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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament • 2. Reihe Begründet von Joachim Jeremias und Otto Michel Herausgegeben von Martin Hengel und Otfried Hofius
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Herrlichkeit des Neuen Bundes Die Bestimmung des biblischen Begriffs der »Herrlichkeit« bei Hans Urs von Balthasar
von
Volker Spangenberg
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J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Spangenberg, Volker: Herrlichkeit des Neuen Bundes: die Bestimmung des biblischen Begriffs der „Herrlichkeit" bei Hans Urs von Balthasar / von Volker Spangenberg. - Tübingen: Mohr 1993 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament: Reihe 2; 55) ISBN 3-16-146062-6 978-3-16-157113-8 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 NE: Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament / 02
© 1993 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen reproduziert, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0340-9570
Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Sommersemester 1991 von der EvangelischTheologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen worden. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Auf das Werk Hans Urs von Balthasars hat mich zuerst mein Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Eberhard Jüngel hingewiesen. Sein Rat, seine Anregungen und seine Ermutigung haben mich nicht nur während der Abfassung dieser Arbeit begleitet, und ich danke ihm dafür von Herzen. Daß die Herausgeber Prof. Dr. Martin Hengel und Prof. Dr. Otfried Hofius meine systematisch-exegetische Studie in die Reihe der Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament aufgenommen haben, hat mich sehr gefreut. Herr mag. phil. Thierry Declerck hat den Satz besorgt, Herr stud. theol. Eckart Beutel und die Freunde Helga und Manfred Spielmann haben mir beim Lesen der Korrekturen geholfen. Ihnen allen bin ich herzlich dankbar.
Heidelberg, im April 1993
Volker Spangenberg
Inhaltsverzeichnis Vorwort
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Einleitung
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1. Die Schau der Gestalt. Ein Überblick
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1.1 Hinführung 1.2 Die subjektive Evidenz 1.3 Die objektive Evidenz
2. Voraussetzungen 2.1 Das Verhältnis von Altem und Neuem Testament als methodische Anweisung zur Bestimmung des neutestamentlichen Herrlichkeitsbegriffs 2.2 Der hermeneutische Schlüssel zur Bestimmung deijenigen Gestalt, die der Sache nach ist, was der neutestamentliche Herrlichkeitsbegriff meint 2.3 Die Kirche als die Gemeinschaft derer, die die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit" ist, zu schauen vermögen. Ein einführender Überblick
3. Die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit" ist 3.1 Geburtsgeschichte und erstes Auftreten Jesu als Beispiele für die Integration des vorgegebenen alttestamentlichen Stoffes durch die Offenbarungsgestalt 3.2 Die Ausstrahlung der Offenbarungsgestalt oder ihre „Wucht" 3.2.1 Die „Wucht" des Anspruches Jesu 3.2.2 Der paradoxe Grund der „Wucht" des Anspruches: die Armut Jesu 3.2.2.1 Jesu Glaube als Ausdruck seiner Armut 3.2.2.2 Jesu gehorsame Subordination unter den Geist als Ausdruck seiner Armut
4 8 15
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47 47 51 51 54 55 65
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Inhaltsverzeichnis
3.3 Der Grund der „Wucht" in der „Überlassung" Jesu 3.3.1 „Überlassung" und eucharistische Gestalt 3.3.2 „Überlassung" und heilige Schrift 3.3.2.1 Von Balthasars Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Exegese. Ein Beispiel 3.4 Zeit und Zeitbewußtsein Jesu als Grund der „Wucht" seiner Erscheinung 3.4.1 Motivtranspositionen 3.4.2 Nachfolge und Stellvertretung 3.5 Das Kreuzesgeschehen und die „Wucht" 3.5.1 Anhang: Apokatastasis panton und Purgatorium
71 72 75 82 90 99 111 130 158
4. Der neutestamentliche Begriff „Herrlichkeit" (öo£a) 4.1 Methodische Vorbesinnung 4.2 Die johanneische Synthese 4.2.1 Die Verherrlichung durch den Vater 4.2.2 Die Verherrlichung durch den Geist 4.2.3 Die Verherrlichung durch die Kirche 4.2.4 Doxa als Liebe (Zusammenfassung) 4.3 Die inhaltliche Füllung der „Chiffre" öö£a 4.3.1 Aö|a als göttliche Selbstaussage 4.3.2 Aofa als Erscheinung, Bild und Licht 4.3.3 Das Erblicken der Erscheinung Gottes 4.3.4 Aöfa als Gottes Gerechtigkeit (5itcmoavin) deov) 4.3.5 Zusammenfassende Thesen 4.4 Das neutestamentliche Zeugnis von der Verborgenheit der 56£a in der Offenbarkeit 4.4.1 Problemanzeige 4.4.2 Die Synoptiker 4.4.3 Paulus 4.4.4 Johannes 4.4.5 Überleitung
165 165 167 167 170 173 174 175 175 178 184 186 192 193 193 194 201 207 208
5. Was heißt 5o£ctfeivl 5.1 Zur Einführung 5.2 Die Bestimmung des Menschen zum bo%a$av 5.3 Aofctfeiv als des Menschen Freiheit zur Liebe 5.4 Aofdfeiv als Fruchtbarkeit und Überfluß 5.5 Aofafei»' als Vollzug der Einheit von Gottes- und Nächstenliebe . . 5.6 Aofafeip als Existenzvollzug der Kirche
209 209 209 211 212 217 225
Inhaltsverzeichnis
VII
6. Eschatologischer Vorbehalt 6.1 Die Gestalt der Kirche als Übergangsgestalt 6.2 Die iXxic Sofrjc 6.3 „Kennen wir das, worauf wir hoffen?" 6.4 Vita aeterna
237 237 240 246 247
7. Was ist „Herrlichkeit"? Ein Fazit
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Literaturverzeichnis I. Veröffentlichungen Hans Urs von Balthasars n. Übrige Literatur
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Stellenregister
268
Sachregister
273
Einleitung Der 1905 in Luzern geborene und 1988 in Basel verstorbene katholische Theologe Hans Urs von Balthasar hat ein - auch im Blick auf seinen Umfang - ungewöhnliches schriftliches Werk hinterlassen1. Daraus turmhoch hervor ragt die 1987 abgeschlossene fünfzehnbändige Trilogie, bestehend aus der Theologischen Ästhetik („Herrlichkeit"), der Theodramatik und der Theologik2. Sie darf als v. Balthasars magnum opus gelten. Am ehesten läßt sich das Werk als eine theologische Dogmatik charakterisieren, die freilich alles andere als schulmäßig ausgefallen ist3. Bereits der Einsatz mit einer „Theologischen Ästhetik" sprengt den Rahmen des Gewohnten. Als Theologe der „Herrlichkeit" ist Hans Urs v. Balthasar denn auch zuerst weltweit berühmt geworden. Längst ist allerdings die hohe Bedeutung der Theodramatik für die Balthasarsche Theologie und darüber hinaus erkannt worden4. Mit fortschreitendem Erscheinen der Trilogie wuchs auch die Sekundärliteratur zu einer mittlerweile stattlichen Bibliotheca Balthasariana5. Die vorliegende Untersuchung stellt gewissermaßen einen „Schritt zurück" dar. Denn im Unterschied zu den in rascher Folge erscheinenden neueren Arbeiten, die der Theodramatik und in alleijüngster Zeit auch der Theologik gewidmet sind, gilt sie primär v. Balthasars Theologischer Ästhetik, wie er sie in seinem siebenbändi-
1 Vgl. H. U. v. Balthasar, Bibliographie 1925-1990. Neu bearbeitet und ergänzt von C. Capol, Freiburg 1990. Die Bibliographie verzeichnet 119 eigene Bücher. 2 Den ersten Band von „Herrlichkeit" publizierte v. Balthasar 1961. Der Gesamtaufbau der Trilogie ist dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. 3 Der Hauptunterschied liegt darin, dafi an Stelle der traditionellen Behandlung des Stoffes der Dogmatik in Gestalt einzelner Loci die Transzendentalien (pulchrum, bonum, verum) Anlage und Durchführung der dogmatischen Darstellung bestimmen. Vgl. H. U. v. Balthasar, Epilog, Einsiedeln/Trier 1987, 7. 4 Vgl. E. Biser, Die glaubensgeschichtliche Wende. Eine theologische Positionsbestimmung, 2.Aufl. Graz/Wien/Köln 1987, 234: „Doch so hoch man die mit der .Herrlichkeit' geleistete Wiedereinholung [des Schönen] veranschlagen mag, wird die innovatorische Leistung des Werkes doch erst mit der ,Theodramatik' erbracht. " 5 Eine Bibliographie der Sekundärliteratur zu v. Balthasar fehlt bisher. Vgl. zur älteren Sekundärliteratur (bis 1978) die Bibliographie bei M. Lochbrunner, Analogia Caritatis. Darstellung und Deutung der Theologie Hans Urs von Balthasars, Freiburg 1981, 329-339; zahlreiche neuere Arbeiten verzeichnen die Literaturverzeichnisse (Sekundärliteratur) von T.R. Krenski, Passio Caritatis. Trinitarische Passiologie im Werk Hans Urs von Balthasars, Freiburg 1990, 377-399 und von K.J. Wallner, Gott als Eschaton. Trinitarische Dramatik als Voraussetzung göttlicher Universalität bei Hans Urs von Balthasar, Heiligenkreuz 1992, 399-425.
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Einleitung
gen Werk „Herrlichkeit" (1961-1969) entfeitet hat. Welchen Sinn hat es, auf „Herrlichkeit" zurückzukommen? 1. Sehe ich recht, so wird in der Literatur zu v. Balthasars Theologischer Ästhetik allenfalls verhalten zu sagen versucht, was das eigentlich ist: Herrlichkeit. Will heißen: die Frage, wie v. Balthasar den biblischen Begriff der „Herrlichkeit" bestimmt, spielt allenfalls eine marginale Rolle. Zu unrecht, wie mir scheint. Denn diese Fragestellung ist besonders geeignet, die Grundstruktur des Werkes „Herrlichkeit" hervortreten zu lassen. 2. Doch nicht nur auf die Theologische Ästhetik fällt von hier aus Licht. Die Balthasarsche Bestimmung dessen, was man im Anschluß an die biblischen Schriften unter „Herrlichkeit" zu verstehen hat, macht Brückenschläge zur Theodramatik und zur Theologik nicht nur nötig, sondern auch plausibel. Insofern vermag die Fragestellung einen kleinen Beitrag zur Erhellung der gesamten Trilogie und also der Einheit der theologischen Grundgedanken v. Balthasars zu leisten. 3. Die Fragestellung macht eine Konzentration auf die beiden exegetischen Bände der Theologischen Ästhetik notwendig6. Im Vordergrund soll dabei der dem Neuen Testament gewidmete Band stehen. Mehr als eine kritische Paraphrase dieses Bandes auf dem Hintergrund der gesamten Trilogie und einiger Balthasarscher Kleinschriften beansprucht die vorliegende Arbeit nicht zu sein. Sie beansprucht aber, mit ihrer Fragestellung und der dadurch erforderlichen besonderen Beachtung der exegetischen Arbeitsweise innerhalb der Theologischen Ästhetik, Einblicke in die verwirrende Art des Balthasarschen Umgangs mit den biblischen Texten zu geben. Mit einer nur formalen Bestimmung der Hermeneutik v. Balthasars ist bei diesem Autor wenig gewonnen7. Von Balthasars exegetisches Verfahren ist so komplex und unorthodox, daß es in concreto studiert sein will8.
6 Herrlichkeit Bd. IQ,2: Theologie, Teil 1: Alter Bund (1967) und Teil 2: Neuer Bund (1969). Die beiden Bände schließen das Werk „Herrlichkeit" ab. Der geplante und angezeigte ökumenischtheologische Schlußband ist nicht erschienen. 1 Die Komplexität der exegetischen Vorgehensweise v. Balthasars (ver)führt häufig zu vereinfachend kritisch-polemischen oder vereinfachend wohlmeinend-apologetischen Urteilen, die insgesamt wenig erhellend sind. Vgl. zum ersteren C. Kappes, Freiheit und Erlösung. Überlegungen zu den Grundlagen der Soteriologie in den Entwürfen von Hans Urs von Balthasar, Karl Rahner und Jürgen Moltmann, Diss. Münster 1986, 121: „Es geht Balthasar von Anfang an nicht um eine Herleitung bestimmter Interpretamente aus exegetischer Analyse." AaO., 126: „Es dürfte leicht erkennbar sein, wie Balthasar durch theologische .Argumente' versucht, alle exegetischen Probleme zu umgehen". Vgl. zum zweiten T.R. Krenski, Passio Caritatis, SO, wo mitgeteilt wird, es leiste „Balthasars hermeneutische Grundentscheidung, die in die Synthese von historisch-kritischer und geistlich-theologischer Schriftauslegung mündet, ... einen sicher nicht systematisch ausgefeilten, aber dennoch bemerkenswerten Beitrag zu einer vom Zweiten Vatikanischen Konzil inspirierten Synthese von historischer und theologischer Schriftauslegung." 8 Sehr instruktiv hat dies an einem ausgewählten kleinen Textstück B. McNeil getan: The Exegete as Iconographer: Balthasar and the Gospels; in: J. Riehes (Hg.), The Analogy of Beauty. The Theology of Hans Urs von Balthasar, Edinburgh 1986, 134-146.
Einleitung
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Fremd muten auch Stil und Sprache v. Balthasars an9. Niegehörte Neologismen beherrschen das Feld. Dem muß die Beschäftigung mit den Balthasarschen Arbeiten Rechnung tragen. Die vorliegende Untersuchung - aber nicht nur diese - tut das, indem sie in stärkerem Maße als sonst vielleicht üblich an die Schriften des zu interpretierenden Autors angelehnt ist.
* Nicht zuletzt damit dürfte zusammenhängen, daß dieser Autor einerseits glühende Verehrung und andererseits kühle Verachtung gefunden hat. Beide Haltungen stehen einer angemessenen Rezeption seiner Gedanken hinderlich im Wege.
1. Die Schau der Gestalt. Ein Überblick Die Theologische Ästhetik Hans Urs von Balthasars „Herrlichkeit" hat das Ziel, „die christliche Theologie unter dem Licht des dritten Transzendentale zu entfeiten: die Sicht des Verum und des Bonum zu ergänzen durch die des Pulchrum"1. Der grundlegende Band „Schau der Gestalt", dessen Aufgabe es ist, „einen Weg zum Anliegen" (9) zu erschließen, gliedert sich in drei Teile, deren Hauptgedanken nachzuzeichnen hier versucht werden soll. Teil I trägt den Namen „Hinführung" und erörtert die Berechtigung des angezielten Unternehmens; Teil II wirft unter der Überschrift „Die subjektive Evidenz" die „Frage der theologischen Erkenntnis" in „ihrer subjektiven Struktur" auf; Teil in „Die objektive Evidenz" behandelt die Frage nach den „Voraussetzungen" der theologischen Erkenntnis „im theologischen Gegenstand" (9).
1.1 Hinführung Seiner Lehre vom (innerweltlich) Schönen legt v. Balthasar die in der mittelalterlichen Scholastik ausgebaute Transzendentalienlehre zugrunde2. „Erscheinende Gestalt ist nur schön, weil das Wohlgefallen, das sie erregt, im Sich-zeigen und Sich-schenken der Tiefenwahrheit und Tiefengutheit der Wirklichkeit selbst gründet, das sich uns als ein unendlich und unausschöpfbar Wertvolles und Faszinierendes offenbart. Die Erscheinung als Offenbarung der Tiefe ist unauflösbar beides zugleich: wirkliche Anwesenheit der Tiefe, des Ganzen, und wirklicher Verweis über sich hinaus auf diese Tiefe. ... Wir .erblicken' die Gestalt, aber wenn wir sie wirklich erblicken, dann nicht nur die abgelöste Gestalt, sondern die an ihr aufscheinende Tiefe, wir sehen sie als Glanz, als Herrlichkeit des Seins. Wir werden schauend von dieser Tiefe .entzückt' und in sie .entrückt', aber (solang es sich um das Schöne handelt), nie so, dass wir die (horizontale) Gestalt hinter uns Hessen, um (vertikal) in die nackte Tiefe zu tauchen." (lllf) Weltlich Seiendes ist stets
1 Herrlichkeit Bd.I: Schau der Gestalt (= Schau), 3.Aufl. Einsiedeln/Trier 1988, 9. Bloße Seitenzahlen in Klammern beziehen sich im Text des gesamten Kapitel 1 stets auf diesen Band. 2 Vgl. zur Transzendentalienlehre bei H.U. v. Balthasar die instruktive Einführung bei K.K.J. Tossou, Streben nach Vollendung. Zur Pneumatologie im Werk Hans Urs von Balthasars, Freiburg 1983, 100-109.
Hinführung
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Erscheinung seines Grundes3. Die Erscheinung ist nicht ein „zweites selbständiges Sein neben dem Grund, sie ist der Grund selbst, sofern er erscheint und somit erschlossen ist"4. Der Grund wiederum ist nicht identisch mit der Erscheinung, denn die Erscheinung ist Erscheinung des Grundes, der an sich selbst nicht erscheint: der Grund bleibt immer mehr als seine Entäußerung in der Erscheinung. Erscheinung ist andererseits auch mehr als ihr Grund, insofern der Grund (indem er sich in die Erscheinung entäußert) erst sich ermessend zum Grund wird. Die Bewegung des Seins vollzieht sich demnach in der Bewegung vom Grund in die Erscheinung und der Bewegung der Erscheinung in ihren Grund. Diese Bewegung entläßt aus sich die Differenz zwischen Dasein und Sosein. Denn Sein vollzieht sich als Seinsakt nicht in der „Willkür des reinen Ursprungs", sondern als „der Nachvollzug eines vorgegebenen Maßes" (TL I, 248), will heißen: einer Natur oder eines Wesens. Sein ist immer wesenhaft, und Wesen existiert nur als verwirklichtes: „Dasein erscheint (als existentia) als jenes Moment am Seienden, das wesenhaft außerhalb der Reihe der Soseins-Eigenschaften steht, das ihnen .zukommt' (esse accidens) oder, wenn das Wesen ein nur gedachtes, nur mögliches ist, jetzt nicht, oder überhaupt nicht zukommt; es erscheint aber dann ebenso (als esse) als jenes Moment, auf das zuletzt alles Soseiende zurückzuführen ist als auf seine Quelle, so sehr, daß das jeweilige Sosein nichts anderes ist, als ein Ausschnitt aus der Fülle der Wirklichkeit des daseienden Seins. Aber umgekehrt verwirklicht ein existierendes Wesen nie, im Augenblick, da es existiert, die ganze Fülle seiner Möglichkeiten, ja, es zeigt jeweils nur einen kleinen Ausschnitt davon her." (TL I, 218) Diese ontologische Differenz, mit der nach v. Balthasar jede Ontologie der geschöpflichen Welt steht und fällt, will nun freilich (um der „Einbergung aller christlichen Güter in die Ontologie"5 willen) recht gedeutet werden. Rechte Deutung ist für v. Balthasar die des Thomas von Aquin. Thomas deutet die Differenzstruktur zwischen „actus essendi als nichtsubsistierende Fülle, die aus den endlichen Wesenheiten und in ihnen zum Stehen und zu sich selbst kommt, und essentiae, die vom Akt her zur Wirklichkeit gelangen, ohne den infiniten Akt ein- und aufzuteilen" als „das Merkmal schwebender Nichtabsolutheit, christlich gesprochen, der Kreatürlichkeit: denn wie sollte ein nichtsubsistierender Seinsakt aus sich allein subsistierende Wesen entlassen, und woher sollten die Wesen ihre geschlossene, in sich sinnvolle Wesensgestalt gewinnen?" (H m/1,2, 783) Beide weisen über sich hinaus auf Gott als
3 Zur folgenden Kurzdarstellung der mehr. Der christologische Ansatz Hans 4 Theologik Bd.I: Wahrheit der Welt 5 Herrlichkeit Bd. 111,1: Im Raum Einsiedeln o.J. [1975], 782.
Balthasarschen Ontologie vgl. H. Heinz, Der Gott des JeUrs von Balthasars, Bern/Frankfurt 1975, 20-28. (= TL I), Einsiedeln 1985, 246. der Metaphysik, Teil 2: Neuzeit (= H 111/1,2), 2.Aufl.
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Die Schau der Gestalt. Ein Überbück
absolut subsistierendes Sein, das sowohl teilgibt an seiner Seinsfülle als auch die Wesensgestalten, die Empfänger dieser Seinsteilnahme sind, kreiert6. Was hat es nun mit der Schönheit auf sich? Schönheit als drittes Transzendentale ist für v. Balthasar „das unmittelbare Hervortreten der Grundlosigkeit des Grundes aus allem Begründeten", gewissermaßen das Hervortreten eines „Komparativ", der sich „im Positiv" ausdrückt (TL I, 253f). „Und zwar erscheint der Grund in seiner besonderen Eigenschaft als sich selbst begründende Abgründigkeit. In diesem Erscheinen liegt die Interesselosigkeit aller Schönheit. Sie ist das reine Strahlen des Wahren und des Guten um seiner selbst willen... Darum ist die Schönheit auch von einer solchen Neidlosigkeit der Selbstpreisgabe" (TL I, 254). Am Schönen sind folgerichtig (mit Thomas von Aquin) zwei Momente zu unterscheiden und aufeinander zu beziehen: forma oder species (Gestalt) und splendor oder lumen (Glanz). Als forma kann das Schöne materiell erfaßt und in gewisser Weise berechnet werden. Als splendor ist die schöne Gestalt Hinweis und Erscheinung von Tiefe (Fülle), die ohne die Gestalt unsichtbar bliebe, ohne die die Gestalt andererseits nicht schön wäre. Beides ist gleichzeitig da: „das Gebild und was von ihm ausstrahlt" (18; vgl. 111), und dementsprechend korrespondieren bei der Wahrnehmung durch den Betrachter „Erblickung" und „Entrückung". Konfrontiert man diese allgemeine Struktur des Seins mit dem, was die christliche Theologie als Gestalt der Offenbarung Gottes in Jesus Christus namhaft macht, so versteht sich von selbst, daß „eine univoke Anwendung und Übertragung" (112) nicht in Frage kommt. Denn einerseits ist Gott kein „Seiendes" unter anderem, andererseits ist er auch nicht dasjenige (nichtsubsistierende) „Sein" selbst, das im Seienden und als es erscheint. Die Offenbarung ist nicht Erschließung eines Seinsgrundes in seine Erscheinung. Denn während sich der Seinsgrund, um er selbst zu sein, notwendig in ein Seiendes hinein entäußern muß, erscheint Gott aus grundlos freier Souveränität, die ihr Maß in sich selbst hat. Nun hat allerdings das Schema von Seinsgrund und Seinserscheinung bereits innerweltlich analogische Stufen (etwa darin, daß die Äußerungen des freien Geistes andere Struktur haben als die der organisch-untergeistigen Natur - und doch partizipieren beide am gleichen Schema)7. Und genau hier vollzieht v. Balthasar den entscheidenden Schritt zur Theologischen Ästhetik: „Was aber ist die Schöpfung, Versöhnung und Erlösung des drei' Vgl. H m/1,2, 783. Von Balthasar kritisiert mit unverkennbarem Schmerz an dem von ihm hochgeschätzten Martin Heidegger, daß dieser „die christlich gewonnene Unterscheidung von grenzenlosem nichtsubsistierenden und grenzenlosem subsistierenden Sein wieder rückgängig" gemacht habe. Denn Heidegger „denkt den überbegrifflichen actus essendi, der in die Wesen hinein sich zeitigt, indem er ihn mit den Merkmalen des subsistierenden (göttlichen) Aktes ausstattet". (AaO., 784) 7 Vgl. Schau 112. Zum Verständnis der Analogie bei v. Balthasar vgl. J. Schmid, Im Ausstrahl der Schönheit Gottes. Die Bedeutung der Analogie in „Herrlichkeit" bei Hans Urs von Balthasar, MQnsterschwarzach 1982, bes. 189ff; vgl. ferner die historisch-systematische Studie von G. de Schrijver, Le merveilleux accord de l'homme et de dieu. Etude de l'analogie de l'être chez Hans Urs von Balthasar, Leuven 1983.
Hinfiihrung
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einigen Gottes anderes als - nochmals in einer überschwenglichen Analogie - seine Offenbarung in und an Welt und Mensch, nicht nur Tat, die den Täter im Hintergrund unerkannt und unberührt liesse, sondern echte Selbstdarstellung und Selbstauslegung im weltlichen Stoff von Natur, Mensch und Geschichte, und somit, in einem überschwenglichen Sinn, Erscheinung, Epiphanie?" (112) Auf dieser Erkenntnis baut die Theologische Ästhetik v. Balthasars auf. Sein Werk „Herrlichkeit" ist der Versuch einer theologischen Begründung und konsequenten Auslegung dieser (zunächst noch in Form einer Frage vorgetragenen) Behauptung. Das dazu notwendige Verfahren und damit die Anlage seiner Theologischen Ästhetik entwickelt v. Balthasar anhand des klassischen Präfationstextes zur Weihnachtszeit: Quia per incarnati Verbi mysterium nova mentis nostrae oculis lux tuae claritatis infulsit: ut, dum visibiliter Deum cognoscimus, per hunc in invisibilium amorem rapiamur8. Bezeichnenderweise spricht die Präfation nicht ausdrücklich vom Glauben, aber von „zwei Dingen, die ihn einschlussweise enthalten" (112): Zum einen von den mentis nostrae oculi, die mit Hilfe einer göttlichen nova lux etwas visibiliter - „,sichtbar-schauend'" (113) - erkennen können, ein Objekt, nämlich „Gott .vermittelt' (per) durch das .sakramentale Gestaltgeheimnis' (mysterium)" (113) des verbum incarnatum. Zum anderen von einem durch diese Erblickung (per hunc) „ausgelösten ,Hingerissen-' und ,Verzückt'-werden (rapiamur) in eine ,Eros-Liebe' (amor)" (113) zu den unsichtbaren Dingen (invisibilia), die in jener Offenbarung erscheinen. Die Praefatio thematisiert mithin ein Sehen (oder Schauen oder Erblicken), das als nach v. Balthasar auch Hören und Glauben umfassender - Wahrnehmungsakt zu dieser eigentümlichen Wahrnehmung einer nova lux bedarf, die die besondere Gestalt beleuchtet und zugleich aus ihr hervorleuchtet, also zugleich „Ermöglichung" und „Mit-Gegenstand der Schau" ist (113). Es gibt bei allem Geheimnis und aller Verbergung in der Offenbarung „etwas zu sehen und zu erfassen (cognoscimus)", so daß „also nicht nur geheimnisvoll an den Menschen herangeredet wird und der Mensch in einem nackten, nichtschauenden Glauben etwas ihm Verhülltes gehorsam anzunehmen aufgefordert ist, sondern dass ihm von Gott etwas .geboten' wird, und zwar so geboten, dass der Mensch es sehen, verstehen, sich zu eigen machen kann und davon menschlich zu leben vermag" (113). Eine Theologische Ästhetik umfaßt daher zweierlei: 1. Die Erblickungslehre (Fundamentaltheologie). Sie ist Ästhetik im herkömmlichen (Kantischen) Sinne einer Wahrnehmungslehre, als Theologische Ästhetik speziell die „Lehre von der Wahrnehmung der Gestalt des sich offenbarenden Gottes" (118).
* Praefatio I De Nativitate Domini: De Christo luce, Missale Romanum, 2. Aufl. Libreria Editrice Vaticana 1975, 395.
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Die Schau der Gestalt. Ein Überblick
2. Die Entrückungslehre (dogmatische Theologie). Sie ist „Ästhetik als Lehre von der Menschwerdung der Herrlichkeit Gottes und von der Erhebung des Menschen zur Teilnahme daran" (118). Der Begriff „Ästhetik" wird in dieser zweifachen Bedeutung gefaßt, da es nach v. Balthasar keine theologische Wahrnehmung (Erblickung) gibt außerhalb des Lichtes der göttlichen claritas, also des gnädigen göttlichen Sehen-lassens, die „objektive Sache" aber immer objektive (göttliche) und subjektive (menschliche) „Ergriffenheit und Teilnahme" impliziert: „Denn die objektive Sache, um die es geht, ist die Teilnahme des Menschen an Gott, die sich von Gott her als .Offenbarung' (bis zur Gottmenschheit Christi), vom Menschen her als .Glaube' (bis zur Teilnahme an der Gottmenschheit Christi) verwirklicht. Diese doppelte beidseitige Ekstase - Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott - ist schlechterdings der Inhalt der Dogmatik, die deshalb mit Recht als Entrückungslehre darstellbar ist" (118).
Erblickungs- und Entrückungslehre dürfen nur methodisch unterschieden werden, sachlich gehören sie immer zusammen.
1.2 Die subjektive Evidenz Unter dieser Überschrift trägt v. Balthasar die „Erblickungslehre" vor, u.z. als Lehre vom Glaubenslicht (1) und als Lehre von der Glaubenserfahrung (2). 1. Christsein heißt nach dem Neuen Testament Glaubender-sein. Glaube meint (bereits bei Paulus) nicht nur und nicht vor allem den Akt des glaubenden Subjektes (fides qua), sondern zugleich den Glaubensin&z/f (fides quae), auf den der Glaubensakt sich bezieht und von dem her er seine Verständlichkeit und Rechtfertigung gewinnt. Als „Gesamtverhalten" oder „Gesamtbefindlichkeit, worin der Mensch durch die Kraft der Gnade der Offenbarungsanrede Gottes entspricht" (123) impliziert der Glaube (im Alten und Neuen Testament) immer zugleich ein Wissen (Schauen), ein Wissen freilich, das gerade indem es wächst, den Glauben nicht schwächt, sondern stärkt. Die Evidenz dieses Wissens beruht nicht auf der „Evidenz des menschlichen Verstandes", sondern gründet „in der kundgetanen Evidenz der göttlichen Wahrheit...: nicht im Erfasst-haben, sondern im Erfasst-worden-sein" (126). Im Blick auf den christlichen Glauben kann man mithin von einer „Zirkuminzession von Pistis und Gnosis" (127) sprechen, u.z. einer Gnosis, die gerade nicht im Sinne von praeambula fidei dem Glauben vorgelagert ist. Glaube als Pistis und Gnosis zugleich ist daher niemals das Fürwahrhalten von für die menschliche Vernunft unverstehbaren Sätzen, die im Gehorsam gegenüber der sie proponierenden (kirchlichen) Autorität anerkannt zu werden verlangen, sondern der Glaube bringt „bei aller Transzendenz der göttlichen Offenbarung und gerade durch sie, den Menschen zum Verständnis dessen, was Gott in Wahrheit ist und darin (wie neben-
Die subjektive Evidenz
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bei) auch zu seinem Selbstverständnis" (132). So schließt der Glaube als recht verstandene Zirkuminzession von Pistis und Gnosis zwei extreme Bestimmungen aus: Weder ist Glaube der Akt „einer alle menschliche Geistgestalt auflösenden Paradoxie oder Widerspruchsdialektik, in der nur noch das credo quia absurdum als Leitfaden gälte", der „Tod aller menschlichen Logik" (134); noch ist er mit Hilfe des kategorial operierenden Verstandes rationalistisch auflösbar in „eine .wissenschaftlich' überblickbare Struktur" (135)9. In der Beschreibung des Glaubens durch die herkömmliche Theologie lassen sich nach v. Balthasars Auffassung grob zwei Typen unterscheiden. Der eine Typus (die Glaubenstheorie der positiven Theologie, besonders der jesuitischen Barock- und Neuscholastik) differenziert zwischen höchstverständlichen, innerlich evidenten Offenbarungszeichen (Bundesgeschichte Israels, Wunder und Weissagungen, Christus) und von den Zeichen bezeugten verborgenen göttlichen Mysterien; die evidenten Zeichen lassen es vernünftig erscheinen, ihrer Forderung zum Glauben an die durch sie bezeugten unsichtbaren Gottesgeheimnisse nachzukommen. Der andere Typus (der alexandrinische und augustinische Illuminismus; modifiziert Thomas) geht davon aus, daß der Mensch aufgrund eines ihm als geistiges Subjekt eignenden Erkenntnisdynamismus natürlicherweise zur Gottesschau strebt (amor pondus, cor inquietum etc.). Dabei kommt ihm Gott in seiner gnädigen Selbsterschließung (durch Zeichen und Zeugnisse vermittelt) durch die Gabe des Glaubens als „Begabung des Geistes mit einem neuen Licht (lumen fidei)" (141) entgegen, einem Licht, das eine inchoatio visionis beatae ermöglicht und auf diese Weise (gnadenhaft) die geschöpfliche Geiststruktur vollendet. Beide Typen kranken nach Meinung v. Balthasars daran, daß das „Nebeneinander von hinweisendem Zeichen und von bezeichnetem innem Licht" (144) nicht überwunden wird. Überwunden wird dieses Nebeneinander erst, „wenn man die Denkformen und Kategorien des Schönen miteinschliesst" (144), da in der
9 An diesem Punkt stellt sich für v. Balthasar die Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Philosophie. Denn der Glaube ist aufs engste „mit jener menschlichen Letzthaltung" verbunden, „die die philosophische ist" (Schau 135). Außerchristliche Philosophie und Theologie bilden „eine vollkommene, wenn auch bewegte Einheit" (aaO., 136). Wird doch der philosophische Akt in der Theologie innerlich vollendet: „das Formalobjekt der Theologie (und damit auch dasjenige des Glaubensaktes), liegt in der Herzmitte des Formalobjektes der Philosophie (mitsamt der ihr zugehörigen Mythologie); aus dessen Mysterientiefe bricht es als die Selbstoffenbarung des Mysteriums des Seins selber hervor, unableitbar aus dem, was der geschöpfliche Verstand aus dem Seinsgeheimnis von sich aus herauslesen kann, und auch in der Offenbarkeit des Gottgeheimnisses diesem Verstand ohne göttliche Gnadeneinstrahlung nicht erfassbar. Dennoch kann die Selbstoffenbanmg Gottes, der das Sein schlechthin ist, nur die Erfüllung auch der ganzen philosophisch-mythologischen Frage des Menschen sein, eine Auskunft, die im Offenbarungswort Gottes (das Geschichte und Fleisch wird) ergeht und deshalb in Seiendem zu erhorchen ist, aber dennoch nicht minder Wort von Gott, Auskunft über das Sein selbst ist und somit gleichzeitig Philosophie, - und die im Glaubensakt des Menschen, wie die höchste personale Autorität des sich offenbarenden Gottes ... ihn wesenhaft fordert, das philosophische Wissen samt seinem Eros zu seinem innerlichen Ziel bringt." (AaO., 1370
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Die Schau der Gestalt. Ein Überblick
Schönheit Gestalt (Zeichen) und Licht eines sind: „Der Gehalt liegt nicht hinter der Gestalt, sondern in ihr. Wer die Gestalt nicht zu sehen und zu lesen vermag, der verfehlt ebendamit auch den Gehalt. Wem die Gestalt nicht einleuchtet, dem wird auch der Gehalt kein Licht werden." (144) Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist eine solche lesbare Gestalt (und nicht bloßes Zeichen). Diese Gestalt wird richtig gesehen (verstanden), „wenn sie als die Erscheinung einer göttlichen, alle Weltnatur übersteigenden Tiefe aufgefasst und entgegengenommen wird, wozu der erblickende Mensch sachgemäss nur durch die Gnade Gottes, das heisst durch eine Anteilnahme an dieser gleichen Tiefe ermächtigt werden kann, die ihn der völlig neuen Dimension des Gestaltphänomens, das Gott und Welt in sich begreift, proportioniert" (146). Von Balthasars Lehre De lumine fidei hat somit zwei Schwerpunkte: a) Das lumen fidei als das im Menschen aufleuchtende Licht Gottes ist der von Gott geschenkte Ermöglichungsgrund des Glaubens überhaupt. Es verschafft dem glaubenden Menschen eine „.ästhetische' Erfahrung von der hehren Herrlichkeit göttlichen Seins" (156) und ist zugleich in der Bezogenheit auf die geschichtliche Offenbarungsgestalt deren Gegenstand. Diese vom göttlichen Licht ermöglichte und erfüllte „Schau" ist keine bloße visio beata, sondern fordert Unterwerfung unter die göttliche Souveränität, und diese Unterwerfung zeigt dann die „durch Gnade erwirkte Konnaturalität zu Gott" (156) an. Die besondere, mit dem lumen fidei verbundene Gnosis wird dabei zu einer immer größeren Pistis, indem der glaubende Mensch in jenem Unterwerfungsakt aufgrund von Einsicht in das Geheimnis Gottes alle „natürlichen Evidenzen und Glaubensgründe" preisgibt zugunsten einer immer tieferen Evidenz in der Erfahrung des „ewig unbegreiflichen Gottes" (160). b) Entscheidend im Blick auf das lumen fidei ist, daß „das göttliche Glaubenslicht innerlich einer göttlichen Offenbarungsgestalt zugeordnet bleibt, um auf der Ebene der Offenbarung jene Synthese zu bilden, der auf der Ebene der natürlichen Erkenntnis nach der Lehre des Aquinaten die Begegnung von Sinnlichkeit und Verstandeslicht entspricht. Wenn das Seinslicht des tätigen Verstandes nur in der Hinwendung zum Phantasma zur Gegebenheit kommen kann, dann gelangt das höchste Licht Gottes nur dann zur Gegebenheit, wenn es nicht auf eine beliebige weltliche Erscheinung fällt (und wäre es der auffangende Schirm der Seele und ihrer Innenerfahrung selber), sondern auf die Erscheinung, die es sich selber zugestaltet hat, um daran wahrhaft aufzuscheinen." (163) Erkenntnis der geschichtlichen Offenbarung als wirkliche Erkenntnis, Erkenntnis also des Jesus der Geschichte als Epiphanie Gottes, ist nur möglich, indem diese Erkenntnis durch göttliche Einwirkung (lumine fidei) ermöglicht wird, dieses göttliche Licht aber nicht „hinter" der geschichtlichen Offenbarung aufleuchtet und der geschichtliche Jesus sich zum „Christus des Glaubens" verflüchtigt, sondern aus der Offenbarungsgestalt stammend diese verständlich (einleuchtend) macht: als Er-
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scheinung der unergründlichen göttlichen Tiefe. Daß dabei die „Schau des Glaubens" nicht zur Auflösung der Pistis in Gnosis führt, ist also im „Objekt" der Schau selbst begründet, worauf v. Balthasar in der Lehre über die „objektive Evidenz" (Entrückungslehre) näher eingehen wird. Unschwer ist bereits an dieser Stelle zu erkennen, daß das integrierende Strukturmoment der Balthasarschen Theologischen Ästhetik der Wille ist, mit Hilfe der ästhetischen Kategorien von Grund und Erscheinung, Gestalt und Strahlkraft die äußere und als solche zufällige geschichtliche Offenbarung(sgestalt) und den Inhalt der Offenbarung als untrennbar aufeinander bezogen zu denken. 2. Das Problem der Glaubenserfahrung wird von v. Balthasar mit merklicher Scheu angegangen, weil der Erfahrungsbegriff theologiegeschichtlich umstritten ist. Da jedoch der Glaube über den Menschen als totus homo entscheidet, bleibt der Begriff „unentbehrlich" (211). Denn Glaubenserfahrung bedeutet „Einstimmung und Anpassung der gesamten Existenz auf und an Gott" (212). Diese Anpassung kommt so zustande, daß der Glaubende der Gestalt Jesu Christi - dem „Urbild des Menschen" und der Darstellung des „Gesamtkosmos" - zu entsprechen versucht, was nicht anders geschehen kann „als in einer gesamtmenschlichen Füge, die die ganze eigene Existenz zum bildsamen Stoff seines Bildes bereitstellt" (213). Zwei Abwehrbestrebungen prägen die Balthasarschen Ausführungen über die christliche Erfahrung (Glaubenserfahrung): die Problematisierung der Glaubensgewißheit und die Bestreitung der Identifikation der Glaubenserfahrung mit „individueller" Erfahrung. Kann der Glaube eine Erfahrungstatsache sein? Die Frage wird mit der ebenfalls hierher gehörenden Frage nach der Heilsgewißheit zwar nicht direkt verneint, aber so beantwortet, daß eine Kollision mit den entsprechend eindeutigen Bestimmungen des katholischen Dogmas vermieden wird. Erfahrung - „Einsicht durch Fahrt" (220) - ist keine psychologische Konstante, sondern lebenslange Bewegung und Einübung: „Dass nun aber die im Glauben initial .gesehene' Richtigkeit der Offenbarungsgestalt, in die der Glaubende sich hineingibt und der er sich anvertraut, sich in dieser hingegebenen Existenz als richtig bewährt, dies gibt dem Glaubenden eine neue Form christlicher Gewissheit, die man als christliche Erfahrung bezeichnen kann." (217) Was man möglicherweise „Heilsgewißheit" nennen mag, ist eine „Gewissheit im Flug, zugesichert durch den Heiligen Geist, der den Fliegenden trägt, weil dieser sich ihm ... anvertraut und überlassen hat, was aber wiederum niemals eine Tat und Leistung des Menschen ist, sondern das Zulassen des je schon Eingeholtwordenseins durch Christus" (220). Am johanneischen Schrifttum exemplifiziert v. Balthasar, daß das „Kriterium rechter Erfahrung" keineswegs nur das „Begnadungsbewusstsein" ist (230)10. Kriterium rechter Erfahrung ist vielmehr
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So angeblich die Ansicht des Protestantismus seit Luther (vgl. Schau 229f). Das Urteil zeugt von einer merkwürdigen, bei v. Balthasar leider häufiger anzutreffenden Undifferenziertheit und
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„die Bewegung des Selbstverzichts" in der „Liebe und ... Übernahme des Geliebten, seines Seins und seiner Gesinnung, als eigenes Gesetz" (228). Das kann auch so gesagt werden: der heilige Geist schafft im Menschen (indem er ihm die Offenbarungsgestalt sichtbar macht) Sinn und Geschmack flir sie und Freude an ihr, mit einem Wort: er schafft die rechte „Gestimmtheit" (234). Auf diese Weise unterstützt aber muß der Mensch „sich darin einleben, sich gesamtpersönlich darauf einstimmen" (238). Kein Zweifel, daß sich hinter diesen Ausführungen die Lehre von der fides caritate formata verbirgt. Der zweite Schwerpunkt der Balthasarschen Erfahrungslehre liegt in der Feststellung, daß die solchermaßen von ihm beschriebene Glaubenserfahrung „keine herausschälbare individuelle Erfahrung, sondern unbedingt eine Erfahrung im Rahmen der Kirche" (289) ist. Diese Überzeugung zu belegen und zu erläutern dient seine Lehre von der Glaubenserfahrung als Teilnahme an von ihm sog. „archetypischen" (urbildlich-kanonischen) „Gotterfahrungen". Was unter „Gotterfahrung" zu verstehen ist, hat sich zuerst und zuletzt an der urbildlichen Gotterfahrung Jesu Christi zu bemessen. Denn Jesus Christus „ist mit Leib und Seele die Verkörperung" der „Erfahrung dessen, was Gott ist" (292). Von Balthasar nennt diese Erfahrung „,Überglaube'" (294), da sie mit der Schau Gottes (des Vaters) ineins fällt. Weil es sich bei der Gotterfahrung Jesu Christi um eine „Mittlererfahrung" (294) handelt, ist das Urbild zugleich Vorbild, - als Urbild unnachahmlich (maßgebend), als Vorbild zur Nachahmung bestimmt. Diese Nachahmung erfolgt in Stufen. Zuoberst steht die Gotterfahrung der Apostel und Marias: „Die Gotterfahrung der Jünger als Augenzeugen ist eine solche Nachfolge, die unlösbar aus Glaube an Christus (und mit Christus an Gott) und gesamtmenschlicher Schau Christi (und in Christus des Vaters im Heiligen Geist) besteht." (294) Diese archetypische Erfahrung der Apostel wiederum wird auf einer nächsten Stufe nachgeahmt von der Kirche und noch eine Stufe tiefer von den Einzelnen in der Kirche. Die Gotterfahrung der Kirche und ihrer Glieder „ist nachahmende Teilnahme an dieser urbildlichen Glauben-Schau-Einheit der Augenzeugen durch das apostolische und kirchliche Kerygma hindurch" (294). Die Apostel haben demzufolge keinen Vorzug vor den in der Kirche Glaubenden - vor uns - , weil es sich ja nicht so verhält, als ob sie Glauben und Sehen besessen hätten, wir aber nur den nackten Glauben haben: „wir ahmen vielmehr durch die Teilgabe der Augenzeugen an ihrer (relativ und abhängig) urbildlichen Erfahrung die Gesamtstruktur ihrer Christuserfahrung (und darin ihrer Gotterfahrung mit Christus) auf unserer Stufe nach." (294) Weil die Erfahrung der Augenzeugen (analog der urbildlichen Erfahrung Jesu
polemischen Borniertheit in (bestimmten) kontroverstheologischen Fragen. Derart voreingenommen ist der Streit um die sog. Heilsgewißheit heute wohl kaum noch zu führen, selbst wenn das in ähnlicher Form auch protestantischerseits immer noch geschieht; vgl. J. Baur, Einig in Sachen Rechtfertigung? Zur Prüfung des Rechtfertigungskapitels der Studie des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen: „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", Tübingen 1989, bes. 80ff.
