vorbehalt, daß nach ihnen nicht geforscht werden dürfe (solum

5 Apol. 2,1 (CChr.SL I, 87,1-4): „Si certum est denique nos nocentissimos esse, cur a vobis ipsis aliter tractamur, quam pares nostri, id est ceteri nocentes, cum eiusdem noxietatis eadem tractatio deberet intervenire?" 6 Apol. 2,2f (CChr.SL I, 87,4-11): „Quodcumque dicimur, cum alii dicuntur, et proprio et mercennario ore utuntur ad innocentiae suae commendationem; respondendi, altercandi facultas patet, quando nec liceat indefensos et inauditos omnino damnari. Sed Christianis solis nihil permittitur loqui quod causam purget, quod veritatem defendat, quod iudicem non faciat iniustum; sed illud solum exspectatur, quod odio publico necessarium est: confessio nominis, non examinatio criminis." 7 Apol. 2,4f (CChr.SL I, 87,11-88,19): „quando, si de aliquo nocente cognoscatis, non statim confesso eo nomen homicidae vel sacrilegi vel incesti vel publici hostis (ut de nostris eligiis loquar) contenti sitis ad pronuntiandum, nisi et consequentia exigatis, qualitatem facti, numerum, locum, tempus, conscios, socios? De nobis nihil tale, cum aeque extorqueri oporteret quod de falso iactatur, quot quisque iam infanticidia degustasset, quot incesta contenebrasset, qui coqui, qui canes adfuissent." 8 Vgl. Apol. 2,7 (CChr.SL I, 88,31f): „Tunc Traianus rescripsit, hoc genus inquirendos quidem non esse, oblatos vero puniri oportere."

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Christianum inquirí non licet).9 Spräche dies eigentlich für ihre Unschuld, erschienen sie andererseits aber doch als Schuldige, da sie denunziert und verurteilt werden könnten.10 Über diesen eklatanten inneren Widerspruch in dem Vorgehen der Heiden gegen die Christen hinaus stellt Tertullian die Diskrepanz im Umgang mit der Folter in Christen- und in anderen Strafprozessen heraus: Während bei den übrigen Verbrechen die Folter dazu diene, im Falle der Leugnung doch noch ein Geständnis herbeizufuhren, werde sie bei den Christen umgekehrt nach dem bereits erfolgten Bekenntnis zum Zwecke der Ableugnung eingesetzt - eine Differenz, die Tertullian im entsprechenden Zusammenhang in „Ad nationes" nur mit dem Ausruf „quae tanta perversitas" quittieren kann.11 Wenn es sich bei dem Bekenntnis zum Namen Christi tatsächlich um ein in dem Prozeß zu erweisendes Verbrechen handelte - so die weitere Argumentation im „Apologeticum" - , müßte die Anwendung der Folter doch auch bei den Christen auf ein Geständnis zielen.12 Das Ziel eines Verbrecherprozesses sei das Geständnis des Verbrechens, Ableugnung stoße hier kaum auf Glauben; demgegenüber bestehe das Ziel eines CVzräiewprozesses in der Ableugnung, die, anders als in einem anderen Strafprozeß, auch akzeptiert werde.13 Die Aufzählung dieser Unterschiede zwischen gewöhnlichen Strafprozessen und Christenprozessen, in denen die angeklagten Christen nach Tertullians Einschätzung „contra formam iudicandorum malorum",

9 Apol. 2,6-9 (CChr.SL I, 88,22-89,44). Dieser Beleg bei Tertullian unterstützt - entgegen der noch bei Richard Heinze, Tertullians Apologeticum, Leipzig 1910, 302, geäußerten Auffassung („... sicher hat zu Tertullians Zeit die Bestimmung Trajans nicht mehr in Kraft gestanden ..."), die in Kap. 2 getroffene Feststellung, daß das Reskript Trajans auch im Afrika des ausgehenden 2. Jhdts. maßgeblich für die Art des Vorgehens gegen die Christen war. Vgl. Molthagen, Staat, 35f. Als ein Argument zur Herausstellung der Inkonsequenz des Vorgehens der römischen Magistrate wird diese Bestimmung erstmals von Tertullian angeführt, die früheren Apologeten beziehen sich nicht darauf; möglicherweise war der in Latein abgefaßte und überlieferte Briefwechsel ihnen nicht bekannt. 10 Apol. 2,8f (CChr.SL I, 88,37-88,44): „Latronibus vestigandis per universas provincias militaris statio sortitur; in reos maiestatis et públicos hostes omnis homo miles est: ad socios, ad conscios usque inquisitio extenditur. Solum Christianum inquirí non licet, offerii licet, quasi aliud esset actura inquisitio quam oblationem. Damnatis itaque oblatum, quem nemo voluit requisitum; qui, puto, iam non ideo meruit poenam, quia nocens est, sed quia non requirendus inventus est." " Ad nat. I, 2,2 (CChr.SL I, 12,12-14). 12 Apol. 2,10 (CChr.SL I, 89,45-49): „Sed nec in isto ex forma malorum iudicandorum agitis erga nos, quod ceteris negantibus tormenta adhibetis ad confitendum, solis Christianis ad negandum, cum, si malum esset, nos quidem negaremus, vos vero confiteri tormentis compelleretis". Auf die unterschiedliche Zielrichtung der Folter bezieht sich auch Minucius Felix (Oct. 28,3; CSEL II, 41,10-12). 13 Apol. 2,13 (CChr.SL I, 89,67-69): „Plane aliis negantibus non facile fidem accomodatis: nobis, si negaverimus, statim creditis." Ebenso Ad nat. I, 2,3 (CChr.SL I, 12,18f)·

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d.h. entgegen den Vorschriften für Kriminalprozesse14, und keinesfalls entsprechend den Grundsätzen eines Rechtsstaates behandelt würden15, mündet in die grundsätzliche Beobachtung einer im Vergleich zu dem Umgang mit den anderen „Verbrechern" völlig abweichenden Behandlung der Christinnen und Christen: „... in omnibus aliter nos disponitis quam ceteros nocentes."16 Diese fundamentale Diskrepanz führt für ihn zu dem zwingenden Fazit, daß es sich bei dem Gegenstand der Christenprozesse - im Unterschied zu demjenigen, der in den anderen Strafprozessen verhandelt werde - keinesfalls um ein Verbrechen handeln könne; nicht um ein solches gehe es dort, sondern vielmehr um das „nomen", d.h. das Christsein an sich.17 Mit seinen detaillierten Ausführungen zum „ungerechten" und „widersinnigen"18 juristischen Vorgehen gegenüber den Christen verfolgt Tertullian im Rahmen des „Apologeticums" das Ziel, die prinzipielle Ungerechtigkeit jeglicher

14 Diese Formulierung in Ad nat. I, 2,1 (CChr.SL I, 12,8), in Apol. 2,10 (CChr.SL I, 89,45f) schreibt Tertullian ähnlich: „Sed nec in isto ex forma malorum iudicandorum agitis erga nos ...". Vgl. auch die Formulierung Apol. 2,14 (CChr.SL I, 89,71-90,72): „... adversus formam, adversus naturam iudicandi, contra ipsas quoque leges ...". Zu der Erläuterung im Text vgl. die bei J.P. Waltzing, Tertullien. Apologétique. Bd. II. Commentaire analytique, grammatical et historique, Paris 1919, 22, gegebene Übertragung von „forma malorum iudicandorum" im Sinne von „les lois de la procédure criminelle". 15 Vgl. Apol. 2,14 (CChr.SL I, 90,72-76): „Nisi fallor enim, leges malos erui iubent, non abscondi, confeseos damnari praescribunt, non absolui. Hoc senatus consulta, hoc principum mandata definiunt. Hoc imperium cuius ministri estis, civilis, non tyrannica dominatio est." Die Nichtentsprechung der Magistrate gegenüber den Gesetzen der „civilis dominatio" drückt Tertullian in Apol. 2,17 (CChr.SL I, 90,87) aus: „Praevaricaris in leges." 16 Apol. 2,18 (CChr.SL I, 90,94f). Zur Funktion dieser Betonung der durchgängigen Ungleichbehandlung und der Singularität des Vorgehens gegen die Christen vgl. Louis J. Swift, Forensic Rhetoric in Tertulliano Apologeticum, in: Latomus 27/2 (1968), 868f., der die Intention der Argumentation Tertullians darin sieht, Empörung, (indignatio) über das den Christen gegenüber geübte Verfahren zu erregen. " Apol. 2,18 (CChr.SL I, 90,97f): „... intellegere potestis, non scelus aliquod in causa esse, sed nomen ...". Mit einer entsprechenden Intention hat sich Tertullian auch in „Ad Scapulam" mit der Art der römischen Christenprozesse auseinandergesetzt. Auf Grund des Charakters dieser Schrift als „Gelegenheitsschrift", die sich direkt an den Prokonsul Scapula wendet und nur kurz einzelne Punkte, die bereits im „Apologeticum" ausführlich erörtert worden waren, aufgreift, wird hier lediglich in prägnanter Weise das Ergebnis der detaillierten Argumentation von Apol. 2 angeführt: „Videtis ergo quomodo ipsi vos contra mandata faciatis, ut confesses negare cogatis. Adeo confïtemini innocentes esse nos, quos damnare statim ex confessione non vultis. Si autem contenditis ad elidendos nos, iam ergo innocentiam expugnatis" (Ad Scap. 4,2; CChr.SL II, 1130,610). 18 Zur Charakterisierung des Verfahrens gegen die Christen verwendet Tertullian mehrfach den starken Ausdruck „perversitas" bzw. „perversus" (Apol. 2,11.13.14.17; CChr.SL I, 89,52.66.70; 90,89; Ad nat. I, 2,2; CChr.SL I, 12,12).

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Feindschaft gegenüber den Christen seitens der Heiden zu erweisen. 19 Um dieser grundlegenden Intention apologetischer Argumentation20 gerecht zu werden, ist es für ihn notwendig, eine auch für seine heidnischen Adressaten evidente Argumentationsebene einzunehmen. Gegenüber den von Tertullian angesprochen „Romani imperii antistites"21, für die das „Christenproblem" wesentlich eine mit juristi-

19 Vgl. Apol. 4,1 (CChr.SL I, 92,1-3): „Atque adeo, quasi praefatus haec ad suggillandam odii erga nos publici iniquitatem, iam de causa innocentiae consistam." Unterschiedlich wird in der Forschung die konkret hinter dem Erweis der „iniquitas" stehende Intention Tertullians verstanden: Während es nach Becker, Apologeticum, 303, in der Darstellung der Ungerechtigkeit der Christenprozesse für Tertullian primär darum geht, den „Widersinn, das Absurde und Perverse des ganzen Daseins der Heiden" aufzuzeigen und zu entlarven, „weil sie ein Symptom sind und sich in ihnen der Widersinn des heidnischen Treibens am stärksten ausgeprägt hat", geht Swift, Forensic Rhetoric, 876f, davon aus, daß dieser Erweis direkt Einfluß nehmen solle auf die Haltung der heidnischen Umwelt: „The apologist's purpose ... was to bring his audience face to face with the paradox of Christian practice and pagan condemnation in the hope that such a confrontation would eventually effect a change in the pagan mind." Sehr differenziert im Blick auf den Adressatenkreis, der unter den gebildeten Römern zu suchen sei, urteilt Barnes, Tertullian, 109f: „Throughout, however, Tertullian seeks to divide all his educated readers from the blind prejudices of the mob, who were not likely to read the Apologeticum." Ähnlich sieht Eckert, Orator Christianus, 56f, diesen Abschnitt des „Apologeticums" zum Zweck der Polarisation des Leserpublikums verfaßt. 20 Vgl. Michele Pellegrino, Studi su l'Antica Apologetica, Rom 1947, 121. Vor Tertullian zeigt sich diese Intention insbesondere bei Justin (Apol. II). 21 Apol. 1,1 (CChr.SL I, 85,2). Umstritten ist, wer genau mit dieser Bezeichnung gemeint ist: Während nach Heinze, Apologeticum, 286, hiermit die „praesides", die Provinzstatthalter, allgemein angesprochen sind, da Tertullian „die Verbreitung seiner Schrift nicht auf seine Heimat beschränkt wissen will", meint letzterer nach Schöllgen, Ecclesia sordida, 100, mit dieser Bezeichnung „im untechnischen Gebrauch des Wortes" konkret den karthagischen Prokonsul zusammen mit den Provinzlegaten, die den Prokonsul, der die uneingeschränkte Zivil- und Strafgerichtsbarkeit ausübte, in der Rechtsprechung unterstützten. Im Unterschied zu den ersten griechischen Apologeten, die sich in ihren Schriften an die jeweiligen Kaiser wandten, richtet Tertullian sich also entweder an alle oder zumindest an die karthagischen Provinzmagistrate, von denen das Verfahren gegen die Christen abhängig war. Tertullian verfolgte nach Richard Klein, Tertullian und das römische Reich, Heidelberg 1968, 38, mit dieser Adressierung das Ziel, das Verhalten der staatlichen Organe sowie auch das des Volkes anklagen, dabei aber das von ihm positiv gewertete Kaisertum von der Kritik ausnehmen zu können. Nach Becker, Apologeticum, 290f, sollen die für die Verurteilungen von Christen verantwortlichen Statthalter und die Kaiser sogar gegeneinander ausgespielt und „die Kaiser als Bundesgenossen für die Christen in Anspruch genommen" werden (vgl. Apol. 5,4; 21,24; 30,1; 32,2). Vermutlich beruhte die Ausrichtung der apologetischen Schriften Tertullians auf die Prokonsuln und Legaten auf der klaren und pragmatischen Einsicht, daß die unmittelbare Gefahr für die Christen von den Statthaltern, nicht von den Kaisern ausging, und sie insofern auch direkt auf Fehler und Unzulänglichkeiten in ihrer Beurteilung und Behandlung der Christen anzusprechen seien. In eine ähnliche Richtung geht die bei A.N. Sherwin-White, The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary, Oxford 1966, 782f, geäußerte Einschätzung, daß der den Prokonsuln zustehende Spielraum in Verfahrensablauf und Urteils verhängung den unmittelbaren Grund dafür darstellte, daß Tertullian sich mit dem im „Apologeticum" unternommenen Versuch der Beeinflussung direkt an sie wandte: „... it lay in the governor's discretion whether to accept or refuse accusations, how to manage the case if accepted, and how to sentence the guilty, whether to a

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sehen Mitteln zu bewältigende Problematik darstellte, konnte eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Prozeßverfahren und eine breite Aufnahme juristischer Argumentationsformen22, die ihn von seinen Vorgängern in der griechischen Apologetik unterscheidet23, diesen Zweck erfüllen. Die Betrachtung der Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen unter juristischen Gesichtspunkten, d.h. ihr Verständnis als eines wesentlich im Bereich des Rechts angesiedelten, innerweltlichen Konfliktes, beruht also auf der primär auf heidnische Adressaten ausgerichteten apologetischen Zielsetzung der Ausführungen zur Verfolgung im „Apologeticum". Neben den juristischen Aspekten des Verfolgungsgeschehens finden sich in apologetischen Kontexten noch weitere Äußerungen, in denen die Verfolgung als immanentes Ereignis verstanden wird. So greift Tertullian mehrfach die Frage der

particular form of death, or to the mines, or to relegation ... It is because the governors enjoyed such discretion that Tertullian addressed his Apology and Ad Scapulam,..., to the governors and not the emperor; the remedy lay in the governor's arbitrium." Zu diesem Ermessensspielraum vgl. auch Anm. 2. 22 Bereits in der Alten Kirche wurde auf Tertullians juristische Kenntnisse hingewiesen (Eus., HE 11,2,4). In der Forschung ist aber sowohl die Herkunft als auch das Ausmaß seiner juristischen Bildung sehr unterschiedlich bewertet worden: So zeigt sich zum einen eine auf von Harnack zurückgehende Tendenz, Tertullian spezielle, auf einer besonderen juristischen Ausbildung beruhende Kenntnisse des Rechts zuzuschreiben (so z.B. Brandt, Ethik, 117). Die neuere Forschung neigt hingegen eher zu Skepsis gegenüber einer besonderen juristischen Bildung Tertullians. Vgl. z.B. Barnes, Tertullian, 24: „The legal knowledge of Tertullian is readily explicable by the easy hypothesis that he received a normal education." Eine differenzierte Betrachtung dieser Fragestellung findet sich bei Hallonsten, Satisfactio, 61-65, der als heute in der Forschung, insbesondere der französischen, dominierende Anschauung hervorhebt, daß Tertullian sicherlich juristische Kenntnisse hatte und Rechtstermini übernommen hat, aber von der Position eines Rhetors aus, nicht der eines Juristen; wesentlicher als juristische Fachkenntnisse seien bei ihm die Einflüsse der Rhetorik. Für den englischsprachigen Bereich vgl. ähnlich Bray, Holiness, 31. 23 Die gegenüber der griechischen Apologetik neue eingehende Beschäftigung mit dem Prozeßverfahren in Tertullians „Ad Nationes", wesentlich stärker dann noch im „Apologeticum", betonen Becker, Apologeticum, 290; Alexander Beck, Römisches Recht bei Tertullian und Cyprian. Eine Studie zur frühen Kirchenrechtsgeschichte, Halle 1930, 52f. Vor Tertullian wird lediglich bei Justin die Rechtsfrage bereits als eigenständiges Thema aufgegriffen (Apol. 0,2); sowohl in der Ausführlichkeit als auch in der Durchdringung dieser Frage bleibt letzterer aber hinter Tertullian zurück. Einen neuen Abschnitt innerhalb der Apologetik bezeichnet auch die verstärkte Aufnahme juristischer Argumentationsformen in Tertullians „Apologeticum". So leitet nach Altaner/Stuiber, Patrologie, 151, „das Apologeticum ... die Apologetik von der philosophischen Linie auf die juristische über." Trotz vereinzelter Gegenstimmen (so z.B. Paul Keresztes, Tertullian's Apologeticus: a Historical and Literary Study, in: Latomus 25 (1966), 124-133) wird das „Apologeticum" herkömmlicherweise als Traktat in der Form einer forensischen Rede betrachtet, der entsprechende rhetorische Merkmale aufweist. Vgl. die für die Etablierung dieses Verständnisses des „Apologeticums" grundlegende Untersuchung von Heinze, Apologeticum, passim. Zu der Verwendung forensischer Rhetorik bei Tertullian vgl. weiter Swift, Forensic Rhetoric, 864-877; Robert Dick Sider, Ancient Rhetoric and the Art of Tertullian, Oxford 1971; Eckert, Orator Christianus, passim.

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konkreten Urheberschaft der Verfolgungen gegen die Christen auf. Die grundsätzliche Feststellung, daß den Christinnen und Christen alle Machthaber dieser Welt feindlich gegenüberstünden24, erfährt in apologetisch ausgerichteten Zusammenhängen eine nach dem Grad der Feindseligkeit und dem Ausmaß des tatsächlichen Vorgehens gegen die Christen differenzierte Betrachtung. Tertullian beurteilt dabei die Rolle der Kaiser im Verfolgungsgeschehen ebenso wie diejenige der Provinzmagistrate und des Volkes und bezieht eindeutig Stellung, wo seiner Auffassung nach die Verantwortung für die Verfolgungen zu suchen sei. Zur Beurteilung der Stellung der Kaiser im Zusammenhang des Verfolgungsgeschehens greift er im „Apologeticum" auf die Verfolgungsgeschichte des 1. und 2. Jahrhunderts zurück. Unter Aufnahme einer apologetischen Tradition stellt er diese so dar, daß alle Verfolgungen grundsätzlich nur von anerkannt schlechten Kaisern ausgegangen seien: „Tales semper nobis insecutores, iniusti, impii, turpes ,..".25 Als Prototypen dieser ungerechten, verkommenen und deshalb eo ipso christenverfolgenden Kaiser erscheinen bei ihm Nero26 und Domitian27 — eine Vor24

De idol. 18,8 (CChr.SL Π, 1120,3-5): „... omnes huius saeculi potestates et dignitates,... per illas adversus dei servos supplicia consulta sunt...". 25 Apol. 5,4 (CChr.SL I, 95,19f). In ähnlicher Weise schreibt er in Apol. 5,7 (CChr.SL I, 96,3 lf) die Christengesetze den „impii iniusti, turpes truces, vani dementes" zu. In diesen Äußerungen zeigen sich erste Ansätze des zuerst bei Laktanz und Eusebius deutlich hervortretenden, politische und moralische Kategorien vermischenden, Bildes des grundsätzlich schlechten Christenverfolgers: „Quis enim iustitiam nisi malus persequatur?" (Lakt., De mort.pers. 4,1). Zu diesem Bild vgl. Campenhausen, Idee, 157f. Zu der in der Zeichnung der moralischen Verwerflichkeit der christenverfolgenden Kaiser stattfindenden Anknüpfung an pagane politische Polemik vgl. Opelt, Polemik, 22. 26 In Apol. 5,3 (CChr.SL I, 95,12-15) heißt es von Nero, dem „dedicator damnationis nostrae": „Consulite commentarios vestros, illic reperietis primum Neronem in hanc sectam cum maxime orientem Caesariano gladio ferocisse." Apol. 21,25 (CChr.SL I, 127,131) spricht von der „Neronis saevitia", durch die Christen ihr Blut vergossen hätten. Vgl. Ad nat. I, 7,8 (CChr.SL I, 18,22): „... Nerone damnatio invaluit ..."; Scorp. 15,3 (CChr.SL II, 1097,1 lf): „Vitas Caesarum legimus: orientem fidem Romae primus Nero cruentavit". Die Tradition von Nero als erstem grausamen Verfolger hat sich bei Tertullian auch in der Vorstellung eines „institutum Neronianum" (Ad nat. I, 7,9; CChr.SL I, 18,27f) niedergeschlagen, die - unabhängig von der viel diskutierten Frage der Interpretation dieses Terminus - zunächst einmal den für die Folgezeit maßgeblichen Beginn eines Vorgehens gegenüber Christen mit dem Namen Nero verbindet. Zur Diskussion um die Deutung dieser Stelle vgl. Freudenberger, Verhalten, 5-7. 27 Domitian wird dabei von Nero sogar noch positiv abgehoben: „Temptaverat et Domitianus, portio Neronis de crudelitate; sed quia homo, facile coeptum repressit, restitutis etiam quos relegaverat."(Apol. 5,4; CChr.SL I, 95,17-19). Die Tradition vom Abbruch der Verfolgung gegen die Christen hat Tertullian nach Moreau, Christenverfolgung, 39, von Hegesipp übernommen; in bezug auf die Aufhebung der Verbannungen, die dort nicht berichtet wird, vermutet Jakob Speigl, Der römische Staat und die Christen - Staat und Kirche von Domitian bis Commodus, Amsterdam 1970, 34, die Vermischung der Nachricht vom Abbruch der Verfolgung „mit einer römischen Tradition der Rückkehr von Verbannten nach Domitians Tod." Im Gegensatz zu der Kennzeichnung Domitians

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Stellung, die sich schon vor Tertullian in der apologetischen Literatur, zuerst bei Melito von Sardes, findet.28 Im Gegensatz zu den „Christenverfolgern" Nero und Domitian werden alle anderen, die „guten und gerechten" Kaiser, von Tertullian entlastet. Unter ihnen habe es keinen Christenfeind gegeben29, sie hätten sich mo-

zumindest als partiellem Verfolger bei Tertullian und in anderen Teilen der altkirchlichen Literatur (vgl. Anm. 28) ist aber die Frage nach der Historizität eines tatsächlich in die Zeit Domitians zu datierenden Vorgehens gegen Christen in der Forschung umstritten: Gegen die Wahrscheinlichkeit einer „domitianischen Christenverfolgung" wendet sich Barnes, Legislation, 35f; skeptisch äußert sich auf Grund der geringen Belege Moreau, Christenverfolgung, 39f. Für ein Vorgehen gegen Christen unter diesem Kaiser votiert unter Verweis auf die ApkJoh und 1 .Clem 1,1 ; 7,1 hingegen Vogt, Christenverfolgung, 1167-70. 28 Eus., HE IV,26,9. Vgl. Barnes, Legislation, 34f. Nach Freudenberger, Verhalten, 7, bildete diese Darstellung das Modell für Tertullians Nero- und Domitianbild; dagegen Becker, Apologeticum, 361, Anm. 26. Die Verbindung zwischen der Überlieferung von den „schlechten" Kaisern Nero und Domitian und ihrer Charakterisierung als Christenverfolger in der christlichen Apologetik beruhte nach Speigl, Staat, 223f, darauf, daß die Apologeten, allen voran Melito, eine plausible, allgemeinverständliche Erklärung für das Auftreten von Verfolgungen gesucht hätten. So „boten sich damals als gängige Erklärung der Feindseligkeiten gegen die Christen die schlechten Kaiser (Nero und Domitian) an", deren Negativbild in der heidnischen Überlieferung bereits ausgestaltet worden war. Dort finden sich insbesondere bei Autoren aus senatorischen Kreisen, bei denen sich eine grundsätzliche Ablehnung überzogener Forderungen des Kaisertums zeigt, eine Vielzahl negativer Äußerungen sowohl über Nero als auch über Domitian. Nero erfährt eine negative Charakterisierung besonders bei Sueton (Vit.Ner. 26.35.38), aber auch bei Marc Aurel (Med. 111,16,1). Zu weiteren negativen heidnischen Urteilen über Nero vgl. Fritz Taeger, Charisma. Studien zur Geschichte des antiken Herrscherkultes, Bd. II, Stuttgart 1960, 314-320. Eine Vielzahl von Belegen bietet sich auch für die negative Sicht Domitians, der nach seinem Tod wie auch Nero der „damnatio memoriae" (der quasi offiziellen Seite ihrer Charakterisierung als „schlechte" Kaiser; vgl. Speigl, Staat, 224, Anm. 252) verfiel. Neben Sueton (Vit.Dom. 1.14) äußern sich auch Tacitus (Agr. 3,1), Plinius (ep. X,52,4; 97,1; Pan.Trai. 94,2) und Juvenal (Sat. I,4,38.85f) negativ über diesen Kaiser. Eine Reihe weiterer Belege fur die negative Sicht der Herrschaft Domitians bei den genannten und bei weiteren zeitgenössischen und späteren antiken Autoren bietet Christiana Urner, Kaiser Domitian im Urteil antiker literarischer Quellen und moderner Forschung, Augsburg 1993, 226-280. 29 Vgl. Apol. 5,5 (CChr.SL I, 96,22-24): „Ceterum de tot exinde principibus ad hodiernum divinum humanumque sapientibus edite aliquem debellatorem Christianorum!" Die Vorstellung, daß kaum Kaiser tatsächlich Christen verfolgt hätten, hat ihre Wirkung v.a. bei Laktanz gezeitigt (vgl. De mort.pers. 3,4), der neben den Kaisern seiner Gegenwart nur fünf Kaiser als Christenverfolger benennt. Die Diskrepanz zwischen dem „idyllischen" Bild in der christlichen Apologetik von einer nur von wenigen Kaisem ausgehenden Verfolgungstätigkeit und der dort ebenfalls aufbewahrten gegenläufigen Erinnerung an eine häufige Gefahrdung der Christen auch unter den „offiziell" nicht christenverfolgenden Kaisern wird von Kurt Aland, The Relation between Church and State in Early Times: A Reinterpretation, in: JThS 19 (1968), 122-124, mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Loyalität der Christen gegenüber dem von Gott eingesetzten Kaiser und dem Staat erklärt. Ähnlich Jean-Claude Fredouille, Tertullien et l'Empire, in: RechAug 19 (1984), 127: „Sauf exceptions lamentables (Néron, Domitien), les chrétiens, et Tertullien le premier en Occident, ne considèrent pas le Empereur - qui est l'Empereur de tous les sujets - comme un ennemi. S'il y a persécution, ils en reportent la responsabilité sur son entourage ou sur ses subordonnés mal influencés par les démons."

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derat, z u m Teil sogar ausdrücklich schützend g e g e n ü b e r den Christen verhalten. A u s dieser Kategorie erwähnt er explizit Tiberius, V e s p a s i a n , Trajan, Hadrian, A n t o n i n u s Pius, M a r c Aurel und Lucius Verus. Tiberius h a b e i m Senat seine Stimme z u g u n s t e n der Christen abgegeben 3 0 , Marc Aurel sei sogar als „Beschützer" (protector) der Christen aufgetreten. Tertullian berichtet in d i e s e m Z u s a m menhang v o n e i n e m Brief Marc Aurels an den Senat, in w e l c h e m dieser angeblich die Rettung einer A r m e e in Germanien auf ein durch die G e b e t e v o n Christen h e r v o r g e r u f e n e s W a s s e r w u n d e r zurückführt. D i e Christen s e i e n zwar daraufhin nicht v o n Strafe befreit worden, aber der Kaiser habe ein schärferes V o r g e h e n g e g e n „accusatores" der Christen verfugt und sie auf d i e s e W e i s e geschützt. 3 1 V e s p a s i a n und Hadrian hätten e b e n s o w i e A n t o n i n u s Pius und L u c i u s V e r u s die v o n den „ U n g e r e c h t e n und Gottlosen" g e g e n die Christen verhängten G e s e t z e u m g a n g e n oder ihnen zumindest k e i n e n N a c h d r u c k verliehen. 3 2 E b e n s o wird bei ihm auch Trajan entschuldigt, die Christengesetze u m g a n g e n zu haben, i n d e m er verboten habe, nach den Christen zu suchen. 3 3 Mit diesen positiven Charakterisierungen römischer Kaiser, insbesondere Hadrians, A n t o n i n u s Pius' und Mark Aurels, greift Tertullian z u m Teil deutlich auf Traditionen der griechischen A p o l o g e t i k zurück. 3 4

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Apol. 5,2 (CChr.SL I, 94,7-95,10). Nach Waltzing, Tertullien, 34, handelt es sich hierbei um „une légende invraisemblable, dont l'origine est inconnue". Barnes, Legislation, 32f, geht davon aus, daß Tertullian selbst der Urheber dieser Überlieferung gewesen sei, während R.F. Evans, On the Problem of Church and Empire in Tertullian's Apologeticum, in: StPatr 14 (1976), 23, Anm. 2, Tertullians Notiz auf einen apokryphen Brief des Pilatus an Tiberius zurückfuhrt, der Tertullian bekannt gewesen sei (vgl. Apol. 21,24; CChr.SL I, 127,124f: „Ea omnia super Christo Pilatus ... Caesari tunc Tiberio nuntiavit..."). 31 Vgl. Apol. 5,6 (CChr.SL I, 96,24-30) 32 Apol. 5,7 (CChr.SL I, 96,30-35): „Quales ergo leges istae, quas adversus nos soli exsequuntur impii iniusti, turpes truces, vani dementes, quas Traianus ex parte frustratus est vetando inquirí Christianos, quas nullus Vespasianus, quamquam ludeaorum debellator, nullus Hadrianus, quamquam omnium curiositatum explorator, nullus Pius, nullus Verus impressit?" Die Formulierung „adversus nos" ist eine Korrektur des in CChr.SL gebotenen „non"; vgl. den dort angegebenen griechischen Paralleltext, der ,,καθ'ήμών" liest. 33 Apol. 5,7 (CChr.SL I, 96,32f). Vgl. dagegen aber die kritische Einschätzung des Fahndungsverbotes in Apol. 2,8 (CChr.SL I, 88,33-35): „O sententiam necessitate confusami Negat inquirendos ut innocentes et mandat puniendos ut nocentes. Parcit et saevit, dissimulât et animadvert«." 34 Sowohl Hadrian als auch Antoninus Pius werden schon von Justin positiv dargestellt: Hadrian wird von ihm als „ μ έ γ ι σ τ ο ς κ α ι ε π ι φ α ν έ σ τ α τ ο ς κ α ί σ α ρ " bezeichnet (Apol. 1,68,3), sein Reskript an Minicius Fundanus wird als Grundlage fur ein gerechtes Verfahren gegenüber Christen zitiert. An anderer Stelle wird ein gegen drei Christen ergangenes Urteil als nicht den Maximen des Antoninus Pius und Mark Aurels entsprechend bezeichnet (Apol. 11,2,16). Die bei Tertullian aufgenommene Überlieferung vom „Regenwunder" (vgl. dazu Dieter Berwig, Mark Aurel und die Christen, München 1970, 100-119) findet sich bereits bei Apollinaris von Hierapolis (Eus.,

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Die Ausführungen Tertullians zeigen deutlich, daß nicht die tatsächliche Erinnerung an Verfolgungen und Martyrien seine Darstellung der Verfolgungsgeschichte bestimmt, denn auch unter den von ihm so genannten „guten" Kaisern, nicht zuletzt besonders unter Mark Aurel, litten die Christen unter Verfolgungen.35

HE V, 5,4); nach Robert M. Grant, Greek Apologists of the Second Century, Philadelphia (1988), 85, legt die Identität des Kontextes bei Apollinaris und Tertullian (Apol. 5,6; Ad Scap. 4,7) eine direkte Übernahme von dem griechischen Apologeten nahe. Auch mit der grundsätzlich positiven Charakterisierung Marc Aurels steht Tertullian bereits in einer apologetischen Tradition: Melito von Sardes betont die Gerechtigkeit dieses Herrschers und stellt es als fraglich hin, ob eine in Asien ausgebrochene Verfolgung auf einem Erlaß dieses Kaisers beruhe (Eus., HE IV, 26,6f), Athenagoras von Athen (Apol. 37) bezeichnet ihn als einen der besten und würdigsten Kaiser. Ihre Fortsetzung findet diese apologetische Tradition einer positiven Haltung Marc Aurels zu den Christen bei Laktanz, der diesen Kaiser in „De mortibus persecutorum" nicht erwähnt, während er hingegen bei Eusebius (HE IV, 15,1) als Verfolger erscheint. 35 Die apologetische Tradition von dem christenfreundlichen Kaiser Mark Aurel steht zumindest in Diskrepanz zu den Überlieferungen über eine Vielzahl von Verfolgungen, die in die von Krisen geschüttelte Regierungszeit dieses Kaisers fallen. In erster Linie ist hier die Verfolgung von Vienne und Lyon zu nennen, bei der sich auch die Frage nach einer unmittelbaren Mitverantwortung des Kaisers stellt. So haben nach Josef Vogt, Die Religiosität der Christenverfolger, Heidelberg 1962, 14, „Kaiser und Senat... im Jahr 177 zusammen gewirkt, um den Priestern des Concilium Galliarum ... die Ausgaben für die Spiele im Amphitheater zu ermäßigen durch die Erlaubnis, an Stelle der unerschwinglich teuren Gladiatoren die zum Tod verurteilten Gefangenen billig zu erwerben und als rituelle Opfer bei den Spielen zu verwenden." Auch Berwig, Mark Aurel, 101, geht davon aus, daß der Kaiser „vermutlich nicht unerheblich zur Verschärfung der Verfolgung von 177 beigetragen hat." In bezug auf weitere Martyrien in diesem Zeitraum (Justin, Polykarp, sowie die in Eus., HE IV, 15,1-8; 23,2; 26,3 erwähnten Verfolgungen) läßt sich ein solcher Zusammenhang allerdings nicht herstellen; sie geben weniger Auskunft über die Haltung des Kaisers, denn über die Stimmung in den Provinzen. Einige der Martyrien dieses Zeitraums sind zudem in ihren Datierungen umstritten, insbesondere das Martyrium Polykarps. Grundsätzlich zu den Verfolgungen der Zeit Mark Aurels vgl. P.A. Brunt, Marcus Aurelius and the Christians, in: Carl Deroux (Hg.), Studies in Latin Literature and Roman History, Brüssel 1979, 483-520. Zur Stimmung dieser Zeit vgl. die bei dem Zeitgenossen Theophilus von Antiochien zu findende Behauptung, daß die Frommen von den Griechen schon seit j e verfolgt worden seien und noch immer täglich verfolgt würden; sie seien gesteinigt und getötet worden und bis in die Gegenwart würden sie mit grausamen Martern überzogen (Ad Autolyc. ΠΙ,30). In der modernen Forschung wird die Zeit Mark Aurels durchaus als Kumulationspunkt der Verfolgungen angesehen: „Bis zur Zeit der großen Christenverfolgung des Decius (249-251) gab es keine Epoche, in der die Christen einer derartig massiven Verfolgung ausgesetzt gewesen wären wie in der Mark Aurels." (Berwig, Mark Aurel, 101) Mark Aurels persönliche Haltung gegenüber den Christen zeigt sich in Med. XI,3,2, wo er deutlich seine Geringschätzung christlichen Märtyrertums ausdrückt. Zur Interpretation dieser Stelle vgl. Berwig, Mark Aurel, 90f; Butterweck, Martyriumssucht, 96; zu weiteren Stellen innerhalb der „Meditationes", die möglicherweise ebenfalls auf die Christen bezogen werden können, vgl. Berwig, Mark Aurel, 93-97, der aus den Belegstellen eine „strikt antichristliche Haltung Mark Aurels" schließt. Zu der aus der Gegenüberstellung der apologetischen Tradition und den Nachrichten über Verfolgungen aus der Zeit Mark Aurels erwachsenden Frage nach der Erklärung dieser Diskrepanz vgl. Berwig, Mark Aurel, 98f, der die positive Haltung Melitos und Athenagoras' als „captatio benevolentiae" versteht. Tertullian ist vermutlich von dieser apologetischen Tradition abhängig.

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Vielmehr sind seine Ausführungen geprägt von der apologetischen Vorstellung einer Gleichsetzung von „schlechten" Kaisern und Christenverfolgern. Die Verbindung des Vorgehens gegen die Christen mit dem schlechten Charakter der jeweiligen kaiserlichen Urheber unterstreicht dabei die grundsätzliche Ungerechtigkeit der Christenverfolgungen. Im Blick auf den Schuldvorwurf gegenüber den Christen bot diese Darstellung die Möglichkeit, die Unschuld der Christen zu betonen, denn - so Tertullians Argumentation - handelte es sich bei ihnen tatsächlich um schlechte, d.h. schuldige Menschen, wären sie eher von den besten Kaisern verfolgt worden.36 In bezug auf das Verhältnis zum Kaisertum ermöglichte diese Darstellung Tertullian, die überwiegende Zahl der Kaiser vom Vorwurf der Verfolgung freizusprechen. 37 Dieses vorwiegend positive Bild der Kaiser der Vergangenheit setzt sich bis in seine Gegenwart fort. Der einzige namentlich erwähnte Kaiser seiner Zeit — Septimius Severus38 — erscheint in dem positivem Licht eines Verteidigers von Christen im Senatorenstand. 39 An keiner Stelle wird ihm bei Tertullian die politische Verantwortung für die Verfolgungen zur Zeit seiner Regierung zugeschrieben; ebensowenig erscheinen Commodus oder Caracalla in der Rolle der Urheber der Verfolgungen ihrer Regierungszeit. Tertullians Bewertung der Kaiser im Zusammenhang des Verfolgungsgeschehens entspricht zum einen der rechtlichen Situation seiner Zeit, in der es keine von den Herrschern unmittelbar ausgehenden Verfolgungen gab40, sondern lediglich lokal begrenzte Maßnahmen seitens der Provinzmagistrate. Die Stilisierung von zumindest indirekt christenverfolgenden Kaisern wie Trajan und Mark Aurel zu positiven Gestalten innerhalb der Geschichte des Christentums im römischen Staat zeigt aber, daß zum anderen auch eine - besonders in apologetischen Kontexten

36

Apol. 5,8 (CChr.SL I, 96,35-37): „Facilius utique pessimi ab optimis quibusque, ut ab aemulis, quam a suis sociis eradicandi iudicarentur." Der Gedanke, daß die Schlechtigkeit der Verfolger den Christen zum Ausweis ihrer „Güte" und Unschuld dient, findet sich auch in bezug auf die Verfolgung durch Nero ausgedrückt: „Tali dedicatore damnationis nostrae etiam gloriamur: qui enim seit illum, intellegere potest non nisi grande aliquod bonum a Nerone damnatum" (Apol. 5,3; CChr.SL I, 95,15-17). 37 Dies spricht deutlich gegen die bei Opelt, Polemik, 22, zu findende Pauschalaussage, „für ihn (sc. Tertullian) ist der Herrscher der Verfolger". 38 Ein (nicht namentlicher) Hinweis auf die „imperatores" Caracalla und Geta findet sich in De cor. 1,1 (CChr.SL II, 1039,2f); er dient aber lediglich der Datierung des Anlasses fur das von Tertullian berichtete Soldatenmartyrium, weitergehende Aussagen zu den Kaisern fehlen völlig. 39 Ad Scap. 4,6 (CChr.SL II, 1131,32-35): „Sed et clarissimas feminas et clarissimos viros Severus, sciens huius sectae esse, non modo non laesit, verum et testimonio exornavit, et populo furenti in nos palam resistit." Vgl. die Charakterisierung des Kaisers in Apol. 4,8 (CChr.SL I, 93,37) als „constantissimus prineipum". 40 Zu der Frage einer „Severianischen Christenverfolgung" vgl. Kap. 2, mit Anm. 22-25.

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herausgestellte - prinzipiell positive Haltung zur Institution „Kaisertum" hinter seiner Darstellung steht. Diese, in der Forschung allerdings nicht unumstrittene41, bejahende Haltung zum Kaisertum zeigt sich mehrfach deutlich im „Apologeticum" und in „Ad Scapulam".42 Das Kaisertum erhält dabei eine positive Funktion als von Gott eingesetzter Ordnungsmacht zugewiesen, deren Bestand das Kommen des Endes noch aufhalte.43 Mit dieser Funktion begründet Tertullian auch die Praxis der Christen, für den Kaiser zu beten, was als Ausdruck prinzipieller Loyalität erscheint.44 Diese Loyalität hat zwar fur ihn eine klar definierte Grenze:

41 Nach Opelt, Polemik, 22, ist Tertullian „in der Antithese von Kirche und Kaiser ... der erste und ein scharfer Kritiker". Thomas Gerhard Ring, Auctoritas bei Tertullian, Cyprian und Ambrosius, Würzburg 1975, 52, unterstellt Tertullian trotz aller positiven Äußerungen bezüglich der Kaiser, „daß (er) in Wirklichkeit die Kaiser doch zu den schärfsten Gegnern des Christentums rechnet". In der überwiegenden Mehrzahl gehen die Forscher aber von einer vorwiegend zustimmenden Haltung Tertullians zum Kaisertum aus: So jüngst Karl Strobel, Das Imperium Romanum im „3. Jahrhundert": Modell einer historischen Krise? Zur Frage mentaler Strukturen breiterer Bevölkerungsschichten in der Zeit von Marc Aurel bis zum Ausgang des 3. Jh. n. Chr., Stuttgart 1993, 90, der von einer „stringent vertretene(n), bejahende(n) Haltung zu Imperium und Kaisertum als politischen und ordnungspolitischen Institutionen" bei Tertullian spricht. „Der unmittelbare Konflikt mit der staatlichen Herrschaft bleibt für ihn (sc. Tertullian)... auf einzelne Herrscher oder Statthalter beschränkt; er bezieht sich nicht auf die politische Institution als solche." In diesem Sinne hatte sich auch Fredouille, l'Empire, 121, geäußert: „Le temoignage de Tertullien est donc sans ambiguïté aucune: il ne saurait exister de conflit entre les chrétiens et l'Empereur ou l'Empire, mais seulement entre les chrétiens et des empereurs ou des gouverneurs de province. Ceci est beaucoup plus qu'une nuance, car le principe de la légitimité du pouvoir impérial comme celui du loyalisme des chrétiens demeure intact - et ce, en dépit des persécutions." Auch die älteren Darstellungen von Klein, Tertullian, 73-80; Becker, Apologeticum, 290f; Brandt, Ethik, 109; Quacquarelli, Persecuzione, 586f, sehen Tertullians Bewertung des Kaisertums als positiv an. Zur Diskussion um Tertullians Haltung zu Kaiser und Staat vgl. auch Fredouille, l'Empire, 111-113, sowie René Braun, Christianisme et pouvoir imperial, in: Aspects de l'œuvre de Tertullien, Toulouse 1990, 1-13. 42

Apol. 2,14; 5,4; 21,24; 30,1; 32,2; 33; 34,1; 36; Ad Scap. 2,6-8; vgl. De spect. 16; eingeschränkt De idol. 15. 43 Apol. 32,1 (CChr.SL I, 142,1-143,7). Tertullian bezieht - nach Ansätzen bei Aristides und Justin (Apol. 11,7) zum ersten Mal in der altkirchlichen Tradition in eindeutiger und positiver Weise (so Klein, Tertullian, 112) - die in 2.Thess 2,6 auftauchende Vorstellung des die Endzeit hemmenden „Katechon" auf das Imperium Romanum und das Kaisertum (De res.earn. 24,17f; CChr.SL II, 952,44-48), was nach Strobel, Imperium Romanum, 94, nichts weniger bedeutet als die „theologische Zuerkennung einer positiven Funktion im Heilsplan Gottes". Daneben spielt bei der Sicht des Imperiums als letztem Reich vor dem Ende der Zeiten auch die Auslegung des Weltreicheschemas aus Dan 2;7 eine Rolle. Für einen Überblick zu den hinter Tertullians Verständnis des römischen Reiches und des Kaisertums stehenden Traditionen vgl. Wemer Suerbaum, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff. Über Verwendung und Bedeutung von res publica, regnum, imperium und status von Cicero bis Jordanis, Münster 19702, 112f; zu dem paulinischen Erbe in der Bewertung des Reiches vgl. Braun, Christianisme, 4f. 44

Apol. 32,1 (CChr.SL I, 142,lf); vgl. auch Apol. 30,1 (CChr.SL I, 141,lf); Ad Scap. 2,8 (CChr.SL II, 1128,33-35). Zu dem in l.Tim 2,2 gebotenen und schon anderweitig in der apologetischen Tradition hervorgehobenen Gebet der Christen für den Kaiser (vgl. Just., Apol. 1,17; 11,7,1;

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Sie besteht „intra limites disciplina, quousque ab idololatria separamur".45 Dennoch führt sie fur Tertullian zu einer grundsätzlichen Entlastung der Kaiser im Blick auf die Verantwortung für die gefährdete Situation der christlichen Gemeinden. Eine andere Einschätzung bezüglich der Verantwortlichkeit für die Übergriffe gegenüber den Christen zeigt Tertullian, wenn er auf die Rolle der Provinzmagistrate zu sprechen kommt. In administrativer Hinsicht erscheinen die Statthalter als die eigentlichen Verfolger der Christen: „Quotiens enim in Christianos desaevitis, partim animis propriis, partim legibus obsequentes?" 46 Dabei fungierten sie nicht selten als willfährige Exekutivorgane des „Volkszorns", von dem sie sich beeinflussen ließen und auf den sie vielfach Rücksicht nahmen.47 Diese klare Zuweisung der Verantwortung für die juristische Seite der Verfolgung an die Adresse der Statthalter und Prokuratoren, die sich auch an anderen Stellen seines Werkes zeigt48, bedeutet für Tertullian aber keinesfalls eine Pauschalverurteilung der Inhaber dieses Amtes: Fälle, in denen Provinzmagistrate z.B. den Christen

Athen., Suppl. 37,3; Aristid., Apol. 16,6; Ep. ad Diogn. 6) vgl. Hans-Ulrich Instinsky, Die alte Kirche und das Heil der Kaiser, München 1963, 4Iff. 45

De idol. 15,8 (CChr.SL II, 1116,30f). Zu diesem Maßstab für die Loyalität vgl. Fredouille, l'Empire, 122-127. Auf der Basis dieses Maßstabs ist es den Christen verboten, für den Kaiser zu opfern (Apol. 28), einen Eid beim Genius des Kaisers zu leisten (Apol. 32), den Kaiser als „deus et dominus" zu bezeichnen (Apol. 33f) und die Kaisergedenktage in heidnischer Manier mitzufeiern (Apol. 35). 46

Apol. 37,2 (CChr.SL I, 147,4-6). Apol. 49,4 (CChr.SL I, 169,17-19): „De qua iniquitate saevitiae non modo caecum hoc vulgus exsultat et insultat, sed et quidam vestrum, quibus favor vulgi de iniquitate captatur, gloriantur..."; Apol. 50,12 (CChr.SL I, 171,51-53): „Sed hoc agite, boni praesides, meliores multo apud populum, si illis Christianos immolaveritis, cruciate, torquete, damnate, atterite nos ...". Die Beeinflussung der Provinzmagistrate durch das Volk spiegelt sich auch in Ad Scap. 4,3 (CChr.SL II, 1130,14f) wider: „...Vespronius Candidus, qui Christianum quasi tumultuosum civibus suis satisfacere dimisit." Nach Ulpian (Dig. 1,18,Iff) bestand die entscheidende Aufgabe der Statthalter in der Bewahrung der öffentlichen Ordnung; entsprechend groß war vermutlich zuzeiten die Nachgiebigkeit gegenüber einer machtvollen Parteiung im Volk. Die Verwurzelung des Vorgehens gegenüber Christen in gemeinsamen Vorurteilen des Volkes und der Magistrate betont Walsh, Christian Atheism, 255: „Without... popular hostility, prosecutions would not have taken place. Nor would the authorities have acted on these accusations had they not shared to some extent the prejudices and suspicions of the accusors. It was hostility at the popular and official levels which accounted for the afflictions of the Christians of that period (i.e. im 1. und 2. Jhdt.)." 47

Vgl. die Formulierung in De spect. 30,3 (CChr.SL I, 252,12: „... praesides persecutores dominici nominis ..."), die Beispiele christenverfolgender Statthalter in Ad Scap. 3,4f (CChr.SL II, 1129,18-1130,34), sowie die ausfuhrliche Auseinandersetzung mit dem von den Provinzmagistraten geübten juristischen Verfahren in Apol. 2 (CChr.SL I, 87,1-91,111), in der den Magistraten das Übertreten der bestehenden Gesetze zuungunsten der Christen vorgeworfen wird: „Praevaricaris in leges" (Apol. 2,17; CChr.SL I, 90,87). 48

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gegenüber angaben, wie sie sich zu verhalten hätten, um ohne Verurteilung entlassen zu werden49, oder in denen auf Grund juristischer Besonderheiten die Durchführung des Prozesses verweigert wurde50, werden von ihm ebenfalls aufgegriffen und in seiner Schutzschrift „Ad Scapulam" dem Prokonsul als positive Vorbilder vor Augen geführt.51 Neben den römischen Magistraten erscheint das heidnische Volk als wesentliche Triebkraft der Verfolgungen.52 Dessen christenfeindliche Stimmung resultiere häufig aus Unglücksfällen und Katastrophen, für deren Auftreten die Christen verantwortlich gemacht würden: „Si Tiberis ascendit in moenia, si Nilus non ascendit in rura, si caelum stetit, si terra movit, si fames, si lues ,.."53 - dann erhebe sich sofort das Geschrei: „Christianos ad leonem!".54 Zuweilen hatten an dieser feindseligen, antichristlichen Stimmung wohl auch Heiden innerhalb religionsver-

49

Vgl. Ad Scap. 4,3 (CChr.SL II, 1130,10-13).

50

Ad Scap. 4,3 (CChr.SL II, 1130,18-21): „Pudens etiam missum ad se Christianum, in elogio concussione eius intellecta, dimisit, scisso eodem elogio, sine accusatore negans se auditurum hominem secundum mandatum." „concussio" bedeutete, daß ein Angeklagter sich der Anklage entzog, indem er seinen Ankläger eines noch größeren Verbrechens bezichtigte, in diesem Fall des Christseins. Ad Scap. 5,1 (CChr.SL II, 1131,4-1132,8) weist auf einen Prokonsul in Asien, Arrius Antoninus, hin, der von einigen Christen, die sich freiwillig gestellt hatten, nur ein paar abführen ließ und den Rest wegschickte. Zu den genannten Fällen vgl. Molthagen, Staat, 37, Anm. 115. 51 Ad Scap. 4,1.3 (CChr.SL II, 1130,2f. 10-12): „Potes et officio iurisdictionis tuae fungi et humanitas meminisse ... Quanti autem praesides, et constantiores et crudeliores, dissimulaverunt ab huius modi causis!" 52 Apol. 35,8 (CChr.SL I, 146,37f): „Ut vulgus, tarnen Romani, nec ulli magis depostulatores Christianorum quam vulgus." Das Volk als treibende Kraft hinter den Verfolgungen erscheint auch De spect. 27,1; De exhort.cast 12; Apol. 9; 37; 50; Ad Scap. 3,1; 4, 3.7; De fuga 12,1; Scorp. 10; De res.carn. 22,9. In der altkirchlichen Martyriumsliteratur zeigt sich vielfach eine ähnliche Einschätzung der Rolle des Volkes: z.B. Mart.Pol. 3; 12; Athen., Suppl. 1; Eus., HE V, 1,7; VI, 41,1-9. Zu Überlegungen in bezug auf die hinter der öffentlichen Abneigung gegen das Christentum zu vermutenden Motive vgl. z.B. Marta Sordi, The Christians and the Roman Empire, London/Sydney 1986, 194-203. 53 Apol. 40,2 (CChr.SL 1,153,8f); vgl. Ad nat. I, 9,2 (CChr.SL I, 22,35-23,7). Wie umfassend dieser Schuld vorwurf war, betont Eckert, Orator Christianus, 120: Der Leser erfahrt, „daß es weder nah noch fern (Tiberis-Nilus), weder oben noch unten (caelum-terra), weder in diesem Bereich der Natur noch im unmittelbaren menschlichen Leben (fames-lues) ein Unheil gibt, das man nicht den Christen zur Last legt." Die Auseinandersetzung mit diesem bei Tertullian erstmals in der christlichen Literatur referierten Schuldvorwurf zieht sich durch über Firmilian (Cypr., ep. 75,10); Arnob., Adv. nat. 1,1-22 bis zu Aug., De civ. Dei 1,1-3,31. Letzterer nimmt in De civ. Dei 2,3 (CChr.SL XL VII, 36,3) den Spruch „Pluvia défit, causa Christian! sunt" auf, der nach Eric R. Dodds, Heiden und Christen in einem Zeitalter der Angst - Aspekte religiöser Erfahrung von Marc Aurel bis Konstantin, Frankfurt/M. 1985, 102 eine etablierte „volkstümliche Redensart" darstellte. 54 Auf diesen „Schlachtruf' weist Tertullian mehrfach hin: Apol. 40,2 (CChr.SL I, 153,8f); De spect. 27,1 (CChr.SL I, 249,3); De exhort.cast. 12,4 (CChr.SL II, 1032,28f); De res.carn. 22,9

( C C h r . S L II, 9 4 9 , A l f ) .

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55

schiedener Familien 55 teil, die ihre eigenen Verwandten oder Hausherrn verrieten.56 Die heidnische Bevölkerung erhält so bei Tertullian eine wesentliche Verantwortung für das Vorgehen gegen die Christen sowohl in der Vergangenheit als auch zu seiner Zeit zugeschrieben. In der Literatur ist zudem zuweilen vertreten worden, daß er auch der jüdischen

Bevölkerung eine maßgebliche Be-

teiligung an aktuellen Verfolgungssituationen zuschreibe. 57 Die wenigen Stellen, in denen er einen Zusammenhang zwischen der Verfolgung der Christen und den Juden herstellt, insbesondere die Formulierung „synagoga(e) Iudaeorum fontes persecutionum"58, beziehen sich demgegenüber aber eher auf die ersten Auseinandersetzungen in Palästina, denn auf gegenwärtige

Verfolgungssituationen. 59

55 Nach Schöllgen, Teilnahme, 23, waren Familien mit heidnischen und christlichen Familienmitgliedern, „solange die Kirche in Karthago eine missionierende Minderheit blieb,..., nicht selten". Bei Tertullian finden sich Hinweise auf Konversionen einzelner Ehepartner, Kinder und Sklaven (Apol. 3,4; CChr.SL I, 91,18-21), sowie auf Ehen, die zwischen Christinnen und Heiden geschlossen wurden (Ad ux. II, 2,1; CChr.SL I, 3 8 4 , l f ) . 56 Vgl. Scorp. 10,11 (CChr.SL II, 1089,15-18), wo Tertullian gegen die Behauptung einer Bekenntnispflicht erst im Himmel in gnostischen Kreisen argumentiert, daß dann ja auch alle Bedingungen, die die Verfolgung auf Erden kennzeichneten, im Himmel zu finden sein müßten. Dazu gehörten auch „fratres nostros et patres et filios et socrus et nurus et domésticos nostros.... per quos traditio disposita est." Daß Verfolgungen auch „a proximis" vorhergesagt seien, betont er in Adv.Marc. IV, 39,8 (CChr.SL I, 652,14-16). 57 Vgl.Vogt, Christenverfolgung, 1173; Frend, Martyrdom, 334; Ders., A Note on Tertullian and the Jews, in: StPatr 10 (1970), 291-296, die Tertullians Formulierung ,,synagoga(e) Iudaeorum, fontes persecutionum" (Scorp. 10,10; CChr.SL II, 1089,12f) auf eine Beteiligung der Juden an aktuellen Verfolgungen beziehen. Frend schreibt insgesamt den Juden und zwar insbesondere den orthodoxen eine maßgebliche Rolle in den Christenverfolgungen des 1. und 2. Jhdts. zu: „... they (sc. the Christians) roused the bitter hostility of both Greeks and orthodox Jews, and in particular the latter, for the advent of Christianity meant that the stream of ardent semi-proselytes who accepted the ethic and practices but not the rites of Judaism began to dry up." (William H.C. Frend, The Gnostic Sects and the Roman Empire, in: JEH 5 (1954), 36) Zwar berichtet die christliche Literatur für die Zeit bis zur Mitte des 2. Jhdts. vereinzelt von der Partizipation jüdischer Gemeinden an der Verfolgung von Christen (vgl. Mart.Pol. 12,2; 13,1; 17,2; 18,1; Just., Dial. 131,2; zu diesen Stellen vgl. Horacio E. Lona, Treu bis zum Tod - Zum Ethos des Martyriums in der Offenbarung des Johannes, in: Helmut Merklein (Hg.), N T und Ethik, FS Rudolf Schnackenburg, Freiburg/Basel/ Wien 1989, 444f), dennoch läßt sich daraus keine generelle Beteiligung ableiten. 58 59

Vgl. Anm. 57.

Dies legt auch der unmittelbare Kontext („... apud quas apostoli flagella perpessi sunt...") nahe; vgl. Barnes, Scorpiace, 132. Diese Einschätzung wird durch Apol. 21,25 (CChr.SL I, 127,128-130: „... discipuli ..., qui et ipsi a Iudaeis insequentibus multa perpessi ..." ) und Scorp. 15,2 (CChr.SL II, 1096,5) gestützt, wo die „impetus Iudaeorum" als in der Apg überliefert erwähnt werden; vgl. auch den Hinweis auf die Verfolgung der Apostel durch die Juden in Adv.Marc. IV, 39,9 (CChr.SL 1,652,21). Auch Claude Aziza, Tertullien et le Judaisme, Nizza 1977, 37f, geht nicht von aktuellen Verfolgungen seitens der Juden in Karthago aus: „... il existait entre les deux religions sœurs moins de haine qu'on ne le pourrait croire et qu'il ne faut pas attribuer trop de crédit à l'activité anti-chrétienne qu'aurait eue la communauté juive de Carthage. Cette activité, d'ailleurs,

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In Tertullians Auffassung von der Urheberschaft der Verfolgung spiegelt sich zum einen die rechtliche Situation seiner Zeit wider, zum anderen verfolgt er mit der Zuweisung der Verantwortung an die Provinzbehörden und das Volk aber auch eine apologetische Intention: Die Herausstellung der positiven Wertung des Kaisertums, dem gegenüber den Christen Illoyalität unterstellt wurde. Diesem Ziel dient seine „Doppelstrategie", die Verantwortung der Kaiser fur die Verfolgungen insgesamt zu minimieren, „gleichzeitig aber die Exzesse der Statthalter und des römischen Pöbels mittels einer ausgefeilten Rhetorik zu attackieren."60 Sowohl in der Auseinandersetzung Tertullians mit den juristischen Besonderheiten der Christenprozesse als auch in den Hinweisen auf die Verantwortlichen für die Verfolgungen erscheinen letztere als ein innerweltliches, unter politischen, juristischen, z.T. auch moralisch-sittlichen Aspekten zu betrachtendes Geschehen, in dem sich „romani" und „christiani" als Antagonisten gegenüberstehen.61 Dieser Blick auf die konkreten irdischen Gegebenheiten der Verfolgungssituation, auf die rechtliche Situation der Christen und ihre menschlichen Gegner, der in der Literatur zuweilen übersehen worden ist62, findet sich bei Tertullian fast ausschließlich in apologetischen Texten, in „Ad nationes", dem „Apologeticum" und „Ad Scapulam". In diesen primär auf heidnische Adressaten ausgerichteten Schriften63 geht es ihm darum, sich auf der Grundlage einer für

d'après le témoignage meme de Tertullien, se réduit à des controverses théologiques. Tous les autres textes (u.a. Scorp. 10) de notre auteur ne peuvent s'appliquer aux Juifs de Carthage." Scorp. 10 sei folgendermaßen zu verstehen: „La mauvaise renommée des chrétiens est venue de Juifs et le „persecutions" (...) ont commencé dans les synagogues (sc. zur Zeit der Apostel)." (Aziza, Tertullien, 115) 60 Eckert, Orator Christianus, 176. Nach Pouilly, Tertullien, 19, sollte die Negierung einer Verantwortung der Kaiser zudem eine besondere Vorbildwirkung entfalten: „... si les empereurs honorables sont bienveillants envers les chrétiens, les autres paiens devraient en faire autant." 61 Nach Apol. 35,9 (CChr.SL I, 146,44f) sind „romani" grundsätzlich keine Christen: „De Romanis,..., id est de non Christianis." Tertullian hat hier also nicht den staatsrechtlichen Begriff im Blick, nach dem unter den römischen Bürgern durchaus Christen zu finden sind, sondern sieht „romanus" als Verkörperung der den Christen feindlich gegenüberstehenden Heidenwelt (vgl. Apol. 24,9; CChr.SL I, 135,43-45; Apol. 25,9; CChr.SL 1,136,43; Apol. 25,13; CChr.SL I, 137,64 u.a.). 62 So spricht Ring, Auctoritas, 53, von der vollkommenen „Vergleichgültigung" alles Innerweltlichen bei Tertullian, und Frend, Martyrdom, 15, behauptet überspitzt: „There is no evidence that the Christians regarded their quarrel specifically with the authorities, let alone with the Roman Empire." Zutreffend kennzeichnet hingegen Freudenberger, Verhalten, 1, die bei Tertullian im Unterschied zur Folgezeit noch feststellbare Sicht auf die innerweltlichen Realitäten: „...Tertullian (vergißt)... die irdische Wirklichkeit dessen, was sich in diesen Verfolgungen abspielt, nicht...". 63 Diese Ausrichtung soll nicht bedeuten, daß ein innerchristlicher Erbauungseffekt nicht ebenso mit intendiert war. In der Praxis ist der Einfluß der apologetischen Schriften auf die Christen selbst vermutlich sogar wesentlich größer gewesen als derjenige auf die Heiden. Nach Antonie Wlosok, Christliche Apologetik gegenüber kaiserlicher Politik bis zu Konstantin, in: Heinzgünther

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diese unmittelbar zugänglichen Argumentationsebene mit dem Phänomen der Verfolgungen auseinanderzusetzen und ihre Ungerechtigkeit zu erweisen. Diese bei Tertullian gemachte Beobachtung, daß die Betrachtung der Verfolgung als politisch-juristisches Geschehen ihren Schwerpunkt in apologetischen Schriften hat, bestätigt sich auch im Blick auf seinen karthagischen „Nachfolger" Cyprian. Deutlich weniger als Tertullian hat dieser sich auf die politischen und juristischen Aspekte des Verfolgungsgeschehens bezogen oder die konkreten Verfolger benannt. Sein weitgehendes Desinteresse an dieser Dimension der Verfolgung korrespondiert mit seinem im Vergleich zu Tertullian geringeren Interesse an apologetischer Auseinandersetzung mit den seitens der Heiden erhobenen Vorwürfen; lediglich in der apologetischen Schrift „Ad Demetrianum" fuhrt er diese Auseinandersetzung ausdrücklich und auch nur in ihr ist die Sicht der Verfolgung als einer von den Heiden ausgehenden Gefährdungssituation, die sich mit juristischen, politischen und moralisch-sittlichen Kategorien beschreiben läßt, denn auch prägend.64 Darüberhinaus, d.h. in den auf christliche Adressaten bezogenen Schriften, finden sich bei ihm nur wenige verstreute Erwähnungen der heidnischen Gegner sowie der rechtlichen Grundlagen des Vorgehens gegen die Christinnen und Christen.65 Eine entsprechende Gewichtung zeigt sich auch schon bei Tertullian: In den auf christliche Adressaten bezogenen Schriften erscheinen die Verfolgungen nur in wenigen Ausnahmefällen66 als politisch-juristisches Geschehen, die heidnischen Gegner werden in ihnen kaum erwähnt. Bestimmend ist dort hingegen das Verständnis der Verfolgung als eines Konfliktes, in dem die Christen nicht menschlichen Antagonisten, sondern dem Teufel selbst gegenüber stehen.

Frohnes/Uwe W. Knorr (Hg.), Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd. I, Die Alte Kirche, 147-165, bes. 163, läßt sich eine nachhaltige Auswirkung auf die heidnischen Adressaten nicht nachweisen. Eine erhebliche innerchristliche Wirkung wird hingegen in der Literatur auch konkret dem „Apologeticum" zugeschrieben. Vgl. Becker, Apologeticum, 234: „Wenn das Material immer wieder auf die Heiden zugeschnitten wird, so bedeutet das nicht, daß dann die Christen mit der Schrift nichts hätten anfangen können. Auch auf die bereits Bekehrten mußte eine derartige Verteidigung tiefen Eindruck machen und sie in ihrem Glauben bestärken." 64 Vgl. Ad D e m . l 2 f (CChr.SL III A, 42f). Cyprian greift hier auf Apol. 2 und Ad nat. I, 3,2 zurück; vgl. Pellegrino, Studi, 124-127. 65 Z.B. ep. 6,4 (CChr.Sl III B, 36,96); ep. 10,4,3 (CChr.SL III B, 53,83); ep. 20,1,2 (CChr.SL III B, 106,9f); ep. 38,1,2 (CChr.SL III B, 184,17f) u.a. 66 Z.B. De spect. 27,1 (CChr.SL I, 249,1-4), wo die heidnischen Theater als „Brutstätten" des Volkszorns gegenüber den Christen dargestellt werden. Im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit der gnostischen Behauptung einer Pflicht zum Bekenntnis erst im Himmel kann Tertullian in Scorp. 10 die Bindung der Bekenntnispflicht an die irdischen Gegebenheiten betonen; hier werden „reges et praesides et armatas potestas" als irdische Gegner der Christen benannt (Scorp. 10,11; CChr.SL II, 1089,18). Mit der gleichen antignostischen Zielrichtung stellt er auch in Adv.Val. 30,2 (CChr.SL II, 774,5-9) die Bindung des Bekenntnisses an die irdische Situation heraus.

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3.1.2 Die Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi" Auch wenn Tertullian in seinen apologetischen Schriften den Blick auf die konkreten Gegner der Gläubigen richtet, so deutet sich in ihrer Charakterisierung bereits an, daß die Christen es in der Auseinandersetzung mit den Heiden nicht nur mit Menschen, sondern mit einer hinter ihnen stehenden Macht zu tun haben. So fuhrt er das ungerechte Verhalten der Verfolger auf eine „vis in occulto", eine „Macht im Verborgenen", zurück67; die Macht der Dämonen unter ihrem „Fürsten", dem Satan68, kämpfe aus ihrem Innern heraus gegen die Christen.69 Eine wesentlich breitere Ausgestaltung erfährt diese Vorstellung aber in den Texten, in denen es Tertullian um die innerchristliche Deutung der Verfolgungserfahrung geht. Mit dem für diese Schriften grundlegenden Verständnis der Verfolgung als eines Kampfes des Teufels gegen die Gläubigen hat Tertullian einen für die alt-

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Apol. 2,14 (CChr.SL I, 89,70-90,72): „Suspecta sit vobis ista perversitas, ne qua vis lateat in occulto, quae vos adversus formam, adversus naturam iudicandi, contra ipsas quoque leges ministret." Ähnlich spricht er in Ad nat. I, 3,3 (CChr.SL I, 13,27) von „quaedam occulta vis". Die Verwendung des von Tertullian vorwiegend im pejorativen Sinne gebrauchten Begriffs „vis" unterstreicht, daß es sich hier um eine „Macht" bzw. „Gewalt" mit negativer Ausrichtung handelt. Zur Verwendung von „vis" bei Tertullian vgl. Braun, Deus Christianorum, 115. In Apol. 2,18 (CChr.SL I, 90,98) bezeichnet Tertullian die hinter den Verfolgern stehende dämonische Macht als „quaedam ratio aemulae operationis". 68

Apol. 22,2 (CChr.SL I, 128,7): „princeps huius mali generis". Apol. 27,4 (CChr.SL I, 139,13-18): „Ille scilicet spiritus daemonicae et angelicae paraturae, qui, noster ob divortium aemulus et ob Dei gratiam invidus, de mentibus vestris adversus nos proeliatur occulta inspiratione modulatis et subornatis ad omnem, quam in primordio exorsi sumus, et iudicandi perversitatem et saeviendi iniquitatem." Die Dämonen unter Satan sind die dem Menschen feindlich gegenüberstehenden Verderbensmächte: „Operatio eorum est hominis eversio" (Apol. 22,4; CChr.SL I, 128,14f). Seine im wesentlichen mit den griechischen Apologeten, z.T. auch mit heidnischen Vorstellungen übereinstimmende Dämonologie führt Tertullian in Apol. 22i.ll aus. Entscheidend für Tertullian ist, daß die Dämonen ausschließlich über die Heiden wirkliche Macht haben, nicht aber über die Christen, die im Namen Christi ihrerseits Vollmacht über die Dämonen besitzen (Apol. 23,15f; CChr.SL I, 132,78-133,85). Auch bei Justin (Apol. 1,5,1; Apol. 11,1,2; 11,4; 11,7) und Minucius Felix (Oct. 27) kann das Verhalten der Heiden auf Dämonen bzw. eine böse Macht zurückgeführt werden, die heidnischen Richter erscheinen konkret als „λ α τ peú o ν τ e ς " der Dämonen (Just., Apol. II, 1,2). Die hier aufscheinende Doppeldeutigkeit in der Sicht der Verfolgung in apologetischen Schriften erwähnt auch Kühneweg, Apologeten, 116, der in bezug auf die griechische Apologetik bemerkt: „Die Dämonen ... sind Ursprung und Verkörperung des Bösen. Gegen das Christentum wüten sie begreiflicherweise ganz besonders heftig, insbesondere auch durch die Verfolgungen. (Hier sieht man, wie verschiedene Interpretationen sich überlagern. Einerseits wird an die Einsicht der Obrigkeit appelliert, andererseits aber deren Handeln aus dem Wirken der Dämonen erklärt)." 69

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kirchliche Martyriumstheologie insgesamt zentralen Deutungszugang aufgegriffen70, ihm dabei aber eine eigene Prägung verliehen. In der plastischen Darstellung dieses „Kampfes" mit Hilfe einer Metaphorik aus dem Bereich des Militärs und der antiken Wettkämpfe steht er ebenfalls in einer langen Tradition.

Exkurs: Die Verfolgung als Kampf des Teufels gegen die als „milites Dei" verstandenen Christinnen und Christen in der altkirchlichen Tradition Seit dem Beginn der Verfolgungen haben die Christinnen und Christen ihre Gefahrdung als vom Teufel ausgehend verstanden, der hinter den konkreten menschlichen Gegnern als eigentliche Verderbensmacht steht.71 Prägnanten Ausdruck findet diese Vorstellung, daß die Gläubigen in der Verfolgung, in dem gegen sie geführten Prozeß und im Erleiden der über sie verhängten Strafe dem Teufel gegenüberstehen, in der ihre Vision vom Kampf mit dem Ägypter deutenden Aussage der Perpetua: „Et intellexi me non ad bestias, sed contra diabolum esse pugnaturam."72 Standhaftigkeit in der Verfolgung bedeutet dementsprechend nicht nur einen Sieg über menschliche Gegner, sondern über den Feind Gottes; die Christen partizipieren an dem kosmischen Kampf zwischen Teufel und Gott und tragen durch ihren Glaubensmut zur endgültigen Niederlage des Teufels bei - ein Gedan-

70 Vgl. exemplarisch die Darstellung bei Edelhard Leonhard Hummel, The Concept of Martyrdom according to St. Cyprian of Carthage, Washington 1946, 74, nach der die Alte Kirche überzeugt war, „that the martyrs were contending not merely with men and wild beasts, but with Satan himself. It is the devil who is the real adversary and who wages war against the Christians by means of persecutions. Persecutors end executioners were merely the helpmates of Satan, or, rather, they were the tools which he used in his attempts to defeat the soldiers of Christ." 71

Vgl. Apk 2,10; Ign.Rom. 5,3; Herm., Sim. VIII,3,6; Just., Apol. 1,5; 11,7; Mart.Pol. 3,1; 17,If; Eus., HE V,l,4f.l6.23.27.35.42;2,6; Min.Fel., Oct.27; Pass.Perp.l0,14;20,l; Pass.Mont. 6,4f. Zu dieser Vorstellung vgl. Campenhausen, Idee, 156, mit Anm. 6, der eine Reihe weiterer Belege aus Märtyrerakten des 2. bis 4. Jhdts. bietet, sowie Franz Josef Dölger, Der Kampf mit dem Ägypter in der Perpetua-Vision: Das Martyrium als Kampf mit dem Teufel, in: AuC ΙΠ (1932), 177188. 72 Pass.Perp. 10,14 (Habermehl, Passio, 16). In beiden Kampfvisionen Perpetuas ist dieser Gedanke bildlich ausgedrückt: „... et apprehendi illi caput; et cecidit in faciem et calcavi illi caput" (10,11 ; Habermehl, Passio, 16); „et desub ipsa scala, quasi timens me, lente eiecit caput (drako). et quasi primum gradum calcarem, calcavi illi caput et ascendi" (4,7; Habermehl, Passio, 10). In diesen Visionen ist das Bild vom Treten der Schlange aus Gen 3,15 präsent. Dieses sog. Protevangelium wurde in der Alten Kirche auf Christus, durch die Übersetzung der Vulgata auf Maria bezogen. Die Visionen zeigen nun eine Übertragung dieses Heilsgeschehens auf die Märtyrerin, wodurch es „dynamisch weitergeschrieben" wird (Anne Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter. Frauenemanzipation im frühen Christentum ?, Freiburg/Basel/Wien (1992), 224). Zu diesen Belegstellen vgl. weiter Dölger, Kampf, 177-182; Jensen, Töchter, 219-225; Peter Habermehl, Perpetua und der Ägypter oder Bilder des Bösen im frühen Christentum. Ein Versuch zur Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis, Berlin 1992, 74-88.130-144.

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ke, der z.B. in der Beschreibung des Martyriums der Blandina ausgedrückt ist.73 Jedem standhaft ertragenen Martyrium kommt in diesem Vorstellungsrahmen eine eigene heilsgeschichtliche Bedeutung zu, antizipiert es doch den endgültigen Sieg Gottes in der Welt. Insofern macht diese Vorstellung auch deutlich, daß die Alte Kirche das Leiden der Märtyrer keinesfalls im Sinne eines passiven Erduldens eines seitens feindlicher Mächte über sie hereinbrechenden Schicksals verstanden hat; vielmehr erscheint jedes Martyrium als aktiver Beitrag zur endgültigen Überwindung des Teufels und damit zur Durchsetzung des Reiches Gottes. Zur bildlichen Beschreibung dieses insbesondere von den Märtyrern, aber grundsätzlich auch von allen Christen im täglichen Leben gegen den Teufel zu fuhrenden Kampfes hat die altkirchliche Literatur Termini aus den Bereichen des Militärs sowie des Wettkampfs aufgegriffen. In dieser Übertragung militärischer und agonistischer Terminologie auf die spezifisch christlichen Kämpfe in Anfechtungs- und Verfolgungssituationen konnte sie auf verschiedene Vorläufer zurückgreifen. So kennt die Stoa die Darstellung des inneren Kampfes eines Menschen um Sittlichkeit unter Zuhilfenahme militärischer Bilder und versteht diesen Kampf im Sinne einer „militia spiritualis". Seneca faßt diese Vorstellung knapp zusammen, wenn er schreibt: „vivere militare est".74 Ebenso findet sich in hellenistisch-jüdischen Schriflen7s und im NT - dort vorzugsweise im paulinischen Schrifttum - militärische und agonistische Begrifflichkeit zur Beschreibung menschlicher Kämpfe in Verfolgung und ethischer Anfechtung.76 In Aufnahme dieser Traditionsstränge hat auch die altkirchliche Literatur des 2. und 3. Jahrhunderts den gesamten Bereich christlichen

73 Blandina ist beim ersten Mal in der Arena von den wilden Tieren nicht angerührt worden und wird wieder in das Gefängnis gebracht „εις άλλον άγώνα τηρούμενη, ίνα δια πλειόνων γυμνασμάτων νικήσασα, τω μεν σκολιώ όφει άπαραίτητον ποίηση την καταδίκην ..." (Eus., HE V, 1,42). 74 Sen., ep. 96,5. Vgl. Sen., ep. 51,6; Sen., De prov. 3,6; 4,5; 5,1; Marc Aurel, Med. Π,17; Epict., Diss. II 18,27 u.a. Zur Verbreitung dieses Topos in der Stoa vgl. Hilarius Emonds, Geistlicher Kriegsdienst - Der Topos der militia spiritualis in der antiken Philosophie, Anhang zu Adolf von Harnack, Militia Christi - Die christliche Religion und der Soldatenstand in den ersten drei Jahrhunderten, Darmstadt 1963 (Nachdruck der Ausgabe von 1905), 134.142-154; Victor C. Pfitzner, Paul and the Agon Motif. Traditional Athletic Imagery in the Pauline Literature, Leiden 1967, 29-35, sowie Simone Deléani-Nigoul, L'utilisation des modeles bibliques du martyre par les écrivains du IIIe siecle, in: Le monde latin antique et la Bible (voir n" 28), Paris 1985, 318. 75 Vgl. z.B. 4.Makk 17,11-16. Verfolgung als „Kampf erscheint in 4.Makk 11,20; 15,29; 16,16; 17,11. Zu dieser Vorstellung in hellenistisch-jüdischen Schriften vgl. Pfitzner, Paul, 38-72; Saviero Xeres, La „bella morte" del cristiano. La metafora agonistica on Paolo e nei primi Atti dei Martiri, in: Marta Sordi (Hg.), „Dulce et decorum est pro patria mori". La morte in combattimento nell' antichità, Mailand 1990, 282f. 76 l.Thess 5,8; l.Kor 9,24f; 2.Kor 6,7; 10,3-6; Rom 6,13f; 13,12; Eph 6,10-18; Kol 2,1; l.Tim 1,18; 2.Tim 2,3-5; 4,7f; Hebr 10,32; 1 .Petr 2,11. Die Bilder aus dem Wettkampfbereich und diejenigen aus dem militärischen Bereich sind nach Pfitzner, Paul, 157, in der heidnischen, der hellenistisch-jüdischen und auch in der neutestamentlichen Tradition in austauschbarer Weise verwendet worden. Der Unterschied zwischen den beiden Bildern werde dabei aber zumeist folgendermaßen charakterisiert: „In the picture of the Agon Paul emphasizes the motif of the goal for which the ,athlete' strives; in the military picture, on the other hand, it is the thought of the enemy and the need to stand fast against his onslaughts which predominates." (Pfitzner, Paul, 158)

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Lebens mit seinen ethischen Entscheidungssituationen unter der Kategorie der „militia spiritualis" verstehen und mit entsprechenden Termini beschreiben können77; in herausragender Weise dienten die militärische und die agonistische Terminologie aber zur Beschreibung des in der Verfolgung stattfindenden, besonders exponierten christlichen Kampfes.78 In bezug auf das christliche Selbstverständnis spiegelt sich in der Übernahme dieser Terminologie zweierlei wider: Zum einen zeigt sie die - zumindest in der Theorie - starke Distanz der Christen zu den Institutionen, die mit ihr ursprünglich bezeichnet wurden - zum Militär und zum Wettkampfwesen. Zum anderen weist sie auf ein christliches Superioritätsgefühl hin: Nicht die Kämpfe im Krieg und in der Arena sind die eigentlich wesentlichen Kämpfe, sondern die, die ein Christ in Anfechtung und Verfolgung durchzustehen hat. Die Aufnahme der militärischen Begrifflichkeit zeigt überdies, daß der Kampf der Christen in der Verfolgung nicht als Kampf einzelner Individuen verstanden wurde, sondern als Kampf einer Gemeinschaft gegen eine feindliche Macht. Ihren literarischen Schwerpunkt hat die Übernahme der Militär- und Wettkampfterminologie in der abendländischen lateinischen Kirche gehabt; stärker als der Osten hat der Westen die christliche Existenz im Sinne einer „militia spiritualis" gedeutet und dargestellt.79 Am Beginn der Einbürgerung dieses Vorstellungskomplexes im lateinischen Westen steht Tertullian. Er hat - wie die vor ihm liegende Tradition - sowohl die Gesamtheit des christlichen Lebens mit seinen Anfechtungs- und Entscheidungssituationen als auch die besondere Herausforderung durch die Verfolgung im Rahmen des „militia spiritualis"-Gedankens verstanden.80 Zunächst einmal sind

77 Unterschiedlich gewichtet wird dabei in der Forschung, welche dieser Traditionen in besonderem Maße die altkirchliche „militia spiritualis"-Vorstellung bestimmt haben. Während Harnack, Militia Christi, 12, die Wurzeln v.a. in den sittlichen Ermahnungen des NT sieht, hat Othmar Perler, Das IV. Makkabäerbuch, Ignatius von Antiochien und die ältesten Märtyrerberichte, in: RivAC 25 (1949), 47-72, besonders die Einflüsse des 4.Makkabäerbuches herausgestellt. Zu dieser Frage vgl. auch Baumeister, Anfänge, 246f.

" Vgl. z.B. l.Clem 5; Herrn., Sim. VIII,3,6; Mart.Pol. 17,1; 18,3; Eus., HE V, 1,19.36.38. 4042; Pass.Perp.10; Orig., Exhort.ad mart. 18; Pass.Mont. 6,4f, Mart.Pion. 22,lf. 75 Vgl. Harnack, Militia Christi, 40f. Dennis Edward Groh, Christian Community in the Writings of Tertullian. An Inquiry into the Nature and Problems of Community in North African Christianity, Evanston/Ill. 1970, 57, hebt den diesbezüglichen Unterschied zwischen Karthago und Alexandria hervor. 80 Die Aufnahme der militärischen und agonistischen Terminologie bei Tertullian ist vielfach in der Forschung dargestellt worden: Vgl. Harnack, Militia Christi, 32-40; Hoppenbrouwers, Recherches, 71-73; Teeuwen, Bedeutungswandel, 106-108; T.P. O'Malley, Tertullian and the Bible. Language - Imagery - Exegesis, Nimwegen/Utrecht 1967, 107-113. Aus diesem Grund finden sich im Text nur kurze Verweise auf den allgemeinen Gebrauch dieser Begrifflichkeit bei Tertullian; ausführlicher dargestellt wird nur die spezielle Verwendung im Verfolgungs- und Martyriumskontext. Die breite Aufnahme militärischer Termini bei Tertullian wird zuweilen in unmittelbare Verbindung gebracht mit der bei Hieronymus (De vir.ill. 53) zu findenden Überlieferung, daß Tertullian der Sohn eines centurio proconsularis gewesen sei. Vgl. z.B. Braun, Origines, 196; dagegen O'Malley, Tertullian, 107; Barnes, Tertullian, 13-21.

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fur ihn alle Christen „milites Dei"81, die in der „manus" der christlichen Gemeinschaft82 als Krieger des „imperator" Christus83 kämpfen. Die Grundlage der Bindung zwischen den „milites" und ihrem „Feldherrn" bildet die mit dem Begriff „sacramentum" bezeichnete Taufe: „Vocati sumus ad militiam Dei vivi tunc, cum in sacramenti verba respondemus."84 Handele ein Christ der im „sacramentum" eingegangenen Verpflichtung gegenüber Gott zuwider, sei dies zu vergleichen mit einem Überlaufen in das „Lager der Feinde"85; es bedeute - im Bild gesprochen - das Verlassen von „Feldzeichen" und „Treueeid" des eigenen „princeps".86 Der Kontext des eben angeführten Zitates aus „Ad martyras" macht deutlich, wie stark Tertullian mit dem Doppelsinn der verwendeten Termini spielt. Mit dem Gebrauch der Begriffe „sacramentum"87 und „signum"88 für die Taufe und dem über den Christen geschlagenen Kreuzeszeichen läßt er zugleich die pagane militärische Bedeutung der Termini - „Treueeid" und „Feldzeichen" - mitanklin-

81 De exhort.cast. 12,1 (CChr.SL II, 1031,8f): „Non enim et nos milites sumus - eo quidem maioris disciplinae, quanto tanti imperatoris... "; De cor. 12,5 (CChr.SL II, 1060,34f): „Sed tu proinde miles ac servus alterius (sc. Dei)...". Vgl. Ad mart. 3,1 (CChr.SL I, 5,12): „Vocati sumus ad militiam Dei vivi..."; De or.19,5 (CChr.SL I, 268,8): „... nam et militia Dei sumus...". 82 Apol. 39,2 (CChr.SL I, 150,6): „Coimus in coetum et congregationem facimus, ut ad Deum quasi manu facta precationibus ambiamus." 83

De or. 29,3 (CChr.SL I, 274,29); De exhort.cast. 12,1 (CChr.SL II, 1031,9); De fuga 10,1 (CChr.SL II, 1147,5). Nach Harnack, Militia Christi, 32 findet sich die Bezeichnung „imperator" für Christus zuerst bei Tertullian. Zu weiteren Belegstellen für diese Christusbezeichnung in der Alten Kirche vgl. Erik Peterson, Christus als Imperator, in: Cath 5 (1936), 64-72, bes. 64f. 84 Ad mart. 3,1 (CChr.SL I, 5,12f). Indem er die Basis des Verhältnisses zwischen den Christen und Gott bezeichnet, ist der hier verwendete Terminus „sacramentum" nach Harnack, Militia Christi, 33, fur Tertullian zu einem Grundelement des „militia spiritualis"-Gedankens geworden. 85 De spect. 24,4 (CChr.SL I, 248,15). Eine solche „Fahnenflucht" bedeutete, zu dem „Herrn" zurückzukehren, dem man in der Taufe explizit entsagt hatte: „Cum aquam ingressi Christianam fidem in legis suae verba profitemur, renuntiasse nos diabolo et pompae et angelis eius ore nostro contestamur" (De spect. 4,1; CChr.SL 1,231,2-5); ebenso De cor. 3,2 (CChr.SL II, 1042,15); De an. 35,3 (CChr.SL II, 837,26f). 86

De spect. 24,4 (CChr.SL I, 248,15-17): „Nemo in castra hostium transit nisi proiectis armis suis, nisi destitutis signis et sacramentis principis sui, nisi pactus simul perire." 87 De bapt. 1,1 (CChr.SL I, 277,2); De pud. 14,17 (CChr.SL II, 1308,70); De idol. 19,2 (CChr.SL II, 1120,15). Die Verwendung des Terminus „sacramentum" bei Tertullian ist ebenso wie die semantische Entwicklung des Begriffs in der christlichen Latinität überhaupt Gegenstand ausfuhrlicher Untersuchungen besonders zu Beginn des Jahrhunderts gewesen; Hinweise auf die ältere Literatur bietet O'Malley, Tertullian, 110, Anm. 3, eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse Braun, Deus Christianorum, 435-441; ein knapper Überblick über die Untersuchung dieses Terminus, der „by far the widest discussion of any word in TertuIIian's vocabulary" (Sider, Approaches, 239) hervorgerufen hat, findet sich auch bei Sider, Approaches, 239-241. 88 De or. 29,3 (CChr.SL I, 274,29); De idol. 19,2 (CChr.SL II, 1120,15) u.a.

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gen.89 Das in der Taufe eingegangene Verhältnis des Christen zu Gott erscheint so als eine Gehorsamsverpflichtung, die den Getauften in ein dem soldatischen vergleichbares Gehorsams- und Dienstverhältnis stellt.90 Zu bewähren sei dieser Treueeid in den „Kämpfen" mit den alltäglichen Versuchungen, die im Innern des Menschen aufbrechen.91 Die Ausrüstung der Kämpfenden sei dabei spiritueller Art92, ihre „Hauptwaffe" bilde das Gebet.93 Das absolute Proprium des christlichen Kampfes liege darin, daß er nicht gegen menschliche Gegner, „adversus carnem et sanguinem", zu fuhren sei, „sed adversus mundi potestates, adversus spiritalia malitiae".94 Eine besondere Herausforderungssituation für den christlichen „miles" stellt die Verfolgung dar. Die Bewährung darin ist von Tertullian wesentlich stärker noch als die Auseinandersetzung mit den Versuchungen des täglichen Lebens mit Hilfe der „militia spiritualis"-Vorstellung dargestellt und gedeutet worden. Umfangreiche Parallelisierungen zwischen den christlichen und den weltlichen Soldaten bzw. Athleten in den Ausführungen zum christlichen Leiden in der Verfol-

89 Auf diesen Doppelsinn der Begriffe spielt Tertullian in De idol. 19,2 (CChr.SL II, 1120,1416) an: „Non convenit sacramento divino et humano, signo Christi et signo diaboli..." 90

Zu dem besonders in Ad mart. 3,1 deutlich hervortretenden Verständnis der Taufe als Eintritt in die „militia Dei" vgl. zusammenfassend Willy Rordorf, Tertullians Beurteilung des Soldatenstandes, in: VigChr 23 (1969), 133: „Das Taufbekenntnis ist also der Fahneneid, den der Täufling Christus, seinem neuen Herrn, zu leisten hat. Das Taufbekenntnis ist wie ein Vertrag, den der Gläubige mit Christus eingeht und der durch das Wasserbad und die Ölsalbung gesiegelt' wird... Spätestens zur Zeit Tertullians hat der göttliche Fahneneid einen doppelten Aspekt: er ist einerseits die feierliche Zusage an Christus im Taufgelöbnis, die fürs Leben gilt; andererseits ist er begleitet von dem Akt der Absage an den bisherigen Herrn, den Satan." Allgemeiner formuliert Braun, Deus Christianorum, 439, in bezug auf die Stellen, in denen Tertullian „sacramentum" im Sinne von „Eid" verwendet: „Tertullien... exprime par ces rapprochements sa conviction profonde d'homme pour qui le service du Christ requiert l'engagement de tout l'etre." Die Bedeutung der militärischen und agonistischen Begrifflichkeit für dieses Konzept hat Gooch, Concept, 119, herausgestellt: Sie charakterisiere das christliche Leben als „life of disciplined response to Christ's call". 91 Vgl. De spect. 29,5 (CChr.SL I, 252,21-24); De idol. 21,3 (CChr.SL II, 1121,34). 92 De ieiun. 17,8 (CChr.SL II, 1277,24f): „... non carne et sanguine, sed fide et spiritu robusto oportet adsistere." 93 De or. 29,3 (CChr.SL I, 274,26f): „Oratio murus est fidei, arma et tela nostra adversus hostem, qui nos undique observât." 94

De ieiun. 17,8 (CChr.SL II, 1277,22f). Tertullian zitiert hier aus Eph 6,12, das eine zentrale Rolle bei der Einbürgerung des „militia spiritualis"-Gedankens in der altkirchlichen Paränese gespielt hat, und auch von ihm noch mehrfach zur Kennzeichnung der Besonderheit des christlichen Kampfes aufgegriffen wird (De fuga 1,5; 12,3; De praescr.haer. 39,1; Adv.Marc. 111,14,3; V,18,12f). Auf den gesamten Kontext Eph 6,10-18 spielt Tertullian ebenfalls mehrfach an (vgl. z.B. De cor. 1,3; CChr.SL I, 1040,18-22). Die Bedeutung dieses Textes für die Übertragung der Kampfmetaphorik bei Tertullian hat O'Malley, Tertullian, 111, betont: „... it is clearly a watershed for this aspect of arms imagery."

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gung im „Apologeticum"95, besonders aber in „Ad martyras", „Scorpiace", „De fuga in persecutione" und „De corona" weisen darauf hin, daß der primäre Ort dieses Topos bei ihm in der Deutung von Verfolgung und Martyrium zu suchen ist.96 Die Selbstverständlichkeit der Übernahme dieser Vorstellung zeigt sich in „Ad martyras". Bereits in seiner ersten auf eine Verfolgungssituation bezogenen Schrift stellt Tertullian die Leiden der Bekenner und Märtyrer als einen dem soldatischen bzw. athletischen Kampf97 vergleichbaren Kampf dar.98 Dieser sei aber eben nicht gegen menschliche Gegner, sondern gegen den Teufel direkt auszutragen. Die angesprochenen Bekennerinnen99 und Bekenner hätten durch ihre Inhaftierung in besonderem Maße die Möglichkeit erhalten, den Teufel zu überwinden, denn der Kerker sei die „domus diaboli"100 - sein eigener Ort, an dem er die Gefangenen durch besondere Anfechtungen versuche.101 Vor dem

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In Apol. 50,1-3 (CChr.SL I, 169,1-17) betont Tertullian gegenüber dem heidnischen Einwand, daß die Christen das Leiden ja wollten, daß sie es in dem Sinne „wollten", wie ein Soldat den Krieg „wolle", d.h. nicht unbedingt gern, aber mit umso größerer Freude, wenn der Sieg errungen werde. Für die Christen sei die Gerichtsverhandlung ein „ K a m p f ' (proelium), in dem sie als „Sieg" das „Wohlgefallen Gottes" und als „Beute" das ewige Leben erlangten: „Ea victoria habet et gloriam placendi Deo et praedam vivendi in aeternum." 96

So auch O'Malley, Tertullian, 113: „While the (military and athletic) imagery is broadened to Christian life, it is the martyr aspect which dominates." 97 Insbesondere in „Ad martyras" zeigt sich deutlich die enge Zusammengehörigkeit beider Bildkomplexe (vgl. Anm. 76). Nach Bray, Holiness, 129, beschränkt sich die Verwendung der agonistischen Bilder bei Tertullian auf „Ad martyras". Dies ist nicht zutreffend; auch in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" greift er auf Bilder und Termini aus dem Wettkampfbereich zurück. 98 Zur Übernahme der militärischen und agonistischen Metaphorik in „Ad martyras" vgl. Hélène Pétré, L'Exemplum chez Tertullien, Neuilly-sur-Seine 1940,71-73; Pier Angelo Gramaglia, Ai martiri. Introduzione, traduzione e note, Rom 1981, lOlf. 105-108. Letzterer verweist insbesondere auf Senecas „De Providentia" als Quelle fur die Militär- und Wettkampfbilder in „Ad martyras", betont aber die Differenz in der Zielsetzung ihrer Aufnahme: „... nello Ad martyras tali esempi hanno una funzionalità nuova, che qualifica appunto il cristianesimo di fronte alla tradizione senechiana e stoico dell' uomo forte." 99

In Ad mart. 4,3 (CChr.SL I, 6,22f) erwähnt Tertullian explizit, daß sich unter den angesprochenen „martyres designati" auch Frauen befanden. 100 Ad mart. 1,4 (CChr.SL I, 3,17). Vgl. die Bezeichnung des Kerkers als „habitatio satanae" in Scorp. 12,7 (CChr.SL II, 1093,13). 101 Ad mart. l,4f (CChr.SL I, 3,16-21): „Domus quidem diaboli est et career, in qua familiam suam continet. Sed vos ideo in carcerem pervenistis, ut ilium etiam in domo sua conculcetis. lam enim foris congressi conculcaveratis. Non ergo dicat: In meo sunt, temptabo illos vilibus odiis, defectionibus, aut inter se dissensionibus." Die von Tertullian erwähnte Bekämpfung des Teufels durch die Bekenner vor ihrer Inhaftierung („foris") könnte sich auf ihre Standhaftigkeit in den Versuchungen des Alltags beziehen, die ja auch vom Teufel ausgehen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der Inhaftierung könnte es aber auch einen Hinweis auf die Standhaftigkeit der Bekenner

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Anblick der Inhaftierten solle dieser aber fliehen und sich in seinem „Schlupfloch" verkriechen wie eine verzauberte oder ausgeräucherte Schlange 102 ; in seinem eigenen „regnum", dem Kerker, solle es ihm nicht so wohl werden, daß er Zwietracht zwischen den Konfessoren säen könne, sondern er solle diese vielmehr gut „bewaffnet" mit Eintracht vorfinden, denn - so betont Tertullian mit einem Wortspiel - der „Frieden" unter den Inhaftierten bedeute „Krieg" für den Teufel: „... pax vestra bellum est illi (sc. diaboli)".103 Bietet der Aufenthalt im Gefängnis so eine besondere Möglichkeit zum Kampf mit dem Teufel und läßt er die Gefangenen aus dem eigentlichen „Kerker", nämlich der Welt, entrinnen104, so gesteht Tertullian andererseits aber durchaus zu, daß er auch für Christen unangenehm und beschwerlich ist105; relativiert wird dieses Eingeständnis aber durch den Hinweis auf die auch für die weltlichen Soldaten notwendige Vorbereitung auf den Kampf. Wie diese keinerlei Annehmlichkeiten im Lager genössen und durch vielerlei Übungen und Strapazen auf den Krieg vorbereitet würden106, so seien eben auch die Unannehmlichkeiten des Kerkers für die Inhaftierten als „Übungen

gegenüber der vom Teufel ausgehenden Versuchung zum Abfall darstellen. In diesem Sinne versteht Klein, Bewußtsein, 292, diese Stelle. Vgl. die Erwähnung der „argumenta diaboli" in Pass.Perp. 3,3, die den Versuch der Überredung zum Abfall darstellen. 102

Ad mart. 1,5 (CChr.SL I, 3,21-23): „Fugiat conspectum vestrum, et in ima sua delitescat contractus et torpens, tamquam coluber excantatus aut effumigatus." Die Verwendung der „Schlange" (coluber) als Vergleichsbild (tamquam) für den Teufel weist zurück auf die bereits in der Bibel zu findende Identifikation zwischen Satan und Schlange (Apk 12,9). Zu dem Bild der „Schlange" bei Tertullian vgl. weiter O'Malley, Tertullian, 85-87. 103 Ad mart. 1,5 (CChr.SL I, 3,23-25): „Nec illi tarn bene sit in suo regno, ut vos commitat, sed inveniat munitos et concordia armatos: quia pax vestra bellum est illi." 104 Der Vorstellung, daß die Inhaftierten durch ihren Kerkeraufenthalt dem eigentlichen „Kerker", der Welt mit ihren idololatrischen Lebensformen, entronnen sind, ist Ad mart. 2 gewidmet (CChr.SL I, 3,30-5,10). In diesem Sinne gewährt die Haft den Konfessoren die gleiche Möglichkeit, wie die Wüste den Propheten, d.h. diejenige der „Zurückgezogenheit" von der Welt: „Hoc praestat career Christiano, quod eremus prophetis... Auferamus carceris nomen, secessum vocemus" (Ad mart. 2,8; CChr.SL I, 4,31-5,2). Zu dem Vergleich zwischen „carcer" und „eremus" vgl. weiter Theofried Baumeister, Martyrium - Mönchtum - Reform: Tertullian und die Vorgeschichte des Mönchtums, in: Reformatio Ecclesiae. FS Erwin Iserloh, Paderborn/München/Wien/Zürich 1980, 23-24. 105 106

Ad mart. 3,1 (CChr.SL I, 5,11): „Sit nunc, benedicti, carcer etiam Christianis molestus."

Ad mart. 3,If (CChr.SL I, 5,13-18): „Nemo miles ad bellum cum deliciis venit, nec de cubiculo ad aciem procedit, sed de papilionibus expeditis et substrictis, ubi omnis duritia et inbonitas et insuavitas constitit. Etiam in pace labore et incommodis bellum pati iam ediscunt, in armis deambulando, campum et decurrendo, fossam moliendo, testudinem densando." Der Gedanke einer Vorbereitung zum Kampf durch vorherige Abhärtung findet sich auch innerhalb der stoischen Tradition der „militia spiritualis". Vgl. z.B. Sen., ep. 51,6.

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der Kräfte des Geistes und des Körpers"107 anzusehen, d.h. als Vorbereitung zum Martyrium und notwendige Voraussetzung für Standhaftigkeit und Bewährung. Die hier zutagetretende Bedeutung des Gedankens der für das Erleiden des Glaubenstodes notwendigen „praeparatio ad martyrium" durch Entbehrungen bzw. Absage an jegliche Vergnügungen und „Verzärtelungen" ist von Tertullian auch anderweitig herausgestellt worden.108 In „Ad martyras" spricht Tertullian dann in fließendem Übergang von den militärischen Bildern zu den agonistischen109 von dem „Wettkampf ' (agon), auf den sich die Bekenner vorbereiteten. Dieser sei von grundsätzlich anderer Qualität als ein weltlicher Wettkampf, denn Gott selbst werde der „agonothetes", der Leiter des Kampfes und der Preisrichter sein.110 Der Heilige Geist erscheint als „xystarches", d.h. in der Rolle des Vorsitzenden einer Athletenvereinigung, durch den die Kämpfer wohl auch zum Kampf vorbereitet

107

Ad mart. 3,3 (CChr.SL 1, 5,22f): „exercitationes virtutum animi et corporis".

108

Vgl. z.B. De cult.fem. Π, 13,3f (CChr.SL I, 369,20-370,20). Besonders nachdrücklich hat Tertullian als Montanist in De ieiun. 12,2 (CChr.SL II, 1270,19-1271,27) den Aufenthalt im Kerker als Einübung in Hunger und Durst und als Möglichkeit zur Praktizierung rigorosen Fastens herausgestellt, wodurch der Christ in besonderer Weise auf Folter und Tod vorbereitet sei. Die Bedeutung des Gedankens der notwendigen „praeparatio" des Christen im Blick auf das Martyrium für Tertullian betont auch Bray, Holiness, 45: „Indeed, of all the aspects of martyrdom which the Early Church celebrated, it was the notion that the victims should display a worthiness (dignitas) to meet their fate which most impressed Tertullian. As far as he was concerned, the greatest danger to a prospective martyr was that he would succumb, not so much to the fear of death, as to the temptations of the world. He therefore concentrated his attention on the martyr's need for stringent spiritual exercises in prison in order that they might subdue the flesh in advance. If martyrdom could be compared to a battle, than spiritual discipline was the necessary training for success at the moment of crisis." 109

Auf den Zusammenhang dieses Wechsels mit der nachfolgenden Einführung des Lohnmotivs, für welches der „Vergleich mit einem Sportwettkampf für die exhortatio ad martyrium ergiebiger" sei, macht Butterweck, Martyriumssucht, 160, Anm. 93, aufmerksam. 110

Nach Emil Reisch, Art. Agonothetes, in: PW 1/1 (1893), 870, bestand die Aufgabe des „agonothetes" in der Festleitung, d.h. der Sorge fur den ordnungsgemäßen Hergang der Spiele, in der Preisrichterfunktion und im Überreichen der Kränze und Wertpreise; letzteres bildete nach Reisch, Agonothetes, 872, eine der hervorstechendsten Aufgaben im Rahmen der Agonothesie, die ihr Bild in der Öffentlichkeit maßgeblich bestimmte. Darüberhinaus hatte der „agonothetes" für weitere Ehrungen der Sieger zu sorgen, fur die Aufstellung der Siegerlisten, der Votivstatuen u.a. Häufig wurden von ihm auch die Kosten des Festes oder Kampfes übernommen, so daß der „agonothetes" auch als Stifter erscheint. Im Zuschauerraum hatte er einen Ehrenplatz inne. Im Sinne von „Preisrichter in einem irdischen Wettkampf' greift Tertullian diesen Terminus in Scorp. 6,5 (CChr.SL II, 1079,4) auf, als Metapher für Gott in der im Text genannten Stelle Ad mart. 3,3 und in De fiiga 1,5 (CChr.SL II, 1136,41 ). Auf die mit einem „agonothetes" verbundenen Funktionen spielt er auch dort an, wo er von Gott als demjenigen spricht, der „palma", „honor", „civitas" oder „stipendia" vergebe (Scorp. 6,6; CChr.SL II, 1080,8f).

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werden.111 Als Siegespreis des ausstehenden Kampfes winkten die „Krone der Ewigkeit" (corona aetemitatis), der „Preis der engelhaften Substanz" (brabium angelicae substantiae), das „Bürgerrecht im Himmel" (politia in caelis) und der „Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit" (gloria in saecula saeculorum)'12 - Ausdrücke, die durch ihre Überhöhung irdischer Siegespreise den einzigartigen, transzendenten Charakter des von den Bekennern auszutragenden Kampfes noch unterstreichen." 3 Dieser Gedanke des singulären Lohnes, der den Bekennern in Aussicht stehe, wird von Tertullian unter Aufnahme von 1 .Kor 9,25 noch weiter ausgeführt: Wie auch die weltlichen Athleten sich vor einem Kampf strenger Zucht zur Kräftigung ihres Körpers unterzögen, so seien nun auch die Inhaftierten von Christus,

111 Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,23f): „Bonum agonem subituri estis in quo agonothetes Deus vivus est, xystarches Spiritus Sanctus, ...". Mit „bonum agon" bezieht Tertullian sich vermutlich auf l.Tim 6,12 zurück. In bezug auf den „xystarches" ergeben die inschriftlichen Zeugnisse allerdings kein eindeutiges Bild des Aufgabenfeldes. Nach Gustave Glotz, Art. Xystos II, in: DAGR V, 1029, waren die „xystarches" die hochangesehenen Vorsitzenden der antiken Athletenorganisationen, wobei dies mehr als Ehrenstellung, denn als Amt mit konkret umrissenen Funktionen erscheint: „La plupart du temps, la xystarchie apparaît plutôt comme une dignité honorifique, une sorte de présidence et de vague patronat, que comme une fonction régulière aux occupations absorbantes." (Glotz, Xystos, 1030) Auf jeden Fall repräsentierte der „xystarches" die Athletenorganisation bei den Wettkämpfen und bei anderen offiziellen Anlässen. Inschriftlich überliefert als konkrete Aufgabe im Zusammenhang des Wettkampfs ist die Verteilung des Öls an die Athleten (Inscr.gr.V,l,20,A,5-8); war der „xystarches" auch Priester, konnte er für das Opfer vor Beginn des Kampfes zuständig sein. 112 113

Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,24-26).

Die „corona" war in der Antike das gebräuchlichste Zeichen fur den Sieg; in der christlichen Wettkampirnetaphorik findet es sich bereits im Neuen Testament ( l . K o r 9,25). Zur Übernahme dieses Siegessymbols von den Heiden vgl. Karl Baus, Der Kranz in Antike und Christentum, Bonn 1940,173ff; Antonius J. Brekelmans, Martyrer-Kranz. Eine symbolgeschichtliche Untersuchung im frühchristlichen Schrifttum, Rom 1965, 39-70. „brabium" ist eine auch bei den Heiden verwendete Bezeichnung für den Siegespreis, die ebenfalls bereits vor Tertullian von den Christen übernommen wurde (vgl. die Übersetzung von 1 .Kor 9,24 in der Vetus Latina: „Nescitis quoniam ei qui in stadio currunt omnes quidem currunt, sed unus accipit bravium?" (Iren., Adv.haer. IV, 37,7; vgl. auch Mart.Pol. 17,1)). Mit der „angelica substantia" ist die durch das Martyrium erlangte Verähnlichung mit den Engeln ausgedrückt, die eine in der christlichen Martyriumstheologie seit Beginn an verbreitete Vorstellung darstellte (vgl. Apg 6,15; Mart.Pol. 2,3). Mit der Wendung „politia in caelis" greift Tertullian vermutlich auf Phil 3,20 zurück: „Unsere Heimat aber ist im Himmel..." (vgl. De res.earn. 47,15; CChr.SL II, 986,59f: „Et quidem de terra in caelum, ubi nostrum munieipatum Philippenses quoque ab apostolo discunt"). Nach Quacquarelli, Ad martyras, 135, will Tertullian mit dieser Wendung ausdrücken, „che la cittadinanza dei martiri per loro diritto è in cielo; il martire, cioè, è iscritto al l'albo del cielo." In den antiken Wettkämpfen gab es auch den Brauch, siegreichen Athleten das Bürgerrecht zu verleihen. Zu „gloria" als Bezeichnung fur die im Martyrium zu erlangende Würde vgl. Vermeulen, Development, 53-95, zu Tertullians Verwendung von „gloria" 53-63. „saecula saeculorum" ist eine doxologische Formel, die Tertullian noch an zwei weiteren Stellen verwendet (De or. 29,4; CChr.SL I, 274,38; Ad ux. 1,1,3; CChr.SL I, 373,16).

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ihrem „epistates"114, zur härteren Übung ihrer Kräfte für den bevorstehenden Kampf abgesondert worden"5, wobei der Kerker als „Ringschule" (palaestra) verstanden wird, in dem die Vorbereitung für den „Wettkampf' stattfindet."6 Während aber die Sportler all dies sogar für eine „corona corruptibilis" auf sich nähmen, könnten die inhaftierten Christen die Mühen und Strapazen des Kerkers in Zuversicht darauf überstehen, daß ihnen für ihre Standhaftigkeit im bevorstehenden Kampf, der im Gerichtssaal stattfinde1 '7, eine „corona aeterna" in Aussicht stehe."8 Deutlich werden hier die Höherwertigkeit des spirituellen Kampfes der Märtyrer gegenüber dem irdischen der Soldaten und Athleten sowie die Bedeutungslosigkeit der irdischen Ziele ausgedrückt. Trotz der Nichtigkeit ihrer Ziele und des zu erwartenden Lohnes nehmen letztere aber Strapazen und Mühen auf sich; um wieviel mehr können dann Christen in der Hoffnung auf weit hö-

114

Der Bedeutungsgehalt der Bezeichnung „epistates" ist sehr weit gefaßt: In der heidnischen Welt wurden mit „epistates" eine Vielzahl offizieller Funktionsträger in den städtischen Räten und Behörden, in den Tempeln und auch im Zusammenhang der Wettkampfspiele bezeichnet, die sehr unterschiedliche Aufgaben erfüllten; vgl. F. Chavannes, Art. Epistates, in: D A G R II/l, 699-708. Nach Emil Szanto, Art. έ π ι σ τ ά τ α ι , in: PW VI/1 (1907), 200, können „Vorsteher jeder Korporation und Kommission" „epistátai" genannt werden, „sowie alle Personen ..., denen die Obsorge für irgend ein Werk obliegt." Die Unbestimmheit dieses Terminus, wenn er nicht durch die Angabe des Wirkungsfeldes des „epistates" ergänzt wird, spiegelt sich auch in den modernen Übersetzungen wider, die zumeist im Sinne von „Führer" (so Gramaglia, Ai martiri, 169: „dirigente"), „Vorsteher" (Baumeister, Genese, 113) oder „Gebieter" (so Pétré, L'Exemplum, 73: „maitre"; Kellner, BKV 7, 219: „Oberer") übersetzen; vermutlich auf Grund der Formulierung „... epistates vester Christus Iesus,..., voluit vos ante diem agonis ad duriorem tractationem a liberiore condicione seponere, ut vires corroborarentur in vobis" (Ad mart. 3,4; CChr.SL II, 5,26-29) spricht Barnes, Tertullian, 227, von Christus als „trainer". Bereits Plato bezeugt die Funktion der „ γ υ μ ν ι κ ώ ν ά θ λ ω ν έ π ι σ τ ά τ α ι " (Leg. 12). Ihnen oblag die Präsidentschaft über die Spiele, zuweilen auch die Ahndung von Regelverstößen. Zusätzlich konnte mit dieser Stellung auch die Überwachung des Trainings der jugendlichen Wettkämpfer verbunden sein. Vgl. Chavannes, Epistates, 707. 115 Ad mart. 3,4 (CChr.SL I, 5,26-29): „Itaque epistates vester Christus Iesus, qui vos Spiritu unxit et ad hoc scamma produxit, voluit vos ante diem agonis ad duriorem tractationem a liberiore condicione seponere, ut vires corroborarentur in vobis." Die Formulierung „qui vos Spiritu unxit" verweist auf die Taufe als Grundlage des Gehorsamsverhältnisses der Bekenner gegenüber ihrem „epistates". 116 Ad mart. 3,5 (CChr.SL I, 6,6-9): „... carcerem nobis pro palaestra interpretamur, ut ad Stadium tribunalis bene exercitati incommodis omnibus producamur, quia virtus duritia exstruitur, mollitia vero destruitur." 117

Ad mart. 3,5 (CChr.SL I; 6,7f): „Stadium tribunalis". Ähnlich wird in Apol. 50,2 (CChr.SL I, 169,8) der Gerichtssaal als Kampfort beschrieben; während in Ad mart. 3,5 aber das Bild des Wettkampfes im Hintergrund steht, denkt Tertullian in Apol. 5 0 , l f (CChr.SL I, 169,3-9) an den Krieg: „Plane volumus, verum eo more, quo et bellum miles... Proelium est nobis, quod provocamur ad tribunalia, ut illic sub discrimine capitis pro veritate certemus." 118

Ad mart. 3,4f (CChr.SL I, 5,29-6,9).

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heren Lohn ihre Kräfte für die bevorstehenden „spiritalia bella" stärken.119 Die von Tertullian in „Ad martyras" durchgeführte Parallelisierung zwischen weltlichen Soldaten und Athleten einerseits und den inhaftierten Christinnen und Christen andererseits dient also der Ermunterung der Bekenner durch die Herausstellung der grundsätzlich anderen Qualität ihres Kampfes: Sie stehen nicht menschlichen Gegnern gegenüber, sondern dem Teufel selbst, ihr Auftreten vor Gericht ist nicht ein irdisches, juristisches Geschehen, sondern ein kosmisches Ereignis, an dem die Trinität selbst in verschiedenen Funktionen teilhat, ihr Lohn wird entsprechend von gänzlich anderer Art sein als der in weltlichen Kämpfen zu erlangende. Daß der christliche „Soldatenstand" trotz aller Parallelisierung mit dem weltlichen Soldatenstand einen grundsätzlich anderen Charakter hat, erweist Tertullian auch in „De corona". Anläßlich einer kaiserlichen Geldspende sollten die Soldaten eines Lagers mit Lorbeer bekränzt zum Appell antreten. Einer der Soldaten, nach Tertullians Darstellung ohnehin „mehr ein Soldat Gottes"120, habe die Bekränzung mit dem Hinweis auf sein Christsein verweigert.121 Nach einer Beratung seitens der Befehlshaber sei dieser Fall an den Praefekten verwiesen worden, der Soldat habe alle Insignien des Soldatenstandes ablegen müssen. 122 Diese Szene interpretiert Tertullian vor dem Hintergrund von Eph 6,11-17 und betont die Überlegenheit der geistlichen Ausrüstung des zukünftigen Märtyrers über die materielle des

Explizit erfolgt dieser Schluß a minori ad maius in dem folgenden Kapitel Ad mart. 4,9 (CChr.SL I, 7,17-24): „Igitur si tantum terrenae gloriae licet de corporis et animae vigore, ut gladium, ignem, crucem, bestias, tormenta contemnat sub praemio laudis humanae, possum dicere, modicae sunt istae passiones ad consecutionem gloriae caelestis et divinae mercedis. Si tanti vitrum, quanti verum margaritum? Quis ergo non libentissime tantum pro vero habeat erogare, quantum alii pro falso?" Die hier auftauchende Gegenüberstellung „gloria caelestis" - „gloria terrena" entspricht dem stoischen Gegensatz zwischen „vera et falsa gloria". Vgl. Antonius J. Vermeulen, Art. gloria, in: RAC XI (1981), 209. Die „gloria terrena" bzw. „gloria saecularis" wird von Tertullian nicht nur in diesem Zusammenhang deutlich abgewertet (vgl. Apol. 2,5; CChr.SL I, 88,20; Apol. 39,16; CChr.SL I, 152,76; Apol. 46,7; CChr.SL I, 161,37; Apol. 47,3; CChr.SL 1, 163,11), sie erscheint als „gloria turpis" (De cor. 13,7; CChr.SL II, 1062,49) oder „gloria vana" (De pall. 4,6; CChr.SL II, 744,68). 120 121

De cor. 1,1 (CChr.SL I, 1039,4): „magis dei miles".

Zu Zeit und Umständen dieses Vorfalls vgl. Kap. 2., Anm. 35 sowie die dort angegebene Literatur. 122 Zu dem juristischen Hintergrund dieses Vorgangs vgl. Freudenberger, Anlaß, 588f: Das Bekenntnis des Christen rückte den Fall aus dem Bereich der Disziplinarverstöße, „die in die Kompetenz des Militärtribunen fielen", in den Bereich der Kapitalverbrechen. Der Fall sei vertagt und an das Gericht des Gardepräfekten übergeben worden. Zu den einzelnen Insignien („paenula" - Mantel; „speculatoriae" - Soldatenschuhe; „gladium" - Schwert; „laurea" - Lorbeerkranz) vgl. detailliert Ruggiero, De corona, 65f.

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vormaligen Soldaten: Erst nach dem Ablegen von Kriegsmantel, Soldatenschuhen, Schwert und Lorbeerkranz könne er tatsächlich „totus de apostolo armatus", d.h. mit der in Eph 6,11-17 beschriebenen geistlichen Waffenrüstung versehen sein. Er sei schärfer mit dem Wort Gottes bewaffnet als vorher mit dem Schwert und schöner bekränzt mit der Anwartschaft123 auf das Martyrium als vorher mit dem Kranz. Statt der „Geldzuwendung" (liberalitas) der Caesaren erwarte er nun im Kerker die „Spende Christi" (donativum Christi), d.h. den eigentlich den Christen bestimmten Lohn.124 Die bislang erwähnten Ausführungen Tertullians weisen darauf hin, in wie starkem Maße er besonders die der Verfolgung ausgesetzten Christen als „milites" in einer Schlacht, einem Krieg, verstanden hat. Welch reales Verständnis er dabei von dem „Soldatenstand" der Christen gehabt hat, zeigt sich daran, daß für ihn prinzipiell die Zugehörigkeit zur „militia Dei" und zu einem weltlichen Kampfverband unvereinbar sind.125 Diese Exklusivität der „militia Dei" beruht auf der im

123 Der von Tertullian verwendete Begriff „candida (martyrii)" (De cor. 1,3; CChr.SL II, 1040,21) ist schwierig zu übersetzen; während Kellner/Esser, BKV 24, 232, hier mit „Anwartschaft" übersetzen, und Teeuwen, Bedeutungswandel, 98, „candida" ähnlich als „Erkorensein, Designata" versteht, ist dieser Terminus nach Heinz Finé, Die Terminologie der Jenseitsvorstellungen bei Tertullian. Ein semasiologischer Beitrag zur Dogmengeschichte des Zwischenzustandes, Bonn 1958, 65ff, mit „Würde" zu übersetzen. Zu dieser Übersetzungsproblematik vgl. weiter Kap. 4.1.2, Anm. 37. 124

De cor. 1,3 (CChr.SL I, 1040,18-22): „... et nunc rufatus sanguinis sui spe, calceatus de evangelii paratura, succinctus acutiore verbo dei ac totus de apostolo armatus, ut de martyrii candida laurea melius coronandus donativum Christi in carcere expectat." Zu den Termini „liberalitas" und „donativum" vgl. Kap. 2., Anm. 37. Zu Inhalt bzw. Gestalt des „donativum Christi" vgl. den von Freudenberger, Anlaß, 590, gegebenen Hinweis, „daß chárisma in Rom 6,23 durch die Vetus Latina öfters mit donativum übersetzt wird; in Rom 6,23 aber ist das ewige Leben in Christus Jesus das donativum Gottes an seine Streiter." Auf die hier deutlich werdende Höherwertigkeit des den standhaften Christen in Aussicht stehenden Lohnes verweist Tertullian noch einmal zum Ende dieses Traktates in einem Bild: „Quid caput strophiolo aut dracontario damnas diademati destinatum?" (De cor. 15,2; CChr.SL I, 1065,1 lf) 125 Vgl. die grundsätzliche Ablehnung des Soldatenstandes für Christen in De idol. 19 (CChr.SL II, 1120,10-25). Ebenso rigoros erscheint seine Haltung in De cor. 11, wobei nach Heinrich Karpp, Die Stellung der Alten Kirche zu Kriegsdienst und Krieg, in: EvTh 17 ( 1957), 501, zwei Gründe entscheidend sind fur diese Ablehnung: zum einen die Gefahr „religiöser Befleckung durch den Götzendienst", zum anderen das „Verbot der Rache und des Tötens". Differenzierter im Vergleich zu De idol. 19 urteilt Tertullian in De cor. 11 allerdings in bezug auf Soldaten, die als solche erst zum Glauben kommen (De cor. 11,4; CChr.SL II, 1057,28-36). Daß die Praxis der grundsätzlichen Idealvorstellung einer Unvereinbarkeit von Christentum und Militärdienst nicht entsprach, bezeugt Tertullian selbst in De cor. 1,1 (CChr.SL II, 1039,4-6), wo er den Soldaten, der die Bekränzung verweigert, abhebt von „ceteris ... fratribus, qui se duobus dominis servire posse praesumpserant." In selbstverständlicher Weise spricht Tertullian auch in Ad nat. 1,1,2 (CChr.SL I, 1 l,9f); Apol. 5,6 (CChr.SL I, 96,26f); Apol. 37,4 (CChr.SL 148,20-22) und Apol. 42,3 (CChr.SL

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„sacramentum" begründeten Gehorsamsbindung an Gott und den „imperator" Christus, die keine andere Bindung erlaubt: „Non potest una anima duobus deberi, deo et Caesari."126 Das „sacramentum divinum" steht dem „sacramentum humanuni" unvereinbar gegenüber. 127 In den beiden weiteren im Zusammenhang mit Verfolgungssituationen entstandenen Traktaten „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" erscheint das Leiden der Christen in der Verfolgung ebenfalls als ein Kampf besonderer Art, der mit spirituellen Waffen gegen einen kosmischen Gegner ausgetragen werde. Im

1,157,11) von der Existenz christlicher Soldaten. Während Klein, Tertullian, 102-124, versucht, die genannten Belege aus „De corona" und dem „Apologeticum" zu harmonisieren, muß doch die auf der unterschiedlichen Zielsetzung der Kontexte beruhende Differenz in den Aussagen betont werden: Geht es in „De idololatria" und „De corona" um innerchristliche Ermahnung und Einprägung eines Ideals christlicher Sittlichkeit abseits jeder Berührung mit dem Götzendienst, mit der der Militärdienst zwangsläufig auch verbunden war, so im „Apologeticum" um Verteidigung gegenüber heidnischen Vorwürfen. So erscheint in der letztgenannten Stelle die Existenz christlicher Soldaten als positives Argument gegen die den Christen von den Heiden unterstellte Absonderung und Schädlichkeit für das allgemeine gesellschaftliche Leben. In diesem Sinne äußert sich auch Evans, Problem, 28f: „In the Apologeticum he (sc.Tertullian) employs his knowledge of what he knows to be frequent Christian practice,..., ... in the interest of making the Church and its faith both intelligible and attractive to his highly placed pagan readers." Nach Strobel, Imperium Romanum, 92, wird mit der „uneingeschränkten Hervorhebung der Christen im Heer einer entsprechenden antichristlichen Polemik entgegengewirkt" (vgl. Celsos bei Orig., C.Cels. VIII, 73). Fraglich ist die von Stephen Gero, Miles gloriosus: The Christian and Military Service according to Tertullian, in: ChH 39(1979), 291, aufgestellte These, daß Tertullian erst nach 211, d.h. als Montanist, auf Grund eines „sudden influx of Christians into the militaiy profession" die Unvereinbarkeit des Heeresdienstes mit der Christusnachfolge betont habe: Die Datierung von „De idololatria" und die damit verbundene Frage nach der Einordnung dieses Traktates in die katholische oder montanistische Zeit ist sehr umstritten; die zeitlichen Zuweisungen schwanken zwischen 193-203 (favorisiert von der älteren deutschen Forschung, aber auch von Barnes, Tertullian, 55) einerseits und 207-212 (vertreten u.a. von Monceaux, Histoire, 208; Braun, Deus Christianorum, 574) andererseits. Grundsätzlich ist die Bewertung des Militärdienstes in der Alten Kirche und speziell bei Tertullian, nicht zuletzt durch jeweilige aktuelle Auseinandersetzungen veranlaßt, vielfach diskutiert worden; vgl. u.a. Hans Frhr. von Campenhausen, Der Kriegsdienst der Christen in der Kirche des Altertums, in: Offener Horizont. FS Karl Jaspers, München (1953), 255-264; Rordorf, Beurteilung, passim; Gero, Miles, 285-298; Wilhelm Geerlings, Die Stellung der vorkonstantinischen Kirche zum Militärdienst, Barsbüttel 1989, 5-10. Einen Überblick über die breite Behandlung dieses Themas in der Literatur gibt die Bibliographie bei Ruggiero, De corona, XLIV-XLVIII. 126 De idol. 19,2 (CChr.SL II, 1120,18). Christen, die als Soldaten dienen, erscheinen hingegen als „(fratres), qui se duobus dominis servire posse praesumpserant" (De cor. 1,1; CChr.SL II,

1039,5ft· 121 De idol. 19,2; CChr.SL II, 1120,14-17: „non convenit sacramento divino et humano, signo Christi et signo diaboli, castris lucís et castris tenebrarum... "; ähnlich die von Tertullian verneinte Frage in De cor. 11,1 (CChr.SL II, 1056,4f): „Credimusne humanuni sacramentum divino superduci licere ...?" Zur Unvereinbarkeit von „militia Dei" und „militia Caesaris" vgl. auch Rordorf, Beurteilung, 136f.

72

Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi"

Unterschied zu den beiden vorher erwähnten Schriften geht Tertullian hier aber auf die theologische Frage der eigentlichen Urheberschaft der Verfolgung ein. Ebenso wie in „Ad martyras" stellt die Verfolgung in „Scorpiace" zunächst einen Kampf dar, in dem die Christen unmittelbar dem teuflischen Gegner, dem „adversarius", gegenüberstehen. Entscheidend flir Tertullians Verständnis dieses Kampfes ist hier aber, daß der Teufel als Gegner keineswegs auch selbst Urheber dieser Herausforderung ist. Nach seiner Auffassung hat Gott selbst mit dem Martyrium die Möglichkeit dargeboten, durch welche diejenigen, die durch die Taufe dem Teufel bereits entrissen sind, endgültig zu Siegern über diesen werden können.128 Denen, die in diesem zur Prüfung der Gläubigen gedachten Kampf129 den Sieg erringen, lasse Gott auch selbst die Siegespreise zuteil werden130, wobei der Kampf als von Gott ausgerichtetes „spectaculum hominibus et angelis et universis potestatibus" erscheint.131 Während die Vorstellung, daß die Christen in der Verfolgung zwar gegen einen teuflischen Gegner zu kämpfen haben, dieser aber von Gottes Ermächtigung abhängig sei, in „Scorpiace" nur angedeutet ist, findet sie sich in „De fuga in persecutione" ausfuhrlich dargelegt. Um die Notwendigkeit zu erweisen, sich der Verfolgung auszusetzen und nicht die Flucht zu ergreifen, führt Tertullian in diesem Traktat eingehend den Gedanken von der Urheberschaft Gottes in bezug

128

Scorp. 6,1 (CChr.SL II, 1078,3-9): „Sed si certaminis nomine deus nobis martyria proposuisset, per quae cum adversario experiremur, ut, a quo libenter homo elisus est, eum ¡am constanter elidat, hic quoque liberalitas magis quam acerbitas dei praeest. Evulsum enim hominem de diaboli gula per fidem iam et per virtutem inculcatorem eius voluit efficere, ne solummodo evasisset, verum etiam evicisset inimicum." 129 Zu der Vorstellung von der Verfolgung als Prüfung vgl. Kap. 3.2. 130 Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1079,5-1080,8f): „(Deum dedecebit) ... carnem atque animam probare de constantia atque tolerantia? Dare huic palmam, huic honorem, illic civitatem, illi stipendia?" Mit „stipendia" bezieht Tertullian sich auf die unmittelbar vorher aufgezählten Siegespreise der weltlichen Wettkämpfe zurück, zu denen auch Besoldungen seitens der Bürgerschaft gehörten („stipendia civica": Scorp. 6,4; CChr.SL II, 1079,24). In bezug auf die Bedeutung der Verleihung der „civitas", des Bürgerrechtes, vgl. die Erläuterungen zu „politia" in Anm. 113. 131 Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1079,5-7): „Deum dedecebit artes et disciplinas suas educere in medium, in hoc saeculi spatium, in spectaculum hominibus et angelis et universis potestatibus." Die Vorstellung eines im Martyrium den Menschen dargebotenen Schauspiels findet sich schon in 4.Makk 17,14. Mehrfach greift auch Cyprian den Gedanken eines im Martyrium stattfindenden Schauspiels auf, aber bei ihm sind an keiner Stelle die Menschen, sondern immer Gott bzw. Christus die Zuschauer des „spectaculum" (ep. 10,2,3; CChr.SL III B, 49,43: „O quale illud fuit spectaculum domino ..."; De laps. 2; CChr.SL III, 222,21f: „... spectaculum gloriosum praebuistis Deo ..."; ähnlich ep. 37,3,1; CChr.SL III B, 180,61f; ep. 60,2,4; CChr.SL III C, 377,48). Von einem Gott durch das Leiden dargebotenen „Schauspiel" spricht auch Min.Fel., Oct. 37,1.

V e r f o l g u n g als K a m p f zwischen d e m Teufel und den „milites Christi"

73

auf die Verfolgung aus.132 Basierend auf dem Grundsatz, daß nichts ohne den Willen Gottes geschehe (nihil fieri sine Dei volúntate)133, postuliert er den göttlichen Ursprung auch des Verfolgungsgeschehens. Auf der Ebene der Wettkampfmetaphorik sieht er dieses als einen von Gott proklamierten „agon", in welchem dieser selbst auch als Spender der Siegespreise fungiere. Diese Vorstellung, daß Gott selbst den in der Verfolgung zu bestehenden Kampf ausrichtet und dem Standhaften einen besonderen Lohn offeriert, faßt Tertullian hier wie auch schon in „Ad martyras" und indirekt in „Scorpiace"134 in der Übertragung der Funktionsbezeichnung „agonithetes" auf Gott zusammen.135 Dieser verwende die in der Verfolgung Verfolgung"

wirksame 136

Ungerechtigkeit

des

Teufels

als

„Werkzeug

der

, der Teufel stehe mit ihr in dem Dienst Gottes zur Ausführung der

Verfolgung. Deshalb könne man wohl sagen, daß die Verfolgung „durch den Teufel" (per diabolum) geschehe, nicht aber „vom Teufel" (a diabolo) komme 137 , denn der Teufel könne nicht „propria potestate", „aus eigener Vollmacht", in der Verfolgung gegen die seinem Herrschaftsbereich bereits entrissenen Christen kämpfen, sondern nur auf Grund der Ermächtigung durch Gott.'38 Zwar träfen den

132

N a c h D e f u g a 1,2 ( C C h r . S L II, 1135,13-16) bildet die B e a n t w o r t u n g der Frage nach der

U r h e b e r s c h a f t der V e r f o l g u n g die V o r a u s s e t z u n g für die Entscheidung, ob es eine Pflicht gebe, sich dieser Situation auszusetzen: „Igitur consultationi tuae ordinem q u o q u e induimus, animadvertentes ante determinan oportere de statu ipsius persecutionis, utrum a Deo veniat an a diabolo, quo facilius de obitu eius constare possit." D e f u g a 1,2 ( C C h r . S L II, 1135,17f); De ftiga 1,3 ( C C h r . S L II, 1135,23). 134

Vgl. Scorp. 6,5 ( C C h r . S L II, 1079,4f).

135

De f u g a 1,5 (CChr.SL II, 1136,25-40): „Sic et agonem intellegt capit persecutionem, a quo

certamen edicitur, nisi a q u o c o r o n a et praemia p r o p o n u n t u r ? Legis edictum agonis istius in Apocalypsi, quibus praemiis ad victoriam invitet vel m a x i m e illos, qui proprie vicerint in persecutione vincendo, luctati revera non adversus c a m e m et sanguinem, sed adversus spiritalia nequitiae; ita agnosces ad e u n d e m agonithetam pertinere certaminis arbitrium, qui invitât ad p r a e m i u m . " Zu der B e z e i c h n u n g „agonithetes" bzw. „agonothetes" vgl. A n m . 110. 136

De f u g a 2,1 ( C C h r . S L II, 1137,11): „instrumentum persecutionis". A u f das Z u s a m m e n -

wirken des Willens z u m Bösen beim Teufel und des göttlichen Willens in Tertullians K o n z e p t der Verfolgung weist auch Quacquarelli, persecuzione, 579, hin: „... la persecuzione avviene fra i due termini di D i o e del diavolo, fra gli interessi di entrambi positivi e negativi ... Dio permette al diavolo di attaccare i cristiani, m a ad un fine: per sperimentarli e tenerli desti." 137

De f u g a 2,2 ( C C h r . S L II, 1137,18-22): „Igitur quod ministerium non est arbitrii, sed

servitii - arbitrium enim Domini persecutio propter fidei probationem, ministerium autem iniquitas diaboli propter persecutionis instructionem - , ita eam per diabolum, si forte, non a diabolo evenire credimus." 138

De f u g a 2,2 (CChr.SL II, 1137,22f): „Nihil satanae in servos Dei vivi licebit, nisi permiserit

D o m i n u s ..."; De f u g a 2,7 ( C C h r . S L II, 1138,60-64): „Ceterum in d o m é s t i c o s Dei nihil licet (satanae) ex propria potestate... Aut e n i m ex causa probationis conceditur ei ius temptationis ..." Über diejenigen hingegen, die nicht zu Gott gehörten, habe der Teufel durchaus eine eigene Voll-

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Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi"

Christen im „Krieg" der Verfolgung'39 die „glühenden Speere des Teufels"140, aber dies beruhe auf dem Willen Gottes.141 In der Auseinandersetzung mit dem von Gott ermächtigten Teufel stehen den Christen nach Tertullian spirituelle Waffen zur Verfügung, die er unter Aufnahme von Eph 6,16 beschreibt; unter diesen befände sich auch der „Schild", mit dem die „Pfeile des Teufels" ausgelöscht werden könnten und seiner Gewalt sicher widerstanden werden könnte.142 Wer trotz dieser Waffenrüstung in der Verfolgung die Flucht ergreift, über den ergießt sich der beißende Hohn Tertullians.143 Grundsätzlich sei der Tod in der Verfolgung immer der Bewahrung des Lebens durch eine Flucht vorzuziehen; diese Zentralaussage des Traktates schärft er unter Aufnahme militärischer Termini ein und verdeutlicht dadurch einmal mehr die Gehorsamsbindung des Christen gegenüber dem die Verfolgung erlaubenden Gott: „Pulchrior est miles in pugna (proelio) amissus quam in fuga salvus."144 Für Tertullian stehen die Christen in der Verfolgung also im „Krieg" (bellum), in einer „Schlacht" (proelium, acies) oder einem „Wettkampf ' (agon, certamen).145 Durchgängig hebt er dabei aber die Besonderheit des von den Christen geführten Kampfes hervor146, den spirituellen Charakter der von ihnen verwendeten Waffen sowie die prinzipielle Höherwertigkeit des von Gott zu gewärtigenden Lohnes

macht (vgl. De fuga 2,6; CChr.SL II, 1138,56-60) Zu dieser Vorstellung einer Abhängigkeit des Teufels von der Ermächtigung Gottes vgl. auch Jeffrey Burton Russell, Satan. The Early Christian Tradition, Ithaca/London 1981, 94-97. 139 De fuga 3,1 (CChr.SL II, 1139,7): „Nostrae autem paci quod est bellum quam persecutio?"; vgl. De fuga 11,1 (CChr.SL II, 1148,7): Verfolgung als „acies". 140 De fuga 3,2 (CChr.SL II, 1139,14): „ignea iacula diaboli". 141

De fuga 3,2 (CChr.SL II, 1139,15).

142

De fuga 9,2 (CChr.SL II, 1146,19-22): „Arma quoque demonstrat (Paulus),..., inter quae et clipeum, quo possitis tela diaboli extinguere, resistentes sine dubio et excipientes omnem vim illius." 143 De fuga 10,1 (CChr.SL II, 1147,4-7): „Bonum militem Christo imperatori suo praestat, qui tarn piene ab apostolo armatus tuba persecutionis audita diem deserit persecutionis!" 144

De fuga 10,2 (CChr.SL II, 1147,1 lf). De fuga 3,1 (CChr.SL II, 11397): „bellum"; Apol. 50,2 (CChr.SL 1, 169,6f): „proelium"; De fuga 11,1 (CChr.SL II, 11148,7); Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,23); De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,35.37): „agon"; Scorp. 6,1 (CChr.SL II, 1079,3); De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,35f.41): „certamen". 145

146 Vgl. auch Apol. 50,3 (CChr.SL I, 169,12f): „Ergo vincimus, cum occidimur" Die Kriegsmetaphorik in Apol. 50 ist, wie auch dieses Zitat zeigt, auf die radikale Umwertung des jeweiligen heidnischen Verständnisses ausgerichtet. So wird die Feuerstrafe als ein Triumph beschrieben: „... ad stipitem dimidii axis revincti sarmentorum ambitu exurimur. Hie est habitus victoriae nostrae, haec palmata vestís, tali curru triumphamus." (Apol. 50,3; CChr.SL I, 169,15-17)

Verfolgung als Kampf zwischen dem Teufel und den „milites Christi"

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über jede von irdischen Gewalten in Aussicht gestellte Prämie.147 Ihre Basis hat diese Besonderheit in der Vorstellung, daß der Kampf der Christen in der Verfolgung insofern jeden irdischen Kampf transzendiere, als den Christinnen und Christen nicht weltliche Gegner, sondern der Teufel selbst gegenüberstünden. Das Spezifikum des tertullianischen Verständnisses der Verfolgung besteht dabei darin, daß er zwischen dem Gegner (adversarius) der Gläubigen und dem eigentlichen Urheber (auctor)148 der Verfolgung unterscheidet. Der Teufel habe keinerlei eigene Vollmacht und Befugnis (propria potestas)149 zum Kampf gegen die Christen, sondern müsse von Gott zum Vorgehen gegen die „milites Dei" ermächtigt werden.150 Durch die Postulierung der göttlichen Urheberschaft der Verfolgung kann Tertullian jeden Dualismus in der Verfolgungsdeutung vermeiden: Die Christen stehen zwar den Angriffen des Teufels gegenüber, aber dies nur „ex Dei volúntate".151 Wenn der Gedanke, daß Gott der eigentliche Urheber der Verfolgung ist, möglicherweise auch für „Ad martyras" vorausgesetzt werden kann152, so hat Tertullian ihn aber doch nur in „Scorpiace" und pointierter noch in „De fuga in persecutione" expliziert. Dies hängt unmittelbar mit der Zielrichtung dieser Traktate zusammen: Beide richten sich gegen die Negierung einer Pflicht zum Bekenntnis und zur Standhaftigkeit in der Verfolgung. Dem gegenüber er-

147 Vgl. auch Apol. 50,2 (CChr.SL I, 169,9-11): „Ea victoria (sc.in persecutione) habet et gloriam placendi Deo et praedam vivendi in aeternum." 148 149

De fuga 3,1 (CChr.SL II, 1139,9). De fuga 2,7 (CChr.SL II, 1138,61).

150 Auf dieses Spezifikum der Verfolgungsdeutung Tertullians weist auch hin Weinrich, Spirit, 256: „... in persecution Satan is fundamentally God's servant and minister of judgement. Satan is God's instrument of reprobation. This is a considerably different perspective than that of Ignatius of Antioch and the martyrs of Lyon. For these the enmity was fully between God (Christ) and satan ... (In Tertullian) the tension is between God who judges and man who is judged. Martyrdom is not Christ's victory but evidence that man was obedient to G o d ' s command even unto death." 151

De fuga 3,2 (CChr.SL II, 1139,15). Zur expliziten Rückführung der Verfolgung auf die „voluntas" bzw. das „arbitrium Dei" vgl. auch De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,44f); 2,1 (CChr.SL II, 1137,90; 2,2 (CChr.SL II, 1137,190152

Die Ad mart. 3,3 (CChr.SL 1,5,230 auf Gott übertragene Funktionsbezeichnung „agonothetes" läßt einen solchen Schluß zumindest möglich erscheinen, da dieser häufig auch als Stifter und Ausrichter eines Wettkampfes erscheint. Vgl. Reisch, Agonothetes, 874f und Anm. 110. In diesem Sinne deutet Brekelmans, Martyrerkranz, 81, diese Bezeichnung in Ad mart. 3,3: „Hier aber ist Gott selber der Stifter des christlichen Agons, nämlich des Martyriums." Deutlich ausgesprochen ist der Zusammenhang zwischen der „Agonothesie" Gottes und dem bei ihm liegenden Ursprung der Verfolgungssituation in De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,35f.40-42): „Si et agonem intellegi capit persecutionem. A quo certamen edicitur, nisi a quo corona et praemia proponuntur? ... Ita agnosces ad eundem agonithetam pertinere certaminis arbitrium, qui invitât ad praemium."

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Verfolgung als Prüfung

scheint die Gottgewolltheit der Verfolgungssituation als unabweisbares Argument für die Notwendigkeit und Pflicht, sich der Verfolgung bis zur letzten Konsequenz auszusetzen.

3.2 Der göttliche Zweck der Verfolgung: Die Verfolgung als Prüfung der Christinnen und Christen Diese zumindest in zwei Traktaten hervortretende Sicht Gottes als des eigentlichen Urhebers der Verfolgung führt zu der Frage nach dem von Gott mit der Verfolgung intendierten Zweck. Zur Beantwortung dieser Frage hat Tertullian die bereits im Alten Testament, in der zwischentestamentlichen Literatur wie auch im Neuen Testament zu findende Vorstellung vom Leiden als einer Prüfung der Gläubigen153 aufgegriffen. Beiläufig und ohne besonderes Gewicht spricht Tertullian bereits in „De praescriptione haereticorum" von der Verfolgung als einer von Gott ausgehenden Entscheidungssituation, deren Bestehen einen Christen als Bewährten erweisen könne. Der Kontext zeigt dabei allerdings, daß es Tertullian in diesem Zusammenhang nicht um eine Deutung der Verfolgung geht, sondern um eine im Anschluß an 1 .Kor 11,19 erfolgende Herausstellung des Zweckes der Häresien als für die Endzeit vorhergesagter Bewährungssituationen. Diese gott-

153 Der Gedanke des Leidens als von Gott ausgehender oder zumindest zugelassener Prüfung der Frommen findet sich vielfach im AT und in der zwischentestamentlichen Literatur: vgl. z.B. Ps 66,10-12; Hiob 1,6-12; 2,1-7, SapSal 3,1-10. Zu dieser Vorstellung und den genannten Stellen vgl. Norbert Peters, Die Leidensfrage im Alten Testament, Münster 1923, 47-52. Im Neuen Testament erscheint die Vorstellung des Leidens als Prüfung in l.Petr l,6f; 4,12; Apk 2,10, wobei in den genannten Stellen konkret an das Leiden der Christen unter Diskriminierung und Verfolgung gedacht ist. Zu 1 .Petr 1,6f; 4,12 vgl. Norbert Brox, Der erste Petrusbrief (EKK XXI), Neukirchen 1979, 213 : „Eine erste wichtige Einsicht ist: Was da an Verfolgung und Unrecht den Christen angetan wird, muß als „Erprobung" angesehen werden. Dann geht es also auf Gottes Willen (oder Zulassung) zurück, ist nur vordergründig beängstigend und feindlich, muß als Probe angenommen und bestanden werden. Damit eröffnet sich die Möglichkeit für die Gemeinden und den einzelnen, die bösen Erfahrungen positiv einzuordnen in ihr Bild einer Welt und Geschichte mit Gott." Zu dieser Deutung des Leidens vgl. weiter Helmut Millauer, Leiden als Gnade - Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Leidenstheologie des ersten Petrusbriefes, Bern/Frankfurt/M. 1976, 144. In der altkirchlichen Tradition taucht der Gedanke des Prüfungsleidens z.B. in Herrn., Vis. IV,3,4f und Did. 16,4f auf. Innerhalb der heidnischen Philosophie findet sich die Vorstellung einer göttlichen Verhängung von Leiden zum Zweck der Prüfung z.B. bei Sen., De prov. 4,7: „Hos itaque deus quos probat, quos amat, indurat, recognoscit, exercet."

Verfolgung als Prüfung

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gewollte Funktion wird mit Hilfe der Parallele der Verfolgung zusätzlich betont.154 Eindeutig auf die Prüfung der Gläubigen durch die Verfolgung bezogene Äußerungen finden sich erst in „Scorpiace". Nach der Darstellung in diesem Traktat würden „Fleisch und Geist" der Gläubigen in der Verfolgung in bezug auf ihre Standhaftigkeit und Ausdauer geprüft; die einen erlangten dabei die für den Sieg in Aussicht gestellten Preise, andere hingegen würden verworfen werden. Auf diese Weise fälle Gott im voraus ein Urteil (praeiudicare) über die Christinnen und Christen155, d.h. das Ergebnis der in der Verfolgung stattfindenden Prüfung nimmt dasjenige des Endgerichtes vorweg. Auch unter Aufnahme von Sach 13,9a deutet Tertullian die Foltern, Strafen und Martertode als eine Prüfung des Glaubens: „Audio enim et alibi dicentem deum: uram illos sicut uritur aurum, et probabo illos sicuti probatur argentum." Dies geschehe durch die „Martern des Feuers und der Hinrichtungen", „durch die Martyrien, welche den Glauben erproben".156 An anderer Stelle in diesem Traktat greift Tertullian mit 1 .Petr 4,12 und Apk 2,10 die neutestamentlichen Zentralstellen für den Gedanken einer durch die Verfolgung stattfindenden Versuchung und Prüfung auf157, ohne daß dieser aber im

154

De praescr.haer. 4,6 (CChr.SL 1,190,17-19): „... probabiles quique manifestarentur, tarn qui in persecutionibus steterint quam qui ad haereses non exorbitaverint." Zeitlich liegt diese Aussage mit großer Wahrscheinlichkeit vor den im folgenden anzusprechenden Traktaten „Scorpiace" und „De fuga in persecutione". Zu den Datierungsvorschlägen, die sich in dem Zeitraum zwischen 198 und 206 bewegen, vgl. die Übersicht bei Braun, Deus Christianorum, 568f, sowie Barnes, Tertullian, 55. 155

Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1079,5-1080,13): „(Deum dedecebit) ... carnem atque animan probare de constantia et tolerantia? Dare huic palmam, huic honorem, i 11 i civitatem, illi stipendia? etiam quosdam reprobare et castigatos cum ignominia submovere? Nimirum praescribis deo, quibus temporibus aut modis aut locis de familia sua iudicet, quasi non et praeiudicare iudici congruat?" 156 Scorp. 7,3f (CChr.SL II, 1081,12-16): „Utique per tormenta ignium et suppliciorum, per martyria fidei examinatoria." Sach 13,9 wird von Tertullian auch in De fuga 3,1 (CChr.SL II, 1139, 1 lf) zur Untermauerung des Prüfungsgedankens angeführt. Die in beiden Fällen vorliegende Vertauschung der Metalle gegenüber dem lateinischen Bibeltext („uritur argentum ... probatur aurum") könnte darauf beruhen, daß Tertullian diese Zentralstelle für den Gedanken einer Prüfung der Gläubigen aus dem Gedächtnis zitiert. Die Verknüpfung des Prüfungsleidens mit dem Bild von dem im Feuer geprüften und geläuterten Edelmetall findet sich vielfach schon in der jüdischen wie auch der christlichen Tradition: vgl. Ps 66,10; Sir 2,5; Spr 17,3; 27,21; Mal 3,3; SapSal 3,4-6; Jdt 8,25-27; l.Petr 1,7; Apk 3,18; Heim., Vis IV,3,4. Zu diesem Motiv vgl. Brox, Petrusbrief, 65, sowie Millauer, Leiden, 144, der in bezug auf das hinter diesem Bild stehende Erwählungsbewußtsein der durch das Leid Betroffenen bemerkt: „Das traditionelle Bild von der Entschlackung edler Metalle entspricht dem Selbstverständnis des Erwählten in seiner Leidenssituation." Auch in der Stoa findet sich die Verbindung dieses Bildes mit dem Prüfungsleiden: „Ignis aurum probat, miseria fortes viros." (Sen., De prov. 5,10) 157

Scorp. 12,3.6 (CChr.SL II, 1092,17-19; 1093,9-11).

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Verfolgung als Prüfung

Kontext weiter ausgeführt wird. Auch die Vorstellung, daß die Standhaftigkeit unter den Martern und grausamen Strafen entsprechend die Bewährung fiir die Christinnen und Christen bedeute, taucht außer an der oben angeführten Stelle nur noch sehr beiläufig auf.158 Eine wesentlich breitere Darlegung des Gedankens einer durch die Verfolgung vollzogenen Prüfung der Christen findet sich in dem montanistischen Traktat „De fuga in persecutione". Um gegenüber den Katholiken die absolute Notwendigkeit zu erweisen, sich einer Verfolgung nicht durch Flucht zu entziehen, sondern sich ihr auszusetzen, widmet Tertullian die ersten drei Kapitel dem Nachweis, daß die Verfolgung dem Willen Gottes entspringe.159 Für Gott sei diese deshalb notwendig, weil er durch sie die Gläubigen prüfen und in Bewährte und Nichtbewährte scheiden könne; insofern diene sie „ad probationem servorum eius (sc. Dei) sive reprobationem".160 Der Abschluß (exitus) bzw. das Ergebnis (effectus) der mittels der Verfolgung stattfindenden Prüfung sei also nichts anderes als die Bewährung oder auch Nichtbewährung des Glaubens.161 In diesem Sinne stelle die Verfolgung das „Gericht" (iudicium) Gottes dar, durch das ein Christ entweder als „Bewährter" oder als „Verworfener" erwiesen werde162, sich also sein Status vor Gott offenbare. Untermauert wird dieser Gedanke einer Sichtung und Scheidung der Gläubigen mittels der Verfolgung von Tertullian durch Rückgriff auf zwei biblische Bilder: Die Verfolgung sei zum einen als die „Schaufel" zu verstehen, mit der Gott auf der Dreschtenne den Weizen von der Spreu trenne (vgl. Mt 3,12). Durch die Verfolgung sichte er also die in der Kirche versammelte „vermischte

158 Scorp. 1,11 (CChr.SL II, 1070,1 lf): „Alios ignis, alios gladius, alios bestiae Christianos probaverunt..." Auf das Bestehen der „Prüfimg" als Voraussetzung zur Aufnahme in den Himmel spielt Tertullian in seiner Polemik gegen die gnostischen Gruppierungen an, die von einer Bekenntnispflicht erst im Himmel ausgehen: „Quae porro fides rerum, ut post excessum ad superna sublevatus illic probarer, quo non nisi iam probatus inponerer, illic de receptu examinarer, quo nisi admittendus pervenire non possem?" (Scorp. 10,5; CChr.SL II, 1088,8-11) 159 Vgl. die zu Beginn des vierten Kapitels aus den ersten drei Kapiteln gezogene Folgerung: „Igitur si constat a quo persecutio eveniat, possumus iam consultationem tuam inducere et determinare ex hoc ipso praetractatu fugiendum in persecutione non esse. Si enim persecutio a deo evenit, nullo modo fugiendum erit, quod a Deo evenit." (De fuga 4,1; CChr.SL II, 1139,1- 1140,5) 160 De fuga 1,3 (CChr.SL II, 1135,24f). 161

De fuga 1,3 (CChr.SL II, 1135,25-27): "Quis est enim exitus persecutionis, quis effectus alius, nisi probatio et reprobatio fidei, qua suos utique Dominus examinavit ?" Vgl. De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136, 42-43): „Totum, quod agitur in persecutione, gloria Dei est, probantis et reprobantis, imponentis et deponentis". 162

De fuga 1,4 (CChr.SL II, 1135,27-1136,29): „Hoc nomine iudicium est persecutio, per quam quis aut probatus aut reprobatus iudicatur: porro iudicium soli Deo competit."

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Menge der Gläubigen" (confusus acervus fidelium) und scheide den „Weizen" der Märtyrer von der „Spreu" der Verleugnen 163 In diesem Bild erscheint die Verfolgung als ein Mittel, das „corpus permixtum" der Kirche164 schon auf Erden zu überprüfen und derart zu scheiden, daß die „wahren" Gläubigen - für Tertullian in diesem Kontext die „martyres" im Gegensatz zu den „negatores", den „Verleugnern"165 - erkennbar würden. Im Kontext von „De fuga in persecutione" bedeutet dies konkret eine Scheidung in diejenigen, die sich der Verfolgung bis zur Konsequenz des Martertodes aussetzen, und diejenigen, die die Flucht ergreifen.166 Daß allein den ersteren der Zugang zum Paradies möglich sei, verdeutlicht er durch das zweite biblische Bild. Diesem zufolge stelle das Verfolgungsgeschehen die „Jakobsleiter" (vgl. Gen 28,12) dar, auf der die einen in die Höhe, in das Paradies, stiegen, die anderen aber in die Tiefe, die Unterwelt, hinab.167 Nicht zuletzt die Aufnahme dieser Bilder zeigt, daß für Tertullian der Skopus des Prüfungsmotivs in der dadurch ermöglichten Scheidung zwischen den Gläubigen, in dem Erweis ihres Heils bzw. (Un)heilsstandes vor Gott, liegt.168 Auf sprachlicher Ebene wird

163 De fuga 1,4 (CChr.SL II, 1136,29-32): „Haec (sc. persecutio) pala illa, quae et nunc dominicam aream purgat, ecclesiam scilicet, confusum acervum fidelium eventilans et discernens frumentum martyrum et paleas negatorum." 164 Vgl. die Erläuterung zu „confusus acervus fidelium" bei Johannes Jakobus Thierry, Tertullianus. De fuga in persecutione, Hilversum 1941, 114: „... het onderscheid tuschen de ware geloovigen en de „hypocrieten" is nog niet evident." 165 Nach Hoppenbrouwers, Recherches, 63, verwendet Tertullian hier „negatores" „avec une signification technique comme antithèse à martyres". Daß Tertullian abgesehen von „confessor" nur diese beiden Begriffe zur Kennzeichung der Christen in der Verfolgung kennt, zeigt sich auch in De cor. 2,1 (CChr.SL II, 1141,2-4): Die von ihm aufgestellte Behauptung, daß Christen keine Kränze trügen, wird dort folgendermaßen untermauert: „Omnes ita observant a catechumenis usque ad confessores et martyras vel negatores." Die letzten drei Begriffe bezeichnen die drei möglichen Status, die ein Christ in der Verfolgung erlangen könne. Anders als ein halbes Jahrhundert später für Cyprian gibt es für Tertullian zwischen „confessio" und „martyrium" einerseits und „negatio" andererseits keine dritte Möglichkeit der Standhaftigkeit ohne Bekenntnis und Martyrium. Dies hängt zum einen mit der rechtlichen Situation seiner Zeit zusammen, in der nur einzelne Christen oder kleine Gruppen von Verfolgung betroffen waren und diese dann vor die genannten Alternativen gestellt waren, zum anderen aber auch mit Tertullians Interesse, alle Verhaltensweisen in der Verfolgung, die nicht auf das Bestehen der Verfolgungssituation bis zur letzten Konsequenz hinauslaufen, als „negatio" zu diskreditieren. 166 Zur Gleichsetzung von „fuga" und „negatio" in „De fuga in persecutione" vgl. Kap. 4.4. 167 De fuga 1,4 (CChr.SL II, 1136,32-24): „Hae etiam scalae, quas somniat Iacob, aliis ascensum in superiora, aliis descensum ad inferiora demonstrantes." Zu dem Gebrauch von „inferiora" als „Unterwelt" vgl. De an. 55,2 (CChr.SL II, 862,7-11). Zu der von Tertullian vertretenen Vorstellung, daß nur die Märtyrer nach ihrem Tod in das Paradies gelangten, alle anderen Gläubigen hingegen zunächst in die Unterwelt vgl. ausführlich Kap. 4.5.1, 4.5.3 und 4.6. 168 Das Bild der „Jakobsleiter" verwendet Tertullian auch in Adv.Marc. III, 24,9 (CChr.SL I, 543,5-9) für die von Gott durchgeführte Scheidung innerhalb der Gläubigen.

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dies daran deutlich, daß er mehrfach die beiden möglichen „Ergebnisse" der Prüfung, „probatio" oder „reprobatio", Bewährung oder Verwerfung, antithetisch einander gegenüberstellt.169 Nachdem er die Funktion der von Gott ausgehenden Verfolgung umrissen hat, beschäftigt Tertullian sich in einem zweiten Argumentationsgang mit der in der Verfolgung gegenüber den Gläubigen wirksamen Ungerechtigkeit. Diese werfe erneut die Frage nach ihrem Ursprung auf. Dem möglichen Argument, daß die in der Verfolgung waltende „Ungerechtigkeit" (iniquitas) auf den Teufel als eigentlichen Urheber hinweisen könne, begegnet Tertullian mit der Vorstellung, daß die Ungerechtigkeit des Teufels von Gott als „instrumentum persecutionis" benutzt werde. Sie werde in den Dienst genommen, um den von Gott gewollten Zweck der Verfolgung, die Prüfung der Gläubigen, zu erreichen; in diesem Sinne erscheint die „iniquitas diaboli" als notwendig zur Prüfung des Glaubens.170 Die Sichtung und Prüfung der Christen wird von Tertullian in diesem Zusammenhang als „ratio persecutionis", als Grund oder Motiv der Verfolgung, bezeichnet, die Verfolgung umgekehrt als „ratio probationis", als Mittel zur Prüfung.171 In dieser Ausrichtung entspreche sie dem Willen Gottes172 und nur zu diesem Zweck erhalte der Teufel die Macht zur Versuchung. Auf keinen Fall könne dieser ohne Ermächtigung Gottes gegen die Gläubigen vorgehen, da er zwar über die Heiden, nicht aber über die Christen als „Hausgenossen Gottes" eigene Macht besitze. Gemäß der Schrift werde ihm ein Vorgehen gegen letztere von Gott aber aus drei Gründen erlaubt: „ex causa probationis", „ex causa reprobationis" und „ex causa cohibitionis", d.h. um jemanden zu demütigen und in seine Schranken zu weisen.173 Letzteres solle

169 De fuga 1,3 (CChr.SL II, 1135,24f.26); 1,4 (CChr.SL II, 1135,28f); 1,5 (CChr.SL II, 1136,43); 3,1 (CChr.SL II, 1139,2). 170 De fuga 2,1 (CChr.SL II, 1136,7-1137,8): „... propter probationem fidei necessaria ...". Vgl. De fuga 2,1 (CChr.SL II, 1137,17f): „Ita et iniquitas adhibetur, ut iustitia probetur confundens iniquitatem." Zu diesem Zusammenhang vgl. Weinrich, Spirit, 255f: „Persecution is God's testing of man. Nowhere is this clearer than in the role which Satan plays. While God wills persecution in order that there might be a testing of faith, Satan supplies the injustice necessary for this testing. Satan thus becomes a minister of God in the execution of the divine judgement... Satan confronts the Christian with his injustice not of his own free will but because he his the servant of God." 171 De fuga 2,1 (CChr.SL 11,1137,9-12): „... praecedere enim Dei voluntatem circa fidei probationem, quae est ratio persecutionis, sequi autem diaboli iniquitatem ad instrumentum persecutionis, quae ratio est probationis". Zur unterschiedlichen Verwendung von „ratio" im Sinne von „Grund" bzw. „Mittel" vgl. Thierry, De fuga, 128. 172

De fuga 2,2 (CChr.SL 11,1137,19): „... arbitrium enim Domini persecutio propter fidei probationem ...". 173 Zum Verständnis von „cohibitio" vgl. ThLL III, 1548f.

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dabei dem Zweck der Besserung dienen.174 Diese Ergebnisse der dem Teufel gestatteten Versuchung zeigten sich nun besonders in den Verfolgungen, „... siquidem magis tunc probamur vel reprobamur, et magis tunc humiliamur vel emendamur ,..".'75 Nach Tertullian können die Verfolgungen also ein vierfaches Resultat zeitigen: Bewährung, Verwerfung, Erniedrigung oder Besserung der Christinnen und Christen. Diese Ausführungen Tertullians zu den Intentionen, an die Gott die Ermächtigung des Teufels zur „temptatio", zur Versuchung der Gläubigen, bindet, zeigen, daß er neben dem Gedanken der Verfolgung als einer Prüfung mit dem Ergebnis der Bewährung oder Verwerfung hier auch denjenigen einer Besserung oder Erziehung aufgreift. Die in der biblischen Tradition zuweilen eng mit dem Gedanken des Prüfungsleidens verbundene Vorstellung eines Läuterungs- und Erziehungsleidens, die in der altkirchlichen Verfolgungsdeutung u.a bei Clemens von Alexandrien, aber auch bei Cyprian aufgegriffen worden ist176, findet sich bei

174 Vgl. De fuga 2,7 (CChr.SL II, 1138,60-1139,71). In dieser Stelle zeigt sich eine Akzentverschiebung gegenüber den vorhergegangenen Überlegungen Tertullians zum Zweck der Verfolgung: Zunächst erscheint diese als Herausforderungssituation, in der sich erst entscheidet, ob jemand zu den „probati" oder zu den „reprobati" gehört; diese Scheidung ist das Ergebnis („effectus") der Prüfung und Sichtung. Hier hingegen stehen Bewährung bzw. Verwerfung bereits vorher fest; über den Sünder kommt die Verwerfung durch den Teufel „quasi carnifici poenam", d.h. als Strafe. Neben dieser Stelle, die sich allerdings weniger konkret auf die Ermächtigung des Teufels zur Verfolgung der Gläubigen bezieht, sondern eine Art Exkurs zur prinzipiellen Zielsetzung der Gott dem Satan gegebenen Vollmacht über die Gläubigen darstellt, findet sich der Gedanke der Strafe im Verfolgungskontext nur noch in Scorp. 3,2-7 (CChr.SL II, 1074,3-1075,12), wo Tertullian auf die Überlieferung Israels an fremde Völker als Ausdruck des Zornes Gottes über ihren Abfall zur Idololatrie hinweist. Über diese beiläufigen Andeutungen hinaus verwendet Tertullian den Gedanken einer von Gott durch den Teufel verhängten Strafe nicht weiter zur Interpretation der Verfolgungserfahrung. Die bei Bray, Holiness, 47, zu findende Behauptung, „The idea that persecution was a punishment inflicted on the Church as a scourge for its failure to wipe out heresy will not seem strange to anyone acquainted with early Christian apocalyptic literature. Its importance as a theme in Tertullian's writings should not be underestimated", erscheint insofern unzutreffend. 175 176

De foga 3,1 (CChr.SL II, 1139,2f).

Die Verküpfung beider Gedanken in der alttestamentlichen Tradition zeigt sich gerade auch in dem auch von Tertullian aufgegriffenen Bild der Entschlackung von Edelmetallen (vgl. z.B. Ps 66,10-12). Zu diesem Bild vgl. Anm. 156. Zu Belegen aus dem Alten Testament und der zwischentestamentlichen Zeit für die Vorstellung eines von Gott zur Läuterung und Erziehung verhängten Leidens vgl. Peters, Leidensfrage, 43-47. Konkret auf Verfolgung bezogen erscheint die Vorstellung einer durch diese erfolgenden Erziehung und Läuterung z.B. in 2.Makk 6,12-17. In der altkirchlichen Verfolgungsdeutung spielt der Gedanke des erzieherischen Leidens eine Rolle z.B. bei Clemens von Alexandrien (Strom. IV, 87,2: Verfolgungen gehören zur Erziehungskunst der Vorsehung) und bei Cyprian, der ihn aber in Zusammenhang mit der Vorstellung des Strafleidens bringt: Die in der Verfolgung über die Christen verhängte Strafe erfolge nicht um ihrer selbst willen, sondern diene dem positiven Ziel der Läuterung, Besserung und Rettung der Christen und sei

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Tertullian allerdings lediglich angedeutet. In seinen Darlegungen zu Zweck und Ergebnis der von Gott ausgehenden Verfolgung in „De fuga in persecutione" fuhrt er aus, daß die Verfolgung nicht nur zur Prüfung und Sichtung der Gläubigen diene, sondern auch zu einer Verstärkung des Glaubens und der Gottesfurcht: „Sed quando Deus magis creditur, nisi cum magis timetur, nisi in tempore persecutionis?"177 Die Bestürzung über die Verfolgungssituation führe zu verstärkten Glaubensübungen, Fasten, Wachen, Gebeten, zu erneuerter Demut, gegenseitiger Liebe, Heiligkeit und Mäßigkeit. In diesem Sinne erscheint die Verfolgung also als ein Geschehen, durch das die Christen gebessert würden.178 Trotz dieser Ausweitung bleibt in „De fuga in persecutione" aber der Gedanke der Prüfung zum Zweck der Scheidung zwischen Bewährten und Verworfenen Schwerpunkt der Ausführungen Tertullians zu dem von Gott intendierten Ziel der Verfolgung. Diese ist für ihn die Entscheidungs- und Bewährungssituation der Gläubigen par excellence: „... nec probado fidei sine persecutione ..,"'79. In dieser könnten sie durch ihr Verhalten über die Zuteilung des „Lebens" oder des „Todes" durch Gott entscheiden. Das ewige Leben erlange derjenige, der in der Verfolgung standhalte und sich so als „Bewährter" (probatus) erweise.180 Jegliches Ausweichen vor der Verfolgung hingegen führe zum zweiten Tod, der Verbannung in den „Höllenpfuhl aus Schwefel und Feuer" (vgl. Apk 21,8), die die endgültige Verwerfung durch Gott bezeichnet.181 Diese Deutung ermöglicht ihm die rigorose

insofern als Ausdruck der Liebe Gottes zu werten: „Et deus utique, qui quem corripit diligit, quando corripit, ad hoc corripit ut emendet, ad hoc emendai ut servet." (ep. 11,5,1; CChr.SL III B, 61,83f) Grundsätzlich auf die den Christen treffenden Übel bezogen findet sich der Gedanke einer Züchtigung mit dem Ziel der Besserung und Läuterung als Ausdruck der Liebe Gottes bei Tertullian in De pat. 11,4 (CChr.SL 1,311,12-17). 177

De fuga l,5f (CChr.SL II, 1136,45f). De fuga 1,6 (CChr.SL Π, 1136,46-52): „Ecclesia in attonito est; tunc et fides in expeditione sollicitior et disciplinatior in ieiuniis et stationibus, orationibus et humilitate, in alterutra diligentia et dilectione, in sanctitate et sobrietate: non enim vacatur nisi timori et spei. Adeo et ex hoc ipso ostenditur nobis non possse diabolo deputari earn, quae meliores efficit Dei servos." 179 De fuga 2,1 (CChr.SL II, 1136,7f); vgl. De fuga 3,1 (CChr.SL II, 1139,2). 180 De fuga 3,1 (CChr.SL II, 1139,8-14): „... persecutionis vel maxime exitus aut vitam afferunt aut mortem... Cum enim exurimur persecutionis ardore, tunc probamur de fidei tenore." Zu dem hier vorliegenden spezifisch christlichen Gebrauch von „vita" und „mors" im Sinne von „ewigem Leben" und „ewigem Tod", d.h. endgültiger Verwerfung durch Gott, vgl. Teeuwen, Bedeutungswandel, 43. 178

181

De fuga 7,4 (CChr.SL II, 1145,32-24): „Postremo in Apocalypsi non fijgam timidis offert, sed inter ceteros reprobos particulam in stagnum sulfuris et ignis, quod est mors secunda." Daß die Feigen in besonderem Maße zu den Verworfenen gezählt werden, unterstreicht Tertullian unter Bezug auf Apk 21,8 auch in Scorp. 12,11 (CChr.SL II, 1094,11-13): „Inter omnes enim reprobos, immo ante omnes, timidi. Timidis autem, inquit, dehinc ceteris partícula in stagno ignis et sulfuris."

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Ablehnung des seiner Auffassung nach die Verwerfung nach sich ziehenden Verhaltens - der mangelnden Standhaftigkeit und der Bereitschaft zur Flucht. Durch das in „Scorpiace" und deutlicher noch in „De fuga in persecutione" ausgeführte Verständnis der Verfolgung als einer von Gott ausgehenden Prüfung verleiht Tertullian dem Leiden in der Verfolgungssituation einen gottgewollten Sinn. Daß er sowohl die Urheberschaft Gottes als auch den göttlichen Zweck der Verfolgung schwerpunktmäßig in diesen beiden Traktaten herausgestellt hat, hängt unmittelbar mit deren Intention zusammen. Beide Schriften richten sich gegen eine Negierung der Pflicht zur Standhaftigkeit in der Verfolgung, zum einen seitens gnostischer Gruppierungen, die die Bekenntnispflicht relativieren, zum anderen seitens der Katholiken, bei denen nach Tertullians Darstellung eine grundsätzliche Akzeptanz der Flucht in der Verfolgung vorherrscht.182 Um in seiner Polemik gegenüber diesen Positionen die von ihm vertretene absolute Notwendigkeit von Standhaftigkeit, Bekenntnis und Martyrium einschärfen zu können, ist es für Tertullian von grundlegender Bedeutung, der Verfolgung einen Gottes Willen entsprechenden Sinn beizulegen. Nur auf dieser Grundlage kann er die Verfolgung als eine Situation erweisen, der sich die Christinnen und Christen bis zur letzten Konsequenz aussetzen müssen. Diese „Zweckgebundenheit" seiner Ausführungen zu der mit der Verfolgung verbundenen göttlichen Intention zeigt sich deutlich auch daran, daß der Gedanke einer von Gott ausgehenden Prüfung in Gestalt der Verfolgung in „Ad martyras" vollständig fehlt - gegenüber den inhaftierten Gläubigen, die bereits ihre Bereitschaft zur Akzeptanz der Verfolgungssituation, zu Standhaftigkeit und Bekennermut nachhaltig unter Beweis gestellt hatten, war die Herausstellung des göttlichen Zweckes der Verfolgung wie auch der Urheberschaft Gottes nicht mehr vonnöten.

182 Zu den von Tertullian in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" bekämpften Positionen vgl. ausführlich Kap. 4.2.1, Anm. 79, sowie Kap. 4.4.

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3.3 Das Selbstverständnis der Verfolgten 3.3.1 Die Verfolgten als Teilhaber des Verfolgungsschicksals aller Gerechten seit Beginn der Welt Während die Vorstellung der Prüfung der Gläubigen in „Scorpiace" eher beiläufig erscheint, hat Tertullian dort einen anderen Gedanken breit ausgeführt, um die Gottgewolltheit der Verfolgung und ihrer Konsequenz, des Martyriums, zu erweisen: die Konzeption, daß die Geschichte seit Anbeginn durch die Verfolgung gerade der Gerechten und Gottwohlgefälligen gekennzeichnet sei.183 Diese Deutung des Geschichtsverlaufes leitet er ein mit der Behauptung, „a primordio enim iustitia vim patitur"184, mit der die Grundsätzlichkeit und „Gesetzmäßigkeit" dieses

183

Die Vorstellung, daß das Leben eines jeden Gerechten geprägt ist durch Leiden und Bedrükkung seitens der Ungerechten, die damit ihre Ablehnung Gottes und seines Gesetzes ausdrücken, findet sich insbesondere in der jüdischen Apokalyptik; vgl. z.B. ÄthHen 103,9-15; IV.Esra 7,89.96; 8,27. Zu dieser Vorstellung sowie ihrer weiteren Verbreitung in der alt- und zwischentestamentlichen Literatur vgl. Lothar Ruppert, Der leidende Gerechte. Eine motivgeschichtliche Untersuchung zum Alten Testament und zwischentestamentlichen Judentum, Würzburg (1972); Odil Hannes Steck, Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten - Untersuchungen zur Überlieferung des deuteronomistischen Geschichtsbildes im AT, Spätjudentum und Urchristentum, Neukirchen 1967, 255f, sowie Dietrich Rössler, Gesetz und Geschichte - Untersuchungen zur Theologie der jüdischen Apokalyptik und der pharisäischen Orthodoxie, Neukirchen 19622, 90ff. Das Leiden der Gerechten wird in diesen apokalyptischen Texten nicht auf eine bestimmte eingegrenzte politische Situation zurückgeführt, sondern kennzeichnet ihr Leben in grundsätzlicher Weise. Dahinter steht der Gedanke, daß mit der Ablehnung und Verachtung des Gesetzes durch die Ungerechten und Sünder auch immer eine Ablehnung derjenigen einhergehe, die Gottes Gesetz bewahrten, also der Gerechten. Nach Rössler, Gesetz, 93, ist „die Negation der Gerechtigkeit... immer auch und zugleich die Negation des Gerechten, und zwar in der konkreten Gestalt von Haß und Verfolgung. Sofern und indem der Menschen sich gegen Gott und das Gesetz richtet und dadurch zum Sünder wird, richtet er sich zugleich gegen den Gerechten." In Auseinandersetzung mit Rösslers Darstellung formuliert Ruppert, Gerechte, 165f, konkreter, daß das Leiden der Gerechten „aus der Feindschaft der als praktische Atheisten geltenden Sünder (= Heiden) gegen den Höchsten und alles, was von ihm kommt (Wege, Gesetz) oder ihm angehört, also folglich auch gegen seine Erwählten , d.h. seine Frommen bzw. seine Gerechten" resultiere. Im NT wird der Gedanke des Leidens der Gerechten zum einen in der Deutung der Passion Christi als „passio iusti" aufgegriffen (vgl. Lothar Ruppert, Jesus als der leidende Gerechte ? Der Weg Jesu im Lichte eines alt- und zwischentestamentlichen Motivs, Stuttgart (1972), 48-59), zum anderen aber auch zum Verständnis des Verfolgungsgeschicks seiner Nachfolger: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihrer." (Mt 5,10) Zur Aufnahme von Mt 5,10 bei Tertullian vgl. Anm. 191. 184

Scorp. 8,2 (CChr.SL II, 1082,25).

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Zustandes ausgedrückt ist.185 Seit die Verehrung Gottes ihren Anfang genommen habe, sei diese dem Mißfallen ausgesetzt gewesen. Gleich zu Beginn der Geschichte Gottes mit den Menschen habe sich diese „Gesetzmäßigkeit" daran gezeigt, daß der Gott wohlgefällige Abel getötet worden sei, und zwar durch seinen eigenen Bruder.186 Gewalt sei aber nicht nur über die Gerechten, sondern speziell auch über die Propheten hereingebrochen, die von der „Gottlosigkeit" - denen, die der Verehrung Gottes feindlich gegenüberstehen - verfolgt und getötet worden seien. Traditionsgeschichtlich steht hinter dieser Aussage die Vorstellung des „generell gewaltsamen Geschicks aller Propheten", die sich in der ur- und frühchristlichen wie auch der zeitgenössischen jüdischen Literatur niedergeschlagen hat.187 Als exempla fur das „gewaltsame Geschick der Propheten" fuhrt Tertullian

185

Auch an anderen Stellen zeigt sich, daß Tertullian eine Argumentation durch den Rückgriff auf einen „a primordio" gegebenen Tatbestand aufbaut und damit die Grundsätzlichkeit und „Gesetzmäßigkeit" der jeweiligen Aussage begründet: Vgl. De ieiun. 3,1 (CChr.SL II, 1259,4f); De mon. 5,1 (CChr.SL II, 1234,3f). 186 Scorp. 8,3 (CChr.SL II, 1082,25-27): „Statim ut coli deus coepit, invidiam religio sortita est. Qui deo placuerat, occiditur, et quidem a fratre." Abel erscheint vor Tertullian u.a. schon bei Irenäus als „Protomärtyrer" (Iren., Adv.haer. IV,18,3;25,2;34,4). Zur Funktion Abels als „Protomärtyrer" in der westlichen Literatur des 2. und 3. Jhdts. vgl. Karlmann Beyschlag, Clemens Romanus und der Frühkatholizismus - Untersuchungen zu 1 .Clem 1-7, Tübingen 1966, 72. 187

Vgl. Mt 5,12 par; M t 2 3 , 3 0 f p a r ; Lk 11,49; Lk 13,34; A p g 7 , 5 2 ; Rom 11,3; l.Thess2,15; Jak 5,10; IgnMagn 8,2; Barn 5,11; Just., Dial 16,4; 73,6; 93,4; 95,2; 112,5; Jos., Ant. IX, 13,2; X, 3,1; bei Tertullian Adv.Marc. IV, 39,9 (CChr.SL 1, 652,21): „memento prophetas quoque, eadem a Iudaeis passos ..."). Dort finden sich Aussagen über ein gewaltsames Geschick der Propheten Israels, die nach Hans-Joachim Schoeps, Die jüdischen Prophetenmorde, Uppsala 1943, 5, keine vereinzelten Ereignisse widerspiegelten, sondern „pluralisch" seien und „generell verstanden" werden wollten. Die Vorstellung eines grundsätzlich gewaltsamen Geschicks aller Propheten, die nicht mit dem Zeugnis des AT, das lediglich von zwei Prophetenmorden zu berichten weiß (Uria ben Schemaja (Jer 26,20-24); Sacharja ben Jojada (2.Chr 24); vgl.noch die Klage Elias, daß Israel die Propheten ermordet hätte und er allein übrig geblieben sei (l.Kön 19,10.14)) harmoniert, ist nach Steck, Israel, 103, in der im Deuteronomistischen Geschichtswerk durchgeführten Selbstreflexion Israels über seinen Ungehorsam gegenüber JHWH verwurzelt. Der Gedanke der grundsätzlichen Abweisung und Verfolgung der von Gott gesandten und Gottes Willen übermittelnden Propheten habe dabei als eine „Aussagegestalt" (Steck, 221) des Ungehorsams Israels gedient. In der urchristlichen Tradition habe sich dieses Motiv verselbständigt und konnte nun auch zur theologischen Erfassung der „Ablehnung eines in der Gegenwart ,den Propheten' entsprechend wirkenden Prediger" (Steck, 221) verwendet werden. In der Folge habe dieser Gedanke u.a. auch in die altkirchliche Martyriumstheologie Eingang gefunden, in der das Geschick der Märtyrer in der Linie der früheren Prophetentötungen verstanden worden sei. Zu der durch diese Übertragung in den Martyriumskontext verursachten Modifikation der Tradition vgl. Baumeister, Anfange, 68: „Die Tradition (des generell gewaltsamen Geschicks der Propheten) ist an der Täterschaft Israels interessiert; die Abweisung und Ermordung der Propheten gilt als Beweis für die Unbußfertigkeit und Schuld des Volkes. Die Vorstellung dient nicht dazu, das Geschick der Propheten etwa als Folge ihres prophetischen Wirkens verständlich zu machen. Doch verändert sich die Aussageabsicht,

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David, Elias, Jeremias, Jesaia, Zacharias und abschließend Johannes den Täufer an, wobei er zum Teil auf apokryphe Tötungstraditionen zurückgreift.188 Die standhafte Verehrung Gottes und die daraus resultierende Verweigerung jeglicher Idololatrie habe darüberhinaus auch bei den drei Männern im Feuerofen und bei Daniel zur Verfolgung geführt. Aus dieser Beispielkette folgert Tertullian, daß jeder, der Gott verehre und entsprechend den Götzendienst ablehne, zwangsläufig leiden müsse, und zwar - hier kommt ein neuer Gesichtspunkt hinzu - zum Zeugnis für die Wahrheit des Gottesglaubens.'89 Diese Zwangsläufigkeit und „Gesetz-

sobald die Tradition von einem Abgewiesenen auf seine eigene Situation angewandt wird. Denn dadurch stellt er sein Geschick in die Linie früherer Abweisungen. Er kann sich das ihn treffende Los verständlich machen als das den Propheten normalerweise wegen ihrer Botschaft zustoßende Geschick." 188

Scorp. 8,3 (CChr.SL II, 1082,27-1083,6): „Quo proclivius impietas alienum sanguinem, insectaretur, a suo auspicata insertata est denique non modo iustorum, verum etiam et prophetarum. David exagitatur, Helias fugatur, Hieremias lapidatur, Eseias secatur, Zacharias inter altare et aedem trucidatur perennes cruoris sui maculas silicibus assignans. Ipse clausula legis et prophetarum nec prophetes, sed angelus dictus contumeliosa caede truncatur in puellae salticae lucar." Zu den einzelnen exempla vgl. Pétré, L'exemplum, 97f; Salvador Vicastillo, Tertuliano y la muerte del hombre, Madrid 1980, 213f. Die in bezug auf Jeremias und Jesaia genannten Todesarten der Propheten entsprechen apokryphen Traditionen: Zur Zersägung Jesaias vgl. MartJes 5,2, Vit.Proph. Jes 1 und talmudische Traditionen über den Märtyrertod Jesaias (JerTalm Sanh X,2). Zu letzteren vgl. Erling Hammershaimb, Das Martyrium Jesaiae (JSHRZ Π/4), Gütersloh 1973, 19. Nach AnnaMaria Schwemer, Vitae Prophetarum (JSHRZ 1/7), Gütersloh 1997, 562, war diese „verhältnismäßig seltene Todesart... ein feststehender Topos für Jesaia." Zur Steinigung Jeremias vgl. „Rest der Worte Baruchs" LX,31 ff und Vit.Proph. Jer 1. Zu den genannten Traditionen vgl. auch Schoeps, Prophetenmorde, passim. 189 Scorp. 8,8 (CChr.SL II, 1083,2-1084,1): „Ceterum pati oportebat omnem dei praedicatorem atque cultorem, qui ad idololatrian provocatus negasse obsequium, secundum illius quoque rationis statum, qua et praesentibus tune et posteris deinceps commendari veritatem oportebat, pro qua fidem diceret passio ipsorum defensorum eius, quia nemo voluisset frustra occidi, nisi compos veritatis." Den Gedanken einer Notwendigkeit des Leidens derer, die im Besitz der Wahrheit sind, hat Tertullian auch in Ad nat. I, 4,6 (CChr.SL I, 15,7-10) ausgedrückt; dort greift er aber der apologetischen Ausrichtung entsprechend auf das Beispiel des Sokrates zurück und verwendet es als Beleg dafür, daß die „veritas" schon immer verurteilt worden sei: „Denique Socrates ex ea parte damnatus est, qua propius temptaverat veritatem, deos vestros destruendo: quamquam nondum tunc in terris nomen Christianum, tarnen veritas semper damnabatur." Auch in Apol. 14,7 (CChr.SL I, 113,27-31) erweist Tertullian an Hand des Sokrates-Beispiels, daß die Wahrheit schon immer verfolgt worden sei. Die Aufnahme des Sokrates als „exemplum" für die verfolgten Christen findet sich auch sonst in der Apologetik: Athenag., leg. 31; Just., Apol. I, 5. Nach Dorothea Wendebourg, Das Martyrium in der Alten Kirche als ethisches Problem, in: ZKG 98 (1987), 301, Anm. 35, empfahl sich die Anfuhrung des Sokrates deshalb, „weil man das allseits als ungerecht betrachtete Verfahren gegen ihn propagandistisch geschickt den Märtyrerprozessen an die Seite stellen konnte". Zur weiteren Aufnahme des Sokrates-Beispiels in der altkirchlichen Martyriumstheologie vgl. Ernst Benz, Christus und Sokrates in der alten Kirche, in: ZNW 43 (1950/51), 195-224, zu Tertullians Aufnahme dieses Beispiels vgl. Benz, Christus, 220.

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mäßigkeit" der Verfolgung und des Todes derer, die zu Gott gehören, zeigt sich nach Tertullian ebenfalls in der Zeit des „neuen Bundes", der „novitas": Wie den Propheten so habe auch den Aposteln der Tod bevorgestanden. 190 Das Leiden der Gerechten und Propheten einerseits und dasjenige der Apostel andererseits verknüpft Tertullian durch eine Auslegung von Mt 5,10: Während der erste Halbvers „beati qui persecutionem patiuntur ob iustitiam, quoniam est regnum caelorum" an alle Menschen, d.h. auch die alttestamentlichen Gerechten und Propheten, gerichtet sei, wende Christus sich mit dem zweiten Halbvers „beati eritis, cum vos dedecoraverint et persecuti fuerint et dixerint adversus vos omnia mala propter me" speziell an die Apostel.191 Die Verfolgung „propter Christum" erscheint also als die nach dem Kommen Christi erfolgte „Konkretion" der seit Anbeginn stattfindenden Verfolgung „propter iustitiam". In die gegenwärtige Situation der verfolgten Christinnen und Christen verlängert Tertullian die ausgeführte Vorstellung, indem er betont, daß die von Christus selbst den Aposteln vorhergesagte Verfolgung ebenso auch allen späteren Christen als ihren „Erben und Schülern" bevorstünde.192 Durch die Vorhersage der Verfolgung der Apostel wie auch aller späteren Christen habe Christus allen, die den mit dem Namen (Christi) verbunde-

190 Scorp. 9,2 (CChr.SL II, 1084,25f): „ut etiam prophetaret, quod et ipsi (sc. apostoli) occidi haberent ad exemplum prophetarum." Die Vorstellung, daß die Apostel ein dem der alttestamentlichen Propheten entsprechendes Geschick erwartet, findet sich bereits im NT (Lk 11,49). In der altkirchlichen Überlieferung verdichtete sich dieser Gedanke zu der Überzeugung, daß tatsächlich alle Apostel auch das Martyrium erlitten hatten (Pol., Phil. 9,lf; Tert., De pat. 13,8; CChr.SL 1,1X4,3135; De pud. 22,3; CChr.SL II, 1328,18). 191 152

Scorp. 9 , l f (CChr.SL II, 1084,17-22).

Scorp. 9,3 (CChr.SL II, 1084,26-2): „Quamquam etsi omnem hanc persecutionem condicionalem in solos tunc apostolos destinasset, utique per illos cum toto sacramento, cum propagine nominis, cum traduce spiritus sancti in nos quoque spectasset etiam persecutionis obeundae disciplina ut in hereditarios discípulos et apostolici seminis frútices." Biblische Grundlage fur seine Ausführungen zum Verfolgungsschicksal der Apostel bildet ein Abschnitt aus der Aussendungsrede (Mt 10,16a. 17-22). Die Aussage „Es wird aber ein Bruder den Bruder und ein Vater den Sohn zum Tode ausliefern, und es werden sich Kinder gegen ihre Eltern erheben und sie töten" (vgl. Mt 10,21 ) dient ihm dabei als Beleg dafür, daß das in der Aussendungsrede angekündigte Verfolgungsschicksal auch allen Christen bevorstehe, denn bei den Aposteln sei dieses nicht geschehen. „Nemo enim eorum (sc. apostolorum) aut fratrum aut patrem passus est traditorem ..." (Scorp. 9,5; CChr.SL II, 1084,1 lf); dafür geschehe dies umso mehr in der Gegenwart. In diesem Sinne seien die gegenwärtigen Gläubigen sogar noch mehr dem Haß ausgesetzt als die Apostel: „Et eritis odio omnibus propter nomen meum (Mt 10,22a). Quanto magis nos, quos a parentibus quoque tradì oportet." (Scorp. 9,5; CChr.SL II, 1085,13-15)

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nen Haß trügen, das gleiche Ende in Aussicht gestellt.193 Wie die gesamte Argumentation in „Scorpiace" zielt auch diese Darstellung auf die Einschärfung der Gottgewolltheit des Verfolgungsleidens und entsprechend der Pflicht zum Bestehen der Verfolgungssituation.194 Die Aufzählung der seit Beginn der Welt verfolgten Gerechten, Propheten und Apostel erweist das Leiden aller auf der Seite Gottes Stehenden als der Geschichte inhärente Zwangsläufigkeit 195 , die von Gott zugelassen wird und insofern verpflichtend als Herausforderungssituation zu akzeptieren ist. Über die Einschärfiing der „persecutionis obeundae disciplina", der aus den genannten Beispielen zu entnehmenden Lehre von der Notwendigkeit, sich der Verfolgung zu unterziehen196, hinaus weist die Vorstellung des Verfolgungsschicksals aller Gerechten aber auch auf ein christliches Selbstverständnis hin, das das Leiden in der Verfolgung als „unschuldiges" Leiden betrachtet197, in dem den Christen gegenwärtig das widerfährt, was allen zu Gott Gehörigen schon seit je widerfahren ist. Die Christen werden in die Kontinuität der stets verfolgten Gläubigen Gottes hineingenommen und können sich als Nachfolger der „iusti, prophetae et apostoli" mit ihrem Leiden in eine Linie mit diesen stellen: Wie deren Verfolgungsleiden aus ihrer Gottzugehörigkeit resultiert und insofern als Ausweis dieser zu gelten hat, so auch dasjenige der gegenwärtigen Christen.

3.3.2 Die Verfolgten als von Gott Gerächte Das in der Betonung der Kontinuität des Leidens aller zu Gott Gehörigen deutlich werdende Selbstverständnis der Christinnen und Christen als unschuldig Leidender erstreckt sich auch auf die Frage einer eventuellen Vergeltung für das Verfolgungsleiden. So legt Tertullian trotz aller Verfolgungserfahrung Wert auf

193

Scorp. 9,5 (CChr.SL II, 1085,15-17): „Ita hac permixtione nunc ad apostólos, nunc ad

omnes disponendo eundem in universos nominis exitum efifundit, in quibus consederit nomen cum odii sui lege." 194

Zu dieser Intention vgl. ausfuhrlich Kap. 4.2.1.

195

Zu dieser Funktion der exempla-Listen vgl. Deléani-Nigoul, L'utilisation, 319: „Le premier

enseignement des modèles bibliques est que le martyre répond à une nécessité fondamentale, à une loi inéluctable et universelle, inscrite dans l'histoire meme de l'humanité dès ses origines, celle de la souffrance du juste." 196

Scorp. 9,3 (CChr.SL II, 1084,1).

197

Explizit betont Tertullian dies in Scorp. 13,12 (CChr.SL II, 1096,3f): „... ob innocentiam

patimur...".

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die Feststellung, daß es den Gläubigen auf keinen Fall zustehe, selbst auf Erden Rache für das erlittene Unrecht zu üben. Diesen Ausschluß jeglicher eigenen, unmittelbar erfolgenden Vergeltung seitens der Christen hebt er insbesondere in apologetisch ausgerichteten Kontexten hervor: „Absit enim, ut... ultionem a nobis aliquam machinemur ,..".198 Dabei beeilt er sich zu versichern, daß keineswegs das Fehlen der notwendigen äußeren Machtmittel die Christen von einer eigenen Rache abhielte. 199 Vielmehr beruhe die Ablehnung eigener Vergeltung bei den Christen auf dem grundsätzlichen Verbot der Wiedervergeltung 200 sowie dem Gebot der unterschiedslosen Güte und Liebe auch gegenüber ihren Feinden. 201

198

Ad Scap. 2,10 (CChr.SL II, 1128,46f); ähnlich Apol. 37,3 (CChr.SL I, 148,14f). Die Absage an eine eigene Rache erwähnt er darüberhinaus im Zusammenhang seiner Ablehnung des Soldatenstandes für Christen: Könne derjenige Fesseln anlegen, jemanden in den Kerker werfen oder Folter und Todesstrafen vollziehen, der nicht einmal „suarum ultor iniuriarum" sei? (De cor. 11,2; CChr.SL II, 1056,12-14) 199 Apol. 37,4-6 (CChr.SL I, 148,16-29). Diese Ablehnung einer eigenen Vergeltung im Kontrast zu den von Tertullian ausfuhrlich beschriebenen realen Möglichkeiten dazu dient gegenüber den heidnischen Adressaten als schlagendes Argument gegen die den Christen unterstellte Gefährlichkeit und den von paganer Seite vorgebrachten Vorwurf des „odium humani generis" (vgl. die Verteidigung Tertullians in Apol. 37,10 (CChr.SL I, 149,48f): „... hostes..., non generis humani tarnen, sed potius erroris"; Variationen dieses Vorwurfs finden sich in Apol. 35,1 (CChr.SL I, 144,1): „publici hostes" und Apol. 35,5 (CChr.SL I, 145,26): „hostes principum Romanorum"). Dieser Vorwurf war seit Tacitus (Ann. 15,44,4) gegen die Christen erhoben worden und entspricht der schon von Cicero grundsätzlich als seelischer Erkrankung attackierten „misanthropia" (vgl. Cie., De off. 1,29), einem schweren Vergehen gegen die menschliche Gemeinschaft durch Rückzug aus ihr und Absonderung von der Umwelt. Zur Tragweite dieses Vorwurfs vgl. Harald Fuchs, Tacitus über die Christen, in: VigChr 4 (1950), 65-93, bes. 83-87; Antonie Wlosok, Rom und die Christen - Zur Auseinandersetzung zwischen Christentum und römischem Staat, Stuttgart 1970, 20ff. 200

Apol. 37,1 (CChr.SL I, 147,2f): „ ... laesi vicem referre prohibemur..."; vgl. De pat. 10,3 (CChr.SL I, 310,13f): „Absolute itaque praeeipitur malum malo non rependendum". Zu dem hinter dem Verbot der Wiedervergeltung stehenden Prinzip der Gewaltlosigkeit (vgl. Apol. 37,5; CChr.SL I, 148,26f: „... apud istam diseiplinam magis occidi liceret quam occidere") vgl. Michel Spanneut, La non-violence chez les Pères africains avant Constantin, in: Patrick Granfield/ Josef A. Jungmann (Hg.), Kyriakon, FS Johannes Quasten, Vol. 1, Münster (1970), 36-39. 201

Apol. 36,3f (CChr.SL I, 147,10f.l5f): „Nullum bonum sub exceptione personarum administramus... Male enim velie, male facere, male dicere, male cogitare de quoquam ex aequo vetamur"; vgl. Apol. 37,1 (CChr.SL I, 147,lf); Ad Scap. 1,3 (CChr.SL II, 1127,11-15); De spect. 16,6 (CChr.SL I, 242,20f). Vgl. auch den Hinweis auf das den Christen gegebene Gebot, für die Feinde zu beten (Apol. 31,2; CChr.SL I, 142,6-9), sowie die Erwähnung des Gebetes für die Feinde und Verfolger in De or. 29,2 (CChr.SL I, 274,13-15): „Nunc vero oratio ..., pro inimicis exeubat, pro persequentibus supplicai". Der Schwerpunkt der Betonung des Feindesliebegebotes liegt bei Tertullian im apologetischen Schrifttum, wird dort allerdings mit unterschiedlicher Intention angeführt: Dient es im „Apologeticum" der Betonung der Loyalität und gesellschaftlichen Ungefährlichkeit der Christen, erscheint es in „Ad Scapulam" einleitend zur Motivierung dieser Schutzschrift, deren Belehrungen und Mahnungen an die Adresse Scapulas von Tertullian selbst als Ausdruck der

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Dennoch werde den Heiden ihr Unrecht gegen die Christen keinesfalls ungestraft durchgehen, denn letztere erwarteten eine Vergeltung für ihre Leiden von Gott202, dem Richter (iudex) und Vergelter (remunerator) der Menschen.203 Diesem gebühre allein die Vergeltung oder Rache, wie Tertullian unter Aufnahme von Dtn 32,35 - „Mein ist die Rache und ich will vergelten" - betont.204 Der aus der apokalyptischen Tradition stammende Gedanke einer göttlichen Vergeltung für die Leiden der auf der Seite Gottes Stehenden205 wird von ihm an mehreren Stellen seines Werkes aufgenommen, dabei aber im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rache Gottes in unterschiedlicher Weise interpretiert. Ein futurisches Verständnis bezüglich der von Gott ausgehenden Umkehrung der Leidenssituation zeigt sich im „Apologeticum". Mehrfach spricht er darin von einem zukünftigen Gericht Gottes „nach dem Ende der Welt" (post saeculi

christlichen Feindesliebe bezeichnet werden. Zur apologetischen Verwendung des Feindesliebegebotes bei Tertullian vgl. auch Thönnes, Caelestia recogita, 55-59, grundsätzlich zur apologetisch ausgerichteten Aufnahme dieses Gebotes in der Alten Kirche (vgl. z.B. Just., Apol. 1,15,9-13; 16,1-2; Dial. 35; 85; 95) vgl. Gerhard Theissen, Studien zur Soziologie des Urchristentums, Tübingen 1989 3 , 190f: „Das Gebot (sc. des Gewaltverzichts und der Feindesliebe) war in der Frühzeit unter Wandercharismatikern lebendig, erhielt dann aber in den lokalen Ortsgemeinden einen neuen Sitz im Leben, der sehr viel literarischer war: eine apologetische Funktion, mit der man antichristlichen Vorurteilen entgegentrat." 202 Ad Scap. 2,10 (CChr.SL II, 1128,47f): „••• ultio(..) ..., quam a deo expectemus"; Scorp. 11,3 (CChr.SL II, 1090,20f): „... cum deum vindictam facturum electorum suorum affirmat (sc. Christus)...". 203 De paen. 2,1 l f (CChr.SL I, 323,44-47). Zur Richterfiinktion Gottes bzw. Christi vgl. weiter Ad mart. 2,3 (CChr.SL I, 4,9f); Apol. 17,6 (CChr.SL I, 117,25-27); Apol. 23,15 (CChr.SL I, 132,78-133,81); De spect. 20,4 (CChr.SL I, 245,140; De pat. 10,7 (CChr.SL 1, 311,32); Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1080,12); Adv.Marc. V,12,5 (CChr.SL I, 701,5-9) u.a. 204 De pat. 10,6f (CChr.SL I, 310,24-311,32). 205

Die als Trost in der Verfolgungssituation entstandene Vorstellung einer Umkehrung der gegenwärtigen Unrechtssituation durch Gott findet sich zunächst in der jüdischen Apokalyptik (vgl. Dan 8,25; 9,27; 11,45; ÄthHen 48,9; 62,11; 95,7; 96,8; 98,13f; 100,7; 103,1-3; 104,3f; Jub 23,30f; AssMos 10,2; 2.Makk 7,17.31.36; 4.Makk 9,9.32; 10,11.21; 12,12.18; 18,5.22): „Gottes Eingreifen bewirkt eine Umkehrung der Verhältnisse. Die vorher Bedrängten erleben nun seine Strafe an ihren Bedrängern. Dem endzeitlichen Triumph der Gerechten entspricht die Bestrafung der Ungerechten" (Baumeister, Anfänge, 23). Diese Überzeugung von der göttlichen Vergeltung für die irdischen Leiden der zu Gott Gehörigen wurde auch in die christliche Apokalyptik übernommen (vgl. Lk 10, 10-12; Lk 11,49-51; 2,Thess 1,3-10; Apk 16,3-7; PetrApk 7.9 u.a.). Zur Rezeption dieses Gedankens in der Apk vgl. Baumeister, Anfänge, 227, sowie Adela Yarbro Collins, Persecution and Vengeance in the Book of Revelation, in: David Hellholm (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East. Proceedings of the International Colloquium on Apocalypticism (Uppsala, August 12-17, 1979), Tübingen 1983, 738: „The underlying message then (sc. in Apk 16ff) is that the present situation will be reversed: she (sc. Rome) will be judged as she now judges you ... The hope articulated here involves a reversal of roles of the persecutor and the persecuted."

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finem)206, an dem die Feinde der Christen ihre Strafe erhalten würden.207 Die Verbreitung der Hinweise auf das von Gott ausgehende Gericht im „Apologeticum"208 zeigt die zentrale Rolle des Urteils Gottes innerhalb der Argumentation dieser Schrift. Tertullian erweist hier, daß die Kriterien, die in den menschlichen Prozessen irrelevant sind, im göttlichen Gericht entscheidend sind, d.h. daß das göttliche Gericht die Umkehrung des menschlichen bedeutet. Eine plastische Ausmalung des Gerichtes über die Verfolger findet sich im Zusammenhang seiner in „De spectaculis" geäußerten Erwartung einer nach der bald erwarteten Wiederkunft des Herrn anbrechenden Herrschaft der Gerechten.209 Unter der Voraussetzung, daß Tertullian dort die eschatologischen Ereignisse in

206 Apol. 41,3 (CChr.SL I, 156,1 Of). Daß die heidnischen Adressaten grundsätzlich auf die Vorstellung eines letzten Gerichtes mit Strafe und Belohnung ansprechbar waren, stellt Tertullian selbst in Apol. 47,12f (CChr.SL I, 164,52-165,60) mit dem Hinweis auf das Pyriphlegeton und das Elysium heraus. 207 Apol. 18,3 (CChr.SL I, 118,13-17): „ ... qui (sc. Deus) producto aevo ¡sto iudicaturus sit suos cultores in vitae aeternae restitutionem, profanos in ignem aeque perpetem et iugem, suscitatis omnibus ab initio defunctis et reformatis et recensitis ad utriusque meriti dispunctionem"; vgl. Apol. 41,3 (CChr.SL I, 156,lOf); Apol. 47,12 (CChr.SL I, 164,120; Apol. 48,15 (CChr.SL I, 168,94-97). 208 Vgl. noch Apol. 17,6; 23,13; 39,4; 50,16. Zur Funktion dieser Thematik innerhalb des „Apologeticum" vgl. Swift, Forensic Rhetoric, 874f. 209

De spect. 30,1 f (CChr.SL 1, 252,1 -8): „Quale autem spectaculum in proximo est adventus Domini iam indubitati, iam superbi, iam triumphantis! Quae illa exultatio angelorum, quae gloria resurgentium sanctorum! Quale regnum exinde iustorum! Qualis civitas nova Hierusalem! At enim supersunt alia spectacula, ille ultimus et perpetuus iudicii dies, ille nationibus insperatus, ille derisus, cum tanta saeculi vetustas et tot eius nativitates uno igni haurientur." Entgegen der zumeist vertretenen Überzeugung, daß Tertullian erst als Montanist chiliastische Erwartungen gehegt habe (z.B. Henri Leclerq, Art. Millénarisme, in: DACL XI (1933), 1186; Jan Hendrik Waszink, Tertullian. De anima. Mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar, Amsterdam 1933, 592), zeigen sich auch in dieser, eindeutig aus seiner katholischen Zeit stammenden Stelle Elemente millenaristischer Erwartung (Auferstehung der Heiligen, Herrschaft der Gerechten), wenn auch ohne Nennung des Zeitraumes von tausend Jahren. Entsprechend geht auch Marie Turcan, Les spectacles. Introduction, texte critique, traduction et commentaire (SCh N° 332), Paris 1986, 318, von einer in De spect. 30,1 vorauszusetzenden Milleniumserwartung aus: „Ce règne des justes, comme nous l'apprend Marc. III, 24,3, doit durer mille ans ..." Ebenso verweist auch Georg Schöllgen, „Tempus in collecto est". Tertullian, der frühe Montanismus und die Naherwartung ihrer Zeit, in: JAC 27/28 ( 1984/85), 86, für das seiner Auffassung nach bei Tertullian schon in vormontanistischer Zeit „millenaristisch gedachte regnum der Gerechten" auf De spect. 30,1. Daß letzterer schon in seiner katholischen Zeit chiliastische Vorstellungen gehabt habe, setzt auch Kurt Aland, Bemerkungen zum Montanismus und zur frühchristlichen Eschatologie, in: Ders., Kirchengeschichtliche Entwürfe. Alte Kirche, Reformation und Luthertum, Pietismus und Erweckungsbewegung, Gütersloh (1960), 120, voraus, ohne sich allerdings für diese Vermutung speziell auf De spect. 30,1 zu beziehen.

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chronologischer Abfolge aufzahlt210, würde der Tag des letzten Gerichtes auf das „regnum iustorum" folgen. Die an diesem Tag über die Verfolger verhängte Strafe werde ihr eigenes Wüten gegen die Christen bei weitem übertreffen, für die Christen hingegen werde das Gericht eine Situation der Freude und des Frohlockens sein.211 Als zukünftiges Ereignis erscheint die Vergeltung für die Verfolgungsleiden auch in „De oratione", wo Tertullian unter Aufnahme von Apk 6,9-10 vom Warten der Märtyrer auf die göttliche Vergeltung spricht212, denn das Gericht über die Verfolger sei mit dem Ende der Zeit verbunden: „Nam utique ultio illorum a saeculi fine dirigitur."213 Diese Verknüpfung zwischen Gericht und „saeculi finis" stellt für ihn in diesem Kontext - der Auslegung der Vater-UnserBitte „Dein Reich komme" - ein Argument für das Gebet der Christinnen und Christen um das schnelle Kommen des Endes dar, damit sich ihre Hoffnung auf Mitherrschaft und Gericht an den Heiden schneller erfülle.214 Die genannte Vergeltungsvorstellung aus Apk 6,9-10 hat Tertullian auch in „De resurrectione carnis" rezipiert. Entgegen einer präsentischen Eschatologie, die die Auferstehung als bereits geschehen deutet215, verweist er dort auf die in der Johannes-Apokalypse zutagetretende „Abfolge der (letzten) Zeiten" (ordo temporum), der zufolge die Märtyrer unter dem Altar auf die Vergeltung und das Gericht warteten. Erst wenn alle Zeichen der Endzeit, unter anderem eine Verfolgung der Kirche durch den Antichristen, erfüllt seien, der Teufel für die Zeit des Milleniums (interim) gebunden sei, die erste Auferstehung stattgefunden habe und darauf der Satan dem Feuer übergeben worden sei, werde nach der allgemeinen Totenauferstehung das 210

So Turcan, Les spectacles, 318: „Les divers moments de la fin du monde sont évoqués dans un ordre chronologique. Cf. Marc. V,10,14: „Primo enim resurrectio, dehinc regnum ...". " 211 De spect. 30,3 (CChr.SL I, 252,9-14): „Ubi gaudeam, ubi exultem, spectans ... praesides persecutores dominici nominis saevioribus, quam ipsi flammis saevierunt insultantibus contra Christianos, liquescentes." Zur Freude der Verfolgten an der Vergeltung Gottes vgl. z.B. Apk 18,20. 212 De or. 5,3 (CChr.SL I, 260,12-14):„Clamant ad Dominum invidia animae martyrum sub altari: Quonam usque non ulcisceris, Domine, sanguinem nostrum de incolis terrae?" Zu der von Tertullian hier, in Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,25-28) und in De res.cam. 25,1 (CChr.SL II, 953,1-3) aufgenommenen VergeltungsVorstellung von Apk 6,9-11 vgl. ausfuhrlich Rainer Stuhlmann, Das eschatologische Maß im NT, Göttingen 1983, 159f; William Klassen, Vengeance in the Apocalypse of John, in: CBQ 28 (1966), 300-311. 2,3 De or. 5,3 (CChr.SL I, 260,14f). 214 Vgl. De or. 5,lf.4 (CChr.SL I, 260,5-12.15-18). 215

Für die von Tertullian bekämpfte Vorstellung einer Auferstehung durch die „Erkenntnis der Wahrheit" (veritatis agnitio) oder unmittelbar nach dem individuellen Tod erfolgend vgl. De res.carn. 22,1 (CChr.SL II, 947,1-5). Diesen Auffassungen gegenüber stellt er unter Bezug auf die Schrift die Verknüpfung von Auferstehung und Parusie heraus, deren Vorzeichen aber eben noch nicht erfüllt seien (De res.carn. 22,9; CChr.SL II, 948,43-949,50).

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Gericht stattfinden.216 Die Erfüllung der christlichen Hoffnung sei also „in exodio saeculi", am Ende der Weltzeit, angesiedelt. 217 Eine Ergänzung erfährt dieser Rückbezug auf die Vergeltungsvorstellung der Johannes-Apokalypse in „Scorpiace", wo Tertullian im Anschluß an Apk 6,11 zusätzlich die apokalyptische Vorstellung des „eschatologischen Maßes"218 aufgreift: Bis die Zahl der für den Glauben Getöteten erfüllt sei, müßten die Märtyrer noch auf das Gericht warten, wobei die Gewißheit der nachfolgenden Vergeltung, die „fiducia ultionis", die Voraussetzung für das geduldige Warten bilde.219 Daß an diesem Gericht über die Christenverfolger die Märtyrer dereinst auch selbst teilhaben werden, hat Tertullian lediglich einmal, und zwar in „Ad martyras", angedeutet. Den dort angesprochenen Inhaftierten fuhrt er vor Augen, daß sie selbst diejenigen seien, die über die irdischen Richter, von denen sie verurteilt werden, zu Gericht sitzen werden:„Iudex exspectatur, sed vos estis de iudicibus ipsis iudicaturi."220

2,6 De res.earn. 25,If (CChr.SL II, 953,1-9): „Etiam in Apocalypsi Iohannis ordo temporum sternitur, quem martyrum quoque animae sub altari ultionem et judicium flagitantes sustinere didicerunt, ut prius et orbis de pateris angelorum piagas suas ebibebat, et prostituta illa civitas a decern regibus dignos exitus référât, et bestia antichristus cum suo pseudopropheta certamen ecclesiae inferat, atque ita diabolo in abyssum interim relegato primae resurrectionis praerogativa de soliis ordinetur, dehinc et igni dato universalis resurrectionis censura de libris iudicetur." Tertullian verweist in diesem Satz auf einen Vielzahl von Stellen aus der Apk: 6,9f; 15,7; 16,1; 17,lf; 17,12; 17,16; 19,19f; 20,2-5; 20,10; 20,12. 211 De res.earn. 25,3 (CChr.SL II; 953,9-11): „Cum igitur et status temporum ultimorum scripturae notent et totam Christiantae spei frugem in exodio saeculi conlocent." 218 Dieses Motiv des eschatologischen Maßes findet sich bereits in der jüdischen Apokalyptik (z.B. ÄthHen 47,3f; IV.Esr 4,35f): Der Anbrach des Endes der Zeit hängt von der Erfüllung einer bestimmten Zahl von Gerechten bzw. Märtyrern ab. Zu Gestalt und Funktion dieses Motivs vgl. Stuhlmann, Maß, 109-192. Im Rahmen dieser Vorstellung zeigt sich in besonderem Maße die heilsgeschichtliche Funktion der Martyrien. Vgl. dazu Stuhlmann, Maß, 162: „Die Negativerfahrung des Leidens bekommt so (sc. durch die Aufnahme des genannten Motivs) einen unausweichlich positiven Sinn. Sie wird eingeordnet in den im Gang befindlichen Prozeß der Erfüllung göttlicher Verheißung. Leiden hält nicht das Kommen der Herrlichkeit auf, sondern beschleunigt es." Nach Lona, Tod, 453, wird den Märtyrern innerhalb dieser Vorstellung „im Heilsplan Gottes eine bestimmte Rolle" zugewiesen: „Durch ihr Leid ... tragen sie dazu bei, daß er zur Vollendung gelangt."Kurt Erlemann, Endzeiterwartungen im frühen Christentum, Tübingen/Basel 1996, 75, stellt denn auch heraus, daß dieses Motiv implizit dazu diene, „ein entsprechendes Verhalten,... - Bereitschaft zum Martyrium - , zu forcieren." 2,9 Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,25-28): „Sed et interim sub altari martyrum animae placidum quiescunt et fiducia ultionis patientiam pascunt et indutae stolis candidam claritatis usurpant, donee et alii consortium illorum gloriae impleant." 220 Ad mart. 2,4 (CChr.SL I, 4,14). Die Vorstellung einer Teilhabe der Märtyrer am Gericht drückt zur Zeit Tertullians auch Hippolyt aus (In Dan. II, 37), ebenso spiegelt sie sich in der Ermahnung des Saturus an die heidnischen Zuschauer wider: „notate tarnen vobis facies nostras diligenter, ut recognoscatis nos in die ilio." (PassPerp. 17,2; Habermehl, Passio, 22) Tertullian kennt

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Allen bislang genannten Stellen ist gemeinsam, daß das Gericht als noch ausstehendes, mit dem Ende der Welt verknüpftes Ereignis begriffen wird. Eine Differenz zeigt sich aber in bezug auf den in den Texten artikulierten Wunsch der Christinnen und Christen nach dem Erleben des Endes und des damit verbundenen Gerichtes. Während Tertullian in „De oratione" von dem Wunsch der Gläubigen nach einem schnellen Ende der Welt, verbunden mit der Erwartung des Lohnes für die Gerechten und der Bestrafung der Verfolger, spricht und auch in „De spectaculis" und „De resurrectione carnis" ihre Sehnsucht nach dem „saeculi huius occasum" und dem „dies irae et retributionis" ausdrückt221, zeigt sich im „Apologeticum" eine gegenläufige Tendenz. Dort hebt er das Gebet der Christen für das Kaisertum und den Bestand des Imperium Romanum hervor und begründet dieses damit, daß das Bestehen des Reiches die endzeitliche Katastrophe aufhalte. Die Weltzeit währe noch so lange wie die dem Römischen Reich zugemessene Frist. Da die Christen die endzeitlichen „Drangsale" (acerbitates) nicht zu erleben wünschten, bestehe für sie also eine Notwendigkeit, für den Bestand des Imperium Romanum und des Kaisertums und damit für den Aufschub des Endes (pro mora finis) zu beten.222 Die Differenz gegenüber den zuerst genannten Belegen beruht auf der apologetischen Ausrichtung der Argumentation223: Gegenüber

daneben aber auch die allgemeine Erwartung einer Partizipation aller Christen am Gericht über die Heiden (Ad ux. II, 6,1 ; CChr.SL I, 390,8f). 221 De res.earn. 22,2 (CChr.SL II, 947,7-10): „In adventum opinor Christi vota nostra suspirant, in saeculi huius occasum, ad diem domini magnum, diem irae et retributionis, diem ultimum et occultum ...". In De spect. 30,3 (CChr.SL I, 252,8-14) drückt Tertullian den Wunsch nach dem Gericht aus, indem er plastisch die damit verbundene Freude für die Christen beschreibt: „Quid admirer? Quid rideam? Ubi gaudeam, ubi exultem, spectans tot ac tantos reges, qui in caelum recepii nuntiabantur, cum ipso love et ipsis suis testibus in imis tenebris congemescentes? Item praesides persecutores dominici nominis saevioribus quam ipsi flammis saevierunt insultantibus contra Christianis, liquescentes?" 222

Apol. 32,1 (CChr.SL I, 142,1-143,7): „Est et alia maior necessitas nobis orandi pro imperatoribus, et ita universo orbe et statu imperii rebusque Romanis, qui vim maximam universo orbi imminentem ipsamque clausulam saeculi acerbitates horrendas comminantem Romani imperii commeatu scimus retardari. Itaque nolumus experiri et, dum precamur differri, Romanae diutumitati favemus." Auch in Apol. 39,2 (CChr.SL I, 150,80 betont Tertullian, daß die Christen „pro statu saeculi..., pro mora finis" beteten. Zu dem Brauch des Kaisergebetes vgl. Anm. 44. 223 Die Unterschiedlichkeit der Äußerungen bes. im „Apologeticum" und in „De oratione", wo Tertullian sich explizit gegen den in ersterem erwähnten Wunsch nach Aufschub des Endes wendet (De or. 5,1; CChr.SL I, 260,60, spricht eindeutig gegen den Versuch, diese zu einer einheitlichen Auffassung Tertullians in bezug auf die Erwartung des Endes zu harmonisieren, wie es z.B. bei Brandt, Ethik, 209f, sowie Thönnes, Caelestia recogita, 50, Anm. 137, geschieht, der keinen „Widerspruch" zwischen den genannten Äußerungen erkennen kann. Sachgemäß und in der gegenwärtigen Forschung weitgehend vorherrschend ist demgegenüber eine adressaten- und intentions-

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mannigfachen Vorwürfen aus der Umwelt, in denen die Christen der Parteibildung und der Verbrechen gegen die Majestät angeklagt wurden224, unterstreicht Tertullian ihre Loyalität gegenüber dem Kaiser225, wie sie sich im Gebet für diesen und damit auch für den Aufschub des Endes manifestiert. Auf der einen Seite weist Tertullian im „Apologeticum" also mehrfach auf das Gericht über die heidnischen Verfolger hin, andererseits bewirken die Hinweise auf das Gebet für den Aufschub des Endes den Eindruck einer Dilation des Gerichts. Den apologetisch motivierten Wunsch nach Erhaltung des Kaisertums und des Reiches, dessen Bestehen das Ende der Welt determiniert, hat Tertullian auch zum Ausgang seines literarischen Wirkens in „Ad Scapulam" ausgedrückt.226 Dennoch erhält die Gerichtsvorstellung hier eine andere Intensität, indem er ein temporär erweitertes Verständnis der göttlichen Vergeltung einfuhrt: So spricht er zum einen von dem endzeitlichen Gericht Gottes, postuliert zum anderen aber auch ein Hereinreichen der Vergeltung bereits in die Gegenwart.

Vorrangige Intention

Tertullians ist es in dieser Schrift zunächst, die absolute Gewißheit der Vergeltung Gottes fur die Leiden der Christinnen und Christen herauszustellen. Zu diesem Zweck betont er, daß keiner Stadt das Vergießen des Blutes der Gläubigen ungestraft durchgehen werde. 227 Gegenüber den heidnischen Adressaten unterstreicht er die Gewißheit der Vergeltung durch die Verknüpfung gegenwärtiger Geschehnisse und Naturereignisse - konkret nennt er übermäßigen Regen, Feuersbrunst, Gewitter und Sonnenfinsternis - mit dem ausstehenden Gericht Gottes: Sie

bezogene Differenzierung der unterschiedlichen Äußerungen. So betont Barnes, Tertullian, 118, den innerchristlichen Charakter von „De oratione" im Gegensatz zu dem auf die Heiden ausgerichteten des „Apologeticum": „Pagans were clearly not intended to read the De oratione, whose exegesis of ,Thy kingdom come' contradicts the Apologeticum. There Tertullian represented Christians as beseeching God for the end of the world to be delayed. Here he desires its swift approach: Christians yearn to see the heathen confuted and the angels exultant." Evans, Problem, 30, betont ebenfalls den Wechsel von „audience and purpose", der für die unterschiedlichen Äußerungen verantwortlich sei. 224 225

Vgl. z.B. Apol. 35,5 (CChr.SL I, 145,190; Apol. 38,1 (CChr.SL I, 149,10-

Nach Instinsky, Kirche, 46f, hängt die Betonung des Kaisergebetes der Christen im „Apologeticum" auch unmittelbar mit der politischen Lage des Jahres 197 zusammen: Nach der Etablierung der severischen Dynastie habe Tertullian von vornherein die Loyalität der Christen herausstellen wollen; Motiv hierfür sei „die Sorge (gewesen), wie es künftig mit der Behandlung der Christen durch die Instanzen des Staates und sein neues Oberhaupt stehen würde ...". 226 Ad Scap. 2,6 (CChr.SL II, 1128,24-28): „Christianus nullius est hostis, nedum imperatoris, quem sciens ad Deo sui constituí, necesse est ut et ipsum diligit et revereatur et honoret et salvum velit, cum toto Romano imperio, quousque saeculum stabit: tamdiu enim stabit." 227 Ad Scap. 3,1 (CChr.SL II, 1129,1-3): „Tarnen sicut supra diximus, doleamus necesse est, quod nulla civitas impune latura sit sanguinis nostri effusionem ...".

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erscheinen unmittelbar als „Zeichen des drohenden Zornes Gottes".228 Den Christen sei die Aufgabe gegeben, einerseits diesen Zorn Gottes verkündigen, andererseits aber auch seine Auswirkungen durch ihre Fürbitte zunächst noch lokal zu begrenzen. Diejenigen Heiden aber, die die „signa", Abbilder des bevorstehenden universalen Zorns Gottes, falsch deuteten, würden letztlich die „ira universalis et suprema" Gottes erfahren.229 Im Unterschied zu den oben genannten Belegen für die Erwartung der Vergeltung Gottes, die strikt futurisch ausgerichtet sind, spricht Tertullian in „Ad Scapulam" auch von einer bereits in der Gegenwart stattfindenden göttlichen Rache an den Verfolgern. So erscheinen verschiedene Krankheiten christenverfolgender Statthalter als eine präsentische Form der göttlichen Vergeltung.230 Der Statthalters Vigellius Saturninus, der als erster in Afrika gegen die

228

Ad Scap. 3,3 (CChr.SL II, 1129,1 lf): „signa imminentis irae dei". Entsprechend der intendierten Ausrichtung auf heidnische Leser spricht Tertullian auch in Apol. 18,3 (CChr.SL I, 118,10) von Regen und Feuer als „signa maiestatis suae (sc. Dei) iudicando". Alle anderen oben aufgeführten, aus innergemeindlich ausgerichteten Traktaten stammenden Belege für die Erwartung der göttlichen Vergeltung enthalten hingegen keine Deutung gegenwärtiger Ereignisse als bereits in die Gegenwart hineinragender (Vor)Zeichen des Zornes Gottes. 229 Ad Scap. 3,3 (CChr.SL II, 1129,11-15): „Omnia haec signa sunt imminentis irae dei, quam necesse est, quoquo modo possumus, ut et nuntiemus et praedicemus, et deprecemur interim localem esse. Universalem enim et supremam suo tempore sentient, qui exempla eius aliter interpretantur". Die Anknüpfung Tertullians an römische Gottesvorstellungen bei der Betonung des Zornes Gottes stellt heraus Antonie Wlosok, Römischer Religions- und Gottesbegriff in heidnischer und christlicher Zeit, in: Dies., Res humanae - res divinae. Kleine Schriften, Heidelberg 1990, 24: Der „römische Gottes- und Religionsbegriff konvergiert,..., auffällig stark zu alttestamentlichen Vorstellungen. Daher waren die römischen Christen, etwa Tertullian und Laktanz, imstande, bestimmte, für griechisches Denken einfach nicht akzeptable Züge des jüdisch-christlichen Gottes, wie die Vorstellung eines strafenden und zornigen Gottes, zu bejahen und darüberhinaus mit Hilfe ihrer römischen Denkvoraussetzungen auch als denknotwendig zu erweisen." Für Tertullian ist der Zorn Gottes notwendiger Teil seines Richteramtes und resultiert sogar aus seiner Güte: „Schon um die Frommen zu schützen, kann der gerechte Richter den Sündern nur mit Strenge und Zorn begegnen." (Heinrich Kraft/Antonie Wlosok, Lactantius. De ira Dei. Vom Zorne Gottes. Eingeleitet, herausgegeben, übertragen und erläutert, Darmstadt 1957, XXII) 230 Tertullian nimmt hier das von Laktanz in „De mortibus persecutorum" ausgeführte Schema individueller präsentischer Vergeltung vorweg. Auf einen Einfluß seines in Ad Scap. 3 deutlich werdenden Verständnisses der göttlichen Vergeltung auf Laktanz weist entsprechend hin Jacques Moreau, Lactance - De la Mort des Persecuteurs (SCh N° 39), Paris 1954, 64: „Mais c'est sans doute à Tertullien qu'il (se. Lactance) a emprunte l'idèe de tirer de ce locus des effets particulièrement dramatiques et puissants, et probablement l'idée meme de consacrer tout un livre à illustrer ce thème". Eine detaillierte Darstellung des Zusammenhangs zwischen Tertullian und Laktanz in diesem Punkt bietet Eberhard Heck, Mae theomachein oder: Die Bestrafung des Gottes Verächters, Frankfurt/Bern/New York 1987, 186-226.

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Christen vorgegangen sei231, sei daraufhin erblindet, Claudius Lucius Hieronymianus, der in Kappadozien gegen die Christen gewütet habe, sei an der Pest erkrankt und bei lebendigem Leibe von Würmern aufgefressen worden.232 Auch der Adressat selbst, der Statthalter Scapula, habe nach der Verurteilung eines Christen „ad bestias" an einem Blutbrechen gelitten; dieses solle ihm als „Mahnung" (admonitio) dienen233, sein Verhalten gegenüber den Christen zu überdenken. Daß diese Beispiele unmittelbarer Vergeltung an einzelnen Exponenten der Verfolgung nach Tertullians Auffassung aber nur einen Teil des göttlichen Vergeltungshandelns darstellen, zeigt sich an seinem die exempla-Reihe abschließenden Hinweis auf das endgültige Gericht Gottes: Diejenigen Gegner der Christen, die zu Lebzeiten noch unbestraft geblieben zu sein scheinen, würden sich am Tage des Strafgerichtes Gottes zu verantworten haben.234 Mit der in „Ad Scapulam" ausgeführten Vorstellung einer individuellen, bereits in die Gegenwart hineinreichenden Vergeltung Gottes an den Christenverfolgern greift Tertullian auf die Tradition vom grausamen Leiden und Tode des Unfrommen und gegen Gott Kämpfenden, des „theomachos", zurück, die sowohl in der paganen als auch in der jüdischen und der christlichen Überlieferung verbreitet war.235 Dieser Tradition entsprechend äußert er den Wunsch, die heidni-

231 Ad Scap. 3,4 (CChr.SL II, 1129,21f). Nach Quacquarelli, persecuzione, 565, spielt Tertullian hier wahrscheinlich auf das Verfahren gegen die Märtyrer von Scilli im Jahr 180 an. Zu der Frage der Identität der Statthalter in Ad Scap. 3,4 und Act.Scill. vgl. Kap. 2, Anm. 6 mit der dort angegebenen Literatur. 232 Ad Scap. 3,4 (CChr.SL II, 1129,22-25). Tertullian greift mit dieser Schilderung möglicherweise auf die Darstellung des Todes des Antiochos IV. Epiphanes in 2.Makk 9,9 zurück. Laktanz hat in De mort.pers. 33,7f.l 1 dem Galerius ebenfalls einen Tod durch Würmerfraß zugeschrieben (ebenso Eus., HE VIII,16,3f). Nach Wilhelm Nestle, Legenden vom Tod der Gottesverächter, in: ARW 33 (1936), 258, wurde in der antiken Legendenbildung „diese abscheuliche Krankheit fur Menschen, die gegen die Religion frevelten, ..., als besonders passend erachtet." Zu weiteren Belegen für den Tod des Gottlosen oder Gotteslästerers durch Würmerfraß vgl. Christian Habicht, Das 2. Makkabäerbuch (JSHRZ 1/3), Gütersloh 1976, 245. 233

Ad Scap. 3,5 (CChr.SL II, 1129,30-1130,34).

234

Ad Scap. 3,5 (CChr.SL Π, 1129,30f): „Sed qui sibi videntur impune tulisse, venient in diem divini iudicii." 235

Moreau, Lactance, 60, verweist auf die Verwurzelung dieser Tradition bereits in der griechisch-römischen Literatur: „L'idée que la Providence manifeste, dès ces bas-monde, les effets de sa rigueur en frappant les impies dans leurs biens et dans leurs corps, appartient en effet au patrimoine littéraire gréco-latin, et s'est transmise à la pensée chrétienne". In der jüdischen Literatur spielt dieser Gedanke z.B. bei der Schilderung des Todes des Verfolgers Antiochos IV. Epiphanes in 2.Makk 9,5-29 eine Rolle (vgl. Anm. 232) sowie bei Philos Darstellung des Todes des ägyptischen Statthalters Avillius Flaccus, der sich bei der Judenverfolgung in Alexandria zur Zeit Caligulas feindselig gegenüber den Juden verhalten hatte und aus diesem Grund grausam ermordet worden

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sehen Gegner zu retten durch die Ermahnung, nicht „gegen Gott zu kämpfen" (μή θ ε ο μ α χ ε ί ν ) . 2 3 6 Durch diesen expliziten Verweis auf die auch den heidnischen Adressaten geläufige Vorstellung identifiziert er ihr Vorgehen gegen die Christen als den zu Gott Gehörigen mit dem Kampf gegen Gott selbst. Die Christenverfolger erscheinen dadurch nicht mehr nur als Gegner von Menschen, sondern als „theomachoi", als gegen Gott Kämpfende. Mit der Aufnahme dieser Tradition unternimmt Tertullian den Versuch, die christliche Zuversicht hinsichtlich der Vergeltung Gottes für ihr Leiden in einer auch für paganes Denken einsichtigen Weise zu untermauern. Der Überblick über Tertullians Ausführungen zur göttlichen Vergeltung für das Verfolgungsleiden der Christen zeigt einen Schwerpunkt dieser Thematik in apologetischen Texten. Den Heiden gegenüber sollen die Christen als von Gott mit Gewißheit Gerächte erscheinen, wobei der Verweis auf die bereits in die Gegenwart hineinreichende Vergeltung eindrucksvoll die Macht Gottes unterstreicht, diese auch tatsächlich durchzuführen. Die Betonung der göttlichen Vergeltung für die Verfolgungsleiden hat bei Tertullian also wesentlich eine Appellfunktion gegenüber den heidnischen Gegnern - eine Schwerpunktsetzung, die sich ähnlich auch noch bei Cyprian zeigt. Auch bei ihm fungiert der Hinweis auf die göttliche Vergeltung als zentrales Argument für eine Beendigung der Verfolgung seitens der Heiden.237 Betont wird bei Tertullian die Macht Gottes, und zwar in ausdrücklichem Gegensatz zu derjenigen der römischen Götter, zudem durch die bei ihm im Rahmen der christlichen Apologetik erstmalige Aufnahme 238 und spezifische Interpretation der römischen Vorstellung von der Abhängigkeit der Größe und des

sei (In Flacc. 189ff). In 2.Makk ist nicht nur das Thema des qualvollen Todes des gegen Gott Stehenden übernommen, sondern auch der Terminus , , θ ε ο μ α χ ε ί ν " (2.Makk 7,19). Diese jüdischhellenistische Tradition wird in der christlichen Literatur fortgesetzt: Vgl. z.B. den Tod des Judas in Apg 1,18. ApkPetr 27 berichtet von „den Verfolgern und Überlieferern der Gerechten", die (allerdings erst in der Hölle) von ihren Gegnern zerrissen werden. Auch die Termini , , θ ε ο μ ά χ ο ς " bzw. , , θ ε ο μ α χ ε ί ν " sind zur Kennzeichnung der Bestraften in die christliche Literatur übernommen worden: z.B. Apg 5,39; 23,9 (textkritische Ergänzung in M). Für einen ausführlichen Überblick über heidnische, jüdische und christliche Legendenbildung zum Thema „Tod der gegen Gott Kämpfenden und der Gottesverächter" vgl. Nestle, Legenden, passim. 236 Ad Scap. 4,1 (CChr.SL II, 1130,1 f) : „Non te terremus, qui nec timemus; sed velim, ut omnes saluos facere possimus, monendo μή θ ε ο μ α χ ε ΐ ν . " 237 Vgl. Ad Dem. 16 (CChr.SL III A, 44,32lf). 238

Heck, Mae theomachein, 46.

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Wohlergehens Roms von der rechten Götterverehrung.239 Dem aus diesem Gedanken resultierenden Vorwurf an die Christen, gegenwärtige Mißstände würden auf ihrer Nichtverehrung der römischen Götter beruhen 240 , hält Tertullian entgegen, daß umgekehrt die Nichtverehrung des einen Gottes seitens der Römer diese Mißstände hervorgerufen habe, denn diese seien Ausdruck des Zornes Gottes und der Strafe fur seine Mißachtung.241 Tertullian greift hier also die römische Vorstellung eines Zusammenhangs zwischen rechter Gottesverehrung und Wohlergehen des Reiches auf - aber in Gestalt einer Retorsio gegen die Römer selbst, deren eigene „irreligiositas"242 zur Ursache aller Übel wird. Da die die Mißstände verursachende Nichtverehrung Gottes seitens der Heiden sich nicht zuletzt auch in der Verfolgung der zu ihm Gehörigen manifestiert, können alle „mala" auch als göttliche Vergeltung für die Verfolgungsleiden aufgefaßt werden.243 Ausdrücklich stellt Tertullian, im Unterschied zu Cyprian244, diese Verbindung allerdings nicht her. Auch wenn die apologetisch ausgerichteten Ausführungen zur Vergeltung Gottes eine stärkende Wirkung vermutlich auch auf die Christen ausgeübt haben, so spielt hingegen bei Tertullian die für die apokalyptische Herkunft des Vergeltungsgedankens wesentliche Trostfunktion für die Verfolgten selbst nur eine nachgeordnete Rolle. Lediglich einmal, und zwar in „Scorpiace", wird dieser Zweck der Vergeltungsvorstellung explizit erwähnt.245 Innerhalb der an Christen gerichteten Schriften klingt er darüberhinaus in „De spectaculis" an246; ebenso dient die Erwähnung der Teilhabe der Märtyrer am Gericht über die Verfolger in

239

Zu dieser prägnant in Hör., Carm. 111,6,2 - „dis te minorem quod geris, imperas" - zusammengefaßten Vorstellung vgl. Vogt, Religiosität, 9; Wlosok, Rom, 58-67; Heck, Mae Theomachein, 30-41. 240 Vgl. den von Tertullian referierten Schuldvorwurf in Apol. 40,1 (CChr.SL I 153,5f): „••· omnis publicae cladis, omnis popularis incommodi... Christianos esse in causa." 241 Vgl. Apol. 40,12 (CChr.SL I, 155,45-50); Apol. 41,4 (CChr.SL I, 156,17-19). 242 243 244

Apol. 24,2 (CChr.SL I, 133,11). Vgl. Pouilly, Tertullien, 18.

Vgl. Ad Dem. 17 (CChr.SL III A, 45,334-337): Die gesamte außenpolitische, v.a. militärische, Bedrängnis des römischen Reiches in der Mitte des 3. Jhdts., die von Seiten der Heiden den Christen zur Last gelegt wurde, ist hier eine Erscheinungsform der göttlichen Vergeltung für die letzteren zugefugten Leiden in der Verfolgung. 245 Scorp. 11,3 (CChr.SL Π, 1090,20-1091,22): „... et cum deum vindictam facturum electorum suorum affirmat (sc. Christus), passiones consolatur illorum ...". 246 Auf diese Funktion von De spect. 30,2 weist hin Turcan, Les spectacles, 57: „Quand des gens vivent dans l'angoisse constante de la dénonciation, des tortures et de la mort, on imagine aisément qu'à l'idée d'un retournement total de situation ils soient soulevés d'une joie frénétique."

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,Ad martyras"247 einem konsolatorischen Zweck. In den weiteren Stellen aus nichtapologetischen Schriften, in denen Tertullian - durchgängig unter Rückgriff auf Apk 6,9-10(11) - von der Vergeltung Gottes für die Leiden der Märtyrer spricht, fungiert der entsprechende Hinweis als Element innerhalb unterschiedlicher Argumentationszusammenhänge. So geht es Tertullian in „De oratione" um eine Begründung des Gebetes der Christen um das schnelle Kommen des Endes, in „Scorpiace" um die Herausstellung der Notwendigkeit weiterer Märtyrer im heilsgeschichtlichen Prozeß und in „De resurrectione carnis" um die Ablehnung einer präsentischen Eschatologie. Insgesamt ist das Selbstverständnis der Christen als von Gott Gerächter von Tertullian also wesentlich eindeutiger und profilierter im Blick auf seine Außen-, denn auf seine Binnenwirkung entfaltet worden.

3.4 Die Frage nach der eschatologischen Deutung des Verfolgungsgeschehens : Die Verfolgung als Zeichen des nahen Endes der Zeit ? Sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen apokalyptischen Tradition findet sich die Erwartung besonderer Bedrängnis und Verfolgung als Kennzeichen der Endzeit.248 In der Literatur ist daraufhingewiesen worden, daß auch Tertullian die Verfolgungen seiner Zeit als Zeichen des nahenden Endes aufgefaßt habe.249 In seinen Schriften zeigt sich hingegen, daß er zwar prinzipiell von der Erwartung einer grausamen Verfolgung durch den Antichristen zum Ende der Zeiten ausgeht250, dabei aber allenfalls an einer isolierten Stelle251 die aktuellen 247

Vgl. Anm. 220.

248

Vgl. z.B. Dan 12,7; AssMos 8; Mt 24,9; Mk 13,9; Lk 21,12; Apk 6,9-11; 12,17; ApkPetr 2. In der Alten Kirche findet sich die Verknüpfung der Verfolgungserfahrung mit der Erwartung des Endes z.B. bei den Märtyrern von Vienne und Lyon (Eus., HE V, 1,5). 249

So Roberts, Theology, 210: „... Tertullian evidently thought that persecution of the saints was one of the signs of the approach of the day of the Lord, and that in time of persecution it was natural that he should discern ... the first of the signs of the approaching end." 250 De praescr.haer. 4,5 (CChr.SL I, 190,14f): „... tunc antichristus persecutionum atrocitate persequetur ..."; De res.carn. 25,1 (CChr.SL II, 953,5f): „... bestia antichristus cum suo pseudopropheta certamen ecclesiae inferat...". Vgl. Adv.Marc. IV, 39,4 (CChr.SL I, 651,9f): „Ante haec autem persecutiones eis praedicat et passiones eventuras, in martyrium utique et in salutem." 251 Lediglich De fuga 12,9 (CChr.SL II, 1153,95f: „... antichristo iam instante et in sanguinem, non in pecunias hiante Christianorum ...") könnte als Hinweis auf das Verständnis gegenwärtiger Verfolgungserfahrung im Lichte der vom Antichristen ausgehenden endzeitlichen Bedrängnis zu verstehen sein. Diese Stelle bliebe dann aber ein isolierter Beleg fur die Deutung aktueller Verfol-

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V e r f o l g u n g e n seiner Zeit direkt als Z e i c h e n des bevorstehenden E n d e s deutet. 2 5 2 Eine gesteigerte Gefahrdung der Christinnen und Christen in der G e g e n w a r t spiegelt sich in einer Ä u ß e r u n g in „ D e cultu feminarum" wider 2 5 3 , aber auch hier findet sich k e i n deutlicher B e z u g auf das erwartete E n d e der Zeiten. 2 5 4 A n einer, allerdings p o l e m i s c h g e g e n eine präsentische E s c h a t o l o g i e gerichteten, Stelle in „ D e resurrectione carnis" betont er h i n g e g e n sogar ausdrücklich, daß die V e r f o l g u n g durch den Antichristen n o c h nicht stattgefunden habe: „ N e m o adhuc fugit antichristum ,..". 255 Innerhalb der in der Forschung sehr differierenden Interpretationen des G e s a m t k o n z e p t e s seiner E s c h a t o l o g i e scheint die durchgängig deutlich w e r d e n d e Zurückhaltung Tertullians g e g e n ü b e r e i n e m Verständnis der V e r f o l g u n g s e r f a h r u n g e n seiner Zeit als Z e i c h e n des unmittelbar ausstehenden E n d e s d i e j e n i g e n S t i m m e n zu unterstützen, die v o n d e m F e h l e n einer Naherwartung ausgehen

256

akuten

und bei ihm lediglich das a l l g e m e i n christliche B e -

wußtsein, sich als Kirche grundsätzlich der letzten Zeit z u g e h ö r i g zu fühlen, also

gung als Zeichen der Endzeit. Primär zielt dieser Zusammenhang auch nicht auf eine Interpretation der Verfolgung, sondern auf die Erklärung des Sachverhaltes, daß es keine „Christensteuer" gebe, weil es dem Antichristen um das Blut der Christen, nicht um ihr Geld gehe („... in sanguinem, non in pecunias hiante ..."). 252 Zutreffend Schöllgen, Tempus, 91: „Es findet sich nicht einmal die konventionelle Interpretation der Verfolgung als Zeichen des nahen Endes, obwohl sie sich an manchen Stellen geradezu anbietet." Ebenso im Anschluß an Schöllgen Strobel, Imperium Romanum, 105: „... die Verfolgung als solche wird (bei Tertullian) nicht als Zeichen des nahen Endes interpretiert." 253 De cult.fem. II, 13,6 (CChr.SL I, 370,33-36): „Ceterum tempora Christianis semper, et nunc velmaxime, non auro sed ferro transiguntur: Stolae martyrum praeparantur, angeli baiuli sustinentur." 254 Auch Marie Turcan, La toilette des femmes (De cultu feminarum). Introduction, texte, critique, traduction et commentaire (SCh N0 173), Paris 1971, 168, sieht in dieser Stelle lediglich einen Hinweis auf die verstärkt drohenden Verfolgungen zur Zeit Tertullians („allusion évidente ... aux persécutions menaçantes ..."), die aber nicht eschatologisch gedeutet werden. Damit ist zumindest im Blick auf diesen, fiir die Gläubigen seiner Zeit zentralen Aspekt ihrer Wirklichkeitserfahrung die bei Rankin, Church, 97, zu findende Auffassung infragegestellt, daß die eschatologische Blickrichtung das Denken Tertullians durchgängig und nachhaltig beeinflusse: „Eschatological reflection profoundly influences everything he says." 255 De res.carn. 22,10 (CChr.SL II; 949,52). In demselben Kontext verwendet Tertullian die Tatsache der anhaltenden Verfolgung der Christen auch als Beleg dafür, daß die Parusie noch nicht stattgefunden hat - nicht, daß sie bevorsteht! (Vgl. De res.carn. 22,9; CChr.SL II, 948,45-48) 256 So z.B. V.C. DeClerq, The Expectation of the Second Coming of Christ in Tertullian, in: StPatr 11/2 (1972), 146f: „... Tertullians's expectation of the parousia, when compared with that of primitive Christianity, presents several significant differences. First of all, his writings do not bear witness to the sense of immediateness and imminence regarding the Day of the Lord." Josephine M. Ford, Was Montanism a Jewish-Christian Heresy?, in: JEH 17(1966), 154, spricht von einem „lack of interest in an imment parousia" bei Tertullian.

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eine latente Naherwartung, widergespiegelt sehen. 2 " Im Zusammenhang der umstrittenen Frage nach dem Verhältnis zwischen der Gestalt seiner Eschatologie und derjenigen der „Neuen Prophetie" bedeutet das auch in seinen montanistischen Schriften zutagetretende Desinteresse an einer eschatologischen Deutung der aktuellen Verfolgungen, daß Tertullian selbst nicht als „Kronzeuge" für die in der Forschung zumeist selbstverständlich und häufig ohne weitere Differenzierung

257 So Schöllgen, Tempus, 80-86, im Anschluß an diesen Strobel, Imperium Romanum, 88106; ebenso Erlemann, Endzeitwartungen, 159. Dagegen finden sich durchgängig in der Forschung bis in die jüngste Zeit auch vielfach Äußerungen, die von einer in Tertullians Schriften zutagetretenden akuten Endzeiterwartung ausgehen: So z.B. Brandt, Ethik, 209; Klein, Tertullian, 188-198; Jaroslav Pelikan, The Eschatology of Tertullian, in: ChH 21 (1952), 109, sowie Evans, Problem, 35: „... in company with many other eschatological prophets Tertullian concurrently expects the imminent end." Rankin, Church, 97, spricht von „the imminence of the parousia" bei Tertullian. Hinweise, die gegen eine akute Naherwartung sprechen, zeigen sich demgegenüber 1) im Zusammenhang von Tertullians Deutung von 1 .Kor 7,29 und 2) in den Stellen, in denen er von Zeichen der Endzeit spricht. Zu 1) Von Pelikan, Eschatology, 109ff, ist die von Tertullian mehrfach angeführte Stelle 1 .Kor 7,29 „Tempus in collecto est" (De cult.fem. II, 9,6; Ad ux. I, 5,4; De mon. 3,10; 7,4; De pud. 16,28; De exhort.cast. 4; Adv.Marc. V, 7,8) als wesentlicher Beleg für eine akute Naherwartung herangezogen worden. Die Betrachtung der Kontexte zeigt aber, daß Tertullian diese Stelle in erster Linie im Zusammenhang von Argumentationen gegen eine Wiederverheiratung herangezogen hat. Begründet liegt dies darin, daß Paulus in 1 .Kor 7 seine Argumentation für Sexualaskese und gegen eine Verheiratung mit der Naherwartung verknüpft; diese Verbindung wird von Tertullian übernommen, ohne daß er aber selbst dabei das Gewicht auf die Naherwartung als Begründung für seine rigoristischen Forderungen legt (gegen Karpp, Schrift, 65-67). Zu 2) In Apol. 20 zählt Tertullian die in der synoptischen Apokalypse auftauchenden Vorzeichen des Endes auf und bezeichnet sie als in der Gegenwart erfüllt (Apol. 20,2f; CChr.SL I, 122,5-14). Der Kontext dieser Stelle macht aber deutlich, daß die Intention dieses Passus nicht darin besteht, die Gegenwart als Zeit unmittelbar vor dem Ende zu deuten, sondern die Göttlichkeit der Schrift zu erweisen: Hierzu greift Tertullian das apologetische Argument auf, daß die gegenwärtig eintretenden Mißstände bereits in der Schrift vorausgesagt seien (Apol. 20,3; CChr.SL I, 122,14-16). Entgegen einer präsentischen Eschatologie, die von einer bereits stattgefundenen Auferstehung in der „Erkenntnis der Wahrheit" (veritatis agnitio) ausgeht (De res.cam. 22,1; CChr.SL II, 947,1-5) betont Tertullian in „De resurrectione camis", daß die Vorzeichen der Parusie noch nicht erfüllt seien (De res.cam. 22,9; CChr.SL II, 948,43-949,50). Ironisch stellt er heraus, daß ausschließlich die Häretiker bereits die das Kommen Christi ankündigenden „vox archangeli (et) tuba Dei" gehört hätten (De res.cam. 24,7; CChr.SL II, 951,18-20). Die Voraussetzungen für den Beginn der Endzeit, die Zerstörung Roms und das Erscheinen des Antichrist, sind nach seiner Darstellung eben noch nicht eingetreten (De res.cam. 24,18; CChr.SL II, 952,47f), die Erde ist „adhuc integra" (De res.cam. 22,9; CChr.SL II, 948,45). Auch in Adv.Marc. IV, 39,3-17 (CChr.SL I, 651,1-655,2) zeigt sich kein Hinweis auf eine gegenwärtige Erfüllung der dort erwähnten Vorzeichen des Endes, der „mala imminentia,..., quae adventum eius (sc. Christi) antecedunt" (Adv.Marc. IV, 39,14; CChr.SL I, 645,8f)· Zu der ebenfalls in diesen Zusammenhang gehörigen Frage nach der Deutung der unterschiedlichen Äußerungen Tertullians in bezug auf das Gebet der Christen für das Kaisertum und den Bestand des Reiches vgl. Kap. 3.3.2.

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vorausgesetzte Naherwartung des Montanismus258 und eine aus dem Blick auf die Eschatologie abzuleitende Begründung rigoroser sittlicher Forderungen, insbesondere der Martyriumsbereitschaft, angeführt werden kann.259 In welchem Verhältnis seine Zurückhaltung gegenüber einer akuten Naherwartung und einer entsprechenden Verfolgungsdeutung aber zu der Gestalt des Montanismus steht, die er in Karthago kennenlernte, d.h. ob sie dieser entspricht oder eine eigene Akzentsetzung ihr gegenüber darstellt, ist aus zwei Gründen kaum zu klären. Zum einen ist grundsätzlich fraglich, ob die Erwartung des unmittelbaren Endes denn überhaupt auch in der ursprünglichen „Neuen Prophetie" die Rolle gespielt hat, die ihr vielfach in der Forschung zugeschrieben worden ist.260 Zum anderen bleibt

258 Charakteristisch für diese Tendenz, in dem Blick auf das nahe Ende die „Grundstimmung des Montanismus" (Aland, Bemerkungen, 126) zu sehen, ist die Darstellung von Nathanael G. Bonwetsch, Die Geschichte des Montanismus, Erlangen 1881, der hieraus die Rigorosität seiner sittlichen Forderungen ableitet: „Unzweifelhaft erklärt sich die neue Prophetie mit allen ihren Forderungen und Ordnungen vortrefflich von der einmal gewonnenen Überzeugung aus, dass das Ende herangekommen sei... Der Montanismus wollte das Leben des Christen in der Welt von der Erwartung des Weltendes bestimmt wissen." (Bonwetsch, Geschichte, 135) DeClerq, Expectation, 147, hat „the imminent return of Christ" explizit als „tenet of Montanism" bezeichnet, selbstverständlich vorausgesetzt ist die Bedeutung der „konkreten Enderwartungen" bei Heinrich Kraft, Die Lyoner Märtyrer und der Montanismus, in: Pietas. FS B.Körting (JAC.E 8), Münster 1980, 250f. Zu weiteren Literaturbelegen für diese zumeist vertretene Auffassung vgl. Schöllgen, Tempus, 87, Anm. 120. 259 Gegen Frend, Montanismus, 275, dem zufolge der Montanismus den Gläubigen „angesichts des näherkommenden Endes ihre gesteigerten Verpflichtungen insbesondere im Blick auf das Martyrium bewußt" gemacht hat. „Darin lag für Tertullian seine wesentliche Anziehungskraft." Das Desinteresse Tertullians an einer eschatologischen Begründung seiner sittlichen Forderungen hat hingegen Schöllgen, Tempus, 90-94, detailliert herausgestellt: „In den meisten Traktaten zur Gemeindedisziplin, auch denen aus montanistischer Zeit, wird die Naherwartung zur Stützung des von Tertullian vertretenen - im Zweifelsfalle gegenüber der Mehrheit der Gemeinde rigoroseren Standpunktes nicht angeführt." (Schöllgen, Tempus, 94) 260 Nach Schöllgen, Tempus, 87, ist es in der Forschung weitgehend „sententia communis", „daß der frühe phrygische Montanismus von der Vorstellung des in Kürze eintretenden Weltendes geprägt war". Nachhaltig in Frage gestellt worden ist die Existenz einer besonderen Naherwartung in der ursprünglichen „Neuen Prophetie" durch Douglas Powell, Tertullianist and Cataphrygians, in: VigChr 29 ( 1975), 50f: „The original Montanism, the Montanism of the great prophetie Trio, shared with Justin and Irenäus a future eschatology and a belief in the descent of the heavenly Jerusalem; but there is no reason to suppose that it taught an imminent parousia." Daß die zumeist herangezogenen Belege für eine akute montanistische Naherwartung (Epiph., Pan. 48,2,4-7; Eus., HE V, 16,19; 18,2) keinesfalls zwingend in diesem Sinne zu interpretieren seien und zudem das von Tertullian in De fuga 9,4 überlieferte Orakel eher gegen eine akute Naherwartung spricht, bildet auch für Schöllgen, Tempus, 89, die Grundlage einer Absage an diese Vorstelllung: „Dafür, daß die Naherwartung der Angelpunkt der montanistischen Lehre und Lebensführung und Ursache seines Rigorismus' gewesen sei, fehlt... vor Tertullian jeder Hinweis; es gibt keinerlei Zeugnisse für die explizite Verbindung der Erwartung des nahen Endes mit den montanistischen Verschärfungen."

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Die Frage nach der eschatologischen Deutung

die Frage, ob Tertullian den Montanismus noch in seiner „phrygischen" Ausformung oder in einer bereits veränderten Form kennenlernte.261 Da letzteres wahrscheinlicher ist262, die Gestalt dieses möglicherweise über Rom nach Afrika gelangten263, modifizierten Montanismus aber nicht unabhängig von Tertullians Schriften rekonstruierbar ist, lassen sich Übereinstimmungen und Unterschiede nicht sicher bestimmen. So bleibt zunächst nur festzuhalten, daß er trotz seines auch in der Martyriumsdeutung noch mehrfach zu bemerkenden Rückgriffs auf apokalyptische Traditionen, insbesondere aus der Johannes-Apokalypse264, die Vorstellung der Verfolgung als Element endzeitlicher Bedrängnis nicht zur Deutung der aktuellen Verfolgungserfahrung der karthagischen Christinnen und Christen übernimmt. In der Verfolgungsdeutung seines „Nachfolgers" Cyprian ergibt sich demgegenüber eine leichte Akzentverschiebung. Zwar werden auch bei ihm weder die Verfolgung zur Zeit des Kaisers Decius in den Jahren 249/250 noch die Verfolgung unter Valerian in den Jahren 257/258 als Zeichen der Endzeit gedeutet, aber angesichts einer drohenden Verfolgung im Jahr 253 ermuntert Cyprian zur Leidensbereitschaft unter ausdrücklichem Hinweis auf das nahe Ende.265 Diese Aufnahme des apokalyptischen Motivs der Verfolgung als eines für die Endzeit vorhergesagten Phänomens entspricht einer Häufung von Aussagen zur Endzeiterwartung in Cyprians Schriften in demselben Zeitraum, d.h. in den Jahren 252/253, die sich so weder vorher noch nachher bei ihm finden lassen.266 Möglicherweise kam es in diesen Jahren auf Grund einer Häufung krisenhafter Erfah-

261 Dieses Problem hat Aland, Bemerkungen, 114, zusammengefaßt: „Bietet Tertullian (den ursprünglichen Montanismus) rein und unverfälscht dar oder hat er ihn so umgeformt und seinem System angepaßt, daß er seinen eigentlichen Charakter verlor? Oder aber, als dritte Möglichkeit: hat Tertullian den Montanismus nur in einer Gestalt kennengelernt, die sich von der ursprünglichen schon erheblich entfernt hatte?" 262 Vgl. Powell, Tertullianists, 50, sowie René Braun, Tertullien et le montanisme. Église institutionelle et Église spirituelle, in: RSLR 21 (1985), 249f. 263 Diese Vermutung äußert Ronald E. Heine, The Montanist Oracles and Testimonia (Patristic Monograph Series 14), Macon 1989, X: „... Montanism reached Tertullian via Rome where other innovations had already been introduced." 264 Vgl. z.B. Kap. 3.3.2, mit Anm. 212.216; Kap. 4.5.1, mit Anm. 466. 265 ep. 58,1,2 (CChr.SL III C, 320,13-18); ep. 58,2,2 (CChr.SL III C, 321,37-40); Ad Fort.praef. 1 (CChr.SL III, 183,3-5). 266 De mort. 2 (CChr.SL III A, 17,21-18,32); De mort. 25 (CChr.SL III A, 30,426f); Ad Dem. 4 (CChr.SL III A, 37,79f); Ad Dem. 5 (CChr.SL III A, 37,81-87) u.a.

Die Frage nach der eschatologischen Deutung

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rungen zu einer akuten Endzeiterwartung bei ihm 2 6 7 , im Z u g e derer auch die erwartete V e r f o l g u n g als Z e i c h e n des bevorstehenden E n d e s erscheint. D a ß sich das E n d z e i t m o t i v - w e n n auch nur zeitlich begrenzt -

bei Cyprian findet, nicht

aber bei Tertullian, könnte auch mit d e m unterschiedlichen Charakter der Christenverfolgungen u m 2 0 0 und in der Mitte des 3. Jahrhunderts z u s a m m e n h ä n g e n . D i e in ihrer Qualität und Intensität n e u e Erfahrung der zentral gelenkten, reichsweiten, die Christen in ihrer Gesamtheit treffenden V e r f o l g u n g unter D e c i u s führte m ö g l i c h e r w e i s e z u der Erwartung, bei e i n e m N e u a u f l e b e n oder gar einer Steigerung d i e s e s V o r g e h e n s , w i e e s für die Jahre 2 5 2 / 2 5 3 befürchtete wurde, könnte es sich u m die vorhergesagte große V e r f o l g u n g aller „Heiligen" vor d e m Ende der Z e i t e n handeln. D e r eher sporadische Charakter der Ü b e r g r i f f e g e g e n Christen zur Zeit Tertullians h i n g e g e n , v o n d e m z u m e i s t nur eine begrenzte Zahl von Gläubigen betroffen war, legte es für ihn m ö g l i c h e r w e i s e auch w e n i g e r nahe, diese mit der in der apokalyptischen Tradition erwarteten generellen

Verfolgung

z u m E n d e der Z e i t e n z u identifizieren.

267 So z.B. Hugo Koch, Cyprianische Untersuchungen, Bonn 1926, 169: „Erst die kirchlichen Zerwürfnisse, allerlei Nöte und Heimsuchungen und vollends die als viel schrecklicher vorgestellte Verfolgung unter Gallus und Volusianus weckten in Cyprian den lebhaften Glauben, daß das Ende der Zeiten unmittelbar nahe sei und der Antichrist vor der Tür stehe ...". Im Anschluß an Koch entwirft auch Geza Alföldy, Der heilige Cyprian und die Krise des römischen Reiches, in: Hist 22 (1973), 479-501 ein chronologisches Modell, nach dem die Endzeiterwartung Cyprians in den Jahren 252/253 auf Grund der Häufung innerer Krisen der Kirche und verschiedener äußerer Nöte kumuliert. Diese These einer zeitlichen Kumulierung einer akuten Endzeiterwartung ist in der Forschung allerdings umstritten: Gegen sie stehen zum einen diejenigen Darstellungen der Eschatologie Cyprians, die von einer durchgangig bei ihm feststellbaren Endzeiterwartung ausgehen (z.B. Beck, Recht, 11 lf.l 15; Hummel, Concept, 75). Angesichts des Fehlens von Hinweisen auf eine Endzeiterwartung aus der Zeit der Decischen Verfolgung und auch vor Beginn und im Verlauf der Valerianischen Verfolgung ist eine solche aber nicht zu belegen. Zum anderen steht gegen die Vorstellung einer zeitlichen Konzentration der Endzeiterwartung die Auffasung, die eine mit besonderer Krisenerfahrung verknüpfte akute Enderwartung bei Cyprian ganz ablehnt und bei ihm lediglich das grundsätzliche Verständnis der Kirche als heilsgeschichtlicher Endzeit widergespiegelt sieht (Strobel, Imperium Romanum, 146-184). Wenn auch einige Aspekte des cyprianischen Sprachgebrauchs die letztgenannte These unterstützen können - so sind z.B. die „novissima tempora" bei ihm nicht die Zeiten unmittelbar vor dem Ende (anders Alföldy, Cyprian, 487.495), sondern die grundsätzlich mit dem Kommen Christi begonnene letzte Zeit (vgl. De dom.or. 34; CChr.SL III A, 111,636) - , so bleibt doch der Befund einer besonderen zeitlichen Häufung der Hinweise auf das Ende der Zeiten, in deren Rahmen eben auch die Gefährdung durch die drohende Verfolgung mit dem Verweis auf die für die Endzeit vorhergesagen Phänomene theologisch gedeutet und bewältigt wird. Dieser Befund läßt sich kaum anders erklären, denn durch ein zumindest gesteigertes Bewußtsein dessen, in den auf das Ende zulaufenden Zeiten zu leben, welches durch die erwartete Schwere der Verfolgung mitverursacht war.

106

Zusammenfassung

3.5 Zusammenfassung: Die Aspekte der Verfolgungsdeutung Tertullians in ihren literarischen Kontexten Die Betrachtung der bei Tertullian zutagetretenden Aspekte, unter denen er das Verfolgungsleiden der Christinnen und Christen darstellt und deutet, hat gezeigt, daß die Auswahl der Deutungszugänge und Motive je nach den literarischen Zusammenhängen, nach Adressatenkreis und Intention einer Schrift, differiert. Es ergeben sich unterschiedliche Deutungsmuster für die Verfolgung zum einen in den primär auf heidnische Adressaten ausgerichteten apologetischen Schriften („Ad nationes", „Apologeticum", „Ad Scapulam"), zum anderen in den innerchristlich ausgerichteten Traktaten268; bei letzteren ist zusätzlich noch zwischen dem konsolatorisch-exhortativen „Ad martyras"269 und den polemischen Schriften „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" zu unterscheiden - um nur die „Hauptquellen" für Ausführungen Tertullians zur Verfolgung zu nennen. Im apologetischen Schrifttum erscheint das Verfolgungsgeschehen als innerweltliches Geschehen, in dem sich Heiden und Christen als Antagonisten gegenüberstehen. Auf einer für die heidnischen Adressaten einsichtigen Darstellungsebene beschreibt Tertullian die Verfolgung unter politischen und juristischen Aspekten. Nur in Ansätzen zeigt sich hinter dieser immanenten Ebene die Vorstellung, daß den Christen nicht nur menschliche Gegner, sondern hinter diesen die Macht der Dämonen und ihres Fürsten, des Teufels, gegenüberstehen. Daß dieser Gedanke darüberhinaus keinesfalls zu einer Verringerung der Verantwortung der heidnischen Gegner für das den Gläubigen angetane Leid führt, zeigt sich daran, daß Tertullian innerhalb der apologetischen Schriften in eindringlicher

268 Vielfach ist in der Literatur die Unterschiedlichkeit der Äußerungen Tertullians in apologetischen und nichtapologetischen Schriften herausgearbeitet worden, so z.B. in bezug auf die Frage des Militärdienstes von Christen (vgl. Kap. 3.1.2, Anm. 125) oder zum Kaisergebet (vgl. Kap. 3.3.2, Anm. 223). Eine entsprechende Differenzierung seiner Deutung der Verfolgung der Christen ist hingegen m.W. noch nicht durchgeführt worden. 269 Die Frage nach dem literarischen Genus von „Ad martyras" ist schwer zu klären, da Tertullian in dieser Schrift Elemente aus verschiedenen traditionellen Gattungen vereinigt und aus diesen „something new and Christian" (Barnes, Tertullian, 226) entwickelt hat. Nach Quacquarelli, Ad martyras, 26, eröffnet dieser Traktat „un genere letterario nuovo, librato tra la consolazione, il discorso protrettico e la diatriba". Zu den verschiedenen Elementen aus dem Bereich der Consolatio, der Exhortatio, dem Protreptikos und der Diatribe sowie den Differenzen zwischen „Ad martyras" und den jeweiligen literarischen Genera in der paganen Tradition vgl. Bames, Tertullian, 226, sowie ausführlich Quacquarelli, Ad martyras, 26-30. Im Unterschied zu Barnes und Quacquarelli hat Braun, Date, 232-237, hingegen die konsolatorischen Aspekte in „Ad martyras" negiert und diese Schrift als „epistula exhortatoria" verstanden, deren Grundidee sich an Cicero, Tusc. Ulf orientiere.

Zusammenfassung

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Weise auf die den Heiden in Aussicht stehende Vergeltung seitens Gottes hinweist. Die Vorstellung einer Rache Gottes für das Verfolgungsleiden der zu ihm Gehörigen hat hier ihren primären „Sitz im Leben"; die innerchristlich ausgerichtete Trostfunktion dieses Gedankens tritt bei Tertullian deutlich hinter der auf die Gegner zielenden Mahn- und Appellfunktion zurück. Die Evidenz des Vergeltungsgedankens für die Heiden verstärkt er dabei durch den Rückgriff auf die auch diesen geläufige Tradition vom grausamen Leiden und Tode des gegen Gott Kämpfenden, des θ ε ο μ ά χ ο ς . Das Vorgehen der Heiden gegen die Christinnen und Christen wird durch die Aufnahme dieser Tradition mit dem Kampf gegen Gott selbst identifiziert, wodurch dessen Eingreifen zugunsten der Gläubigen für heidnisches Denken zusätzlich plausibel gemacht werden soll. In den innerchristlich ausgerichteten Schriften erscheint die Verfolgung in erster Linie als ein Kampf des Teufels gegen die Christinnen und Christen, die konkreten heidnischen Gegner werden hingegen nur am Rande erwähnt. Innerhalb der Exhortationsschrift „Ad martyras" dient der Verweis auf den „ K a m p f , den die Inhaftierten im Gerichtssaal zu bestehen haben, der „praeparatio ad martyrium". Die Widrigkeiten des Kerkers werden unter dem Aspekt der strengen Übung der Kräfte für den ausstehenden Kampf gedeutet. Die zu diesem Zweck durchgeführte Parallelisierung zwischen den in weltlichen Schlachten und Wettkämpfen Kämpfenden und den christlichen Kämpfern mündet dabei in die Hervorhebung der Einzigartigkeit des Kampfes der Christen, der unter Teilhabe der göttlichen Trinität in verschiedenen Funktionen gegen einen kosmischen Gegner ausgefochten wird. Eine entsprechende Höherwertigkeit kommt auch dem zu erwartenden Lohn zu, der jeden in einem weltlichen Kampf zu erlangenden Lohn transzendiert. Während Tertullian in „Ad martyras" Gläubige anredet, die bereits ihre Bereitschaft zur Akzeptanz der Verfolgungssituation dokumentiert haben, wendet er sich in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" gegen Argumente verschiedener Herkunft, die in seinen Augen die Pflicht zum Bestehen dieser Situation bis zur letzten Konsequenz negieren. Zur Bekämpfung dieser Positionen geht er in den genannten Traktaten bei der Darstellung des in der Verfolgung stattfindenden Kampfes der Christinnen und Christen einen wesentlichen Schritt über „Ad martyras" hinaus, indem er ansatzweise in „Scorpiace", in ausführlicher Form dann in „De füga in persecutione" zwischen dem Gegner der Gläubigen und dem eigentlichen Urheber der Verfolgung unterscheidet. Die von ihm postulierte Urheberschaft Gottes dient dabei dem Erweis der absoluten Notwendigkeit, sich der Verfolgung als einer Gottes Willen entsprechenden Situation auszusetzen. Zur

108

Zusammenfassung

Unterstützung dieses Gedankens der Gottgewolltheit und insofern auch Notwendigkeit der Verfolgungssituation hat Tertullian in beiden Traktaten noch auf zwei weitere Deutungsaspekte zurückgegriffen. Während er ihn in „Scorpiace" durch die Vorstellung eines seit Beginn der Welt zwangsläufigen Verfolgungssschicksals aller Gerechten und zu Gott Gehörigen unterstreicht, hat er auch dort, vor allem aber in „De fuga in persecutione" den Gedanken einer durch die Verfolgung stattfindenden Prüfung der Gläubigen durch Gott ausgeführt. Beide Motive stehen im Dienst der von Tertullian intendierten Einschärfung der Pflicht zur Akzeptanz der Verfolgung als einer zwar durch den Teufel an den Christen herangetragenen, aber letztlich von Gott autorisierten Herausforderungssituation für die Christinnen und Christen. Über die hier aufgeführten Motive zur theologischen Verfolgungsdeutung hinaus sind in der Forschung noch zwei weitere Vorstellungen angeführt worden, mit Hilfe derer Tertullian die Verfolgungsleiden seiner Zeit interpretiere. Zum einen habe er diese auch als Strafe Gottes dafür betrachtet, daß die Christen die Häresien nicht ausgetilgt hätten.270 Entgegen dieser Behauptung läßt Tertullian mit Ausnahme zweier sehr beiläufiger Erwähnungen271 den Strafgedanken zur Deutung der Verfolgungserfahrung aber ungenutzt. Der vor allem in der zwischentestamentlichen Literatur auftauchende272 und in der Mitte des 3. Jahrhunderts auch von Cyprian zur Deutung der Verfolgung unter Decius rezipierte Gedanke der Verfolgung als eines von Gott auf Grund verschiedener Mißstände verhängten Strafleidens273 spielt für sein Verständnis der Verfolgung keine weitere Rolle. Ebensowenig erscheint diese als Element der Bedrängnisse unmittelbar vor dem Ende der Welt, sondern lediglich als Ausweis der grundsätzlich die Zeit der Kirche als letzte der Zeiten prägende Gegnerschaft der Gott und seinen Gläubigen

270 So Bray, Holiness, 47, der von der bei Tertullian vorkommenden Vorstellung spricht, daß die Verfolgung eine Strafe (punishment) sei, „inflicted on the Church as a scourge for its failure to wipe out heresy ...". 271 Vgl. Kap. 3.2, Anm. 174. 272 Vgl. l.Makk 1,64; 2.Makk 5,17; 6,12-17; 7,32f; 4.Makk 4,12; Jub 23,13f.22-24; AssMos 2,8-3,7. Zu diesen Stellen vgl. Baumeister, Anfänge, 31.38-42.47-49. 273

Vgl. ep. 11 (CChr.SL III B, 56-66); ep. 16,4,1 (CChr.SL III B, 94,64f); De laps. 5-7 (CChr.SL III, 223,84-225,146). Zu diesem Motiv bei Cyprian vgl. Koch, Untersuchungen, 160, sowie ausführlich Carla Lo Cicero, La persecuzione come punizione divina in Cipriano: motivi biblici e classici, in: Res Publica Litterarum 15 (1992), 91-97.

Zusammenfassung

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ablehnend gegenüberstehenden „Welt".274 Daß er diese als konstitutiv für das Dasein der Christinnen und Christen unter den Bedingungen der noch nicht abgelaufenen Weltzeit betrachtet, fuhrt zu der Frage nach ihrer Reaktion auf die Herausforderungssituation einer Verfolgung. Diese konnte in der Bereitschaft zu einem öffentlichen Bekenntnis mit der zumeist zu erwartenden Konsequenz des Glaubenstodes bestehen oder in der Flucht vor Übergriffen und Verfolgungssituationen, aber ebenso auch in der Glaubensverleugnung, der Apostasie. Letzteres bedeutete für Tertullian wie für die gesamte Alte Kirche eine schwere Sünde, die er als Montanist sogar für unvergebbar erklärte.275 Ersteres hingegen stellte für ihn das Ideal christlichen Verhaltens im Konflikt mit den Heiden dar, zu dessen Begründung und Heilsbedeutung er sich in mehreren seiner Schriften eingehend geäußert hat. Die von ihm ebenfalls aufgegriffene Frage der Bewertung einer Flucht bildet dabei ein Element innerhalb seiner im folgenden darzustellenden theologischen Deutung des christlichen Martyriums.

274

Zu „mundus" bzw. „saeculum" als Gott und seinen Gläubigen feindlich gegenüberstehender Sphäre vgl. z.B. Ad mart. 2,1-6 (CChr.SL I, 3,31-4,22). Während „mundus" mehr die materielle Welt meint, bezeichnet Tertullian mit „saeculum" eher eine der „Welt" als gottfeindlichem Bereich entsprechende Lebensform. Vgl. Braun, Date, 234, Anm. 68. 275 In De pud. 19,25 (CChr.SL II, 1323,112-115) rechnet er die „negatio" zu den „(delicta) graviora et exitiosa, quae veniam non capiant".

4. Die Deutung des Martyriums

4.1 Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor" und „martyrium/martyr" in den Schriften Tertullians Innerhalb der insbesondere in der Nimwegener Schule' betriebenen Erforschung der Entwicklung der christlichen Latinität und der Rolle Tertullians in diesem Prozeß ist speziell auch der von ihm zur Bezeichnung christlichen Verfolgungsleidens und Martyriums verwendeten Terminologie größere Aufmerksamkeit zuteil geworden. Sowohl die Veröffentlichungen von TEEUWEN als auch von JANSSEN 2 enthalten neben anderen Begriffsuntersuchungen auch Untersuchungen seines martyrologischen Sprachgebrauchs, die Arbeit von HOPPENBROUWERS ist ausschließlich der „terminologie du martyre" gewidmet. Sie unterscheidet sich insofern von ihren Vorgängern, als diese primär philologische Gesichtspunkte in den Mittelpunkt stellen; HOPPENBROUWERS betrachtet hingegen stärker den jeweiligen literarischen und historischen Kontext der Verwendung eines Begriffs und erschließt aus diesem Zusammenhang die jeweilige Wortbedeutung. Aus dieser methodischen Prämisse ergibt sich ftir ihn, im Unterschied zu TEEUWEN und JANSSEN, daß sich mit einem Terminus in verschiedenen Kontexten auch eine differierende Vorstellung verbinden kann. Diese Bedingtheit durch den literarischen Zusammenhang und seine argumentative Ausrichtung bestätigt sich bei der Untersuchung der martyrologischen Termini Tertullians. Das bedeutet, daß in methodischer Hinsicht Zurückhaltung geboten ist gegenüber dem Versuch, aus Einzeläußerungen Aussagen mit grundsätzlichem Definitionscharakter abzuleiten - etwa in bezug auf die Kriterien bei der Verwendung eines Begriffs.3 Innerhalb der Literatur zur Theologie Tertullians zeigt sich, daß die von Schlüsselbegriffen ausgehende lexikalische und semantische Analyse seiner

1 In den Zusammenhang der Forschungen dieser Schule gehören die in Kap. 1 erwähnten Untersuchungen von Teeuwen, Vermeulen und Hoppenbrouwers, sowie die in Anm. 2 genannte Untersuchung von Janssen. 2 Harry Janssen, Kultur und Sprache. Zur Geschichte der alten Kirche im Spiegel der Sprachentwicklung. Von Tertullian bis Cyprian, Nimwegen 1938. 3 Zu einer solchen Tendenz in der Forschung vgl. z.B. Anm. 47.

Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor"

111

Schriften eine große Bedeutung hat.4 Besonders in der angelsächsischen Forschung ist gegenüber diesem Zugang aber deutliche Skepsis geäußert worden, da durch diesen Tertullian nicht in seinen kulturellen und historischen Zusammenhang gestellt würde.5 Trotz aller Berechtigung dieser Kritik, soweit sie sich gegen Einseitigkeit in der Wahl des Zugangs wendet, bleibt aber fur das Verständnis der tertullianischen Martyriumstheologie eine einleitende Untersuchung der martyrologischen Begrifflichkeit notwendig. Zum einen bietet sie die Voraussetzung für eine Sprachkonvention in bezug auf die wesentlichen Termini „confessor/confessio/confiteri" und „martyr/martyrium", zum anderen lassen sich aus Tertullians Sprachgebrauch bereits deutliche Hinweise auf Grundtendenzen seiner Martyriumstheologie entnehmen, so daß dieser quasi als „Spiegel" seines Martyriumskonzeptes fungiert.

4.1.1 „confessio/confiteri/confessor" In Tertullians Sprache finden sich eine Vielzahl von Begriffen, die aus der heidnischen Umwelt, insbesondere den Bereichen des Militärs und des Rechts, stammen und in christlichem Sinne umgeprägt wurden.6 Juristischen Zusammenhängen entstammen die für die Darstellung der christlichen Haltung im Gegenüber zur heidnischen Umwelt grundlegenden Termini „confessio" bzw. „confiteri". Ursprünglich bezeichneten sie das Geständnis eines Verbrechens vor Gericht - eine Bedeutung, die bei Tertullian in apologetischen Kontexten noch häufig erscheint.7

4

Vgl. z.B. Braun, Deus Christianorum, passim; Hallonsten, Satisfactio, 105-210. Ein nachdrückliches Plädoyer für die lexikalische, semantische und rhetorische Analyse als grundlegendem Zugang zu Tertullians Denken liefert Sider, Approaches, 260: „It is by understanding the words he uses, their content, their function and relationships, and the art which sets them together in sustained arguments and coherent works, that we have our most immediate access to his (sc. Tertullian's) mind." 5

Als Vertreter dieser Kritik erscheinen Bames, Tertullian, 1, und vor allem Bray, Holiness,

28f. 6

Zu dem Vorgang dieser Umprägung vgl. Teeuwen, Bedeutungswandel, 11-24. In welchen Fällen die Christianisierung der Begriffe auf Tertullian selbst zurückzuführen ist und in welchen er schon einen entsprechenden christlichen Sprachgebrauch vorfand, läßt sich im einzelnen allerdings nur bedingt entscheiden. 7 Ad nat. 1,2,1 (CChr.SL I, 12,9f): „Nam nocentes quidem perductos, si admissum negent, tormentis urgetis ad confessionem ..."; ebenso Ad nat. 1,2,5 (CChr.SL I, 12,24.26); Ad nat. 1,2,8 (CChr.SL I, 12,37); Apol. 2,4 (CChr.SL 1, 87,12); 2,10 (CChr.SL I, 89,51); 2,12 (CChr.SL I, 89,61); 2,15 (CChr.SL I, 90,79) u.a.

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Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor"

Vor dem Hintergrund der Verfolgungssituation8 nahmen diese Begriffe im christlichen Sprachgebrauch den spezifischen Sinn eines Bekenntnisses des christlichen Glaubens vor den heidnischen Richtern an.9 Um dieses besondere christliche Bekenntnis von einem Geständnis eines Heiden vor Gericht abzuheben, kennzeichnet Tertullian es an einigen Stellen des „Apologeticums" als „confessio nominis".10 Dort sowie in anderen apologetischen Texten benutzt er aber auch nur „confessio/confiteri" für das Bekenntnis des Christseins, ohne den spezifischen Charakter dieses Bekenntnisses durch einen Zusatz zu verdeutlichen.11 In nichtapologetischen Schriften, besonders in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione", versteht sich die Bedeutung dieser Termini so sehr von selbst, daß Tertullian mit wenigen Ausnahmen überhaupt keine weiteren Ergänzungen zur Erläuterung anfuhrt: „confessio/ confiteri" stehen als termini technici für das christliche Bekenntnis vor den Heiden.'2 Die Objektlosigkeit weist dabei deutlich auf den technischen Charakter

8

Daß „confessio" für die Christen wesentlich im Zusammenhang von „persecutio" zu denken ist, verdeutlicht z.B. Scorp. 10,14 (CChr.SL II, 1089,3-6): „Siquidem confessio a persecutione deducitur et persecutio in confessione finitur nec possunt non una sequi quae et aditum et exitum, id est initium finemque disponunt." 9 Neben dieser Verwendung von „confessio", die im profanen juristischen Gebrauch des Wortes wurzelt, findet sich bei Tertullian auch die biblisch fundierte Verwendung von „confessio/confiteri" im Sinne von „Glaubensinhalt/glauben", die zumeist in Auseinandersetzungen mit Häretikern auftaucht (vgl. z.B. Adv.Marc. 1,9,5; CChr.SL I, 450,17f; De praescr.haer. 40,9; CChr.SL I, 221,25f). Darüberhinaus verwendet er „confessio/confiteri" im Rahmen der Ausfuhrungen zur Buße im Sinne von „confessio delictum" als Erläuterung zu „exomologesis" (De paen. 9,2; CChr.SL I, 336,5-7). Zu diesem Gebrauch vgl. De paen. 8,9 (CChr.SL I, 336,34-36); De bapt. 20,1 (CChr.SL I, 294,2f); Adv.Marc. 11,25,3 (CChr.SL I, 504,15f) u.a. 10 Apol. 2,3 (CChr.SL I, 87,11); 2,10 (CChr.SL I, 89,50); 2,11 (CChr.SL I, 89,53f.56); vgl. Apol. 3,7 (CChr.SL I, 92,38): „professio nominis". Nach Hoppenbrouwers, Recherches, 42, handelt es sich bei „confessio nominis" um „une expression originale de Tertullien pour désigner l'aveu qu'on est chrétien", „nomen" bezeichnet hier die Eigenschaft des Christseins (vgl. Ad nat. 1,3,5; CChr.SL I, 13,37f; Apol. 2,19f CChr.SL I, 90,100-91,111; Apol. 3,3; CChr.SL I, 91,15f u.a.) und steht in Antithese zu den den Christen von den Heiden unterstellten „scelera": „non scelus aliquod in causa esse sed nomen" (Apol. 2,18; CChr.SL 1,90,97f). Der Ausdruck „confessio nominis" findet sich aber auch außerhalb des apologetischen Schrifttums: Vgl. z.B. Adv.Marc. I, 24,4 (CChr.SL I, 467,28).