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Christi) funktionale Erfahrung ist - „um der Kirche willen sind die Augenzeugen expropriiert" (295) - , ist über ihre archetypischen Erfahrungen in zweierlei Hinsicht zu handeln: zum einen, wie sie in sich selbst sind (und in sich selbst betrachtet stellen sie einen Teil der objektiven geschichtlichen Offenbarungsgestalt dar), und zum anderen unter dem Gesichtspunkt, daß sie „in die Kirche hinein verfügt" (338) sind, so daß jeder christlich Glaubende daran Anteil nehmen kann und muß, damit es auch bei ihm (auf seiner Stufe, also analogisch) zum Glauben (zur Gotterfahrung) als einer „konkreten, totalmenschlichen Begegnung" (296) kommt, die wenn totalmenschlich - auch eine die Sinne des Glaubenden einschließende Begegnung sein muß. Die Frage nach der Sinnlichkeit des Glaubens bei den nicht archetypisch Glaubenden erörtert v. Balthasar in einem eigenen Kapitel über die sog. „geistlichen Sinne", mit denen der Teil über die subjektive Evidenz abschließt. Zunächst aber sind die archetypischen Gotterfahrungen, wie sie in sich selbst sind, zu behandeln, also die Frage, wie in der Bibel Gottesbegegnungen (und damit verbunden der Glaube) beschrieben werden. Von Balthasars Untersuchung gilt der Gotterfahrung Jesu, der Gotterfahrung des Alten Bundes, der marianischen Gotterfahrung und dem Augenzeugnis der Apostel. Das Ergebnis lautet: Es handelt sich bei allen Typen von Gotterfahrung um sinnliche Erfahrungen, die den „Glauben" nicht ausblenden, sondern einschließen, weil der „Glaube" notwendig ist, um im Vollsinne zu verstehen, was jeweils sinnlich erfahren wird. Offenbar aufgrund dieser Strukturgleichheit kann v. Balthasar ungehemmt in einem Atemzug vom (Über-)Glauben Jesu, vom israelitischen Glauben, vom Glauben Marias und vom Glauben der Apostel (vor und nach Ostern) sprechen. Die archetypischen christlichen Gott-Glaubens-Erfahrungen sind allesamt „in die Kirche hinein verfügt, so dass die Glieder, die einer solchen nicht gewürdigt sind, dennoch daran teilnehmen können" (338). Dabei muß differenziert werden, da man „wenigstens vier Verhältnisse zwischen biblisch-archetypischer und gewöhnlicher christlicher Erfahrung in der Kirche aufweisen" kann, die sich nicht isolieren lassen, sondern ineinander übergehen: die Augenzeugenschaft der Zwölf, deren Repräsentant Petrus ist, die Augenzeugenschaft des Paulus, die „Augen-Ohren-und Berührungszeugenschaft des Liebesjüngers (sie)" Johannes und die „auf einer tieferen, der Mitte näheren Ebene" liegende Erfahrung Marias (338). Diese archetypischen Erfahrungen „münden alle in die Kirche hinein. Sie schweben nicht als unerreichbare Ideen über der Kirche, sondern begründen, jede in ihrer Weise, durch eine reale Kontinuität und Weitergabe des Eigenen die Lebensform des glaubenden Menschen." (351) Der petrinische Archetypos stiftet der Kirche durch Kerygma und Sakrament „mit konsequenter Ausschliesslichkeit die Perspektive der hierarchischen Tradition" ein und verlegt „die Aktualität des Urbildes Christus im übrigen in den sittlichen Vollzug des verkündeten Credo" (341). Die Augenzeugenschaft des Paulus geht in die Kirche ein als Tradition der großen, unerwartet auftretenden Charismen (bzw. Charismatiker), die geistliche Aufbrüche in der Kirche
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zur Folge und „naturgemäss ... die Unterwerfung unter Petrus zum Echtheitszeichen haben" (342). Die johanneische Tradition kennt nicht wie die petrinische die „Gegenüberstellung" von verkündigenden Augenzeugen und „Hörern, die nicht geschaut haben" und nicht die „paulinische Gegenüberstellung von dem erwählten Ich, das Christus nachahmt und den übrigen, die Paulus nachahmen" (344). Denn die zu tradierende Augenzeugenschaft des Johannes ist nicht (wie die des Petrus) „rein historisch, sondern selbst kontemplativ, und auf Grund dessen lässt er seine Schau ohne Distanz und Veränderung in die Glaubenskontemplation der Nachrükkenden überfliessen" (345). Dazu tritt als zweite (johanneische) Tradition die prophetisch-apokalyptische. Alle drei archetypischen Erfahrungen werden „getragen und untergriffen von der marianischen, die in ihrer Tiefe und Schlichtheit nicht auswortbar ist" (349). Maria ist als Mutter des Herrn zugleich Mutter der Kirche und also diejenige, die „die Christen mitsamt ihrem Glauben und ihrer Glaubenserfahrung in einem irgendwie physischen Verhältnis in sich birgt und aus sich entlässt" (328). Als leibliche Mutter des Sohnes besitzt sie eine „leiblich-geistliche" archetypische Erfahrung, die sie der Kirche einstiftet. Deshalb kann sich der einzelne Glaubende in der sichtbaren Kirche mütterlich geborgen fühlen, und es „müssen" ihm die (leiblich-sichtbaren) Sakramente und kirchlichen Institutionen (bis hin zu Gewändern etc.) „Anlass sein zu geistlicher Erfahrung Christi und Gottes" (351). Wie kann der „normale" Glaube, der immer schon an den besagten archetypischen Gotterfahrungen partizipiert, als ein den totus homo und also auch seine Sinnlichkeit einschließender Akt verstanden werden? Anders gefragt: Was stellt die Synthese her „zwischen geistlicher .Erfahrung' und archetypischer Sinnenhaftigkeit" (352)? Auf diese Fragen antwortet v. Balthasar mit einer Lehre von den „geistlichen Sinnen". Was sind „geistliche Sinne"? Antwort: Es sind die „menschlichen profanen Sinne" (353), sofern sie „geistlich" geworden sind. Wie kann das geschehen? Nur so, daß der Glaubende, der mit Christus stirbt, auch mit ihm aufersteht und dadurch „mit Leib und Geist ein .geistlicher Mensch' geworden ... nicht nur einen geistlichen Verstand und Willen, sondern ein geistliches Herz, eine geistliche Einbildungskraft und geistliche Sinne" (353) besitzt. Woran betätigen sich die „geistlichen Sinne"? Zunächst einmal an der ganz gewöhnlichen Umwelt des Glaubenden. Denn aufgrund der sich wirklich in der Welt ereignenden Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist die „sinnenhafte Umwelt" des Glaubenden (wie des Nichtglaubenden), „in der er lebt und sich anscheinend auskennt, ... durch und durch bestimmt von jenem zentralen Bild und Ereignis [der Offenbarung], so, dass auf tausend offenen und verborgenen Wegen seine ganz realen körperlichen Sinneserfahrungen ihn mit jenem Mittelpunkt in Berührung bringen...: er steht in der durch Gottes Erscheinung bestimmten ... und zu ihr hin ausgerichteten Welt. Die Schöpfungswirklichkeit
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als ganze ist Monstranz der realen Gegenwart Gottes geworden." (405) Doch nicht nur so werden die „geistlichen Sinne" angesprochen, sondern auch und vor allem durch die „geistlich-sinnenhafte Wirklichkeit" der Kirche, die „real zwischen den geistigen (sie) Sinnen des Glaubenden und der Gestalt Christi vermittelt" (406). Die Kirche leistet diese Vermittlung zunächst als menschliche Gemeinschaft, die den Einzelnen trägt, sodann als apostolische Gemeinschaft, in der ein „realer Lebenszusammenhang" (406) zwischen den archetypischen Glaubenserfahrungen von Propheten und Aposteln und der Glaubenserfahrung der jeweiligen Gegenwart besteht. Zuerst und zuletzt aber kann die Kirche ihren (katholisch) glaubenden Kindern „aus der Erfahrung der leiblichen Mutter des Herrn, die die Glaubende schlechthin war, ... das Wort Gottes beibringen, ihnen seinen Sinn nicht nur, sondern den Geschmack und Geruch, die inkarnatorische Konkretheit aus ihrem eigenen mütterlich-bräutlichen Erfahren vermitteln" (406), was nicht zuletzt durch die Sakramente geschieht. Die Lehre von den „geistlichen Sinnen" wird beschlossen mit dem Hinweis auf die Vollendung der „geistlichen Sinne" in der Liebe zum Nächsten: „Im Nächsten begegnet der Mensch mit allen leiblichen Sinnen seinem Erlöser, so konkret, so erstmalig und archetypisch wie die Apostel ,den Messias gefunden haben' (Joh 1,41). ... Am Nächsten wird der Glaube jeden Augenblick sinnlich erprobt und erhält, wenn er sich als Glaube bewährt, auch sogleich seine sinnliche Bestätigung." (409)
1.3 Die objektive Evidenz Unter diesem Titel behandelt v. Balthasar die „Entrückungslehre". Was bisher in der „Erblickungslehre" über das subjektive Erfahrungsvermögen des Glaubenden gesagt wurde, geschah im Vorgriff auf das erfahrbare Objekt (die objektive Offenbarungsgestalt), von dem her sich das über die subjektive Evidenz Gesagte begründen lassen muß. a) Von Balthasar nennt einführend drei Gründe, warum Gottes Offenbarung eine (objektive) Gestalt besitzen muß: 1. Der unendlich freie dreieinige göttliche Schöpfer, der in Jesus Christus Mensch wird, kann nicht identisch sein oder werden mit dem religiösen Subjekt, auch wenn seine Offenbarung dem glaubenden Menschen unüberbietbar nahe kommt: es besteht keine „Kommunion in Natur und Personalität ... zwischen Gott und Geschöpf", weswegen „auch die innerlichste Selbsterschliessung Gottes in der Seele eine wenn auch geistige .Gestalt'" hat, sofern die inneren Erfahrungen des gläubigen Subjektes „als solche nicht der sich erschliessende Gott selber sind" (414).
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2. Der freie Gott hat sich zuerst als Schöpfer offenbart Darum hat diese mit der Schöpfung gegebene Offenbarung Gottes „an der Weltgestalt selber ihre Gestalt" (414); an der Welt(gestalt) läßt sich das von den Geschöpfen unterschiedene Gottsein Gottes ablesen. Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus reiht sich weder nahtlos in die Schöpfungsoffenbarung ein, noch ist sie einfach deren Intensivierung; vielmehr ist die Schöpfungsoffenbarung „Vorbereitung und Ermöglichung" der Christusoffenbarung, während die Christusoffenbarung die „Vollendung der Weltgestalt" darstellt (415). 3. Die Gestalthaftigkeit der Christusoffenbarung ist erst da vollständig erfaßt, wo sie „im Glauben als Erscheinung des dreieinigen Gottes gesehen wird" (415f). Denn als Erscheinung des dreieinigen Gottes ist die Christusoffenbarung die Erscheinung einer „unendlich bestimmten Über-Gestalt" und dies als die „einmalige, hypostatische Verbindung zwischen Urbild und Abbild selbst", so daß das Abbildliche (der Mensch Jesus) nicht an sich interessiert, „sondern nur insofern sich an ihm ... Gott selber darstellt, ja sofern dieser Mensch selber Gott ist" (416). b) Das bisher über die Einheit von Glaube und Schau im gläubigen Subjekt Gesagte, muß sich „von einer sie fordernden und bedingenden Einheit in der objektiven Offenbarung her" (418) erhellen lassen. Schon im Bereich innerweltlicher Erkenntnis gibt es nach v. Balthasar eine Spannung, die man mit den Worten „Glauben und Wissen" bezeichnen kann. In jeder weltlichen Enthüllung ist immer zugleich Verhüllung, da ja „das in seiner Erscheinung Erscheinende zugleich das Nichterscheinende" (425) ist; um „auch nur eine innerweltliche Gestalt zu lesen, müssen wir Unsichtbares mitsehen, und sehen es tatsächlich auch"; dies aber nur dann, wenn wir, um die Gestalten des geheimnisvollen Seins (oder der Weltseele oder natura naturans) zu verstehen uns des „eigenen Lichtes begeben und ... den liebenden Ahndungen anvertrauen, die nur dann wieder sicher führen, wenn der Verstand auf seine Rechthabereien eine Zeit lang verzichtet" (427). Wie viele Kirchenväter ist v. Balthasar der Meinung, daß alles Wissen mit einer fides naturalis (an die Natur, ihre Gesetzmäßigkeit etc.) beginnen müsse: „Es ist eine Gewaltlösung, die zudem die Augen vor der tieferen Wirklichkeit verschliesst, wenn man durch Ausklammern des Unwissbaren einen (nunmehr notwendig endlichen und notwendig rationalistischen) Wissens- und Wissenschaftsbegriff wie Kant und seine Anhänger aufbaut, weil mit der Grundvorstellung des durch das erkennende Subjekt Konstruierbaren das Phänomen objektiven Sich-Zeigens, das sich aus der eigenen Tiefe Offenbaren des Objekts verlorengeht und alles in einem flachen Funktionalismus strandet" (430) Auch für die Schöpfimgsojfenbarung gilt die Spannung von Offenbarung und Verhüllung. Denn einerseits verweist die Mannigfaltigkeit der raum-zeitlichen Wesen auf eine in und über den Wesen in ihrer Vielheit vorauszusetzende Einheit (da jedes Wesen eines ist, aber die Einzelwesen in Wesensgruppen zusammengeschlossen zunehmend allgemeinere Wesenseinheiten bilden, so daß über diese
Die objektive Evidenz
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Nichtidentität von individueller und generischer Einheit hinaus zuoberst „das Nichteinssein" von „Wesen und (Da-) Sein ... im Sein selbst über sich auf die Identität verweist" (431). Und doch läßt sich trotz des Verweises alles Seienden auf die Einheit (und damit auf den göttlichen Schöpfer) keine Notwendigkeit für den Hervorgang der Vielfalt aus der Einheit begreiflich machen: „die Schöpfung zeigt durch sich selber an, dass sie nicht notwendig ist. Die geschöpflichen Wesen, ins Dasein geworfen, offenbaren sich selbst naturhaft notwendig; Gott aber schafft frei. Alle Kontingenz offenbart ihn somit zwar unmissverstehbar als den freien Schöpfer, verhüllt ihn aber gerade deshalb umso tiefer, da nirgends eine Deduktion möglich ist." (431) Die Weise, in der Gott in der Schöpfung offenbar ist, läßt sich daher so fassen: „Enthüllt in je grösserer Verhülltheit." (433) Wenn also das intelligible Geschöpf den propositionalen Gehalt des Begriffes „Gott" erfaßt - und das geschieht, wenn es sich durch das offenbare Seinsgeheimnis auf dessen geheimnisvollen Grund hingewiesen diesem Seinsgrund „Gott" anvertraut, so wird ihm dieser Gott in seiner freien Ursächlichkeit als der Nicht-Evidente evident. Der geschöpfliche Geist erfährt „seine .schlechthinige Abhängigkeit', ohne das fassen zu können, wovon er abhängt" (433). Die Gnadenoffenbarung (in Jesus Christus) knüpft an diesen, in der geschöpflichen Struktur des Menschen angelegten „natürlichen Glauben" an, und das bedeutet: es „trifft Gottes Wort die Kreatur wirklich am innersten Punkt ihres sich übersteigenden Seins" (434). Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus bildet die Vollendung der göttlichen Offenbarung in der Verhüllung. Nicht erst im Blick auf die Passion, sondern schon im Blick auf das Geschehen der Inkarnation ist das zu behaupten. Zwar erfüllt sich in der Menschwerdung Gottes die Schöpfungsoffenbarung und die Offenbarung Gottes an Israel. Nichtsdestoweniger haben wir es bei der Menschwerdung des Sohnes mit „höchstefr] Offenbarkeit in tiefster Verhüllung" (439) zu tun. Offenbar ist Gott dem Menschen in der Menschwerdung des Sohnes, „weil Gott hier dem Menschen durch nichts anderes als durch ihn selber ausgelegt wird, ... durch sein eigenes Sein und Leben; das ihm Vertrauteste wird ihm zu Wort und Lehre von Gott gemacht: wie sollte er da nicht verstehen!" (439f) Verhüllung andererseits ist die Menschwerdung, „weil die Übersetzung des absolut einmaligen, absoluten und unendlichen Seins Gottes in das je-unähnlichere Allmalige und damit fast Beliebige, hoffnungslos Relativierte eines einzelnen Menschen unter der Masse von vornherein ein scheiterndes Unternehmen zu sein scheint"; denn wenn wirklich Gott als Mensch redet, so darf dieser Mensch nicht durch Übermenschlichkeit hervortreten wollen, sondern wird „sich gerade in seiner Unauffälligkeit als der Einzige auszeichnen" müssen (440). Darum hat Gott die äußerste Verhüllung als diejenige Sprache gewählt, „sich unmissverständlich, unverwechselbar mit irgendeinem anderen menschlichen Wort, endgültig und unüberholbar selbst" (440) darzustellen. Zugleich aber wird „in Christus mit Gott zusammen der Mensch enthüllt" (441). Denn Gott bedient sich der menschlichen Natur nicht wie eines instrumentum externum, um sich dadurch als der Ganz-Andere auszudrücken. Als der Schöpfer
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mißbraucht er sein Werk nicht als Mittel zum Zweck, sondern durch die Menschwerdung kann er es „nur ehren und krönen und zu seiner innersten Vollendung führen" (441). Philosophisch betrachtet verschafft sich das (subsistierende) Sein selbst „in diesem Seienden, das der Mensch ist, endgültigen Ausdruck" (441). Diese Dialektik von Enthüllung und Verhüllung wird noch einmal vertieft durch den spezifischen Modus der geschichtlichen Offenbarung, der „durch die Wirklichkeit von Sünde, Gotteszorn, Versöhnung und Erlösung gegeben ist" (442). Die durch die menschliche Sünde bedingte Modalität der geschichtlichen Offenbarung Gottes darf aber nicht für ihre Substanz gehalten werden, sonst hätten wir es beim Glauben mit einem reinen credo quia absurdum zu tun. Deshalb muß die mit Jes 53 „Ungestalt" zu nennende Offenbarungsgestalt Gottes in der Person Jesu Christi „mit Johannes als ... Modus seiner Herrlichkeit, weil seiner ,Liebe bis zuletzt'" angesehen, „in der Ungestalt das Geheimnis der Übergestalt" entdeckt werden (442). Dies tut der Glaube, weil er durchschaut, daß die schändliche Gestalt Jesu Christi „in all ihrem Realismus (bis zum Abstieg in den Hades) immer nur Funktion des Gegenteils", nämlich „Funktion der Herrlichkeit der Liebe" ist (442). Wenn im Blick auf den Gekreuzigten jede weltliche Ästhetik am Ende ist, „so ist gerade dieses Ende der entscheidende Aufgang der göttlichen Ästhetik" (442). Die ausführliche Erörterung des Problems von Verhüllung und Enthüllung zielt bei v. Balthasar darauf hin, die Offenbarung Gottes zu erfassen als die unüberbietbare Erscheinung des gerade „in seiner je grösseren Unbegreiflichkeit wirklich in den Vordergrund und in die Erscheinungsgestalt" (443) tretenden Gottes. Denn darin weiß sich die Balthasarsche Theologische Ästhetik von jeder Negativen Theologie unterschieden: „Das Unbegreifliche Gottes ist nun nicht länger ein blosser Ausfall an Wissen, sondern eine positive Gottbestimmtheit des Glaubenswissens" (443). Daß Gott sich in seiner Offenbarung als der (in seiner Liebe) Unbegreifliche erweist, gehört zur „objektiven Evidenz der Offenbarungsgestalt" und ist „nicht vor allem durch die Dunkelheit des irdischen Glaubens bedingt" (444). Auch in der visio facialis gilt demnach axiomatisch: si comprehendis non est Deus. Aber in der Schau von Angesicht zu Angesicht wird uns die Kenosis Gottes „als das erscheinen, was sie in Wirklichkeit ist: nicht als die .Selbstentfremdung' Gottes, in dem Sinn, als ob der an sich begreifliche Gott hier etwas Unbegreifliches täte, und dadurch unbegreiflich würde (oder auch umgekehrt), sondern als die durch die Weltschuld bedingte Erscheinung des (in seiner Liebe für die Welt) in sich selber unbegreiflichen Gottes." (444) c) Jesus Christus ist die „Mitte der Offenbarungsgestalt" (445ff). Die Bezeichnung „Mitte" läßt erkennen, daß die geschichtliche Offenbarung Gottes in Jesus Christus „Umkreise" (445) hat, die zum Ganzen dessen gehören, was v. Balthasar die „Offenbarungsgestalt" nennt. Die Bezeichnung „Mitte" läßt ferner erkennen, daß alles, was zur Offenbarungsgestalt als ganzer dazugehört (der Alte Bund, die Kirche) auf diese Mitte hin zu beziehen und von daher zu erklären ist. Damit Jesus
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Christus als Mitte fungieren kann, muß er objektive Evidenz besitzen. Darunter versteht v. Balthasar eine Evidenz, „die vom Phänomen selbst her auf- und einleuchtet, und nicht solche, die auf Grund von Bedürfnisbefriedigung des Subjekts festgestellt wird. Die geschichtlich begegnende [Offenbarungs-]Gestalt ist an sich selbst überzeugend, weil das Licht, wodurch sie einleuchtet, von ihr selbst ausstrahlt und sich evidentermassen als ein solches, von der Sache her leuchtendes erweist." (446) Zwar muß auch das Subjekt, das die Gestalt sehen will, bestimmte Voraussetzungen - „existenzhafte Vorbedingungen" (446) - erfüllen. Aber diese konstituieren die objektive Evidenz des Gegenstandes nicht. „Denn Christus, wenn er das ist, als was er sich ausgibt, ist von keinen subjektiven Bedingungen so abhängig, dass sie ihn hindern könnten, sich den Menschen restlos verständlich zu machen, oder dass sie umgekehrt ohne seine Gnade die hinreichende Vorbedingung böten, ihn verstehend zu empfangen." (447) Die Evidenz, die Christus für jeden Menschen haben kann, beruht einerseits darauf, „dass die Figur, die Christus bildet, an sich eine innere Richtigkeit und Evidenz hat" (447) - analog der Evidenz eines Kunstwerkes oder mathematischen Satzes - und andererseits darauf, daß diese „Richtigkeit zudem die Macht hat, von sich ausstrahlend in den auffassenden Menschen einzustrahlen, was keineswegs nur intellektuell, sondern existenzverwandelnd gemeint ist" (447f). Wie ist die Gestalt Jesu Christi beschaffen, daß sie die objektive Evidenz im beschriebenen Sinne besitzt? Der geschichtliche Jesus, wie ihn die Evangelien schildern (und sie schildern nach v. Balthasar, was der Fall war, denn eine derart in sich stimmige Gestalt ist selbst religiöser Genialität unerfindbar), erweist sich gläubiger Kontemplation (nicht aber der das Ganze aus Teilen durch Unterscheiden von Schichten und Quellen etc. zu synthetisieren versuchenden historisch-kritischen Methode) als die vollkommene „innere Stimmigkeit, Proportion und Harmonie zwischen Gott und dem Menschen" (459). Diese Proportion zwischen der gehorsamen Inkarnation des Gottessohnes und der gehorsamen Entsprechung des Menschen Jesus Gott gegenüber hat Geschehensstruktur: „Er [der Mensch Jesus] wird von Gott in seiner dynamischen Durchwohnung zum .Stimmen' gebracht ... Dies Anmessen des Menschen an Gott ist die in Gottes Bewegung schon enthaltene Bewegung" (457f). Doch das stimmige Bild der Gestalt des historischen Jesus ist nur die eine Seite der objektiven Evidenz; die andere (untrennbar damit verbundene) ist „seine Kraft, sich in der Gestalt des .Christus des Glaubens' auszuprägen", kraft des heiligen Geistes also beides zu sein: der „Jesus der Geschichte" und der „Christus des Glaubenskerygmas" (472). d) Die Gestalt Jesu Christi ist nicht dazu da, damit sie „aus einer herrlichen Isolation die Welt in Erstaunen" (506) versetzt, sondern um sich anderen Menschen einzuprägen. Diese Einprägung geschieht durch vermittelnde (wiederum) gestalthafte Größen, die sich einerseits, da zur Offenbarungsgestalt gehörig, nicht von der Christusgestalt trennen lassen - sie sind ja „die Christusgestalt selbst ... in ihrer
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Mitteilung an die Welt" - , die andererseits jedoch zugleich (weil Mitteilung an die Welt) „durch die sie aufnehmende Welt mitgeprägt werden" (507). Derart vermittelnde gestalthafte Größen gibt es zwei: die Schrift und die Kirche. Von den noch zu erörternden „Zeugen" der Gestalt (Vater, Geist, Geschichte und Kosmos) werden Schrift und Kirche als (selbstverständlich ebenfalls bezeugende) „Vermittler" unterschieden, weil ihr Zeugnis „durch ein menschliches Medium vermittelt wird und insofern als modifiziert und vielleicht getrübt angesehen werden kann" (510). Dies ist von dem Zeugnis des Vaters und des heiligen Geistes für den Sohn eo ipso nicht zu sagen und für das Zeugnis von Geschichte und Kosmos deshalb nicht, weil „Christus durch sein all-erfüllendes Dasein Geschichte und Kosmos über ihren Ausdruckswillen hinweg zum Zeugnis zwingt" (510). Die Schwierigkeit einer Lehre von der heiligen Schrift liegt nach v. Balthasar darin, den für die alte Theologie selbstverständlichen Gesichtspunkt, daß die Schrift das an die Kirche gerichtete Wort Gottes ist, mit dem die neuere Theologie bewegenden Gesichtspunkt, daß die Schrift „Ausdruck der Reflexion des Glaubens über die geschichtliche Offenbarung" ist, in Einklang zu bringen, so daß sich beide Gesichtspunkte einleuchtend „zu einer .notwendigen' Gestalteinheit zusammenschliessen" (515). Dies kann nach v. Balthasar nur dann geschehen, wenn man zu sehen bereit ist, daß die Kirche mit (göttlicher) Notwendigkeit an der Hervorbringung der Schrift beteiligt war. Denn der historische Jesus (mitsamt seiner Predigt) ist eine unvollständige Gestalt; zu seiner „vollen Selbstentfaltung" braucht er den „Raum des Kirchenglaubens, wie er sich erst wirklich durch Tod und Auferstehung Jesu öffnet" (517). Und erst der Auferstehungsglaube der Kirche vermag (mit Hilfe des göttlichen Lichtes) vollständig zu erkennen, was sich als Gestalt im Erdenleben Jesu abzuzeichnen begann: „nämlich im Licht jener Gesamtgestalt, die schon damals gemeint war und die sich erst im Medium des Kirchenglaubens voll entfalten sollte. Es ist aber darum nicht wahr, dass es sich hier um subjektive Projektionen des späteren Stadiums in das frühere zurück handelt, weil die Umrisse der irdischen Gestalt Jesu sich anders gar nicht vollenden können als in der Vollgestalt des Christus des Glaubens." (517) So entläßt die Kirche zwar nicht die Offenbarung aus sich, sondern deren authentisches Zeugnis. Aber v. Balthasar fragt: „ist nicht auch dieses Zeugnis Christus selbst in der Kirche?", um sogleich zu antworten: „Als dieses auf Christus vom Geist Christi in der Kirche fallende Licht der gestaltenden Deutung gehört die Schrift zur Christusgestalt selbst" (519). Kanonizität kommt ihr also nur insofern zu, als der heilige Geist sie zur wirksamen Bezeugung der Mitte der Offenbarungsgestalt Jesus Christus selbst gebraucht; insofern dies jedoch geschieht, ist die Schrift selber „Gestalt" und nicht ein Sammelsurium von Zufälligkeiten. Die Kirche hat sich keine „Eigengestalt" (536) zuzuschreiben. Als Leib Christi wird sie in einem dynamischen Fortschritt von der Christusgestalt mehr und mehr durchformt, ohne deshalb Christus selbst zu sein oder zu werden. Die einzig legitime Gestalt der Kirche für sich selbst und für andere ist die einer Monstranz
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der Christusgestalt, „wobei das Strukturmoment, das sich als das Institutionelle an ihr zeigt, im Dienst der höchstmöglichen Ähnlichkeit mit dem Urbild steht" (538). Die institutionelle Struktur der Kirche ist mithin nicht zeitlos absolut. Ihre Mittlerfunktion zwischen Gott und Welt übend steigt die Glaubwürdigkeit der Kirche je mehr sie zugleich ein „Transparent Gottes" ist, wie auch ein „Transparent der Welt für Gott" (538). Je besser dies gelingt, desto mehr verliert sie für die jeweils mit ihr konfrontierte Welt den historisch bedingten „Zufalligkeitscharakter", darin dem Kunstwerk ähnlich, das „sich in seiner zufalligen Einmaligkeit durch seine ästhetische Notwendigkeit rechtfertigt" (538). Den Bestfell, das Urbild von durch die Christusgestalt geformter Kirche stellt Maria dar; sie gilt v. Balthasar „als Prototyp dessen..., was die Ars Dei aus einem menschlichen Stoff zu gestalten vermag, der sich ihm nicht widersetzt" (542). Von der Kirche kann nicht geredet werden unter Absehung der Sakramente. Unter diesen hat die Eucharistiefeier zentrale Bedeutung; sie ist die Mitte allen kirchlichen Kultus, indem die Kirche sich in der Feier des Abendmahls auf das Ereignis zurückbesinnt, das Kirche allererst konstituiert. Das ein für alle mal Geschehene wird in der Eucharistiefeier Gegenwart, weil „der lebendige Christus durch seine eigene Machttat sich für die Kirche vergegenwärtigt, aber nicht ohne in dieser Machttat das Realisieren der Gemeinde mitzuberücksichtigen, die, indem sie erinnernd ihn realisiert, sich selber realisiert" (551). Da als „Ursakrament" allein Christus als die „Urgestalt aller Offenbarung" in Betracht kommt (554), ist er ebenso die Form der Kirchengestalt, wie auch aller (anderen) sakramentalen Gestalten. Die Sakramente sind daher allein so zu verstehen, daß sie zusammen mit dem sie empfangenden Menschen wiederum eine Figur bilden, wobei der Mensch (in seiner jeweiligen Situation - je nach Sakrament) die Materie darstellt, die durch die „forma" Christus gestaltet wird und der ganze „Vorgang ... seine äusserliche und darin sinnlich-symbolische Seite" (561) hat, die als solche jedoch nicht überfrachtet werden darf. e) Neben Schrift und Kirche, die aufgrund ihres eigentümlichen Zeugnisses gesondert behandelt wurden, sind nach v. Balthasars Auffassung drei weitere Zeugen mit der Christusgestalt verbunden: der Vater (in der Gemeinschaft mit dem Geist), die Geschichte des Alten Bundes und der Kosmos. Das Zeugnis des Vaters ist gewissermaßen die Bezeugung der Gestalt des Sohnes „von innen" (582). Es „konstituiert die Gestalt (elSog) des Sohnes als solche", während „das Zeugnis des Geistes seine Herrlichkeit (Sofa)" konstituiert (582). Die Gestalt Jesu Christi ist demnach trinitarisch zu verstehen (zu „lesen") oder überhaupt nicht. Daß Jesus Christus das „Eidos des Vaters" (583) ist, besagt wiederum nichts anderes, als daß sich der Vater als Grund in ihm als Erscheinung ausdrückt, aber nicht so, „dass der Sohn zuerst zum Knecht wird, um an seinem Gehorsam die Herrschaftlichkeit des Vaters über sich zu zeigen, dann zum Herrn wird, um gleichsam von der andern Seite ergänzend die gleiche Göttlichkeit Gottes
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in sich zu zeigen" (590). Sondern (und das ist der Dreh- und Angelpunkt der Theologischen Ästhetik) so, „dass die Erniedrigung selber schon wesentlich Verherrlichung des Vaters und infolgedessen auch des Sohnes selbst ist" (590), die Einheit von Niedrigkeits-Gestalt und Herrlichkeits-Glanz und somit das Urbild dafür, was überhaupt Schönheit ist: „die äussere Verherrlichung des Sohnes durch seine Auferstehung kann nur bekräftigen, wie sehr die Liebe, die bis zum Tode geht, sich bereits innerlich selber verherrlicht hat" (590). Das Zeugnis des Vaters ist darum die letztgültige Beglaubigung der Gestalt Jesu Christi, weil es den „einzigartigen Fall" darstellt, „wo die Beziehung von Grund zu Form eine zugleich personale ist, ein Zeugnis, das der Vater sowohl in der Gestalt des Sohnes ausdrückt, wie dem Sohn (als Person) zuspricht. Beides ist eins. Wer die Gestalt zu erblicken vermag, versteht zugleich das Zeugnis, das der Vater dem Sohn innerlich gibt. Wer den Sohn als Logos des Vaters zu hören vermag, als das Zeugnis, das der Vater der Welt von sich ausstellt, der erhorcht auch den inneren Dialog zwischen Vater und Sohn, worin der Vater ihm sein ganzes Gottsein, seine Macht und seine Liebe zuspricht. Der Vater beglaubigt Wort und Werke des Sohnes als von ihm, dem Vater stammend, er beglaubigt ebendamit die Demuts- und Gehorsamsgestalt des Sohnes als echten Ausdruck des göttlichen Wesens; Gott authentisch ausdrücken aber kann nur Gott." (591) Das Zeugnis der Geschichte - gemeint ist damit die Geschichte des Alten Bundes - ist dem Zeugnis des Vaters darin unvergleichbar, daß Jesus nicht darauf angewiesen ist. Da die Geschichte Israels aber auf Jesus Christus zielt und nur von ihm her Plausibilität gewinnt, „gehört sie ihm innerlich zu" (595), und Jesus Christus bildet - was er nicht brauchte - die alttestamentliche Geschichte verständlich machend mit ihr eine gemeinsame Gestalt: er „nimmt das Zeugnis der Geschichte an, auf das er nicht angewiesen wäre" (596). Wie die „ganze klassische Bibelexegese des Christentums" (598) versteht v. Balthasar den Alten Bund als figura (typos), als Vorbild des Neuen Bundes. Vorbild ist hier nicht im Sinne von Urbild zu verstehen, denn der Neue Bund ist nicht das spätere Abbild des Alten. Das Bildhafte des Alten Bundes ist vielmehr nur eine „Vorahnung" (600) der Wirklichkeit des Neuen, bildet also nicht, wie Bilder das sonst zu tun pflegen, Wirklichkeit ab, sondern umrißhaft vor. Diese figurale Funktion erfüllt die Geschichte Israels vom Mythos herkommend deshalb, weil sie einen „Fluchtpunkt in der Zukunft" (610) hat (den Antitypos Christus), dem sie zwar zustrebt, den sie aber von sich aus nicht konstruieren oder antizipierend abbilden kann. Israel bringt eine Kette höchst eindrücklicher Gestalten aus sich hervor, die sich aber nicht zu einer Gesamtgestalt zusammenschließen, sondern disparat bleiben müssen. Israel hat kein eigenes Eidos, es wird nur von der Wirklichkeit des Neuen Bundes her (dem Glauben) verständlich; dem Unglauben und auch sich selbst bleibt Israel ein Rätsel. „Dass es in sich selber kein abgeschlossenes Eidos besitzt, macht dieses Volk zum Geschichtszeugnis für etwas Höheres, und gerade damit zu einem Anschauungsunterricht auf dieses Höhere hin" (619).
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Ist Jesus Christus die Offenbarungsgestalt, in der Himmel und Erde zusammengefaßt sind, so muß auch der Kosmos, ob er will oder nicht, zum Zeugen der Herrlichkeit Jesu Christi werden. Das gilt für die „untermenschliche Welt" wie für die „den Kosmos als Intelligenzen durchherrschenden .Kräfte und Mächte', und für die Engel" (635). Das Zeugnis des Kosmos zentriert sich im Wunder, das die Zeugnisse von untermenschlicher Welt, „Kräften und Mächten" und Engeln integriert: in der „Willigkeit der Materie, die Heilszeichen der Gnade (arineia) aufzunehmen und auszudrücken und sich zuerst in der Vorspende der Auferstehung Christi und dann in der Vollspende der Gesamtauferstehung von Gott leibhaft durchwalten zu lassen, des Unterworfenseins der .Kräfte und Mächte', die vom ersten Auftreten des Herrn an seine Herrschaftlichkeit spüren und widerwillig anerkennen, des Überwältigtseins auch der himmlischen Intelligenzen, die sich, gleichfalls ,die Kniee beugend', zur Doxa des Menschgewordenen und Auferstehenden hergeben" (636). f) Die Gestalt der Welt steht „in einem Übergang" (654) zwischen dem, was bloß zeitlich ist und am Ende der Zeiten vergeht (vgl. IKor 7,31) und dem, was von der Gestaltungskraft Jesu Christi geprägt der Ewigkeit entgegenlebt und im Endgericht „wie durchs Feuer hindurch" (IKor 3,15) gerettet werden wird. Das Feuer dieses Gerichtes besteht aus der Konfrontation des Individuums mit dem Gekreuzigten: „es ist jene Dimension des Gerichts, die das ,Reinigungsfeuer' genannt wird: das existentielle Ereignis der endgültigen Formgebung" (655). Im Feuer des Jüngsten Gerichtes findet die „Schau der Gestalt" ihren subjektiven wie objektiven Abschluß, der als solcher jedoch der Beginn eines unabschließbaren Neuen ist.
2. Voraussetzungen 2.1 Das Verhältnis von Altem und Neuem Testament als methodische Anweisung zur Bestimmung des neutestamentlichen Herrlichkeitsbegriffs Der Abriß des einleitenden Bandes „Schau der Gestalt" hat bereits deutlich gemacht, worum es v. Balthasar mit seiner Theologischen Ästhetik zu tun ist: zu zeigen, daß die christliche Offenbarung eine verbindliche Gestalt hat, an deren Endgültigkeit alle Welt-Gestalten zu messen sind - und zu zeigen, wie es (allein) gelingen kann, dieser Gestalt ansichtig zu werden. Als wesentlichen Bestandteil jener Gestalt hatte v. Balthasar das Alte Testament benannt. Wir fragen im folgenden noch einmal, genauer und unter Hinzuziehung materialer Gesichtspunkte nach der Bedeutung, die der Alte Bund für die christliche Offenbarungs-Gestalt und dementsprechend für das Neue Testament besitzt. Dies erfordert eine kleine, aber für die Erhellung des Balthasarschen Denkens fruchtbare Vorbesinnung1. 1. Der Anspruch, daß „das Christliche sowohl eine Gestalt wie ein Absolutes, End-Gültiges, alle Gestalten Messendes" sein kann, wird seinen Rechtfertigungsversuch nur „angesichts der historischen Vernunft" wagen, „als dem Medium, das die geschichtlichen Gestalten kritisch beurteilt" (39). Dies gilt auch unter der Voraussetzung, daß möglicherweise das historisch-kritische Urteil seinerseits der Kritik und Begrenzung unterworfen werden muß. Ein solcher Rechtfertigungsversuch wird aber überhaupt nur dann gelingen, wenn zwei Postulaten Genüge getan werden kann. Zum einen muß verständlich gemacht werden können, „daß die christliche Gestalt deshalb Einmaligkeitschaiakter hat, weil sie vom einmaligen lebendigen Gott, der von der historisch-kritischen Vernunft nicht übergriffen werden kann, als von ihm verantwortetes, ausgewiesenes Zeichen seines endgültigen Handelns an der Welt in die Geschichte eingezeichnet worden ist" (40). Dieses Postulat aber setzt sich in gewisser Weise selbst ein zweites voraus. So muß zum anderen gezeigt werden können, „daß die Gestalt... für Menschen verständlich sein kann, sowohl in dem, was sie andern geschichtlichen Gestalten vergleichbar sein 1 Vgl. für das folgende: H.U. v. Balthasar, Die christliche Gestalt, in: ders., Pneuma und Institution. Skizzen zur Theologie IV, Einsiedeln 1974, 38-60. Bloße Seitenzahlen in Klammern beziehen sich im Text von Kap. 2.1 stets auf diesen Aufsatz.
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läßt, wie in dem, wodurch sie ihren transzendierenden, die übrigen Gestalten richtenden Charakter erweist: wo sie .Glauben' verlangt, muß dieser vor der Vernunft verantwortbar, .gelichtet' sein." (40) Das zweite Postulat entläßt die Frage nach dem „Vorverständnis von .Gestalt"4 (40), um (von deren höchsten Ausprägungen) die christliche Gestalt abheben zu können und zu erweisen, inwiefern letztere „mitten in der Endlichkeit, Absolutheit für sich beanspruchen darf" (41). Eine solche Vorverständnis-Analyse läßt nach v. Balthasar eine Reihe entscheidender Bestimmungen dessen, was Gestalt genannt zu werden verdient, hervortreten: a) Jedem Wesen eignet aufgrund des Seins (als Wirklich-Sein) ein „In-sichSein". Dieses vertieft sich im geistigen Wesen - und der gesamte Stufenbau der Welt bewegt sich ontisch-evolutiv auf den Menschen zu - zum „Für-sich-Sein"2. Zugleich eignet jedem wirklich Seienden ein „Mit-Sein", sofern nämlich „alle wirklich Seienden es durch die eine Wirklichkeit sind"3 - im geistigen Wesen vertieft zum „Für-ein-ander[es]-Sein". „Mit-Sein" bzw. „Für-ein-anderes-Sein" implizieren die Erkennbarkeit als ein Bestimmtes; also „muß das Zentrum [das Für-sich-Seiende] sich als eine Ausdrucksgestalt organisieren" (41). Deren Bestimmtheit ist dem naturhaften Individuum zwar vorgegeben, jedoch vorgegeben gerade „auch als Feld spontaner Selbstaussprache" (41). Hinsichtlich solcher Selbstaussprache gilt dann gewissermaßen gesetzmäßig: Steigende Freiheit der Äußerung oder Erscheinung des „Für-sich-Seins" und Intensivierung des „Für-sich-Seins", also der Verbergung, sind einander reziprok4. Dies gilt zuhöchst im Menschen als einem geistigen Subjekt: „das Individuum mit seiner gattungshaften Gestalt vertieft sich zur Person, die sich frei und relativ einmalig durch seine Leibgestalt als Instrumentarium äußert und weltbildend (hominisierend) ins Ganze ausgreift" (41). In einigen Exemplaren der Gattung Mensch wird diese „Polarität der Gestalt" zu einmaliger Größe gesteigert: „sie sind - als Erfinder, Künstler, politische Führer usf. - einmalige Verkörperungen und Gestalter der Totalität des Geistes" (42). b) Die gestaltende Tätigkeit der exemplarischen Gestalten vollzieht sich - geschichtlich betrachtet - stets in der Weise eines Prägens und Sich-prägen-Lassens. Die hervorgehobene Gestalt wird dabei auch von geschichtlich-endlichen Kräften geformt, in erster Linie jedoch „unter dem Lichteinbruch einer umgreifenden, totalen Vernunft - wie immer man diese verborgen waltende Instanz nennen mag, mit der der Mensch in einer aktiven Kommunikation steht, einer grundsätzlichen Willigkeit, Weisung zu empfangen und damit Verantwortung zu übernehmen"^) 5 .
2 Eine klare und knappe Fassung der Grundzüge Balthasarscher Ontotogie findet sich in v. Balthasars bereits genanntem Wegweiser durch die Trilogie: Epilog, 35-66. 3 AaO., 41. 4 Mit anderen Worten: Äußerung und „Inne-Werden", d.h. Sich-Verbergen oder Sich-Wahren wachsen im gleichen, nicht im umgekehrten Maße; und nur unter der Voraussetzung des sich in seiner Subsistenz-Verhüllens bzw. Sich-Wahrens ist ein Sich-Außem überhaupt möglich. Vgl. dazu Epilog, 41-43. 3 Als Beispiel wird Sokrates und sein Daimonion genannt.
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Voraussetzungen
c) Die exemplarische menschliche Lebensgestalt ist (als endliche) „unbedingt tragisch" (45). Sie ist das Opfer der „Allvernunft" oder „Idee" (44), der sie sich verdankt und der sie ihrerseits bis zum Einsatz der eigenen Existenz - Umwelt und Welt prägend - zuarbeitet, ohne doch mehr sein und werden zu können, als ein „inkarnatorisches Zeichen und Mahnmal" (45) der Idee. d) Gestalt gründet niemals in sich selbst, sofern wirklich Seiendes sich äußern muß, um An-sich und im Falle von geistig Seienden Für-sich sein zu können. Auch und gerade die in hervorragendem Maße prägende menschliche Gestalt ist „keinesfalls nur ein Beherrschendes, sondern ebenso ein Angewiesenes" (45). Der Geist braucht die Materie zur Gestaltwerdung. Jeder Künstler arbeitet am vorgegebenen Material, das in der Weise des Widerstandes an der Ausformung der Idee beteiligt ist. Die prägendste Künstlergestalt ist gerade die ärmste oder offenste für die „Inspiration, die sich vom Vorhandenen beschenken läßt" (46)6. e) Alle geschichtlich wirksamen, in sich tragischen Einzelgestalten stehen in der Gefahr, als Gestalten vom „Weltgeist" dialektisch (Hegel) oder evolutiv (biologische Evolutionslehre) oder utopisch (Bloch) aufgelöst, „erbarmungslos überfahren, als Tragisches gar nicht mehr beachtet" (48) zu werden. Auf dem Hintergrund dieses Vorverständnisses von „Gestalt" erhebt v. Balthasar die Bedingungen, denen die „christliche Gestalt" genügen muß, wenn sie dem Anspruch genügen können soll, „die Identität zu sein zwischen einer dieser tragischen Gestalten und dem transzendenten Gesamtsinn von personaler und kollektiver Existenz, und dabei doch die Instanz ,Weltgeist' in sich einzubergen" (48). Es sind im wesentlichen zwei Postulate: Einerseits muß der Gegensatz von tragischer, sich für das Ganze opfernder Einzelgestalt und dem die Einzelgestalt vergleichgültigenden Weltgeist in einer Weise „aufgehoben werden, daß weder die .tragische' Transzendenz und Vergeblichkeit der einzelnen Lebensgestalt verharmlost, noch die Weltgeschichte in ihrem eigenen Gang aufgehalten würde", sondern beide sich zu einer „Gesamtgestalt" fügen (48). Andererseits darf der Weg des Geistes in die vorgeformte Materie nicht die Auflösung aller Gestalt nach sich ziehen, sondern muß „zu einer endgültigen Gestaltwerdung der Welt führen, einem ... von innen her errungenen Sieg" (48). Mit diesen Postulaten im Rücken nähert sich v. Balthasar der Person Jesu Christi, wie „ihn der Glaube der Urkirche vorstellt" (49). Jesus Christus darf als „klare Gestalt" (49) gelten7, weil und insofern ihm zweifellos die geforderte „tragische Transzendenz" und „Vergeblichkeit" eignen. Sie eignen ihm aber so, daß in seinem einmaligen Fall Tragik und Vergeblichkeit (in der vom christlichen Glauben verkündeten Auferstehung) überwunden werden. Diese Über6 Wir haben es hier nach v. Balthasar geradezu mit einem Vorverständnis des theologischen Satzes „gratia supponit naturam" zu tun. 7 Als solche eignet ihr der dazu gehörige „Anspruch". Gestalt und Anspruch bilden einen Zusammenhang, ein - wie zu zeigen sein wird - für v. Balthasar nicht unerheblicher Gedanke, der seine Ausführungen über dai Vollmachtsanspruch des irdischen Jesus entscheidend mitbestimmt.
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windung verharmlost weder die tragisch-vergebliche Einzelgestalt, noch hält sie die Geschichte an. Denn die Auferweckung des getöteten Jesus besagt (nach urchristlichem Verständnis): „der eschatologische Horizont ... ist vom einmaligen Jesus erreicht (während die Zeugen sich unbegreiflicherweise noch mitten im Geschichtslauf vorfinden)"; von dieser Gewißheit her wird Jesu Tod „als Zusammenraffung des eschatologischen Sterbens der sündigen Welt im Gerichtstag Gottes" gedeutet (SO), seine Auferweckung „als die Durchbrechung der Todeslinie alles menschlichen Daseins, die Rechtfertigung aller innerweltlichen Vergeblichkeit durch die Heimholung der gesamtmenschlichen, leiblich-geistigen Existenz in das ewige Leben Gottes" (51). Es ist eben jene unkonstruierbare Heimholung, die die (Hegelsche) Dialektik der Geschichte, die Evolutionstheorie und den Utopismus überholt, weil Auferstehung von den Toten „quer zur Dimension der weltgeschichtlichen Abfolge" liegt und „nur als ein Akt Gottes, des Schöpfers von Welt und Mensch verstanden werden" kann (51): nur aufgrund von Gottes in Jesus Christus Ereignis werdender Nähe zu Welt und Geschichte ist diese in ihrer Gesamtheit geborgene Welt-Geschichte und darf als solche im Glauben begriffen werden8. Mit der Frage, inwiefern die christliche (Offenbarungs-)Gestalt dem zweiten Postulat genügt, sind wir zugleich bei der uns primär interessierenden Frage nach der Bedeutung des Alten Bundes. Die „Gestaltwerdung" (50) Jesu Christi, in der und durch die sich die „endgültige[...] Gestaltwerdung der Welt" (48) vollzieht, geschieht auf dem Wege des Vollzugs einer „Synthese" des (vorgeformten) Materials des Alten Testaments, seiner „,Bilder' oder ,Gestalten' (Pascal: figures), die aber zusammen kein einheitliches Gesamtbild ergeben, ja auf ihrer eigenen Ebene bei aller Kombinatorik auch keines ergeben können" (51). Wir können die Balthasarsche Beschreibung der alttestamentlichen „Gestalten" im einzelnen einstweilen zurückstellen und halten vorläufig nur den für unsere Fragestellung grundlegenden Gedanken fest: die christliche (Offenbarungs-)Gestalt konstituiert sich als endgültige gerade nicht so, daß dabei das präformierte „Material" des Alten Bundes gewissermaßen verdampft wird. Es wird vielmehr zur Gestalt erhoben, indem es in der die alttestamentlichen Begriffe, Bilder und Einzel-Gestalten synthetisierenden Gestalt Jesu Christi sein von sich aus nicht konstruierbares Zentrum, das Formalprinzip seiner Anschaulichkeit erhält. Aus diesem Grunde kann umgekehrt „die Letztgültigkeit der christlichen Gestalt immer wieder am einleuchtendsten von dem geeinten Material her bewiesen werden: das Alte Testament bleibt die unentbehrliche Grundlage des Neuen" (53). Insofern nun aber die Gestaltwerdung des Alten Bundes allein durch die in Jesus Christus sich ereignende Überwindung des Todes erfolgt, wird die Gestalt des Alten Testamentes für die Gesamtmenschheit relevant: sein innerstes Geheimnis (das Geheimnis des alttestamentlichen Bundes) ist das, was v. Balthasar gerne als Tran-
* Damit ist m.E. zugleich gesagt, daß das in Tod und Auferstehung Jesu Christi bereits erreichte Ende der Geschichte allererst die Ermöglichung von Geschichte ist.
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Voraussetzungen
szendenz, Übergänglichkeit, Vorläufigkeit, Vorbildlichkeit, als Über-sich-hinausEnteignetwerden oder als die Offenheit des Alten Bundes zum Neuen Bund bezeichnet. 2. Wir führen um der Konzentration auf die Ausgangsfrage willen an dieser Stelle nicht v. Balthasars trinitätstheologische Begründung aus, die die unüberholbare Gestaltwerdung Jesu Christi in ihrer Unterscheidung von der Entäußerung des „Weltgeistes" allererst - als „Ausdruck" des göttlichen Seins der Liebe - präzise zu denken erlaubt. Vielmehr soll nunmehr wenigstens überblicksweise die Balthasarsche Analyse jener alttestamentlichen Begriffe, Bilder und Gestalten dargestellt werden, als deren Synthese nach dem Gesagten die christliche Offenbarungsgestalt zu gelten hat. Eine solche Darstellung, auch wenn sie notwendig schematisch bleiben muß, kann nicht nutzlos sein, wenn das Neue Testament das „alttestamentliche Material" integriert, der neutestamentliche Herrlichkeitsbegriff ohne den alttestamentlichen also von vornherein undenkbar ist. Von Balthasar hat dem „alttestamentlichen Material" innerhalb seiner Theologischen Ästhetik einen eigenen Band gewidmet9. Wiewohl Teil des Gesamtwerkes dieser Ästhetik, stellt „Alter Bund" zugleich eine eigenständige „Theologie des Alten Testaments" dar10, durchgeführt am Thema „Herrlichkeit". Wir skizzieren die Grundlinien. „Alter Bund" ist entworfen unter der Prämisse, daß „das Thema Herrlichkeit" nicht „aus dem Offenbarungszusammenhang herauszulösen" ist, „um dessentwillen es angeschlagen wird, der aber auch von der vortretenden Herrlichkeit des Herrn in allen seinen Phasen und Aspekten tingiert wird" (AB 16). Die Durchführung des Werkes trägt diesem Grundsatz Rechnung und ist zugleich seine Rechtfertigung. Von vornherein ist daher zu erwarten, daß v. Balthasar sein Thema sehr viel weiter fassen wird, als eine strenge philologisch-exegetische Untersuchung über Kebod Jhwh reicht11. Die Grundbedeutung von Kabod läßt sich nach v. Balthasar im Anschluß an eine Definition Martin Bubers angeben als „die ausstrahlende und so Erscheinung
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Herrlichkeit 111,2: Theologie, Teil 1: Alter Bund (= AB), 2. Aufl. Einsiedeln/Trier 1989. So auch J. Becker in seiner Besprechung von „Alter Bund" in: ThRv 66 (1970), (284-286) 284. " Nach v. Balthasar ist also der Bedeutungsgehalt von „Herrlichkeit" nicht auf den allererst in der Priesterschrift (und bei Ezechiel) theologisch streng verwendeten Begriff K°bod Jhwh zu beschränken. Dies umso weniger, als P den Begriff in einer „geradezu .technischen' Verengung" (kultischsakralrechtlich) gebraucht hat (AB 49, Anm.2; vgl. auch AB 36: „Der Pentateuch ist reich an theophanen Phänomenen; den Namen .Herrlichkeit Gottes' (kabod Jhwh) erhalten diese aber erst in P, das auch die Phänomene zu seinen (vorwiegend kultischen) Zwecken vereinheitlicht, daneben aber ältere Fassungen stehen läßt."). Die „technische Verengung" des Begriffs bei P besteht letztlich darin, daß „die eigentliche Herrlichkeit von Gott auf die [kultische] Institution übergeht" (AB 344). Am Rande vermerkt: Die eigenwillige Transkribierung „kabod Jhwh" ist bei v. Balthasar durchgängig. 10
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werdende .Wucht' oder Mächtigkeit eines Wesens"12. Man wird diese Definition nicht hoch genug veranschlagen können. Sie stellt für v. Balthasar bis hin zur Bestimmung des neutestamentlichen Doxa-Begriffes den formalen Dreh- und Angelpunkt dar. Seine alttestamentlichen wie neutestamentlichen Ausführungen sind die (jeweils unterschiedliche) inhaltliche Füllung dieser Grundbestimmung. Sie ist daher auch konstitutiv für das Verständnis dessen, was im Alten Testament K°bod Jhwh heißt, sofern die alttestamentlichen Offenbarungen Gottes „keine ,rein geistige' Offenbarungen" (AB 34) sind. Als Offenbarungen Gottes steht dabei freilich von vornherein außer Frage, daß die „sinnliche Manifestation" oder „Erscheinungsform als solche nie die Mächtigkeit (kabod) Gottes selbst, sondern ihre Anzeige" ist, „die allerdings dafür sorgt, daß der so angegangene Mensch in die ,Achtungstellung' vor dem sich ihm vergegenwärtigenden absoluten Subjekt gebracht wird" (AB 34). Es verschränken sich also im K°bod Jhwh das Angezeigte - das göttliche Ich in den Weisen seiner Äußerung und in seinen Eigenschaften - und die sinnlichen Erscheinungsformen, ohne daß der K°bod Jhwh auf einen von beiden Aspekten (im ganzen oder gar im einzelnen) eingeschränkt werden dürfte. Nur aus methodischen Gründen behandelt v. Balthasar sie nacheinander. Dabei fördert die Untersuchung der sinnlichen Anzeigeformen ihre Zweideutigkeit (Dialektik) zutage13. Eindeutig werden die sinnlichen Signale erst im Wort des sich darin Anzeigenden, dessen göttliches Ich Israel zunehmend klarer in seinen sich gegenseitig durchdringenden „Aspekten" zu erkennen lernt14. Nach einer Reflexion auf die geschöpfliche Teilnahme an der Herrlichkeit Gottes15 erreicht die Bestimmung der alttestamentlichen Gottesherrlichkeit als solcher ihr eigentliches Ziel in der Behandlung dessen, was v. Balthasar als „konkrete Herrlichkeit" bezeichnet: Jahwes gnädiges „Raumgewähren" durch seinen Bund mit Israel16. Zwar kann keine Rede davon sein, daß sich der Begriffsumfang von Kabod einfach mit dem jener Bezeichnungen des Alten Testaments deckt, die
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M. Buber, Königtum Gottes, Werke 2.Bd. (Schriften zur Bibel), München/Heidelberg 1964, (485-723) 619, Anm.18. Zitiert in AB 32f. Die Definition zeigt eine auffallende Nähe zur scholastischen Beschreibung des pulchrum als forma und splendor. 13 Vgl. AB 31-49. Von Balthasar nennt und beschreibt die Dialektik von Kennen und Nichtkennen, von Schauem und Nichtschauen, von Gestalt und Nichtgestalt, von Helligkeit und Finsternis, von Wohnstatt und Ereignis und die Dialektik des Feuers. - Die Tatsache, daß die Redaktoren der Endgestalt des Pentateuch die ihnen vorliegenden Traditionen (der sinnlichen Anzeigeformen) nicht oder nur oberflächlich vereinheitlicht haben, gilt v. Balthasar als Beweis dafür, wie genau sie sich der „Abstraktheit der sinnlichen Signale" (AB 36) bewußt waren. Im Blick auf die Dimension der sinnlichen Erscheinung von Gottes Herrlichkeit von „konkretem Kabod" zu sprechen, von dem dann ein „abstrakter", ethisch-geistiger Kabod (Gottes Heiligkeit) zu unterscheiden wäre, hat also bereits von den biblischen Texten her als unsinnig zu gelten. 14 Vgl. AB 49-68. Von Balthasar nennt und beschreibt die Hauptaspekte des göttlichen Ich unter den Titeln: Macht, Wort, Heiligkeit, Name und Angesicht. 13 Vgl. AB 81-131. Unter der Überschrift „Bild" handelt v. Balthasar vom Menschen (als imago dei) und seiner von ihm gestalteten Welt. 14 Vgl. die Überschrift zu AB 133-137 und AB 138-164.
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Voraussetzungen
das gnädige „ Raumgewährenu Gottes ausdrücken17. Aber Gottes Herrlichkeit ist „integriert in der Gnade des Bundes" (AB 189), sofern der „Gott der Herrlichkeit ... von Israel ... als der Gott aller Gnade erfahren" (AB 137) wird. Gottes Kabod bleibt darum solange „abstrakt", als er nicht wirklich als Gottes Kabod verstanden wird und also als Kabod des Gottes, dessen gnädige Zuwendung zu seinem erwählten Volk das Alte Testament bezeugt18. Aber auch die Ausführungen zur alttestamentlichen Herrlichkeit in ihrer Konkretion als Bundes-Herrlichkeit müssen nach v. Balthasar noch einmal abstrakt genannt werden, solange sie geschichtslos bleiben: „erst die Geschichte, die den Menschen als Sünder überführt und Gott vor die Tatsache des gebrochenen Bundes stellt, macht sichtbar, was Gottes Herrlichkeit im Konkreten ist" (AB 199). Als was also erweist sich der göttliche Kabod gegenüber dem (Todes-)Bereich des im Alten Testament wesentlich als Treulosigkeit verstandenen Bösen? Zugespitzt: Ist Gott diesem „Abgrund" gegenüber abstrakt herrlich (mächtig) oder „ist er ... auch herrlich in der Tiefe selbst?" (AB 204) Die Frage stellen heißt für v. Balthasar zu zeigen, daß das Alte Testament einer Bejahung der zuletzt genannten Möglichkeit entgegenstrebt, ohne sie jedoch aus sich selber heraus finden zu können: „Der Knoten der Bundesgeschichte wird hier geschürzt, gelöst wird er erst im Neuen Bund." (AB 208) Er wird aber nach v. Balthasars Analyse19 der alttestamentlichen Texte so geschürzt, daß der Gott des Alten Testaments die Geschichte des gebrochenen Bundes zu seiner eigenen Geschichte macht, indem er sich in bestimmten (erwählten) Gestalten eine „Treppe" baut, „die ihn bis in die gott-lose Finsternis hinabführen soll. Eine Treppe aus Gehorsam" (AB 207), deren offenbarungsgeschichtlicher Verlauf - von Abraham über Mose, Saul, die Propheten und Hiob bis zum (individuell verstandenen) deuterojesajanischen „Gottesknecht" reicht. Mit der Gestalt des Ebed Jhwh hat das Alte Testament nach v. Balthasar den äußersten ihm möglichen, wiewohl von ihm selbst kaum verstandenen Schritt zu einem konkreten, bereits ins Neue Testament „transzendierenden" Verständnis der göttlichen Herrlichkeit getan, insofern sich in
17 Vgl. AB 138-164. Von Balthasar behandelt nacheinander: Berit, Chesed (chen, rachamim), Sedek (sedaka), Miäpat, Emet (emuna) und Salom. 18 Unter Gnade hat man nach einer durchgängigen Bestimmung v. Balthasars denjenigen göttlichen Akt zu verstehen, in dem dieser „im Sichneigen zur Erde den Maischen zu sich" erhebt „und ihm jenseits all seiner Qualitäten und Möglichkeiten, in einer .Entrückung' also, Raum" gewährt in seinem eigenen „Bereich" (AB 138). Gottesgewißheit ist nur auf dem Wege solchen Herausgehens aus sich selbst, in v. Balthasars Terminologie: nur durch Expropriierung oder Expropriation - zu erlangen. Dies wird in einer meisterhaft konzentrierten - an G. v. Rads Theologie der geschichtliche» Überlieferungen Israels (Theologie des Alten Testaments Bd.I, 9. Aufl. München 1987, 143ff) angelehnten - kleinen „Theologie des Bundes" entfaltet, die den bezeichnenden Titel trägt: „Existenz in Entrückung" (AB 165-195). 19 Statt Analyse hat man vielleicht eher von einer - zugegebenermaßen großartigen - Konstruktion zu sprechen.
Das Verhältnis von Altem und Neuem Testament
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jener Gestalt (eigentlich Ungestalt) der Gedanke einer Metexis der Glorie Gottes mit dem von ihr gesonderten Bereich des Todes anbahnte20. Auf diesem Hintergrund wird gewissermaßen secundum constructionem verständlich, daß v. Balthasar in der nachexilischen Epoche Israels hinsichtlich der Entwicklung des theologischen Verständnisses der Herrlichkeit Gottes nur noch ein Fortschreiten zu konstatieren vermag, das in Wahrheit ein Ausgriff ins Leere ist. Allerdings ist dieser Ausgriff - es handelt sich genauerhin um „die drei Unternehmungen des Judaismus" (AB 280): Messianismus, Apokalyptik und Weisheitstheologie - nicht einfach eine „heilsgeschichtlich dekadent[e]"21 quantité négligeable, die ohne Verlust als bloße Verirrung übergangen werden könnte. Denn alle drei Strömungen werden vom Neuen Testament aufgenommen und haben von ihm aus betrachtet als „unerläßliche Vermittler" (AB 281) zu gelten. In sich freilich sind sie ambivalent. Zu ihrer wahren Bedeutung kommen sie erst lumine novi testamenti. Bis dahin besteht die propriis viribus nicht abzuwendende Gefahr des Selbstmißverständnisses22. Die nachexilische Epoche nennt v. Balthasar darum „Das lange
20 Das offenbarungsgeschichtliche Gefälle des Altai Testaments ist nach v. Baltbasar unzweideutig: Um den „im Totenreich unsichtbar werdenden Weg [der Herrlichkeit Gottes] anzudeuten, bilden die Gestaltai des Altai Bundes zusammen [so etwas] wie einen richtungweisenden Pfeil; seine scharfe, unzweideutige Spitze ist der Gottesknecht. Auf diese Spitze hin hätte Israel sein Selbstverständnis konzentrieren müssen, aber es hat im Gegenteil diese Spitze abgestumpft in den Evasionen der nachexilischen Glorientheologie." (AB 379) 21 J. Becker hat in seiner bereits erwähnten Besprechung (aaO., 285) mit diesem Prädikat der Balthasarschal Darstellung von Israels Spätzeit Rechnung tragen wollen und zugleich gegen eine solche Qualifikation Widerspruch eingelegt. Die Beckersche Kritik trifft v. Balthasars Darstellung, doch nur bedingt. Dom sie trifft nicht, sofern nach v. Balthasar den „ Unternehmungen des Judaismus" ein „verborgener Heilssinn" (AB 338) inhaeriert, der in ihrer (providentiell) notwendigen Vermittlungsfunktion (zum Neuen Testament) besteht; sie besteht zu Recht, sofern nach v. Balthasar alle drei Strömungen, „in denen der Judaismus seine Theologie der Herrlichkeit entfaltet hat" (aaO., 281) gegenüber der bei Deuterojesaja erreichten Einsicht defizient sind: darin nämlich, daß sie eine Theologie hervorgebracht haben, „die die Nächte und Schrecken des Gerichtes irgendwo hinter sich gebracht und nicht in der Tiefe integriert hat" (aaO., 282). Exakt dieses „Defizit" hat v. Balthasar vor Augen, wenn er seine Überlegungen zu Messianismus, Apokalyptik und Weisheitstheologie unter dem peiorativ gemeinten Titel „Theologia Gloriae" (AB 279-336) entfaltet. - Was Becker (aaO., 285f) historisch-kritisch gegen die von v. Balthasar vorgenommene Einteilung der „Spätzeit" des Altai Testaments als ganze und im einzelnen einwendet, bleibt von der oben angebrachten Verdeutlichung unberührt. 22 Die drei genannten alttestamentlichen Versuche, sich der Herrlichkeit Gottes nach der Katastrophe von 587 zu versichern, leisten nach v. Balthasars Darlegung „die für das kommende Christliche unentbehrliche" formale „Weitung des Horizonts", dessen „inhaltliche Füllung... mit den Elementen des Altai Bundes ... mißlingen und zur Verfälschung des Alten wie des kommenden Neuen führen" mußte (AB 316). So ist das Anliegen des (späten) Messianismus „die absolute Zukunft", das Anliegen der Apokalyptik der „Durchbruch der Ewigkeit" und das Anliegen der Weisheitstheologie der „Kosmos im ganzen, der von der Herrlichkeit Gottes durchwohnt werden muß" (aaO., 340). In diesem (formalen) Anliegen werden nach v. Balthasar die drei Strömungen vom Neuen Testament aufgenommen und zugleich zu einer ihre Disparatheit überwindenden Synthese gebracht. Über die jeder Strömung spezifische Gefahr des Selbstmißverständnisses braucht hier material nicht gehandelt zu werden.
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Voraussetzungen
Zwielicht"23. Es ist letztlich eine „leere Zeit"24, leer in dem Sinne, daß die Spätzeit Israels der „sie prägenden .Augenblicke' (KaipoC) göttlichen Handelns und Sprechens"25 entbehrt, durch die die Zeit - jede chronologische Zeit - allererst gefüllt oder bewegt wird. Es ist eine Epoche der „meditativen Pause" (AB 338), in der der empfundene Mangel der Anwesenheit des göttlichen Kabod zu eben jenen leidenschaftlichen Reflexionsbemühungen von Messianismus, Apokalypük und Weisheitstheologie geführt hat. Daß diese ereignisarme Epoche in Israel gleichwohl nicht zu einem völligen Bewußtseinsschwund seines einzigartigen Gottesverhältnisses geführt hat, verdankt sich v. Balthasar zufolge zwei Faktoren, deren „Ereignischarakter ... in Israels Religion noch immer mächtig" war: „des Wortes Gottes und des Blutes von Mensch und Tier" (AB 346). „Sprachereignis" (AB 346), verstanden als das Ereignis „göttlichefr] Offenbarung in menschlichem Sprechen" (AB 349), und kultisch-rituelles „Blutereignis" (AB 358) bilden so etwas wie das Konzentrat des Alten Bundes26. Es kennzeichnet darum die Ernsthaftigkeit des nachexilischen Israel, dessen eingedenk gewesen zu sein und (zumindest) in der Weise strenger Torafrömmigkeit und durch Etablierung eines ebenso strengen Sß/mopferkultes sich der Anstrengung unterzogen zu haben, „trotz des Schweigens Gottes im Bundesverhältnis zu bleiben" (AB 355). Dabei kommen nachexilische Torafrömmigkeit und Sühnopferkult nach v. Balthasar gerade in ihrer Ernsthaftigkeit darin überein, daß beide sich angeblich in Form eines blinden, fraglosen Gehorsams vollziehen: „Beide ... sind Phänomene des Überdauerns" (AB 361), je für sich und in ihrem merkwürdig unverbundenen Nebeneinander ebenso beharrlich wie vergeblich nach der göttlichen Präsenz (Herrlichkeit) ausgreifend. Erst das Neue Testament wird das „Wortereignis" und das „Blutereignis" vereinigen und beide „Ereignisse" - auch in ihrer judaistischen Gestalt als Phänomene des Überdauerns - in ihrer providentiellen Notwendigkeit zum Leuchten bringen.
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So der Titel von Teil ffl, AB 277ff. So die Kapitelüberschrift zu AB 337-345. 25 Herrlichkeit Bd. HI,2: Theologie, Teil 2: Neuer Bund (= NB), Einsiedeln 1969, 152. M Vgl. NB 31. E. Biser bat in seiner Balthasar-Darstellung die „Gleichgewichtung" von „Sprachereignis" und „Blutereignis" eine „fatale" genannt (vgl. Die glaubensgeschichtliche Wende, 232). Das Urteil wird verständlich auf dem Hintergrund des Haupteinwandes, den Biser gegen v. Balthasars Theologische Ästhetik erhebt. Er gilt der von ihm konstatierten „eigentümliche[n] Abwertung dessen, was allein die .ontologische Engführung' des Ansatzes zu sprengen vermöchte: der Sprache" (E. Biser, Besprechung von Herrlichkeit m,2: Theologie. Teil 2: Neuer Bund, in: ThRv 66 (1970), (286-288) 288). In der Tat bemerkt v. Balthasar im Blick auf den Zusammenhang von „Wortereignis" und „Blutereignis": „Und warn Blut und Wort zusammenstehen, dann steht das Blut gewiß an der Stelle des letzten, vielleicht gar nicht mehr aussprechbaren, nur noch zu flüsternden oder zu schreienden Wortes: es schreit dort weiter, wo der Maisch nicht mehr schreien kann, oder es faßt im Gegenteil zusammen, was die Existenz des Menschen hätte sagen wollen und nicht sagen konnte." (AB 362) Das hier nur angedeutete Problem wird uns bei der Darstellung der Balthasarschen Ausführungen ständig begleiten. 24
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3. Die Darstellung des dem Alten Testament gewidmeten Bandes von „Herrlichkeit" in Grundzügen erlaubt es nunmehr, von einer verbreiterten materialen Basis aus, die Balthasarsehe Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament so in den Blick zu nehmen, daß dabei zugleich ein Licht auf v. Balthasars Vorgehensweise fallt, das neutestamentliche Herrlichkeitsverständnis zu ermitteln. Die materialreichen Ausführungen von „Alter Bund" laufen zielstrebig auf ein Ergebnis hinaus: Die in der Geschichte Israels hinsichtlich des Verständnisses der Herrlichkeit Gottes herausgestellten Bilder, Figuren und Begriffe entbehren der sie integrierenden Mitte. Sie bilden in sich betrachtet ein Konglomerat von Einzelgestalten und Ideen, die allenfalls eine zu ahnende „Kontur" (Schau 600) abgeben. Zugleich führt v. Balthasars inneralttestamentliche Untersuchung jedoch auch zu einer präzisen inhaltlichen Bestimmung des Grundes dafür, daß sich das Thema „Herrlichkeit" im Alten Testament und eben darum das Alte Testament als ganzes nicht (zur „Gestalt") zu schließen vermag. Diese Bestimmung tritt nach v. Balthasar besonders deutlich an jener Stelle hervor, die zugleich der (neutestamentlichen) Integration der alttestamentlichen Einzelbilder auf verborgene Weise nahe kommt, ohne sie doch vollziehen zu können: in der Gottesknechtidee. In deren Licht wird gewissermaßen als Schatten - wenn auch bereits als fliehender Schatten - besonders kraß die Erkenntnis manifest: „der Erscheinung der Herrlichkeit Gottes ist im Alten Bund eine klare, unüberschreitbare Schranke gezogen: das Nichtbewältigtsein des Todes." (AB 373) Diese Schranke wird erst durch den Tod desjenigen Menschen niedergelegt, der - vom Alten Testament her unausdenkbar - mit dem göttlichen Wort selbst identisch ist. Indem durch diesen Tod „die Schranke entfernt, die Hülle von der Herrlichkeit weggezogen" (AB 373) wird, erhalt nach v. Balthasar das Alte Testament die integrierende Mitte seiner Bilder. Weil im Tode Jesu „die schlechthin schöpferische Einigung des Unvereinbaren" (Schau 610) Ereignis wird, weil also ein eschatologisches Ereignis die Mitte des Alten Bundes konstituiert, darum ist das Verhältnis des Alten Bundes zum Neuen Bund durch die Erfassung in den Kategorien von Verheißung und Erfüllung, Verborgenem und Offenbarem noch nicht hinreichend präzise. Wir nähern uns dem Balthasarschen Grundgedanken27 vielleicht am ehesten mit der zusammenfassenden Formulierung: Das eschatologische Ereignis des (sein Leben integrierenden) Todes Jesu ist der „Seinsgrund" (Schau 600) für die Bilder, die das Alte Testament aus sich heraussetzt; diese sind verheißungsvolle Vor-Bilder (TCTOI) allein dadurch, daß sie selber unabgeschlossen bleiben, sich durch das Christusereignis und mit diesem aber so zu einer Gesamtgestalt schließen, daß ihre Unabgeschlossenheit zum Zeugnis für das sie Integrierende gewissermaßen „erhoben" oder „gerettet" wird und
27 Die Argumentationsschritte und Abwehrbewegungen im einzelnen können übergangem werden. Zu v. Balthasars Stellungnahme gegen die Überschätzung des „qualitativen Sprungs" zwischen Altem und Neuem Bund in der Väterexegese und der vergleichenden Religionswissenschaft wie gegen die Überschätzung in der liberalen Theologie vgl. H. Heinz, Der Gott des Je-mehr, 130f.
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Voraussetzungen
sich so das in seiner „Sinnfülle" überhelle, unanschauliche eschatologische Ereignis28 selber in „ein historisches Prisma auseinanderlegt: das Prisma des Alten Bundes", um auf diese Weise „für die Menschheit anschaulich" zu werden (Schau 621).
Die Ungleichheit des Abhängigkeitsverhältnisses von Altem und Neuem Testament ist demnach der entscheidende Punkt der Verhältnisbestimmung: Der Alte Bund ist auf den Neuen angewiesen, um das sein und sich selber als das verstehen zu können, was er ist: echte Gestalt (im Balthasarschen Sinne), insofern in der weltgeschichtlichen Zeit Israels „das Verhältnis zwischen Zeit und Ewigkeit anschaulich gemacht wird" (Schau 621), ja aufgrund des Ereignisses von Tod und Auferstehung Jesu Christi darin enthalten ist29. Der Neue Bund hingegen ist auf den Alten nicht angewiesen, sondern bedient sich seiner so, daß dabei Nähe und Abstand (oder „Sprung" und „Kontinuität") zugleich sichtbar werden. Das Ereignis des Todes Jesu und seiner Auferweckung steht zur Geschichte Israels im Verhältnis der Bedingung, nicht des Bedingten. Es bedingt sie seinshaft. Darum destruiert das Neue Testament die vergangene Geschichte Israels nicht, sondern erhebt sie allererst zu wahrer Geschichtlichkeit: es macht sie als scheiternde Geschichte analogiefähig und in diesem Sinne „anknüpfungsfähig" für sich selbst. Wir haben es nach v. Balthasar mit dem paradox anmutenden Tatbestand zu tun, daß das Alte Testament gerade als ganzes in seiner wesentlichen Unabgeschlossenheit30, in seinem Scheitern ein argumentum ex prophetia ist, sofern es eben nur jenseits seiner selbst als Vor-Bild-Gestalt konstituiert wird. Von dieser verborgenen Mitte her betrachtet aber ist der Alte Bund wirkliche figura (Pascals figure), die (dem Glauben) zu zeigen vermag, „dass das, was im Alten [Bund] in einem Nacheinander entfaltet wurde" und unvereinbar blieb, „im Neuen auf anderer Stufe ein-fältig beisammen sein kann" (Schau 617). Indem der nachösterliche Glaube sich als Glaube an den Gekreuzigten und Auferstandenen versteht, versteht er nach v. Balthasar intuitiv das Verhältnis des Ereignisses von Tod und Auferweckung Jesu Christi zur Geschichte Israels im beschriebenen Sinne31. Das Geheimnis der Person Jesu Christi zu verstehen, heißt
28
Vgl. Schau 620. „Diese .sakramentale' Möglichkeit besitzt der Alte Bund von Gnaden des Neuen: weil das Wort, auf das Israel horchen soll, das im Fleische kommende ist." (Schau 622) Hierin liegt die Begründung dafür, daß v. Balthasar gelegentlich (vgl. Schau 598f) unter Aufnahme, der kierkegaardschen Unterscheidung von ästhetischem und ethischem Verhältnis davon sprechen kann, die Existenz im Altai Bunde verhalte sich zu der im Neuen wie das „Ästhetische" gegenüber dem „Ethischen", wiewohl der Alte Bund andererseits gegenüber der heidnischen „ästhetischen" Existenz das „Ethische" ist: „Die Existenz im Alten Bund ist ihrem innersten Wesen nach übergänglich zwischen einem Nichts an Teilnahme und einer Fülle an Teilnahme" (aaO., 598). 30 Eben diese Unabgeschlossenheit versucht v. Balthasar mit „Alter Bund" zu zeigen. 31 Inwieweit und in welchem Sinne Jesus selbst sein Leben und seine Sendung als „Erfüllung" bzw. „Mitte" der in sich unvereinbaren alttestamentlichen Bilder, Gestalten und Vorstellungen verstanden hat, muß die Balthasarsche Beschreibung der neutestamentlichen Offenbarungsgestalt 29
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darum zugleich und ineins damit, die Geschichte Israels als ontologisch abhängige figura zu verstehen und somit als Alien (endenden) Bund, dessen vergangene Geschichte aber durch den Neuen gerade nicht obsolet gemacht, sondern gerettet wird. Auf dem Hintergrund einer solchen „totale[n] Anschauung von der Beziehung zwischen Altem und Neuem Bund", wie sie dem Glauben - und nur ihm eignet, ist dann nach v. Balthasar in der Urkirche die später im Neuen Testament manifest gewordene „Theologie von Verheißung und Erfüllung, von Typos und Antitypos wie von selbst..., als Ausdruck einer großen Verwunderung" entstanden (AB 375). Die „totale Anschauung" zerlegt sich dabei in einen komplexen (historischen) Deutungsprozeß, in dem sich einerseits das Verstehen des Todes Jesu mit Hilfe einzelner Bilder des Alten Testaments und andererseits die Gestaltwerdung der (in sich) gestaltlosen alttestamentlichen Einzelbilder zur Vor-Bildlichkeit und damit das Verstehen des Alten Testaments als solchem miteinander verschränken. Dieser Prozeß wird von v. Balthasar unter bewußter Beiseitesetzung der historischen Problematik32 als ein Geschehen betrachtet, das sich ingesamt mit unfehlbarer Sicherheit entwickelt. Und gerade auf die dabei konstatierte „Mühelosigkeit" (AB 375) des Deutungsprozesses kommt hier auch alles an: die alttestamentlichen Bilder müssen „dem Betrachter des Christusereignisses" (AB 375) zufallen, weil sie als figurae des Neuen Testamentes per definitionem im Alten Testament nicht „vorliegen". Diese - wenn das Sprachspiel gestattet ist - „Zufälligkeit", die geradezu der Erweis ihrer Wahrheit als Verheißungen und TVTOL ist, markiert „den qualitativen Sprung" (AB 375) zwischen Altem und Neuem Testament. Die „Nezessität" des Offenbarungsereignisses von Tod und Auferstehung Jesu Christi läßt sich in ihrem Daß-Sein und So-Sein vom alttestamentlichen Vor-Bild nicht erschließen, so sehr sie „an der Gestaltwerdung der gestaltlosen Bilder [des Alten Testamentes] unfehlbar abgelesen" (AB 375) werden kann. Alle alttestamentlichen Bilder, Vorstellungen und Gestalten werden nach v. Balthasar darum durch das eschatologische Ereignis des Todes Jesu Christi gewissermaßen gerichtet, um jenseits ihrer selbst33 „Verheißungen" und „Typoi" des Neuen Testamentes sein zu können. Das Alte
zeigen. Man lrann aber von dem bisher Dargelegten her erahnen, daß v. Balthasar - die historische Problematik irgendwie „übersteigend" - das Verhältnis Jesu zum Alten Testament als das der Identität von Freiheit - sofern er der Grund der alttestamentlichen „Verheißung" ist - lind Bindung - sofern er die „Erfüllung" der alttestamentlichen „Verheißung" ist - deuten wird: „Er ist es ja, der als Erfüllung der Grund der Verheißung ist" (H. U. v. Balthasar, Theologie der Geschichte. Ein Grundriß. Neue Fassung, S.Aufl. Einsiedeln o.J. [1979], 42). 32 So wird - ein Beispiel, das sich vielfach vermehren ließe - hinsichtlich des Rückgriffs der nachösterlichen Gemeinde auf das Alte Testament behauptet: „Die Wahl der alttestamentlichen Texte und Bilder kann zum Teil im Wortverständnis zeitgebunden, in der Auswahl ungeschickt sein. Das ist unwichtig, denn die Bilder dienen nur zur Illustration einer viel umfassenderen und den Kündem und Hagiographen bewußten Entsprechung." (AB 374) Hinter der Bemerkung verbirgt sich das Grundproblem Balthasarscher Theologie, das zunächst in die Frageform gekleidet werden soll: Inwieweit sucht und findet auch v. Balthasar die von ihm avisierte „Gestalt Jesu Christi" irgendwo hinter den nur „illustrierenden" Texten? 33 Vgl. Schau 598: .Jenseits des Sprunges ins Neue Testament".