" Apol. 2,11 (CChr.SL I, 89,54); Apol. 2,12 (CChr.SL I, 89,61); Apol. 2,19 (CChr.SL 1, 90,104); Ad nat. 1,2,2 (CChr.SL I, 12,12); Ad Scap. 4,2 (CChr.SL II, 1130,8) u.a. 12 Scorp. 12,5 (CChr.SL II, 1092,3f): „Quam dilectionem perfectam adfirmat (sc. Iohannes), nisi fugatricem timoris et animatricem confessionis?"; ebenso Scorp. 1,7 (CChr.SL II, 1070,21); 9,8 (CChr.SL II, 1085,16); 9,11 (CChr.SL II, 1086,8.10.14); 10,1 (CChr.SL II, 1087,1.6); 10,4 (CChr.SL II, 1087,25); 10,5 (CChr.SL Π, 1088,5); 10,8 (CChr.SL II, 1 0 8 8 , 2 6 f ) : 10,9 (CChr.SL II, 1088,6.8); 10,13 (CChr.SL II, 1089,3); 10,14 (CChr.SL II, 1089,3f.8f); 10,15 (CChr.SL II, 1089,9.10.11.12); 10,16 (CChr.SL II, 1089,14f; 1090,20); 10,17 (CChr.SL II, 1090,3); 11,2 (CChr.SL II, 1090,13); 15,6 (CChr.SL II, 1097,30); Adv.Val. 30,2 (CChr.SL II, 774,7); De fuga 7,1 (CChr.SL II, 1144,lOf); De fuga 9,1 (CChr.SL II, 1146,6) u.a. Eine Ergänzung zu „confiteri"

Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor"

113

des Begriffs „confessio" im Sinne des Bekenntnisses vor den Heiden hin.13 Dieses bildet in der Verfolgungssituation die eine Möglichkeit christlichen Verhaltens, die andere besteht in der Ableugnung (negatio). In diesem Sinne spricht Tertullian von der „persecutio" als „confessionis negationisue materia"14, als „Veranlassung zu Bekenntnis oder Verleugnung"; das Leiden unter der Verfolgung, die Überlieferung, das Verhör und die Folter endeten entweder in der „confessio" oder aber der „negatio".15 Während die Ableugnung die Erhaltung des physischen Lebens - allerdings nach Tertullian um den Preis des geistlichen Todes - bedeutete16, zog die standhafte Bewahrung des Bekenntnisses auch unter der Folter die Verurteilung zu Verbannung, Zwangsarbeit oder zum Tode nach sich. Entsprechend faßt Tertullian den Verlauf der Verfolgung zusammen: „... et perducimur ad potestates et interrogamur et torquemur et confitemur et trucidamur."17 Daß Tertullian im Zusammenhang einer „confessio" mit Selbstverständlichkeit an ein damit verknüpftes physisches Leiden - unter den Martern oder bei der Hinrichtung - denkt, belegt exemplarisch seine Formulierung „caro in confessione nominis desaevitur."18 Die für ihn untrennbare Verbindung von Bekenntnis und Leiden zeigt sich auch daran, daß Verweigerung des Bekenntnisses für ihn nichts anderes heißt, als vor Leiden und Tod zurückzuschrecken: „Nisi si vis confiteri,

findet sich z.B. in Scorp. 9,9 (CChr.SL II, 1085,17-1086,22): „Qui se Christianum confitetur, Christi se esse testatur, qui Christi est, in Christo sit necesse est. si in Christo est, in Christo utique confitetur, cum se Christianum confitetur... Porro in Christo confitendo Christum quoque confitetur...". Da es hier aber um den offensichtlich von den Valentinianern geleugneten (vgl. Scorp. 9,12; CChr.SL II, 1086,19-21), von Tertullian aber als untrennbar dargestellten Zusammenhang zwischen dem Bekenntnis zu dem eigenen Christsein und dem Bekenntnis zu Christus geht, ergibt sich die Notwendigkeit der Zufugungen hier aus dem Argumentationsziel. 13 Vgl. Hans Rheinfelder, Confiteri, Confessio, Confessor im Kirchenlatein und in den romanischen Sprachen, in: Die Sprache 1 (1949), 58; Hoppenbrouwers, Recherches, 34f. 14 Scorp. 10,9 (CChr.SL II, 1088,8f). 15 Scorp. 10,14 (CChr.SL II, 1089,6-9): „Porro et odium nominis hic erit et persecutio hic erumpit et traditio hic producit et interrogatio hic compellit et carnificina hic desaevit; at totum hunc ordinem in terris confessio vel negatio expungit." 16 Vgl. Scorp. 11,1 (CChr.SL II, 1090,6-8): „Qui pluris, inquit (sc. Christus), fecerit etiam animam suam quam me, non est me dignus, id est qui maluerit vivere me negando quam mori confitendo"; De fuga 3,1 (CChr.SL II, 1139,8f): „Si persecutionis vel maxime exitus aut vitam afferunt aut mortem ..." Der leibliche Tod in der Verfolgung zog hingegen den Gewinn des ewigen Lebens nach sich: „Perdet autem eam (sc. animam) ad praesens qui confessus occiditur, sed et inventurus eam in vitam aeternam." (Scorp. 11,2; CChr.SL II, 1090,12-14) 17 Scorp. 11,5 (CChr.SL II, 1091,9f). Auf das Bekenntnis als juristische Voraussetzung für die Verurteilung weist Tertullian in Ad Scap. 4,2 (CChr.SL II, 1130,8) hin. 18

Adv.Marc. I, 24,4 (CChr.SL I, 467,28); vgl. Apol. 2,19 (CChr.SL I, 90,104): „Ideo torquemur confitentes ...".

Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor"

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pati non vis."19 Leiden und zumeist wohl auch der Tod eines Christen erscheinen bei Tertullian also als selbstverständliche Konsequenzen einer standhaft bewahrten „confessio". Dabei werden der Tod bzw. die Tötung20 von ihm aber mehrfach noch gesondert als Folge und Ergebnis des Bekenntnisses erwähnt. So spricht er z.B. von der ,,confessio(..), quae in finem sustinendo passura est mortem".21 Diese Ergänzung weist daraufhin, daß der Gedanke an die Todesfolge bei den Begriffen „confessio/confiteri" zwar durchgängig im Hintergrund steht22, durch diese aber nicht schon unmittelbar mitausgesagt ist.23 Vor dem Hintergrund dieses Befundes zu den Begriffen „confessio/confiteri" ist die Frage nach dem Verständnis der möglicherweise von Tertullian selbst geprägten Bezeichnung „confessor"24 zu stellen. Die Mehrzahl der Belege für die-

19 De fuga 5,2 (CChr.SL II, 1141,13). Vgl. De fuga 7,1 (CChr.SL II, 1144,12f): „Si devito passionem, confundo confessionem." Nach Teeuwen, Bedeutungswandel, 45, sowie Janssen, Kultur, 147, bedeutet „passio/pati" sowohl in der Verwendung „passio Christi" als auch „passio martyrum" bei Tertullian immer Leiden bis zum Tod. An einigen Stellen zeigt sich aber, daß Tertullian auch Leiden ohne Todesfolge mit „pati/passio" bezeichnen kann. So stehen z.B. in einer Äußerung zu den drei Jünglingen im Feuerofen beide Bedeutungsvarianten unmittelbar nebeneinander: „O martyrium et sine passione perfectum! Satis passi, satis exusti s u n t . . . " (Scorp. 8,7; CChr.SL II, 1083,26f). Zu einem erweiterten Verständnis von „pati/passio" vgl. auch De paen. 10,4 (CChr.SL I, 337,15); De paen. 10,6 (CChr.SL I, 337,23). 20

Tertullian verwendet zur Bezeichnung des Todes infolge des Bekenntnisses sowohl die Begriffe „Tod/sterben": „mors/mori" (z.B. Scorp. 10,17; CChr.SL II, 1090,30f; Scorp. 11,1; CChr.SL II, 1090,8) als auch „Tötung/töten": „occisio/occidi" (z.B. Scorp. 11,2; CChr.SL II, 1090,13; Ad V.Marc. IV, 28,4; CChr.SL I, 622,110 21 Scorp. 10,17 (CChr.SL Π, 1090,30f). Vgl. Scorp. 11,1 (CChr.SL II, 1090,6-8): „Qui pluris, inquit (sc. Christus), fecerit etiam animam suam quam me, non est me dignus, id est qui maluerit vivere me negando, quam mori confîtendo"; Scorp. 11,2 (CChr.SL II, 1090,12f): „Perdet autem earn (se. animam) ad praesens qui confessus occiditur ..."; Adv.Marc. IV, 28,4 (CChr.SL I, 622,1 lf): „··· qui confïtebuntur autem in Christo coram hominibus occidi habebunt". 22

In diesem Sinne spricht Janssen, Kultur, 157, davon, daß „die Wörter confiteri und confessio ... sehr oft als ihr Komplement die Bilder von Leiden und Tod wach(riefen)". 23 Gegen Rheinfelder, Confiteri, 58, der „confiteri" bei Tertullian häufig die Bedeutung „den Märtyrertod sterben" zuschreiben will, ohne allerdings Belege für diese These zu bieten. Lediglich in Scorp. 10,8 (CChr.SL II, 1088,24f) beinhaltet der Terminus „confiten" schon direkt die Vorstellung des Martertodes. 24

So Teeuwen, Bedeutungswandel, 87: „Indem nun Tertullian Christi Worte ,qui confessus fuerit in me et ego confitebor in ilio' mit einem Substantiv wiedergibt: ,Christus .... confessurus confessores et negaturus negatores suos apud patrem' (Adv.Prax. 26; CChr.SL II, 1197,48f; De cor. 11,5; CChr.SL II, 1057,38-42), prägt er ein neues Wort confessor, das im christlichen Latein bis heute fortlebt...". Vgl. im Unterschied zu dieser Wiedergabeweise die Zitationsformen von Mt 10,32: „... qui confessus fuerit me, et ego confitebor ilium coram patre meo" (Adv.Marc. IV,28,4; CChr.SL I, 621,9-622,16; De fuga 7,1; CChr.SL Π, 1144,9f) oder „... qui in me confessus fuerit... et ego confitebor in ilio" (Scorp. 9,8; CChr.SL II, 1085,11-15; Scorp. 10,4; CChr.SL II, 1087,271088,29). Zu diesen Lesarten vgl. Teeuwen, Bedeutungswandel, 82, Anm. 1.

Terminologische Vorklärung: „confessio/confiteri/confessor"

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sen Terminus finden sich innerhalb der Zitation von Mt 10,32 oder dessen Auslegung25; an diesen Stellen steht der Gedanke an den Martertod klar im Hintergrund, mit „confessores" sind bereits für den Glauben gestorbene Christen gemeint.26 Ob diese Stellen aber als Belege dafür fungieren können, daß „confessor" bei Tertullian grundsätzlich nur auf schon gestorbene und nicht auf noch lebende Christen bezogen wird27, ist zumindest fraglich, da die Bedeutung des Terminus hier durch den Bibeltext vorgegeben ist. An den beiden Stellen, in denen Tertullian „confessor" unabhängig von Mt 10,32 aufgreift, wäre ein Verständnis im Sinne von „Christen, die bekannt haben und inhaftiert worden sind, denen aber der Martertod noch bevorsteht" denn auch durchaus möglich; die in Frage stehenden Belege aus „Scorpiace" und „De corona" sind allerdings in ihrer Deutung umstritten. Als Bezeichnung fur Inhaftierte könnte „confessor" in Scorp. 11 verwendet worden sein: „... et cum in carcere fratrem vult visitari (Christus), confessoris imperai curam."28 Da dieser Beleg aber textkritisch nicht eindeutig ist - statt „confessoris" könnte auch „confessuris" zu lesen sein - 2 9 , besteht nur die Möglichkeit, nach der Stimmigkeit eines solchen Gebrauchs im Verhältnis zu demjenigen von „confessio/confiteri" zu fragen. Da auch dort der Martertod zwar häufig mitgedacht ist, aber eben erst als Folge des davor erfolgenden Schrittes der „confessio", wäre eine Anwendung auf noch lebende Christen, die bereits bekannt haben und inhaftiert, aber noch nicht getötet worden sind, durchaus denkbar. Ebenso er-

25

Tertullian verwendet „confessor" insgesamt nur siebenmal, davon fünfmal in der Wiedergabe von Mt 10,32f und seiner Auslegung. 26 Adv.Marc. IV, 28,5 (CChr.SL I, 622, 17f.20.22-24): „Si enim confessorem confitebitur, ipse est, qui et negatorem negabit. Porro si confessor est, cui nihil timendum est post occisionem, negator erit, cui timendum est post mortem ... Si autem negator, et confessor, qui post occisionem nihil ab homine passurus est, a deo plane passurus, si negaret"; ebenso Adv.Prax. 26 (CChr.SL 11,1197,48f); De cor. 11,5 (CChr.SL II, 1057, 38-42). 27 So Teeuwen, Bedeutungswandel, 87-95: „Bei ihm (sc. Tertullian) schließt das ,ConfessorSein' den Martertod in sich." Zur gleichen Einschätzung gelangen Janssen, Kultur, 158-161, und im Anschluß an diese beiden Untersuchungen Hummel, Concept, 4, sowie Rheinfelder, Confiteri, 59. Dagegen definiert Hoppenbrouwers, Recherches, 40, den „confessor" als „... celuiqui, par opposition au martyre qui a succombé, attend l'accomplissement de son martyre", ohne diese Einschätzung aber zu diskutieren. 28 29

Scorp. 11,3 (CChr.SL II, 1090,19f)·

Zur Diskussion vgl. Teeuwen, Bedeutungswandel, 93f sowie Hoppenbrouwers, Recherches, 39 mit Anm. 8, der „confessoris" favorisiert. Teeuwen hingegen kann sein Votum für „confessuris" an dieser Stelle nur halten, wenn er von einer Deutung dieses Partizips im Sinne von „die den Martertod sterben werden" ausgeht, denn „bekannt" hatten die Inhaftierten ja schon. Auch wenn bei „confiteri" der Gedanke an den folgenden Martertod mitanklingt, wird er doch häufig gesondert erwähnt (vgl. Anm. 21); „confiteri" unter allen Umständen ist die Voraussetzung für den Martertod, nicht die Bezeichnung für diesen selbst.

Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

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scheint auch eine Deutung von „confessor" in De cor. 2 - „omnes ita observant a catechumenis usque ad confessores et martyres vel negatores"30 - auf noch Lebende möglich. Der Sinn dieses Satzes wäre in diesem Fall etwa so zu verstehen: „A"e Christen halten sich daran (d.h. an das Verbot des Kranztragens), vom Katechumenat bis sie in der Verfolgung entweder die Möglichkeit von Bekenntnis und Martyrium oder aber diejenige der Ableugnung ergreifen." Daß das Bekenntnis zumeist zum Tod fuhrt, scheint auch hier vorausgesetzt, aber es ist eben die Vorstufe dazu; insofern bezeichnet „confessores" noch nicht unbedingt Christen, die bereits hingerichtet wurden, wohl aber diejenigen, die die bestimmte Aussicht daraufhaben.31

4.1.2 „martyrium/martyr" Die Gesamtheit des Leidens und Sterbens eines Christen für den Glauben wird von Tertullian mit dem Begriff „martyrium" bezeichnet, wobei hier der Tod in der überwiegenden Zahl der Belege mitausgesagt ist und als konstitutiv für die Verwendung dieses Terminus erscheint.32 Lediglich an einer Stelle spricht Tertullian von einem „martyrium et sine passione perfectum"33, wobei „passio" hier wie auch sonst zumeist bei Tertullian „Leiden bis zum Tod" meint.34 Daß auch

30

De cor. 2,1 (CChr.SL II, 1041,2-4). Hippolyte Delehaye, Sanctus — Essai sur le Culte des Saints dans l'Antiquité, Brüssel 1927, 85, fuhrt De cor. 2 als Beleg für eine Tertullian bekannte Unterscheidung von „confessores" und „martyres" im Sinne von noch Lebenden bzw. bereits Getöten an; ähnlich Johann Ernst, Der Begriff vom Martyrium bei Cyprian, in: HJ 34 (1913), 348. In diesem Sinne sieht auch Ruggiero, De corona, 70, in den „confessores" diejenigen, die in der Verfolgung ihren Glauben bekannt hätten, aber „senza però subire, come conseguenza di ciò, il martiro". Dagegen geht Teeuwen, Bedeutungswandel, 90ff, davon aus, daß ein solcher Unterschied in die Texte Tertullians eingetragen werde, und dieser vielmehr bei beiden Begriffen den Blutzeugen im Blick habe. (Teeuwen, Bedeutungswandel, 91f; im Anschluß an ihn ebenso Janssen, Kultur, 159f). In eine entsprechende Richtung geht Hummel, Concept, 5, mit seiner Übersetzung „from the catechumenate till the day of their martyrdom"; „confessor" und „martyr" sind hier als Synonyme aufgefaßt. 31

32

Scorp. 12,1 (CChr.SL II, 1092,lOf); 12,10 (CChr.SL II, 1093,7), 12,11 (CChr.SL II, 1094,10); 13,1 (CChr.SL II, 1094,19); 15,3 (CChr.SL II, 1097,14); De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,39) u.a. Zu der Verwendung von „martyrium" und „martyria" bei Tertullian vgl. Hoppenbrouwers, Recherches, 15f; entgegen der Auffassung Teeuwens, Bedeutungswandel, 90, Anm. 1, bezeichnet der Plural nicht die Foltern, sondern ebenfalls den Glaubenstod (vgl. Scorp. 13,1; CChr.SL II, 1094,19). 33 Scorp. 8,7 (CChr.SL II, 1083,26). 34 Zu „passio" als „Leiden bis zum Tod" vgl. z.B. De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32f); De res.cam. 41,3 (CChr.SL II, 975,13); in bezug auf die Passion Christi De pud. 22,4 (CChr.SL II, 1328,23). „pati" im Sinne von „leiden bis zum Tod" findet sich z.B. in Scorp. 15,4 (CChr.SL II,

Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

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Leiden ohne Todesfolge in Ausnahmefallen als „martyrium" anerkannt werden kann, muß - wie hier im Fall der Jünglinge im Feuerofen - gesondert erwähnt werden." Nach einer Formulierung in „De corona" erscheint die Inhaftierung an sich erst als „candida martyrii".36 Unter der Voraussetzung, daß „candida" hier im Sinne von „Erwartung" bzw. „Anwartschaft" zu übersetzen ist37, drückt sich durch diese Formulierung aus, daß ein inhaftierter Christ, der auf seinen Tod wartet, noch in der Aussicht auf das eigentliche „martyrium" steht. In diesem Sinne schreibt Tertullian über Christen in Haft, die Folter erlitten haben, daß sie in Gestalt dieser Leiden einen „Vorgeschmack" auf das Martyrium bekommen hätten, nach diesem selbst aber noch verlangten.38 Nach seinem besonders strengen Verständnis von „martyrium" in „De pudicitia"39 könne erst unter dem Schwert des Henkers, am Kreuz oder am Pfahl vor dem sprungbereiten Löwen, wenn der Tod unmittelbar bevorstehe, fur den Christen tatsächlich von der „securitas et possessio martyrii" gesprochen werden.40 Dem Verständnis von „martyrium" als Leiden für den Glauben einschließlich Todesfolge entspricht die Verwendung des Terminus „martyr" für den Blutzeu-

1097,15.17f); Apol. 50,11 (CChr.SL I, 171,50); Apol. 50,12 (CChr.SL II, 171,54). Dieser Gebrauch von „passio/pati" ist zwar vorherrschend bei Tertullian, daneben zeigt sich aber auch eine allgemeinere Verwendung für „Leiden", ohne daß die Todesfolge miteingeschlossen ist. Zum Verständnis dieser Termini bei Tertullian vgl. weiter Hoppenbrouwers, Recherches, 49-53, sowie Anm. 19. 35 Drei Ausnahmen hiervon finden sich allerdings bei Tertullian. In Adv.Val. 4,1 (CChr.SL II, 755,27) berichtet er, daß Valentin bei der Bewerbung um das Bischofsamt ein Bekenner „ex martyrii praerogativa" vorgezogen worden sei; hier muß die Verwendung von „martyrium" auf Inhaftierung (und Folter) ohne Todesfolge beschränkt sein. Zu den weiteren, polemisch ausgerichteten Belegen für den Bezug von „martyrium" auf Leiden ohne Todesfolge vgl. Anm. 50f. 36

De cor. 1,3 (CChr.SL II, 1040,21). Bei Tertullian finden sich zwei verschiedene Verwendungen von „candida". Zum einen im Sinne von „exspectatio, spes" (De an. 58,2; CChr.SL II, 868,6; Scorp. 12,9; CChr.SL II, 1093,27; Adv.Marc. IV, 34,14; CChr.SL I, 638,26), zum anderen im Sinne von „auctoritas, dignitas" (Adv.Marc. IV,7,13; CChr.SL I, 556,12; Ad ux. 1,7, 4; CChr.SL I, 381,23). Nach ThLL III, 245, gehört der Gebrauch von „candida" in De cor. 1,3 in die zweite Kategorie. Dieses Verständnis ist aber keineswegs zwingend; die weitgehende Beschränkung von „martyrium" auf den tatsächlich erlittenen Martertod gerade auch in Tertullians späteren Schriften macht die erstgenannte Verwendung in diesem Kontext mindestens ebenso plausibel. In der Literatur überwiegen denn auch die Übersetzungen dieser Stelle im Sinne von „Anwartschaft": Vgl. Ruggiero, De corona, 5, der mit „aspirazione" übersetzt, sowie die weiteren Übersetzungsvorschläge in Kap. 3.1.2, Anm. 123. 37

38

Scorp. 1,11 (CChr.SL II, 1070,13-1071,1): „... alii fiistibus interim et ungulis insuper degustato martyrio in carcere esuriunt." Die oben gegebene Paraphrase beruht auf der Textvariante „degustata martyria". 39 Vgl. die Ausführungen zum Ende dieses Kapitels. 40 De pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,15f).

118

Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

gen, der den Martertod erlitten hat.41 Dieser Gebrauch zeigt sich auch dort, wo Tertullian den Begriff in nahezu titularer Verwendung42 aufgreift und von „Perpetua fortissima martyr"43 oder „Iustinus, philosophus et martyr" spricht.44 Der oben beschriebenen Auffassung der Haft als sicherer „Anwartschaft" auf das Martyrium entsprechend redet Tertullian in seiner Exhortationschrift „Ad martyras" inhaftierte Christen als „benedicti martyres designati"45 an. Wie ein Amtsbewerber für einen Posten bereits sicher bestimmt ist (designatus), ihn aber noch nicht angetreten hat, so befinden sich auch die inhaftierten Christen in der sicheren Aussicht auf das Martyrium, haben es aber zum Zeitpunkt der Abfassung des Traktates noch nicht erlitten. Erscheint in den bislang erwähnten Belegstellen der Gebrauch von „martyr" ebenso wie der von „martyrium" auf den Glaubenstod bzw. auf die bereits für den Glauben gestorbenen Christinnen und Christen beschränkt, zeigt bereits der Traktattitel „Ad martyras", daß Tertullian mit „martyr" aber auch noch lebende Christen bezeichnen kann. Für diese breitere Verwendung dieses Terminus gibt es bei ihm neben dem genannten Titel noch einige weitere Belege. So fragt er in „Ad uxorem II": „Quis in carcerem ad osculanda vincula martyris reptare (sc. mulleres) patietur?"46 Den Versuch mancher Christen, sich sogenannte Märtyrerfriedensbriefe zur Sündenvergebung zu verschaffen, beschreibt er in „Ad martyras" wie folgt: „Quam pacem quidam in ecclesia non habentes a martyribiis in carcere exorare consueverunt."47 In „De praescriptione haereticorum" stellt Tertullian die

41

Scorp. 6,10 (CChr.SL II, 1080,13f): „Proprie enim martyribus nihil iam reputari potest, quibus in lavacro ipsa vita deponitur"; Scorp. 1,5 (CChr.SL II, 1070,14); Scorp. 7,2 (CChr.SL II, 1081,6); Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,23.25); De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32f) u.a. 42

Vgl. Hoppenbrouwers, Recherches, 13.

43

De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32). 44 Adv.Val. 5,1 (CChr.SL II, 756,11). Zur titularen Verwendung von „martyr" vgl. auch De fuga 5,3 (CChr.SL II, 1142,25): „Rutilius sanctissimus martyr"; Scorp. 12,6 (CChr.SL II, 1093,12f): „... de Antipa, fedelissimo martyre ..." 45 Ad mart. 1,1 (CChr.SL I, 3,2). Aus der Selbstverständlichkeit, mit der Tertullian bereits in einer seiner ersten Schriften (zur Datierung von „Ad martyras" vgl. Kap. 2, Anm. 12) den Begriff „martyr" aufgreift, schließt Hoppenbrouwers, Recherches, 10, daß er schon vorher im christlichen Latein gebräuchlich war: „C'est (sc. le mot „martyr") une des plus anciens emprunts du grec...". 46 Ad ux. II, 4,2 (CChr.SL I, 389,14f). 47 Ad mart. 1,6 (CChr.SL I, 3,25-27). Nach Ernst, Begriff, 348, begründete bloße Inhaftierung in der afrikanischen Kirche zu Tertullians Zeit noch nicht die Zuerkennung des Titels „martyr". Er verweist für diese These auf Adv.Prax. 1,4 (CChr.SL II, 1159,22f): „(Praxeas) ... de iactatione martyrii inflatus ob solum et simplex et breve carceris taedium." Aus dieser im Zusammenhang der grundsätzlichen Polemik Tertullians gegenüber dem Monarchianer Praxeas zu sehenden Äußerung entnehmen zu wollen, daß es für die Zuerkennung des „martyr"-Titels an lebende Christen feste Kriterien (z.B. Inhaftierung und Folterung) gab, erscheint aber zumindest problematisch. Durch

Terminologische Vorklârung: „martyrium/martyr"

119

Frage: „Quid ergo si episcopus, si diaconus, si vidua, si virgo, si doctor, si etiam martyr lapsus a regula fuerit? Ideo haereses veritatem videbuntur obtinere?"48 In diesen, aus Tertullians katholischer Zeit stammenden Belegen scheint ein Brauch der Großkirche, schon die noch lebenden Christen, die ihren Glauben bekannt haben und dafür inhaftiert und möglicherweise auch gefoltert worden sind, mit dem Begriff „martyr" zu bezeichnen49, in selbstverständlicher Weise aufgenom-

keine der anderen Stellen, an denen Tertullian den Begriff „martyr" auf noch Lebende anwendet (Ad ux. II, 4,2; Ad mart. 1,6; De praescr.haer. 3,5; vgl. zu dieser Stelle Anm. 48) läßt sich die Existenz eines solchen klaren Kriteriums verifizieren, da diese Stellen keine Auskunft über den bisherigen Leidensweg der jeweiligen „martyres" geben. Ernst, Begriff, 348, geht entsprechend dem von ihm postulierten Kriterium fur die Anwendung des Begriffs „martyr" auch davon aus, daß „die wegen ihres Glaubens bloß im Gefängnis gehaltenen Christen ... höchstens als „martyres designati" bezeichnet werden (konnten)"; ähnlich Delehaye, Sanctus, 85. Als grundsätzliches Kriterium läßt sich dies aber eben nicht belegen, denn dann müßte gezeigt werden können, daß die „martyres" in Ad ux. II, 4,2; De praescr.haer. 3,5 und Ad mart. 1,6 über die Inhaftierung hinaus auch Folter erlitten haben - was aber nicht möglich ist. 48 De praescr.haer. 3,5 (CChr.SL I, 188,12-14). Die Deutung des Begriffs „martyr" in diesem Zusammenhang ist allerdings problematisch: Ob Tertullian mit dem Terminus hier an einen noch in Haft befindlichen Christen oder einen wieder in die Gemeinde zurückgekehrten denkt, ergibt sich aus dem Zusammenhang nicht eindeutig. Versteht man die Reihung „episcopus, diaconus, vidua, virgo, doctor, martyr" als Auflistung gemeindlicher Funktionen oder „Stände", erscheint es naheliegend, daß „martyr" hier einen wieder in der Gemeinde lebenden Christen bezeichnet; so Janssen, Kultur, 144. Im Gegensatz dazu geht Hoppenbrouwers, Recherches, 12, davon aus, daß der hier genannte „martyr" durchaus noch inhaftiert sein könne, da es Tertullian hier nicht um verschiedene Funktionen innerhalb der Gemeinde gehe. Vielmehr wolle er illustrieren, daß sogar der Abfall von Personen zur Häresie, die solche Gnade empfangen hätten wie die Bischöfe, Diakonen, Witwen, Jungfrauen, Lehrer und Märtyrer, dieser nicht den Anschein von Wahrheit verleihen möge. Entsprechend paraphrasiert er „martyr": „... oui, meme celui qui a reçu de Dieu tant de graces, qui est si proche de la „gloire", le martyr qui dans la prison attend l'exécution, meme lui peut devenir infidèle." 49 Vgl. z.B. den Brief der Lyoner Märtyrer (Eus., HE V,2,4): Die inhaftierten Christinnen und Christen verwahren sich gegen die ihnen von außen dem Herkommen gemäß beigelegte Bezeichnung „martyres". Auch bei Cyprian finden sich Belege für eine Bezeichnung noch lebender Christen als „martyres", wobei diese entweder inhaftiert (z.B. ep. 15,1,1; CChr.SL III B, 85,4f; ep. 37,4,2; CChr.SL III B, 181,86; ep. 76; CChr.SL III C, 605,6) oder wieder freigelassen sind (ep. 38,2,2; CChr.SL III B, 185,44). Die Kriterien für die Verwendung des Begriffs „martyr" fur noch lebende Christen bei Cyprian und damit die Frage der Abgrenzung gegenüber dem von ihm weit häufiger als von Tertullian gebrauchten Terminus „confessor" sind allerdings sehr umstritten. Zumeist ist auf das Erleiden von Folter als Unterscheidungsmerkmal hingewiesen worden (vgl. z.B. Ernst, Begriff, 331 f; Hummel, Concept, 14f; Hellmanns, Wertschätzung, 2). Diese Differenzierung läßt sich allerdings nicht durchgängig verifizieren. Neben einer Zuerkennnung des Begriffs „martyr" auf Grund des Kriteriums der „tormenta, quae martyras consecrant" kennt Cyprian u.a. auch seine Verwendung als Ausdruck der Bewunderung für die Angeredeten, die auf diese Weise als „martyres honoraire" (Pierre de Labriolle, Martyr et Confesseur, in: BALAC 1 ( 1911 ), 52) geehrt werden. Nach Hoppenbrouwers, Recherches, 102, wird ihr zukünftiger „Status" durch diesen Gebrauch antizipiert. Prinzipiell zu dem Brauch der Großkirche, auch noch lebende Christen als „martyres" zu bezeichnen, vgl. auch Peter Corssen, Begriff und Wesen des Märtyrers in der Alten Kirche, in: NJKA 35 (1915), 486f.

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Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

men. Zumindest in „Ad martyras" steht bei dieser Verwendung allerdings die sichere Aussicht der Angesprochenen auf den Glaubenstod im Hintergrund. Im Gegensatz zu diesem Sprachgebrauch findet sich die Verwendung des Terminus „martyr" fur noch lebende Christen in Tertullians montanistischen Schriften ausschließlich in polemischen Zusammenhängen, und zwar mit der Zielrichtung gegen Inhaftierte, die sich bereits als „Märtyrer" verstehen oder als solche bezeichnet und anerkannt werden. So nennt er in „De ieiunio" einen inhaftierten Katholiken, dem er mangelnde Standhafiigkeit nachsagt, „martyr"50, in „De pudicitia" bezieht er den Terminus auf katholische Christen im Gefängnis sowie in den Bergwerken5', deren Streben nach Teilhabe an der Sündenvergebungsvollmacht von ihrer Hybris Zeugnis ablege. Tertullian greift hier den erwähnten Brauch der Großkirche, schon Inhaftierte als „martyres" zu bezeichnen, auf, um ihn in ironischer Weise gegen die erwähnten Personen zu richten: Durch die für den Montanisten eindeutig in unberechtigter Weise zugesprochene Titulatur52 werden die Unzulänglichkeit bzw. die Hybris der genannten katholischen Inhaftierten noch deutlicher herausgestrichen; die Versorgung der Inhaftierten, gegen die Tertullian sich in dem genannten Zusammenhang in „De ieiunio" wendet, wird ebenso diskreditiert, wie die Übertragung einer Sündenvergebungsvollmacht an in Haft befindliche Christen. Ein vergleichbarer ironisch-polemischer Gebrauch zeigt sich auch in bezug auf den Begriff „martyrium", den Tertullian zweimal aufgreift, um ein in seinen Augen nicht als „Martyrium" anzuerkennendes Leiden zu diskreditieren. Neben einem Beleg in dem bereits erwähnten Zusammenhang in „De pudicitia"53 ist für 50

De ieiun. 12,3 (CChr.SL II, 1271,30). Tertullian geht es in diesem Kontext um die seiner Auffassung nach zu verwerfende Praxis, die Gefangenen zusätzlich mit Nahrungsmitteln zu versorgen (zu dieser Frage vgl. ausführlich Kap. 5.2.1). Katholische Inhaftierte, die auf diese Weise durch - wie er es ironisch nennt - „Garküchen" (popinae) in den Gefangnissen versorgt wurden, bezeichnet er als „martyres incerti" (De ieiun. 12,3; CChr.SL II, 1271,28). 51 De pud. 22,1.6.8 (CChr.SL II, 1328,1; 1329,30.41). 52 Neben der Äußerung in De pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,11-13; Zitat vgl. Anm. 56), der zufolge noch Lebende prinzipiell nicht „Märtyrer" sein können, wird dies auch daran deutlich, daß Tertullian den angesprochenen Katholiken gegenüber betont von „martyres tuf (De pud. 22,1; CChr.SL II; 1328,1) bzw. „vester martyr" (De ieiun. 12,3; CChr.SL II, 1271,30) spricht. Nach Claudio Micaelli, La Pudicité. Tome 1: Introduction (SCh N° 394), Paris 1993, 94, werden mit diesen Formulierungen nicht nur die katholischen von den montanistischen Märtyrern abgehoben, sondern auch die wahren von den falschen „Märtyrern": „martyres tui peut donc signifier ,ceux que tu considères comme martyrs', meme s'ils ne méritent pas ce nom." 53 In De pud. 22,2 (CChr.SL II, 1328, lOf) bezieht er „martyrium" auf Haft und Leiden ohne Todesfolge: In bezug auf katholische Christen, die sich als Inhaftierte die Sündenvergebungsvollmacht anmaßen, spricht er von den (in der Haft begangenen) „delicta post martyrium nova"; zur Tilgung dieser Sünden wäre jetzt ein „aliud martyrium", d.h. ein richtiges Martyrium, notwendig.

Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

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diese Tendenz vor allem Tertullians Polemik gegenüber dem Monarchianer Praxeas anzuführen. Dieser sei aus Prahlerei über sein „martyrium" aufgebläht, dabei habe es sich lediglich um eine gewöhnliche und kurze Inhaftierung gehandelt.54 Gegenüber dieser ironischen Anwendung von „martyr" und „martyrium" auf noch Lebende hat Tertullian in einem montanistischen Traktat unmißverständlich herausgestellt, daß „martyres" im eigentlichen Sinn ausschließlich diejenigen sein könnten, die bereits für den Glauben gestorben seien: „Quis martyr saeculi incola, denariis supplex, medico obnoxius et feneratori?"55 Konkret geht es ihm hier um eine eindeutige Abweisung der Ansprüche katholischer Inhaftierter auf Teilhabe an der Sündenvergebungsvollmacht: Wer noch in der Welt lebe und also immer auch schuldbeladen sei", könne nicht „martyr" sein und also auch keine Vollmacht zur Sündenvergebung für sich reklamieren." Insgesamt spiegeln die von Tertullian zur Beschreibung christlichen Leidens unter der Verfolgung verwendeten Begriffe deutlich eine Rechtssituation wider, in der ein Bekenntnis vor den heidnischen Magistraten in den meisten Fällen die Verurteilung zum Tode nach sich zog. Die Vollstreckung dieses Urteils bildete dabei die Regel, eine Entlassung aus der Haft die Ausnahme.58 Entsprechend steht bei ihm bei dem Gebrauch aller genannten Termini grundsätzlich der Gedanke an physisches Leiden und Tod im Hintergrund, wenn letzterer auch v.a. bei der Verwendung von „confessio" an manchen Stellen noch zusätzlich erwähnt wird. Weder zeigt sich bei ihm eine wirklich eindeutige Grenzziehung zwischen „confessores" und „martyres" noch auch die Vorstellung einer „confessio", die nicht letztlich Leiden und Tod bedeutet. Ebensowenig deutet sich bei ihm der Gedanke einer in einer anderen Gestalt als in dem Bekenntnis vor den Heiden abgelegten „confessio" an. In diesem Punkt, in dem er sich signifikant von seinem „Nachfol-

54

Adv.Prax. 1,4 (CChr.SL Π, 1159,22f): „(Praxeas)... de iactatione martyrii inflatus ob solum et simplex et breve carceris taedium." 55

De pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,11-13).

56

Vgl. D e pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,11): „Quis enim in terris et in carne sine culpa?"

57

Zu Tertullians Argumentation in De pud. 22 vgl. ausfuhrlich Kap. 5.2.2.

58

Dies zeigt sich auch daran, daß sich in Tertullians Schriften keine Hinweise auf den Umgang mit entlassenen Bekennen) finden, z.B. in bezug auf ihre nachmalige Versorgung oder auf ein etwaiges Anrecht, dem Klerus beigesellt zu werden. In diesem Punkt zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu Cyprian, der in der Verfolgung unter Decius mit der Situation konfrontiert wurde, daß erstmals eine Vielzahl von inhaftierten Christen wieder entlassen wurde, und der entsprechend mehrfach auf die Fragen des gemeindlichen Umgangs mit diesen Bekennern zu sprechen kommt (vgl. z.B. ep. 13,7; CChr.SL III B, 78,103f; ep. 14,2,1 f; CChr.SL III B, 80,23-81,36; ep. 29; CChr.SL III B, 137f; ep. 38; CChr.SL III B, 183-185; ep. 39; CChr.SL III B, 186-192).

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Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

ger" Cyprian unterscheidet, für den auch die Flucht in der Verfolgung eine Form der „confessio" darstellt" ebenso wie verschiedene andere Aspekte christlicher Sittlichkeit60, zeichnet sich deutlich seine Konzentration auf die Bereitschaft zu dem öffentlichen Bekenntnis mit den Konsequenzen Verurteilung und Martertod ab; an keiner Stelle wird ein anderes Verhalten in der Verfolgung oder auch außerhalb einer unmittelbaren Verfolgungssituation diesem Bekenntnis terminologisch angeglichen und auf diesem Wege mit einer entsprechenden Wertung versehen.61 Bereits der Blick auf seinen Sprachgebrauch deutet so an, daß sich bei Tertullian noch kein Ansatz zu einer „Ethisierung" der Bekenntnisvorstellung findet. Auch die Begriffe „martyr" und „martyrium" beziehen sich durchgängig auf das konkrete Leiden unter der Verfolgung, wobei für ihre Verwendung zumeist der Glaubenstod konstitutiv ist. Wo Tertullian diese Begriffe auf inhaftierte Christen anwendet, ist wohl zumindest von einer sicheren Aussicht auf letzteren auszugehen. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die aus seiner montanistischen Zeit stammenden Belege fur eine ironisch-polemische Aufnahme dieser Termini, denen er deutlich die nach seiner Auffassung bestehende Beschränkung des Begriffs „martyr" auf bereits für den Glauben Gestorbene gegenüberstellt. Auch in dieser Begrenzung unterscheidet Tertullian sich deutlich von Cyprian, bei dem sich eine sehr flexible Verwendung dieses Begriffs feststellen läßt. So werden neben den auf unterschiedliche Weise für den Glauben Gestorbenen auch inhaftierte oder bereits wieder in die Gemeinde zurückgekehrte Christen als

59 Vgl. De laps. 3 (CChr.SL III, 222,53f): „Ma publica, haec (sc. foga) privata confessio est ...". Tertullian hat demgegenüber zumindest in „De fuga in persecutione" in einer ironischen Frage deutlich den Gegensatz zwischen Bekenntnis und Flucht herausgestellt: „Quomodo confitebitur lugiens?" (De fuga 7,1; CChr.SL Π, 1144,10) Neben Differenzen in der theologischen Begründung des Martyriums (vgl. hierzu Kap. 4.3.1 und Kap. 6) ist für diesen Unterschied in der Bewertung der Flucht aber auch die veränderte rechtliche Situation zur Zeit der Verfolgung unter Decius zu veranschlagen: Als ein Bekenntnisakt ist die Flucht fur Cyprian deshalb zu verstehen, weil jeder, der die zum Opfern gesetzte Frist versäumte, sich als Christ bekannte - unabhängig davon, ob er in der Gemeinde blieb oder aber sie verließ und floh: „Cum dies negantibus praestitutus excessit, quisque professus intra diem non est, christianum se esse confessus est." (De laps. 3; CChr.SL III, 222, 49f) 60 So kann z.B. die Bewahrung der kirchlichen Einheit als „alia confessio" bezeichnet werden (ep. 54,1,2; CChr.SL III B, 252,9f), die Beschränkung des Redens auf Friedfertiges, Gutes und Gerechtes erscheint als Weg des „täglichen Bekennens Christi": „Nam qui pacifica et bona et iusta secundum praeceptum Christi loquitur Christum cotidie confitetur." (ep. 13,5,2; CChr.SL III B, 77,87f) 61

Gegen Malone, Monk, 30, der Tertullians Formulierung von einem „actus quotidianae confessionis" in Scorp. 9,9 (CChr.SL II, 1086,26) als Beleg fur ein bereits bei Tertullian vorliegendes Konzept eines „spirituellen Martyriums" anfuhrt. Diese Stelle bezieht sich aber nicht auf ein durch andere Formen christlicher Sittlichkeit alltäglich abzuleistendes Bekenntnis, sondern auf den täglich vorkommenden Akt des öffentlichen Bekenntnisses des Christseins vor den Magistraten.

Terminologische Vorklärung: „martyrium/martyr"

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„martyres" bezeichnet62, wobei dieser Sprachgebrauch zum Teil in der Aussicht auf den nahen Tod begründet ist, zum Teil aber auch als Ausdruck der Bewunderung für die Angeredeten zu verstehen ist, die auf diese Weise als „martyres honoraire"" geehrt werden. Wenn die Gelegenheit zum Erleiden des Glaubenstodes nicht gegeben sei, dann werde nach Cyprian sogar derjenige, dessen Glaube unverletzt geblieben sei, von Christus „inter martyras honoratur".64 In vorsichtiger Weise zeigt sich hier also eine beginnende Auflösung der unmittelbaren Verknüpfung zwischen dem Begriff „martyr" und dem Erleiden des Glaubenstodes. Tertullians Gebrauch der wesentlichen martyrologischen Termini weist demgegenüber in der Tendenz daraufhin, daß seine Martyriumstheologie wesentlich auf das tatsächliche Erleiden des Todes ausgerichtet ist. Ihren deutlichsten Ausdruck findet diese Konzentration auf das realiter erlittene Martyrium in der Antwort Tertullians auf die von seinen gnostischen Gegnern in „Scorpiace"65 übernommene Frage, ob Gott denn tatsächlich das Blut des Menschen, d.h. seinen Martertod66, fordere: „Sanguinem hominis deus concupiscit?"67 Diese Frage wird von ihm unter Hinweis auf das von den Menschen gewünschte Heil, fur das als Ausgleich das Martyrium zu erleiden sei, bejaht68, wodurch er eine für die Christen bestehende Notwendigkeit des physischen Leidens postuliert. Diese an seinem Sprachgebrauch sich abzeichnende Tendenz der Martyrologie Tertullians soll im folgenden an Hand der verschiedenen von ihm zur theologischen Deutung des Martyriums herangezogenen Motive, seiner Begründung, seiner Verheißung und seinem Stellenwert innerhalb der Ethik überprüft und detailliert dargestellt werden.

62

ep. 15 (CChr.SL III B, 85,2); ep. 16,1,1 (CChr.SL III B, 90,6); ep. 20,2,2 (CChr.SL III B,

108,27f); ep. 38,2,2 (CChr.SL III B, 185,44) u.a. 63

Labriolle, Martyr, 52.

64

Ad Fort. 12 (CChr.SL III, 213,46).

65

Zu den Gegnern Tertullians in „Scorpiace" und ihrer Argumentation vgl. Kap. 4.2.1, Anm.

66

„sanguis" wird von Tertullian häufig als bildlicher Ausdruck für „Martyrium" verwendet

79. (z.B. Apol. 50,13; CChr.SL I, 171,61; Scorp. 12,9; CChr.SL II, 1093,24f; De cor. 1,3; CChr.SL II, 1040, 18). Zu diesem Sprachgebrauch vgl. Pier Angelo Gramaglia, Le Semantiche del Sangue in Tertulliano, in: Sangue e antropologia nella letteratura cristiana, Rom 1983, 956-962. 67

Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1081,19). In Scorp. 1,8 (CChr.SL Π, 1070,26f) greift Tertullian die

entsprechende Frage seiner Gegner auf: „An deus hominum sanguinem flagitat, maxime si taurorum et hircorum récusât?" 68

Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1081,20-23): „et tarnen ausìm dicere, sit et homo regnum dei, si et

homo certam salutem, sit et homo secundam regenerationem. Nulla conpensatio invidiosa est in qua aut gratiae aut iniuriae communis est ratio."

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

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4.2 Die Begründung des Martyriums

4.2.1 Das Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht gegenüber dem Willen Gottes Tertullian hat die Christinnen und Christen als ein „expeditum morti genus", ein „zum Tod bereites Geschlecht", bezeichnet69, und mehrfach die Notwendigkeit der Bereitschaft zu Leiden und Tod um des Glaubens willen herausgestellt.70 Bereits am Anfang seines literarischen Wirkens widmet er sich diesem Ziel in „Ad martyras", das zum einen auf Konsolation der Inhaftierten, zum anderen aber auch auf Exhortation, d.h. auf die Entschärfung der Bereitschaft zum Martyrium ausgerichtet ist." Gegen die bei den Adressaten vermutete Angst vor Folter und dem Martertod in seinen verschiedenen Ausprägungen72 verweist er auf eine Reihe heidnischer „exempla", die belegen sollen, das schon viele Menschen lediglich um eines irdischen Ruhmes willen vergleichbare Leiden auf sich genommen hätten.73 In einem rhetorischen Schluß a minori ad maius folgert Tertullian aus dieser Beispielreihe: Wenn die Heiden so viel für den irdischen Ruhm litten, um wieviel mehr müßten dann die Christen bereit sein, Entsprechendes für den göttlichen

69

De spect. 1,4 (CChr.SL I, 227,18).

70

Neben den im folgenden aufgeführten Stellen aus „Ad martyras" sowie aus „Scorpiace" und „De fuga in persecutione", die wesentlich der Einschärfung der notwendigen Leidensbereitschaft gewidmet sind, vgl. u.a. De cult.fem. II, 13,5 (CChr.SL I, 370,27f), w o Tertullian die Absage an jeglichen Schmuck der Frauen mit der steten Leidensbereitschaft begründet: „Quare, benedictae, meditemur duriora, et non sentiemus; relinquamus laetiora, et non desiderabimus; stemus expeditae ad omnem vim, nihil habentes quod relinquere timeamus." 71

Zu der Frage des literarischen Charakters von „Ad martyras" vgl. Kap. 3.5, Anm. 269.

72

Ad mart. 4,2 (CChr.SL I, 6,17-20): „Timebit forsitan caro gladium gravem, et crucem excelsam, et rabiem bestiarum, et summam ignium poenam, et omne camificis ingenium in tormentis." 73 Tertullian nennt Lukretia, Mucius Scaevola, Heraklit, Empedokles, Peregrinus, Dido, die Gattin des Hasdrubal, Regulus, Kleopatra, die „meretrix Atheniensis" und die „adolescentes" von Sparta (Ad mart. 4,4-7; CChr.SL, 6,24-11). Die Gliederung erfolgt nach in den in Ad mart. 4,2 (CChr.SL I, 6,17-20) aufgezählten Todesarten (gladius, crux, bestiae, ignis sowie zuletzt allgemein die tormenta), für die jeweils einzelne Beispiele angeführt werden. Zu den hinter diesen Beispielen stehenden Traditionen sowie ihrer weiteren Aufnahme bei Tertullian (vgl. bes. Ad nat. I, 18,3-5; CChr.SL I, 37,25-32; Apol. 50,5-9; CChr.SL I, 170,21-41) vgl. Pétré, L'Exemplum, 73-80.

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

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Lohn zu erleiden.14 Damit sind die „martyres designati"75 nichts anderes gefragt als, ob ihnen „ihr Glaube ebensoviel wert sei wie anderen ihr Ruhm und ihre Ehre".76 Nach Tertullians Argumentation hat Gott Beispiele freiwilligen Leidens zu dem Zweck in der Welt zugelassen, um die Christen einerseits zu ermuntern, andererseits aber auch am Gerichtstag zu beschämen, wenn sie nicht um der Wahrheit willen das leiden wollten, was andere sogar aus Eitelkeit ertrügen.77 Die hier deutlich werdende, selbstverständlich vorausgesetzte Notwendigkeit einer christlichen Leidens- und Todesbereitschaft wird von ihm theologisch mit dem in der Taufe eingegangenen Gehorsamsverhältnis gegenüber Gott begründet, das den inneren Grund fur die Pflicht zur Martyriumsbereitschaft darstellt: „Vocati sumus ad militiam Dei vivi iam tunc, cum in sacramenti verba respondemus." 78 Während Tertullian aber in „Ad martyras" diese Begründung nicht weiter ausführt, sind zwei seiner späteren Traktate ausschließlich der Darstellung von Leidensbereitschaft und Martyrium als Akten des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes und als konstitutiv fur das durch die Gehorsamsforderung bestimmte Verhältnis der Christen zu Gott gewidmet: Sowohl „Scorpiace" als auch „De fuga in persecutione" stellen das Martyrium als dem Willen Gottes entsprechend und seinem Befehl entspringend dar. Diese Begründung bildet die Voraussetzung für die von Tertullian in den genannten Traktaten intendierte Einschärfung der Notwendigkeit des Leidens und der absoluten Pflicht zur Martyriumsbereitschaft. In „Scorpiace" richtet sich diese Einschärfung der Pflichtmäßigkeit des Martyriums gegen die Argumentation gnostischer Gruppierungen, die zum einen die Notwendigkeit eines Bekenntnisses vor irdischen Autoritäten negierten und zum anderen den Martertod als im Widerspruch zu dem Heilswillen Gottes stehend und als Infragestellung der einmaligen soteriologischen Bedeutung des Todes Christi betrachteten.79 Die Ausführungen des Traktates sollen demgegenüber als

74 Tertullian drückt dies mit einem Bild aus: „Si tanti vitreum, quanti verum margaritum? Quis ergo non libentissime tantum pro vero habet erogare, quantum alii pro falso?" (Ad mart. 4,9; CChr.SL I, 7,22-24) 75

Ad mart. 1,1 (CChr.SL I, 3,2). Zum Verständnis dieser Bezeichnung vgl. Kap. 4.1.2.

76

Butterweck, Martyriumssucht, 163.

77

Ad mart. 5,2 (CChr.SL I, 7,32-36).

78 Ad mart. 3,1 (CChr.SL I,5,12f). Eine ähnliche Aussage findet sich auch in Ad Scap. 1,1 (CChr.SL II, 1127,3-5). 79

Diese Hauptargumente der Gnostiker, unter denen Tertullian mit Namen Valentinus (Scorp. 15,6; CChr.SL II, 1097,29) bzw. die Valentinianer (Scorp. 1,5; CChr.SL II, 1069,8) sowie Prodikus (Scorp. 15,6; CChr.SL II, 1097,29) nennt, werden von ihm in Scorp. l , 7 f (CChr.SL II, 1070,18-25) zitiert: „Dehinc adigunt (sc. Gnostici): perire homines sine causa. Perire enim, et sine causa, prima fixura. Exinde iam caedunt: sed nesciunt simplices animae, quid quomodo scriptum sit, ubi et quando et coram quibus confitendum, nisi quod nec simplicitas ista sed vanitas, immo dementia pro

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Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

ein Gegenmittel, ein „Antidot", gegen die mit dem giftigen Biß des Skorpions

deo mori, ut qui me salvum faciat. Sic is occidet, qui salvum facere debebit? Semel Christus pro nobis obiit, semel occisus est, ne occideremur." Zur Rahmung des gesamten Traktates findet sich eine kurze Zusammenfassung der gnostischen Thesen auch in dem abschließenden Kapitel (Scorp. 15,6; CChr.SL II, 1097,28-32). Differenziert zu beantworten ist die Frage, inwieweit die von Tertullian referierte Haltung zum Martyrium den tatsächlich in gnostischen Gruppierungen vertretenen Anschauungen entspricht. Zum einen zeigt sich innerhalb des Gnostizismus durchaus eine Ablehnung des blutigen Martyriums oder zumindest einer einseitigen Überbewertung des Martyriums: So polemisiert z.B. das gnostische „Testimonium veritatis" gegen das Martyrium: „Wenn sie (sc. die Kirchenchristen) aber ihr (Leben voller) Leidenschaft zu Ende bringen, so ist dies der Gedanke, den sie bei sich haben: Wenn wir uns um des Namens willen dem Tod ausliefern, werden wir gerettet werden. Aber so verhält es sich nicht." (Test.ver. 34,1-7) Nach Klaus Koschorke, Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum. Unter besonderer Berücksichtigung der Nag-Hammadi-Traktate „Apokalypse des Petrus" (NHC VII,3) und „Testimonium veritatis" (NHC IX,3), Leiden 1978, 129ff, richtet sich die Polemik dieses Traktates aber nicht grundsätzlich gegen jedes Martyrium, sondern gegen ein freiwilliges Drängen zum Martyrium, das in der Großkirche zumeist nicht akzeptiert wurde; insofern könne man „eigentlich nur unter Einschränkung sagen, daß das von TestVer attackierte Martyriumsverständnis das der Amtskirche ist". (Koschorke, Polemik, 131) Grundsätzlich stellt die im „Testimonium veritatis" deutlich werdende gnostische Kritik dem nichtigen Wortzeugnis der Kirchenchristen das wahre Tatzeugnis der Gnostiker in Gestalt der Weltentsagung gegenüber, die allein Ausdruck richtiger Gotteserkenntnis sei. (Koschorke, Polemik, 132ff) Eine ähnlich ausgerichtete gnostische Polemik ergibt sich auch aus der Auseinandersetzung des Clemens von Alexandrien mit den Anschauungen Herakleons: Dieser habe zwar nicht das Wortbekenntnis völlig verworfen, daneben aber als eigentliches Bekenntnis dasjenige mit Werken und Taten herausgestellt. (Clem.Al., Strom. IV, 71,1-72,4) Zu der Haltung Herakleons zum Martyrium vgl. Buonaiuti, L'Antiscorpionico, 149f, Koschorke, Polemik, 133f sowie Dirk van Damme, Gott und die Märtyrer - Überlegungen zu Tertullian, Scorpiace, in: FrZPhTh 27 (1980), U l f . Der von Tertullian in Scorp. 7,1 (CChr.SL Π, 1081,24) referierte gnostische Vorwurf, ein Gott, der sich Martyrien gefalle lasse, sei ein „homicida", findet sich im Evangelium des Philippus § 50 (zitiert bei Koschorke, Polemik, 135). Innerhalb der altkirchlichen Ketzerpolemik überliefert auch Irenäus Kritik am Martyrium seitens der Gnostiker. Ein Zeugnis durch das Martyrium sei unnötig, das wahre Zeugnis für Christus bestehe in der Gnosis: „neque quidem necessarium esse ... tale martyrium: esse enim martyrium verum sententiam eorum" (Adv.haer. IV,33,9). Neben einer solchen Verwerfung des Martyriums bzw. seiner einseitigen Überbewertung im Martyriumsverständnis der Großkirche (zu dieser Differenzierung der gnostischen Kritik vgl. Koschorke, Polemik, 134f), die die Grundlage für die antihäretische Kategorie der „Martyriumsscheu" bildete (neben Tertullians „Scorpiace" vgl. zu der großkirchlichen Polemik noch Just., Apol. I, 26,7; Iren., Adv.haer. 111,18,4f und Tert., Adv.Val. 30; De praescr.haer. 36,5), zeigen sich innerhalb der gnostischen Gruppierungen aber auch andere Haltungen gegenüber dem Martyrium. So finden sich Belege für eine grundsätzliche Akzeptanz des Martyriums, die durchaus mit Kritik am großkirchlichen Martyriumsverständnis einhergehen kann (vgl. Campenhausen, Idee, 94.109f.l 13; Koschorke, Polemik, 134f; Clemens Schölten, Martyrium und Sophiamythos im Gnostizismus (JAC.E 14), Münster 1987, 117f), ebenso wie für ein Drängen nach dem Martyrium als einem Weg aus der Materie (Clem.Al., Strom. IV, 17,1 ). Martyrien unter Gnostikern bezeugen Eus., HE V,16,21 sowie nach Koschorke, Polemik, 135, auch einige koptische Originaltexte. Zur Unterschiedlichkeit der in gnostischen Schriften zutagetretenden Haltung zum Martyrium vgl. auch den Überblick bei Elaine Pageis, Versuchung durch Erkenntnis. Die gnostischen Evangelien, Frankfurt/Main 1981, 140-148.

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

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verglichene Propaganda dieser gnostischen Gruppen dienen80, die gerade in Zeiten heftiger Verfolgung auf Erfolg unter den Christen hofften. 8 ' Um die Argumentation der von ihm als „martyriorum refragatores"82 diskreditierten gegnerischen Gruppen83 zu entkräften, setzt Tertullian bei dem Erweis der Pflichtmäßigkeit und Notwendigkeit des Martyriums ein.84 Den Ausgangspunkt dieses Erweises bildet dabei für ihn die „auctoritas divina"85 als ausschließlichem Kriterium für die Notwendigkeit einer Sache ebenso wie für deren sittliche Güte.86 Daß die „gesetz-

80 Scorp. 1,12 (CChr.SL 11,1071,15-17): „Itaque tempus admonuit adversus nostrates bestiolas nostratem theriacam stilo temperare. Qui legeris, biberis"; vgl. Scorp. 15,7 (CChr.SL II, 1097,5-8). 81 Scorp. 1,5 (CChr.SL Π, 1069,7-1070,14): „Cum igitur fides aestuat et ecclesia exuritur de figura rubi, tunc Gnostici erumpunt, tunc Valentiniani proserpunt, tunc omnes martyriorum refragatores ebulliunt calentes et ipsi offendere, figere, occidere. Nam quod sciant multos simplices ac rudes tum infïrmos, plerosque vero in ventum et si placuerit Christianos, numquam magis adeundos sapiunt, quam cum aditus animae formido laxavit, praesertim cum aliqua iam atrocitas fidem martyrum coronavit." Bei Tertullians Behauptung, daß gerade die „simplices und rudes" schwach werden und der gnostischen Propaganda erliegen könnten, handelt es sich um einen Topos der Ketzerpolemik (vgl. z.B. Iren., Adv.haer. II, 14,8), der das Wirken der Gegner zusätzlich abwerten soll. Der Vorwurf, auf die „simplicitas et imperitia" ihrer Zuhörer zu spekulieren, wurde andererseits auch den Christen durch heidnische Gegner entgegengehalten (vgl. Porph., Contra Christ., fragm.5 = Hieron., Comm.in Joel. 2,28ff; CChr.SL LXXVI, 194,6660· Daß die gegenwärtige Situation der Christen durch Verfolgung gekennzeichnet ist, d.h. also eine besondere Gefahrdungssituation fur die Standfestigkeit insbesondere auch gegenüber der beschriebenen gegnerischen Propaganda darstellt, stellt Tertullian zum Ende von Scorp. 1 noch einmal explizit heraus (Scorp. 1,1 Of; CChr.SL II, 1070,10-1071,14). 82 Scorp. 1,5 (CChr.SL II, 1069,9); in Scorp. 1,13 (CChr.SL II, 1071,22) bezeichnet er die Gegner entsprechend als diejenigen, „qui martyriis refragantur". 83 In Adv.Val. 30,1 (CChr.SL Π, 774,22) bezeichnet er die Valentinianer in ähnlicher Weise als „martyrii eludentes necessitatem". 84 Scorp. 2,1 (CChr.SL II, 1071,3f): „Sed nondum de bono martyrii, nisi de debito primum, nec ante de utilitate eius, quam de necessitate discendum." Nach Butterweck, Martyriumssucht, 54, Anm. 347, zeigt dieser Satz Tertullians einleitend, daß die „Pflichtmäßigkeit des Martyriums (debitum, necessitas) über seinem ethischen Nutzen (bonum, utilitas)" stehe, „der nicht als selbständiges Argument, sondern nur als Folgeerscheinung gewertet werden darf'. 85 Scorp. 2,1 (CChr.SL Π, 1071,4-6): „Auctoritas divina praecedit, an tale quid voluerit atque mandaverit deus ...". 86 Scorp. 2,2 (CChr.SL II, 1071,8-10): „Et utique satis optimum praeiudicabitur quod probabitur a deo constitutum atque praeceptum." Zur unbedingten Vorordnung der „auctoritas Dei" als Kriterium für die Notwendigkeit einer Sache vor jeglichen menschlichen Nützlichkeitserwägungen vgl. De paen. 4,6 (CChr.SL I, 327,26-28): „... ad exhibitionem obsequii prior est maiestas divinae potestatis, prior est auctoritas imperantis quam utilitas servientis." Zum Verständnis der „auctoritas Dei" innerhalb der tertullianischen Ethik vgl. Ring, Auctoritas, 60f: Tertullian führe die unbedingte Pflicht zum Martyrium auf den Befehl, die „auctoritas", Gottes zurück. Diese sei dabei grundsätzlich dialogisch ausgerichtet, als sie auf die freie Zustimmung des Menschen ziele. Für denjenigen, „der einmal in freier Glaubensentscheidung die auctoritas Gottes angenommen" habe, werde diese aber zu einer „das Gewissen für immer bindenden Größe, der er solchen bedingungslosen Gehorsam schuldet, daß er nicht einmal nach der inneren Gutheit der göttlichen Gebote fragen d a r f .

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geberische Gewalt" Gottes" und sein Wille auf das Martyrium des Menschen ausgerichtet seien, belegt Tertullian mit Hilfe einer ausführlichen biblischen Exegese. Zunächst erhebt er die auf das Martyrium zielende „voluntas Dei"88 aus dem „Gesetz": Die Grundlage der Forderung Gottes nach der menschlichen Bereitschaft zum Martyrium bilde das Idololatrieverbot. Eingeschärft werde dieses Verbot durch den Segen, den Gott ftir die gehorsame Befolgung, und den Fluch, den er für die Mißachtung des Verbotes in Aussicht stelle.89 Die von Gott gewollte Durchsetzung des Idololatrieverbotes und die Sanktionierung seiner Nichtbefolgung durch Strafe stellten geradezu die „martyriorum ratio", das entscheidende Motiv und den wesentlichen Grund für die Martyrien, dar.90 Die schwere Ahndung einer Verletzung des Idololatrieverbotes, die Tertullian ausführlich an Hand der Geschichte vom Goldenen Kalb und der Unterjochung Israels unter fremde Völker auf Grund seines Abfalls zu Fremdgöttern illustriert, zeige, daß das Verbrechen der Fremdgötterverehrung von Gott höher als jedes andere eingeschätzt werde.91 So seien seine Androhungen und Strafen schon zur Zeit Israels darauf ausgerichtet gewesen, die Notwendigkeit des Martyriums im Falle einer Verlockung zur Idololatrie zu erweisen: „... locum fecerat (sc. martyriis) prohibendo idololatrian. Aliter enim martyria non evenirent."92 So habe Gott seine „auctoritas" für die Martyrien eingesetzt, indem er sie durch das Verbot der Idololatrie erst ermöglichte.93 Gegenüber jeglicher Leugnung eines solchen auf das Martyrium zielenden Willens Gottes seitens der gnostischen Gegner94 kennzeichnet Tertullian den göttlichen Willen prägnant als einen solchen, der den Martyrien Raum geschaffen habe, sowohl durch seine Vorschriften, die die Idololatrie verbieten, als auch

87 88

So übersetzt van Damme, Gott, 116, „auctoritas divina".

Scorp. 2,2 (CChr.SL II, 1071,1 lf). Daß dieses Lohn-Strafe-Schema grundlegend für die von Tertullian behauptete Verpflichtung zum Martyrium ist, zeigt sich prägnant auch in Ad Scap. 1,1 (CChr.SL II, 1127,3-7): „... ad hanc sectam, utique suscepta condicione eius pacti, venerimus, ut etiam animas nostras exauctorati in has pugnas accedamus, ea quae Deus repromittit consequi optantes, et ea quae diversae vitae comminatur pati timentes." 90 Scorp. 3,2 (CChr.SL II, 1074,3). 91 Scorp. 4,1 (CChr.SL II, 1075,13-16): „Hanc igitur si a primordio constat et prohibitam de tot tantisque praeceptis et numquam inpune commissam de tot tantisque documentis nec ullam tam superbum crimen deputari apud deum ...". 92 Scorp. 4,1 (CChr.SL II, 1076,19-21). 93 Scorp. 4,1 (CChr.SL II, 1076,21f): „Et utique auctoritatem suam praestruxerat volens ea evenire quibus locum fecerat." 94 Nach Tertullians Darstellung leugnete die gegnerische Argumentation entweder einen solchen Willen Gottes oder wandte sich gegen einen Gott, der einen solchen Willen hat (vgl. Scorp. 4,2; CChr.SL II, 1076,22-27). 89

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durch seine Urteile, die diese bestrafen.95 Wenn die Konsequenz der Beachtung des Idololatrieverbotes darin bestehe, Gewalttaten zu ertragen, dann sei es selbstverständlich, daß auch diese Folge wie das Verbot selbst dem Willen Gottes entspreche.96 Mit Hilfe militärischer Bilder stellt Tertullian abschließend den verpflichtenden Charakter dieses göttlichen Willens heraus: Die ausschließliche Bindung an Gott und die damit verbundene Absage an jede Idololatrie erscheint als „sacramentum", als „Fahneneid", unter dem der Christ kämpfe und bei dessen Verteidigung er auch getötet werden könne. Ein solcher Tod entspreche der Bestimmung Gottes fur den Christen, denn er selbst habe diesen im „sacramentum" in die Pflicht genommen.97 Der für die Christen bei dem Begriff „sacramentum" aufscheinende Gedanke an das Taufgelübde98 weist daraufhin, daß Tertullian in „Scorpiace", wie auch schon in „Ad martyras" und später in „Ad Scapulam"99, die Bereitschaft zum Martyrium als notwendige und selbstverständliche Folge der in der Taufe eingegangenen Bindung an Gott ansieht: Das in der Taufe abgelegte Gelübde bedeutet das Eingehen einer Gehorsamsbindung gegenüber Gott bis hin zur letzten Konsequenz des „pro deo mori". Nachdem Tertullian also in „Scorpiace" in einem ersten Argumentationsgang dargelegt hat, daß das Martyrium dem Willen Gottes entspricht100, will er in einem zweiten Gedankengang den gnostischen Einwand abwenden, daß der auf das Martyrium zielende Wille kein guter Wille sei.10' Hierfür betont er den unmittel95 Scorp. 4,3 (CChr.SL Π, 1076,1-3): „volunta(s)..., quae martyriis locum fecerit, tarn ex praeceptis prohibitae semper quam ex iudiciis punitae idololatriae." 96 Scorp. 4,3f (CChr.SL II, 1076,3-9): „Si enim praeceptum observando vim patior, hoc erit quodammodo observandi praecepti praeceptum, ut id patiar per quod potero observare praeceptum, vim scilicet, quaecumque mihi imminet cavenda ab idololatria. Et utique qui inponit praeceptum, extorquet obsequium. Non potuit ergo noluisse ea evenire per quae constabit obsequium." 97 Scorp. 4,5 (CChr.SL II, 1076,14-18): „Huic sacramento militans ab hostibus provocor ... Hoc defendendo depugno in acie, vulnerar, concidor, occidor. Quis hunc militi suo exitum voluit, nisi qui tali sacramento eum consignavit?" 98 Zu dem Verständnis von „sacramentum" in dem doppelten Sinne von militärischem Fahneneid und christlicher Taufe bei Tertullian vgl. Kap. 3.1.2. 99

Vgl. Anm. 78. Vgl. die in Scorp. 5,1 (CChr.SL II, 1076,19) gegebene Zusammenfassung der in Scorp. 2-4 durchgeführten Argumentation: „Habes igitur dei mei voluntatem". 101 Daß die Güte Gottes zentrales Anliegen gnostischer Spekulation ist, zeigt sich z.B. im Brief des Ptolemäus an Flora 7,5. Gerade im Zusammenhang mit dem Leiden der Märtyrer stellte sich die Frage der Güte Gottes in besonderer Weise; während Tertullian bemüht ist, auch die Verfolgungen und Martyrien als Ausfluß göttlicher Güte und seines Heilswillens zu erweisen, kann z.B. nach Clemens von Alexandrien die Verfolgung nicht als etwas Gutes angesehen werden. Wenn Gott Verfolgungen voraussage, so seien dies keine Willenskundgebungen (so versteht es Tertullian), sondern lediglich Mitteilungen, die der Ermunterung zur Standhaftigkeit dienten. Die irdischen Verfolger trügen die Verantwortung für ihr Handeln selbst, Gott hingegen sei für das Leiden nicht verant100

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baren Zusammenhang zwischen der „Gottheit" Gottes und der „Güte" seines Willens: Wer Gottes Willen fur schlecht halte, negiere damit sein Gott-Sein. Wer letzteres aber nicht tue, müsse zwangsläufig die Güte des Willens Gottes anerkennen. Diese Prämisse will Tertullian an Hand der „bonitas" des von Gott gewollten Martyriums untermauern.102 So stellt er die These auf, daß das Martyrium in den Augen des Gottes, der die Idololatrie verbiete und bestrafe, etwas Gutes darstelle'03, und verweist dazu auf den unversöhnlichen Gegensatz zwischen Martyrium und Götzendienst. Da das Martyrium von der von Gott verbotenen, also negativ qualifizierten Idololatrie befreie, müsse es zwangsläufig etwas Gutes sein104, gemäß der grundsätzlichen Überlegung: „Quod a malo libérât, quis non bonum pronuntiabit?"105 Das Martyrium entspricht also nach Tertullians Darstellung nicht nur grundsätzlich dem Willen Gottes, sondern stellt, weil der göttliche Wille prinzipiell nicht auf etwas Böses zielen könne106, auch ein Gut fur den Menschen dar.

wortlich, er verhindere es nur nicht (vgl. Strom. IV, 86,2-87,2). Die von Clemens aufgewiesene Aporie, daß die Sicht der Verfolgung als Gottes Willen entsprechend eine Schuld- und Straflosigkeit der irdischen Verfolger bedeuten müsse, wird von Tertullian nicht aufgelöst. Zu diesem Problem vgl. auch Quacquarelli, persecuzione, 580f, der betont, daß die heidnischen Gegner trotz der göttlichen Urheberschaft der Verfolgung bei Tertullian unentschuldigt blieben: „Se le persecuzioni sono permesse da Dio, l'Impero è uno strumento necessario ai disegni imperscrutablili della Provvidenza ... Ciò non toglie che il male sia il male, e che la colpa esista nei persecutori." Im Zusammenhang der Frage nach der Güte des göttlichen Willens verweist Tertullian auch auf den gnostischen Einwand, daß der von ihm gemeinte Gott, der das Martyrium wünsche, nicht der „gute Gott", sondern der Demiurg sei. Diesen Einwand widerlegt er hier aber nicht gesondert, sondern verweist auf seine Auseinandersetzung mit den Marcioniten in „Adversus Marcionem" (vgl. Scorp. 5,1 ; CChr.SL II, 1076,2 lf). 102 Vgl. Scorp. 5,2f (CChr.SL II, 1077,23-1). 103 Scorp. 5,3 (CChr.SL II, 1077,lf): „Bonum contendo martyrium apud eundem deum, a quo et prohibetur et punitur idololatria." 104 Scorp. 5,3f (CChr.SL Π, 1077,2-8): „Obnititur enim et adversatur idololatriae martyrium. Malo autem obniti et adversari nisi bonum non potest. Non quasi negem esse aemulationem tarn malorum inter se quam et bonorum, sed alia condicio est huius tituli. Martyrium enim non de communi aliqua militia certat cum idololatria, sed de sua gratia; libérât enim ab idololatria." 105 Scorp. 5,4 (CChr.SL II, 1077,8). 106 Scorp. 5,2 (CChr.SL II, 1077,26f): „Bona igitur erit et voluntas eius (sc.dei) qui nisi bonus non erit deus". Dieselbe Prämisse, daß in dem Willen Gottes grundsätzlich nichts Böses liegen könne, drückt Tertullian auch noch anderweitig aus: „Item dicentes: fiat voluntas tua, vel eo nobis bene optamus, quod nihil mali sit in Dei volúntate, etiam si quid pro meritis cuiusque secus inrogatur" (De or. 4,4; CChr.SL II, 260,20-22; vgl. auch De paen. 4,5; CChr.SL I, 327,23f)

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Nach einem Einschub über das „bonum" des Martyriums, über dessen Bedeutung für den Heilsstand des Menschen107, kehrt Tertullian zu seiner Ausgangsthese von der Gottgewolltheit des Martyriums zurück.108 Diese illustriert er an Hand des umfangreichsten Kataloges christlicher exempla innerhalb seines Gesamtwerkes. Zunächst erweist er an Hand alttestamentlicher Beispiele, daß seit dem Beginn der Welt die Gerechten und zu Gott Gehörigen Gewalt erlitten hätten und auf Grund ihrer Beachtung des göttlichen Idololatrieverbotes bedrängt worden seien.109 Zusammenfassend bezeichnet Tertullian die genannten Beispiele als „exempla" für die seit Anbeginn bestehende Verpflichtung des Glaubens zum Martyrium.110 Entgegen der in gnostischen Kreisen vertretenen Vorstellung, daß sich im Neuen Testament ein abweichender Wille Gottes offenbare"1, erweist er anschließend die Einheitlichkeit des auf das Martyrium zielenden Willens Gottes in beiden Bünden."2 Für alle diejenigen, die als „hereditari et discipuli apostolorum""3 zum Herrn gehörten, stelle die Verfolgung ein notwendiges und zwangsläufiges Schicksal dar, innerhalb derer ihnen die Bekenntnispflicht auferlegt sei."4 Gegenüber einer gnostischen These, der zufolge dieses Bekenntnis erst vor himmlischen

107

Nach Barnes, Scorpiace, 108, können in „Scorpiace" zwei Argumentationslinien unterschieden werden: „proof of the necessity of martyrdom (2-4; 8,1-15,6), and proof of its goodness (5-7)". Zu der in Scorp. 5-7 explizierten Bedeutung des Martyriums fur den Heilsstand des Menschen vgl. ausfuhrlich Kap. 4.5.1. 108 Scorp. 8,1 (CChr.SL II, 1081,11-15): „Unum igitur gradum insistimus et in hoc solum provocamus, an praecepta sint a deo martyria, ut credas ratione praecepta, si praecepta cognoveris, quia nihil deus non ratione praeceperit." 109 Scorp. 8,2-7 (CChr.SL II, 1082,25-1083,2). Zu den angeführten exempla vgl. Pétré, L'Exemplum, 97, sowie Kap. 3.3.1. 110 Scorp. 8,8 (CChr.SL II, 1084,8f): „Talia a primordio et praecepta et exempla debitricem martyrii fidem ostendunt." 111 Tertullian nimmt diesen Gedanken in ironischer Weise auf: „Plane, alia in Christo et divinitas et voluntas et schola, qui martyria aut nulla in totum aut aliter intellegenda mandavit, qui neminem ad huiusmodi discrimen hortetur, qui pro eo passis nihil repromittat, quia pati eos nolit..." (Scorp. 9,1; CChr.SL II, 1084,13-17). Zur Betonung der teilweisen Unterschiedlichkeit zwischen dem im „Gesetz" geoffenbarten Willen Gottes und dem von Christus verkündigten innerhalb gnostischer Kreise vgl. z.B. den Brief des Ptolemäus an Flora 6,1 -6. 112 Brandt, Ethik, 84, spricht in bezug das Verhältnis von Altem und Neuem Testament bei Tertullian von der „mehr als formalen Gleichheit im gebietenden Gotteswillen" in beiden Testamenten. Die grundsätzliche Zusammengehörigkeit beider Testamente hat Tertullian in der Auseinandersetzung mit Marcion herausgestellt (Adv.Marc. 1,19-21; CChr.SL 1, 459,1-463,17; vgl. auch De praescr.haer. 36,5; CChr.SL 1,217,17f: „... legem et prophetas cum evangelicis et apostolicis litteris miscet (sc. ecclesia)..."). Das Neue Testament vollende und überschreite aber das Alte, die im Neuen Testament geoffenbarte „nova lex" sei gegenüber dem Gesetz des Alten Testamentes „ampliata et suppleta" (De or. 22,8; CChr.SL I, 270,58f)· 113 Vgl. Scorp. 9,3 (CChr.SL II, 1084,lf). 114

Scorp. 9,8-13 (CChr.SL II, 1085,11-1087,28).

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Autoritäten abzulegen sei"5, betont Tertullian ausdrücklich die Bindung des Bekenntnisses an die irdischen Gegebenheiten der Verfolgung."6 Nur hier liege nach göttlicher Anordnung117 der Ort der Entscheidung, ob ein Christ seiner Bekenntnispflicht gerecht werde und in seinem Bekenntnis bis zum Martertod ausharre"8 oder aber ableugne.119 Gehorsam gegenüber Gott bedeutet also auch die Akzeptanz der Bekenntnissituation auf Erden mit der Konsequenz des Glaubenstodes und die Absage an jede Verlagerung des Bekenntnisses in die postmortale Sphäre mit der damit einhergehenden Relativierung der Bekenntnispflicht. Das alttestamentliche Idololatrieverbot, die dort überlieferte Ahndung seiner Übertretung und die Herrenworte zur Bekenntnispflicht des Christen, deren Literalsinn Tertullian gegen jede allegorische Umdeutung der in ihnen enthaltenen Forderung betont120, dienen ihm ebenso wie die anschließend angeführten Belegstellen aus den neutestamentlichen Briefen und der Johannes-Apokalypse121 zur biblischen Fundierung seiner Gehorsamsforderung gegenüber dem auf das Martyrium zielenden Willen Gottes. Nicht nur die Lehren, sondern auch das Leben der Apostel belegten die Notwendigkeit des Leidens für den Glauben.122 Sie seien überzeugt gewesen, daß ihre Leiden der „voluntas dei" entsprächen.123 Durchgängig zeigt sich in Tertullians Darlegungen, daß der Wille Gottes das entscheidende Kriterium für die Notwendigkeit ebenso wie für die Zweckhaftigkeit des Martyriums darstellt. Auf der „voluntas Dei" - der zentralen Kategorie in

115

Vgl. Scorp. 10,1 (CChr.SL II, 1087,29-31).

116

Als Mittel hierzu dient Tertullian der Erweis der Absurdität der gnostischen Behauptung: Wenn das Bekenntnis erst im Himmel abzulegen wäre, müßten auch alle Umstände der Verfolgungen - die heidnische Menge, die römischen Magistrate, Gefängnisse und Folterinstrumente - , die auf Erden zu dem Bekenntnis nötigten, in den Himmel verlegt werden. Da dies alles nicht im Himmel, sondern auf Erden vorkomme, schlußfolgert Tertullian (Scorp. 10,15;CChr.SLII, 1089,911): „Igitur si cetera (sc. die beschriebenen Umstände der Verfolgungen) hic, nec confessio alibi; si confessio alibi, nec cetera hic. Enimvero non alibi cetera, itaque nec confessio in caelo." Zu weiteren Elementen dieser reductio ad absurdum vgl. Barnes, Tertullian, 175. 117 Scorp. 10,16 (CChr.SL II, 1090,18-20): „Hic omnem ordinem sustinemus ipso domino non aliam regionem mundi destinante." 118

Scorp. 10,17 (CChr.SL II, 1090,3f): „... illic constituât etiam confessionem, quae in finem sustinendo passura est mortem." 119 Scorp. 10,14 (CChr.SL II, 1089,6-9): „Porro et odium nominis hic erit et persecutio hic erumpit et traditio hic producit et interrogatio hic compellit et carnificina hic desaevit; at totum hunc ordinem in terris confessio vel negatio expungit." 120 Vgl. Scorp. 11 (CChr.SL II, 1090,5-1092,4). 121 122 123

Vgl. Scorp. 12-14 (CChr.SL II, 1092,5-1096,25). Vgl. Scorp. 15,4 (CChr.SL II, 1097,17f).

Scorp. 15,5 (CChr.SL II, 1097,25f): „..· fidentes (sc. apostoli) scilicet passiones ad dei voluntatem pertinere."

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133

Tertullians Darlegungen in „Scorpiace"124 - allein beruht für ihn die Pflicht zur Martyriumsbereitschaft. Die Antwort des Menschen auf diesen göttlichen Willen, der, indem er auf das Heil des Menschen ausgerichtet sei, mehr aus Gottes Güte, denn aus seiner Strenge entspringe, kann für ihn nur im Gehorsam bestehen. Diese in „Scorpiace" ausgeführte Begründung des Martyriums als eines Aktes notwendigen Gehorsams gegenüber dem geoffenbarten Willen Gottes entspricht der grundsätzlichen Fundierung der tertullianischen Ethik auf der Verpflichtung des Christen zur gehorsamen Erfüllung des göttlichen Willens125, wobei für diese Grundlegung wohl nicht zuletzt seine Verwurzelung in römischen Vorstellungen zu veranschlagen ist, denen zufolge religio primär als Gehorsamsverpflichtung gegenüber Gott zu verstehen ist.126 Die auf das Martyrium zielende Gehorsamsforderung

124 S corp. 2,2 (CChr.SL II, 1071,11); Scorp. 4,2 (CChr.SL II, 1076,22.24.25.26); Scorp. 4,3 (CChr.SL II, 1076,1); Scorp. 5,1 (CChr.SL II, 1076,19f); Scorp. 5,2 (CChr.SL II, 1077,26); Scorp. 9,1 (CChr.SL II, 1084,14); Scorp. 15,5 (CChr.SL II, 1097,26). 125 Der Wille Gottes ist nach Tertullian geoffenbart worden, um von den Menschen befolgt zu werden (De exhort.cast. 2,5; CChr.SL II, 1017,33f). Diese sind Gott Gehorsam schuldig (vgl. De pat. 4,5; CChr.SL I, 302,20f). Die Erfüllung dieser Gehorsamspflicht, die Befolgung des Willens Gottes, bedeutet für die Menschen die Vermeidung göttlicher Strafe und die Belohnung durch Gott (De pat. 4,2; CChr.SL I, 302,7-10). Das Wesen des Gehorsams besteht letztlich darin, den eigenen, von Tertullian als frei verstandenen (vgl. De exhort.cast. 2,3; CChr.SL II, 1017,20f: „... in nobis est voluntas et arbitrium eligendi...") Willen in Übereinstimmung zu bringen mit dem Willen Gottes: „obsequi enim ratio in similitudine animorum constituta est" (De paen. 4,4; CChr.SL I, 327,19f). Die zentrale Bedeutung des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes fur Tertullians Ethik ist in der Literatur vielfach herausgestellt worden. Vgl. z.B. Michel Spanneut, Tertullien et les premiers moralistes africains, Paris (1969), 5: „Cependant il est également certain que l'homme ... est... le sujet de Dieu et que sa morale est souvent soumission dans la crainte. Dieu est pur lui (se. Tertullien) essentiellement créateur, législateur et juge. L'homme est relié à Dieu par des lois dont l'observance mérite récompense et dont le mépris entraine un châtiment éternel. La volonté de Dieu occupe dans l'œuvre une place considerable." Die Erfüllung des Willens Gottes als wesentliche Motivation seiner gesamten Theologie betont auch Bray, Holiness, 62: „Tertullian's real interest was ... in sanctification and discipline ... Above all else he was concerned to do the will of God in the light of scripture, and as he says elsewhere, the will of God is our sanctification (De exhort.cast. 1,3)." Umstritten ist in der Literatur aber die Frage, ob die Betonung der Gehorsamsforderung bedeutet, daß in bezug auf Tertullian von einer legalistischen Ethik mit einem streng kompensatorischen Denken zu sprechen ist, in der die menschliche Leistung die entscheidende Voraussetzung fur einen Anspruch auf entsprechenden Verdienst bei Gott darstelle. Während eine solche Interpretation in der älteren Forschung unwidersprochen vorherrschte (vgl. z.B. Roberts, Theology, 207f.223-226; Beck, Recht, 20f; für einige Hinweise auf entsprechende Deutungen bei Harnack und Nygren vgl. E. Langstadt, Some Observations on Tertullian's Legalism, in: StPatr 6 (1962), 122f), finden sich in der jüngeren Literatur auch kritische Stimmen gegenüber einem solchen Verständnis. Zu der von Hallonsten, Satisfactio, passsim; Gooch, Concept, passim vertretenen Kritik vgl. Kap. 1. 126

Die Verbindung zwischen römischen Religions- und Gottesvorstellungen und strukturell ähnlichen Vorstellungen in der westlichen lateinischen Theologie, insbesondere bei Laktanz, hat herausgestellt Wlosok, Religions- und Gottesbegriff, 30-34; die dort in bezug auf Laktanz getroffenen Feststellungen sind m.E. im Grundsatz auch für Tertullian zutreffend.

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Gottes ist in diesem Traktat allerdings in einzigartiger Nachdrücklichkeit und Rigorosität herausgestellt worden. So heißt es, daß Gott „zu sterben befehle" (mori praecipit)127, daß er nach dem Blut der Menschen „verlange" (sanguinem concupiscit)128 und „dürste" (sanguinem sitiat)129, wobei diese krassen Formulierungen durch die von ihm anvisierten Argumente der gnostischen Gegner bedingt sind. Um die bei diesen vertretene Ablehnung der Notwendigkeit des Martyriums zu bekämpfen, greift Tertullian zu dem Mittel, ihre Polemik aufzunehmen und in ihrer ganzen Schroffheit fur seine eigene Auffassung dienstbar zu machen: Wenn die betreffenden Gnostiker fragen, ob Gott denn tatsächlich das Blut der Menschen „fordere" (sanguinem flagitat)130, dann bejaht er diese Frage, nachdem er den entsprechenden Gotteswillen zunächst aus dem Alten Bund erhoben und den für das „Blut" in Aussicht stehenden Ruhm dargestellt hat. Wenn die Gegner so weit gehen, Gott einen „Menschenmörder" zu nennen13', ihn der „Härte" und „Grausamkeit" zu zeihen132, dann entwindet Tertullian ihnen diese blasphemischen Vorwürfe133 und erweist unter antignostisch ausgerichtetem Rückgriff auf die Tradition der „sophia"134 die göttliche „Weisheit" (sapientia) und „Vernunft" (ratio) hinter der Forderung Gottes nach dem Martyrium. Diese bestehe darin, daß

127 Scorp. 5,12 (CChr.SL II, 1078,26f): „Ita, et cum mori praecipit medicus ille (= deus), veternum mortis excludit." Vgl. Scorp. 8,1 (CChr.SL II, 1082,12-15): „Unum igitur gradum insistimus et in hoc solum provocamus, an praecepta sint a deo martyria, ut credas ratione praecepta, si praecepta cognoveris, quia nihil deus non ratione praeceperit." 128

Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1081,19f): „Sanguinem hominis deus concupiscit? et tarnen ausim dicere...". 129 Scorp. 15,6 (CChr.SL Π, 1097,28-31): „Quodsi iam tunc Prodicus aut Valentinus adsisteret suggerens non in terris esse confitendum apud homines, minus vereor ne deus humanum sanguinem sitiat..." 130 Scorp. 1,8 (CChr.SL II, 1070,26f): „An deus hominum sanguinem flagitat, maxime si taurorum et hircorum récusât?" 131

Scorp. 7,1 (CChr.SL II, 1081,24): „Incutiat adhuc scorpius homicidam deum ventilans ...".

132

Scorp. 6,11 (CChr.SL II, 1081,18f): „Haec tu remedia, Consilia, iudicia, spectacula etiam dei atrocitatem vocabis?" Vgl. Scorp. 5,10 (CChr.SL II, 1078,11): „... quod saevitiam existimas ..."; Scorp. 7,5 (CChr.SL II, 1082,25f): „Crudelem deum, qui non intellegit, credit." 133

Die Bezeichnung Gottes als eines „Menschenmörders" seitens der Gnostiker bezeichnet Tertullian als „spurcus blasphemiae flatus de haeretico ore foetens" (Scorp. 7,1; CChr.SL II, 1081,25f)· 134

Tertullian verknüpft in Scorp. mittelbar: Gott redet in der Person seiner Die Valentinianer gehen hingegen von Entstehung der von Gott getrennten Welt 56.

7,1 (CChr.SL II, 1081,27f) Gott und die „sophia" un„sophia" („... pronuntiavit ex sophiae suae persona ..."). einem präexistenten Fall der „sophia" aus, der für die mitverantwortlich ist. Vgl. Butterweck, Martyriumssucht,

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

135

er töte, damit der Getötete nicht „sterbe"135, d.h. im geistlichen Sinne das Leben verliere. Die singulare Schroffheit in der Einschärfung der auf das Martyrium zielenden göttlichen Forderung, mithin seiner Notwendigkeit und Pflichtmäßigkeit, in „Scorpiace" entspricht also quasi „spiegelbildlich" der nach Tertullians Darstellung fundamentalen Infragestellung eines solchen Willens Gottes bei den gnostischen Gegnern.136 Um seine Adressaten mit einem ausreichenden „Gegengift" gegen die beschriebene gnostische Position zu versehen, läßt er sich durch deren Argumente zu größter Rigorosität in Inhalt und Ausdruck treiben. Eine solche Beeinflussung der eigenen Argumentation durch Sprache und Argumentation der jeweiligen gegnerischen Position zeigt sich auch anderweitig in Tertullians Schriften.137 Antignostisch ausgerichtet ist auch die in „Scorpiace" ebenfalls deutlich werdende Betonung der Leiblichkeit und Realität des Leidens der Märtyrerinnen und Märtyrer138, die er auch anderweitig unterstrichen hat.139 Diese ist im Zu-

135 Scorp. 7 , l f (CChr.SL II, 1081,26-4): „... sed et talem deum (sc. homicidam) de fiducia rationis amplectar, qua ratione etiam ipse se plus quam homicidam pronuntiavit ex sophiae suae persona, voce Solomonis. „Sophia", inquit, „iugulavit filios suos." Sophia sapientia est. Sapienter utique iugulavit, dum in vitam, et rationaliter, dum in gloriam. O parricidum ingenium! O sceleris artificium! O argumentum crudelitatis, quae idcirco occidit, ne moriatur quem occiderit!" Den von Tertullian hier gebotenen Beleg für das „Schlachten" der Söhne durch die „Weisheit" bietet die Bibel allerdings nicht; vermutlich bezieht er sich hier irrtümlich auf Prov 9,2, wo von dem Schlachten des Viehs durch die personifizierte Weisheit die Rede ist. Dies legt auch die von ihm als Folgezitat angeführte, an Prov 1,20 angelehnte Stelle nahe, die Ähnlichkeiten mit dem auf Prov 9,2 folgenden Vers aufweist. Barnes, Tertullian, 174, Anm. 5, verweist auf JesSir 4,11 („Die Weisheit erzieht ihre Söhne") als Grundlage des tertullianischen Zitates. Möglicherweise hat Tertullian Prov 9,2 und JesSir 4,11 im Gedächtnis zu seiner Fassung kompiliert. Jakob Speigl, Tertullian als Exeget, in: Stimuli. Exegese und ihre Hermeneutik in Antike und Christentum. FS Ernst Dassmann, (JAC.E 23), Münster 1996, 161, stellt heraus, daß Tertullian häufig aus dem Gedächtnis zitiert. 136 Mehrfach ist in der Forschung auch die These vertreten worden, daß die Betonung der Notwendigkeit des Martyriums und der Forderung Gottes nach dem Blut der Märtyrer im Zusammenhang zu sehen sei mit der heidnischen afrikanischen Religiosität der Punier und Berber, insbesondere dem Satumkult (vgl. Frend, Martyrdom, 362; Groh, Community, 14; grundsätzlich die Beziehungen zwischen Tertullians Denken und punisch-berberischen Vorstellungen stellt heraus Braun, Origines, 6.14-20). Hierbei ist vor allem auf das stark sühnende Moment und die Opfervorstellungen in diesem Kult aufmerksam gemacht worden (vgl. Gramaglia, Ai martiri, 133f); demgegenüber ist aber auffällig, daß Tertullian - im Unterschied zu Ignatius, dem „Martyrium Polycarpi" und auch Cyprian - das Martyrium nicht mit einem Opferterminus (hostia, victima, sacrificium) bezeichnet (mit Ausnahme der Stellen, wo diese Begriffe in biblischen Zitaten auftauchen; so zitiert er in Scorp. 13,9f (CChr.SL II, 1095,13-15.18-21) Phil 2,17 und 2.Tim 4,6-8). 137 Vgl. Rankin, Tertullian, 43: „... Tertullian deliberately employs the language of his immediate opponents in each of the various controversies in which he becomes engaged." 138 So illustriert z.B. der in Scorp. 5,6-12 (CChr.SL II, 1077,15-1078,27) durchgeführte DeusMedicus-Vergleich die Schmerzhaftigkeit vieler Heilmittel, die aber letztlich der Gesundung dienten. Der Vergleichspunkt ist das (ebenfalls schmerzhafte) Martyrium, durch das Gott den Christen das

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

136

sammenhang mit seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den innerhalb gnostischer Gruppierungen - auch bei den von ihm in „Scorpiace" in den Blick genommenen Valentinianem - vertretenen dualistischen Vorstellungen zu sehen, die, wenn auch in unterschiedlicher Weise, die tatsächliche Fleischwerdung Jesu Christi ablehnen.140 Für Tertullian ist diese aber notwendig zur Ermöglichung der Erlösung der Menschen: Gott habe, so betont er in „Adversus Marcionem", den Sohn in das „Fleisch der Sünde" geschickt, damit dieser das sündige Fleisch der Menschen „simili substantia" erlöse.'41 Doketische Vorstellungen hingegen, die das Kommen Christi in das „Fleisch" negierten142, bedeuteten die Leugnung des realen Leidens Christi und damit auch der Erlösung der Menschen.143 Die in

Heil verschaffe: „Licebit et deo in vitam aeternam per ignes et gladios et acerba quaeque curare." (Scorp. 5,8; CChr.SL II, 1078,25f) 139

Nachdrücklich hat Tertullian die Leiblichkeit des Leidens u.a. auch in De res.earn. 8,5 (CChr.SL II, 931,19-932,27) herausgestellt, wo es ihm um den Erweis geht, daß das „Fleisch" (caro) notwendig für die Erlösung sei. Nachdem er dort die Rolle des „Fleisches" bei der Taufe, Salbung, dem Empfang des Kreuzeszeichens, der Eucharistie und dem Ausüben christlicher Sittlichkeit beschrieben hat, verweist er zum Höhepunkt seiner Argumentation auf die essentielle Rolle der „caro" beim Erleiden von Anfeindungen, Haft, Folter und Tod um des Glaubens willen. Vgl. auch Adv.Marc. I, 24,4 (CChr.SL I, 467,28): „... et caro in confessione nominis desaevitur." Daß die „caro" leidet, ist aber auch außerhalb der direkten antignostischen Argumentation für ihn selbstverständliche Denkvoraussetzung. Vgl. z.B. De pat. 13,6 (CChr.SL I, 314,21-23): „Carnis patientia in persecutione denique proeliatur. Si fuga urgeat, incommoda fìigae caro militât"; vgl. De cult.fem. Π, 3,3 (CChr.SL I, 356,21f). 140 Vgl. De res.cam. 2,3 (CChr.SL II, 922,1-15): „Ideoque et Christum aliter disponere coacti, ne creatoris habeatur, in ipsa prius carne eius erraverunt, aut nullius veritatis contendentes earn secundum Marcionem et Basiliden aut propriae qualitatis secundum heredes Valentini et Apellen." 141 Adv.Marc. V, 14,1 (CChr.SL I, 705,18-20): „Ob hoc igitur missum filium in similitudinem carnis peccati, ut peccati carnem simili substantia redimeret..." Zur Betonung des realen Leidens Christi vgl. auch Adv.Prax. 29,2 (CChr.SL II, 1202,1 lf); De carne Chr. 5 (CChr.SL II, 880,1883,71). Zur Bedeutung der Realität der Menschwerdung für die Erlösung vgl. Basil Studer/Brian Daley, Soteriologie. In der Schrift und Patristik (HDG III/2a), Freiburg/Basel/Wien 1978, 83: „In der Sicht auf den Erlösungstod Christi sucht er (sc. Tertullian) die Wirklichkeit der Menschwerdung nach allen Seiten abzusichern. Christus mußte geboren sein, um sterben zu können. Darum sind in ihm auch zwei substantiae zu unterscheiden, eine göttliche und eine menschliche, und darf das Leiden nur der caro zugewiesen werden." 142 In Adv.Marc. III, 8,1 (CChr.SL I, 518,25) spricht er von den Marcioniten, „negantes Christum in carne venisse". Sie sähen Christus als „phantasma" (Adv.Marc. III, 8,5; CChr.SL I, 519,22). 143 Daß die Konsequenz der Leugnung der „caro" Jesu Christi die Leugnung der Realität seines Leidens und damit dessen Heilsbedeutung ist, hat Tertullian eingehend in Adv.Marc. III, 8,1 -7 (CChr.SL I, 519,20-519,16) herausgestellt. Vgl. bes. Adv.Marc. III, 8,4f (CChr.SL I, 518,13519,24): „Iam nunc, cum mendacium deprehenditur Christi caro, sequitur, ut et omnia, quae per carnem Christi gesta sunt, mendacio gesta sint, congressus contactus convictus ipsae quoque virtutes. Si enim tangendo aliquem liberavit a vitio vel tactus ab aliquo, quod corporaliter actum est non potest vere actum credi sine corporis ipsius veritate... Nihil enim passus est qui non vere est

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„Scorpiace" von ihm bekämpfte Haltung gnostischer Gruppen zum Martyrium ist somit quasi die „Kehrseite" einer Theologie, in der auf Grund der Prämisse der „Nichterlösbarkeit des Fleisches'"44 der Verflüchtigung der Realität der Passion Christi die Negierung der Verpflichtung zum tatsächlichen Leiden der Gläubigen entspricht; damit ist diese letztlich Indiz einer fundamentalen dogmatischen Differenz, die die Massivität der literarischen Reaktion Tertullians in diesem Traktat erklärt. Seine rigorose Ablehnung der Martyriumsethik der gnostischen Gruppierungen beruht dabei auf der grundsätzlichen Einsicht, daß jede Form von „Sittlichkeit" jeweils als Ausweis der dahinter stehenden Lehre zu verstehen sei: „doctrinae index disciplina est."145 In der Auseinandersetzung mit den „martyriorum refragatores" geht es ihm also um weit mehr als um den Dissens über verschiedene Verhaltensweisen in der Verfolgungssituation - es geht um das Zentrum des Glaubens, nämlich die Erlösung des Menschen durch den in das „Fleisch" gekommenen Christus. Neben „Scorpiace" ist der Einschärfung der Verpflichtung zum Martyrium auf Grund des Gehorsams gegenüber dem göttlichen Willen auch die montanistische Schrift „De fuga in persecutione"146 gewidmet, in der Tertullian sich gegen die nach seiner Darstellung in den Reihen des katholischen Klerus übliche Erlaubnis zur Flucht in der Verfolgung und damit zur Vermeidung der Martyriumssituation wendet.147 In formaler Parallelität zu dem Argumentationsverlauf in „Scorpiace" erweist er auch hier zunächst, daß die Situation, die die Martyrien hervorbringt, die Verfolgung, dem Willen Gottes entspringe und entspreche.148 Da das dem

passus; vere autem pati phantasma non potuit. Eversum est igitur totum dei opus. Totum Christiani nominis et pondus et fructus, mors Christi, negatur, ..." Zu Tertullians antidoketischer Betonung der Fleischwerdung Christi vgl. weiter Raniero Cantalamessa, La Cristologia di Tertulliano, Fribourg 1962, 84-87. 144

Studer/Daley, Soteriologie, 75, heben dies als gemeinsames Kennzeichen der von Tertullian

wie auch schon von Irenäus bekämpften dualistischen Vorstellungen hervor. 145

D e praescr.haer. 43,2 (CChr.SL I, 223,5f) . Zu diesem von ihm behaupteten Zusammen-

hang zwischen häretischer Lehre und verkehrter „disciplina" vgl. auch Francine Jo Cardman, Tertullian on Doctrine and the Development of Discipline, in: StPatr 16 (1985), 137. 146

Zur zeitlichen Einordnung von „De fuga in persecutione" vgl. Kap. 2, Anm. 43.

147

Eine entsprechende Einschätzung der Haltung der Katholiken findet sich auch in De cor.

1,5 (CChr.SL II, 1040,29-31): „Nec dubito quosdam secundum scripturas emigrare, sarcinas expedire, fugae accingi de civitate in civitatem"; das sei letztlich nichts anderes als „... martyria recusare ..." (1040,26). Zu der durchaus differenzierten Haltung der Großkirche zu der Frage der Flucht in der Verfolgung vgl. Kap. 4.4. 148

Vgl. De fuga 1-3 (CChr.SL II, 11352-1139,25). Tertullian wendet in diesen Kapiteln die

einleitend aufgestellte Prämisse „nihil fieri sine Dei volúntate" (De fuga 1,2; CChr.SL II, 1135,17f; De fuga 1,3; CChr.SL II, 1135,23) auf die Verfolgung an und kommt zu dem Schluß: „Haec erunt

138

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

Willen Gottes Entsprechende notwendig gut sei, müsse auch die Verfolgung gut sein, selbst wenn sie nach menschlicher Einschätzung als etwas Schlechtes erscheine.149 Derjenige Christ, der versuche, der Verfolgung aus dem Weg zu gehen, stelle sie dadurch als etwas zu Vermeidendes und Schlechtes dar und widerstrebe mit diesem Verhalten Gottes Willen, aus dem die Verfolgung hervorgehe.150 Sich der Verfolgungssituation durch Flucht zu entziehen bedeute also, nicht Gottes, sondern nur dem eigenen Willen gemäß zu handeln.'51 Da der Gehorsam gegenüber Gott aber in der Übereinstimmung des eigenen mit dem göttlichen Willen bestehe152, muß der seiner Gehorsamspflicht gegenüber Gott entsprechende Mensch sich nach Tertullians Verständnis der Verfolgung aussetzen. Dem möglichen Einwand, daß eine Flucht in der Verfolgung aber dem göttlichen Gebot aus Mt 10,23 entspreche153, begegnet Tertullian mit einer Auslegung dieses Verses, die das Fluchtgebot auf die Zeit der Apostel beschränkt und insofern als für die Gegenwart ungültig erklärt.154 Eine lange Reihe neutestamentlicher Belege untermauert weiter seine Auffassung, daß das Standhalten in der Verfolgung dem Willen Gottes entspreche, eine Flucht hingegen nicht.155 Neben den im Evangeli-

ignea ¡acula diaboli (sc. in persecutione), per quae fidei ustio et conflatio administratur, ex Dei tarnen volúntate" (De fuga 3,2; CChr.SL II; 1139,14f). Zu dem von Gott intendierten Zweck der Verfolgung vgl. ausführlich Kap. 3.2 149 De fiiga 4, lf (CChr.SL Π, 1140,6-8.23-25): „Non debet devitari (sc. persecutionem), quia bonum; necesse est enim bonum esse omne, quod deo visum est... Ita et persecutio statu bona est, quia divina et rationalis dispositio, sensui eorum vero, quorum malo venit, displicet." 150 De fuga 4,3 (CChr.SL II, 1141,31-37): „Ita si bonum persecutio quoquo modo, quia de statu constat, merito definimus quod bonum est vitari non oportere, quia delictum sit quod bonum est recusare, eo amplius, quod Deo visum est; iam vero nec posse vitari, quia a Deo evenit, cuius voluntas non poterit evadi. Igitur qui putant fugiendum aut malum exprobrant Deo, si persecutionem uti malum fugiunt - bonum enim nemo devitat - ...". 151 De fuga 5,3 (CChr.SL Π, 1142,23f): „ Hoc potius nostrum est, stare sub dei arbitrio, quam fugere sub nostro." In entsprechender Weise bezeichnet Tertullian in De fuga 8,3 (CChr.SL II, 1145,21-23) die Flucht als ein Verhalten „nec quod pater vult..., sed quod tu". 152 Vgl. De paen. 4,4 (CChr.SL I, 327,19f): „... obsequi enim ratio in similitudine animorum constituía est". Wähle der Mensch mit Hilfe seines freien Willens das Böse, d.h. das nicht Gottes Willen Entsprechende, bedeute dies die Scheidung von demjenigen, dessen Willen er nicht erfüllen wolle (vgl. De mon. 14,7; CChr.SL II, 1250,47-52). 153 De fuga 6,1 (CChr.SL II, 1142,lf): „Immo, inquit, (quia) praeceptum adimplevit fogiens de civitate in civitatem." 154 De fuga 6,1 (CChr.SL II, 1142,7-9): „Hoc (sc. Mt 10,23) in persona proprie apostolorum et in tempora et in causas eorum pertinere defendimus...". 155 Tertullian bezieht sich in De foga 7f (CChr.SL II, 1144,1-1145,23) zunächst auf Hen-enworte, die nach seiner Auslegung gegen ein fortdauerndes Fluchtgebot sprechen: Mt 10,32; Mt 5,1 Of; Mt 10,22; Mt 10,38; Lk 14,27. De foga 9 (CChr.SL II, 1146,1-1147,41) ist dem Nachweis gewidmet, daß auch seitens der Apostel keinesfalls das Fluchtgebot erneuert worden sei und auch sie „secundum deum" gelehrt hätten (De fuga 9,1; CChr.SL II, 1146,1). So habe Paulus zur

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um geoffenbarten Willen Gottes stellt er in diesem Traktat zusätzlich noch zwei montanistische Orakel, nach denen der Geist zum Martyrium als dem allein erstrebenswerten Tod auffordere.'56 Ein ironischer Vergleich des Fliehenden mit einem Deserteur zeigt plastisch, daß für Tertullian der Unwillen, sich dem Martyrium aussetzen, eine klare Verletzung der Gehorsamsbindung gegenüber Gott darstellt: „Bonum militem Christo imperatori suo praestat qui tarn piene ab apostolo armatus tuba persecutionis audita diem deserit persecutionis." 1 " Sich der von Gott durch die Verfolgung eröffneten und gewollten Möglichkeit zum Martyrium zu entziehen, sei es durch Flucht oder durch das von Tertullian gesondert behandelte Mittel des Loskaufs158, ist nach seiner prägnanten Zusammenfassung nichts anderes als Verleugnung Gottes, als Apostasie: „negatio est etiam martyrii recusatio."159 Daß der in „De fuga" als Gottes Willen entsprechend beschriebene Weg des Standhaltens in der Verfolgung und der Bereitschaft zum Martyrium aber

Standhaftigkeit aufgefordert und eben nicht zur Flucht - „Stare immobiles praecipit - utique nec fuga mobiles - . . . " - (De fuga 9,2; CChr.SL II, 1146,17f; vgl. l.Kor 15,58) und Johannes zur Hingabe des Lebens für die Geschwister (vgl. l.Joh 3,16): „Proinde et Iohannes pro fratribus quoque animas ponendas docet, nedum pro Domino. Hoc a fugientibus non potest adimpleri" (De fuga 9,3; CChr.SL II, 1146,23f). Zur Funktion der zahlreichen Schriftbelege in Tertullians montanistischen Traktaten vgl. Speigl, Tertullian, 174, dem zufolge der Schriftbeweis in diesen eine neue Aufgabe erhielt: „Er mußte zeigen, daß die neue Entwicklung, das, was der Paraklet ausdeutet, mit dem früher schon dagewesenen oder immer schon gemeinten göttlichen Vollkommenheitswillen ... übereinstimmt." 156 De fuga 9,4 (CChr.SL II, 1147,32-41): „Spiritum vero si consulas, quid magis sermone ilio Spiritus probat? Namque omnes paene ad martyrium exhortantur, non ad fugam, ut et illius commemoremur: ,Publicaris?' inquit, ,bonum tibi est; qui enim non publicatur in hominibus, publicatur in domino. N e confundaris: iustitia te producit in medium. Quid confünderis laudem ferens? Potestas fit, cum conspiceris ab hominibus.' Sic et alibi: ,Nolite in lectulis nec in aborsibus et febribus mollibus optare exire, sed in martyriis, uti glorificetur, qui est passus pro vobis'." 157

De fuga 10,1 (CChr.SL II, 1147,4-7). Der Abwehr des Loskaufs ist De fuga 12 (CChr.SL II, 1149,1-1153,111) gewidmet. Flucht und Loskauf werden gleichgestellt: „... sicut fuga redemptio gratuita est, ita redemptio nummaria fuga est" (De fuga 12,1; CChr.SL II, 1149,7-9). 158

159 De fuga 12,5 (CChr.SL II, 1151,54f). Durch diese Gleichsetzung gehört die Verweigerung des Martyriums durch die Vermeidung der zu diesem fuhrenden Situation für den Montanisten Tertullian neben Mord, Idololatrie, Betrug, Blasphemie, Ehebruch und Hurerei zu den „(delicta) graviora et exitiosa, quae veniam non capiant..." (De pud. 19,25; CChr.SL II, 1323,112f), den „Septem capitalia delicta" (Adv. Marc. IV,9,6; CChr.SL I, 559,28). Zu diesem Verständnis der Flucht vgl. weiter Kap. 4.4. Die von Tertullian aufgezählten Kapitalsünden sind allerdings insgesamt nicht einheitlich; während die Kataloge in den beiden genannten Stellen zwar nicht terminologisch, aber inhaltlich und der Zahl nach übereinstimmen, nennt er in De idol. 1,4 (CChr.SL II, 1101,24) nur vier „... crimina ... exitiosa". In der katholischen Schrift „De paenitentia" erscheinen noch gar keine „delicta inremissibilia" (so der Terminus in De pud. 2,16; CChr.SL II, 1286,66). Zu Tertullians Sündenkatalogen vgl. ausführlich William P. LeSaint, Tertullian. Treatises on Penance. On Penitence and on Purity. Edited with a Commentary, London 1959, 47f.

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dennoch als hart und schwer zu ertragen erscheinen könne, gibt Tertullian dabei durchaus zu. Gehen könnten diese „via angusta" letztlich denn auch nur diejenigen, die den Parakleten empfangen hätten, der durch sie sprechen und sie in ihrem Leiden und Sterben leiten werde'60 - der Gehorsam gegenüber der unbedingten Forderung Gottes nach der Bereitschaft zum Martyrium ist also nach diesem Traktat eigentlich nur von den Montanisten zu leisten.'61 Sowohl „De fuga in persecutione" als auch der vorher genannte Traktat „Scorpiace" erscheinen als ausführliche „Pflichtethiken" des Martyriums aus Anlaß der polemischen Auseinandersetzung mit Gruppierungen, die in Tertullians Augen als „Gegner" - „refragatores" - des Martyriums erscheinen.162 In Frontstellung ihnen gegenüber erweist er dieses als grundsätzlich verpflichtende Tat des Gehorsams gegenüber Gottes Willen. Die Argumentationsgrundlage bildet dabei die als Gesetz verstandene biblische Überlieferung, wobei er in „Scorpiace" vom alttestamentlichen Idololatrieverbot ausgeht und die neutestamentliche Weiterfuhrung in der Bekenntnisforderung findet, sich in „De fuga" hingegen auf neutestamentliche Belege beschränkt; hier treten allerdings neben die biblische Überlieferung die montanistischen Orakel als autoritative Willenskundgebungen Gottes. Von einer nomistischen Position aus fordert Tertullian so zur Entsprechung gegenüber der „voluntas dei" auf 63 , die in beiden Traktaten im Zentrum seiner Martyrologie steht. Die von den Christen gegenüber Gott eingegangene

160 De fuga 14,3 (CChr.SL Π, 1155,20-24): „Et ideo Paracletus necessarius, deductor omnium veritatum, exhortator omnium tolerantiarum. Quem qui receperunt, neque fugere persecutionem neque redimere noverunt, habentes ipsum, qui pro nobis erit, sicut locuturus in interrogatione, ita iuvaturus in passione." 161 Entsprechend charakterisiert Barnes, Scorpiace, 118, diesen Traktat als „Montanist protrepticus": „For the conduct which is obligatory for every Christian (1.2-14.2) is in practice possible only for those who accept the guidance of the paraclete (14.3)." 162 Vgl. Scorp. 1,5 (CChr.SL II, 1069,9). In bezug auf die Katholiken spricht Tertullian indirekt von einer „martyrii recusatio" (De fuga 12,5; CChr.SL II, 1151,55); vgl. seinen gegen die Katholiken gerichteten Vorwurf in De cor. 1,4 (CChr.SL II, 1040,26-28): „Plane superest, ut etiam martyria recusare meditentur qui prophetias eiusdem spiritus sancti respuerunt." 163 Vgl. Campenhausen, Idee, 117f: „... der souveräne Wille und das Gesetz des allmächtigen Gottes stehen im Mittelpunkt (der Martyrologie Tertullians) ... Das, worum es geht (im Martyrium), ist die Erfüllung des göttlichen Gebotes, wie es Gott im alten und neuen Gesetz gegeben hat, wodurch vor allem das von den Heiden verlangte Götzenopfer verboten ist." Im Anschluß an von Campenhausen betont auch Vermeulen, Development, 60f, die zentrale Rolle des Willens Gottes und der darauf bezogenen Gehorsamsforderung in Tertullians Martyrologie: „In Tertullian the will and honour of God occupy the foremost place. Since at baptism the Christian takes an oath of allegiance to God, who claims everything for His own glory and strictly forbids all idolatry, he must accept the consequences of his oath, and if this should mean death by torture, he must accept it as a clear expression of God's will; martyrdom is a serious obligation imposed upon the Christian by God."

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

141

Gehorsamsbindung und die damit verbundene Verpflichtung zur Erfüllung seines Willens wird dabei durch die Aufnahme der „militia spiritualis"-Vorstellung zusätzlich eingeschärft.164 In dieser Eindrücklichkeit und Ausführlichkeit ist die Begründung des Martyriums als eines Aktes des Gehorsams gegenüber Gottes Willen und die betonte Herausstellung der Verpflichtung der Christinnen und Christen zur Bereitschaft zu Bekenntnis und Martyrium von Tertullian nur in den genannten zwei Traktaten herausgestellt worden, wenn er auch anderweitig ebenfalls von der von Gott erhobenen Forderung nach dem Martyrium sowie dessen „Notwendigkeit" (nécessitas) gesprochen hat.165 Insbesondere in der für Tertullians Martyrologie wesentlichen frühen Schrift „Ad martyras" wird diese Begründung aber nicht weiter expliziert. Zwar deuten der Hinweis auf die in der Taufe eingegangene Gehorsamsbindung166 und die breite Verwendung der „militia spiritualis"-Vorstellung167 daraufhin, daß der Gedanke des Gott gegenüber schuldigen Gehorsams auch dort im Hintergrund der Ausführungen steht, er erfährt aber - wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt - keine ausdrückliche Betonung. Diese Differenz gegenüber „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" ist zunächst durch unterschiedliche Adressatenkreise und Intentionen zu erklären: Während die Ermunterung der „martyres designati", die sich ja bereits als gehorsam gegenüber dem die Bereitschaft zum Martyrium fordernden Gotteswillen erwiesen hatten, eine Betonung der Verpflichtung zum Gehorsam nicht in besonderem Maße nahelegt, fordert die Auseinandersetzung mit Gruppierungen, die diesen Willen nach Tertullians Einschätzung negieren und auf diesem Wege die innerchristliche Standhaftigkeit angreifen, eine solche Betonung geradezu heraus. Insofern hat die betonte Herausstellung dieser Begründung des Martyriums und seines verpflichtenden Charakters ihren „Sitz im Leben" in der polemischen Konfrontation, was sich auch in dem aus Tertullians katholischer Zeit stammenden, antihäretischen Traktat „De praescriptione haereticorum" zeigt: Dort wird die Forderung nach dem Martyrium als

164 Zur Aufnahme der „militia spiritualis-Vorstellung" in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" vgl. Kap. 3.1.2. 165 In D e an. 50,4 (CChr.SL Π, 8 5 6 , 2 9 0 betont Tertullian gegen jegliche Leugnung der Allgemeinheit des Todes, daß der Gott Jakobs die Menschen keineswegs den Tod umgehen lassen wolle; vielmehr fordere er ausdrücklich „den Tod durch das Martyrium, den er auch von seinem Christus verlangte" („... mortem per martyrium quoque..., quam de Christo etiam suo exegit"). Vgl. auch De ieiun. 12,2 (CChr.SL II, 1270,21), wo er das Erleiden der Folter als „officium" des Christen gegenüber Gott bezeichnet, sowie die in Anm. 169.171 f genannten Belegstellen. 166

Vgl. Anm. 78.

167

Zur Rezeption der „militia spiritualis"-Vorstellung in „Ad martyras" vgl. Kap. 3.1.2 sowie

die dort in Anm. 98 angegebene Literatur.

142

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

ein Punkt hervorgehoben, der die Kirche von den häretischen Hauptgegnern Valentinus, Marcion und Apelles168 unterscheide.169 Nach BUTTERWECK legt es der Zusammenhang, in dem Tertullian Glaubensinhalte auffuhrt, von denen seine Gegner abweichen, nahe, die Aufforderung zum Martyrium „als kirchliches Gegenstück — in diesem Falle zur Aufforderung, das Martyrium zu umgehen aufzufassen."170 Speziell innerhalb der antignostischen Argumentation findet sich die Rede von der „Notwendigkeit" des Martyriums in „Adversus Valentinianos"171, antikatholisch ausgerichtet ist sein Hinweis auf die „necessitas obeundi martyrii" in der montanistischen Schrift „De corona".172 Neben der unterschiedlichen Ausrichtung der jeweiligen Traktate steht hinter der verstärkten Herausstellung der Gehorsamsforderung aber auch eine Entwicklung innerhalb der Martyrologie Tertullians.173 Diese läßt sich inhaltlich dahingehend charakterisieren, daß Tertullian entsprechend einer zunehmend rigoristischen ethischen Grundhaltung in verstärktem Maße auch den für die Christinnen und Christen verpflichtenden Charakter des Martyritims herausgestellt hat. Die Beantwortung der Frage, ob die nachdrückliche Betonung der Verpflichtung zum Martyrium schon in Tertullians katholische Zeit gehört oder aber erst in den

168

Vgl. De praescr.haer. 30,1-10 (CChr.SL I, 210,1-35). In De praescr.haer. 30,13 (CChr.SL I, 21 l,35f) nennt er darüberhinaus noch Nigidius, Hermogenes „et multi alii". 169 De praescr.haer. 36,4f (CChr.SL I, 217,14.20): „videamus quid didicerit, quid docuerit:... martyrium exhorbatur...". 170 Butterweck, Martyriumssucht, 52. 171 Adv.Val. 30,1 (CChr.SL II, 774,21-23): „Ideoque nec operationes necessarias sibi existimant nec ulla disciplinae munia observant (sc. Valentiniani), martyrii quoque eludentes necessitatem qua volunt interpretatione." 172 De cor. 11,6 (CChr.SL II, 1058,48f). Tertullian geht es hier um die Absage an die nach seiner Darstellung in katholischen Kreisen häufigere Bereitschaft, sich mit den für ihn idololatrischen „Notwendigkeiten" zu arrangieren, die z.B. der Soldatenstand für einen Christen mit sich brachte: „Non admittit status ftdei allegationem necessitatis. Nulla est necessitas delinquendi, quibus una est necessitas non delinquendi. Nam et ad sacrificandum et directo negandum necessitate quis premitur tormentorum sive poenarum. Tarnen nec illi necessitati disciplina conivet, quia potior est necessitas timendae negationis et obeundi martyrii quam evadendae passionis et implendi officii." (De cor. 11,6; CChr.SL II, 1057,43-1058,50) 173 Eine Veränderung in Tertullians Anschauungen zum Martyrium hat auch Barnes, Tertullian, 171, konstatiert: „Tertullian's attitude toward martyrdom changed with the passing years. That is a platitude; but one whose truth has rarely been accurately perceived." Inhaltlich stellt er diesen Wandel aber ausschließlich in bezug auf die Haltung zur Flucht in der Verfolgung dar. Diese auch in anderen Veröffentlichungen zu findende Konzentration auf die Frage der Flucht (vgl. z.B. Karpp, Schrift, 13) stellt aber eine Engfiihrung im Verständnis der tertullianischen Martyrologie dar, denn die Entwicklung umfaßt über die Haltung zur Flucht hinaus mehrere weitere Aspekte, die zusammen einen Komplex von Vorstellungen ergeben, durch den eine absolute Verpflichtung zum Martyrium eingeschärft und und diesem eine singulare Stellung innerhalb der christlichen Ethik zugewiesen wird. Vgl. Kap. 4.5.3.

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

143

Zusammenhang seiner montanistischen Phase174, d.h. ob von einer besonderen „idée montaniste de la nécessité du martyre"175 gesprochen werden kann, hängt unmittelbar mit der umstrittenen Zuordnung von „Scorpiace" zusammen. Zumeist ist dieser Traktat in die montanistische Zeit Tertullians eingeordnet worden.176 Das gerade auch im Vergleich zu „De fuga in persecutione", einer in der Tendenz vergleichbar ausgerichteten Schrift, deutlich hervortretende Fehlen spezifisch montanistischer Aussagen innerhalb der Einschärfung der Pflicht zur Martyriumsbereitschaft stellt diese Einordnung aber nachhaltig infrage.177 Daß an keiner Stelle

174 In bezug auf Tertullians montanistische Zeit stellt sich die in der Forschung allerdings sehr umstrittene Frage, in welchem Maße er der montanistischen Bewegung zuzurechnen ist und wie ausgeprägt der Bruch mit der katholischen Kirche tatsächlich war. Neben der herkömmlichen Sicht der Entwicklung Tertullians, die von einer zunehmenden Abkehr von der Großkirche v.a. aus sittlichen Motiven, einem klaren Bruch mit der Kirche um 207 oder 211-13 und einer weitgehenden Identifikation mit dem Montanismus (so z.B. Karpp, Schrift, 9; Cecil M. Robeck, The Role and Function of Prophetic Gifts for the Church at Carthage, A.D. 202-258, Ann Arbor 1985, 13; Frend, Montanismus, 275) ausgeht, findet sich in der gegenwärtigen Forschung die These, daß Tertullian zwar in bezug auf die moralischen Aspekte mit der montanistischen Bewegung sympathisierte und ihr entsprach, aber nicht eigentlich als Montanist zu verstehen sei, da die genuin montanistischen Themen Prophetie und Eschatologie bei ihm keine zentrale Rolle spielten: „... Montanism, though it was defended by Tertullian, neither conquered his allegiance nor influenced the development of his thought to any great degree ... Tertullian backed the Montanists because he saw in them fellow spiritales, whose thirst for holiness and concern for discipline equalled his own ... Tertullian's real interest was not in prophecy or eschatology, but in sanctification and discipline. To the extent that Montanists shared this overriding concern, Tertullian was prepared to welcome them and defend them from attack. Apart from that, he was not interested" (Bray, Holiness, 62). Gegenüber dieser These läßt sich aber die Frage stellen, ob die Gestalt des Montanismus, die Tertullian in Afrika kennenlernte, noch deijenigen der ursprünglichen „Neuen Prophetie" entsprach, oder bereits eine Modifizierung darstellte, wie es Powell, Tertullianists, 50, sowie Braun, montanisme, 249f, wahrscheinlich gemacht haben. In diesem Fall wäre nicht zu sagen, ob die Themen „Prophetie" und „Eschatologie" noch eine wesentliche Rolle gespielt hätten, bei letzterem ist dies nicht einmal in bezug auf die ursprüngliche „Neue Prophetie" mit solcher Sicherheit zu sagen, wie es in der Forschung zumeist geschieht. Zu dieser Frage vgl. Kap. 3.4. Sowenig wie der Grad der inhaltlichen Identifikation Tertullians mit montanistischen Vorstellungen ist auch derjenige des institutionellen Bruchs mit der katholischen Kirche geklärt. Während in der älteren Forschung zumeist ein formales Schisma vorausgesetzt worden ist (vgl. die bei Powell, Tertullianists, 32, zu findenden Hinweise), haben Powell, Tertullianists, 32-42, und im Anschluß an ihn Rankin, Church, 27-38, u.a. aus dem Fehlen deutlicher Indizien für eine eigene Hierarchie geschlossen, daß die Montanisten in Karthago zu Tertullians Zeiten eine „ecclesiola in ecclesia" dargestellt hätten, nicht aber eine schismatische Sekte. Zu weiteren Äußerungen in bezug auf diese Fragestellung vgl. auch Sider, Approaches, 237f. 175

Monceaux, Histoire, 206, Anm. 7. Neben den in Kap. 2, Anm. 47f genannten Literaturangaben vgl. noch Campenhausen, Martyrium, 117, Anm. 1, sowie die Einordnung in CChr.SL II, 1069-1097. 177 Esser, in: Kellner, BKV 24, 23, hat zur Unterstützung der Zuordnung zur montanistischen Zeit gerade die inhaltliche Nähe zu „De fuga" angeführt. Bei einem Vergleich fällt aber auf, daß die spezifisch montanistischen Aussagen, mit denen Tertullian in „De fuga" die Pflicht zur Martyriumsbereitschaft einschärft (vgl. v.a. De fuga 9.14), in „Scorpiace" gerade nicht auftauchen. So haben für 176

144

Martyrium als Erfüllung der Gehorsamspflicht

dieser Schrift - ganz anders als im Fluchttraktat - auf ein montanistisches Orakel zur Untermauerung der Argumentation zurückgegriffen oder auf das Wirken des Parakleten verwiesen wird, unterstützt die Wahrscheinlichkeit einer Entstehung noch in der katholischen Zeit. Unter dem Aspekt der in diesem Traktat betonten Pflichtmäßigkeit des Martyriums betrachtet ist es allerdings unwahrscheinlich, daß „Scorpiace" aus derselben Zeit wie „Ad uxorem" und „De patientia" stammen kann, in denen Tertullian eine zumindest begrenzte Akzeptanz einer Flucht in der Verfolgung ausdrückt.178 Unter der Voraussetzung, daß die genannten Traktate in die Zeit vor 204-206 gehören179, wäre fur „Scorpiace" dann eine Abfassungszeit in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts des 3. Jahrhunderts, d.h. zum Ende der katholischen Zeit Tertullians, anzunehmen.180 Innerhalb seiner Martyrologie repräsentiert „Scorpiace" ein Stadium, in dem die schon in „Ad martyras" vorausgesetzte Gehorsamsverpflichtung des Christen gegenüber dem Willen Gottes ins Zentrum der Ausführungen rückt und zum grundlegenden Kriterium für die Einschärfung der absoluten Notwendigkeit und Pflichtgemäßheit von Bekenntnis und Martyrium wird. Das Fehlen von Bezügen auf montanistische Vorstellungen zeigt dabei, daß fur diese Entwicklung - anders als in der Literatur zuweilen vorausgesetzt181 - der Montanismus weder ursächlich noch zunächst konstitutiv

eine Zuordnung zur katholischen Zeit auch Barnes, Scorpiace, 115, sowie Braun, Tertullien, 80, auf das Fehlen spezifisch montanistischer Gedanken in „Scorpiace" hingewiesen sowie auf Äußerungen, die für eine eindeutig montanistische Schrift unwahrscheinlich wären (Barnes, Scorpiace, 115-117). Besonders der von Barnes gegebene Hinweis auf die in Scorp. 10 zu findende Auslegung von Mt 16,18, die der in der eindeutig montanistischen Schrift „De pudicitia" (De pud. 21) auftauchenden Exegese dieses Verses nicht entspricht, stellt die zumeist vertretene Einordnung des Traktates in die montanistische Zeit Tertullians infrage. Darüberhinaus wäre auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, mit der Tertullian in Scorp. 11,3 (CChr.SL II, 1090,19f) die Versorgung der inhaftierten Bekenner erwähnt, während dieser Brauch in der eindeutig montanistischen Schrift „De ieiunio" beißender Kritik unterzogen wird. 178 Vgl. Ad ux. 1,3; De pat. 13; zu Tertullians Haltung zur Flucht in der Verfolgung vgl. Kap. 4.4. 179 Altaner/Stuiber, Patrologie, 157, datieren beide Schriften auf die Zeit um 203; Braun, Deus Christianorum, 570f, setzt „De patientia" zwischen 198 und 206 an, „Ad uxorem" um 204; vgl. die weiteren bei ihm referierten Datierungen, die durchgängig von einer Einordnung dieser Traktate zwischen 198 und 206 ausgehen. 180 So datiert z.B. Braun, Tertullien, 80, auf 206/07, Rambaux, Tertullien, 368, setzt „Scorpiace" allgemein an das Ende der katholischen Zeit Tertullians. Für eine genauere zeitliche Einordnung bieten aber weder die Hinweise auf die aktuelle Verfolgungssituation in Scorp. 1 noch auf den kürzlich abgehaltenen „Pythicus agon" (Scorp. 6,2f) einen Anhalt (gegen Barnes, Scorpiace, 125-128). 181 So betont z.B. Klein, Bewußtsein, 274-313, daß sich innerhalb der Entwicklung der tertullianischen Martyrologie der Gedanke der Pflichtmäßigkeit und Notwendigkeit des Martyriums verstärke und führt dies maßgeblich auf die von dem Montanismus, insbesondere von der „Passio

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145

gewesen ist. Ein ethischer Rigorismus kristallisierte sich vielmehr bereits im Laufe seiner katholischen Zeit - in bezug auf das Martyrium maßgeblich unter dem Einfluß der antignostischen Konfrontation - zunehmend heraus und fand dann innerhalb der montanistischen Überlieferungen zusätzlich ihm gemäße Argumente, wie in „De fuga in persecutione" deutlich wird. Im Blick auf die Betonung der Notwendigkeit und Pflichtmäßigkeit des Martyriums wäre hiermit die Auffassung in der Forschung unterstützt, die weniger von einer besonderen Prägung Tertullians durch montanistische Einflüsse ausgeht, als vielmehr in dem Montanismus, den er kennenlernte, eine „Geistesverwandtschaft" mit schon vorher entwickelten Vorstellungen sieht, „a congenial ,home' for his rigorous views".182 Für die schon in vormontanistischer Zeit zu findende nachdrückliche Betonung der Gehorsamsverpflichtung als Grundlage sittlicher Forderungen, insbesondere der Aufforderung zu Martyriumsbereitschaft, ist - wie oben schon erwähnt - nicht zuletzt die Verwurzelung Tertullians in einem römischen Religionsbegriff zu sehen, dem zufolge das Gott-Mensch-Verhältnis wesentlich als ein Gehorsamsverhältnis zu verstehen ist.183 Ein grundsätzlicher Rückbezug auf den Gottes Willen gegenüber notwendigen Gehorsam als Grundlage der Aufforderung zum Martyrium zeigt sich entsprechend denn auch bei seinem im gleichen Traditionsbereich beheimateten „Nachfolger" Cyprian.184 Allerdings unterscheidet Tertullian sich von diesem deutlich hinsichtlich der Nachdrücklichkeit der Einschärfung der Gehorsamsforderung. Bei Cyprian tritt die Betonung der Gehorsamsforderung innerhalb der Martyriumstheologie zurück, was wesentlich mit der Zielrichtung seiner martyrologischen Ausführungen zusammenhängt: Bei ihm überwiegen die panegyrischen Zusammenhänge, und selbst die auf Exhortation ausgerichtete Testimoniensammlung „Ad Fortunatum" zeigt deutlich auch seelsorgerliche Züge. Entweder ist bei den jeweiligen Adressaten die Gehorsamsforderung ohnehin bereits erfüllt oder aber der Hinweis auf die dem Martyrium inhärenten Verheißungen erscheint dem seelsorgerlich ausgerichteten Denken Cyprians erfolgversprechender für die Ermunterung zum Martyrium als jede isolierte und harsche

Perpetuae et Felicitatis" ausgehende Wirkung auf Tertullian zurück. Die Begründung der Pflichtmäßigkeit des Martyriums betrachtet er entsprechend als einen „montanistischen Zielgedanken". 182 Rankin, Church, 50. Vgl. Rankin, Church, 42: „... Tertullian found a measure of congeniality in Montanism, rather that he was particularly influenced by it." 183 Vgl. Anm. 126. 184 Zur Begründung des Martyriums im Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes bei Cyprian vgl. z.B. De dom.or. 15 (CChr.SL ΠΙA, 99,282); ep. 6,2,1 (CChr.SL ΙΠ B, 30,24-31,26); ep. 37,3,2 (CChr.SL III B, 180,68-181,71); ep. 58,5,1 (CChr.SL III C, 325,100-102); Ad Fort.praef. 5,1-5 (CChr.SL III, 185,74-89).

146

Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

Einschärfung der Forderung nach Martyriumsbereitschaft auf Grund des Gehorsams gegenüber Gottes Willen.

4.2.2 Das Martyrium als Akt der Nachfolge Christi Neben der Begründung des Martyriums als gehorsamer Erfüllung des Willens Gottes findet sich bei Tertullian auch seine Begründung als eines Aktes der Nachfolge bzw. Nachahmung Christi.'85 Innerhalb der altkirchlichen Martyriumstheologie des 2. Jahrhunderts stellt der Gedanke der Nachahmung des Herrn im Leiden die grundlegende Kategorie zur Deutung des Martyriumsleidens dar.186 Das Martyrium erscheint dabei, da es in vollkommener Weise dem Weg Jesu bis zur letzten Konsequenz des Todes entspricht, als perfekte, wenn nicht sogar als einzig wahre Form der „imitatio".187 Im Rahmen der Martyrologie Tertullians

185 Im Unterschied zu dem im NT vorherrschenden Verständnis von „Nachfolge" als „Lebensund Leidensgemeinschaft mit dem Messias" (Kittel, Georg, Art. ά κ ο λ ο υ θ ε ΐ ν , in: ThWNTI, 214) teilen Tertullian wie auch später Cyprian das unter hellenistischem Einfluß aufgekommene Verständnis von „Nachfolge" als „Nachahmung" des irdischen Lebens Jesu in einzelnen Zügen, insbesondere seiner Passion, das sich zuerst in l.Petr 2,21 zeigt. Zentral für das Martyriumsverständnis ist die Identifizierung von „Nachfolge" und „Nachahmung" bei Ignatius. Vgl. Karin Bommes, Weizen Gottes - Untersuchungen zur Theologie des Martyriums bei Ignatius, Köln/Bonn 1976, 50: „Das Martyrium ist nach der Aussage der Bezeichnungen „mathaetaes" und „mimaethaes" Nachfolge Christi als Nachahmung seines Todesleidens ..." Verbreitung fand die ImitatioVorstellung des Ignatius nach Gerd Buschmann, Das Martyrium des Polykarp. Übersetzt und erklärt, Göttingen 1998, 84, durch Polykarp. 186 Vgl. Marcel Viller, Martyre et Perfection, in: RAM 6 (1925), 7: „Le premier aspect du martyre dans la littérature chrétienne, son aspect fondamental, c'est qu'il est du Christ l'imitation par excellence. Le martyr est vraiment celui qui suit le Christ partout où il va, son véritable disciple." Zu der Auffassung des Märtyrerleidens als Nachahmung der Passion vor Tertullian vgl. z.B. Apg 7,54-60; Ign.Rom 4,2; 6,2f; IgnMagn 5,2; IgnSmyrn 4,2; PolPhil 1,1; 8,2; MartPol 17,3; 19,1; Eus, HE IV, 22,4; V,l,9f; 2,2; Iren., Adv.haer. 111,12,13; 18,5; Pass.Perp. 18,9. Auch in der Folgezeit ist dieses Motiv wesentlich für die Martyriumstheologie geblieben: Für die römischen Korrespondenzpartner Cyprians sind die Märtyrer „collegae passionis cum Christo" (ep. 31,3), die pseudocyprianische Schrift „De laude martyrii" bezeichnet sie als „consortes passionis" (De laude mart. 14); die Hinrichtung des Pionius ist derjenigen Jesu nachgezeichnet (Pass.Pion. 21 ). Zu diesem Verständnis des Martyriums vgl. E. Ledeur, Art. Imitation du Christ, in: DSp VII,2, 1563-1567; Marc Lods, Confesseurs et martyrs. Successeurs des prophètes dans l'Église des trois premiers siècles, Neuchatel (1958), 24-27, zu weiteren Belegen auch aus späteren Märtyrerakten vgl. Michel Pellegrino, L'imitation du Christ dans les „Actes des martyrs", in: VS 98 (1958), 38-54, bes. 4449; Henri Crouzel, L'imitation et la „suite" de Dieu et du Christ dans les premiers siècles chrétiens, ainsi que leurs sources gréco-romaines et hébraïques, in: JAC 21 (1978), 29f. 187 Vgl. Deléani, Christum sequi, 76; Pellegrino, L'imitation, 38. Die besondere Bedeutung des Martyriums im Rahmen der altkirchlichen Nachfolgetheologie zeigt sich auch in terminologischer Hinsicht: „Suivre, imiter Jésus, ces deux formules scripturaires vont etre rapidement utilisées

Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

147

spielt der Nachfolgegedanke allerdings im Vergleich zu dem Motiv des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes eine sekundäre Rolle. Nach seiner auf die Einschärfung der Pflichtmäßigkeit des Martyriums ausgerichteten Argumentation in „Scorpiace" ergibt sich die Notwendigkeit für das Leiden der Christen aus dem Leiden Christi selbst: Da der Herr Verfolgung und Tod erlitten habe, so müßten auch seine Schüler dasselbe Leiden ertragen und denselben Preis bezahlen, da der Schüler nicht über dem Lehrer, der Knecht nicht über dem Herrn stehen dürfe.188 Wer dieser Forderung entspreche, werde in Leiden und Tod dem Herrn gleich."9 Einen Anklang an die Nachfolgevorstellung bietet Tertullian in „Scorpiace" darüberhinaus dort, wo er von den „vestigia Domini" spricht, die den Aufstieg in die himmlischen Gefilde geebnet hätten190; die Aufforderung, den Fußstapfen Christi bis zur Passion zu folgen, ist implizit enthalten, zumal es die Märtyrer sind, die die „Schlüssel des Himmels" mit sich nehmen werden.191 In „De fuga in persecutione" erscheint die Forderung nach Nachahmung im Leiden in der kategorischen Behauptung Tertullians: Wer sich selbst scheue zu leiden, könne dem nicht angehören, der selbst gelitten habe.192 Als Aufforderung zur Leidensnachfolge erscheint auch eines der in diesem Traktat

avec prédilection pour désigner et comprendre le martyre" (Ledeur, Imitation, 1563). Deléani, Christum sequi, 77-81, erweist detailliert die besondere Zugehörigkeit der Formel „Christum sequi" zur Martyriumstheologie. Dies zeige sich deutlich auch an der altkirchlichen Auslegung neutestamentlicher Texte, die diese Formulierung enthielten; auch wenn sie ursprünglich nicht auf den Glaubenstod bezogen gewesen seien, konnten sie in der patristischen Exegese auf das Martyrium bezogen werden (vgl. z.B. die Auslegung von Apk 14,4 in Eus., HE V, 1,10). Auch Begriffe, die den Wegcharakter der Nachfolge verdeutlichten, gehörten nach Deléani in besonderer Weise zum semantischen Feld des Martyriums (vgl. z.B. Iren., Adv.haer. 111,18,5: „vestigia assequi passionis Domini"; Pass.Mont. 2,1: „ab aquae baptismo ad martyrii coronam immaculato itinere festinare"). 188

Scorp. 9,6 (CChr.SL II, 1085,21-26): „... non est discipulus super magistrum, ... , nec servus super dominum suum (Mt 10,24), quia cum magister et dominus ipse perpessus sit persecutionem et traditionem et occisionem, multo magis servi et discipuli eadem expendere debebunt, ne quasi superiores exempti de iniquitate videantur...". 189 Scorp. 9,6 (CChr.SL II, 1085,26): „... aequari passionibus domini et magistri". Vgl. De praescr.haer. 36,3 (CChr.SL I, 216,11): „... Petrus passioni dominicae adaequatur ...". 190

Scorp. 10,7 (CChr.SL II, 1088,17-21): „... si autem audisti apud Amos: qui ascensum suum aedificat in cáelos, et profusionem suam fundat in terras (Am 9,6), scito et ascensum illum exinde conplanatum vestigiis domini et introitum exinde reseratum viribus Christi...". 191 Scorp. 10,8 (CChr.SL Π, 1088,24-26): „Nam etsi adhuc clausum putas caelum, memento claves eius hic dominum Petro et per eum ecclesiae reliquisse, quas hic unusquisque interrogatus atque confessus feret secum." 192 De fuga 14,2 (CChr.SL II, 1155,15): „Non potest qui pati timet eius esse, qui passus est."