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Voraussetzungen
Testament als „eine Art Bilderbuch" zu betrachten, „worin man Entsprechungen zwischen links und rechts, Typusbild und Antitypusbild ablesen ... kann" (Schau 599), wäre darum die abstrakte Verfehlung seiner Eigenart. Das bisher Dargelegte reicht aus, um zu verstehen, welche methodischen Schritte v. Balthasar wählt, um den neutestamentlichen Herrlichkeitsgedanken zu erfassen. Denn für den Gang seiner Untersuchung, den wir interpretierend nachvollziehen, ist die von ihm vorgenommene Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament maßgebend. Diese findet nunmehr ihren Niederschlag, indem v. Balthasar sie ebenso kühn wie tiefsinnig als methodischen Schlüssel für die Bestimmung des Verständnisses von „Herrlichkeit" im Neuen Testament verwendet. Das Ergebnis ist einigermaßen überraschend. Wir zeichnen den methodischen Ansatz, wie er im letzten Band von „Herrlichkeit" (Neuer Bund) durchgeführt wird, in den Grundzügen nach. Das, was im Neuen Testament als „Gottes Herrlichkeit" in Betracht kommt, läßt sich nicht ohne die Vielzahl der alttestamentlichen Bilder verstehen, die zunehmend divergierend um den Sachverhalt „Herrlichkeit" kreisen. Andernfalls dürfte das Neue Testament nicht als Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen oder VorBilder gelten. Es läßt sich andererseits aber auch nicht bruchlos aus den alttestamentlichen Bildern ableiten, denn zwischen den Verheißungen und der Erfüllung liegt ein eschatologisches Ereignis, das die Erfüllung als „Neuschöpfung" (NB 22) qualifiziert und die alttestamentlichen Bilder in ihrer Vorläufigkeit als Verheißungen allererst konstituiert. Aus beiden Tatbeständen sind für die Bestimmung des neutestamentlichen Herrlichkeitsverständnisses methodische Konsequenzen zu ziehen. 1. Der „radikale Schnitt zwischen den Sphären der Verheißung und der Erfüllung" (NB 23f) läßt es nach v. Balthasar zumindest geraten erscheinen, nicht philologisch einzusetzen, also von der Bezeichnung 5ö£a als neutestamentlichem Äquivalent für das alttestamentliche „Kabod" auszugehen. Vielmehr ist „primär die Sache selbst zu bedenken..., die dann nachträglich abermals den alten Ausdruck, aber mit neuem Gehalt gefüllt, an sich ziehen mag" (NB 24). Nun kann diese methodische Anweisung freilich überhaupt nichts austragen, wenn diese Sache völlig unbekannt ist. Sie ist nach v. Balthasar jedoch von vornherein benennbar: Es ist die „Sache..., die nicht den Namen Herrlichkeit, sondern den Namen Jesus Christus trägt" (NB 25). Wie aber ist nach ihm zu fragen, sofern nach ihm als der „Sache" zu fragen ist, der das Neue Testament die Bezeichnung „Herrlichkeit" allererst beilegt? 2. Dies kann der Balthasarschen Auffassung gemäß angemessen nur so geschehen, daß bei der Fragestellung zugleich mit dem „Sprung" zwischen Altem und Neuem Testament auch der „Kontinuität" Rechnung getragen wird. Auf dieser Einsicht basiert der elementare Grundsatz: Was der Sache nach im Neuen Testament „Herrlichkeit" heißt, ist die „Erfüllung" der alttestamentlichen Bilder durch
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einen Neubeginn bei deren „Urprüngen"34. Nach Jesus Christus als der „Sache" der neutestamentlichen „Herrlichkeit" fragen heißt darum, nach ihm als demjenigen fragen, in dessen Person sich dieser Neubeginn aus den Ursprüngen der alttestamentlichen Bilder, Vorstellungen und Gestalten, die die „Herrlichkeit Gottes" umkreisen, vollzieht. Nun hatte v. Balthasars Untersuchung des Alten Testaments als ursprüngliche Bedeutung (von Kabod) die „einer sich geistig wie sinnlich aufdrängenden Wucht von Gegenwart" eines „geradezu physisch-elementar sich bekundenden ungeheuren Ich, dessen Freiheit und Lebendigkeit in seiner Anrede, seinem Anspruch von vornherein sich rechtes Gehör verschafft" (NB 22) festgestellt. Aus diesem Grunde stellt sich ihm die Frage nach der „Sache" der Herrlichkeit im Neuen Testament als Frage nach der Person Jesu, sofern sich in ihrem Leben und Sterben jene „Wucht der Präsenz" auf bestimmte, den alttestamentlichen Ursprung gewissermaßen noch einmal auf dessen intentionalen (göttlichen) „Ursprung" rückführende Weise manifestiert. Der Autor von „Herrlichkeit" meint, sich mit dieser Fragestellung als dem (entscheidenden) Ausgangspunkt für die Bearbeitung der neutestamentlichen Herrlichkeitsproblematik geradezu im Einklang mit der Erfassung des Problems durch die Synoptiker zu befinden, „die das Ereignis Jesu zunächst ohne (präsentische) Verwendung des Begriffs .Herrlichkeit' vorstellen, indem sie ganz neu dort einsetzen, wo Gottes Selbstvergegenwärtigung begonnen hatte: bei der Wucht der Präsenz, dem An-druck und Ein-druck des anwuchtenden Ich, seiner Gewalt und Voll-macht" (NB 24). Es ist nicht weniger als eine Christologie in nuce, die v. Balthasar zum Ausgangspunkt seiner Bestimmung des neutestamentlichen Herrlichkeitsverständnisses macht35, wenn - vorgeblich mit den Synoptikern - „zur Kennzeichnung des Abstandes zwischen alt- und neutestamentlicher Herrlichkeit eine Pause der Besinnung eingelegt wird, die den Rückgang in die ursprüngliche Bedeutung fordert" (NB 25). Auf ihrem Hintergrund werden dann in einem zweiten Teil34 die expliziten neutestamentlichen Herrlichkeitsaussagen auf ihren Gehalt hin thematisiert. Diese haben - wie zu zeigen sein wird - als „Rückauswortung" (NB 140) der (zunächst zu behandelnden) „Sache" zu gelten, und genauerhin als die „Selbstauslegung" (NB 222) von deren „Wucht" im Medium der Kirche. Die solchermaßen gewonnene Approximation an die neutestamentliche Bedeutung von 5o£ a erlaubt es dann, abschließend in einem dritten Teil37 das Verständnis von im Neuen Testament zu erörtern.
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NB 24: „So muß auf der Ebene der Erfüllung geradezu erwartet werden, daß Gottes Handeln, in dem er sich selber endgültig darstellen und seinen endgültigen Bund aufrichten will, nicht an das Ende des Alten anknüpft, sondern aus den Ursprüngen neubeginnt, damit offenbarend, was er in seiner ersten Initiative eigentlich intendiert hatte". 33 NB 29-217. * NB 221-359. " N B 363-511.
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Voraussetzungen
Die vorliegende Untersuchung wird dem Balthasarschen Aufriß des dem Neuen Testament gewidmeten Bandes von „Herrlichkeit" im wesentlichen folgen.
2.2 Der hermeneutische Schlüssel zur Bestimmung derjenigen Gestalt, die der Sache nach ist, was der neutestamentliche Herrlichkeitsbegriff meint Das bisher über das Verhältnis von Altem und Neuem Bund Ausgeführte weist die Auffassung ab, als ob die Erfüllung des Alten Bundes durch Jesus nichts anderes sei „als die geläuterte Zusammenfassung und darin auch Überbietung der vorhandenen Ansätze" (NB 69). Zwar scheint in den Evangelien an zahlreichen Stellen ein „ebenerdig[es]" Verhältnis von Verheißung und Erfüllung vorzuliegen, das sich „auf der Ebene des .Prophetischen'" verstehen läßt (NB 70). Denn in der Tat gibt es in den Evangelien eine gewisse Tendenz, das Schicksal Jesu analog zum Schicksal der alttestamentlichen Propheten zu schildern. Doch bleibt dabei zugleich unübersehbar, daß die Evangelienschreiber Jesu Sendung letztlich nicht als prophetische - und sei es als die des propheta maximus et perfectissimus - verstanden wissen wollen. Das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen der Sendung der alttestamentlichen Propheten und der Sendung Jesu liegt darin, daß die alttestamentlichen Propheten ihre Botschaft zwar unter Einsatz ihres Lebens ausgerichtet hatten, Jesus aber „auf seinen Tod hin" (NB 72) verkündigt. Jesu Verkündigung schließt nach v. Balthasar nicht nur die bewußte Bereitschaft zum Tode ein, sondern versteht sich selber als eine Art Vorlauf in diesen Tod, auf den hin sie (im Sinne ihres pondus) ganz und gar ausgerichtet ist. Aus diesem Grund erscheint es v. Balthasar problematisch, Jesu Schicksal primär in der Dimension des Schemas von Verheißung und Erfüllung begreifen zu wollen: „Beides sind ,Worte'..., aber der Tod Christi ist kein Wort mehr; er ist Schweigen. Schweigen und Tod Gottes als Erfüllung des redenden, verheißenden, lebendigen Gottes." (NB 72f) Der Tod Jesu, zu dem wie zu jedem Tod „eine Endgültigkeit" (NB 73) gehört38, sprengt das
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Auch die Auferstehung darf ja nicht einfach als „die Fortsetzung (nach drei Tagrai) des vorher Gesprochenen oder Getan«!" (NB 73) verstanden werden. Eindringlich beschreibt v. Balthasar die Wirklichkeit des Todes Jesu in seiner Studie: Mysterium Paschale, in: Mysterium Salutis. Grundriss heilsgeschichtlicher Dogmatik, hg. von J. Feiner und M. Lohrer, Bd. IU/2: Das Christusereignis ( = MP), Einsiedeln/Zürich/Köln 1969,133-326; vgl. bes. den Abschnitt: Der Hiatus (159-161): „Dieses Totsein des menschgewordenen Wortes ist nicht eine Situation des Lebens Jesu unter andern, als ginge das für kurze Zeit unterbrochene Lebrai am Ostertag einfachhin weiter... Zwischen eines Menschen Tod, der definitionsgemäß sein Ende ohne Wiederkehr ist, und dem, was wir Auferstehung nennen, besteht keine Kommensurabilität. Zunächst muß das ernst genommen werden: wie ein Mensch, der stirbt und begraben wird, stumm ist und nichts mehr kundtut und vermittelt, so dieser Mensch Jesus, der das Reden, die Kundgabe und Vermittlung Gottes war: er stirbt, und das, was in seinem Lebrai Offenbarung war, bricht ab." (AaO., 159)
Der hermeneutische Schlüssel
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überschaubare Verhältnis des Schemas von Verheißung und Erfüllung. Daß angesichts der „Endgültigkeit" dieses Todes ein neues Verhältnis möglich sein soll, ist das auch und gerade vom Alten Bund her Unausdenkbare. Hatte doch v. Balthasar als Summe seiner alttestamentlichen Untersuchungen festgestellt (AB 373): „der Erscheinung der Herrlichkeit Gottes ist im Alten Bund eine klare, unüberschreitbare Schranke gezogen: das Nichtbewältigtsein des Todes."39 Das integrierende Zentrum der Existenz Jesu, das zugleich auch das Integral des Alten Bundes ist, ist sein Tod. Das Gestaltgebende ist gerade das Gestalt/rae. Und die Gestaltannahme des Alten Bundes „im Augenblick, da dies Unvorstellbare geschieht", im Moment des „Zusammenpralls der absoluten Wucht Gottes mit dem Andern, das mit Gott nichts gemein hat" (NB 75), kann im Schema von Verheißung und Erfüllung nur sekundär und geschichtsphilosophisch gar nicht begriffen werden. So ist also nach v. Balthasars Auskunft die hermeneutisch entscheidende „Ortsbestimmung"40 jeder alt- und neutestamentlichen Theologie der Tod Jesu, in dem oder auf den hin „das gesprochene Wort .zusammengezogen und verkürzt'" (NB 76) wird41. Denn im Tode Jesu „wird die eigentliche Kunde laut", wird „ein Ereignis Gottes im wörtlichsten Sinn sichtbar" (NB 77). Im Augenblick, in dem das „im Schrei aufs höchste gesteigerte, deshalb nicht mehr artikulierte Wort" verstummt, „brechen die aT\ayx"a deov, die letzten Wirklichkeiten im Herzen Gottes, hinter denen es nichts mehr gibt, auf; so daß im Tod und in ihm allein Sprache wird, was im Leben (solange das Herz sich bewahren muß, um sprechen zu können) unaussprechlich bleibt" (NB 77)42. Das innerste Geheimnis des christlichen Glaubens ist darum nicht eigentlich sagbar, sondern „soll in der kategorialen Erfahrung und Schau des durchbohrten und ausfließenden Herzens .betroffen' geschaut werden" (NB 78). Zwar ist an und durch Ostern „dieses nicht mehr sagbare Wort erneut in sagbare, sogar zu sagende 39 Gerade dies macht nach v. Balthasar „die innere Unmöglichkeit des ganzen Altai Bundes" (NB 73) aus, daß der Gott, der (nach Mt 22,32) „nicht ein Gott der Total, sondern der Lebendigen" ist, einen Bund mit sterblichen Menschen geschlossen hat. Die auf der Verheißung beruhende „Hoffnung Abrahams ist in einem viel tieferen Sinn ,wider alle Hoffnung', als ihm selbst bewußt werden konnte: für ihn ging sie auf weltweite Nachkommenschaft; in sich selbst aber forderte sie Sprengung der Todesgrenzen, die als solche doch konstitutiv zum Menschen gehören." (AaO., 73f) Diese Problematik aber, die über die alttestamentliche hinaus „den unerträglichen Widerspruch" markiert, „der quer durch die Gestalt des Menschen hindurchgeht: daß er, der Unsterbliches kennt und berührt, dennoch stirbt" (aaO., 75), kann auch die Philosophie „nicht aufrechnen durch ein allgemeines Gesetz der Umschlagsdialektik: Gott soll in sein Gegenteil umschlagen, um durch dieses hindurch er selbst zu werden" (aaO., 74). * So die Überschrift zu NB 69-104. 41 Von Balthasar bezieht sich mit dieser Wendung auf die Väterexegese von Rom 9,28. Origenes, Gregor von Nazianz und Maximus Confessor haben die in Rom 9,28 nach Jes 10,23 LXX zitierte Stelle christologisch verstanden: aus verbum consummans und abbrevians (Vulg.) wird das auf den Tod „zusammengezogene und verkürzte" fleischgewordene Wort; vgl. NB 76f, Anm.20. 42 Von Balthasar spielt auf den in Joh 19,33f geschilderten Lanzraistich an: „Blut und Wasser strömen nach außen, Gott selbst ergießt sich, ergießt den Bund, der eine Zweiheit voraussetzt, nach außen." (NB 77)
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Künderworte verfügt" (NB 78) worden. Aber dennoch soll und muß „der Hiatus des Schweigens, des Un- und Überwortes ... durch alle Worte hindurch gegenwärtig und beherrschend" bleiben, „als das einzig wesentlich Anzudenkende: .Wissen um die alles Wissen übersteigende Liebe' (Eph 3,19)." (NB 78) Daß das Neue Testament seine - zugleich das Alte Testament synthetisierende - Mitte in triduo mortis hat, muß aufgrund seiner Befremdlichkeit - und bei aller Befremdlichkeit zugleich doch auch Stimmigkeit - als unerfindbar betrachtet werden. Es ist wie ein „Volltreffer", den die nachösterliche Gemeinde „nicht durch Berechnung erzielt" hat, sondern der ihr „wie pures Glück zufällt" und „dessen Höhe und Fülle" sie „erst allmählich für Wahrheit und keinen Traum zu halten beginnt" (NB 79). Dieser „Volltreffer" ist es denn auch, der verständlich macht, daß „in neutestamentlicher Theologie alles ineinander" (NB 79) liegt, Jesus also von vornherein als der Messias und Sohn Gottes zur Sprache kommt. Darum kann die historisch-kritische Exegese lediglich einige Schritte aufdecken, „über die die Uigemeinde zur Ausfaltung des Gehaltes dessen emporschritt, was sie selbst, in einer ersten Urintuition, entdeckt hatte: daß ,Jesus', .Messias' und ,Sohn Gottes' zur Deckung gekommen waren" (NB 79f). Diese „Deckung" aber „war kein .Fund', der sich nachträglich durch Reflexion rechtfertigen und beweisen ließ" (NB 80), sondern Gnade. Darum hat historisch-kritische Exegese ihr theologisches Recht nur „so lange, als sie sich als Moment innerhalb der zu sich selbst kommenden Intuition des Glaubens verstehen läßt und selber versteht" (NB 80). Wir werden auf diese Auskunft zurückkommen müssen.
2.3 Die Kirche als die Gemeinschaft derer, die die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit" ist, zu schauen vermögen. Ein einführender Überblick Im Alten Bund war der Empfänger der Offenbarung des göttlichen Kabod das geschichtliche Volk Israel, und die Ästhetik des Alten Bundes war die Stimmigkeit zwischen göttlichem Dabar und lobpreisender Antwort des Volkes vor dem Forum der ganzen Welt und stellvertretend für sie43. Aber das Verhältnis Jahwes zu sei-
43 Vgl. NB 81. Daß hierin das (inneralttestamentliche) Ziel einer „Ästhetikdes Alten Testamentes" liegt, behauptet und beschreibt v. Balthasar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf entsprechende Ausführungen G. v.Rads. Vgl. AB 189-195. Vgl. auch G. v. Rad, Theologie des Altai Testaments Bd.I, 367-382, bes. 375-379. Von Rad stellt die These auf, daß um der „Konzentration des Schönheitserlebnisses auf die Credenda willen ... Israel in der Geschichte der Ästhetik eine besondere Stelle" (aaO., 377) einnimmt. Für Israel ist in der Schöpfung „alles herrlich, zwecklos herrlich", sofern die Dinge nämlich „in ihrem Bezug zu Gott sichtbar wurden" (ebd.). Jahwes Theophanie ist herrlich, die Heilsgüter, „schließlich der Mensch selbst, wenn er sich als Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens erkennen durfte" (aaO., 378). Es gibt darüberhinaus sogar eine verborgene Herrlichkeit auf Seiten des Gottesknechtes, es vermochte „Israel auch in der tiefsten Entäußerung des
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nem Volk und mittelbar zu den Völkern bleibt, „bei aller Geschichtswerdung, Wortgeschehen" (NB 82). Die Knechte, die den göttlichen Dabar vermitteln, werden im Alten Bund nicht mit dem Wort identisch. Eine Identität von Herr und Knecht ist erst Sache des Neuen Bundes und weder vom Denkschema des „Gottesknechtes", noch von dem des „Messias" oder des danielischen „Menschensohnes" inauguriert. Als Identität bedingt sie jedoch auf Seiten des „neutestamentlichen Empfangssubjekts" eine gegenüber dem alttestamentlichen „veränderte Struktur" (NB 83). Diese ist nach v. Balthasar im Anschluß an Paulus mit Hilfe des Leibgleichnisses und des Ehegleichnisses zu beschreiben, und zwar so, daß sich beide Gleichnisse und die sie tragenden Begriffe „Leib" und „Braut" gegenseitig interpretieren. Wo liegt der Unterschied zwischen neutestamentlichem und alttestamentlichem „Empfangssubjekt"? Im Alten Testament wird das Gegenüber Jahwes „vorwiegend als ,Volk' und als ,Haus' verstanden" (NB 83), das durch Knechte Jahwes regiert wird. Und wenn von Israel im Alten Testament als der „Braut" Jahwes gesprochen wird, so bleibt diese Bezeichnung „ein ethisch-juristisches Bild..., bedingt durch das personale Gegenüber" (NB 84) und das gegenseitige Treueverhältnis der Bundespartner. Wenn Paulus hingegen vom neutestamentlichen „Empfangssubjekt", der Kirche, als „Leib" spricht, so spricht er damit von einer Größe, die mit dem fleischgewordenen Christus als ihrem Haupt geeint ist, wobei jene Einigung einerseits so intim wie im Verhältnis von Mann und Frau, Braut und Bräutigam („Ein-Fleisch-Sein") gedacht werden darf und muß, andererseits zugleich „die radikale Opposition zwischen Haupt und Leib" (NB 85), d.h. das Faktum, daß Christus den Leib allererst konstituiert, mit einschließt. Um dies zum Ausdruck bringen zu können, „bedarf" Paulus darum „beider biblischen Aspekte des Geschlechterverhältnisses: 1. daß die Frau (Eva) leibhaft aus dem leiblichen Adam stammt (lKor 11,8; hintergründig vorausgesetzt in Eph 5,28.32), also aus einem Fleisch zwei Personen hervorgehen, und 2. daß ... (Gen 2,24 = Eph 5,31) ... aus zwei Personen ein Fleisch wird" (NB 83, Anm.3)44. Ist aber die Kirche als neutestamentliches „Empfangssubjekt" die Braut ihres Hauptes in dem Sinne, daß sie mit ihm aufs intimste vereinigt wird, dann „hat die Bräutlichkeit des die Offenbarung empfangenden Subjekts notwendig eine der Inkarnation des Wortes Gottes analoge Inkarnation vollziehen müssen" (NB 84). Diese ist nach v. Balthasar in Gestalt der Maria geschehen. Denn allein in Maria sind die „beiden Postulate" (NB 85) jener „analogen Inkarnation" erfüllt: Die Ein-
Waltens Gottes noch Herrlichkeiten wahrzunehmen" (aaO., 379). Und es bedeutet nun wiederum andererseits für den alttestamentlichen Menschen „eine ästhetische Erfüllung, wenn er die von Gott der Welt und dem Maischen zugewandte Herrlichkeit im Lobpreis zurückgeben darf" (aaO., 377). 44 Die Bezeichnung „Haus" und „Volk" lcann daher für die Kirche nur „analogisch weitergebraucht werden" (NB 84). Dies nicht ausreichend erkannt zu haben, stellt v. Balthasar im Blick auf die Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium" des 2. Vatikanischen Konzils kritisch fest (vgl. NB 84, Anm.4).
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heit von Bräutigam und Braut „muß, da Jesus als Wort und Sohn des Vaters Einer ist, im Zentrum ebenfalls personal sein" (NB 84)45, und das empfangende Subjekt muß Gott die vollkommen „exakte Antwort" geben, „die der fleischgewordenen Gottesgerechtigkeit... entspricht" (NB 85). Insofern Maria die das alte Bundesvolk rekapitulierende Person ist, die „in .Vorerlösung'" durch ihr vollkommenes Jawort „zugleich Mitbedingung zur Menschwerdung wird", ist in ihr „das Ein-Fleisch-Sein verwirklicht, und doch gerade darin die radikale Opposition zwischen Haupt und Leib, Herr und Magd, Bräutigam und Braut" grundgelegt (NB 85)^. Kirche als „Subjekt des Offenbarungsempfangs" (NB 91) ist jenes Gebilde, das in der Einheit von Christus und Maria seinen Kern hat. Kirche ist zugleich nicht anders Kirche als „in einem dynamischen Übergang zwischen dem Volkstum des alten Israel und der Gesamtmenschheit" (NB 85). Ihr keimhafter Beginn liegt im Nachfolgeruf des irdischen Jesus. Durch ihn wurden seine Jünger „in die Vollkommenheit des alttestamentlichen Glaubens" eingeübt, und zwar so, daß Jesus zugleich „der bevollmächtigte Verwalter und Vermittler dieses Glaubens ist" und der „Gehorsam an Gott unvermerkt übergeht in Gehorsam an ihn, verkündigender Jesus unvermerkt in verkündigten Christus" (NB 86)47. Sieht man zunächst einmal von der Problematik des Kreuzestodes für die (vorösterlichen) Nachfolger Jesu ab, so waren die Jünger nach Meinung v. Balthasars „auf jeden Fall ... innerlich vorbestimmt" - und „vorbestimmt" meint in diesem Zusammenhang so viel wie „eingestimmt" - , „über sich selber in das Gesamte der Menschheit hinauszuschreiten" (NB 87). Nach Ostern, genauerhin an Pfingsten begriff die Kirche lumine spiritus sancti die Universalität der Sendung Christi „aufgrund seiner universalen Liebe zu allen" in ihrem wahren Ausmaß und lernte den lieben, der „in seinem Tod den ganzen Willen des Vaters, wie er im Gesetz stand, und das ganze Gericht des Vaters über das nichterfüllte Gesetz übernommen hatte" (NB 87). Diese Liebe ist
43 Das heißt, „sie kann nicht, wie im Alten Bund, die bloße ,physische' Einheit eines Kollektivs sein" (NB 84). 46 Dieses personale Zentrum von Haupt und Leib ist nach v. Balthasar der wesentliche Unterschied zum „Ungefähren und Kollektiven, das den .oftmaligen und mannigfachen Worten Gottes an die Propheten und Väter* (Hb 1,1) entsprechen mochte. Irgendwo muß es, im Namen der gesamten Menschheit, das innerlich grenzenlose Jawort zum ganzen, alles Verstehen immer neu übersteigenden letzten Gotteswort geben..." (NB 85) Wir kommen auf die hier nur angerissene Mariologie v. Balthasars zurück. 47 Dieses „unvermerkt" soll nicht besagen, daß der Übergang von vorösterlichem „Glauben" zum nachösterlichen Glauben gewissermaßen nahtlos vonstatten gegangen ist. Von Balthasar behauptet aber unter Berufung auf H. Schürmann (Die vorösterlichen Anfänge der Logientradition, in: ders., Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien. Beiträge, Düsseldorf 1968, 39-65), daß es auf Seiten der vorösterlichen Nachfolgegemeinschaft eine Art „bekennendes Vorwissen" oder wenigstens eine vorösterliche „messianische .Vermutung'" (Schürmann, aaO., 49) gegeben habe, ohne den der „scheinbar schrof¥e[...] Ubergang vom vor- zum nachösterlichen Glauben ... gar nicht möglich gewesen" (NB 86, Anm.7) wäre. Worin diese „implizite Christologie" sich nach v. Balthasar im Leben Jesu manifestiert, wird zu klären sein. Ebenfalls der Klärung bedarf die Frage nach dem „Glauben" Jesu und seiner Vermittlung an die Jünger.
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als tätige, gelebte Liebe zu Gott und dem Nächsten nichts anderes als das Zuendeführen jener „Logik..., die vorösterlich mit dem .Alles (um seinetwillen) verlassen' begonnen hatte" (NB 88). Sind die Bezüge zwischen vorösterlicher Nachfolgegemeinschaft und nachösterlicher Kirche aber so eng wie behauptet, dann wird die Situation der frühen Kirche verständlich als ein Gang „durch ein wahres Labyrinth von Zusammenhängen" (NB 88). Im Lichte von Ostern sieht die junge Gemeinde vorher allenfalls geahnte Zusammenhänge zwischen Jesus und dem Alten Testament, sieht sie auch die Beziehungen zwischen Worten und Verhaltensweisen des irdischen Jesus. „Tausend Rinnsale von Sinn" tun sich ihr auf, ein Sachverhalt, in den die historisch-kritische Methode „einige Blicke tun" lassen kann (NB 88). Die „tausend Rinnsale von Sinn" sind - später - zusammengeflossen, als die Kirche „wie unabsichtlich" (NB 90) die neutestamentlichen Schriften hervorbrachte. Das Neue Testament ist dasjenige „Modell" des Ereignisses der Offenbarung und des rechten Verhältnisses der Kirche zu Jesus Christus, das der Kirche „vom Heiligen Geist des ersten richtigsitzenden Verstehens geschenkt wurde" (NB 90). An diesem Modell hat sich auch die theologische Tradition zu orientieren, jene Tradition, die - man beachte die feinsinnige Formulierung - „den einen unfehlbaren roten Faden durch das Labyrinth der Zeiten, der Umformulierungen, situationsbedingten Anpassungen behält" (NB 92). Der Schrift zeitlich voraus geht der Apostel. Zunächst ist er das „Modell" des Verhältnisses von Christus und seiner Kirche48. Besonders deutlich wird dies an und bei Paulus49. Sein Vorbild und seine Autorität, die für jede Autorität in der Kirche maßgeblich sind, bestehen in nichts anderem als der „vergegenwärtigende^] Erinnerung an die Wucht der in Tod und Auferstehung Christi sich uns erschließenden, sich für uns ereignenden Liebe Gottes: im Anwuchten dieses neuen Kabod wurzelt die .Autorität' in der Kirche" (NB 89). Erinnerung ist das apostolische Modell in der Funktion, Nachahmer zu finden: das apostolische „Zeugnis von der anwuchtenden Liebe Gottes" wird „zum bindenden, einfordernden Hinweis" (NB 89). Aus dieser Mittlerstellung des Apostels, die sich in der von v. Balthasar konstatierten Tatsache äußert, daß dogmatische und paränetische Aussagen seiner Briefe einander „fordern"(NB 89), folgert eine Art Grundgesetzlichkeit im Blick auf das Neue Testament: es „erscheint die dogmatische Wahrheit im Neuen Testament nie abstrahiert von ihrer ekklesiologischen Hülle und Spiegelung" (NB 89). Die Konsequenzen werden vorerst nur angedeutet; sie liegen freilich auf der Hand50.
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Er wird in gewisser Weise durch die Schrift abgelöst, aber - apostolische Sukzession! - doch nur bedingt. 49 Von Balthasar verweist auf den Zusammenhang von Phil 2,2-8.17; 3,4ff und 3,17; vgl. NB 88f. 50 So kann etwa die Lehre von der iustificatio (sola) fide nur dort recht verstanden werden, wo „der paränetische Teil von der gegenseitigen liebe der Leibesglieder zu reden beginnt" (NB 90): Iustificatio fide caritate formata. Auch die Christologie ist - wie zu zeigen sein wird - nur im Rahmen der Ekklesiologie durchführbar und denkbar.
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Was die Kirche im Laufe der Zeit als „Subjekt des Offenbarungsempfangs" erhält und zusammenhält, ist die ihr „in der Tiefe .unbefleckt' und .unfehlbar' eingestiftetfe]" (NB 92) Einheit51, die sich nach außen hin manifestiert in der Eucharistiefeier. Ist doch die eucharistische „Gemeinde je geschart um den Apostel oder dessen Nachfolger und Vertreter" (NB 91). Dieser - letztlich ist das der Nachfolger Petri - repräsentiert „die Wucht der .Vollmacht' Christi kirchlich", so daß die Kirche in einer „paradoxen Sichtbarkeit-Unsichtbarkeit" existiert52: das sichtbare „Petrinische ist ... Transparenz nach außen" der unsichtbaren „innern Bräutlichkeit, Fraulichkeit und Mütterlichkeit der Kirche", die ihrerseits „die (leibgewordene, eucharistische) Präsenz der kircheschaffenden Gegenwart der Liebe Gottes in Christus in ihrem Schoß" bezeugt (NB 91). Theologie ist eine Funktion der Kirche. Sie stellt einerseits den Versuch des christlichen Glaubens dar, sich selber - in einem nicht definitiven Sinne - verständlich zu werden. Sie hat andererseits die Aufgabe, das Geheimnis Jesu Christi „gegen die überall lauernden Fehldeutungen" (NB 91) zu verteidigen und zu schützen, um so zur Förderung und Reinerhaltung von kirchlichem Gebet und kirchlicher Verkündigung ihren Beitrag zu leisten. Rechte Theologie wird, da es sich beim Christusmysterium um ein von keiner Reflexion einzuholendes Geschehen handelt, das zwar gedeutet werden kann und muß, aber nicht ausgedeutet zu werden vermag, niemals ein letztes Wort zu sein beanspruchen. Dies gilt nach v. Balthasar sowohl für die „innerbiblische" Theologie als auch für die „spätere kirchliche" (NB 93). Es ist „gerade diese Gestalt", nämlich ein etwas deutendes Wort und doch ein dieses Etwas nicht abschließendes Wort zu sein, das „Zeichen ihrer Echtheit" (NB 94). Die Theologie entspricht damit - in der Sprache der Schule geredet ihrem Formalobjekt. Historisch gesehen haben nach v. Balthasar vor allem zwei Faktoren die Entstehung christlicher Theologie befördert. Zum einen die Deutungsmöglichkeit des Christusgeschehens auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Verheißungen, „um im .Sprung' vom Alten zum Neuen immer neu und anders den Abstand des Erfüllenden von allem Verheißenen und trotzdem die Einheit des Werkes Gottes zu ermessen"; zum anderen die mit der Aufgabe der Heidenpredigt sich ergebende Notwendigkeit, „endgültig den Schritt aus dem innerbiblischen Denken in das (hellenistische) Menschheitsdenken hinaus zu tun" (NB 94). Dieser Schritt erfolgte in mehreren Etappen. Zunächst wurde (durch die Apologeten) der falschen Gnosis die wahre, „innerbiblische Gnosis, nämlich das Verstehen des Darüberhinaus der Erfüllung über alle Verheißung" entgegengestellt und auf diese Weise durch Sicherung der Kontinuität von Altem und Neuem Bund „das Christliche als all-mensch51
Sie kann in der empirischen Kirche „bis zur Unkenntlichkeit" (NB 92) verstümmelt sein. Zweifellos steht v. Balthasar bei dieser Formulierung die reformatorische Unterscheidung von ecclesia visibilis und invisibilis vor Augrai. Freilich ist auch der Unterschied zur reformatorischen Lehre unverkennbar: die Unsichtbarkeit der Kirche wird von ihrer Sichtbarkeit her verstanden, nicht - wie es reformatorischer Lehre entspricht - umgekehrt. 52
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lieh belangvoll erwiesen" (NB 95). Dieser ersten Etappe bloßer Konfrontation folgte eine zweite, „um das philosophische Denken auf seinem eigenen Boden nicht nur zu schlagen, sondern es für das Mysterium selbst in Dienst zu nehmen" (NB 96). Das haben die Ökumenischen Konzilien von Nicäa, Konstantinopel, Ephesus und Chalcedon geleistet. Hier wurde eine Übersetzungsarbeit „der aktualgeschichtlichen Begrifflichkeit der (vorwiegend semitischen) Bibel in eine Begrifflichkeit des voll-offenen, nicht hintergreifbaren Seinshorizonts" geleistet, die es ermöglichte, zum Ausdruck zu bringen, „daß mit Tod und Auferstehung Christi und mit der Ergießung des innergöttlichen Geistes über Kirche und Welt die höchste (der Philosophie unzugängliche) Selbsterschließung des absoluten Seins erfolgt ist" (NB 97). Parallel zu dieser sich allmählich entwickelnden Theologie, die v. Balthasar die „konziliar-dogmatische" nennt, entsteht die von ihm sogenannte „Theologie der Heiligen Schrift" (NB 98). Es handelt sich dabei um die im wesentlichen von Orígenes durchgeführte Exegese auf der Grundlage des vierfachen Schriftsinnes53. Sie ist nicht nur die für Patristik und Scholastik beherrschende Auslegungsmethode geworden, sondern hat erhebliche Bedeutung auch für die Theologie der Gegenwart: jene „biblische Theologie ... kann und muß es wagen, sich der dogmatischen Systematik als innere Form anzubieten" (NB 99)M. „Konziliar-dogmatische Theologie" und „Theologie der Heiligen Schrift" bilden somit die maßgebliche „Doppelgestalt von Theologie durch die Jahrhunderte hindurch" (NB 99). Wie aber erklärt es sich, daß die (neutestamentliche) Schrift, als deren „Fortführung die gesamte biblische und dogmatische Theologie der Kirche" (NB 102) anzusehen ist, selbst eine Vielzahl von „Theologien" in sich vereinigt? Von Balthasar antwortet, daß dies kein Zufall ist, sondern so sein muß. Dieses „muß" erhellt daraus, daß es sich bei der Entstehung des Neuen Testamentes um „Transpositionen" handelt, nämlich um die notwendigen „Transpositionen vorösterlicher Worte und Ereignisse in den (durch den Geist) geöffneten Verstehensraum der Kirche" (NB 100)55. Besaßen die vorösterlichen Nachfolger Jesu allenfalls ein „dämmerndes Verständnis" dessen, was sich in und mit Jesus von Nazareth vor 33 Die innerhalb dieser Auslegungsmethode zwischen sensus literalis und sensus spiritualis (allegoricus) waltende Relation repräsentiert dabei „das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Bund" (NB 98), wobei der sensus spiritualis sich bekanntlich noch einmal auseinanderlegt in den sensus tropologicus und den sensus anagogicus. 54 Dies begründet v. Balthasar teils kryptisch, teils nur zu verständlich damit, daß diese SchriftTheologie l.„den Sprung (zunächst von Verheißung und Erfüllung, aber tiefer von Tod und Auferstehung) mitten in sich" hat, 2.als tropologische Auslegung nicht vergißt, „daß alle historische wie dogmatische Theologie der christlichen Verkündigung und dem christlichen Zeugnisleben zu dienen hat" und 3.als anagogische Auslegung sich stets bewußt ist, „daß das ein für allemal geschehene Christusereignis nie hinter uns gebracht ist", sondern als die Zukunft von Kirche und Welt „vor uns steht, als die nie zu fassende Gnade zwar, aber darin auch als die immer neu drängende, Kirchenund Weltgeschichte bestimmende Forderung" (NB 99). 35 Die Balthasarsche „ Transpositionenlehre " bedarf einer eigenständigen Darstellung, s.u. Kap. 3.4.1.
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ihren Augen vollzog, so erschloß sich ihnen schlaglichtartig das Verständnis seines Lebens und Sterbens, der alttestamentlichen Bundesgeschichte und der eben erst entstehenden kirchlichen Gemeinschaft durch „die blitzende Ostererleuchtung" (NB 100). Dieses Verständnis spricht sich aus „in den ersten Urzeugungen des Dogmas" - v. Balthasar spricht in diesem Zusammenhang gerne von der „theologischen »Synthesis a priori'" (NB 102)54 - , manifest geworden in Sätzen wie: „Christus ist der Kyrios". Alle neutestamentliche und alle spätere biblisch-dogmatische Theologie der Kirche sind Explikationen dieses „Dogmas" oder dieser „Synthese"57. Zur Vielzahl der neutestamentlichen Theologien kommt es also - muß es kommen weil die „blitzende Ostererleuchtung" entsprechend ihrem Gegenstand ein Übermaß an (nicht etwa eine Defizienz von) Verstehen erzeugt. Wenn sich dieses Verstehen der Kirche „stufenweise" (NB 100) erschließt, so ist dieses „stufenweise" nicht zu verstehen im Sinne von einander ablösenden „Verständnisstufen", sondern im Sinne eines „von vornherein" bestehenden „Nebeneinander[s] von Theologien mit verschiedenen Verstehenszentren, die die gleichen Grundelemente je anders um sich kristallisieren lassen" (NB lOOf). So kann v. Balthasar zwar von „auseinandertretenden Theologien" im Neuen Testament sprechen, doch besteht dieses Auseinandertreten nur in einer bis zum vermeintlichen Gegensatz vorangetriebenen „Akzentsetzung" (NB 101). Letztlich sind alle neutestamentlichen Theologien „untereinander verwandt", ja sie sind sogar „nachweislich ... auch literarisch voneinander beeinflußt" (NB 101), eine Behauptung, die v. Balthasar leider nirgendwo ernsthaft ausgeführt hat. So ist die Struktur des Neuen Testaments analog der Struktur der Kirche: „in der Vielheit eine Einheit, deren Lebensprinzip nur deshalb ihr einwohnt, weil es sie zunächst (als Haupt) übersteigt" (NB 101). Diese Strukturanalogie hängt aufs engste damit zusammen, daß Schrift und Kirche - wie oben dargelegt - die beiden vermittelnden gestalthaften Größen der Offenbarungsgestalt Jesus Christus selbst sind. Wir werden auf beide zurückkommen müssen.
* A priori beißt hier soviel wie „durch Glauben und nichts als Glauben" oder mit einer Balthasarschen Formulierung: durch „die innere Logik der Liebe im sich vollendenden Bund zwischen dem sich als Liebe eröffnenden Gott und dem ihn (durch Gottes Gnade im Glauben) empfangenden Menschen" (NB 102). 57 Vgl. dazu H. U. v. Balthasar, Die Wahrheit ist symphonisch. Aspekte des christlichen Pluralismus, Einsiedeln 1972, 53: „Wie in einer Urzeugung ist .das' Dogma, aus dem Verhalten Jesu und seinem Geschick abgelesen, von vornherein beisammen, um nachträglich in neutestamentlicher und späterer kirchlicher Theologie entfaltet zu werden. "
3. Die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit" ist 3.1 Geburtsgeschichte und erstes Auftreten Jesu als Beispiele für die Integration des vorgegebenen alttestamentlichen Stoffes durch die Offenbarungsgestalt Im Lichte des Neuen Testaments läßt sich erkennen, daß die Geschichte des Alten Bundes ein - dem alttestamentlichen Frommen allerdings zu keiner Zeit erkennbares - Telos hat: die Gestalt Jesu Christi. Erst in ihr wird das vorgegebene alttestamentliche „Material" synthetisiert. Diesen Vorgang exemplifiziert v. Balthasar an den synoptischen Berichten von Geburt und erstem Auftreten Jesu. Nach v. Balthasars Analyse wird das Auftreten Jesu von den Synoptikern in Gestalt eines Triptychons dargestellt1: In der Mitte die Taufe „als entscheidender Akt der schöpferischen Designation des Erfüllers" (NB 49); daneben die diesem Ereignis vorangestellte Geburtsgeschichte (Kindheitsgeschichte) und die mit der Taufe eng verknüpfte nachfolgende Erzählung von der Versuchung Jesu. Allen drei Teilen ist die Dynamik eines „Geschehenmüssens" (NB 49) eigentümlich, denn in allen drei Teilen wird die Geschichte Gottes mit Israel rekapitulierend zur Erfüllung gebracht. 1. Die Taufe Jesu muß als seine „Designation" (NB 49) verstanden werden. In dieser Funktion ist sie zugleich die „überholende Rekapitulation der gesamten Gerichtsverkündigung der Prophetie und schon des .Gesetzes'" (NB 52). Denn alle Gerichtsverkündigung zielte auf Umkehr angesichts des bevorstehenden Zorngerichtes Gottes. Ebenso hatte die mit der Gerichtsverkündigung verknüpfte Taufe des Johannes den Sinn einer rettenden Versiegelung vor dem nahen Gerichtstag. Indem Jesus in Solidarität mit seinen ihre Schuld bekennenden Mitmenschen und im damit verknüpften Gehorsam gegenüber der „aus der Prophetenstimme [des Johannes] ertönende[n] Gottesstimme" (NB 50) sich taufen läßt, wird an die Gerichtsverkündigung der Propheten angeknüpft, diese aber zugleich überboten. Denn die in der Taufe Jesu erfolgende Designation ist eine Designation dazu, „im Zornfeuer Gottes als holocaustum verbrannt zu werden: vom Wassergericht herkommend auf das Feuergericht hinschreitend (2Pt 3,6f)" (NB 52). Dies erhellt nach v. Balthasar,
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Allerdings fällt bei Mk die Kindheitsgeschichte; vgl. NB 49.
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wenn man die Worte der Himmelsstimme vom „geliebten Sohn" soteriologisch auslegt2, nämlich als Hinweis auf den (deuterojesajanischen) Gottesknecht, „der das abschließende Bild der alten Heilsgeschichte war und der als gehorsamer, stellvertretend Erniedrigter und deshalb Erhöhter zum Retter des Volkes wurde" (NB 51). Der sich gehorsam der Johannestaufe Unterwerfende, zu dem der Gott Israels sich (durch die bleibende Geistverleihung) als dem wahren Bundespartner bekennt, ist dazu erwählt und bestimmt, „der im endzeitlichen Feuer Gottes Getaufte" (NB 52) und so der Retter seines Volkes zu sein. 2. Theologische Reflexion führt zur Ausformung der Geburts- bzw. Kindheitsgeschichten Jesu, die ihre Notwendigkeit darin haben, jeglichen AdoptianismusVerdacht vom Bericht des Taufereignisses fernzuhalten. Matthäus und Lukas beschreiben die Koinzidenz der später von Johannes sogenannten Fleischwerdung des Wortes mit dem Ereignis von Empfängnis und Geburt auf jeweils eigentümliche Weise. Wir beschränken uns auf die Balthasarsche Sicht des lukanischen Evangeliums. Für das Lukasevangelium bezeichnend ist das „Stilmittel der transponierenden und dadurch aktualisierenden Anspielung auf entscheidende alttestamentliche Szenen und Aussagen" (NB 53)3. Das geradlinige Schema von Verheißung und Erfüllung wird durch die Hervorhebung der Überschwenglichkeit der Erfüllung gegenüber der Verheißung gesprengt. Dafür paradigmatisch hält v. Balthasar die (lukanische) Darstellung der Mutter Jesu, der auch andernorts stets sein besonderes Interesse gilt. Die Interpretation der lukanischen Mariendarstellung ist ein erstes sprechendes Beispiel dafür, wie bei v. Balthasar Exegese und Dogmatik ineinandergreifen. Lukas schildert nach v. Balthasar die Gestalt der Maria als aktualisierte Verkörperung der Tochter Zion4 und die jungfräuliche Empfängnis als eschatologische Überbietung der Einwohnung Jahwes in der Tochter Zion5. Berücksichtigt man
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D.h. nicht im adoptianisehen Sinne und nicht dogmatisch-trinitarisch. Blumig wird in diesem Zusammenhang noch einmal die Balthasarsche Veihältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament rekapituliert: Durch das lukanische Verfahren „wird der alte Text durchgehend zum Mutterboden, auf dem das neue Geschehen wächst, das seine Wurzeln tief darin einsenkt. Aber der Boden erweist seinen Sinn im Gewächs: gemeint in ihm war von jeher diese Frucht, die ihre Kraft und SüBe zwar aus ihm zieht und sie trotzdem sich selber verdankt." (NB 53) 4 Dies meint v. Balthasar der Engelanrede (xcüpe) in Lk 1,28 entnehmen zu können, die er im Sinne alttestamentlich-jüdischer Uberlieferung als Aufforderung zur Freude an die Tochter Zion deutet (vgl. z.B. Joel 2,21.23; Sach 9,9). Obwohl v. Balthasar mit dieser Deutung nicht alleine steht, dürfte doch das Urteil von H. Schürmann zutreffend sein (Das Lukasevangelium. Erster Teil. Kommentar zu Kap. 1,1 - 9,50, 4.Aufl. Freiburg/Basel/Wien 1990, 43f): „... bei der Alltäglichkeit dieses Grußes ... hätte jedenfalls ein griechischer Leser diese Anspielung nicht herausgehört"; „... der auszulegende griechische Text deutet nirgends an, daß in Maria typologisch die Repräsentantin der .Tochter Sion' gesehen werden soll". 5 Von Balthasar verweist hierfür auf den von den meisten Auslegern notierten Befund, daß das „Überschatten" durch die göttliche 6üea/xit; in Lk 1,35 in Ex 40,35 eine Parallele besitzt und dort auf die Kabod-Wolke bezogen ist. Doch wird man aufgrund des Parallelismus von Tvtvßct ctyiov 3
Geburtsgeschichte und erstes Auftreten Jesu
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dazu noch die sich im Magnificat (Lk 1,46-55) ausdrückende Gesinnung Marias, so ergibt sich als Balthasarscher Schluß: Die Gestalt der Maria ist die „Verkörperung des Gesamtvolkes in seinem glaubenden und hoffenden ,Rest'" (NB 55) und als solche die makellose, von Gott erwirkte „Voraussetzung des Hervorgangs des Messias" (NB 56). Eben jene Idealität der Voraussetzung für die Messiasgeburt, die Maria in ihrer Haltung reinsten Gehorsams gegenüber dem göttlichen Wort verkörpert, läßt sich nun aber - und die Theologie der lukanischen Texte ist dazu „geschmeidig genug" (NB 57)6 - nur so denken, wie die spätere Dogmatik es versuchte, indem sie eine „Vorerlösung" Marias namhaft machte: Die „absolut adäquate Entsprechung des Glaubens von Maria-Sion, wie sie für die adäquate Fleischwerdung des Wortes Gottes gefordert ist, ... ist nur denkbar aus einer geschenkten Reinheit, die sich dem Quell aller Reinigung, wie er am Kreuz fließen wird, im voraus verdankt", woraus zugleich erhellt, daß „Sion-Maria aber auch schon vorweg die reine Essenz der kommenden Kirche, ... aus Christi Leib und Geist entstehend, ein Leib und ein Geist mit ihm ist" (NB 57). Ist dies zweifellos das wichtigste Ergebnis Balthasarscher Exegese der lukanischen Kindheitserzählungen Jesu, so gibt es daneben doch noch weitere dogmatische Aufstellungen, die v. Balthasar in ihnen begründet sieht. So ist nach seiner Überzeugung durch die Verschränkung der Motive von Jungfräulichkeit (in der Verkündigungsgeschichte), Armut (in der Geburtsgeschichte) und Gehorsam (in der Darstellungsgeschichte) exegetisch das grundgelegt, was die kirchliche Lehre später als „Evangelische Räte" bezeichnen wird7. Und exegetisch noch verwegener: in der Geschichte vom Aufenthalt des zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,45-49), die (Lk 2,39f.51f) gerahmt wird von Notizen über das Heranwachsen Jesu in der Familie, zeichnet sich bereits die spätere Trennung der Kirche „in zwei für sie selbst unbegreifliche .Stände'" ab: „Weltstand bei der Familie" und „Gottesstand im Tempel" (NB 59). 3. Bei der auf die Taufe folgenden Versuchung Jesu handelt es sich nach v. Balthasar um eine innerliche „Übernahme der Situation Israels im Gottesbund" (NB 63). Der in der Taufe mit dem Geist Begabte und zum eschatologischen Retter Designierte tritt an die Stelle des alten Bundesvolkes. Die Versuchungsgeschichte und Svca/u; vipiarov in Lk 1,35 eher davon absdien müssen, „die Schechina mit der Gegenwart ... des .Sohnes Gottes' schlechthin gleichzusetzen und in der Überschattung durch die bvvaßiQ inf/ioTov die Inkarnation ausgesagt zu finden" (H. Schürmann, aaO., 53, Anm.87). So bleibt denn nur, dafi das alttestamentliche Motiv der verheißenen Geburt aus der Unfruchtbaren durch das Motiv der Geburt des Messias aus der Jungfrau eschatologisch überboten wird. 6 Wollte man es boshaft ausdrücken, so läuft die These von der „Geschmeidigkeit" biblischer Texte auf den simplen Satz hinaus: Alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt. 7 Die Evangelischen Räte in der Sicht v. Balthasars hat M. Scheuer dargestellt und in ihnen sogar ein Strukturprinzip der Balthasarschal Theologie gefunden: Die Evangelischen Räte. Strukturprinzip systematischer Theologie bei H. U. von Balthasar, K. Rahner, J.B. Metz und in der Theologie der Befreiung, Würzburg 1990, 22-153.
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berichtet daher von „Geschehnisse[n], die von Israel versucht, verfehlt, halb erfüllt stehengelassen wurden, und die jetzt, in einer einmaligen rekapitulierenden Übernahme bis zum Grund durchgestanden, durcherfahren und damit zu ihrer Fülle gebracht werden" (NB 63). Zur Erläuterung dieser überzogen anmutenden Auskunft weist v. Balthasar immerhin zu recht darauf, daß der Ort der Versuchung Jesu für die Interpretation der Versuchungsgeschichte Schlüsselfunktion besitzt: Jesu Verhalten ist antitypisch zum Verhalten Israels in der Wüstenzeit8. Wieso ist gerade an diesem Ort ein besonderer Anlaß zum Teipacr/io? gegeben? Die Wüste ist - schon für Israel - der Ort von Gottes unausweichlicher Nähe, die zugleich Heil wie Gefahr in sich birgt. Die Gefahr dieser Nähe liegt darin, daß Gott mit der Gewährung intimer Gemeinschaft dem Bundespartner sein Innerstes offenlegt und ihm die Schwäche zeigt, die er für seinen Bundespartner hat: „Deshalb kann der Partner versucht sein, eine Probe zu machen, wie weit seine Macht über diese Liebesschwachheit Gottes reicht." (NB 66) Wenn das für Israel galt, so gilt es für Jesus umso mehr9. Handelt es sich bei ihm doch um „die qualifizierte Versuchung des qualifiziert erwählten Knechtes und Sohnes..., dem ,von Rechts wegen' alle Macht über das Herz des Vaters zusteht" (NB 66). Im Gegensatz zu Israel erliegt Jesus dieser Versuchung nicht. Seine Antworten gegenüber den drei nur graduell verschiedenen Versuchungen zeigen vielmehr die völlige Identifikation mit dem Wort Gottes10, und so „tilgt er jede noch verbleibende Distanz zwischen dem .Mittler' und dem ,Wort'" (NB 66)11.
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Vgl. F. Neugebauer, Jesu Veisuchung. Wegentscheidung am Anfang, Tübingen 1986, 23: „... nächsten liegt offensichtlich eine heilsgeschichtliche Antitypik zur Wüstenzeit Israels". Mit einer Reihe von Auslegern (zuletzt wieder ausführlich F. Neugebauer) bezeichnet v. Balthadie Versuchung Jesu als eine „spezifisch messianische" (NB 65; vgl. ebd., Anm.46). 10 Vgl. F. Neugebauer, aaO., 4: „Das Wort des versuchten Sohnes ist das Wort des Vaters an den Sohn! Dies ist der alles beherrschende Vorgang von Mt 4,1-11 par." 11 Versuchung (xiipaa/iöi;) entsteht immer erst dort, „wo in der Welt Gottes Wort auf dem Plan ist". Denn erst da wird die für die Versuchung charakteristische „Verwechslung von Gott und Satan, Heiligem Geist und Widergeist möglich". (NB 68)
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3.2 Die Ausstrahlung der Offenbarungsgestalt oder ihre „Wucht" 3.2.1 Die „Wucht" des Anspruches Jesu Das (Kap. 2.3) über die Zusammengehörigkeit von Offenbarungsereignis und kirchlicher Deutung Gesagte läßt es kaum verwunderlich »scheinen, daß v. Balthasar die Rückfrage nach der Verkündigung und den Taten des irdischen Jesus allein als die Frage nach der katatysatorischen Voraussetzung gelten lassen will, die „bestanden haben muß, damit seine Gemeinde seine Worte, Taten und Titel so geformt hat, wie sie es tat" (NB 106). Wenn zudem - wie ausführlich noch zu zeigen sein wird - die Deutung der Kirche so zur Gestalt Jesu Christi gehört, daß dieser auf sie angewiesen ist, um sich richtig sehen lassen zu können, dann ist die Frage nach ipsissima verba und historischen Fakten hinter dem Glaubenszeugnis der Kirche überflüssig. Denn dann ist es eine ganz sekundäre Frage, „was Jesus gesagt und getan haben kann und was nicht, oder welche .Hoheitstitel' er sich zugelegt haben könnte und welche nicht" (NB 106). Selbst die Frage nach dem „Hauptanliegen Jesu bei seiner Verkündigung" ist dann zu überführen in die Frage: „Was blieb als Haupteindruck von seinem irdischen Dasein bestehen?" (NB 106) Die Frage nach dem historischen Jesus, verstanden als Frage nach der Kontinuität zwischen dem Leben des irdischen Jesus und dem Kerygma der Urkirche, stellt sich daher für v. Balthasar in einem ganz formalen Sinne: eben als die Frage nach dem Haupteindruck, den der irdische Jesus hinterlassen hat12. Will man einen Zugang zum irdischen Jesus bekommen, dann muß man das vielfältige neutestamentliche Zeugnis auf die sich in der Vielfalt der „Auswortung" (NB 111) des Neuen Testaments spiegelnde „Voraussetzung im Leben Jesu" (NB 113) zurückführen. Diese Voraussetzung kann (und muß) in ihrer äußersten Formalität aufgesucht und belassen werden, insofern diese ja „der sich in aller inhaltlichen Ausformulierung durchhaltende, die Formulierungen aus sich entlassende Grund" ist, „der in den Deutungen sich nicht etwa verbirgt, sondern miterscheint" (NB 106). Dies aber bedeutet, 12
Man könnte hinsichtlich der Balthasarschal Auffassimg des hier erörterten Problems an die Behauptung Rudolf Bultmaruis erinnert sein, „daß die Kirche in ihrem Kerygma den historischen Jesus vertritt" (Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft zum historischen Jesus, SHAW.PH 1960, 3.Abh., 27). Doch gerade die in jenem Satz implizierte Gegenüberstellung würde v. Balthasar dergestalt nicht akzeptieren können. Ist doch nach seiner Auffassung allererst den „.Augen des Glaubens' ... das, was in der Erdenzeit Jesu an lesbarer Gestalt sich zu umreissen begann", exakt lesbar, „weil die Umrisse der irdischen Gestalt Jesu sich anders gar nicht vollenden können als in der Vollgestalt des Christus des Glaubais" (Schau S17). Darum verbleibt die Bultmannsche Gegenüberstellung nach v. Balthasar immer im Bereich jener „protestantisch-dualistischen Position, die Glaube und Vernunft für unvereinbar hält und nicht verstehen will, dass im theologischen Sachgebiet der Glaube allein die volle objektive (.vernünftige') Erkenntnis der Dinge, wie sie wirklich sind, verbürgen kann" (aaO., SIS). Wir kommen darauf zurück.
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daß es eine letztlich unerhebliche Frage ist, was der irdische Jesus gepredigt und getan hat und wie er sich selbst verstanden haben mag - und zwar ganz unabhängig davon, ob sich das historisch überhaupt erweisen läßt oder nicht. Demgegenüber meint Ernst Käsemann, den v. Balthasar in diesem Zusammenhang13 zustimmend zitiert, doch wohl etwas anderes, wenn er die Frage nach dem historischen Jesus als „Frage nach der Kontinuität des Evangeliums in der Diskontinuität der Zeiten und in der Variation des Kerygmas" gestellt wissen möchte14. Denn bei allen Vorbehalten gegen so etwas wie eine Rekonstruktion des Lebens Jesu im Sinne der liberalen Theologie geht es Käsemann doch letztlich um den „Aufweis, daß aus dem Dunkel der Historie Jesu charakteristische Züge seiner Verkündigung verhältnismäßig scharf erkennbar heraustreten" und „daß es ... Stücke in der synoptischen Überlieferung gibt, welche der Historiker als authentisch einfach anzuerkennen hat, wenn er Historiker bleiben will"15, ja daß „die Eigenart des irdischen Jesus in seiner Predigt zu erblicken [ist] und seine sonst erkennbaren Taten wie sein Geschick von dieser Predigt aus zu verstehen" sind16. Worin besteht der Haupteindruck, den der irdische Jesus hinterlassen hat? Er besteht im einzigartigen „Anspruch ... auf Vollmacht überhaupt", ja in einer „Anmaßung" ohnegleichen (NB 106). Von Balthasar faßt diesen Anspruch und diese Anmaßung zusammen unter dem Titel Kabod. Gemeint ist einmal mehr der Kabod in seiner ursprünglichen Bedeutung, wie er jedem menschlichen Wesen eignet: „die ausstrahlende und so Erscheinung werdende ,Wucht' oder Mächtigkeit eines Wesens". Nur daß im Falle der Person Jesu dieser Kabod ins Einzigartige gesteigert erscheint und als einzigartiger sich einprägt. Es ist schon jetzt unschwer zu erkennen, worauf diese Konstruktion hinausläuft. Die „Wucht" bzw. der Anspruch Jesu stellt für v. Balthasar jenes Faktum dar, das einerseits - zumindest als Wirkung - historisch verifizierbar ist, andererseits als einmaliges sinnliches Phänomen über sich hinausweist auf den in ihm sich anzeigenden einmaligen Grund: Gott. Worin manifestiert sich der einzigartige Anspruch Jesu? Zum einen darin, „daß er sich zutraute, über das gesamte Gesetz zu urteilen, somit seine eigene Autorität neben (und damit über) die des Moses zu stellen" (NB 108)17. Dieses Zutrauen ist mehr und etwas anderes als die Autorität eines Gesetzesauslegers. Zum anderen aber und primär manifestiert sie sich in einem einzigartigen Durchschauen der Herzen derer, die ihm begegnen. Denn weil der Blick des irdischen Jesus „in die unverhüllt vor ihm liegenden Menschenherzen" (NB 109) zugleich „Entscheidung
13
NB 106, Anm.3. E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen. Erster Band, 6.Aufl. Göttingen 1970, (187-214) 213. 15 AaO., 213. 16 AaO., 211, Herv. von mir. 17 Die Frage, wie sich Jesus zum Inhalt des Gesetzes gestellt hat, Wann v. Balthasar seinem Ansatz getreu offenlassen. 14
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und Gericht über das Offengelegte" enthält, Jesus mithin nicht nur der Durchschauende, sondern zugleich und in eins damit der Richtende ist, wäre es kurzsichtig, hier lediglich charismatische „,Kardiognosiel" am Werke zu sehen (NB 110). Von Balthasar überzieht damit deutlich die Analyse seines exegetischen Gewährsmannes Günther Bornkamm. Dieser spricht in seinem Jesusbuch18 von der „unmittelbar sich erweisende[n] Souveränität" des geschichtlichen Jesus, die zur Folge hat, daß jeder, der ihm begegnet, „genötigt" wird, „aus seinem Herkommen herauszutreten. Dieses Zutagekommen der Menschen in dem, was sie wirklich sind, begibt sich in allen Jesusgeschichten." Von Balthasar, der die Ausführungen Bornkamms breit zitiert19, geht mehr als einen Schritt darüber hinaus, wenn er davon spricht, daß der irdische Jesus „alle [Menschen] beichtet, die in ihrer nur für ihn enthüllten Eigentlichkeit vor ihn treten" (NB 110)20. Voraussetzung dafür, daß der irdische Jesus Vollmacht bzw. „Wucht" im beschriebenen Sinne besitzt, ist die nur ihm allein eigene Haltung vollkommener Selbstlosigkeit. Von Balthasar nennt das Verhalten Jesu, sich selber ganz und gar von der Gottesherrschaft und also von Gott selbst her zu verstehen, „Jesu Wahrheit als Durchsichtigkeit zu Gott" (NB 115). Eben diese „richtendef...] Durchsichtigkeit" ist es, die Jesus „zumfleischgewordenenWort Gottes macht" (NB 116). Von Balthasar würde wohl zustimmen, wenn man seine Auskunft dahingehend interpretiert, daß es gerade das Menschsein Jesu ist, das ihn zum Sohn Gottes macht. Die durch Ostern offenbar werdende Gottessohnschaft Jesu brächte demnach exakt das zum Ausdruck, was der irdische Jesus in seinem Leben war: völlige „Transparenz" (NB 114) dem gegenüber, den er seinen Vater nannte. Dementsprechend ist die durch das lumen fidei ermöglichte „Schau der Gestalt" der „durch Gnade dem Menschen geschenkte Blick dafür, dass alles Menschliche an Christus Wort, Bild, Darstellung und Ausdruck des Vaters ist, und erst so gelesen innerlich verständlich wird" (Schau 315). Was die Interpretation der Balthasar sehen Ausführungen in diesem Zusammenhang so schwierig macht, ist die sozusagen programmatisch unterlassene präzise Unterscheidung von historischem und dogmatischem Urteil. Wir geben ein Beispiel. Die Ausführungen zu den sog. absoluten Ego eimi-Worten im Neuen Testament beginnen mit einem historischen Urteil: „Jesus ist um seiner Anmaßung willen " G. Bornkamm, Jesus von Nazareth, 14.Aufl. Stuttgart 1988, 54. " NB 109f, Anm. 15; 110. 20 Es ist wohl kein Zufall, daß v. Balthasar im Blick auf die Begegnung von Menschen mit dem irdischen Jesus von einer (freilich auch bei ihm in Anführungszeichen gesetzten) „ Beichtsituationu (NB 1 lOf) spricht, in der Durchschauen und Richten eins sind. Handelt doch auch der das Sakrament der Buße verwaltende Priester „ad instar actus iudicialis" (DS 1685, vgl. DS 1709); freilich fehlt dem Priester die Kardiognosie, an deren Stelle notgedrungen die confessio omnium peccatorum treten muß. - Von einer „Beichtsituation" kann man hinsichtlich der Begegnung von Menschen mit dem irdischen Jesus m.E. nur dann reden, wenn man damit zum Ausdruck bringen will, daß es in diesem Zusammentreffen zu so etwas wie einer Neuidentifikation der Mitmenschen Jesu kommt. Allerdings ist dabei zu fragen, inwiefern dafür die Vorstellung eines Rechtsaktes angemessen ist.
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verurteilt worden." (NB 116) Ob er freilich das absolute „Ich bin", das traditionsgeschichtlich auf die alttestamentliche Offenbarungsformel Jahwes zurückgeführt werden muß, ausdrücklich gebraucht hat, will v. Balthasar nicht entscheiden: „Es ist zuletzt unerheblich" (NB 116). Diese Auskunft liegt zwar auf der Linie der von v. Balthasar vorausgesetzten Verflochtenheit von Christologie und Ekklesiologie, läßt sich aber nunmehr kaum noch mit der historischen Feststellung, in deren Zusammenhang sie steht und die sie doch offensichtlich stützen soll, in Einklang bringen. Vollends verwirrend wird es aber für den Interpreten, wenn er wenige Sätze weiter zu lesen bekommt, wie Jesus die Formel benutzt habe, nämlich „absolut, somit in Anlehnung an die alte Offenbarungsformel, und doch mit einer Unterscheidung von dieser" (NB 117). Es ist nach dem Vorausgehenden nun in keiner Weise mehr ersichtlich, von welchem Jesus jetzt eigentlich die Rede ist. Und es hilft daher auch kaum weiter, im unmittelbar folgenden Satz die Auskunft zu erhalten, es könne „für das hier verborgene Geheimnis keine andere Auflösung geben als die trinitarische" (NB 117).
3.2.2 Der paradoxe Grund der „Wucht" des Anspruches: die Armut Jesu Es ist in einem zweiten Schritt „die Haltung des Menschen Jesus innerhalb dieses Anspruchs" (NB 119) genauer zu bestimmen. Sie muß nach v. Balthasar als Haltung absoluter Armut gekennzeichnet werden. Historisch läßt sich diese Armutshaltung Jesu nicht ableiten, auch nicht aus dem Verhalten der Anawim-Kreise. Denn kein „Armer Jahwes" würde jenen übelprophetischen Anspruch erheben, den Jesus erhebt, sofern die für die alttestamentlichen Propheten konstitutive Differenz zwischen der eigenen Person und der der Person aufgetragenen Botschaft - Gottes Wort - in Jesus aufgehoben ist. So vereint Jesus in sich paradox „absoluten Anspruch" mit der „ebenso absoluten Armut und deshalb Anfechtbarkeit" (NB 120). Das Paradox zeigt sich dort, wo Jesus seinen unvergleichlichen Anspruch so erhebt, daß er dabei auf weltliche Macht und materielles Gut gänzlich verzichtet: „Jesus ist der Heilbringer, der nur zum Weitergeben ausgerüstet ist; für sich selbst hat er nichts." (NB 120) Unter dieser Voraussetzung, als der „urbildlich" Arme und als der „umgreifende Verwirklicher" (NB 122) dessen, was er von anderen verlangt, kann Jesus die Forderung des Armseins und die gegenüber seinen Jüngern radikalisierte Forderung, alles zu verlassen, aufstellen21. Die Armutshaltung Jesu expliziert v. Balthasar näherhin durch den Verweis auf Jesu „Glauben" und auf das eigentümliche Getriebensein Jesu durch den Geist. 21 Als Forderung Jesu ist Armsein nicht primär eine moralische Forderung. Dam der Kern der von Jesus geforderten Armut ist (auch dort, wo es sich um materielle Armut handelt) das völlige „auf Gott Gestelltsein" (NB 121).
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3.2.2.1 Jesu Glaube als Ausdruck seiner Armut Daß der Glaube und insbesondere der „Glaube" Jesu ein „anderes Wort für Armut" (NB 123) genannt werden kann, läßt sich aus den Balthasarschen Darlegungen zum Problem der „Fides Christi" erheben22. Diese haben ihren Ausgangspunkt bei der These, daß Jesus Christus als „der vollendete Mensch vor Gott" (52) die alttestamentliche Glaubenshaltung, d.h. die „adäquate Haltung des erwählten Volkes und darin des Einzelnen dem Bundesgott gegenüber" (45) nicht obsolet macht, sondern zur Vollkommenheit und Vollendung führt23. Entscheidend ist, daß Jesus diese Vollendung als ein seinerseits - im alttestamentlichen Sinne - Glaubender bewirkt. Alttestamentlicher Glaube wird dabei von v. Balthasar im Anschluß an die Ausführungen von Artur Weiser34 als die durch Gottes Treue ermöglichte und ihr entsprechende, den Menschen innerlich prägende und in seinem Verhalten nach außen bestimmende Gottesbeziehung begriffen. Diese den ganzen Menschen bestim22 Vgl. H. U. v. Balthasar, Fides Christi, in: ders., Sponsa Verbi. Skizzen zur Theologie II, 3.Aufl. Einsiedeln 1971, 45-79. Bloße Seitenzahlen in Klammem verweisen im Text von Kapitel 3.2.2.1 stets auf diesen Aufsatz. 23 Zur Unterstützung dieser These bemüht sich v. Balthasar um den Nachweis, daß zwischen dem, was im Alten und dem, was im Neuen Testament „Glaube" genannt wird, eine Fülle von Gemeinsamkeiten besteht, die die - vielleicht am schärfsten von Martin Buber vertretene - unversöhnbare Gegenüberstellung von alt- und neutestamentlichem Glauben nicht rechtfertigen. Zu behaupten, der alttestamentliche Glaube sei „eine Gesamthaltung des Menschen zu Gott hin", während der ncutestamentliche Glaube (nur) „die Hinnahme einer durch Maischen bezeugten historischal Tatsache" bedeute (Fides Christi, 45), heißt vielmehr, dem „Schein einer Verschiebung" (aaO., 46) zu erliegen. Denn daß im Neuen Testament die Botschaft von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus als „gepredigtes Kerygma" erscheint, ist gegenüber der „Art der Vermittlung" des Gotteswortes im Alten Bund durch Mose, die Propheten und Priester „nichts Neues" (ebd.). Und auch der „wichtigere Unterscheidungsgrund, auf den Bultmann aufmerksam macht" (aaO., 47), daß nämlich der alttestamentliche Fromme Gott um seiner Taten willen glaubt, die selber nicht Gegenstand des Glaubens sind, während die Tat Gottes im Neuen Testament infolge der ihr eigentümlichen Verborgenheit eigens verkündigt und daraufhin geglaubt wird (vgl. R. Bultmann, Art. T I O T E V U K T \ , ThWNT Bd.6, (174-182 u. 197-230) 216), ist nach v. Balthasars Auffassung nur ein relativer. Steht doch dem alttestamentlichen Wissen des Volkes um die offenkundigen Heilstaten Gottes, die dem Einzelnen als Glied des alttestamentlichen Bundesvolkes Grund zum Glauben geben, „eine wirkliche fides Ecclesiae gegenüber, die ihrerseits auf dem ursprünglichen Glaubaiswissen (einem Mitdabeigewesensein der Augenzeugen) gründet und als solche tradiert wird" (Fides Christi, 48). Die oben referierten Ausführungen v. Balthasars zu den von ihm sogenannten urbildlichen Gotterfahrungen und ihrer Uberlieferung an die Kirche im grundlegenden Band von „Herrlichkeit" wollen eben diesen Nachweis führen (vgl. Schau 290-352). Sind aber die beiden genannten Gründe, die (neben weniger gewichtigen anderen) jenen „Schein einer Verschiebung" entstehen lassen, letztlich nicht stichhaltig, so steht für v. Balthasar nichts im Wege zu behaupten, daß „das Umfangen dieser neuen und letzten Offenbarung göttlicher Bundestreue" in Jesus Christus „durch den Glaubenden nicht einmal ein veränderter Modus des gleichen [sc. alttestamentlichen] Glaubens" ist, „sondern schlechthin dasselbe" (Fides Christi, 46). Nach v. Balthasar gibt es deshalb keinen Zweifel, daß „der .Glaube Abrahams' von gleicher formaler Struktur ist wie der .Glaube Christi'" (Schau 567), daß man in diesem Sinne also von einem „gesamtbiblischen Glauben" (vgl. Fides Christi, 45) reden kann und muß. 24
A. Weiser, Art. norevu (der at.liche Begriff), ThWNT Bd.6, 182-197; vgl. bes. 188.
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mende Glaubenshaltung verkörpert Jesus par excellence. Als deijenige, der den „ vollintegrierten" (49) alttestamentlichen Glauben in Vollendung (vor-)lebt, ist Jesus das Urbild dessen, was überhaupt in der Bibel Glaube heißt, ist er deijenige „vollendete Mensch..., der allen Glauben der Menschheit erhöhend und urbildlich in sich zusammenfaßt und begründet" (78). Dies zu sein, kommt ihm freilich nicht aus eigenem Vermögen zu. Er ist es kraft seiner Gottheit. In ihm „verkörpert sich ... menschenförmig die fides Dei, der Treuebund Gottes mit der Menschheit" und zugleich der „Bund der Menschheit mit Gott"(78)25. Aus diesem Grunde macht v. Balthasar dreierlei geltend: 1. Der urbildliche Glaube Jesu „ermöglicht" den Glauben des Alten Bundes ebensosehr wie er ihn „vollendet" (57), insofern „der Abrahamsglaube ... seinem ganzen Sinn, seiner Struktur und seiner Bewegung nach auf den Christusglauben hin" (59) ist. 2. Am urbildlichen Glauben Jesu partizipiert der Glaube der Jünger, denn Jesus „stiftet... in seinen Jüngern den Glauben ... als echte Teilnahme an dem, was er archetypisch besitzt" (56). 3. An der archetypischen fides Christi nimmt auch die nachösterliche Gemeinde teil, insofern „christlicher Glaube sich nicht anders verstehen kann denn als Eingelassenwerden in Jesu innerste Haltung" (63). Erst durch die Teilnahme am archetypischen Glauben Jesu „wird christlicher Glaube eben wirklich christlicher Glaube. Denn dazu genügt es eben gar nicht, daß Christus dessen Objekt sei und allenfalls dessen Verdienstursache, er muß auf jeden Fall auch das überschwengliche Subjekt sein, an dem teilnehmend der Mensch aus Gnade glaubt" (56). Die gegenüber der Balthasarschen Auffassung sich einstellenden Fragen sollen im folgenden so behandelt werden, daß die Fäden sich nicht verwirren. Darum wird zunächst nach der exegetischen Fundierung jener behaupteten fides Christi zu fragen sein, von der alles, was im biblischen Sinne Glaube genannt zu werden verdient, sich abkünftig zu verstehen hat (1); es wird ferner zu erörtern sein, wie die christologische Problematik der Rede vom archetypischen Glauben Jesu durch v. Balthasar aufgenommen und behandelt wird (2), und es wird schließlich geklärt werden müssen, wie nach v. Balthasars Ausführungen der Glaube Jesu mit dem Glauben an Jesus Christus zusammenhängt (3). 1. Das Neue Testament spricht nicht von einem „Glauben Jesu". Dieser Befund ist auch für v. Balthasar evident. Eine Unmöglichkeit, Jesus Glauben zuzusprechen, ist damit freilich nicht gegeben. Denn das Schweigen des Neuen Testaments im Blick auf den in Frage stehenden Terminus im Zusammenhang mit der Person Jesu ist lediglich Ausdruck einer Scheu: der Scheu nämlich, Jesu „urbildliche Haltung", die „so vollkommen und dadurch so unaussprechlich in ihrem Innenraum geworden ist", durch „die gleiche Bezeichnung mit dem Nachbild in uns" zu belegen und dadurch „die Distanz zwischen beiden" Haltungen zu „verwischen" (53). Unter-
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Von Balthasar nennt darum Jesus Christus den „substantielle[n] Bund, das ontische Band zwischen Gott und Welt" (Fides Christi, 78) oder auch den „subsistierende[n] Bund" (Schau 184).
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sucht man jedoch die Aussagen, die das Neue Testament hinsichtlich der „zentrale^] Haltung des Menschensohnes Gott gegenüber" macht, genauer, so stellt man fest, daß alle Elemente des alttestamentlichen Glaubens auch Bestandteil dieser seiner „Haltung" sind - „nur in der höchsten, gottmenschlichen Vollkommenheit" (53). Das gilt insbesondere für die dem alttestamentlichen Glauben wesentliche Haltung, Gott über die eigene Person verfügen zu lassen, die sich bei Jesus als „Nicht-vorauswissen-wollen, nicht Antizipieren der Stunde" (54) manifestiert26. Die Synoptiker sprechen (implizit) vom Glauben Jesu, indem sie Jesus als denjenigen schildern, der sich in vollkommener Weise dem Gott überläßt, den er seinen Vater nennt, und der aus dieser Haltung heraus sein Werk tut27. Glaubensunterweisung und Glaubensforderung des synoptischen Jesus sind darum unablösbar von seinem eigenen Beispiel. Durch die Überzeugungskraft des eigenen Exempels übt er die Seinen in den Glauben an Gott ein. So wird die Kraft seines exemplarischen Glaubens für die Jünger zu einer (göttlichen) Quelle, die ihnen dasjenige Vertrauen einflößt, das sie instand setzt, nun ihrerseits den Akt totaler Hingabe an Gott und somit Glauben zu wagen28. In der Rede des Hebräerbriefes von Christus als dem ri)£ TUTTCM^ cipxrtybq Kai TeXeudTjfc (Hebr 12,2) sieht v. Balthasar die Richtigkeit seiner These, daß alttestamentlicher wie neutestamentlicher Glaube ihr Urbild im vollkommenen Glauben Jesu haben, bestätigt. Schließt doch die Wendung, die von Jesus als dem Anfänger und Vollender des Glaubens spricht, an „die lange Prozession der alttestamentlichen Glaubenszeugen" in Hebr 11 an, so daß mit TIOTIQ hier „unbedingt... Glaube im Sinn des integralen alttestamentlichen Begriffs" gemeint sein muß (56). Die Bezeichnung äpxi70C Tiareuiq als Prädikat Jesu möchte v. Balthasar in Anlehnung an die Ausführungen von Gerhard Delling29 im Sinne eines urbildlichen Initiators verstehen, der mit der Hebr 12,2 geschilderten Duldung des Kreuzestodes
26 Gemeint ist jene „Stunde", auf die nach dem Johannesevangelium Jesu Sendung zuläuft: die Todesstunde. 27 Auch die Synoptiker setzen dabei nach v. Balthasar voraus, daß jene völlige Hingabe Jesu an Gott nicht „die Macht und Hingabe seiner Subjektivität, seiner .Glaubensfestigkeit' ist, sondern Gottes Kraft und Hingabe in ihm" (Fides Christi, 56). 21 In „Schau der Gestalt" wird der synoptische Jesus darum als einer beschrieben, der „weniger Gegenstand des Glaubens ist (das kommt erst bei Johannes) als derjenige, mit dem, durch den, in dem man den Akt leisten kann" (Schau 125). 29 Vgl. G. Delling, Art. äpxTfös, ThWNT Bd.l, 485f. Delling ist der Meinung, die fragliche Bezeichnung mache Jesus kenntlich als „ Urheber und Begründer des Christenglaubens; nach dem Zusammenhang zunächst... der sittlichen Konsequenzen, die sich aus ihm ergeben." Darüber hinaus aber sei „Jesus apxyyös auch insofern, als er als erster Mensch in urbildlicher Weise den [!] Christengott glaubte und diesen Glauben an Gottes bedingungslose ... Liebe durch seinen Kreuzestod .vollendete', ihr die konkret-einmalige heilsgeschichtliche Verwirklichung gab" (aaO., 486; bei v. Balthasar (korrigiert) zitiert Fides Christi, 57). Freilich hat letztere Auskunft wohl eher den Charakter einer Erwägung. Denn in der dazugehörigen Anmerkung führt Delling aus: „Andernfalls ist ä p x r / ö ? im ganzen mit TeXitornji gleichbedeutend, auf Jesu Kreuzestod zu beziehen als die ursächliche Voraussetzung der Ttcrrt£." (AaO., 486, Anm 4)
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Die Gestalt, die der Sache nach ,Herrlichkeit" ist
den „Agön des Glaubens ... nicht nur vorbildlich, sondern urbildlich vorgekämpft und damit nicht nur den neutestamentlichen, sondern ebenso allen Glauben des Alten Bundes ermöglicht, grundgelegt und vollendet" (57) hat. Auf diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, daß v. Balthasar die von Paulus vielfach verwendete Genetivformulierung xitmc ('ITJOOV) Xpiorov nicht im Sinne eines bloßen genetivus objectivus verstanden wissen will. Andererseits hält er es für ebenso falsch, hier einen - den Glaubensakt Christi bezeichnenden - bloßen genetivus subjectivus annehmen zu wollen. Einen Schritt in die richtige Richtung sieht er darum im Angebot von Adolf Deissmann, die Wendung als „Genetivus mysticus"30 zu lesen, insofern mit dieser Bezeichnung „der Absicht nach insofern das Wahre" getroffen wird, „als der Glaubensakt bei all seiner Freiheit" nicht primär im glaubenden Subjekt, sondern „im absoluten (kenotischen) Gehorsam des Gottessohnes seine erste objektive Voraussetzung" hat31. Was das heißt, wird im Anschluß an die Bestimmung des paulinischen Glaubensbegriffes bei Ernst Lohmeyer32 genauer herausgearbeitet. Seinen Ausführungen kommt für v. Balthasars Überlegungen eine Schlüsselrolle zu. Sie bedürfen daher einer knappen Darstellung. Ausgehend von der Beobachtung, daß im paulinischen Sprachgebrauch von „Glauben" die Verwendung des Nomens die des Verbums merklich überwiegt, schließt Lohmeyer, daß „Glaube" bei Paulus zunächst „einen gegenständlichen Sachverhalt, auf den das gläubige Ich sich richtet und in dem es sich gründet, ... ein Prinzip des gläubigen Erlebens"33 meint. Als solchermaßen „religiös-metaphysische[s] Prinzip" prägt es den einzelnen Glaubenden und kommt an ihm zu seiner Wirklichkeit34. Mit der Wendung TIOTK; 'I-qoov Xpiorov bezeichnet Paulus dieses „metaphysische Prinzip", mit der Formulierung xioreveiv eig Xpiorov 'Inaovv den durch das Prinzip ermöglichten Glaubensakt des Einzelnen. Kann und muß man hier also unterscheiden, so ist doch eine Auseinanderreißung undenkbar: „Beides heißt eben Glauben, beides ist... in der Einheit eines Prinzips zusammengefaßt."35 Als metaphysisches Prinzip ist der Glaube eine Offenbarungsgröße und wird deshalb als xumc 'I-qoov Xpiorov (nicht: deoii) bezeichnet: „Aus seiner Gestalt und seinem Werk fließt also die metaphysische Qualität, die den Glauben .gerecht zu machen' befähigt. m3ä Damit Gestalt und Werk Christi das „metaphysische Prinzip" Glauben begründen können, muß „Christus selbst die von allem Dasein und Wirken in der Welt unverworrene Darstellung des letzten religiösen
30 A. Deissmann, Paulus. Eine kultur- und religionsgeschichtliche Skizze, 2. Aufl. Tübingen 1925, 126; vgl. auch ebd., Anm.4. 31 NB 286 (Anm. 15). 32 E. Lohmeyer, Grundlagen paulinischer Theologie, Tübingen 1929, 115-125. 33 AaO., 116. 34 AaO., 117. Explizit verweist Lohmeyer in diesem Zusammenhang vergleichend auf die aristotelische forma substantialis. 35 AaO., 118. 36 AaO., 120.
Die Ausstrahlung der Offenbarungsgestalt oder ihre „Wucht*
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Prinzips überhaupt"37, muß er Gott sein. Denn nur kraft seiner Gottheit kommt er als „Spender alles Göttlichen im Leben des Einzelnen wie im Laufe der Geschichte"38 in Betracht. Um jedoch Darstellung des letzten religiösen Prinzips in der Welt, um Offenbarung desselben sein zu können, muß Christus „zugleich als sein [des Göttlichen] geschichtlicher Träger begriffen werden"39. Die entscheidende und von v. Balthasar im Sinne einer Bestätigung seiner Auffassung von der fides Christi verstandene Schlußfolgerung Lohmeyers im Blick auf die fragliche Wendung „Christusglaube" lautet darum folgendermaßen: Die *in verstanden werden muß als der Dank des Sohnes an den Vater, „ein solches Verfügtsein des Sohnes erlaubt zu haben, daß gleichzeitig die höchste Offenbarung der göttlichen Liebe (ihre Verherrlichung) und das Heilwerden der Menschen sich daraus ergab" (MP 192)79. Dem Ineinander von Vollmacht und Überlassung entspricht das Ineinander von Gestaltverzicht und Gestaltgewinn. Die „Überlassung" an den väterlichen Willen, wie sie sich in der eucharistischen Selbstverteilung vollendet, stellt evidentermaßen den äußersten Verzicht auf Eigengestalt (man könnte auch sagen: selbstverwirklichte Gestalt) dar. Der am Kreuz zu Tode Gebrachte besitzt allenfalls so etwas wie eine Ungestalt, die sich in der „eucharistische[n] Unmacht, ... unter der tiefsten Verhüllung eines Stücks Brot und eines Bechers Wein zu existieren" (NB 137) widerspiegelt. Gerade so aber - Jenseits seiner selbst" - gewinnt Jesus „die eigene, von Gott verliehene Form" (NB 136), bildet er durch seine Hingabe „in der Auflösung das Entscheidende" (Schau 549), nämlich die die Kirche konstituierende Form. Das eucharistische Mahl, verstanden als Prolepse des Todes Jesu, ist der Ursprung der Kirche. Die „Überlassung" seiner selbst als Opferspeise an die Mahlteilnehmer konstituiert das Corpus Christi mysticum80, so daß gerade in der „Schwäche" der Selbstverteilung als äußerstem Ausdruck der Selbstpreisgabe die formende Kraft zur Konstitution der Kirche als oüpot TOV Xpiarov liegt81. gesetzt ist" (aaO., IIS) und seine daran anknüpfende Feststellung, „daß das Herrenmahl inhaltlich schon die Geschehenseinheit von Tod und Auferstehung einschließt" (aaO., 125) deckt sich weitgehend mit v. Balthasars eigener Auffassung (wiewohl Gese stets vom Befund spricht, der sich aus den synoptischen Einsetzungsberichten ergibt und nicht vom Verhalten und Bewußtsein des irdischen Jesus selbst). Zu Geses Herleitung des Abendmahles aus der Toda verhält sich v. Balthasar zurückhaltend: „Man mußte (sie) hier der eigentümlichen Lehre Hartmut Geses ... nachgehen" (TL m , 315). ™ Mt 26,26f; Mk 14,22f; Lk 22,19. 79 Vgl. Schau 553; NB 137. 80 Vgl. MP 193. Im ersten Mahl sind das die Jünger, und in den folgenden ist es die Gemeinde der Glaubenden. 81 Nach v. Balthasar ist die Kirche allerdings nicht nur als Leib Jesu Christi zu verstehen und damit als eine Größe, die durch einen spezifischen Akt der Souveränität Jesu geformt wird; sie ist als Leib zugleich Braut. Als Braut aber ist sie auf eine noch zu zeigende Weise am Erlösungsgeschehen beteiligt. Dementsprechend geht es in der Eucharistiefeier auch um ein kirchliches
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Die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit" ist
Ist die Kirche in der beschriebenen Weise „Wirkung der Paradosis" (NB 136), so hat die Art und Weise ihres Zustandekommens - eines Zustandekommens, das ein für alle mal geschehen in jeder eucharistischen Feier Gegenwart wird, insofern darin der auferstandene Christus als der Dahingegebene der primär Handelnde ist82 - entscheidende Bedeutung für ihr Wesen als Kirche. Ist nämlich die eucharistische „Überlassung" Jesu die sie gestaltende Form, auf die sie als „Kirche aus dem Kreuz" (MP 219) wesentlich angewiesen bleibt, so verhindert dieses Angewiesensein eine Identifikation der Kirche mit Jesus Christus. Die Kirche ist nicht mit Jesus Christus identisch83. Als forma ecclesiae will Jesus Christus in der von ihm unterschiedenen Kirche identifizierbar sein. Darum hat die Kirche keine selbstverwirklichte (eigenständige) Gestalt, in der sie sich der Welt gegenüber präsentieren könnte: „Die Kirche ... kann ... keine andere Figur ... beanspruchen als die Figur Christi, die sich in ihr ausprägt und sie, wie die Seele den Leib, durchstrukturiert" (Schau 538)M. Sie entspricht also durch ihre „Überlassung" an Jesus Christus der „Überlassung" Jesu Christi selbst83. Ist aber ihre Gestalt die der „Überlassung" und also des potenzierten Gehorsams, so repräsentiert die Kirche andererseits zugleich ein Stück Welt im Gehorsam gegenüber Gott. Im doppelten Sinne ist sie also eine vermittelnde Größe. Sie vermittelt „wie Christus selbst, dessen Gestalt sie trägt, zwischen Gott und der Welt. Sie wird also umso glaubwürdiger erscheinen, jemehr sie zugleich ein Transparent Gottes ist... und ein Transparent der Welt für Gott" (Schau 538). Unter „Überlassung" des irdischen Jesus versteht v. Balthasar demnach Jesu völligen Verzicht auf Selbstverwirklichung oder Eigengestaltung. Potenziert wird die „Überlassung" in der eucharistischen Selbstverteilung - gewissermaßen als „Überlassung der Überlassung". Gerade darin aber erweist sich der Verzicht auf Formgebung als Gewinn der göttlichen Form und damit als Vollendung dessen, was Jesus „für Gott und die Menschen sein soll" (NB 136). Durch Jesu eucharistische Paradosis wird die Kirche konstituiert. Kirche ist Kirche nur in Abhängigkeit von der (Eucharistie-)Gestalt Jesu Christi. Eine Identifikation der Kirche mit Christus kommt nicht in Frage. Die die Kirche konstituierende eucharistische Selbstverteilung ihres Herrn ist das ihre Gestalt prägende Prinzip. Ihr Wesen ist daher als das
Handeln, ist die Messe auch ein Opfer der Kirche, ist das Abendmahl auch eine kirchliche Selbstrealisation. Das wird an anderer Stelle zu entfalten sein, s.u. Kap. 3.4.2. 82 Vgl. Schau 550f. 83 Vgl. Schau 538. Diese grundlegende ekklesiologische Einsicht ist auch und gerade angesichts der Balthasarschen Ausführungen über die Rolle der Kirche im Heilswerk zu berücksichtigen, auf die wir noch eingehen werden. Zugleich wird man eben diese Rollenzuweisung kritisch daraufhin überprüfen müssen, ob sie dem ekklesiologischen Grundsatz wirklich gerecht wird. M Von Balthasar verwendet auffallend viel Sorgfalt darauf, diesen Ansatz gerade für die institutionell-amtliche Seite der Kirche fruchtbar zu machen; vgl. bes. Schau 544-548. " Hat die Kirche Gestalt nur in der Vermittlung der Gestalt Jesu Christi, so entspricht sie der Person Jesu Christi letztlich gerade darin, daß „die Sendung der Kirche eins [ist] mit ihrem Wesen" (TD II/2, 400).