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Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

angeführten montanistischen Orakel193, demzufolge keiner und keine sich wünschen solle, eines gewöhnlichen Todes zu sterben, sondern durch das Martyrium, damit der verherrlicht werde, der vorher für die Christen gelitten habe.194 In beiden Schriften erscheint der Gedanke der Leidensnachfolge als Motivation zur Martyriumsbereitschaft über die genannten Stellen hinaus nur noch in biblischen Zitaten: So nimmt Tertullian in „Scorpiace" l.Petr 2,20f und 4,12-16 auf und charakterisiert dadurch das Martyrium als Nachahmung des von Christus durch sein Leiden gegebenen Vorbildes (exemplum) und als Teilhabe an der Passion Christi.195 In „De fuga in persecutione" zitiert er das Nachfolgelogion Lk 14,26f, um jedes Ausweichen vor der Verfolgung auszuschließen: „Qui pluris fecerit animam suam quam me, non est me dignus et qui non tollit crucem suam et sequitur me, non potest meus esse discipulus."196 Beide Male wird der Aspekt der Nachfolge im Kontext von Tertullian aber nicht weiter expliziert. Im Zusammenhang des gleichen Parakletenspruchs, der in „De fuga" auf diesen Gedanken hinweist, erscheint auch in „De anima" die Vorstellung der Kreuzesnachfolge im Martyrium. Die Forderung des Orakels nach dem Tod durch das Martyrium wird dort durch die an Lk 14,27 angelehnte Formulierung „... si crucem tuam tollas et sequaris dominum" erläutert'97, wodurch dieser ausdrücklich als Akt der Leidensnachfolge charakterisiert wird. Auf die häufige Gleichartigkeit des Todes Christi und der Christinnen und Christen hinsichtlich der Hinrichtungsart bezieht Tertullian sich in „De resurrectione carnis", ohne allerdings dabei den Gedanken der Nachahmung ausdrücklich aufzugreifen.198 Unter der Vorherrschaft des Motivs des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes steht die Aufforderung zur Nachahmung

193

Nach Butterweck, Martyriumssucht, 119, Anm. 179, zeigt die in dem Vergleich zwischen der Zitation dieses Orakels in De fuga 9,4 (vgl. Anm. 194) und derjenigen in De an. 55,5 (vgl. Anm. 197) zutagetretende Variation in dem erläuternden Zusatz, daß dieser jeweils von Tertullian selbst hinzugefügt wurde. Da die Erläuterungen zu „in martyriis" aber in ähnlicher Weise auf den Bezug des Martyriums zum Leiden Christi hinweisen, kann die Variation ebenso durch eine Zitation des Orakels aus dem Gedächtnis erklärt werden. Aland, Bemerkungen, 145, und Heine, Oracles, 7, gehen denn auch von einer Zugehörigkeit dieser Zusätze zum ursprünglichen Orakel aus. 194 De fuga 9,4 (CChr.SL Π, 1147,39-41): „Nolite in lectulis nec in aborsibus et febribus mollibus optare exire, sed in martyriis, uti glorificetur qui est passus pro vobis." 195 Scorp. 12,2 (CChr.SL II, 1092,12-27). 196 De fuga 7,2 (CChr.SL II, 1145,29-31). Lk 14,26 erscheint auch in Scorp. 11,1 (CChr.SL II, 1090,6f) zur Untermauerung der Bekenntnisforderung Christi. 197 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,36-40): „Agnosce itaque differentiam ethnici et fidelis in morte, si pro deo occumbas, ut paracletus monet, non in mollibus febribus et in lectulis, sed in martyriis, si crucem tuam tollas et sequaris dominum, ut ipse praecepit." 198 De res.carn. 8,5 (CChr.SL II, 931,19-932,26): „Age iam, quid de ea (sc. carne) sentis,..., cum denique suppliciis erogatur, enisa reddere Christo vicem moriendo pro ipso ..., et quidem per eandem crucem saepe, nedum per atrociora quoque ingenia poenarum."

Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

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Christi in Wirken und Leiden in „De oratione". Im Zusammenhang der Auslegung der Vater-Unser-Bitte „Dein Wille geschehe" erscheint Christus als „exemplum" der Erfüllung des Willens Gottes. So wie er selbst gehorsam gegenüber dem Vater gewesen sei, indem er nicht seinen eigenen Willen, sondern denjenigen Gottes getan habe, so seien auch die Christen aufgefordert, entsprechend diesem Vorbild zu predigen, zu wirken und zu leiden bis zum Tode.'99 Die gesamten an einen Christen gestellten ethischen Forderungen einschließlich der Bereitschaft zum Glaubenstod werden hier in den Blick genommen, eine besondere Akzentuierung des Martyriums als Kreuzesnachfolge findet dabei aber nicht statt.200 In „De patientia" zeigt sich ebenfalls, daß die ethische Kategorie „Gehorsam" derjenigen der „Nachahmung" übergeordnet ist: Auf die Schilderung des Lebens Jesu unter dem Gesichtspunkt der demütigen Geduld auch in seinem Leiden (De pat. 3) folgt bei Tertullian nicht etwa eine Aufforderung zur Nachahmung dieser Haltung, sondern zum Gehorsam gegenüber dem sich hierin ausdrückenden Willen Gottes (De pat. 4). Der Unterschied zeigt sich deutlich bei einem Vergleich mit den entsprechenden Passagen in Cyprians „De bono patientiae": Nach der Schilderung des Wirkens und Leidens Christi in Geduld (De bon.pat. 5-8) folgt hier nicht die Aufforderung zum Gehorsam gegenüber dem sich in Christus manifestierenden Willen Gottes, sondern zur Nachfolge Christi im Leiden. Demgegenüber zeigt sich bei Tertullian deutlich die Präponderanz des Gehorsams-Motivs: „Tertullian interpreted the imitatio Christi in terms of complete obedience to the will of God."20' Dieser Überblick über die Aufnahme der Nachfolgevorstellung innerhalb martyrologischer Ausführungen Tertullians zeigt, daß diese im Rahmen der zu Leidens- und Martyriumsbereitschaft auffordernden Schriften „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" in einer gegenüber dem Gehorsamsmotiv deutlich nachgeordneten Funktion herangezogen wird, was sich auch durch die erwähnten Stellen aus „De oratione" sowie „De patientia" bestätigt. Die Rezeption dieses Gedankens in „Ad martyras" beschränkt sich auf den Hinweis auf den Rückzug Jesu zum Gebet und zur Abkehr von der „Welt", womit die Inhaftierung und die 199

D e or. 4,3 (CChr.SL 1, 259,13-260,18): „Est et illa Dei voluntas, quam Dominus ad-

ministravit praedicando, operando, sustinendo. Si enim ipse pronuntiavit non suam, sed Patris facere se voluntatem, sine dubio, quae faciebat, ea erat voluntas Patris, ad quae nunc nos velut ad exemplaria provocamur, ut et praedicemus et operemur et sustineamus ad mortem usque." 200

In einer weiteren Stelle in „De oratione" spricht Tertullian davon, daß die Christen sich

„dem Leiden des Herrn nachbildeten" (De or. 14; CChr.SL I, 265,7: „... dominica passione modul a l a ) ... "). Diese Formulierung bezieht sich aber nicht auf das Märtyrerleiden, sondern auf das Nachbilden der Haltung des Herrn am Kreuz durch den Gebetsgestus der ausgebreiteten Arme. 201

Bray, Holiness, 83.

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Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

damit den „martyres designati" eröffnete Möglichkeit zum „Rückzug" von dem „saeculum" und seinen Übeln als Akt der Nachfolge charakterisiert wird.202 Hier geht es - anders als in den oben genannten Stellen - aber auch nicht um die Nachahmung des Leidens Christi im Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer, sondern um eine konsolatorisch ausgerichtete Deutung der Inhaftierung unter Verweis auf einen Aspekt der Vita Jesu. Das Thema „¿e/cfensnachfolge" spielt in diesem Traktat keine Rolle. Es zeigt sich so, daß die Aufforderung zur Nachfolge bzw. Nachahmung Christi für die Begründung des Martyriums und die Einschärfung der Bereitschaft zu Leiden und Tod zwar von Tertullian aufgegriffen worden ist, aber keine hervorragende Bedeutung gewonnen hat.203 Dies entspricht einem prinzipiellen Kennzeichen der tertullianischen Ethik, in welcher im Unterschied zur Ethik Cyprians204 der Gedanke der Nachfolge keine zentrale Rolle spielt: „Den Charakter eines allgemeinen ethischen Formprinzips hat die Idee der Nachfolge bei ihm (sc. Tertullian) kaum erreichen können."205 Dies spiegelt sich deutlich auch in seinem Sprachgebrauch wider: So bezieht sich „sequi" nur an wenigen

202

Ad mart. 2,5.8 (CChr.SL I, 4,15-17.32-5,2): „Christianus etiam extra carcerem saeculo renuntiavit, in carcere autem etiam carceri (sc.saeculi) ... Ipse Dominus in secessu frequentius agebat, ut liberius oraret, ut saeculo cederet... Auferamus carceris nomen, secessum vocemus." Auf die geringe Bedeutung des Nachfolge- bzw. Nachahmungsgedankens in „Ad martyras" hat auch Bray, Holiness, 45, hingewiesen: „This work (sc. Ad martyras) says virtually nothing about following the example set by Christ, although there are references to his teaching ... Obviously fidelity to Christ was not the most important element in Tertullian's definition of a martyr." 203 Daß die Vorstellung der Nachahmung bzw. Nachfolge keinen zentralen Gedanken im Rahmen der Begründung des Martyriums darstellt, heben auch hervor Rambaux, Tertullien, 381, sowie Fredouille, Tertullien, 401f. Nach Klein, Bewußtsein, 215, hat der Gedanke der Nachfolge grundsätzlich im Rahmen der tertullianischen Ethik wie auch im Zusammenhang der Martyriumsexhortation in der montanistischen Zeit Tertullians aber an Bedeutung gewonnen. Da aber „Scorpiace", aus dem die meisten Belege für die Aufnahme des Nachfolgemotivs innerhalb der Begründung des Martyriums stammen, aller Wahrscheinlichkeit nach aus der katholischen Zeit stammt (vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 177), ist diese Auffassung nicht zu halten. 204 Zur Bedeutung der Nachfolge Christi als ethischem Leitbild bei Cyprian vgl. Beck, Recht, 135f; Michel Spanneut, Tertullien et les premiers moralistes africains, Paris (1969), 67f. 205 Klein, Bewußtsein, 215; ähnlich Pétré, L'Exemplum, 141, die die geringe Bedeutung des Nachfolgemotivs bei Tertullian mit der weit größeren bei Cyprian kontrastiert, sowie Crouzel, L'imitation, 33: „Chez Tertullien le thème de l'imitation est d ' u n emploi plus limité." Dennoch finden sich einige Stellen, in denen Tertullian das Nachfolgemotiv im Rahmen ethischer Ermahnungen aufnimmt; so begründet er in De idol. 12,2 (CChr.SL II, 1112,13-15) seine Forderung nach Absage an alle Aspekte des Götzendienstes auch unter Daransetzung des eigenen Auskommens unter Aufnahme der Nachfolgesprüche Lk 9,62 und Lk 9,23. In De pat. 8,3 (CChr.SL I, 308,15f) verweist er auf die Geduld Christi als Vorbild fur das Erleiden von Schlägen und Beleidigungen: „Igitur dominum servi consequamur et maledicamur patienter ut benedicti esse possimus."

Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

151

Stellen auf die Nachfolge Christi206, „imitari" erscheint überhaupt nicht im Kontext ethischer Ermahnungen, „imitatio" wird von Tertullian gar nicht verwendet.207 Mit dem verringerten Interesse an der Nachfolgevorstellung bei Tertullian208 geht ingesamt ein Zurücktreten der christologischen Fundierung des Märtyrerleidens einher. So stellt er nur an vereinzelten Stellen ausdrücklich eine Beziehung zwischen dem Leiden Christi und demjenigen der Märtyrerinnen und Märtyrer her. Die Gleichartigkeit des Todes Christi und der Blutzeugen im Hinblick darauf, daß sie beide von Gott gefordert worden seien, drückt er in „De anima" aus: Gegen jegliche Leugnung der Allgemeinheit des Todes stellt Tertullian dort heraus, daß der Gott Jakobs die Menschen keineswegs den Tod umgehen lassen wolle; vielmehr fordere er ausdrücklich den Tod „per martyrium", den er auch von Christus verlangt habe.205 Hiermit ist zugleich angedeutet, daß der Tod Christi wie auch der von den Christen um des Glaubens Willen erlittene gleichermaßen als „martyrium" verstanden werden können; eine weitere Explizierung erfahrt dieser Gedanke aber nicht. Eine ausdrückliche Verknüpfung zwischen der Bereitschaft zum Martyrium und dem Sühnetod Christi findet sich in „De fuga" in dem Zusammenhang, wo es Tertullian um die Ablehnung des Loskaufs in der Verfolgung geht: Keiner dürfe sich in der Verfolgung um den geringen Preis einer Geldzahlung auslösen, der bereits um den hohen Preis des Blutes Christi losgekauft sei.210 Legt es hier der Kontext nahe, daß die soteriologische Bedeutung des Leidens Christi unter der Kategorie des „Loskaufs" (redemptio, emptio) dargestellt wird 2 ", so zeigt sich aber auch anderweitig in Tertullians Schriften, daß er die Heils-

206 De pat. 8,3 (CChr.SL I, 308,15); D e idol. 12,2 (CChr.SL II, 1112,14); auf das Martyrium bezogen in D e an. 55,5 (CChr.SL II, 863,39); daneben wird „sequi" auch zur Bezeichnung ethischer Nachfolge anderer Personen verwendet (Scorp. 15,4; CChr.SL II,1097,15f: „nec mea interest, quos sequar martyrii magistros..."; D e mon. 6,2; CChr.SL II, 1236,17: „Aut si posteriorem Abraham patrem sequaris..."). In der Mehrzahl der Fälle erscheint dieses Verb aber überhaupt nicht im Zusammenhang ethischer Ermahnungen. Das Derivat „adsequi" findet sich im Zusammenhang der Nachfolge Christi nur innerhalb der Zitation von l.Petr 2 , 2 0 f (Scorp. 12,2; CChr.SL II, 1092,17). 207

Vgl. Gösta Claesson, Index Tertullianeus, Bd. 2, Paris 1975, 730.

208

Vgl. dagegen z.B. IgnRom 6,3; PolPhil 8,2; Eus., HE V, 1,10; 2,2; Iren., Adv.haer. III,

209

De an. 50,4 (CChr.SL II, 856,29f): „... mortem per martyrium quoque ..., quam de Christo

18,5. etiam suo exegit." 210 211

De fuga 12,2f (CChr.SL II, 1149,11-1151,38).

De fuga 12,2 (CChr.SL II, 1150,12f.20f): „·.. hominem ..., quem sanguine suo redemit Christus ... Sol cessit diem emptionis nostrae"; De fuga 12,3 (CChr.SL II, 1150,28-31): „Et Dominus quidem illum redemit ab angelis munditenentibus, (a) potestatibus, a spiritalibus nequitiae, a tenebris huius aevi, a iudicio aeterno, a morte perpetua."

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Martyrium als Akt der Nachfolge Christi

bedeutung des Todes Christi als eine Redemption versteht.212 Das Märtyrerleiden erscheint demgegenüber als ein „Zurückzahlen" dessen, was Christus durch seinen Tod den Christen gegeben habe, als eine „Vergeltung" für das Leiden Christi.213 An einer Stelle in „Scorpiace" bezeichnet er es direkt als „Leiden für Christus"214; der Gedanke der durch den Märtyrertod zu erreichenden Verherrlichung Christi klingt in „De fuga in persecutione" an.215 Im Blick auf das Endgericht zeigt sich zuletzt eine enge Verbindung zwischen den Märtyrerinnen und Märtyrern einerseits und Christus andererseits an den Stellen, an denen Tertullian unter Aufnahme von Mt 10,32(f) die Bekenntnisforderung einschärft216, setzt diese doch das Verhalten der Christen in der Verfolgungssituation in unmittelbare Relation zu der Haltung, die Christus dereinst am Gerichtstag ihnen gegenüber einnehmen werde: Wer Christus verleugne vor den Heiden, werde selbst von Christus vor Gott verleugnet werden, wer aber Christus bekenne, für den werde auch Christus ein Bekenntnis ablegen. Die genannten Belege für eine Verknüpfung zwischen dem Märtyrerleiden und dem Leiden Christi, die sich verstreut über verschiedene Schriften - „Scorpiace", „De anima", „De resurrectione carnis" und „De fuga in persecutione" - finden, sowie der mit der Einschärfung der Bekenntnisforderung gegebene Hinweis auf das in Abhängigkeit von der Leidensbereitschaft der Gläubigen verhängte endzeitliche Urteil Christi relativieren die Einschätzung von CAMPENHAUSENS, daß

212

Vgl. z.B. Ad ux. II, 3,1 (CChr.SL I, 387,10f): „Quod sciam, non sumus nostri, sed pretio empti. Et quali pretio! Sanguine Dei!"; Adv.Marc. V, 14,1 (CChr.SL I, 705,18-20): „Ob hoc igitur missum filium in similitudinem carnis peccati, ut peccati carnem simili substantia redimerei..."; De pud. 6,18 (CChr.SL Π): „... et magno redempta est (se. caro), sanguine scilicet Domini et agni ...". Zu dem Verständnis der Redemption bei Tertullian vgl. Karl Wölfl, Das Heilswirken Gottes durch den Sohn nach Tertullian, Rom 1960, 253f, dem zufolge dieser „redemptio" „im Sinne der Heiligen Schrift verstanden" habe: „Christus hat nicht dem Teufel sein Blut als „Lösepreis" bezahlt, noch war die „aemula operatio" Christi (De carne Chr. 17) eine „pia fraus" im Sinne einer späteren Theologie. Es geht nur darum, den Menschen wieder dahin zurückzufuhren, wo Adam vor der Sünde stand." Tertullian hat in seiner Darstellung des „Loskaufs" der Menschen durch Christus u.a. auf l.Petr 1,19 zurückgegriffen. „Scientes quod non corruptibilibus auro, vel argento redempti estis,..., sed pretioso sanguine quasi agni immaculati Christi." (Vgl. De fuga 12,3; CChr.SL II, 1150,24-26; Ad ux. II, 3,1; CChr.SL I, 387,lOf). 213 Scorp. 15,6 (CChr.SL II, 1097,31f) „... Christus vicem passionis ... exposcat ..."; De res.earn. 8,5 (CChr.SL II, 932,25): „... reddere Christo vicem moriendo pro ipso ..." Vgl. die Bezeichnung „expendere" - „bezahlen" für das Märtyrerleiden in Scorp. 9,6 (CChr.SL H, 1085,25). 214 Scorp. 13,9 (CChr.SL II, 1095,11): „... pro ipso (sc. Christo) pati." Vgl. die in Anm. 213 angeführte Stelle De res.earn. 8,5. 2,5 De fuga 9,4 (CChr.SL II, 1147,39-41). Vgl. Zitat Anm. 194. 216 Scorp. 9,8 (CChr.SL II, 1085,11-15); Scorp. 10,4 (CChr.SL II, 1087,27-1088,29); De fuga 7,1 (CChr.SL II, 1044,9f); De cor. 11,5 (CChr.SL II, 1057,38-42).

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Tertullian „nicht an einer direkten Beziehung des Martyriums auf Christus" liege. 2 " Hinsichtlich des von ihm selbst im Kontext dieser Aussage in den Blick genommenen Zeugnis-Aspektes des Martyriums ist seine Auffassung allerdings zutreffend: Lediglich an einer Stelle in „Scorpiace" erscheint das Bekenntnis des Christseins ausdrücklich als ein Bekenntnis Christi.™ Um eine Argumentation der Gnostiker zu widerlegen, derzufolge ein Christ durchaus sein Christsein verleugnen könne, da er damit noch nicht Christus selbst verleugnet habe219, betont Tertullian die unbedingte Zusammengehörigkeit beider Aspekte. Über diese, letztlich nicht auf eine positive Erfassung des Martyriums als eines Zeugnisses, sondern auf polemische Abwehr einer Relativierung der Bekenntnispflicht ausgerichtete Stelle hinaus findet sich bei ihm kein Hinweis auf ein Verständnis des Martyriums als eines Christuszeugnisses.220 Der Überblick über Tertullians Aufnahme des Nachfolgemotivs in martyrologischen Kontexten, seine Hinweise auf eine Verknüpfung des Leidens der Märtyrerinnen und Märtyrer mit der Passion Christi und auf den Zusammenhang zwischen dem Bekenntnis der Christen und dem endzeitlichen Urteil Christi, sowie seine einmalige Identifikation zwischen dem Bekenntnis des Christseins und dem Bekenntnis Christi zeigt, daß er zwar keinesfalls von dem Christusbezug des Martyriums absieht, dieser aber nicht im Vordergrund seines Martyriumskonzeptes steht. Deutlich weisen die Beiläufigkeit und die häufig nicht zentrale Stellung der genannten Belege innerhalb der Argumentationszusammenhänge darauf hin, daß die spezifisch christologische Fundierung von Bekenntnis und Glaubenstod bei Tertullian zurücktritt221 hinter der Begründung des Martyriums als

217

Campenhausen, Idee, 120. Scorp. 9,9 (CChr.SL II, 1085,17-1086,23): „Qui se Christianum confitetur, Christi se esse testatur, qui Christi est, in Christo sit necesse est. Si in Christo est, in Christo utique confitetur, cum se Christianum confitetur. Hoc enim non potest esse, nisi sit in Christo. Porro in Christo confìtendo Christum quoque confitetur, qui sit in ipso, dum et ipse in ilio est, utpote Christianus est." Unter Verweis auf diese Stelle hat sich Otto, Natura, 151, gegen die zitierte Auffassung von Campenhausens, mit der dieser den Abstand des tertullianischen Konzeptes von der „urchristlichen Märtyreridee" herausstellen will, gewandt. 219 Vgl. Scorp. 9,12 (CChr.SL II, 1086,19-21): „Itaque frustra erit dicere: etsi me negavero Christianum, non negabor a Christo, non enim ipsum negavi." 220 Zu der in Scorp. 8,8 (CChr.SL II, 1083,2-1084,8) auftauchenden Vorstellung eines allgemeinen Zeugnisses für die Wahrheit vgl. K.ap. 5.1. 218

221

Weinrich, Spirit, 279f, stellt heraus, daß hierin bei Tertullian im Vergleich zur Martyriumstheologie des 1. und 2. Jhdts. eine Akzentverschiebung stattgefunden hat: „For the writings just reviewed (sc. die paulinischen Briefe, das Joh-Ev, Ign, MartPol, MartVienne und Lyon), the thought of resurrection from the dead is integral to reflection on Christian suffering and martyrdom. It was integral because martyrdom was christologically founded and oriented ... However, this essentially christological and eschatological perspective rather early began to be lost. Martyrdom began to be

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Der göttliche Beistand im Leiden

eines Aktes menschlichen Gehorsams gegenüber dem zum Leiden auffordernden Gotteswillen. Die geringere Bedeutung des Christusbezuges innerhalb der Martyrologie Tertullians zeigt sich nicht zuletzt auch im Vergleich mit derjenigen Cyprians, in der nicht nur die Nachfolgevorstellung einen wesentlich breiteren Raum einnimmt222, sondern in der das Martyrium auch wesentlich christologisch fundiert ist, indem die durch Leiden und Tod Christi erlangte Erlösung die Verpflichtung der Christen zur eigenen Leidensbereitschaft begründet.223

4.3 Das Verständnis des Wirkens Gottes im Martyrium

4.3.1 Der göttliche Beistand im Leiden Die in den beiden vorangegangenen Kapiteln betrachteten Begründungen für das Martyrium haben die ethische Perspektive der Martyrologie Tertullians aufgezeigt, in der das Martyrium als eine an die Christinnen und Christen auf Grund ihrer Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, zur Nachfolge Christi und zur Bekenntnisbereitschaft gerichtete Forderung erscheint. Daß deren Erfüllung in Gestalt des Bekenntnisses, der Bewahrung der Standhaftigkeit und des Erleidens des Martyriums aber keinesfalls nur als Leistung des Menschen zu verstehen ist, sondern wesentlich auch auf dem Wirken Gottes beruht, ist eine zentrale Vorstellung der martyrologischen Tradition224, die sich auch bei Tertullian niedergeschlagen hat. So geht er bereits in „Ad martyras" davon aus, daß die Gläubigen die zum Martyrium führende Situation, das Verhör und die Inhaftieviewed as a courageous exercise of the human will on behalf of a religious truth... Tertullian, and to a lesser extent the Passion of Perpetua and Felicitas, represent this ethical view." Auf die Auferstehungshoffnung als Begründung der christlichen Leidens- und Todesbereitschaft verweist Tertullian denn auch nur beiläufig in apologetischen Kontexten (vgl. Ad nat. I, 19,2; CChr.SL I, 38,22-25; Apol. 50,11; CChr.SL I, 171,48-50). 222 Vgl. z.B. ep. 6,2,1 (CChr.SL III B, 32,44-47); ep. 58,2,1 (CChr.SL III C, 321,29-31 ); ep. 58,3,1 (CChr.SL m C, 323,67-69); ep. 58,6,3 (CChr.SL III C, 328,145-329,160). Vgl. auch Anm. 205. Campenhausen, Idee, 131-133, unterschlägt die Bedeutung des Nachfolgemotivs und der Christusbeziehung fur Cyprians Martyriumstheologie und ebnet die Konzepte Tertullians und Cyprians in dieser Hinsicht ein. 223 Vgl. z.B. Ad Fort 5 (CChr.SL III, 192,28-31): „... nulla sit homini excusatio pro se non patienti, cum passus sit ille pro nobis, et cum ille passus sit pro alienis peccatis, multo magis pro peccatis suis pati unumquemque debere"; ähnlich ep. 58,6,3 (CChr.SL III C, 328,145-148). 224 Vgl. z.B. Mart.Pol. 2,2; Eus, HE V, 1,42.

Der göttliche Beistand im Leiden

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rung, nur mit Hilfe göttlichen Beistands bestehen könnten. Zuteil werde ihnen dieser in Gestalt des Heiligen Geistes, der sie in den Kerker begleitet habe.225 Seine Gegenwart erscheint zunächst als Voraussetzung für die zur Inhaftierung führende Standhaftigkeit, denn „si enim non vobiscum nunc introisset, nec vos illic hodie fuissetis."226 Darüberhinaus ist die Hilfe des Heiligen Geistes aber ebenso notwendig für die Bewahrung des Glaubensmutes der Märtyrerinnen und Märtyrer im Gefängnis und fur das Erleiden des Martertodes. Deshalb werden die „benedicti martyres designati" von Tertullian unter Rückgriff auf Eph 4,30 aufgefordert, den Geist nicht zu betrüben, damit er bei ihnen bleibe und sie durch das Martyrium zu Christus führe.227 Im Hintergrund dieser Forderung steht die in der Taufe eingegangene Gehorsamsverpflichtung des Christen228; den in der Taufe verliehenen Geist nicht zu betrüben bedeutet, dem Taufeid zu entsprechen und sich als gehorsam gegenüber den Forderungen Gottes zu erweisen. Gerade im Kerker sei der „miles Christi" den Anfechtungen des Teufels in besonderer Weise ausgesetzt, gelte dieser doch als „domus diaboli".229 Auch hier unter den vielfältigen Entbehrungen und physischen Härten nicht in Gehässigkeiten und Zwist zu verfallen und den Frieden zu bewahren heiße, den Versuchungen des Teufels nicht nachzugeben230 und dem „sacramentum" gerecht zu werden. Nur ein solches Verhalten garantiert also nach Tertullian das Verbleiben des Geistes bei den

225 Ad mart. 1,3 (CChr.SL I, 3,13f): „... (Spiritus sanctus), qui vobiscum introiit carcerem." Zur Rolle des Heiligen Geistes in der tertullianischen Martyrologie vgl. Poschmann, Bernhard, Paenitentia secunda — Die kirchliche Buße im ältesten Christentum bis Cyprian und Orígenes, Bonn 1940, 280f; Bender, Wolfgang, Die Lehre über den Heiligen Geist bei Tertullian, München 1961, 144f. Speziell zum Wirken des Geistes im Zusammenhang des Märtyrerleidens vgl. Viller, Marcel, Les martyrs et l'Esprit, in: RSR 14 (1924), 544-551. 226

Ad mart. 1,3 (CChr.SL I, 3,14f). Ad mart. 1,3 (CChr.SL I, 3,12-16): „Inprimis ergo, benedicti, nolite contristare spiritum sanctum, qui vobiscum introiit carcerem... Et ideo date operam, ut illic vobiscum perseveret, ita vos inde perducat ad dominum." 228 Daß bei Tertullians Ausführungen in „Ad martyras" die in der Taufe eingegangene Gehorsamsverpflichtung des „miles Christi" grundlegend ist, zeigen Ad mart. 3,1 (CChr.SL I, 5,1 lf): „Vocati sumus ad militiam Dei vivi iam tunc, cum in sacramenti verba respondimus" und Ad mart. 3,4 (CChr.SL I, 5,26f): „Itaque epistates vester Christus Iesus, qui vos Spiritu unxit, et ad hoc scamma produxit...". Zu der Vermittlung des Heiligen Geistes durch die nach der Taufe erfolgende Salbung vgl. De bapt. 7 , l f (CChr.SL I, 282,1-11). 227

229 230

Ad mart. 1,4 (CChr.SL I, 3,16f).

Vgl. Ad mart. 1,5 (CChr.SL I, 3,20f): „Non ergo dicat (sc. diabolus): ,ln meo sunt, temptabo illos vilibus odiis, defectionibus, aut inter se dissensionibus...'... pax vestra bellum est illi". Daß Ruhe und Frieden die Voraussetzungen zur Bewahrung des Geistes bilden, hat Tertullian auch in De spect. 15,2 (CChr.SL I, 240,6-9) herausgestellt: „Deus praecepit spiritum sanctum, utpote pro naturae suae bono tenerum et delicatum, tranquillitate et lenitate et quiete et pace tractare, non furore, non bile, non ira, non dolore inquietare."

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Der göttliche Beistand im Leiden

Bekennern und damit die Ermöglichung des Martyriums. Daß das Verbleiben des Geistes an Bedingungen geknüpft ist, zeigt Tertullian auch in „De patientia": Wer der als „Begleiterin" des Heiligen Geistes auftretenden Geduld keinen Raum in seinem Leben gewähre, werde auch diesen selbst wieder verlieren.231 Da beide aber notwendig zur Vollendung eines Martyriums seien232, könnten diejenigen also, die die Gaben des Geistes nicht bewahrten, auch kein Martyrium erleiden. In „Scorpiace" hat Tertullian die Notwendigkeit des Wirkens des Geistes zur Bewahrung der Standhaftigkeit am „exemplum" der drei Jünglinge im Feuerofen herausgestellt. Bereits in der Zeit der „antiquitas", des Alten Bundes, seien diejenigen, die sich von dem Geist fuhren ließen, von diesem zum Martyrium gefuhrt worden.233 Für die drei Männer habe dies bedeutet, daß sie in der Situation, in der der babylonische König die Verehrung seines Götterbildes befahl, die Forderung des Glaubens nach unbedingter Standhaftigkeit gegenüber der Verfuhrung zur Idololatrie erfüllen konnten.234 Darüberhinaus erwähnt Tertullian in diesem Traktat die den Christen nach Mt 10,19f zugesagte Hilfe des Geistes in der Bekenntnissituation: „Sed cum prohibet (sc. Christus) meditari responsionem ad tribunal, fámulos suos instruit, spiritum sanctum responsurum repromittit ...",235 Über diese beiden Stellen hinaus wird das göttliche Wirken innerhalb der ganz auf die Einschärfung der menschlichen Verpflichtung zur Leidensbereitschaft ausgerichteten Schrift „Scorpiace" aber nicht weiter thematisiert. Eine größere Rolle spielt die Vorstellung des für das Erleiden des Martyriums notwendigen göttlichen Beistands innerhalb der montanistischen Schrift „De fuga in persecutione". Von der von Gott durch die Schrift und durch die Offenbarung

231 De pat. 15,7 (CChr.SL I, 316,27-31): „Cum ergo spiritus dei descendit, individua patientia comitatur eum. Si non cum spiritu admiserimus, in nobis morabitur semper? Immo nescio an diutius perseveret: sine sua comité ac ministra omni loco ac tempore angatur necesse est...". 232 De pat. 15,2 (CChr.SL I, 316,5-10): „omnia enim placita eius (sc. Dei) tuetur (sc. patientia), omnibus mandatis eius intervenit:... martyria consummat...". 233 Scorp. 8,4 (CChr.SL Π, 1083,6-8): „Et utique qui spiritu dei agebantur, ab ipso in martyria dirigebantur etiam patiendo quae et praedicassent." Nach De praescr.haer. 13,5 (CChr.SL I, 198,12f) bezeichnet „agere" in der „Regula fidei" das Wirken des von Christus gesandten Geistes in den Gläubigen. 234 Scorp. 8,4 (CChr.SL II, 1083,8-11): „Proinde et trina fraternitas, cum dedicatio imaginis regiae turbam urgeret officii, non ignoraverunt, quid fides, quae sola in illis captiva non fuerat, exigeret, moriendum scilicet adversus idololatrian." 235 Scorp. 11,3 (CChr.SL Π, 1090,17-19). Das Verbot Christi, im voraus die Antwort vor dem Gericht zu bedenken, erwähnt Tertullian auch in Adv.Marc. IV, 39,6 (CCChr.SL I, 652,lf): „Et hic igitur ipse cogitari vetat, quid responden oporteat apud tribunalia ..."

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des Parakleten autoritativ erhobenen Forderung nach dem Martyrium236 werden die Christen nach Tertullians Darstellung als solche betroffen, denen Gott seinen Sohn zur Bewahrung ihres Glaubens gesandt habe, die also in der Verfolgungssituation die „protectio a filio" für sich hätten.237 Gott habe die Macht, auch in der vermeintlich schutzlosen Situation der Verfolgung Schutz zu bieten.238 Wer sich durch eine Flucht dieser Situation zu entziehen suche, offenbare mangelndes Vertrauen in Gottes „potentia protectionis".239 Eine wesentliche Beistandsfunktion

236

Der Paraklet erhält in „De fuga in persecutione" die Funktion einer verbindlich zum Martyrium auffordernden Instanz zugeschrieben. Im Hintergrund steht das montanistische Prinzip einer durch das Kommen des Parakleten eröffneten Offenbarung, die die bereits im Evangelium gegebene ergänze und verschärfe. In dem von Gott zur Unterweisung der Menschen zur Gerechtigkeit durchgeführten Offenbarungsprogramm sei die letzte von vier Stufen erreicht (De virg.vel. 1,7; CChr.SL II, 1210,46-50: „Sic et iustitia (...) primo fuit in rudimentis, natura deum metuens; dehinc per legem et prophetas promovit in infantiam, dehinc per evangeliam efferbuit in iuventutem, nunc per Paracletum componitur in maturitatem."), in der der Paraklet sittliche Forderungen verkünde, die den Christen bislang noch nicht zugemutet worden seien (vgl. De mon. 2,If; CChr.SL II, 1229,261230,13). Ziel dieser auschließlich auf die „disciplina" (vgl. De virg.vel. 1,5; CChr.SL II, 1209,35,1210,38; zu dem die moralischen Vorschriften, die gemeindlichen Vollzüge, aber auch einige Lehrfragen umfassenden Bedeutungsgehalt von „disciplina" bei Tertullian vgl. Valentin Morel, Le développement de la „disciplina" sous l'action du Saint-Esprit chez Tertullien, in: RHE 35 (1939), 243-265, bes. 261), nicht aber auf den unveränderlichen Inhalt der „Regula fidei" bezogenen Offenbarungstätigkeit des Parakleten ist nach Tertullian die Heiligung des Christen durch einen sittlich einwandfreien Lebenswandel (De pud. 11,3; CChr.SL Π, 1302,17f):„·•· nemo sanctus ante spiritum sanctum de caelo repraesentatum ipsius disciplinae determinatorem"; vgl. die Bezeichnung des Parakleten als ,,sanctificator(..) fidei eorum qui credunt in Patrem et Filium et spiritum sanctum" in Adv.Prax. 2,1; CChr.SL II, 1160,15f)· Zu diesem auf die „disciplina" bezogenen Wirken des Heiligen Geistes vgl. Morel, développement, passim; Bray, Holiness, 105f, grundsätzlich zu Tertullians Lehre vom Parakleten vgl. Bender, Lehre, 150-168, sowie Henry Barclay Swete, The Holy Spirit in the Ancient Church - A Study of Christian Teaching in the Age of the Fathers, London 1912, 78-80. In „De foga" erhält der Paraklet eine verbindliche adhortative Funktion in bezug auf die Verpflichtung zum Martyrium zugewiesen. Unter Verweis auf ein montanistisches Orakel betont Tertullian, daß der Geist zum Martyrium auffordere: „Spiritum vero si consulas, quid magis sermone ilio Spiritus probat? Namque omnes paene ad martyrium exhortantur, non ad fugam ..." (De fuga 9,4; CChr.SL II, 1147,32-34). Im Gegensatz dazu würden diejenigen, die sich der Pflicht zum Martyrium auf dem Wege der Flucht entziehen wollten, von dem Parakleten beschimpft: „Si et Spiritum quis agnoverit, audiet fugitivos denotantem" (De fuga 11,2; CChr.SL II, 1149,24f)· 237 De fuga 2,4 (CChr.SL Π, 1137,37-40): „Per quod ostenditur utrumque apud deum esse, et concussionem fidei et protectionem, cum utrumque ab eo petitur, concussio a diabolo, protectio a filio." Vgl. De fuga 2,5 (CChr.SL II, 1138,41-43). In De fuga 10,3 (CChr.SL II, 1148,25) spricht er von demjenigen, der nicht fliehe, als „confidens ... de tutela Domini." 238 De fuga 5,2 (CChr.SL II, 1141,14-18): „Si vero in Deo totum est, cur non totum relinquimus arbitrio eius, agnoscentes virtutem et potestatem, quod possit (sc. deus) nos sicut fugientes reducere in medium, ita et non fugientes, immo et in medio populo conversantes obumbrare?" 239 De fuga 5,3 (CChr.SL II, 1141,18-21): „Quale est, ut ad fiigiendum Deo honorem reddas, qui possit te etiam fìigientem producere in medium, ad constandum autem inhonores ilium desperans potentiam protectionis ab ilio?"

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in der Verfolgung erhält in „De fuga in persecutione" der Paraklet zugewiesen.240 Derjenige, der ihn empfangen habe, könne auf jeden Fall standhaft dem Martyrium entgegenblicken; Flucht oder Loskauf, jegliches Ausweichen vor dem Martyrium, seien fur ihn vollkommen unnötig, denn der Paraklet werde ihm im Leiden beistehen und - wie Tertullian auch hier im Anschluß an Mt 10,19f zusagt - vor Gericht für ihn sprechen.241 Dies bedeutet für Tertullian aber auch, daß der Beistand des Parakleten notwendig für die Standhaftigkeit im Leiden ist242; letztlich können also nur diejenigen, die den Parakleten annehmen, ein Martyrium erleiden, da auch nur sie die Notwendigkeit und Pflichtgemäßheit des Martyriums erkannt hätten. Diejenigen, die den Parakleten und seine Prophetien zurückwiesen, würden hingegen jede Möglichkeit wahrnehmen, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.243 Sowohl die Erkenntnis der Notwendigkeit des Martyriums als auch die Standhaftigkeit im Leiden sind also für den Montanisten Tertullian auf die Geistkirche beschränkt; in bezug auf die „psychici", die katholischen Christen, die den Geist nicht annehmen244, wird hiermit sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeit zum Martyrium geleugnet. Die göttliche Gegenwart als unbedingte Voraussetzung für das Erdulden der Märtyrerleiden wird von Tertullian auch in der späten montanistischen Schrift

240

Zur grundsätzlichen Beistandsfunktion des Parakleten vgl. De ieiun. 13,5 (CChr.SL II, 1272,60f); De mon. 3,10 (CChr.SL Π, 1232,77f), wo der Paraklet als „advocatus" bezeichnet wird. Nach Heinrich Hoppe, Syntax und Stil des Tertullian, Leipzig 1903, 118, hat „advocare" bei Tertullian häufig die Bedeutung des griechischen π α ρ α κ α λ ε ί ν (trösten, helfen). 241 De fuga 14,3 (CChr.SL II, 1155,22-24): „Quem qui receperunt, neque fugere persecutionem neque redimere noverunt, habentes ipsum, qui pro nobis erit, sicut locuturus in interrogatione ita iuvaturus in passione." 242 De fuga 14,2f (CChr.SL II, 1155,18-22): , 3 t ideo multi vocati, pauci electi. Non quaeritur, qui latam viam sequi paratus sit, sed qui angustam. Et ideo Paracletus necessarius, deductor omnium veritatum, exhortator omnium tolerantiarum." Zu der aus dieser den Traktat abschließenden Aussage abgeleiteten Charakterisierung von „De fuga" als „montanistischen Protreptikus" durch Barnes, Scorpiace, 118, vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 161. 243

Vgl. De cor. l,4f (CChr.SL II, 1040,26-32): „Plane superest, ut etiam martyria recusare meditentur qui prophetias eiusdem spiritus sancti respuerunt... Nec dubito quosdam secundum scripturas emigrare, sarcinas expedire, fugae accingi de civitate in civitatem. Nullam enim aliam evangelii memoriam curant." 244 Vgl. De mon. 1,3 (CChr.SL Π, 1229,17). Nach Rankin, Church, 28, meint Tertullian mit „psychici" nicht „the Catholic church and its hierarchy in toto, but rather ... a particular element within that church." Diese Auffassung hängt zusammen mit seiner These, daß sich die Montanisten in Karthago nicht als schismatische Gruppierung abgespalten, sondern eine „ecclesiola in ecclesia" gebildet hätten, aus der heraus er seinen „ K a m p f ' für eine rigorosere christliche Disziplin gefuhrt hätte. Als „psychici" erschienen diejenigen seiner Mitchristen, insbesondere unter den Klerikern, die die Forderungen des Parakleten ablehnten: „... regardless of their precise identity, it is their failure properly to recognize the Paraclete ..., that identifies them as „Psychici"." (Rankin, Church, 49)

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„Adversus Praxean"245 herausgestellt: „... nec nos pati pro deo possumus nisi Spiritus Dei sit in nobis .. ."246, wobei er hier zum dritten Mal die in Mt 10,19f verheißene Hilfe in der Bekenntnissituation erwähnt.247 In diesem Kontext, in dem er gegen den Modalisten Praxeas die absolute Leidensunfähigkeit Gottes betonen will, ist es für ihn allerdings wesentlich, darauf zu verweisen, daß der „Geist Gottes"248 nicht selbst leide, sondern den Bekennern nur die Fähigkeit zum Leiden verleihe.249 Daß die Gegenwart und der Beistand Gottes, des Sohnes und des Heiligen Geistes, konstitutiv für das Erleiden eines Martyriums sind, ist für Tertullian schon in der frühen Schrift „Ad martyras" sowie in „Scorpiace" selbstverständlich; stärker noch stellt er die Bindung des Martyriums an die göttliche Gegenwart aber in der montanistischen Schrift „De fuga in persecutione" heraus.250 Dennoch zeigt sich durchgängig in seinen martyrologischen Ausführungen, daß das Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer aber immer dasjenige der Menschen bleibt. Obwohl die in „Adversus Praxean" getroffene explizite Einschränkung, daß der „Geist Gottes" nicht selbst leide, durch die antipatripassianistische Polemik des Kon-

245

Zu den zwischen 213 und 218 schwankenden Datierungen vgl. Braun, Deus Christianorum,

246

Adv.Prax. 29,7 (CChr.SL II, 1203,46). Adv.Prax. 29,7 (CChr.SL II, 1203,46f): „••• qui et loquitur de nobis quae sunt confessio-

576. 247

nis...". 248 „spiritus Dei" meint bei Tertullian die göttliche Substanz Christi. Zu dieser Verwendung von „spiritus Dei" vgl. weiter Cantalamessa, Cristologia, 49-51. „Spiritus Dei" bezeichne „una porzione della sostanza divina, passata nel Figlio" (Cantalamessa, Cristologia, 51). Zu „spiritus Dei" als Bezeichnung fur Christus vgl. z.B. De or. 1,1 (CChr.SL I, 257,2f): „Dei spiritus et Dei sermo et Dei ratio,..., Iesus Christus..." 249 Adv.Prax. 29,7 (CChr.SL II, 1203,47f): „··· non ipse (sc. spiritus Dei) tarnen patiens sed pati posse praestans." Zur Intention dieses Zusammenhangs vgl. Wölfl, Heilswirken, 248: „Der Geist Gottes als solcher hat nicht gelitten (...). Gelitten hat vielmehr nur die Caro. Sobald nämlich gesagt würde, der Sermo habe mitgelitten, stünde einer „compassio" des Vaters (...) nichts mehr im Wege." 250

Vgl. Weinrich, Spirit, 259f: „According to Tertullian, therefore, the Holy Spirit is the divine instrument by whose aid the Christian perseveres in the worship of the one, true God and in obedience to God's commands. By enabling the Christian to persevere, the Spirit in effect guides and exhorts to martyrdom.. While this view occurs in the non-Montanist works of Tertullian (Ad mart. 1,3; Scorp. 8,3; 9,3), it is most prevalent in the Montanist work, De fuga in persecutione, where the activity of the Spirit is especially viewed as the strength required to overcome the weakness of the flesh." Auch Butterweck, Martyriumssucht, 62, stellt heraus, daß Tertullian in bezug auf „das betonte Wirken des Hl. Geistes" in „De fuga" über das hinaus gehe, was er bereits in „Scorpiace" gesagt habe. Dieses ermögliche es einerseits, „sich von den Anweisungen inkonsequenter Amtsträger zu distanzieren", und andererseits eröffne es die Möglichkeit, „in einer Zeit zuversichtlich zu existieren, in der das Christentum noch so wenig verbreitet und bekannt ist, daß es ständig mit Gewaltmaßnahmen rechnen muß ...".

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textes bedingt ist, ist sie grundsätzlich auch für die anderen Schriften Tertullians zutreffend. An keiner Stelle findet sich bei ihm der Gedanke, daß Christus selbst im Märtyrer kämpfe und leide.251 Hierin unterscheidet er sich deutlich von in dem Brief der Märtyrer von Vienne und Lyon, in der „Passio Perpetuae et Felicitatis" sowie später bei Cyprian deutlich werdenden Vorstellungen.252 Gerade bei letzterem hat der Gedanke der Christuspräsenz im Märtyrer eine besondere Bedeutung gewonnen253: Christus selbst kämpfe und siege in dem Märtyrer, deshalb sei dessen Sieg nicht seiner eigenen Stärke anzurechen, sondern als Werk Christi anzusehen, der aus Liebe und Güte das belohne, was er selbst geleistet habe.254 Christus kröne zwar die Märtyrer, aber zugleich gebühre der Ruhm fur das Marty-

251 Der Gedanke der Christuspräsenz im Märtyrer spielt bei Tertullian grundsätzlich kaum eine Rolle. Er wird von ihm nur an einer Stelle aufgegriffen: „Si propterea Christus in martyre est, ut moechos et fornicatores martyr absolvat..." (De pud. 22,6; CChr.SL II, 1329,29f). Der Kontext und die konditionale Formulierung zeigen aber, daß es Tertullian hier nicht um eine eigene positive Aussage zur Christusgegenwart im Märtyrer geht (gegen Hans Achelis, Das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten, Bd. II, Leipzig 1912, Exkurs 87; Hippolyte Delehaye, Les Origines du Culte des Martyrs, Brüssel 1933 2 , 9; Fredouille, Tertullien, 402, Anm. 139), sondern um die Wiedergabe einer allgemein vertretenen Anschauung, die er im Hinblick auf die katholischen Märtyrer ad absurdum fuhren will. Vgl. Lods, Confesseurs, 27, dem zufolge Tertullian in De pud. 22,6 schreibe, „qu'il est courant parmi les chrétiens de dire que le Christ habite dans le martyr." Im Kontext der Martyriumsthematik spricht Tertullian über De pud. 22 hinaus noch an drei Stellen über die Christuspräsenz (Scorp. 9,9; CChr.SL II, 1086,21-23; De fuga 10,3; CChr.SL II, 1147,16-18; De fuga 12,7; CChr.SL II, 1150,37f), dort geht es aber nicht um die besondere Gegenwart Christi in den Märtyrern, sondern um die auf der Taufe beruhende Christusgegenwart in allen Gläubigen. Daß der Gedanke der Christuspräsenz von Tertullian nicht weiter aufgegriffen wird, betont auch Campenhausen, Idee, 92. Tertullian versuche vielmehr, in seiner Martyrologie „dem heiligen Geist seine Stellung zu bewahren". Im Hintergrund dieses Votums steht aber Campenhausens ausdrückliche Differenzierung zwischen der Vorstellung der Gegenwart des Geistes und derjenigen Christi in der Martyriumstheologie: „Urchristlich ist nicht der Glaube an eine besondere Gegenwart Christi im Martyrium, sondern an die Sendung des Geistes." Ersterer begegne erst im 2. Jhdt. flüchtig und werde im 3. Jhdt. dann weiter entfaltet. (Campenhausen, Idee, 90) Bei Cyprian zeigt sich aber, daß entgegen dieser Differenzierung von einer inneren Zusammengehörigkeit beider Vorstellungen ausgegangen werden kann (vgl. ep. 10,3; CChr.SL III B, 50,50-58; ep. 76,5,1; CChr.SL III C, 613,110-115, wo jeweils K a m p f u n d Sieg Christi im Märtyrer biblisch durch Mt 10,19f begründet werden). 252

Zu der Vorstellung des in dem Märtyrer leidenden Christus in dem Brief der Märtyrer von Vienne und Lyon vgl. Eus. HE V, 1,23.29.41 f. Zu der entsprechenden Vorstellung in der Passio Perpetuae vgl. den Ausspruch der Felicitas in Pass.Perp. 15,6 (Habermehl, Passio, 20): „Modo ego patior quod patior; illic autem alius erit in me qui patietur pro me, quia et ego pro ilio passura sum." Zur Interpretation dieser Stellen vgl. Jensen, Töchter, 248: „In diesem Kampf sind Christus und der Märtyrer so sehr eins, daß sie als Subjekte vertauschbar werden: Christus leidet im Märtyrer, der Märtyrer erneuert den Sieg Christi." 253 ep. 10,3 (CChr.SL IH Β, 50,50-52): „Quam laetus illic Christus fuit, quam libens in talibus suis et pugnavit et vicit...". 254

ep. 76,5,1 (CChr.SL III C, 613,110-112); ep. 76,4,2 (CChr.SL III C, 613,103-109).

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rium ihm, so daß er selbst im Märtyrer gekrönt werde.255 Die Präsenz Christi im Märtyrer verbürge zugleich dessen sicheren Sieg.256 Demgegenüber wird nach Tertullians martyrologischen Vorstellungen der Kampf im Martyrium nicht von Christus ausgefochten, sondern vom Menschen, der im Martyrium seinem Gott gegenübersteht, der von ihm Gehorsam erwartet.257 So muß der Mensch sich trotz göttlicher Beistandszusage auch durch die Übung seiner Tugend und Tapferkeit, seiner „virtus", d.h. durch die "praeparatio ad martyrium", auf das Martyrium vorbereiten.258 Deses Verständnis eines zwar durch den Beistand des Geistes bzw. Christi erst ermöglichten und von diesen unterstützten, letztlich aber von den Christinnen und Christen selbst zu bestehenden Kampfes zeigt sich auch in der plastischen Darstellung des Martyriums als eines „Wettkampfes" in „Ad martyras".259 Dieser finde zwar in der Gegenwart des Geistes wie auch Gottvaters und des Sohnes statt, aber die auf sie übertragenen Bezeichnungen aus dem Bereich des antiken Wettkampfwesens260 weisen weder dem Geist noch Christus eine aktiv kämpfende Rolle zu. In den aufgeführten Aussagen Tertullians zum göttlichen Wirken in Bekenntnis und Martyrium zeigen sich also zwei Seiten. Zum einen ist die durch die Taufe

255 256

ep. 10,4,4 (CChr.SL DI B, 54,98).

ep. 10,1,2 (CChr.SL ΙΠ B, 47,17-22). Zu dieser Vorstellung bei Cyprian vgl. Hummel, Concept, 9, sowie Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 243: „Cristo es presentado como actual combatiente junto al miles, en un acción intima de presente ...". Seit dem 4. Jhdt. hat sich die Vorstellung der Christuspräsenz in dem Titel „Christophoros" niedergeschlagen. Vgl. Dölger, Franz Josef, Christophoros als Ehrentitel für Märtyrer und Heilige im christlichen Altertum, in: AuC IV (1934), 73-80. 257 Vgl. die entsprechende Einschätzung bei Weinrich, Spirit, 266: „... Christ or the Holy Spirit are ministers of divine exhortation and support who help and aid the Christian to remain faithfully steadfast. But Christ and the Spirit are not themselves actively engaged in conflict. The martyr is by and large alone in his martyrdom, required to exercise his virtue and courage lest he prove himself unworthy and become subject to God's condemnation." 258 Dieses Nebeneinander wird besonders deutlich in Ad mart. 3,1-5 (CChr.SL I, 5,11 -6,9): Die Entbehrungen des Gefängnisses bereiten die Christen zum Erleiden des Martyriums vor, wie die Übungen im Feldlager die Soldaten auf den Krieg und das Training die Athleten auf den Wettkampf in der Arena vorbereiten. Die Härten und Entbehrungen, die im Kerker zu erdulden sind, dienen so „ad exercitationem virtutum animi et corporis" (Ad mart. 3,3; CChr.SL 1, 5,22f), denn „virtus duritia exstruitur" (Ad mart. 3,5; CChr.SL I, 6,9). Zur Bedeutung des Gedankens der notwendigen „praeparatio ad martyrium" in Tertullians Konzept vgl. auch Kap. 3.1.2, Anm. 108. 259 Ad mart. 3,3f (CChr.SL I, 5,23-29): „Bonum agonem subituri estis in quo agonothetes Deus vivus, xystarches Spiritus Sanctus... Itaque epistates vester Christus Iesus, qui vos Spiritu unxit, et ad hoc scamma produxit, voluit vos ante diem agonis ad duriorem tractationem a liberiore condicione seponere, ut vires corroborarentur in vobis." 260 Zu diesen Bezeichnungen („agonothetes", „xystarches", „epistates") und ihrer Interpreation vgl. ausführlich Kap. 3.1.2.

Der göttliche Beistand im Leiden

162

den Christinnen und Christen verliehene Gegenwart des Geistes notwendig zum Bestehen der Herausforderungssituation.261 In diesem Sinne beruht die Erfüllung der auf das Martyrium zielenden Forderung Gottes auf der vorlaufenden Gnade Gottes und kann entsprechend als Gabe Gottes verstanden werden.262 Besonders GOOCH hat in seiner Interpretation der tertullianischen Ethik auf die Ermöglichung christlicher Vollkommenheit durch die in der Taufe geschenkte Gabe des Heiligen Geistes aufmerksam gemacht, durch die die Christen in den Stand versetzt würden, das Leben zu leben, das Adam nach Gottes Willen hatte leben sollen.263 Insofern sei die Erfüllung des Willens Gottes durch die Gläubigen „a gift of grace and a response to grace".264 Die damit gegebene Rückbindung des Martyriums an die Taufe nicht nur im Sinne der darin eingegangenen Gehorsamsbindung gegenüber Gott, sondern der durch die Gabe des Geistes geschenkten Ermöglichung, dem neuen Status zu entsprechen und die Forderungen Gottes zu erfüllen, stellt ein Korrektiv dar gegenüber einer ausschließlichen Betonung des menschlichen

261 Zum E m p f a n g des Geistes in der Taufe vgl. De bapt. 5-8 (CChr.SL I, 280,1-283,30); De res.carn. 8,3 (CChr.SL Π, 931,11); De an. 1,4 (CChr.SL Π, 782,26ff). Der Getaufte erhält ein neues Kleid, das „indumentum spiritus sancti" (De pud. 9,11 ; CChr.SL II, 1298); ihm wird in der Taufe der Geist erneut zuteil, den Adam bereits empfangen, aber durch seine Übertretung wieder verloren hatte: „Recipit (homo) enim illum dei spiritum quem tunc de adflatu eius (sc. Dei) acceperat sed post amiserat per delictum." (De bapt. 5,7; CChr.SL I, 282) Der Mensch wird durch den Empfang des Geistes Gottes erneut in den Zustand versetzt, den er vor dem Fall innehatte; er erlangt erneut die verlorengegangene „similitudo Dei": „Ita restituitur homo deo ad similitudinem eius, qui retro ad imaginem dei fuerat - imago in effigie, similitudo in aetemitate censentur - . " (De bapt. 5,7; CChr.SL I, 282) Diese „Wiedergeburt" (vgl. De bapt. 20,5; CChr.SL I, 295,29: „lavacrum novi natalis"; De exhort.cast. 1,4; CChr.SL II, 1015,17f: „secunda nativitas") des Christen als geistlicher Mensch ist die Voraussetzung für ein heiligmäßiges Leben, d.h. auch für das Erleiden des Martyriums, denn der Geist ist die bewegende Macht in den Gläubigen (De praescr.haer. 13,5; CChr.SL I, 198). 262 So auch Lods, Confesseurs, 29: „Donc il n'y a pas de martyre possible sans la présence et l'action du Saint-Esprit; le martyre est réellement un don de l'Esprit." 263 Im Anschluß an Bray, Holiness, 89ff, hat Gooch auf die von Tertullian übernommene Rekapitulationstheorie hingewiesen: In Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi ist die durch den Fall verlorengegangene Gleichheit mit Gott wiederhergestellt worden. Die Erlösung ist durch Christus gekommen und wird in der Taufe zugeeignet. Durch diese ist der Christ eine neue Schöpfung, dem die Sünden vergeben sind und der durch die Gabe des Heiligen Geistes die Möglichkeit erhält, das Leben zu leben, das Adam vor dem Fall leben sollte. Die Forderung, diesem neuen Status zu entsprechen, erscheint nach Gooch, Concept, 89, als Zentrum der tertullianischen Ethik; entscheidend ist bei der Erfüllung dieser Forderung aber, daß dem Menschen durch die Erlösung und die Zueignung der Erlösung in der Taufe Gottes Gnade vorlaufend zuteil geworden ist und diese Erfüllung insofern als Gabe Gottes zu verstehen ist: „Christian holiness is a derived holiness, in the sense that it is a gift from God. It is a grace given to Adam and lost in the Fall, but restored to its fullness in the recapitulatio, when the lost likeness to God is restored and joined to the image. Sanctification is conferred in baptism, the sacrament of recapitulation" (Gooch, Concept, 105). 264

Gooch, Concept, 79.

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Handelns im Martyrium und einer Abkoppelung des Märtyrerleidens vom Gnadenhandeln Gottes.265 Auf der anderen Seite erscheint aber in Tertullians Martyriumskonzept die Vorstellung vom Glaubenstod als eines „göttlichen" Ereignisses in zweierlei Hinsicht zurückgedrängt: Zum einen durch die oben erwähnte Zurückhaltung gegenüber der sonst durchaus verbreiteten Vorstellung eines aktiven Kampfes Christi in den Märtyrerinnen und Märtyrern, zum anderen dadurch, daß das Martyrium mit einer Ausnahme266 an keiner Stelle bei ihm betont als besondere Gabe oder Würdigung Gottes herausgestellt wird. Anders als die „Passio Perpetuae"267, aber vor allem auch sein „Nachfolger" Cyprian, der explizit herausgestellt hat, daß das Martyrium nicht in der Macht des Menschen liege, sondern in der Gnade Gottes268, hat Tertullian das Martyrium nicht als Ausdruck der „dignatio divina" bezeichnet.269 So findet sich bei ihm auch nicht die Vorstellung eines für das Erleiden des Martyriums notwendigen „Rufes" seitens Gottes. Für Tertullian „there was no need to wait for a special divine command" in bezug auf das Martyrium.270 Damit weist die Martyrologie Tertullians trotz der tauftheologischen Fundierung eine besonders im Vergleich zu derjenigen Cyprians stärkere anthropozentrische Perspektive auf, in der das ethische Handeln der Menschen und ihr Leiden den Wert des Martyriums bestimmt, während das Gnadenhandeln Gottes zwar vorausgesetzt, aber nicht in besonderer Weise betont wird.

265

Grundsätzlich für das ethische Konzept Tertullians findet sich eine solche Gewichtung bei Thönnes, Caelestia recogita, 125: „... Tertullian (kennt) noch keine ausgeprägte Gnadentheologie, die es erlaubte, in der rechten Lebenspraxis einfach den Ausfluß göttlicher Begnadung zu sehen. Das rechte Tun hängt v.a. von der rechten Erkenntnis und der konsequenten Befolgung dessen ab, was als gut und richtig erkannt wird. Es ist Leistung der Bekehrten und Getauften." 266 In Scorp. 13,9 (CChr.SL II, 1095,lOf) spricht Tertullian von Paulus, der „beatos affirmavit quibus donatum esset non tantum credere in Christum, sed etiam pro ipso pati." 267 Pass.Perp. 1,5 (Habermehl, Passio, 6) spricht von der „martyrum dignatio". 268 De mort. 17 (CChr.SL III A,26,281f): „·•• non est in tua potestate sed in Dei dignatione martyrium." Der entsprechende Begriff „divina dignatio" bzw. „dominica dignatio" findet sich durchgängig in seinen Ausführungen zum Märtyrerleiden innerhalb seiner Korrespondenz (ep. 5,2,1 ; CChr.SL III B, 27,19; ep. 11,1,3; CChr.SL ΠΙ B, 58,28; ep. 12,1,1; CChr.SL III B, 68,14; ep. 28,1,1,; CChr.SL III B, 133,8; ep. 28,2,3; CChr.SL III B, 135,42; ep. 37,1,2; CChr.SL III B, 177,11; ep. 39,4,1; CChr.SL III B, 190,61f u.a.). Die Häufigkeit seiner Aufnahme zeigt, welch zentrale Bedeutung Cyprian der Bindung des Martyriums an die Gnade Gottes beimißt. 269 Obwohl z.B. De pat. 11,4 (CChr.SL I, 311,13-15) zeigt, daß auch er die Vorstellung einer besonderen Würdigung durch Gott mit dem Begriff „dignatio" bezeichnen kann: „Quin insuper gratulari et gaudere nos decet dignatione divinae castigationis ...". 270 Droge/Tabor, Death, 148. Unzutreffend Campenhausen, Idee, 123, der davon ausgeht, daß „Tertullian betont..., daß das Martyrium keine Sache sei, die der Mensch nach seinem Ermessen auswählen kann, sondern fur die er durch Gott, der den Geist senden muß, auserwählt wird."

164

Die Gaben des Geistes

4.3.2 Die Gaben des Geistes in den Märtyrerinnen und Märtyrern Diese Gewichtung spiegelt sich auch Tertullians Haltung zu einer besonderen Geistesbegabung der Märtyrerinnen und Märtyrer wider. Innerhalb der martyrologischen Tradition des 2. und 3. Jahrhunderts, insbesondere in den Märtyrerakten, hat sich die Bedeutung des Wirkens des Heiligen Geistes im Martyrium vielfach auch an den den Märtyrerinnen und Märtyrern zugeschriebenen Geistesgaben gezeigt. In Prophetien, Visionen und Wundern wurde ihre außerordentliche Geisterflilltheit für die Umwelt sichtbar.271 Tertullian hat sich in seinen Äußerungen zum Märtyrerleiden aber nur sehr am Rande auf entsprechende Aufweise der Wirksamkeit des Geistes bezogen. Als Ausdruck ihrer besonderen Teilhabe am göttlichen Geist erscheint zunächst die in „Ad martyras" den Inhaftierten zugesprochene Tröstung, daß der Kerker zwar von unangenehmem Geruch erfüllt sei, sie aber selbst einen „Wohlgeruch" (odor suavitatis) darstellten.272 Diese auch anderweitig in der altkirchlichen Martyriumstheologie auftauchende Vorstellung, daß von den Märtyrern ein besonderer

271 Vgl. Apg 7,55f; Mart.Pol. 5,2;7,3;9,l;15,lf;16,l; Pass.Perp. 4;10; Hipp., In Dan. II, 38,4; Cypr., ep. 10,4; Vita Cypr. 12; Acta Carpi 39; Pass.Mar.et Jac. 6,5-15;7,l-8;8,l-16;ll,l-6; Pass.Mont.et Luc. 5;7;8;11;21; Eus, HE V, l,9f. Zu den Zeichen besonderer Geisterfülltheit der Märtyrer besonders in den Märtyrerakten vgl. Lods, Confesseurs, 29-31. Zu der Rolle der Prophetie in der Darstellung der Martyrien vgl. auch Heinrich Kraft, Zur Enstehung des altchristlichen Märtyrertitels, in: Ecclesia et Res publica. FS K.D. Schmidt, Göttingen (1962), 72: „Alte Martyrien, wie die Passio Perpetuae, haben die ... prophetischen Fähigkeiten der Märtyrer festgehalten und den Zusammenhang zwischen dem Martyrium und der prophetischen Gabe bewahrt." Daß den Märtyrern ein besonderer OfFenbarungsempfang zugeschrieben wurde, kann möglicherweise zusätzlich auch mit der in der Antike weit verbreiteten und auch im Christentum übernommenen (vgl. z.B. Tert., De an. 53,2-5; Cypr., De mort. 19) Vorstellung zusammenhängen, daß Sterbende, deren Seele sich schon ein Stück weit vom Leib gelöst hat, eine höhere Erkenntnis besitzen. Vgl. Waszink, De anima, 544; Joseph A. Fischer, Studien zum Todesgedanken in der Alten Kirche, München 1954, 31. Die Geisterflilltheit der Märtyrer ist auch durch die Vorstellung einer Unempfindlichkeit gegenüber den Torturen und Schmerzen ausgedrückt worden: vgl. Eus., HE V,1,22.24.51.56; Mart.Pol. 2,2,; Cypr., ep. 31,3; Pass.Mar.et Jac. 6,1-5; Pass.Mont.et Luc. 21,3f; Acta Carpi 35. Zu dieser Vorstellung vgl. Lods, Confesseurs, 32f; Campenhausen, Idee, 154, mit Anm. 4; Ernst Lucius, Die Anfänge des Heiligenkultes in der christlichen Kirche, Tübingen 1904, 59f. Bei Tertullian erscheint dieser Gedanke lediglich angedeutet in Ad mart. 2,9f (CChr.SL II, 5,3-7): „Vagare spiritu, spatiare spiritu, et non stadia opaca aut porticus longas proponens tibi, sed illam viam, quae ad Deum ducit. Quotiens eam spiritu deambulaveris, totiens in carcere non eris. Nihil crus sentit in nervo, cum animus in caelo est." Die Unempfindlichkeit gegenüber Haft und Fesseln beruht hier auch nicht auf dem Beistand und der Gegenwart Christi bzw. des Geistes Gottes (vgl. z.B. MartPol. 2,2), sondern auf der Vorstellung einer Entfernung des Geistes des Menschen („spiritus", „animus") aus dem Körper. 272

Ad mart. 2,4 (CChr.SL I, 4,13): „Triste illic exspirat, sed vos odor estis suavitatis."

Die Gaben des Geistes

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„Wohlgeruch" ausgehe273, erscheint als Symbol für die göttliche Gegenwart274, indem Gott als „eigentliche Quelle des Wohlgeruchs" durch seinen Sohn und seinen Geist den Bekennern und Märtyrern Anteil an dem göttlichen „odor" gibt.275 Daß Tertullian mit diesem Bild auch auf die mit dem Motiv des „Wohlgeruchs" in der biblischen Tradition verbundene Opfervorstellung276 hinweisen will, erscheint insofern eher unwahrscheinlich, als er an keiner Stelle seiner martyrologischen Ausführungen den Gedanken des „Opfers" auf die Märtyrerinnen und Märtyrer überträgt.277 Über diese metaphorische Umschreibung göttlicher Präsenz hinaus scheint die Vorstellung einer besonderen Wirksamkeit des Geistes in den Märtyrerinnen und Märtyrern aber keine positive Funktion im Zusammenhang seiner Deutung des Martyriums gehabt zu haben: Obwohl Tertullian sich grundsätzlich - zumindest in montanistischen Schriften278 - mehrfach auf geistgewirkte Orakel und Visionen bezieht279, werden speziell den von ihm angesprochenen oder erwähnten

273

Vgl. Mart.Pol. 15,2; Eus., HE V, 1,35; Eus., Mart.Pal. 11,27. Biblisch verankert ist diese Vorstellung in 2.Kor2,14-16. Zur Übernahme dieser Stelle bei den Märtyrern von Vienne und Lyon vgl. Victor Saxer, Bible et Hagiographie. Textes et thèmes bibliques dans les Actes des martyrs authentiques des premiers siècles, Bern/Franklurt/New York (1986), 52-54. 274 Vgl. Weinrich, Spirit, 171: „A sweet odor was often symbolic of the divine presence." Zu entsprechenden Vorstellungen in der antiken Religiosität vgl. Bernhard Körting, Wohlgeruch der Heiligkeit, in: Theodor Klauser (Hg.), Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenkschrift für Alfred Stuiber (JAC E. 9), Münster 1982, 168f. 275 Kötting, Wohlgeruch, 173. 276

Vgl. Gen 8,21; Eph 5,1 f. Zu dem Zusammenhang zwischen dem Motiv des „Wohlgeruchs" und der Opfervorstellung vgl. Kötting, Wohlgeruch, 172f; Buschmann, Martyrium des Polykarp, 302-305, sowie Annick Lallemand, Le parfum des martyrs dans les Actes de Lyon et le Martyre de Polycarpe, in: StPatr 16 (1985), 186-192. Im Zusammenhang dieser Vorstellung sei der von den Märtyrern ausgehende „Wohlgeruch" dann als „sinnbildlicher Ausdruck des Wohlgefallens zu verstehen, das Gott an den Märtyrern hat, da sie auserlesene und Gott wohlgefällige Opfer sind." (Richard Klein/Peter Guyot, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Bd. I. Die Christen im heidnischen Staat, Darmstadt 1993, 333, Anm. 58) 277 Hierin unterscheidet er sich deutlich von Ignatius, dem „Martyrium Polycarpi" und Cyprian. Vgl. Kap. 4.2.1, Anm.136, Kap. 4.5.2, Anm. 546. Bei Cyprian findet sich eine an Phil 4,18 anknüpfende deutliche Verbindung zwischen der Vorstellung des Opfers und dem „Wohlgeruch" in De dom.or. 33 (CChr.SL III A, 111,626-632), wobei sich „sacrificium" dort aber auf gute Werke bezieht: „Nam quando qui miseretur pauperi Deo faenerat et qui dat minimis Deo donat, spiritai iter Deo suavitatis odore sacrificat." 278 Während Bray, Holiness, 62, pauschal von einem weitgehenden Desinteresse Tertullians an Fragen der Prophetie spricht, betont Robeck, Role, 192, daß zwar bis 207 wenig Bezüge auf prophetische Gaben in Tertullians Schriften zu finden seien, diese aber in der montanistischen Zeit zunähmen. 279 In bezug auf seine Zeit erwähnt Tertullian an zwei Stellen einen besonderen Oflfenbarungsempfang einer Frau (De an. 9,4; CChr.SL II, 792, 24-28; De virg.vel. 17,3; CChr.SL II, 1226,2429). Zu diesen Belegen sowie den Bezügen auf geistgewirkte Orakel bei Tertullian vgl. ausfuhrlich

166

Die Gaben des Geistes

Märtyrerinnen und Märtyrern mit einer Ausnahme keine Wunder, Visionen oder prophetische Gaben als Erweis des Geistes zugeschrieben.280 Lediglich in „De anima" weist er auf eine Vision der Märtyrerin Perpetua hin.28' In dem einzigen weiteren Zusammenhang, in dem Tertullian die Vorstellung der prophetischen Gabe bei Märtyrern aufgreift, geht es ihm nicht um eine Reflexion der Geisterfülltheit von Blutzeugen, für die die Prophetie ein Zeichen wäre, sondern um eine von montanistischer Warte aus geübte Kritik an der Beanspruchung geistlicher Vollmacht seitens katholischer Märtyrer. Im Zusammenhang seiner in „De pudicitia" ausgeführten grundsätzlichen Polemik gegen die Möglichkeit der Vergebung auch

Robeck, Role, 192-255. Grundsätzlich von der prophetischen Gabe bei Frauen spricht er in Adv.Marc.V, 8,12; CChr.SL I, 688,23f). Im Blick auf biblische Gestalten betont er mehrfach die geistliche Ekstase Adams (De ieiun. 3,2; CChr.SL II, 1259,7-9; De an. 11,4; CChr.SL II, 797,3335; De an. 21,2; CChr.SL II, 813,5f; De an. 45,3; CChr.SL II, 849,13-15), die Geistbegabung Daniels (De ieiun. 9,2; CChr.SL Π, 1265,21-25), die besondere Geisterfulltheit Petri (Adv.Marc. IV, 22,4f; CChr.SL I, 601,27-602,9), der Apostel, deren Geistbegabung diejenige der normalen Gläubigen übertreffe (De exhort.cast. 4,6; CChr.SL II, 1022,39-42), sowie die prophetische Gabe des Hauptmanns Cornelius (De ieiun. 8,4; CChr.SL Π, 1265,6-9). Grundsätzliche Ausführungen zu den Geistesbegabungen finden sich in Adv.Marc. V,8 (CChr.SL 1,685,1-688,3). Weitere Nachrichten über Offenbarungen befanden sich nach Swete, Holy Spirit, 78f, wahrscheinlich in den von Hieronymus (De virili. 24,40,53) Tertullian zugeschriebenen, aber verlorengegangenen sechs Büchern „De ecstasin". 280

Dieser Befund fiele anders aus, wenn die möglicherweise von Tertullian redigierte „Passio Perpetuae et Felicitatis" als Quelle für von ihm geteilte Anschauungen herangezogen werden könnte. Das Verhältnis zwischen Tertullian und der Passio bleibt aber bis heute in der Forschung umstritten. Auf der einen Seite ist auf Grund von Ähnlichkeiten in Wortwahl und Stil sowie gedanklicher Korrespondenzen zwischen Tertullians Schriften und dem Pro- bzw. Epilog der Passio (1-2.14-21) vielfach seine Autorschaft für diese Abschnitte behauptet worden: z.B. von Pierre de Labriolle, Tertullien, auteur du prologue et de la conclusion de la passion de Perpétue et de Félicité, in: BALAC 3 (1913), 126-132; Campenhausen, Idee, 117, Anm. 2; Klein, Bewußtsein, 274-313. Auf der anderen Seite ist nicht selten auch gegen Tertullian als Redaktor der Passio und Verfasser der genannten Abschnitte votiert worden: z.B. von Monceaux, Histoire, 83f, sowie auf Grund stilistischer und linguistischer Untersuchungen von Âke Fridh, Le problème de la Passion des saintes Perpetue et Felicité, in: SGLG 26 (1968), 11-45, und René Braun, Nouvelles observations sur le rédacteur de la „Passio Perpetuae", in: VigChr 33 (1979), 105-117. Barnes, Tertullian, 265, Weinrich, Spirit, 224, und Robeck, Role, 33, weisen auf die fehlerhafte Aufnahme einer Vision der Passio in Tertullians „De anima" hin, in der er zum einen die Vision des Saturus der Perpetua zuschreibe und zum anderen auch den Inhalt leicht verändere (vgl. Kap. 4.5.3, Anm. 575); ein solcher Unterschied lasse Tertullian als Redaktor der Passio wenig wahrscheinlich erscheinen. Zur ausführlichen Diskussion dieser Frage vgl. Robeck, Role, 30-34, der das bisherige Unvermögen der Forschung herausstellt, „to determine precisely who the final author/redactor of the Passion was". (Robeck, Role, 33) Auf Grund der m.E. berechtigten Skepsis gegenüber einer Autor-/Redaktorschaft Tertullians wird die Passio Perpetuae hier nicht als Quelle für von ihm vertretene Anschauungen herangezogen. 281

De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32f): „Quomodo Perpetua, fortissima martyr, sub die passionis in revelatione paradisi solos illic martyras vidit...". Zu der hier wahrscheinlich vorliegenden Verwechslung der Vision des Saturus mit der der Perpetua vgl. Kap. 4.5.3, Anm. 575.

Die Gaben des Geistes

167

schwerer postbaptismaler Sünden innerhalb der Großkirche, der gegenüber er als Praxis des „Geistes" die Unvergebbarkeit dieser Sünden herausstellt282, wendet er sich abschließend gegen die bei den Katholiken zu findende Ausweitung des Rechtes zur Sündenvergebung auch auf die Märtyrer als letztem Indiz für deren „geistlose" Bußpraxis.283 Ausgehend von der Prämisse, daß jegliche Sündenvergebungsvollmacht prinzipiell ausschließlich der „Geistkirche" (ecclesia spiritus) zustehe2"4, erweist Tertullian die fehlende geistliche Legitimierung der katholischen Märtyrer. Als Kriterium für ihre Geistbegabung erscheint die prophetische Gabe zur Erkenntnis der „occulta cordis", der „Geheimisse des Herzens".285 Mit der von ihm selbstverständlich vorausgesetzten Unerfullbarkeit dieses Kriteriums seitens der inhaftierten Katholiken illustriert er ihre sich in der Anmaßung der Sündenvergebungsvollmacht seiner Ansicht nach manifestierende Hybris.286 Die Erwähnung der prophetischen Gabe fungiert also hier genau wie in seiner Polemik gegen den katholischen Adressaten des Traktates287, von dem er ebenfalls „prophetica exempla" zur Legitimierung der Vergebung schwerer Sünden fordert288, als negatives Indiz für die von Tertullian behauptete mangelnde Geistbegabung innerhalb der „ecclesia numerus episcoporum", zu der auch die katholischen Märtyrer zählen.

282

De pud. 21,7 (CChr.SL II, 1326,27-31). Vgl. Kap. 5.2.2, Anm. 101. De pud. 22,1 (CChr.SL Π, 1328,lf): „At tu (sc. psychice) iam et in martyras tuos effundis hanc potestatem." Zu Tertullians Haltung zur Sündenvergebungsvollmacht der Märtyrer vgl. Kap. 5.2.2. 284 De pud. 21,17 (CChr.SL II, 1328,76-78): „Et ideo ecclesia quidem delieta donabit, sed ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non ecclesia numerus episcoporum." 285 De pud. 22,6 (CChr.SL II, 1329,29-31): „Si propterea Christus in martyre est, ut moechos et fornicatores martyr absoluat, occulta cordis edicat, ut ita delieta concédât..." Zum Verständnis dieser Stelle vgl. Bender, Lehre, 165: „Alle Gewalt in der Kirche ist... vom göttlichen Geist, von einer Teilhabe an der göttlichen Geist-Substanz abhängig. Diese Gegenwart des Geistes will Tertullian durch den Aufweis prophetischer Gaben unter Beweis gestellt wissen: nur daran ist die Gottheit zu erkennen und damit auch die Berechtigung eines Anspruchs auf die Macht, die Sünden zu vergeben." Die „Kenntnis der Geheimnisse der Herzen" ist ein Merkmal geistgewirkter prophetischer Gabe: Vgl. Adv.Marc. V,8,12 (CChr.SL I, 688,19f): „... qui (sc. prophetae) tarnen non de humano sensu, sed de dei spiritu sint locuti, qui et futura praenuntiarint et cordis occulta traduxerint"; ähnlich De an. 9,4 (CChr.SL II, 792,28); De an. 15,4 (CChr.SL II, 801,22f). Zu der Vorstellung des Propheten als „kardiognostaes" vgl. Heinrich Weinel, Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenäus, Freiburg/Br. 1899, 183-190. 286 Der Märtyrer stellt sich damit an Christi Stelle: „... ut ita delieta concédât, et Christus est" (De pud. 22,6; CChr.SL II, 1329,31f). 287 Zu der Frage des Adressaten von „De pudicitia" vgl. Kap. 5.2.2, Anm. 95 288 De pud. 21,5 (CChr.SL II, 1326,21-24): „Exhibe igitur et nunc mihi, apostolice, prophetica exempla, ut agnoscam divinitatem, et vindica tibi delictorum eiusmodi remittendorum potestatem." 283

168

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

Da er darüberhinaus aber auch an keiner Stelle von einer besonderen Geisterfiilltheit der Märtyrerinnen und Märtyrer der „Neuen Prophetie" spricht, zeigt sich, daß die Vorstellung einer hervorgehobenen spirituellen Begabung mit den entsprechenden „notae" Prophetien, Visionen und Wunder289 innerhalb seiner Martyrologie insgesamt keine positive Funktion zur Beschreibung der herausgehobenen Würde von Bekenntnis und Martyrium gehabt hat.290 Selbst Cyprian, der auf Grund seiner Auseinandersetzungen mit den charismatisch begründeten Ansprüchen der Bekenner auf Sündenvergebungsvollmacht nur wenig Interesse gehabt hat, ihre geistliche Begabung herauszustellen, spricht zumindest an zwei Stellen in selbstverständlicher Weise von der prophetischen Gabe bzw. einer Vision, die Märtyrern zuteil geworden seien.291 So zeigt sich auch unter diesem Aspekt wieder deutlich das Zurücktreten der Sicht des Martyriums als eines im eigentlichen Sinne „göttlichen" Ereignisses bei Tertullian.

4.4 Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung in der Verfolgung

Im Anschluß an die Darstellung der martyrologischen Begründung bei Tertullian und die Betrachtung des göttlichen Wirkens im Martyrium stellt sich die Frage, welche Haltung zu der Möglichkeit einer Flucht in der Verfolgung einerseits und einer Selbstauslieferung gegenüber den Heiden andererseits aus seinem Verständnis des Martyriums als verpflichtender Tat des Gehorsams sowie der zurücktretenden Gewichtung des göttlichen Gnadenhandelns im Martyrium resultiert.

289

In De exhort.cast. 4,6 (CChr.SL Π, 1022,40f) zählt Tertullian als Zeichen der besonderen Geisterfiilltheit der Apostel auf: Werke der Prophetie, Wirksamkeit der (Wunder)kräfte, Bewährung der Sprachengabe („opera prophetiae, efficacia virtutum, documenta linguarum"). 290 Gegen Frend, Cult, 155, der pauschal zu den Auffassungen in Karthago zur Zeit Tertullians bemerkt: „Confession and martyrdom were regarded as the supreme manifestations of divine favour towards an individual, permitting him to enjoy visions of the Lord while in prison and revelations concerning the future." Robeck, Role, 389f, betont hingegen zutreffend, daß bei Tertullian der durch die „Passio Perpetuae" und auch durch Cyprian belegte Zusammenhang zwischen Verfolgung und dem Hervortreten prophetischer Gaben nur ansatzweise gegeben sei: „... Tertullian's citations as well as his use of prophetic oracles with two exceptions appear not to be directly related to persecution and martyrdom." 291 Von der prophetischen Begabung des Märtyrers Mappalicus spricht Cyprian in ep. 10,4,1 (CChr.SL ΙΠΒ, 51,59-63), eine nächtliche Vision des Bekenners Celerinus berichteter in ep. 39,1,2 (CChr.SL III B, 187,15). Darüberhinaus übt aber auch er große Zurückhaltung gegenüber der Herausstellung besonderer charismatischer Gaben der Bekenner und Märtyrer.

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

169

Um eine bessere Einordnung seiner Bewertung dieser Verhaltensweisen zu ermöglichen, soll zunächst kurz ein Überblick über das Spektrum der in der Alten Kirche vertretenen Auffassungen zu dieser Thematik gegeben werden.

Exkurs: Flucht und Selbstauslieferung in der altkirchlichen Martyriumstheologie Sowohl nach christlichen als auch nach einigen heidnischen Zeugnissen zeichneten sich die Christen in den Augen ihrer heidnischen Umwelt durch eine besondere Leidens- und Todesbereitschaft aus.292 Ihre eigene theologische Wertung des Martyriums als Tat vollkommenen Gehorsams, vollkommener Liebe und perfekter Nachahmung des leidenden Herrn, der höchster Ruhm bei Gott in Aussicht steht, legte eine durchgängige Bereitwilligkeit zum Martyrium ebenso nahe. Demgegenüber zeigte sich in der Praxis der verfolgten Kirche aber sowohl unter Laien als auch unter Klerikern durchaus eine breite Spanne der Handlungsweisen. So finden sich auf der einen Seite die Provokation der Heiden2n sowie die freiwillige Auslieferung zum Martyrium,294 Zuweilen zeigt sich der unbedingte Wunsch nach dem Martyrium, wie z.B. bei Ignatius, der die römische Gemeinde auffordert, keinerlei Maßnahmen zur Verhinderung seines Martyriums zu ergreifen.295 Daneben steht die Akzeptanz des Martyriumstodes, wo er durch Pogrome und Verurteilungen in Christenprozessen bedingt ist. Daß die Annahme dieses Todes dabei nicht selten

292

Vgl. die von Tertullian zitierten heidnischen Aussprüche: „Ergo, inquitis, cur querimini, quod vos insequamur, si pati vultis, cum diligere debeatis, per quos patimini quod vultis?" (Apol. 50,1; CChr.SL I, 169,1-3); , , ' Ω δ ε ι λ ο ί , e i θ έ λ ε τ ε ά π ο θ ν ή σ κ ε ι ν , κ ρ η μ ν ο ύ ς ή β ρ ό χ ο υ ς έ χ ε τ ε " (Ad Scap. 5,1; CChr.SL II, 1131,7-1132,8). Zu den heidnischen Zeugnissen fur die Todesbereitschaft der Christen vgl. Kap. 5.1, Aran. 14 sowie ausführlich Butterweck, Martyriumssucht, 92-106. 293

Vgl. z.B. Eus., De mart.palaest. 4,9; Pass.Marc. 1,1; Pass.Eupli lf. Vgl. z.B. Mart.Pol. 4; Pass.Perp. 4,3; Act.Carpi 42-47; Tert., Ad Scap. 5,1 ; Eus., HE IV, 41,7; V,l,9f.49f; VI, 41,16.22f; VII, 12; Eus., De mart.palaest. 3. Orígenes kann nach der Darstellung Eusebs nur durch das Verstecken seiner Kleider von einer Selbstauslieferung abgehalten werden (Eus., HE VI, 2,3-5). Zu weiteren Belegen fiir Selbstauslieferungen vgl. Achelis, Christentum, Bd. Π, Exkurs 85, sowie Droge/Tabor, Death, 152-155. G.E.M. de Ste Croix, Why were the early Christians persecuted ?, in: PaP 26 (1963), 21, betont, daß der Kreis derer, die sich selbst auslieferten, sich nicht auf die von der Großkirche als häretisch eingestuften Gruppierungen, wie Montanisten oder im 4. Jhdt. Donatisten, beschränkte; seiner Auffassung nach war die Selbstauslieferung „a good deal more common among the orthodox than is generally admitted". Aus welchen Motivationen heraus die Selbstauslieferungen erfolgten, ist sicherlich sehr unterschiedlich gewesen und heute nicht zweifelsfrei rekonstruierbar. Vgl. z.B. die Deutung der in der Passio Perpetuae berichteten Selbstauslieferung des Saturus (Pass.Perp. 4,5; Habermehl, Passio, 10) bei Bames, Tertullian, 77-79, der sie als Zeichen des montanistischen Enthusiasmus' der karthagischen Bekenner ansieht. Demgegenüber behauptet Weinrich, Spirit, 228:„Not Montanist enthusiasm but a sense of continuing responsibility toward the imprisoned group motivated Saturus." 294

295

Ign.Rom. 4,1.

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

170

von Ängsten bestimmt ist, spiegelt sich ebenfalls deutlich in den Quellen wider.296 Auf der anderen Seite zeigt sich als Verhalten in der Verfolgung aber auch die Flucht vor den Behörden297 sowie das Ausweichen vor dem Martyrium durch Loskauf.298 Neben der breit bezeugten Annahme des Glaubenstodes stellte die Flucht in der Verfolgungssituation dabei vermutlich die häufigste Reaktion der Gläubigen dar: „Indications of the scale of the different responses to persecution show quite clearly that the preponderant one was flight"299 Die Wahl dieses Schrittes bedeutete dabei für die Betroffenen zum einen den Verlust ihres Vermögens, das zumeist konfisziert wurde, so daß nicht nur sie selbst, sondern ihre gesamte „familia" davon nachhaltig mit betroffen waren.300 Zum anderen zog

296 Herrn., Sim. IX. 28,3f. berichtet, daß einige Märtyrer freudig, andere hingegen furchtsam und zaghaft Leiden und Sterben erduldet hätten. Auf Ängste vor dem Martyrium weist auch Cyprians Überlegung in bezug auf die Sterblichkeit in der Pestepidemie hin, welche Frauen die Furcht vor der Verfolgung sowie die Martern durch einen schnellen Tod erspare (De mort. 15). Ebenso erscheint nach Pass.Perp. 14,2 (Habermehl, Passio, 20) der Tod eines Christen im Gefängnis als Gnade, da ihm so der Tierkampf erspart geblieben sei. Ängste spiegeln sich auch in den in den Quellen zu findenden Versuchen wider, die Pein des Martertodes zu verringern. So wird in Pass.Perp. 19,4 (Habermehl, Passio, 24) von Saturus berichtet, daß er sich gewünscht habe, einem Leoparden und nicht einem Bären vorgeworfen zu werden; der Leopard tötet mit einem Biß, der Bär jagt und scheucht hingegen sein Opfer. Tertullian deutet in Ad mart. 4,2 (CChr.SL I, 6,17-20) auf mögliche Ängste vor Folter und Hinrichtung bei den Inhaftierten hin. Zu diesen Indizien fur die Ängste der Christen vor dem physischen Leiden vgl. Wendebourg, Martyrium, 305f. Franz Josef Dölger, Der Flammentod des Märtyrers Porphyrios in Cäsarea Maritima. Die Verkürzung der Qualen durch Einatmung des Rauchs, in: AuC I (1929), 243-53, weist darüberhinaus auf den Versuch hin, beim Feuertod durch Einatmen des Rauchs in Ohnmacht zu fallen und so geringere Qualen zu erleiden. 297 Zur Flucht von Laien vgl. z.B. den Brief Firmilians von Caesarea an Cyprian (Cypr., ep. 75,10), Dionysios bei Eus., HE VI, 41,12; Cypr., De laps. 3; Pass.Agap.1,2 u.a. Mehrfach ist in der Alten Kirche auch die Flucht von Bischöfen belegt: Polykarp (Mart.Pol. 5), Clemens, Cyprian, Dionysios (Eus., HE VI, 40,1-9), Chaeremon von Nilus (Eus., HE VI, 42,3), Gregor Thaumaturgos (Greg.Nyssa, Vit.Greg.) sowie weitere ungenannte Bischöfe aus der Zeit der Decischen Verfolgung (Cypr., ep. 30,8; 66,7), Petrus von Alexandrien, Meletius von Pontus und Quirinus von Siscia. Zur Flucht von Klerikern vgl. Achelis, Christentum, Bd. Π, 435f, Exkurs 84; Bernhard Kötting, Darf ein Bischof in der Verfolgung die Flucht ergreifen?, in: Vivarium, FS Theodor Klauser, Münster 1984, 221-228, sowie Oliver Nicholson, Flight from Persecution as Imitation of Christ: Lactantius' Divine Institutes IV, 18.1-2, in: JThS 40 (1989), 51-53. 298

Vgl. Tert., De foga 12,1-14,1 (CChr.SL II, 1149,1-1155,8); Petr.Al., ep.can. 12 (PG XVIII,

499). 299

Ramsay MacMullen, Ordinary Christians in the Roman Empire, in: Changes in the Roman Empire. Essays in the Ordinary, Princeton 1990, 159; ebenso Wendebourg, Martyrium, 306. Möglich war eine Flucht häufig nicht zuletzt deshalb, weil die Verfolgungen zumeist auf die Städte konzentriert waren. Vgl. MacMullen, Ordinary Christians, 159f. 300 Vgl. Cypr., ep. 19,2,3 (CChr.SL ΙΠ B, 104,31); De laps. 3 (CChr.SL III, 222,58); De laps. 10 (CChr.SL III, 226,183-186). Zu den vermögensrechtlichen Folgen einer Flucht vgl. MacMullen, Ordinary Christians, 159; Henri Leclerq, Art. martyr, in: DACL X (1932), 2424; Ders., Art. Fuite de la persécution, in: DACL V/2 (1928), 2670. Die Konsequenzen für die „familia" konnten allerdings durch Sonderregelungen zugunsten der Erben abgemildert werden. Vgl. Allard, Dix leçons, 190f; Manfred Fuhrmann, Art. publicatio bonorum, in: PW XXIII/2 (1959), 2506f.

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

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die Flucht in der Verfolgung ein Dasein nach sich, das von Entbehrungen und Gefahren gekennzeichnet war.301 Ebensowenig wie in der Praxis der Alten Kirche zeigt sich in der theoretischen Bewertung dieser Verhaltensweisen Einheitlichkeit. So finden sich in der altkirchlichen Literatur durchaus Belege für eine Billigung oder gar Bewunderung in bezug auf eine Selbstauslieferung.302 Mehrfach ist in der Alten Kirche aber auch die Ablehnung eines solchen Schrittes formuliert worden 303 , wobei die Begründungen für die negative Haltung zur Selbstauslieferung allerdings sehr unterschiedlich ausfielen. So wird im „Martyrium Polycaipi" auf das Beispiel Christi verwiesen, der sich nicht selbst dargeboten habe, sondern überliefert worden sei: das το κατά το ε ύ α γ γ ε λ ι ο ν μαρτυριον könne nie ein willentlich gesuchtes und herausgefordertes sein; vielmehr müsse der Christ genauso wie Christus

301

Vgl. Cypr., ep. 58,4,2 (CChr.SL ΠΙ C, 324,89-325,92); Äthan., Apol. 17; 19. Orig, In ep. ad Rom. IV, 10 (PG XIV, 998f); Eus, HE VII, 12; VIII,5; Eus., De mart.palaest. 3,3. Zu der Herausforderung des Martyriums durch die Lyoner Märtyrer Vettius Epagathus und Alexander (Eus., HE V, l,9f.49f) und seine positive Bewertung vgl. Kraft, Lyoner Märtyrer, 264: „Die Märtyrer gehen zwar mit Rücksicht auf das, was die katholische Kirche fur richtig hält, nicht so weit, daß sie sich unmittelbar bei den Behörden als Christen anzeigen. Aber Vettius Epagathus und Alexander ernten Lob daftlr, daß sie beim Verhör ihrer Glaubensgenossen die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich lenken und sich dadurch die Frage des Richters nach ihrem eigenen Bekenntnis zuziehen." 303 Zumeist wird in der Literatur davon ausgegangen, daß die Ablehnung eines solchen Schrittes in der Alten Kirche vorherrschend gewesen sei: So z.B. bei Allard, Dix leçons, 324; SteCroix, Christians, 234; MacMullen, Ordinary Christians, 158, mit Anm. 13; Wendebourg, Martyrium, 307; Gerd Buschmann, Martyrium Polycarpi 4 und der Montanismus, in: VigChr 49 (1996), 112f. Anders hingegen Droge/Tabor, Death, 152, die lediglich von „occasional references" für eine Verurteilung einer Selbstauslieferung sprechen; diese fänden sich bei Christen, die entweder geflohen seien oder in irgendeiner Weise mit den Behörden kollaboriert hätten. Insofern seien die Absagen an eine Selbstauslieferung zu verstehen als „a factor of self-definition and self-justification". Sowohl bei Clemens und Cyprian als auch bei Petrus von Alexandrien kann der Wunsch nach Rechtfertigung des eigenen Weges durchaus eine Rolle bei ihrer Ablehnung der Selbstauslieferung gespielt haben. Bei Cyprian ist allerdings zu berücksichtigen, daß seine einzige explizite Ablehnung der Selbstauslieferung aus seinem letzten Brief stammt, d.h. aus einer Zeit, in der er sein eigenes Martyrium unmittelbar vor Augen hat. Auffällig ist aber auch, daß die Belege, die innerhalb von Märtyrerakten für die Ablehnung einer Selbstauslieferung sprechen (Mart.Pol. 1,2; 4,1 ; Act.Cypr. 1,5), aus Akten vormals geflohener Bischöfe stammen. Andererseits unterschätzen Droge/Tabor die Bedeutung der theologischen Begründung für eine Absage an die Selbstauslieferung und bewerten die bei Clemens entscheidende Bindung des Martyriums an einen göttlichen Ruf implizit als eine Art „Hilfskonstrukt", das primär zur Rechtfertigung seines eigenen Verhaltens gedient habe. Auch bei Cyprian, der von den Autoren aber nicht weiter berücksichtigt wird, bildet die Bindung des Martyriums an eine göttliche Würdigung eine wesentliche Grundlage seines pastoral ausgerichteten Martyriumskonzeptes und ist mit der vordergründigen Einschätzung als einer Rechtfertigungsmöglichkeit für eine Flucht bzw. eine damit korrespondierende Absage an eine Selbstauslieferung keinesfalls ausreichend erfaßt. Eine Betonung dieser theologischen Grundlage für eine Ablehnung einer Selbstauslieferung findet sich hingegen bei Nicholson, Flight, 58, der (zumindest für den in dieser Anm. erwähnten Teil der martyrologischen Tradition) zutreffend bemerkt: „There were also deeper roots for Christian distrust of volunta^ martyrdom; these were part of the fundamental Christian understanding of martyrdom. Martyrdom, like life, was a gift from God." 302

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

172

überliefert werden. 3 0 4 N a c h Clemens v o n Alexandrien ist die Selbstauslieferung eine Unterstützung der bösen Absichten der Verfolger 305 , Cyprian untersagt sie aus Rücksicht auf die Ruhe der Gemeinde. 3 0 6 N a c h ALLARD ist die v o n ihm als „prudence en temps de persécution" gekennzeichnete Haltung der Großkirche mit ihrer vorherrschenden Absage an die Selbstauslieferung v.a. auf z w e i Motive zurückzuführen: Z u m einen auf die Erkenntnis der menschlichen Schwachheit, gerade auch bei einem selbst herausgeforderten Martyrium, z u m anderen auf die christliche Liebe, die die Heiden nicht zusätzlich in die Versuchung zu einem christenfeindlichen Handeln bringen wollte. 307 Auch wenn die Rücksicht auf die Verfolger durchaus als Motiv angeführt worden ist308, sind daneben aber zum einen auch der Rückbezug auf die Passion Christi und z u m anderen die vitale Frage nach

304

Mart.Pol. 1,2. Auch nach Mart.Pol. 4,1 kann eine Selbstauslieferung kein Lob ernten, weil das Evangelium nicht in diesem Sinne lehre. Diese auf den sich selbst ausliefernden Phryger Quintus, der letztlich doch nicht standhalten konnte, bezogene Kritik ist nach Kraft, Lyoner Märtyrer, 264, als „Reflex auf das Lob" zu verstehen, das in dem Brief der montanistisch gesinnten Märtyrer von Vienne und Lyon zwei Märtyrer erhalten, die das Martyrium für sich herausfordern. Die Frage, gegen wen sich die Betonung des „evangeliumsgemäßen Martyriums" hier richtet, ist in der Forschung bis heute umstritten: Während z.B. Buschmann, Martyrium des Polykarp, 120-129, sie gegen ein Drängen nach dem Martyrium in montanistischen Kreisen gerichtet sieht, bezieht Theofried Baumeister, Die Norm des evangeliumsgemäßen Blutzeugnisses. Das Martyrium Polycarpi als vorsichtige Exhortatio ad Martyrium, in: Stimuli. Exegese und ihre Hermeneutik in Antike und Christentum. FS Emst Dassmann (JAC E. 1996), 126, sie auf den „Martyriumsenthusiasmus ... als Problem innerhalb der Gemeinden der katholischen Kirche". Zu der Frage einer besonderen „Martyriumssucht" innerhalb des Montanismus vgl. die Ausfiihrungen zum Ende dieses Kapitels. 305 Clem.Al., Strom. IV, 77,1. In Strom. IV, 17,1-4 findet sich eine Polemik gegenüber Anhängern einer von Clemens als häretisch eingestuften Gruppierung, die sich aus „Haß gegen den Weltschöpfer" selbst auslieferte. Da sie nach seiner Darstellung den wahren Gott nicht kennen und die Leiblichkeit ablehnen, könnten sie nicht als Märtyrer anerkannt werden; vielmehr sei ihr Tod ebenso nichtig wie deijenige indischer Gymnosophisten, die sich selbst ins Feuer stürzten. Nach Adolf von Harnack, Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott. Eine Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche, Leipzig 19242, 324, ist diese Stelle auf die Marcioniten zu beziehen; dagegen jetzt Butterweck, Martyriumssucht, 115f, die sie auf die Montanisten bezieht. 306 Cypr.,ep. 81,4 (CChr.SL III C, 630,24f). In der von Wendebourg, Martyrium, 307, Anm. 85, für diese Auffassung Cyprians angeführten Belegstelle ep. 5 fordert dieser zum Maßhalten bei den Besuchen im Kerker auf, um die Zutrittsmöglichkeiten nicht zu gefährden. Der Gedanke an Selbstauslieferung scheint hier nicht im Hintergrund zu stehen. Weitere negative Äußerungen zu einer Selbstauslieferung finden sich z.B. in Act.Cypr. 1,5; Eus., HE IV, 15,8, Petr.Al., ep. can .9 (PG XVIII, 485f); Aug., Brev.coll. 3,13,25 (PL XLIII, 638); ep. 185,12 (CSEL LVII, 11,5-7); Greg.Naz., Oratio 43 in laudem Basilii 6 (PG XXXVI, 500f)· In diesen Zusammenhang gehört auch die Bewertung eines durch die Zerstörung eines heidnischen Kultbildes herausgeforderten Martyriums, das nach Bernhard Kötting, Martyrium und Provokation, in: Kerygma und Logos, FS C.Andresen, Göttingen 1979, 329-336, in der Zeit bis zur Konstantinischen Wende durchgängig negativ beurteilt wurde. Deutlich spiegelt sich diese Haltung noch in Can. 60 der Synode von Elvira wider, dem zufolge der Tod nach der Zerstörung heidnischer Kultbilder, d.h. infolge einer Provokation, nicht als Martyrium anerkannt werden soll. Vgl. Eckhard Reichert, Die Cánones der Synode von Elvira. Einleitung und Kommentar, Hamburg 1990, 183f. 307 308

Allard, Dix leçons, 324f. Vgl. z.B. Clem.Al., Strom. IV,77f; Greg.Naz., Oratio 43 in laudem Basilii 6.

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

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der Sicherheit der Gemeinden maßgebliche Gründe zur Ablehnung der Selbstauslieferung gewesen. Ebenso uneinheitlich stellte sich die Argumentation in bezug auf eine Flucht in der Verfolgung dar, die in einer Vielzahl altkirchlicher Äußerungen als akzeptable Möglichkeit christlichen Verhaltens bewertet wurde.305 Für Clemens von Alexandrien ist sie geboten, damit die Christen nicht zu Miturhebern des Bösen würden, indem sie durch das Verweilen am Ort die Übergriffe ermöglichten.310 Zum Zweck der Vermeidung einer Gefahr für die Gemeinde oder fur Freunde erscheint die Flucht geboten bei Cyprian3" und Eusebius.312 Als Möglichkeit zur Schonung der Verfolgten, die unter Umständen der Gefahr nicht standhalten könnten, sieht Ambrosius die Flucht an313; der Wunsch, Gott nicht zu versuchen, wird von Augustin als Motivation der Flucht angeführt.314 Zur biblischen Untermauerung der Akzeptanz einer Flucht wurde auf das exemplum Christi verwiesen - so z.B. bei Cyprian, Orígenes, Laktanz, Athanasius und Augustin315 — oder das Fluchtgebot Mt 10,23 herangezogen. Letzteres wurde zumeist in dem Sinne ausgelegt, daß es sich bei einer Flucht um ein grundsätzlich dem Willen des Herrn entsprechendes und von ihm gebotenes Verhalten handele. In den meisten Belegen für Zitate oder Anspielungen auf Mt 10,23 bis zum Ende des 4. Jahrhunderts dient die Stelle der uneingeschränkten Rechtfertigung oder gar Forderung nach der Flucht im Verfolgungsfall. 316 Daneben finden sich in der altkirchlichen Literatur aber

309 Mart.Pol. 5; Clem.Al., Strom. IV, 76f.; Eus., HE VI,19,16; Dionys, bei Eus., HE VI,40,1-9; Cypr., De laps. 3; Orig., Comm.in Mat. 10,23 (PG XIII, 897); Lakt., Div.Inst. IV, 18,1-2; Petr.Al., ep. can. 9f.l2; Äthan., Apologia de fuga sua; Greg.Naz., Adv.Jul.or. 38 (PG XXXV, 619); Aug., Sermo 133,7 (PL XXXVIII, 741). Zu Clemens' und Origenes' Haltung zur Flucht vgl. ausfuhrlich Thierry, De fuga, 17-26. 310 Clem.Al., Strom. IV, 76,2. Eine ähnliche Begründung findet sich auch bei Petrus von Alexandrien (ep. can. 9; PG XVIII, 483f)· 311 Cypr., ep. 20,1,2 (CChr.SL III B, 106,10-107,12). In allen Ausführungen Cyprians zur Motivation und Rechtfertigung seiner Flucht spielt die Bewahrung der „pax omnium" und der „salus et quies fratrum" eine zentrale Rolle (ep. 7,1; CChr.SL III B, 38,10; ep. 14,1,2; CChr.SL III B, 79,15-80,17; ep. 43,4,2; CChr.SL III B, 204,72). Zur Bedeutung dieses Arguments vgl. Hugo Montgomery, Saint Cyprian's postponed Martyrdom: A Study of Motives, in: SO 63 (1988), 127f. 312 Eus., Comm.in ps. 56 (PG XXIII,505f). 313 Ambr., De off.min. 37,186 (PL XVI,79). 314 Aug., C. Faust. 22,36 (CSEL XXV, 629f). 315 Cypr., De laps. 10 (CChr.SL III, 226,196-198); Orig., Comm.in Mt. 10,23 (PG XIII, 897); Lakt., Div.Inst. IV, 18,1-2; Aug., Sermo 133,7 (PL XXXVIII, 741); Äthan., Apol. 13. 316 Vgl. die Auslegungen bei Kallist (ep. 2,3; PG X, 126f), Clemens (Strom. IV, 76,If), Petrus von Alexandrien (ep. can. 9; PG XVm, 483f), Ambrosius (De off.min. 37,186; PL XVI, 79f), sowie die Anspielungen auf ein „Gebot" oder eine „Vorschrift" (mandatum, νόμος, εντολή) des Herrn, die zur Flucht auffordern, in Didask. 19, bei Cyprian (ep. 20,1 ; De laps. 10), Pontius (Vita Cypr. 7) und in der Passio Agapaes (1,2). Am deutlichsten hat Athanasius in seiner „Apologia de fuga sua" (PG XXV, 643-680) den Verpflichtungscharakter von Mt 10,23 herausgestellt: Seiner Auffassung nach könnten die Christen in der Verfolgung - zu seiner Zeit geht es nicht mehr um Heiden, sondern um christliche Gegner im arianischen Streit - nicht nur fliehen, sondern sie mußten nach dem in Mt 10,23 grundgelegten „Gesetz" (νόμος) fliehen (vgl. Apol. 22). Parallel zu der Nennung von Vorbildern für das Martyrium bei anderen altkirchlichen Theologen fuhrt er eine lange Reihe biblischer

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Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

auch einige wenige Belege für eine Auslegung dieses Verses, in denen seine Geltung partiell eingeschränkt wird. Lediglich als um der Schwachheit der Menschen willen zugestandene Erlaubns sieht Tertullian in „Ad uxorem" 1,3 diese Stelle, der Montanist Tertullian schränkt in „De fuga in persecutione" die Geltung dieses Gebotes temporär ein und bezieht sie nur auf die Zeit der Apostel. Augustin greift eine Deutungstradtion auf, nach der das Fluchtgebot nur fur diejenigen Geltung habe, die nicht durch die „ecclesiastici officii vincula" gebunden seien, d.h. fur die Laien.317 Differenziert wurde in der Frage der Flucht in der Alten Kirche so vor allem in bezug auf die Stellung der Fliehenden: Während die Tendenz zumeist dahin ging, die Flucht eines Laien in der Verfolgung in selbstverständlicher Weise anzuerkennen318, wurde ein solches Verhalten bei einem Bischof, der für seine Gemeinde verantwortlich war, häufiger kritisiert und als „Feigheit" charakterisiert.3" Den zentralen biblischen Beleg für Kritik und Polemik gegenüber der Flucht eines Bischofs bildete dabei der Gegensatz zwischen dem „guten Hirten" und dem

exempla für die Flucht an, die dieses Verhalten als Gottes Weisung entsprechend einschärfen sollten (Apol. 10-25). Deutlich wird bei ihm auch, daß das Leben als Wert erscheint, der durch eine Flucht erhalten werden könne; die Möglichkeit zur Flucht ist demgemäß eine Gnade Gottes, der das Leben, das er erschaffen hat, nun auch erhält (Apol. 25f). Die Flucht gilt Athanasius darüberhinaus auch als Möglichkeit, Entbehrungen zu erleiden und so dem von ihm gepriesenen asketischen Ideal gerecht zu werden (Apol. 17; 19) und sich auf den Tod vorzubereiten (Apol. 17). Die genannten Belege sprechen eher gegen die von Wendebourg, Martyrium, 309, geäußerte Auffassung, daß die Alte Kirche Mt 10,23 als „Zugeständnis,... worin dem Schwachen eine Ausnahme von der Regel eingeräumt wird" verstanden habe. Auch wenn sie sich mit dieser Einschätzung nur auf die vorkonstantinische Zeit bezieht, so zeigt sich doch auch in den Belegen aus diesem Zeitraum eine vorherrschende Auslegung von Mt 10,23, die diesen Vers als autoritative Vorschrift, nicht als bedingte Erlaubnis versteht. 317 Aug., ep. 228,4 (CSEL LVH, 487,3f). Zu den verschiedenen Auslegungen vgl. weiter Martin Künzi, Das Naherwartungslogion Matthäus 10,23, Tübingen 1970, 11-17.28-31. 318 Vgl. z.B. die in Didask. 19 deutlich werdende Selbstverständlichkeit, mit der Christen sich in der Verfolgungszeit „nach dem Befehl des Herrn" (iuxta mandatum Domini) in Sicherheit bringen. Auch Firmilian von Cäsarea berichtet auf selbstverständliche Art und Weise von der Flucht vieler Gläubigen in einer Verfolgung unter dem Statthalter Serenianus (Cypr., ep. 75,10). In der Decischen Verfolgung fordert Gregor Thaumaturges zur Flucht auf (Greg.Nyssa, Vit.Greg.; PG XLVI,945), nach der Einschätzung Augustins ist die Flucht der Gläubigen keine Sünde (Aug., In Joh.tract. 15,2; CChr.SL XXXVI, 151; 28,2; CChr.SL XXXVI, 277; 49,28; CChr.SL XXXVI, 433). 319 Neben der Kritik an Cyprian (Cypr., ep. 8; 27) vgl. z.B. die Hinweise auf kritische Äußerungen zur Flucht des Dionysios in Eus., HE VII, 1 l,18f. Zur Differenzierung zwischen Laien und Klerikern in der Frage der Flucht vgl. Kötting, Bischof, 220f: „... darüber gab es weitgehende Übereinstimmung, daß einer, der nur für sich selbst oder höchstens für seine Familie Verantwortung trug, sein Leben durch Flucht retten durfte, wenn das ohne Glaubensverleugnung möglich war ... Anders und problematischer wurde die Beurteilung der vorbeugenden Flucht in der Verfolgung, wenn es sich um Personen handelte, die nicht nur für sich allein Verantwortung trugen, sondern denen die Leitung einer Gemeinde anvertraut war und die sich der Frage stellen mußten, ob durch ihren Weggang nicht nur ein schlechtes Beispiel gegeben wurde, sondern ob nicht dadurch ihre erste Aufgabe, für das geistliche Wohl der Gemeindeglieder zu sorgen und sie in der schwierigen Zeit der Versuchung zu stärken, in schwerer Weise vernachlässigt und mißachtet werde."

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„Mietling" aus Joh 10,11-13. 320 Wenn es auch einige Beispiele von geflohenen Bischöfen gibt, bei denen über kritische Stimmen nichts bekannt ist321, findet sich eine ausdrückliche Rechtfertigung der Flucht eines Klerikers in der altkirchlichen Literatur doch nur innerhalb der von geflohenen Episkopen selbst verfaßten Apologien, bei Cyprian, Petrus von Alexandrien und Athanasius.322 Daß die Frage, ob die Flucht eines Bischofs unter bestimmten Umständen nicht doch erlaubt sein könne, letztlich in der Zeit der Verfolgungen ungeklärt blieb, zeigt noch Augustins Auseinandersetzung mit diesem Problem. Seiner Auffassung nach müsse das Kriterium des bischöflichen Verhaltens stets der Nutzen flir die Gemeinde sein.323 Grundsätzlich befürwortet er eher ein Verbleiben der Kleriker, da sie durch die Sakramentserteilung Trost spendeten; wenn die Gemeinde ihrer bedürfe, sei die Flucht sogar eine schwere Schuld.324 Furcht oder das Argument, sich der Gemeinde fur die Zeit nach der Verfolgung erhalten zu wollen, werden als Begründungen für eine Flucht abgelehnt. Seien die Gläubigen aber auch geflohen, könne der Bischof ebenfalls die Gemeinde verlassen.325 In der Tendenz hat die Alte Kirche angesichts der Verfolgungen zumeist versucht, eine Haltung zwischen den beiden Polen der grundsätzlich inakzeptablen Apostasie einerseits und des in den meisten Fällen negativ bewerteten aktiven Drängens nach dem Martyrium andererseits einzunehmen. Dazwischen standen die Akzeptanz des Martyriums oder aber die mehr oder weniger umstrittene Flucht mit ihren vielfältigen negativen Begleiterscheinungen für die Fliehenden.

320

Vgl. Tert, De fuga 11,2 (CChr.SL II, 1148,11-13); Cypr., ep. 8,1,2f (CChr.SL III B, 40,1441,23); Aug., ep. 228,6 (CSEL LVII, 488,11-489,14). Zu dieser Auslegungstradition von Joh 10,11-13 vgl. auch Aug., In Joh.tract. 46,7 (CChr.SL XXXVI, 402). 321 So bei Polykarp, der sogar von Gemeindegliedem zur Flucht überredet wurde (Mart.Pol. 5), bei Gregor Thaumaturgos, den von Cyprian in ep. 66,7,3 (CChr.SL III C, 441,120f) erwähnten „coepiscopi (et) collegae..., qui... de medio recederent", den von den römischen Klerikern genannten „episcopi", die durch die „Wut der Verfolgung" aus anderen Provinzen nach Rom vertrieben worden seien (Cypr., ep. 30,8; CChr.SL III B, 149,169-172) und bei Chaeremon von Nilus (Eus., HE VI, 42,3). 322 Petrus von Alexandrien hat seine Flucht in der Verfolgung ausdrücklich gerechtfertigt. Nach der Diokletianischen Verfolgung begründet er in seiner „epistula canonica" ausführlich die Erlaubtheit der Flucht von Klerikern auf biblischer Grundlage: Neben der Berufung auf Mt 10,23 führt er das Beispiel Christi an sowie diejenigen des Stephanus, Jakobus, Paulus und Petrus (ep.can. 9). Ebenfalls als nicht tadelnswert bewertet auch Athanasius in der „Apologia de fuga sua" (PG XXV, 643-680) die Flucht von Klerikern; sie sei eine Gewissensentscheidung des Bischofs oder Presbyters, deren Kriterium das Wohl der Gemeinde sein müsse (Apol. 18-21 ). Ähnlich äußert er sich auch in Ep. encycl. 5 (PG XXV,231f): „··· cavens ne ecclesia laederetur, et ne virgines quae illic erant indigna paterentur,..., me populis subduxi, memor Salvatoris dicentis: (folgt Mt 10,23)." 323 ep. 228,9 (CSEL LVII, 49 lf). 324 ep. 228,8 (CSEL LVII, 490,18-491,17). 325 ep. 228,5 (CSEL LVD, 488,1-10). Als Möglichkeit zur Entscheidung eines in der Verfolgung möglicherweise auftretenden Gewissenskonfliktes empfiehlt Augustin den Losentscheid, in dem der Wille Gottes deutlich werden könne (ep. 228,12; CSEL LVII, 494, 13-15). Zu der in ep. 228 deutlich werdenden differenzierten Haltung Augustins zur Flucht vgl. Leclerq, Fuite, 2683.

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Tertullians Haltung zu der Frage einer Flucht in der Verfolgung ist im Laufe seines Wirkens einer Veränderung und Radikalisierung unterworfen gewesen. Läßt sich aus einer Äußerung zu diesem Thema aus seiner katholischen Zeit zunächst noch eine Akzeptanz eines solchen Schrittes entnehmen, so zeichnet sich in einem anderen Zusammenhang doch bereits eine zunehmend negative Auffassung einer Flucht ab. Als Montanist vertritt er eine strikt ablehnende Haltung gegenüber der Möglichkeit einer Flucht, die in ihrer Rigorosität keine Parallele in der Alten Kirche hat.326 Eine beiläufige Äußerung in dem katholischen Traktat „De patientia" bietet den ersten Hinweis auf Tertullians Sicht der Flucht in der Verfolgung. Im Zusammenhang seiner Ausführungen zu der Funktion der Geduld „in corpore"327, im „Bereich des Leibes", fuhrt er verschiedene Umstände an, unter denen die Ausdauer des Fleisches notwendig sei: Neben dem Fasten und der Enthaltsamkeit nennt er die Verfolgungen mit ihren unterschiedlichen Formen des Leidens. So sei die Geduld notwendig zum Ertragen der Einkerkerung und des eigentlichen Martyriumsleidens328; sie helfe dem schwachen Fleisch beim Ertragen aller Dinge, die auf die Umstürzung des Glaubens und seine Bestrafung zielten: „Schläge, Feuer, Kreuz, wilde Tiere und Schwerter."329 Zu Beginn der Aufzählung der durch die Verfolgungen verursachten Leidenssituationen findet sich die Flucht, deren Beschwernisse ebenfalls durch die Ausdauer des Fleisches ertragen werden könnten: „Carnis patientia in persecutionibus denique proeliatur. Si fuga urgeat, incommoda fugae caro militât."330 Zwar läßt die Beiläufigkeit dieser Erwähnung der Flucht keinen weitreichenden Schluß auf Tertullians grundsätzliche Haltung zu diesem Zeitpunkt zu; da sie aber ohne weitere Wertung als eine in der Verfolgung mögliche Leidenssituation angeführt wird, kann zumindest von einer Akzeptanz der Flucht gesprochen werden.331

326 327

Vgl. Thierry, De fuga, 16.

De pat. 13,2 (CChr.SL I, 314,6): „Quae igitur negotiatio patientiae in corpore?" De pat. 13,7 (CChr.SL I, 314,25-28): „Cum vero producitur ad experimentum felicitatis, ad occasionem secundae intinctionis, ad ipsum divinae sedis ascensum, nulla plus illic quam patientia corporis." 329 De pat. 13,8 (CChr.SL I, 314,30-34): „At cum hoc dominus de carne dicit, infirmam pronuntians, quid ei firmandae opus sit ostendit, patientia scilicet adversus omnem subvertendae fidei vel puniendae paratura(m), ut verbera ut ignem ut crucem bestias gladium constantissime toleret...". 330 De pat. 13,6 (CChr.SL I, 314,21-23). 331 So auch DrogeATabor, Death, 146: In „De patientia" „martyrdom and flight are both acceptable responses to persecution". 328

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Eine deutliche Einschränkung der Anerkennung eines solchen Schrittes zeigt sich hingegen in „Ad uxorem I". Wie in „De patientia" geht es auch hier nicht um das Thema „Flucht" selbst; vielmehr dient die Erwähnung der Flucht in der Verfolgung der Untermauerung einer auf die geschlechtliche Enthaltsamkeit bezogenen Argumentation Tertullians. Wie sich Enthaltsamkeit und Ehe als besserer und schlechterer Weg gegenüberstünden, so auch das Standhalten in der Verfolgung und die Flucht. So wie die Ehe nur auf Grund der menschlichen Schwachheit notgedrungen zugestanden werde332, so sei auch die Flucht nicht mehr als ein Zugeständnis in der Verfolgungssituation. Grundsätzlich sei es zwar besser zu fliehen - so räumt Tertullian ein - , statt unter der Folter abzuleugnen, seliger seien aber dennoch diejenigen, die nach dem Bekenntnis das Martyrium erlitten.333 Die Tatsache, daß etwas erst zugestanden werden müsse, bedeutet fur Tertullian, daß es moralisch nicht einwandfrei sei: „... quod permittitur, bonum non est."334 Was nämlich besser sei, brauche niemand erst zu erlauben, da es völlig unzweifelhaft sei.335 Darin, daß anderes ihnen vorgezogen würde, liege letztlich ein Verbot der lediglich erlaubten Dinge begründet, die entsprechend auch nicht angestrebt werden dürften.336 Im Zusammenhang der hier deutlich werdenden und von Tertullian in späteren, montanistischen Schriften noch klarer explizierten Unterscheidung zwischen dem bloß erlaubenden und dem eigentlichen Willen Gottes337 bedeutet die Kennzeichnung der Flucht als etwas lediglich „Erlaubtem" also kei-

332

Ad ux. 1,3,2 (CChr.SL I, 375,10-13): „Quid tarnen bono isto melius sit accipimus ab apostolo, permittente quidem nubere, sed abstinentiam praeferente, illud propter insidias temptationum, hoc propter angustias temporum." 333 Ad ux. 1,3,4 (CChr.SL I, 375,20-376,23): „Etiam in persecutionibus melius ex permissu fugere de oppido in oppidum quam comprehensum et distortum negare. At quae isto beatior res? (Q)uae qui valent beat: a testimonii confessione excedere." Die Formulierung „fugere de oppido in oppidum" weist auf Mt 10,23 als Schriftgrundlage der „permissio" hin. 334 Ad ux. 1,3,4 (CChr.SL I, 376,26). 335 Ad ux. 1,3,5 (CChr.SL I, 376,26-28): „Quod enim (melius) est, nemo permisit, ut indubitatum et sua sinceritate manifestum." 336

Ad ux. 1,3,5 (CChr.SL I, 376,28-31): „Non propterea appetenda sunt quaedam, quia non vetantur - etsi quodammodo vetantur cum alia illis praeferuntur; praelatio enim superior(um) disuasio est inferiorum..". 337

Vgl. De exhort.cast. 3,3f (CChr.SL II, 1018,17-23): „Si tarnen alia ista istis praeposuit, utique quae magis vult (sc. deus), dubiumne est ea nobis sectanda esse, quae mavult, cum quae minus vult, quia alia magis vult, perinde habenda sunt atque si nolit? Nam ostendens quid magis velit, minorem voluntatem maiore delevit, quantoque notitiae tuae utramque proposuit, tanto definiit id te sectari debere quod declaravit se magis velie"; De mon. 3,3 (CChr.SL II, 1231,18f): „Quod enim mere bonum est, non permittitur, sed ultro licet."

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nesfalls eine wirkliche Akzeptanz eines solchen Schrittes.338 Vielmehr erscheint sie lediglich als ein „kleineres Übel" zur Vermeidung der Apostasie, das aber letztlich als ein Zugeständnis nicht dem eigentlichen Willen Gottes entspreche.339 Im Unterschied zu diesen beiläufigen, in andere Zusammenhänge eingebetteten Äußerungen Tertullians zur Flucht in seiner katholischen Zeit hat er als Montanist diese Frage in eingehender Weise in dem ausschließlich diesem Thema gewidmeten Traktat „De fuga in persecutione" verhandelt. In bezug auf die Anfrage des Katholiken Fabius340, ob man in der Verfolgung fliehen dürfe oder nicht34', will er darin untersuchen, auf welche Weise der Glaube die zunehmend drohenden Verfolgungen annehmen müsse.342 Seinen Ausgangspunkt in dieser Schrift bildet die Rückführung der Verfolgung auf die Providenz Gottes, der die Verfolgung zur

338 Gegen die häufig vorgebrachte Anschauung einer gleichbleibenden Akzeptanz der Flucht in Tertullians katholischer Zeit: Vgl. Otto Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, Bd. II, Freiburg 1903, 422: „Als Katholik hatte Tertullian die Flucht in der Verfolgung gutgeheißen." Quacquarelli, Ad martyras, 41, faßt die Positionen in „De patientia" und „Ad uxorem" zusammen: „... Tertulliano ortodosso ammette che si possa fuggire la persecuzione", ähnlich spricht Moreschini, Aspetti, 68, von der Aufassung der Flucht in beiden Schriften als „cosa lecita". Zutreffend hat hingegen Barnes, Tertullian, 177, die Position in „Ad uxorem" gekennzeichnet: Sie sei nicht zu verstehen als „mere repetition of the statements in De patientia. Tertullian has changed his position if only slightly. Flight from persecution he no longer regards as normal: he now condones it as a pis aller for weaker brethren." Ob der Unterschied zwischen „De patientia" und „Ad uxorem" auf einer Entwicklung in Tertullians Haltung zur Flucht beruht, ist auf Grund des nicht klärbaren zeitlichen Verhältnisses zwischen den beiden Schriften nicht zu entscheiden. Für beide Traktate variieren die Datierungsvorschläge zwischen 193 und 206 (vgl. Braun, Deus Christianorum, 570f). Möglicherweise liegt der Unterschied eher in der jeweiligen Argumentation begründet, in die die Aussagen zur Flucht eingebettet sind. 339 Vgl. De exhort.cast. 3,1 (CChr.SL II, 1018,8f): „... non statim omne quod permittitur ex mera et tota volúntate procedit eius, qui permittit." Da der erlaubende Wille („indulgentia") sein Motiv nicht in sich selbst, sondern in demjenigen habe, demgegenüber er nachsichtig sei, erscheine er im eigentlichen Sinne als „invita voluntas" (De exhort.cast. 3,2; CChr.SL II, 1018,12). Die Konsequenz dieses doppelten Willens in Gott für die Ethik ist von Roberts, Theology, 224, herausgestellt worden: „The theory of two wills, or the voluntas and the indulgentia, in God is at the root of Tertullian's doctrine of merit. Since there is, on God's part a double standard of good, i.e. what He permits or allows as ,good' and what He desires as ,better', so it follows that there is a double standard of obedience on man's part ...". Zu der hinter dem Konzept des zweifachen Willens stehenden Frage nach dem Verhältnis zwischen der Gerechtigkeit Gottes einerseits und seiner Güte andererseits vgl. Albrecht Dihle, Tertullians Lehre vom zweifachen Willen Gottes, in: Panchaia, FS Klaus Thraede (JAC.E.22), Münster 1995, 61-65. 340 Vgl. die Kennzeichnung des Fabius in De fuga 1,1 (CChr.SL II, 1135,11) als „Paracletum non recipien(s)". 341 De fuga 1,1 (CChr.SL II, 1135,3f): „Quaesisti proxime, Fabi frater, fugiendum necne sit in persecutione ...". 342

De fuga 1,1 (CChr.SL II, 1135,8-10): „Quanto enim frequentiores imminent persecutiones, tanto examinatio procuranda est, quomodo eas excipere fides debeat."

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

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Prüfung der Gläubigen geschehen lasse.343 Aus dieser göttlichen Urheberschaft resultiert für Tertullian als Prämisse für die weiteren Ausführungen, daß eine Flucht vor der Verfolgung ausgeschlossen sei: „Si enim persecutio a Deo evenit, nullo modo fugiendum erit, quod a deo evenit."344 Wer vor dieser gottgewollten Situation fliehe, wende sich direkt gegen Gott als deren Urheber; indem er der Verfolgung, die wie alles, was aus Gottes Willen entspringe, etwas Gutes sei345, zu entkommen suche, werfe er Gott ein böses Handeln vor, denn er qualifiziere die Verfolgung damit als etwas Negatives und zu Vermeidendes. Zudem schätze er sich stärker als Gott ein, wenn er meine, einer von Gott intendierten Situation entgehen zu können.346 Dem von ihm in „Ad uxorem" selbst noch angeführten Argument, daß eine Flucht unter Umständen vor der Ableugnung bewahren könne, hält Tertullian hier entgegen, daß die bloße Erwartung der Verleugnung im Falle der Gefangennahme bereits Apostasie sei, schon der Unwille zum Bekenntnis Abfall: „Nolle autem confiteli negare est".347 Eine Flucht zeige darüberhinaus, daß bei dem Fliehenden kein Vertrauen auf Gottes Schutz in der Verfolgung bestehe und stelle in diesem Sinne eine Entehrung Gottes dar.348 Das Beispiel eines Christen, der nach häufiger Flucht ergriffen worden sei und unter grausamen Foltern, die Tertullian als „pro fugae castigatio", als „Strafe für die Flucht", deutet349, das Martyrium erlitten habe, lehre, daß die Flucht keinen Sinn habe, wenn Gott nicht einverstanden sei.350 In einem zweiten Argumentationsgang geht Tertullian auf die

343

D e fuga 1-3 (CChr.SL II, 1135,2-1139,25). Zu dieser göttlichen Zweckbestimmung der

Verfolgung vgl. Kap. 3.2. 344 345

De fuga 4,1 (CChr.SL II, 1140,3-5). D e fuga 4,1 (CChr.SL II, 1140,11-15): „Multa quidem sunt, quae a D e o eveniant, et

alicuius malo eveniunt. Immo bonum est ideo, quia a D e o evenit, ut divinum, rationale. Quid enim divinum non rationale? (Quid rationale) non bonum? Quid bonum non divinum?" 346

De fuga 4,3 (CChr.SL Π, 1141,35-39): „Igitur qui putant fugiendum, aut malum exprobrant

Deo, si persecutionem uti malum fugiunt - bonum enim nemo devitat - aut fortiores se Deo existimant, qui putant se evadere posse, si Deus tale aliquid voluerit evenire." 347

De fuga 5,2 (CChr.SL II, 1141,13f).

348

D e foga 5,3 (CChr.SL II, 1141,18-1142,1): „Quale est, ut ad fugiendum Deo honorem

reddas, qui possit te etiam fugientem producere in medium, ad constandum autem inhonores ilium desperans potentiam protectionis ab ilio?" 349 350

D e fuga 5,3 (CChr.SL II, 1142,29).

De fuga 5,3 (CChr.SL II, 1142, 25-32):,, Rutilius, sanctissimus martyr, cum totiens fugisset persecutionem de loco in locum, etiam periculum, ut putabat, nummis redemisset, post totam securitatem, quam sibi prospexerat, ex inopinato apprehensus et praesidi oblatus tormentis dissipatus, credo pro fugae castigatione, dehinc ignibus datus, passionem, quam vitarat, misericordiae Dei retulit. Quid aliud voluit Dominus nobis demonstrare hoc documento, quam fugiendum non esse, quia nihil fuga prosit, si Deus nolit?"

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Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

zur Rechtfertigung einer Flucht herangezogene Aufforderung aus Mt 10,23 „Wenn sie dich verfolgen, fliehe aus einer Stadt in die andere" - ein, auf die er sich selbst in „Ad uxorem" noch als Grundlage der „Erlaubnis" zur Flucht bezogen hatte.351 Gegen eine Auslegung, die daraus die grundsätzliche Berechtigung zu einer Flucht ableitet, stellt er eine Exegese, die die Gültigkeit dieser Anweisung auf die Zeit der Apostel einschränkt.352 Sie habe dazu gedient, die Ausbreitung des Evangeliums in Israel zu gewährleisten353; die Aufforderung zur Flucht sei also keinesfalls „propter eludendum periculum proprio nomine persecutionis ... sed propter profectum annuntiationis" erfolgt.354 Als die Apostel dann zu den Heiden gegangen seien, seien sie auch nicht mehr geflohen, was sich deutlich an Paulus zeige, der nicht vor der Verfolgung in Jerusalem ausgewichen sei.355 Sei so also sogar zu der Zeit der Apostel die Vorschrift Mt 10,23 schon zeitlich begrenzt gewesen, so könne erst recht nicht bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bindend sein, was bereits damals seine Gültigkeit verloren habe.356 Zur Unterstützung dieser Exegese stellt Tertullian eine Reihe von Herrenworten zusammen, die einer Erlaubnis zur Flucht widersprächen.357 Jesus selbst sei auch nur geflohen, um sein

351

Vgl. Anm. 333.

352

De fuga 6,1 (CChr.SL Π, 1142,7-9): „Hoc (sc. Mt 10,23) in persona(s) proprie apostolorum et in tempora et in causas eorum pertinere defendimus ...". Auch in De cor. 1,5 (CChr.SL II, 1040,3 l f ) negiert er eine durch Mt 10,23 gegebene Erlaubnis zur Flucht, indem er diese Stelle polemisch als die einzige aus dem Evangelium bezeichnet, die den Katholiken im Gedächtnis bliebe und der sie Folge leisteten. 353 De fuga 6,3 (CChr.SL II, 1142,19-1143,24): ,,Si(c) igitur et fùgae praeceptum apostolorum condicio desiderabat, quoniam primo praedicandum erat ad oves perditas domus Israelis. Ut ergo perficeretur praedicatio apud quos priores eam perfici oportebat, uti panem ante filii quam canes sumerent, ideo íIiis fogere tune ad tempus praecepit...". 354 De foga 6,3 (CChr.SL II, 1143,24-26). 355 De foga 6,6 (CChr.SL II, 1143,45-55): „Denique ex quo, saturato Israele, apostoli in nationes transierunt, nec fogerunt de civitate in civitatem, nec pati dubitaverunt. Atquin Paulus, qui se per murum concesserat expediri de persecutione, qua adhoc tempus erat praecepti, discipulis magnopere deprecantibus, ne se Hierosolyma committeret passurus illic quae Agabus prophetaverat, sollicitudini eorum non subscripsit, sed e contrario: ,Quod', inquit, ,facitis lacrimantes et conturbantes cor meum? Ego enim non modo vincula pati optaverim, sed etiam mori Hierosolymis pro nomine Domini mei Iesu Christi?"" Bezeichnenderweise unterschlägt Tertullian aber die in 2.Kor 1 l,32f zu findende Erwähnung der Flucht des Paulus aus Damaskus, die zu Beginn des 4. Jhdts. von Athanasius als „exemplum" für die Erlaubtheit der Flucht angeführt wird (Apol. 11). 356

De foga 6,7 (CChr.SL II, 1144,60-62): „Igitur cum etiam sub apostolis ipsis temporale foerit fogae praeceptum, sicut et reliquorum praescriptorum, non potest apud nos persevare quod apud doctores nostras concessavit...". 357 De foga 7 , l f (CChr.SL II, 1144,9-1145,34): Angeführt werden Mt 10,32f; Mt 5,11; Mt 10,22; Mt 10,28; Mt 10,38.

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

181

Wirken zu vollenden358, letztlich habe er sich aber in den Willen des Vaters geschickt, wie es auch von den Christen zu erwarten sei.359 Auch bei den Aposteln fanden sich keine Hinweise auf ein andauerndes Gebot zur Flucht in der Verfolgung, vielmehr sprächen ihre eigenen Beispiele ebenso wie ihre Ermahnungen gegen eine solche Möglichkeit.360 Gesondert kommt Tertullian im folgenden auf die Frage der Flucht von Klerikern zu sprechen. Sei diese schon fur Laien nicht akzeptabel, verbiete sie sich in besonderer Weise für die Kleriker, die ihre Gemeinde zur Standhaftigkeit auffordern müßten.361 In Auslegung von Joh 10,11-13 überträgt Tertullian das Bild des „schlechten Hirten", der im Angesicht des Wolfes sein Vieh seinem Schicksal überlasse, auf Kleriker, die fliehen und ihrer Verantwortung für die Gemeinde nicht gerecht werden. Diese würden wie schlechte Hirten von ihrem „Landgut" entfernt werden, d.h. sie dürften ihrer Hirtenfunktion nicht mehr nachkommen; ihr nachmaliger Lohn würde ihnen vorenthalten und ein Ersatz für den von ihnen verursachten Schaden gefordert werden.362 Auch bei Sacharja, Hesekiel und Jeremía fanden sich entsprechende Drohungen gegenüber denjenigen „Hirten", die ihre Herde den wilden Tieren zur Beute überließen. Eine solche Situation trete besonders dann ein, wenn die Gemeinde in der Verfolgung von ihrem Klerus allein gelassen werde.363 Seine Polemik gegenüber fliehenden Klerikern, die in

358 De fuga 8,1 (CChr.SL II, 1145,1-3): „Refugit et ipse (sc. Iesus Christus) vim interdum, sed eadem ratione qua apostolis fiigere praeceperat, donee scilicet doctrinam suam impleret...". 359 De fuga 8,3 (CChr.SL II, 1145,17-21): „Postulavit et ipse (sc. Iesus Christus) a pâtre, si fieri posset, ut transiret ab ilio calix passionis. Postula et tu, sed stans ut il le, sed postulans tantum, sed subiungens et reliqua: ,verum non quod ego volo, sed quod tu'". 360 De fuga 9,1 (CChr.SL II, 1146,1-7): „Omnia apostoli secundum Deum utique docuerunt, omnia Evangeli! revoluerunt. Ubi illos ostendi praeceptum fugiendi de civitate in civitatem restaurasse? Quia nec potuissent tale quid constituere tam contrarium exemplis suis, ut fugam mandarent, qui cum maxime de vinculis vel insulis, quibus ad confessionem, non ob fugam nominis continebantur, ad ecclesias scribebant." 361

De fuga 11,1 (CChr.SL II, 1148,1-8): „Haec sentire et facere omnem servum Dei oportet, etiam minoris loci, ut maioris fieri possit, si quem gradum in persecutionis tolerantia ascendereit. Sed cum ipsi actores, id est ipsi diaconi et presbyteri et episcopi, fugiunt, quomodo laicus intellegere poterit, qua ratione dictum sit: ,Fugite de civitate in civitatem'? Itaque cum duces fugiunt, quis de gregario numero sustinebit ad gradum in acie figendum suadere?" 362 De fuga 11,2 (CChr.SL Π, 1148,11-15): „Ceterum Christo confirmante figuras suas malus pastor est qui viso lupo fugit et pecora diripienda derelinquit. Proicietur de villa pastor huiusmodi, detinebuntur illi mercedes missionis suae in compensationem, immo et de priore peculio eius exigetur detrimenti dominici restitutio." 363 De fuga 11,2 (CChr.SL II, 1149,17-24): „Sic Zacharias comminatur: ,Exsurge romphaea in pastores et evellite oves, et superducam manum meam in pastores. 1 In quos et Ezechiel et Hieremias iisdem minis pérorant, quod non tantum de pecoribus improbe vescantur pascentes potius

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Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

ihrer Konsequenz auf die Forderung nach ihrer Amtsenthebung abzielt, unterstützt Tertullian mit dem Hinweis auf die Stellung des Parakleten in dieser Frage: Wer diesen erkannt und angenommen habe, höre, daß er die Fliehenden beschimpfe.364 Das Verbot gegenüber den Klerikern, in der Verfolgung zu fliehen, bestehe nur dann nicht, wenn die Gemeinde selbst fliehe, da dann die Schutzíunktion (tutela) des Klerus nicht mehr vonnöten sei.365 Da Tertullian aber grundsätzlich, d.h. auch für die Laien, die Flucht als akzeptables Verhalten in der Verfolgung negiert, dürfte eine solche Situation im Idealfall überhaupt nicht entstehen. Zum Abschluß des Traktates betrachtet Tertullian die Frage des Loskaufs in der Verfolgung. Ein solcher Schritt wird von ihm genauso strikt abgelehnt wie eine Flucht; letztlich sei ein Loskauf nur eine andere Form der Flucht, eine „nummaria fuga".366 Der sowohl durch Loskauf als auch durch Flucht zutagetretende Unwille, sich öffentlich zu Christus zu bekennen und das Martyrium zu erleiden, stelle nichts anderes dar als Ableugnung367: „negatio est etiam martyrii recusado".368 Durch diese Gleichsetzung zwischen dem Ausweichen vor der Verfolgung und der Apostasie gehört die Verweigerung des Martyriums für den Montanisten Tertullian neben Mord, Idololatrie, Betrug, Blasphemie, Ehebruch und Hurerei in die Reihe der unvergebbaren Kapitalsünden, den „delicta graviora et exitiosa, quae veniam non capiant ,..".369 Denjenigen, die unter Hinweis auf die Erhaltung des Gemeindelebens zum Loskauf rieten, wirft er mangelnden Glauben und auch mangelnde Weisheit vor.370 Auch wenn es zuweilen keine gottesdienstliche Ver-

semetipsos, verum et dispersum gregem faciant et in praedam esse omnibus bestiis agri, dum non est pastor ¡Iiis. Quod numquam magis fit, quam cum in persecutione destituitur ecclesia a clero." 364 De fuga 11,2 (CChr.SL II, 1149,24f): „Si et Spiritum quis agnoverit, audiet fugitivos denotantem." 365 De fuga 11,3 (CChr.SL II, 1149,30-33): „Ceterum si grex fogere deberet, non debere(t) praepositus gregis stare, sine causa staturus ad tutelam gregis, quam grex non desideraret, ex licentia fogae scilicet." 366 De fuga 12,1 (CChr.SL II, 1149,5-9): „Ultro igitur de hoc tibi suggeram, definiens persecutionen, quam constat non esse fogiendam, proinde nec redimendam. Pretium interest; ceterum sicut fuga redemptio gratuita est, ita redemptio nummaria fuga est." 367

De foga 12,5 (CChr.SL II, 1151,52f): „... ergo et apud plures nolendo confiteri negasti."