Der Grund der „Wucht" in der „ Überlassung" Jesu
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eines Mediums der Gestalt Jesu Christi angemessen erfaßt. Insofern - aber eben nur insofern - gehört sie zur Offenbarungsgestalt hinzu.
3.3.2 „Überlassung" und heilige Schrift Als eine weitere „Wirkung der Paradosis" (NB 136) des irdischen Jesus hat nach v. Balthasar „die Rückauswortung des im Fleische wortlos und immer wortloser gewordenen Wortes Gottes" (NB 140) zu gelten. Der ungewöhnliche Begriff dient der Bezeichnung des Kerygmas, der heiligen Schrift und - davon abkünftig - des Dogmas und der Theologie. Die Behauptung, es handele sich bei der heiligen Schrift um ein Produkt der Selbstüberlassung Jesu, soll die „Gestalt des historischen Jesus" als vollendungsbedürftig „in der Vollgestalt des Christus des Glaubens" erweisen (Schau 517)86. Insofern es das Anliegen der Balthasarschen Theologischen Ästhetik ist, den christlichen Glauben als Schau der Offenbarungsgestalt (im unauflöslichen Zusammenhang von Pistis und Gnosis) evident zu machen, kommt darum den Ausführungen über die „Rückauswortung" eine Schlüsselstellung zu. Weil der irdische Jesus als Wort des Vaters, das er mit seiner Paradosis zu sein beansprucht, im Tod verstummt, charakterisiert v. Balthasar seine „Überlassung" an den Willen des Vaters bis zum Tode als einen Weg ins »NichtwortDieser schließt mit der Bereitschaft zur völligen Selbstüberlassung ins Schweigen zugleich die Bereitschaft zur „Rückauswortung" ein, deren normative Gestalt die „Rückauswortung" als Schriftwort ist87. „Rückauswortung" als Schrift ist wie die anderen Gestalten von „Rückauswortung" auch „wesenhaft Werk des Heiligen Geistes" (NB 140). Das exegetische Fundament der „Rückauswortungs"-Lehre findet v. Balthasar in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums, insbesondere im vierten Parakletenspruch Joh 16,12-15. Das viele (In xoXXa), das Jesus den Jüngern noch zu sagen hätte und das sie einstweilen nicht zu fassen vermögen, „ist die Vollendung seines Wortseins am Kreuz, das [,] was Paulus lapidar ,das Wort vom Kreuz' nennt" (TL III, 63). Dieses zu explizieren und darin einzuführen, wird Aufgabe des Parakleten sein. Sich selbst als „Wort vom Kreuz" zu entfalten „überläßt" der irdische Jesus dem Geist. Daß es sich dabei um denjenigen Vorgang handelt, „der die Kontinuität zwischen dem ,historischen Jesus' und dem .Christus der Geschichte' herstellt" (NB 140), erhellt nach v. Balthasar daraus, daß nach Joh 16,14 der Geist TOV e/ioD X^/i^erai. Möglich wird dieses \anßaveiv des Geistes « TOV (uioü) ' Ir\oov Xpiorov, weil der Geist in der oben beschriebenen 86 Der Gestaltbegriff ist hier insofern uneigentlich gebraucht, als nach v. Balthasar der sog. historische Jesus gerade keine Eigengestalt besitzt; ihm „fehlt ... zur vollen Selbstentfaltung der Raum des Kirchenglaubens, wie er sich erst wirklich durch Tod und Auferstehung Jesu öffnet" (Schau 517). 87 Die folgenden Ausführungen werden sich im wesentlichen auf die Gestalt der „Rückauswortung" als (neutestamentliche) Schrift beschränken.
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Weise „in-über" Jesus dessen Sendung ermöglicht und mitvollzieht; er ist der den Weg Jesu „primär Mitgehende" (TL III, 177), und er expliziert in der „Rückauswortung" zusammen mit den Augenzeugen die implizite Christologie des durch Anspruch und Überlassung gekennzeichneten Lebens Jesu. Diese „Rückauswortung" des im Tode verstummten irdischen Jesus setzt freilich seine Auferweckung durch die Kraft des Geistes voraus. Die Explikation der im Anspruch Jesu implizierten Christologie wird erst mit der Sendung des Geistes durch den Auferstandenen und Erhöhten (an die entstehende Kirche) möglich. Aufgrund der Aufhebung der „trinitarischen Inversion" in der Auferstehung ist es aber der erhöhte Christus selbst, der den Geist (der „Rückauswortung") sendet. Vollendet sich nun in der Rückauswortung die „Überlassung" des irdischen Jesus so, daß diese Vollendung eine Funktion des Geistes ist, so muß nach v. Balthasars Auskunft auch im Blick auf den erhöhten, den Geist sendenden Christus eine Art „Überlassung" an den Geist angenommen werden: „Wie er als Irdischer, Gekreuzigter sein Werk unvollendet ließ und es ausdrücklich dem angekündigten Geist zur Vollendung überließ - seine irdische Sendung war mit dem Tod .vollbracht' so wird er auch als Erhöhter und als solcher über den Geist .Verfügender' diesem keine Anweisungen geben, wie er das Werk auszulegen habe, ja, obschon Herr und Haupt der Kirche, läßt er sich, wie einst als Irdischer, vom Geist in sein Werk hinein verfügen" (TL III, 273). Die „Überlassung" zur „Rückauswortung" an den heiligen Geist hat ihre Pointe darin, daß sich der Geist bei diesem Werk menschlicher Mitwirkung bedient. Die im Geist gemachte Erfahrung der Lebendigkeit Christi setzt „in jener ersten Generation, die die Umwelt Christi gebildet hat" eine „Glaubensmeditation" in Gang (Schau 518), die jene „Rückauswortung" zunächst als mündliche Überlieferung und schließlich als (neutestamentliche) Schrift hervorbringt. Auf das Verhältnis von Schrift und Tradition wird gesondert einzugehen sein. Wir fragen zunächst nach dem Verhältnis von „Glaubensmeditation" und dadurch hervorgebrachter „Rückauswortung" zu Jesus selbst (seiner Verkündigung und seinem Werk), also zum „Gegenstand" der „Rückauswortung". Um die Frage im Balthasarschen Sinne angemessen beantworten zu können, muß zunächst der methodische Ansatz der „Leben-Jesu-Forschung", nämlich die „Voraussetzung, dass nur der vom Glauben unvoreingenommene historisch-kritische Blick die Wahrheit dessen, was sich damals in Palästina ereignet hat, überhaupt zu sehen vermag" (Schau 513), als grundsätzlich überwunden anerkannt werden. Nach v. Balthasar hat bereits Martin Kähler in seinem berühmten Vortrag von 1892 „Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus" 88 mit der darin getroffenen Unterscheidung zwischen der geschichtlichen Erscheinung Jesu
88 M. Kähler, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus, neu hg. von E. Wolf, 4.Aufl. München 1969.
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und dem „Bild Jesu" als dem „Abdruck seiner geschichtlichen Erscheinung"89 den entscheidenden Anstoß zur Abkehr von der „Leben-Jesu-Forschung" gegeben und damit den Weg zur Lösung des in Frage stehenden Problems eröffnet. Entscheidend nämlich ist Kählers Ansicht darin, daß allein dem „Bild Jesu" wirkliche Bedeutung für den Glauben zugeschrieben wird und dieses Bild, wie es uns in den „biblischen Schilderungen" entgegentritt, „den unabweislichen Eindruck vollster Wirklichkeit"90 hervorruft. In dieser Einsicht weiß sich v. Balthasar mit Kähler einig. Es gilt freilich, „über Kähler hinaus" (Schau 513) zu kommen. Was das für v. Balthasar heißt, läßt sich der Polemik gegen „Bultmanns Methodologie" entnehmen, die gerade „nicht über Kähler hinaus" kam91, weil sie nämlich „die beiden Gestalten, die Kähler gegeneinandergestellt hatte, weder zusammenzubringen, noch vollends zu trennen" vermochte und daher im „Dualismus zwischen Historie und Geschichte" stehen bleibt (Schau 513)92. Die Berechtigung dieser Beurteilung kann hier unerörtert bleiben. Festzuhalten ist hingegen, daß v. Balthasar dem beklagten methodologischen Dualismus zwischen Historie und Geschichte entgehen zu können glaubt, wenn er nunmehr mit Hilfe des „katholischen Prinzip[s]" (Schau 515) die Frage zu beantworten versucht, wie sich der irdische Jesus zum neutestamentlichen Kerygma verhält. Dieses Prinzip hat seine - allerdings nur begrenzt tragende - Analogie in dem, was man die objektive Erfassung eines Kunstwerkes nennen kann. Das Kunstwerk nämlich „kann objektiv nur erfasst werden innerhalb einer bestimmten Subjektivität, die darauf eingestimmt ist, und eine Analyse seiner objektiven Verfassung setzt wenigstens eine einmalige, wenn auch vergangene solche Realisierung seines
89
AaO., 49. AaO., 56f. Zur Auffassung, daß Bultmann Kählers Position hinsichtlich der Frage nach dem historischen Jesus auf seine Weise bestätigt hat, vgl. E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus, aaO., 188. Eine explizite Auseinandersetzung mit Kählers Position - besonders mit der Aporie, die von der Kählerschen Kategorie des „Bildes Jesu" nur überdeckt wird (vgl. E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, 6.Aufl. Tübingen 1986, 71-74) führt v. Balthasar nicht. In TD II/2, 53-135 findet sich allerdings im Rahmen der Erörterung des Methodenproblems der Christologie erneut eine knappe Bezugnahme auf Kählers „Programmbuch " (aaO., 69). Darin stellt v. Balthasar eine doppelte Interpretationsmöglichkeit der Kählerschen Schrift fest, nämlich entweder im Sinne der Christologie I.A. Dorners (dargestellt aaO., 67f) oder „vordeutend auf Bultmann hin" (aaO., 70). Aber gleichgültig wie Kählers Ausführungen interpretiert werden: „die Frage der Berechtigung exegetischen [historisch-kritischen] Forschens ist darin umgangen" (ebd.). 92 Die Bultmannsche Methodologie ist darin angeblich „die vollendete Selbstdarstellung der protestantischen Anthropologie überhaupt: was die ,Hure Vernunft' ausserhalb des Glaubens leistet, ist sowohl unentbehrlich wie unakzeptabel, sie bereitet kantisch dadurch dem Glauben den Weg, dass sie sich selber kritisiert und begrenzt und so ihre Unfähigkeit zugibt, den Gegenstand des Glaubens, nämlich einen .historischen Christus' in Sicht zu bekommen" (Schau 513). Vgl. auch TD II/2, 61: Es „herrscht bei Bultmann zwischen dem .neutralen' historischen Jesus und dem existentiell engagierten Binom Kerygma-Glaube eine fast vollkommene Diastase". 90 91
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Gehaltes voraus" (Schau 514)". Das Kunstwerk kann als das, was es ist, nur in einer dafür disponierten Subjektivität erkannt werden, ja es vermag das, was es ist, nur mit Hilfe der Subjekte zu sein, deren sinnlich-geistige Wahrnehmung gewissermaßen den Raum zur Verfügung stellt, in dem es dazu wird, wozu sein Schöpfer es bestimmt hat*4. In theologicis und also im Blick auf das in Frage stehende Problem des Verhältnisses von irdischem Jesus und heiliger Schrift bzw. „Rückauswortung" ist die erforderliche Disposition des erkennenden Subjekts der Glaube. Er allein kann „die volle objektive (.vernünftige') Erkenntnis der Dinge, wie sie wirklich sind, verbürgen" (Schau 515). Es ist genauerhin der Osterglaube, wie er sich dem „auferstandenen Geist-Christus" (Schau 518) verdankt, der den Zusammenhang zwischen der Gestalt des irdischen Jesus und der Schrift zu überschauen und die Frage zu beantworten vermag, warum und inwiefern es möglich und notwendig war, daß der für den Glauben allein bedeutsame gepredigte Christus zum gepredigten Christus wurde. Mit der durch den Glauben erwirkten „Evidenz, die dem theologischen Blick eigen ist" (Schau 515), läßt sich nun aber erkennen, daß der irdische Jesus und das Glaubenszeugnis der Kirche, wie es sich dann kanonisch als heilige Schrift niederschlägt, einen von der göttlichen Offenbarung selbst verfügten und insofern notwendigen Zusammenhang bilden. Das hier waltende „katholische" Prinzip (von Natur und Gnade) beschreibt v. Balthasar als „das Aufgenommensein göttlicher Offenbarung in den Schoss des durch die Gnade der Offenbarung selbst erwirkten menschlichen Glaubens; von diesem Schoss will sie aufgenommen, getragen, zur Welt gebracht werden" (Schau 515). So gilt denn bereits für die Entstehung des Alten Testaments, daß das Wort Gottes der gläubigen „Meditation" der alttestamentlichen Frommen insofern „höchst bedürftig" war (Schau 515f), als es sich die gläubige Betrachtung, um als Wort Gottes ankommen zu können, selbst voraussetzt. Da für die Entstehung der neutestamentlichen Schrift das gleiche Prinzip konstitutiv ist, gewinnt auch das Neue Testament „seine Gestaltwerdung" (Schau 517) vermittels der gläubigen Meditation der - allererst im Werden begriffenen - Kirche. Als ein von der Kirche im Glauben „ausgetragenes und wirklich herausgestelltes, geborenes Wort" ist die neutestamentliche Schrift Wort Gottes, ist sie die „abschliessende Form der göttlichen Offenbarung" (Schau 518).
93 Allgemeiner noch gilt dies nach der Balthasarschen Erkenntnislehre für die ganze Welt der Objekte, deren volle Objektivität nur im Zusammenwirken von Objekt und aufnehmendem Subjekt zur Gegebenheit und Darstellung gelangt. Als die Wahrheit der Erkenntnis eines Objektes hat nach v. Balthasar die „Unverhülltheit seines Seins" zu gelten, die sich nur konstituiert im „Zusammenwirken von Subjekt und Objekt", wobei das Subjekt dem Objekt „durch seine Tätigkeit dazu verhilft, zu werden, wozu es bestimmt ist" (TL I, 60f; vgl. auch den ganzen Abschnitt 57-78). 94 Das Problem eines Zirkels ist freilich dabei sofort zur Stelle, denn woher stammt die erforderliche Disposition des erkennenden Subjektes, wenn nicht vom Kunstwerk?
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Es ist nach v. Balthasar also völlig zutreffend festzustellen, daß die werdende Kirche in einem bewegten Entstehungsprozeß95 die neutestamentlichen Schriften als ein „Glaubensbild" (Schau 519) der Gestalt Jesu ausgeformt hat. Allein die Gestalt dieses Glaubensbildes ist - wie analog zu M. Kühlers Ausführungen formuliert wird - die „den Glauben stillende Gestalt" (Schau 517). „Über Kähler hinaus" gehen die Balthasarschen Ausführungen nun eben darin, daß auf die bei Kähler durch die Kategorie des Bildes verdeckte, das eigentliche Problem darstellende Frage, warum es möglich und notwendig war, daß der gepredigte Christus zum gepredigten wurde, eine Antwort gegeben wird: eine Antwort freilich unter Zugrundelegung eines dogmatischen Prinzips. Dieses wird - sieht man einmal von der genannten Analogie der Erfassung eines Kunstwerkes ab - seinerseits nicht weiter begründet: „genug wenn wir apriori feststellen, dass es theologisch gar nicht anders sein kann" (Schau 517)96. Weil die Offenbarung Gottes in Jesus „zur Welt gebracht werden" will durch den - von ihr selbst erwirkten - menschlichen Glauben, ist die Gestalt des irdischen Jesus notwendig defizitär. Darum „fehlt ihr ... noch zur vollen Selbstentfaltung der Raum des Kirchenglaubens, wie er sich erst wirklich durch Tod und Auferstehung Jesu öffnet" (Schau 517). Andererseits ist der Osterglaube der Kirche die unerläßliche Voraussetzung dafür, „um das, was in der Erdenzeit Jesu an lesbarer Gestalt sich zu umreissen begann, recht zu lesen: nämlich im Licht jener Gesamtgestalt, die schon damals gemeint war und die sich erst im Medium des Kirchenglaubens voll entfalten sollte" (Schau 517)97. „Rückauswortung" meint dementsprechend nichts anderes als die volle „ Selbstentfaltung" des irdischen Jesus durch seine prinzipielle „Überlassung" an den mit der Kirche kooperierenden heiligen Geist. Aus diesem Grunde sind „Rückauswortungen" auch keine „subjektivefn] Projektionen des späteren Stadiums in das frühere zurück" (Schau 517). Sie sind es darum nicht, „weil die Umrisse der irdischen Gestalt Jesu sich anders gar nicht vollenden können als in der Vollgestalt des Christus des Glaubens" (Schau 517).
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Immer auf der Grundlage des (unter 2.2) bereits beschriebenen „Volltreffers". Allerdings stellt v. Balthasar in Aussicht, den „historisch-kritischen Beweis" (Schau 517) für die mit Hilfe des „katholischen" Prinzips gefundene Antwort auf die Frage nach dem Zusammenhang von historischem Jesus und seinem „Glaubensbild" führen zu können. Dies geschieht soweit ich sehe erst in TD II/2, 92ff; vgl. unten Kap. 3.3.2.1. Der in TD II/2, 53ff vorgelegte kleine geschichtliche Uberblick über die immer neuen Lösungsansätze des Problems nach dem „Einbruch der historischkritischen Neutralität" (aaO., 53) macht deutlich, daß die protestantische Theologie post Bultmann selber Wege zur „Überwindung der Diaslase von ,Historie' und ,Geschichte'" (aaO., 62) beschritten hat. „Schau der Gestalt" (515) stellt freilich fest, die Lösung des Problems „dürfte katholischer Theologie vorbehalten bleiben; wenn die protestantische sich an der Arbeit beteiligt, dann schwerlich ohne sich dem katholischen Prinzip zu nähern." 91 NB 105 formuliert das gleiche anders: „Die Glaubensentscheidung ist Voraussetzung nicht nur dafür, daß das Ereignis Jesu richtig gesehen werden, sondern auch dafür, daß es sich richtig sehen lassen kann." 98
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Wir fassen zusammen: Die hier von v. Balthasar vorgetragene „Lösung" des Problems verdankt sich „jener Evidenz, die dem theologischen Blick eigen ist" (Schau 515). Der theologische Blick ist der Blick mit den „Augen des Glaubens". Von diesem Blick wird vorausgesetzt, daß er allein „im theologischen Sachgebiet ... die volle objektive (.vernünftige') Erkenntnis der Dinge, wie sie wirklich sind, verbürgen kann" (Schau 515). Hinsichtlich des Problems des Verhältnisses von irdischem Jesus und Kerygma wird ihm als „vernünftige Erkenntnis" evident, daß die Gestalt des irdischen Jesus sich nur in der „Vollgestalt des Christus des Glaubens" (Schau 517) vollenden kann, weil Jesus selbst sich nur so vollenden will. Diese Entfaltung bzw. Vollendung erfolgt mittels der Glaubensmeditation der werdenden Kirche, die durch die Begegnung mit dem Auferstandenen angestoßen und durch den heiligen Geist überwacht wird: „Der Jesu Taten und Worte auslegende Geist der seine - ist Garant für die objektiv angemessene und in diesem Sinn .abschließende' Ausdrucksform"98: die Schrift. Zwischen den Taten und Worten Jesu und der „Rückauswortung" - letztlich als Schrift - besteht völlige Adäquatheit: „Im erinnernden Verstehen" der durch den Geist geleiteten neutestamentlichen Evangelisten und Propheten „wird das Implizite explizit, die von Jesus gelebte Christologie zu der von der Kirche gelehrten" (NB 141). In der Tat gerät v. Balthasar mit dieser Konstruktion nicht in den beklagten methodologischen Dualismus von Historie und Geschichte. Freilich so, daß er nunmehr gezwungen ist, zwischen einer „eigentlichen Theologie" und einer „uneigentlichen" zu unterscheiden99. Beide sind nicht miteinander vereinbar, insofern „die Theologie die (einzige) Wissenschaft [ist], durch deren Methode mittenhindurch die Glaubensentscheidung geht" (NB 105, Anm.2). Für den glaubenden Theologen100 erweist sich die Zusammengehörigkeit des historischen Jesus und des Christus des Glaubens sozusagen apriori als eine (in der Diskontinuität) kontinuierliche, in sich stimmige und nicht konstruierbare. Die Voraussetzung der Glaubensentscheidung schließt allerdings nach v. Balthasar die historisch-kritische Methode nicht schlechterdings aus der theologischen Arbeit aus. Sie öffnet vielmehr allererst den Raum zu ihrer dem Gegenstand angemessenen Anwendung. Deshalb kann v. Balthasar formulieren: „Der Streit um die bultmannsche theologische Exegese ist viel weniger ein Streit um Forschungsergebnisse als ein Streit um die theologischen Voraussetzungen der exegetischen Methode; nicht einmal die Methode selbst braucht in Frage gestellt zu wer-
* Theodramatik 2.Bd.: Die Personen des Spiels, Teil 1: Der Mensch in Gott ( = TD II/l), Einsiedeln 1976, 94f. 99 Vgl. NB 105, Anm.2. 100 Will heißen: in der „Dimension" der als Schau des Glaubens verstandenen „ästhetischen Anschauung" (Schau 167).
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den."(Schau 513)101 Unter der dem Glauben evidenten Voraussetzung der „.notwendigen' Gestalteinheit" (Schau 515) von irdischem Jesus und der „Rückauswortung" seines Lebens (unter Einschluß seines Todes und seiner Auferstehung) kann demnach auch historisch-kritische Exegese betrieben werden. Freilich: Was vermag die solchermaßen in Schutzhaft genommene Methode zu leisten? Zweifellos kann die historisch-kritische Forschung „ein paar Stufen" (NB 79) auf dem Wege der Glaubensmeditation der ersten Christen nachzeichnen, die in Gestalt der neutestamentlichen Schriften zum normativen Abschluß gekommen ist. Man hat diese Arbeit und ihre Ergebnisse nach v. Balthasar dankbar zu würdigen. Hat doch die historisch-kritische Exegese damit „im ganzen einen unschätzbaren theologischen Gewinn ... gebracht" (Schau 520). Dieser liegt darin, daß durch den Aufweis verschiedener literarischer Schichten des Neuen Testamentes der Gefahr gewehrt wird, die Schrift statt für das Zeugnis der Offenbarung für die Offenbarung(sgestalt) selbst zu halten102. Schon die Vierzahl der Evangelien „vier Perspektiven an das unfassbare Mysterium heran" (Schau 520) - soll nach v. Balthasar dieser Gefahr entgegenwirken. Die Bearbeitung der Texte durch die historisch-kritische Methode hat insgesamt den Blick für das perspektivische Verfahren der Annäherung der Schrift „an das unfassbare Mysterium" vertieft. Damit hat sie einen bleibenden Beitrag geleistet zur Erkenntnis, daß bei aller - in der Schau des Glaubens als notwendig evidenten - Zusammengehörigkeit von Zeugnis (Schrift) und Sache (die Offenbarung selbst) „die Sache..., als das Bezeugte, das Zeugnis wesenhaft übersteigt" (Schau 521). Liegt aber hierin letztlich der theologische Gewinn historisch-kritischer Forschung als ganzer, so kommt man nicht umhin zu konstatieren, daß dieser sich in auffälliger Weise mit v. Balthasars eigener (NB 69ff fixierter) Auffassung trifft, als Integral des Neuen Testaments habe das „Nichtwort als Mitte des Wortes" zu gelten. Denn durch die Analyse verschiedener literarischer Schichten bestätigt die historisch-kritische Exegese dem Autor von „Herrlichkeit" nur, daß die Offenbarungsgestalt bei aller von ihm vorausgesetzten Exaktheit der „Rückauswortung" als Schrift „gerade als Wort-Fleisch allem auch inspirierten Reden von ihm [Christus] ein Überwort bleibt" (NB 145). Eben deshalb darf die Vielfalt der inspirierten „Rückauswortung" nicht historisch-kritisch reduziert werden. Es ist die vielfältige „Endgestalt" der Schrift, in der der Geist „dem historischen Geschehen den 101 Durch eine ohne diese Voraussetzungen, also ohne „den Kredit des Glaubens" (Schau 493) verfahrende (historisch-kritische) Exegese wird hingegen im besten Fall die von den biblischen Schriftrai vorgestellte „Figur ... .historisch-kritisch' solange zersetzt, bis vom lebendigen Organismus nur ein toter Klumpen von Fleisch, Blut und Knochen übrig bleibt" (aaO., 167). Damit aber ist nach v. Balthasar die Gefahr der Diastase von Historie und Geschichte machtvoll auf dem Plan. 102 Wir notieren hier im Hinblick auf die Schrift die gleiche Balthasarsche Denkfigur und deshalb auch die gleichen Abgrenzungsprobleme wie hinsichtlich der Bestimmung der Kirche: beide sind notwendiger Bestandteil der Offenbarungsgestalt, aber nicht mit ihr identisch. Ihre Notwendigkeit besteht in der göttlichen Erhebung zu Mittlern, ohne die die Offenbarung nicht Offenbarung sein will.
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menschlich adäquaten Ausdruck" verschafft hat (TD D/1, 95)103. Daher schlägt der begrüßte theologische Gewinn der historischen Forschung sofort zu einem Verlust um, wo die kritische Analyse mehr leisten zu können beansprucht, als die literarische Vielfalt des Neuen Testaments aufzuweisen, indem sie nämlich versucht, durch Quellenscheidung und formgeschichtliche Analysen über Echtheit oder Unechtheit eines Logions zu entscheiden, das als Wort Jesu gilt. Eben dieser Intention muß die besagte „theologische Voraussetzung" der historisch-kritischen Methode wehren. Zwar ist es zulässig, exegetisch ältere Textfässungen im Neuen Testament als ältere zu erweisen; „aber nicht dadurch, dass sie [sc. die historischkritische Exegese] eine Fassung als einer altern Schicht zugehörig erweist, ist ihr deswegen schon eindeutig der Vorzug zu geben; auch eine andere Einbettung eines Jesuswortes ist objektiv, offenbarungsmässig sinnvoll, der Nachweis einer Absicht des Hagiographen kann nicht gegen die Absicht des Heiligen Geistes ausgespielt werden" (Schau 520). Denn es ist nicht nur legitim, sondern notwendig, daß das Neue Testament Worte und Taten des irdischen Jesus in die Situation der nachösterlichen Gemeinde übersetzt. Von Balthasar nennt diesen Vorgang, wie bereits erwähnt, eine „Motivtransposition". Was darunter zu verstehen ist, soll später erörtert werden. Es empfiehlt sich zunächst, die Balthasarsche Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Exegese an einem Beispiel vorzuführen. 3.3.2.1 Von Balthasars Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Exegese. Ein Beispiel Bei allen Vorbehalten gegenüber der historischen Kritik hat v. Balthasar die Forschungen und Ergebnisse der exegetischen Disziplinen innerhalb der theologischen Wissenschaft stets aufmerksam verfolgt104. Dies zeigen nicht nur die beiden exegetischen Bände von „Herrlichkeit" hinlänglich. Die m.W. einläßlichste Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Forschung wird in Theodramatik H/2 im Rahmen der methodologischen Erörterungen zur Christologie geführt105. Von 103 In genau diesem Sinne wertet v. Balthasar auch die von der historisch-kritischen Forschung herausgearbeitete Tatsache, daß das Neue Testament eine Vielfalt traditioneller Denkschemata angezogen und diese häufig genug in bestimmbarer Weise korrigiert hat. Auch hierdurch bestätigt sich ihm, „wie sehr in diesem einmaligen Fall die erreichbare Adäquatheit der Auswortung nur durch eine - auf der historisch-kritischen Ebene immer neu aufzeigbare - Inadäquatheit der verwendeten Denk-, Vorstellungs- und Sprachmittel hindurch erreicht werden kann" (NB 146). 104 Das Verhältnis ist allerdings aus verständlichen Gründen einseitig geblieben. Die exegetische Arbeit v. Balthasars wurde von den Fachgelehrten mit nahezu völligem Stillschweigen übergangen. Als Beispiel für diese Resonanzlosigkeit weist B. McNeil (The Exegete as Iconographer: Balthasar and the Gospels, aaO., 134) auf die beiden großangelegten christologischen Studien von Edward Schillebeeckx hin (Jezus, het verhaal van een levende, 2. verm.dr. Bloemendaal 1974 und: Gerechtigkeit en liefde. Genade en bevrijding, Bloemendaal 1977), in denen die neutestamentlichen Studien von mehr als 800 Exegeten und Dogmatikern angeführt werden, nicht aber die Untersuchungen v. Balthasars. 105 Vgl. TD H/2, 53-135.
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Balthasar verfolgt damit das Ziel, die von ihm behauptete spezifische Zusammengehörigkeit der „Gestalt" des irdischen Jesus und seiner „Rückauswortung" durch die Kirche gegenüber der historisch-kritischen Exegese als zumindest diskutabel zu erweisen. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung ist das Problem der Naherwartung Jesu, wie es sich der neutestamentlichen Wissenschaft besonders seit dem Eschatologismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts gestellt hat106. Ohne die unter dem Titel „konsequente Eschatologie" zusammengefaßten Anschauungen von J. Weiß, R. Kabisch, A. Schweitzer oder M. Werner wiederbeleben zu wollen, geht v. Balthasar davon aus, daß sich im Neuen Testament einige Jesuslogien finden, die eine futurisch linear-zeitliche Naherwartung Jesu erkennen lassen und die „weder der nachösterlichen Gemeinde zuweisbar noch existential (im Sinne einer ,Stetserwartung') umzudeuten" (TD II/2, 81) sind. Dies bedeutet allerdings keineswegs, daß sich die temporale Erwartung Jesu mit der Erwartung des Täufers und der spätjüdischen Apokalyptik deckt und daraus ableiten läßt. Dem stehen nicht allein diejenigen unzweifelhaft echten Jesuslogien entgegen, die die „Bestätigung einer mit seiner Person und seinem Dasein in der Welt einzigartigen Reichsgegenwart" (TD n/2, 88) enthalten, sondern darüber hinaus eine beträchtliche Anzahl von Worten Jesu, „die keinerlei Bezug zur eschatologischen Erwartung zu haben scheinen" (TD n/2, 82) und die v. Balthasar in Anlehnung an Heinz Schürmann „theo-logische Aussagen" nennt107. Schürmann verfolgt das Ziel, die „paneschatologische Deutung der Verkündigung und Weisung Jesu"108 als unzutreffend zu erweisen. Er bestreitet daher, daß
106 Als Grundlage des Gesprächs mit der historisch-kritischen Exegese setzt v. Balthasar eine Diskussionsebene voraus, die durch zwei von der exegetischen Forschung (seit R. Bultmann) selbst herausgearbeitete Einsichten bestimmt wird. Dazu gehört 1. die Unabweisbarkeit der von den Schülern Bultmanns neu aufgeworfenen Frage nach dem historischen Jesus als „Frage nach der Kontinuität des Evangeliums in der Diskontinuität der Zeiten" (E. Käsemann) und der von der Bultmannschule in verschiedener Weise herausgearbeitete „Vollmachtsanspruch" Jesu in dessen Verkündigung und Verhalten, der eine „indirekte" oder „implizite" Christologie des irdischen Jesus einschließt; 2. die durch die neuere (etwa von M. Hengel betriebene) Erforschung der Geschichte des Urchristentums und insbesondere der urchristlichen Chronologie gewachsene Einsicht in die erstaunliche Kürze des Zeitraumes zwischen dem Kreuzestod Jesu und der Ausbildung (verschiedener) christologischer Ansätze; damit wird die These von der Entwicklung der Christologie in verschiedenen Stadien und sprachlich-kulturell verschiedenen (bis hin zu heidenchristlichen) Gemeinden problematisiert und der Versuch gestützt, die Beschränkung der formgeschichtlichen Methode (aufgrund der Annahme einer erst nachösterlichen Hervorbringung der Logientradition) zu überwinden und bereits im vorösterlichen Jüngerkreis und also bei Jesus selbst die Anfänge der Logientradition zu sehen. 107 Vgl. TD H/2, 82f. Von Balthasar bezieht sich hier auf H. Scharmanns Ausführungen: Das hermeneutische Hauptproblem der Verkündigung Jesu. Eschato-logie und Theo-logie im gegenseitigen Verhältnis, in: ders., Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien, 13-35. 108 AaO., 15.
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Jesus „im Grunde gar nichts weiter als die Nähe der Basileia verkündet" habe109. Als Begründung verweist er auf ein „Nebeneinander und Miteinander zweier Aussagereihen im Worte Jesu", nämlich „der eschato-logischen und theo-logischen"110. Die Unterscheidung von „theo-logischen" und „eschato-logischen" Aussagen ist dabei nicht einfach identisch mit der bereits von Bultmann getroffenen Unterscheidung zwischen eschatologischer und sittlicher Verkündigung Jesu111. Vielmehr ist der überwiegende Teil der synoptischen Jesuslogien „ethisch interessiert", wobei das Motiv des Bußrufes Jesu „hier eschato-logisch, dort theo-logisch ... ist", so daß Schürmann auch formulieren kann: „Die sittlichen Appelle Jesu ruhen auf seiner Basileia-Verkündigung bzw. seiner Gottes-Offenbarung auf, einmal mehr auf dieser, einmal stärker auf jener."112 Die theo-logische Motivation der sittlichen Forderung Jesu hat ihren Grund einerseits im „,Vor-wissenl [Jesu] ... um die absolute Heiligkeit Gottes, die zu letzter Theozentrik aufruft", andererseits u.z. in jener Gruppe von Forderungen Jesu, „die den Verweis auf die Güte des ,Vaters' enthält" - im „Vor-wissen" Jesu um Gottes Vaterliebe113. Der „Verweis" auf Gottes Vatergüte steht nun freilich auch hinter den eschato-logisch motivierten sittlichen Forderungen Jesu, so daß nach Schürmann die eschato-logische Motivation sittlicher Weisungen Jesu im Grunde genommen nur ein Akzent ist: „sie bleiben doch zuinnerst und wesentlich von der Theozentrik her bestimmt"114. Nichtsdestoweniger muß man von einer „Doppelpoligkeit der Predigt Jesu"115 ausgehen, die durch die eschato-logische und theo-logische Aussagereihe bestimmt wird, und hat dem „Paneschatologismus" den Befund entgegenzusetzen: „Jesus verkündet nicht nur das baldige Kommen des Königtums und den schon eingetretenen Anbruch der Erfüllungszeit - er macht auch .Mitteilungen' über Gott, offenbart, daß dieser der königliche Herr und zugleich der gnädige Vater ist."116 Wie aber läßt sich das „Nebeneinander" der „beiden gefundenen Aussagereihen - der eschato-logischen Verkündigung Jesu und seiner Gottes-Offenbarung"117, das Schürmann der vermeintlich unzutreffenden Unterscheidung von eschatologischer und sittlicher Verkündigung Jesu gegenüberstellt, verstehen? Religionspsychologische Erwägungen können hier nur unzulängliche Hinweise geben. Der „Einheitspunkt" der beiden konstatierten Aussagereihen in Jesu Verkündigung (der dann die besagte „Doppelpoligkeit" zugleich auch psychologisch einsehbar macht) kann letztlich nur „im
109
AaO., 14. AaO., 15. 111 Schon gar nicht hält Schürmann die Verhältnisbestimmung beider Aussagereihen bei Bultmann und einigen seiner Schüler für zutreffend. Vgl. aaO., 15-22. 112 AaO., 22. 113 AaO., 23. 114 AaO., 24. 113 AaO., 25. 116 Ebd. 117 AaO., 27. 110
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Sohnes-Bewußtsein Jesu"118 gefunden werden. Daß sich in jenen Aussagen, die Schürmann die „Gottes-Offenbarung Jesu" nennt, das „Sohnes-Bewußtsein" Jesu expliziert, duldet angeblich keinen Zweifel und „bedarf keines eigenen Beweises"119. Daß auch die eschato-logischen Worte Jesu von seinem „Sohnes-Bewußtsein" her zu verstehen sind, meint Schürmann im Anschluß an Karl Rahners „Dogmatische Erwägungen über das Wissen und Selbstbewußtsein Jesu"120 evident machen zu können, deren Spitze hinsichtlich des eschatologischen Bewußtseins Jesu in der Auskunft besteht: „Es ist nicht die antizipierte Vorwegnahme der Eschata, sondern deren Entwurf aus dem Wissen in Grundbefindlichkeit von seiner Sohnschaft und Gottunmittelbarkeit. Er weiß diese Eschata und er weiß sie insoweit, weil, indem und in der Art er sich als Sohn und seine Unmittelbarkeit zu Gott weiß: in dieser Unmittelbarkeit absolut, in der gegenständlichen Vermittlung seiner Grundbefindlichkeit in der Weise und in dem Maße, als diese geschichtliche und aposteriorisch bedingte Vermittlung in dieser Frage tragen kann."121 Damit ist zugleich Abstand wie Nähe der eschatologischen Verkündigung Jesu zu den zeitgenössischen eschatologischen Denkschemata (der jüdischen Apokalyptik) angegeben. Und von hier aus setzt Schürmann dem herrschenden „exegetischen Verständnis seit J. Weiß", es sei „Jesu Selbstbewußtsein ... eine Funktion des allgemeinen eschatologischen oder apokalyptischen Zeitbewußtseins" die These entgegen, „umgekehrt wären die aus dem eschatologischen und apokalyptischen Zeitbewußtsein von Jesus aufgenommenen Vorstellungselemente nur unzulängliche Mittel, mit denen Jesus sein eigenes Sohnesbewußtsein exegesiert"122. Vom „Sohnes-Bewußtsein" Jesu aber als dem „Einheitspunkt" der „eschato-logischen" und „theo-logischen" Worte Jesu zu einer dieses „Sohnes-Bewußtsein" begründenden Christologie weiterzuschreiten, ist nunmehr nur noch ein naheliegender kleiner Schritt123. Schürmann ist sich darüber klar, daß nicht nur seine Lösung des exegetischen Problems, sondern bereits die Fragestellung von dogmatischen Prämissen geleitet ist: „Der Problemstellung wie deren Lösung leuchtet von außen - ohne konstitutives exegetisches Erkenntnisprinzip zu werden - die Idee des Sohn-Seins Jesu voran."124 Da eine Bestimmung des Verhältnisses der beiden konstatierten Aussagereihen in der Verkündigimg Jesu „durch ein Hören auf das Schriftwort allein" jedoch nicht möglich ist, hält Schürmann den Rekurs auf das kirchliche Dogma für zulässig, gerade weil hierdurch „die exegetischen Tatbestände nicht vergewaltigt" werden125.
118
AaO., 30. Ebd. 120 In: K. Rahner, Schriften zur Theologie Bd.5, 3.Aufl., Einsiedeln/Zürich/Köln 1968, 222-245. 121 AaO., 244. 122 H. Schärmann, aaO., 30. 123 Vgl. aaO., 31. 1M AaO., 34. 125 AaO., 34f. 119
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Es ist dies der Weg, den auch v. Balthasar beschreiten wird. So hat man auch nach Balthasarscher Auffassung von einer „Doppelpoligkeit im Bewußtsein und Dasein Jesu" (TD H/2, 83) auszugehen, deren Verifikation und Explikation anhand der durch v. Balthasar aufgebotenen Evangelientexte nunmehr vorzuführen ist. Die Darstellung beschränkt sich auf das Wesentliche. Innerhalb der Gruppe von Logien, die eine apokalyptisch geprägte Naherwartung Jesu zum Ausdruck bringen, hat man zwischen solchen zu unterscheiden, in denen eine zeitlich nahe Temümerung des Anbruchs der Basileia (respektive des Kommens des Menschensohnes) vorgenommen wird, und anderen, die das Bevorstehen des Gottesreiches terminlos ansagen. Zur ersten Gruppe, deren Authentizität v. Balthasar mit dem Argument verteidigt, ein derartig entscheidender Eingriff in die Sprache Jesu durch urchristliche Prophetie sei kaum plausibel zu machen, gehören die Einzellogien Mk 9,1 par.; Mk 13,30 par. und Mt 10,2312 Xpiory, die v. Balthasar als die entscheidende Transpositions- und Integrationsleistung betrachtet; ihr ist es zuzuschreiben, daß die Parusieverzögerung zu keinem den Bestand der frühen Christenheit angreifenden Problem geworden ist185. Die Evangelien setzen gegenüber dieser grundsätzlichen Integration der beiden Zeitbewußtseinspole lediglich Akzente: die Synoptiker legen entsprechend ihrer Nachfolgetheologie das Gewicht stärker auf den futurischen Spannungspol, während im Johannesevangelium „das Futurische fest ganz im Präsentischen untergehen" (TD H/2,121) kann, ohne daß „das Futurische" gänzlich vom „Präsentischen" verschlungen würde184.