368

De fuga 12,5 (CChr.SL II, 1151,54f).

369

De pud. 19,25 (CChr.SL II, 1323,112f). Vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 159.

370

De foga 14,1 (CChr.SL Π, 1155,1-8): ,„Sed quodmodo colligemus', inquis, ,quomodo dominica solleminia celebrabimus?' Utique quomodo et apostoli, fide, non pecunia tuti, quae fides si montem transferre potest, multo magis militem. Esto sapientia, non praemio cautus. Neque enim statim et a populo eris tutus, si officia militaría redemeris. Una ergo tibi et fides et sapientia ad tutelam opus est, quibus non adhibitis et redemptionem tuam potes perdere, adhibitis autem redemptionem desiderare."

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Sammlung geben könne - wichtiger sei allemal die Reinerhaltung der „virgo sponsa" Kirche, statt durch Geldzahlungen an die Heiden die Möglichkeit gottesdienstlicher Zusammenkünfte zu „erkaufen".371 Die Verwendung der Bilder der „Braut" und der „Jungfrau" für die Kirche, die ihre Heiligkeit und Reinheit symbolisieren372, zeigt, daß hinter Tertullians rigorosen Forderungen das Bemühen steht, die Kirche in diesem für ihn essentiellen Zustand zu bewahren. Seine durch die Vorstellung von der reinen und heiligen Kirche geprägte Ekklesiologie 373 erscheint hier also zunächst als Grundlage der Absage an den Weg, das Fortbestehen des gemeindlichen Lebens, insbesondere der Gottesdienste, während der Verfolgung zu „erkaufen"; die pointierte Stellung des Hinweises auf die „virgo sponsa" Kirche zum Ende von „De fuga in persecutione" erweist sie aber auch prinzipiell als Basis seiner Ablehnung gegenüber jeglichem Versuch, der in Gestalt der gottgewollten Verfolgung an die Gläubigen herantretenden Forderung zur Leidensbereitschaft zu entgehen. Ein solches, durch die Gleichsetzung „(nummaria) fuga" = „martyrii recusatio" = „negatio" als Kapitalsünde disqualifiziertes Verhalten bedeutete fur Tertullian eine tiefgreifende Beeinträchtigung der kirchlichen Heiligkeit und Reinheit und führte - wenn die Argumentation aus „De pudicitia", wonach Kapitalsünden den sofortigen Ausschluß aus der Kirche nach

371

De fuga 14,If (CChr.SL II, 1155,11-13): „Melius est turbas tuas aliquando non videas, quam addicas. Serva Christo virginem sponsam; nemo quaestum de ea faciat." Tertullians Absage an jegliche Geldzahlung an die Heiden zur Aufrechterhaltung gemeindlichen Lebens während der Verfolgung ist sehr drastisch formuliert, indem die Kombination von „virgo sponsa" und „quaestum" (Verdienst der Dirnen) die Assoziation der Prostitution hervorruft. 372 Vgl. die Verbindung von „virgo" und „sponsa" in De pud. 1,8 (CChr.SL II; 1282,34-36), De pud. 18,11 (II, 13I8,47f). Zu diesen Bildern und den weiteren mit ihnen verbundenen Konnotationen vgl. Rankin, Church, 83-86. 373 Tertullian hat seine Auffassung von der Kirche nicht zusammenhängend dargeboten, so daß diese aus verschiedenen Einzeläußerungen geschlossen werden muß, die je nach Ausrichtung des Kontextes aber verschiedene Akzente in seinem Kirchenbegriff setzen. Als zentrales Kennzeichen der Kirche erscheint fur ihn aber deren „Heiligkeit": „It is crucial to his (sc. Tertullian's) understanding of the essential nature of the authentic church; this is particularly so in the later period, though it is far from absent earlier; it is an attribute without which the church cannot be the true church ...". (Rankin, Church, 114) Zur Bedeutung des Kennzeichens „Heiligkeit" für Tertullians Kirchenbegriff vgl. weiter Walter Simonis, Ecclesia visibilis et invisibilis. Untersuchungen zur Ekklesiologie und Sakramentenlehre in der afrikanischen Tradition von Cyprian bis Augustinus, Frankfurt/M. 1970, 4.

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sich ziehen374, auf „De foga" übertragen werden kann -

in seinen Augen zum

Ausschluß aus der kirchlichen Gemeinschaft. Zum Ende der Schrift stellt Tertullian heraus, worin der Unterschied zwischen denen, die der Verfolgung ausweichen wollten, und denen, die die „via angusta" zum Martyrium bereitwillig gingen, bestehe. Nur die letzteren hätten den Parakleten angenommen und könnten durch seinen Beistand im Leiden und Sterben standhaft bleiben.375 Nach seiner Auffassung können also nur „pneumatici" in der Verfolgung die richtige Entscheidung treffen, allen anderen, d.h. in erster Linie der Mehrheit der Katholiken, diktiere ihre Feigheit eine Schriftauslegung, die Flucht und Loskauf erlaube.376 Abgesehen von der wenig prägnanten Äußerung in „De patientia" ist Tertullians Haltung zu einem Ausweichen vor der Verfolgung also durchgängig eher negativ geprägt, wenn auch die Absage in der montanistischen Zeit einen ungleich rigoroseren Charakter annimmt. Innerhalb des Konzeptes seiner Ethik bedeutet dies, daß der in „Ad uxorem" gerade noch akzeptierte niedrigere Standard des christlichen Gehorsams auf der Grundlage des erlaubenden Willens Gottes gänzlich ausgeschlossen und gemäß der auf einen höheren Stand der Sittlichkeit zielenden Offenbarung des Parakleten377 nur noch der eigentliche, absolute Wille Gottes, der die Flucht verbietet, als Basis des Gehorsams anerkannt wird. Im Vergleich zu der in „Ad uxorem" zutagetretenden Position zur Flucht zeigt sich in Tertullians Ausführungen in „De foga in persecutione" also keine Kehrtwendung, wohl aber eine deutliche Radikalisierung der Ablehnung.378 Zu fragen ist, ob für

374

Vgl. D e pud. 7 (CChr.SL II, 1294,92): „Statim apparuit (sc. moechia et fornicatio), statim

homo de ecclesia expellitur nec illic manet...". Bezieht Tertullian diese Aussage hier konkret auf Hurerei und Ehebruch, so wird in De pud. 19,25 (CChr.SL II, 1323,112f) deutlich, daß sie sich auf alle Kapitalsünden bezieht. 375

De fuga 14,3 (CChr.SL II, 1155,20-24): , 3 t ideo Paracletus necessarius, deductor omnium

veritatum, exhortator omnium tolerantiarum. Quem qui receperunt, neque fugere persecutionem neque redimere noverunt, habentes ipsum, qui pro nobis erit, sicut locuturus in interrogatione, ita iuvaturus in passione." 376

D e fuga 13,3 (CChr.SL II, 1154,34-36): „Sed quid non timiditas persuadebit? Quasi et

fugere scriptum permittat et redimere praecipiat." Zur Ironisierung der Berufung der Katholiken auf die Schrift bei ihrer Haltung zur Flucht vgl. auch Anm. 352. 377

Vgl. Kap. 4.3.1, Anm. 236.

378

Vgl. Karpp, Schrift, 13: „Tertullian hat also mit den Jahren sein Urteil über die Flucht...

lediglich verschärft, es jedoch nicht grundsätzlich geändert."

Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

185

letztere montanistische Einflüsse maßgebend waren379, d.h. ob die rigorose Absage an jegliche Flucht als „Montanist cause"380 anzusehen ist. Gegen eine solche Einschätzung spricht, daß die in dem vormontanistischen Traktat „Scorpiace" zu findende Einschärfiing der Pflichtmäßigkeit des Martyriums als völlig unvereinbar mit einer auch nur begrenzten Akzeptanz eines Ausweichens vor der Verfolgungssituation erscheint; wenn auch das Thema „Flucht" nicht eigens behandelt wird, liegt in der Konsequenz dieser Schrift eine klare Absage an jeden Versuch, der auf das Martyrium zielenden Forderung Gottes zu entgehen.38' Insofern erweisen sich „Scorpiace" und „De foga in persecutione" in ihrer Tendenz als kongruent.382 Dies weist daraufhin, daß die in Tertullians Fluchttraktat zutagetretende Haltung nicht erst auf Einflüsse der „Neuen Prophetie" zurückzufuhren ist, sondern sich bereits vorher entwickelte und dann zusätzlich durch spezifisch montanistische Vorstellungen wie den Verweis auf das Wirken des Parakleten und den Rückbezug auf entsprechende Orakel unterstützt wurde.383 Wie in bezug auf die Herausstellung

379

So z.B. Klein, Bewußtsein, 304: „... der Ethiker, der Moralist, der Moralprediger,..., der altchristliche Tertullian wurde zum Montanisten! Auch und gerade in der Frage des Martyriums. Denn anders wäre für ihn die... Frage nach der Pflichtmäßigkeit des Martyriums im vollen Sinne des Wortes, so daß also auch das Fliehen in der Verfolgung verboten war, nicht zur Lösung gekommen." 380 Rankin, Church, 42. Ford, Montanism, 155, spricht von „Tertullian's montanist view that one must not flee from the city of martyrdom." 381 So auchCardman, Resurrection, 171. Barnes, Scorpiace, 118, will hingegen aus Scorp. 1,11 (CChr.SL II, 1071,14f: „Nos ipsi ut lepores, destinata venatio, de longinquo obsedimur...") eine Anerkennung der Flucht in diesem Traktat entnehmen: „The Scorpiace seems to imply the possibility of flight: if its author and readers are being hunted like hares, might they not run away like hares?" Ebenso im Anschluß an Barnes Rambaux, Tertullien, 368. Mehr als die Bedrängnis der Christen seitens der Heiden, die durch das Wirken der Häretiker noch verschärft werde (vgl. Scorp. 1,11; CChr.SL II, 1071,15), aus diesem Vergleich der Verfolgten mit den „lepores" herauslesen zu wollen, heißt aber, das Bild überzuinterpretieren, und widerspricht der Grundtendenz dieses Traktates. 382 So auch Droge/Tabor, Death, 147: „Although his (sc. Tertullian's) position in On Flight differs from what he says in To his wife, it coheres with the view expressed in the Scorpiace, a preMontanist work, even though in that treatise the subject of flight was not directly addressed. In the Scorpiace Tertullian argued that God ordained martyrdom as means of salvation. It is a duty and cannot be avoided. On Flight in Persecution elaborates this view with respect to flight..." 383 Barnes, Tertullian, 183, betont die Unabhängigkeit der Argumentation von „De fuga in persecutione" von montanistischen Vorstellungen: „Tertullian ... made his arguments indépendant of his Montanist convictions." So seien die von ihm angeführten montanistischen Orakel keinesfalls essentiell fur die Argumentation, sondern erschienen lediglich als Bestätigung einer anderweitig entwickelten Position. Im Anschluß an Barnes vertritt auch Rambaux, Tertullien, 386, eine ähnliche Einschätzung: „Tertullien n'a pas subi, sur ce point (sc. der Flucht), la contrainte du montanisme; il est allé à lui parce qu'il correspondait à ses aspirations de toujours." Droge/Tabor, Death, 148, stellen - ebenfalls unter Rückbezug auf Bames - heraus, daß die Verurteilung einer Flucht nicht als „expression of Montanist bias" zu verstehen sei, sondern eine unabhängig von montanistischen

186

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der auf das Martyrium zielenden Gehorsamsforderung Gottes, deren das konkrete Verhalten der Gläubigen in der Verfolgung betreffende „Kehrseite" die Absage an die Flucht darstellt, zeigt sich auch hier, daß seine Hinwendung zum Montanismus weniger eine Veränderung seiner Position mit sich brachte, als daß sie vorher entstandene Auffassungen reflektierte und unterstützte. Eine ebenfalls klare Absage an die Flucht mit deutlicher Polemik gegenüber der vermeintlich bei den Katholiken vorherrschenden Haltung findet sich auch in dem montanistischen Traktat „De corona". Unter diesen - so schreibt Tertullian - seien etliche, die die Flucht ergriffen, denn sie behielten aus der Schrift nur die eine, zur Flucht auffordernde Stelle im Gedächtnis.384 Die katholischen Kleriker bezeichnet er geringschätzig als solche, die im Frieden zwar als „Löwen" erschienen, im Kampf (der Verfolgung) hingegen als „Hirsche", d.h. er vergleicht sie mit Tieren, die beim geringsten Schrecken schnell die Flucht ergreifen.385 Im Zusammenhang stehen diese Äußerungen mit Tertullians Darstellung eines Vorfalls in der römischen Armee, bei dem ein christlicher Soldat anläßlich der Austeilung einer Geldspende die obligatorische Bekränzung verweigerte und daraufhin verhaftet wurde.386 Während Tertullian selbst dieses Verhalten lobt, erhoben sich unter den Katholiken Stimmen, die den Soldaten als „begierig nach dem Tod" (mori cupidus), d.h. als unnötig nach dem Martyrium drängend verurteilten und auf die nachteiligen Folgen einer solchen Unbesonnenheit für die Sicherheit aller

Überzeugungen entwickelte Position, die kongruent gegenüber der in „Scorpiace" und auch „Ad martyras" vertretenen sei. Wenn auch letzteres überzogen ist, da sich aus „Ad martyras" keine zwangsläufig auf eine Absage an eine Flucht hinauslaufende Tendenz entnehmen läßt, ist dieser These dennoch grundsätzlich zuzustimmen. Unklar bleibt in bezug auf die Positionen von Barnes und Rambaux letztlich, warum sie zwar einerseits die Unabhängigkeit der Ablehnung der Flucht von montanistischen Vorstellungen postulieren, andererseits aber aus dem vormontanistischen „Scorpiace" eine Akzeptanz eines solchen Schrittes entnehmen wollen. Die Auffassung von Droge/Tabor ist hier in sich stimmiger. 384

De cor. 1,5 (CChr.SL II, 1040,29-32): „Nec dubito quosdam (secundum) scripturas emigrare, sarcinas expedire, fugae accingi de civitate in civitatem. Nullam enim aliam evangelii memoriam curant." 385 De cor. 1,5 (CChr.SL II, 1040,32f): „Novi et pastores eorum in pace leones, et in proelio cervos." Zu dem Verständnis von „cervus" als Bild für „velocitas (persaepe ex metu)" vgl. ThLL ΙΠ, 954. Kellner/Esser, BKV 24, 233, übersetzen fälschlich mit „Hasen". Die Frage der Flucht will Tertullian in diesem Kontext nach eigenen Angaben aber weiter nicht betrachten: „Sed de quaestionibus confessionum alibi docebimus" (De cor. 1,5; CChr.SL II, 1040,33-141,34). Mit „alibi" bezieht er sich vermutlich auf „De fuga in persecutione", so daß diese Schrift nach „De corona" anzusetzen wäre. 386 Zu Datierung und Umständen dieses Vorfalls vgl. Kap. 2, Anm. 35-37.

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Christen hinwiesen.387 Die Kritik der Katholiken steht Tertullians Auffassung nach für eine Grundhaltung, die in die Nähe des Versuches einer gänzlichen Absage an das Martyrium komme388; für eine solche Haltung stehe die Akzeptanz der Flucht als beredtes Indiz. In der Darstellung dieses Vorfalls durch Tertullian wird deutlich, daß seiner negativen Bewertung der Flucht auf der einen Seite eine positive Sicht eines zumindest herausgeforderten Martyriums auf der anderen Seite entspricht. Die Weigerung des Soldaten, den Kranz aufzusetzen, und sein Bekenntnis vor dem Tribun erwiesen ihn als „miles gloriosus in deo"389; nur er allein unter allen Mitchristen beim Militär habe Tapferkeit bewiesen, so daß er letztlich als einziger Christ zu gelten habe: „solus scilicet fortis inter tot fratres commilitones, solus Christianus".390 Zu diesem Lob paßt Tertullians Äußerung in „Ad Scapulam", in der er anknüpfend an einen entsprechenden Vorfall in der Provinz Asia eine Selbstauslieferung von Gläubigen dem Statthalter Scapula als grundsätzlich gegebene Möglichkeit christlichen Verhaltens vor Augen führt.391 Sowohl in „De corona" als auch in „Ad Scapulam" zeigt die mit dem geschilderten Verhalten sympathisierende Darstellung die Akzeptanz und positive Wertung einer Herausforderung des Martyriums bzw. eines Verhaltens, welches zumindest in den von ihm kritisierten großkirchlichen Kreisen als „Begierde nach dem Sterben" angesehen wurde. Im Blick auf die theologische Begründung des Martyriums paßt diese

387

De cor. l,4f (CChr.SL II, 1040,22-29): „Exinde sententiae super ilio, - nescio an Christianorum; non enim aliae ethnicorum - ut de abrupto et praecipiti et mori cupido, qui de habitu interrogatus nomini negotium fecerit... Musitant denique tarn bonam et longam pacem periclitari sibi." Nach Buschmann, Montanismus, 108, wird hier der „Zusammenhang von Montanismus, Martyriumssucht und Kritik der Großkirche" deutlich. 388 De cor. 1,4 (CChr.SL II, 1040,26-28): „Plane superest, ut etiam martyria recusare meditentur qui prophetias eiusdem spiritus sancti respuerunt." 389 De cor. 1,2 (CChr.SL II, 1039,13). 390 391

De cor. 1,4 (CChr.SL II, 1040,25f).

Ad Scap. 5,1 f (CChr.SL II, 1131-4-1132,10): „Arrius Antoninus in Asia cum persequeretur instanter, omnes illius civitatis Christiani ante tribunalia eius se manu facta obtulerunt... Hoc si placuerit et hie fieri, quid facies de tantis milibus hominum, tot viris ac feminis, omnis sexus, omnis aetatis, omnis dignitatis, offerentibus se tibi?" Auf die grundsätzliche Bereitschaft zur Selbstauslieferung weist auch Ad Scap. 1,2 (CChr.SL II, 1127,7f) hin: „Denique cum omni saevitia vestra concertamus, etiam ultra erumpentes ..." Zur Funktion der Hinweise auf eine mögliche Selbstauslieferung im Kontext der Argumentation dieser Schutzschrift vgl. Butterweck, Martyriumssucht, 49: „Das „ultro erumpere" dient... als Argument, Scapula wegen der Konsequenzen für die Allgemeinheit von einer Verfolgung abzubringen." Unwahrscheinlich ist hingegen, daß Tertullian mit dem Hinweis in Ad Scap. 1,2 den Eindruck erwecken wollte, daß jeder Christ in Karthago ein Montanist sei (so Barnes, Tertullian, 167).

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Die Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung

Vorstellung eines aktiven Drängens zum Glaubenstod seitens der Christen insofern in das martyrologische Konzept Tertullians, als sich bei ihm - im Unterschied zu seinem Zeitgenossen Clemens von Alexandrien sowie zu Cyprian392 - keine nachdrückliche Bindung des Martyriums an einen Ruf oder eine Würdigung Gottesfindet.393Somit ist die Entscheidung über das Erleiden eines Martyriums weitgehend aus dem Gnadenhandeln Gottes in den Handlungsbereich des einzelnen Christen verlegt, eine Herausforderung des Glaubenstodes wird theologisch begründbar. Dennoch - das ist einschränkend zu sagen - hat Tertullian in keinem seiner Traktate explizit zu einem solchen Verhalten aufgefordert.394 In der Forschung ist insbesondere der Parakletenspruch „Nolite in lectulis nec in aborsibus et febribus mollibus optare exire, sed in martyriis"395 im Sinne einer direkten Forderung nach einem Drängen zum Martyrium verstanden worden.396 Hier ist aber zu differenzieren zwischen der vermuteten ursprünglichen Intention dieses als authentisch angesehenen Orakels397 und seiner Verwendung in dem Kontext des Fluchttraktates. Das Orakel stellt den Martertod anderen Todesarten, dem natürlichen Tod im Bett, infolge einer Fehlgeburt oder an einem Fieber gegenüber. Anders als diese alltäglichen Formen des Todes erscheint nur der Martertod als erstrebenswert. Isoliert kann dieser Parakletenspruch also durchaus als Aufforderung zu einem for-

392 Zur Bindung des Martyriums an einen göttlichen Ruf bei Clemens vgl. Droge/Tabor, Death, 142: „... Clement maintains that one can be a true martyr only if he acts in accordance with God's will. An individual Christian cannot choose to become a martyr without being called by God. Once again, the decision to allow one's life to be taken is evaluated in the light of the Socratic tradition of the .divine signal'." Zu Cyprian vgl. Kap. 4.3.1, Anm. 268, und Kap. 6. 393 Vgl. Kap. 4.3.1. 394 Guignebert, Tertullien, 156, hat die Auffassung vertreten, daß Tertullian in keiner Weise zum Drängen nach dem Martyrium aufgefordert habe. Wenn auch diese These zutreffend ist im Blick auf eine entsprechende ausdruckliche Aufforderung, so läßt sie doch die implizit auf ein Drängen nach dem Martyrium hinauslaufenden Aspekte des tertullianischen Martyriumskonzeptes, insbesondere in „Scorpiace" (vgl. die Ausführungen zum Ende dieses Kapitels), außer acht. Zur Unterstützung seiner These hat Guignebert darauf hingewiesen, daß Tertullian selbst nicht das Martyrium gesucht habe. Angesichts des völligen Fehlens einer Überlieferung über Tertullians Lebensende läßt sich dies aber nicht mit Sicherheit sagen, wenn auch ein etwaiges Martyrium Tertullians vermutlich trotz der allgemein geringen Zeugnisse über den „Häretiker" in der altkirchlichen Literatur in Erinnerung geblieben und überliefert worden wäre. Anders Bames, Tertullian, 59, der es für möglich hält, daß Tertullian als Märtyrer starb, „whom the church preferred to forget". 395

De fuga 9,4 (CChr.SL II, 1147,39f). Buschmann, Montanismus, 117, spricht von der in diesem Orakel deutlich werdenden „Verpflichtung zu gewolltem Martyrium". Robeck, Role, 229, geht davon aus, daß dieses Orakel benutzt wurde „to exhort people to seek a death in martyrdom." 397 Vgl. Heine, Oracles, 6. 396

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eierten Drängen nach diesem allein wünschenswerten Tod verstanden worden sein398, wobei eine solche Feststellung allerdings immer unter dem Vorbehalt stehen muß, daß der ursprüngliche „Sitz im Leben" des Orakels nicht bekannt ist.399 Innerhalb des Kontextes von „De fuga" erfährt der Spruch aber insofern eine Differenzierung, als es Tertullian dort konkret um die Ablehnung einer Flucht in der Verfolgung geht. Das Orakel dient dabei als Argument gegen ein Ausweichen vor dem Glaubenstod in einer bereits bestehenden Verfolgungssituation. Der Gegensatz zu einem solchen Verhalten ist die Annahme des auf die Gläubigen zukommenden Martyriums, nicht aber speziell das selbst herausgeforderte Martyrium. Diese Interpretation des Orakels zeigt sich auch an der Überschrift, die Tertullian über die Zitation dieses und eines weiteren Parakletenspruchs gestellt hat: „Namque omnes paene ad martyrium exhortantur, non ad fugam".40° Diese Aussage macht deutlich, daß es ihm mit der nachfolgenden Aufnahme des Orakels nicht isoliert um eine Aufforderung zu einem seitens der Christinnen und Christen

398 Eine andere Interpretation dieses Orakels findet sich bei Butterweck, Martyriumssucht, 119f: In diesem sei es ursprünglich um nicht eine Gegenüberstellung von Martertod und natürlichem Tod und damit letztlich um eine Aufforderung zum Martyrium gegangen, sondern um eine Abgrenzung gegen ausschweifende Lebensformen, in deren Konsequenz ein früher Tod „in lectulis, aborsibus et mollibus febribus" stehe. „Deshalb werden die Adressaten (des Orakels) aufgefordert, wenn sie schon ein früher Tod ereilen sollte, sich zu wünschen, daß die Ursache dafür nicht - wie bei manchen Psychikern — in einem ausschweifenden Leben, sondern allenfalls im Martyrium liegen möge." Zwingend ist dieses Verständnis aber nicht, denn es setzt immerhin voraus, daß das Orakel in seiner Aufforderung zu einer bestimmten Lebensform den Umweg über die Argumentation mit verschiedenen 7Wejformen und -arten macht, von denen die Hörer auf die abgelehnten Formen des Lebens bzw. die gebotene Lebensausrichtung zurückschließen müßten. Zudem stellt sich die Frage, warum Tertullian, wenn denn das Orakel ursprünglich auf die Ablehnung bestimmter Lebensformen, konkret der Ehe und Mutterschaft (ausgedrückt durch den Tod „in aborsibus") sowie jeglicher Verweichlichung und Dekadenz (ausgedrückt durch den Tod „in lectulis ... et in mollibus febribus"; vgl. hierzu Butterweck, Martyriumssucht, 119), ausgerichtet gewesen ist, es nicht in diesem Sinne aufgegriffen hat, obwohl auch dies mehrfach zu seiner Argumentation gepaßt hätte (z.B. in „De monogamia", „De ieiunio"). Entweder hätte er also das ursprüngliche Verständnis selbst nicht mehr gekannt oder bewußt eine Veränderung der Zielrichtung durch einen anderen Kontext vorgenommen. Die dritte und m.E. wahrscheinlichste Möglichkeit besteht aber darin, daß seine doch immerhin zweimalige Rezeption des Orakels im Sinne einer Gegenüberstellung von Martertod und natürlichem Tod als deutliches Indiz für eine entsprechende Zielrichtung auch des ursprünglichen Orakels gewertet werden kann. 399 Nicht nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage Jensen, Töchter, 295, davon ausgeht, daß es sich bei dem Orakel nicht um „grundsätzliche Handlungsanweisungen", sondern um Worte gehandelt habe, „die in einem Kerker gesprochen wurden, in einem Gottesdienst der Verurteilten, deren Martyrium unmittelbar und unausweichlich bevorstand". Für Jensens These ist diese Argumentation aber insofern vonnöten, als es ihr um die grundsätzliche Widerlegung einer Suche nach dem freiwilligen Martyrium bei den Montanisten geht. 400

De fuga 9,4 (CChr.SL II, 1147,33f).

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forcierten Martyrium geht401, sondern um die Ablehnung einer Flucht in der an diese herangetragenen Herausforderungssituation. Zu diesem Zweck wird das Martyrium als wünschenswerteste und deshalb freudig anzunehmende Todesart herausgestellt. Daß der Gedanke an ein durch Provokation der Heiden verursachtes Martyrium in dieser Schrift nicht in seinem Blickfeld liegt, zeigt sich auch daran, daß er in einem anderen Abschnitt dieses Traktates Hinweise daraufbietet, wie gottesdienstliche Versammlungen ohne weiteren Konflikt mit den heidnischen Soldaten durchgeführt werden können.402 Dem Montanismus ist in der Forschung weithin ein Drängen nach dem Martyrium und eine Akzeptanz der Selbstauslieferung zugeschrieben worden; die „montanistische Martyriumssucht"403 erscheint geradezu als ein Standard-Topos in der Charakterisierung der „Neuen Prophetie"404, der sie von der katholischen

401 Ein solches Verständnis zeigt sich hingegen z.B. in der Übersetzung in The Ante-Nicene Fathers, Vol. IV: Tertullian (IV), Minucius Felix, Commodian, Orígenes (I-II), Grand Rapids (1965), 121: „For, indeed, it incites all almost to go and offer themselves in martyrdom, not to flee from it." Ähnlich paraphrasiert Frend, Martyrdom, 372, die in De fuga 9 deutlich werdende Auffassung: „... the Christian's weapon was his own death, martyrdom not merely to be suffered, but to be provoked and granted as a reward ..." Ebenso geht William Tabbernee, Early Montanism und voluntary Martyrdom, in: Colloquium. The Australian and New Zealand Theological Review 17 (1985), 38, davon aus, daß Tertullian dieses Orakel aufgenommen habe als eines, das „voluntary martyrdom" fordere. Als Beleg fuhrt er die von Tertullian gegebene Überschrift über das Orakel an, wobei er aber zum einen den Schluß („non ad fagam") unterschlägt und zum anderen unkritisch die oben angeführte Übersetzung aus den ANF übernimmt. 402 De fuga 14,1 (CChr.SL II, 1155,1-12): „,Sed quomodo colligemus', inquis, ,quomodo dominica sollemnia celebrabimus?' Utique quomodo et apostoli, fide, non pecunia tuti, quae fides si montem transferre potest, multo magis militem. Esto sapientia, non praemio cautus... Postremo si colligere interdiu non potes, habes noctem, luce Christi luminosa adversus eam. Non potes discurrere per singulos, si tibi est in tribus ecclesia?" Vgl. Butterweck, Martyriumssucht, 55, der zufolge Tertullian in „De fuga" „nicht daran denkt, die Behörden zu reizen, um Verfolgungen zu erzwingen ..." Tertullian hat das genannte Orakel ebenfalls in „De anima" zitiert, aber auch dort dient es nicht zur Aufforderung nach einem Drängen zum Martyrium, sondern illustriert die Differenz zwischen Märtyrern einerseits und allen Nichtmärtyrern — Heiden wie Christen — andererseits in bezug auf ihre postmortale Destination: Nur die Märtyrer gelangen gleich nach dem Tod in das Paradies, nicht erst in die Unterwelt. Daß dies nicht als Forderung zur Forcierung des Marytriums gemeint ist, zeigt sich an Tertullians im selben Zusammenhang zu findender Kritik an denjenigen Christen, die die Seelen der Gläubigen fur die Unterwelt zu gut finden. Eine direkte Aufforderung zum Glaubenstod bedeutete aber, daß die Gläubigen genau diese postmortale Bestimmung, in der auch Christus nach seinem Tod zunächst weilte, umgingen. 403

Buschmann, Martyrium des Polykarp, 84. Vgl. z.B. Frederick C. Klawitter, The Role of Martyrdom and Persecution in Developing the Priestly Authority of Women in Early Christianity. A Case Study of Montanism, in: ChH 49 (1980), 253: „The desire for martyrdom or what has been called voluntary martyrdom was an important feature in the New Prophecy." Ähnliche Äußerungen finden sich schon bei Heinrich Kraft, Die Kirchenväter bis zum Konzil von Nicäa, Bremen ( 1966), 321 ; Campenhausen, Idee, 116; Joseph 404

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Kirche unterscheidet.405 Die beschriebene Position Tertullians könnte hier in zweifacher Hinsicht zu einer Differenzierung beitragen: Zum einen findet sich gerade auch in dem sicher montanistischen Traktat „De fuga in persecutione" keine ausdrückliche Aufforderung zu Provokation und Selbstauslieferung. Das Lob Tertullians für das Verhalten des Soldaten in „De corona", das durchaus für die Adressaten auch paränetisch gemeint sein kann, beruht letztlich nicht auf einer undifferenzierten Bejahung von Selbstauslieferung seitens Tertullians, sondern auf einer strikteren Bestimmung des „status confessionis". Daß eine Selbstauslieferung, wenn sie auch nicht explizit gefordert ist, bei ihm aber auf Akzeptanz stößt, zeigen die sympathisierende Darstellung einer Selbstauslieferung einer großen Anzahl von Christinnen und Christen in der Provinz Asia sowie der Hinweis auf die prinzipielle Möglichkeit eines solchen Verhaltens innerhalb der ebenfalls aus seiner montanistischen Zeit stammenden Schrift „Ad Scapulam". Zum anderen läßt sich eine theologische Rechtfertigung eines Drängens nach dem Martyrium aber schon aus seinem vormontanistischen Martyriumskonzept ableiten, wie er es in „Scorpiace" expliziert hat. Auch wenn die Frage einer Selbstauslieferung direkt darin nicht angesprochen wird, kann in der Konsequenz der Einschärfung der Notwendigkeit des Martyriums und der noch zu betrachtenden singulären Heilsbedeutung des Glaubenstodes406 für die Adressaten durchaus ein solches Verhalten liegen, wenn sie nicht zu den Christinnen und Christen gehören, die unmittelbar von der Verfolgung seitens der Heiden betroffen sind und damit die Gelegenheit zur Erlangung des „Gipfelpunktes der christlichen Hoffnung" (spei cumulus)407 geboten bekommen. Da die Ausführungen von „Scorpiace" so durchaus als implizite Aufforderung zur Forcierung eines Martyriums verstanden werden können, läßt sich Tertullian nicht als „Kronzeuge" für

A. Fischer, Die antimontanistischen Synoden des 2./3. Jahrhunderts, in: AHC 6 (1974), 263; jüngst bei Klaus Koschorke, Gnosis, Montanismus, Mönchtum. Zur Frage emanzipatorischer Bewegungen im Raum der Alten Kirche, in: EvTh 53 (1993), 223, und Andrzej Wypustek, Magic, Montanism, Perpetua, and the Severan Persecution, in: VigChr 51 (1997), 281 : „In Montanist communities one probably went as far as to deliberately provoke martyrdom ..." 405 Exemplarisch sei hier auf Kraft, Kirchenväter, 321, verwiesen, der die Neigung zur Selbstauslieferung als einen „Differenzpunkt zwischen Montanismus und Katholizismus" bezeichnet. Kritisch gegenüber einer solchen Auffassung hat sich Tabbernee, Montanism, 33-44, geäußert; er hebt die prinzipielle Gleichheit der Haltungen zu einem herausgeforderten Martyrium in Großkirche und Montanismus hervor: „... the attitudes of Montanists to martyrdom did not differ substantially from those of their orthodox opponents." (Tabbernee, Montanism, 43) 406 Vgl. Kap. 4.5.3. 407 Scorp. 6,7 (CChr.SL II, 1080,15).

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einen besonderen montanistischen „Martyriumsenthusiasmus" und einen speziell innerhalb der „Neuen Prophetie" zu findenden Drang nach Selbstauslieferung anfuhren.408 Vielmehr zeigt die Argumentation in diesem Traktat, daß ein Martyriumskonzept, das die theologische Begründung eines Drängens nach dem Glaubenstod ermöglichte, unabhängig von montanistischen Vorstellungen ausgeformt werden konnte. Die in „Ad Scapulam" zu findende Notiz über die Selbstauslieferung einer Anzahl von Gläubigen, die keinen Hinweis darauf enthält, daß es sich bei diesen um Montanisten gehandelt habe409, weist darauf hin, daß die Praxis eines Drängens nach dem Martyrium vermutlich auch abseits der Kreise der „Neuen Prophetie" vorkam. Bestätigt wird diese Überlegung, daß es ebenso bei den Katholiken Tendenzen zur Selbstauslieferung gab, für die Folgezeit gerade auch durch Cyprians strikte Absage an ein solches Verhalten in der karthagischen Gemeinde.410 Die Märtyrerakten Cyprians erwähnen als Wunsch der nach der Urteilsverkündung gegen den Bischof anwesenden Gemeinde: „Et nos cum eo decollemur"411, woraufhin alle ihm zum Hinrichtungsplatz gefolgt seien. Die Akten berichten allerdings nicht von einer darauf folgenden Verhaftung der Christen. Dabei zeigt sich weder in Cyprians Verbot, daß es sich gegen montanistische Tendenzen richtete, noch auch in den Akten, daß die anwesenden Gemeindeglieder montanistischen Einflüssen unterlagen.412 Die dargestellte Position Tertullians zeigt so, nicht zuletzt im Kontext der eben angeführten weiteren Überlieferungen, daß eine große Bereitschaft zum Erleiden

408 Es geht hier nicht um die Widerlegung der Vorstellung, daß es überhaupt innerhalb des Montanismus ein Drängen zum Martyrium gegeben habe. Diese Tendenz verfolgt Jensen, Töchter, 293-296, allerdings mit Hilfe schwer nachvollziehbarer Prämissen: Auf die Vorentscheidung bezüglich des „Sitzes im Leben" der montanistischen Orakel wurde schon hingewiesen (vgl. Anm. 399). Darüberhinaus behauptet sie ohne nähere Untersuchung, daß „ein konkreter Fall von Selbstdenunzierung ... in der Neuen Prophetie" nicht nachweisbar ist (Jensen, Töchter, 295). Zu diesem Zweck muß sie z.B. von vornherein davon ausgehen, daß der in Mart.Pol. 4 erwähnte „Phryger" Quintus kein Montanist gewesen sei, was zumindest der Diskussion bedarf. Zur entsprechenden Auseinandersetzung mit Jensen vgl. Buschmann, Montanismus, 1 lOf. 409 So auch Gramaglia, A Scapula, 211; Tabbemee, Montanism, 41, der gegen die bei Frend, Martyrdom, 293, zu findende Behauptung, daß es sich bei den erwähnten Christen um Montanisten gehandelt habe, herausstellt, daß diese zum einen auf der a priori getroffenen Entscheidung beruhe, daß Montanisten „voluntary martyrs" waren, zum anderen auf der Tatsache, daß es Tertullian war, der diese Episode überliefert. Aber „neither is sufficient to label these Asian volunteers as Montanists". 410 411 412

ep. 81,4 (CChr.SL III C, 630,240Act.Cypr. 5,1 (Musurillo, 172, 25f)·

Ebensowenig läßt sich das von Eusebius überlieferte Verhalten des Orígenes (Eus., HE VI, 2,3-5; vgl. Anm. 294) auf montanistische Einflüsse zurückführen.

Bedeutung des Martyriums für den Heilsstand

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des Martyriums sowie ein sich daraus möglicherweise in fließendem Übergang ergebendes Drängen nach dem Glaubenstod nicht als „Differenzpunkt(e)" 413 zwischen der katholischen Kirche und der „Neuen Prophetie" zu sehen sind, sondern Phänomene darstellen, die bei beiden ihre Vertreter fanden.414 Ein Martyriumskonzept, wie das in Tertullians „Scorpiace" dargestellte, das eine theologische Rechtfertigung eines Drängens nach dem Martyrium möglich machte, bildete dabei allerdings innerhalb der Großkirche eine „Minderheitsposition".

4.5 Die Bedeutung des Martyriums für den Heilsstand der Christinnen und Christen

Ging es in den vorhergegangenen Kapiteln um die theologische Begründung des Martyriums, um das Verhältnis von menschlichem und göttlichem Wirken im christlichen Leiden und um die daraus resultierenden Implikationen für das konkrete Verhalten der Christinnen und Christen angesichts von Verfolgung und latenter Bedrohung seitens einer ihnen vielfach ablehnend gegenüberstehenden heidnischen Umwelt, so stellt sich zuletzt die Frage nach der Wirkung des Martyriums auf diejenigen Gläubigen, die bereit sind, der an sie herangetragenen göttlichen Forderung nach Leidens- und Martyriumsbereitschaft bis zur letzten Konsequenz Folge zu leisten.

4.5.1 Das Martyrium als Weg zu himmlischen Ruhm Wesentlich für die Motivation zum Erleiden des Martyriums ist in der Alten Kirche die Überzeugung gewesen, daß denjenigen Christinnen und Christen, die für ihren Glauben Leiden erduldeten, besondere Verheißungen in Aussicht stün413 414

Kraft, Kirchenväter, 321.

Daß sich in der altkirchlichen Literatur auch Zeugnisse für ein Drängen nach dem Martyrium innerhalb der katholischen Kirche finden, ist in der Forschung schon von de Ste Croix, Christians, 234, betont worden, ebenso geht Baumeister, Norm, 126, davon aus, daß sich die Betonung des „evangeliumsgemäßen" Blutzeugnisses in Mart.Pol. 1,2; 4,1 gegen den Martyriumsenthusiasmus als „Problem innerhalb der Gemeinden der katholischen Kirche" gerichtet habe. (Hervorhebung der Verf.)

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Martyrium als Weg zu himmlischem Ruhm

den. So heißt es im „Martyrium Polycarpi", daß die Märtyrer „mit den Augen des Herzens" die Güter gesehen hätten, die diejenigen erhielten, die im Leiden standhaft blieben.415 Auch Tertullian hat auf die den Märtyrern in Aussicht stehenden himmlischen Verheißungen sowohl zum Zweck der Motivation zum Martyrium als auch zur Beschreibung seiner besonderen Wertigkeit zurückgegriffen, allerdings ohne daß diese Perspektive eine vorrangige Position innerhalb seiner Martyriumstheologie eingenommen hätte.416 Gegenüber der Einschärfung der Notwendigkeit und Pflichtmäßigkeit des Martyriums hat die Beschäftigung mit dem zu erlangenden Lohn bei ihm deutlich sekundären Charakter - gerade auch im Vergleich mit der Konzeption Cyprians, bei dem sich in allen der Ermunterung zum Martyrium und dem Lob der Märtyrer gewidmeten Briefen ebenso wie in der der Exhortation zum Martyrium gewidmeten Schrift „Ad Fortunatum" Passagen finden, die ausfuhrlich und bildreich den göttlichen Ruhm des Martyriums preisen.417 In seinen Ausführungen zur Deutung des Martyriums bleibt Cyprian an keiner Stelle bei dessen Begründung als Tat des Gehorsams oder als Akt der Nachfolge stehen, sondern betont durchgängig den Verdienstcharakter des Leidens für den Glauben und hebt diesen als zentrale Motivation fur das Martyrium hervor.418 Die bei Tertullian demgegenüber feststellbare Nachordnung des Verdienstgedankens hat dieser in „Scorpiace" explizit ausgesprochen: „Sed nondum de bono martyri, nisi de debito primum, nec ante de utilitate eius, quam de necessi-

415

Mart.Pol. 2,3 (Musurillo, 4,4f). So auch Bray, Holiness, 47: „Tertullian never denied that a martyr was certain of his heavenly reward, but that was not the main focus of his attention." 417 Vgl bes. ep. 6; 10; 37; 58; 76; Ad Fort.l2f. 418 In diesem Sinne charakterisiert auch Campenhausen, Idee, 131, zutreffend die Tendenz der cyprianischen Martyriumstheologie·. „Cyprian macht keinen Versuch, auch nur grundsätzlich einen Augenblick lang bei der ausschließlich theonomen Begründung des Martyriums stehen zu bleiben. Vielmehr legt er jeden Beweis so an, daß er mit einer nachdrücklichen Hervorhebung des Verdienstgedankens gekrönt werden kann, durch die das Martyrium immer wieder als die große Glückschance des Menschen empfohlen wird". In ähnlicher Weise beschreibt auch Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 292, die Bedeutung des Hinweises auf den den Märtyrern ausstehenden Lohn bei Cyprian: „... San Cipriano proponía siempre los premios celestiales a la confesión y al martirio para convencer y enardecer al Miles a realizar su gran combate, hasta al punto de estimar que ello daba razón suficiente para que la repugnancia natural al sufrimiento y la muerte desaparecieran, ante el gozo producido pro la firme esperanza del premio a obtener." Vgl. auch die allgemein auf die Rolle des Lohnmotivs bezogene Einschätzung bei Brian Daley, Eschatologie in der Schrift und Patristik (HDG IV,7a), Freiburg/Basel/Wien 1986, 117: „Cyprian betont eigentlich mehr als jeder frühere lateinische Schriftsteller die Größe des Lohnes, die jenen verheißen ist, die trotz aller Widrigkeiten treu bleiben." 416

Martyrium als W e g zu himmlischem Ruhm

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tate discendum."419 Zuerst seien die Verpflichtung der Gläubigen zum Martyrium und dessen Notwendigkeit einzuschärfen, erst dann dürfe betrachtet werden, worin „Güte" und Nutzen des Glaubenstodes für die Christen bestünden. Entsprechend nimmt die Darstellung der den Märtyrerinnen und Märtyrern gegebenen Verheißungen in diesem Traktat auch nur einen verhältnismäßig kleinen Raum ein: Ein Kapitel erläutert prinzipiell, daß das Martyrium ein „Getötetwerden zum Heil" (occidi in salutem) bedeute420, und daß Gott mit diesem Mittel, auch wenn es zunächst schrecklich scheine, nur das Beste für die Gläubigen erreichen wolle; hierin sei er einem Arzt vergleichbar, der schreckliche Heilmittel anwende, um die Genesung der Patienten zu erreichen.421 Darauf folgend verweist Tertullian mit Hilfe eines Vergleiches aus dem Wettkampfbereich auf den den Märtyrern in Aussicht stehenden Siegeskranz und die Exklusivität des ihnen gebührenden Lohnes.422 In einem weiteren Kapitel findet sich darüberhinaus noch eine knappe, unter Rückgriff auf die „Siegersprüche" aus der Johannes-Apokalypse formulierte Darstellung der den Blutzeugen gegebenen Verheißungen.423 Innerhalb eines Gesamtumfangs von 15 Kapiteln zeigt dies deutlich die Zweitrangigkeit der Frage nach dem Nutzen des Martyriums für die Gläubigen, nach dem mit dem Glaubenstod verknüpften himmlischen Ruhm innerhalb der Aufforderung zur Martyriumsbereitschaft. Diese Gewichtung zeigt sich aber nicht nur in dem ohnehin durch die Betonung des Pflichtcharakters des Martyriums gekennzeichneten Traktat „Scorpiace"; auch schon in „Ad martyras" spielt die Beschreibung des zu erwartenden Lohnes keine essentielle Rolle bei der Exhortation und Motivation der inhaftierten „martyres designati".424 Auch nach Tertullians Eingeständnis, daß er bislang noch gar nichts über den den Märtyrern in Aussicht stehenden Lohn Gottes gesagt habe425, finden

4

" Scorp. 2,1 (CChr.SL II, 1071,3f).

420

Scorp. 5,13 (CChr.SL II, 1078,28).

421

Scorp. 5,6f (CChr.SL II, 1077,15-1078,26). Zu dem hier aufgegriffenen Deus-Medicus-

Motiv vgl. O'Malley, Tertullian, 106f. 422

Scorp. 6,1-11 (CChr.SL II, 1079,3-1081,23). Zu diesem Abschnitt vgl. Kap. 4.5.3.

423

Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,15-22). Zu dieser Stelle vgl. die Darlegungen im weiteren

Verlauf dieses Kapitels. 424

Innerhalb der sechs Kapitel dieses Traktates finden sich nur in Kap. 2f knappe Hinweise auf

den himmlischen Ruhm der Märtyrer (Ad mart. 2,4; CChr.SL II, 4,14; Ad mart. 3,3; CChr.SL II, 5,24-26). Entsprechend hat Bray, Holiness, 45, herausgestellt: „Heavenly rewards are hardly mentioned in Ad martyras." 425

invitât."

Ad mart. 2,6 (CChr.SL II, 4,19f): „Nihil adhuc dico de praemio, ad quod Deus martyres

196

Martyrium als Weg zu himmlischem Ruhm

sich nur andeutungsweise Darlegungen zur Gestalt des die Blutzeugen erwartenden himmlischen Ruhmes. So verweist er darauf, daß es sich bei dem Erleiden des Martyriums um eine „negotiatio", ein „Geschäft", handele, in dem der Christ die Freuden des Lebens eintausche fur einen weit größeren Gewinn: „Et si aliqua amisistis vitae gaudia: ,negotiatio est aliquid amittere, ut maiora lucreris.'"426 Unter Anspielung auf Rom 8,18 betont er, daß im Blick auf die „gloria caelestis et divina merces", die dem Märtyrer winkten, die hier erduldeten Leiden unbedeutend seien.427 Als wesentliches Kennzeichen dieser durch das Martyrium zu erlangenden „gloria" stellt Tertullian ihre absolute Überlegenheit über jeden in der heidnischen Umwelt der Christen zu erlangenden Ruhm heraus: Der von Menschen für nichtige Dinge verliehenen „gloria terrena"428 - von Tertullian anderweitig auch als „gloria vana"429, „nichtiger Ruhm", oder gar „gloria turpis"430, „schändlicher Ruhm", abgewertet - stehe die von Gott vergebene „gloria caelestis" gegenüber.4" Wenn nun die Heiden sogar bereit seien, für den menschlichen Ruhm eine Vielzahl von Leiden zu ertragen432, um wieviel mehr müßten die Christen die Bereitschaft zeigen, für den göttlichen Ruhm zu leiden. Im Bild gesprochen: Wenn die Heiden für eine wertlose Glasperle so viel bezahlten, müßten dann nicht die Christen für die echte Perle allemal ebensoviel einsetzen?433 Grundsätzlich sei für die Christinnen und Christen - so stellt Tertullian in „De

426

Ad mart. 2,6 (CChr.SL I, 4,18f).

427

Ad mart. 4,9 (CChr.SL I, 7,20f): „... modicae sunt istae passiones ad consecutionem gloriae caelestis et divinae mercedis." 428

Ad mart. 4,9 (CChr.SL I, 7,18); vgl. Ad nat. 11,7,5 (CChr.SL I, 51,19): „gloria humana".

429

De pall. 4,6 (CChr.SL II, 744,68).

430

De cor. 13,7 (CChr.SL II, 1062,49).

431

Mit der Unterscheidung zwischen der allein anzustrebenden „gloria caelestis" und der für Christen nichtigen „gloria terrena" nimmt Tertullian die stoische Unterscheidung von „vera et falsa gloria" auf und interpretiert sie in christlichem Sinne. Vgl. Kap. 3.1.2, Anm. 119. Brekelmans, Martyrerkranz, 76, macht auf die Verwurzelung des tertullianischen Konzeptes der „gloria" in römischen Vorstellungen aufmerksam: „Wie der römische Ruhm aus der praktischen und sozialethischen Tat hervorgeht, so hängt auch die christliche Glorie bei Tertullian eng mit der virtus zusammen." Tertullians „Idee der Glorie" verbinde sich mit der „Tugend der Treue und Standhaftigkeit, die besonders in der Verfolgungszeit gefordert wird". 432 Tertullian illustriert diese heidnische Leidensbereitschaft an Hand eines ausführlichen Katalogs heidnischer exempla (Ad mart. 4,4-8; CChr.SL I, 6,24-7,17). Zu diesen exempla vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 73, sowie ausführlich Pétré, L'Exemplum, 74-80. 433

Ad mart. 4,9 (CChr.SL I, 7,17-24): „Igitur si tantum terrenae gloriae licet de corporis animae vigore, ut gladium, ignem, crucem, bestias, tormenta contemnat sub praemio laudis humanae, possum dicere, modicae sunt istae passiones ad consecutionem gloriae caelestis et divinae mercedis. Si tanti vitreum, quanti verum margaritum? Quis ergo non libentissime tantum pro vero habet erogare, quantum alii pro falso?"

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virginibus v e l a n d i s " heraus - ausschließlich der göttliche R u h m v o n Bedeutung, nur auf ihn allein solle sich ihr Streben richten: „A deo, non ab hominibus captanda gloria est." 434 Im Zentrum dessen, w a s den den Märtyrern z u g e s p r o c h e n e n göttlichen L o h n ausmacht, steht bei Tertullian die durchgängig in der altkirchlichen Martyriumst h e o l o g i e zu f i n d e n d e Vorstellung einer mit d e m T o d e r f o l g e n d e n V e r s e t z u n g in h i m m l i s c h e Gefilde. 4 3 5 S o geht er bereits in „ A d martyras" d a v o n aus, daß die G l ä u b i g e n durch das Martyrium in die Gegenwart Christi gelangten 4 3 6 , nach „ D e patientia" e r ö f f n e ihr Leiden den Märtyrerinnen und Märtyrern den W e g zum A u f stieg zu d e m Sitz Gottes. 437 Bildlich g e s p r o c h e n stehe den B l u t z e u g e n das „Bürgerrecht i m H i m m e l " (politia in caelis) zu. 438 Indem Tertullian mit dieser Formulierung auf Phil 3 , 2 0 verweist - „Unsere Heimat aber ist i m H i m m e l " - , drückt

434

De virg.vel. 2,3 (CChr.SL II, 1211,21f). Im Blick auf den im Kampf zu erringenden Siegespreis, die „corona", formuliert Tertullian ähnlich in De cor. 13,8 (CChr.SL II, 1062,53): „igitur et homo ipse a deo coronandus est...". 435 Zu der Vorstellung eines himmlischen Aufenthaltsortes der Märtyrer und eines Verweilens bei Gott und Christus vgl. l.Clem 5,4; 5,7; Ign.Rom. 2,lf; Pol.Phil. 9,2; Mart.Pol. 19,2; Herrn.,Vis. 111,1,9; Just., Apol. 1.8; Apol. 11,2; Acta Just. 5; Iren., Adv.haer. 111,16,4; IV,33,9; Eus., HE V, 2,7; Hipp., In Dan. 2,37,4; besonders prägnant ist der Ausspruch des Märtyrers Nartzalus in Act.Scili. 15 (Musurillo, 88,26): „Hodie martyres in caelis sumus. Deo gratias." Gegen Campenhausen, Idee, 126, Anm. 8, ist zu sagen, daß es weder in den genannten Stellen noch in den bei Tertullian zu dieser Vorstellung zu findenden Belegen um den Gedanken einer sofortigen Auferstehung der Märtyrer geht, sondern lediglich um die unmittelbar nach dem Tod erfolgende Aufnahme der Seelen in himmlische Gefilde. Ebenso sprechen die von Achelis, Christentum, Bd. Π, Exkurs 89, zum Thema „Auferstehung der Märtyrer" gesammelten Belege in der Mehrzahl nur von dem sogleich nach dem Tod eingenommenen himmlischen Aufenthaltsort der Märtyrer; die Vorstellung eines Vorrechtes bei der Auferstehung im Sinne der Teilhabe an der nach Apk 20,5f den Märtyrern vorbehaltenen „prima resurrectio" drückt von den angegebenen Textstellen lediglich Hipp., In Dan. 2,37,4 aus. Bei Tertullian findet sich trotz der Aufnahme chiliastischer Vorstellungen (Adv.Marc. III, 24,3; CChr.SL I, 542,18-22; De spect. 30,1; CChr.SL I, 252,1-5) keine Beschränkung der ersten Auferstehung auf die Märtyrer: in De spect. 30 wird allgemein die Auferstehung und Mitherrschaft der „sancti" und „iusti" erwartet, zu denen nicht allein die Märtyrer gehören, in De mon. 10,4 (CChr.SL II, 1243,24f) spricht Tertullian von dem Gebet einer Witwe, die für ihren Mann um das „in prima resurrectione consortium" bittet. 436 Ad mart. 1,3 (CChr.SL I, 3,15f): „Et ideo date operam ut illic vobiscum perseveret (sc. spiritus sanctus) et ita vos inde perducat ad Dominum." 437 De pat. 13,7 (CChr.SL I, 314,25-27): „Cum vero producitur ... ad ipsum divinae sedis ascensum ...". 438 Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,25). Zum Verständnis dieser Formulierung vgl. weiter Kap. 3.1.2, Anm. 113.

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er aus, daß das Martyrium ein „Aufenthaltsrecht" für die eigentliche Bestimmung der Christen erwirke.435 Detaillierte Auskünfte in bezug auf die Frage nach der postmortalen Destination der Märtyrerinnen und Märtyrer bietet er in den späteren Traktaten „De resurrectione camis" und „De anima".440 Unter Aufnahme der besonders in der jüdischen Apokalyptik ausgeformten und in der altkirchlichen Literatur in sehr heterogener Weise verwendeten Vorstellung des Paradieses als Aufenthaltsort der verstorbenen Gerechten441 beschreibt er in ihnen das Los der Märtyrer nach ihrem Tod. Nach seiner Darstellung in „De resurrectione carnis" gelangen diese „sogleich" (statim) zu Christus. Ihr Martyrium verleihe ihnen den Vorzug442, nach

439 Tertullian spielt mehrfach auf Phil 3,20 an, um den Himmel als die eigentliche Bestimmung aller Christen zu kennzeichnen: Apol. 1,2 (CChr.SL I, 85,12-14): „Seit (secta Christianorum) se peregrinam in terris agere,... ceterum genus, sedem, spem, gratiam, dignitatem in caelis habere"; Adv.Marc. ΠΙ, 24,3 (CChr.SL I, 542,22-24): „Et politeuma nostrum, id est munieipatum, in caelis esse pronuntians, alicui utique caelesti civitati eum députât"; De res.carn. 47,15 (CChr.SL II, 986,59f): „et quidem de terra in caelum, ubi nostrum munieipatum Philipenses quoque ab apostolo discunt...". 440

Nach Waszink, De anima, 5f, wurde „De anima" zwischen 210 und 213 verfaßt. Zu weiteren Datierungsvorschlägen, die sich im wesentlichen aber alle in dem genannten Zeitraum bewegen, vgl. Braun, Deus Christianorum, 572f. „De resurrectione carnis" stammt nach weitgehend übereinstimmender Einschätzung aus dem Zeitraum zwischen 208 und 212. Vgl. Braun, Deus Christianorum, 573. Abweichend datiert allerdings Barnes, Tertullian, 205, beide Schriften auf 206/7. 441 Insbesondere in der jüdischen Apokalyptik findet sich die Vorstellung, daß das Paradies der Urzeit identisch ist mit dem für die Endzeit wiedererwarteten Paradies. In der Gegenwart hat dieses noch eine verborgene Existenz und dient als Aufenthaltsort der verstorbenen Patriarchen und Gerechten (Sl.Hen. 8,l-8;9). Zu weiteren Belegen, in denen sich auch die unterschiedliche Zuweisung dieses zwischenzeitlichen Paradieses zur irdischen oder zur himmlischen Sphäre zeigt, vgl. Hans Bietenhard, Die himmlische Welt im Urchristentum und Spätjudentum, Tübingen 1951, 161182, speziell zu rabbinischen Belegen vgl. Hermann Strack/Paul Billerbeck, Kommentar zum NeuenTestament aus Talmud und Midrasch, Bd. IV. Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testamentes. Abhandlungen zur neutestamentlichen Theologie und Archäologie II, München 1928, 1130-1144. Das Verständnis von π α ρ ά δ ε ι σ ο ς im Sinne eines „gegenwärtig verborgenen, zwischenzeitlichen Aufenthaltes der Gerechten" ist nach Hans Bietenhard, Art. Paradies, in: Coenen, Lothar (Hg.), Theologisches Begriffslexikon zum NT, Bd. 2, 998, auch für die in Lk 23,43 an den Schacher ergehende Verheißung vorauszusetzen: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein"; das Dasein im Paradies zeichnet sich hiernach durch Christusgemeinschaft aus. Insgesamt ergibt sich aber aus den drei Belegen für π α ρ ά δ ε ι σ ο ς im NT (2.Kor 12,4; Lk 23,43; Apk 2,7) keine einheitliche Aussage über den Charakter den Paradieses. Auch in der altkirchlichen Tradition finden sich vielfaltige Aussagen über die Zugehörigkeit des Paradieses zum himmlischen oder irdischen Bereich wie auch zu der Frage, wer Zugang zum Paradies erhalten solle und zu welchem Zeitpunkt. Vgl. Finé, Terminologie, 217-224, sowie Henri Leclerq, Art. Paradis, in: DACL ΧΙΠ (1938), 15781615. 442 De res.carn. 43,4 (CChr.SL II, 978,12): „... martyriorum praestantia ..."

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dem Tod nicht erst in die Unterwelt, sondern gleich in das Paradies"3 zu gelangen. Niemand außer denjenigen, die das „Vorrecht" (praerogativa) des Martyriums hätten, verweile sofort, nachdem er gestorben sei, im Angesicht des Herrn, d.h. niemand außer den Märtyrern halte sich nach seinem Tod im Paradies statt in der Unterwelt auf.444 Ebenso erscheint in „De anima" das Paradies als exklusiver Bestimmungsort der Märtyrerinnen und Märtyrer.445 Anders als alle anderen Gläubi-

443 „paradisus" erscheint bei Tertullian in drei Bedeutungen: Der Begriff bezeichnet 1) das urzeitliche Paradies (Adv.Marc. I, 22,8; CChr.SL I, 464,7; De an. 38,2; CChr.SL II, 841,18; De pat. 5,13; CChr.SL I, 304,45), 2) den Ort des Zwischenzustandes der Märtyrer zwischen ihrem Tod und der Auferstehung (De res.carn. 43,4; CChr.SL II, 978,12-979,14; De an. 55,5; CChr.SL II; 863,40) und 3) den Zustand der endgültigen Seligkeit nach der Auferstehung: „et postremo totus homo in paradisum revocatur, ubi ab initio fuit" (De mon. 5,3; CChr.SL II, 1234,25f; vgl. Deres.cam. 26,14; CChr.SL II, 955,56-956,60), 444

De res.carn. 43,4 (CChr.SL II, 978,12-979,14): „Nemo enim peregrinatus a corpore statim immoratur penes dominum, nisi ex martyrii praerogativa, paradiso scilicet, non inferís, deversurus." „Inferi" erscheint in den altlateinischen Bibelübersetzungen als Wiedergabe des griechischen Ά ι δ η ς; bei Tertullian ist es die häufigste Bezeichnung für den Ort der Seelen nach dem Tode. Vgl. Finé, Terminologie, 79f. 445 De an. 55,4f (CChr.SL II, 862,29-863,36): „Et quomodo Iohanni in spiritu paradisi regio revelata, quae subicitur altari, nullas alias animas apud se praeter martyrum ostendit? Quomodo Perpetua fortissima martyr, sub die passionis in revelatione paradisi solos illic martyras vidit, nisi quia nullis romphaea paradisi ianitrix cedit nisi qui in Christo decesserint, non in Adam? Nova mors pro deo et extraordinaria pro Christo alio et privato excipitur hospitio." Der Zusammenhang macht deutlich, daß Tertullian mit denjenigen, „qui in Christo decesserint", die Märtyrer meint, mit denen, „(qui) in Adam (decesserint)", alle Christen, die nicht Märtyrer sind, und vermutlich auch die Heiden. So auch Wilhelm Hellmanns, Die Wertschätzung des Martyriums als eines Rechtfertigungsmittels in der altchristlichen Kirche bis zum Anfang des 4. Jhdts., Breslau 1912, 52; anders hingegen Teeuwen, Bedeutungswandel, 52. Zu dieser Frage vgl. weiter Kap. 4.5.3, Anm. 578. Nach Tertullians Argumentation in „De anima" gibt es nämlich zwischen den Heiden und den Christen im Tod nur dort einen Unterschied, wo ein Christ den Märtyrertod stirbt. Als Blutzeugen gelangen die Gläubigen ins Paradies, ansonsten kommen alle anderen Christen - wie auch die Heiden - zuerst in die Unterwelt, d.h. zwischen ihnen besteht zunächst keine Differenz hinsichtlich des unmittelbaren postmortalen Schicksals: „Agnosce itaque differentiam ethnici et fidelis in morte, si pro deo occumbas, ut paracletus monet, non mollibus febribus et in lectulis, sed in martyriis..." (De an. 55,5; CChr.SL II, 863,36-39). Daß die Differenz zwischen dem Tod der Heiden und demjenigen der Christen nur im Falle eines Märtyrertodes zu erkennen ist, wird in der Übersetzung von Jan Hendrik Waszink, Tertullian. Über die Seele, Zürich/München 1980, 173, nicht deutlich: „Erkenne also den Unterschied zwischen dem Heiden und dem Gläubigen im Tode an! (Tue es erst recht), wenn du für Gott stirbst...". Diese Interpretation entspricht nicht der Argumentation Tertullians in De an. 55, die darauf ausgerichtet ist, den Aufenthalt aller Gläubigen in der Unterwelt zu erweisen. Auf den gegen diese Vorstellung gerichteten Einwand: „Ceterum quod discrimen ethnicorum et Christianorum, si career mortuis idem?" (De an. 55,3; CChr.SL II, 862,17f) antwortet er mit dem Hinweis auf die Märtyrer, denen als einzigen Christen ein anderer postmortaler Aufenthaltsort bereit stehe. In der Konsequenz dieser Darlegungen liegt, daß zwischen dem Aufenthaltsort der übrigen Gläubigen und demjenigen der Heiden zunächst eben keine Differenz besteht.

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gen müßten sie nicht nach dem Tod erst in den Hades hinabsteigen446, sondern ihr als „nova mors pro deo et extraordinaria pro Christo"447 qualifizierter Tod gewähre ihnen den Zugang zu einem „alium et privatum hospitium"448 - dem Paradies, das Tertullian wahrscheinlich als im Himmel gelegen versteht.449 Für einen Christen, der - der Ermahnung des Parakleten entsprechend - in der Nachfolge des Herrn

446 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,40-42): „Habes etiam de paradiso a nobis libellum, quo constituimus omnem animam apud inferos sequestrali in diem domini." Tertullian verweist hier auf ein verlorengegangenes Werk „De paradiso". Begründet wird die Notwendigkeit des Aufenthaltes in der Unterwelt fur alle Seelen durch den Hinweis auf die Hadesfahrt Christi (Eph 4,9): „Quodsi Christus deus, quia et homo, mortuus secundum scripturas et sepultus secundum easdem, huic quoque legi satisfecit forma humanae mortis apud inferos functus, nec ante ascendit in sublimiora caelorum quam descendit in inferiora terrarum, ut illic patriarchas et prophetas compotes sui faceret, habes et regionem inferum subterraneam credere et illos cubito pellere qui satis superbe non putent animas fidelium inferís dignas, servi super dominum et discipuli super magistrum ..." (De an. 55,2; CChr.SL Π,862,7-15). Abgelehnt wird von Tertullian die Vorstellung, daß die Hadesfahrt Christi gerade dazu diente, daß die Gläubigen nicht mehr in die Unterwelt müssen (De an. 55,3; CChr.SL II, 862,16-25). 447 De an. 55,5 (CChr.SL Π, 863,35). Finé, Terminologie, 214, sieht in der Kennzeichnung des Todes als „extraordinarius" die Gegenüberstellung des Todes für Christus zu jedem „gewöhnlichen" Tod, der eben nicht Martyriumscharakter hat. Nach Waszink, De anima, 562, ist damit hingegen das Gewaltsame des Martertodes betont. Dies entspricht der Kennzeichnung jedes gewaltsamen Todes als „extraordinarius" in De an. 52,1 (CChr.SL II, 853,5f). Zu dieser Gleichsetzung zwischen „mors extraordinaria" und „mors violenta" vgl. ausführlich Vicastillo, Muerte, 199-207. 448 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,36). 449 In der Literatur ist die Frage, ob sich das Paradies im Himmel befindet, d.h. ob „paradisus" und „caelum" identisch sind, allerdings unterschiedlich beantwortet worden: Hellmanns, Wertschätzung, 52, verneint unter Bezug auf De an. 55,3 („... nulli patet caelum adhuc salva ...") die Lokalisierung des Paradieses im Himmel: Grundsätzlich bleibe der Himmel bis zum Ende der Zeiten verschlossen, aber den Märtyrern stehe ein „bevorzugter Ort im Jenseits", das Paradies, offen; gegenüber dem Himmel sei dies aber ein „Ort niederer Seligkeit". Als „unzugänglichem Ort auf Erden" sieht Fischer, Todesgedanken, 250, das Paradies bei Tertullian an; eine Differenz zwischen Himmel und Paradies setzt auch L.J. van der Lof, Abraham's Bosom in the Writings of Irenäus, Tertullian and Augustin, in: AugStud 26/2 (1995), 115, voraus. Waszink, De anima, 554; Finé, Terminologie, 230, und Alfred Stuiber, Refrigerium Interim. Die Vorstellungen vom Zwischenzustand und die frühchristliche Grabeskunst, Bonn 1957, 78, Anm. 1, haben hingegen das Paradies als Ort des Zwischenzustandes im Himmel situiert. Für diese Auffassung sprechen mehrere Argumente: 1) In De res.carn. 43,4 (CChr.SL II, 978,13) erklären sich die bezüglich der postmortalen Bestimmung der Märtyrer gemachten Angaben „penes dominum" und „paradisus" gegenseitig. 2) Tertullian identifiziert das Paradies mit dem Ort unter dem himmlischen Altar, an dem nach Apk 6,9 die Seelen der Märtyrer warten (vgl. Anm. 454). In „Scorpiace", wo er ebenfalls die Vorstellung eines Verweilens der Märtyrer unter dem Altar aufnimmt, spricht er zudem davon, daß jeder, der hier auf Erden sein Bekenntnis abgelegt habe, die „Schlüssel des Himmels" mit sich nehme (Scorp. 10,8; CChr.SL II, 1088,24-26). 3) In De an. 55 erweist Tertullian für die Märtyrer eine Ausnahme von dem allgemeinen Gesetz des Gelangens aller Seelen in die Unterwelt und der Verschlossenheit des Himmels bis zum Ende der Welt.

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das Martyrium erleide450, gelte also: „Tota paradisi clavis tuus sanguis est."451 Das Blut der Christinnen und Christen, d.h. ihr Martyrium452, stelle den „Schlüssel" zum postmortalen Aufenthalt im Paradies dar. Dieser Aufenthaltsort der Märtyrer scheint fur Tertullian allerdings lediglich einen vorläufigen Charakter gehabt zu haben453, denn er identifiziert das Paradies mit dem Ort unter dem himmlischen Altar, an dem nach Apk 6,9 die Märtyrer bis zum Ende der Zeit warten.454 Nach seiner ebenfalls an Apk 6,9-11 anknüpfenden Darstellung in „Scorpiace" ist dieses der Ort, an dem die Seelen der Märtyrer „vorläufig" (interim) ruhen und im Vertrauen auf die Vergeltung Gottes die Geduld „nähren".455 Bis zur Erfüllung der Zahl der Märtyrer, die das Ende der Zeit bestimmt456, befinden sich die Seelen der bereits für ihren Glauben gestorbenen Christen also in einem Zustand, der durch die Verwendung des Begriffs „interim" als ein vorläufiger oder Übergangszustand gekennzeichnet ist.45' Daß Tertullian in „De anima", „De resurrectione camis" und in stärkerem Maße noch in „Scorpiace" Apk 6,9-11 zur Beschreibung des Zustandes der Märtyrer nach ihrem Tod heranzieht458, weist daraufhin, daß er in diesen Traktaten nicht von einer unmittelbar

45C De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,37-40): „... si pro deo occumbas, ut paracletus monet, non in mollibus febribus et in lectulis, sed in martyriis, si crucem tuam tollas et sequaris dominum, ut ipse praecepit." 451 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,40). 452

Zu der Verwendung von „sanguis" im Sinne eines Synonyms zu „martyrium" vgl. Waszink, De anima, 563 sowie ausfuhrlich Gramaglie, Semantiche, 956-962. 453 Gegen Finé, Terminologie, 91.124, nach dessen Einschätzung Tertullian „paradisus" nicht auf den Zwischenzustand bezieht. 454 De an. 55,5 (CChr.SL II, 862,30f): „... paradisi regio revelata, quae subicitur altari,..." 455 Scorp. 12,9 (CChr.SL Π, 1093,25-28): „Sed in interim sub altari martyrum animae placidum quiescunt et fiducia ultionis patientiam pascunt et indutae stolis candidam claritatis usurpant, 450 Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,27f): „... donec et alii consortium illorum gloriae impleant." Zu dieser aus der jüdischen (vgl. z.B. Äth.Hen. 47,1-4; 4.Esr. 4,35f; Bar.Apk. 30,2) in die christliche Apokalyptik (Apk 6,11) übernommenen Vorstellung des „eschatologischen Maßes" vgl. Kap. 3.3.2, Anm. 218. 457

„Interim" wird von Tertullian auch an anderen Stellen zur Kennzeichnung der Vorläufigkeit des Zustandes der Seelen zwischen Tod und Auferstehung verwendet (vgl. z.B. De res.earn. 17,5; CChr.SL Π, 941,21). Zu der auch für Apk 6,9-11 vorauszusetzenden Vorstellung eines Zwischenzustandes der Seelen der Märtyrer vgl. Ulrich B. Müller, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh 1984, 170. 458

Neben De an. 55,5; Scorp. 12,9 vgl. De res.carn. 25,1 (CChr.SL II, 953,1-3): „Etiam in apocalypsi lohannis ordo temporum sternitur, quem martyrum quoque animae sub altari ultionem et iudicium flagitantes sustinere didicerunt..."

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mit dem Märtyrertod eintretenden Vollendung und Beseligung ausgeht.459 Die Seelen der Blutzeugen verweilen zwar nach den genannten Belegen an einem gegenüber dem der übrigen Gläubigen privilegierten Ort, dem Paradies, müssen dort aber ebenfalls auf die mit dem Ende der Zeiten verbundene eschatologische Vollendung warten. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie lediglich die „candida claritatis" inne460, die sichere Anwartschaft auf die endgültige Beseligung. Diese Auffassung entspricht der bei Tertullian besonders in „De anima", aber auch in anderen Schriften zutagetretenden Vorstellung eines Zwischenzustandes zwischen Tod und der Auferstehung zum Gericht461, in welchem die Seelen ihr endgültiges Geschick nach dem Gericht vorwegnehmen.462 Der Ort dieses Zwischenzustandes ist dabei für die eines natürlichen Todes verstorbenen Gläubigen die Unterwelt, die ihrerseits wieder unterteilt ist in die „Unterwelt" im engeren Sinne als vorläu-

459 Zu der entsprechenden Vorstellung in Apk 6,9-11 vgl. Stuhlmann, Maß, 158. Unter Bezug auf Scorp. 12,9 betont auch Campenhausen, Idee, 125, Anm. 6: „Die volle Seligkeit wird freilich auch den Märtyrern erst am Ende der Zeiten zuteil." Im Hintergrund dieser Dilation der endgültigen Beseligung ist die anthropologische Konzeption Tertullians zu sehen, die von einer leib-seelischen Einheit des Menschen ausgeht. Da nur Leib und Seele zusammen den ganzen Menschen ausmachen (De res.carn. 14,9; CChr.SL Π, 937,30-34), können Bestrafung und Belohnung des Menschen im endgültigen Sinne erst dann erfolgen, wenn sie sich auf beide Teile erstrecken, d.h. nach der „camis resurrectio" (De res.carn. 17,9; CChr.SL II, 942,34-38). Was nur die Seele allein erfährt, kann lediglich Vorstufe zum endgültigen, d.h. am ganzen Menschen vollzogenen, Richterspruch sein. 460

Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,27).

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Die Voraussetzung der Lehre vom Zwischenzustand ist die Verbindung zweier Anschauungen: zum einen der Lehre von der Auferstehung aller Menschen am Ende der Zeiten zum Gericht und zum anderen der griechischen Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seelen, die gleich nach dem Tode ihr Los zugeteilt bekommen. Zur Aufnahme dieser Vorstellung in der hellenistischjüdischen Literatur vgl. WeishSal 3,10. Im christlichen Bereich hat die Frage des Zwischenzustandes nach ersten Andeutungen im NT und bei den Apostolischen Vätern (vgl. ausführlich Charles E. Hill, Regnum caelorum. Patterns of Future Hope in Early Christianity, Oxford 1992, 66-89; 155-177), klarer bei Justin (Dial. 80) und Irenäus (Adv.haer. V,31,2), eine intensive Betrachtung zuerst bei Tertullian erfahren. Zu diesem Aspekt der Eschatologie Tertullians vgl. Finé, Terminologie, 31-53; Stuiber, Refrigerium interim, 51-61, sowie Hill, Regnum, 24-28. 462

Vgl. De an. 58,2 (CChr.SL II, 868,4-6): „Cur enim non putes animam et puniri et foveri in inferís interim sub expectatione utriusque iudicii in quadam usurpatione et candida eius?"; Adv.Marc. IV, 34,14 (CChr.SL I, 638,25f): „(sinus Abrahae) in quo iam delinietur futuri imago ac candida quaedam utriusque iudicii prospiciatur." Die hier verwendeten Begriffe fur die Vorwegnahme des Gerichts im Zwischenzustand entsprechen den in Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,27) auftauchenden: „... candida claritatis usurpant (martyres)...", d.h. der Zustand der Seelen im Zwischenzustand zeichnet sich durch „usurpatio" bzw. „candida" des zukünftigen Gerichts aus. Nach Finé, Terminologie, 65, ist mit „usurpatio/usurpare" hier das „Anrecht auf den Gegenstand einer zukünftigen Entscheidung" gemeint (vgl. De res.carn. 51,3; CChr.SL II, 994,160- Zu dem Verständnis von „candida" vgl. Kap. 4.1.2, Anm. 37. Im Zwischenzustand zeichnet sich also „das Bild dessen ab, was der spätere Gerichtsspruch beinhaltet bzw. was er zur Wirkung hat." (Finé, Terminologie, 66f) Roberts, Theology, 206, spricht von „anticipation of gloom and glory" im Zwischenzustand.

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figem Strafort und den „sinus Abrahae" als Ort der Gerechten.463 Die Märtyrer hingegen erwarten ihre Vollendung im Paradies, in dem sie schon während dieser Weltzeit der Nähe Christi gewürdigt werden. Zu dem Charakter der den Märtyrerinnen und Märtyrern verheißenen himmlischen Herrlichkeit hat Tertullian sich ansatzweise bereits in „Ad martyras" geäußert. Ihnen stehe die Umgestaltung zu Engeln in Aussicht: Für ihren im Martyrium errungenen Sieg erhielten sie das „brabium angelicae substantiae"464, den „Preis des engelhaften Wesens". Da Tertullian in dieser Schrift keine näheren Auskünfte zur postmortalen Chronologie gibt, bleibt allerdings unklar, ob er hier von einer unmittelbar auf den Tod folgenden Umwandlung ausgeht. In den in anderen Traktaten zu findenden Äußerungen zu der Erwartung einer Verähnlichung der Gläubigen mit Engeln ist diese allerdings durchgängig erst für die Zeit

463

Grundsätzlich gelangen „omnes animae" in die Unterwelt (De an. 55,5; CChr.SL II, 863,4 lf; De an. 58,1; CChr.SL Π, 867,1); einige Seelen verweilen aber auch im „sinus Abrahae", der nach De idol. 13,4 (CChr.SL II, 1113,22: „... apud inferos in sinu Abrahae"); De an. 7,4 (CChr.SL II, 790,18-20); Adv.Marc. III, 24,1 (CChr.SL I, 541,7-542,8) zur Unterwelt gehört. Während „inferi" den vorläufigen Strafort bezeichnet, erscheint der „sinus Abrahae" nach Adv.Marc. IV, 34,13 (CChr.SL I, 638,10-14) als Ort der Gerechten: „Eam itaque regionem, sinum dice Abrahae, etsi non caelestem, sublimiorem tarn inferís, interim refngerium praebere animabus iustorum, donec consummatio rerum resurrectionem omnem plenitudine mercedis expungat, tunc apparitura caelesti promissione." Vgl. Roberts, Theology, 206: „In one passage (Adv.Marc. IV,34) Tertullian seems to give to the place of the good in the , lower world' the name of Abraham's bosom, and to indicate that it is separated by a great gulf from the region of the bad." Tertullians Ausführungen zum „sinus Abrahae" richten sich gegen Marcions Theorie, daß nur die Verehrer des Schöpfergottes in die Unterwelt kämen, während die Nachfolger Christi in den „caelestis sinus" gelangten. Tertullian stellt dagegen die Überzeugung, daß alle Seelen nach dem Tod erst in die Unterwelt kämen, welche aber in den „sinus Abrahae" für die Gerechten und die Unterwelt im engeren Sinne aufgeteilt sei. Zu der Vorstellung vom „Schoß Abrahams" vgl. weiter W. Staerk, Art. Abrahams Schoß, in: RAC I (1950), 27-28, sowie Lof, Abraham's Bosom, 109-123, zu Tertullian 113-116. Für Tertullians Auffassung von der Unterwelt, die er „in corde terrae" lokalisiert (De an. 55,1; CChr.SL II, 8612,4), waren nach Finé, Terminologie, 89, in erster Linie die Stellen von der Hadesfahrt Christi (Eph 4,9; Rom 10,6) sowie Lk 16,22 maßgeblich. „Nur bei der konkreten Ausgestaltung der Unterweltstopographie scheinen in einigen Einzelzügen die mit dem lateinischen Wort „inferi" von der poetischen und philosophischen Tradition her assoziierten Vorstellungen stärker mit." (Finé, Terminologie, 89) 464 Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,25). Zu „brabium" vgl. Kap. 3.1.2, Anm. 113. Das auch anderweitig in der martyrologischen Literatur zu findende Motiv der Umgestaltung der Märtyrer zu Engeln (vgl. Mart.Pol. 2,3; Didask. 19; Cypr., Ad Fort. 13; (Cypr.), ep. 31,2) stammt nach Lods, Confesseurs, 35, Anm. 3, aus dem Stephanus-Martyrium (Apg 6,15). Zu dieser Vorstellung der „vita angelica" vgl. auch Karl Suso Frank, Angelikos bios - Begriffsanalytische und begriffsgeschichtliche Untersuchungen zum „engelgleichen Leben" im frühen Mönchtum, Münster 1964, 177179.

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nach der Auferstehung vorausgesetzt.465 Daß in „Ad martyras" ein Hinweis auf diesen Zeitpunkt der Erfüllung dieser Verheißung fehlt, läßt also wahrscheinlich nicht den Schluß zu, daß Tertullian hier von einer sofort mit dem Tod erfolgenden eschatologischen Verwandlung ausgeht. Ausführlichere Hinweise zu der den Märtyrerinnen und Märtyrern verheißenen himmlischen Herrlichkeit hat Tertullian in „Scorpiace" gegeben, und zwar unter Rückgriff auf die Bildersprache der Johannes-Apokalypse, deren Martyriumskonzept mehrfach in seinen martyrologischen Ausführungen eine wesentliche Rolle spielt.464 Zur Charakterisierung des himmlischen Lohnes der Blutzeugen hat er die Verheißungen aufgenommen, die in den sieben Sendschreiben (Apk 2,1-3,22) den „Überwindern" in Aussicht gestellt werden.467 Indem er die johanneiischen „victores" ausschließlich mit den Märtyrern identfiziert468, erscheinen die ersteren gegebenen Verheißungen als Darstellung der besonderen Herrlichkeit der Blutzeugen. Diese werden von dem „Baum des Lebens" essen469 und damit „als Lohn das erhalten, was den Stammeltern durch die Vertreibung aus dem Paradies genommen wurde, nämlich die Möglichkeit, durch den Genuß der Frucht des Lebensbaumes Unsterblichkeit zu erlangen".470 Ihnen bleibt die „mors secunda", die die

465

Vgl. Ad ux. I, 1,5 (CChr.SL I, 374,25f); De cult.fem. I, 2,5 (CChr.SL 1, 346,43f); De res.carn. 26,7 (CChr.SL II, 954,27f); De res.carn. 62 (CChr.SL II, 1010,1-1011,17); Adv.Marc. III, 24,6 (CChr.SL I, 542,1 Of). 466 Als wesentlichste Belege seien hier die mehrfache Übernahme von Apk 6,9-11 (vgl. Kap. 3.3.2), die ausführliche Rezeption der „Siegersprüche" aus Apk 2,1-3,22 in Scorp. 12,8f, der Hinweis auf die den „Siegern" in der Apokalypse gegebenen Verheißungen in De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,37-39) und der Bezug auf Apk 21,8 in bezug auf die Ablehnung der Furchtsamkeit in der Verfolgung (De fuga 7,2; CChr.SL II, 1145,32-34; 9,3; CChr.SL II, 1146,25f) genannt. Zu dem Einfluß der Apokalypse v.a. auf Tertullians montanistische Schriften, zu denen der Verf. allerdings auch „Scorpiace" zählt, vgl. Lona, Tod, 458f. 467 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,15-22): „Exinde victoribus quibusque promittit nunc arborem vitae et mortis veniam secundae, nunc latens manna cum calculo candido et nomine ignoto, nunc ferreae virgae potestatem et stellae matutinae claritatem nunc albam vestiri nec deieri de libro vitae et columnam fieri in dei templo in nomine dei et domini in throno eius, quod aliquando Zebedaei filiis negabatur?" 468 Scorp. 12,9 (CChr.SL Π, 1093,22-25): „Quinam isti tarn beati victores, nisi proprie martyres? Illorum etenim victoriae, quorum et pugnae, eorum vero pugnae, quorum et sanguis." 469 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,150: „Exinde victoribus quibusque promittit nunc arborem vitae ...". Vgl. Apk 2,7. Nach Apk 2,7; 22,2 wird die „arbor vitae" in dem fur die Endzeit wiedererwarteten Paradies stehen. 470 Heinrich Kraft, Die Offenbarung des Johannes, Tübingen 1974, 59. Ebenso Mitchell Glenn Reddish, The Theme of Martyrdom in the Book of Revelation, Ann Arbor 1982,140: „The conquerer is assured of eternal life ..."

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205

unwiderrufliche Verdammnis nach dem Gericht bedeutet, erspart.471 Sie erhalten von dem „verborgenen Manna"472, mit dem nach jüdisch-apokalyptischer Hoffnung Gott sein Volk in der Endzeit speisen werde473; im christlichen Kontext bedeutet diese Verheißung die Teilnahme am eschatologischen Mahl im Gottesreich.474 Schwer zu deuten ist der den Märtyrerinnen und Märtyrern zugesprochene „weiße Stein"475: Auf die vorhergehende Verheißung bezöge sich die Vorstellung, er sei Ausdruck ihrer „Teilnahmeberechtigung" für das eschatologische Festmahl.476 „Calculus Candidus" könnte aber auch auf weiße Marmortäfelchen hinweisen, die bei antiken Spielen als Siegerurkunde ausgeteilt wurden, oder als aus dem juristischen Bereich übernommenes Symbol des Freispruchs dienen.477 Eine häufiger vertretene Interpretation rekurriert auf den volkstümlichen Glauben an Amulettsteine, auf die „eine dem Inhaber übernatürliche Kräfte verleihende und ihn vor bösen Mächten schützende Zauberformel eingeritzt ist".478 Für letztere spräche der Zusammenhang mit der folgenden Verheißung eines neuen, unbekannten Namens; dieses wäre der den Heiden noch unbekannte Name Christi, der auf dem Stein eingeritzt ist.479 Die den Märtyrern verheißene „ferreae virgae potestas" steht für die Teilhabe an der endzeitlichen Herrschaft Christi und seinem richtenden Wirken gegenüber den Heiden.480 Die in Aussicht gestellte Verleihung

471 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,116): „... mortis veniam secundae ..." Vgl. Apk 2,11. Zu der Bedeutung dieser Verheißung vgl. Apk 20,6.14f; 21,8. 472

Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,17): „... latens manna ...". Vgl. Apk 2,17. Vgl. Syr.Bar. 29,8: „Es wird zu jener Zeit geschehen, daß aus der Höhe Mannaschätze wiederum herniederkommen; sie werden zehren davon in jenen Jahren, weil sie es sind, die ans Ende der Zeit gekommen sind." (Übersetzung nach A.F.J. Klijn, Syrische Baruch-Apokalypse, in: JSHRZ V/2, Gütersloh 1976, 142) 474 Nach Heinrich Kraft, Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt/Main 1994, 58, gilt für das Manna, „daß Gott es verborgen hat, um es in der neuen Schöpfung erneut zu schenken. Wem das verborgene Manna versprochen wird, der wird am himmlischen Festmahl teilnehmen." Ahnlich spricht Jürgen Roloff, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 1984, 55, davon, daß diese Verheißung die „Teilhabe am messianischen Mahl der Heilszeit" umschreibe. 475 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,17): „... cum calculo candido ...". 476 So Kraft, Bilder, 58. 477 So Reddish, Theme, 142: „The faithful witness may have been condemned and sentenced to execution in an earthly lawcourt, but that is not the final verdict. The martyr will receive a white stone of acquittal from the heavenly court." 473

478

Roloff, Offenbarung, 55; ähnlich Müller, Offenbarung, 114.

479

Scorp. 12,8 (CChr.SL Π, 1093,17): „... nomine ignoto ..." Vgl. Apk 2,17.

480 Scorp. 12,8 (CChr.SL Π, 1093,18). Vgl. Apk 2,26f. Die Offenbarung beschreibt die Teilhabe der Überwinder an der Herrschaft Christi hier mit den Worten aus Ps 2,9. Schwer zu deuten ist die ebenfalls verheißene Gabe der „stellae matutinae claritas" (Scorp. 12,8; CChr.SL II, 1093,18; vgl.Apk 2,28). Nach Apk 22,16 hat Christus sich selbst als „Morgenstern" bezeichnet. Unter Bezug

206

Martyrium als Weg zu himmlischem Ruhm

weißer Gewänder bezeichnet die Reinheit und die eschatologische Vollendung derer, die treu geblieben sind und sich so der Gemeinschaft Christi würdig erwiesen haben.481 Die ewige Zugehörigkeit zu Gott und Christus drückt auch die Verheißung aus, nicht aus dem „liber vitae" gestrichen zu werden482: Analog zu der Vorstellung, daß jemand, der in das Buch einer Stadt eingetragen ist, ihr Bürgerrecht besitzt, stehen im „Buch des Lebens" diejenigen verzeichnet, die in das ewige Leben eingehen werden.483 Als „Säulen" des himmlischen Tempels werden die Märtyrer mit den Namen Gottes und Christi als deren Eigentum gekennzeichnet und mit dem Namen des himmlischen Jerusalem als Bürger desselben ausgewiesen.484 Mit Christus werden sie auf seinem Thron Platz nehmen, mit ihm richten und herrschen in Ewigkeit.485 Mit diesen teilweise enigmatischen und

auf diese Stelle deutet Roloff, Offenbarung, 58, Apk 2,28: „Der Herr wird sich den Seinen selbst geben; mit ihm zu herrschen heißt volle Gemeinschaft mit ihm zu haben." 481 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,19): „... nunc albam vestiri...". Vgl. Apk 3,5. Die Akzente in der Interpretation des „weißen Gewandes" werden in der Literatur allerdings in unterschiedlicher Weise gesetzt. Nach Stuhlmann, Maß, 156f, ist die „Bekleidung der Märtyrer mit leuchtenden Gewändern ... eindeutig ein Akt himmlischer Verklärung". Innerhalb der Apokalypse werden weiße Gewänder den „Überwindern" (Apk 3,5; 7,9-17), den Märtyrern (6,11) und den Engeln zugeschrieben (4,4; 15,6; 19,14). Über die Offenbarung hinaus spricht das NT von weißen Kleidern nur bei der Verklärung Jesu (Mk 9,3) und bei den Engelerscheinungen bei der Himmelfahrt Jesu (Apg 1,10) und am leeren Grab (Mk 16,5). Auf Grund dieser Parallelen kann die Verheißung „albam vestiri" im Sinne einer Umgestaltung der Märtyrern zu Engeln gedeutet werden, wie sie den Märtyrern auch in Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,25) zugesagt wird. Entsprechend sieht Müller, Offenbarung, 172, das „weiße Kleid" als „Kleid der Engel und vollendeten Gerechten". Roloff, Offenbarung, 84, setzt stärker den Akzent auf die damit ausgedrückte Reinheit und Sündenvergebung, die den Christen durch das Sühneleiden Christi zugeeignet sei. Das „weiße Kleid" sei „Symbol für das den Gläubigen auf Grund der Heilstat Christi geschenkte Heil und für ihre im Gehorsam zu bewahrende Gemeinschaft mit Gott". 482 Scorp. 12,8 (CChr.SL Π, 1093,19): „... nec deieri de libro vitae ...". Vgl. Apk 3,5. Zu den mit dem „liber vitae" verbundenen Vorstellungen in der „Offenbarung" vgl. Apk 13,8; 17,8; 20,12.15; 21,27. Die Verheißung der „Offenbarung" bezieht sich auf die jüdische Vorstellung eines Buches bei Gott, in dem die Namen der Gerechten verzeichnet sind, die zum ewigen Leben bestimmt sind (Dan 12,1). 483 So auch Reddish, Theme, 146: „To be assured that one's name will remain in the book of life is to be assured of eternal life." 484 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,19f): „... columnam fieri in dei templo in nomine dei et domino et Hierusalem caelestis inscriptam ...". Vgl. Apk 3,12. Kraft, Offenbarung, 82f, verweist zum Verständnis des Bildes der „Säulen" auf die Mysterienkulte (vgl. Apul., Met. 11,24,2) oder aber Vorstellungen des römischen Kaiserkultes. Wesentlich naheliegender ist es aber doch, an die in Gal 2,9 auftauchende Bezeichnung „Säulen" für Jakobus, Petrus und Barnabas zu denken. Mit diesem Ehrentitel wäre den Märtyrern eine „hervorgehobene Stelle" in der mit dem Bild des Tempels symbolisierten „Heilsgemeinde der Endzeit" eingeräumt (Roloff, Offenbarung, 62). 485 Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,21f): „... nunc residere cum domino in throno eius, quod aliquando Zebedaei filiis negabatur." Vgl. Apk 3,21; Mt 20,20-23.

Martyrium als W e g zu himmlischem Ruhm

207

schwer zu deutenden Bildern umschreibt Tertullian im wesentlichen zwei unmittelbar zusammengehörige Verheißungen für die Märtyrerinnen und Märtyrer: die Teilhabe an der endzeitlichen Herrscher- und Richterfunktion Christi sowie die Erlangung des ewigen Lebens in immerwährender Gemeinschaft mit Gott und Christus.486 Für welchen Zeitpunkt er ihre Erfüllung erwartet, sagt er dabei nicht explizit. Die bereits erwähnte Aufnahme von Apk 6,9-11487 sowie die in der Johannes-Apokalypse selbst deutlich werdende Erwartung, daß die Siegersprüche 2,11.26f; 3,5.21 (Teilhabe an der endzeitlichen Herrschaft Christi, Verschonung vom zweiten Tod) im bzw. am Ende des Milleniums erfüllt sein werden (Apk 20,1-15)488, legen es nahe, daß auch Tertullian in „Scorpiace" von einer zumindest partiellen Verschiebung der Verheißungserfüllung auf die Zeit nach Beendigung des Zwischenzustandes ausgeht. Am häufigsten erwähnt wird bei Tertullian die den Märtyrerinnen und Märtyrern in Aussicht stehende Erlangung des ewigen Lebens bei Gott. Zu dem Preis für das im Martyrium verlorene physische Leben in der Welt gewinnen sie seiner Auffassung nach das geistliche, ewige Leben, das dem für den Abfall von Gott gebührenden „ewigen Tod" konträr gegenübersteht.485 In Form eines Paradoxes drückt Tertullian dies in „Scorpiace" aus: Gott hebe den „Tod" durch den Tod auf und gebe das „Leben", indem er es den Gläubigen nehme.490 Der im Glaubenstod errungene Sieg trage, so heißt es im „Apologeticum", als „Beute" das „Leben in Ewigkeit" davon.491 Insofern sei das Leiden der Märtyrer von Gott auf Grund seiner Güte zugelassen worden, denn trotz seiner Schrecklichkeit diene es nur dem

486

Entsprechend hat Georg Kretschmar, Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte ihrer Auslegung im 1. Jahrtausend, Stuttgart 1985, 33, den in allen Siegersprüchen verheißenen Lohn zusammenfassend charakterisiert als „Gemeinschaft mit Christus, ja das Ihm Gleichgestaltetwerden bis zur Teilhabe an seinen göttlichen Funktionen". 487

Vgl. Anm. 458.

488

So Reddish, Theme, 140.144.148. Anders hingegen Hill, Regnum, 167-169, der keinen

Grund sieht, die Siegersprüche nicht als Verheißungen für den Zwischenzustand zu sehen. 489

Scorp. 5,4f (CChr.SL II, 1077,9-11): „Quid aliud est adversatio idololatriae atque martyrii

quam mortis et vitae? In tantum vita martyrio deputabitur, quantum morti idololatria"; Adv.Marc. IV, 21,9 (CChr.SL I, 599,8).: „... qui animam suam propter deum perdit servat illam."; vgl. Scorp. 11,2 (CChr.SL II, 1090,12-14). 490

Scorp. 5,9 (CChr.SL Π, 1078,5-9): „Deum vero et quidem zeloten culpandum existimabis,

si voluit... mortem morte dissoluere,..., vitam auferendo conferre ...". 491

Apol. 50,2 (CChr.SL I, 169,9-11): „Ea victoria (sc. in martyrio) habet et gloriam placendi

deo et praedam vivendi in aeternum." Die Teilhabe an der „vita aeterna" erscheint für Tertullian als zentrales Ziel aller christlichen Tugend (vgl. De mon. 10,6; CChr.SL II, 1246,430·

208

Martyrium als Weg zu himmlischem Ruhm

Heil der Christen, nämlich der Erlangung des ewigen Lebens.492 Die Würdigung des Martyriums beruht also auf einer spezifisch christlichen Betrachtung der Kategorien „Leben" und „Tod", innerhalb derer dem physischen Leben der geistliche Tod, dem physischen Tod hingegen das geistliche Leben zugeordnet ist.493 Eine nach außen ähnlich paradox erscheinende Auffassung des Märtyrertodes zeigt sich im Blick auf die in der konkreten Verfolgungssituation bestehenden rechtlichen Bedingungen und Machtverhältnisse494, denn die Verurteilung seitens der menschlichen Gegner bewirke den Freispruch durch Gott.495 Die von den Menschen Verurteilten erscheinen als der göttlichen Verurteilung entzogen496 und erhalten im kommenden Weltgericht ihrerseits die Richterfunktion gegenüber den irdischen Richtern: „... vos estis de iudicibus ipsis iudicaturi."497 Hinter dieser Vorstellung der Verschonung der Märtyrer von der ewigen Verdammnis und der Erwartung ihrer Teilhabe am Weltgericht steht die Überzeugung von der Vergebung aller Sünden durch das Martyrium, d.h. der absoluten Sündlosigkeit und Reinheit der für den Namen Christi Gestorbenen.

492

Scorp. 5,7 (CChr.SL II, 1077,24-1078,26): „Sic et martyria desaeviunt, sed in salutem. Licebit et deo in vitam aeternam per ignes et gladios et acerba quaeque curare." 493 Zu dieser Wertung vgl. z.B. den gegen eine Verhinderung seines Martyriums gerichteten Wunsch des Ignatius: „Hindert mich nicht zu leben, wollt nicht, daß ich sterbe." (Ign.Rom. 4,2) 494 Vgl. Ad Scap. 5,1 (CChr.SL II, 1131,1): „Crudelitas vestra gloria est nostra." 495

Apol. 50,16 (CChr.SL I, 171,71-73): „Ut est aemulatio divinae rei et humanae, cum damnamur a vobis, a Deo absolvimur." Vgl. Ad nat. I, 1,10 (CChr.SL I, 12,4-6): „Si denotatur, gloriatur; ... damnatus gloriatur." 496 Vgl. De fuga 9,4 (CChr.SL II, 1147,35f): „,Publicans', inquit (sc. spiritus sanctus), ,bonum tibi est; qui enim non publicatur in hominibus, publicatur in Domino'"; Scorp. 12,8 (CChr.SL II, 1093,116): „... mortis venia(..) secundae ...". 497 Ad mart. 2,4 (CChr.SL I, 4,14). Nach Ernst Dassmann, Sündenvergebung durch Taufe, Buße und Märtyrerfürbitte in den Zeugnissen frühchristlicher Frömmigkeit und Kunst, Münster 1973, 181, stellt die Vorstellung der Assistenz der Märtyrer beim Weltgericht eine Weiterentwicklung der alten Erwartung einer Teilhabe am Reich Gottes und an der Herrschaft Christi dar. Die richterliche Funktion der Märtyrer im Weltgericht wurde seit dem 3. Jhdt. in besonderer Weise betont: Vgl. Hipp., In Dan. 11,37,4; Orig., Exhort.ad mart. 28 ; Dionysios von Alexandrien (Eus., HE VI, 42,5); (Cypr.), ep. 31,3; Cypr., ep. 6,2; ep. 15,3; auf diese Vorstellung weist auch Pass.Perp. 17,2 (Habermehl, Passio, 22) hin: „notate vobis facies nostras diligenter, ut recognoscatis nos in die ilio". Zu weiteren Belegstellen aus den Märtyrerakten vgl. Karl Holl, Die Vorstellung vom Märtyrer und der Märtyrerakte, in: GesAufs. II (1928), 86; Achelis, Christentum, Bd. II, Exkurs 90.

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

209

4.5.2 Das Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung Die bereits seit Mitte des 2. Jahrhunderts in der altkirchlichen Martyriumstheologie aufzuweisende Sicht des Märtyrertodes als einer zur Taufe in Parallele gesetzter Möglichkeit der Sündentilgung498 spielt auch in Tertullians martyrologischem Konzept eine wesentliche Rolle. Daß er in selbstverständlicher Weise von einer sündenvergebenden Wirkung des Martyriums ausgeht, zeigt sich daran, daß bereits die katholische Schrift „De baptismo"499 eine ausgeführte Parallelisierung zwischen dem Martyrium und der Taufe bietet, die alle auch für die Folgezeit wesentlichen Elemente der Vorstellung vom Martyrium als Mittel der Sündenvergebung enthält.500 Nach einer antihäretisch und antijüdisch ausgerichteten Einschärfung der Einheit und Einmaligkeit der Taufe501 kommt Tertullian in diesem

498 Vgl. Didask. 20; Herrn., Sim. IX, 28,6. Da es für den „Hirten des Hermas" nur eine Buße für nach der Taufe wieder in Sünde gefallene Christen gibt (Herrn., Mand. IV, 3,6), ist das Martyrium die einzige Möglichkeit, nach erneutem Sündigen Vergebung zu erlangen. Eine ausdrückliche Parallelisierung von Taufe und Martyrium hinsichtlich ihrer sündenvergebenden Kraft findet sich bei Melito von Sardes, Frgm. 12. Zur Zeit Tertullians wird der Charakter des Martyriums als zweiter Taufe bezeugt durch Pass.Perp. 18,2; 21,2 (Habermehl, Passio, 22; 26). Daß die Übertragung der Taufterminologie auf das Martyrium darauf beruhte, daß das im Leiden fließende Blut mit dem Wasser in Verbindung gesetzt wurde, die beide die Sünden „abwaschen" (vgl. Gramaglia, Semantiche, 958, Anm. 27), wird durch Pass.Perp. 21,2f. nahegelegt: „Et statim in fine spectaculi, leopardo eiecto, de uno morsu tanto perfusus est sanguine, ut populus revertenti illi secundi baptismatis testimonium reclamaverit: Salvum lotum, salvum lotum. Plane utique salvus erat qui hoc modo (sc. sanguine) laverat." Zu dem Ruf „salvum lotum", einem antiken Badewunsch, vgl. Franz Josef Dölger, Gladiatorenblut und Märtyrerblut. Eine Szene der Passio Perpetuae in kultur- und religionsgeschichtlicher Beleuchtung, in: Vorträge der Bibliothek Warburg III, Leipzig 1926, 196-214. Für die alexandrinische Theologie belegt Clem.Al., Strom. IV,73,l-4; 74,3 zur gleichen Zeit den Gedanken einer durch das Martyrium bewirkten vollständigen Buße für alle Sünden. 499 Die genaue Datierung dieses Traktates ist allerdings umstritten. Zumeist wird er in die Zeit zwischen 198 und 206 eingeordnet: So setzt z.B. Raymond F. Refoulé, Tertullien. Traité du bapteme, Paris 1952, 12, „De baptismo" in die Zeit zwischen 200 und 206. Ernest Evans, Tertulliano Homily on Baptism. The Text edited with an Introduction, Translation and Commentary, London 1965, XI, geht von einer Entstehungszeit um 200 aus. Zu weiteren entsprechenden Datierungsvorschlägen vgl. Braun, Deus Christianorum, 570, der selbst „De baptismo" ebenfalls in diesen Zeitraum einordnet. Daneben finden sich aber in der Forschung auch Datierungen, die diesen Traktat ganz an den Beginn der literarischen Wirksamkeit Tertullians, d.h. noch vor 198, ansetzen; zuweilen wird „De baptismo" sogar als erste Schrift angesehen (so z.B. bei Roberts, Theology, 86). Mangels zeitgeschichtlicher Hinweise muß eine genaue zeitliche Einordnung dieses Traktates letztlich aber hypothetisch bleiben. 500 Nach Franz Josef Dölger, Tertullian über die Bluttaufe - Tertullian De baptismo 16, in: AuC II (1930), 123, legt Tertullian hier eine „völlig ausgebildete Lehre Uber das Martyrium als Bluttaufe" dar. 501 De bapt. 15,1-3 (CChr.SL I, 290,4-20). Zu dem Verständnis diese Passage vgl. Evans, Homily, 92-94.

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

210

Traktat auf die einzige Ausnahme von der Bestimmung „de uno lavacro"502 zu sprechen. Neben der Wassertaufe gebe es ein „secundum lavacrum"503, die Bluttaufe. In dem Sinne, in dem Christus von seinem eigenen Leiden als „baptismus" gesprochen habe, könne auch das Martyrium der Christen als eine Taufe verstanden werden.504 Nach l.Joh 5,6 sei Christus „per aquam et sanguinem" gekommen, um im Wasser getauft, im Blut aber verherrlicht zu werden.505 Um auch die Christen durch die Wassertaufe zu Berufenen zu machen, durch die Bluttaufe sogar zu Auserwählten, habe Christus beide Taufen eingesetzt, wie Tertullian exegetisch unter Rückgriff auf Lk 19,34 erweist: Die Wassertaufe wie auch die Bluttaufe seien aus Christi durchbohrter Seite, aus der Wasser und Blut geflossen seien, hervorgegangen.506 Die Bluttaufe erscheint dabei in Tertullians Ausführungen hinsichtlich ihrer Wirkung gegenüber der Wassertaufe als überlegen: Während die Christen durch die Taufe zwar zu den „vocati" gehörten, gelangten sie

502

De bapt. 15,3 (CChr.SL I, 290,20). „lavacrum" wird nach Dölger, Bluttaufe, 124, von Tertullian als ein „feierliches Wort für die Taufe" verwendet. 503 De bapt. 16,1 (CChr.SL I, 290,1). Ähnliche, das Martyrium direkt mit der Taufe parallelisierende Bezeichungen finden sich bei Tertullian noch mehrfach: „lavacrum sanguinis" (Scorp. 6,9; CChr.SL Π, 1080,10); „secunda intinctio" (De pat. 13,7; CChr.SL I, 314,26f); „aliud baptisma" (De pud. 22,9; CChr.SL Π, 1329,44); „secundum (baptisma)" (De pud. 22,11; CChr.SL II, 1329,47). In Scorp. 6,10 (CChr.SL II, 1080,14) verwendet er für das Martyrium sogar nur „lavacrum". 504 De bapt. 16,1 (CChr.SL I, 290,1-3): „Est quidem nobis etiam secundum lavacrum, unum et ipsum, sanguinis scilicet, de quo dominus: Habeo, inquit, baptismo tingui, cum iam tinctus fuisset." Tertullian greift hier auf Lk 12,50 zurück; daß diese Stelle im 3. Jhdt. vielfach auf das Martyrium als Bluttaufe bezogen wurde, belegen z.B. Orig., Comm. in Joann. VI, 43.56; Exhortad mart. 30.37; Cypr., ep. 73,22; Ps.-Cypr., De rebapt. 14. Die Formulierung „unum et ipsum" zeigt, daß Tertullian die Bluttaufe genauso wie die Wassertaufe an die Kirche bindet. Die hier deutlich werdende Vorstellung, daß allein die Kirche wahre Märtyrer hervorbringt, findet sich bereits bei Irenaus: Adv.haer. IV, 33,9. Eine besondere Rolle spielt sie 50 Jahre später bei Cyprian. Vgl. Kap. 5.3. 505 De bapt. 16,1 f (CChr.SL I, 290,4-6): „Venerat enim per aquam et sanguinem sicut Iohannes scripsit, ut aqua tingueretur, sanguine glorificaretur." 506 De bapt. 16,2 (CChr.SL 1,290,6-291,9): „Proinde nos facere aqua vocatos sanguine electos hos duos baptismos de vulnere percussi lateris emisit (sc. Christus), quia qui in sanguinem eius crederent aqua lavarentur, qui aqua lavissent et sanguine oporterent." Bei der Verbindung von Lk 12,50, l.Joh 5,6 und Joh 19,34 als Schriftbelege für das Verständnis des Martyriums als Bluttaufe muß es sich nach Dölger, Bluttaufe, 124, um einen „bereits ausgebildeten Schriftbeweis des 2. Jahrhunderts" gehandelt haben, denn in selbstverständlicher Weise werden zumindest Lk 12,50 und Joh 19,34 von Tertullian auch in De pud. 22,10 (CChr.SL II, 1329,44-46) zur exegetischen Untermauerung des Verständnisses des Martyriums als zweiter Taufe verwendet. Die Deutung des nach Joh 19,34 aus der Seitenwunde Jesu fließenden Wassers und Blutes auf Taufe und Martyrium wird in der Mitte des 3. Jhdts. aufgenommen in De rebapt. 14 (CSEL 111,3,87,15.26ff).

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211

nur durch das Martyrium in den exklusiven Kreis der „electi".507 Seine Darlegungen zur Bluttaufe abschließend stellt er heraus, daß das Martyrium als Mittel der Sündenvergebung eine zweifache Funktion habe: „Hic est baptismus qui lavacrum et non acceptum repraesentat et perditum reddit".508 Zum einen ersetze es bei den Katechumenen die noch nicht empfangene Wassertaufe509, zum anderen biete es für die bereits Getauften nach dem Verlust ihrer Taufgnade die „Chance postbaptismaler Entsiindigung"510. Während das Verständnis des Martyriums als einer Taufe der Katechumenen in ihrem eigenen Blut nur an dieser einen Stelle bei Tertullian erwähnt wird, weist er auf die durch das Martyrium gegebene Möglichkeit zur Erneuerung der durch die Sünde verlorengegangenen Taufgnade, auf die Bedeutung des Martyriums als „occasio secundae intinctionis"5", wiederholt hin. Möglicherweise zeitlich sogar schon vor den ausführlichen Darlegungen in „De baptismo" anzusetzen, spielt dieser Gedanke eine wesentliche Rolle im „Apologeticum".512 Zum Abschluß dieser Schrift verdeutlicht Tertullian gegenüber den heidnischen Adressaten mit seiner Hilfe die vollkommen unterschiedliche Wertigkeit des Märtyrertodes in der Sicht der menschlichen Gegner der Christen und in der für die Gläubigen entscheidenden Sicht Gottes. Wer einmal Christ geworden sei, wünsche sich zu leiden, um von Gott um den „Preis seines Blutes" die voll-

507 Nach Dölger, Bluttaufe, 123, ist hinter dieser Aussage ein Rückbezug auf Mt 22,14 zu vermuten: „multi enim sunt vocati, pauci vero electi." 508

De bapt. 16,2 (CChr.SL I, 291,9f).

509

Nach Schwarte, Christengesetz, 196, war nach Ausweis dieser Darstellung „die theologische Reflexion über die Heilsmöglichkeiten der ungetauften Märtyrer zu einem feststellbaren Abschluß gelangt. Daraus kann mit ziemlicher Sicherheit gefolgert werden, daß es Martyrien Ungetaufter schon geraume Zeit vor dem Anfang des 3. Jhdts. gegeben hat; denn nicht theoretische Spekulation, sondern die Bedrängnis des Tagesgeschehens läßt Fragen wie die nach den Heilsmöglichkeiten der ungetauften Blutzeugen lautwerden ..." Den Brauch der Katechumenentaufe im eigenen Blut bezeugen auch Hipp., Trad.Apost. 19,2; Eus., HE VI, 4,2f; Cypr., ep. 73,22. Obwohl sie als gültiger Ersatz der Wassertaufe galt (vgl. Hipp., Trad.Apost. 19,1), bemühte man sich dennoch, Katechumenen noch vor dem Erleiden des Martyriums zu taufen (vgl. Pass.Perp. 3,4; Pass.Mont.et.Luc. 2,1; Derebapt. 14), da die Taufe andererseits als absolut heilsnotwendig angesehen wurde. Vgl. z.B. Herrn, Sim. IX, 16,3; Tert., De bapt. 12,1 (CChr.SL 1, 286,1-287,4): „Cum vero praescribitur nemini sine baptismo competere salutem ex illa maxime pronuntiatione domini qui ait: ,Nisi natus ex aqua quis erit non habebit vitam'...". " ° D a s s m a n n , Sündenvergebung, 155. 511 512

De pat. 13,7 (CChr.SL I, 314,26f).

Die Ungeklärtheit des zeitlichen Verhältnisses zwischen „De baptismo" und dem „Apologeticum" hängt mit der ungelösten Datierungsfrage des Tauftraktates zusammen. Das „Apologeticum" wird in der Forschung übereinstimmend in die Jahre 197 oder 198 datiert. Vgl. Kap. 2., Anm. 14.

212

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

ständige „venia" für seine Sünden zu erlangen.513 Diese Vergebung erstrecke sich auf alle Vergehen: „Omnia enim huic operi delieta donantur."514 Die heidnischen Adressaten werden von Tertullian mit dem Paradox entlassen, daß das, was von ihnen als Strafe gegenüber den Christinnen und Christen gemeint sei, diesen bei Gott zum Besten diene: „... cum damnamur a vobis, a deo absolvimur."515 Aus diesem Grund würden die Christen ihren heidnischen Richtern auch für deren Urteilssprüche Dank sagen.5" Die den Heiden entgegengehaltene Ummünzung der von ihnen gegen die Gläubigen verhängten Todesurteile in einen „Sieg", der von Gott reich belohnt werde517, beruht also darauf, daß die Christen eine positive Haltung Gottes zu der im Martyrium dargebrachten Gabe des eigenen Lebens voraussetzten, für das dieser als Ausgleich - „compensatio"518 - die vollständige Sündenvergebung gewähre. Die Aufnahme dieser Vorstellung in die apologetische Argumentation weist daraufhin, daß Tertullian sich mit ihr im Bereich der „communis opinio" der Alten Kirche befand; ihre exponierte Position zum Abschluß des „Apologeticums" zeigt die fundamentale Bedeutung, die sie innerhalb der theologischen Deutung und Bewertung des Martyriums nach innen und nach außen für ihn hatte.

513

Apol. 50,15 (CChr.SL I, 171,67-70): „Quis non, ubi requìsivit, accedit, ubi accessit, pati exoptat, ut totam Dei gratiam redimat, ut omnem veniam ab eo compensatione sanguinis suis expediat?" Nach Evans, Homily, 95, bezieht sich diese Stelle auf ein Martyrium, „which makes actual a baptism not received." Die Formulierung „ubi accessit" macht hingegen deutlich, daß Tertullian hier das Martyriumsleiden getaufter Christen im Blick hat. 5U

Apol. 50,16 (CChr.SL I, 171,70). Apol. 50,16 (CChr.SL I, 171,72f). In Tertullians Perspektive relativiert das Urteil Gottes dasjenige der heidnischen Richter und macht ihre Bedeutungslosigkeit offensichtlich. Auf den Rückbezug dieses Abschlusses des „Apologeticums" auf seinen Anfang macht Eckert, Orator Christianus, 244, aufmerksam: „Zugleich sorgt die abschließende Anrede der Verfahrensrichter (50,16) für einen interessanten Kontrast zur Einleitung Apol. 1,1. Dort nämlich wurden sie angesprochen als Männer, die beinahe an der Spitze des Reiches stehen (...). Hier dagegen weitet sich der Blick zum obersten Richter, der über der Welt und auch über den Statthaltern steht. Legt man dieses Maß an, so erscheinen die weltlichen Gerichtsherren unendlich geringer als der höchste Gott, was wiederum suggeriert, daß ihr weltliches Urteil so unendlich unbedeutend ist gegenüber dem überweltlichen Urteil dieses Gottes." 516 Apol. 50,16 (CChr.SL I, 171,70): „Inde est, quod ibidem sententiis vestris gratias agimus." Zu dem Dank der Märtyrer für ihre Verurteilung vgl. z.B. Just., Apol. 11,2; Act.Scill. 15; Act.Cypr. 4,3. 511 Apol. 50,2 (CChr.SL I, 169,7-11): „Proelium est nobis, quod provocamur ad tribunalia, ut illic sub discrimine capitis pro ventate certemus. Victoria est autem, pro quo certaveris, obtinere. Ea victoria habet et gloriam placendi Dei et praedam vivendi in aeternum." 5,5

518

Apol. 50,15 (CChr.SL I, 171,69).

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213

Auch in der Folgezeit hat Tertullian mehrfach auf den sündenvergebenden Charakter der Bluttaufe hingewiesen. So unterstreicht er in „Scorpiace" mit dem Hinweis auf die durch das Martyrium zu erlangende Sündenvergebung die Forderung nach Bereitschaft zum Märtyrertod: Da Gott vorhergesehen habe, daß Christen auch nach der Taufe wieder in Sünde fallen könnten, habe er ihnen mit dem Martyrium einen „zweiten Trost und eine letzte Hilfe" (secunda solacia et extrema praesidia) bereitgestellt.519 In diesem Sinne seien es die Märtyrer, von denen es in Ps 3 2 , l f heiße: „Beati quorum dimissae sunt iniquitates et quorum tecta sunt peccata. Beatus cui non inputaverit deus delictum"520, denn allein diesen könnten keine Sünden mehr zugerechnet werden.52' Der Grund für die durch das Marty-

519 Scorp. 6,9 (CChr.SL II, 1080,3-10): „Prospexerat et alias deus inbecillitates condicionis humanae, adversarii insidias, rerum taladas, saeculi retia, etiam post lavacrum periclitaturam fidem, perituros plerosque rursum post salutem, qui vestitutum obsoletassent nuptialem, qui facu! is oleum non praeparassent, qui requirendi per montes et saltus et umeris essent reportandi. Posuit igitur secunda solacia et extrema praesidia, dimicationem martyrii et lavacrum sanguinis exinde secuturum." 520 521

Scorp. 6,10 (CChr.SL II, 1080,11-13).

Scorp. 6,10 (CChr.SL II, 1080,13-f): „Proprie enim martyribus nihil iam reputari potest, quibus in lavacro ipsa vita deponitur." Wie die Formulierung „in lavacro ipsa vita deponitur" zu verstehen ist, ist in der Forschung umstritten. Die eine Interpretation ist, daß nur das Martyrium eine endgültige Vergebung verbürgen könne, weil die fur den Glauben Gestorbenen mit ihrem physischen Leben auch jegliche Möglichkeit zu einem erneuten Sündigen verlören. In diesem Sinne versteht Dölger, Bluttaufe, 127, die genannte Formulierung: Den Märtyrern werde nichts mehr angerechnet, und ihr Heil sei gesichert, weil durch das Martyrium „das Leben und die Möglichkeit der Sünde dahinfallt". „deponere" wäre in diesem Fall mit „ablegen, aufgeben, beendigen" zu übersetzen: „... denen in der (Blut)taufe das Leben selbst beendigt wird." Das gleiche Verständnis der genannten Stelle zeigt sich auch bei Eduard Lohse, Märtyrer und Gottesknecht. Untersuchungen zur urchristlichen Verkündigung vom Sühntod Jesu Christi, Göttingen 1955, 212. Nach der anderen Deutung soll mit dieser Formulierung ausgesagt werden, daß den Märtyrern durch ihren Tod das Leben, d.h. das ewige Leben, anvertraut sei. Bei diesem Verständnis müßte „deponere" im Sinne von „zur Aufbewahrung niederlegen, sicher unterbringen" übersetzt werden, wie es Kellner/Esser in: BKV 24, 201, tun: „Nur den Märtyrern kann im vollen Sinne nichts mehr angerechnet werden, weil ihnen bei der Abwaschung das Leben selbst in Sicherheit gestellt wird". Ein entsprechendes Verständnis zeigt sich auch in der Übertragung der genannten Passage bei Dassmann, Sündenvergebung, 157: „Allein den Märtyrern kann nichts weiter mehr zustoßen, weil ihnen bei der Abwaschung das Leben selbst anvertraut wird." Bei der Betrachtung der sonst in Tertullians Werk zu findenden Verwendung von „deponere" zeigt sich, daß er das Verb zwar insgesamt in seiner ganzen Bedeutungsbreite (hierzu vgl. ThLL V , l , 576-585) aufnimmt, dabei aber die „negativen" Bedeutungsgehalte wie „niederwerfen" (Adv.Marc. IV, 34,17; CChr.SL I, 639,20f), „zurückhalten" (Adv.Marc. I, 29,2; CChr.SL I, 473,27f), „ablegen, zerstören" (Adv.Marc. V, 2,2; CChr.SL I, 666,27f), „ablegen" (De mon. 12,2; CChr.SL II, 1247,14f) bevorzugt; ein der zweiten Deutung entsprechendes „positives" Verständnis im Sinne von „aufbewahren" bildet die Ausnahme (De res.earn. 52,18; CChr.SL II, 998,70). Dieser Befund könnte zumindest ein unterstützendes Argument fur die erstgenannte Deutung darstellen.

214

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

rium erlangte Sündenvergebung bestehe in der dadurch zum Ausdruck gebrachten Liebe zu Gott, die - wie Tertullian unter Rückgriff auf l.Petr 4,8 aussagt - die „Menge der Sünden" bedecke.522 Um zu der Gnade einer „zweiten Wiedergeburt" (secunda regeneratio) zu gelangen, in der auch die nach der ersten Wiedergeburt in der Taufe begangenen Sünden vergeben werden, erwarte Gott von dem Menschen den hohen Preis seines Blutes. Im Unterschied zu der Taufe eröffne dieser aber auch den Weg zur endgültigen Sicherung des Heils für die Märtyrer.523 Das Martyrium erscheint hier also in bezug auf den Heilsstand der Christinnen und Christen der Taufe deutlich überlegen.524 An anderer Stelle desselben Traktates verdeutlicht Tertullian die sündenvergebende Wirkung von Wassertaufe und Bluttaufe mit Hilfe des Bildes von der Reinigung und Abwaschung des „Sündenschmutzes": „Sordes quidem baptismate abluuntur, maculae vero martyrio candidanti^."525 Unter Bezug auf Jes 1,18 stellt er heraus, daß aus dem Rot des Martyriums das Weiß der Reinheit und Sündlosigkeit hervorgehen solle.526 Durch diese Verbindung ist auch hier eine deutliche Überlegenheit der Bluttaufe über die Wassertaufe ausgesagt: Nur durch das Martyrium gelangten die Christen in den

522

Scorp. 6,11 (CChr.SL II, 1080,14-1081,18): „Sic dilectio operit multitudinem peccatorum, quae deum scilicet diligens ex totis viribus suis, quibus in martyrio decertat, ex tota anima sua, quam pro deo ponit, hominem martyrem excudit." Die Vorstellung, daß das Martyrium einen Ausdruck der Liebe zu Gott darstellt, hat sich auch in Scorp. 13,12 (CChr.SL II, 1096,lf) niedergeschlagen: „Virtute enim patimur exdilectione in deum...", ebenso im Anschlußan l.Joh 4,18 in De fuga 14,2 (CChr.SL II, 115,17f): „At qui pati non timet, iste erit perfectus in dilectione, utique Dei." 523 Scorp. 6,11 (CChr.SL II, 1081,19-21): „Sanguinem hominis deus concupiscít? et tarnen ausim dicere, si et homo regnum dei, si et homo certam salutem, si et homo secundam regenerationem." Die Überlegenheit des Martyriums über die Taufe drückt sich auch darin aus, daß der Christ durch die Taufe und den Glauben dem Teufel entkomme, durch das Martyrium ihn aber sogar besiege: „Evulsum enim hominem de diabola gula per fidem iam et per virtutem inculcatorem eius voluit efficere (sc. deus), ne solummodo evasisset, verum etiam evicisset inimicum." (Scorp. 6,1 ; CChr.SL II, 1079,6-9) 524 So auch Klein, Bewußtsein, 299: „Das Martyrium ist auf diese Weise (d.h. nach der Darstellung in Scorp. 6) die Bedingung Gottes, die der Mensch erfüllen muß, wenn er Verlangen trägt nach dem Reiche Gottes, nach Sicherheit des Heils, nach einer zweiten Wiedergeburt. Dem Werte nach hat sie ... die erste regeneratio weit hinter sich gelassen." Damit beginne sich in „Scorpiace" ein Prozeß zu entwicklen, „der die Taufgnade zugunsten der Martyriumsgnade entwerten könnte". (Klein, Bewußtsein, 298) Zu dieser Entwicklung vgl. weiter Kap. 4.5.3. 525 Scorp. 12,10 (CChr.SL II, 1093,6f). Der Begriff „maculae" - „Flecken" weist auf die Vorstellung hin, daß der Getaufte, der wieder in Sünde falle, sein „vestitutum nuptialem", mit dem er sich mit Christus in der Taufe vermählt habe, befleckt habe (vgl. Scorp. 6,9; CChr.SL II, 1080,6f). Daß der „veternus mortis" durch das von Gott befohlene Martyrium beseitigt werde, betont Tertullian auch in Scorp. 5,12 (CChr.SL II, 1078,26f). 526 Scorp. 12,10 (CChr.SL Π, 1093,7f): „Quia et Eseias ex russeo et coccino niveum et laneum repromittit."

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215

Kreis der Auserwählten, in die von der Johannes-Apokalypse erwartete „Menge der Weißgekleideten" (multitudo albati)527, die vor Christi Thron stehen und ihm dienen wird.528 Nach der von Tertullian zitierten Stelle Apk 7,14 sind dies diejenigen, die „ihre Kleider im Blut des Lammes gewaschen haben". Seine martyrologische Engflihrung dieser Stelle zeigt sich deutlich in den darauf folgenden Zeilen: Zur Erlangung der mit dem weißen Kleid symbolisierten Sündlosigkeit ist nicht allein das Sühneleiden Christi Voraussetzung, sondern das Leiden der Märtyrer selbst.529 In der Konsequenz bedeutet diese Interpretation, daß nach Tertullians Auffassung das Blut Christi keine vollständige Sündenvergebung, keinen vollkommenen Heilsbesitz für die Getauften verbürgt; zu ihrer Erlangung ist zusätzlich das Vergießen des eigenen Blutes vonnöten. Damit führt seine Betonung des singulären Lohnes der Blutzeugen letztlich zu einer Einschränkung der soteriologischen Bedeutung des Todes Christi530, wie sie so auch in der von ihm selbst zu Beginn des Traktates referierten gnostischen Kritik an der Notwendigkeit christlichen Leidens behauptet worden ist.531

527

Scorp. 12,10 (CChr.SL II, 1093,28). Zur Prägung von Scorp. 12 durch die Verheißungen der Johannes-Apokalypse vgl. Kap. 4.5.1. !28

Vgl. Apk 7,9-17.

529

Scorp. 12,10 (CChr.SL II, 1093,1-5): „Nam et rursus innumera multitudo albati et palmis victoriae insignes revelantur, scilicet de Antichristo triumphantes, sicut unus de presbyteris, ,hi sunt', ait, ,qui veniunt ex illa pressura magna et laverunt vestimentum suum et candidaverunt ipsum in sanguine agni'. Vestitus enim animae caro. Sordes quidem baptismate abluuntur, maculae vero martyrio candidantur." Nach Roloff, Offenbarung, 92, drückt Apk 7,14 aus, daß die Gemeinde „von den Sünden befreit (ist) durch die Lebenshingabe Christi". Bezieht die Stelle sich nach seiner Auslegung also nur auf das Sühneleiden Christi, das in der Taufe den Christen übereignet wird, geht Müller, Offenbarung, 183, schon von einem auf die Aktivität der Gläubigen bezogenen Verständnis in der Apk selbst aus: „Weil die Christen durch ihr Verhalten sich zur Erlösung durch das Blut Christi bekannt, sich also in der Drangsal bewährt haben, gewinnen sie bleibenden Anteil an der einmal geschehenen Heilstat Christi." 530 Vgl. die bei Rambaux, Tertullien, 383, zu findende Einschätzung, daß die Betonung der Verpflichtung zum Martyrium bei Tertullian unmittelbar mit der geringen Betonung des Opfertodes Jesu zusammenhänge: „... moins l'on saisit le caractère décisif et irremplaçable de la Passion, de cette mort subie une fois pour toutes à la place des pécheurs, plus l'on se sent obligé de payer soimeme son salut en se faisant tuer." Grundsätzlich hat J.N.D. Kelly, Early Christian Doctrines, London (I960) 2 , 177, daraufhingewiesen, daß die Gedanken des Opfertodes Christi und der dadurch erlangten Sündenvergebung bei Tertullian nicht nachdrücklich ausgearbeitet sind: „These thoughts, however, while they contain the germ of a doctrine of substitution, are nowhere expanded or worked up into a synthesis, and there is a distinct tendency in Tertullian to reduce Christ's achievement to „the proclamation of a new law and a new promise of the kingdom of heaven" (De praescr.haer. 13)..." 531

Vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 79.

216

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

Was sich bei Tertullian in „De baptismo" zunächst nur durch die Formulierung „aqua vocati sanguine electi" andeutet, findet sich also in „Scorpiace" plastischer und eindringlicher ausgedrückt: Die Überzeugung, daß das Martyrium die Voraussetzung für die Auserwählung durch Gott bilde und in diesem Sinne die Taufe in ihrer Bedeutung für den Heilsstand der Christinnen und Christen übertreffe - eine Vorstellung, die sich ebenfalls in „De resurrectione carnis" widerspiegelt: Tertullian deutet dort die in l.Kor 15,39 zu findende Aussage vom unterschiedlichen Fleisch des Viehs, der Vögel und der Fische allegorisch auf verschiedene „Klassen" unter den Menschen, auf deren unterschiedliche himmlische „Vorrechte" und „Ehrenstellungen". Die Vögel symbolisierten die Märtyrer, die in die Höhe, d.h. das Paradies, strebten, die Fische hingegen diejenigen Gläubigen, denen das Wasser der Taufe „genüge" (sufficit).532 In dieser bildlichen Gegenüberstellung drückt sich deutlich das Zurücktreten der Taufe gegenüber dem Martyrium in ihrer Bedeutung für den Heilsstand der Gläubigen aus. Eine zentrale Rolle spielt die Betonung der durch das Martyrium ermöglichten Sündenvergebung für Tertullian zuletzt noch in dem montanistischen Traktat „De pudicitia", in dem es ihm um die rigorose Ablehnung einer Vergebung der Kapitalsünden durch die Buße geht; in diesem Kontext erscheint das Martyrium als einzige Möglichkeit der Vergebung postbaptismaler Sünden. Im Zuge einer Auslegung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn lehnt er in dieser Schrift die Deutung des Sohnes auf den wieder in Sünde gefallenen Christen ab, dem Gott nach entsprechender Reue Vergebung anbiete; durch eine solche Deutung, die auch Kapitalsündern Verzeihung anbiete, werde der auf der Festigkeit der „disciplina" beruhende Heilsstand untergraben.5" Wer etwas wiedererhalten könne, brauche sich ja nicht zu bemühen, es zu bewahren, so daß durch die Zusage der Vergebung auch schwerer Sünden die „Begierde nach den Vergehen" geradezu angefacht

532

De res.earn. 52,1 If (CChr.SL II, 997,40-49): „Sine dubio ad hoc dirigit, non omnis caro eadem caro, non ad denegandam substantiae communionem sed praerogativae peraequationem, corpus honoris, non generis, in differentiam redigens... Alia caro volatilium, id est martyrum, qui ad superiora conantur, alia piscium, id est quibus aqua baptismatis sufficit." Zu dem Aufstieg der Märtyrer „ad superiora" vgl. De fuga 1,4 (CChr.SL Π, 1136,32-34), zu der Deutung von „sublimiora" im Sinne von Aufstieg zum Paradies bzw. Himmel vgl. De an. 55,2 (CChr.SL II, 862,10). 533 De pud. 9,8 (CChr.SL II, 1297,32-34): „Totum autem statum salutis in tenore diseiplinae constitutum subvertí videmus ea interpretatione, quae ex diverso adfectatur." Tertullian bekämpft hier eine Auslegung, die er selbst in De paen. 8,6-8 (CChr.SL I, 335,21-336,34) noch vertreten hatte.

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

217

werde.534 Wenn überhaupt das Gleichnis vom verlorenen Sohn auf eine Form der Sündenvergebung angewendet werden könnte, dann - so gesteht Tertullian ganz am Ende seiner entsprechenden Auslegung zu - ausschließlich auf das Martyrium, „ ... quod solum omni substantia prodacta restituere filium poterit ..."." 5 Ebenso könnten auch die Gleichnisse von der verlorenen Drachme und dem verlorenen Schaf nur auf das Martyrium bezogen werden, nicht aber auf eine anderweitig ermöglichte Sündenvergebung. 536 Vor dem Hintergrund der in „De pudicitia" vertretenen Überzeugung Tertullians von der Unvergebbarkeit schwerer Sünden durch die Buße erhält das Martyrium hier also die Funktion der einzigen Möglichkeit zur Entsühnung. Die Verwendung des Verbs „restituere"

537

zeigt dabei deut-

lich, daß das Martyrium hier die Rolle zugewiesen bekommt, die in Tertullians katholischer Bußlehre die Buße innehatte: Die von der Nachsicht Christi gebotene, einmalige Möglichkeit, das wiederherzustellen (restituere), was durch die Sünde verloren gegangen ist.538 An einer weiteren Stelle von „De pudicitia" taucht der Gedanke von der Funktion des Martyriums als einziger Möglichkeit zur Entsühung noch im Zusammenhang der von Tertullian vertretenen Ablehnung der Sündenvergebungsvollmacht der Märtyrer 53 ' auf; das Schwergewicht der Argumentation liegt dort darauf, daß eine Vergebung schwerer Sünden nur durch ein eigenes, selbst erlittenes Martyrium möglich sei. Gegen den Brauch einer von Märtyrern vollzogenen Sündenvergebung betont er, daß es diesen genug sein solle, durch das Martyrium ihre eigenen Sünden zu tilgen; keinesfalls sollten sie das auf andere Christen übertragen wollen, was sie selbst um einen hohen Preis erlangt hätten.540 Schwere Vergehen könnten nur „durch ein eigenes Martyrium" (proprio martyrio) getilgt

534

De pud. 9,10 (CChr.SL II, 1297,44-1298,46): „Quis enim timebit prodigere, quod habebit

postea recuperare? Quis curabit perpetuo conservare, quod non perpetuo poterit atnittere? Securitas delieti etiam libido est eius." 535

De pud. 9,21 (CChr.SL II, 1299,940-

536

De pud. 9,21 (CChr.SL II, 1299,92-98): „Denique si aiiorsum parabolas transducere liceret,

ad martyrium potius dirigeremus spem illarum, quod solum omni substantia prodacta restituere filium poterit et drachmam inter omnia licet in sterrare repertam cum gaudio praedicabit, et ovem per aspera quaeque et aprupta fugitivam humeris ipsius Domini in gregem referet." 537 538 539

D e pud. 9,21 (CChr.SL II, 1299,94f). : D e paen. 7,11 (CChr.SL II, 334,40-42). Zu Tertullians Haltung zur Sündenvergebungsvollmacht von Märtyrern vgl. ausfuhrlich

Kap. 5.2.2 540

De pud. 22,2 (CChr.SL II, 1328,20-22): „Sufficiat martyri propria delieta purgasse. Ingrati

vel superbi est in alios quoque spargere, quod pro magno fuerit consecutus."

218

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

werden, nicht aber durch ein fremdes.541 Die Ablehnung einer Übertragung der durch ein Martyrium erlangten Sündenvergebung auf andere Christen unterstreicht Tertullian exegetisch durch die Aufnahme von Lk 12,50 und Joh 19,34. Aus diesen folge, daß das Martyrium ein „aliud baptisma" sei. Wenn ein Christ durch die zweite Taufe die Sündenvergebung für einen anderen erwirken könnte, müßte er dies auch durch die erste können; da letzteres aber nicht möglich ist, ist die von Tertullian implizit ausgedrückte Folgerung, daß auch ersteres nicht zutrifft: Die durch ein Martyrium erlangte Sündenvergebung kann nicht auf andere Christen ausgedehnt werden.542 Die von ihm vertretene rigorose Ablehnung jeder Möglichkeit zur Vergebung schwerer Sünden außer durch das eigene Martyrium schließt also eine Übertragung der in einem anderen Martyrium erlangten Sündenvergebung aus. Mit dieser Einschränkung wendet er sich auch gegen die Vorstellung einer Fortsetzung des sühnenden Leidens Christi im Leiden der Märtyrer543 und behält die auf andere übertragene Entsühnung ausschließlich der Passion Christi vor.544 Im Blick auf die für andere zu erlangende Erlösung durch Leiden und Tod bleibt die singulare soteriologische Bedeutung des Todes Christi also gewahrt, wobei die Herausstellung dieser Differenz zwischen dem Leiden Christi und demjenigen der Märtyrer hier aber nicht viel mehr als ein unterstützendes Argument gegenüber dem von ihm abgelehnten Märtyrerprivileg darstellt. An keiner Stelle wird deutlich, daß es ihm prinzipiell um die Wahrung des Abstandes zwischen den Blutzeugen und Christus geht; vielmehr zeigt sich - wie oben erwähnt - zum Teil sogar eine Einschränkung der soteriologischen Bedeutung des Todes Christi.

541

De pud. 22,9 (CChr.SL II, 1329,41-43): „Cum tarnen moechis et fomicatoribus a martyre expostulas veniam, ipse confiteris eiusmodi crimina nonnisi proprio martyrio, diluendo, qui praesumis alieno." 542

De pud. 22,9-11 (CChr.SL II, 1329,43-47): „Quod sciam, et martyrium aliud erit baptisma. Habeo enim, inquit, et aliud baptisma. Unde et ex vulnere lateris dominici aqua et sanguis, utriusque lavacri paratura manavit. Debeo ergo et primo lavacro alium liberare, si possum secundo." Zur Interpretation dieser Stelle vgl. auch LeSaint, Treatises, 297: „Since it is impossible for me to wash away another's sin by receiving the lavacrum aquae for him, neither is it possible for me to free him from his sins by receiving the lavacrum sanguinis in his stead. If I were able to receive second Baptism for another, there is no reason why I should not be able to receive first Baptism for him also." 543 Zur Verbreitung dieser an Kol 1,24 anknüpfenden Vorstellung in der Alten Kirche vgl. Lods, Confesseurs, 55f. 544 De pud. 22,4 (CChr.SL II, 1328,22f): „Quis alienam mortem sua soluit, nisi solus Dei filius?"

Martyrium als Mittel zur vollkommenen Sündenvergebung

219

Die Übersicht über die Stellen, in denen die Vorstellung vom Martyrium als Weg zur vollkommenen Sündenvergebung auftaucht, zeigt, daß diese von Tertullian in sehr unterschiedlichen Kontexten rezipiert worden ist: im Rahmen seiner Tauftheologie, innerhalb der apologetischen Argumentation, in der Martyriumsexhortation und in seiner montanistischen Bußlehre.545 Das Martyrium erscheint dabei zum einen als Ersatz der Taufe, zum anderen - und das ist für Tertullian der weitaus bedeutsamere Gedanke - als Ersatz der Buße.546 Während aber in „De baptismo" und dem „Apologeticum" noch nicht die Rede davon ist, daß dem Martyrium die Funktion der Vergebung postbaptismaler Sünden exklusiv zukomme, erscheint es in „Scorpiace", expliziter noch in „De pudicitia" als einzige Möglichkeit, die Vergebung schwerer Sünden zu erlangen547; diese Entwicklung stellt das Pendant zu der von Tertullian parallel zu seinem zunehmenden ethischen Rigorismus entwickelten Vorstellung von der Unvergebbarkeit schwerer Sünden durch die Buße dar. Damit hängt sie unmittelbar zusammen mit der besonders nachdrücklich in „De pudicitia" explizierten Auffassung von der reinen und heiligen Kirche, die sich als „virgo sponsa"548 „heilig und ohne Schand-

545

Bezeichnenderweise finden sich in der katholischen Bußschrift „De paenitentia", in der Tertullian noch von der Möglichkeit der Vergebung schwerer postbaptismaler Sünden durch die Buße ausgeht, keine Ausführungen zum sündenvergebenden Charakter des Martyriums. 546

Auffällig ist dabei, daß Tertullian nicht die Vorstellung eines im Martyrium dargebrachten „Opfers" aufgreift. Hierin unterscheidet er sich signifikant von Ignatius, für den die Opfervorstellung zentral ist (Eph. 8,1; 18,1; 21,1; Smyrn. 10,2; Rom. 4,2; Pol. 2,3; 6,1), dem „Martyrium Polycarpi" (Mart.Pol. 14,lf) sowie von Cyprian (ep. 10,4,3; CChr.SL 111 B, 52,75f; ep. 57,3,2; CChr.SL ΠΙB, 304,69; ep. 61,4,2; CChr.SL III C, 384,72; vgl. auch De dom.or. 24; CChr.SL III A, 105,456). 547 Dieser Unterschied wird bei Lohse, Märtyrer, 212, nicht deutlich, wenn er grundsätzlich zu Tertullians Auffassung von der Sündenvergebung durch das Martyrium bemerkt: „Wie Melito erkennt auch Tertullian den Weg der Buße nicht als Mittel der Entsündigung an, sondern er nennt nur die Bluttaufe als Möglichkeit, um zur Reinigung von den Sünden zu gelangen." Zur Zeit der Abfassung von „De paenitentia" (zwischen 198 und 206) ist Tertullian durchaus von einer Vergebung schwerer Sünden durch die Buße ausgegangen, auch wenn diese Möglichkeit in der ebenfalls aus diesem Zeitraum stammenden Schrift „De baptismo" nicht gesondert erwähnt wird. Dieses Schweigen liegt aber - wie „De paenitentia" nahelegt - sicher nicht an einer Ablehnung der Buße als Mittel zur Vergebung schwerer Sünden schon zu diesem Zeitpunkt bei Tertullian, sondern an dem Charakter und der Intention des Tauftraktates, der an der Frage der Buße nicht interessiert ist. In diesem Sinne erklärt auch Cardman, Resurrection, 164, den fehlenden Hinweis auf die Buße in „De baptismo": „It is perhaps understandable that in a treatise defending baptism against its detractors (while also instructing catechumens and refreshing the memory of the faithful) Tertullian would be unwilling to mention the possibility of or need for a further forgivenesse of sins after baptism." 548 De pud. 1,8 (CChr.SL II, 1282,34-36); De pud. 18,11 (CChr.SL II, 1318,47f).

220

Die Exklusivität des Martyriums

fleck"549, d.h. unbefleckt von der Sünde, zu bewahren hat und entsprechend Kapitalsündern keine Möglichkeit der Wiederaufnahme in Aussicht stellen kann.550

4.5.3 Die Exklusivität des Martyriums in seiner Bedeutung für den himmlischen Ruhm der Christinnen und Christen Bei der Betrachtung der den Märtyrerinnen und Märtyrern in Aussicht stehenden Verheißungen hat sich bereits angedeutet, daß Tertullian zumindest in seinen späteren Schriften die Überzeugung vertritt, daß diese einzig den Blutzeugen zukämen, den anderen Gläubigen hingegen nicht. Der ausdrücklichen Herausstellung der Exklusivität des Martyriums in bezug auf die dadurch zu erlangende Vergebung schwerer postbaptismaler Sünden in „De pudicitia" entspricht die Betonung der Einzigartigkeit des Glaubenstodes im Hinblick auf den zu gewärtigenden himmlischen Ruhm in „Scorpiace", „De resurrectione camis" und „De anima".551 Eine nachdrückliche Hervorhebung des Martyriums als Weg zu besonderem himmlischem Ruhm, dessen alle anderen Christen nicht teilhaftig werden könnten, findet sich zunächst in „Scorpiace". Im Rahmen seiner Einschärfimg der Notwendigkeit des Martyriums charakterisiert Tertullian dort das Martyrium als von Gott selbst den Christinnen und Christen dargebotener Möglichkeit zum Wachstum des

549

De pud. 18,11 (CChr.SL II, 1318,46): „... sancta et sine opprobio ..." Vgl. Eph 5,27. Vgl. De pud. 18,11 (CChr.SL II, 1318,43-48): „Haec enim consultata sunt Christi ecclesiam diligentis, qui se pro ea tradidit, uti earn sanctificet emundans lavacro aquae in verbo et sistat sibi ecclesiam gloriosam non habentem maculam aut rugam, utique post lavacrum, sed sit sancta et sine opprobio, exinde scilicet sine ruga vetustatis ut virgo, sine macula fornicationis ut sponsa, sine probro vilitatis ut emundata"; De pud. 13,25 (CChr.SL II) macht den eschatologischen Bezug dieser Forderung deutlich: Die Kirche soll am Tag des Herrn rein dastehen. Entsprechend hat Micaelli, La pudicité, 40, als Grund für die rigorose Haltung Tertullians zur Buße in „De pudicitia" formuliert: „la nécessité de sauvegarder la pureté de l'Église qui représente,..., une sorte de présence eschatologique'. Pour lui (se. Tertullien), en effet, l'Église doit etre sans ride et sans tache post lavacrum, et il sacrifie l'indulgence à cet idéal." 551 Wobei fiir Tertullian diese beiden Aspekte unmittelbar zusammenhängen: Weil der Märtyrer alle seine Sünden durch seinen Glaubenstod getilgt hat, steht ihm ein besonderer himmlischer Lohn zu. Diese Verbindung zeigt sich auch daran, daß Tertullian, solange er nicht die Ausschließlichkeit des Martyriums als Mittel der Vergebung schwerer Sünden behauptet (vgl. Kap. 4.5.2), auch nicht die Exklusivität des Märtyrerruhms explizit herausstellt. Die Verbindung des besonderen himmlischen Ruhmes der Märtyrer und der durch das Martyrium erlangten Sündenvergebung findet sich deutlich ausgedrückt in Scorp. 12,10 (CChr.SL II, 1093,1-7): Die Auserwählten, die zu der „Menge der Weißgekleideten" gehören, sind nicht die „nur" Getauften, sondern diejenigen, die auch die „Flecken" ihres Gewandes durch das Martyrium geweißt haben: „Sordes quidem baptismate abluuntur, maculae vero martyrio candidantur." 550

Die Exklusivität des Martyriums

221

Glaubens; es stelle den „Gipfelpunkt der christlichen Hoffnung" (spei cumulus) dar, auf den die Gläubigen ihr Streben und ihr Verlangen richten müßten.552 Daß das letztendliche Erreichen eines solchen Zieles in bezug auf den dadurch vor Gott erlangten Verdienst und den diesem entsprechenden Lohn von anderen Glaubensleistungen zu unterscheiden sei, erscheint Tertullian dabei selbstverständlich, denn - so begründet er die Unterschiedlichkeit der Verdienste mit Hilfe von Joh 14,2553 und l.Kor 15,41 - „Aut quomodo multae mansiones apud patrem, si non pro varietate meritorum? quomodo et stella ab stella distabit in gloria, nisi pro diversitate radiorum?"554 Menschliche Glaubensleistung und der von Gott erlangte Lohn, „pretia et merces"555, stehen für ihn in unmittelbarer Relation zueinander: Im Sinne einer „conpensatio"556, eines „Ausgleichs" zwischen menschlicher Leistung und göttlichem Lohn erhält deijenige, der das meiste einsetzt, auch den größten Gewinn von Gott.557 Der höchste Preis, den ein Mensch zahlen könne, bestehe im Erleiden von Foltern und in der Hingabe des eigenen Lebens - des Liebsten, was der Mensch besitze.558 In der Konsequenz dieser Ausführungen liegende Überzeugung Tertullians ist es, daß der Lebenshingabe im

552 Scorp. 6,7 (CChr.SL II, 1080,13-16): „Quid nunc, si non certaminis nomine in martyria fidem exposuisset (sc. Deus), sed et proprii profectus, nonne oportebat illam habere aliquem spei cumulum, cui Studium suum cogeret votumque suspenderet, quo eniteretur ascendere...?" 553 Dieselbe Stelle dient Tertullian auch in De mon. 10,6 (CChr.SL II, 1243,42f) zur Herausstellung der Unterschiedlichkeit menschlicher Verdienste vor Gott. 554 Scorp. 6,7 (CChr.SL II, 1080,17-20). Diese Stelle zielt auf eine Abhebung des Verdienstes der Märtyrer von demjenigen der Nichtmärtyrer ab, nicht, wie Hellmanns, Wertschätzung, 50, behauptet, auf eine Staffelung der Verdienste innerhalb der als „coronati" bezeichneten Gruppe der Märtyrer. 555 Vgl. Scorp. 6,8 (CChr.SL II, 1080,3). 556 Scorp. 6,8 (CChr.SL II, 1080,23); Scorp. 6,11 (CChr.SL II, 1081,22); ebenso Apol. 50,15 (CChr.SL 1,171,69). Daß Tertullian mit dem Begriff „conpensatio" die Vorstellung einer „Aufrechnung" oder „Ausgleichszahlung" verbindet, zeigt sich deutlich in De fuga 11,2 (CChr.SL il, 1148,13f); Adv.Marc. II, 20,3 (CChr.SL I, 498,11). 557

Hallonsten, Satisfactio, 156, wendet sich gegen die Vorstellung eines kompensatorischen Denkens als Grundlage der tertullianischen Sicht des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch, wobei es ihm um die Ablehnung eines auf dem Verdienst des Menschen beruhenden Anspruchs gegenüber Gott geht (vgl. Kap. 1). Im Rahmen der Einschärfung der Pflicht zum Martyrium kann m.E. aber insofern von einem „kompensatorischen Denken" gesprochen werden, als der Gedanke einer Abhängigkeit zwischen menschlicher Leistung und göttlichem Lohn als konstitutiv erscheint. Vgl. den in Anm. 548 belegten Gebrauch des Begriffs „conpensatio" fur das Verhältnis zwischen menschlichem Einsatz und göttlichem Lohn. 558 Scorp. 6,8 (CChr.SL II, 1080,20-24): „Porro si fidei propterea congruebat sublimitati et claritatis aliquas prolatio, tale quid esse oportuerat illud emolumenti, quod magno constaret: labore, cruciatu, tormento, morte. Sed respice conpensationem, cum caro et anima dependitur - quibus in homine carius nihil est...".

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Märtyrertod als singulärem Verdienst ein exklusiver göttlicher Lohn zukomme. Diesen Vorrang der Märtyrer beschreibt er in „Scorpiace" in bezug auf ihre einzigartige Stellung im kosmischen Kampf: Während zwar jede Christin und jeder Christ durch den Glauben bereits dem Teufel entrissen sei, könnten sie nur durch das Martyrium zum tatsächlichen Sieger über diesen werden. Dadurch gehörten sie nicht nur zu den durch den Glauben vom Teufel Befreiten, den „liberati", sondern zu der exklusiven Schar der „coronati".559 Während allen Christen die „salus" zugesprochen werde, erlangten nur die Märtyrer allein die „gloria". Die direkte Gegenüberstellung zwischen allen Gläubigen, d.h. denen, die nicht den Glaubenstod sterben, und den Blutzeugen stellt deutlich die Exklusivität letzterer heraus: „evadere inimicum", „vocari in salutem", „gaudere liberati" wird den nur Getauften zugesprochen, „evincere inimicum", „invitari ad gloriam", "exultare coronati" den Märtyrerinnen und Märtyrern.560 Die für diese Überzeugung grundlegende Vorstellung des nur im Martyrium letztgültig zu erlangenden „Sieges" über den Teufel spiegelt sich im selben Traktat auch dort wider, wo Tertullian unter Aufnahme der „Siegersprüche" aus der Johannes-Apokalypse den göttlichen Lohn der Märtyrer ausmalt.561 Ausdrücklich stellt er dabei die Begrenzung dieses himmlischen Ruhmes auf diejenigen heraus, die für Gott ihr Blut vergießen, indem er die in der „Offenbarung" als Empfänger der Verheißungen genannten „Sieger" (victores) ausschließlich mit den Märtyrern identifiziert: „Quinam isti tarn beati victores, nisi proprie martyres?"562 In dieser exklusiven martyrologischen Deutung der „Siegersprüche" zeigt sich deutlich die auf das Martyrium bezogene elitäre Sicht Tertullians in „Scorpiace", zumal es fraglich ist, ob diese Einengung der Intention der Johannes-Apokalypse selbst entspricht. In

559

Sowohl „corona" als auch „coronare" finden sich bei Tertullian hauptsächlich in zwei Kontexten: 1 ) auf den heidnischen Brauch der Bekränzung bezogen, 2) im übertragenen Sinn auf den im Martyrium erlangten Siegespreis bezogen. Daneben finden sich nur zwei Stellen, in denen sich dieser übertragene Gebrauch auf einen auf andere Weise im christlichen Leben zu gewinnenden „Siegespreis" bezieht. Zu diesem Sprachgebrauch Tertullians vgl. Anm. 598. Diese nahezu exklusiv auf das Martyrium bezogene übertragene Verwendung von „corona/coronare" legt es nahe, auch in „coronatus" eine ausschließlich den Märtyrern vorbehaltene Bezeichnung zu sehen. So geht auch Baus, Kranz, 183f, davon aus, daß „coronati" bei Tertullian „einmal ohne weiteres Märtyrer" bedeute. 560 Scorp. 6 , l f (CChr.SL 11,1079,11): „Evulsum enim de diaboli gula per fidem iam et per virtutem inculcatorem eius voluit efficere, ne solummodo evasisset, verum etiam evicisset inimicum. Amavit, qui vocaverat in salutem, invitare et ad gloriam, ut qui gaudeamus liberati, exultemus etiam coronati." 561 Zur Gestalt dieses Lohnes vgl. ausführlich Kap. 4.5.1. 562

Scorp. 12,9 (CChr.SL II, 1093,22f).

D i e Exklusivität des Martyriums

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dieser erscheinen zwar vorrangig, aber wohl nicht ausschließlich die Blutzeugen als „Sieger"; neben ihnen stehen auch andere standhafte Gläubige als Empfanger der Verheißungen.563 Ein stärker diese Auffassung entsprechendes Verständnis der in den „Siegersprüchen" verheißenen Belohnungen findet sich in Tertullians „De fuga in persecutione", wo er zumindest andeutet, daß sie nicht ausschließlich den Märtyrern zukämen. Dort heißt es, daß Gott durch diese Belohnungen zum Sieg in dem von ihm proklamierten „Wettkampf ' einlade, und zwar „am allermeisten" (vel maxime) diejenigen, die speziell in der Verfolgung siegten.564 Die Formulierung „am allermeisten" weist daraufhin, daß es daneben auch noch andere Empfänger der Verheißungen geben könne; aber im eigentlichen Sinne sind auch hier nur diejenigen, die in der Verfolgung bestehen, die „Sieger". Während Tertullian aber in „De fuga" keine weiteren Ausführungen zu dem Inhalt der ihnen gebührenden Verheißungen bietet, hat er diese in „Scorpiace" detailliert aufgelistet und damit plastisch den singulären Lohn der Märtyrerinnen und Märtyrer ausgemalt. Danach wird diesen exklusiv die Teilhabe an der Herrschafts- und Richterfunktion Christi und die Erlangung des ewigen Lebens zugesprochen; nur sie erhalten das „weiße Gewand" als Zeichen der Reinheit und Sündlosigkeit und werden zu der „Menge der Weißgekleideten" gehören.565 Diese Auffassung hängt unmittelbar mit seiner Auffassung von der exklusiven Sündenvergebungsfunktion des Martyriums zusammen: Nur durch dieses allein werden die „Flecken" auf dem „Gewand" der Christinnen und Christen, mit dem sie sich in der Taufe Christus vermählt haben, vollständig geweißt.566 Auch mit der Ausschließlichkeit in der Zuweisung des „weißen Gewandes" an die Märtyrer weicht Tertullian von ihm bekannten Tradi-

563

Diese durch Apk 3,4f; 3,10f.20 gestützte Auffassung ist allerdings in der Forschung um-

stritten. Zur Diskussion dieser Frage sowie zu Literatur-Belegen fur beide Auffassungen vgl. Reddish, Theme, 137f, der sich selbst fur ein exklusives Verständnis der „Überwinder" im Sinne von „Märtyrer" ausspricht (Reddish, Theme, 148f). Anders äußert sich hingegen Baumeister, Anfänge, 214: „Die Verknüpfung der Verheißungen mit den an alle gerichteten Ermahnungen (in den Sendschreiben) und die Tatsache, daß sich die Siegersprüche in allen sieben Sendschreiben finden, zeigen, daß sie sich nicht auf einige wenige, etwa die Märtyrer, sondern auf die Gesamtheit der Christen beziehen." Ebenso sehen auch Roloff, Offenbarung, 50f, und Müller, Offenbarung, 94, den Kreis der „Überwinder" im Verständnis der „Offenbarung" keinesfalls auf die Märtyrer eingeschränkt, „wenn auch allerdings in ihrem Weg das Wesen solchen Überwindens am klarsten zum Ausdruck kommt." 564

De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,37-39): „Legis edictum agonis istius in Apocalypsi, quibus

praemiis ad victoriam invitet, vel maxime illos, qui proprie vicerint in persecutione ...". 565

Scorp. 12,10 (CChr.SL Π, 1093,1-3): „Nam et rursus innumera multitudo albati et palmis

victoriae insignes revelantur, scilicet de Antichristo triumphantes ...". 566

Vgl. Kap. 4.5.2, Anm. 525.

224

Die Exklusivität des Martyriums

tionen wie der Johannes-Apokalypse und dem „Hirten des Hermas" ab567 und radikalisiert sie in Richtung auf ein elitäres Martyriumsethos, in dem die Märtyrer und die übrigen Gläubigen nicht nur durch die Erwartung verschiedener „himmlischer Ehrenränge", sondern eines „unterschiedlichen Heilsbesitzes" voneinander geschieden sind.568 So ist für ihn völlige Sicherheit des persönlichen Heils ausschließlich auf dem Wege des Martyriums zu erlangen; dem „Heil" (salus) aller Getauften steht das „sichere Heil" (certa salus) der Blutzeugen gegenüber. Insofern kann nach Tertullian auch die Frage, ob Gott das Blut des Menschen, d.h. das Martyrium, verlange, bejaht werden: Wer sich seines Heil vollkommen sicher sein wolle, müsse dafür sein Blut vergießen.569 Unterstrichen wird diese Ausschließlichkeit zuletzt auch durch die von Tertullian in diesem Traktat vertretene Auslegung von Mt 16,18, nach der der Schlüssel, der einem Christen den Himmel öffne, sein „Bekennen" (confiteri) sei.570 Der Kontext legt es nahe, daß mit dem

567

Nach Apk 3,4 gebührt allen treuen Christen unabhängig von einem Märtyrertod ein „weißes Kleid". Ebenso spricht der „Hirte des Hermas" allen Gerechten das „weiße Kleid" zu (Herrn., Sim. VIII, 2,1-4), wodurch nach Baumeister, Anfänge, 245f, der den Märtyrern und den anderen treuen Gläubigen „gleiche Heilsbesitz" symbolisiert ist. Eine ähnliche Annäherung zwischen dem Los der Märtyrer und dem der anderen Christen zeigt sich in Vis. III, 2. Norbert Brox, Der Hirt des Hermas. Übersetzt und erklärt, Göttingen 1991, 116, stellt in bezug auf diese Stelle heraus, daß der „Hirte des Hermas" hier „ausdrücklich eine Identität von Heil („Gaben") und Hoffnung („Verheißungen") fur Märtyrer und alle (sündenfreien) Christen" konstatiere, die „Blutzeugen aber nach Rang und Ehrenstellung („doxa")" abhebe. „Es gibt also relative Unterschiede der Erlösten, nicht der Erlösung." Daß Tertullian den „Hirten" kannte, zeigt sich in De or. 16,If (CChr.SL I, 266,3-8); De pud. 10,13 (CChr.SL Π, 1301,54f), so daß seine Haltung möglicherweise als bewußte Abgrenzung gedeutet werden kann, zumal er die Schrift in „De pudicitia" deutlich abwertet als die einzige, „quae moechos amat", und ihre Nichtakzeptanz auch bei den Katholiken betont („... ab omni concilio ecclesiarum, etiam vestrarum, inter apocrypha et falsa iudicaretur ..."). Dem steht allerdings die breite Wirkung des „Hirten" in der Alten Kirche gegenüber, so daß Micaelli, La Pudicité, in bezug auf diese Formulierung von „une exagération polémique" spricht. Möglicherweise will Tertullian aber auch auf die Nichtaufnahme in den bisherigen Kanon hinweisen. 568 Für diese Begriffe vgl. Baumeister, Anfänge, 254f, der sie zur Kennzeichnung der gegenläufig ausgerichteten Haltung des „Hirten des Hermas" verwendet. Zu dieser Tendenz des „Hirten" vgl. Anm. 567. 569 Scorp. 6,11 (CChr.SL II, 1081,19-21): „Sanguinem hominis deus concupiscit? et tarnen ausim dicere, si et homo regnum dei, si et homo certam salutem, si et homo secundam regenerationem." Droge/Tabor, Death, 144, betonen den Unterschied dieser Konzeption zu derjenigen des Clemens von Alexandrien: Für Clemens sei das Martyrium „one of several means of salvation", fur Tertullian hingegen „the only sure way of escape" (Hervorhebung der Autoren); ähnlich Gramaglia, Ai martiri, 133, dem zufolge das Martyrium für Tertullian „l'unico modo sicuro per raggiungere Dio" darstelle. 570 Scorp. 10,8 (CChr.SL II, 1088,24-26): „Nam etsi adhuc clausum putas caelum, memento claves eius hic dominum Petro et per eum ecclesiae reliquisse, quas hic unusquisque interrogatus atque confessus feret secum."

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Begriff „confiteri" hier Leiden und Tod mitgemeint sind; diese ermöglichten also allein den Zugang zum Himmel. Daß diese Folgerung auch für die Folgezeit zutreffend ist, zeigt sich an den Stellen, wo Tertullian von dem Aufenthaltsort der Märtyrerinnen und Märtyrer nach ihrem Tod spricht und diesen unmittelbar dem Bestimmungsort der übrigen Gläubigen gegenüberstellt. Während letztere, unabhängig von ihrer Sittlichkeit zu Lebzeiten, erst einmal in die Unterwelt gelangten571, gehen die Märtyrer nach „De resurrectione carnis" sogleich in das Paradies ein; ihnen allein gebühre der „Vorzug" (praestantia)572 des sofortigen Gelangens zu Christus.573 Dieser Vorrang der Märtyrer in bezug auf ihren postmortalen Aufenthaltsort wird von Tertullian ebenfalls in „De anima" hervorgehoben: Wie Johannes in seiner Offenbarung des Paradieses574, so habe auch die Märtyrerin Perpetua in ihrer Vision des Paradieses ausschließlich Märtyrer gesehen575, denn nur denjenigen sei der Zugang dorthin

571 Vgl. Hill, Regnum, 27: „No degree of holiness or piety will suffice; virgins and infants, whose condition of life was ,pure' and , innocent', know no higher abode than the good section of Hades." Innerhalb der Unterwelt gibt es nach der Darstellung Tertullians in „De anima" unterschiedliche Regionen, die den Seelen der Gläubigen je nach ihren diesseitigen Verdiensten als Aufenthaltsort bis zum Gerichtstag zugewiesen würden und in der sie das Gericht in Gestalt von Strafe oder Lohn vorwegnähmen: „Igitur si quid tormenti sive solacii anima praecerpit in carcere seu diversorio inferum, in igni vel in sinu Abrahae ..." (De an. 7,4; CChr.SL II, 790,18-20). Zu diesem Verständnis des Unterweltsaufenthaltes als Vorwegnahme des endgültigen Schicksals der Seelen sowie grundsätzlich zu Tertullians Auffassung von der Unterwelt vgl. Kap. 4.5.1, Anm. 462. 572

De res.cam. 43,4 (CChr.SL II, 978,12). De res.carn. 43,4 (CChr.SL II, 978,12-979,14): „nemo enim peregrinatus a corpore statim immoratur penes dominum, nisi ex martyrii praerogativa, paradiso scilicet, non inferís, deversurus." 574 Tertullian identifiziert hier das Paradies mit dem Ort unter dem Altar, an dem die Märtyrer nach Apk 6,9f auf ihrer Vergeltung warten: „Et quomodo Iohanni in spiritu paradisi regio revelata, qua subicitur altari, nullas alias animas apud se praeter martyrum ostendit?" (De an. 55,4; CChr.SL Π, 862,29-31) Nach Campenhausen, Idee, 125, Anm. 8, bilden Apk 6,9; 20,4 die biblischen Ausgangspunkte für die Vorstellung eines besonderen himmlischen Aufenthaltsortes der Märtyrer. 573

575

De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32f): „Quomodo Perpetua, fortissima martyr, sub die passionis in revelatione paradisi solos illic martyras vidit...". Tertullian schreibt hier wahrscheinlich die Vision des Saturus der Perpetua zu. Vgl. Habermehl, Passio, 246, Anm. 20; Robeck, Role, 218223. Das „solos" ist von ihm in den entsprechenden Zusammenhang Pass.Perp.13,8 („... multos fratres sed et martyras...") eingefügt worden. Umstritten ist in der Forschung, inwieweit seine Ergänzung sachlich der Passio Perpetuae entspricht. Nach Frend, Martyrdom, 365, entsprechen sich Tertullians Interpretation und die Intention der Passio. Weinrich, Spirit, 224, sieht hingegen in der tertullianischen Übernahme der Vision ein Mißverständnis der Passio und weist auf Grund dieser Einschätzung auch die Autorschaft Tertullians für Pro- und Epilog der Passio ab. Die Formulierung „multos fratres sed et martyras" spricht eher dafür, daß Saturus die gerechten Gläubigen und unter ihnen auch die Märtyrer erblickt hat, die Vision von Tertullian also einer martyrologischen Radikalisierung unterzogen worden ist. Diese Frage ist aber insofern letztlich schwer zu klären, da sich in der Passio keine expliziten Hinweise auf die postmortale Destination der Nichtmärtyrer finden.

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gestattet576, „qui in Christo decesserint, non in Adam"."7 Der Kontext, in dem es Tertullian um den Erweis der für alle Christen mit Ausnahme der Märtyrer geltenden Hadesdestination geht, weist daraufhin, daß mit denjenigen, die „in Christus sterben" hier nur die Märtyrerinnen und Märtyrer gemeint sind.578 Bis zur Wiederkunft Christi sei so der einzige Weg in das Paradies das Martyrium: „Tota paradisi clavis tuus sanguis est."579 Alle anderen Christen hingegen müßten bis zum Tag des Herrn, an dem erst der Himmel offenstehe580, in der Unterwelt bleiben.581 In bezug auf Christologie und Soteriologie ergeben sich aus der exklusiven Paradiesdestination der Märtyrer zwei Folgerungen: Zum einen werden die Märtyrer dem postmortalen Schicksal entnommen, das selbst Christus fur drei Tage erleiden mußte - dem Hadesinterim.582 Damit sind die Blutzeugen letztlich genau das, was Tertullian in bezug auf die anderen Gläubigen ironisch ablehnt: „servi super

576 Die grundsätzliche Verschlossenheit des Paradieses drückt Tertullian mit dem Bild der „romphaea paradisi ianitrix" aus (De an. 55,4; CChr.SL II, 863,34); er spielt damit auf Gen 3,24 an. 577 De an. 55,4 (CChr.SL II, 863,34f). 578 Nach Teeuwen, Bedeutungswandel, 52, meint „in Christo decedere" hingegen das Sterben der Christen im Gegensatz zu demjenigen der Heiden; dies entspräche zwar dem neutestamentlichen ,,έν Χ ρ ι σ τ ώ ά π ό λ λ υ μ ι " (vgl. z.B. l.Kor 15,18), paßt aber nicht in den Argumentationszusammenhang. Tertullian will in De an. 55 zeigen, daß alle Christen genauso wie die Heiden nach ihrem Tod zuerst in die Unterwelt gelangen. Die einzige Ausnahme bildeten lediglich die Märtyrer, die von Johannes und Perpetua in Visionen im Paradies gesehen worden seien; da diejenigen, vor denen sich nach Tertullians Auffassung allein die Tür des Paradieses öffne, von ihm als die bezeichnet werden, „qui in Christo decesserint", muß mit dieser Formel der Tod durch das Martyrium gemeint sein, dem mit „in Adam" der natürliche Tod gegenübergestellt wird. In diesem Sinne verstehen auch Hellmanns, Wertschätzung, 52, sowie F. Kattenbusch, Der Märtyrertitel, in: ZNW 4 (1903), 117, Anm. 1, die genannte Stelle: „Er (sc. Tertullian) geht soweit, daß er nur die Märtyrer als solche ansehen will, qui in Christo decesserint, non in Adam." Zur Interpretation dieser Stelle vgl. weiter Kap. 4.5.1, Anm. 445. 579 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,40). Daß das Martyrium der einzige Weg in das Paradies sei, drückt indirekt auch Scorp. 12,1 (CChr.SL II, 1092,1 Of) aus: „... (Paulum), quem paradisi quoque conpotem fecit (sc. Christus) ante martyrium." Hieronymus hat die Aussage Tertullians von dem Blut der Märtyrer als „paradisi clavis" auf das Leiden Christi übertragen: „Sanguis Christi clavis paradisi est." (ep. 129,2,1; CSEL LVI, 165,4) Vgl. Hom.in Luc. 16,19-31 (CChr.SL LXXVIII, 515,296f): „Crux Christi clavis paradisi est. Crux Christi aperuit paradisum." Hieronymus will damit die grundsätzliche Verschlossenheit des Paradieses bis zur Passion Christi ausdrücken; gegenwärtig gelangen aber auch bei ihm nur die Märtyrer gleich in das Paradies: „Si martyrium fecerimus, statim in paradisum; si paupertatis poenam sustinuerimus, statim in sinum Abrahae." (Hom.in Luc. 16,19-31; CChr.SL LXXVIII, 516,304-306) 580 De an. 55,3 (CChr.SL II, 862,23-25): „Nulli patet caelum terra adhuc salua, ne dixerim clausa. Cum transazione enim mundi reserabuntur regna caelorum." 581 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,40-42): „Habes etiam de paradiso a nobis libellum, quo constituimus omnem animam apud inferos sequestrari in diem domini." 582 Vgl. Anm. 446.

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dominum et discipuli super magistrum".583 Zum anderen zeigt sich, daß das Blut der Märtyrer selbst vonnöten ist, um in das Paradies zu gelangen, das von Christus ein für allemal vergossene Blut hingegen nicht ausreichend ist, den Gläubigen diesen Aufenthaltsort nach dem Tod zu eröffnen. Hierin zeigt sich eine Einschränkung der soteriologischen Bedeutung des Todes Christi, die sich in Tertullians Martyrologie auch schon anderweitig angedeutet hat.584 Explizit hat Tertullian die Unterscheidung zwischen der Paradiesdestination der Märtyrer und dem Verweilen der übrigen Gläubigen in der Unterwelt nur in den montanistischen Schriften „De resurrectione carnis" und „De anima" herausgestellt.585 Da der Traktat „Scorpiace", in dem er in nachdrücklichster Weise einen Märtyrervorrang herausstellt, aber noch vormontanistisch ist, kann die Vorstellung eines auf der Betonung des Märtyrervorranges basierenden Unterschiedes in der postmortalen Existenz durchaus schon für seine spätere katholische Zeit vorausgesetzt werden. Weder die Herausstellung des besonderen himmlischen Ruhmes der Blutzeugen noch die damit unmittelbar zusammenhängende Erwartung eines gegenüber den übrigen Gläubigen privilegierten Aufenthaltsortes nach dem Tod können somit als spezifisch montanistische Vorstellungen betrachtet werden.586 Daß Tertullian allerdings zumindest zu Beginn seines Wirkens wohl eher von einer Gleichheit der postmortalen Bestimmung der Gläubigen ausgegangen ist, wird durch die Stellen aus katholischen Schriften nahegelegt, in denen er im Anschluß an Phil 1,23 von einem unmittelbar nach dem Tod erfolgenden Gelangen

583

De an. 55,2 (CChr.SL II, 862,140-

584

Vgl. Kap. 4.5.2, Anm. 530.

585 So spricht Campenhausen, Idee, 127, Anm. 8, denn auch in bezug auf diese Vorstellung von der Übernahme einer „montanistischen Sonderlehre" seitens Tertullians. Stuiber, Refrigerium Interim, 78f, lehnt dies unter Verweis auf die bereits bei Irenaus vorgeformten Elemente dieser Anschauung ab (vgl. Iren., Adv.haer. IV, 33,9 mit V, 31,2). Hill, Regnum, 15f, hat hingegen die Differenz zwischen Irenäus und Tertullian betont; in seiner einzigen ausfuhrlichen Beschäftigung mit der Frage des Zwischenzustandes (Adv.haer. V, 31 f) mache ersterer keine Ausnahmen von der allgemeinen „lex mortuorum", die für alle Seelen das Gelangen in die Unterwelt vorsehe - „until reunited with their flesh before ascending therefrom". 586 Gegen Campenhausen, Idee, 125-127, mit Anm. 8 (vgl. Anm. 585), sowie gegen die von Stuiber, Refrigerium Interim, 78, vertretene Auffassung, daß Tertullian den Vorrang der Märtyrer in bezug auf das durch ihr Leiden erlangte Verdienst und ihren von Gott zugesprochenen Lohn erst in seiner montanistischen Zeit explizit herausgestellt und zur eindringlichen Ermahnung zum Martyrium verwendet habe.

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auch anderer Christinnen und Christen zum Herrn spricht.587 Eine dieser Belegstellen findet sich in „De patientia", so daß in dieser Schrift die Erwartung, daß die Märtyrer zu dem „Sitz Gottes" gelangten, neben dem für alle Christen vorausgesetzten Wunsch, nach dem Tod zum Herrn zu gelangen, steht.588 Zeitlich noch davor anzusetzen, geht Tertullian vermutlich auch im „Apologeticum" von einer Paradiesbestimmung aller Gläubigen aus.589 Damit verheißt Tertullian denn in seiner frühen Schrift „Ad martyras" den Märtyrerinnen und Märtyrern nichts anderes, als zur selben Zeit oder kurze Zeit später in anderen Kontexten auch den

587

De pat. 9,5 (CChr.SL I, 309,18-310,21); De spect. 28,5 (CChr.SL I, 251,15-17); Ad ux. 1,5,1 (CChr.SL I, 378,5f)· Andererseits spricht er auch noch in „De exhortatione castitatis", d.h. ungefähr in dem Zeitraum, in dem „De anima" und „De resurrectione carnis" mit ihrer klaren Entgegensetzung zwischen dem Los der Märtyrer und demjenigen der übrigen Gläubigen entstanden („De exhortatione castitatis" wird zumeist in die Zeit zwischen 208 und 212 datiert. Vgl. Braun, Deus Christianorum, 573; Barnes, Tertullian, 55, datiert auf 208/9; daneben finden sich aber auch Zuweisungen in die Zeit vorher (etwa 204-206/7). Vgl. Braun, Deus Christianorum, 573f), von einer Nichtmärtyrerin, daß sie nach ihrem Tod „beim Herrn aufgenommen sei" (De exhort.cast. 11,1; CChr.SL Π, 1031,7: „recepta apud dominum"). In De mon. 7,9 (CChr.SL II, 1239,65f), d.h. zeitlich sogar noch nach „De anima" und „De camis resurrectione" anzusetzen (vgl. Braun, Deus Christianorum, 576), spricht Tertullian darüberhinaus von dem „Leben" der Toten „in Christo". Nach Finé, Terminologie, 198f, spielt die Vorstellung einer unmittelbaren Aufnahme der verstorbenen Christen „apud dominum" bei Tertullian insgesamt keine bedeutende Rolle; wo er sie aufnehme, sei sie durchgängig einer „ganz anders ausgerichteten Polemik untergeordnet." So geht es in De mon. 7,8f um die Frage, ob Christen, die „sacerdotes a Christo vocati" seien, an einem Begräbnis teilnehmen könnten, da nach Lev 21,11 j a allen Priestern der Umgang mit Toten untersagt sei. Nach Tertullian ist diese Vorschrift deshalb für Christen nicht gültig, da es ja keine „Toten" seien, die sie begrüben, „quia et illi vivunt in Christo" (De mon. 7,9; CChr.SL II, 1239,65f). Der Hinweis auf das „Leben" der Toten in bzw. bei Christus bildet hier also die Voraussetzung dafür, daß die genannte Vorschrift als nicht zutreffend abgelehnt werden kann. Finé, Terminologie, 198, bietet allerdings eine unzutreffende Deutung des Zusammenhangs: Es gehe hier um die „Rechtfertigung des christlichen Begräbnisses durch den Priester." Vielmehr betont Tertullian in diesem Zusammenhang den priesterlichen Stand aller Gläubigen, um mit diesem Argument alle Christen zur Monogamie verpflichten zu können (De mon. 7,9; CChr.SL II, 1239,66f). 588

De pat. 9,5 (CChr.SL I, 309,18-310,19): „Cupio, inquit apostolus, recipi iam et esse cum domino. Quanto melius ostendit votum!"; De pat. 13,7 (CChr.SL I, 314,25-27): „Cum vero producitur ad experimentum felicitatis,... ad ipsum divinae sedis ascensum, nulla plus illic quam patientia corporis". 589

Apol. 47,13 (CChr.SL I, 165,56-58): „Et si paradisum nominemus, locum divinae amoenitatis recipiendis sanctorum spiritibus destinatum ...". In bezug auf diese Stelle ist es allerdings nicht eindeutig, ob Tertullian mit „sancti" in erster Linie die Märtyrer meint oder alle Christen. Habermehl, Passio, 42, Anm. 23, deutet diese Stelle im Sinne einer Paradies-Destination für alle Christen; ebenso Waszink, De anima, 554. Möglicherweise wäre es in einer apologetischen, an die Heiden gerichteten Schrift auch nicht sinnvoll gewesen, von einer Differenz in der himmlischen Bestimmung zwischen Märtyrern und Nichtmärtyrern zu sprechen.

Die Exklusivität des Martyriums

229

übrigen Gläubigen in Aussicht gestellt wird: Das Gelangen zum Herrn.590 Das hierin deutlich werdende Desinteresse Tertullians an einer deutlichen Abhebung des Märtyrerruhms von demjenigen der übrigen Gläubigen zu Beginn seines Wirkens zeigt sich darüberhinaus daran, daß auch die den Märtyrern verheißene Partizipation am Gericht über die Heiden5" in selbstverständlicher, wenn auch beiläufiger Weise ebenso fur alle Gläubigen vorausgesetzt wird.592 Auch das den Märtyrern in „Ad martyras" verheißene „brabium angelicae substantiae"593 wird insofern in seiner Besonderheit relativiert, als die Verähnlichung mit Engeln auch den anderen Gläubigen für den Tag der Auferstehung in Aussicht gestellt wird.594 Obwohl Tertullian also eine Unterscheidung zwischen dem Lohn und der postmortalen Destination der Märtyrerinnen und Märtyrer sowie der anderen Gläubigen zu Beginn seines Wirkens nicht explizit herausgestellt hat, finden sich andererseits aber auch erste Andeutungen darauf, daß der Gedanke eines Märtyrerlohnes sui generis ihm schon zu dieser Zeit nicht gänzlich fern liegt. So bietet sich mit der bereits erwähnten Formulierung „aqua vocati sanguine electi"595 auch innerhalb einer frühen Schrift Tertullians bereits ein Hinweis auf eine Überlegenheit der Wirkung des Martyriums über diejenige der Taufe und damit auf eine Abhebung des himmlischen Ruhmes der Blutzeugen von demjenigen der übrigen

590 Ad mart. 1,3 (CChr.SL I, 3,16): „... ita vos inde perducat (spiritus sanctus) ad dominum." Alle Schriften, in denen diese Erwartung prinzipiell für die Gläubigen angedeutet ist (De spect., De pat., Ad ux. ), werden zumeist in die Zeit zwischen 200 und 203/4 datiert (vgl. Braun, Deus Christianorum, 569-571), insbesondere für „De spectaculis" wird nicht selten sogar noch eine frühere Datierung auf 196/7 vorgeschlagen (vgl. z.B. Barnes, Tertullian, 55, aber auch die bei Braun, Deus Christianorum, 569, aufgelisteten Vorschläge). Während hier deutlich wird, daß Tertullian zur Zeit von „Ad martyras" keinen deutlichen Unterschied zwischen der Erwartung der Märtyrer und derjenigen der übrigen Christen macht, geht Moreschini, Aspetti, 57, unzutreffend von einer Übereinstimmung der Auffassungen Tertullians in „Ad martyras" und „De resurrectione carnis" aus: „ ... la concezione ... è la medesima: solo il martire ha il diritto di essere accolto in paradiso e di non trascorrere un periodo di tempo più on meno lungo negli inferi." 591 Ad mart. 2,4 (CChr.SL I, 4,14): „Iudex exspectatur, sed vos estis de iudicibus ipsis iudicaturi." 592 So heißt es in Ad ux. 11,6,1 (CChr.SL 1, 390,7-9) in bezug auf eine Frau, die mit einem Heiden verheiratet ist: „Et non hinc praeiudicium damnationis suae agnoscet, eos observans quos erat iudicatura?" 593

Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,25). So wird in De cult.fem. I, 2,5 (CChr.SL I, 346,43f) den Frauen die „substantia angelica" verheißen, in Ad ux. I, 1,5 (CChr.SL I, 374,25f) allen Gläubigen die „translati(o) in angelicam qualitatem et sanctitatem". Nach Ad ux. I, 4,4 (CChr.SL I, 377,25f) werden die Unverheirateten sogar schon auf Erden der „Familie der Engel" beigezählt („... ac iam in terris non nubendo de familia angelica deputantur.") 595 De bapt. 16,2 (CChr.SL I, 290,6). Zu dieser Stelle vgl. Kap. 4.5.2. 594

Die Exklusivität des Martyriums

230

Gläubigen. Im Blick auf seine Verwendung zentraler Begriffe für den himmlischen Ruhm zeigt sich zudem, daß er einzelne Termini auch schon in seinen frühen Schriften nahezu ausschließlich zur Beschreibung der besonderen Würde des Martyriums und des Ruhmes der Märtyrer verwendet. So wird der wesentliche Terminus für den Ruhm bei Gott, „gloria", von ihm exklusiv auf den durch ein Martyrium zu erlangenden Ruhm bezogen596; nur den Märtyrerinnen und Märtyrern wird ein ewiger Ruhm bei Gott in Aussicht gestellt.597 Ebenso werden die aus dem agonistischen Bereich übertragenen Bilder der von Gott zum Zeichen des Sieges verliehenen „palma" sowie der „corona" fast ausschließlich auf den im Martyrium erlangten Sieg bezogen598; lediglich an zwei Stellen aus frühen katholi-

596

Vgl. Vermeulen, Gloria, 62f. Tertullian verwendet „gloria" vorwiegend in drei Bedeutungen: 1) Im Sinne der von den Heiden angestrebten und von ihm abgewerteten „gloria saecularis" (De cult.fem. I, 8,6; CChr.SL I, 351,28): Vgl. z.B. Apol. 39,16 (CChr.SL I, 152,76); Apol. 46,7 (CChr.SL I, 161,37); Apol. 47,3 (CChr.SL I, 163,11); De cult.fem. I, 2,4 (CChr.SL I, 345,35f); De cultfem. II, 3,2 (CChr.SL I, 356,14f); De cor. 13,7 (CChr.SL II, 1062,49). 2) Für den Ruhm Christi : Vgl. z.B. Scorp. 12,1 (CChr.SL II, 1092,9); Adv.Marc. ΠΙ, 7,5 (CChr.SL I, 517,13); Adv.Marc. IV, 7,13 (CChr.SL I, 556,9); De cor. 14,4 (CChr.SL Π, 1064,30); De mon. 8,7 (CChr.SL II, 1240,51). 3) Für den von den Gläubigen zu erlangenden Ruhm bei Gott; hier findet sich durchgängig der Bezug auf das Martyrium als Weg zur Erlangung dieses Ruhms: Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,26); Apol. 50,2 (CChr.SL I, 169,10); Apol. 50,4 (CChr.SL I, 169,20); Scorp. 6,2 (CChr.SL II; 1079,10); Scorp. 12,2 (CChr.SL II, 1092,13); Scorp. 12,3 (CChr.SL II, 1092,23); Scorp. 12,9 (CChr.SL II; 1093,29); Scorp. 13,4 (CChr.SL II, 1094,4); Ad Scap. 5,1 (CChr.SL II, 1131,1). 597

Ad mart. 3,3 (CChr.SL I, 5,25): „gloria in saecula saeculorum". Vgl. Apol. 50,2 (CChr.SL I, 7,21): „gloria placendi dei". 598 Die Verwendung von „palma" als Siegespreis für den Märtyrertod findet sich z.B. in De spect. 29,3 (CChr.SL I, 251,16): „... ad martyrii palmas gloriare", ebenso in Scorp. 6,6 (CChr.SL II, 1080,9). Der Begriff „corona" wird von Tertullian in zweifacher Weise gebraucht. Zum einen bezeichnet er konkret die im heidnischen Rahmen, z.B. bei Wettkämpfen und Beerdigungen benutzten „coronae", deren Gebrauch für Christen grundsätzlich unerlaubt sei (vgl. De cor. 13,7; CChr.SL II, 1062,44-46). In diesem herkömmlichen Sinn erscheint erscheint „corona" z.B. in Apol. 42,6 (CChr.SL I, 157,21f); De mon. 17,3 (CChr.SL II, 1252,15); De pali. 4,3 (CChr.SL II, 743,44) und durchgängig in „De idololatria" und „De spectaculis". Daneben findet sich die Übertragung auf den den Christen von Gott verliehenen Siegespreis, den Tertullian ausschließlich auf das Martyrium bezieht: Ad mart. 3,3 (CChr.SL 1,24f); Scorp. 12,6 (CChr.SL II, 1093,12); Scorp. 13,10 (CChr.SL II, 1095,20-22); Adv.Marc. IV, 39,8 (CChr.SL I, 652,19f); De cor. 15,1 (CChr.SL II, 1064,lf); De fuga 1,5 (CChr.SL II, 1136,36). In Scorp. 12,6; De cor. 15,1 taucht „corona" innerhalb eines Zitates von Apk 2,10 auf, in Scorp. 13,10 greift Tertullian 2.Tim.4,6-8 auf. In der letztgenannten Stelle wird „corona" durch „scilicet passionis" erläutert und dadurch exklusiv als Siegespreis fur das Martyrium qualifiziert. Ein ähnlicher Sprachgebrauch zeigt sich hinsichtlich des Verbs „coronare": Zum einen verwendet Tertullian es für den heidnischen Brauch der Bekränzung (vgl. De spect.23,2; CChr.SL II, 247,6), zum anderen für die „Krönung" der Gläubigen durch Martyrien (De praescr.haer. 29,3; CChr.SL I, 209,7-210,8; De praescr.haer. 36,3; CChr.SL I, 216,1 lf; De cult.fem. 11,3,3; CChr.SL I, 357,23; vgl. De an. 45,4; CChr.SL II, 850,23). Daneben bezieht er „coronare" mehrfach auf die „Krönung" Christi seitens des Vaters (vgl. Adv.Prax. 16,5; CChr.SL II, 1181,37; Adv.Marc. III, 7,5; CChr.SL I, 517,13).

Die Exklusivität des Martyriums

231

sehen Schriften taucht der Gedanke einer „Krönung" der Gläubigen auf Grund anderweitig erlangter Verdienste auf.599 Die ausdrückliche Differenzierung zwischen dem himmlischen Ruhm der Märtyrer und demjenigen der Nichtmärtyrer in „Scorpiace", „De resurrectione carnis", „De anima" und „De pudicitia" ist so zum Teil als Bruch mit vorherigen Auffassungen, insbesondere derjenigen von der Gleichheit der postmortalen Destination aller Gläubigen, zum Teil aber auch als Radikalisierung und Explizierung bereits angelegter Vorstellungen zu verstehen. Für diese Veränderung gibt es im wesentlichen zwei Motive: Zum einen ist Tertullians radikal antignostische Haltung zu nennen, aus der die polemische Betonung der Gottgewolltheit des christlichen Martyriums resultiert; die Herausstellung der Singularität seines Lohnes stellt dabei quasi die „Rückseite" der Betonung von Notwendigkeit und Pflichtmäßigkeit des Martyriums dar. Zum anderen ist es seine auf Reinheit und Heiligkeit der empirischen christlichen Gemeinschaft ausgerichtete Ekklesiologie 600 , der zufolge sich die „sanetitas" der Kirche durch die persönliche Heiligkeit ihrer Glieder konstituiert601, die zu einer Einschärfung

599 In De spect. 29,5 (CChr.SL I, 252,21-24) bezieht Tertullian „coronare" im Zusammenhang der Vorstellung eines täglich auszufechtenden „Kampfes" der Christen auch auf andere Formen christlicher Sittlichkeit: „Aspice impudicitiam deiectam a castitate, perfidiam caesam a fide, saevitiam a misericordia contusam, petulantiam a modestia adumbratam, et tales sunt apud nos agones, in quibus ipsi coronamur." In Ad ux. I, 8,3 (CChr.SL I, 382,15) behauptet er in bezug auf eine Witwe: „... in ista virtus coronatur." 600

Vgl. Rankin, Church, 75f.83-86, der auf die von Tertullian verwendeten Bilder von der Kirche als „virgo" und „sponsa" hinweist, die die „Reinheit" und „Heiligkeit" der Kirche symbolisierten, sowie auf seine Vorstellung des in der Kirche verkörperten Christus (De paen. 10,6; CChr.SL I, 337,20f) bzw. der Trinität (vgl. De bapt. 6,2; CChr.SL I, 282,12-14; De pud. 21,16; CChr.SL II; 1328,71-74): „The church - as a ,body of t h r e e ' - is witness to the reality of the involvement of the triune God in the World... From such a high ecclesiologi cal view comes, in part then, Tertullian's emphasis on the necessary unity, holiness and apostolicity of the authentic church... A church which is the true Body of Christ must become now what it is to be in the future and in promise; this leaves no room for sin or other taint of impurity in the present." Zur Heiligkeit der Kirche bei Tertullian vgl. auch Erich Altendorf, Einheit und Heiligkeit der Kirche - Untersuchungen zur Entwicklung des altchristlichen Kirchenbegriffs im Abendland von Tertullian bis zu den antidonatistischen Schriften Augustins, Berlin/Leipzig 1932, 20, dem zufolge die Kirche fur diesen „die zum himmlischen Heil bestimmte heilige Gemeinde der vom heiligen Geist erfüllten heiligen Glieder Christi" ist. Das Wesen der Kirche bestehe darin, daß sie Geist, Christus sei; „von ihr als Geisteskirche wird vorausgesetzt, daß sie vera, pudica, sancta ist (De pud. 1,8)...". Die Heiligkeit der Kirche ist von Tertullian durchgängig betont worden. Vgl. Rankin, Church, 94: „For Tertullian both Catholic and New Prophet - the church was ever to be regarded as ,holy' and maintained free from .contamination 1 by the unworthy." 601 Nach Altendorf, Einheit, 20, haftet Tertullians Kirchenbegriff „an Personen, nicht an Institutionen oder Nonnen", d.h. er bestimmt sich durch die „Idee der Gemeinschaft, der Gemeinde, nicht die der Gnadenanstalt, der objektiv bestehenden Institution". (Altendorf, Einheit, 24) So konstituieren die einzelnen Christen durch ihre „Heiligkeit" die „sancta ecclesia". Vgl. auch

Die Exklusivität des Martyriums

232

der Forderung nach individueller Heiligung und - in seiner montanistischen Zeit - zu einer Ablehnung der Möglichkeit zur Vergebung schwerer Sünden durch die Buße fuhrt.602 Die Gewährleistung vollkommener Reinheit und Sündlosigkeit und damit der Sicherheit des persönlichen Heils ausschließlich durch das Martyrium stellt die notwendige Konsequenz aus dieser Konzeption dar. Der Glaubenstod bildet danach das einzige Mittel zur völligen Sicherung des Heils, zur „certa salus".603 Wer in den „Besitz" der vollkommenen Heilssicherheit und der Vergebung der postbaptismalen Sünden gelangen will, dem hat Gott nach Tertullian das Martyrium als ausschließlichen Weg vor Augen geführt, ebenso erspart dieses allein den postmortalen Unterweltsaufenthalt. Für diese, in den späteren Schriften „Scorpiace", „De resurrectione carnis", „De anima" und „De pudicitia" zutagetretende Position ist somit die Charakterisierung als „martyr élitist view" treffend.604 Auf die Konsequenzen dieser Auffassung für die Soteriologie wurde bereits hingewiesen603: Die Heilsbedeutung des Todes Christi erscheint zur Erlangung des vollkommenen persönlichen Heils ergänzungsbedürftig durch das eigene Leiden, worin letztlich die „Notwendigkeit des Leidens" begründet ist. Für Tertullians Ethik bedeutet diese Position, daß sie zumindest in den genannten späteren Schriften wesentlich eine „Ethik der Auserwählten, ... der Märtyrer"606 darstellt, denn nur ihnen ist der Weg zur Heilssicherheit eröffnet; ein vergleichbarer Weg fur alle anderen Christinnen und Christen, die auch zu Tertullians Zeit die Majorität darstellten, zeigt sich hingegen nicht.

Simonis, Ecclesia visibilis, 4: Die Heiligkeit der Kirche versteht Tertullian „konkret als die persönliche Heiligkeit der Christen". „Nur ,Heilige' können ,virgo' und ,sponsa Christi', .corpus trinitatis' und ,Spiritus' sein." 602

Vgl. Altendorf, Einheit, 27f: „Ein wesentliches Charakteristikum der Kirche besteht fur

Tertullian in ihrer Heiligkeit, nicht s o f e m sie Institution, sondern Gemeinde ist. Und dieses Prädikat wird nicht nur für die ideale Kirche im Himmel, sondern ebenso für die empirische auf Erden beansprucht. Daher kann sie als virgo, sponsa Christi, als corpus trinitatis und Verwirklichung des Geistes in der Welt, als Gemeinde der Heiligen,..., unmöglich Sünder in ihrer Mitte dulden." 603

Scorp. 6,11 (CChr.SL II, 1081,21).

604

Hill, Regnum, 23, der diese Formulierung aber speziell auf Tertullians Aussagen zur

postmortalen Destination der Märtyrer in „De anima" und „De resurrectione carnis" bezieht. 605

Kap. 4.5.2, Anm. 530, Kap. 4.5.3, Anm. 584.

606

Klein, Bewußtsein, 307.

Bewertung des Märtyrertodes im Vergleich zum natürlichen Tod

233

4.6 D i e Bewertung des Märtyrertodes im Vergleich zum natürlichen Tod

Der singulare Stellenwert, den Tertullian explizit seit der Abfassung von „Scorpiace" dem Martyrium innerhalb seiner Ethik zugeschrieben hat, spiegelt sich ebenfalls in den Äußerungen wider, in denen er diese Todesart direkt einem natürlichen Tod gegenüberstellt. Indirekt zeigt er sich aber auch schon in seiner grundsätzlichen Bewertung des menschlichen Todes, in der die negativen Aspekte vorherrschend sind. Tertullian hat zunächst, wie auch die biblische und die altkirchliche Tradition607, die Universalität des Todes betont. Der Tod, von ihm als Trennung von Leib und Seele verstanden608, ist ein allgemeines, alle Menschen gleichermaßen treffendes Geschick.609 Dabei ist der Tod als „von allen Menschen zu begleichende Schuld" (omnium debitum)610 für ihn aber keinesfalls als ein der Natur von Beginn an inhärentes Ende des menschlichen Lebens zu verstehen. Entgegen einer solchen natürlichen Begründung des Todes leitet er an zahlreichen Stellen seines Werkes die Notwendigkeit des Sterbens nachdrücklich aus dem Sündenfall ab6",

601

Vgl. z.B. Ps 89,49; Pred 3,19f; Hebr 9,27; l.Clem 50,3; Just., Apol. 1,18; Min.Fel., Oct.

21,11. 608 De an. 52,1 (CChr.SL II, 858,lf): „Hoc igitur opus mortis: separatio carnis atque animae"; ähnlich De an. 27,2 (CChr.SL II, 823,6f); De res.carn. 7,12 (CChr.SL II, 931,540 u.a. Tertullian hat ein dichotomisches Menschenbild, innerhalb dessen die „anima" die Rolle des belebenden Prinzips übernimmt: „Denique sine anima nihil sumus, neque hominis quidem, sed cadaveris nomen." (De carne Chr. 12,1; CChr.SL II, 896,5f). Sterblich ist für Tertullian nur der Körper; er ist durch das Entweichen der Seele im eigentlichen Sinne ,tot': „corpus est quod amittit animam et amittendo fit mortuum: ita mortui vocabulum corpori competit" (Adv.Marc. V,9,3; CChr.SL 1, 689,23f). Zu dem dichotomischen Menschenbild Tertullians vgl. ausfuhrlich Roberts, Theology, 149-153, zu seinem Verständnis der Seele Bray, Holiness, 73-83, zu seinen Vorstellungen zum Vorgang des Todes Fischer, Todesgedanken, 28-33.41 f.67-69, Bray, Holiness, 75, sowie Vicastillo, Muerte, 190f. 609 De an. 50,2 (CChr.SL II, 855,4-6): „Publica totius generis humani sententia mortem naturae debitum pronuntiamus." Nach De spect. 21,3 (CChr.SL I, 246,12) ist ein auf gewöhnliche Weise Verstorbener „communi lege defunct(us)". Anschließend an Paulus (l.Kor 15,51; l.Thess 4,17) werden von ihm nur diejenigen Menschen von dem allgemeinen Todesgeschick ausgenommen, die bei der Parusie noch leben werden; ihnen wird die „conpendio mortis" gewährt wegen der in der Zeit des Antichrists erduldeten Leiden (De res.carn. 41,6; CChr.SL II, 976,25f). 6,0 De mon. 10,1 (CChr.SL II, 1242,6f); ebenso Scorp. 8,1 (CChr.SL II, 1082,16f): „communis et omnium debitum". 611

Diese zwar im AT grundgelegte (Gen 2,17; 3,22), aber erst in der zwischentestamentlichen Literatur (4 Esr. 3,7; Sir 25,24) und im NT, insbesondere bei Paulus (Rom 5,12-21; 6,23; 8,10; l.Kor 15,21.56), ausformulierte Vorstellung ist nach Norbert Brox, „Den Tod einüben". Gedanken der Kirchenväter über das Sterben, in: Wolfgang Beinert (Hg.), Einübung ins Leben - Der Tod, Regensburg ( 1986), 68, besonders scharf in der afrikanischen Theologie ausgedrückt worden; neben Tertullian ist hier v.a. Augustin anzuführen (De civ.Dei XIII, 3ff.; De Cat.rud. II, 30 u.a.). Innerhalb

234

Bewertung des Märtyrertodes im Vergleich zum natürlichen Tod

faßt also den Tod als Straffolge der Sünde auf.612 Der Tod beende das Leben nicht „ex natura, sed ex culpa".613 Die Übertretung des Befehls Gottes durch den ersten Menschen habe alle kommenden Menschengeschlechter dem Tod preisgegeben614 und zu „suae damnationis traduces" gemacht.615 Ursprünglich war dem Menschen nach Tertullian die Möglichkeit zum Guten und zum Bösen gegeben, zum Leben und zum Tod616; erst der Mißbrauch seines freien Willens durch die Nichtbefolgung der göttlichen Gebote habe zum Vollzug der von Gott für diesen Fall angedrohten Strafe des Todes geführt.617 Schuld am Tod sei also nicht Gott, sondern der Mensch, der die Todesdrohung mißachtete.618 Diese Deutung des

der altkirchlichen Literatur spielt aber grundsätzlich die Ableitung des Todes aus dem Sündenfall eine größere Rolle als die Begründung der Sterblichkeit in der Natur des Menschen. Zur Verbreitung dieser Auffassung bei den Kirchenvätern vgl. Fischer, Todesgedanken, 81-104. 612 De an. 52,2 (CChr.SL II, 858,7-15): „... determinamus mortem non ex natura secutam hominem, sed ex culpa ne ipsa quidem naturali;... nam si homo in mortem directo institutus fiiisset, tunc demum mors naturae adscriberetur. Porro non in mortem institutum eum probat ipsa lex condicionali comminatione suspendens et arbitrio hominis addicens mortis eventum. Denique si non deliquisset (homo), nequaquam obisset." Weitere Belege zur Deutung des Todes als Straffolge der Sünde: Zunächst auf den Verlust der Unsterblichkeit des ersten Paares bezogen in De pat. 5,15 (CChr.SL I, 304,51f); Adv.Jud. 2,2 (CChr.SL II, 1341,13f); ausgeweitet auf die Unterwerfung des gesamten Menschengeschlechts unter den Tod seit der Sünde der Stammeltem z.B. in Adv.Marc. I, 22,8 (CChr.SL I, 464,5f); De paen. 2,3 (CChr.SL I, 322,8-11); Scorp. 5,12 (CChr.SL II, 1078,200; mit Adam, dem „primus homo de terra, choicus", verbindet die nachfolgenden Generationen das „collegium transgressionis, consortium mortis, exilium paradisi" (De res.cam. 49,6; CChr.SL II, 991,29f); im Zusammenhang der Betonung der Sterblichkeit nur des Körpers steht die Aussage des Todes als Straffolge in Adv.Marc. V,14,4 (CChr.SL I, 706,22): „... cui mors obvenit propter delictum, id est corpori"; ähnlich De res.carn. 44,9 (CChr.SL II, 980,19). 613 De an. 52,2 (CChr.SL II, 858,7f). 614 Adv.Marc. I, 22,8 (CChr.SL I, 464,5f): „Homo damnatur in mortem ob unius arbusculae delibationem ..." 615 De testan. 3,2 (CChr.SL I, 178,12f): „... exinde totum genus de suo semine infectum suae etiam damnationis traducem fecit." Die Formulierung Tertullians weist auf traduzianische Vorstellungen in bezug auf die Übertragung der Sünde hin. 616 Adv.Marc. II, 5,7 (CChr.SL I, 480,24f): „Sic et posteris legibus creatoris invenías, proponents ante hominem bonum et malum, vitam et mortem,...". 617 Adv.Marc. II, 5,7 (CChr.SL I, 480,20-24): „Non enim poneretur lex ei, qui non haberet obsequium debitum legi in sua potestate, nec rursus comminatio mortis transgression! adscriberetur, si non et contemptus legis in arbitrii libertatem homini deputaretur." 618 Adv.Marc. Π, 9,9 (CChr.SL I, 486,3If): „Si mors malum, nec mors comminatori suo, sed contemptori faciet invidiam, ut auctori." Zielrichtung dieser moralischen Begründung des Todes in „Adversus Marcionem" ist die Widerlegung des dualistischen Gottesbildes Marcions und seiner Versuche, dem alttestamentlichen Gott die Eigenschaft der Güte abzusprechen. Demgegenüber spricht Tertullian Gott von der Verantwortung für das Übel „Tod" frei und überträgt diese dem ungehorsamen Menschen, der seinen freien Willen zur Übertretung der göttlichen Befehle mißbrauchte.

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Todes als Strafsentenz für das „delictum transgressionis" 6 " bedeutet also eine negative Wertung des Todes in bezug auf seine Ursache. Indem seine Existenz auf den Ungehorsam der ersten Menschen verweist, ist er bereits an sich Indiz fur den Mißbrauch des freien Willens seitens der Geschöpfe Gottes und ihrer Entfernung von dem Willen ihres Schöpfers. Wo Tertullian nicht nach dem Grund des Todes als ontischer Gegebenheit, sondern nach der mit dem individuellen Tod verbundenen Hoffnung fragt, zeigen sich andererseits auch positive Aspekte im Verständnis des Todes. Diese Perspektive eröffnet sich in seiner Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen menschlicher Ungeduld in „De patientia", zu denen auch die durch den Verlust eines Angehörigen herbeigeführte gehöre. Diese sei auf Grund der Auferstehungshoffhung unangebracht, denn wenn die Auferstehung der Toten feststehe, sei der Schmerz über den Tod überflüssig.620 Die Trennung zwischen den noch Lebenden und den Toten sei nur eine vorläufige, der Tod nur ein „Verreisen" (profectio). In ihm gingen die Toten nur voraus auf einem Weg, auf dem die Lebenden bald nachfolgen würden.621 Da der Tod, wie Tertullian unter Aufnahme von Phil 1,23 aussagt, den Christen zu Christus gelangen lasse, bedeute Trauer über den Tod sogar eine Beleidigung des Herrn selbst.622 Eine positive Deutung des Todes zeigt sich auch dort, wo er das antike Trostmotiv623 aufgreift, daß der Tod eine Befreiung von den Übeln der Welt bedeute und „Frieden vor allen Unannehmlichkeiten"

619

De res.carn. 26,12 (CChr.SL II, 955,51).

620

D e pat. 9,2 (CChr.SL I, 309,8f): „Ergo cum constet de resurrectione mortuorum, vacat

dolor mortis ...". Vgl. auch Ad nat. I, 19,2 (CChr.SL I, 38,24f): „Spes resurrectionis fastidium est mortis." 621

De pat. 9,3 (CChr.SL I, 309,11-14): „Profectio est quam putas mortem. N o n est lugendus

qui antecedit sed plane desiderandus. Id quoque desiderium patientia temperandum: cur enim inmoderate feras abisse quem mox subsequeris?" 622

D e pat. 9,4f (CChr.SL I, 309,16-310,19): „... Christum laedimus cum evocatos quosque ab

ilio quasi miserandos non aequanimiter accipimus.,Cupio', inquit apostolus, ,recipi iam et esse cum domino.' Quanto melius ostendit votum!" Von dem „Wunsch" (votum) der Christen nach dem Tod als Möglichkeit des Gelangens zum Herrn spricht Tertullian, ebenfalls unter Aufnahme von Phil 1,23, auch in D e spect. 28,5 (CChr.SL I, 251,15-17): „Nam quod et aliud votum nostrum quam quod et apostoli, exire de saeculo et recipi apud Dominum? Hic voluptas, ubi et votum." 623

Vgl. z.B. Cie., Tuse. I, 34,83; Sen., ep. 71,15. Zu diesem Motiv vgl. Jaroslav Pelikan, The

Shape of Death - Life, Death and Immortality in the Early Fathers, N e w York (1961), 59, der die Vorstellung des Todes als einer Ruhe vor den Übeln der Welt als „stock argument in the Greek and Latin consolation" bezeichnet.

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(incommodorum pax) gewähre.624 Innerhalb der Gesamtheit seiner auf den Tod des Menschen bezogenen Äußerungen625 spielt die seelsorgerlich-konsolatorische, auf den Umgang mit dem individuellen Tod ausgerichtete Betrachtungsweise bei Tertullian - gerade auch im Vergleich zu Cyprian626 - aber lediglich eine sekundäre Rolle. So erscheint der Tod bei ihm nicht in erster Linie als konsequent zu bejahendes Ziel persönlicher Hoffnung, sondern als zur Strafe über das Menschengeschlecht verhängtes universelles Geschick. Betrifft die Zurückhaltung gegenüber einer ausgeprägt positiven Wertung des Todes den natürlichen Tod, so zeigt sich hingegen in bezug auf den Tod durch das Martyrium bei Tertullian eine deutliche Hochschätzung, die sich in drei Traktaten in einer expliziten Abhebung des Märtyrertodes von jedem anderen Tod ausdrückt. So könne nach seiner Darstellung in „Scorpiace" der Psalmvers „Honorata est apud ilium (sc. deum) mors religiosorum ipsius"627 keinesfalls auf den von allen Menschen geschuldeten Tod als „Sentenz der Übertretung und Lohn der Verdammnis", d.h. auf jeden natürlichen Tod, bezogen werden, sondern ausschließlich auf den Tod, der Gottes wegen erlitten werde. Nur wer „ex testimonio religionis et proelio confessionis pro iustitia et sacramento" sterbe, dessen Tod sei

624

De testan. 4,7 (CChr.SL 1,179,37-42). Die Bezeichnung des Todes als einer „pax" findet sich auch in der antiken Konsolation, z.B. bei Seneca (Dial. VI, 19,5). In der Mitte des 3. Jhdts. taucht dieses Bild bei Cyprian auf, dem zufolge gegenüber den Übeln der Welt allein der Tod „pax, fida tranquillitas, stabilis et firma et perpetua securitas" biete (De mort. 3; CChr.SL III A, 18,55f). 625 Einen wesentlichen Teil seiner Ausführungen zum Tod, insbesondere in „De anima", machen darüberhinaus Überlegungen zum Vorgang des Todesgeschehens aus, die er als erster christlicher Schriftsteller in dieser Ausführlichkeit anstellt. Für die spezielle Frage nach der Bewertung des Märtyrertodes im Vergleich zur grundsätzlichen Einschätzung des Todes sind diese Aussagen aber von untergeordneter Bedeutung. Es zeigt sich allerdings an ihnen ebenfalls die prinzipiell negative Wertung des gewöhnlichen Todes, der als „Schiffbruch des Lebens" (naufragium vitae) aufgefaßt wird, der das Ende der „Seefahrt der Seele" (animae navigatio) bedeute (De an. 52,4; CChr.SL II, 859,32-35). Die negative Bewertung des gewöhnlichen Todes bei Tertullian faßt zusammen Vicastillo, Muerte, 193: „En resumen, la muerte común, no es natural, sino posterior y libre, no es plácida sino violenta, no es consumación sino naufragio." Die letzten beiden Charakterisierungen beziehen sich auf die Trennung der Seele vom Leib. 626 Cyprian hat sich vorrangig mit der seelsorgerlichen Frage des Umgangs mit dem individuellen Todesgeschick beschäftigt und aus Anlaß einer Pestepidemie, die im Jahr 252 in Afrika zu einer Vielzahl von Todesfallen führte, den Traktat „De mortalitate" verfaßt, der Trost und Ermunterung sowie Ermahnungen zur Bewältigung der Ängste der Adressaten enthielt. Diese Schrift, die „erste christliche Monographie über das Sterben" (Fischer, Todesgedanken, 108), eröffnet die Reihe christlicher Konsolationsschriften. Vgl. Charles Favez, La consolation latine chrétienne, Paris 1937,17f. Eine konsequente Interpretation des Traktates aus den Zeitumständen seiner Entstehung heraus findet sich jüngst bei J.H.D. Scourfield, The De mortalitate of Cyprian: Consolation and Context, in: VigChr 50 (1996), 12-41. 627

Vgl. Ps 116,15.

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als Tod eines Gerechten kostbar vor Gott, und dessen Begräbnis gereiche ihm zur Ehre.628 In dieser im Gegensatz zur allgemeinen Bewertung des Todesgeschicks stehenden positiven Wertung des Todes durch das Martyrium bestehe die „praedicatio et remuneratio martyriorum".629 Stellt Tertullian die Exklusivität des Märtyrertodes in diesem Traktat heraus, um die unbedingte Aufforderung zur Martyriumsbereitschaft zu unterstreichen, so geht es ihm in der entsprechenden Stelle in „De anima" um die Frage des postmortalen Zustandes der Christen. Seiner dort geäußerten, bereits oben dargestellten630 Auffassung zufolge gelangen alle Menschen nach dem Tod in die Unterwelt und teilen auf diese Weise das Schicksal Christi, der ebenfalls nach seinem Tod zuerst im Hades verweilte. 63 ' Dem Gegenargument, daß, wenn auch die Christen in die Unterwelt müßten, kein Unterschied zwischen Heiden und Christen bestünde, hält er kategorisch entgegen, daß bis zum Ende der Welt niemandem der Himmel offenstünde.632 Von dieser prinzipiellen Festlegung gibt es fur ihn allerdings eine Ausnahme: Die Märtyrer gelangten unmittelbar nach ihrem Tod in das Paradies und müßten nicht erst in die Unterwelt hinab633, denn ihr als „nova mors pro deo et extraordinaria pro Christo" gekennzeichneter Glaubenstod eröffne ihnen einen

628 Scorp. 8 , l f ( C C h r . S L II, 1082,15-23): „Siquidem honorataest apud illum (sc.Deum) mors religiosorum ipsius, ut canit David, non, opinor, ista communis et omnium debitum - atquin ista etiam ignominiosa est ex elogio transgressionis et merito damnationis - sed illa quae in ipso aditur ex testimonio religionis et proelio confessionis pro iustitia et sacramento. Sicut Eseias, ... inquit, ... a facie enim iniustitiae perit iustus et erit honor sepulturae eius." Vgl. Adv.Marc. IV, 39,8 (CChr.SL I, 652,18f): „honorabilis mors iustorum, ex tolerantia (sc. in persecutionibus) sine dubio ...". 629 Scorp. 8,2 (CChr.SL II, 1082,24). 630 Vgl. Kap. 4.5.3. 631

Zu der Frage des Verhältnisses zwischen Christi postmortalem Schicksal und demjenigen der Gläubigen vgl. Bertrand de Margerie, L'intérêt théologique du „De mortalitate" de Saint Cyprien, In: ScEc 15 (1963), 205f, sowie Hill, Regnum, 25f. Tertullian wurde eine Auffassung entgegengehalten, die davon ausging, daß die Hadesfahrt Christi die Gläubigen von demselben Los befreit habe: „... Christus inferos adiit, ne nos adiremus" (De an. 55,3; CChr.SL II, 862,17). Demgegenüber vertritt er wie Irenäus (vgl. Adv.haer. V,31) die Auffassung, daß alle Menschen im Anschluß an Christus zunächst der „lex mortuorum" unterworfen seien, die zunächst ein Gelangen in die Unterwelt vorsehe. 632 De an. 55,3 (CChr.SL II, 862,17f.23f): „Ceterum quod discrimen ethnicorum et Christianorum, si career mortuis idem? ... Nulli patet caelum terra adhuc salva, ne dixerim clausa." 633 De an. 55,4 (CChr.SL II, 862,32-863,35): „Quomodo Perpetua, fortissima martyr, sub die passionis in revelatione paradisi solos illic martyras vidit, nisi quia nullis romphaea paradisi ianitrix cedit qui in Christo decesserint, non in Adam." Zur Interpretation von De an. 55 vgl. auch Kap. 4.5.1,4.5.3.

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anderen, abgeschiedenen Bereich nach dem Tod.634 Die Sonderstellung der durch ein Martyrium Umgekommenen in der Sicht Tertullians zeigt sich deutlich an einem Vergleich mit der Stelle in Irenaus' „Adversus haereses", auf die er im Blick auf die für alle Menschen geltende Hadesbestimmung nach dem Tod rekurriert635: Irenäus kennt dort keinerlei Ausnahme von diesem Prinzip, erst Tertullian hat die Vorstellung eines anderen postmortalen Aufenthaltsortes der Märtyrer ausdrücklich in diesen Kontext eingefügt.636 Im Rahmen der Argumentation von „De anima" geht es ihm um die durch die Gegner aufgeworfene Frage nach einem Unterschied zwischen den Heiden und den Christen in bezug auf ihr postmortales Geschick: Ein solcher sei also - das ist die herausfordernde Konsequenz Tertullians - nur im Falle eines Märtyrertodes zu erkennen: „Agnosce itaque differentiam ethnici et fidelis in morte, si pro deo occumbas, ut paracletus monet, non in mollibus febribus et in lectulis, sed in martyriis...".637 Zur Bestätigung seiner Argumentation greift Tertullian hier auf ein montanistisches Orakel zurück, das zum Tod durch das Martyrium auffordert638, dem gegenüber der natürliche Tod, z.B. durch Krankheit, abgewertet wird. Die Bedeutung dieses Gedankens für ihn zeigt sich daran, daß er das Orakel in vollständigerer Form auch in einem anderen Traktat, in „De fuga in persecutione", aufnimmt. Eine lange Reihe biblischer Belege, die nach seiner Auslegung für eine Absage an jede Flucht während der Verfolgung sprechen, wird dort abgeschlossen durch die Aufnahme autoritativer

634

De an. 55,5 (CChr.SL Π, 863,35f): „Nova mors pro deo et extraordinaria pro Christo alio et privato excipitur hospitio." 635 Vgl. Adv.haer. V,31. Zu dieser Abhängigkeit vgl. Waszink, De anima, 554. 636 Vgl. Hill, Regnum, 28, dem zufolge Tertullian die von Irenäus formulierte „lex mortuorum" (Adv.haer. V,31) einschränke, nach der alle Christen wie Christus selbst nach dem Tod erst in die Unterwelt müssen. „The exception made for the martyrs seems therefore to be a concession, a compromise between the view of Tertullian's opponents (and his former self) (d.i. daß alle Christen sogleich in den Himmel gelangen) and the view which his position of chiliasm demanded of him (d.i. daß eigentlich keiner der Christen erst in den Himmel gelangen kann, um dann wieder im Millenium auf Erden an der Herrschaft Christi teilzuhaben)." Irenäus hat an anderer Stelle (Adv.haer. IV, 33,9; vgl. auch Adv.haer. 111,16,4) allerdings durchaus von einem Gelangen der Märtyrer zum Herrn gesprochen. Auf der Basis von Adv.haer. IV,33,9 und V,31 ist in der Literatur davon ausgegangen worden, daß Irenäus ebenso wie nach ihm Tertullian schon eine „Ausnahmeregelung" für die Märtyrer gekannt habe. Hill, Regnum, 15f, hat demgegenüber vornehmlich auf der Grundlage von IV, 31,3 behauptet, daß Irenäus zu Beginn der Abfassung von „Adversus haereses" von einem Gelangen aller Gerechten zum Herrn ausging. Im Zuge der weiteren Abfassung habe er diese Position grundlegend geändert und in seiner einzigen ausführlichen Darlegung zum Thema „Zwischenzustand" die Hadesbestimmung aller Christen betont. 637 De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,36-39). 638 Zu der kontextabhängigen Frage nach der Deutung dieses Orakels vgl. Kap. 4.4, Anm. 398401.

Zusammenfassung

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Willenskundgebungen des Parakleten, die dieselbe Haltung widerspiegelten und deutlich zur Akzeptanz des Martyriums aufforderten.639 Als krönender Abschluß dieser Argumentationskette erscheint das genannte Orakel: Keiner und keine solle sich wünschen, im Bett, infolge einer Fehlgeburt oder am Fieber zu sterben, sondern ausschließlich durch das Martyrium, denn nur durch dieses werde Christus verherrlicht.640 Obwohl die Kontexte in „De anima" und „De fuga in persecutione" unterschiedliche Zielrichtungen haben, verwendet Tertullian also in beiden das Orakel für eine Gegenüberstellung von Märtyrertod und natürlichem Tod, dessen Erscheinungsformen durch verschiedene Beispiele illustriert werden. Die Besonderheit des Martertodes besteht für ihn dabei zum einen darin, daß der Christ durch ihn der vom Herrn aufgestellten Forderung zur Leidensnachfolge nachkomme641, zum anderen, daß Christus, der selbst für die Menschen gelitten habe, nun durch das Leiden des Märtyrers verherrlicht werde.642 Darin liegt nach Ausweis des genannten Orakels der Ruhm des Martyriums begründet, der den Tod der Märtyrerinnen und Märtyrer von jedem anderen Tod unterscheidet und abhebt.

4.7 Zusammenfassung: Grundzüge der theologischen Martyriumsdeutung Tertullians Die vorangegangene Untersuchung der Deutung des Martyriums bei Tertullian hat auf die verschiedenen Aspekte hingewiesen, unter denen er das christliche Leiden betrachtet, und die unterschiedlichen Motive aufgezeigt, mit Hilfe derer er Bekenntnis und Glaubenstod theologisch begründet, als Forderung an die Gläubigen einschärft, das Verhältnis zwischen menschlichem und göttlichem Wirken im Martyrium beschreibt, die mit dem Erleiden des Martertodes verbundenen Verhei-

639

De fuga 9,4 (CChr.SL II; 1147,32-34): „Spiritum vero si consulas, quid magis sermone ilio

Spiritus probat? Namque omnes paene ad martyrium exhortantur, non ad fugam, ut et illius commemoremur:,Publicans' inquit ,bonum tibi est; qui enim non publicatur in hominibus, publicatur in Domino. N e confundaris; iustitia te producit in medium. Quid confunderis laudem ferens? Potestas fit, cum conspiceris ab hominibus.'" 640

De fuga 9,4 (CChr.SL II, 1147,39-41): „Nolite in lectulis nec in aborsibus et febribus molli-

bus optare exire, sed in martyriis, uti glorificetur qui est passus pro vobis." 641

De an. 55,5 (CChr.SL II, 863,39): „... si crucem tuam tollas et sequaris Dominum, ut ipse

praecepit" 642

De fuga 9,3 (CChr.SL II, 1147,40f): „•·· uti glorificetur qui est passus pro vobis".

Zusammenfassung

240

ßungen ausmalt und dessen Bedeutung für den Heilsstand der Christinnen und Christen bestimmt. Zugleich hat sich gezeigt, daß wie bei seiner Interpretation des Verfolgungsgeschehens auch hier die Rezeption der Deutungsmuster und ihre Anwendung wesentlich durch den jeweiligen literarischen Kontext und seine argumentative Ausrichtung bedingt ist. Dies führt dazu, daß sich innerhalb der Schriften, die die Martyriumsthematik aufgreifen, durchaus verschiedene Schwerpunkte in der Deutung finden, zum Teil treten sogar Differenzen auf. Bei der abschließenden Darstellung der Grundzüge der theologischen Martyriumsdeutung Tertullians soll auf die unterschiedliche Schwerpunktsetzung noch jeweils kurz hingewiesen werden. Der Schwerpunkt der Ausführungen Tertullians zum christlichen Leiden und Martyrium liegt innerhalb polemisch ausgerichteter Kontexte; dies prägt deutlich ihren Charakter und ist als wesentlicher Grund für die Rigorosität insbesondere der Einschärfung der göttlichen Forderung nach dem Martyrium anzusehen. So zeigt sich, daß die Fundierung des Martyriums auf der Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem Willen Gottes in dem konsolatorisch-exhortativen Traktat „Ad martyras" nur angedeutet ist, hingegen sowohl in „Scorpiace" als auch in „De fuga in persecutione" den Zentralgedanken bildet643, mit Hilfe dessen die unbedingte Bereitschaft zum Martyrium zum einen gegenüber einer in gnostischen Kreisen zu findenden Relativierung der Bekenntnispflicht, zum anderen gegenüber der bei den Katholiken vertretenen Akzeptanz einer Flucht in der Verfolgung eingeschärft wird. Daß die Herausstellung der auf das Martyrium zielenden Forderung Gottes ihren „Sitz im Leben" innerhalb der Polemik hat, zeigt sich bei Tertullian auch an anderen Stellen, in denen er von der „Notwendigkeit" christlichen Leidens und der „Pflicht" zur Leidens- und Todesbereitschaft spricht: Diese stehen entweder im Zusammenhang allgemein antihäretischer Ausführungen wie in „De praescriptione haereticorum", antignostischer Polemik wie in „Adversus Valentinianos" oder der Konfrontation des Montanisten Tertullian mit den Katholiken wie in „De corona" oder „De ieiunio". Die Streuung der Belege für die Betonung der Forderung Gottes nach Martyriumsbereitschaft zeigt, daß es sich hierbei nicht um einen besonderen „montanistischen Zielgedanken"644 handelt, hat Tertullian doch diese

643

Weinrich, Spirit, 255, hat die Verpflichtung des Menschen, „to respond in absolute obedience to God's command", als eines der zwei grundlegenden Elemente der tertullianischen Martyriumstheologie bezeichnet. Er ist allerdings von Tertullian nicht durchgängig in gleicher Weise betont worden. 644 Klein, Bewußtsein, 284.

Zusammenfassung

241

Begründung für das christliche Leiden auch in vormontanistischen Schriften angeführt und besonders in dem noch nicht durch montanistische Vorstellungen geprägten „Scorpiace" in singulärer Radikalität und Schroffheit expliziert. An dieser Schrift wird - gerade auch im Vergleich zu „De fuga in persecutione" deutlich, daß Tertullian zur Herausstellung dieser Fundierung des Martyriums auf dem göttlichen Willen keiner speziellen montanistischen Argumente bedarf: Weder verweist er auf die die Forderungen der „disciplina" verschärfende Offenbarung des Parakleten oder zitiert die montanistischen Orakel, die zum Martyrium auffordern, noch erwähnt er das Wirken des Parakleten, das diejenigen, die ihn angenommen haben, von der Notwendigkeit des Martyriums überzeuge. Die Einflüsse der „Neuen Prophetie" erscheinen somit nicht als ursächlich für Tertullians Herausstellung der Gehorsam heischenden Forderung Gottes nach unbedingter Martyriumsbereitschaft, vielmehr haben diese bereits vorher entwickelte Vorstellungen unterstützt und zusätzlich argumentativ untermauert; er findet in den montanistischen Vorstellungen, die er kennenlernt, „a measure of congeniality".645 In ihrer Rigorosität übertrifft die Einschärfung der Gehorsamsforderung in dem vormontanistischen „Scorpiace" denn auch diejenige in dem montanistischen Fluchttraktat deutlich. Die Infragestellung der Notwendigkeit

christlicher

Martyriumsbereitschaft durch die in „Scorpiace" in den Blick genommenen gnostischen Gegner ist wesentlich fundamentaler als diejenige seitens der die „fuga in persecutione" akzeptierenden „psychici", so daß entsprechend auch Tertullians Gegenreaktion gegenüber der gnostischen Argumentation erheblich massiver ausfällt und er sich zu größter Radikalität in der Formulierung der göttlichen Forderung nach dem Martyrium der Christinnen und Christen treiben läßt. Seine bejahende Antwort auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" hat hier ihren „Sitz im Leben". Daß es ihm in der antignostischen Auseinandersetzung dabei keineswegs nur um die ethische Frage des Martyriums geht, sondern um grundlegende dogmatische Fragen der Christologie und Soteriologie646, zeigt sich an seiner nachdrücklichen Betonung der Leiblichkeit und Realität des Lei-

645 646

Rankin, Church, 42.

Zur grundlegenden Bedeutung der antignostischen Auseinandersetzung ftir die Ausformung der tertullianischen Theologie vgl. Bardenhewer, Geschichte, 341, sowie Jean Daniélou, The Origins o f Latin Christianity. A History of Early Christian Doctrine before the Council of Nicäa, Vol. 3, London (1977), 465fT. Bereits die den Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Tertullian in der Neuzeit markierende Untersuchung von August Neander trägt bezeichnenderweise den Titel „Antignostikus. Geist des Tertullianus und Einleitung in dessen Schriften mit archäologischen und dogmenhistorischen Untersuchungen" (Berlin 1825).

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dens. Diese richtet sich letztlich gegen dualistische Vorstellungen, die die Wirklichkeit der Fleischwerdung Christi und seines Todes und damit für Tertullian diejenige der Erlösung leugnen, und deren Kehrseite die Leugnung des notwendigen realen Leidens der Gläubigen darstellt; der gnostischen Überzeugung von der „Nichterlösbarkeit des Fleisches"647 stellt er das durch das Leiden Christi und der Märtyrer „in carne" erlangte Heil entgegen. Daß Tertullian zur Bereitung des „Gegengiftes" gegen die gnostischen Argumente ebenso wie für seine aus montanistischer Zeit stammende Ablehnung der bei den „psychici" vertretenen Akzeptanz einer Flucht primär auf den Gedanken des dem göttlichen Willen gegenüber schuldigen Gehorsams der Gläubigen zur Begründung der Pflicht zur Leidensbereitschaft zurückgegriffen hat, hängt möglicherweise mit seiner Verwurzelung in römischen Vorstellungen zusammen, denen zufolge „religio" wesentlich als Gehorsamsverpflichtung gegenüber Gott zu verstehen ist. Auffällig ist denn auch, daß gegenüber dem Motiv des Gehorsams dasjenige der Leidensnachfolge in der Begründung des Martyriums bei Tertullian deutlich zurücktritt. Auch hierbei zeigt sich aber, daß letzteres in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" eine größere Rolle als in „Ad martyras" spielt, wo die Ermunterung der Inhaftierten zur Leidensbereitschaft ohne deutlichen Hinweis auf den für die altkirchliche Martyrologie zentralen Gedanken der Nachfolge Christi in seinem Leiden auskommt.648 Möglicherweise hängt das Fehlen dieser Vorstellung damit zusammen, daß „Ad martyras" wahrscheinlich Tertullians christliches Erstlingswerk darstellte, denn in „Scorpiace" und „De fuga in persecutione" greift Tertullian stärker auf die Nachfolgevorstellung zurück, ohne daß sich dieser Unterschied aus den jeweiligen Intentionen erklären ließe. Dennoch bleibt sie auch in diesen Traktaten innerhalb der Argumentation weitgehend dem Gehorsamsmotiv nach- bzw. untergeordnet. Gerade auch im Vergleich zu Cyprians Martyriumsexhortation, in der der Gedanke der Nachfolge bzw. Nachahmung Christi649 durchgängig von zentraler Bedeutung ist650, zeigt sich die geringere 647

Studer, Soteriologie, 75. Auch die im Zusammenhang der in dieser Schrift breit aufgegriffenen agonistischen Metaphorik erwähnte Bezeichung Christi als „epistates" der Gläubigen bleibt für den Nachfolgegedanken ungenutzt. 649 Cyprian erwähnt ausdrücklich die Gleichsetzung beider Vorstellungen: „Sequitur autem Christum qui praeceptis eius insistit... qui id quod Christus et docuit et fecit imitatur." (De zel.et liv. 11 ; CChr.SL III A, 81,199-202) 650 Vgl. u.a. ep. 6,2,1 (CChr.SL III B, 32,44-47; 33,51-55); ep. 58,2,1 (CChr.SL ΠΙ C, 321,2931); ep. 58,3,1 (CChr.SL III C, 323,67-69); ep. 58,6,3 (CChr.SL ΠΙ C, 328,145-329,160); Ad Fort. 5 (CChr.SL III, 192,26-31); ep. 76,2,1 (CChr.SL III C, 608,42-47). Daß Cyprian häufiger als 648

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Bedeutung dieser Vorstellung in Tertullians der Aufforderung zur Leidens- und Martyriumsbereitschaft gewidmeten Schriften. Wenn auch die verstreut über verschiedene Schriften - vor allem „Scorpiace", „De resurrectione carnis", „De anima" und „De fuga in persecutione" - zu findenden Hinweise auf eine Verknüpfung zwischen der Passion Christi und dem Märtyrerleiden sowie der Bekenntnisbereitschaft der Gläubigen und dem zu erwartenden Urteil Christi deutlich machen, daß Tertullian den Christusbezug des Martyriums nicht völlig außer acht läßt, zeigt sich aber andererseits das Zurücktreten dieses Bezuges darin, daß der Gedanke des im Martyrium bekräftigten Christuszeugnisses nur am Rande auftaucht. Ebensowenig findet sich bei ihm - anders als zur gleichen Zeit in der „Passio Perpetuae" und ein halbes Jahrhundert später bei Cyprian - die Vorstellung eines aktiven Kampfes Christi im Märtyrer, der den Sieg verbürge, dem aber letztlich auch der Ruhm gebühre. Die Notwendigkeit göttlichen Beistands, insbesondere desjenigen des Heiligen Geistes, zur Bewahrung der Standhaftigkeit und zum Erleiden des Martyriums ist durchgängig in Tertullians martyrologischen Ausführungen vorausgesetzt und wird gegenüber „Ad martyras" und „Scorpiace" in den montanistischen Schriften „De fuga in persecutione" und „Adversus Praxean" sogar noch verstärkt herausgestellt; im Rahmen seiner Tauftheologie erscheinen Standhaftigkeit im Bekenntnis und das Erleiden des Glaubenstodes als durch den in der Taufe geschenkten Geist ermöglicht und damit als Gaben einer vorlaufenden Gnade Gottes. Dennoch bleibt bei ihm das Leiden der Märtyrerinnen und Märtyrer ein zwar durch den Geist ermöglichtes, aber letztlich vom Menschen selbst auszustehendes Leiden, auf das sich dieser denn auch durch entsprechende Übung seiner „virtus" vorbereiten müsse. Dieses Zurücktreten des Verständnisses des Martyriums als eines im eigentlichen Sinne „göttlichen" Ereignisses zeigt sich deutlich auch daran, daß Tertullian mit einer Ausnahme an keiner Stelle das Erleiden des Glaubenstodes als besondere Gabe Gottes versteht, auf dessen spezielle Würdigung des jeweiligen Christen zurückfuhrt oder an einen entsprechenden Ruf Gottes bindet. Dies stellt einen grundlegenden Unterschied gegenüber der Martyriumskonszeption Cyprians dar, für den das Martyrium in erster Linie als Ausdruck der „divina dignatio" zu

Tertullian auf die Nachfolge Christi zur Begründung des Martyriums verweist, entspricht der grundsätzlich größeren Bedeutung, die die Nachfolge als ethisches Prinzip für ersteren besitzt. Zur Relevanz der Nachfolge Christi als Prinzip christlicher Existenz bei Cyprian vgl. Spanneut, Tertullien, 67f; Beck, Recht, 135f.

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werten ist und der das Erleiden des Martertodes von dem Ergehen eines göttlichen Rufes abhängig macht. Führt diese nachdrückliche Verankerung des Martyriums im Gnadenhandeln Gottes bei letzterem zu einer theologischen Rechtfertigung einer Flucht in der Verfolgung einerseits sowie einer strikten Absage an jede Selbstauslieferung andererseits651, so sind bei Tertullian die Vorzeichen umgekehrt gesetzt, wobei seine Haltung allerdings nicht durchgängig einheitlich gewesen ist. Seine Bewertung einer Flucht vor der Verfolgungssituation ist deutlich einer Radikalisierung unterworfen gewesen. Zeichnet sich in einer beiläufigen Äußerung in „De patientia" noch eine Akzeptanz der Flucht in dem Sinne ab, daß sie ohne weitere Abwertung als eine während einer Verfolgung mögliche Leidenssituation vorausgesetzt wird, erfährt diese Anerkennung bereits eine deutliche Einschränkung in der ebenfalls katholischen Schrift „Ad uxorem": Dort wird die Flucht als etwas lediglich „Erlaubtes" zugestanden, wodurch für Tertullian, der zwischen dem bloß erlaubenden und dem eigentlichen Willen Gottes unterscheidet, ihre moralische

651 Eine Ausnahme von dieser strikten Regel Cyprians bildete allerdings vermutlich der zur Zeit der Verfolgung unter Decius an einige Abgefallene ergangene Hinweis auf das Martyrium als Möglichkeit, Vergebung für ihre Apostasie zu erlangen, falls sie nicht auf die fiir die Zeit nach dem Ende der Verfolgung in Aussicht gestellte Regelung ihrer Buße warten wollten: Wer den Abfall bereue, habe in der noch andauernden Verfolgungssituation ja die Gelegenheit, das Warten auf eine spätere Rekonziliation zu vermeiden und gleich die Krone des Martyriums zu erlangen (ep. 19,2). Welchen praktischen und rechtlichen Hintergund diese Empfehlung allerdings hatte, ist umstritten. Paul Keresztes, The Decian Libelli and contemporary Literature, in: Latomus 34 (1975), 771, spricht von einem „retesting of the once lapsed" durch den Prokonsul in der zweiten Phase der Verfolgung als Voraussetzung dafür, daß einmal Gefallene zu Bekennern oder Märtyrern werden konnten, verknüpft Cyprians Empfehlung also mit einem (hypothetischen) juristischen Akt seitens der römischen Behörden. Da dieser aber eher unwahrscheinlich ist — hatten die Christen einmal geopfert und damit der Aufforderung zur „supplicatio" Folge geleistet, waren sie für die römischen Behörden nicht mehr von Interesse - , ist die Vermutung naheliegender, daß Cyprian hier an provokative Akte der Gefallenen zur Herausforderung eines Martyriums denkt. Obwohl er ein solches Verhalten an anderer Stelle (ep. 81) explizit ablehnt, erscheint es durchaus möglich, daß er unter dem Druck, sich gegen das Drängen der Gefallenen auf Wiederaufnahme zu wehren, indirekt auf einen solchen Weg hinweist. In diesem Sinne spricht auch Graeme W. Clarke, Double-Trials in the Persecution of Decius, in: Hist 22 (1973), 657f, in bezug auf die Empfehlung Cyprians von „some such simple act of voluntary martyrdom": „Therefore, those lapsed who wish positively to seek the martyr's corona are being urged to perform some such defiantly Christian act of public confession ...". Grundsätzlich geht Clarke davon aus, daß die Möglichkeit der Wiedergutmachung der Sünde des Abfalls einige der wenigen Ausnahmen der generell in der Alten Kirche vertretenen Ablehnung der Selbstauslieferung darstellte: „... one of the rare cases for which church praepositi were prepared to relent this rule was that of lapsed Christians so that they might blot out their former fault by offering themselves for martyrdom." (Clarke, Letters, Vol. 1, 303) Ebenso Tabbemee, Montanism, 35.

Zusammenfassung

245

Fragwürdigkeit bereits ausgedrückt ist. Hier zeigt sich, daß auch fur seine katholische Zeit nicht von einer gleichbleibenden Akzeptanz dieser Form christlichen Verhaltens ausgegangen, eine beginnende Ablehnung hingegen bereits vorausgesetzt werden kann. Unterstrichen wird die „Rückdatierung" der Absage an eine Flucht bereits in seine vormontanistische Zeit durch seine Ausführungen in „Scorpiace": Auch wenn sich in diesem Traktat keine unmittelbar auf die Frage eines Entweichens vor der Verfolgung bezogenen Äußerungen finden, bietet die auf die Einschärfung der Gottgewolltheit und Pflichtmäßigkeit des Martyriums ausgerichtete Argumentation keinen Raum für die theologische Rechtfertigung einer Flucht. Eine Radikalisierung erfährt die von Tertullian vertretene Haltung in der montanistischen Schrift „De fuga in persecutione", in der er sich in einer für die Alte Kirche singulären Weise gegen jegliches Ergreifen einer Fluchtmöglichkeit wendet. Seine in diesem Traktat gebotene Exegese von Mt 10,23, in der das Fluchtgebot temporär auf die Zeit der Apostel eingeschränkt und damit in seiner Gültigkeit fur die nachfolgenden christlichen Generationen negiert wird, steht isoliert innerhalb der altkirchlichen Auslegung dieses Verses, in der dieser zumeist nicht nur als „Zugeständnis" für die schwachen Christen652 aufgefaßt wurde, sondern der uneingeschränkten Rechtfertigung oder gar Forderung nach der Flucht diente. Tertullians Polemik in dem Fluchttraktat, die sich weniger ausführlich auch in „De corona" abzeichnet, richtet sich genau gegen diese Exegese als Grundlage der seiner Ansicht nach in der katholischen Kirche verbreiteten theologischen Rechtfertigung einer Flucht. In der einleitenden Schilderung der Verweigerung der Bekränzung seitens eines christlichen Soldaten in „De corona" zeigt sich darüberhinaus, daß Tertullians Ablehnung einer Flucht auf der einen Seite die positive Bewertung eines zumindest nach den Maßstäben der von ihm in den Blick genommenen großkirchlichen Gegner herausgeforderten Martyriums auf der anderen Seite entspricht. Ebenso von Akzeptanz geprägt ist auch die Schilderung der Selbstauslieferung einer großen Anzahl von Christinnen und Christen in der Provinz Asien, die er in „Ad Scapulam" dem Adressaten als grundsätzlich gegebene Möglichkeit christlichen Verhaltens vor Augen führt. Daß Tertullian das Drängen zum Martyrium nicht nur prinzipiell anerkennt, sondern auch explizit fordert, ist unter Hinweis auf das in „De fuga in persecutione" aufgenommene montanistische Orakel „Nolite in lectulis nec in aborsibus et febribus mollibus optare exire, sed in martyriis" behauptet worden. Wenn dieser Parakletenspruch

652

So Wendebourg, Martyrium, 309.

246

Zusammenfassung

auch ursprünglich diese Intention gehabt haben kann, verwendet Tertullian ihn jedoch in dem Fluchttraktat nicht im Sinne einer direkten Aufforderung zum gesuchten oder provozierten Martyrium: Hier geht es ihm um die theologische Begründung der Bereitschaft, sich dem in der Verfolgungssituation drohenden Martyrium nicht durch Flucht zu entziehen, nicht aber um die Herausforderung eines Martyriums. Am deutlichsten auf eine theologische Rechtfertigung eines Drängens nach dem Glaubenstod läuft, auch wenn diese Frage direkt darin nicht aufgegriffen wird, die Schrift „Scorpiace" hinaus; angesichts der Betonung der Pflichtmäßigkeit des Martyriums und der deutlichen Differenz zwischen Märtyrern und Nichtmärtyrern in bezug auf ihren Heilsbesitz konnte eine Forcierung des Erleidens des Martyriums durchaus als praktische Konsequenz aus ihren Ausführungen abgeleitet werden. Die Tatsache, daß Tertullian den Glaubenstod nicht an einen besonderen Ruf Gottes bindet und damit aus dem Gnadenhandeln Gottes wesentlich in den Bereich ethischer Entscheidung des freien menschlichen Willens verlegt, macht eine Selbstauslieferung auch theologisch begründbar. Im Blick auf die vielfach geäußerte These der besonders innerhalb der „Neuen Prophetie" zu findenden „Martyriumssucht"653 trägt Tertullians Position insofern zu einer Differenzierung bei, als sich an keiner Stelle in seinen montanistischen Schriften eine ausdrückliche Aufforderung zu einem Drängen nach dem Martyrium findet, wohl aber an mehreren Stellen eine deutliche Akzeptanz eines solchen Schrittes bzw. eines in der Großkirche in diesem Sinne gewerteten Verhaltens deutlich wird. Kann dies als eine durch die Darstellung gegebene implizite Aufforderung nach einer Forcierung des Martyriums bei dem Montanisten Tertullian verstanden werden, so zeigt sich andererseits aber, daß sich eine solche auch schon aus der vormontanistischen Schrift „Scorpiace" ableiten läßt. Dies weist daraufhin, daß die Akzeptanz und theoretische Begründung eines Drängens nach dem Martyrium unabhängig von montanistischen Vorstellungen möglich war, wenn sie auch innerhalb der Reihen der katholischen Kirche eine „Minderheitsposition" darstellte. Einen verhältnismäßig schmalen Raum nimmt innerhalb der Ermahnungen Tertullians zur Leidens- und Martyriumsbereitschaft der Verweis auf die den Märtyrerinnen und Märtyrern in Aussicht stehenden Verheißungen ein; in „Scorpiace" tritt er deutlich hinter der Einschärfung der Pflichtmäßigkeit des Martyriums zurück, der Fluchttraktat entbehrt seiner fast vollständig, und selbst in der zur

653

Buschmann, Martyrium des Polykarp, 84.

Zusammenfassung

247

Ermunterung der Inhaftierten dienenden Schrift „Ad martyras" argumentiert Tertullian nur am Rande mit den himmlischen Belohnungen für den Glaubenstod. Seine Bewertung des Martyriums im Blick auf den dadurch zu erlangenden Heilsstand des Gläubigen ergibt sich aber darüberhinaus aus mehreren anderen Traktaten, in denen er - wie im „Apologeticum", i n „De baptismo" und „De pudicitia" - entweder die Vorstellung einer durch den Martertod ermöglichten völligen Vergebung der Sünden aufgreift oder sich - wie in „De resurrectione carnis" und „De anima" - zu der postmortalen Destination der Märtyrerinnen und Märtyrer äußert. Die Betrachtung dieser Texte weist darauf hin, daß Tertullian zwar auch schon zu Beginn seines Wirkens die Vorstellung eines Märtyrerlohnes sui generis kennt, aber kein weiteres Interesse an der Abhebung des himmlischen Ruhmes der Blutzeugen von dem der übrigen Gläubigen zeigt. So verweist er zur Ermunterung der „martyres designati" in „Ad martyras" an keiner Stelle auf die Überlegenheit des ihnen in Aussicht stehenden Lohnes gegenüber demjenigen der Nichtmärtyrer. Eine deutliche Exklusivität des Märtyrerlohnes im Vergleich zu demjenigen der übrigen Gläubigen zeigt sich hingegen in „Scorpiace". In bezug auf die postmortale Destination spiegelt sich die Differenz zwischen Märtyrern und Nichtmärtyrern in „De resurrectione carnis" und „De anima" wider, die beide ersteren exklusiv zusprechen, sofort nach dem Tod in das Paradies, nicht erst in die Unterwelt zu gelangen; die Singularität des Wertes des Martyriums im Blick auf seine Sündenvergebungsfunktion zeigt sich am deutlichsten in „De pudicitia", wo der Glaubenstod die Funktion der einzigen Möglichkeit zur Vergebung schwerer postbaptismaler Sünden zugeschrieben bekommt. In der Konsequenz laufen die Ausführungen in den zuletzt genannten Schriften auf einen klaren Unterschied im Heilsstand zwischen den Märtyrern und Nichtmärtyrern hinaus; die in der Taufe den Christen zugeeignete Erlösung durch die Heilstat Christi erscheint insofern als ergänzungsbedürftig durch das Martyrium, als erstere allein nicht mehr den gleichen Heilsbesitz verbürgt wie das Erleiden des Glaubenstodes. Diese Differenzierung bei Tertullian ist - wie die Einschärfung der Notwendigkeit und Gottgewolltheit des Martyriums - ebenfalls nicht ursächlich auf den Einfluß des Montanismus zurückzuführen, wenn sie auch in montanistischen Schriften verstärkt herausgestellt worden ist. Vielmehr sind zwei Motive zu nennen, die für die explizite Unterscheidung zwischen Märtyrern und Nichtmärtyrern in bezug auf den ihnen zustehenden himmlischen Ruhm und ihren Heilsstand maßgeblich sind: Zum einen die radikal antignostische Haltung Tertullians, die zu einer Verlagerung der Martyriumsthematik in den Bereich der Polemik gegenüber gnosti-

248

Zusammenfassung

sehen Relativierungen der Pflicht zur Leidensbereitschaft fuhrt, denen gegenüber das Martyrium als Notwendigkeit, aber auch als höchstes Ziel christlicher Hoffnung mit entsprechend singulärem Lohn eingeschärft wird. Zum anderen seine auf die Reinheit und Heiligkeit der christlichen Gemeinschaft ausgerichtete Ekklesiologie, die zu größter Rigorosität in den ethischen Forderungen, zu einer Ablehnung der Duldung jeglicher Sünde in ihren Reihen und damit letztlich auch zu einem Ausschluß der Buße als Möglichkeit der Vergebung schwerer Sünden fuhrt. Die von Tertullian in „Scorpiace" und besonders in „De pudicitia" behauptete Gewährleistung vollkommener Reinheit und Sündlosigkeit und damit der Sicherheit des persönlichen Heils ausschließlich durch das Martyrium ist als Konsequenz dieser „perfektionistischen" ekklesiologischen Position zu betrachten. Die in mehreren Schriften herausgestellte Überlegenheit des Ruhmes der Märtyrerinnnen und Märtyrer über denjenigen der Christen, die nicht den Glaubenstod erleiden, zeigt, daß Tertullian dem Martyrium einen exklusiven Stellenwert innerhalb seiner Ethik zuweist, die damit zumindest seit „Scorpiace" den Charakter einer auf eine Elite ausgerichteten Zwei-Stufen-Ethik bekommt, in der die Nichtmärtyrer - auch zu seinen Zeiten die Majorität der Gläubigen - lediglich einen zweiten Rang in bezug auf die himmlischen Belohnungen, die postmortale Destination und die persönliche Heilssicherheit zugewiesen bekommen. In diesem Sinne erscheint sie als „eine Ethik, die sich an alle, die berufen waren, an alle Getauften, an alle Christen wandte, und doch nur die Ethik der Auserwählten, die Ethik der Wenigen, die Ethik der Märtyrer sein konnte".654 Was sich bereits bei der Betrachtung der von ihm zur Beschreibung des christlichen Leidens verwendeten Terminologie angedeutet hat, bestätigt sich bei der Betrachtung der theologischen Deutung des Martyriums: Anderen Formen des Verhaltens innerhalb der Verfolgungssituation wird ebensowenig ein dem Märtyrerlohn vergleichbarer Lohn in Aussicht gestellt wie der Bewahrung christlicher Sittlichkeit in Zeiten ohne äußere Verfolgung. Damit bietet Tertullians Martyriumstheologie keinen Ansatzpunkt für eine „Spiritualisierung" oder „Ethisierung" des Martyriumskonzeptes, wie er sich ein halbes Jahrhundert später bei Cyprian findet655; vielmehr bleibt sie auf den realiter erlittenen Glaubenstod, das tatsächlich vergossene Blut der Gläubigen, ausgerichtet.

654

Klein, Bewußtsein, 312.

655

Vgl. Kap. 6.

Zusammenfassung

249

Diese Charakterisierung der Martyrologie Tertullians bezieht sich primär auf seine entsprechenden Ausführungen in polemischen Kontexten, innerhalb derer die Mehrzahl seiner auf die Martyriumsthematik bezogenen Äußerungen zu finden sind und die so maßgeblich seine Martyriumskonzeption bestimmen. Die grundsätzlich in bezug auf sein Werk zu findende Kennzeichnung, dieses sei mehr dasjenige eines Polemikers als das eines Predigers656, läßt sich insofern auf seine Martyriumstheologie übertragen, als auf deren primär polemischem Charakter sowohl die Schroffheit in der Einschärfung der göttlichen Forderung nach dem Martyrium als auch die Herausstellung seines exklusiven göttlichen Lohnes zurückzuführen sind. Die wenigen Kontexte, in denen Tertullian mit nicht-polemischer Ausrichtung auf die Martyriumsthematik Bezug genommen hat, bieten demgegenüber eine wesentlich weniger profilierte martyrologische Position. Es zeigt sich allerdings, daß sich in diesen weder eine rigorose Einschärfung der Gehorsamsforderung noch eine explizite Abhebung des Ruhmes der Blutzeugen von demjenigen der übrigen Christinnen und Christen finden. Flucht und Martyrium stellen - zumindest in „De patientia" - gleichermaßen Formen christlichen Leidens innerhalb der Verfolgung dar, der Glaubenstod bildet eine Möglichkeit zur Vergebung schwerer postbaptismaler Sünden neben der noch akzeptierten Buße. Dennoch weist das auch hier erkennbare Zurücktreten des Verständnisses des Martyriums als eines auf göttlicher Initiative beruhenden Geschehens schon auf den Punkt hin, an dem Tertullian in seinen polemisch ausgerichteten martyrologischen Ausführungen mit der an den Menschen ergehenden Forderung nach Leidens- und Martyriumsbereitschaft ansetzt. Insofern steht sein zuerst in „Scorpiace" expliziertes und in der Folgezeit in montanistischen Schriften weiter ausgeführtes, ebenso

rigoroses wie exklusives

Martyriumskonzept

trotz

verschiedener Differenzen besonders in bezug auf die konkreten Verhaltensnormen für die Verfolgungszeit und die bußtheologische Relevanz des Martyriums doch in einer inneren Kontinuität zu seinen frühesten, nicht-polemischen Äußerungen zum christlichen Leiden in der Verfolgung. Nur am Rand in den Blick gekommen sind bislang die Ausführungen Tertullians zum Martyriumsleiden innerhalb der apologetischen Argumentation, insbesondere im „Apologeticum", in dem er mit diesem Thema seine Argumentation beschließt. Ausfuhrlich rezipiert er hier, wie auch in dem wahrscheinlich im

656

Pétré, L'Exemplum, 140: „Mais cette oeuvre (sc. de Tertullien) est plus d'un polémiste que d'une prédicateur."

250

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selben Jahr entstandenen „Ad martyras", das Motiv des „Kampfes", den die Christen in Verfolgungsleiden und Martyrium zu bestehen hätten. Mit seiner Hilfe gelingt ihm die Verknüpfung zwischen dem apologetischen Ziel des Erweises der Ungerechtigkeit der Verfolgungen einerseits und der Betonung der christlichen Leidensbereitschaft andererseits: Dem heidnischen Einwurf, die Christen brauchten sich doch über die Verfolgungen nicht zu beklagen, wenn sie gerne litten, hält er entgegen, daß sie das Leiden wollten, aber in dem Sinne, wie man auch den Krieg „wolle" und auf sich nehme - nämlich im Blick auf den dadurch zu erlangenden Ruhm und die Beute.657 Letztere sind fur die Gläubigen dergestalt, daß sie das heidnische Urteil über die Christen genau in sein Gegenteil verkehren: Der Verurteilung durch Menschen steht der dadurch erlangte Freispruch durch Gott gegenüber. Damit dient der Hinweis auf die sündenvergebende Wirkung des Martyriums hier als abschließender triumphaler Beleg für die Relativität und Nutzlosigkeit der Christenverfolgungen seitens der Heiden: Die „damnatio" durch die Heiden bedeutet für die Gläubigen „absolutio" und die Erlangung der „gloria" seitens Gottes. Die Sinnlosigkeit der Verfolgung der christlichen Gemeinschaft hat Tertullian darüberhinaus noch mit der im folgenden Kapitel zu betrachtenden Vorstellung einer missionarischen Wirkung des christlichen Leidens herausgestellt658, der zufolge der Versuch, die Christinnen und Christen durch die Verfolgungen als gesellschaftliche Kraft zu minimieren, zu dem genauen Gegenteil, nämlich ihrer Vermehrung, führe. In doppelter Hinsicht erweist Tertullian also im Abschlußkapitel des „Apologeticums" die Umkehrung des heidnischen Urteils, zum einen im Blick auf das für die Christen entscheidende göttliche Urteil, zum anderen auf die letztendliche Nutzlosigkeit ihres Vorgehens gegenüber den Gläubigen; damit bildet der Verweis auf die christlichen Martyrien nicht ein „Rand- oder Schlußthema" 65 ' im „Apologeticum", sondern stellt den Höhepunkt der auf die Beendigung der Verfolgungen ausgerichteten apologetischen Argumentation Tertullians dar.

657

Apol. 5 0 , I f (CChr.SL I, 169,1-7): „Ergo, inquitis, cur querimini, quod vos insequamur, si

pati vultis, cum diligere debeatis, per quos patimini quod vultis? Plane volumus, verum eo more, quo et bellum miles. N e m o quidem libens patitur, cum et trepidare et periclitan sit necesse. Tarnen et proeliatur omnibus viribus et vincens in proelio gaudet qui de proelio querebatur, quia et gloriam consequitur et praedam." 658

Vgl. Kap. 5.1.

659

Klein, Bewußtsein, 303.

5. Bekenntnis und Martyrium im Rahmen der christlichen Gemeinschaft

Im vorangegangenen Kapitel wurde nach der bei Tertullian vorliegenden theologischen Begründung des Martyriums gefragt sowie nach dessen Bedeutung fur das Heil der Märtyrerinnen und Märtyrer. Diese Aspekte der Martyriumsdeutung beziehen sich auf die einzelne Person des Christen oder der Christin, die als solche aufgerufen sind, der auf die Martyriumsbereitschaft bezogenen Gehorsamsforderung Gottes Folge zu leisten, und denen ein entsprechender himmlischer Ruhm in Aussicht gestellt wird. Daß Bekenntnis und Glaubenstod daneben auch eine über individuelle, auf die Gemeinschaft der Christinnen und Christen bezogene Bedeutung haben können, spielt demgegenüber bei Tertullian eine sekundäre Rolle. In der theoretischen Reflexion über das Martyrium tritt diese Perspektive deutlich nur dort zutage, wo er von der missionarischen Wirkung der christlichen Blutzeugnisse spricht.

5.1 Die Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission Zentral ist das Verständnis des Martyriums im Sinne einer Werbung fur die christliche Gemeinschaft im „Apologeticum". Tertullian beschließt darin seine Auseinandersetzung mit den Heiden mit dem Hinweis darauf, daß auch das grausamste Vorgehen gegen die Christen nicht zu ihrer Verminderung führe, sondern ihnen letztlich sogar einen Dienst erweise, da es als „illecebra", als „Verlockung", zum Christentum diene.' Während die Verfolgungen und Übergriffe der Heiden auf eine Vernichtung der Christen als gesellschaftlicher Kraft ausgerichtet waren, behauptet Tertullian eine diesem Ziel vollkommen entgegengesetzte Wirkung des heidnischen Vorgehens: „Etiam plures efficimur, quotiens metimur a vobis: semen est sanguis christianorum." 2 Hinter diesem Satz steht die Überzeugung, daß das

1

Apol. 50,13 (CChr.SL I, 171,58f): „Nee tarnen proficit exquisitior quaeque crudelitas vestra:

illecebra est magis sectae." 2

Apol. 50,13 (CChr.SL I, 171,59-61). Vgl. Apol. 21,25 (CChr.SL I, 127,128-13): „Discipuli

vero diffusi per orbem e x praecepto magistri Dei paruerunt, qui et ipsi a ludaeis persequentibus multa perpessi utique pro fiducia veritatis libenter Romae postremo per Neronis saevitiam sanguinem Christianum seminaverunt."

252

Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission

Verhalten der Christen, ihre Bereitschaft zum Ertragen von Schmerz und Tod, die Heiden veranlasse zu untersuchen, was hinter der christlichen Haltung stehe.3 Im Zusammenhang der Argumentation Tertullians erscheint das christliche Martyrium so als eigentliche „ultima ratio" seiner apologetischen Bemühungen, die auf die Beseitigung der Unkenntnis der Heiden über das Christentum ausgerichtet sind.4 Wer den Hintergrund des Verhaltens der Christinnen und Christen untersucht und daraufhin erkannt habe, auf welcher Wahrheit ihre Leidensbereitschaft gründe, werde - davon geht Tertullian selbstverständlich aus - auch der christlichen Gemeinschaft beitreten.5 Insofern führten die Martyrien zu einer Vergrößerung der Zahl der Christen, nicht zu ihrer Dezimierung, d.h. die angesprochenen heidnischen „praesides"6 erreichten mit ihrem Vorgehen gegen die Gläubigen genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich intendiert hätten. Damit dient der Hinweis auf die werbende und überzeugende Kraft der Martyrien in nahezu paradoxer Weise der auf eine Beendigung der Verfolgungen ausgerichteten Intention Tertullians: Je mehr Martyrien es gibt, desto mehr Heiden werden überzeugt, was letztlich zu einer abnehmenden Zahl von Verfolgungen fuhren wird. Aus diesem Grund ist es für ihn auch folgerichtig, wenn er zum Abschluß des „Apologeticum", nachdem er alle Gründe, die gegen ein Vorgehen gegen die Christen sprechen, ausführlich dargelegt hat, die Heiden dennoch auffordert: „Sed hoc agite, boni praesides, ..., cruciate, torquete, damnate, atterite nos ...!"7 Dieses Verhalten trägt nach Tertullians Verständnis in sich den Keim für sein eigenes Ende. In knapperer Form hält Tertullian die Überzeugung von der werbenden Wirkung der Martyrien auch in „Ad Scapulam" dem heidnischen Adressaten entgegen; ebenso wie im „Apologeticum" bildet dieser Gedanke auch hier den

3 Apol. 50,14f (CChr.SL I, 171,61-67): „Multi apud vos ad tolerantiam doloris et mortis hortantur,...; nec tarnen tantos inveniunt verba discípulos, quantos Christiani factis docendo. Ipsa illa obstinatio, quam exprobratis, magistra est. Quis enim non contemplatione eius concutitur ad requirendum in re sit?" 4 Vgl. Apol. 1,2 (CChr.SL I, 85,14f): „Unum gestit interdum, ne ignorata damnetur." In diesem Sinne schließt Tertullian die Beweisführung im „Apologeticum" mit einem Rückgriff auf den Beginn des Traktates ab: Ziel seiner Ausführungen war es, die von ihm als Ursache des heidnischen Vorgehens gegen die Christen angesehene Unkenntnis zu beseitigen. In dem Bemühen, die Unwissenheit der Heiden zu überwinden, stellen die Martyrien nach seiner Auffassung ein wesentliches Mittel dar. Da durch sie der Unwissenheit der Heiden abgeholfen und diese zur Bekehrung veranlaßt würden, bilden sie die Voraussetzung für ein Ende des heidnischen Vorgehens gegen die Christen. 5 Apol. 50,15 (CChr.SL I, 171,67): „Quis non, ubi requisivit, accedit...?" 6 Vgl. Apol. 50,12 (CChr.SL I, 171,51). Zu den Adressaten des „Apologeticums" vgl. detailliert Kap. 3.1.1, Anm. 21. 7 Apol. 50,12 (CChr.SL I, 171,51 - 5 3 ) .

Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission

253

Abschluß der Argumentation. Basierend auf der Überzeugung, daß niemand Gott etwas anhaben könne, betont er, daß auch die Gemeinschaft der zu ihm Gehörigen durch den Tod ihrer Mitglieder keinesfalls zugrundegehen werde. Vielmehr wachse sie dann stark an, wenn sie niedergeschlagen zu werden scheine, denn jeder der Heiden, der die Märtyrer im Ertragen ihres Leidens gesehen habe, werde veranlaßt, nach den dahinterstehenden Vorstellungen zu fragen. 8 Wie im „Apologeticum" erscheint auch hier das Martyrium als entscheidendes Mittel gegen die zu Beginn der Schutzschrift beklagte „ignorantia"9 der Heiden, indem es förmlich zur Nachfrage nach dem Grund der Leidensbereitschaft dränge. Daß diejenigen unter den Heiden, die sich ihrer Unwissenheit bewußt würden und die hinter dem Verhalten der Christen stehenden Überzeugungen untersuchten, diese sofort als Wahrheit erkennen würden und ebenfalls den Weg der Christen einschlügen10, steht fur Tertullian dabei außer Frage. In paradoxer Umkehrung des heidnischen Verständnisses der Martyrien als Mittel zur Verringerung der gesellschaftlichen Bedeutung der Christen schreibt er diesen also eine wesentliche missionarische Wirksamkeit zu. Welchen Stellenwert diese auch anderweitig in der altkirchlichen Literatur behauptete protreptische Wirkung der Martyrien' 1 allerdings tatsächlich im Rahmen der christlichen Mission hatte, ist schwer nachzuvollziehen, da es kaum entsprechende Zeugnisse von Heiden oder Konvertiten gibt, die die Faktizität ihrer Außenwirkung belegen. Lediglich Justin berichtet, daß die Furchtlosigkeit der Christen vor dem Tode ihn von der moralischen Güte ihres Lebens überzeugt habe.12 Daneben finden sich Hinweise auf durch Martyrien verursachte Konversionen nur im Zusammenhang christlicher Märtyrerberichte.13 Da andererseits mehrere heidnische Zeugnisse eine

8 Ad Scap. 5,4 (CChr.SL II, 1132,19 - 2 5 ) : „Magistrum neminem habemus, nisi solum Deum. Hic ante te est, nec abscondi potest, sed cui nihil facere potest... Nec tarnen deficiet haec secta, quam tunc magis aedificari scias, cum caedi videtur. Quisque enim tantam tolerantiam spectans, ut aliquo scrupulo percussus et inquirere accenditur, quid sit in causa,...". 9 Ad Scap. 1,4 (CChr.SL II, 1127,15). 10 Ad Scap. 5,4 (CChr.SL Π, 1132,25f): „... et ubi cognoverit veritatem et ipse statim sequitur." " Vgl. z.B. Ep.ad Diogn. 6,9; 7,8; Just., Apol. 1,4,7; Dial. 110,4; Hipp., In Dan. 11,38,3f; Clem.Al., Strom. IV,73,5; Orig., Exhortad mart. 35; C. Cels. VII, 26. Zu diesen Texten vgl. Michele Pellegrino, Le sens ecclesial du martyre, in: RSR 35 (1961), 163f; Everett Ferguson, Early Christian Martyrdom and Civil Disobedience, in: Journal of Early Christian Studies 1 (1993), 76. 12 Just., Apol. 11,12,1. Zu der Konversion Justins vgl. Arthur Darby Nock, Conversion. The Old and the New in Religion from Alexander the Great to Augustine of Hippo, Oxford 1933 (Reprint 1988), 255f. 13 Pass.Perp. 16,4 (Habermehl, Passio, 22): „... iam et ipso optione carceris credente"; Eus., HE VI, 1-7; VI, 41,16.

254

Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission

negative Bewertung der christlichen Bereitschaft zum Martyrium belegen14, ist Tertullians triumphale Aussage von der unbedingten missionarischen Kraft der Martyrien insgesamt wohl eher als apologetisch ausgerichtete Überspitzung15,

14

Der älteste erhaltene heidnische Hinweis auf die christliche Todesbereitschaft findet sich bei Epiktet (Diss. IV, 7,6). Seiner Einschätzung nach sind die „Galiläer" aus bloßer „Gewohnheit" ( ή θ ο ς ) dem Tod gegenüber furchtlos, nicht aber auf Grund eigenständiger Überlegung, was für ihn die Voraussetzung zur Akzeptanz einer solchen Haltung wäre. Der Zusammenhang dieser Aussage legt es nahe, daß für ihn die kritisierte Haltung in die Nähe einer aus „Wahnsinn" ( μ α ν ί α ) geborenen Haltung gehört. Zu dieser beiläufigen Kritik Epiktets vgl. Butterweck, Martyriumssucht, 92-94. Eine deutlich negative Auffassung von der Ursache der christlichen Todesbereitschaft zeigt sich auch bei Mark Aurel (Med. XI,3). Nicht auf Grund eigenen durchdachten Urteils, sondern aus „bloßem Trotz", „bloßer Opposition" ( ψ ι λ ή π α ρ ά τ α ξ ι ς ) seien die Christen zum Tode bereit. Zur Interpretation dieser Aussage vgl. Berwig, Mark Aurel, 90-92, der hinter der Formulierung ψ ι λ ή π α ρ ά τ α ξ ι ς konkret einen Hinweis auf die christliche OpferverWeigerung vermutet. (Berwig, Mark Aurel, 91, ebenso Richard Klein/Peter Guyot, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation. Bd. 2: Die Christen in der heidnischen Gesellschaft, Darmstadt (1994), 356) Zu der Frage weiterer Äußerungen Mark Aurels über die Christen vgl. Berwig, Mark Aurel, 90-97, sowie Butterweck, Martyriumssucht, 96f. Die auf der undurchdachten Übernahme der Lehren ihres Gesetzgebers, insbesondere der Lehren von der Unsterblichkeit und des ewigen Lebens beruhende Bereitschaft zum Tod bei den Christen ist auch für Lukian Gegenstand der Kritik (De mort.Per. 13). In allen genannten Äußerungen wird deutlich, daß die heidnische Kritik sich nicht gegen die Todesbereitschaft an sich, sondern gegen deren für sie uneinsichtige Motivation richtete: „Die bloße Zugehörigkeit zu einer Gruppe, dokumentiert im Bekenntnis Christianus sum, ist ihnen (sc. den Heiden) keine einleuchtende Begründung dafür, sich töten zu lassen, und läßt als nicht situationsadäquates Verhalten eher auf geistige Verwirrung schließen." (Butterweck, Martyriumssucht, 104) Eine abwertende Einschätzung der letztlich auf Martyrien hinauslaufenden oppositionellen Haltung der Christen gegenüber dem Staat findet sich auch bei Celsus; er charakterisiert sie als „Wahnsinn" (vgl. Orig., C.Cels. VIII,65). Eine positivere Wertung der christlichen Todesbereitschaft zeigt sich hingegen bei dem Arzt Mark Aurels, Galen. Nach der von Wilken, Christians, 79f, aufgenommenen Deutung von Richard Walzer, Galen on Christians and Jews, London 1949, 68f, gründete die Sympathie Galens für die Christen darin, daß er sie als philosophische Schule betrachtete, durch die Menschen zu einem Leben in Tugend geführt würden: „In calling Christianity a philosophical school, even one whose dialectical skill did not impress him, Galen gave Christianity a boost on the ladder of acceptance within the Roman World." (Wilken, Christians, 79) Ihre Furchtlosigkeit vor dem Tode wird in diese positive Bewertung durch Galen einbezogen: „Wahrlich, sie (sc. die Christen) haben ihren Glauben aus Gleichnissen und Wundern gezogen ...; doch bisweilen gehen von ihnen Taten (wie) von scheinbaren Philosophen aus.... Denn ihr Mangel an Furcht vor dem Tod und dem, was sie danach erfahren werden ..., ist eine Tatsache, die wir jeden Tag sehen ..." (Text nach Walzer, Galen, 15). Zu den heidnischen Denkvoraussetzungen für die Wertung des christlichen Martyriums vgl. Nock, Conversion, 193-198. 15 Daß Tertullian um der Argumentation willen durchaus bereit ist, zur Übertreibung zu greifen, zeigt sich z.B. in Apol. 37,4 (CChr.SL I, 148,16-22), wo er die Ausbreitung der Christen über den gesamten Erdkreis und in alle Bereiche der Gesellschaft behauptet, was Schindler, Afrika, 644, als „rhetorisch-apologetische Übertreibung" bezeichnet. Ganz ohne Anhalt an der historischen Realität sind aber wohl weder diese Ausführungen, noch diejenigen in Apol. 50 gewesen, denn andernfalls hätte Tertullian ja seine gesamte Argumentation selbst diskreditiert.

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denn als getreue Wiedergabe historischer Umstände zu verstehen.16 Ebensowenig läßt sie sich eindeutig als Hinweis auf eine, in der Literatur häufig vorausgesetzte, wesentliche Bedeutung der Martyrien bei seiner eigenen Konversion verifizieren.17 Daß Tertullian denn auf der anderen Seite auch selbst bewußt war, daß die Heiden der christlichen Todesbereitschaft keineswegs mit Bewunderung, sondern vielmehr mit Skepsis oder gar Verachtung gegenüberstehen, zeigt sich deutlich zum Abschluß des „ A p o l o g e t i c u m s " , w o er eine lange Reihe heidnischer exempla für die Leidens- und Todesbereitschaft um des Ruhmes und der Ehre willen anführt, an Hand derer er die unterschiedliche Bewertung christlichen und heidnischen Leidens in den Augen der Römer illustriert.18 Während die Christinnen

16 In der Forschung ist die Bedeutung der Martyrien für die Mission sehr unterschiedlich gesehen worden, wobei in der älteren Literatur eher die Annahme einer großen Außenwirkung vorherrschte: So ist den Martyrien z.B. bei Adolf von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Bd. 1, Leipzig 19244, 377f.506f. eine große missionarische Kraft zugemessen worden, ebenso bei Lods, Confesseurs, 37, der von einer „grande efficacité" des missionarischen Zeugnisses der Martyrien spricht. Speziell für die Christianisierung Afrikas ist Johannes Quasten, Die Reform des Märtyrerkultes durch Augustinus, in: ThGl 25 (1933), 319, davon ausgegangen, daß sie „in seltenem Ausmaße durch zahlreiche Martyrien erkauft" gewesen sei. Skeptisch äußert sich hingegen schon Campenhausen, Idee, 148, Anm. 1; dieselbe Zurückhaltung zeigt sich bei ihm auch noch in Ders., Das Martyrium in der Mission, in: Heinzgünther Frohnes/ Uwe W. Knorr (Hg.), Kirchengeschichte als Missionsgeschichte, Bd.I, Die Alte Kirche, München 1974, 78. Auch die gegenwärtige Forschung geht tendenziell eher davon aus, daß die christlichen Martyrien keinen wesentlichen Konversionsgrund darstellten. Vgl. z.B. Ramsay MacMullen, Christianizing the Roman Empire, New Haven 1984,29f, im Anschluß an ihn Michael Slusser, Art. Martyrium ΠΊ,Ι, in: TRE XXII (1992), 207. Nach Rambaux, Tertullien, 381, Anm. 1, ist Tertullian mit dem in Ad nat. I, 19,3 (CChr.SL I, 38,25f) gegebenen Hinweis auf die Verachtung der christlichen Martyrien seitens der Heiden der Wahrheit näher gekommen als mit der Behauptung einer werbenden Wirkung.

" Von einer Bedeutung der Außenwirkung der Martyrien bei Tertullians Konversion geht z.B. aus Bardenhewer, Geschichte, 333: „Durch die Standhaftigkeit der Märtyrer wird auch Tertullian mit Hochachtung für den Glauben der Märtyrer erfüllt oder vielmehr gleichsam mit einem Schlage in einen Christen umgewandelt sein." Zurückhaltender formuliert Braun, Origines, 7: „La fameuse formule de la péroraison d' l'Apologeticum .Semen est sanguis christianorum' jaillit d'une experience vécue." Vgl. für ähnliche Voten Kraft, Kirchenväter, 259; Campenhausen, Kirchenväter, 13; Groh, Community, 17; Moreschini, Aspetti, 56. Pageis, Versuchung, 138, wertet die in Apol. 15zu findende Erwähnung der Raserei der Heiden bei Hinrichtungen im Amphitheater als Beschreibung der Motivation der eigenen Konversion, die durch den Anblick verurteilter Christen eingeleitet worden sei. Weder wird aber in diesem Kontext erwähnt, daß es sich bei den Verurteilten um Christen gehandelt habe, noch wird ein entsprechender Eindruck auf Tertullian auch nur angedeutet. Kritisch in bezug auf eine Bedeutung der Martyrien für Tertullians Konversion äußert sich Fredouille, Tertullien, 148f. " Apol. 50,5-9 (CChr.SL I, 170,21-41). Angeführt werden Mucius, Empedokles, Dido, Regulus, Anaxarchus, die „Attica meretrix", Zeno und die Geißelhiebe erduldenden Spartaner. Zu den hier angeführten exempla, die außer Anaxarchus und Zeno auch in Ad mart. 4,4-8 (CChr.SL I, 6,24-

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und Christen in ihrer Todesbereitschaft für „verzweifelte und heillose" Menschen gehalten würden19, werde die in dem Verhalten der Heiden deutlich werdende Verachtung des Todes und aller Grausamkeiten keinesfalls auf eine „hoffnungslose und verzweifelte Gesinnung" (perdita (et) persuasio desperata) zurückgeführt. Der durch ihr Leiden und ihren Tod erlangte Ruhm werde - so Tertullian - anerkannt, weil er ein „menschlicher Ruhm" sei; für das Vaterland, für das Reich und für die Freundschaft dürften sie das erleiden, was für Gott zu leiden hingegen nicht erlaubt sei.20 Die Inkonsequenz der heidnischen Umwelt in der Bewertung der Todesbereitschaft in ihren Reihen und derjenigen unter den Christen verdeutlicht er abschließend durch einen Vergleich zwischen dem Bemühen der Römer, das Angedenken der genannten Heiden zu wahren und ihnen so ein „Weiterleben" zu ermöglichen, und der christlichen Auferstehungshoffnung. Was wäre denn die Ehrung der Heiden durch Monumente anderes als „gewissenmaßen eine Auferstehung von den Toten"? Diejenigen, die aber für Gott litten und die wirkliche Auferstehung von ihm erwarteten, würden als „Verrückte" (insani) angesehen.21 Deutlich spiegelt sich hier der auch in heidnischen Quellen zu findende Vorwurf des „Wahnsinns" wider22, aus dem letztlich die Todesbereitschaft der Christen entspringe. So war es primär nicht das Verhalten an sich, daß das Unverständnis der Heiden begründete, sondern die für sie offensichtliche uneinsichtige Motivation. Dies zeigt sich auch an anderen Stellen in Tertullians Schriften, wo er die heidnische Einschätzung der Martyriumsbereitschaft der Christen anspricht. Danach wurde ihre Haltung als „Hartnäckigkeit" (obstinatio) angesehen23 - ein Vorwurf, den schon Plinius erhoben hatte24; in ihrer Bereitwilligkeit zu

7,17) auftauchen, vgl. ausfuhrlich Pétré, L'Exemplum, 74-80. Eine kürzere exempla-Reihe, die ebenfalls die unterschiedliche Bewertung heidnischer und christlicher Todesbereitschaft belegen soll, fuhrt Tertullian auch in Ad nat. I, 18,3f (CChr.SL I, 37,25-32) an. " In Apol. 50,4 (CChr.SL 1,169,18f) behauptet Tertullian ironisch: „... merito desperati et perditi existimamur." 20 Apol. 50,10 (CChr.SL I, 170,42-46): „O gloriam licitam, quia humanam, cui nec praesumptio perdita nec persuasio desperata reputatur in contemptu mortis et atrocitatis omnimodae, cui tantum pro patria, (pro agro), pro imperio, pro amicitia permissum est, quantum pro Deo non licet." 21

Apol. 50,11 (CChr.SL I, 170,46-171,50): „Et tarnen litis omnibus et statuas defunditis et imagines inscribitis et títulos inciditis in aeternitatem! Quantum de monumentis potestis scilicet, praestatis et ipsi quodammodo mortuis resurrectionem. Hanc qui veram a Deo sperat, si pro Deo patiatur, insanus est!" 22 Vgl. die Anm. 14 genannten Belege von Epiktet und Celsus. 23 De spect. 1,5 (CChr.SL I, 227,17-19): „Sunt qui existimant Christianos, expeditum morti genus, ad hanc obstinationem abdicatione voluptatum erudiri...". Von der „obstinatio" der Christen spricht Tertullian auch in Ad nat. 1,18,1 (CChr.SL I, 37,19); I, 19,lf (CChr.SL I, 38,20.23); Apol. 50,15 (CChr.SL I, 171,65). 24 Plin., ep.X, 96,3: „inflexibilis obstinatio".

Bedeutung des Martyriums für die christliche Mission

257

sterben wurden sie als „stupidissimae mentes" diskreditiert 25 und als „nichtswürdige, armselige" Menschen. 26 Die hier aufgegriffenen Vorwürfe bleiben allerdings in ihrer Tragweite noch hinter der bereits erwähnten Unterstellung der „insania" zurück, die in der Antike höchste intellektuelle Abwertung bedeutete. 27 Die „wie zum Trotz" gegenüber den von ihm selbst referierten heidnischen Disqualifizierungen der christlichen Todesbereitschaft vertretene Auffassung einer werbenden Außenwirkung der Martyrien hat Tertullian in dieser Nachdrücklichkeit nur in den genannten apologetischen Texten aufgegriffen. Im Rahmen der innerchristlich ausgerichteten Martyriumsexhortation deutet sich diese Vorstellung lediglich dort an, wo er von dem Zeugnischarakter des Martyriums spricht: Nach seiner Darstellung in „Scorpiace" habe der Grund für die Notwendigkeit des Martyriumsleidens fur alle Gottgläubigen darin bestanden, daß die Wahrheit sowohl den Zeitgenossen als auch den Nachkommen anempfohlen werden mußte. 28 Das Leiden der Märtyrer habe Zeugnis für den von ihnen vertretenen Glauben abgelegt, „quia nemo voluisset frustra occidi, nisi compos veritatis." 29 Tertullian bezieht sich hier auf die Märtyrer des Alten Testamentes, die er als „exempla" für die Verpflichtung auch der Christen zum Martyrium anfuhrt. Auch wenn der Gedanke des durch das Martyrium abgelegten Zeugnisses für die christliche Wahrheit durchaus auch auf die Martyrien seiner Zeit anwendbar ist, überträgt er ihn nicht explizit. Es zeigt sich also, daß der Gedanke einer durch das Martyrium als Zeugnis erreichten Wirkung auf die heidnische Umwelt keine Rolle in seiner innerchristlichen Motivation und Ermahnung zum Martyrium spielt30, sondern seinen „Sitz im

23

Ad nat. I, 19,3 (CChr.SL I, 38,25f): „Ridete igitur, quantum libet, stupidissimas mentes,

quae moriuntur ut vivant." 26

Vgl. das in Ad Scap. 5,1 (CChr.SL II, 1131,7-1132,8) überlieferte Zitat des Statthalters

Arrius Antoninus, der sich freiwillig ausliefernden Christen entgegenhielt: ,,Ώ δ ε ι λ ο ί , e i θ έ λ ε τ ε άποθνήσκειν, κρημνούς ή βρόχους εχετε." 27

Vgl. Opelt, Polemik, 239f.

28

Scorp. 8,8 (CChr.SL Π, 1083,2-6): „Ceterum pati oportebat o m n e m dei praedicatorem atque

cultorem, qui ad idololatrian provocatus negasset obsequium, secundum illius quoque rationis statum, qua et praesentibus tunc et posteris deinceps commendali veritatem oportebat...". 29 30

Scorp. 8,8 (CChr.SL II, 1083,7-1084,8).