Von Balthasar beruft sich in diesem Zusammenhang in erster Linie auf die Studie von W. Thüsing, Erhöhungsvorstellung und Parusieerwartung in der ältesten nachösterlichen Christologie, Stuttgart o.J. [1969]. Statt von „Transpositionen" spricht Thüsing von „Transformationen", vgl. bes. aaO., 55ff. 189 Die Weise der Existenz des Apostels selber ist für v. Balthasar der sprechende Anschauungsunterricht für die Integration der beiden Pole. Steht doch das Zeitbewußtsein des Paulus in genauer Analogie zum Zeitbewußtsein Jesu, wie v. Balthasar es rekonstruiert: Der Apostel gleicht „darin seinem Herrn..., daß seine Hoffnung, die Wiederkunft zu erleben, ihm die Ruhe nicht raubt, sich immer neu für seine Missionsaufgaben einzusetzen" (TD II/2, 121). Von einer derartigem Hoffnung des Paulus zeugt bekanntlich (nur) der l.Thessalonicherbrief und der l.Korintherbrief. Die johanneische Eschatologie muß nach v. Balthasar als die neutestamentliche Eschatologie angesehen werden. Sie integriert alle eschatologisehen Ansätze des Neuen Testamentes und führt sie einer „konsequente[n] Klärung" (TD IV, 19) entgegen, indem sie - wie v. Balthasar zu behaupten nicht müde wird - „nicht gegen die futurische [Eschatologie] polemisieren will, sondern diese in die zentrale, von der Christologie bestimmte einbezieht" (aaO., 21). Für den Evangelisten Johannes ist „das Christusereignis, immer als ein gesamtes gesehen, der vertikale Einbruch der Vollendung in die horizontale Zeit; ein Einbruch, der diese Zeit mit ihrer Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nicht unverändert läßt, sondern sie in sich einbezieht und von sich her neu kennzeichnet" (aaO., 19). Die Eschatologie des Johannesevangeliums entspricht damit jenem - doppelten - Zeithorizont, den v. Balthasar im Blick auf die Naherwartung Jesu behaupten zu können meinte. Man darf darum v. Balthasars kommentarlose (fehlerhafte) Wiedergabe (aaO., 19, Anm.4) eines Votums von E. Stauffer als uneingeschränkte Zustimmung werten: „In Chronologicis [v.B. : Christologicis] ist der
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c) Im Gegenüber zu den beiden oben genannten „Transpositionsmotiven" sieht v. Balthasar in der Frage, inwieweit die Evangelien die Darstellung des Lebens Jesu (einschließlich seines Selbstverständnisses) österlich verklärt haben, immerhin ein schwieriges Problem187. Es ist freilich grundsätzlich lösbar. Weil es grundsätzlich lösbar ist, können allfällige Einzelprobleme (z.B. die Frage, welche Selbstbezeichnungen Jesus sich zugelegt hat) zumeist als mehr oder minder irrelevant abgetan werden. Historisch unbezweifelbar erscheint v. Balthasar, daß Jesus „mit seinem ganzen Wesen" (TD n/2, 124) die paradoxe Einheit von Niedrigkeit und Hoheit, Anspruch und Armut verkörpert hat, wobei die Hoheit (oder „Wucht" der Vollmacht) Jesu gerade durch seine Armut und Niedrigkeit zur Wirkung gelangte. Unerachtet des schlechterdings nicht zu leugnenden Befundes, daß die Person Jesu „in einzelnen Evangelienperikopen mit einem nachösterlichen Licht Übergossen zu sein scheint", ist Hoheit „auf jeden Fall schon ein Grundzug des irdischen Jesus gewesen" (TD H/2, 123). Nimmt man das nach v. Balthasar ebenfalls historisch unbezweifelbare Faktum hinzu, daß Jesus „mit seinem ganzen Wesen" auf den ihn sendenden Gott verwiesen hat, dessen Willen er in seinem selbstlosen Verhalten als einen gnädigen zum Ausdruck brachte, und erblickt man darin den Grund für das, was als Hoheit oder Vollmacht Jesu in Erscheinung tritt, so hat man nach v. Balthasar den historischen nucleus für das, was nachösterlich christologisch-trinitarisch expliziert werden mußte: „Diese Einheit in der Gezweiung [von Niedrigkeit und Hoheit] ist nicht anders auflösbar als einerseits christologisch: die Erniedrigung ist Inhalt einer erhabenen (und erhaben bleibenden) Sendung, anderseits trinitarisch: die Erniedrigung des Sohnes ist nicht die Anzeige einer Erniedrigung der Substanz Gottes, die sich in die Welt verstricken würde, sondern der bleibenden Hoheit der Liebe des Vaters, die erst in dieser sohnlichen Offenbarung in ihrem Wesen kund wird." (TD H/2, 124) Freilich bedarf solche nachösterliche Reflexion zunächst eines hermeneutischen Schlüssels. Von Balthasar sieht diesen in der Gestalt des deuterojesajanischen Gottesknechtes, die für die „Deutung der Hoheit Jesu in seiner Niedrigkeit" besonders geeignet erscheinen mußte und mit großer Wahrscheinlichkeit bereits von Jesus selbst „zu seiner Selbstdeutung herangezogen worden ist" ( T D H / 2 , 125) 188 .
Vierte Evangelist zweifellos besser unterrichtet als die Synoptiker. Wir müssen deshalb a priori mit der Möglichkeit rechnen, daß Johannes auch in Eschatologicis die Gestalt und Botschaft Jesu richtiger gezeichnet hat als seine Vorgänger." (£. Stauffer, Agnostos Christos. Joh 2,24 und die Eschatologie des vierten Evangeliums, in: The Background of the New Testament and its Eschatology, ed. by W.D. Davies and D. Daube. FS Dodd, Cambridge 1956, (281-299) 286). 187 Vgl. TD H/2, 122. Man beachte einmal die Formulierung der Fragestellung: erfragt wird, „wieviel vom Selbstbewußtsein und der Wirkweise des Auferstandenen in die vorösterlichen Ereignisse zurückprojiziert worden ist" (ebd.)! 1U Andernfalls - und das wäre letztlich „beinah gleichgültig" - handelt es sich um eine „Transposition der Urkirche..., die hier die sprechende Rückauswortung des Jesusereignisses ersah" (TD II/2, 125).
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Damit ist das Hauptproblem für v. Balthasar grundsätzlich gelöst. Weitere Einzelheiten zu verfolgen, lohnt kaum. Das Problemlösungsverfahren ist stets das gleiche: Die als „Rückauswortungen" verstandenen Evangelientexte müssen sich auf einen Sachverhalt im Leben des historischen Jesus oder auf einen Bewußtseinsinhalt Jesu zurückfuhren lassen. Solche Sachverhalte und Bewußtseinsinhalte werden in einer merkwürdig naiven Mischung von historisch-kritisch gewonnenen exegetischen Einzelergebnissen und dem postulatorischen Rückschluß von den „Rückauswortungen" auf im „Bewußtsein Jesu notwendig Impliziertes" (TD II/2, 128) gewonnen. Inhaltliche Differenzen zwischen „Impliziertem" und „Expliziertem" sind logischerweise ausgeschlossen. Mit Hilfe dieses Verfahrens erscheint schließlich die neutestamentliche Christologie insgesamt als eine „Transposition". Nur einmal mehr zeigt sich in diesem Zusammenhang, daß v. Balthasar zwar die Frage nach dem Ursprung der Christologie stellt, diese Frage aber aufgrund seiner Úberlassungs-, Rückauswortungs- und Gestaltlehre (und also letztlich seiner Ekklesiologie) nicht als historische Frage verstehen und beantworten kann, wiewohl seine Ausführungen ständig diesen Eindruck erwecken und wohl auch erwecken sollen. d) Ein letztes Transpositionsproblem stellt die Frage nach der Pluralität der neutestamentlichen Theologien dar. Wie ist es zu verstehen, daß die „Rückauswortung" des von Jesus „Gelebten und Gesprochenen" in der Gestalt des Neuen Testaments eine Vielzahl theologischer Deutungsschemata gefunden hat? Unter Zugrundelegung des oben genannten Lösungsverfahrens läßt sich v. Balthasars Antwort nunmehr geradezu eigenständig konstruieren. Als Dreh- und Angelpunkt solcher Konstruktion muß gelten, daß die Vielfalt der neutestamentlichen Theologien nicht nur als Faktum zu betrachten sind (das dann als solches Gegenstand historischer Forschung werden kann), sondern als notwendiges Faktum; andernfalls wäre die „Rückauswortung" keine adäquate. Sodann ist zu fragen: Worin liegt die Notwendigkeit dafür, daß die „Theologien des Neuen Testamentes ... gar nicht anders als plural" (TD II/2, 132) sein können? Die Antwort kann nur lauten: Auch diese Notwendigkeit muß im Selbstverständnis Jesu verankert sein. In der Tat rekurriert v. Balthasar im vorliegenden Zusammenhang erneut auf das, was er andernorts als die „Überlassungshaltung" Jesu namhaft gemacht hatte: die „Lebensgestalt Jesu ... versteht sich selbst nicht als rein menschliche Selbstdarstellung, sondern als Wort und Darstellung Gottes, ferner ,spricht' sie ... über die endliche Lebensgestalt hinaus in der entscheidenden Aussage von Kreuzestod und Auferweckung, und sie kann schließlich wesensgemäß nur durch kirchlichen Glauben, den sie erzeugen will, und der in keine abschließenden Begriffe gezwängt werden kann, beantwortet werden" (TD H/2, 131)189. Als Gegen-
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Wie präzise der geschichtliche Jesus sich über die drei genannten Einzelaspekte im klaren gewesen ist oder sich gar dazu geäußert hat, ist für v. Balthasar keine erhebliche Frage mehr: der
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stand der „Rückauswortung" kann diese „Lebensgestalt" darum nur als „transzendierende"190 angemessen zur Sprache gebracht werden. Die dafür adäquate Form aber ist die Multiperspektivität, wie sie sich in der Vierzahl der Evangelien und der Vielzahl der neutestamentlichen Theologien manifestiert191. Die Pluralität der neutestamentlichen Theologien ist also gerade nicht Ausdruck eines Mangels, sondern des Höchstmaßes an zu erreichender Exaktheit der „Rückauswortung". Daß die neutestamentlichen Theologien in ihrer solchermaßen als notwendig „erwiesenen" Pluralität eine innere Einheit haben, ist freilich die Prämisse der Balthasarschen Darlegungen. Alle neutestamentlichen Theologien (und die in sie integrierten alttestamentlichen Theologien, also die ganze heilige Schrift) sind wie Kristalle, die sich konzentrisch um eine Mitte ordnen: die gottmenschliche Offenbarungsgestalt, „eine Mitte, die zwar in ihr [der Schrift] ausgedrückt und von überall angestrahlt wird, aber doch wesenhaft jenseits der Schrift in souveräner Wirklichkeit bei sich selber ruht" (Schau 532). Immerhin hat v. Balthasar gelegentliche Andeutungen gemacht, wie die ästhetisch-dogmatisch vorausgesetzte Einheit der neutestamentlichen Theologien auch exegetisch zu ermitteln wäre. Bezeichnenderweise beruft er sich hierbei auf die Arbeiten von Heinrich Schlier. H. Schlier hat in seinen Ausführungen „Über Sinn und Aufgabe einer Theologie des Neuen Testaments"192, anknüpfend an bereits früher von ihm geäußerte Überlegungen193, die Ansicht geäußert, eine Theologie des Neuen Testamentes habe methodisch von dem Sachverhalt auszugehen, daß die Schriften des Neuen Testaments „Formulierungen" aufweisen, die „als das Urwort der sich zur Sprache bringenden Offenbarung Jesu Christi und als die Urantwort der sich ihm öffnenden Gemeinde ... die primäre Explikation der Heilstat Gottes in Jesus Christus" enthalten, deren Entfaltung „dann in den ntl Schriften und ihrer Verkündigung und also in ihrer Theologie"194 geschieht. Mit der Darstellung der „archaische[n] Theologie dieser maßgebenden Urformen des Kerygmas, die in der Theologie der ntl
Rekurs auf das „implizite Bewußtsein" Jesu schlägt alle Fragen, die in eine derartige Richtung zielen, im Ansatz nieder. 190 Vgl. TD H/2, 132f. 191 Quod erat demonstrandum. Von Balthasar macht solche Multiperspektivität auch für den einzelnen neutestamentlichen Autor geltend und gelangt von hier aus zu dem abenteuerlich anmutenden Argument, „es wäre engherzig, Paulus auf die Gesetzeslehre des Galater-, auch nur des Römerbriefs festzunageln und ihm deswegen den Epheserbrief abzusprechen oder ... ihm eine Abhandlung wie den Hebräerbrief nicht zuzutrauen" (TD II/2, 132). 192 In: H. Schlier, Besinnung auf das Neue Testament. Exegetische Aufsätze und Vorträge II, Freiburg/Basel/Wien 1964, 7-24. Von Balthasar beruft sich in TD H/2, 132 ausdrücklich auf Schliers Bemerkungen zum vorliegenden Problem der Pluralität neutestamentlicher theologischer Ansätze. 193 Vgl. H. Schlier, Kerygma und Sophia. Zur neutestamentlichen Grundlegung des Dogmas, in: ders., Die Zeit der Kirche. Exegetische Aufsätze und Vorträge, 5. Aufl. Freiburg/Basel/Wien 1972, 206-232. 194 H. Schlier, Uber Sinn und Aufgabe einer Theologie des Neuen Testaments, aaO., 15.
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Schriften entfaltet wird"195, wäre in einer Theologie des Neuen Testaments darum der Anfang zu machen. Dabei übersieht Schlier nicht die Schwierigkeit eines derartigen Unternehmens angesichts der Quellenlage und des „fragmentarische[n] Charakter[s] der relativ wenigen erkennbaren Urformen der Offenbarung". Dennoch ist er der Meinung, es ließen sich „gewisse theologische Grundsätze feststellen..., die die wirksame Basis der durch sie gebundenen und sie entfaltenden Theologie der ntl Schriften bilden"196. Es nimmt kaum Wunder, daß v. Balthasar diesen Ausführungen Schliers zustimmt. Auch wenn Schlier die konkrete Ausarbeitung der genannten „archaischen Theologie" allererst als eine von der neutestamentlichen Exegese zu bearbeitende Aufgabe in den Blick nimmt und keineswegs als etwas, von dem man bereits ausgehen könnte, so zeigt sich v. Balthasar doch von der prinzipiellen Richtigkeit der Annahme überzeugt, daß alle theologischen Ansätze des Neuen Testamentes sich auf jene „archaische Theologie" zurückführen lassen und also als deren Explikation zu gelten haben: hier ist „die ganzheitliche Wurzel, aus der sich die verschiedenen theologischen Zweige nähren und in der sie miteinander in Kommunikation bleiben" (TD H/2, 132). Weder Schlier noch v. Balthasar haben freilich den historischen Nachweis in dieser Sache geführt. Hinter dem Schlierschen Ansatz steht unübersehbar eine bestimmte Auffassung des Verhältnisses von Kerygma und Tradition. Diesem soll in aller Kürze nachgegangen werden - nicht um Schliers sicherlich imponierenden Entwurfes willen, sondern um die mit der „Transpositionsproblematik" eng verknüpfte Frage nach der Tradition, wie v. Balthasar sie darstellt, vergleichend zu profilieren. Es handelt sich also bei den folgenden Ausführungen um eine Art Anhang zur „Transpositionenlehre". e) Im Anschluß an IKor 1 hat Heinrich Schlier versucht zu erweisen, daß das Verhältnis von Kerygma und Tradition, darüber hinaus aber auch das von fixierter apostolischer Paradosis und dem Evangelium ein Verhältnis der Identität ist197. Als Ausgangspunkt der Überlegung macht Schlier geltend, daß das Ereignis der Auferweckung Jesu Christi von den Toten Inhalt und Grund des Kerygmas darstellt. Allerdings hat man sich sofort klarzumachen, daß es sich bei der Auferweckung Jesu Christi von den Toten nur um eine Weise der Offenbarung handelt. Sie muß, um im Vollsinn die eine Offenbarung sein zu können, ergänzt werden durch die beiden anderen Weisen der Offenbarung: durch die Selbstbezeugung des Auferstandenen vor einem die Öffentlichkeit der Welt repräsentierenden „exklusiven und begrenzten Kreis"198 und durch das Zeugnis der diese Selbstbezeugung bezeugen-
193
AaO., 16. Alle Zitate ebd. ™ Vgl. Kerygma und Sophia, aaO., bes. 214-217. "" AaO., 215.
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den Zeugen. Alle drei Weisen der einen Offenbarung sind so miteinander verbunden, daß sie sich gegenseitig „unlösbar ... bedingen". Schliers Emphase gilt dabei in diesem Zusammenhang der Ansicht, die Selbstbezeugung des Auferstandenen sei nichts anderes als „ein Eingehen und Offenbarwerden in die Sprache und in das Wort der Zeugen hinein", eine SelbstÜberlieferung des Auferstandenen „durch seine Erscheinung vor den Zeugen an das Wort und damit an die Sprache und an den Satz". Vom Zeugnis der Zeugen ist darum zu sagen, daß in dem „von der Sache her exklusive[n] Wort der apostolischen Zeugen ... die Offenbarung der Wahrheit ,zur Sprache' und ,zu Wort'" gekommen ist: „als Überlieferung". Nach Schlier ist also die Offenbarung, um Offenbarung zu sein, auf das Zeugnis der Tradition angewiesen. Zur Begründung dieser Angewiesenheit führt Schlier die Eigenart des Offenbarungslogos an, der „als authentischer Logos die Tendenz zur Formulierung in sich" trägt, u.z. die Tendenz zu einheitlicher Formulierung: „Er ist von dem Geschehen her ein einheitlicher und deshalb auch zu einheitlicher Formulierung drängender Logos verschiedener und verschiedenartiger Zeugen und Zeugnisse."199 Der Ort, an dem sich solche einheitliche Formulierung vollzieht, ist das Kerygma, jenes Kerygma, das als Kerygma Überlieferung ist. Im Anschluß an lKor 15,lff wird diese Kerygma-Paradosis von Schlier mit dem Evangelium identifiziert, als dessen „Wesens-Kern"200 sie betrachtet werden muß. Doch mehr noch: Sie ist nicht nur der Wesenskern, sie ist „auch die Norm des Evangeliums". Das „Kerygma der Tradition" ist jene Größe, aus der Evangelium und Evangeliumsverkündigung leben und sich nähren. Es ist darum „Inbegriff und Summe der christlichen Verkündigung". Wir haben es bei dem „Kerygma als normative[r] apostolische[r] Paradosis" ausdrücklich nicht mit einem „Extrakt des Evangeliums oder gar der Schrift" zu tun; „es entläßt vielmehr selbst aus sich das Evangelium, das seinerseits als Verkündigung das Kerygma und damit die in ihm zu Wort gekommene Offenbarung entfaltet". Damit sind die Rollen klar verteilt: Das Evangelium hat gegenüber der normativen Tradition, die selber zum Offenbarungsgeschehen gehört, (lediglich) explikative Funktion. Ihm „zeitlich und zuletzt auch sachlich" voraus geht das „Kerygma als normative apostolische Paradosis"201. Schliers letzter Schritt ist ein kleiner, der zudem völlig auf der Linie des bisher Gesagten liegt. Denn wenn man das Kerygma im eben dargestellten Sinne zu verstehen hat, so „ist in diesem Kerygma der Sache nach nichts anderes angelegt als das, was man in der späteren Theologie dogmata fidei oder kurz: Dogma nennt"202. Die Wesensmerkmale des Kerygmas und die Wesensmerkmale des Dogmas sind dieselben: beide sind „veritates a Deo revelatae et ab ecclesia proposi-
199 200 201 202
Alle Zitate ebd. AaO., 216. Alle Zitate ebd. AaO., 230.
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Die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit " ist
tae, mit allem, was sie einschließen"203. Wenn schon nicht historisch (begrifflich), so sind doch sachlich Kerygma und Dogma miteinander zu identifizieren. Dementsprechend bestimmt Schlier den Glauben. Insofern sich im KerygmaDogma „die Wahrheit wieder dem Erkennen" tradiert, ist der Glaube eine „eigentümliche" Erkenntnis, Glaubenserkenntnis, die wiederum Erkenntnis, „und zwar unbefangene Erkenntnis ermöglicht und freigibt"204. Solche Glaubenserkenntnis wird letztlich erlangt in einem Akt der Unterwerfung. Denn Erkenntnis des Glaubens gewinnt der Mensch nur durch „die Preisgabe der eigenmächtigen Frage und der in ihr waltenden Selbstsicherung durch Gründe"205 und durch „die gehorsame Annahme der im Kerygma bzw. im Dogma an die Hand gegebenen ,Weisheit' Gottes in Christus Jesus an Stelle eigenen Erkennens"206. Das hier Dargelegte mag genügen, um Heinrich Schliers konsequenten Ansatz deutlich zu machen. Seine problematische Seite ist evident: Sie liegt nicht dort, wo die Offenbarung aufgrund ihrer Angewiesenheit auf das Zeugnis menschlicher Zeugen in ihrer Bezogenheit auf Sprache in den Blick genommen wird. Sondern sie liegt dort, wo die Sprachlichkeit der Offenbarung prinzipiell als eine der Paradosis unterstellte Sprachlichkeit verstanden wird, einer Paradosis, die die Tendenz zu einheitlicher Formulierung und also zum (dogmatischen) Satz in sich trägt, dem mit dem Evangelium auch der Glaube zwingend unterworfen ist. Man kann an der scharfsinnigen „Analyse" Schliers die - zum Kummer des Interpreten schon von der äußeren Darbietung her vielfach gewundenen und nur selten zu „einheitlicher Formulierung" tendierenden - Äußerungen v. Balthasars zum Traditionsproblem vergleichend profilieren. Daß v. Balthasar mit Schlier dort übereinstimmt, wo die Angewiesenheit der Offenbarung (Offenbarungsgestalt) auf das Zeugnis der Tradition herausgestellt wird, kann nicht zweifelhaft sein. Mehr noch: Man wird auch bei v. Balthasar (freilich wie nebenbei) den Satz lesen können: „Kerygma ist als solches schon Dogma" (Schau 568)207. Es fragt sich aber, ob eine solche Auskunft vorbehaltlos im Sinne des konzinnen Schlierschen Ansatzes zu interpretieren ist. Hier sind Zweifel angebracht, die ihren Grund letztlich im Offenbarungsverständnis v. Balthasars haben. Im Mittelpunkt des Offenbarungsgeschehens steht nach v. Balthasar -
203
AaO., 230f. AaO., 231. 205 Ebd. Gemeint ist die Preisgabe der ocxpia roß KÖopov, wie Schlier sie in der vorliegenden Untersuchung im Anschluß an die ersten Kapitel des ersten Korintherbriefes interpretiert und von der (Hxpia TOS ikov abgrenzt. 306 Ebd. Der Text fährt fort: „es fordert vom allgemeinen Glauben an Gott, dass er sich entschliesse, auch spezieller Glaube an die Selbstoffenbarung und die Selbsthingabe Gottes in Jesus Christus zu werden; diese Forderung hat nur Sinn, wenn Jesus Christus der einzige Sohn des Vaters ist". Dieses die „Grundgestalt christlichen Glaubens" ausdrückende Dogma ist „der historischen Fehlausdeutungen und Angriffe wegen" durch dogmatische Sätze zu sichern und zu entfalten, die ihrerseits „jederzeit auf das Dogma, die evangelische Grundgestalt resolviert werden können" (Schau 568). 204
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wie bereits dargelegt - das als Überwort verstandene Schweigen, das „Nichtwort als Mitte des Wortes". Über dieses wird gesagt, daß es „von keiner Rückauswortung eingeholt werden kann" (NB 144). Auch „die verbürgenden Worte des Heiligen Geistes", zu denen Tradition und Schrift gehören, können „wortend" nicht „das Sprechendste: das Schweigen des Wortes, aussagen" (NB 145). Dem entspricht, daß der Glaube, der diese Offenbarung empfängt (und den sie sich selbst voraussetzt, um Offenbarung zu sein), eben jene - freilich stets durch die apostolische Paradosis vermittelte - nicht mit Gnosis zu verwechselnde Erfahrung und Schau der Gestalt ist, der die Balthasarschen Ausführungen seiner Theologischen Ästhetik gelten. Man wird darum zwar das sachliche Einverständnis v. Balthasars mit Schliers Ausführungen voraussetzen dürfen, aber doch auch mit so etwas wie einer Verschiebung der Gewichte rechnen müssen. So findet sich eine Auskunft wie die von Schlier, die Paradosis des Auferstandenen208 „durch seine Erscheinung vor den Zeugen" sei eine Überlieferung nicht nur „an das Wort und damit an die Sprache", sondern auch „an den Satz", bei v. Balthasar m.W. ebensowenig wie die, daß die „normative apostolische Paradosis" das Evangelium aus sich „entläßt"209. Hingegen kann man an entscheidender Stelle, die das Problem von Tradition, Schrift und Amt erörtert, lesen: „Das Evangelium ist niemand anderer als Christus selbst" (TL III, 296). Nun besagt dieser Satz als solcher noch nicht viel; entscheidend ist, wie v. Balthasar ihn verstanden wissen will. Hier aber zeigt sich nun ein gewisses Lavieren zwischen dem katholischen Grundansatz (wie Schlier ihn konsequent durchführt und „begründet") und v. Balthasars Auffassung, daß „der Hiatus des Schweigens, des Un- und Überwortes ... durch alle Worte hindurch gegenwärtig und beherrschend" (NB 78) bleiben müsse. Unmißverständlich bringt v. Balthasar den Primat der Tradition zum Ausdruck. Es ist zwar zutreffend, „Christus ... als die einzige Offenbarungsquelle zu bezeichnen" (TL III, 301). Aber diese Quelle fließt nur so, daß sie durch die autoritative kirchliche Tradition ausgelegt wird. Dabei steht die Tradition der heiligen Schrift nicht als eine fremde Größe gegenüber, sondern im Verhältnis unterschiedener Einheit: die Schrift ist selber Tradition, indem sie der Tradition entstammend zum bleibenden Maßstab der Tradition wird210. Sie erweist sich aber dadurch als lebendiger Maßstab und der (lebendigen) Sache, die sie bezeugt, wirklich angemes** Oder sogar die - zumindest „implizite" - Paradosis des irdischen Jesus, wie v. Balthasar sie behauptet. 209 H. Schlier, Kerygma und Sophia, aaO., 215f. 210 Von Balthasar nimmt hier die Überlegungen Karl Rahners auf, deren komprimierte Form sich im Art. Schrift und Tradition, SM Bd.4, Sp.443-451, findet. Rahner hat dort die Beziehung von Schrift und Tradition anhand der Frage der Kanonerkenntnis dahingehend erläutert, „daß der Vorgang der Kanonerkenntnis für die Kirche ... gar kein anderer Vorgang als der der S.[chrift]werdung (und so Kanonbildung) ist, daß m.a.W. die Kirche die S. als S. erkennt, indem die T.[radition] Schrift bildet und in und an der schriftlich gewordenen T. sich selbst als rein und bleibend normativ erkennt (einmal und immer neu) und so sich dieser unterstellt" (aaO., Sp.449). Es setzt sich also die Tradition, um Tradition sein zu können, die Schrift voraus.
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sen, daß sie den „unendliche[n] Überschuß des Offenbarungswortes über den möglichen Umfang des bezeugenden Wortes"211 mitbezeugt112 - eben durch ihre Traditionsfähigkeit und Traditionsbedürftigkeit. Bestünde diese Traditionsfähigkeit und -bedürftigkeit nicht, so überstiege die Schrift „nach der Menschwerdimg Gottes" nicht „das Prinzip des bloßen Buchstabens"213. Erst die durch das kirchliche Amt verwaltete Tradition erhält durch ihre Auslegungstätigkeit die heilige Schrift „dauernd heutig, aktuell und zukunftweisend" (TL III, 302). Tradition hat demnach der Schrift gegenüber primär hermeneutische Funktion und ist diese Funktion ausübend „Ausdruck der alle Schrift sprengenden Fülle des erschienenen Wortes"214. Dabei ist selbstverständlich vorausgesetzt, daß dem die Schrift auslegenden Amt der Beistand des heiliges Geistes sicher ist215. Die (reformatorische) Rede von der Suffizienz der heiligen Schrift ist darum nur dann wahr und erträglich, wenn die Schrift „ihren Platz innerhalb der geistbegabten und mit dem behütenden Amt begabten Kirche hat, wo sie gepredigt, gelesen, ausgelegt wird" (TL III, 300). Auch nach Balthasarscher Auffassung „lebt und nährt sich"216 mithin die Evangeliumsverkündigung aus der Tradition. Und doch ist v. Balthasars Bemühung unverkennbar, auch die Tradition - und zumal den in Schliers Konzeption apostrophierten Tatbestand der als Tradition sich vollziehenden Tendenz zum dogmatischen Satz - so eng wie möglich rückzubinden an die heilige Schrift und also an die „der Schrift transzendente Mitte" (Schau 532). Dabei spielt eine nicht unwesentliche Rolle die Einsicht in die Gefahr, der eine durch die Tradition (auf der Ebene des Wortes) repräsentierte „Lebendigkeit der Kirche" ausgesetzt ist: „die Übergänge zwischen Idee und Ideologie sind im geschichtlichen Bereich wesensmässig fliessend, was als authentische Auslegung gelten konnte, kann sich nachträglich als Verdunkelung herausstellen, was als zeitgemässe Übersetzung der biblischen Wahrheit erscheint, kann verborgene Elemente der Flucht vor der unerbittlichen Radikalität dieser Wahrheit enthalten" (Schau 531). Es hat sich darum das „kirchliche Kerygma ... in jeder Form der Unterweisung - lehramtliche Verkündigung, Homilie, Predigt, Katechese" - nach jener „gottmenschliche[n] Mitte", die der Kristallisationspunkt aller biblischen
2 " H. U. v. Balthasar, Wort, Schrift, Tradition, in: ders., Verbum Caro. Skizzen zur Theologie I, 3.Aufl. Freiburg 1990, (11-27) 19. 212 Von Balthasar verweist in diesem Zusammenhang stets auf Joh 20,30 und 21,25. 213 Wort, Schrift, Tradition, aaO., 18. 214 Ebd. 215 Vgl. TL HI, 297: „Der Heilige Geist Christi, der Kirche verbürgt, muß den Akt oder den ganzen Vorgang [der Auslegung] durchwohnen, damit sein Funke auf den Empfänger überspringt. Der Kirche als dem Sakrament Christi ist der Kontakt garantiert..." Ahnlich - wenn auch mit veränderter Blickrichtung - Karl Rahner, Art. Schrift, Heilige Schrift in, SM Bd.4, (Sp.428-441) Sp.429f: Die Schrift ist „ein Moment an (in)" der Tradition, „wobei Einheit und wirksam bleibender Unterschied (also Bleibendheit der normativen Funktion der Schrift) zugleich letztlich nur durch die bleibend siegreiche Kraft des Geistes garantiert ist". 216 H. Schlier, Kerygma und Sophia, aaO., 216.
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Schriften ist, zu richten, um zu ihrem „ Ansichtigwerden hinzuführen" (Schau 532). Im Unterschied zur heiligen Schrift bilden die lehramtlichen Verlautbarungen darum auch ihrerseits nicht wiederum eine „Gestalt". Zwar ergibt sich die praktische Notwendigkeit, für das erreichbare Höchstmaß an Form im Blick auf die lehramtliche Einzeläußerung Sorge zu tragen. Zusammengenommen aber geben die kirchlichen Verlautbarungen gerade durch ihre fragmentarische Form zu erkennen, daß sie nur Hinweise sein wollen auf „etwas anderes als sie selbst, etwas, das ihnen wesentlich überlegen ist und auf der Ebene der göttlichen Offenbarung liegt" (Schau 533). Man wird solche Äußerungen nicht überbewerten dürfen. Sie sind stets in der Klammer des katholischen Traditionsprinzips zu lesen und begründen keine Lehre vom Evangelium als - wie man protestantischerseits sagen würde - Freiheit zum Wort der Verkündigung. Sie lassen aber immerhin erkennen, daß auch das Traditionsprinzip im Denken v. Balthasars nicht unberührt bleiben kann von der seinem Ansatz eigenen beharrlichen Abwertung der Sprache.
3.4.2 Nachfolge und Stellvertretung Das Problem, das v. Balthasar im Blick auf die Unterscheidung von „Zeit Jesu" und „Zeit der Kirche" am intensivsten beschäftigt hat, ist das auch in den „Motivtranspositionen" präsente Problem einer „Gleichzeitigkeit" oder „Schicksalsgemeinschaft" der Kirche mit ihrem leidenden und sterbenden Haupt. Gibt es ein Dabeisein der „Kirche" im Kreuzesgeschehen? Die Balthasarschen Ausführungen zu den „Motivtranspositionen" des Nachfolgerufes Jesu lassen bereits eine Bejahung der Frage erwarten - wenn auch eine höchst dialektische. Das Problem ist deshalb so bedeutsam, weil es unmittelbar mit der Frage nach der Stellvertretung Jesu Christi verknüpft ist. Schon „Mysterium Paschale" hatte das Problem der Stellvertretung - gerade im Zusammenhang mit der Nachfolgeproblematik - in Umrissen entwickelt217; der dritte Band der Theodramatik21* widmet sich dann der „exakte[n] Herausarbeitung des Begriffs der Stellvertretung, der nach einer Periode der Vergessenheit plötzlich neu ins Licht tritt" (11). Da es sich nach v. Balthasars eigener Auskunft bei der Stellvertretungsproblematik um den „innerste[n] Knoten des Zusammenspiels zwischen Gott und dem Menschen, die Mitte der Theodramatik" (220) handelt, lohnt es sich, die entscheidenden Abschnitte von TD III219 - immer im Zusam-
217
Vgl. MP 185-226. Bloße Seitenangaben in Klammem beziehen sich im Text von Kapitel 3.4.2 stets auf H. U. v. Balthasar, Theodramatik Bd.III: Die Handlung (= TD III), Einsiedeln 1980. 219 Es handelt sich um Abschnitt III. Handeln im Pathos Gottes, dort: C. Dramatische Soteriologie, TD ffl, 295-395. 211
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menhang mit der Nachfolgeproblematik - kurz darzustellen. Sie bieten m.E. einen vorzüglichen Einblick in das Innerste der Balthasarschen Theologie. Die grundlegende Frage, die v. Balthasars Untersuchungen und Ausführungen zur Stellvertretungsproblematik leitet, ist die nach dem „Zusammenspiel" von Gott und Mensch im Stellvertretungsgeschehen. In der Aussage des nicänischen Glaubensbekenntnisses, Jesus Christus sei „crucifixus etiam pro nobis" sieht v. Balthasar den „Zentralbegriff" (220) des Bundes Gottes mit den Menschen, insofern es im pro nobis um die Bundesvollendung geht. Das aber heißt: „wenn es wirklich um die Vollendung des Bundes geht, kann es mit passiver Stellvertretung sein Bewenden nicht haben, die Stellvertretenen müssen in aktiver Weise miteinbezogen sein (jedoch so, daß der Vorrang Christi vor den ihm Nachfolgenden oder mit ihm Mitwirkenden in keiner Weise verwischt wird: die Verdeutlichung dieses nie zu bestreitenden Vorrangs bei allem ,Mit' und ,Nach' wird ein Hauptproblem im Denken und im sprachlichen Ausdruck des Geheimnisses sein)."(220)220 1. Von Balthasars „Dramatische Soteriologie", die das Kernstück der „Theodramatik" bildet, versteht sich selber methodisch gesehen als „die Zusammenschau der biblischen Daten unter Beiziehung aller gültigen und fruchtbaren Motive der Theologiegeschichte" (297). Dabei steht der Balthasarsche soteriologische Entwurf unter der Prämisse, daß es im Kreuzesgeschehen, dem Höhepunkt des Theodramas, wirklich dramatisch zugeht, „der Partner [sc. der Mensch] nicht nur Objekt des Handelns Gottes sein kann, sondern ... auf eine geheimnisvolle, Gottes Initiative nicht in Frage stellende Weise sein Wort mitzusprechen hat..., daß das ,gratia sola' bei der Freisetzung des Menschen ... in einem Zusammenspiel mit der durch die Sünde nicht getilgten geschöpflichen Freiheit stehen muß" (295f). Soteriologie kann schriftgemäß überhaupt nur auf dem Hintergrund einer recht verstandenen Trirtitätslehre getrieben werden. Darum hat an erster Stelle der „Dramatischen Soteriologie" eine trinitätstheologische Grundlegung zu stehen. Eine recht verstandene Trinitätslehre hat zwei Gefahren zu vermeiden, die beide mit einer unzureichenden Bestimmung der sog. immanenten Trinität verknüpft sind: Die immanente Trinität muß so als „Grund des Weltprozesses (bis hin zur Kreuzigung)" gedeutet werden, „daß sie weder, wie bei Rahner, als ein formaler Selbstvermittlungsprozeß Gottes erscheint, noch, wie bei Moltmann, als in den Weltprozeß
220
Vgl. auch das TD III, 239 im Anschluß an Anselms sog. Satisfaktionstheorie Gesagte: Es kann die endgültige Befreiung des Menschen „keine automatische, die naturhafte Freiheit auch des Sünders überspielende sein". Wir verzichten hier auf die Darstellung der Balthasarschen Auseinandersetzung mit neutestamentlichen und traditionellen soteriologischen Ansätzen, wie sie in TD III, 212-294 geboten wird; vgl. dazu C. Kappes, Freiheit und Erlösung, 32ff; und T.R. Krenski, Passio Caritatis, 298ff.
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hineinverstrickt" (300)221. Vielmehr muß die immanente Trinität „als jene ewige und absolute Selbsthingabe verstanden" werden, „die Gott schon in sich als die absolute Liebe erscheinen läßt, woraus sich erst die freie Selbsthingabe an die Welt als Liebe erklärt, ohne daß Gott zu seinem Selbstwerden (seiner ,Selbstvermittlung') des Weltprozesses und des Kreuzes bedürfte" (300). Wie aber läßt sich unter diesen Voraussetzungen Gott als der dreieinige denken? Von Balthasar teilt in seinen trinitätstheologischen Ausführungen die Überlegungen Bulgakows222, ohne freilich dessen „sophiologischef...] Voraussetzungen" (MP 153) zu übernehmen, wenn er die „Zeugung des Sohnes als eine erste, alles unterfassende innergöttliche .Kenose'" (300) verstanden wissen will: Gott existiert als Gott der Vater in der völligen Übereignung seiner Gottheit an den Sohn. Diese „Kenose", in der Gott dem Sohn die Möglichkeit einräumt, „an der identischen Gottheit teilzuhaben und sie zu sein, ist die Setzung eines absoluten, unendlichen Abstands, innerhalb dessen alle möglichen andern Abstände, wie sie innerhalb der endlichen Welt bis einschließlich zur Sünde hin auftreten können, eingeschlossen und umfangen sind" (301). Es gibt somit eine „(göttliche) Gott-losigkeit (der Liebe natürlich)", die zwar mit der „innerweltlichen Gottlosigkeit" nicht vermischt werden darf, „die aber doch deren Möglichkeit (überholend) grundlegt" (301). Es ist dieser Gedanke, mit dessen Hilfe v. Balthasar das Dilemma lösen zu können glaubt, Gott weder in das weltliche Geschehen von „Trennung, Schmerz, Entfremdung" und „Liebeshingabe, ... Begegnung, Seligkeit" verstrickt denken zu müssen und doch ein wirkliches „Geschehenlassen aller Schmerzen der Welt" und „darüber hinaus die Teilnahme Gottes daran" denken zu können (302). Die „.Trennung' Gottes von sich selbst" in der Zeugung des Sohnes als „Voraussetzung und Überholung" aller innerweltlichen Trennung besagt also einerseits, daß Gott nicht in das weltliche Geschehen von Schmerz und Seligkeit verstrickt ist, indem er in der Zeugung des Sohnes diese Möglichkeiten allererst begründet, und zwar so begründet, „daß jede (durch sie!) ermöglichte Trennung, und wäre es die dunkelste und bitterste, nur innerhalb ihrer [sc. der Trennung Gottes von sich selbst] sich ereignen kann" (302). Sie besagt andererseits, daß jenes „nicht zeitlich-prozessuale Urdrama Gottes" (303) keinesfalls so verstanden werden darf, als handele es sich hierbei um die „bloße Grundlage einer potentiellen .Geschichte Gottes'", um „das .Spiel' absoluter, aber vom realen Schmerz abstrahierender, somit des ,Ernstes' der Trennung und des Todes entbehrender .Seligkeit'" im Sinne „einer hegelschen Prozeßtheologie" (302).
221 Zur Kritik an Rahner vgl. auch E. Jilngel, Das Verhältnis von „ökonomischer" und „immanenter" Trinität. Erwägungen über eine biblische Begründung der Trinitätslehre im Anschluß an und in Auseinandersetzung mit Karl Rahners Lehre vom dreifaltigen Gott als transzendentem Urgrund der Heilsgeschichte, in: ders., Entsprechungen. Gott-Wahrheit-Mensch, 2. Aufl. München 1986, (265-275) 272; zur Kritik an Moltmann und Rahner vgl. die genannte Arbeit von C. Kappes. m Vgl. S. Boulgakof [Bulgakow], Du Verbe Incarné (Agnus Dei), Paris 1943.
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Ist somit der Vater darin Gott, daß er seine Gottheit „weggeben kann" (302) und gerade in dieser „Selbstlosigkeit" er selbst, so gilt nach v. Balthasar vom Sohn und vom heiligen Geist: Der Sohn ist Gott als der sich selbst vom Vater Empfangende und dafür Danksagende. Der heilige Geist ist Gott als die Entsprechung von Vater und Sohn, „von zeugender Hingabe und verdankender Bereitschaft (zu jeder Vergebung) über das trennende Ganz-anders hinweg" (303). Er ist das einigende Band innerhalb der „unendliche[n] Differenz" (303) zwischen Vater und Sohn, diese Differenz sowohl offenhaltend wie überbrückend. Wiederum mit Bulgakow spricht v. Balthasar im Blick auf Schöpfung und Bund von einer „Kenose" Gottes, „da die geschöpfliche Freiheit ihn [sc. Gott] implizit, der ausdrückliche Bund ihn explizit einschränkt" (305)223. Die geschöpfliche Freiheit ist echte geschaffene Freiheit224. Sie wird dort negiert, wo das Geschöpf vorsätzlich das Faktum außer acht läßt, daß es „sich dieses Urspringen-können nicht selber gegeben hat" (305). Ein derartiger Widerspruch des Geschöpfs ist aber nur möglich aufgrund der göttlichen „Selbstlosigkeit", die nicht nur einem geschöpflichen Andern neben sich Platz gewähren wollte, sondern als imago Dei dieses geschöpflich Andere als freies Geschöpf, also mit der Möglichkeit eines Widerspruchs gegen seinen „Analogie- und Imago-Charakter" (306) haben wollte225. Wenn dem aber so ist, dann setzt eine freie Schöpfung die „.Bereitschaft'" des Sohnes zu deijenigen äußersten „Form von Selbstverströmung" (307) voraus, wie sie im Kreuzesgeschehen offenbar wird; eine „Bereitschaft", die zugleich als Gehorsam gegenüber dem Vater226 und doch als spontaner Akt des Sohnes227 und also als trinitarisches Geschehen zu denken ist. Solche „Selbstverströmung" (Eucharistie) des Sohnes als trinitarisches Geschehen ist allererst die Ermöglichung von Bund und Schöpfung und die sie beide umgreifende Wirklichkeit. Sie ist es so, daß die Allmacht der göttlichen Güte, weil sie die Allmacht der Liebe ist, die alles erträgt, die geschöpfliche Freiheit nicht „erdrückt..., sondern nach dem Bild Gottes auch dem Geschöpf echte Freiheitsmacht zueignen und sie bis ins letzte ernst nehmen kann" (307f). Nur unter der Voraussetzung „der umgreifenden Eucharistierung des Sohnes" kann die Behauptung gewagt werden, „daß ein solches Ernstnehmen ... Gott in keinen tragizistischen Prozeß, in keine Zerissenheit Gottes (der eine unbewältigbare Hölle in sich selber trüge) verstricken kann" (308).