Vgl. die entsprechende Einschätzung bei Rambaux, Tertullien, 380f: „II (sc. Tertullien) évoque ... à plusieurs reprises l'utilité du martyre pour la conversion des paiens, mais dans l'ensemble des ouvrages qu'il adresse aux chrétiens pour les exhorter au martyre, il ne signale cet aspect qu'une fois en passant (Scorp. 8,8)." Auf das Zurücktreten des Zeugnisaspektes hatte auch schon von Campenhausen, Idee, 121, hingewiesen: „Der Gedanke an die heidnische Umwelt und an die Verfolger ... bleibt bei dieser Betrachtung der Dinge (d.h. in Tertullians martyrologischem Konzept, in dem der Gedanke des Zeugnisses keine wesentliche Rolle spielt) ganz beiseite. Er gehört zum Begriff des Martyriums jedenfalls nicht notwendig mit hinzu; denn nur apologetisch, d.h. in

258

Innergemeindliche Bedeutung von Bekenntnis und Martyrium

Leben" bei Tertullian in der apologetischen Argumentation hat, denn nur hier „liebt es Tertulian, auch die werbende Kraft des Märtyrerblutes mit rhetorischem Pathos hervorzuheben."31

5.2 Die innergemeindliche Bedeutung von Bekenntnis und Martyrium

Während die Vorstellung einer missionarisch wirksamen Außenwirkung der christlichen Martyrien bei Tertullian an zwei Stellen ausdrücklich angeführt wird, finden sich in seinen Schriften - im Unterschied zu denjenigen seines Nachfolgers Cyprian - mit einer sehr beiläufigen Ausnahme32 keine direkten Überlegungen zur innergemeindlichen Bedeutung der Martyrien. So erscheinen in seiner theologischen Deutung des Martyriums weder der Gedanke einer Verherrlichung der gesamten Gemeinde durch den Glaubenstod eines ihrer Mitglieder noch auch die Vorstellung einer pädagogischen und moralischen Wirkung des durch die Haltung der Blutzeugen gegebenen Vorbilds auf die Mitchristen. Beides sind Aspekte, die in Cyprians auf die Belange der gesamten christlichen Gemeinschaft ausgerichtetem Martyriumskonzept von zentraler Bedeutung sind.33 Und obwohl Tertullian die Vorstellung eines durch ein standhaftes Bekenntnis er-

seinen für heidnische Leser berechneten Schriften, liebt es Tertullian, auch die werbende Kraft des Märtyrerblutes mit rhetorischem Pathos hervorzuheben." Problematisch ist hier aber die implizite Unterstellung, daß die in apologetischen Texten zu findenden Ausführungen nicht eigentlich das Verständnis Tertullians vom Martyrium mitkonstituierten. 31 Campenhausen, Idee, 121. 32 In Scorp. 13,10 (CChr.SL II, 1095,15f) findet sich die Vorstellung angedeutet, daß die Freude über ein Martyrium von anderen geteilt werde: „Vides, quam martyrii definiat (sc. Paulus) felicitatem, cui de gaudio mutuo adquirit sollemnitatem." 33 Zur Verherrlichung der Gemeinde durch den Glaubensmut der Bekenner vgl. z.B. ep. 10,1,1 (CChr.SL III B, 46,5f): „Exulto laetus et gratulor, fortissimi ac beatissimi fratres, cognita fide et virtute vestra, in quibus mater ecclesia gloriatur ...". In besonderer Weise dient seiner Auffassung nach das Martyrium eines Bischofs zur Verherrlichung seiner Gemeinde (ep. 81,2; CChr.SL III C, 629,1 Of), die Worte, die er in der Situation des Bekenntnisses auf Gottes Eingebung hin sage, sage er im Namen aller (ep. 81,2; CChr.SL III C, 629,12-15). Die Charakterisierung der Bekenner und Märtyrer als „exempla" für Standhaftigkeit und Bewahrung des Glaubens ist ein durchgängiges Motiv in seiner Korrespondenz: Vgl. ep. 10,1,2 (CChr.SL ΠΙB, 48,23f); ep. 10,4,4 (CChr.SL m Β, 53,92f); ep. 15,1,1 (CChr.SL ΙΠ B, 85,9f); ep. 37,4,2 (CChr.SL III B, 181,85-182,89); ep. 60,2 (CChr.SL III C, 375,26f); De laps. 2 (CChr.SL ΙΠ, 221,21f) u.a. Zu Cyprians Darstellung der Bekenner und Märtyrer als „exempla" vgl. Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 349-352; Pellegrino, Sens ecclesial, 157-159.

Gemeindliche Fürsorge fur die Bekennerinnen und Bekenner

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langten Vorrechtes bei einer Bischofswahl kennt - führt er doch die Abspaltung der valentinianischen Gnosis polemisch auf gekränkte Eitelkeit zurück, da dem Valentinus bei einer Bischofswahl ein anderer Bewerber „ex praerogativa martyrii" vorgezogen worden sei34 - , äußert er sich an keiner Stelle weiter zu der Frage von Bekennererhebungen in den Klerus. Mag dies zum einen auch darauf zurückzuführen sein, daß es zur Zeit Tertullians nur wenige wieder in die Gemeinde zurückgekehrte Bekenner gab35, zeigt sich andererseits daran aber auch sein Desinteresse an einer Reflexion über das Verhältnis von Konfessoren und Märtyrern zur Gemeinde. Indirekt spiegelt sich diese in seinem Werk allerdings dort wider, wo er von der Fürsorge der karthagischen Gemeinde für ihre inhaftierten Gemeindemitglieder spricht, sowie in den Kontexten, wo es um die Rolle der Bekenner und Märtyrer innerhalb des Bußwesens geht.

5.2.1 Die gemeindliche Fürsorge für die Bekennerinnen und Bekenner Mehrere altkirchliche Zeugnisse belegen, daß die christlichen Bekenner in der Haft von ihren Mitchristinnen und -christen versorgt wurden. 36 Auch Tertullian bezeugt, daß Mitgliedern der karthagischen Gemeinde, die im Rahmen von Christenprozessen inhaftiert und verurteilt wurden, Unterstützung verschiedener Art zuteil wurde. Als Aufgabe der aus den Mitteln der Gemeinde organisierten Wohltätigkeit erscheint diese Unterstützung zunächst im „Apologeticum". Tertullian weist dort auf die „arca", die „Kasse", der Gemeinde hin, in die jedes Gemeindeglied an einem bestimmten Tag des Monats freiwillig eine gewisse Summe einzahlte.37 Neben dem Unterhalt und den Begräbniskosten armer Gemeindeglieder,

34 35

Adv.Val. 4,1 (CChr.SL II, 755,1).

Andererseits thematisiert ebenfalls zu Beginn des 3. Jhdts. die „Traditio Apostolica" Hippolyts ausfuhrlich die Frage des Zugangs von Bekennern zum Klerus (Trad.Apost. IX) und weist damit auf das Vorhandensein entsprechender Bewerber zumindest in Rom hin. 36 Für die Zeit des 2. Jhdts. ist die Fürsorge der Gemeinden fur ihre Bekenner belegt in einem Brief des Dionysios von Korinth (Eus., HE IV, 23,10), bei Ignatius (Smyrn. 6,2), den Märtyrern von Vienne und Lyon (Eus., HE V, 1,11) sowie in einem satirischen Text des heidnischen Rhetors und Sophisten Lukian von Samosata (De mort.Per. 12). Für den Beginn des 3. Jhdts. bezeugt die „Passio Perpetuae" die Versorgung der Inhaftierten, in der Mitte des 3. Jhdts. wird sie erwähnt bei Cyprian. Zur „Passio Perpetuae" und zu Cyprian vgl. Anm. 53. Zur materiellen Fürsorge der Gemeinden für die Gefangenen vgl. weiter Pellegrino, Sens ecclesial, 172-174. 37 Apol. 39,5 (CChr.SL I, 150,22-151,25): „Modicam unusquisque stipem menstrua die vel cum velit, et si modo velit et si modo possit, apponit. Nam nemo compellitur, sed sponte confert." Zu diesem Brauch vgl. Schöllgen, Ecclesia sordida, 300f, der aber trotz der anderslautenden Angabe Tertullians von einer jeden Sonntag stattfindenden Kollekte zur Ausstattung der „arca" ausgeht.

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Gemeindliche Fürsorge für die Bekennerinnen und Bekenner

der Fürsorge für Waisen und alte Menschen sowie für Schiffbrüchige wurde mit diesem Geld die Unterstützung derer bestritten, die auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft zur Bergwerkwerksarbeit und zur Verbannung auf eine Insel verurteilt oder inhaftiert wurden und so zu - wie Tertullian es nennt ,,alumni confessionis" wurden.38 Mit der übertragenen Verwendung des Begriffs „alumnus", der eigentlich das „(Pflege)kind" bezeichnet39, legt er nahe, daß die Gemeinde sich in einem quasi elterlichen Verantwortungsverhältnis gegenüber den inhaftierten und verurteilten Gemeindegliedern befindet. Die hier genannte Fürsorge für die Inhaftierten wird von Tertullian zur gleichen Zeit ebenfalls in „Ad martyras" erwähnt. Dort wird deutlich, daß den inhaftierten Bekennern neben der Unterstützung aus Gemeindemitteln, „per curam ecclesiae", auch privat organisierte Fürsorge seitens einiger Gemeindeglieder, „per agapen fratrum", zuteil wurde.40 Angesichts der auch anderweitig belegten

„Die Reduzierung auf eine Monatskollekte sollte jeden Verdacht beseitigen, die Christen mißachteten die staatliche Kollegienordnung", nach der den collegia lediglich eine Beitragszahlung pro Monat erlaubt war. Intention dieses Zusammenhangs ist es, den gegen die Christen erhobenen Vorwurf, sie bildeten eine „illicita factio" (vgl. Apol. 38,1; CChr.SL I, 149,1-3) bzw. ein „illicitum collegium", abzuweisen; zu diesem Zweck sollte die christliche Gemeinschaft als in der Struktur den erlaubten „collegia" gleich dargestellt werden. Diese Zielsetzung des Kontextes spiegelt sich auch in der Wahl der Termini wider. So wurde „arca" nach Gerda Krüger, Die Rechtsstellung der vorkonstantinischen Kirchen, Stuttgart 1935 (Nachdruck Amsterdam 1961), 159, u.a. als Terminus für die „Kapitalfonds der autorisierten Verbände und Genossenschaften gebraucht." Der von Tertullian für die Beiträge der Christen gebrauchte Begriff „stipes" war nach Krüger, Rechtsstellung, 160f, „im Rechtssinn Benennung für die regelmäßig wiederkehrenden Geldleistungen der Angehörigen behördlich genehmigter Kollegien". Zur Intention dieses Zusammenhanges vgl. weiter Beck, Recht, 55f, sowie Sordi, Christians, 183: „... Tertullian described the organisation of the Christian communities specifically as .collegia religionis causa' in chapter XXXIX of his Apologeticum, underlining the legitimacy of Christian gatherings by quoting the exact terminology of the contemporary Severan rescript", das die Bildung von „collegia religionis causa" begründete (vgl. Dig. XLVII, 22,1). 38

Apol. 39,6 (CChr.SL I, 151,25 -31): „Haec quasi deposita pietatis sunt. Quippe non epulis inde nec potaculis nec ingratis voratrinis dispensatur, sed egenis alendis humandisque et pueris ac puellis re ac parentibus destitutis, (iamque) domesticis senibus iam otiosis, item naufragis, et si qui in metallis et si qui in insulis vel in custodiis, dumtaxat ex causa Dei sectae, alumni confessionis suae fint." 39 In diesem Sinn verwendet Tertullian „alumnus" z.B. in Ad nat. I, 16,16 (CChr.SL I, 36,6f). Zur Bedeutung von „alumnus" vgl. ThLL I, 1793-1799, zu der in Apol. 39 vorliegenden übertragenen Verwendung in bezug auf Arme, „qui aluntur", vgl. ThLL I, 1794. 40 Ad mart. 2,7 (CChr.SL I, 4,22-24): „Immo et quae iusta sunt caro non amittit per curam ecclesiae et agapen fratrum ..."; diese Doppelung der Fürsorge bezeugt deutlich auch Ad mart.1,1 (CChr.SL I, 3,2-4): „Inter camis alimenta, benedicti martyres designati, quae vobis et domina mater ecclesia de uberibus suis et singuli fratres de opibus suis propriis in carcerem subministrant..." Die von der Gemeinde organisierte und die private Fürsorge für Bekenner ebenso wie für andere Bedürftige (vgl. zur privaten Wohltätigkeit Ad ux. 1,8; 11,4; De idol. 22; De cult.fem. Π,11) scheinen nach Schöllgen, Ecclesia sordida, 302, „parallel nebeneinander (hergelaufen zu sein), ohne daß

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schlechten Versorgungslage im Kerker41 scheint diese Unterstützung vorrangig in der Verbesserung der Situation der Häftlinge durch das Mitbringen von Nahrungsmitteln, „carnis alimenta"42, bestanden zu haben. Drückt Tertullian im „Apologeticum" die Fürsorgeverpflichtung der Gemeinde mit Hilfe des Bildes vom „Kind" aus, das zu versorgen sei, beschreibt er diesen Aspekt in „Ad martyras" mit dem Motiv der „mater ecclesia", die aus ihren ,3rüsten" (de uberibus suis) die Bekenner nähre.43 Das Fürsorgeverhältnis zwischen Gemeinde und Inhaftierten wird damit auch metaphorisch veranschaulicht.

spezifische Sektoren erkennbar voneinander abgegrenzt waren. So fällt die Betreuung der Märtyrer im Gefängnis sicherlich in den Bereich der Gemeindeaufgaben, und es gibt mehrere Belege, daß die Diakone dieser Aufgabe nachgingen. Gleichzeitig sorgten aber auch einzelne Gemeindemitglieder unabhängig davon für ihre gefangenen Glaubensgenossen." 41

Zu den Zuständen in den Gefängnissen und der Versorgung der Gefangenen vgl. Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, Darmstadt 1961 (Nachdruck der Ausgabe von 1899), 303f; S.Arbandt/W.Macheiner, Art. Gefangenschaft, in: R A C I X (1976), 321; Hermann Ferdinand Hitzig, Art. career, in: PW ΙΠ/2 (1899), 1581. Zumindest temporär unzureichende Ernährung werden fur den Beginn des 3. Jhdts. erwähnt in Pass.Perp. 16,3, für das Jahr 250 bietet der Bekenner Lucianus eine eindringliche Schilderung in (Cypr.), ep. 22,2,2 (CChr.SL III B, 118,41f): „Nam et ante dies octo per dies quinqué medios modicum pañis accepimus et aquam ad mensuram." Dieser Brief beschreibt eine Abfolge von Einschränkungen durch Hunger, Durst und Eingeschlossensein in den Zellen einerseits und temporären Hafterleichterungen andererseits, die nach Graeme W. Clarke, The Letters of Cyprian. Translated and annotated, New York 1984, Vol. 1, 331.335, als besondere Maßnahme dazu dienen sollten, die standhaften Bekenner doch noch zur Apostasie zu bringen: „... on his (sc. Decius') orders the hopelessly obstinate are now to be starved into submission." Zu diesem „programme of intensification" vgl. auch Ders., Prosopographical Notes on the Epistles of Cyprian H, in: Latomus 31 (1972), 1055f. Das von dem Bekenner Lucianus in ep. 22 beschriebene Vorgehen stellte also möglicherweise einen Fall besonderer Härte dar. Von Hunger und Durst spricht für die Zeit der Verfolgung unter Decius aber auch ein Brief Cyprians, in dem er die Abmagerung des Bekenners Celerinus infolge der Haft erwähnt (ep. 39,2,2; CChr.SL III B, 188,27189,28: „Caro famis ac sitis diuturnitate contabuit..."). Daneben werden als Einschränkungen der Haft v.a. genannt Hitze, Dunkelheit, Schmutz, Fesselung in Ketten und Platzmangel (vgl. Pass.Perp. 3,5f; Ad mart. 2,4; Scorp. 10,11; De res.carn. 8,5; Cypr., ep. 6,2,2; ep. 37,2,1). Eine humanere Behandlung der Gefangenen ist zuerst von Konstantin im Jahr 320 rechtlich festgelegt worden (lust. 9,4,1), wobei sich dies aber zunächst nur auf die Untersuchungsgefangenen bezog; vgl. hierzu Mommsen, Strafrecht, 303, sowie Bernhard Raspeis, Der Einfluß des Christentums auf die Gesetze zum Gefängniswesen und zum Strafvollzug von Konstantin dem Großen bis Iustinian, in: ZKG 102 (1991), 289-306, bes. 290-93: So mußten z.B. nach der Verordnung Konstantins die Wärter dafür sorgen, daß ein Gefangener nicht den Hungertod erleidet. 42

Ad mart. 1,1 (CChr.SL I, 3,2). Ad mart. 1,1 (CChr.SL I, 3,4). Vgl. das Zitat Anm. 40. Zu der Verwendung von „ecclesia mater" bei Tertullian vgl. ausführlich Joseph C. Plumpe, Mater Ecclesia. An Inquiry into the Concept of the Church as Mother in .Early Christianity, Washington 1943, 45-62, sowie Rankin, Church, 78-83. Die Vorstellung des „Nährens" der Christen durch die „mater ecclesia" findet sich auch sonst vielfach in der Alten Kirche, ist aber zumeist im übertragenen, geistlichen Sinn verwendet worden. Vgl. z.B. Iren., Adv. haer. ΠΙ, 24,1; Clem.Al., Paid. I, 42,1; Cypr., De eccl.un. 5; Aug., ep. 243,8. 43

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Beiläufige Erwähnung findet die „cura" fur die Konfessoren auch in „Scorpiace", wo Tertullian den Besuch der Gefangenen auf einen Befehl Christi zurückfuhrt.44 Weitere Ausführungen zu dieser Frage finden sich diesem Zusammenhang, in dem es ihm um die Einschärfung einer wörtlichen Exegese biblischer Aufforderungen zur Leidensbereitschaft entgegen jeglicher allegorischen Verflüchtigung seitens der Gnostiker geht4S, aber nicht. Der Hinweis auf Christi Befehl zum Besuch der Inhaftierten soll lediglich Tertullians Argument unterstreichen, daß nur dann ein allegorischer Sinn vorliege, wenn die im Bibelvers ausgedrückte Sache in der Wirklichkeit nicht vorhanden sei.46 Das, so die implizite Schlußfolgerung, sei aber weder bei der Aufforderung zum Besuch der Gefangenen, noch und das ist für ihn in diesem Kontext der entscheidende Punkt - bei den neutestamentlichen Belegen fur eine Forderung Christi nach Leidens- und Todesbereitschaft der Fall. Ebenso wie die frühe katholische Exhortationsschrift, das ,Apologeticum" und beiläufig „Scorpiace" belegt auch der montanistische Traktat „De ieiunio", daß in der katholischen Kirche der Brauch bestand, inhaftierte Bekenner mit Lebensmitteln zu versorgen. Zwischen den katholischen Schriften und der montanistischen Fastenschrift besteht aber eine erhebliche Differenz hinsichtlich der in ihnen zutagetretenden Haltung Tertullians zu dem Usus der Versorgung der Inhaftierten: Erscheint dieser in „Ad martyras", im „Apologeticum" und in „Scorpiace" als ein mit selbstverständlicher Akzeptanz erwähnter Aspekt gemeindlicher Fürsorge, so unterzieht Tertullian ihn in „De ieiunio" beißender Kritik. Im Rahmen der Intention dieser Schrift, die Überlegenheit der montanistischen Fastenpraxis gegenüber der bei den Katholiken geübten zu erweisen47, stellt er den Aufenthalt im Kerker als Einübung in Hunger und Durst und als Möglichkeit zur Praktizierung rigorosen Fastens dar; durch diese strenge Entsagung sei der Montanist sowohl auf die Folter als auf den Tod in besonderer Weise vorbereitet.48 Gegenüber diesem

44 Scorp. 11,3 (CChr.SL II, 1090,19f): „... et cum in carcere fratrem vult visitali (sc. Christus), confessoris imperat curam,...". Tertullian denkt hier vermutlich an Mt 25,36. 45 Vgl. den Scorp. 11,4 (CChr.SL II, 1091,23-26) geäußerten Vorwurf: „Haec si non ita accipiuntur (sc. Gnostici), quemadmodum pronuntiantur, sine dubio praeter quam sonant sapiunt, et aliud in vocibus erit, aliud in sensibus, ut allegoriae, ut parabolae, ut aenigmata." 46

Scorp. 1 l,4f (CChr.SL II, 1091,26-5): „Quemcumque igitur conceperint ventum argumentationis scorpii isti, quocunque se acumine inpegerint, una iam linea est, ad ipsas res provocabuntur, an secundum scripturas transigantur. Siquidem tunc aliud significabitur in scripturis, si non id ipsum reperiatur in rebus. Quod enim scriptum est, hoc evenire oportebit." 47 Zu Intention und Aufbau der Fastenschrift vgl. Johannes Schümmer, Die altchristliche Fastenpraxis mit besonderer Berücksichtigung der Schriften Tertullians, Münster 1933, 226-231.

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Idealbild montanistischer Strenge entwirft Tertullian ein ironisches Bild des Treibens bei katholischen Inhaftierten: Ihnen würden „Garküchen" (popinae) in den Gefangnissen errichtet, damit sie nicht an den Entbehrungen der Haft Anstoß nehmen könnten.49 Zur weiteren Schmähung der Versorgung der Bekenner greift er das Beispiel des Katholiken Pristinus50 auf, der in der Form der „custodia libera" in einem Privathaus51 inhaftiert war. Nachdem dieser eine Weile „gemästet", mit Bädern und anderen Erholungsarten verwöhnt worden sei und am Tage vor dem Verhör Wein erhalten habe, sei er erwartungsgemäß unter der Folter seiner Schwäche erlegen und über seiner Ableugnung gestorben.52 Die hier unter

4

' De ieiun. 12,2 (CChr.SL II, 1270,19-1271,27): „... in carcerem talis introeat Christianus, qualis inde prodisset, non poenam illic passurus, sed disciplinam, nec saeculi tormenta, sed sua officia, eoque fïdentior processurus ad certamen e custodia abusus nihil habens carnis, sic ut nec habeant tormenta materiam, cum sola et arida sit cute loricatus, et contra ungulas corneus, praemisso iam sanguinis suco tamquam animae impedimentis, properante iam et ipsa, quae iam saepe ieiunans mortem de proximo norit." 49 De ieiun. 12,3 (CChr.SL II, 1271,27-29): „Plane vestrum est in carceribus popinas exhibere martyribus incertis, ne consuetudinem quaerant, ne taedeat vitae, ne nova abstinentiae disciplina scandalizentur...". 50

De ieiun. 12,3 (CChr.SL II, 1271,30): „... ille Pristinus vester non Christianus martyr". Die Frage, ob „pristinus" als Eigenname oder als Adjektiv im Sinne von „euer jüngster Märtyrer" (so nach der Übersetzung von Kellner/Esser, BKV 24) zu verstehen ist, wird von Schöllgen, Ecclesia sordida, 202, zugunsten der ersten Möglichkeit entschieden, da es aus „stilistischen Gründen schwer möglich" sei, „pristinus" als Adjektiv zu fassen. Auch in den Editionen von „De ieiunio" im CSEL (Bd. XX; Reifferscheid/Wissowa) und im CChr.SL (Bd. Π) erscheint „Pristinus" als Eigenname. Die Bezeichnung des Pristinus als „non Christianus" bezieht sich vermutlich darauf, daß er letztlich nicht standgehalten hat und über seiner Ableugnung gestorben ist; ähnlich Barnes, Tertullian, 184: „... despite his death, Pristinus was not a Christian martyr because he wished to deny." Vgl. De praescr.haer. 3,6 (CChr.SL 1,188,16f), wo Tertullian nur denjenigen, die bis zum Ende standhalten, das Christsein zuerkennt: „... nemo autem christianus nisi qui ad finem usque perse vera verit." In diesem Kontext geht es allerdings um die Versuchungen seitens der Häresien, weniger die Bedrohung durch die Verfolgung, so daß nicht deutlich ist, ob mit „finis" hier, wie z.B. in Scorp. 9,5 (CChr.SL Π, 1085,20f: „Nec enim aliud est sustinere in finem, quam pati finem"), das Standhalten gegenüber der Verfolgung bis zum Martyrium gemeint ist (so Rankin, Church, 95) oder eher die bis zuletzt durchgehaltene Standhaftigkeit gegenüber häretischen Auffassungen. 51 52

Zu dieser Form der Inhaftierung vgl. Anm. 65.

De ieiun. 12,3 (CChr.SL II, 1271,31-9): „... quem (sc. martyrem) ex facúltate custodiae liberae aliquamdiu fartum, omnibus balneis quasi baptismate melioribus et omnibus luxuriae secessibus quasi ecclesia secretioribus et omnibus vitae istius inlecebris quasi aeterna dignioribus hoc puto obligatum, ne mori vellet, postremo ipso tribunaiis die luce summa condito mero tamquam antidoto praemedicatum ita enervastis, ut paucis ungulis titillatus (hoc enim ebrietas sentiebat) quem dominum confiteretur interroganti praesidi respondere non potuerit amplius, atque ita de hoc iam extortus, cum singultus et ructus solos haberet, in ipsa negatione discessit." Auch wenn diese Darstellung vermutlich nicht frei von polemischen Übertreibungen ist, so lassen sich nach Schöllgen, Ecclesia sordida, 203, „dahinter doch die Verhältnisse eines Bürgers erkennen, dem der Prokonsul die custodia libera einräumen konnte." Nach Garnsey, Social status, 148-152, war diese Form der

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Aufnahme eines Einzelfalles sicherlich überspitzt und karikierend dargestellte Versorgung der Bekenner in der Haft, ein kurze Zeit vorher auch in der „Passio Perpetuae" selbstverständlich erwähnter Brauch53, bildet für Tertullian ein Element seiner Polemik gegenüber der Milde der katholischen Fastenpraxis, die sich eben auch in der „Verwöhnung" der Inhaftierten dokumentiere; diejenigen, die diesen von ihm als Teil der katholischen „sobrietatis disciplina" abgewerteten Brauch predigten und durchführten, sind fur ihn dann auch nichts anderes als „pseudoprophetae" und „haeretici".54 Die Akzeptanz, mit der Tertullian die Versorgung der Inhaftierten in den genannten Äußerungen aus katholischer Zeit erwähnt hat, deutet daraufhin, daß er sich der Bindung zwischen Bekennern und der übrigen Gemeinde bewußt war; die sich sowohl in dem Anrecht der Bekenner auf gemeindlich organisierte Fürsorge als auch in der privaten Wohltätigkeit widerspiegelnde Würdigung der Bekenner seitens der Mitchristen wird von ihm zwar nicht besonders unterstrichen, aber ohne kritische Zusätze dargestellt. Eine wesentliche Radikalisierung zeigt sich demgegenüber in der Fastenschrift: Die Versorgung der Bekenner wird als „Verwöhnung" diskreditiert, die in der Konsequenz sogar kontraproduktiv sei, da sie - das soll das Beispiel des Katholiken lehren - dazu führe, daß Bekenner nicht in der Lage seien standhaft zu bleiben. Auch wenn diese Darstellung zum

Inhaftierung Menschen mit höherem gesellschaftlichem Status sowie großem Vermögen vorbehalten. 53

Pass.Perp. 16,4 (Habermehl, Passio, 22): „et ita iussit (tribunus) illos humanius haberi ut

fratribus eius et ceteris facultas fieret introeundi et refrigerandi cum eis ...". Finé, Terminologie, 171f, weist zwar auf den umfassenden Bedeutungsgehalt von „refrigerare" in der Passio Perpetuae im Sinne von „sich erholen, sich erquicken durch materielle und geistige Dinge" hin, wie die Äquivalente in der griechischen Übersetzung erkennen ließen (vgl. Pass.Perp. 3,4; 3,7;9,1). In der zitierten Stelle ist aber durch den Kontext - Perpetua kritisiert die von dem Tribun veranlasste schlechtere Ernährung der Gefangenen (Pass.Perp. 16,3) - der Bezug auf das gemeinsame Essen deutlich. Als Pflicht angesehen wird die Versorgung der Bekenner in Didask. 19, ihre Durchführung in der Mitte des 3. Jhdts., zur Zeit der Verfolgungen unter Decius und Valerian, belegen zahlreiche Stellen im cyprianischen Briefcorpus (vgl. ep. 5,1,1; CChr.SL III B , 27,9-15; ep. 12,1,1; CChr.SL III B , 67,4-8; ep. 13,7; CChr.SL ΠΙ B , 78,103f; ep. 14,2,l,f; CChr.SL ΙΠ B , 80,23-81,36; ep. 41,1,2; CChr.SL ΠΙ B , 196,13-17; ep. 77,3,2; CChr.SL III C, 6 2 0 , 3 9 - 4 2 ; ep. 78,3,1; CChr.SL III C, 623,33f; ep. 79,1; CChr.SL ΠΙ C, 625,8f). Cyprian erwähnt drei Quellen der Bekennerffirsorge: die gemeindlichen Gelder (ep. 5,1,1; CChr.SL III B , 279,15), Spenden aus seinem privaten Vermögen (ep. 7,2; CChr.SL III B, 39,15-17; ep. 13,7; CChr.SL III B , 7 8 , 1 0 4 - 1 0 6 ) sowie persönliche Wohltätigkeit seitens der Mitchristen (ep. 13,7; CChr.SL III B , 78,107-109; ep. 14,2,2; CChr.SL ΠΙ B , 80,32-81,33). Bei letzterem ist allerdings nach Clarke, Letters, Vol.1, 260, nicht deutlich, ob Cyprian mit diesen Äußerungen auf eine speziell für die Bekenner veranstaltete Sammlung innerhalb der Gemeinde hinweist oder „in more general terms o f charitable endeavour" spricht. 54

De ieiun. 12,4 (CChr.SL II; 1271,9-11): „Ideo sobrietatis disciplinam qui praedicant, pseudo-

prophetae, ideo haeretici, qui observant."

Gemeindliche Fürsorge für die Bekennerinnen und Bekenner

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Zweck der Ablehnung katholischer Fastenauffassung vermutlich zusätzlich überspitzt ist und die Thematik der Bekennerversorgung nur als ein Element in der antikatholischen Argumentation fungiert, läßt sie doch Rückschlüsse auf Tertullians Haltung zur Bekennerfürsorge in dieser Zeit zu: Zumindest die Versorgung mit zusätzlichen Nahrungsmitteln fällt unter ein Verdikt, darüberhinaus physische Erleichterungen, die insbesondere in der „custodia libera" möglich waren. Darin zeigt sich letztlich die Absage an eine Würdigung der Bekenner seitens der Gemeinde, insoweit sie in deren materieller Versorgung Gestalt gewinnt. Für den Bekenner erscheint die Haft als Möglichkeit der Verwirklichung strengster, auf das Martyrium vorbereitender Fastenpraxis und Askese, die keine Erleichterung duldet. In der Konsequenz dieser Ausführungen steht eine Individualisierung des Bekenners, dessen leidvolles Dasein primär unter dem Aspekt der persönlichen „praeparatio ad martyrium" betrachtet wird55, nicht aber unter demjenigen einer Einbindung in eine „mitleidende" Gemeinschaft. Ein anderer Aspekt der Fürsorge für die Bekenner, ihre Versorgung in geistiger und geistlicher Hinsicht, spiegelt sich bei Tertullian in der Abfassung der Exhortationsschrift „Ad martyras" wider, die nach seinen eigenen Worten „ad spiritum educandum" dienen sollte.56 Diese „Ernährung des Geistes" sollten die Inhaftierten zusammen mit ihrer materiellen Versorgung empfangen, da es nicht gut sei, nur den Leib zu nähren, den Geist aber hungern zu lassen.57 Daß Tertullian sehr wahrscheinlich als Laie diese Schrift verfaßte58, zeigt, daß die geistli55 Auch in „Ad martyras" spielt der Gedanke der Vorbereitung auf das Martyrium durch die Entbehrungen der Haft schon eine zentrale Rolle: „Sit nunc, benedicti, career etiam Christianis molestus ... Proinde vos, benedicti, quodcumque hoc durum est, ad exercitationem virtutum animi et corporis deputate ... Nempe enim et athletae segregantur ad strictorem disciplinam, ut robori aedificando vacent. Continentur a luxuria, a cibis laetiorius, a potu iucundiore. Coguntur, cruciantur, fatigantur: quanto plus in exercitationibus laboraverint, tanto plus de victoria sperant." (Ad mart. 3,1.3f; CChr.SL I, 5,11-6,5) Der Vergleich mit dem sich auf den Wettkampf vorbereitenden Athleten weist aber nur auf eine mäßige Fastenpraxis im Sinne der Enthaltung von üppigen Speisen als Element der „praeparatio" hin. Entsprechend erwähnt Tertullian in diesem Traktat die Aufbesserung der kargen Gefängniskost durch Gaben der Gemeinde oder einzelner Mitchristen in akzeptierender Weise. 56 Ad mart. 1,1 (CChr.SL I, 3,5f): „... capite aliquid et a nobis quod faciat ad spiritum quoque educandum." 57 Ad mart. 1,1 (CChr.SL I, 3,6-8): „Carnem enim saginari et spiritum esurire non prodest. Immo, si quod infirmum est curatur, aeque quod infirmius est neglegi non debet." Mit dem Begriff „educo" - physisch und moralisch erziehen, ernähren - bleibt Tertullian in dem den Anfang dieses Traktates prägenden Bild der „Ernährung" der Bekenner. 58 Speziell fur diesen Traktat könnte dies die Bescheidenheitsformel in Ad mart. 1,2 (CChr.SL I, 3,8-12) nahelegen: „Nec tantus ego sum, ut vos alloquar; verumtamen et gladiatores perfectissimos non tantum magistri et praepositi sui, sed etiam idiotae et supervacui quique adhortantur de longinquo, ut saepe de ipso populo dictata suggesta profuerint." Hieronymus (De vir.ill. 55)

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che und moralische Unterweisung der Bekenner noch nicht von vornherein als Aufgabe des Gemeindeklerus betrachtet wurde. Demgegenüber zeigt sich Mitte des 3. Jahrhunderts, daß Cyprian in selbstverständlicher Weise davon ausgeht, daß für die biblische Unterweisung und Exhortation der Inhaftierten herkömmlicherweise die Diakone zuständig sind.59 Sowohl für die Versorgung mit materiellen Dingen, in erster Linie mit Lebensmitteln, als auch für das Überbringen von Schriften oder die mündliche Unterweisung war die Voraussetzung, daß Mitchristen überhaupt ein Zugang zum Haftort gewährt wurde. In rechtlicher Hinsicht waren die Möglichkeiten für den Besuch und die Versorgung der Bekenner vermutlich in sehr unterschiedlicher Weise gegeben.60 Daß es Haftbedingungen gab, die keine Besuchsmöglichkeit

überliefert demgegenüber, daß Tertullian Presbyter gewesen sei. Die Frage nach der Akzeptanz dieser Tradition ist in der Literatur vielfach diskutiert worden und wird auch in der jüngeren Forschung noch kontrovers beantwortet: Während z.B. Robeck, Role, 11, grundsätzlich davon ausgeht, daß Tertullian wohl Presbyter gewesen sei, stützt Braun, Tertullien, 73f, sich für die Annahme eines Presbyterates Tertullians speziell auf die Stelle De an. 9,4, aus der er folgert, „qu'à une époque où il subissait l'influence montaniste sans avoir rompu avec l'Église, il se distinguait des laies (plebs) et exerçait l'office de prédicateur et de pretre." Von einem Amt innerhalb des Klerus der Montanisten geht aus Waszink, De anima, 169; dies setzt aber ein formelles Schisma zwischen Katholiken und Montanisten zur Zeit Tertullians und eine eine eigene montanistische Hierarchie voraus, was aber eher unwahrscheinlich ist. Vgl. Kap. 4.2.1, Anm. 174. Barnes, Tertullian, 11, hat hingegen betont, daß Tertullian sich in keinem seiner Traktate als Kleriker darstelle, sondern sich vielmehr an zwei Stellen unter die Laien einordne (De mon. 12,2; De exhort.cast. 7,3); ähnlich Groh, Community, 19, Rankin, Church, 38-40. Uwe Neymeyr, Die christlichen Lehrer im 2. Jhdt., Leiden/New York/Kopenhagen/Köln 1989, 134f, sieht in Tertullian einen „doctor", der aber „kein Gemeindeamt bekleidete und seine Lehrtätigkeit ohne offizielle ständige Beauftragung durch die Gemeinde ausübte. An keiner Stelle seiner überlieferten Schriften beruft sich Tertullian auf irgendeine amtliche Autorisation oder Legitimation." In diesen Rahmen würde sich auch De an. 9,4 einfügen. Ohne jeden Anhalt an der Überlieferung erscheint hingegen die bei Russell, Satan, 88, zu findende Äußerung: Tertullian „became bishop of Carthage". 59 ep. 15,1,2 (CChr.SL II B, 85,10-86,15): „Et credideram quidem presbyteros et diáconos qui illic praesentes sunt monere vos et instruere pienissime circa evangeli! legem, sicut in praeteritum semper sub antecessoribus nostris factum est, ut diaconi ad carcerem comineantes martyrum desideria consiliis suis et scripturarum praeceptis gubernarent." Als Beauftragte des Bischofs hatten die Diakone im 3. Jhdt. vor allem den Bereich der praktischen Gemeindefureorge zu betreuen (vgl. Theodor Klauser, Art. Diakon I (christlich), in: RAC III (1957), 899); hierzu gehörte auch die Fürsorge für die Bekenner. Eine Illustration dieser Aufgabe der Diakone bietet die „Passio Perpet u a i ' (3,7; 6,7; 10,1), wobei es in den genannten Stellen aber vor allem um die materielle Fürsorge fur die Inhaftierten geht. 60

Die Modalitäten und Bedingungen der Haft, die im römischen Strafrecht entweder Untersuchungs- oder Vollstreckungshaft und nur sehr am Rande auch eigenständige Strafe war (vgl. Ulpian, Dig. XL Vili, XIX, 8,9: „career enim ad continendos homines, non ad puniendos haberi debet"), wurden von den Magistraten bei der Inhaftierung mit einer gewissen Beliebigkeit festgelegt. Vgl. Hitzig, career, 1577; Mommsen, Strafrecht, 305. Nach Arbandt, Gefangenschaft, 321, waren die Gefängnisse häufig unterteilt in den inneren Bereich, in dem die Haft durch Dunkelheit und Fesse-

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beinhalteten, ebenso wie erleichterte Inhaftierungen, belegt für die Zeit Tertullians die „Passio Perpetuae": „et ita iussit (tribunus) illos humanius haberi ut fratribus eius et ceteris facultas fieret introeundi et refrigerandi cum eis ,..".61 In Tertullians Äußerungen zur Fürsorge fur die Bekenner wird die Möglichkeit des Zutritts Dritter hingegen durchgängig vorausgesetzt, und zwar auch dort, wo er - wie z.B. in „Ad martyras" - von der Inhaftierung der Bekenner im „carcer" spricht62, in dem diese offensichtlich gefesselt sind.63 Gegeben war eine Besuchsmöglichkeit aufjeden Fall auch in der von ihm in „De ieiunio" erwähnten Inhaftierung in der Form der „custodia libera"64, einer leichteren Form der Untersuchungshaft.65 Daß

lung der Gefangenen besonders schwer war, und in den äußeren Bereich, in dem die Gefangenen ungefesselt waren und durchaus Dritte zugelassen sein konnten. Auf eine solche Unterteilung weist auch Pass.Perp. 3,5.7f (Habermehl, Passio, 8) hin: „post paucos dies recipimur in carcerem; et expavi, quia numquam expertaeram tales tenebras.. ibi tunc Tertius et Pomponius, benedirti diaconi qui nobis ministrabant, constituerunt praemio uti paucis horis emissi in meliorem locum carceris refrigeramus. tunc exeuntes de carcere universi sibi vacabant." Einen Fall, in dem der Zugang von außen und die Hilfe für inhaftierte Bekenner ausdrücklich von Seiten eines Magistraten, des ägyptischen Präfekten Sabinus, verboten worden waren, belegt fur die Zeit der Verfolgung unter Valerian Dionysios bei Eus., HE VII,11,25. 61 Pass.Perp. 16,4 (Habermehl, Passio, 22); vgl. Pass.Perp. 9,1 (Habermehl, Passio, 14): „qui multos ad nos admittebat (Pudens miles optio) ut et nos et illi invicem refngeraremus." 62

Tertullian bezeichnet in „Ad martyras" den Haftort durchgängig als „carcer": Ad mart. l,1.3f.6; 2,lf.4f.8f; 3,1; 4,2 (CChr.SL 1, 3,4.14.17.18.26f.30; 4,4.1 Of. 16,31; 5,6.10; 6,16). An der einzigen Stelle, an der er den Begriff „custodia" aufnimmt, beschreibt dieser das Gefängnis als einen leichteren Haftort gegenüber dem eigentlichen „Kerker", der Welt (Ad mart. 2,4; CChr.SL 1,4,1 Of), stellt also keinen terminus technicus zur Bezeichnung der Haftform dar. 63

Die Ketten („catenae", „vincula") der Bekenner erwähnt Tertullian in Ad mart. 1,2 (CChr.SL I, 4,6); 1,4 (CChr.SL I, 4,12f). Die Verknüpfung von „carcer" und „vincula" zeigt sich auch in Ad ux. 11,4,2 (CChr.SL I, 389,14f): „Quis in carcerem ad osculanda vincula martyris reptare patietur?". Auch hier ist die Zugangsmöglichkeit zu den inhaftierten Märtyrern vorausgesetzt (vgl. aber Anm. 65). In De pud. 22,1 (CChr.SL II, 1328,2f) spricht Tertullian ebenfalls von den „vincula", die den gefangenen Bekennern angelegt werden, bezeichnet die Haftform aber zunächst als „custodia" und verwendet dann erst den Begriff „carcer" (CChr.SL II, 1328,6). Diese Stelle spricht wie auch Ad mart. 2,4 (vgl. Anm. 62) dafür, daß Tertullian zwar einen Unterschied zwischen der Inhaftierung im „carcer" und in der Form der „custodia" kennt und voraussetzt, diese rechtliche Ebene aber zuweilen zugunsten seiner Argumentation beiseite läßt: Die Haft kann dann als „custodia" erscheinen, wenn Tertullian ihre verhältnismäßige Leichtigkeit ausdrücken will; in De pud. 22 soll durch den Hinweis auf die nach Tertullians Einschätzung nur wenig drückende Haft der Anspruch der Bekenner auf Sündenvergebungsvollmacht zusätzlich diskreditiert werden. Wie in Ad mart, und Ad ux. ist auch hier der Zugang Dritter, in diesem Fall konkret derer, die sich um Friedensbriefe von den Bekennern bemühen, vorausgesetzt: „... statim ambiunt moechi, statim adeunt fornicatores..." (De pud. 22,1; CChr.SL II, 1328,3f). 64 65

De ieiun. 12,3 (CChr.SL II, 1271,31).

Nach Mommsen, Strafrecht, 305, meint der Begriff „custodia libera", der wohl daraus zu erklären ist, daß die Gefangenen in der Regel nicht gefesselt waren, eine Form der Untersuchungshaft sowohl in republikanischer als auch in der Kaiserzeit, die zunächst v.a. bei vornehmen Häftlin-

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Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens

die „facultas introeundi", die Möglichkeit des Zutritts, aber nicht auf einer klaren rechtlichen Regelung beruhte und letzlich wohl weniger mit einer bestimmten Form der Inhaftierung verknüpft als von der Haltung der jeweiligen Gefängniswachen abhängig war, zeigt der von Tertullian in „De pudicitia" gegebene Hinweis auf den Erwerb des „aditus carceris" durch Bestechungsgelder.66

5.2.2 Die Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens Ging es in der Bekennerfürsorge um die Erfüllung der in Mt 25,36 geforderten Gefangenenfürsorge und die Konkretion des fur das christliche Ethos grundlegenden Nächstenliebegebotes, so kamen Bekenntnis und Martyrium darüberhinaus vor allem dadurch eine zentrale Bedeutung für die Gemeindefrömmigkeit zu, daß sich die sündentilgende Kraft des Martyriums in der Vorstellung vieler Christinnen und Christen nicht auf die jeweilige Person des Märtyrers beschränkte, sondern auch auf andere Mitglieder der Gemeinde ausgeweitet werden konnte.67 Welche konkrete gemeindliche Praxis sich mit dieser Vorstellung verband

gen angewandt wurde (Liv., 24,45,8; Cie., Catil. 4,3,5). Diese wurden zumeist in dem Haus eines Magistraten oder einer angesehenen Persönlichkeit verwahrt, wobei sie mit großer Schonung behandelt wurden; vgl. hierzu Hermann Ferdinand Hitzig, Art. custodia (2), in: PW IV/2 (1901), 1898. Grundsätzlich bezeichnet „custodia" eher die Haft im Sinne von Untersuchungshaft, während „carcer" und „vincula" die Vollstreckungshaft in Fesseln bezeichnen; vgl. Arbandt, Gefangenschaft, 318. In diesem Sinne verwendet auch Tertullian „carcer", der nach seiner Darstellung durch Dunkelheit und schlechten Geruch, d.h. wohl mangelnde Belüftung, gekennzeichnet ist (Ad mart. 2,4; CChr.SL I, 4,11-13). Daß sich mit dem Begriff „custodia" demgegenüber die Vorstellung einer leichteren Form der Haft verbindet, ergibt sich bei ihm aus Ad mart. 2,4 (CChr.SL I, 4,1 Of) und De pud. 22,1 (CChr.SL II, 1328,2f). Zur Verwendung von „carcer" und „custodia" bei Tertullian vgl. Anm. 61 f. 66

De pud. 22,1 (CChr.SL II, 1328,5f): „... nec ulli magis aditum carceris redimunt quam qui ecclesiam perdiderunt." Daß die Zahlung von Bestechungsgeldern auch eine Rolle bei der Erlangung von Hafterleichterungen spielte, zeigt sich in Pass.Perp. 3,7 (Habermehl, Passio, 8): „ibi tunc Tertius et Pomponius, benedicti diaconi qui nobis ministrabant, constituerunt praemio uti paucis horis emissi in meliorem locum carecris refrigeraremus." Zur Rolle der Gefängnis wachen, die in der Kaiserzeit zumeist aus dem Soldatenstand kamen, vgl. auch die Einschätzung bei Hitzig, carcer, 1581 : „Im Resultat entschieden aber sowohl in dieser (gemeint ist die Fesselung) wie in anderen Beziehungen (Empfang von Besuchen, Ausgänge) weniger gesetzliche Vorschriften und Weisungen des Richters als Willkür und Laune des „custos carceris"." Möglicherweise weist auch Tertullians Formulierung in Ad ux. 11,4,2 (CChr.SL I, 389,14f; Zitat vgl. Anm. 62) auf die rechtliche Unsicherheit bei den Besuchen hin, bei denen es notwendig ist, „in carcerem ... reptare". 67 Vgl. Dassmann, Sündenvergebung, 163: „So hoch die Einschätzung des Martyriums als zweiter Taufe auch war, sie hätte die religiösen Interessen der Gemeinden doch nur geringfügig tangiert, wenn die entsündigende Kraft des Martyriums dem Märtyrer allein zugute gekommen wäre,

Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens

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und welche bußtheologische Bedeutung den Bekennern und Märtyrern jeweils zugemessen wurde, darüber gehen aber insbesondere in bezug auf das 2. Jahrhundert die Forschungsmeinungen weit auseinander. Insbesondere das Verhältnis zwischen Bekennervollmacht und priesterlicher Sündenvergebungsgewalt erscheint dabei ungeklärt.68 Für die Zeit der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert

weil nur wenige Christen die durch das Martyrium gebotene Möglichkeit der Sündenvergebung ergriffen haben. Viel größer war die Zahl derer, denen die Verfolgung zum Verhängnis wurde, weil sie durch die drohenden Gefahren zum Glaubensabfall getrieben wurden. Das Martyrium konnte nur dann zu einem Faktor ersten Ranges in der Gemeindefrömmigkeit werden, wenn seine Vergebungsfunktion nicht auf die Märtyrer selbst beschränkt blieb, sondern ebenso die übrigen Glieder der Gemeinde und besonders die durch den Glaubensabfall Gefährdeten erreichte." Grundsätzlich findet sich der Gedanke einer durch das Martyrium erlangten Sühne auch fur die Vergehen anderer Menschen bereits in der jüdischen Martyriumstheologie, z.B. in 2.Makk. 7,32ff; 4.Makk. 6,28f; 9,24; 16,16; 17,22. In der altkirchlichen Martyrologie hat er besonders bei Orígenes eine wesentliche Rolle gespielt (Exhort.ad mart. 50; Comm.in Ioann. VI, 54,36). Zu dieser Vorstellung vgl. Lods, Confesseurs, 54-57. 68

Zunächst zeigt sich die Vorstellung einer Befähigung der Märtyrer zur Sündenvergebung in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. in einer ironischen, antimontanistischen (vgl. Eus., HE V, 18,1) Bemerkung des Apollonius. In einem von Eusebius zitierten Bericht über einen angeblichen montanistischen Märtyrer, der in Wirklichkeit auf Grund eines Betrugs festgenommen worden sei und mit einer Prophetin üppige Feste gefeiert habe, fragt er: ,,τίς ούν τ ί ν ι χ α ρ ί ζ ε τ α ι τά α μ α ρ τ ή μ α τ α ; π ό τ ε ρ ο ν ό π ρ ο φ ή τ η ς της λ η σ τ ε ί α ς τω μάρτυρι ή ό μάρτυς τω π ρ ο φ ή τ η τάς πλεονεξίας;" (Eus., HE V, 18,7). Für F.Ε. Vokes, Penitential Discipline in Montanism, in: StPatr XIV (1976), 62, dient dieser Beleg als „... evidence that among the Montanists prophets and martyrs were acknowledged to have authority to forgive sins." In ihrer Allgemeinheit ist diese Aussage aber gerade auch im Blick auf die Position Tertullians (vgl. Anm. 104) fraglich. Jenseits aller Ironie reflektiert die genannte Stelle aber aufjeden Fall die Vorstellung, daß besondere Geistbegabung und die Befähigung zur Sündenvergebung zusammengehören (vgl. dazu auch Dassmann, Sündenvergebung, 170). Ebenfalls in die zweite Hälfte des 2. Jhdts., in das Jahr 177, gehören die Nachrichten von einer durch die Märtyrer von Lyon vorgenommenen Wiederaufnahme Gefallener (Eus., HE V,l,45; 2,5). Es ist insbesondere diese Quelle, die in ihrer Deutung im Hinblick auf die dahinterstehende Praxis und die bußtheologische Bedeutung der Märtyrer in der Forschung sehr umstritten ist; verstärkt wird das vorliegende Interpretationsproblem dadurch, daß die jeweiligen Deutungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der grundsätzlichen Auffassung der Entwicklung der Buße und des Bischofsamtes in der Alten Kirche stehen: Nach Poschmann, Paenitentia secunda, 27If, ist das den Bekennern zugeschriebene λ ύ ε ι ν nicht im Sinne einer direkten Erteilung der Sündenvergebung durch die Märtyrer zu verstehen; die Wirksamkeit der Märtyrer habe nach diesem Bericht in erster Linie im Gebet für die Gefallenen bestanden, das diesen „Gottes Erbarmen und die Gnade des Martyriums erflehte." Die Märtyrer hätten durchaus einen besonderen Einfluß bei Gott, den sie durch Fürsprache für die Gefallenen nutzten, aber ihre „Prärogative (hat) keinen kirchlich-sakramentalen Charakter, so daß sie etwa an Stelle des Bischofs Vergebung und Rekonziliation erteilten." Dieser Einschätzung schließt sich Josef Grotz, Die Entwicklung des Bußstufenwesens in der vomicänischen Kirche, Freiburg 1955,124, mit Vorbehalten an, geht aber in seiner Ablehnung einer hier bezeugten Sündenvergebung durch Märtyrer noch weiter: „Feststehen dürfte sicher, daß aus dieser Stelle nichts fur ein Prärogativ der Märtyrer, das einem Ersatz kirchlicher Sündenvergebung gleichkäme, zu entnehmen ist." Direkt gegen die Einschätzung Poschmanns wendet sich Hans von Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten,

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Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens

bezeugt nun Tertullian, daß Christen, die sich im Büßerstand befanden, inhaftierte Märtyrer um Vergebung ersuchten; Belege finden sich bei ihm in der katholischen Schrift „Ad martyras" ebenso wie in dem montanistischen Traktat „De pudicitia". Den Kontext des Beleges in „Ad martyras" bildet die an die inhaftierten Bekenner gerichtete Ermahnung zur „concordia" und „pax" untereinander. Für diese Aufforderung liefert Tertullian eine zweifache Begründung: Zum ersten bedeute Frieden zwischen den Bekennern Krieg für den Teufel, zu dessen Bekämpfung sie ja gerade in den Kerker gekommen seien. Entzweiung und Streit seien Waffen des Teufels, Eintracht und Frieden aber die Gegenmittel der Inhaf-

Tübingen 1953, 241: „Sie (die Märtyrer von Lyon) gewinnen während der Gefangenschaft die vorher abgefallenen Brüder erneut für den Glauben, so daß sie nachher gemeinsam mit ihnen in den Tod gehen. Diese sind aber nicht erst durch das Blutzeugnis zu Gliedern der Kirche geworden; die Märtyrer haben schon vorher, im Gefängnis, die volle Gemeinschaft mit ihnen aufgenommen und gerade dadurch den vorher Toten ... das Leben zurückgeschenkt." Eine Unterscheidung des Vorgehens der Märtyrer von einer speziellen priesterlichen Rekonziliation sei nicht sachgemäß, da von einer besonderen Bußvollmacht des Bischofs zunächst noch gar nicht die Rede sei. Auf Grund einer differenzierteren Sicht der Entwicklung des kirchlichen Amtes und seiner Kompetenzen hält Ingrid Goldhahn-Müller, Die Grenzen der Gemeinde. Studien zum Problem der Zweiten Buße unter Berücksichtigung der Entwicklung im 2. Jh. bis Tertullian, Göttingen (1989), 334f, ebenfalls im Gegensatz zur Auffassung Poschmanns eine hier zu erkennende direkte „Ausübung der Vollmacht zur Sündenvergebung durch Märtyrer* für durchaus möglich. Zu Eus., HE V, 2,5-7 führt sie aus: „In ihrer unfehlbaren Fürbitte, die alle entschuldigt und niemanden anklagt (2,5), und in der (pneumatischen) Zusage, daß sichere Vergebung durch Gott erlangt sei, besteht das,Binden' und,Lösen' der Märtyrer." Sie geht dabei davon aus, „daß die Wiederaufnahme der Abgefallenen durch die Bekenner volle Geltung in der Gemeinde" hatte. Als Beleg für eine direkte Sündenvergebung durch Märtyrer kraft ihres besonderen Charismas erscheint der zitierte Bericht ebenfalls bei Lucius, Anfänge, 67; G. Jouassard, Le role des Chrétiens comme intercesseurs auprès de Dieu dans la Chrétienté Lyonnaise au second siècle, in: RSR 30 (1956), 217-229, bes. 220; Gramaglie, Ai martiri, 117-120, sowie bei Kraft, Lyoner Märtyrer, 265: „Da Mt 16,19 zitiert wird, ist die Meinung unseres Textes, die Märtyrer seien im Besitz der Schlüsselgewalt und machten auch den rechten Gebrauch davon." Trotz der „Spitze" dieses Textes gegen „ein Amt, das sich den Gefallenen gegenüber weniger barmherzig zu verhalten pflegte", sei es in Lyon nicht zu einem Streit über die Behandlung der Lapsi gekommen, „denn hier fehlt das institutionelle Amt, das den Märtyrern die Vergebungsvollmacht bestreitet und für sich beansprucht." Eine direkte Sündenvergebung seitens der Märtyrer sieht auch Frend, Martyrdom, 17, in dem genannten Text widergespiegelt; er geht dabei aber ebenso wie Vokes, Discipline, 63, von einem starken montanistischen Einfluß in Vienne und Lyon aus. Vokes folgert entsprechend aus dieser Stelle: „In contexts with Montanist sympathies we have evidence of martyrs being highly honoured and reconciling even those who have lapsed." Zu dieser Frage vgl. dagegen aber Kraft, Lyoner Märtyrer, 250-266, der den montanistischen Charakter des Christentums in Vienne und Lyon zurückhaltender beurteilt: „Die Lyoner Märtyrer (können) trotz ihrer Anerkennung der montanistischen Prophetie und ihrem Eintreten für den Montanismus doch nicht als Montanisten" gedeutet werden. „Sie haben die Spaltung nicht mitgemacht." Die von ihnen vertretene Milde gegenüber den Abfallsündem entspräche auch gerade nicht der rigoristischen Strenge einer konsequent montanistischen Position. Für einen weiteren Überblick zur Stellung der Märtyrer im Rahmen der Buße vgl. Poschmann, Paenitentia secunda, 270-283; Grotz, Entwicklung, 123-132; Goldhahn-Müller, Grenzen, 332-336.

Bewertung von Bekenntnis und Martyrium im Rahmen des Bußwesens

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tierten.69 Zum zweiten bestehe die Notwendigkeit zum Frieden unter den Bekennern deshalb, damit sie diesen eventuell auch anderen gewähren (aliis praestare) könnten.70 Gemeint sind mit den „alii" diejenigen Christen, die durch eine schwere Sünde aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen sind und nun bei den Bekennern um Wiedererlangung der „pax" nachsuchen: „Quam pacem quidam in ecclesia non habentes a martyribus in carcere exorare consueverunt."71 Tertullian erwähnt diese offensichtlich häufiger geübte Praxis72 mit einer Selbstverständlichkeit, die nahelegt, daß ihm zu dieser Zeit die Möglichkeit der Bekenner, Büßern wieder zur kirchlichen Gemeinschaft73 zu verhelfen, noch nicht infragestand. In welcher Form diese erneute Gewährung der „pax" durch die Bekenner stattfand und in welchem Verhältnis sie zu einer eventuell noch durch den Bischof vollzogenen Rekonziliation stand, läßt sich aus Tertullians Ausführungen in „Ad martyras" aber nicht entnehmen.74

69

Ad mart. l,4f (CChr.SL I, 3,16-25).

70

Ad mart. 1,6 (CChr.SL I, 3,27-29): „Et ideo etiam propterea in vobis habere et fovere et custodire debetis (sc. pacem), ut, si forte, et aliis praestare possitis." Die Formulierung „et aliis praestare" (verschaffen, gewähren; zu „praestare" im Sinne von „gewähren" vgl. z.B. Ad mart. 2,8; CChr.SL I, 4,31) spricht eher gegen die z.B. bei Altendorf, Einheit, 36, und Micaelli, La pudicité, 95, vertretene Einschränkung der hier erkennbaren Bekennervollmacht auf eine bloße Fürbitte. Begrifflich entspricht das, was die Bekenner tun, dem, was in De pud. 11,1 (CChr.SL II, 1301,81302,9) von Christi Verhalten gegenüber Menschen ausgesagt wird, die noch nicht Christen waren: „... veniam delictorum praestare ...". 71 Ad mart. 1,6 (CChr.SL I, 3,25-27). 72 Darauf weist die Verwendung des Verbs „consuevisse" - „gewohnt sein, pflegen" für das genannte Verhalten der Büßer hin. LeSaint, Treatises, 290, geht davon aus, daß Tertullian sich hier auf „a custom of some standing" bezieht. 73 „pax" ist nach Poschmann, Paenitentia secunda, 272, sowohl bei Tertullian als auch später bei Cyprian „stehender Ausdruck fur die Gemeinschaft mit der Kirche." Grotz, Entwicklung, 125, deutet „pax" in Ad mart.l als „eine Art sozialen Frieden, allenfalls ... die pax ecclesiastica", die er von der in der endgültigen Rekonziliation erteilten pax divina abgrenzt. 74 In entsprechend allgemeiner Form schreibt Poschmann, Paenitentia secunda, 273: „Wenn nun nach Tertullian manche, die sich nicht des Friedens in der Kirche erfreuten, ihn von den Märtyrern im Gefängnis zu erbitten pflegten, dann hat man diesen die Fähigkeit beigelegt, den Sündern die kirchliche Gemeinschaft wieder zu verschaffen. Ich gebrauche absichtlich den allgemeinen Ausdruck .verschaffen', weil der Text nicht notwendig besagt, daß die Märtyrer direkt, mit Ausschaltung des Bischofs, die Rekonziliation vollzogen hätten... Es muß dahingestellt bleiben, in welchem Sinne der katholische Tertullian an der hier herangezogenen Stelle (Ad mart. 1) die Gewährung des Friedens durch die Märtyrer gemeint hat. Er sagt nichts weiter über den Usus, scheint ihn aber durch die Art und Weise, wie er ihn als Motiv verwendet, gutzuheißen." Poschmanns Vermutung tendiert aber dahin, daß Ad mart. 1 auf einen Einfluß der Märtyrer hindeutet, der nicht mehr nur „rein religiös" war, sondern auch „rechtlich" zu bewerten sei. Diese These beruht aber auf der problematischen Entgegensetzung der durch Bekenner vollzogenen Vergebung durch Gebet und Fürsprache und der ,rechtlichen" durch Priester vollzogenen Rekonziliation in der Zeit vor Tertullian, die jüngst auch noch von Micaelli, La pudicité, 96, vorausgesetzt worden ist: „II est claire que le martyr n'exerce pas

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Auf eine den Büßer in seiner tätigen Buße unterstützende Fürsprache der Bekenner und Märtyrer bei Gott könnte ein Beleg aus Tertullians katholischer Bußschrift „De paenitentia"75 hindeuten, in dem er die Anforderungen der öffentlichen Buße erläutert: Neben dem Tragen von Büßergewändern, dem Fasten, dem Weinen und Klagen76 sei dem Bußfälligen geboten, „presbyteris advolui, et caris dei adgeniculari, omnibus fratribus legationem deprecationis suae iniungere."77 Die Formulierung „caris dei adgeniculari" - „vor den Lieblingen Gottes niederknien" - könnte dabei im Sinne einer durch Niederknien ausgedrückten Bitte um Fürsprache78 der Märtyrer zu verstehen sein. Diese Deutung ist aber aus zwei Gründen unsicher. Zum einen ist die Stelle textkritisch unklar - die Mehrzahl der

une autorité de gouvernement comme celle de l'éveque; il serait tout simplement absurde, sur le plan historique, de penser que la réadmisssion dans l'Église puisse etre ratifiée, formellement et liturgiquement, par les martyrs." Gerade die Ungeklärtheit des Verhältnisses bei Tertullian weist aber daraufhin, daß diese Formen der Sündenvergebung noch nicht in deutlichem Gegensatz zueinander standen. Auf Grund sehr differenzierter Vorstellungen über die Entwicklung der Buße zur Zeit Tertullians meint Grotz, Entwicklung, 125, die Wirksamkeit der Bekenner nach Ad mart.l auf die Gewährung der kirchlichen Gemeinschaft, der „communio", eingrenzen zu können, d.h. auf die Aufhebung der Exkommunikation und die damit gewährte Zulassung zur kirchlichen Buße; die Erteilung der „pax divina" erfolge erst nach der Exomologese (bei Tertullian verstanden als Gesamt der von der Kirche auferlegten Bußakte; vgl. De paen. 9,3f; CChr.SL I, 336,8-18) in dem Akt der Rekonziliation. Ebenfalls als einen Schritt auf dem Weg zur endgültigen Rekonziliation sieht Hellmanns, Wertschätzung, 25, das von den Bekennern Gewährte, wenn er es als Empfehlung der Sünder zur Rekonziliation versteht. Ob diese Deutungen vor dem Hintergrund der tatsächlich aus Tertullian zu entnehmenden Informationen über den Ablauf der Buße haltbar sind, scheint mehr als fraglich. Trotz eingehender Untersuchung der Bußtheologie Tertullians unternimmt GoldhahnMüller, Grenzen, 334, keinen Versuch, die Kompetenz der Bekenner in den Rahmen der kirchlichen Buße einzuordnen; sie geht davon aus, daß „offenbar jeder Reumütige, der wegen schwerer Verfehlung in Distanz zur christlichen Gemeinde lebte, direkt durch die Märtyrer die volle Vergebung und Wiederaufnahme erlangen" konnte. Jenseits aller Mutmaßungen über die bußtheologische Kompetenz der Bekenner zeigt sich deutlich, daß Tertullian kein Interesse an einer Verhältnisbestimmung zwischen Bekennerprivileg und bischöflich verwalteter Buße hat; dies deutet zumindest nicht auf einen akuten Gegensatz oder Konflikt zwischen beiden hin. 75

Zur Datierung in die Zeit zwischen 198 und 206 vgl. Braun, Deus Christianorum, 570. Vgl. De paen. 9,3f (CChr.SL I, 336,8-16). Einen Überblick zu den aus Tertullians Schriften zu entnehmenden Elementen der öffentlichen Buße bietet Karl-Josef Klär, Das kirchliche Bußinstitut von den Anfängen bis zum Konzil von Trient, Frankfurt/Bern/New York/Paris (1991), 90f. Nach Goldhahn-Müller, Grenzen, 361, „begegneten einzelne Bußübungen wie Fasten, Trauer und Gebet als jüdischer Praxis entnommen bereits bei den Apostolischen Vätern und Irenäus." Tertullian bezeugt aber „erstmals ein sicher greifbares umfassendes System, das mit der Buße überhaupt zusammenfällt und für den postbaptismalen Sünder bindend geworden ist." 77 De paen. 9,4 (CChr.SL I, 336,16-18). 78 Zu diesem Brauch vgl. De paen. 10,6 (CChr.SL I, 337,21): „... ergo cum te ad fratrum genua protendis..." 76

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Handschriften liest statt „caris" „aris"79 - , zum anderen ist ein Verständnis von „cari dei" als Bezeichnung für die Konfessoren und Märtyrer zwar möglich, aber keinesfalls eindeutig.80 Unabhängig von diesem Interpretationsproblem wird in der 79 Dieser Variante schließt sich auch der im CChr.SL edierte Text an. Andererseits spricht die Struktur des Satzes, in dem zuerst von den „presbyteri", zuletzt von den „omnes fratres", d.h. von Personengruppen die Rede ist, eher fur die Lesart „caris Dei". Als bildliche Redensart für eine Personengruppe, nämlich die Witwen, deutet allerdings Charles Munier, La pénitence. Introduction, texte critique, traduction et commentaire (SCh N°316), Paris 1984, „aris dei", und verweist dafür auf die Schilderung einer Buße in De pud. 13,7 (CChr.SL II, 1304,26f). Die dort angegebenen drei Gruppen, die an der Buße teilhätten, würden auch hier genannt: „les pretres et les fidèles sont désignés nommément, les veuves y figurent sous l'expression métaphorique: aris dei." Er verweist für diese Deutung auf Ad ux. I, 7,4 (CChr.SL I, 381,24), wo Tertullian ebenfalls in bildlicher Rede davon spricht, daß nur eine „ara munda" vor Gott aufgestellt werden dürfte. Diese Formulierung bezieht sich aber nicht nur auf die vorher erwähnten Witwen, sondern auch auf die Vorsteher der Gemeinde. In der Literatur ist die Problematik dieser Stelle nicht selten übersehen worden: Keinen Hinweis auf das textkritische Problem bietet z.B. der Kommentar von Sciuto, Opere; ebensowenig greift er die Frage nach der Deutung von „caris dei" auf. Die Formulierung „caris dei adgeniculari" wird von ihm ohne weitergehende Deutung mit „inginocchiarsi davanti ai cari di Dio" übersetzt. 80

In der Forschung ist die Frage nach der Deutung von „cari dei", wenn sie überhaupt aufgegriffen worden ist (vgl. Anm. 79), in zweifacher Weise beantwortet worden. 1) Poschmann, Paenitentia secunda, 286, bezieht „cari Dei" auf die Märtyrer und Konfessoren, ebenso unter Verweis auf Cypr., ep. 21,3,2 (CChr.SL EU B, 114,61 : Märtyrer als „amici et testes Christi") Vokes, Discipline, 65. 2) Nach Karl Adam, Der Kirchenbegriff Tertullians, Paderborn 1907, 84f, sowie jüngst Goldhahn-Müller, Grenzen, 361, Anm. 24., könnte der Begriff aber auch die Witwen bezeichnen; sie verweist dafür auf die Schilderung einer Buße in De pud. 13,7 (CChr.SL II, 1304,26f), die vom „prostemere ... ante viduas, ante presbyteros ..." spricht. Unklar bleibt LeSaint, Treatises, 174, der „cari Dei" zunächst auf „all faithful Christians" bezieht, „although it may be that certain definite groups within the Church are intended more specifically". An anderer Stelle deutet er die Formulierung hingegen auf „members of the Church who had suffered for the faith" (LeSaint, Treatises, 291). Heinrich Holze, Genugtuung Gottes oder Heilung des Menschen? Das Verständnis der Buße bei Tertullian, Klemens von Alexandrien und den ägyptischen Anachoreten, in: KuD 39 (1993), 229, beläßt es gar bei der Auskunft, es handele sich bei den „cari Dei" um „eine nicht näher bezeichnete Gruppe innerhalb der Gemeinde". Aus Tertullians Sprachgebrauch lassen sich für die Interpretation dieser Bezeichnung keine weiteren Hinweise entnehmen, da sowohl die Verbindung „carus dei" als auch das Verb „adgeniculari" nur an der genannten Stelle auftauchen. Für Überlegungen zur Deutung müßten also Belegstellen anderer Autoren bzw. parallele Formulierungen hinzugezogen werden. So bezeichnet 50 Jahre später Cyprian den Bekenner Aurelius als „Deo carus" (Cypr., ep. 38,1,2; CChr.SL ΙΠ Β, 183,8), an anderer Stelle bezieht er „Deo cari" aber auch auf alle Christen (Ad Dem. 12; CChr.SL III A, 42,245). Eine inhaltliche Parallelität besteht darüberhinaus zwischen der Bezeichnung „carus Dei" und „amicus Dei", die von Tertullian sowohl individuell auf Abraham (Adv.Jud. 2,2; CChr.SL II, 1342,47) als auch kollektiv auf die Menschheit vor dem Fall bezogen wird (De pat. 5,13; CChr.SL I, 304,45: „Innocens erat et deo de proximo amicus et paradisi colonus") Innerhalb der in der altkirchlichen Literatur nach W. Stählin, Art. φίλος, in: ThWNT IX ( 1973 ), 168, häufigeren kollektiven Deutung dieser Formulierung findet sich daneben aber mehrfach auch eine Anwendung speziell auf Märtyrer (Clem.Al., Strom. IV,4,14; IV,8,57,1; Orig., Exhort.ad mart. 37; Cypr., Ad Fort.praef. 4; Ad Fort. 13; ep. 15,3). Zu weiteren Belegen aus der Folgezeit für den besonders auf Märtyrer bezogenen Gebrauch dieser Bezeichnung vgl. Erik Peterson, Der Gottesfreund, in: ZKG 42 (1923), 195f. Dieser Überblick weist daraufhin, daß „cari Dei" im Sinne

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genannten Stelle deutlich, daß die Buße des Sünders, die durch „zeitliche Qual die ewigen Strafen aufhebt"81, ergänzt wird durch gemeindliche Fürsprache.82 Neben den Presbytern und den unbescholtenen Laien haben dabei möglicherweise auch die Märtyrer die Funktion der Unterstützung der Buße durch ihre Fürbitte gehabt.83 Daß ihrem Gebet, wenn denn die genannte Stelle sich auf die Fürbitte der Märtyrer bezieht, dabei eine herausragende Wirksamkeit innerhalb der gemeindlichen Fürsprache fur die Büßer zugeschrieben worden sei, läßt sich nicht entnehmen. Ebensowenig bietet „De paenitentia" weitere Hinweise auf Kompetenzen der Märtyrer im Blick auf die Wiederaufnahme der Büßer. In deutlichem Gegensatz zu der Selbstverständlichkeit, mit der Tertullian in „Ad martyras", möglicherweise auch in „De paenitentia", den Märtyrern eine, wenn auch nicht deutlich umrissene, Vollmacht im Rahmen der Sündenvergebung zuschreibt, steht seine diesbezügliche Haltung in seiner montanistischen Zeit. In „De pudicitia" spricht er mit beißender Ironie von der Praxis, daß Unzuchtsünder und Ehebrecher die Märtyrer, sobald diese nur in - nach Tertullians Darstellung - leichteste Haft84 genommen worden sind, aufsuchten und sie um Wiedererlangung des kirchlichen Friedens bäten. Sofort, so heißt es bei ihm, wenn einer inhaftiert sei, ertönten schon die Bitten und flössen die Tränen jener, die sich befleckt hätten. Keiner erkaufe sich den „Zugang zum Kerker" (aditus carceris) eher als diejenigen, die den Zugang zur Kirche verloren hätten.85 Andere Büßer

von Märtyrer verwendet worden sein kann, zumal in De paen. 9,4 eine Deutung auf alle Christen wegen der nachfolgenden Erwähnung der „omnes fratres" nicht wahrscheinlich ist; zwingend ist diese Deutung aber nicht, da sowohl „carus Dei" als auch das parallele „amicus Dei" insgesamt in sehr unterschiedlicher Weise aufgegriffen worden sind. 81 De paen. 9,5 (CChr.SL 1,336,18-22): „Haec omnia exomologesis,... temporali afflictatione aeterna supplicia... expungat". 82 Zur theologischen Bedeutung der gemeindlichen Fürsprache vgl. De paen. 10,6 (CChr.SL I, 337,21-24): „... ergo cum te ad fratrum genua protendis Christum contrectas, Christum exoras; aeque ¡Ili cum super te lacrimas agunt Christus patitur, Christum patrem deprecatur. Facile inpetratur semper quod filius postulat." 83 Campenhausen, Amt, 312, spricht von einem „anerkannten Recht ihrer Fürsprache" bei Tertullian. Seine Darstellung berücksichtigt aber weder die mit De paen. 9,4 zusammenhängenden Interpretationsprobleme noch die Tatsache, daß sich auch aus den anderen Texten Tertullians zu der Frage der Sündenvergebung durch Märtyrer kein eindeutiger Hinweis auf die konkrete Form ihres sündenvergebenden Wirkens entnehmen läßt. Brandt, Ethik, 178, versteht De paen. 9 in unspezifischer Weise als „Andeutung" auf die Sündenvergebungsvollmacht der Märtyrer. 84 Zu den von Tertullian verwendeten Bezeichnungen für die Inhaftierung und den sich jeweils damit verbindenden Konnotationen vgl. Kap. 5.2.1, Anm. 62-65. 85 De pud. 22,1 (CChr.SL II, 1328,2-6): „Ut quisque ex consensione vincula induit adhuc mollia in novo custodiae nomine, statim ambiunt moechi, statim adeunt fornicatores, iam preces circumsonant, iam lacrimae circumstagnant maculati cuiusque, nec ulli magis aditum carceris redimunt quam qui ecclesiam perdiderunt." Moreschini, Aspetti, 58f, betont den hier gegenüber „Ad marty-

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gingen zu den zur Bergwerksarbeit Verurteilten und kämen von dort als „communicatores" zurück.86 Deutlich kennzeichnet Tertullian die Akzeptanz der Vergebung der Fleischessünden durch die Märtyrer als eine nur bei den Katholiken vorzufindende Haltung: „At tu (psychice) iam et in martyras tuos efftindis hanc potestatem."87 Demgegenüber stellt er sich auf die rigoristische Position, daß keiner, der noch am Leben sei, mithin also auch die inhaftierten Märtyrer, ohne Schuld sein könne; im eigentlichen Sinne könne bei diesen auch noch nicht von „martyres" gesprochen werden: „Quis enim in terris et in came sine culpa? Quis martyr saeculi incola, denariis supplex, medico obnoxius et feneratori?"88 Ganz anders als in „Ad martyras", wo Tertullian die Inhaftierten als der „Welt" enthoben sieht, ihren Kerkeraufenthalt mit dem Rückzug der Propheten in die Wüste vergleicht und die Präsenz des Geistes betont, charakterisiert er sie hier als noch völlig den Bedingungen der „Welt" verhaftet; insofern unterscheiden sie sich letztlich auch nicht von denjenigen, deren Sünden zu vergeben sie sich anmaßen. Selbst im Angesicht der Hinrichtung, d.h. in sicherer Aussicht auf das Martyrium, habe ein Christ nicht die Vollmacht, das zu vergeben, was Gott vorbehalten

ras" deutlich werdenden Gegensatz in der Bewertung des Kerkeraufenthaltes: Sie erscheine quasi als „descrizione in negativo di quell'ambiente cosi luminoso che Tertulliano aveva esaltato al'inizio della sua carriera di scrittore; al carcere, come luogo di salvezza del martire, si contrappone il carcere come luogo di corruzione e di depravazione." 86

De pud. 22,2 (CChr.SL II; 1328,8f): „Alii ad metalla confugiunt et inde communicatores revertuntur, ..." Nach Poschmann, Paenitentia secunda, 273, dient die nur an dieser Stelle auftauchende Bezeichnung „communicatores" dazu, „das Groteske der von ihm bekämpften Sitte plastisch herauszustellen." Aus ihr könne nicht unzweifelhaft entnommen werden, daß die Märtyrer „aus eigener Autorität direkt die Gemeinschaft gewährt hätten." Die Bezeichnung sei auch dann verständlich, „wenn die Märtyrer grundsätzlich nur die Rekonziliation empfehlen, sofern der Empfehlung tatsächlich regulär stattgegeben wird." Grotz, Entwicklung, 125, versteht den Begriff im Sinne einer durch die Märtyrer wiedergewährten „communio", der Aufhebung der Exkommunikation. Sehr viel weiter geht Goldhahn-Müller, Grenzen, 334, wenn sie diesen Text als Hinweis auf die „Spendung voller Vergebung durch Märtyrer ohne Vermittlung der kirchlichen Hierarchie" versteht, „communicatio ecclesiastica" (De pud. 18,2; CChr.SL II, 1317,6f) bezeichnet die Gemeinschaft mit der Kirche, die nach der Auffassung des Montanisten Tertullian bei schweren Sünden von den Bußfälligen gerade nicht angestrebt werden solle; vielmehr sei die Vergebung nur von Gott zu erflehen (De pud. 3,4f; CChr.SL II, 1286,14-20). Verweigerung der „communicatio ecclesiastica" bedeutet konkret „Ausschluß vom eucharistischen Gottesdienst und dem Gemeindegebet"; vgl. Goldhahn-Müller, Grenzen, 363, Anm. 31. 87 De pud. 22,1 (CChr.SL II, 1328,lf). Nach De pud. 21,16 (CChr.SL II, 1328,70f) meint „potestas" konkret die Vergebungsgewalt für „delicta capitalia", welche ausschließlich pneumatischen Personen, Aposteln und Propheten, zusteht: „secundum enim Petri personam spiritalibus potestas ista conveniet aut apostolo aut prophetae." Zur Bedeutung von „potestas" in De pud. vgl. weiter E. Langstadt, Tertullian's Doctrine of Sin and the Power of Absolution in ,De pudicitia', in: StPatr II (1957), 251-257, bes. 252. 88

De pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,11-13).

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bleiben müsse.89 Wolle der Märtyrer die durch das Martyrium für seine eigenen Vergehungen erlangte Sündentilgung auch auf andere Christen ausdehnen, so sei dies nur als „ingratitudo" und „superbia" gegenüber Gott und dem Sühneleiden seines Sohnes, das allein die Sündentilgung für andere bewirke, zu bewerten.90 Tertullian betont hier den christologischen Vorbehalt gegenüber einer sich seit der Mitte des 2. Jahrhunderts durchsetzenden Entwicklung, in der der Märtyrertod „als mit stellvertretender Sühnekraft begabt" in „vergleichende Beziehung" zu dem Tod Jesu gesetzt wird.9' Zur Diskreditierung eines Anspruches der Märtyrer auf eine durch ihr Leiden erlangte Sündenvergebung auch fur andere Christen konfrontiert er das sündlose Sterben Christi mit dem Sterben der grundsätzlich noch dem Diesseits und der Sünde zugehörigen Märtyrer. Darüberhinaus verknüpft er im Anschluß an Mt 9,4f die Vollmacht zur Sündenvergebung mit der prophetischen Fähigkeit zur Erkenntnis der Gedanken: Der Anspruch auf Sündenvergebung müsse sich durch den Erweis des Geistes legitimieren.92 Das von Tertullian selbstverständlich vorausgesetzte Nichtvorhandensein solcher „prophe-

89

De pud. 22,3 (CChr.SL II, 1328,13-19): „Puta nunc sub gladio iam capite librato (sc. martyrem), puta ... in ipsa, dico, securitate et possessione martyrii, quis permittit homini donare quae Deo reservanda sunt, aquo ea sine excusatione damnata sunt...?" Zu diesen unvergebbaren Sünden, den „graviora et exitiosa (delicta), quae veniam non capiant", zählt Tertullian in „De pudicitia" „homicidium", „idololatria", „fraus", „negatio", „blasphemia", „moechia", „fornicatio" (De pud. 19,25; CChr.SL II, 1323,112-115). Sie können als „delicta mortalia" nur vom Herrn selbst vergeben werden (De pud. 3,3f; CChr.SL Π, 1286,12-15). Die Differenzen zwischen den verschiedenen bei Tertullian vorfindlichen Katalogen von Todsünden (De pud. 9; 19; Adv.Marc. IV,9) zeigen aber, daß er noch keine fest überlieferte Zusammenstellung von „delicta mortalia" kennt. Einen kurzen Überblick über die Kategorisierung der Sünden bei Tertullian bietet Goldhahn-Müller, Grenzen, 371 f. 90 De pud. 22,4 (CChr.SL II, 1328,20-23): „Sufficiat martyri propria delicta purgasse. Ingrati vel superbi est in alios quoque spargere, quod pro magno fuerit consecutus. Quis alienam mortem sua soluit, ni solus dei filius?" " Lohse, Märtyrer, 208f, der die Konsequenz dieser Entwicklung betont: „Damit ist der Märtyrer ganz nahe an Christus herangerückt." Zu dieser Entwicklung vgl. auch Lods, Confesseurs, 55f. Durch die Begrenzung der entsühnenden Wirkung des Martyriums auf die Person des Märtyrers unterstreicht Tertullian demgegenüber in De pud. 22 den grundsätzlichen Abstand zwischen den Märtyrern und Christus. 92 De pud. 22,8 (CChr.SL II, 1329,37-41): „Si dominus tantum de potestatis suae probatione curavit, uti traduceret cogitatus et ita imperaret sanitatem, ne non crederetur posse delicta dimittere, non licet mihi eandem potestatem in aliquo sine eisdem probationibus credere." Zur Verknüpfung von Sündenvergebungsvollmacht und Erweis der Geistesbegabung vgl. Langstadt, Doctrine, 255f: „The full gift of the Spirit ist the gift of Spirit in the fulness of His deity and therefore also in the fulness of His power: the power of prophecy, the power of miracles, the power of absolution from unforgivable sins."

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tica exempla"93 bei den katholischen Märtyrern erscheint als endgültiger Beweis ihrer Hybris, in der sie sich eine Gott und Christus vorbehaltene Vollmacht, nämlich diejenige der Vergebung schwerer postbaptismaler Sünden, anmaßten: „Si propterea Christus in martyre est, ut moechos et fornicatores martyr absoluat, occulta cordis edicat, ut ita delieta concédât, et Christus est."94 Diese den Märtyrern unterstellte Hybris bildet nach Tertullians Darstellung in „De pudicitia" ein Element innerhalb der aus seiner montanistischen Position heraus bitter kritisierten gesamten katholischen Bußpraxis. Ausgehend von dem Erlaß oder der öffentlichen Stellungnahme eines ungenannten Bischofs95, nach dem auch Unzuchtsündern und Ehebrechern nach vollzogener Buße die Vergebung gewährt werde96, kritisiert Tertullian scharf die in der katholischen Kirche geübte Vergebung auch schwerer Sünden durch die Bischöfe. Eine solche Vollmacht sei lediglich eine angemaßte; auch die von Petrus persönlich empfangene Schlüsselgewalt97 könne nicht auf die Kirche der „psychici", auf die „ecclesia numerus episcoporum", übertragen werden und zur Legitimierung ihrer Bußpraxis dienen. Übertragbar sei die Vollmacht zur Sündenvergebung „secundum enim Petri personam" nur auf pneumatische Personen, Apostel und Propheten.98 Die

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Diesen Begriff verwendet Tertullian in bezug auf den Adressaten seiner Schrift, einen katholischen Bischof (vgl. Anm. 95), von dem er ebenfalls Erweise des Geistes zur Legitimierung der Vergebung schwerer Sünden fordert: „Exhibe igitur et nunc mihi, apostolice, prophetica exempla, ut agnoscam divinitatem, et vindica tibi delictorum eiusmodi remittendorum potestatem." (De pud. 21,5; CChr.SL Π, 1326,21-24) Inhaltlich entsprechen die hier genannten „prophetica exempla" den von den katholischen Märtyrern geforderten „probationes" (De pud. 22,8; CChr.SL II, 1329,40). 94 De pud. 22,6 (CChr.SL II, 1329,29-32). 95 Die Frage, ob Tertullian in De pud. 1,6 (CChr.SL II, 1281,27-1282,28: „pontifex scilicet maximus, quod est episcopus episcoporum, edicit") auf Zephyrin von Rom, Kallist von Rom oder - wie in der gegenwärtigen Forschung vorherrschend angenommen wird - auf Agrippinus von Karthago anspielt, ist für die vorliegende Frage ohne Belang. Zur eingehenden Diskussion der älteren Forschung vgl. Poschmann, Paenitentia secunda, 348-367; einen knappen Überblick zur gegenwärtigen Diskussionslage bietet Goldhahn-Müller, Grenzen, 368f. 96 De pud. 1,6 (CChr.SL II, 1282,28f): „Ego et moechiae et fornicationis delicta paenitentia funetis dimitto." 97 Gegen eine Inanspruchnahme von Mt 16,18f zur Legitimierung der Vergebung schwerer Sünden seitens der Kirche betont Tertullian die unmittelbare Beziehung der Binde- und Lösegewalt auf die Person Petri: „Super te, inquit (Dominus), aedificabo ecclesiam meam, et: dabo tibi claves, non ecclesiae, et: quaecumque solveris vel alligaveris, non quae solverint vel alligaverint." (De pud. 21,10; CChr.SL Π, 1327,45-47) Die darauf folgende Argumentation abschließend, stellt er heraus, daß die Petrus übertragene Binde- und Lösegewalt nicht auf eine aktuelle Vergebung schwerer Sünden in der Kirche bezogen werden könne: „Adeo nihil ad delicta fidelium capitalia potestas solvendi et alligandi Petro emancipata." (De pud. 21,14; CChr.SL II, 1327,62f) 98 De pud. 21,16 (CChr.SL II, 1328,70f): „Secundum enim Petri personam spiritalibus potestas ista conveniet, aut apostolo aut prophetae." Unklar bleibt, auf welchen Beleg Goldhahn-Müller, Grenzen, 367, ihre Auffassung stützt, „daß jede Vollmacht zum Nachlassen schwerer Sünden ...

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Kirche könne also Sünden vergeben, aber nur sofern sie Geisteskirche sei: „Et ideo ecclesia quidem delieta donabit, sed ecclesia spiritus per spiritalem hominem, non ecclesia numerus episcoporum."99 Das Vorhandensein des Heiligen Geistes bildet die entscheidende Voraussetzung zur Ausübung der „potestas delicta donandi".100 Nicht mit der Anwendung dieses Kriteriums steht Tertullian nun im Widerspruch zur katholischen Kirche - auch hier ist die Gegenwart des Heiligen Geistes Grundlage der Sündenvergebungsvollmacht - , sondern mit der exklusiven Zuweisung der Geisterfiilltheit an die Montanisten.101 Unter das Verdikt, lediglich zu den „psychici" zu gehören102, fallen entsprechend auch die katholischen Märtyrer. Ihr Status als in besonderer Weise Geisterfullte wird ihnen ausdrücklich abgesprochen; gemeinsam mit den katholischen Bischöfen entbehren sie als Nichtpneumatiker derjenigen „virtus cuius est indulgere."'03 Beider Anspruch auf Sündenvergebung kann für Tertullian also nur als Anmaßung und Hybris er-

bestenfalls den Propheten und Märtyrern als Organen des Geistes reserviert" sei (ähnlich auch Grenzen, 377). Die Auffassung der Märtyrer als in besonderem Geistbegabte findet sich in De pud. gerade nicht; auch die von Langstadt, Doctrine, 255, und im Anschluß an ihn von Vokes, Discipline, 69, als Beleg für die besondere Geistbegabung der Konfessoren und Märtyrer angeführte Stelle De exhort.cast. 4,6 (CChr.SL Π, 1022,39-42) spricht nur von dem vollen Geistbesitz der Apostel, der ihnen im Unterschied zu allen anderen Menschen zuteil geworden sei. 99 De pud. 21,17 (CChr.SL II, 1328,76-78). In praxi soll diese Vergebung aber eben gerade nicht gewährt werden, wie Tertullian unter Rückgriff auf ein nach Heine, Oracles, 6, authentisches montanistisches Orakel betont: ,„Sed habet', inquis, ,potestatem ecclesia delicta donandi.' Hoc ego magis et agnosco et dispono, qui ipsum Paracletum in prophetis novis habeo dicentem: .Potest ecclesia donare delictum, sed non faciam, ne et alia délinquant.'" (De pud. 21,7; CChr.SL Π, 1326,27-31) 100 De pud. 21,7 (CChr.SL II, 1326,28). Zu dem Verständnis von „potestas" in De pud. 21 vgl. David Ivan Rankin, Tertullian's Use of the Word Potestas, in: JRH 19 (1995), 9: „It was the church of the Spirit, through spiritual men, which possessed the power (= potestas) to remit sin, not one whose claim to be the church resided solely in its historico-episcopal structure. The power to forgive was the Lord's, not the servant's; God's, not the priest's. For this power was of the very essence of divinity itself." 101 Dies ist der fur die Frage der Vollmacht der katholischen Märtyrer entscheidende Unterschied. Der zweite wesentliche Unterschied in der Anwendung dieses Kriteriums besteht darin, daß der Geist der Montanisten für die Unvergebbarkeit schwerer Sünden steht: vgl. das in De pud. 21,7 (CChr.SL II, 1326,30f) überlieferte Orakel des Parakleten: „Potest ecclesia donare delicta, sed non faciam, ne et alii délinquant." Entsprechend formuliert Campenhausen, Amt, 255, für Tertullian: „Denn von seinem montanistischen Geiste weiß er auf alle Fälle, daß er wirklich ein Geist der Heiligkeit und der Zucht ist, so wie er sie versteht: er wird die Strenge niemals erweichen, er wird stets ohne Rücksicht und Nachsicht richten und er wird keinem Todsünder jemals verzeihen." 102 Zur Abwertung der Katholiken als „psychici", als irdisch gesinnte Menschen, bei Tertullian vgl. De ieiun. 1,1 (CChr.SL II, 1257,3); De pud. 1,10 (CChr.SL II, 1282,41); De mon. 1,1.3 (CChr.SL II, 1229,2.17). Die Abwertung der Katholiken als „psychici" seitens der Montanisten spiegelt sich zur gleichen Zeit auch bei Clemens von Alexandrien wider (Strom. IV, 93,1). 103 De pud. 21,6 (CChr.SL II, 1326,27).

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scheinen. Anders als zuweilen in der Forschung behauptet, weist „De pudicitia" aber ebensowenig auf eine besondere Berechtigung der montanistischen Märtyrer zur Vergebung schwerer Sünden hin.104 Jenseits aller Polemik deutet Tertullians Darstellung in „De pudicitia", unterstützt durch die vorher erwähnten Belege in „Ad martyras" und möglicherweise „De paenitentia", aber daraufhin, daß in der katholischen Kirche Afrikas zu seiner Zeit die Märtyrer eine Funktion im Rahmen der Sündenvergebung innehatten; abgesehen von dem - allerdings problematischen - Hinweis auf ihre Fürbitte in ,JDe paenitentia" lassen die erwähnten Texte aber keine exakten Rückschlüsse auf die konkrete Form ihrer Partizipation zu, was sich nicht zuletzt auch in der großen Bandbreite der Deutungen in der Forschung widerspiegelt. Die bußtheologische Kompetenz der Märtyrer bestand nach dem in, A d martyras" beiläufig gegebenen Hinweis in der erneuten Gewährung der „pax"105, der kirchlichen Gemeinschaft. Auch wenn sich mit diesem Begriff Interpretationsprobleme verbinden106, bedeute

104

So geht LeSaint, Treatises, 296, davon aus, daß Tertullian in De pud. 22,6 positiv auf montanistische Märtyrer anspiele, „who, if they were also prophets, were thought to have the gift of cardiognosis." Auch die in Anm. 98 angeführten Äußerungen von Goldhahn-Müller, Grenzen, 367.377, gehen vermutlich von der Voraussetzung aus, daß den montanistischen Märtyrern im Rahmen der Geistkirche eine Sündenvergebungsvollmacht zukomme. Micaelli, La Pudicité, 97, betont zwar, daß in De pud. 21,16 gerade nicht die Märtyrer als „spiritales homines" erwähnt würden, denen die Sündenvergebung zukomme. Dennoch würde es der Rückbezug auf die Person Petri, „à la fois apotre et martyr", rechtfertigen, die Märtyrer hier den Aposteln und Propheten zuzuzählen. Über die Fragwürdigkeit dieser Argumentation hinaus zeigt sich aber auch an den weiteren montanistischen Schriften Tertullians, daß sich kein Beleg für eine besondere Vollmacht der Märtyrer zur Sündenvergebung findet, so daß die Äußerungen in der Forschung, die pauschal von einer besonderen Bedeutung der Märtyrer für die Sündenvergebung innerhalb des Montanismus ausgehen (vgl. z.B. Frend, Martyrdom, 292; Vokes, Discipline, 63; Jensen, Töchter, 298), zumindest an Tertullian keinen Anhalt haben. Für ihn wiegt offensichtlich die Vorstellung der grundsätzlichen Unvergebbarkeit schwerer Sünden, d.h. die Betonung der absoluten Heiligkeit und Reinheit der Kirche, schwerer als die Hochschätzung der Bekenner und Märtyrer, die sich in einer Zuschreibung der Sündenvergebungsvollmacht ausgedrückt hätte. Zu dieser Einschätzung vgl. die schon bei Bonwetsch, Geschichte, 115f, auftauchenden Überlegungen: „Gemäß Mt 16,18f gehört das Recht der Absolution der Person des Petrus und demnach den Spiritalen zu, seien es Apostel oder Propheten ... Nur der kann entscheiden, ob jemand würdig ist, der Gemeinde der Gläubigen anzugehören, welcher Inhaber des Geistes in vollstem Maße und daher befähigt ist, die Herzen zu durchschauen ... Von den Märtyrern galt das nicht in der Weise, wie von den Propheten, auch mußte die hergebrachte Sitte, daß die Märtyrer den Gefallenen den Kirchenfrieden vermittelten, die disciplinarischen Ziele der neuen Prophetie durchkreuzen." 105

Ad mart. 1,6 (CChr.SL I, 3,25-29). Auch De pud. 22,2 (CChr.SL Π, 1328,8f: „Alii ad metalla confugiunt et inde communicatores revertuntur") weist jenseits aller Polemik auf die durch die Märtyrer wiedergewährte „communicatio ecclesiastica" hin. 106

Auf Grund der Textgrundlage kaum zu entscheiden und in der Beantwortung stark von dogmatischen Prämissen abhängig ist vor allem die Frage, ob die Wiedergewährung der „pax" im Sinne der Aufhebung der Exkommunikation zu verstehen ist und damit lediglich eine Vorbedingung

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te dies zumindest, daß die Märtyrer wieder Umgang mit den ehemals auf Grund ihrer Sünde aus der Gemeinde Ausgeschlossenen pflegten und sie vermutlich zu ihren Gottesdiensten zuließen. In seiner beißenden Kritik in „De pudicitia" bezeichnet Tertullian die den Märtyrern seitens der katholischen Kirche zugeschriebene Kompetenz als „Vollmacht" (potestas) zur Vergebung schwerer Sünden.107 Mit der Verwendung dieses Terminus, mit dem er unmittelbar vorher den Vollmachtsanspruch auf Sündenvergebung seitens des bischöflichen Adressaten dieses Traktates bezeichnet hat108, unterstellt er, daß den Märtyrern innerhalb der katholischen Kirche eine Sündenvergebungsgewalt zugesprochen wurde, die noch nicht der bischöflichen untergeordnet scheint.109 Inwieweit Tertullians Ausführungen hier allerdings eine tatsächlich den katholischen Märtyrern zugeschriebene Vollmacht reflektieren oder aber zum Ziel der restlosen Diskreditierung der katholischen Bußpraxis das Märtyrerprivileg überzeichnen110, läßt sich schwer entscheiden. Die Intention seiner Darstellung in „De pudicitia" läuft einer exakten Erhebung des hinter der Polemik stehenden bußtheologischen Sachverhaltes und der Bußpraxis, einschließlich der Frage nach einer Verhältnisbestimmung zwischen Märtyrer- und bischöflicher Vollmacht, zuwider. Zumindest bietet sich aber in keiner der angeführten Stellen ein Indiz dafür, daß die

zur Übernahme der eigentlichen kirchlichen Buße und zur letztendlichen eigentlichen Rekonziliation darstellt (so Grotz, Entwicklung, 125, der für Tertullian zwischen der Wiedergewährung der kirchlichen Gemeinschaft und der Gewährung der Sündenvergebung unterscheidet), oder ob Gewährung der „pax" und eigentliche kirchliche Sündenvergebung identisch sind (so GoldhahnMüller, Grenzen, 365f). Vgl. auch Anm. 73. 107

De pud. 22,1 (CChr.SL Π, 1328,lf): „At tu iam et in martyras tuos effundis hanc potestatem." „hanc" bezieht sich zurück auf die Erläuterungen, die im vorhergehenden Kapitel zu „potestas" gemacht werden: „delictorum remittendorum potestas" (De pud. 21,5; CChr.SL II, 1326,23f); „potestas delieta donandi" (De pud. 21,7; CChr.SL II, 1326,28); „delicta fidelium capitalia potestas solvendi et alligandi" (De pud. 21,14; CChr.SL II, 1 3 2 7 , 6 2 f ) . m In De pud. 21,5 (CChr.SL II, 1326,21-24) bezeichnet Tertullian die von ihm nicht akzeptierte Vollmacht des bischöflichen Adressaten als „delictorum remittendorum potestas". 109 Zu der Frage des Verhältnisses zwischen bischöflicher Sündenvergebung und Märtyrervollmacht vgl. weiter Anm. 74. In der dort angegebenen Literatur wie auch anderweitig in der Forschung zeigt sich, daß die Bewertung der Frage, ob die von Tertullian erwähnte Sündenvergebungsvollmacht der Märtyrer unabhängig von der bischöflichen bestanden haben kann, abhängig ist von der Vorentscheidung über die Rolle des Bischofs im Bußwesen zu dieser Zeit. So argumentieren z.B. Poschmann, Paenitentia secunda, 270-283, sowie LeSaint, Treatises, 292, gegen die tatsächliche Möglichkeit einer direkten Sündenvergebung durch Märtyrer mit dem (unbelegbaren) Hinweis darauf, daß diese prinzipiell dem Bischof zugestanden habe. 110 Diese Möglichkeit wird bei LeSaint, Treatises, 292, in den Blick genommen: „... we must not neglect the possibility that Tertullian's language in this chapter (De pud. 22) represents an effort to bring catholic doctrine into disrepute by portraying the power of the martyrs as greater than it actually was."

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durch die Märtyrer ausgeübte Kompetenz in Konkurrenz zu der bischöflichen stand; hier wird sich dann eine grundlegende Änderung in den auf diese Thematik bezogenen Äußerungen Cyprians zeigen.1" Bei Tertullian selbst ergibt sich hinsichtlich seiner Bewertung der Sündenvergebungsvollmacht der Märtyrer eine strukturell ähnliche Tendenz wie in bezug auf die Wertung der gemeindlichen Fürsorge. Beides hat er in seiner katholischen Zeit zwar nicht besonders akzentuiert, wohl aber in selbstverständlicher Weise erwähnt; hierin spiegelt sich eine, wenn auch eher distanzierte, Anerkennung der in den genannten Phänomenen zum Ausdruck kommenden Würdigung der Märtyrer

" ' Cyprians Korrespondenz belegt, daß zur Zeit der Verfolgung unter Decius Abgefallene in die Gefängnisse gingen, um sogenannte „Friedensbriefe" (libelli pacis) zu erhalten, wobei es sich dabei offensichtlich um ein in selbstverständlicher Weise geübtes Verfahren handelte, das von ihm auch nicht in prinzipieller Weise infragegestellt wurde. Solange die Bekenner selbst die „libelli" als der Überprüfung und Bestätigung seitens des Bischofs bedürftige „Empfehlungen" zur Wiederaufnahme der Gefallenen zu verstehen scheinen (vgl. ep. 15,1,2; CChr.SL ΙΠ Β, 86,20-23), richtet sich seine Kritik denn auch primär gegen Kleriker der karthagischen Gemeinde, die meinen, auf der Basis der „Friedensbriefe" an ihrem geflohenen Bischof vorbei den Gefallenen die sofortige Wiederaufnahme gewähren zu können. Wesentlich für Cyprians Ablehnung dieses Verhaltens war dabei, daß die Gefallenen in übereilter Weise („crudo tempore"; ep. 16,2,3; CChr.SL IH B, 92,38) aufgenommen würden und keine vollständige Buße leisteten (ep. 15,1,2; CChr.SL III B, 86,24-27); diese war aber seiner Auffassung nach notwendig für die Wiedererlangung des Heils. Erst nachdem sich in dem Brief eines Bekenners ein Verständnis des Bekennervorrechtes dokumentiert, das dieses als unmittelbare Gewährung der Sündenvergebung gegenüber den Gefallenen zu verstehen scheint, ohne daß eine nachfolgende Rekonziliation durch den Bischof noch vorausgesetzt ist (ep. 23; CChr.SL ΠΙ Β, 120,3-5), richtet sich seine Kritik gegen die Bekenner, insbesondere den Absender der genannten ep. 23, Lucianus (ep. 27,1,1; CChr.SL III B, 127,7-128,10). Hauptargument ist dabei, daß das Verhalten der Bekenner Spaltungen in der Gemeinde hervorrufe (ep. 27,3,1 ; CChr.SL III B, 129,39) und zu Aufruhr gegenüber den Vorstehern der Gemeinde, insbesondere auch gegen ihn selbst, führe. Das Gewicht dieser Vorwürfe zeigt sich an der Bedeutung, die Cyprian der Einheit und Einmütigkeit der Gemeinde und der Bindung an die episkopale Autorität innerhalb seiner Ekklesiologie zumißt. Das Konkurrenzverhältnis zwischen bischöflicher Autorität und Bekennervorrechten und der auf Grund der Austeilung der „libelli pacis" deutlich verringerte Bußemst in der karthagischen Gemeinde führten dazu, daß Cyprian sich veranlaßt sah, die Kompetenzen der Bekenner in der Bußfrage ganz auszuschalten. War er noch zu Beginn der Decischen Verfolgung davon ausgegangen, daß das Votum der Bekenner eine Rolle bei den nach der Verfolgung stattfindenden Verhandlungen über die Wiederaufnahme der „lapsi" spielen sollte (ep. 15,2,2; CChr.SL ΙΠ B, 87,40f), so ist bei der nach der Beendigung der Verfolgung auf der Ostersynode 251 getroffenen Entscheidung einer gestaffelten Wiederaufnahme der Büßer (vgl. Poschmann, Paenitenia secunda, 379-390) weder von ihrer Präsenz noch von einer Bedeutung der „libelli" die Rede. Im Ergebnis führten die Konflikte um die Wiederaufnahme der Gefallenen also zu einer Ausschaltung der dem Bischof in Konkurrenz gegenüberstehenden Ansprüche auf Bußvollmacht; konfrontiert mit dem von den Märtyrern und Bekennern beanspruchten Recht auf Sündenvergebung hat Cyprian eindeutig zugunsten der institutionellen, bischöflichen Bußgewalt und gegen die charismatische entschieden. Mit diesen Weichenstellung ist er für die Folgezeit prägend geworden. Vgl. Campenhausen, Amt, 311 f.

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Zusammenfassung

durch die Mitchristen wider. In seiner montanistischen Zeit hingegen hat er sowohl gegen die Versorgung der Bekenner polemisiert als auch die Sündenvergebungsvollmacht der Märtyrer abgelehnt. Damit spricht er sich gegen Formen der Würdigung der Bekenner und Märtyrer aus, die seiner Auffassung nach dem Ernst der montanistischen Disziplin, konkret der Fasten- und der Bußdisziplin, zuwiderlaufen. Die Art und Weise, in der sich die Hochschätzung des Märtyrers ausdrücken darf, wird der Bewahrung der montanistischen Sittlichkeit und damit der Reinerhaltung der Kirche als „virgo" und „sponsa Christi"'12 untergeordnet. Da die Fürsorge fur die Inhaftierten und das Ersuchen um Sündenvergebung in praxi die zentralen Bindeglieder zwischen den Bekennern und ihren Mitchristen darstellten, bedeutet Tertullians Polemik in der Konsequenz eine Loslösung des Bekenners oder Märtyrers von der Gemeinde"3, die sich auch in seinem weiteren Desinteresse an der Frage der Bedeutung von Bekenntnis und Martyrium für die christliche Gemeinschaft dokumentiert. Die Relevanz des Märtyrerleidens für die christliche Gemeinde, seine „Gemeinschaftswirkung"114, wird zurückgestellt gegenüber der bei Tertullian eindrücklichen Herausstellung seines Wertes für das persönliche Heil der Märtyrerinnen und Märtyrer.

5.3 Zusammenfassung: Die Märtyrerinnen und Märtyrer und die „ecclesia"

Der Überblick über Tertullians Äußerungen zur Bedeutung der Martyrien für die christliche Gemeinschaft hat gezeigt, daß er nur ein geringes Interesse an der Frage ihrer überindividuellen Bedeutung hat. Eine Ausnahme hiervon stellt die von ihm sowohl im „Apologeticum" als auch in „Ad Scapulam" explizierte Vorstellung ihrer missionarischen, werbenden Wirkung gegenüber den Heiden dar. Dieser Gedanke eines durch das Martyrium ablegten „Zeugnisses" hat seinen „Sitz im Leben" in der apologetischen Argumentation und dient, mit Ausnahme einer beiläufigen Erwähnung in „Sorpiace", nicht zur innerchristlichen Ermahnung 112 113

De pud. 1,8 (CChr.SL II, 1282,35).

Moreschini, Aspetti, 70, spricht in bezug auf die Sicht des Martyriums bei Tertullian von einem „valore autonomo ... indipendente dalla Chiesa terrena organizzata." 114 Klein, Bewußtsein, 313, hat unter Bezug auf De pud. 22 herausgestellt, daß Tertullian „im letzten Stadium seiner Entwicklung das Martyrium seiner Gemeinschaftswirkung, seiner Wirkung auf die Kirche (beraube)..."

Zusammenfassung

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und Ermunterung zur Martyriumsbereitschaft. Ebensowenig finden sich in dieser Überlegungen in bezug auf die innergemeindliche Bedeutung der Bekenntnisse und Martyrien und die Wirkung auf die Mitchristinnen und Mitchristen. So erscheint der Gemeinschaftsbezug für die theologische Deutung des Glaubenstodes bei Tertullian nicht konstitutiv, die Einschärfung der Leidens- und Todesbereitschaft erfolgt nicht im Blick auf eine an diesem Leiden teilhabende Gemeinde und deren dadurch mögliche Verherrlichung. Grundlegend sind vielmehr die an die einzelnen Christen ergehende Forderung Gottes und das durch das Martyrium zu erlangende persönliche Heil der Märtyrer. Diese in der Konsequenz auf eine Individualisierung der Märtyrer hinauslaufende Konzeption spiegelt sich auch in Tertullians Äußerungen zur Bekennerfürsorge sowie zur Sündenvergebungsvollmacht wider, wobei sich hier aber eine deutliche Verstärkung der Distanz zwischen Märtyrern und Gemeinde in seinen diesbezüglichen Schriften aus montanistischer Zeit zeigt. Werden sowohl die Versorgung der Inhaftierten mit Nahrung als auch die von diesen ausgeübte Praxis einer Sündenvergebung in den katholischen Schriften „Ad martyras", dem „Apologeticum" und „Scorpiace" zwar nicht betont herausgestellt und mit weiteren Reflexionen versehen, wohl aber in selbstverständlicher Weise als gängiger Usus erwähnt, ziehen sie in den montanistischen Traktaten „De ieiunio" und „De pudicitia" massive Kritik und Polemik auf sich. Die in der katholischen Kirche übliche Bekennerversorgung und das ihnen dort gewährte Bußprivileg dienen darin jeweils als Illustrationen der in der Großkirche geübten und von ihm abgelehnten Praxis in bezug auf das Fasten und die Buße. Die strikte Betonung der montanistischen Fasten- bzw. Bußdisziplin führt damit zu einer theoretischen Negierung der wesentlichen Bindeglieder zwischen den Bekennern und Märtyrern einerseits und der Gemeinde andererseits." 5 Die Hochschätzung der Märtyrerinnen und Märtyrer drückt sich für

115

Diese Konsequenz trifft nicht nur auf die von ihm in den Blick genommenen katholischen Märtyrer zu, sondern auch auf die Blutzeugen der Montanisten. Die Haft erscheint für sie nach der Darstellung Tertullians idealiter als Möglichkeit zum strengen Fasten und zur „praeparatio ad martyrium", eine Versorgung der montanistischen Märtyrer müßte dementsprechend unter das gleiche Verdikt fallen wie der in der Großkirche geübte Brauch. Ebenso läßt sich aus „De pudicitia" nicht entnehmen, daß den montanistischen Märtyrern ein Recht auf Sündenvergebung seitens Tertullians zugestanden worden wäre. Zum einen besteht die Intention dieser Schrift in der Absage an jegliche Vergebung schwerer Sünden, zum anderen werden die Märtyrer an keiner Stelle zu den „spiritales homines" gezählt, denen prinzipiell die „potestas" zur Sündenvergebung zugestanden wird, wenn sie sie eigentlich auch nicht ausüben sollen. Das den katholischen Inhaftierten entgegengehaltene Argument, daß sie als noch Lebende noch dem Diesseits verhaftet seien, träfe genauso auch auf montanistische Märtyrer zu. Da Tertullian weder an einer anderen Stelle den montanistischen Märtyrern eine Sündenvergbungsvollmacht zuschreibt noch eine diesbezügliche Differenzierung zwischen den katholischen und den montanistischen Märtyrern andeutet, ist er wohl ein

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Tertullian zu dieser Zeit aus in der Zuerkennung eines besonderen Heilsstandes, der sich vor allem in der Erwartung einer gesonderten postmortalen Destination niederschlägt, nicht aber in einer entsprechenden Verhältnisbestimmung zur Gemeinde vor ihrem Tod. Tertullians weitgehendes Desinteresse an der Frage der Beziehung zwischen den Bekennem und Märtyrern und der christlichen Gemeinschaft zeigt sich deutlich an einem Vergleich seiner Konzeption mit derjenigen Cyprians, fur dessen Martyrologie die Bedeutung der Martyrien für die christliche Gemeinschaft konstitutiv ist. Dies hat sich bei letzterem zum einen in einer Würdigung der Bekenner und Märtyrer niedergeschlagen, die die Wirkung ihres Leidens auf die Gemeinde mit in den Blick nimmt, zum anderen in vielfältigen Überlegungen in bezug auf den konkreten Umgang mit ihnen, ihre Versorgung, die durch sie ausgeübte Sündenvergebungsvollmacht oder die Möglichkeit ihrer Erhebung in den Klerus. Die ekklesiologische Einordnung des Martyriums zeigt sich bei Cyprian darüberhinaus daran, daß er sowohl die Möglichkeit als auch die Gültigkeit eines Glaubenstodes nachdrücklich an die Zugehörigkeit zur einen Kirche bindet. Die Möglichkeit eines Martyriums ist nach seiner Auffassung an die Kirche gebunden, weil nur in ihr die Vorbereitung und „Ausrüstung" der Gläubigen durch biblische Unterweisung und vor allem durch die Eucharistie erfolgen könne, die die Standhafitigkeit gewährleiste. Der Empfang des nur in der Kirche wirkenden Geistes sei notwendig für das Bestehen der Bekenntnissituation, in der der Geist aus den Bekennern spreche."6 Die Bindung der Gültigkeit des Martyriums vor allem im Blick auf seine entsühnende Wirkung an die Zugehörigkeit zur Kirche ist von Cyprian im Zusammenhang seiner Polemik gegen schismatische Gruppierungen in der karthagischen Gemeinde herausgestellt worden: Durch ihr

„Kronzeuge" für die strikte Bußdisziplin der Montanisten, nicht aber für die Ausübung eines besonderen Bußprivilegs seitens ihrer Märtyrer. Seine Absage an dieser Bindeglied zwischen den Märtyrern und der Gemeinde betrifft also katholische wie montanistsche Blutzeugen. 116 ep. 57,4,2 (CChr.SL II B, 305,86-306,96): „... idoneus esse non potest ad martyrium qui ab ecclesia non armatur ad proelium... mens deficit quam non recepta eucharistia erigit et accendit. Dominus enim in evangelio suo dicit: ,cum autem vos tradiderint, nolite cogitare quid loquamini. Dabitur enim vobis in illa hora quid loquamini. Non enim vos estis qui loquimini, sed spiritus patris vestii qui loquitur in vobis.' Quando autem dicat in traditis atque in confessione nominis constitutis spiritum patris loqui, quomodo potest ad confessionem paratus aut idoneus inveniri qui non prius pace accepta receperit spiritum patris, qui corroborans servos suos ipse loquitur et confitetur in nobis?" Cyprians Betonung der Unmöglichkeit eines Martyriums außerhalb der Kirche steht im Zusammenhang seiner Begründung der auf der Maisynode 252 beschlossenen Wiederaufnahme der in der Decischen Verfolgung Abgefallenen angesichts einer erwarteten neuen Verfolgung. Im Blick auf diese stellt er es als Pflicht der Kirche dar, die Gefallenen wieder aufzunehmen und ihnen dadurch das Bestehen des Verfolgungskampfes überhaupt erst zu ermöglichen.

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Vergehen hätten sie eine so große Schuld auf sich geladen, daß diese selbst durch ein Martyrium nicht gesühnt werden könnte." 7 Derjenige, der außerhalb der Kirche stehe, könne letztlich überhaupt kein Märtyrer werden: „Esse martyr non potest qui in ecclesia non est.""8 Dieses Kriterium fur ein „wahres" Martyrium ergibt sich für Cyprian unmittelbar aus seinem Kirchenbegriff, für den der Gedanke der auf göttlicher Einsetzung beruhenden Einheit der Kirche grundlegend ist.119 Sie allein ist Vermittlerin des Heils, das in keiner Weise an ihr vorbei erlangt werden kann120; das gilt auch für das Martyrium, das entsprechend nur innerhalb der Kirche zum Heil führt. Damit wird allerdings bei Cyprian die Zugehörigkeit zu der allein heilsvermittelnden kirchlichen Gemeinschaft dem persönlich verantworteten Glaubenszeugnis übergeordnet121, worin sich der „Vorrang der aufgewiesenen Kirche vor der glaubenden Existenz"122 dokumentiert. Während Cyprian die Bindung des Martyriums an die Kirche mehrfach und in verschiedenen Kontexten einschärft, findet sich dieser Gedanke bei Tertullian nur in beiläufiger Form und erfährt keine besondere Betonung, was wesentlich damit

117 De eccl.un. 14 (CChr.SL III, 259,335-337): „Tales (sc. schismatici) etiam si occisi in confessione nominis fuerint, macula ista nec sanguine abluitur: inexpiabilis et gravis culpa discordiae nec passione purgatur." Auch in De dom.or. 24 (CChr.SL III A, 105,460-463) betont Cyprian, daß derjenige, der in Uneinigkeit und Feindschaft mit den anderen Christen lebe, das „crimen dissensionis fraternae" nicht einmal dann tilgen könne, wenn er den Märtyrertod erleide. 118 De eccl.un. 14 (CChr.SL III, 259,337f). 1,9 In ep. 69,5,1 (CChr.SL III C, 475,94f) spricht Cyprian von der „unitas de divina auctoritate veniens". Vgl. ep. 55,24,4 (CChr.SL 111 B, 287,4450: „... (unitas) quam Deus constituit..."; ep. 65,5: „... (ecclesia catholica), quae una et sola est a Domino constituta ...", sowie die mehrfach auftauchende Rede vom „sacramentum unitatis" (De eccl.un. 4; CChr.SL III, 252,11 lf; De eccl.un. 7; CChr.SL III, 254,163; ep. 69,6,1; CChr.SL III C, 477,117; ep. 74,11,2; CChr.SL III C, 578,227). Zur Bedeutung dieser Wendung für Cyprians Ekklesiologie vgl. Adrien Demoustier, L'ontologie de l'Église selon saint Cyprien, in: RSR 52 (1964), 583f, sowie ausführlich Ulrich Wickert, Sacramentum unitatis - Ein Beitrag zum Verständnis der Kirche bei Cyprian, Berlin/New York 1971. Grundsätzlich zu Cyprians auf dem Gedanken der Einheit gründenden Kirchenbegriff vgl. Anneliese Adolph, Die Theologie der Einheit der Kirche bei Cyprian, Frankfurt/M. 1993. 120 ep. 4,4,3 (CChr.SL III B, 24,99-101): „Neque enim vivere foris possunt, cum domus dei una sit et nemini salus esse nisi in ecclesia possit." Mit dem Bild der „matrix", das von ihm häufig in vergleichbarer Weise wie „mater" gebraucht wird (vgl. Plumpe, Mater, 96-98), drückt Cyprian die ausschließliche Vermittlung des Heils durch die Kirche in De eccl.un. 23 (CChr.SL III, 266,566f) aus: „Quicquid a matrice discesserit, seorsum vivere et spirare non poterit: substantiam salutis amittit." Kategorisch formuliert er in ep. 73,21,2 (CChr.SL III C, 555,380): „Salus extra ecclesiam non est." 121 Vgl. Campenhausen, Amt, 166: „Cyprian macht die Teilhabe an der kirchlichen Gemeinschaft zum wesentlichsten religiösen Besitz, gegen den die bloße theoretische Erkenntnis der Wahrheit und auch die praktische Leistung eines Martyriums, für sich genommen, nichts bedeuten können." 122 Günter Klein, Die hermeneutische Struktur des Kirchengedankens bei Cyprian, in: ZKG 6 (1957), 64.

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Zusammenfassung

zusammenhängt, daß der für seinen Nachfolger zentrale Gedanke der Kirche als alleiniger „Heilsmittlerin"'23 bei ihm zwar selbstverständlich vorausgesetzt ist, nicht aber den vorrangigen Akzent seiner Ekklesiologie darstellt.124 So weist lediglich eine Stelle in „De baptismo" darauf hin, daß er als Katholik mit Selbstverständlichkeit davon ausgeht, daß es ein „wahres" Martyrium nur innerhalb der Kirche geben könne. Nach seiner ausführlichen Begründung der Einheit und Einmaligkeit der Wassertaufe125 führt er dort aus, daß es noch eine zweite Taufe, ein „secundum lavacrum" gebe, nämlich das als Bluttaufe verstandene Martyrium. Wie die Wassertaufe nur eine sei, d.h. die innerhalb der Kirche, so müsse auch von der Blutaufe gesagt werden: „unum et ipsum".126 Der Kontext der Stelle legt aber nahe, daß es Tertullian hier lediglich um ein unterstützendes Argument zur Abweisung der Ketzertaufe geht; weitere Überlegungen zur „Einheit" des Martyriums und damit zur Bindung an die Kirche stellt er nicht an. Auch als Montanist hat er sich nur einmal zu der Frage der Kriterien eines gültigen Martyriums geäußert. Gegenüber dem Monarchianer Praxeas, dem er unterstellt, daß er einen kurzen Kerkeraufenthalt prahlend zum „Martyrium" aufgewertet habe, betont er,

123 Carl Andresen, Die Kirchen der alten Christenheit, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz (1971), 152, spricht von einer „Betonung des kirchlichen Heilsmonopols" bei Cyprian. 124 Der Gedanke deutet sich z.B. an einigen Stellen an, in denen Tertullian von der Kirche als „mater" spricht (z.B. De an. 43,10; CChr.SL II, 847,64: „vera mater viventium"; De pud. 5,14; CChr.SL II; 1289,53-56; De mon. 16,4; CChr.SL II, 1251,22). Zu der inneren Notwendigkeit dieser Vorstellung gerade in der antihäretischen Auseinandersetzung vgl. Altendorf, Einheit, 22: „Infolge aber der immer stärker werdenden Betonung der Kirche, zumal den Häretikern gegenüber, als der auf der apostolischen Überlieferung beruhenden und nur unter dieser Voraussetzung als dem Erkenntnisgrunde mit dem Geist begabten Gemeinschaft, in der allein Gottes wahre Lehre und Disziplin zu finden ist und deshalb ausschließlich das Heil zu erlangen ist, mußte es dahin kommen, daß der Akzent sich allmählich und unmerklich von der Vorstellung der Kirche als der Gemeinde der Heiligen und des Heiles verschob auf eine qualitativ andere, die in der Kirche als göttlicher Stiftung die alleinige Mittlerin des Heiles sah." 125 De bapt. 15 (CChr.SL I, 290,1-22). 126 De bapt. 16,1 (CChr.SL I, 290,lf). Moreschini, Aspetti, 60f, deutet auch De praescr.haer. 4,5 (CChr.SL I, 190,15f: „... persecutio et martyras facit, haeresis apostatas tantum") in dem gleichen Sinne, daß es unter den Häretikern kein wahres Martyrium geben könne, „che solo la retta fede può garantire il merito del martirio". Dies scheint aber ein Mißverständnis der genannten Stelle zu sein, in der es Tertullian um eine Herausstellung der endzeitlichen Funktion der Häresien nach l.Kor 11,19 geht, die er mit der Rolle der ebenfalls für die Endzeit geweissagten Verfolgungen vergleicht: Der Unterschied bestehe darin, daß die Verfolgungen Märtyrer hervorbringe, die Häresie hingegen nur Apostaten. Damit ist nicht gemeint, daß in der Verfolgung aus den Reihen der Häretiker nur Abgefallene hervorkämen, sondern daß die Häresien nur Glaubensabtrünnige im Sinne deijenigen, die zu den Häresien abfielen, hervorbrächten, „persecutio" und „haeresis" werden als zwei verschiedene Herausforderungssituationen für die Gläubigen nebeneinander gestellt; ginge es Tertullian um den Gegensatz zwischen den verschiedenen „Ursprüngen" wahren und falschen Martyriums, hätte er „ecclesia" und „haeresis" einander gegenüberstellen müssen.

Zusammenfassung

287

daß auch ein tatsächlich erlittener Glaubenstod diesem nichts genützt hätte, da er Gottes Liebe nicht habe und dessen Gnadengaben bekämpfe. 127 Hiermit ist letztlich die Ungültigkeit der Martyrien außerhalb des Kreises derer, die die „charismata" annehmen, d.h. der Montanisten, ausgesagt.128 Dieser Gedanke wird von ihm innerhalb seiner Polemik gegen die „psychici" aber nicht weiter aufgegriffen; vielmehr leugnet er sowohl deren Bereitschaft zum Erleiden des Martyriums als auch - in „De fuga in persecutione" - deren Befähigung dazu, da sie den Parakleten nicht empfangen hätten; dieser sei aber notwendig fur die Erkenntnis der Pflichtmäßigkeit des Martyriums wie auch fur die Bewahrung der Standhaftigkeit im Leiden.129 Strukturell liegt hier der gleiche Gedanke vor wie bei Cyprians Betonung der ausschließlichen Möglichkeit des Martyriums innerhalb der Kirche, die dieser unter anderem ebenfalls pneumatologisch begründet. Anders als Cyprian hat Tertullian aber die notwendige Vorbereitung und „Ausrüstung" der Gläubigen zum Martyrium nicht im besonderen als Funktion der Kirche verstanden; die für die Bewahrung der Standhaftigkeit notwendige „praeparatio ad martyrium", die seiner Auffassung nach das Leben der Gläubigen prägen soll, ist primär Aufgabe der einzelnen Christin oder des einzelnen Christen. Damit bestätigt sich auch unter diesem Aspekt die bei der Betrachtung seiner Äußerungen zu der Bedeutung von Bekentntnis und Martyrium fur die christliche Gemeinschaft und zu dem Verhältnis zwischen Konfessoren und Märtyrern einerseits und der Gemeinde andererseits deutlich gewordene Tendenz einer Individualisierung ihres Leidens. Weder in bezug auf ihre Ermöglichung noch auf ihre Wirkung erscheinen Bekenntnis und Martyrium wesentlich als Funktionen der Kirche, sondern primär als Ausdruck persönlicher Heiligung und Weg zu individueller Heilssicherheit. Dies hängt zum einen zusammen mit Tertullians „persönlich-subjektiv(em)" Kirchenbegriff 130 , dem zufolge die Heiligkeit der Kirche nicht eine ihr als Institution zugesprochene ist, sondern sich konkret durch die Heiligkeit ihrer einzelnen Mitglieder konstituiert.131 Die persönliche Heiligung der Gläubigen ist Vorausset-

l27

Adv.Prax. 1,4 (CChr.SL Π, 1159,24-26): „... quando et si corpus suum tradidisset exurendum,

nihil profecisset, dilectionem Dei non habens cuius charismata quoque expugnavit." 128

Zu den Montanisten als denjenigen, die die Gnadengaben annehmen, vgl. De mon. 1,2

(CChr.SL II, 1229,11), w o Tertullian von ihrer „agnitio spiritualium charismatum" spricht. 129

De fuga 14,2f (CChr.SL II, 1155,18-24).

130

Altendorf, Einheit, 24.

131

Vgl. Altendorf, Einheit, 20.24: „Die Kirche ist für ihn (sc. Tertullian) nicht göttliche Institution oder ihrer Ausstattung wegen heilige Anstalt an sich , . . . , sondern die Kirche ist ihm die zum himmlischen Heil bestimmte heilige Gemeinde der vom heiligen Geist erfüllten heiligen Glieder Christi... Tertullians unzweideutige Meinung ist,..., die, daß von der Kirche auf Erden nur insofern gesprochen werden kann, als sie in den Christen Gestalt gewinnt,..."

Zusammenfassung

288

zung fur die Zugehörigkeit zur „sancta ecclesia" und die Erlangung des Heils. Diese ekklesiologische Tendenz fuhrt dazu, daß die Christinnen und Christen in stärkerer Weise als bei Cyprian als Einzelne vor der Forderung nach individueller Heiligung stehen. Daneben ist für die bei Tertullian festzustellende Tendenz einer Individualisierung des Märtyrerleidens auch seine Stellung in der karthagischen Gemeinde zu berücksichtigen: Sein Status als Laie, der zwar möglicherweise die Funktion eines Lehrers „ohne offizielle ständige Beauftragung durch die Gemeinde" ausübte132, nicht aber im eigentlichen Sinne für die Leitung der gesamten Gemeinde und ihre Konsolidierung in den Zeiten äußerer Bedrängnis verantwortlich war, könnte sowohl sein Desinteresse an Fragen des praktischen Umgangs mit den Bekennern als auch das Zurücktreten der Beziehung zwischen den Märtyrern und der christlichen Gemeinschaft in seinem Martyriumskonzept verständlich machen. Die episkopal und pastoral ausgerichtete Martyriumstheologie Cyprians zeigt hier eine deutlich andere Gewichtung der gemeinschaftsbezogenen Aspekte von Bekenntnis und Glaubenstod. Auf einen darüber hinausgehenden grundsätzlichen Unterschied innerhalb der Martyrologien Tertullians und Cyprians, der die Gewichtung des „blutigen" Martyriums innerhalb der Ethik und die Frage der „Notwendigkeit des Leidens " betrifft, soll in der abschließenden Kontrastierung ihrer jeweiligen Antworten auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" und der sich in diesen widerspiegelnden Grundtendenzen ihrer Martyriumskonzepte hingewiesen werden.

132

So Neymeyr, Lehrer, 134f. Zu der Frage, welchen Status Tertullian im Rahmen der karthagischen Gemeinde innehatte, vgl. Kap. 5.2.1, Anm. 58.

6. Zusammenfassung und Ausblick: Das Profil der Martyriumstheologie Tertullians im Vergleich zu der martyrologischen Konzeption Cyprians von Karthago Zwei Antworten auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?"

In seinem Traktat „Scorpiace" hat Tertullian die ursprünglich in gnostischen Kreisen rhetorisch gestellte Frage, ob Gott denn tatsächlich das Blut des Menschen fordere - „Sanguinem hominis deus concupiscit?" - , aufgegriffen. In der Auseinandersetzung mit den ihm entgegengehaltenen, die Pflicht zu Bekenntnisund Leidensbereitschaft relativierenden, Argumenten benennt diese Frage in deutlichster Form den Streitpunkt: Stehen die Christinnen und Christen unter der uneingeschränkten Forderung Gottes nach dem Martyrium? Tertullian hat sie mit einem klaren „Ja" beantwortet: Wenn die Gläubigen die völlige Sicherheit des eigenen Heils und die Vergebung postbaptismaler Sünden wünschten, dann fordere Gott das Martyrium im Sinne eines „Ausgleichs". Cyprian hat ungefähr fünfzig Jahre später implizit ebenfalls auf diese von seinem „Lehrer" gestellte Frage geantwortet - aber in gänzlich anderer Weise: „Nec enim sanguinem Deus nostrum sed fidem quaerit."1 Nicht um das Erleiden des Martertodes an sich gehe es Gott, sondern um die Haltung des Glaubens auf Seiten der Christen, deren Konkretion je nach äußerer Situation aber differieren kann. Beide Äußerungen stellen kontextabhängige Spitzensätze dar, deren Deutung in den Zusammenhang der jeweiligen Argumentation zu stellen ist. So beruht die Rigorosität der bei Tertullian zu findenden Betonung der göttlichen Forderung nach dem Martyrium auf der fundamentalen Infragestellung der Notwendigkeit der Bekenntnis- und Martyriumsbereitschaft durch gnostische Gruppen, die offensichtlich auch in der karthagischen Gemeinde für ihre Position warben. Dieser massiven Relativierung des Martyriums als einer prinzipiell mit dem Christsein und der damit einhergehenden Distanz gegenüber der „Welt" gegebenen Perspektive setzt er entsprechend nachdrückliche und in ihren Formulierungen schroffe Argumente entgegen. In dem von ihm selbst für seine Darlegungen in „Scorpiace" gebrauchten Bild des „Gegengiftes" gegen die Haltung der Gnostiker bedeutet dies, daß

' De mort. 17 (CChr.SL III A, 26,296).

290

Zusammenfassung und Ausblick

dieses um so stärker sein muß, je stärker auch das zu bekämpfende „Gift" ist! Nicht in einem polemischen, sondern in einem konsolatorischen Kontext steht hingegen Cyprians Antwort. Im Zuge einer Pestepidemie, die im Jahr 252 in Afrika zu einer Vielzahl von Todesfällen führte2, kamen in der karthagischen Gemeinde Ängste auf, daß zum Glaubenstod bereiten Gläubigen ein solcher nicht mehr möglich sein könne, wenn sie vorher an der Pest stürben.3 Diesen Ängsten gegenüber betont Cyprian, daß den Christinnen und Christen schon für ihre Bereitschaft zum Glaubensmut die „pro virtute merces" von Gott zustehe.4 Es sei ein grundlegender Unterschied, ob zum Martyrium der Mut fehle, oder ob - wie in dem genannten Fall - dem vorhandenen Glaubensmut lediglich die Möglichkeit zum Martyrium abgehe.5 Für diese Zusage Cyprians ist entscheidend, daß Gott als „scrutator ... renis et cordis et occultorum contemplator et cognitor"6 die innere Bereitschaft und den Mut erkennen könne, die für die Menschen verborgen blieben. In den Augen Gottes sei nicht der tatsächliche Akt des Sterbens im Martyrium, das physische Vergießen des Blutes, entscheidend, sondern die innere Haltung des Glaubens, die Integrität des Glaubens.7 Jenseits ihrer Kontextbezogenheit weisen die Antworten Tertullians und Cyprians auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" in signifikanter Weise auf eine deutliche, den Stellenwert des Martyriums innerhalb der Ethik betreffende, Differenz ihrer jeweiligen Martyriumskonzepte hin. Wenn auch noch nicht im „Apologeticum" und in „Ad martyras", so stellt der Glaubenstod für Tertullian ausdrücklich aber seit „Scorpiace" den Gipfelpunkt christlicher Sittlich-

2

Vgl. De mort. 15 (CChr.SL III A, 24,240): „Multi ex nostris in hac mortalitate moriuntur ..."; in De mort. 1 (CChr.SL III A, 17,3) spricht Cyprian von der „praesentis mortalitatis copia". Zur Datierung der Pest in Afrika vgl. Scourfield, De mortalitate, 23. 3 Cyprian zitiert entsprechende Bedenken in De mort. 17 (CChr.SL III A, 25,277-26,281): „Hoc me ergo in praesenti mortalitate contristai quod qui paratus ad confessionem fueram et ad tolerantiam passionis toto me corde et plena virtute devoveram martyrio meo privor, dum morte praevenior." 4 De mort. 17 (CChr.SL III A, 26,284-286): „... videt te et laudat et conprobat (sc. deus) et qui perspicit aput te paratam fuisse virtutem reddit pro virtute mercedem." 3

De mort. 17 (CChr.SL ΠΙ A, 26,292f): „Aliud est martyrio animum deesse, aliud animo defuisse martyrium." 6 De mort. 17 (CChr.SL III A, 26,283f). Den hier vorliegenden Bezug auf Apk 2,23 hat Cyprian auch in De laps. 27 (CChr.SL III, 236,539); ep. 10,5,1 (CChr.SL III B, 54,1030 herangezogen, um die Erstreckung der Richterfunktion Gottes auch auf die innere Haltung des Menschen und damit die Möglichkeit eines „Bereitschaftsmartyrium" zu begründen. 7 De mort. 17 (CChr.SL III A, 26,296). Vgl. Anm.l. Zur Interpretation dieser Stelle vgl. Margene, L'intérêt, 201 : „Cyprien refuse une conception magique et automatique du salut par le martyre: le Dieu bon n'est pas avide du sang de l'homme, et le Dieu juste récompense les intentions vertueuses et non seulement les actions."

Zusammenfassung und Ausblick

291

keit dar, der allein vollkommene Entsprechung gegenüber dem Willen Gottes bedeutet, dem in exklusiver Weise ein besonderer himmlischer Ruhm zugesprochen wird und der letztlich den einzigen Weg zur Erlangung völliger Heilssicherheit darstellt. Demgegenüber zeigt sich in der cyprianischen Martyrologie bei aller, mit großem rhetorischem Pathos ausgedrückten, Hochschätzung des Martyriums seine beginnende Relativierung zugunsten einer vergleichbaren Wertung der inneren Bereitschaft zum Glaubensmut sowie anderer Ausdrucksformen christlicher Tugend. Dieser hier nur knapp und plakativ angedeutete Unterschied soll abschließend kurz ausgeführt werden, wobei der Schwerpunkt auf der genannten „spiritualisierenden" Tendenz Cyprians liegen wird. Tertullians zentrales Anliegen in „Scorpiace" und „De fuga in pesercutione" besteht in der Einschärfiing der absoluten Notwendigkeit und Pflichtmäßigkeit des Martyriums auf der Grundlage des Gehorsams gegenüber Gott, in der Betonung der göttlich autorisierten Notwendigkeit des Leidens. Um nun den auf das Martyrium zielenden Willens Gottes erfüllen zu können, steht den Christinnen und Christen göttlicher Beistand zur Seite. Obwohl dieser durchgängig in Tertullians martyrologischen Ausführungen erwähnt wird, bestimmt der Gedanke eines göttlichen Wirkens im Martyrium aber nicht vorrangig seine Martyriumskonzeption. Dies zeigt sich deutlich daran, daß er das Erleiden des Glaubenstodes nicht als eine von Gott den Christen verliehene besondere Gabe oder Gnade charakterisiert oder es ausdrücklich auf einen Ruf Gottes zurückführt. Der Schwerpunkt seiner Martyrologie liegt vielmehr auf der menschlichen Pflicht und Leistung, die in Entsprechung zu dem fordernden Gotteswillen zu erfüllen ist. In bezug auf die Praxis der verfolgten Gemeinde zieht dies zweierlei nach sich: Zum einen die Absage an jede Flucht vor der Verfolgung, die innerhalb dieses Konzeptes theologisch nicht begründbar ist, zum anderen, daß Tertullian dem Drängen nach dem Martyrium keine Absage erteilt: Zwar findet sich keine direkte Aufforderung zu einer Selbstauslieferung, wo ein solches Verhalten aber erwähnt wird, erscheint es als durchaus akzeptable Verhaltensweise. Darüberhinaus laufen insbesondere seine Ausführungen in „Scorpiace" in der Konsequenz auf eine theologische Rechtfertigung eines forcierten Drängens nach dem Martyrium als des „Gipfelpunktes christlicher Hoffnung" hinaus. Der deutlichen Einschärfung der Verpflichtung der Christinnen und Christen zum Martyrium auf der einen Seite entspricht auf der anderen Seite die deutliche Abhebung des Ruhmes und der Würde der Märtyrerinnen und Märtyrer von deijenigen der übrigen Gläubigen, die letztlich die Zuweisung eines unterschiedlichen Heilsstandes bedeutet. Eine solche Hervorhebung des Martyriums als einzigartigem Weg zu himmlischem Ruhm, dessen alle Nichtmärtyrer nicht teilhaftig

Zusammenfassung und Ausblick

292

werden können, findet sich in ausführlicher Form in „Scorpiace", speziell in bezug auf die Frage der postmortalen Destination in „De resurrectione carnis" und „De anima" und im Blick auf die durch das Martyrium exklusiv zu erlangende Vergebung schwerer postbaptismaler Sünden in „De pudicitia". Die hier zutagetretende Höherbewertung des Martyriums zeigt sich deutlich auch an der bei Tertullian zu findenden Abhebung des Martertodes von jedem natürlichen Tod. Deutlich treten diese Grundzüge der Martyriumstheologie Tertullians allerdings erst seit „Scorpiace" hervor, d.h. seitdem die Martyriumsthematik von ihm primär innerhalb polemischer Kontexte aufgegriffen worden ist. Gegenüber den Ausführungen zum Glaubenstod im „Apologeticum", in „Ad martyras" und in katholischen Schriften, die sich mit Fragen der christlichen „disciplina" beschäftigen („De baptismo", „De patientia", „Ad uxorem", „De cultu feminarum"), zeigt sich eine Radikalisierung in bezug auf die unbedingte Forderung nach dem Martyrium sowie auf die Differenz zwischen dem durch den Glaubenstod zu erlangenden Heilsstand und demjenigen der übrigen Christinnen und Christen. Daß die seit „Scorpiace" vertretene Position aber keinen völligen Bruch mit vorher vertretenen Auffassungen darstellt, wird daran deutlich, daß für Tertullian zum einen schon in „Ad uxorem" das Ausweichen vor dem Martyrium moralisch fragwürdig ist, und er zum anderen in „De baptismo" die Heilsbedeutung des Martyriums derjenigen der Taufe überordnet. In zunehmendem Maße erhält das Martyrium somit einen einzigartigen Stellenwert innerhalb der Ethik Tertullians zugewiesen, wird zum „sommet de sa morale pratique"8: Weder gibt es in der Verfolgungssituation eine andere akzeptable Verhaltensweise als die absolute Bereitschaft zum Erleiden des Glaubenstodes noch wird anderen Formen christlicher Sittlichkeit eine entsprechende Würdigung oder ein gleicher Ruhm zuteil. Dies zeigt sich auch bei der Untersuchung der von Tertullian verwendeten martyrologischen Begrifflichkeit: „martyr/martyrium" sind in der Mehrzahl der Fälle auf den tatsächlichen Blutzeugen bzw. den realiter erlittenen Glaubenstod bezogenen, bei dem Gebrauch von „confessor/confessio" ist dieser zwar häufig nicht mit ausgesagt, steht aber als Ergebnis eines standhaften Bekenntnisses im Hintergrund. An keiner Stelle zeigt sich eine übertragene Verwendung dieser Begriffe auf andere Formen christlichen Verhaltens während einer Verfolgung oder außerhalb dieser. Bestätigt wird diese Tendenz auch bei dem Blick auf den für die Bezeichnung des Ruhmes der Märtyrer verwendeten Terminus „gloria" sowie auf die aus der agonistischen Metaphorik übernommen Begriffe für die Siegespreise „palma" und „corona": Sie werden fast ausschließlich auf das Martyrium bezogen, lediglich von einer „Krönung" 8

Rambaux, Tertullien, 367.

Zusammenfassung und Ausblick

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auch anderer Ausdrucksformen christlicher „virtus" spricht Tertullian in zwei Ausnahmefällen. Damit bleibt der Glaubenstod ein Akt sui generis, eine Spiritualisierung oder Ethisierung der Martyriumstheologie zeichnet sich in keiner Weise ab. Daß Tertullians Ausführungen zum Martyrium in weiten Teilen durch ihre polemische Ausrichtung geprägt sind, wurde bereits erwähnt. 9 Daneben spielt fur das Verständnis seiner Martyrologie eine wesentliche Rolle, daß er wahrscheinlich nicht Kleriker in der karthagischen Gemeinde war und entsprechend nicht in unmittelbarer Verantwortung fur die Konsolidierung der Gemeinde und die Seelsorge an ihren Mitgliedern stand. Daß es sich bei seiner Martyriumstheologie um eine „Laien"-Theologie handelt, wird auch durch das deutliche Desinteresse an den Fragen der gemeindlichen Bedeutung von Bekenntnis und Martyrium und des praktischen Umgangs mit Bekennern und Märtyrern sowie die in ihr zutagetretende Tendenz zur Individualisierung der Blutzeugen nahegelegt. Ebensowenig spielt in ihr die seelsorgerliche Frage nach der Würdigung all jener Christinnen und Christen, die nicht das Martyrium erlangen können, eine Rolle. So wird in seinem Martyriumskonzept die Majorität der Gläubigen, die nicht den Glaubenstod erleidet, nicht positiv in den Blick genommen. Damit ist es Ausdruck einer Ethik, die letztlich nur eine „Ethik der Wenigen", eine „Ethik der (Märtyrerinnen und) Märtyrer" 10 darstellt. Diese ist im Zusammenhang zu sehen mit seinem „persönlich-subjektiv(en)"", „perfektionistischen" 12 Kirchenbegriff, in dem die Heiligkeit und Reinheit der Kirche als Gemeinde der Heiligen durch diejenige ihrer einzelnen Glieder konstituiert ist, die entsprechend als solche vor der Forderung nach vollkommener persönlicher Heiligung stehen, deren „Krönung" das Martyrium darstellt. Daß nach Tertullians Ekklesiologie nicht die organisierte Kirche ihren Gliedern qua Zugehörigkeit das Heil vermittelt, sondern jeder Gläubige das Heil individuell durch die Bewährung seiner „virtus" erlangen muß, steht hinter der unbedingten Forderung nach dem Martyrium als einzigem Weg zur völligen Sicherung dieses Heils. Ausgehend von einer modifizierten Akzentsetzung im Kirchenbegriff zeigt sich bei Cyprian auch eine veränderte Wertung des Martyriumsleidens. Was bei Tertullian selbstverständlich vorausgesetzt, aber nicht in der Vordergrund gerückt

9

Vgl. Kap. 4.7.

10

Klein, Bewußtsein, 312.

" Altendorf, Einheit, 24. 12

Rankin, Church, 92, spricht von „the exclusivist-perfectionist... view of the church" bei

Tertullian.

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ist, steht bei ihm im Mittelpunkt: Entscheidend fur die Erlangung des Heils ist für ihn die Zugehörigkeit zu der einen Kirche13, außerhalb derer es kein Heil gibt. Diese wird damit dem persönlichen Glaubenszeugnis vorgeordnet, das entsprechend nachdrücklich als nur innerhalb der Kirche gültig und zum Heil führend herausgestellt wird. Für Cyprian erlangen die Gläubigen ihr Heil durch die Bewahrung der Einheit der Kirche sowie der in ihr vorfindlichen „disciplina", d.h. der den göttlichen Geboten entsprechenden gemeindlichen und persönlichen Lebensformen14; diese Möglichkeit haben alle Christinnen und Christen gleichermaßen. Damit ist der Vorstellung von der Notwendigkeit des Martyriums zur Erlangung des vollkommenen persönlichen Heils in Cyprians Ekklesiologie der Boden entzogen. Für ihn stellt das Martyrium nicht eine Pflicht und Notwendigkeit dar, sondern eine mit dem Leben der Christinnen und Christen in der Zeit der Verfolgung gegebene Möglichkeit, diese veränderte Akzentsetzung beinhaltet auch, daß das Erleiden des Glaubenstodes eine Möglichkeit christlichen Verhaltens in der Verfolgung bildet, der andere Ausdrucksformen christlicher Sittlichkeit in der Verfolgung, aber auch außerhalb der Verfolgungssituation in bezug auf ihre Bewertung an die Seite gestellt werden. Auch Cyprian hält, wenn auch nicht pointiert, daran fest, daß das Martyrium die „Vollendung der Tugend" (consummatio virtutis) darstellt15 und eine hervor-

13 Die Heilsnotwendigkeit der Zugehörigkeit zur Kirche hat Cyprian besonders durch die Verwendung entsprechender Bilder eingeschärft: So könne man deshalb nur in der Kirche zum Heil gelangen, weil sie die einzige Arche darstelle, innerhalb derer man vor der Sintflut dieser Welt gerettet werden könne (ep. 69,2,2; CChr.SL III C, 472,47-473,55; De eccl.un. 6; CChr.SL III, 253,150)). Nur die Kirche allein bilde Quelle und Wurzel des Lebens, denn sie allein sei die „mater", die die Christen durch die Taufe „gebäre" und mit der „Milch" der Lehre und der Sakramente nähre (De eccl.un. 5; CChr.SL III, 253,141f; ep. 74,6,lf; CChr.SL ΙΠ C, 570,111-571,124). Trennung von der „ecclesia mater" bedeute also zwangsläufig auch Abtrennung von der Quelle des Lebens und somit den Verlust jeglicher Möglichkeit der Rettung und des Heils: „Quicquid a matrice discesserit, seorsum vivere et spirare non poterit: substantiam salutis amittit." (De eccl.un. 23; CChr.SL III, 266,566f) In diesem Sinne formuliert Cyprian kategorisch: „Salus extra ecclesiam non est." (ep. 73,21,2; CChr.SL III C, 555,380) 14

Zur Bedeutung von „disciplina" bei Cyprian vgl. Siegfried Hübner, Kirchenbuße und Exkommunikation bei Cyprian, in: ZKTh 84 (1962), 59: Neben der Verwendung für die Gesamtheit der christlichen Lehre findet sich bei Cyprian v.a. der engere Gebrauch für das „Leben nach der christlichen Lehre, wobei die disciplina als Sittenlehre der fides, der Glaubensregel, gegenübersteht." „Disciplina" umfaßt hierbei sowohl die kirchliche Ordnung und Organisation (ep. 17,3,2; CChr.SL IIIIB, 98,46f), die Ordnung der Sakramente Taufe (ep. 74,4,1 ; CChr. SL III C, 568,76f), Eucharistie (ep. 63,15,1; CChr.SL ΠΙ C, 411,283), Kirchenbuße (ep. 16,2,3; CChr.SL m Β, 92,35f) als auch die persönlichen Pflichten des einzelnen Christen gegenüber Gott (Test. 111,66; CChr.SL III, 156,lf). 15 ep. 10,4,4 (CChr.SL III B, 53,89).

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gehobene Form der Erfüllung des göttlichen Willens bildet16, die er größter Hochschätzung würdigt. Dies zeigt sich nicht zuletzt in seinen panegyrischen, in erster Linie dem Lob der Bekenner und Märtyrer gewidmeten Briefen. 17 Dennoch nimmt das Martyrium weder den Rang einer absoluten Verpflichtung ein, noch kann es eine völlige Einzigartigkeit in bezug auf den ihm zugesprochenen Lohn beanspruchen. 18 Vielmehr geht - wie oben angedeutet - die Tendenz bei Cyprian in die Richtung einer Relativierung des Martyriums zugunsten anderer Formen christlicher Sittlichkeit, die in der ihnen verheißenen Würde dem öffentlichen Bekenntnis und dem Martyrium angenähert werden. Entscheidend dafür ist, daß Cyprian gegenüber Tertullian in der theologischen Begründung des Martyriums den Akzent verschiebt: Es bleibt zwar eine Tat des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes 19 , der sich im Idololatrieverbot und in der Verpflichtung zum Bekenntnis manifestiert 20 , aber diese Seite der „menschlichen Leistung" steht nicht mehr im Vordergrund.21 Grundlegend für sein Verständnis des Martyriums ist die Vorstellung, daß dieses immer als Ausdruck göttlicher Würdigung („divina dignatio") zu verstehen ist.22 Jedes Martyrium ist für ihn auf besondere göttliche

16

Vgl. De dom.or. 15 (CChr.SL III A, 99,270-282), wo Cyprian die Inhalte der „voluntas Dei" ausführlich aufzählt und durch die Formulierung „exhibere in sermone constantiam qua confitemur, in quaestione fiduciam qua congredimur, in morte patientiam qua coronamur: hoc est coheredem Christi velie esse, hoc est praeceptum dei facere, hoc est voluntatem patris inplere" abschließt (CChr.SL III A, 99,279-282). Bekenntnis und Martyrium erscheinen hier quasi als „krönender" Höhepunkt in der Erfüllung des göttlichen Willens. 17

Vgl. bes. epp. 6; 10; 28; 37; 76. Gegen Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 113, der von „el premio que reciben en el cielo los mártires, mayor que el de los demás fieles" spricht, „constituye el argumento apodíctico de la preexcelencia de martirio ...". Das Martyrium erscheine nicht „como uno de tantos caminos de perfección, sino como la ùnica senda a seguir en aquellas duras circunstancias para salvar al alma." Die Martyriumsspiritualität Cyprians bezeichnet er als „escuela de espiritualidad obligatoria." (Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 125). Der einzige Zusammenhang, in dem der Märtyrerlohn explizit von dem Lohn anderer Christen abgehoben wird, ist die Auslegung des Gleichnisses vom dreißig-, sechzig- und hundertfältigen Lohn, in der der hundertfältige auf die Märtyrer, der sechzigfältige auf die Jungfrauen bezogen wird (De hab.virg. 21; CSEL m , l , 202,14-16; ep.76,6; CChr.SL III C, 614,129-131). Ziel dieser Stellen ist aber nicht die Hervorhebung der Märtyrer, sondern die Angleichung der Jungfrauen, „quarum ad gratiam merces secunda est..." (De hab.virg. 21 ; CSEL 111,1,202,18). 18

19

Standhaftigkeit im Bekenntnis und das Erleiden des Martyriums bedeuten nichts anderes als „praeceptum dei facere,... voluntatem patris implere."(De dom.or. 15; CChr.SL ΙΠ A, 99,282) 20 Vgl. u.a. Ad Fort. 1-5 (CChr.SL III, 187,1-193,45). 21 Vgl. dagegen den Tenor der Darstellung der cyprianischen Martyrologie durch Campenhausen, Idee, 131 f. 22 Der Verweis auf die im Martyrium wirksame „divina dignatio" findet sich durchgängig in Cyprians Ausführungen zur Martyriumsthematik. Vgl. die in Kap. 4.3.1., Anm. 268 aufgeführten Belegstellen.

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Zusammenfassung und Ausblick

Begnadung zurückzufuhren, sein Erleiden steht nicht in dem Bereich unmittelbarer menschlicher Entscheidung23: „... non est in tua potestate sed in dei dignatione martyrium."24 Diese Akzentverschiebung bildet die eigentliche theologische Voraussetzung dafür, daß Cyprian im Unterschied zu Tertullian eine Flucht in der Verfolgung akzeptieren und sogar hoch bewerten kann.25 Die Legitimität einer Flucht beruht fur ihn darauf, daß auch die Bestimmung des Zeitpunktes eines Martyriums der Gnade Gottes anheimgestellt ist: „Nam cum corona de Dei dignatione descendat, nec possit accipi nisi fuerit hora sumendi, quisque in Christo manens interim cedit, non fidem denegai sed tempus expectat."26 Nur wenn die von Gott festgelegte Stunde des Martyriums für einen Christen gekommen sei, könne dieser das Martyrium erleiden; wer in der Verfolgung fliehe, erwarte noch seine Zeit. Während derjenige, der öffentlich seinen Glauben bekenne, von Gott bereits als „reif (maturas) befunden sei, sei der Fliehende noch bis zum Zeitpunkt seines Bekenntnisses „zurückgestellt" (dilatus) 27 Wie das Martyrium wird also auch die Flucht von Cyprian auf göttliche Bestimmung zurückgeführt; nicht nur Bekenntnis und Martertod erscheinen als Ausdruck göttlicher Gnade, auch die durch die Flucht ermöglichte Bewahrung beruht auf der Hilfe Gottes und der „Dei gratia".28 Cyprian hält zwar grundsätzlich an einem Vorrang des öffentlichen Bekenntnisses vor den Heiden mit der darin inhärenten Möglichkeit des Martyriums fest, welches einen höheren himmlischen Ruhm zu gewärtigen habe als die Flucht, dennoch sei diese aber immerhin der „zweite Schritt zum Ruhm" (secundus ad gloriam gradus).29 Trotz der Beibehaltung einer Abstufung zwischen dem öffentlichen Bekenntnis und einer Flucht ist letztere bei Cyprian aber keinesfalls 23 Dies hebt auch hervor Butterweck, Martyriumssucht, 185: „Das rechte Verhalten in Verfolgungszeiten steht also nach Cyprian nicht im Belieben des einzelnen Gläubigen." 24 De mort. 17 (CChr.SL III A, 26,281f). Der Bindung des Martyriums an ein besonderes Gnadenhandeln Gottes korrespondiert das von Cyprian - im Unterschied zu Tertullian - erwähnte Gebet um Gewährung des Martyriums (Ad Fort.praef. 4; CChr.SL III, 185,68). Auf der anderen Seite entspricht der genannten Vorstellung aber auch, daß Cyprian auch das Überleben in der Verfolgung auf Gottes Eingreifen zurückfuhrt und einer dadurch ermöglichten weiteren Wirksamkeit für die Gemeinde einen hohen Eigenwert zumißt (vgl. ep. 10,5,2; CChr.SL ΙΠ Β, 54,106-55,109; ep. 38,1,3; CChr.SL ΠΙ B, 184,22-25; ep. 39,1,1; CChr.SL III B, 186,6-9). 25 26 27

Nicholson, Flight, 55, spricht von einer „distinctive spirituality of flight" bei Cyprian. De laps. 10 (CChr.SL III, 226,188-201).

De laps. 3 (CChr.SL III, 222,56-58): „Ille (sc. qui confessus est) adpropinquante hora sua iam maturus inventus est; hie fortasse dilatus est qui patrimonio derelicto idcirco secessit...". 28 Vgl. ep. 5,1,1 (CChr.SL III B, 27,4): „Saluto vos incolumis per dei gratiam ..."; ep. 7,1 (CChr.SL III B, 38,4); ep. 59,6,1 (CChr.SL III C, 346,159f). 29 De laps. 3 (CChr.SL ΠΙ, 222,52): „Primus est victoriae titulus gentilium manibus adprehensum Dominum confiten; secundus ad gloriam gradus est cauta secessione subtractum iam Deo reservari."

Z u s a m m e n f a s s u n g und Ausblick

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nur als ein Zugeständnis zu verstehen; vielmehr entspricht sie einer auf göttlichem „mandatum" beruhenden Aufforderung, um der möglicherweise zur Sünde des Abfalls führenden Situation zu entgehen.30 Auf der begrifflichen Ebene wird die Flucht dem Bekenntnis vor den Heiden sogar angeglichen: Wie dieses eine „publica confessio" sei, so stelle jene eine „privata confessio" dar, in der ein Christ eben nicht vor weltlichen Richtern, sondern vor Gott als seinem alleinigen Richter stehe.31 Diese Apologie der Flucht ist zunächst auf dem Hintergrund der veränderten rechtlichen Lage zur Zeit der Verfolgung unter Decius zu sehen, nach der jeder, der die zum Opfern gesetzte Frist versäumte, sich als Christ bekannte, auch wenn er floh.32 In bezug auf die Erfordernisse der Gemeindeführung stehen für Cyprian dahinter die Erfahrungen des weitverbreiteten Abfalls in dieser Verfolgung und dessen verheerender Folgen fur die Stabilität der karthagischen Gemeinde, die ihn die Flucht als akzeptables Mittel zur Vermeidung der Apostasie empfehlen lassen. Zeigt sich hier bereits, daß die episkopale Sorge Cyprians um gemeindliche Konsolidierung unmittelbar auf das martyrologische Konzept einwirkt, so wird dies dort noch deutlicher, wo er die grundlegende seelsorgerliche Frage nach dem Los all derjenigen Christinnen und Christen aufgreift, die nicht das Martyrium erleiden können - auch zu seiner Zeit die Mehrheit der Gläubigen. Ihnen versichert er in „De mortalitate", daß jeder Christ, der „fidelis et iustus et laudabilis" erfunden werde, letztlich der himmlischen Gemeinschaft der Patriarchen zugesellt werde, da es Gott nicht um das Blut der Christen, d.h. den Akt des Glaubenstodes an sich, sondern um den Glauben, d.h. die dahinter stehende Haltung, gehe.33 Ausdrücklich betont er auch in „Ad Fortunatum", daß nicht nur denen, die getötet würden, himmlische Verheißungen in Aussicht stünden, sondern allen, die festen und unbesiegten Glaubens blieben; sie würden von Christus gar unter die Märtyrer gerechnet. 34 Die Bedeutung der oben genannten Frage für Cyprians episkopales Wirken spiegelt sich deutlich auch darin wider, daß er diesen Traktat mit einer programmatischen Stellungnahme hierzu beschließt: Wenn die Gelegenheit zum

30

De laps. 10 (CChr.SL III, 226,195-198): „Qui exit et cedit, delicti particeps non fit;... et ideo

D o m i n u s in persecutione secedere et fugere mandavit adque ut id fieret et docuit et fecit." 31

De laps. 3 (CChr.SL III, 222, 53-56): „lila publica, haec privata c o n f e s s i o est; ille iudicem

saeculi vincit, hie contentus Deo suo iudice conscientiam puram cordis integritate custodit." 32

D e laps. 3 ( C C h r . S L III, 222,49f): „ C u m dies negantibus praestitutus excessit, quisque

professus intra d i e m non est, christianum se esse confessus est." 33 34

De mort. 17 ( C C h r . S L 111 A, 26,296-300).

A d Fort. 12 ( C C h r . S L III, 213,41-46): „ N e c solos a n i m a d v e r s o s et interfectos divinae pollicitationis manent praemia, sed etiam si passio fidelibus desit, fides tarnen integra adque invicta perstiterit ...,ipse q u o q u e a Christo inter martyras honoratur...".

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Zusammenfassung und Ausblick

Martyrium nicht gegeben sei, bliebe dennoch der zum Glaubenstod bereite Glaube nicht ohne Lohn von Gott, denn: „In persecutione militia, in pace conscientia coronatur."35 Cyprian geht es hier um die Honorierung der Integrität des Glaubens der Christen - und zwar unabhängig von einem etwaigen Martertod. Dies zeigt sich ebenso auch dort, wo er den eigentlich den Märtyrern verheißenen Lohn Christinnen und Christen zuspricht, die sich in verschiedenen Bewährungs- und Anfechtungssituationen außerhalb der Verfolgung als standhaft erwiesen haben. Diese Herausforderungssituationen, zu denen er zum einen Angriffe auf die Einheit der Gemeinde durch Schismen zählt - ein in seiner Amtszeit massiv auftretendes Problem - , zum anderen verschiedene Versuchungen, die die persönliche „disciplina" infragestellen, werden von ihm an einigen Stellen seines Werkes durch die Übertragung des Begriffs „persecutio" ausdrücklich mit der äußeren Verfolgung durch die Heiden parallelisiert.36 Für Cyprian hat nun die tatsächlich erfolgte Bewährung auch in diesen Herausforderungssituationen ein dem Bekenntnis in der Verfolgung ähnliches Lob zu gewärtigen, bildet letztlich sogar ein alltäglich mögliches „Bekenntnis", das auch terminologisch ersterem angeglichen wird; insbesondere der Einsatz für die Einheit der Gemeinde wie auch die Übung täglicher Sittlichkeit vor allem in Ge-

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Ad Fort. 13 (CChr.SL III, 216,41f). Nach De mort. 4f (CChr.SL III A, 19,59-62.69) werden die Christen täglich von den Versuchungen der Habsucht, der Unzüchtigkeit, des Zornes, des Ehrgeizes und fleischlicher Laster „verfolgt": „cum avaritia nobis, cum inpudicitia, cum ira, cum ambitione congressio est, cum camalibus vitiis, cum inlecebris saecularibus adsidua et molestia luctatio est... Tot persecutiones animus cotidie patitur ... ". Während diese inneren Anfechtungen nur an einer Stelle von Cyprian direkt als „persecutiones" bezeichnet werden, hat er diesen Terminus mehrfach in bezug auf das Verhalten schismatischer Gruppierungen aufgegriffen. So heißt es von der Partei des Felicissimus, die sich durch eine voreilige Wiederaufnahme der Gefallenen während der Decischen Verfolgung „hervortat": „Persecutio est haec alia et alia est temptatio ..." (ep. 43,3,1; CChr.SL III B, 202,41; vgl. De laps. 16; CChr.SL III, 230,330). Das Wirken des Novatus (vgl. hierzu S.L. Greenslade, Schism in the Early Church, London (1953), 38-42) ist ihm nichts anderes als eine weitere „Verfolgung" innerhalb der eigentlichen, von den Heiden ausgehenden Verfolgung: „... in ipsa persecutione ... alia quaedam persecutio ..." (ep. 52,2,2; CChr.SL III B, 246,47f). Auch grundsätzlich kann Cyprian in bezug auf das Phänomen der Kirchenspaltung von den „persecutiones haereticorum" sprechen, die unmittelbar verknüpft werden mit den „Iudeaorum sive gentilium persecutiones" (De bon.pat. 21; CChr.SL III A, 130,413f). Den spezifischen Charakter dieser „Verfolgungen" macht er durchgängig durch Zusätze („cotidiana", „alia", „haereticorum" als gen.subj.) deutlich. Bei den bei Hoppenbrouwers, Recherches, 132, zu findenden Ausführungen zu Cyprians Terminologie der Verfolgung ist dieser übertragene Gebrauch gar nicht angemerkt. Opelt, Polemik, 126, erwähnt ihn, schreibt aber zu dem Beleg aus ep. 52,2,2 (CChr.SL III B, 246,47f): „Mit einem nur hier zur Beschimpfung gebrauchten Abstrakten: Verfolgung, persecutio, klagt der Bischof von Karthago beredt über seinen Feind..." (Hervorhebung von mir). Die weiteren Belegstellen für eine polemische, antischismatische Verwendung des Begriffs scheinen ihr entgangen zu sein. 36

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stalt der Wohltätigkeit können von ihm als Formen des „täglichen Bekenntnisses"37 dargestellt werden, die einen dem Märtyrerlohn vergleichbaren Lohn zugesprochen bekommen.38 So bezeichnet Cyprian die Rückkehr einiger römischer Bekenner, die zwischenzeitlich zu Novatian übergelaufen waren, zur katholischen Kirche und die damit gegebene Wiederherstellung des kirchlichen Friedens explizit als „alia confessio".39 Seine Freude über die Nachricht von der Rückkehr der Bekenner zur Kirche sei deshalb auch ebenso groß wie die, die er einst über

37 Der Gedanke einer Übertragung von Motiven und Termini der Martyriumstheologie auf andere Bereiche christlicher Sittlichkeit und die damit ausgedrückte Parallelisierung bestimmter Tugenden und Verhaltensweisen mit dem Martyrium wird in der Literatur als „unblutiges Martyriums" bzw. „tägliches Martyrium" bezeichnet. Auch in bezug auf Cyprian findet sich in der Forschung die Rede vom „spiritual martyrdom" (Malone, Monk, 35-40), „unbloody martyrdom" (Hummel, Concept, 20f), „martyre non sanglant" (Deléani, Christum sequi, 90) oder „daily martyrdom" (Peter Brown, The Body and Society. Men, Women and Sexual Renunciation, London 1989, 195). Sein Sprachgebrauch rechtfertigt eine solche Bezeichnung aber nicht, denn der Begriff „martyrium" bleibt durchgängig an das physische Leiden gebunden und findet sich nicht im Zusammenhang seiner Ausweitung der Martyriumstheologie. Zweimal übertragt er hingegen den Terminus „confessio" bzw. „confiteri"; hierauf beruht die im Text eingeführte Bezeichnung „tägliches Bekenntnis". 38 In der Forschung ist die in Cyprians Schriften vielfach zu findende Übertragung von Motiven und Termini der Martyriumstheologie auf den Bereich des alltäglichen gemeindlichen und persönlichen Lebens der Christen und die damit einhergehende Relativierung des eigentlichen, mit körperlichem Leiden verknüpften Martyriums bislang zwar häufiger mit knappen Hinweisen bedacht, an keiner Stelle aber eingehend dargestellt worden (vgl. Campenhausen, Idee, 139; Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 132; Hummel, Concept, 134; Brown, Body, 195); zuweilen wurde sie sogar vollständig übersehen (so führt Slusser, Martyrium, 210, unter der Überschrift „Moralische Gleichstellung" (anderer christlichen Tugenden mit der Standhaftigkeit im Martyrium) Cyprians diesbezügliche Vorstellungen gar nicht an). Nicht weiter betrachtet wird die Übertragung martyrologischer Motive auch bei Malone, Monk, 35-40; bei diesem findet sich zwar in bezug auf Cyprian das Stichwort „spiritual martyrdom", aber er bezieht dies ausschließlich auf die Vorstellung eines „Bereitschaftsmartyrium", der zufolge jeder, der zum Martyrium bereit gewesen ist, den entsprechenden Lohn erhält, auch wenn er den Glaubenstod nicht erlitten hat: „Cyprian's doctrine of spiritual martyrdom thus resembles that of Clement of Alexandria, inasmuch as he places the essence of martyrdom in the willingness to suffer hardships for Christ." (Malone, Monk, 39f) Am deutlichsten haben Deléani, Christum sequi, 89f, und Margerie, L'interet, 201, die Ausweitung der Martyriumstheologie bei Cyprian betont. Auf Grund der Untersuchung des Nachfolgegedankens bei Cyprians spricht erstere von der bei ihm zu erkennenden „conviction que d'autres voies que le martyre ouvrent aussi l'accès aux demeures célestes et peuvent etre assimilées à la voie éminente de la Passion, que d'autres vertus chrétiennes méritent d'etre mises sur la meme plan que le martyre." Margerie bezeichnet die besonders in „De mortalitate" deutlich werdende Ausweitung der martyrologischen Vorstellungen als „l'intériorisation de sa spiritualité du martyre et de la persécution". 39 ep. 54,1,2 (CChr.SL III B, 252,9f): „Nam et haec fidei et laudis vestrae alia confessio est unam esse ecclesiam confiteri...". Der Kontext zeigt deutlich, daß mit „unam esse ecclesiam confiteri" kein Wort-, sondern ein Tatbekenntnis in Gestalt der Rückkehr zur katholischen Kirche (regressio, redintegratio: ep. 54,1,1; CChr.SL III B, 251,5f) gemeint ist.

Zusammenfassung und Ausblick

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die Nachricht von ihrem mutigen Bekenntnis empfunden habe.40 Der Bewahrung des kirchlichen Friedens habe Christus, so fuhrt er in „De ecclesiae unitate" aus, „alle Gaben und Belohnungen seiner Verheißung" (dona omnia suae pollicitationis et praemia) versprochen.41 In stärkerem Maße noch als die Bewahrung der kirchlichen Einheit gleicht Cyprian die Bewahrung der „disciplina" in ihrer Bewertung dem öffentlichen Bekenntnis und Martyrium an: Wo das Erleiden des Martyriums nicht möglich ist, wird auch dem ethisch einwandfreien Leben ein gleichwertiger himmlischer Lohn zugeschrieben. Grundlegend fur diese Konzeption ist die von ihm mehrfach explizit geäußerte Überzeugung, daß nicht nur die Verfolgung, sondern auch die Friedenszeit „Kronen" für die Gläubigen bereithalte. Auf der Basis dieses Gedankens tröstet er während der Verfolgung unter Decius karthagische Bekenner, die fürchteten, daß ein zu früh wieder eintretender Friede sie um ihre Märtyrerkrone bringen könne42: Es gebe eine zweifache Möglichkeit zur Erlangung der „Krone", zum einen das Martyrium, dem die aus Rosen gewundene „corona purpurea" gebühre, zum anderen aber auch die guten Werke, denen die aus Lilien bestehende „corona candida" zustehe.43 Das Streben der Christinnen und Christen solle nun darauf zielen, entweder durch gute Werke die weiße oder durch Leiden die purpurne Krone zu erlangen44, denn: „In caelestibus castris et pax et acies habent flores suos quibus miles Christi ob gloriam coronetur."45 An dieser Stelle zeigt sich erneut, daß eine der hinter der Ausweitung der Martyriumstheologie bei Cyprian stehenden Triebkräfte die vitale seelsorgerliche Frage nach dem Los derjenigen Christinnen und Christen darstellte, die nicht das

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ep. 54,1,1 (CChr.SL ΙΠ Β, 251,4-9): „Lectis litteris vestris, fratres carissimi, quas ad me de vestra regressione et de ecclesiastica pace ad fraterna redintegratione fecistis, in tantum me laetatum esse confiteor in quantum fueram et ante laetatus, quando confessionis vestrae gloriam conperi et militiae vestrae caelestem ac spiritalem laudem gratulabundus." 41

De eccl.un. 24 (CChr.SL III, 267,577f).

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ep. 10,5,1 (CChr.SL III Β, 54,99-103): „Quod si ante diem certaminis vestri de indulgentia domini pax supervenerit, vobis tarnen manet voluntas integra et conscientia gloriosa. Nec contristetur aliquis ex vobis quasi illis minor qui ante vos tormenta perpessi vieto et calcato saeculo ad Dominum glorioso itinere venerunt." Sowohl das Erleiden des Märtyrertodes als auch die Rückkehr in die Gemeinde seien „sublimis pariter et inlustris" (ep. 10,5,2; CChr.SL III B, 54,106f). 43 ep. 10,5,2 (CChr.SL ΠΙ Β, 55,111-113): „Erat ante in operibus fratrum candida (sc. ecclesia), nunc facta est in martyrum cruore purpurea. Floribus eius nec liliae nec rosae desunt." Nach Campenhausen, Idee, 140, wird der Lilienkranz bei Cyprian für die Jungfräulichkeit verliehen; dies trifft nicht zu, vielmehr sind es die guten Werke der Gläubigen, die die „corona candida" verdienen: „Accipiant coronas vel de opere candidas ... " (ep. 10,5,2; CChr.SL ID B, 55,114f); ebenso De op.et eleem. 26 (CChr.SL ΙΠ A, 72,556f): „... in pace vincentibus coronam candidampro operibus dabit." 44 ep. 10,5,2 (CChr.SL III B, 55,113-115): „Certent nunc singuli ad utriusque honoris amplissimam dignitatem. Accipiant coronas vel de opere candidas vel de passione purpureas." 45

ep. 10,5,2 (CChr.SL III B, 55,115-117).

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Martyrium erleiden können4*: Ihnen wird ein dem Martyrium vergleichbarer Weg zum persönlichen Heil vor Augen gefuhrt. Über diese briefliche Äußerung hinaus zeigt sich auch in mehreren Traktaten Cyprians, daß er der Durchsetzung der christlichen „disciplina" einen dem Märtyrerlohn ebenbürtigen Lohn zuweist. Der Verwirklichung der göttlichen Zucht und der dadurch erlangten Verähnlichung mit Gott wird in „De zelo et livore" die „corona" ebenso wie die „palma" zugesprochen.47 Seinen Appell zur steten Wahrung der Zucht begründet Cyprian dort mit dem Hinweis auf die auch im Frieden zu erlangenden „Kronen". Nicht nämlich gebe es nur die Krone, die in der Zeit der Verfolgung erlangt werde; vielmehr habe auch der Frieden seine Kronen, mit denen diejenigen, die in verschiedensten Kämpfen den Teufel besiegten, gekrönt würden.48 Diese Kämpfe bestünden in der Bezwingung der Wollust, in der Unterdrückung des Zorns und der Ungerechtigkeit, in der Abwehr der Habsucht, im geduldigen Ertragen der gegenwärtigen Welt, in Demut und Barmherzigkeit sowie in Einmütigkeit und Sanftmut. Diese göttliche Zucht zu verwirklichen und den ihr zustehenden himmlischen Verdienst - die „continentiae palma", die „corona patientiae", die „laus fidei" und die „retributio thensauri caelestis"49 — zu ernten, sei eine Möglichkeit, die den Christinnen und Christen im Unterschied zu Bekenntnis und Martyrium jederzeit offenstehe: „In hoc virtutum stadio cotidie currimus, ad has iustitiae palmas et coronas sine intermissione temporis pervenimus." 50 Von der im Frieden zu erlangenden „corona" spricht Cyprian auch in „De opere et eleemosynis", wobei hier allerdings dem Thema des Traktates entsprechend nicht die gesamte Band-

46 Vgl. ep. 10,5,1 (CChr.SL III B, 54,99f). Entsprechende Befürchtungen innerhalb der Gemeinde, das Martyrium nicht erleiden zu können, spiegeln sich auch in De mort. 17 (CChr.SL ΠΙ A, 25,277-26,281) (Zitat vgl. Anm. 3) wider, wobei aber jeweils unterschiedliche Hinderungsgründe vorgestellt sind: In ep. 10 ist an das Ende der Verfolgung gedacht, in De mort. 17 an einen vor einem möglichen Martyrium erlittenen Tod auf Grund der Pestepidemie. Die Bedeutung der Frage nach dem Los der „verhinderten" Märtyrer für Cyprians ausgeweitete martyrologische Konzeption hat auch Adalbert de Vogüé, „Martyrium in occulto". Le martyre du temps de paix chez Grégoire le Grand, Isidore de Séville et Valerius du Bierzo, in: A.A.R. Bastiaensen (Hg.), Fructus centesimus. Mélanges offerts à Gerard J.M. Bartelink à l'occasion de son soixante-cinquième anniversaire, Dordrecht 1 9 8 9 , 1 2 5 f , betont: „Pour consoler des martyrs manqués, Cyprien exalte la vie chrétienne ordinaire, à laquelle ils vont etre rendus. Ces .œuvres' du temps de paix ne sont pas moins belles que la mort pour le Christ." 47

De zel.et liv. 15 (CChr.SL III A, 84,287f).

48

De zel.et liv. 16 (CChr.SL ΙΠ A, 84,299-302): „Non enim christiani hominis corona una est

quae tempore persecutionis accipitur. Habet et pax coronas suas, quibus de varia et multiplici congressione victores prostrato et subacto adversario coronamur." 49

In D e mort. 26 (CChr.SL III A, 31,453) spricht Cyprian von den Barmherzigen, „qui

dominica servantes ad caelestes thensauros terrena patrimonia transtulerunt..." 50

De zel.et liv. 16 (CChr.SL III A, 85,310-312).

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breite christlicher Sittlichkeit, sondern speziell die Wohltätigkeit als verdienstvolles Verhalten und zentrale Tugend51 in den Blick genommen ist.52 Cyprian appelliert an seine Leser, an dem „agon iustitiae Deo et Christo spettante"53 teilzunehmen und nach der „operum salutarium palma"54 zu streben. Ähnlich wie in der oben erwähnten ep. 10 betont er die Gewißheit des himmlischen Lohnes auch für die guten Werke durch den Verweis auf die weiße und die rote Krone: „... in pace vincentibus coronam candidam pro operibus dabit in persecutione purpuream pro passione geminabit."55 Der Geduld in der Ausübung der Wohltätigkeit steht auch nach „De bono patientiae" eine Krone in Aussicht.56 Nach „De mortalitate" fuhrt das Standhalten in anhaltenden inneren Versuchungen, in Krankheiten und Schwächen, zur „Krönung" des Glaubens.57 Im Blick auf den zu erlangenden himmlischen Lohn bieten Verfolgungs- und Friedenszeit den Gläubigen also letztlich die gleichen Möglichkeiten. Vorausgesetzt ist dabei, daß die Christen sich hier wie dort strukturell in der gleichen Art von Auseinandersetzungssituation, im Kampf gegen den Teufel und seine verschiedengestaltigen Angriffe, befinden. Entsprechend wird ihr Verhalten in der einen wie der anderen Situation auch in paralleler Weise geschildert, wobei zum

51 Vgl. De op.et eleem. 7 (CChr.SL ΠΙ A, 59,135-139): „Itaque in evangelio Dominus ... inter sua mandata divina et praecepta caelestia nihil crebrius mandat et praecepit quam ut insistamus eleemosynis dandis ..."; De dom.or. 20 (CChr.SL ΠΙ A, 102,377-103,380): „Contra autem Dominus perfectum et consummatum docet fieri qui omnibus suis venditis adque in usum pauperum distributis thesaurum sibi condat in caelo." Die zentrale Bedeutung der Wohltätigkeit für Cyprian zeigt sich auch daran, daß die zur Belehrung über die „sectae nostrae disciplina" in Test. III zusammengestellten biblischen Belege mit dem Kapitel „De bono operis et misericordiae" eingeleitet werden (CChr.SL III, 80,1). Zur Hochschätzung der Wohltätigkeit vgl. M. Réveillaud, Saint Cyprien, L'oraison dominicale, Paris 1964, 190; Spanneut, Tertullien, 91-93 sowie ausfuhrlich CapmanyCasamitjana, Miles Cristi, 158-165. 52 De op. et eleem. 26 (CChr.SL ΠΙ A, 72,542-546): „Praeclara et divina res, fratres carissimi, salutaris operatio ..., res posita in potestate facientis, res et grandis et facilis, sine periculo persecutionis corona pacis...". 53 De op.et eleem. 26 (CChr.SL III A, 72,550); vgl. ebda (CChr.SL III A, 72,554): „operis agon". 54 De op.et eleem. 26 (CChr.SL ΠΙ A, 72,549f). 55 De op. et eleem. 26 (CChr.SL III A, 72,556f). 56 De bon.pat. 13 (CChr.SL III A, 126,263-270): „Admonet ne quis impatiens in operatione deficiat, ne quis temptationibus aut avocatus aut victus in medio laudis et gloriae itinere désistât et pereant praeterita, dum quae coeperant desinunt esse perfecta, sicut scriptum est: Iustitia iusti non liberabit eum in quocumque die exerravit, et iterum: tene quod habes ne alius accipiat coronam tuam. Quae vox adhortatur patienter et fortiter perseverare, ut qui ad coronam laude iam próxima nititur durante patientia coronetur." 57 De mort. 13 (CChr.SL ΠΙ A, 23,210-213): „Quando ergo infirmitas et inbecillitas et vastitas aliqua grassatur, tunc virtus nostra perficitur, tunc fides si temptata perstiterit coronatur...".

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einen die Nachfolgevorstellung 58 herangezogen wird, die - einmal martyrologisch, einmal allgemein moralisch gefaßt - zur Klammer zwischen dem Martyrium und der christlichen Sittlichkeit im täglichen Leben wird: Beides sind verschiedene Konkretionen der einen Forderung „sequere me".59 Darüberhinaus hat Cyprian zu diesem Zweck besonders Topoi aus der „militia spiritualis"-Vorstellung herangezogen:60 Auch in ihrem alltäglichen Einsatz fur die „disciplina" befinden sich die Christen als „milites Christi"61, sie erscheinen als „täglich im Kampf stehend" (in acie cotidie stantes)62; ihr Leben gleicht einer „pugna"63 oder auf der Ebene der

59 Nach Deléani, Christum sequi, 95, hat Cyprian im Zusammenhang seiner neuen martyrologischen Konzeption auch den Ausdruck „Christum sequi" und weitere mit dem Nachfolgegedanken verbundene Termini in breiterer Form verwendet und auf andere christliche Verhaltensweisen ausgedehnt, obwohl die Nachfolgeterminologie zunächst unmittelbar mit dem Martyrium verbunden ist: „Pour lui (Cyprien),,suivre le Christ', c'est avant tout imiter le Christ souffrant, pour entrer avec lui dans sa gloire." (Deléani, 85) Neben der Bedeutung „Christus auf dem Weg des Leidens nachfolgen" hat „Nachfolge" bei Cyprian auch den Sinn von „auf die Vorschriften Christi hören und seine Taten nachahmen" (vgl. De zel.et liv. 11 ; CSEL ΠΙ,Ι, 426,22-24: „sequitur autem Christum qui praeceptis eius insistit, qui per magisterii eius viam graditur, qui vestigia eius adque itinera sectatur, qui id quod Christus et docuit et fecit imitatur ..."; De hab.virg. 7; CSEL 111,1, 193,4-6.911) 59 Deléani, Christum sequi, 99.101: „En associant étroitement martyre et vie chrétienne, participation au destin souffrant du seigneur et conformité de toute la conduite aux actes et aux enseignements de celui-ci, Cyprien était amené à élargir considérablement, par rapport à ses prédécesseurs, le domaine d'application du précepte de l'imitation... Quoique subordonnés au martyre, ou plutôt quoique présentés comme une forme de martyre, les autres actes de la vie chrétienne sont mis par Cyprien sous le signe de l'imitation du Seigneur, et d'une imitation morale et matérielle." 60 Zur Verwendung der militia-spiritualis Vorstellung zur Beschreibung des täglichen „Kampfes" der Christen vgl. Capmany, Miles Cristi, 128f: „San Cipriano en varias ocasiones da al cristiano que luchada contra sus malas inclinaciones el titulo de Miles y expresa con términos de competición y de guerra el esfuerzo que realiza la voluntad del hombre para superar las tentaciones al pecado y las debilidades propias de la naturaleza humana." 61 Vgl. ep. 10,5,2 (CChr.SL III Β, 55,116); De mort. 2 (CChr.SL III A, 17,15f); De mori. 12 (CChr.SL ΠΙ A, 23,197). Daß die Konfessoren und Märtyrer dabei „un degré supérieur" einnahmen, wie Hoppenbrouwers, Recherches, 150, behauptet, läßt sich grundsätzlich nicht belegen. In der von ihm angeführten Stelle ep. 15,1,1 (CChr.SL III B, 85,7f: „Nam cum omnes milites Christi custodire oporteat praecepta imperatoris sui, tunc vos magis praeceptis eius obtemperasse plus convenit") geht es um die auf ihrer Vorbildwirkung beruhende größere Verpflichtung der Konfessoren zum Gehorsam gegenüber den göttlichen Vorschriften, nicht um den Ausdruck einer Rangfolge unter allen „milites Christi". 62 De bon.pat. 12 (CChr.SL III A, 125,230). Daß die Christen „cotidie" in dieser Auseinandersetzungssituation stehen, betont Cyprian auch an anderen Stellen: De mort. 4 (CChr.SL ΙΠ A, 19,58); De mort. 5 (CChr.SL IU A, 19,69); De zel.et liv. 16 (CChr.SL ΙΠ A, 85,311). Vgl. De dom.or. 16 (CChr.SL III A, 99,289). 63 De mort. 4 (CChr.SL III A, 18,57). In De mort. 12 (CChr.SL III A, 23,191) erscheint die Auseinandersetzung der Christen mit traurigen Lebensumständen (Vermögensverlust, Krankheit, Tod) als „proelium", in dem den Standhaften ebenfalls die „corona" gebührt. Vgl. auch De mort. 9 (CChr.SL III A, 21): „... cui (sc. christiano) magis sit cum diaboli inpugnatione luctandum"; De

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Wettkampfmetaphorik einem „agon"64 gegen die beständigen und vielfältigen Angriffe des Teufels. Wer in diesen „verschiedenen und vielfältigen Kämpfen"65 besteht, ist ebenso ein Sieger über den Teufel, dem die Krone gebührt, wie die Märtyrer. Wie von den Martyrien so spricht Cyprian speziell von der Wohltätigkeit als einem „Schauspiel" (spectaculum)66, dem Gott und Christus zusehen.67 Neben die „confesssorum gloria"68 tritt die „operantium gloria"69. Die Barmherzigkeit ist wie das Martyrium ein „Opfer" (sacrificium) für Gott, das diesem aber in geistlicher Weise dargebracht werde.70 Sie verstärkt wie der Bekennermut die Effektivität der Gebete.71 Eine Identität des verheißenen Lohnes besteht nicht nur hinsichtlich der bereits erwähnten „corona" bzw. „palma", sondern auch in der Aussicht auf die Teilhabe am himmlischen Reich.72 Die Wohltätigen und Barmherzigen erscheinen

mort. 14 (CChr.SL III A, 24,225-227): „Contra tot inpetus vastitatis et mortis inconcussis animi virtutibus congredi quanta pectoris magnitudo est...". 64 De op.et eleem. 26 (CChr.SL III A, 72,550-555): „... omnes in agone iustitiae Deo et Christo spedante curramus ... Si expeditos, si celeres, si in hoc operis agone currentes dies nos vel redditionis vel persecutionis invenerit...". Zur Übernahme der Wettkampfmetaphorik vgl. auch De zel.et liv. 16 (CChr.SL III A, 85,310f): „In hoc virtutum stadio cotidie currimus ..."; De bon.pat. 12 (CChr.SL ΠΙ A, 125,230f): „... in acie cotidie stantes inveterati et exercitati hostis colluctationibus fatigamur..."; De mort. 4 (CChr.SL ΠΙ A, 19,59-62): „Cum avaritia nobis,..., cum inlecebris saecularibus adsidua et molesta luctatio est". 65 De zel.et liv. 16 (CChr.SL III A, 84,300-302): „Habet et pax coronas suas quibus de varia et multiplici congressione victores prostrato et subacto adversario coronamur." In De bon.pat. 12 (CChr.SL III A, 125,23lf) spricht Cyprian ähnlich von den „variae et adsiduae temptationum pugnae". 66

De op.et eleem. 21 (CChr.SL III A, 68,420). De op.et.eleem. 26 (CChr.SL III A, 72,550f): „... omnes in agone iustitiae Deo et Christo spedante currimus ..."; ähnlich De op.et eleem. 21 (CChr.SL III A, 68,413f.418). 67

68 69

De laps. 4 (CChr.SL III, 222,61). De op.et eleem. 26 (CChr.SL III A, 72,531).

70 De dom.or. 33 (CChr.SL III A, 111,626-632): „Beatus apostolus Paulus in necessitate pressurae adiutus a fratribus opera quae fiunt sacrificia Deo dixit esse... Nam quando qui miseretur pauperi Deo faenerat et qui dat minimis Deo donat, spiritaliter Deo suavitatis odore sacrificat." 71 De dom.or. 33 (CChr.SL III A, 110,595-597): „Nam qui in die iudicii praemium pro operibus et eleemosynis redditurus est hodie quoque ad orationem cum operatione venienti benignus auditor est." 72 De op.et eleem. 21 (CChr.SL III A, 68,423): „... perpetuum praemium regnis caelestis accipitur". Vgl. De op.et eleem. 9 (CChr.SL III A, 61,199-201): „Eos enim Dominus, cum iudicii dies venerit, ad percipiendum regnum dicit admitti qui fuerint in ecclesia eius operati". Die Identität dieser Verheißung für Märtyrer und andere Christen ist ausdrücklich in der Literatur lediglich bei Capmany-Casamitjana, Miles Cristi, 297, herausgestellt worden: „Es de advertir finalmente que aunque San Cipriano distingue los distintos méritos y asi habla de diversas coronas, no quiere significar con ello quo no sea prometido a todos el mismo cielo. Todos los aspectos del mismo ... se refieren indistamente al premio de los mártires o demás justos: la restitución del Paraíso, por ejemplo, lo mismo se promete a los mártires que a los dadivosos y a los que sufran con paciencia las

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wie die Märtyrer als „regnorum caelestium coheredes"73 und gelangen ebenfalls zur Anschauung Gottes.74 In Cyprians Vision der himmlischen Destination der Christinnen und Christen in „De mortalitate" werden diese von den Aposteln, Propheten, Märtyrern, Jungfrauen und den Barmherzigen erwartet.75 Die Gleichheit des postmortalen Aufenthaltsortes für Märtyrer wie für alle glaubenstreuen Nichtmärtyrer zeigt sich darüberhinaus noch an mehreren Stellen seines Werkes: Märtyrern wie Nichtmärtyrern eröffnet der Tod den Weg zu Christus76, in das Reich Gottes bzw. das Paradies77 und zur Teilhabe an der ewigen Herrschaft Christi.78 Ausdrücklich stellt Cyprian in „Ad Fortunatum" die Gleichheit des postmortalen Schicksals der Märtyrer und aller anderen glaubenstreuen Christen heraus.79 In letzter Konsequenz bedeutet für Cyprian auch nicht nur das Martyrium die Möglichkeit einer zweiten Taufe, sondern der Mildtätigkeit wird ebenfalls eine mit der ersten Taufe parallelisierte entsündigende Wirkung zuge-

tribulaciones de la vida, y en la descripción de los companeros de la gloria se encuentran juntos todos los que por diversas victorias han merecido el premio." 73 De op.et eleem. 13 (CChr.SL ΙΠ A, 63,266). Die Märtyrer erscheinen als „coheredes Christi" (Ad Fort. 13; CChr.SL ΙΠ, 215,20). In De dom.or. 15 (CChr.SL III A, 99,281) bezieht Cyprian die Miterbenschaft Christi auf das gesamte Ensemble der Vorschriften Gottes einschließlich der Bereitschaft zu Bekenntnis und Martyrium: „hoc est coheredem Christi velie esse ...". 74 De op.et eleem. 14 (CChr.SL III A, 64,279-281): „Et quae matrona locuples et dives es ungue oculos tuos non stibio diaboli sed collyrio Christi, ut pervenire ad videndum Deum possis, dum Deum et operibus et moribus promereris"; vgl. De zel.et liv. 18 (CChr.SL III A, 86,340-346): „Cogita sub oculis nos Dei stare, spedante ac iudicante ipso conversatone ac vitae nostrae curricula decurrere, pervenire nos tunc demum posse, ut enim videre contingat. Si ipsum nunc videntem delectemus actibus nostris, si nos dignos gratiae eius et indulgentiae praebeamus, si placituri semper in regno in hoc mundo ante placeamus." 75 De mort. 26 (CChr.SL ΙΠ A, 31,447-454). 76 De mort. 2 (CChr.SL III A, 18,35-37); De mort. 3 (CChr.SL III A, 18,38-41); De mort. 5 (CChr.SL ΙΠ A, 19,91f ). 77

De mort. 26 (CChr.SL III A, 31,432-434); Ad Dem. 26 (CChr.SL ΠΙ A, 51,520f); vgl. De op.et eleem. 22 (CChr.SL III A, 69,433f). 78 De mort. 21 (CChr.SL III A, 28,362-365). 79 Ad Fort. 12 (CChr.SL III, 214,56-59): „Vivere omnes dicit et regnare cum Christo, non tantum qui occisi fuerint, sed quique in fidei suae firmitate et Dei timore perstantes imaginem bestiae non adoraverint neque ad funesta eius et sacrilega edicta consenserint." Cyprian bezieht sich hier auf Apk 20,4; für die genau entgegengesetzte Aussage hatte Tertullian in De an. 55 Apk 6,9 aufgenommen. Nach Margerie, L'intérêt, 204, rekurriert Cyprian hier auf diese Stelle und setzt ihr seine Auffassung entgegen. Der Gedanke eines gesonderten postmortalen Aufenthaltsortes der Märtyrer, wie Tertullian ihn vertritt, taucht bei Cyprian an keiner Stelle auf. Vgl. auch Fischer, Todesgedanken, 267: „Nicht nur das Martyrium führt in den Himmel, sondern auch gewissenhaftes christliches Leben und Sterben in normalen Zeiten." Unzutreffend hingegen Adhemar D'Alès, La théologie de Saint Cyprien, Paris 1922, 33: „Les martyrs pénètrent dès l'instant de leur mort (se. le paradis), par le privilège du sang, les autres attendent plus ou moins ...". Ein Wartezustand der Nichtmärtyrer nach ihrem Tod wird bei Cyprian an keiner Stelle angedeutet.

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schrieben: Die Werke der Wohltätigkeit und Barmherzigkeit bilden eine „via tuendae salutis", „ut sordes postmodum quascumque contrahimus eleemosynis abluamus."80 Eine Parallelität zwischen Martyrium und Barmherzigkeit besteht zuletzt auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Kirche: Durch das eine wie durch das andere wird sie mit „Blumen" geschmückt und verherrlicht.81 In seiner Tendenz, verschiedene Aspekte christlicher Sittlichkeit - neben der Bewährung gegenüber verschiedenen Formen von Versuchungen insbesondere der Wohltätigkeit und Barmherzigkeit82 - in ihrer Charakterisierung der besonderen Herausforderungssituation eines Bekenntnisses und Martyriums anzugleichen, 80 De op.et eleem. 1 (CChr.SL III A, 55,20-22). Vgl. De op.et eleem. 2 (CChr.SL ΙΠ A, 55,2856-32): „... sicut lavacro aquae salutaris gehennae ignis extinguitur, ita eleemosynis adque operationibus iustis delictorum fiamma sopitur. Et quia semel in baptismo remissa peccatorum datur, adsidua et iugis operatio baptismi instar imitata Dei rursus indulgentiam largiatur"; De op.et eleem. 26 (CChr.SL ΙΠ A, 72,544f): Gute Werke als „medela peccati"; ep. 55,22 (CChr.SL III B, 281,361364): „,eleemosyna a morte libérât', et non utique ab illa morte quam semel Christi sanguis extinxit et qua nos salutaris baptismi et redemptoris nostri gratia liberavit, sed ab ea quae per delicta postmodum serpit." In dem Kontext des letztgenannten Zitates spricht Cyprian allerdings grundsätzlich von der Buße, innerhalb derer das Almosengeben einen fundamentalen Teil darstellt. 81 ep. 10,5,2 (CChr.SL III B, 55,109-113): „O beatam ecclesiam nostram quam sic honor divinae dignationis inluminat, quam temporibus nostris gloriosus martyrum sanguis inlustrat. Erat ante in operibus fratrum candida, nunc facta est in martyrum cruore purpurea. Floribus eius nec lilia nec rosae desunt." 82 Auffällig ist, daß Cyprian der Erlangung der Krone durch das Martyrium nicht das Erreichen dieses Siegespreises durch eine im eigentlichen Sinne asketische Verhaltensweise, d.h. insbesondere die „continentia", zur Seite stellt; diese wird zwar hoch gewertet, aber es sind keinesfalls nur die Jungfräulichen und Enthaltsamen, die einen dem Märtyrerlohn entsprechenden Lohn erhalten, sondern ebenso auch alle Christinnen und Christen, die im täglichen Leben den vielfältigen Versuchungen widerstehen (vgl. z.B. De zel.et.liv. 16; CChr.SL m A, 84,303-85,310; De hab.virg. 21; CSEL m , l , 202,1 lf; De hab.virg. 23; CSEL 111,1, 204,18-22). Diese nicht-exklusive Tendenz der bei ihm vorliegenden Ausweitung der Martyriumstheologie ist in der Literatur bislang kaum beachtet worden. Angedeutet wird sie bei Simone Deléani, Présence de Cyprien dans les œuvres de Jérôme sur la virginité, in: Yves-Marie Duval (Hg.), Jérôme entre l'Occident et l'Orient (Etud.August.), Paris 1988, 65, die zu der Rezeption von „De habitu virginum" bei Hieronymus ausführt: „Du De habitu virginum il (sc. Jérôme) semble ignorer le splendide passage de conclusion (K.23), qui fonde la doctrine chrétienne en matière de virginité: tous les baptisés sont en marche vers le Royaume; entre les vierges et les autres il n'y a en fait qu'une différence de degré; les justes, les doux, les patients, les miséricordieux portent, comme les vierges, l'image du Nouvel Adam." Ebenso hat Vogüé, Martyrium, 127, auf die auf alle Christen bezogene Ausweitung bei Cyprian hingewiesen, die Augustin und Leo der Große übernommen hätten: „De l'élite des vierges et des moines, la gloire du martyre non sanglant s'étend à tout le peuple chrétien, les èveques d'Hippone et de Rome rendant à la notion l'ampleur que lui donnait déjà celui de Carthage." Diese Tendenz weist auf die Notwendigkeit hin, die in der Literatur Cyprian nicht selten zugewiesene Vorläuferrolle für die nachkonstantinische Vorstellung von Jungfräulichkeit und Mönchtum, d.h. spezieller asketischer Lebensformen, als „Ersatzmartyrien" (vgl. z.B. Stuiber, Refrigerium interim, 80; Baumeister, Genese, XXVI; Deléani, Christum sequi, 95; Bernhard Lohse, Askese und Mönchtum in der Antike und alten Kirche, München/Wien (1969), 217, Anm.2) differenzierter zu betrachten.

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unterscheidet Cyprian sich grundlegend von Tertullian. Dessen auf die Verpflichtung zum Martyrium und die Betonung seiner Exklusivität ausgerichtete Martyriumstheologie läßt keinen Raum für eine Ausweitung martyrologischer Vorstellungen auf andere Formen christlicher Sittlichkeit und eine damit einhergehende Relativierung des Martyriums.83 Auf der sprachlichen Ebene zeigt sich das daran, daß er - wie oben erwähnt - keinen übertragenen Gebrauch der zentralen martyrologischen Termini kennt: „persecutio" bleibt auf die äußere Verfolgung beschränkt, ebenso beziehen sich „confessio/confiteri", in den allermeisten Fällen auch „corona/coronari" auf den Gedanken eines „realen Martyriums". Da für Tertullian die „corona" im christlichen Sinne immer die Krone der Märtyrer ist, findet sich bei ihm auch noch nicht die Unterscheidung von „corona candida" und „corona purpurea", ebensowenig wie das unmittelbar dazugehörige Pendant aus dem Bereich der in der Antike weitverbereiteten Blumensprache - die Symbolisierung des Martyriums durch die rote84 Rose 85 , der guten Werke durch

83 Malone, Monk, 27-33, will hingegen bereits bei Tertullian das Konzept eines spirituellen Martyriums erweisen. Zutreffend ist, daß es gemeinsame Charakteristika bei der Bereitschaft zum Martyrium und zu anderen, von den Christen geforderten, Verhaltensweisen gibt. So steht zum einen das gesamte Leben der Christen unter der Prämisse des Idololatrieverbotes, das sowohl zum Martyrium als auch zu anderen Formen der Absage an die Welt führen kann. Zum anderen übernimmt auch Tertullian die Vorstellung eines nicht nur in der Verfolgung, sondern auch im täglichen Leben zu fuhrenden Kampfes gegen den Teufel (vgl. Ad mart. 1,4; CChr.SL I, 3,19; De spect. 29,5; CChr.SL I, 251,20-252,24). Er zieht aber daraus nicht die Konsequenz, daß der Bewährung in diesen Kämpfen auch der gleiche Lohn gebühre. Mit seiner Rede von einem „concept of spiritual martyrdom" verwischt Malone den doch erheblichen Unterschied zwischen Tertullians und Cyprians Martyrologie. Die von ihm angeführte Stelle Scorp. 9,9 (CChr.SL Π, 1086,26; Malone, Monk, 30), die von einem „actus cotidianae confessionis" spricht, bezieht sich nicht auf ein durch andere Formen christlicher Sittlichkeit abzuleistendes Bekenntnis, sondern auf das verbale Bekenntnis des Christseins; der Kontext macht deutlich, daß es Tertullian hier in keiner Weise um Angleichung eines „täglichen Bekenntnisses" an eines in der Verfolgungssituation geht, sondern um die Einschärfung der Pflicht zum verbalen Bekenntnis bis zur Konsequenz des Martyriums. Die Intention des genannten Abschnittes wie auch des gesamten Traktates besteht in der Betonung des Pflichtcharakters des „blutigen Martyriums"; auch nur ein Anklang an ein „spirituelles Martyrium" hätte hier keinen Raum und wäre dem Ziel Tertullians entgegengesetzt. Ebensowenig belegt der von Malone, Monk, 33, angeführte Verweis auf die von Tertullian angeführten drei Jünglinge im Feuerofen ein in Tertullians Martyrologie verankertes Konzept eines spirituellen Martyriums. Ihr von Tertullian als „martyrium et sine passione perfectum" bezeichnetes Martyrium meint nicht ein „perfect martyrdom, and yet a martyrdom without suffering", sondern ein Martyrium, das auf Grund des Leidens der Jünglinge im Feuerofen („Satis passi, satis exusti sunt...") als „martyrium perfectum" anerkannt wird, obwohl es nicht durch den Tod („passio") vollendet wurde. 84

Nach Suzanne Poque, Des roses du printemps à la rose d'automne. La culture patristique d'Agrippa d'Aubigné, in: RechAug 17 (1971), 161, Anm. 48, hat die Antike unter Rose immer „la rose rouge, Rosa Gallica" verstanden, so daß die Verknüpfung mit dem Gedanken des Märtyrerblutes auf der Ebene der Farbsymbolik nahelag.

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die weiße Lilie. 86 Beides ist erst von Cyprian in die lateinische Martyrologie eingeführt worden. 87 Mit der breiten Übernahme von Motiven und Termini aus dem Bereich der Martyriumstheologie in denjenigen der allgemeinen christlichen Ethik und der Schaffung einer parallelen Symbolik für zwei verschiedene Möglichkeiten christlicher Vollkommenheit bezeichnet sein Konzept eine Neuerung 88 in der afrikanischen Tradition.89 Das bedeutet allerdings nicht, daß er nicht mögli85 Poque, Roses, verweist fur die Parallelisierung von Rose und Martyrium auch auf T e r t , De cor. 14,4 (CChr.SL II, 1064,32f): „Aut nec floribus coroneris, si spinis non potes": „... l'observation quotidienne et le langage familier fournissaient entre roses et martyre une facile similitude. Les écrivains chrétiens, de Tertullien à Ambroise, ne dédaignent pas d'y avoir recours. Comme avant la gloire venaient les souffrances des tortures, ainsi les corolles se dressent au-dessus des épines." Der Hinweis auf Tertullian ist diesem Zusammenhang aber nicht zutreffend, denn er redet in De cor. 14 gerade nicht von Rosen(dornen), sondern von den Dornen des Dornenkranzes Christi; Rosen gehören hingegen zu den von ihm abgelehnten Bekränzungen durch Blumen. Vgl. Anm. 86. Cyprian hat den Gegensatz zwischen den Dornen des Dornenkranzes und den Blumen aufgenommen, ihn aber in entgegengesetzter Weise aufgelöst: Der, der mit Dornen gekrönt wurde, bekränzt seinerseits die Märtyrer mit unverwelklichen Blumen (De bon.pat. 7; CChr.SL III A, 122,138: „... coronaretur spinis qui martyras floribus coronat aeternis..."). 86 Das Fehlen dieser Symbolik bei Tertullian hat zwei Gründe: Zum einen beruht sie zumindest in seiner montanistischen Zeit auf der rigoristischen Ablehnung jeglicher Form der Bekränzung, wie sie bei den Heiden üblich war, und dazu gehörte die Bekränzung mit aus Blumen gewundenen Kränzen. Unter den von ihm ausdrücklich abgelehnten Kränzen werden auch diejenigen aus Rosen und Lilien aufgeführt (De cor. 14,4; CChr.SL II, 1064,23-25). Dieser Form der Bekränzung wird von Tertullian die einzig für Christen denkbare Bekränzung durch die „Domen" des Martyriums gegenübergestellt, die auf den Dornenkranz Christi zurückverweisen (De cor. 14,4; CChr.SL II, 1064,32f). An dieser Gegenüberstellung wird auch deutlich, daß eine solche Symbolik für ihn insofern überflüssig ist, da er nur eine „corona", nämlich die der Märtyrer, kennt. 87 Zu den verschiedenen Assoziationen, die insbesondere mit dem Bild der Rose in der antiken Tradition verbunden waren, vgl. ausführlich Poque, Roses, 157-163. Unter denen, die für die Verbindung von Rose und Martyrium ausschlaggebend waren, nennt sie ,,1'espérance d'une floraison nouvelle dans une vie d'immortalité, ... l'évocation du sang par la couleur purpurine, ... la succession des souffrances et de la gloire ..." (Poque, Roses, 163). 88 Deléani, Christum sequi, 90, weist daraufhin, daß die unsichere Datierung einiger Schriften, die ebenfalls die Vorstellung eines „martyrium sine sanguine" aufweisen (z.B. Comm., Instr. 2,7, Μ Ι 8; C S E L X V , 69: „Multa sunt martyria quae sunt sine sanguine fuso, alienum non cupire, linguam refrenare ..."; ähnlich Instr. 2,21; C S E L X V , 8 9 f ) , die Bestimmung der Originalität Cyprians in dieser Konzeption schwierig macht. Dennoch gesteht auch sie zu: „Néanmoins, on peut affirmer que, chez nul auteur, la doctrine du martyre non sanglant ne s'exprime avec autant de vigueur et d'insistance, et ne domine autant l'ensemble de la pensée et de l'œuvre." 89 Im alexandrinischen Christentum findet sich die Relativierung des „blutigen Martyriums" zugunsten eines das ganze Leben umfassenden Bekenntnisses hingegen schon seit der Wende zum 3. Jhdt.: Clemens von Alexandrien, der ebenso wie Cyprian das Martyrium als Ruf sieht, der eben nicht alle Christen ereilen kann, entwickelt die Vorstellung eines spirituellen oder „gnostischen Martyriums", das im täglichen Gebotsgehorsam besteht (Strom. IV,4). Zu diesem Konzept vgl. Malone, Monk, 8-14. Ebenso findet sich bei Orígenes die Vorstellung eines spirituellen Martyriums, das in der Absage an weltliche Güter und in Keuschheit besteht; nach Malone, Monk, 20, der sich hierin auf W. Völker, Das Ideal der Perfektion bei Orígenes, 218, bezieht, hat Orígenes das gesamte

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cherweise in ihm vorliegenden mündlichen oder schriftlichen Überlieferungen aus anderen Traditionsbereichen schon auf den Gedanken einer Annäherung zwischen Märtyrern und den anderen Christen gestoßen war.90 Für eine solche Annahme könnte sprechen, daß Cyprian in seinen diesbezüglichen Äußerungen an keiner Stelle deutlich macht, daß er mit seinem Konzept in grundsätzlicher Weise „Neuland" betritt91; sicher belegen lassen sich solche Einflüsse aber nicht.92 Eindeutig zeigt sich hingegen an dem Vergleich zwischen Tertullian und Cyprian, daß bei letzterem erstmals innerhalb der afrikanischen Theologie der auf die Situation äußerer Verfolgung bezogenen Martyriumsethik ein auf die Friedenszeit der Kirche anwendbares, ausgeführtes ethisches Konzept unmittelbar an die Seite gestellt wird, in der die „pax" prinzipiell die gleichen Möglichkeiten höchsten Lohnes bereit hält wie die „persecutio"93; nur die Art und Weise, diesen zu erlangen, differiert in beiden Situationen. Mit dieser beginnenden „Ethisierung" des

Leben eines Asketen als „continuous martyrdom accomplished through the necessary works of asceticism" gesehen, wodurch er das spätere monastische Ideal der Vollkommenheit antizipiert habe. Im Unterschied zu dieser Entwicklung im alexandrinischen Christentum hat sich in der westlichen Theologie die Vorstellung eines spirituellen Martyriums erst später ausformen können; auf diese Differenz macht auch Malone, Monk, 27, aufmerksam: „Among the early Latin Fathers the concept of spiritual martyrdom developed much more slowly than it did among the Greek Fathers." 90 Fischer, Todesgedanken, 268, und im Anschluß an ihn Margerie, L'intérêt, 203, vermuten, daß Cyprian eine solche Vorstellung bereits durch mündliche Tradition bekannt war. Eine solche Annahme muß aber letztlich hypothetisch bleiben. Beide halten zudem einen Einfluß des „Hirten des Hermas" auf Cyprian für möglich, der bereits die Vorstellung enthalte, „que Cyprien professera cent ans plus tard" (Margerie, L'intérêt, 202). Prinzipiell läßt sich aus dem „Hirten" die Vorstellung einer Annäherung zwischen dem Los der Märtyrer und dem der anderen Christen entnehmen (vgl. Vis. 111,2) Zu der Deutung dieser Stelle vgl. Norbert Brox, Der Hirt des Hermas. Übersetzt und erklärt, Göttingen 1991, 116: „H(ermas) konstatiert ausdrücklich eine Identität von Heil („Gaben") und Hoffnung („Verheißungen") für Märtyrer und alle (sündenfreien) Christen (..), hebt die Blutzeugen aber nach Rang und Ehrenstellung („doxa") ab. Es gibt also relative Unterschiede der Erlösten, nicht der Erlösung." Eine ähnliche relative Differenzierung findet sich in Sim. VIII, 2,1-4: Nur die Märtyrer erhalten den Märtyrerkranz, das weiße Kleid tragen aber auch die Bekenner und die Gerechten. 91 Darauf weist auch Margerie, L'intérêt, 202f, hin. 92

So lassen es die allgemein große Wirkung des „Hirten" in der Alten Kirche, die durch Tertullian bezeugte Kenntnis der Schrift in Karthago (vgl. De or. 16; De pud. 10) sowie Cyprians enger Kontakt zur römischen „Heimatgemeinde" des „Hirten" zwar durchaus möglich erscheinen, daß er durch diese Schrift beeinflußt war; da er sie aber keiner Stelle zitiert oder explizit referiert, ist ein solcher Einfluß bei ihm im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht sicher zu belegen. 93 Cyprian stellt durchgängig diese beiden Situationen christlicher Bewährung nebeneinander: „In caelestibus castris et pax et acies habent flores suos ..." (ep. 10,5,2; CChr.SL ΠΙ Β, 55,115f); „••· sine periculo persecutions corona p a d s " (De op.et eleem. 26; CChr.SL III A, 72,546); „... in pace vincentibus coronam candidam pro operibus dabit, in persecutione purpuream pro passione geminabit" (De op.et eleem. 26; CChr.SL III A, 72,556f); „Non enim christiani hominis corona una est quae tempore persecutionis accipitur. Habet et pax coronas suas..." (De zel.et liv. 16; CChr.SL III A, 84,299f).

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Märtyrerideals ist es Cyprian möglich gewesen, trotz der bleibenden Hochschätzung der Blutzeugen auch die Leistungen und Verdienste all der Christen, die nicht Märtyrer wurden - und dies stellte auch zur Zeit der Verfolgungen unter Decius und Valerian noch die Majorität dar94 - , hoch zu werten und angemessen zu würdigen. Begründet ist diese Ausweitung der Martyrologie in der Ausrichtung seiner Theologie auf das episkopale und pastorale Wirken für die kirchliche Einheit und die Bewahrung der Zucht, auf die Konsolidierung der Gemeinde und die seelsorgerliche Frage nach dem Heil aller Gemeindeglieder.95 In der Konsequenz bedeutet sie, daß das Ideal des Märtyrers zugunsten der Vorstellung eines „täglichen Bekenntnisses" mit einem dem Märtyrerruhm entsprechenden Lohn „pädagogisch-moralisch eingeordnet und nivelliert"96 wird.

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Vgl. MacMullen, Ordinary Christians, 156; Slusser, Martyrium, 210; Droge/Tabor, Death, 140. Die Frage nach der Zahl der Märtyrer und Märtyrerinnen ist allerdings sowohl im Blick auf die vorkonstantinische Zeit insgesamt als auch besonders auf die Verfolgungen unter Decius und Valerian in der Forschung umstritten geblieben. Während in der älteren Forschung häufig von einer großen, in die Tausende gehenden Zahl von Blutzeugen ausgegangen worden ist (vgl. z.B. Allard, Dix leçons, 137-149; Andreas Alföldi, Zu den Christenverfolgungen in der Mitte des 3. Jhdts., in: Klio 31 ( 193 8), 325), tendiert die jüngere Forschung zu der Annahme einer weit geringeren Zahl von Märtyrern. Vgl. z.B. Frend, Martyrdom, 413, der für die Verfolgungen unter Decius von „hundred rather than thousands" spricht. 95

Im Rahmen der Frage nach der Motivation zur Ausweitung der Martyriumstheologie ist auch die Überlegung anzustellen, inwieweit diese im Zusammenhang mit der Flucht Cyprians zu Beginn der Decischen Verfolgung zu sehen ist, d.h. inwiefern sie dazu dienen konnte, sein Verhalten dem der Bekenner nicht nachstehen zu lassen und damit den Autoritätskonflikt zwischen den Bekennern und dem Bischof zu seinen Gunsten entscheiden zu können. Neben der Rehabilitierung einer Flucht durch die terminologische Angleichung an ein öffentliches Bekenntnis zeigt sich in Cyprians Briefwechsel der Versuch, die Inhalte seines Wirkens für die „disciplina" während der Decischen Verfolgung als ebenso der „corona" würdig wie das Bekennertum in Geltung zu bringen, d.h. den Gedanken eines „täglichen Bekenntnisses" in Gestalt des Einsatzes für die Zucht für sich selbst zu beanspruchen. Nach einem für ihn zutiefst beleidigenden Brief der römischen Presbyter, in dem er der Feigheit und Vernachlässigung seiner bischöflichen Pflichten geziehen worden war (ep. 8), reagierte Cyprian mit insgesamt fünf Schreiben nach Rom (ep. 9; 20; 27; 28; 35). Unter diesen findet sich ein Brief an die dort inhaftierten Bekenner, in dem diese nicht nur für ihr öffentlich abgelegtes Bekenntnis gelobt werden, sondern in besonderer Weise auch für die bei ihnen vorfindliche Bewahrung der Zucht, fur die ihnen die „dominicae disciplinae corona" gebühre (ep. 28,2,4; CChr.SL ΠΙ Β, 136,47f). Das von Cyprian so hochgelobte Verhalten entspricht nun der in ep. 20 vorgelegten Darstellung seines eigenen Verhaltens, so daß die Bekenner ihrerseits Cyprian nur schwer die Zuerkennung eines ebenfalls großen Ruhms versagen können; die Antwort der Bekenner zeigt dann, daß diese zu einer solchen Anerkennung auch bereit waren: „Non minus enim coronae mercede condignus est qui hortatus est quam qui et passus est, non magis laude condignus est qui fecit quam qui et docuit..." (ep. 31,1,3; CChr.SL III B, 152,20-23). 96

Campenhausen, Idee, 144, der diese Charakterisierung aber erst für die Zeit Augustins verwendet. M.E. läßt sie sich bereits zur Kennzeichnung der Tendenz des cyprianischen Konzeptes aufgreifen.

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Wirkungsgeschichtlich hat diese beginnende „Ethisierung" der Martyriumstheologie bei Cyprian insofern eine große Bedeutung, als sie innerhalb der lateinischen Tradition die entscheidende Weichenstellung zu einer spiritualisierten Martyrologie darstellte, wie sie sich in der nachkonstantinischen Zeit herausbildete. Die bei ihm ansatzweise festzustellende Loslösung martyrologischer Termini und Motive von der unmittelbaren Verbindung mit physischem Leiden und Tod bildete die Voraussetzung dafür, daß die westliche Kirche die mit dem Martyrium verbundenen Vorstellungen auch nach dem Ende der äußeren Verfolgungen beibehalten und zur Deutung von in anderer Weise „zeugnishaften" Lebensformen verwenden konnte. 97 Dieses betraf zum einen in spezieller Weise die Jungfräulichkeit und das Mönchtum, die als „Ersatzformen" des Martyriums verstanden wurden98, zum anderen aber auch allgemeiner die tägliche Bewährung aller Christinnen und Christen gegenüber den vielfältigen Versuchungen des Teufels.99 Cyprians Konzept der prinzipiell gleichen Möglichkeiten hohen Ruhms in der Verfolgungs- wie der Friedenszeit eröffnete damit den Weg, der Zeit äußeren Friedens auch ausdrücklich ihre eigenen „Martyrien" und „Märtyrer" zuzuschreiben. Indem er dem Martyriumsethos der Verfolgungszeit ein „Martyriums"ethos der Zeit des Friedens seitens der heidnischen Umwelt an die Seite stellte, antizipierte er ansatzweise bereits das, was die Situation der nachkonstantinischen Zeit erforderte: eine „Martyriums"theologie unabhängig von äußerer Verfolgung. In diesem Sinne lieferte seine „ethisierte" Martyrologie eine wesentliche Denkvoraussetzung für die Kontinuität des Selbstverständnisses der Alten Kirche als „ecclesia martyrum" über die Konstantinische Wende hinaus.

97

Über Cyprian hinausgehend wurde in der weiteren Entwicklung dann auch der Begriff

„martyrium" bzw. „martyr" vom „blutigen Martyrium" abgelöst und auf verschiedene andere Tugenden und Lebensformen übertragen. Diese Ablösung ging einher mit einer Bedeutungsverschiebung, im Laufe derer die Konnotation „Zeugnis" bzw. „Zeuge" wieder in den Vordergrund rückte. 98

Zur Parallelisierung zwischen asketischem und mönchischem Leben einerseits und Märtyrer-

tum andererseits vgl. Marcel Viller, Le martyre et l'ascese, in: R A M 6 (1925), 105-142; Lucius, Heiligenkult, 396-399; Malone, Monk, 44-63; Frank, Angelikos bios, 9f. Besonders vertreten worden ist diese Vorstellung von Hieronymus (ep. 3,5; CSEL LIV, 18,3f; ep. 108,31,1 ; CSEL LV, 349,10-12) und Sulpicius Severus (ep. 2; CSEL I, 143f). 99

Diese Vorstellung erscheint in unterschiedlicher Ausprägung im Westen u.a. bei Ambrosius

(Expos.ps. CXVIII, 45-48; CSEL LXn, 467f), Augustin (Sermo 4,34; PL XXXVIII, 52), Caesarius von Arles (Sermo XLI; CChr.SL C m , 180; Sermo XL VII; CChr.SL CIII, 212; Sermo LII; CChr.SL O l l , 230; Sermo CCXVIII; CChr.SL CIV, 866; Sermo C C X X V ; CChr.SL CIV, 888f), Gregor dem Großen (Hom.in ev. 1,3,4; PL LXXVI, 1089; Hom.in ev. 2,35,7; PL LXXVI, 1263; Dial. III, 26,9; SCh 260, 371) sowie in der von gallischen Kirchenschriftstellem stammenden Predigtsammlung „Homiliae 56 ad populum et monachos" (Eus.Gall., Horn. LV,15; CChr.SL CI A, 644; Horn. LVI,8f; CChr.SL CI A, 654).

Zusammenfassung und Ausblick

312

Der abschließende Vergleich zwischen Tertullians Antwort auf die Frage „Sanguinem hominis deus concupiscit?" und derjenigen Cyprians weist somit auf eine wesentliche Differenz zwischen ihren jeweiligen Martyriumskonszepten hin. Obwohl beide, wie sich in ihrer theologischen Deutung der Verfolgung und des Martyriumsleidens zeigt, vielfach auf gleiche Motive und Interpretationsmuster zurückgreifen, unterscheiden sie sich deutlich in der Gewichtung des Martyriums innerhalb der Ethik, in der Bedeutung, die sie diesem zur Erlangung des persönlichen Heils der Christinnen und Christen zusprechen. Dem „elitären" Konzept Tertullians steht ein eher „egalitäres" seines bischöflichen Nachfolgers gegenüber. Diese Differenz ist - wie oben erwähnt - auf dem Hintergrund einer veränderten Akzentsetzung innerhalb der Ekklesiologie zu sehen sowie im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Stellung, die beide jeweils in der karthagischen Gemeinde einnahmen. Darüberhinaus ist entscheidend, daß Tertullians Martyriumstheologie eine im wesentlichen in der polemischen Auseinandersetzung ausgeformte ist, Cyprians martyrologische Ausführungen hingegen vorwiegend im Zusammenhang panegyrischer, dem Lobpreis der Bekenner und Märtyrer dienender, sowie auf die Unterweisung der Gemeinde ausgerichteter, paränetischer Texte zu finden sind. Ohne seinen Vorgänger namentlich zu nennen, hat Cyprian sich vielfach auf dessen Schriften bezogen100, was sich deutlich auch in seiner Martyrologie zeigt, in der er zum einen in Kontinuität zu den von Tertullian erstmals in der afrikanischen Theologie explizierten Motiven zur Deutung christlichen Leidens in der Verfolgung steht, zum anderen aber auch in eine implizite Auseinandersetzung mit dessen Argumentation, vor allem derjenigen in „Scorpiace", „De fuga in persecutione" und „De anima", eintritt. Als Beispiele für letzteres sind die in „De mortalitate" gegebene Antwort Cyprians auf Tertullians Frage, ob denn Gott das Blut des Menschen verlange, sowie seine in „Ad Fortunatum" ausdrücklich formulierte These von der Gleichheit der postmortalen Destination der Märtyrer und aller anderen glaubenstreuen Christen zu nennen.101 Ebenso wird innerhalb der Rechtfertigung seiner Flucht während der Verfolgung unter Decius deutlich, daß er sich mit der restriktiven Auslegung von Mt 10,23 in Tertullians „De fuga in persecutione" auseinandersetzt. Dies geschieht nicht durch explizite Ablehnung, sondern indem er stillschweigend die Gültigkeit des nach Tertullian auf die Zeit

100 101

Vgl. Kap. 1, Anm. 73.

Ad Fort. 12 (CChr.SL ΠΙ, 213,49-214,59). Vgl. Anm. 75. Cyprian bezieht sich hier auf Apk 20,4; die das Märtyrerprivileg nivellierende Exegese dieser Stelle deutet nach Margerie,L'intérêt, 204, auf eine implizite Auseinandersetzung mit Tertullian um die Auslegung der Johannes-Offenbarung hin, da dieser gerade Apk 6,9 als zentralen Beleg für die Betonung des Märtyrervorranges herangezogen hatte (De an.55,4).

Zusammenfassung und Ausblick

313

der Apostel beschränkten Gebotes auch auf seine Situation ausdehnt, die er mit derjenigen der Apostel parallelisiert102, in deren Nachfolge er als Bischof steht. Seine ausfuhrliche Rechenschaft über die von ihm ausgeübte Gemeindeleitung während der Zeit seines Exils103, in der er sich eingehend der „exhortatio" der Bekenner und Märtyrer gewidmet habe, kann darüberhinaus als Antwort auf die von Tertullian in Gestalt einer Frage formulierten Kritik an fliehenden Klerikern verstanden werden: „Itaque cum duces fugiunt, quis de gregario numero sustinebit ad gradum in acie figendum suadere?"104 Auch in seiner Rechtfertigung der Flucht von Gemeindegliedern zeigt sich die implizite Auseinandersetzung Cyprians mit den Argumenten seines Vorgängers: Gegen die von diesem abgelehnte göttliche Legitimation der Flucht setzt er das „mandatum" Christi zur „fuga in persecutione", das von ersterem abgelehnte Vorbild Christi105 wird von Cyprian ausdrücklich zur Rechtfertigung der Flucht angeführt.106 Während für Tertullian in dem die für ihn möglichen Verhaltensweisen in der Verfolgung bezeichnenden Gegensatzpaar „confessio" - „negatio" die Flucht eine Erscheinungsform der „negatio" darstellt107, ist sie für Cyprian genau umgekehrt eine Form der „ confessio ". Damit setzt er sich deutlich von Tertullian ab und widerlegt dessen Position indirekt. In ihrer Rigorosität haben Tertullians Auffassungen von der unbedingten Forderung Gottes nach dem Blut der Gläubigen, d.h. von der unausweichlichen „Notwendigkeit des Leidens", der Exklusivität der postmortalen Destination der

102 Diese Überlegung basiert auf mündlich und brieflich mitgeteilten Ausführungen Henneke Gülzows. Nach seiner Interpretation in Henneke Gülzow, Cyprian und Novatian - Der Briefwechsel zwischen den Gemeinden in Rom und Karthago zur Zeit der Verfolgung des Kaisers Decius, Tübingen 1975,64, parallelisiert Cyprian mit der auch in paulinischen Briefen anklingenden Formel „absens tarnen corpore nec spiritu" (vgl. z.B. 1 .Kor 5,3) seine eigene Situation mit derjenigen des Paulus und weitet dadurch die Gültigkeit des von Tertullian auf die Apostel begrenzten Fluchtgebotes aus Mt 10,23 auf sich aus: „Mit den Worten der Apostel charakterisiert er (sc. Cyprian) seine Situation und bringt zum Ausdruck, daß er in der Lage ist, die auch fur die Apostel, in deren Nachfolge er als Bischof steht (vgl. ep. 33,1), typisch war. Und für diese Lage hatte auch Tertullian die Weisung Jesu akzeptiert." Einschränkend ist allerdings zu sagen, daß Tertullian die Gültigkeit von Mt 10,23 auch für die Zeit der Apostel nur temporär, nämlich bis zum Übergang der Mission zu den Heiden, hatte gelten lassen (De fuga 6,6; CChr.SL II, 1143,45-55). Auf diese Begrenzung geht Cyprians indirekte Auseinandersetzung mit Tertullians Argumentation nicht ein. 103 Vgl. ep. 20,2f (CChr.SL m Β, 107,16-110,60). Zur Illustration seiner gewissenhaften Pflichterfüllung sendet Cyprian den Adressaten, den römischen Diakonen und Presbytern, die dreizehn Briefe mit, die er aus seinem Fluchtort an die karthagische Gemeinde geschrieben hat (ep. 5-7.1019). 104 De fuga 11,1 (CChr.SL II, 1148,6-8). 105 106

Vgl. De fuga 8 (CChr.SL II, 1145,1-23).

De laps. 10 (CChr.SL III, 226,196-198): „Et ideo in persecutione secedere et fugere mandavit, adque ut id fieret et docuit et fecit." 107 De fuga 12,5 (CChr.SL II 1151,54f): „negatio est martyrii recusatio".

314

Zusammenfassung und Ausblick

Blutzeugen und der Ablehnung der Flucht in der Verfolgung bei Cyprian Widerspruch hervorgerufen. Sowohl in seiner in der afrikanischen Theologie erstmaligen ausdrücklichen Formulierung einer in vielen Einzelzügen auch bei Cyprian vorfíndlichen theologischen Deutung von Verfolgung und Martyrium, als auch durch seine Abgrenzung und Widerspruch herausfordernde Rigorosität ist Tertullian somit produktiv für die Ausformung der afrikanischen Martyrologie gewesen, indem die notwendige Auseinandersetzung mit seinen Positionen zur Konturierung derjenigen seines Nachfolgers beitrug. Die Bedeutung seiner Martyriumstheologie besteht so zum einen in zeitgeschichtlicher Hinsicht darin, daß sie als unmittelbar durch die Situation der karthagischen Gemeinde um 200 bedingter Ausdruck der wesentlichen Frontstellungen seines Wirkens erscheint: der Argumentation gegenüber den heidnischen Vorwürfen sowie vor allem der antihäretischen, insbesondere der antignostischen Auseinandersetzung und der Konfrontation des Montanisten mit den in den Reihen der „psychici" vertretenen ethischen Forderungen. Damit ist seine Martyrologie zugleich ein „Spiegel" des innerhalb der karthagischen Gemeinde um 200 bestehenden Spannungsfeldes, in dem unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des in der Konfrontation mit der heidnischen Umwelt gebotenen Verhaltens miteinander konkurrierten. In wirkungsgeschichtlicher Hinsicht liegt ihre Bedeutung zum anderen darin, daß sie als erste lateinische Martyrologie Nordafrikas das „Material" liefert, auf dessen Basis Cyprian sowohl durch Übernahme verschiedener Motive der theologischen Verfolgungs- und Martyriumsdeutung als auch durch Abgrenzung und Entwicklung gegenläufiger Auffassungen sein, für die weitere Entwicklung der afrikanischen Martyriumstheologie prägendes108, Konzept entwickelt. Damit ist Tertullian, auch wenn er innerhalb seiner Theologie des Martyriums in weiten Teilen Minderheitsmeinun-

108 Die Wirkung Cyprians zeigt sich zunächst in der Erbauungsliteratur des 3. Jhdts., z.B. in „De rebaptismate", „De laude martyrii" und „De centesima, sexagésima, tricésima" (vgl. Hugo Koch, Die pseudo-cyprianische Schrift De centesima, sexagésima, tricésima in ihrer Abhängigkeit von Cyprian, in: ZNW 31 (1932), 248-272), darüberhinaus aber auch in Augustins Martyrologie. Zu den Auffassungen Cyprians, die sich bei ihm wiederfinden, gehören u.a. die nachdrückliche Bindung des Martyriums an die Kirche (Aug., De bapt. IV, 17,24; CSEL LI, 250,12-251,5; ep. 173,5f; CSEL XLrV, 643,13-645,2; Sermo 138,2; PL XXXVIII, 764; vgl. Boeft, Martyres, 1180, die Vorstellung des Leidens Christi im Märtyrer (vgl. Boeft, Martyres, 120, der allerdings für diese Auffassung Augustins nicht Cyprian als Vorläufer anfuhrt) sowie der Gedanke einer „Krönung" der Gläubigen auch in den „Verfolgungen" der Friedenszeit (Sermo 4,34; PL XXXVIII, 52; vgl. Enarr.in psalm. LXIII,1; PL XXXVI, 761; Enarr.in psalm. LXIX; PL XXXVI, 866). Die Rezeption cyprianischer Deutungsmuster zeigt sich sogar in nahezu wörtlichen Anleihen: Vgl. Aug., Sermo 303,2 (PL XXXVIII, 1395): "In persecutione militia, in pace constantia coronatur" mit Cypr., Ad Fort. 13 (CChr.SL III, 216,41f): "In persecutione militia, in pace conscientia coronatur."

Zusammenfassung und Ausblick

315

gen vertreten hat, die sich als solche nicht durchsetzen konnten, dennoch als „Vater" der für die afrikanische Spiritualität wesentlichen theologischen Deutung der Martyrien sowie des auch nach der Konstantinischen Wende bewahrten Selbstverständnisses der afrikanischen Kirche als „Church of Martyrs"109 anzusehen.

109

Frend, Cult, 154. Zu den Belegen für diese Prägung der afrikanischen Kirche vgl. Kap. 1,

mit Anm. 3.

Abkürzungsverzeichnis

1. Tertullians Schriften Ad mart Ad nat. Apol. De test.an. De praescr.haer. De spect. De or. De bapt. Adv.Jud. De pat. De paen. De cult.fem. Ad ux. Adv.Marc. Adv. Val. De an. De came Chr. De res.carn. De cor. Scorp. De idol. Ad Scap. De fuga Adv.Prax. De virg.vel. De mon. De ieiun. De pud.

= Ad martyras = Ad nationes = Apologeticum = De testimonio animae = De praescriptione haereticorum = De spectaculis = De oratione = De baptismo = Adversus Judaeos = De patientia = De paenitentia = De cultu feminarum = Ad uxorem = Adversus Marcionem = Adversus Valentinianos = De anima = De carne Christi = De resurrectione carnis = De corona = Scorpiace = De idololatria = Ad Scapulam = De fuga in persecutione = Adversus Praxean = De virginibus velandis = De monogamia = De ieiunio adversus psychicos = De pudicitia

2. Cyprians Schriften e

p(p)· De hab.virg. De laps. De eccl.un. De dom.or. Ad Dem.

= = = = = =

epistula(e) De habitu virginum De lapsis De ecclesiae unitate De dominica oratione Ad Demetrianum

Abkürzungsverzeichnis

De mort. De op. et eleem. De bon.pat. De zel. et liv. Test. Ad Fort.

317

= De mortalitate = De opere et eleemosynis = De bono patientiae = De zelo et livore = Testimonia (Ad Quirinum) = Ad Fortunatum

3. Weitere Quellen Act.Cypr. Act.Scill. Ambr., De off.min. Ambr., Expos.ps. Aristid., Apol. Äthan., Apol. Äthan., Ep.encycl. Athen., Leg.. Aug., Brev.coll. Aug., Enarr. in ps. Aug., ep. Aug., C. Faust. Aug., De cat.rud. Aug., De civ.Dei Aug., In Joh.tract. Cie., De invent. Cie., De off. Clem.Al., Paid. Clem.ΑΙ., Strom. Comm., Instr. Did. Didask. Ep.ad Diogn. Epict., Diss. Epiph, Pan. Eus., Comm.in ps. Eus., De mart.palaest. Eus., HE Eus.Gall., Horn. Greg., Dial. Greg., Hom.in ev. Greg.Nyssa, Vit.Greg. HA

= Acta Cypriani = Acta Scillitanorum = Ambrosius, De officiis ministrorum = Ambrosius, Expositio psalmi = Aristides, Apologia = Athanasius, Apologia de fuga sua = Athanasius, Epistula encyclica = Athenagoras, Legatio pro Christianis = Augustinus, Breviculus collationis cum Donatistas = Augustinus, Enarrationes in psalmos = Augustinus, epistula = Augustinus, Contra Faustum = Augustinus, De catechizandis rudibus = Augustinus, De civitate Dei = Augustinus, In Johannis evangelium tractatus = Cicero, De inventione = Cicero, De officiis = Clemens Alexandrinus, Paidagogos = Clemens Alexandrinus, Stromata = Commodian, Instructions = Didaché = Didaskalia = Epistula ad Diognetum = Epictet, Dissertationes = Epiphanios, Panarion = Eusebius, Commentarius in psalmos = Eusebius, De martyribus Palaestinae = Eusebius, Historia ecclesiastica = Eusebius ,Gallicanus\ Homiliae = Gregor der Große, Dialogus = Gregor der Große, Homilia in evangelium = Gregor von Nyssa, Vita Gregorii Thaumaturgii = Historia Augusta

Hieron., Comm.in Joel. Hieron., ep. Hieron., De vir.ill.

= Hieronymus, Commentarius in Joelem = Hieronymus, epistula = Hieronymus, De viribus illustribus

318

Abkürzungsverzeichnis

Hieron., Horn.in Luc. Hipp., In Dan. Hipp., Trad.Apost. Herrn., Mand Herrn., Sim. Herrn., Vis. Hör, Carm. Ign.Magn Ign.Pol. Ign.Rom. Ign.Smyrn. Iren., Adv.haer. Jos., Ant. Just., Apol.I/II Just., Dial. Juv., Sat. Lakt., De mort.pers. Lakt., Div.Inst. Luk., De mort.Per. Marc Aurel, Med. Mart.Pol. Min.Fel., Oct. Orig., Exhort.ad mart. Orig., C. Cels. Orig., Comm.in Mat. Orig., In ep.ad Rom Pass.Agap. Pass.Eupli Pass.Mar.et Jac. Pass.Mont.et Luc. Pass.Perp. Pass.Pion. Petr.Al., ep.can. Plin, Pan.Trai Plin., ep. Ps.-Cypr., De laude mart Ps.-Cypr., De rebapt. Sen., ep. Sen., De prov. Suet., Vit.Nero. Suet., Vit.Dom. Sulp.Sev., ep. Tac., Ann. Tac., Agr. Vita Cypr.

= Hieronymus, Homilia in Lucam = Hippolyt, Commentarius in Danielem = Hippolyt, Traditio Apostolica = Hirt des Hermas, Mandata = Hirt des Hermas, Similitudines = Hirt des Hermas, Visiones = Horaz, Carmina = Ignatius, Ad Magnesios = Ignatius, Ad Polykarpen! = Ignatius, Ad Romanos = Ignatius, Ad Smyrnaeos = Irenäus, Adversus haereses = Josephus, Antiquitates = Justin, Apologia I/II = Justin, Dialogus cum Tryphone = Juvenal, Satirae = Laktanz, De mortibus persecutorum = Laktanz, Divinae institutiones = Lukian, De morte Peregrini = Marc Aurel, Meditationes = Martyrium Polycarpi = Minucius Felix, Octavius = Orígenes, Exhortatio ad martyrium = Orígenes, Contra Celsum = Orígenes, Commentarius in Matthäum = Orígenes, In epistolam Pauli ad Romanos = Passio Agapaes = Passio Eupli = Passio Mariani et Jacobi = Passio Montani et Lucii = Passio Perpetuae et Felicitatis = Passio Pionii = Petrus Alexandrinus, epistula canonica = Plinius, Panegyricus dictus Traiano Imp. = Plinius, epistula = Pseudo-Cyprian, De laude martyrii = Pseudo-Cyprian, De rebaptismate = Seneca, epistula = Seneca, De Providentia = Sueton, Vita Neronis = Sueton, Vita Domitiani = Sulpicius Severus, epistula = Tacitus, Annales = Tacitus, Agricola = Pontius, Vita Cypriani

Abkürzungsverzeichnis

319

Sonstige Abkürzungen nach: Schwertner, Siegfried, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 1992 (2. überarbeitete und erweiterte Auflage). Die nicht im IATG enthaltenen Bezeichnungen für Periodika wurden ausgeschrieben.

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Register 1. Tertullian Ad mart. 1,1 Ad mart. 1,2 Ad mart. 1,3 Ad mart. 1,4-5 Ad mart. Ad mart. Ad mart. Ad mart. Ad mart.

Ad mart. Ad mart. Ad mart. Ad mart.

1,6 2,1-6 2,1 2,3 2,4

2,5 2,6 2,7 2,8

Ad mart. 2,9f Ad mart. 3,1 Ad mart. 3,1-5 Ad mart. 3,3

Ad mart. 3,4 Ad mart. 3,4-5 Ad mart. 4,2 Ad mart. Ad mart. Ad mart. Ad mart. Ad Ad Ad Ad

4,3 4,4-7 4,4-8 4,9

mart. 5,2 nat. 1,1,2 nat. 1,1,10 nat. 1,2

118.125.261f. 265f. 265.267 155.197.229. 264 64f.155.271. 302A 118.271.279 109 30.264 30.90A 93.98.164. 195.208.229. 261A.267. 268A 150 195f 260 65A.150. 271A 164 A 62f.65.125. 155.265 161 66f.74f.161. 197.203. 206A.229f. 265 155.161 68 41A.124. 170A.264 64A 124.196A 255A 41A.69.125. 196 125 70A 208A 37A.38

Ad nat. 1,2,1 Ad nat. 1,2,2 Ad nat. 1,2,5 Ad nat. 1,3,3 Ad nat. 1,3,10 Ad nat. 1,4,6 Ad nat. 1,7,8-9 Ad nat. 1,9,2 Ad nat. 1,16,16 Ad nat. 1,18,1 Ad nat. 1,18,3-5 Ad nat. 1,19,2 Ad nat. 1,19,3 Ad nat. 11,7,5 Apol. 1,1 Apol. 1,2 Apol. 1,4-9 Apol. 1,7 Apol. 1,9 Apol. 2,1 Apol. 2,2-5 Apol. 2,3 Apol. 2,4 Apol. 2,5 Apol. 2,6-9 Apol. 2,7 Apol. 2,8f Apol. 2,10-13 Apol. 2,1 lf Apol. 2,13 Apol. 2,14 Apol. 2,17 Apol. 2,18 Apol. Apol. Apol. Apol. Apol. Apol.

2,19f 3,3 3,4 4,1 4,8 5,2

44.111 43.44A.112 111 58 A 41A 86A 47A 54A 260A 41A.253A 124A 154A.232A. 253A 255A.257 196A 45 195A.252 41 37A 41A 42 42 112 111 69A 43 42 43 40A.43 112 43 44.52.58 44A.53 44.58A. 112A 112A 112A 55A 45 51A 49

Register Apol. 5,3 Apol. 5,4 Apol. 5,5 Apol. 5,6 Apol. 5,6-7 Apol. 5,7 Apol. 5,8 Apol. 7,4 Apol. 9,6 Apol. 10,2 Apol. 12,3 Apol. 12,4 Apol. 12,5 Apol. 14,7 Apol. 17,6 Apol. 18,3 Apol. 20,2-3 Apol. 21,24 Apol. 21,25 Apol. 22,2 Apol. 22,4 Apol. 23,13 Apol. 23,15f Apol. 24,2 Apol. 24,9 Apol. 25,9 Apol. 25,13 Apol. 27,4 Apol. 30,1 Apol. 30,7 Apol. 31,2 Apol. 32,1 Apol. 32,2 Apol. 34,1 Apol. 35,1 Apol. 35,5 Apol. 35,8 Apol. 35,9 Apol. 36,3-4 Apol. 37,1 Apol. 37,2 Apol. 37,3 Apol. 37,4 Apol. 37,5 Apol. 37,10

47.51 A 47.52 48 70A 49.69A 47A 51 37A 37A 97A 41A 41A 40A.41 A 86A 91A 91.96A 102 A 49A.52 47A.55A. 251A 58 58A 91A 58A 99 56 A 56A 56 A 58 52 41A 89 A 52.94 52 52 89A 89A.95 37A.54 56 89 89 37.53 89 A 37A.70A.89. 254A 89 89A

343

95.260A 62.94A 91A 259 40A.260 69A 99 37A.54 99 91 99 38 70A 34 A 41A 69A 69A 91A 228 91A 37A.53 169.250 64A.67A.73 68A.74f.208. 212.227 Apol. 50,3 74A 256 Apol. 50,4 Apol. 50,5-9 124A.255 256 Apol. 50,10 Apol. 50,11 117A.154A. 256 Apol. 50,12 30.37A.41 A. 53.117A.252 123A.251 Apol. 50,13 252 Apol. 50,14 Apol. 50,15 212.221A. 252.253A 91 A.208.212 Apol. 50,16 234 De test.an. 3,2 De test.an. 4,7 236 De praescr.haer. 3,5 119 De praescr.haer. 3,6 263A De praescr.haer. 4,5 100.283A De praescr.haer. 4,6 76f De praescr.haer. 13,5 156A.162A De praescr.haer. 30,1-10 142 De praescr.haer. 36,3 147A

Apol. 38,1 Apol. 39,2 Apol. 39,4 Apol. 39,5 Apol. 39,6 Apol. 39,16 Apol. 40,1 Apol. 40,2 Apol. 40,12 Apol. 41,3 Apol. 41,4 Apol. 42,1-7 Apol. 42,3 Apol. 42,6 Apol. 44,3 Apol. 46,7 Apol. 47,3 Apol. 47,12 Apol. 47,13 Apol. 48,15 Apol. 49,4 Apol. 50,1 Apol. 50,1-3 Apol. 50,2

344 De praescr.haer. 36,4f De praescr.haer. 36,5 De praescr.haer. 39,1 De praescr.haer. 40,9 De praescr.haer. 43,2 De spect. 1,4 De spect. 1,5 De spect. 4,1 De spect. 15,2 De spect. 16,6 De spect. 18,3 De spect. 20,4 De spect. 21,3 De spect. 24,4 De spect. 27,1 De spect. 28,5 De spect. 29,3 De spect. 29,5 De spect. 30,1-3 De spect. 30,2 De spect. 30,3 De or. 1,1 De or. 4,3 De or. 4,4 De or. 5,1 De or. 5,3 De or. 16,If De or. 19,5 De or. 22,8 De or. 29,2 De or. 29,3 De or. 29,4 Debapt. 1,1 De bapt. 5,7 De bapt. 6,2 Debapt. 7,lf Debapt. 12,1 Debapt. 15,1-3 Debapt. 15,2 Debapt. 16,lf De bapt. 20,1 De bapt. 20,5 De pat. 3f De pat. 4,2 De pat. 4,5 De pat. 5,13 De pat. 5,15

Register

142 126A.131 A 63A 112A 137 124 256 62A 155 A 89A 34A 90A 233A 62 37A.54.57 228.235A 230 63.231.302A 91Í.197A 99A 53.94A 159A 149 130A 94A 92 224A 62A 131A 89A 62f. 67A 62 162 A 231A 155A 21 ΙΑ 209.286 ÎOA 210f.229.286 112A 162 A 147 133A 133A 199A.273A 234A

De pat. 8,3 De pat. 9,2-5 De pat. 9,5 De pat. 10,6-7 De pat. 11,4 De pat. 13,2 De pat. 13,4 De pat. 13,6 De pat. 13,7f

De pat. 13,8 De pat. 15,2 De pat. 15,7 De paen. 2,3 Depaen. 2,11-12 De paen. 4,4 De paen. 4,5 De paen. 4,6 De paen. 7,11 De paen. 8,6-8 De paen. 8,9 De paen. 9,2 De paen. 9,3f De paen. 9,5 De paen. 10,6 De cult.fem. 1,2,5 De cult.fem. 11,3,3 De cult.fem. 11,9,6 De cult.fem. II,13,3f De cult.fem. 11,13,5 De cult.fem. 11,13,6 Adux. 1,1,3 Adux. 1,1,5 Ad ux. 1,3,2-5 Ad ux. 1,4,4 Adux. 1,5,1 Ad ux. 1,5,4 Ad ux. 1,7,4 Ad ux. 1,8,3 Adux. 11,2,1 Ad ux. 11,3,1 Ad ux. 11,4,2 Adux. 11,6,1 Adv.Marc. 1,9,5

151A 235 228 90 82A.163A 176 85A 136A.176 176.197. 210A.211. 228 87A.176 156 156 234A 90 133A.138 130A 127A 217 216A 112A 112A 272f 274 114A.231A. 272f 204.229 136A 102 A 66 124 101 66A 204.226 177 229 229 102 A 117A.273A 231 55A 152 118.267A. 268A 94A.229 112A

Register Adv.Marc. 1,19-21 Adv. Marc. 1,22,8 Adv.Marc. 1,24,4 Adv.Marc. 11,5,7 Adv.Marc. 11,9,9 Adv.Marc. 11,20,3 Adv.Marc. 11,25,3 Adv.Marc. 111,8,1-7 Adv.Marc. 111,14,3 Adv.Marc. 111,20,2 Adv.Marc. 111,24,1 Adv.Marc. 111,24,3 Adv.Marc. 111,24,6 Adv.Marc. 111,24,9 Adv.Marc. IV,7,13 Adv.Marc. IV,9,6 Adv.Marc. IV,21,9 Adv.Marc. IV,22,4f Adv.Marc. IV,28,4 Adv.Marc. IV,28,5 Adv.Marc. IV,34,13 Adv.Marc. IV,34,14 Adv.Marc. IV,39,3-17 Adv.Marc. IV,39,4 Adv.Marc. IV,3 9,6 Adv.Marc. IV,39,8 Adv.Marc. IV,39,9 Adv.Marc. IV,39,14 Adv.Marc. V,7,8 Adv.Marc. V,8,12 Adv.Marc. V,9,3 Adv.Marc. V,12,5 Adv.Marc. V,14,l Adv.Marc. V,14,4 Adv.Marc. V,18,12f De pali. 4,6 Adv.Val. 4,1 Adv.Val. 5,1 Adv.Val. 30 Adv.Val. 30,1 Adv.Val. 30,2 Dean. 1,4 De an. 7,4 De an. 9,4 De an. 11,4

131A 199A.234 112A.113. 136A 234 234 221A 112A 136 63A 37A 203A 197A.198A 204 79A 117A 139A 204 166A 114A 115 203A 117A.202 100A 100A 156A 55A.234A 55A.85A 102 A 102 A 166A.167A 233A 90A 136.152 231A 63A 69A.196 117A.259 118 126 A 127A.142 5A.112A 162 A 203A.225A 165.167A. 266A 166 A

345

De an. 15,4 De an. 21,2 De an. 27,2 De an. 35,3 De an. 38,2 De an. 43,10 De an. 45,3 De an. 50,2 De an. 50,4 De an. 52,1 De an. 52,2 De an. 52,4 De an. 53,2-5 De an. 55,1 De an. 55,2 De an. 55,3 De an. 55,4

De an. 55,5

De an. 58,1 De an. 58,2 De carne Chr. 5 De came Chr. 12,1 De carne Chr. 17 De res.earn. 2,3 De res.earn. 7,12 De res.carn. 8,3 De res.carn. 8,5 De res.carn. De res.carn. De res.carn. De res.carn. De res.carn. De res.cam.

14,9 17,5 17,9 22,1 22,2 22,9

De res.carn. 22,10 De res.carn. 24,7 De res.carn. 24,17f De res.carn. 25,1

167A 166A 233 62A 199A 286A 166 A 233 141.151 200A.233 234 236A 164 A 203A 79A.200A. 216A.227 199A.226. 237 37.116.118. 166.199. 225f.237 116.145A. 148.151. 199ff.226. 238f 203A 117A.202 136A 233A 152A 136 233 161A 136A.148. 152.261A 202A 201A 202A 92A.102A 94 54.92A.99A. 101 A.102A 101 100A.102A 52A.100A. 102A 92 Α. 100.201

Register

346 De res.carn. 25,1-3 De res.carn. 26,7 De res.carn. 26,12 De res.carn. 41,3 De res.carn. 41,6 De res.carn. 43,4 De res.carn. 44,9 De res.carn. 47,15 De res.carn. 49,6 De res.carn. 52,1 lf De res.carn. 62 De exhort.cast. 1,4 De exhort.cast. 2,3 De exhort.cast. 2,5 De exhort.cast. 3,lf De exhort.cast. 3,3f De exhort.cast. 4,6 De exhort.cast. De exhort.cast. De exhort.cast. De exhort.cast. De cor. 1,1 De cor. 1,2 De cor. 1,3 De cor. 1,4 De cor. 1,5

De cor. 2,1 De cor. 3,2 De cor. 3,3 De cor. 6,3 De cor. 7,7 De cor. 11 Decor. 11,1 De cor. 11,2 De cor. 11,4 Decor. 11,5 Decor. 11,6 Decor. 12,3 Decor. 12,4

7,3 11,1 12,1 12,4

93.99 204 235 116A 233A 198f.200A. 225 231A 67A.198A 234A 216 204 162 A 133A 133A 178 177 166A.168. 278A 266A 228A 62 37A.54 11.34.51 A.69. 70A.71A 11.186 11.70.117. 123 A 140A.158. 186 34.137A. 158.177A. 186 79A.116 62A 9A IIA 34A 70 71A 89A 70A 114A.115. 152 142 34 37A

De cor. 12,5 De cor. 13,7 Decor. 13,8 De cor. 14,4 Decor. 15,2 Scorp. 1,5 Scorp. 1,7-8 Scorp. 1,8 Scorp. 1,10 Scorp. 1,11 Scorp. 1,12 Scorp. 1,13 Scorp. 2,1 Scorp. 2,1-2 Scorp. 3,2 Scorp. 3,2-7 Scorp. 4,lf Scorp. 4,3-5 Scorp. 5,lf Scorp. 5,1-4 Scorp. 5,4f Scorp. 5,6f Scorp. 5,6-12 Scorp. 5,7 Scorp. 5,8 Scorp. 5,9 Scorp. 5,10 Scorp. 5,12 Scorp. 5,13 Scorp. 6,1 Scorp. 6,2 Scorp. 6,5 Scorp. 6,6

Scorp. 6,7 Scorp. 6,8 Scorp. 6,9 Scorp. 6,10 Scorp. 6,11 Scorp. 7,1

62 69A.196 197A 308A 70A 118.127.140 123 123A.132 35.36A. 125A 36.40A.78. 117.185A 127 125 A 195 127f. 133 128 81A 128.133 129 133 129f 207 195 135 208 136A 207 132A 134.211A. 234A 195 72.73.214A 222 222 66A.73 66A.72.77. 88A.123. 134.230 191.221 221 210A.213 118.210A. 213 134.214.221 224.232 126A.134f.

Register Scorp. 7,2 Scorp. 7,3-4 Scorp. 7,5 Scorp. 8,1 Scorp. 8,1-2 Scorp. 8,1-8 Scorp. 8,2 Scorp. 8,3 Scorp. 8,4 Scorp. 8,7 Scorp. 8,8 Scorp. 9,1 Scorp. 9,1-5 Scorp. 9,3 Scorp. 9,5 Scorp. 9,6 Scorp. 9,8 Scorp. 9,8-13 Scorp. 9,9

Scorp. 9,12 Scorp. 10,1 Scorp. 10,4 Scorp. 10,5 Scorp. 10,7 Scorp. 10,8 Scorp. 10,9 Scorp. 10,10 Scorp. 10,11 Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp.

10,14 10,15 10,16 10,17 11 11,1

Scorp. 11,2 Scorp. 11,3

Scorp. Scorp. Scorp. Scorp.

11,4 11,5 12-14 12,1

118 77 134A 134A.233 237 131 84 86 156 114A.116 86.153A.257 131.133 87f. 131 263A 147.152A 114A.152 131 113A.122A. 153.160A. 3 02A 113A.153 132 114A.152 78A 147 114A.147. 200A.224 113 55f 55.57A. 261A 113.111.132 132A 132 114.132 132 113.114A. 148A 114A 90.99.115. 142A.156. 262 262 113.262 132 116.226A

347

Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp.

12,2 12,3 12,5 12,6 12,7 12,8 12,9

Scorp. 12,10 Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp. Scorp.

12,11 13,1 13,2 13,9 13,9f 13,10 13,12 15,2 15,3

Scorp. 15,4 Scorp. 15,5 Scorp. 15,6 Scorp. 15,7 De idol. 1,4 De idol. 12,2 De idol. 13,4 De idol. 15,8 De idol. 18,8 De idol. 19 De idol. 19,2 De idol. 21,3 Ad Scap. 1,1 Ad Scap. 1,2 Ad Scap. 1,3 Ad Scap. 1,4 Ad Scap. 2,6 Ad Scap. 2,8 Ad Scap. 2,10 Ad Scap. 3,1 Ad Scap. 3,3 Ad Scap. 3,4 Ad Scap. 3,5

148.151 A 77 112 77.118A 63A 195.204ff. 92A.93.118 123A.201f. 204.221 116.214f. 220A.223 82A.116 116 87 163 135A.152 258 88.214A 54A 47A.55A. 116 116A.132. 151A 133 125A.134. 152 127A 139A 150A.151 203A 53 47 69 62f.71 63 123A.126A 187A 89A 253 95.52 52 37A.89f. 33.54A.95 96 29.32A.40A. 53.97 35.37.97

Register

348 Ad Scap. 3,6 Ad Scap. 4,1 Ad Scap. 4,2 Ad Ad Ad Ad Ad Ad Ad

Scap. 4,3 Scap. 4,5f Scap. 4,6 Scap. 4,7 Scap. 4,8 Scap. 5 Scap. 5,1

Ad Scap. 5,2 Ad Scap. 5,4 De fuga 1,1 De fuga 1,2 De fuga 1,3-4 De fuga 1,4 De fuga 1,5

De fuga 1,5-6 De fuga 2,1-2 De fuga 2,4 De fuga 2,6 De fuga 2,7 De fuga 3,1 De fuga 3,1-2 De fuga 4,1 De fuga 4,2 De fuga 4,3 De fuga 5,2 De fuga 5,3 De fuga 6,1 De fuga 6,3 De fuga 6,6 De fuga 6,7 De fuga 7-9 De fuga 7,1 De fuga 7,2 De fuga 7,4 De fuga 8,1 De fuga 8,3

41A 54.98 40A.44A. 113A.111A 29.53A.54 32f 51 37A.54A 35 35 54A.169. 187.208.257 37A.184 253 35.178 73.136 77ff. 136 216A 63A.66A.73f. 75A.78A. 204A.223 82 73.75A.80. 82 157 74A 73.75.81 77A.81f.113 74f.76A.80f. 77.138.179 138 138.179 114.157.179 37.118A. 138.157.179 138.180 180 180.313 180 138 114A.122A. 152.180 148.180. 204A 82 181.313 138A.181.

De De De De

fuga 9,1 fuga 9,2 fuga 9,3 fuga 9,4

De fuga De fuga De fuga De fuga De fuga

10,1 10,2 10,3 11,1 11,2

De fuga 11,3 De fuga 12,1 De foga 12,2f De fuga 12,3 De fuga 12,5 De fuga 12,7 De fuga 12,9 De fuga 12,1-14,1 De fuga 13,3 De fuga 14,If De fuga 14,2 De fuga 14,3 Adv.Prax. 1,4 Adv.Prax. 2,1 Adv.Prax. 26 Adv.Prax. 29,2 Adv.Prax. 29,7 De virg.vel. 1,5 Devirg.vel. 1,7 De virg.vel. 2,3 Devirg.vel. 17,3 De mon. 1,1 De mon. 1,2 De mon. 1,3 De mon. 2,If De mon. 3,3 De mon. 3,10 De mon. 5,1 De mon. 5,3 De mon. 5,13

313 112A.181 74 239 139.145A. 148.152. 157A.188f 208.239 62.74.139 74 157A.160A 74.181.313 157A.175. 181.221A 182 54A.139.182 151 63A.152A 139f.182.313 160 A 100 170 184 182f.l90 147.158. 214A.287 140.158.184. 287 118A. 121.287 157A 114A.115 136A 159 157A 157A 197 165 278 287A 158.278 157A 177 102A.158 85A 199 A 196 A

Register De mon. 6,2 De mon. 7,4 De mon. 7,9 De mon. 10,1 De mon. 10,4 De mon. 10,6 De mon. 12,2 De mon. 16,4 De ieiun. 1,1 De ieiun. 3,1 De ieiun. 3,2 De ieiun. 8,4 De ieiun. 9,2 De ieiun. 12,2 De ieiun. 12,3 De ieiun. 12,4 De ieiun. 13,5 De ieiun. 17,8 De pud. 1,6 De pud. 1,8 De pud. 1,10 De pud. 2,16 De pud. 3,3f De pud. 3,4f De pud. 5,14 De pud. 6,18 De pud. 9,8 De pud. 9,10 De pud. 9,11 De pud. 9,21 De pud. 10,13 De pud. 11,1 De pud. 11,3

151A 102 A 228A 233.275A 9A.194A 207A.221A 266A 286A 278 85A 166 A 166 A 166 A 66.141 A.263 35.37.120. 263Í.267 264 158 63 277 183.219.282 278 139A 276A 275A 286A 152 216 217 159A 217 224A 271A 157A

349

De pud. De pud. De pud. De pud. De pud. De pud. De pud.

13,7 13,25 14,17 16,28 18,2 18,11 19,25

De pud. 21,5 De pud. 21,6 De pud. 21,7 De pud. 21,10 De pud. 21,14 De pud. 21,16 De pud. 21,17 De pud. 22,1

De pud. 22,2 De pud. 22,3 De pud. 22,4 De pud. 22,6 De pud. De pud. De pud. De pud.

22,8 22,9 22,10 22,11

273A 220A 62 102 A 275A 183.219f. 109.139A. 182.276A 167.277A. 280 278 167.275. 278.280A 277A 277A.280A 231 A.275A. 277A.279A 167.278 120.167. 267A.268. 274.280 118.217.275 280A 87A.117. 120f.275f. 116A.218. 276 120.160A. 167.277 120.276 210A.218 208A.218 211 A.218

2. Cyprian

ep. 4,4,3 ep. 5,1,1 ep. 5,2,1 ep. 6,2,1 ep. 6,2,2 ep. 6,4 ep. 7,1

285 264A.296 163 145.154.242 261A 57 173 A.296

ep. 7,2 ep. 8 ep. 8,l,2f ep. 10,1,1 ep. 10,1,2 ep. 10,2,3 ep. 10,3

264A 306A 175 258 161.258A 72A 160

350

Register

ep. 10,4,1 ep. 10,4,3 ep. 10,4,4 ep. 10,5,1 ep. 10,5,2 ep. ep. ep. ep. ep. ep. ep. ep. ep. ep. ep.

11 11,1,3 11,5,1 12,1,1 13,5,2 13,7 14,1,2 14,2,If 14,2,2 15 15,1,1

ep. 15,1,2 ep. 15,2,2 ep. 16,1,1 ep. 16,2,3 ep. 16,4,1 ep. 17,3,2 ep. 19,2 ep. 19,2,3 ep. 20,1,2 ep. 20,2f ep. 20,2,2 ep. 21,3,2 ep. 22,2,2 ep. 23 ep. 27,3,1 ep. 28,1,1 ep. 28,2,3 ep. 28,2,4 ep. 29 ep. 30,8 ep. 31,1,3 ep. 37,1,2 ep. 37,2,1 ep. 37,3,1 ep. 37,3,2 ep. 37,4,2 ep. 38 ep. 38,1,2

168 57.219A 161.258A. 294 290A.301 296A.300. 303.306.309 108 163 82A 163.264A 122 121A.264A 173 A 121 A.264A 264A 123 119A.258A. 303A 266.281A 281A 123 281A.294A 108 294A 244A 170 57.173 313 123 273A 261A 281A 281A 163 163 31 OA 121A 167A.172 31 OA 163 261A 72A 145 119A.258A 121A 57.273A

ep. 38,1,3 ep. 38,2,2 ep. 39 ep. 39,1,1 ep. 39,1,2 ep. 39,2,2 ep. 39,3,1 ep. 39,4,1 ep. 43,3,1 ep. 43,4,2 ep. 52,2,2 ep. 54,1,1 ep. 54,1,2 ep. 55,22 ep. 55,24,4 ep. 57,3,2 ep. 57,4,2 ep. 58,1,2 ep. 58,2,1 ep. 58,2,2 ep. 58,3,1 ep. 58,4,2 ep. 58,5,1 ep. 58,6,3 ep. 60,2 ep. 60,2,4 ep. 61,4,2 ep. 63,15,1 ep. 65,5 ep. 66,7 ep. 69,2,2 ep. 69,5,1 ep. 69,6,1 ep. 71,4 ep. 73,3 ep. 73,21,2 ep. 73,22 ep. 74,4,1 ep. 74,6,If ep. 74,11,2 ep. 75,10 ep. 76 ep. 76,2,1 ep. 76,5,1 ep. 76,6 ep. 81,2 ep. 81,4

293A 119A.123 121A 296A 168 261A 32A 163 298A 173 A 298A 300 122.299 306A 285A 219A 284 104 154.242 104 154.242 171 145 154.242 258A 72A 219A 294A 285A 170A.175 294A 285 285A 28 A 28A 285A.294A 210A.211A 294A 294A 285A 54A.171 119A 242 160 292A 258A 172.192

351

Register

De laps. 2 De laps. 3 De laps. 4 De laps. 5-7 De laps. 10 De laps. 16 De laps. 27 De eccl.un. 4 De eccl.un. 5 De eccl.un. 6 De eccl.un. 7 De eccl.un. 14 De eccl.un. 23 De eccl.un. 24 De dom.or. 15 De dom.or. 16 De dom.or. 20 De dom.or. 24 De dom.or. 33 De dom.or. 34 De bon.pat. 5-8 De bon.pat. 7 De bon.pat. 12 De bon.pat. 13 De bon.pat. 21 De hab.virg. 7 De hab.virg. 21 De hab.virg. 23 De mort. 1 De mort. 2 De mort. 3 De mort. 4f De mort. 9

72A.258A 122.170A. 173.296f 304 108 170.173. 296f.313 294 290A 285A 261 A.294A 294A 285A 285 285A.294A 300 145.295. 305A 299A 302 285A 165A.304 105 A 147 308A 303 302 298A 303A 295A.306A 3 06A 290 104.303.305 236A.301A. 305 298.303. 301 A.304A 303A

De mort. De mort. De mort. De mort. De mort.

12 13 14 15 17

De mort. 19 De mort. 21 De mort. 25 De mort. 26 De op.et eleem. De op.et eleem. De op.et eleem. De op.et eleem. De op.et eleem. De op.et eleem. De op.et eleem.

lf 7 9 13f 21 22 26

De zel.et liv. 11 De zel.et liv. 15 De zel.et liv. 16

De zel.et liv. 18 Ad Dem.4f Ad Dem. 12 Ad Dem. 12-13 Ad Dem. 16f Ad Dem. 26 Ad Fort.praef. 1 Ad Fort.praef. 4 Ad Fort.praef. 5,1-5 Ad Fort. 5 Ad Fort. 12 Ad Fort. 13 Test. 111,66

302 302 304A 170A.290 163.289f. 296f.301 A 164 A 305 104 297A.305 306 302 304A 305 304 305A 300A.302. 304f.309 242.303A 301 301.303A. 304.306A. 309 305A 104 273A 57 98f 305 104 274A.296A 145 154.242 123.297.305 308.312 200A.274A. 298.305A 294A

3. Andere altkirchliche Autoren

1 .Clem 5 l.Clem 50,3 Act.Cypr. 1,5

61A.197A 230A 171A. 172A

Act.Cypr. 4,3 Act.Cypr. 5,1 Act.Scil. 9-16

212A 192 28

Register

352 Act.Scill. 15 Ambr., D e off.min. 37,186 Ambr., Expos.ps. CXVin,45ff Aristid., Apol. 16,6 Äthan., Apol. 10-25 Äthan., Apol. 11 Äthan., Apol. 13 Äthan., Apol. 17 Äthan., Apol. 19 Äthan., Apol. 22 Äthan., Ep.encycl. 5 Aug., Brev.coll. 3,13,25 Aug., C.Faust.22,36 Aug., De bapt. 13,22 Aug., D e civ.Dei 2,3 Aug., Enarr.in ps.

Lxm,i Aug., Enarr.in ps. L X D Í Aug., ep. 173,5f Aug., ep. 185,12 Aug., ep. 228 Aug., ep. 243,8 Aug., In Joh.tract. 15,2 Aug., In Joh.tract. 28,2 Aug., In Joh.tract. 46,7 Aug., In Joh.tract. 49,28 Aug., Sermo 4,34 Aug., Sermo 133,7 Aug., Sermo 138,2 Aug., Sermo 303,2 Caes.Arl., Sermo XLI Caes.Arl., Sermo XLVII Caes.Arl., Sermo LII Caes.Arl., Sermo CCXVIII Caes.Arl., Sermo CCXXV Clem.ΑΙ., Paid. 1,42,1 Clem.ΑΙ., Strom. 11,19 Clem.Al., Strom. IV,4 Clem.AL, Strom. IV,17,1 Clem.AL, Strom. IV, 17,1-4 Clem.AL, Strom. IV,71f Clem.AL, Strom.

197A.212A 173.171A 311 53A 174 A 178 A 173 171.174A 171.174A 173 A 175A 172 A 173 28A 54A 314 314 314 172A 174A.175 261A 174 A 174A 175A 174 A 311.309 173 314 314 311 311 311 311 311 261A 26A 308A 126 A 172 A 126 A

IV,73,1-4 Clem.AL, Strom. IV,73,5 Clem.AL, Strom. IV,74,3 Clem.AL, Strom. IV,76f Clem.AL, Strom. IV,77f Clem.AL, Strom. IV,77,1 Clem.AL, Strom. IV,86f Clem.AL, Strom. IV,87,2 Clem.AL, Strom. IV,93,1 C o m m . , Instr. 2,7,14-18 C o m m . , Instr. 2,21 Did. 16,4f Didask. 19

209A 253A 209A 173 172 172 130A 81A 279A 308A 308A 76A 173A.174A. 200A 209A Didask. 20 Ep. ad Diogn. 6 53A Ep. ad Diogn. 6,9 253A Ep. ad Diogn. 7,8 253A 103 A Epiph., Pan. 48,2,4-7 Eus., C o m m . i n ps.56 173 Eus., D e mart.palaest. 3,3 171 Eus., D e mart.palaest. 4,9 166.169 Eus., D e mart.palaest. 165 11,27 46A Eus., H E 11,2,4 50 A Eus., H E IV,15,1 172 A Eus., H E IV,15,8 146A Eus., H E IV,22,4 50A Eus., H E IV,23,2 259A Eus., H E IV,23,10 50A Eus., H E IV,26,3 50A Eus., H E IV,26,6-7 48 Eus., H E IV,26,9 169 Eus., H E IV,41,7 59 A Eus., H E V , l , 4 f 100A Eus., H E V , l , 5 54A Eus., H E V, 1,7 146A.147A. Eus., H E V , l , 9 f 151A.164A. 169.171A 259A Eus., H E V, 1,11 59A Eus., H E V, 1,16 61A Eus., H E V,1,19 164A Eus., H E V , l , 2 2 59A.160A Eus., H E V , l , 2 3 59A Eus., H E V, 1,27 160 A Eus., H E V, 1,29

Register Eus., H E V , l , 3 5 Eus., H E V , l , 3 6 Eus., H E V , l , 4 1 f Eus., H E V, 1,42 Eus., H E V , l , 4 5 Eus., H E V , l , 4 9 f Eus., H E V , l , 5 1 Eus., H E V , l , 5 6 Eus., HE V , l , 6 2 Eus., HE V,2,2 Eus., H E V,2,4 Eus., H E V,2,5 Eus., H E V,2,6 Eus., H E V,2,7 Eus., HE V,5,4 Eus., HE V,16,19 Eus., H E V,16,21 Eus., H E V , 1 8 , l Eus., H E V,18,2 Eus., H E V,18,7 Eus., H E V,28,8-12 Eus., H E VI,1 Eus., H E VI, 1-5 Eus., H E VI,2,3 Eus., H E VI,2,3-5 Eus., HE V,2,41 Eus., HE VI,4,2f Eus., H E VI, 19,16 Eus., H E VI,40,1-9 Eus., H E VI,41,1-9 Eus., H E VI,41,12 Eus., H E VI,41,16 Eus., HE VI,42,3 Eus., H E VI,42,5 Eus., H E VII, 11,18f Eus., H E VII, 12 Eus., H E VII,1 l , 1 8 f Eus., HE VII, 11,25 Eus., H E Vili,5 Eus., H E V n i , 1 6 , 3 f Eus.Gall., Horn. LV,15 Eus.Gall., Horn. LVI,8f Greg., Dial. 111,26,9 Greg., Horn.in ev. 1,3,4 Greg., Horn.in ev. 2,35,7 Herrn., Mand. IV,3,6 Herrn., Sim. VIII,2,l-4

59A.165 61A 61 A.160A 59A.60.154 269A 169.171 A 164 A 164 A 33A 146A.151 A 117 269A 59A 197A 50A 103A 126 A 269A 103A 269A 32A 31 32.250 31 169A.192A 119A 211A 173 170A.173 54A 170A 169.250 170A.175 208A 174 A 171.168 172 263A 171 97A 311 311 311 311 311 209A 224A.304A

353 Herrn., Sim. VIII,3,6 Herrn., Sim. IX, 16,3 H e r r n , Sim. IX,28,3f H e r r n , Sim. IX,28,6 H e r r n , Vis. 111,2 H e r r n , Vis. 111,1,9 H e r r n , Vis. IV,3,4f H i e r o n , C o m m . i n Joel. 2,28ff H i e r o n , De vir.ill. 53 H i e r o n , De vir.ill. 55 H i e r o n , ep. 3,5 H i e r o n , ep. 108,31,1 H i p p , In Dan. 11,37

59A.61 A 211A 170 209A 224A.304A 197A 76A.77A

127A 26A 265A 307 307 93A.197A. 208A H i p p , In Dan. II,38,3f 164A.253A H i p p , Trad.Apost. 9 259A H i p p , Trad.Apost. 19,If 211A 219A Ign.Eph. 8,1 Ign.Eph. 18,1 219A 219A Ign.Eph. 21,1 146A Ign.Magn. 5,2 219A Ign.Pol. 2,3 219A Ign.Pol. 6,1 Ign.Rom. 2 , I f 197 A Ign.Rom. 4,1 169 Ign.Rom. 4,2 146A.208. 219A Ign.Rom. 5,3 59A Ign.Rom. 6,2f 146A.151A Ign.Smyrn. 4,2 146 A Ign.Smyrn. 6,2 259A Ign.Smyrn. 10,2 219A 127A I r e n , Adv.haer. 11,14,8 I r e n , Adv.haer. 111,12,13 146 A I r e n , Adv.haer. 111,16,4 197A I r e n , Adv.haer. 111,18,4f 126A.146A. 147A.151 A I r e n , Adv.haer. 111,24,1 261A I r e n , Adv.haer. IV, 18,3 85A I r e n , Adv.haer. IV,25,2 85A I r e n , Adv.haer. IV,33,9 126A.197A. 210A.227A. 238A I r e n , Adv.haer. IV,34,4 85A I r e n , Adv.haer. IV,37,7 67A I r e n , Adv.haer. V,31 202A.227A.

Register

354 238 41A 253A 59A.86A 58A 197A 90A 90A 52 A 230A 126A 49A 58A 46A.197A. 212A 49A 58A 52 A 253 202A 253A 55A 4,1 47 A 3,4 48A 33,7f 97A

Just., Apol. 1,3 Just., Apol. 1,4,7 Just., Apol. 1,5 Just., Apol. 1,5,1 Just., Apol. 1,8 Just., Apol. 1,15,9-13 Just., Apol. 1,16,1-2 Just., Apol. 1,17 Just., Apol. 1,18 Just., Apol. 1,26,7 Just., Apol. 1,68,3 Just., Apol. 11,1,2 Just., Apol. 11,2 Just., Apol. 11,2,16 Just., Apol. 11,4 Just., Apol. 11,7,1 Just., Apol. 11,12,1 Just., Dial. 80 Just., Dial. 110,4 Just., Dial. 131,2 Lakt., De mort.pers. Lakt., De mort.pers. Lakt., De mort.pers. Lakt., Div.Inst. IV,18-12 Mart.Pion. 21 Mart.Pion. 22,If Mart.Pol. 1,2 Mart.Pol. 2,2 Mart.Pol. 2,3 Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol.

3 3,1 4 4,1

Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol. Mart.Pol.

5 12 12,2 13,1 14, If 15,2 17,1

Mart.Pol. 17,2

173 146 A 61A 171Í.193A 154.164A 67A.194. 200A 54A 59A 167.189A 171A.172A. 193 A 170A.173 54 A 55A 55A 219A 165 59A.61A. 67A 55A

Mart.Pol. 17,3 Mart.Pol. 18,1 Mart.Pol. 18,3 Mart.Pol. 19,1 Mart.Pol. 19,2 Min.Fel., Oct. 21,11 Min.Fel., Oct. 27 Min.Fel., Oct. 28,3 Min.Fel., Oct. 37,1 Orig., Comm.in Mat. 10,23 Orig., C.Cels. VII,26 Orig., C.Cels. VIII,65 Orig., C.Cels. VIII,73 Orig., Exhort.ad mart. 18 Orig., Exhort.ad mart. 28 Orig., Exhort.ad mart. 30 Orig., Exhort.ad mart. 35 Orig., Exhortad märt. 37 Orig., Exhort.ad mart. 50 Orig., In ep.ad Rom. IV, 10 Pass.Agap 1,2 Pass.Eupli If Pass.Mar.et Jac. 6,1-5 Pass.Mar.et Jac. 6,5-15 Pass.Mar.et Jac. 7,1-8 Pass.Mar.et Jac. 8,1-16 Pass.Mar.et Jac. 11,1-6 Pass.Marc. 1,1 Pass.Mont.et Luc. 2,1 Pass.Mont.et Luc. 6,4-5 Pass.Mont.et Luc. 7f Pass.Mont.et Luc. 11 Pass.Mont.et Luc. 21 Pass.Perp. 1,5 Pass.Perp. 3,4 Pass.Perp. 3,5f Pass.Perp. 3,7 Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp.

4,3 4,5 4,7 6,6 6,7 9,1

146 A 55A 61A 146 A 197A 23 OA 58A.59A 43 A 72A 173 253A 254A 71A 61A 208A 210A 253A 210A.274A 269A 171 170A.173A 169 164A 164A 164A 164A 164 A 166 145A.211A 59A.61A 164A 164A 164A.162A 9A.163 211A 261A.267A 263A.267A. 268A 169 169A 59A 31 263A 267A

Register

Pass.Perp. Pass.Peip. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp. Pass.Perp.

10 10,1 10,11 10,14 11,9 13,8 14,2 15,6 16,4 17,2 18-21 18,2 18,9 19,4 20,1

60A 263A 59A 59 31 225A 170A 160 253.264.267 93A.208 31 209A 146 A 170A 59A

355

Pass.Perp. 21,2 Pass.Perp. 21,11 Pass.Pion. 21 Petr.Al., ep.can. 9

209A 9A 144 A 169A.172A. 173.175 173

Petr.Al., ep.can. 12 Ps.-Cypr., De laude mart. 146 A 14 Ps.-Cypr., De rebapt. 14 207A.210A. 21 ΙΑ Sulp.Sev., ep. 2 307 Vita Cypr. 7 173 A 164 A Vita Cypr. 12

4. Heidnische Autoren

Cie., Tusc. 1,34,83 Epict., Diss. 11,18,27 Epict., Diss. IV,7,6 HA, vita Sept.Sev. 17,1 Hör., Carm. 111,6,2 Juv., Sat. I,4,38.85f Luk., De mort.Per. 12 Luk., De mort.Per. 13 Marc Aurel, Med. 11,17 Marc Aurel, Med. 111,16,1 Marc Aurel, Med. XI,3,2 Plin, ep. X,52,4 Plin., ep. X,96,3 Plin., ep. X,97,l

235A 60A 254A 31 99A 48A 259A 254A 60A 48 A 50A.254A 48A 256 48A

Plin., Pan.Trai. 94,2 Sen., ep. 51,6 Sen., ep. 71,15 Sen., ep. 96,5 Sen., De prov. 3,6 Sen., De prov. 4,5 Sen., De prov. 4,7 Sen., De prov. 5,1 Sen., De prov. 5,10 Sen., Dial. VI,19,5 Suet., Vit.Dom. 1.14 Suet., Vit.Ner.26.35.38 Tac., Ann. 15,44,4 Tac., Agr. 3,1

48A 60A.65A 235A 60 60A 60A 76A 60A 77A 236A 47A 48A 89A 47A

Leid und Martyrium in der Alten Kirche

Barbara Müller

Gerd Buschmann

Der Weg des Weinens

Das Martyrium des Polykarp

Die Tradition des „Penthos" in den Apophthegmata Patrum

Kommentar zu den Apostolischen Vätern, Band 6. 1998. 452 Seiten mit 1 Klapptabelle, Leinen ISBN 3-525-51681-9

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Band 76. 2000. 284 Seiten, gebunden ISBN 3-525-55185-1 Das Weinen oder gottgemäße Trauern (Penthos) bildete für die ägyptischen Wüstenväter des vierten Jahrhunderts ein unentbehrliches Mittel auf ihrem Weg zur Schau Gottes. Unter Tränen erkannten sie ihre eigene Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit, weinend erfuhren sie aber vor allem die Güte Gottes. Gestützt auf die Apophthegmata Patrum, die Aussprüche der Väter, wird in dieser Untersuchung das Weinen der Wüstenväter beschrieben - eine Lehre und Praxis, welche nur vor ihrem biblischen, theologischen und ägyptischen Hintergrund verständlich wird. Dazu werden biblische Quellen des Neuen und des Alten Testaments analysiert, die sich mit Weinen und Trauer befassen, ebenso kultisches Weinen im Rahmen der Isis- und Osiris-Religion. Es zeigt sich, dass Gottesbeziehung der Wüstenväter sowohl durch Unmittelbarkeit der Erfahrung als auch reflektierende Verarbeitung geprägt ist.

A m Übergang vom Urchristentum zur Alten Kirche läutet das Martyrium Polykarps die neue literarische Gattung des Märtyrerberichts ein, die fortan vielfaltig beerbt wird. In innerkirchlicher Absicht betont das Martyrium Polykarps die Parallele zwischen dem Leiden des Herrn und dem des Märtyrers, um einer enthusiastischen Martyriumssehnsucht zu wehren und eine angemessene Märtyrerverehrung einzuüben. Der Kommentar bietet eine synoptische Ausgabe der griechischen Handschriften des Martyriums Polykarps und der Textwiedergabe in Eusebs Kirchengeschichte.

Hans von Campenhausen

Die Idee des Martyriums in der Alten Kirche 2., durchgesehene Auflage 1964. IX, 188 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-55305-6

V&R

Vandenhoeck Ruprecht