223 Die Zeugung des Sohnes stellt demnach die „Ur-Kenose" Gottes dar, die die „übrigen Kenosen Gottes in die Welt hinein grundsätzlich ermöglicht": die Kenose („Selbstbeschränkung") in der Schöpfung, die Kenose im Bund mit Israel und die Kenose in der Inkarnation des Sohnes (TD III, 308). Vgl. K.J. Wallner, Gott als Eschaton, 136ff. 224 Die Kreatur erhält im Geschaffenwerden Autonomie (vgl. TD III, 305); diese ist als verdankte Freiheit ein empfangenes „Urspringen aus sich selbst" (ebd). 225 Von Balthasar spricht in diesem Zusammenhang von einer „trini tarischen .Unvorsichtigkeit' der göttlichen Liebe" (TD III, 306). 226 In Entsprechung zur Selbsthingabe des Vaters an den Sohn. 227 Als „willig-dankbares Sich-verströmen-Lassen durch den Vater" (TD III, 306).
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Die Frage, wie es mit der geschöpflichen Freiheit im Blick auf den gefallenen Menschen bestellt ist, das Problem menschlicher Freiheit „in ihrer Perversion als Sünde" (308), erörtert v. Balthasar in diesem Zusammenhang nur äußerst knapp. Auch im Blick auf die pervertierte menschliche Freiheit wirkt Gott „nur peithei, suadelä" und läßt ihr darum ihren „Wirkbereich" (308). Darin zeigt sich erneut „die in seiner Allmacht liegende Unmacht, die ... mit ihr völlig identisch ist: Überlegenheit über den Zwang, herrschaftlich oder gar gewalttätig auftreten zu müssen" (308). In TD ü/2228 war die Möglichkeit der Stellvertretung der sündigen Menschheit durch Jesus Christus in dessen Schöpfungsmittlerschaft gesucht worden. Doch die „letzte Voraussetzung" (310) für den Platztausch Christi mit der sündigen Menschheit hat v. Balthasar in der immanenten Trinität gefunden, insofern nämlich die „Bedingung der Möglichkeit" der für die Stellvertretung konstitutiven „Verlassenheit Jesu vom Vater in der innertrinitarischen absoluten Distanz zwischen der die Gottheit hingebenden und der sie empfangenden Hypostase beruhen muß" (310). Innerhalb dieser Distanz hat die in der Stellvertretung übernommene „sündige Gottferne" gewissermaßen ihren „Ort", so daß „der Sohn, der Mensch werdend in diese .Finsternis' des Neinsagens eintritt, ... als ,Licht' und .Leben' der Welt seine eigene .Stelle' nicht zu wechseln" braucht, „wenn er, in die Finsternis scheinend, deren .Stell-Vertretung' unternimmt" (310). Die Frage ist nunmehr, von wem der Gottessohn die Last der Sünde aufgeladen bekommt. In einem vordergründigen Sinne, „aber durchaus real" (310) von den Menschen, die ihn „ausliefern"229. Doch steht dabei außer Frage, daß dieses menschliche „Aufladen ihrer Sünde" fruchtlos wäre, „wenn der, dem sie aufgeladen wird, unfähig wäre, sie als ganze und als das, was sie in Wahrheit ist, entgegenzunehmen, was sowohl seine Fähigkeit wie seine Willigkeit dazu voraussetzt" (311). Fähigkeit wie Willigkeit aber wachsen ihm aus der Sendung des Vaters zu. Diese Sendung setzt gemäß der trinitarischen Grundlegung die immer schon vorgängige Bereitschaft des Sohnes zu ihrer Übernahme voraus. In der Willigkeit des Sohnes, die Widergöttlichkeit der Weltsünde zu tragen, kommen Spontanität und Gehorsam überein230. Darum ist jener väterliche Wille, den Sohn zum Träger der Weltsünde zu machen, nicht Ausdruck der göttlichen „Übermächtigung (weder dem leidenden Sohn noch den überwundenen Weltmächten gegenüber), sondern jener mit der göttlichen Allmacht unauflöslich verbundenen Unmacht" (312), die als die göttliche Liebe allmächtig ist. Die Frage nach dem Akteur, der Jesus Christus die Sünde „auflädt", wird durch v. Balthasar also dahingehend beantwortet, daß „die perverse endliche Freiheit all ihre Schuld auf Gott als den einzigen Angeklagten und 228
Vgl. TD n/2, 2Uff. Vgl. dazu die „theologisch geschmiedete]u (MP 203) Kette des menschlichen „Ausliefern«" (rapaSiSöfai) in MP 198-205. 230 „Ökonomisch" muß dieser spontane Gehorsam nach v. Balthasar dann mit Hilfe seiner Lehre von der „Trinitarischen Inversion" gedacht werden. 229
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Sündenbock wirft, und Gott sich nicht nur in der Menschheit Christi, sondern in dessen trinitarischer Sendung ganz davon treffen läßt" (312)231. Was aber heißt Stellvertretung, wenn sie verstanden wird als das Tragen der Sünde der Menschheit? Anders gefragt: Wie „erfährt" der Gottessohn die Sünde? Und noch einmal anders: Was hat man unter Jesu Gottverlassenheit zu verstehen, wenn diese das Ereignis der stellvertretenden Sühneleistung sein soll? Zwei Antworten kommen nicht in Frage: die anselmische Antwort, dergemäß der stellvertretend den Tod erleidende Gottessohn als der Unschuldige letztlich gerade nicht mit der Sünde der Übrigen in Berührung kommt und die lutherische Antwort, die - jedenfalls nach v. Balthasars Interpretation - auf eine „Identifikation des Gekreuzigten mit dem aktuellen Nein der Sünde" (312) hinausläuft232. Vielmehr wird auf einmalige Weise „die Finsternis des Sündenzustandes von Jesus erfahren" (313), ungleich viel tiefer als jene Erfahrung, die der gottlose Sünder als Konsequenz seiner Sünde hätte machen müssen, wenn sie ihm „nicht hier erspart worden wäre" (313). Tiefer deshalb, „weil sie sich innerhalb der von keinem Geschöpf erahnbaren Tiefe der Beziehung der göttlichen Hypostasen abspielt" (313). Ob man daher den Zustand der Gottverlassenheit Jesu als „Hölle" bezeichnet, wie die Reformatoren es getan haben, oder ob man mit Emile Mersch behauptet, er sei exactement dans le sens opposé à l'enfer233, ist nach v. Balthasars Meinung zweitrangig. Für die Bezeichnung „Hölle" mag sprechen, daß es sich auch bei der Kreuzesverlassenheit um eine zeitlose Erfahrung handelt, wobei v. Balthasar auf analoge ZeitlosigkeitsErfahrungen „der dunklen Nacht des Kreuzes" (313) durch christliche Mystiker hinweist234. Schließlich bleibt zu fragen, ob der Begriff „Strafe" auf das Kreuzesleiden Anwendung finden soll oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob man der Meinung ist, daß ein Schuldloser, „auch wenn er für Schuldige büßt" (314), im eigentlichen Sinn des Wortes „gestraft" wird. Um aber zu vermeiden, daß der Eindruck entsteht, als trage der Gekreuzigte „die Last ... wie eine äußerliche", plädiert v. Balthasar dafür zu antworten, „daß er subjektiv durchaus als .Strafe' erfahren kann, was objektiv es für ihn nicht ist" (314). Es ist genauerhin der göttliche Zorn, der sich über dem Gekreuzigten entlädt. Es ist präziser noch „die Offenbarung des Zornes Gottes über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen" (Rom 1,18). Unter Zorn ist hierbei gerade nicht ein „irrationaler Affekt" (316) zu verstehen, dem Gott unterworfen wäre - Gott be-
231
Darin erreicht nach v. Balthasars Auskunft das „Drama zwischen Maisch und Gott ... seine
Ahne' (TD III, 312). 232
Von Balthasar bezieht sich besonders auf die Äußerung Luthers, in dem gekreuzigten Jesus sei die Versuchung zur Gotteslästerung aufgestiegen, die dieser dann „hinuntergewürgt" habe. Vgl. TD ÜI, 266; Operationes in Psalmos. 1519-1521, WA 5, 612, l l f f ; bes. 19f und 26-28. 233 Zitiert TD III, 313, Anm.10. 34 Insbesondere auf Äußerungen des Johannes vom Kreuz. Zum Problem einer Annäherung an den Zustand der Gottverlassenheit Jesu am Kreuz durch menschliche Erfahrung vgl. das Kapitel „Erfahrende Annäherung an de» Hiatus" in MP 175-182.
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herrscht vielmehr und lenkt seinen Zorn, nicht umgekehrt - , sondern eine Funktion des göttlichen Erbarmens. Gottes Liebe steht in entschiedenem Widerstand „allem gegenüber, was sie verletzt", so daß im Blick auf Gott von einer notwendigen „Einheit von Liebe und Zorn" gesprochen werden muß (317). Diese Einheit ist es, die in der
Rom 1,17-18 genannten Parallelsetzung
von
biKoiioavvri deov
(V.17) mit opyri t?eoO ÖTOKaXuTTfTai (V.18) ihren Ausdruck gefunden hat. Denn die „beiden sich scheinbar entgegengesetzten apokatyptetai konvergieren auf die gleiche Erkenntnis-Wirklichkeit zu", daß mit der definitiven Offenbarung der Rettung des Menschen durch Gott zugleich definitiv offenkundig wird, „welches ,Zornkapital' ... sich zu Lasten der Menschheit angehäuft hatte" (323). Die Einheit von Liebe und Zorn Gottes ist konkret im Gottessohn Jesus Christus, „der, ohne einen Finger breit vom Willen des Vaters abzuweichen, ja ihn bis zu Ende erfüllend, auch keinen Finger breit abweicht von seiner Solidarität mit allen seinen Brüdern, den Sündern" (324). Die Erfahrung des mit den Sündern solidarischen und mit dem Willen des Vaters identischen Sohnes am Kreuz ist darum eine Erfahrung sowohl der Hoffnungslosigkeit des Widerstandes der Sünder gegen Gott als auch des „gnadenlose[n] Nein der göttlichen Gnade gegen diesen Widerstand" (325). Und darum ist der Sohn, „der sich ganz auf den Vater ver-lassen hat (bis zur Identifikation mit den Brüdern in ihrer Verlorenheit)", der „gerade jetzt vom Vater" Verlassene (325). Gerade in dieser Entfernung von Vater und Sohn sind beide sich auf die größtmögliche Weise nahe?35. In der „Hineinnahme der weltlichen Finsternis in das innertrinitarische Licht" aber geschieht das „Wunder der Transfiguration, die Feme des sündigen Nein wird überholt und umgriffen von der freiwilligen und gehorsamen Ferne des göttlichen Ja. Der Zorn Gottes gegen die Verneinung der göttlichen Liebe trifft auf eine göttliche Liebe, die des Sohnes, die sich diesem Zorn aussetzt und ihn entwaffnet und buchstäblich gegenstandslos macht." (326) Bezeichnenderweise zählt v. Balthasar diese seine letztzitierte Formulierung zu den „pauschalen" und „abstrakten" (326). Denn sie läßt zwei Probleme unerwähnt, an denen v. Balthasar in eminenter Weise interessiert ist und von denen das zweite - wenn ich recht sehe - zum Herzstück der „Dramatischen Soteriologie" überleitet. Das erste „dunklere" Problem hat es mit einer „Grenzmöglichkeit" zu tun, dem Geheimnis, daß sich „ein Sünder ... mit seinem Nein gegen Gott derart identifiziert..., daß es der trinitarischen Liebe nicht gelänge, den von ihm zusammengekrampften Knoten zu lösen" (326). Daß diese „Grenzmöglichkeit" der sog. Sünde gegen den heiligen Geist einfach für übergehbar erklärt wird, verwehrt das Schriftzeugnis. Um aber diese „Möglichkeit" zu realisieren, „muß ein Geschöpf sich mit ¿tTOKaXvTTerai
233
TD III, 312: Was vom Sohn in der Gottverlassenheit „.erfahren' wird, ist das Gegenteil dessen, was faktisch geschieht". Zum Thema „Trennung als Einigung" vgl. bes. TD IV, 232-240.
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Die Gestalt, die der Sadie nach „Herrlichkeit" ist
seiner Weigerung identifizieren können" (326). Ob und inwiefern das denkbar ist, wird an anderer Stelle zu klären sein234. Das zweite „lichtere" Problem betrifft die „Auswirkung der Stellvertretung Christi auf den Sünder" (326). Von Balthasar pflegt dieses Problem unter der Fragestellung zu verhandeln, ob Jesu Christi Stellvertretung exklusiv oder inklusiv zu verstehen sei. Wir haben es bei dieser Frage zunächst einmal mit einem terminologischen Problem zu tun. Was heißt es, wenn v. Balthasar in seiner Theodramatik - wie schon zuvor, besonders in „Mysterium Paschale" - betont, „Christi stellvertretendes Leiden" sei „nicht exklusiv, sondern inklusiv" (MP 220)? Es ist der Protestant Paul Althaus, auf den v. Balthasar sich in diesem Zusammenhang beruft237. Althaus hatte mit der Rede von der „inklusiven" Stellvertretung zum Ausdruck bringen wollen, daß die Versöhnung in gewisser Weise ein doppelseitiges Geschehen ist: „Es gehören zwei zu ihr."238 Die in Jesu Christi stellvertretendem Leiden und Sterben bestehende Versöhnung ist „nicht nur .objektiv' geschehen, als Heilstatsache außerhalb des Menschen, sondern sie muß zugleich subjektive Wirklichkeit im Menschen werden". Diese „zugleich subjektive Wirklichkeit im Menschen" ist der Glaube, der in der „Anerkennung dessen, was an und durch Christus geschah, als mich betreffend" besteht239. Insofern nun diese „Anerkennung" nicht nur eine intellektuelle Angelegenheit ist, sondern „die Preisgabe an das Gericht Gottes in bußfertigem Glauben"240, das paulinische ärodt^aKeiv ovv Xpiorifi, wird im Faktum des menschlichen Glaubens die „Macht" des Sterbens Jesu Christi „über uns" sichtbar. Dementsprechend muß von der Stellvertretung Jesu Christi gesprochen werden. Indem „Jesus leidet und tut, was wir nicht vermögen", ist seine Stellvertretung „zunächst exklusiv". Indem aber wir „in das heilsame Gericht der Buße und des Glaubens" geführt werden, ist es „inklusiv"241. Und so ist es eigentlich „inklusiv"242 oder allenfalls „exklusiv - inklusiv" zu nennen. In dieser „Inklusivität" der Stellvertretung Jesu Christi darf man denn wohl auch den Skopus dessen, was nach Althaus überhaupt Versöhnung heißt, sehen. Meint Versöhnimg doch letztlich nichts anderes als die „Bürgschaft" Jesu Christi vor Gott „für eine 236
Vgl. unten Kapitel 3.5.1 über die Apokatastasis panton. Vgl. P. Althaus, Das Kreuz Christi, in: ders., Theologische Aufsätze, Gütersloh 1929, 1-50, bes. 35ff; femer: ders., Die christliche Wahrheit. Lehrbuch der Dogmatik, 8. Aufl. Gütersloh 1969, 473-475. 258 P. Althaus, Die christliche Wahrheit, 473. 39 Ebd. 240 AaO., 474. Dieses Gericht wird freilich sofort als „das heilsame Gericht der Buße und des Glaubens" von „dem heillosen Gerichte", das Christus durch seinen Tod von den Sündern abgewendet hat, unterschieden (ebd.). 241 Alle Zitate ebd. 242 Wenn denn die Stellvertretung „auf dem Gebiete des persönlichen Lebens" geradezu „ihren Sinn darin" hat, „den Vertretenen in die Bewegung des Vertretenden hineinzureißen " (Das Kreuz Christi, aaO., 38f). Auf Althaus' merkwürdige Unterscheidung zwischen Stellvertretung auf dem Gebiete des natürlichen Lebens und auf dem Gebiete des persönlichen Lebens braucht hier nicht eingegangen zu werden.
Zeit und Zeitbewußtsein Jesu als Grund der „Wucht"
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neue von ihm bestimmte Menschheit, die in Buße und Glaube sich Gott hingibt"243. Althaus' Rede von der „inklusiven Stellvertretung" in Jesu Christi Leiden und Sterben will also keineswegs deren Exklusivität als ein Geschehen extra nos bestreiten oder gar eine Lehre vom synergistischen Miteinander von Gott und Mensch im Versöhnungsgeschehen etablieren, sondern die Bedeutung des einzigartigen Todes Jesu Christi als ein gegenwärtiges Geschehen „für uns" („in uns") zum Ausdruck bringen. Die Frage stellt sich: Meint v. Balthasar das gleiche, wenn er von inklusiver Stellvertretung spricht? Denn mit dem Verständnis dessen, was „inklusive Stellvertretung" meint, steht und fällt m.E. die „Dramatische Soteriologie". Sie steht und fällt mit der Bestimmung jener Gestalt, die nach v. Balthasars eigenen Worten in „der Szene des Erlösungsdramas, die dessen Höhepunkt bildet" (327), bislang noch fehlt: der Kirche. Von Balthasars Ausführungen über die Kirche und ihre Rolle im „Erlösungsdrama" kreisen wie die Ausführungen von Paul Althaus um die Frage, wie sich die Stellvertretung Jesu Christi auf den Sünder auswirkt. Althaus hatte (und dem diente seine Lehre von der „inklusiven" Stellvertretung) von der Macht des Sterbens Jesu Christi als einer einzigartigen gesprochen, die den Sünder in eben dieses Sterben hineinzuziehen vermag244: „das Kreuz selber wirkt in dem Glaubenden die Wiedergeburt"245. Von Balthasar fragt rhetorisch, „ob dieser Übergang einsichtig genug erklärt wird" (327). Folglich möchte er einsichtiger erklären, „woher ... der .ungläubige' Sünder den die Rechtfertigung ergreifenden Glauben" (327) erhält. Seine Antwort lautet wenig überraschend: durch die Vermittlung der Kirche. Dies läßt sich nun schwerlich bestreiten, und auch der Protestant Althaus bestreitet es nicht246. Freilich kommt dabei alles darauf an, was genau man unter „Vermittlung" zu verstehen hat. Dieses Verständnis entscheidet dann auch über den Sinn des Begriffs „inklusive Stellvertretung". Die Frage nach der Rolle der Kirche im „Erlösungsdrama" eröffnet zugleich ein Kapitel Mariologie. Denn die Mutter Jesu, die „von jedem Schatten der Menschheitsschuld" (328) frei ist247, repräsentiert den von seiten der Menschheit nicht 243 Die christliche Wahrheit, 474. Es ist offensichtlich, daß damit die Kirche angesprochen ist. Gilt doch nach Althaus (Das Kreuz Christi, aaO., 19): „Der Sohn und die Kirche, in diesen Gedanken kommt die notwendige Konkretheit der Vergebung zur Erfüllung." 244 Vgl. Die christliche Wahrheit, 474. 245 Das Kreuz Christi, aaO., 48. 246 Das Hineinziehen des Sünders in das Sterben Jesu Christi ist als gegenwärtiges Geschehen die Kraft des Kreuzes Christi in der Verkündigung der Gemeinde: „Zum Mittel seiner handelndem Gegenwart macht der Lebendige das Zeugnis von seinem geschichtlichen Handeln. Die Kirche hat das Wort." (Das Kreuz Christi, aaO., 45) 247 Diese Freiheit wird „mit Recht ... erschlossen" aus dem „Jawort" Marias, „das über alle menschlichen Hinfälligkeiten auch der Großen des Alten Bundes hinaus so rein, unbegrenzt und endgültig war, daß es alle Schicksale des bejaht«» Sohnes miteinschloß " (TD III, 328). Sie hat ihren theologischen Grund in der Annahme, „daß auch der vorchristliche Glaube schon von der Gnade des Kreuzes her lebte (Hebr 11,26; IPetr 1,11; Jo 8,56 usf.), wie denn insbesondere Maria als (durch
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Die Gestalt, die der Sache nach „Herrlichkeit " ist
gebrochenen Bund. Darum „muß" ihr, „die die kommende Kirche Jesu vorzeichnet, ... am Kreuz eine entscheidende Rolle zufallen: die der Vermittlung zwischen den untreuen Bundesgenossen Jahwes ... und den künftigen, die durch die Gnade des .geschlachteten Lammes' zum Glauben kommen werden" (328). Was hier „Vermittlung" heißt, ist auch nach v. Balthasars Einschätzung „nicht einfach" (328) zu bestimmen. Abzulehnen ist die Auflassung einer plumpen Rollenverteilung bei „der neuen Bundesschließung am Kreuz" in dem Sinne, daß „Jesus ... den vorwiegend .göttlichen Faktor'" repräsentiert, „Maria als die Stellvertreterin der zustimmenden Menschheit" fungiert und beide sich zueinander verhalten wie Akt und Potenz (329). Abgesehen von christologischen Einwänden gegen eine Beschränkung der Rolle Jesu auf die eines „göttlichen Faktors" ist v. Balthasar mit der Reduzierung des Anteils der Rolle Marias im „Erlösungsdrama" auf den einer (durchprägten) Potenz nicht einverstanden. Wie bei der Inkarnation, so auch unter dem Kreuz ist „die gewiß einzuräumende .Potentialität' Marias keine passive oder materielle" (330). Sie ist höchster „Akt der Kreatur Gott gegenüber...: die entschlossene und für sich selbst verantwortliche Bereitschaft zum Willen Gottes mit all seinen Folgen" (330). Nur so entspricht es Gottes Handeln an seiner Kreatur, „weil Gott sein Geschöpf und insbesondere die Vertreterin seines Bundes nicht vergewaltigt, sondern als Person würdigt" (330)248. Dabei ist nach v. Balthasars Ausführungen „wesentlich", daß Maria „ihr bleibendes Jawort zur Menschwerdung in all ihren Folgen, wozu als wichtigste das Kreuz gehört, ... ,im Namen des ganzen Menschengeschlechts', also der Sünder gegeben hat, derer, die als solche die Menschwerdung ablehnen" (330)249.
Christi Opfer) vorerlöst bezeichnet werden muß" (MP 219). Vgl. dazu die Bulle „Ineffabilis Deus" (8. Dez. 1854) Papst Pius IX., in der die Lehre von der unbefleckten Empfängnis Marias zum Glaubenssatz erhoben wird (DS 2803). Dort wird als causa meritoria des besonderen göttlichen Eingreifens, das Maria vor dem Makel der Erbsünde bewahrte, das Verdienst Christi genannt, so daß Maria nicht wie die Übrigrai Menschen durch eine redemptio reparativa von der (vorhandenen) Erbsünde befreit, sondern durch eine redemptio praeservativa oder praeredemptio von der Befleckung durch das peccatum originale bewahrt wurde. Zur Erklärung des Dogmas vgl. L. Ott, Grundriß der katholischen Dogmatik, lO.Aufl. Freiburg/Basel/Wien 1981, 240f. 241 In „Mysterium Paschale" drückt v. Balthasar dasselbe so aus: Es ist zweierlei festzuhalten, „die absolute Souveränität Gottes, der in Jesus Christus allein seinen neuen und ewigen Bund mit der Menschheit aufrichtet, und die Miteinholung des geschehenlassenden Jawortes der am Kreuz vertretenen Menschheit, das von Maria bei der Menschwerdung (und für alle ihre Implikationen) loco totius humanae naturae, insbesondere als Kern der neuen Kirche abgegeben werden mußte. Sofern Christi stellvertretendes Leiden nicht exklusiv, sondern inklusiv ist, Irann seine einschließende Gebärde nur eine mit-leiden-lassende sein." (MP 220) Nur so entspricht es „der echt-menschlichen Solidarität Jesu". Es entspräche ihr aber nicht, wenn Jesus „sein Heilswerk exklusiv, unter Ausschluß aller übrigen" hätte durchführen wollen. (AaO., 222) 249 Daß Maria ihr Jawort zur Menschwerdung des Gottessohnes gewissermaßen in Vertretung des Menschengeschlechts gegeben hat, spricht die Enzyklika „Oktobri mense" (22. Sept. 1891) Leos XIII. unter ausdrücklicher Berufung auf Thomas von Aquin (S.th. in, q. 30, a.l, crp.; 4. Konvenienzgrund) aus (DS 3274): Filius Dei aetemus, cum ad hominis redemptionem et decus, hominis naturam vellet suscipere, eaque re mysticum quoddam cum universo humano genere initurus esset
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Zeit und Zeitbewußtsein Jesu als Grund der „ Wucht *
D i e Exegese, die eine solche Auskunft stützen soll, bezieht sich auf Joh 1,11-13: (11)
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ey€vvrfdr\p: „unverwandten Blicks zieht er dem Tod entgegen, um seine Losung, zu dienen statt sich bedienen zu lassen, bis ans Ende zu tun und ,sein Leben als Lösegeld für alle dahinzugehen' (Mk 10,45; Mt 20,28)" (NB 411). Erst aufgrund des Kreuzestodes Jesu läßt sich nunmehr das Wesen christlicher Nächstenliebe bestimmen: „Denn von jetzt an ist der Mitmensch, Freund oder Feind, ,der Bruder, für den Christus starb'" (NB 411). Konsequent hat darum Mt 25,40.45 das Verhalten zum (geringsten) Mitmenschen, der jetzt die Würde eines ctbektpbq 'Iriaov Xpiarov besitzt, mit dem Verhalten zu Jesus Christus selbst gleichgesetzt. Liebe zu Gott und Liebe zu jedem „Einzelne[n], den man menschlich mit Du ansprechen kann" (NB 411), bilden eine Synthese. Sie bilden eine Synthese aber einzig und allein deshalb, weil Gott selbst in Christus diese Synthese ins Werk gesetzt hat: „sie ist identisch mit der einmaligen christologischen Synthese selbst, wie Chalkedon sie ausgedrückt hat" (NB 413). Darum läßt sich die Synthese von Gottes- und Nächstenliebe von dieser Voraussetzung nicht ablösen. Daß sie menschlich nur im Glauben an Jesus Christus nachvollzogen werden kann, „verhindert die Auflösung der Vertikalen in die Horizontale, der Gottesliebe in die Nächstenliebe, die Bildung eines .christlichen Atheismus'" (NB 413). Schlägt man auf diesem Hintergrund den Bogen zum eigentlichen Thema der Bedeutung von &o%a£eiv, so dürfte sich v. Balthasars Auffassung folgendermaßen zusammenfassen lassen22: Gottes Herrlichkeit offenbart sich neutestamentlich in Jesus Christus. Damit offenbart sie sich als „Stiftung der Einheit zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe" (NB 416). Das 6o|afeiv des Menschen ist der von Gott selbst ermöglichte und daher nur im Glauben an Jesus Christus zu vollziehende Nachvollzug dieser Synthese (Entsprechung). Der Mensch entspricht der gestifteten Einheit zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe und verherrlicht auf diese Weise Gott, wenn er sich durch die Liebe Gottes so von seiner Selbstbezogenheit lösen („enteignen") läßt, daß er in jedem Mitmenschen den „Bruder, für den Christus starb" zu erblicken vermag und ihn dementsprechend behandelt. Das 5ofafew TOV DEÖV durch mensch-
= Leider sind v. Balthasars Äußerungen gerade an diesem für die Fragestellung entscheidenden Punkt eigenartig zurückhaltend. Uberhaupt mündet der dem Neuen Testament gewidmete Band von „Herrlichkeit" zunehmend in ein schwer systematisierbares „Bündel von .Verweisungsstrukturen'" aus (£. Biser, Die glaubensgeschichtliche Wende, 233).
220
Was heißt iofdfetv?
liehe (christliche) Nächstenliebe setzt also stets „die ausnahmslos .vertikale' Begründung" (NB 417) voraus. Insofern verherrlicht sich in der Nächstenliebe der Christen (in ihrem So£dfeiv) die göttliche öofa selbst. b) Der Rekurs auf Eph 2,14-18 hat lediglich den Sinn, die Auffassung, daß im Kreuzestod Jesu die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe gestiftet wurde, aus einem weiteren neutestamentlichen Textzusammenhang zu erhärten. Der Balthasarschen Exegese liegt die Analyse von Heinrich Schlier zugrunde23. Sie wird mit sanfter Gewalt v. Balthasars Beweisabsicht dienstbar gemacht. Schlier hatte durch sorgfältige Rekonstruktion des gnostisch-apokalyptischen Vorstellungshintergrundes von Eph 2,14-16(18) herauszuarbeiten versucht, daß Christus in diesem Text darum ij eiprjwi rinüv genannt wird, weil er in „seinem Tode ... die tödliche Feindschaft des Anspruchs der Weltmächte, der sich im Gesetz der Juden zur greifbaren Gestalt verdichtete, getötet und so alle Menschen, Juden und Heiden, in seinem umfassenden und tragenden Todesleib neu begründet [hat] als mit Gott durch ihn und in ihm versöhnte und durch ihn und in ihm geeinte Menschheit"24. Bei v. Balthasar wird aus dieser Auskunft, deren Inhalt er durchaus teilt, ein Schema, in dem sich nunmehr der eigentliche Skopus des Textes verdichtet: Die Niederlegung des FIEAÖROIXOV TOV TPPAYNOV (V.14), um derentwillen Christus „unser Friede" genannt wird, „erfolgt gleichzeitig horizontal - als Aufhebung des Gesetzes, das die Juden von den Heiden getrennt hat (V. 15) und vertikal, indem es (nach apokalyptisch-gnostischer Vorstellung) die zwischen der göttlichen und der kosmischen Sphäre trennende Zwischenwand niederlegt, die durch die Zerstrittenheit der Engel als kosmischer Weltprinzipien, aber auch durch das alte ... Gesetz, die Tora, dargestellt wird" (NB 415). Die Einheit von „vertikal" und „horizontal", die Einheit der (niedergelegten) Scheidewand zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch wird zur entscheidenden Textaussage. Sie muß es werden, um dem Gedanken Plausibilität zu verleihen, der nun als Konzequenz des Ephesertextes erscheinen soll: „das Transzendieren Jesu am Kreuz zu den Sündern ist die Stiftung der Einheit zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe" (NB 416). 2. Aus der „synoptisch-urchristlichen Synthese von Gottes- und Nächstenliebe" hat nach v. Balthasar „Paulus allseitig die kirchlichen Konsequenzen" gezogen (NB 416). Daß es kirchliche Konsequenzen sind, die der Apostel aus der „Synthese" zieht, erhellt nach v. Balthasar aus seinem Kirchenverständnis: „Kirche ist Modell-Raum" (NB 417), in dem die conformitas mit der in Christus Ereignis gewordenen „Synthese" sakramental vermittelt und weltlich zur Darstellung gebracht wird. Paulus mußte demnach an der Frage, wie sich die christliche Nächstenliebe im Raum der Kirche bewährt, ein besonderes Interesse nehmen. Voraussetzung ist dabei für ihn (ebenso wie für die synoptischen Evangelien), daß die 23 24
Vgl. H. Schlier, Der Brief an die Epheser, 122-140. AaO., 136.
Ao£ä{eiv als Vollzug der Einheit von Gottes- und Nächstenliebe
221
Begründung der Nächstenliebe ausschließlich christologisch-trinitarisch („vertikal") erfolgt. Einen durch die paulinischen Texte gedeckten Zusammenhang zwischen der so begründeten Liebe zum Nächsten und dem in Frage stehenden öo£ a f a v vermag v. Balthasar freilich wiederum nur mittelbar herzustellen. Vielmehr muß er zunächst mit Lorenz Nieder25 feststellen, daß unter den von Paulus angeführten Motiven seiner Paränese das der „Verherrlichung Gottes" (mit Ausnahme von IKor 10,31) gerade fehlt26. Gewonnen wird daraus ein argumentum ex silentio. Der Apostel muß den Zusammenhang von Nächstenliebe und öo£afeiv gar nicht ausdrücklich herstellen, denn: Wer sich von der „Bewegung der Selbsthingabe Christi, in die der Christ einschwingen muß", tragen läßt, der muß „in seiner Enteignung zum Du nicht eigens auf die .Verherrlichung Gottes' oder auf seine ,Liebe zu Gott' als Motive ... reflektieren, er ist darin" (NB 417f). Will heißen: Der fragliche Zusammenhang ist für Paulus so selbstverständlich, daß er ihn nicht eigens explizieren muß. Für die von v. Balthasar exegesierten Texte wird er deshalb als bestehend vorausgesetzt, um die Texte daraufhin zu befragen, wie der spezifisch paulinische Beitrag zur christlichen bzw. kirchlichen Nächstenliebe und also zugleich zur Bedeutung von 5o£afeii< aussieht. Die im folgenden kurz zu kommentierende Antwort lautet: Der im Kreuz Christi erwirkten „Synthese" von Gottes- und Nächstenliebe wird im Raum der Kirche primär entsprochen durch ein „Ertragen des andern als andern" (NB 419). a) Folgt man (mit v. Balthasar) den paulinischen Texten, so wird das Problem des Ertragens in erster Linie virulent „durch die Begabung der Kirchenglieder mit verschiedenen..., oft gegensätzlichen Gnadengaben" (NB 419)27. Dazu gehört auch das unterschiedliche Maß an Erkenntnis (yv&ou;), mag diese nun als „Charisma" im engeren Sinne betrachtet werden oder nicht. Angesichts dieses Problems verficht Paulus nach v. Balthasar die Lehre, daß jede partikuläre Erkenntnis (und jedes Charisma) rückgebunden sein muß an diejenige Liebe, die als Liebe Christi die Einheit der Kirche konstituiert und sich als Bruderliebe von dieser (objektiven28) Liebe abkünftig erweist, indem der partikuläre Standpunkt nur „entsprechend einer Rücksicht, die auf eine der Kirche als sozialem Gebilde überlegene Einheit hinblickt" (NB 419), vertreten wird. Die „kirchlichen Konsequenzen" des Apostels Paulus aus der „Synthese" von Gottes- und Nächstenliebe bestehen also letztlich in
25 Vgl. L. Nieder, Die Motive der religiös-sittlichen Paränese in den paulinischen Gemeindebriefen. Ein Beitrag zur paulinischen Ethik, München 1956. 26 Nieder (aaO., 115) stellt fest: „Vergleichen wir nun insgesamt den Bestand der Motivvorstellungen aus dem Gottesgedanken in den pln Paränesen mit jenen, die wir heute in erster Linie aus dem Gedanken an Gott abzuleiten pflegen, so fällt besonders auf, daß zwei sehr gebräuchliche Motive ganz oder fast ganz fehlen: Das Motiv ,Aus Liebe zu Gott' und das Motiv ,Zur Ehre Gottes'." 27 Das Ertragen der TctpcnrrüßctTa rüv ä&ehp&r (vgl. Gal 6,lff) gehört nicht unmittelbar in diesen Zusammenhang, weil das TapctTTü>iia grundsätzlich jedes membrum ecclesiae betreffen kann. 28 Der Schulbegriff „objektiv" wird von v. Balthasar allerdings durchweg gemieden.
222
Was heißt 6o( t5ii> (die den Genetiv roO tvayytXiov vertritt) durch „mit dem Evangelium" ergibt sich aus der vorausgesetzt«! Bedeutung von noivoivia als personaler Gemeinschaft. „Gemeinschaft mit dem Evangelium" ist die personale Gemeinschaft mit Christus, (dadurch) der Glieder untereinander und mit dem Verkündiger des Evangeliums als einem Glied der Gemeinschaft. 44 Mit Verweis auf Phil 4,14f. " Zum exegetisch«! Streit um die Bedeutung des Genetivs in Phil 2,1 und 2Kor 13,13 (gen. obj. oder gen. subj.) vgl. J. Mainz, KOINONIA, 47-55.
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Was heißt boläfriv?
besonderen Qualifikation der Gemeinschaft. Diese freilich kann bezeichnenderweise nur durch Hinzuziehung weiterer Textstellen im gewünschten Sinne festgestellt werden: Die als Koipuvia rvevuaroq bezeichnete communio besteht „ununterscheidbar aus dem einen, alle .durchtränkenden Pneuma' (IKor 12,13) und aus der .zusammen kämpfenden Gesinnungsgemeinschaft' (ptiq ^vxy ovvadXovvTeq Phil 1,27)" (NB 434)". Mit dieser Auskunft dürfte der erste entscheidende Punkt erreicht sein, mit dem v. Balthasar den Bogen von der Wesensbestimmung der Kirche zum Problem des 5o£afeii> zu schlagen vermag. Die Ausführungen zur communio sanctorum haben darin ihr Ziel, die gegenwärtige Kirche als eine in ihrem Ursprung einzigartige personale Solidargemeinschaft in den Blick zu bringen. Zwar ist und wird die Kirche nicht mit ihrem Ursprung und Haupt Jesus Christus identisch. Aber beide bilden zusammen ein Wirkprinzip. Die zusammenkämpfende „ Gesinnungsgemeinschaft" Kirche repräsentiert die Gesinnung Christi, indem sie sie ins Werk setzt setzen darf: „der Eine, der vollwirksam ,Mensch für die andern' sein konnte, zieht seine Nachfolger in das gleiche Können hinein" (NB 437). Das „Sein für den Menschen" aber ist Christi 5o|a. Und darum wird - aus Gnaden des Hauptes „auch der personale-soziale Vollzug der Wirklichkeit Kirche ein Hineinblicken in die Herrlichkeit Christi und der dreieinigen Liebe" (NB 438). Nota bene: „in die Herrlichkeit Christi". Wie aber läßt sich diese noch angemessen von einer gloria ecclesiae unterscheiden, wenn die Gemeinschaft von Christus und Kirche als die unmittelbare Gemeinschaft eines Wirkprinzips verstanden wird? 2. Von Balthasars Ausführungen über die Kirche als „die wahre interpersonale Gemeinschaft" (TD H/2, 393), deren Skopus im Gedanken der Fruchtbarkeit liegt, wird von ihm vertieft durch die Entfaltung des matrimonialen Gleichnisses der Kirche als Braut Christi. Wir können hier diejenigen seiner exegetischen Erwägungen beiseitelassen, die den Gedanken der Hochzeitlichkeit zwischen Christus und Kirche bereits für die Synoptiker, Johannes und die (echten) paulinischen Briefe nachweisen wollen67. Entscheidend ist Eph 5,22-32(33). Der Text enthält Ermahnungen, die die Stellung und das Verhältnis von Mann und Frau in ihrem Zusammenleben betreffen. Sie werden begründet mit dem Hinweis auf das exemplarische Verhältnis Christi zur Kirche. Von Balthasars Auslegung orientiert sich an der doppelten Ermahnung an die Männer, ihre Frauen zu lieben (V.25a; 28a) und dem korrespondierenden doppelten Hinweis auf das 66 In TD n/2, 393 wird der gleiche Sachverhalt auf die (dramatische) Formel gebracht: „Dom was von Christus her ist, das bleibt zugleich von den Nachfolgenden her im Werden 67 Es handelt sich erklärtermaßen im Blick auf die Synoptiker und Johannes um Erwägungen und Vermutungen (vgl. NB 444-446), im Blick auf l./2.Kor und Rom um Anklänge und Elemente einer Theologie, die ihre endgültige Ausgestaltung im (für paulinisch gehaltenen) Epheserbrief gefunden haben (vgl. NB 446-449).
Ao£d{eiv als Existenzvollzug der Kirche
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Verhältnis Christus-Kirche. Dementsprechend zerlegt er den gesamten Abschnitt in zwei Unterabschnitte68. Zur eigentlichen Pointe des Textes wird dabei das Verhältnis beider Abschnitte zueinander. Denn während im ersten Teil „eindeutig vom Geschöpflich-Geschlechtlichen (um dessentwillen ja die Ermahnung ergeht) auf das Soteriologische vorausgedacht" wird, blickt im zweiten Paulus, „der bisher die Schöpfungs- zur Erlösungsordnung hin ausgelegt hat, ... nachfolgend von dieser auf jene zurück" (NB 450f). Was ist gemeint? a) Von der Schöpfungs- zur Erlösungsordnung blickt der erste Unterabschnitt, sofern die geforderte Liebe des Mannes zur Frau mit dem Hinweis auf die Selbsthingabe Christi für die Kirche begründet wird. Um einen rein exemplarischen Hinweis kann es sich dabei nicht handeln. Denn „es wird dem Mann ein überschwengliches Bild von Leibeshingabe vorgestellt, auf das er zwar hinblicken, das er aber nicht wirklich nachahmen kann" (NB 450). Er kann es deshalb nicht, weil die Kirche (nach V.25b-27) „zwar ... eine in Gottes Erwählung präexistente Wirklichkeit" ist, aber „als die heilige, makellose Braut, erst das Ergebnis seiner [Christi] Selbstverschwendung, nicht eigentlich Schoß, sondern Frucht" (NB 450). b) Von der Erlösungs- zur Schöpfungsordnung blickt der zweite Unterabschnitt, sofern mit Hilfe des Verweises in V.31 auf Gen 2 (21-24) und also „auf die Paradiesesordnung" die „soteriologische Liebe Christi zur Kirche, die sein Fleisch ist (wir sind ja seine Glieder), ... hier als Erfüllung dieser ursprünglichen Ordnung" erscheint (NB 451). Die letztere Auskunft bildet den cardo rerum der Balthasarschen Exegese von Eph 5,22ff. Denn was im ersten Unterabschnitt „das Überschwengliche, Unnachahmliche schien - Ecclesia ex latere Christi - , hat nun doch eine Grundlage in der geschöpflichen Wirklichkeit. Die Agape, die unerreichbar über dem Eros zu schweben schien (Taufe und Wort als Geburtsereignis der Kirche wurzelt in der blutigen Selbsthingabe am Kreuz), vollendet ein Geheimnis niedrigerer Ordnung" (NB 451). Daraus wiederum muß nach v. Balthasar gefolgert werden, daß jene „niedrigere Ordnung" ein von Gott voraus-gesetztes („sakramentales") Konstitutivum für das Verhältnis Christi zur Kirche und damit für das Wesen der Kirche selbst ist69. Die Geschlechterdifferenz als Grundbestimmung des Menschseins, d.h. die Opposition von Mann und Frau, dient v. Balthasar als „Grundlage" (NB 454) für die Einsicht, daß die (präexistente) Kirche „dem Christus als sein Leib auch in einer Art eigener
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Eph 5,22-27 und 5,28-31; 5,32f faßt zusammen. NB 453: „Indem menschliche Geschlechtlichkeit diesem Mysterium dienstbar wird, wird sie sakramental geheiligt, aber gleichzeitig auch als Ganze über sich selbst hinausbezogen" - um im Verhältnis Christus-Kirche ihre Vollendung zu finden. Menschliche Geschlechtlichkeit sichert dem Eph 5 beschriebenen itpot; ya/ux; den inkarnatorischen Charakter: „Sie leiht der Hochzeitlichkeit zwischen Gott und Welt die rote Farbe des Lebens - Geschlecht und strömendes Blut - , aber sie leiht sie ihr nur, um in sich selbst zu vergehen in das Größere hinein, dessen .Mysterium' sie ist." Das macht nach v. Balthasar dann auch den Ausgleich mit den paulinischen Aufstellungen in IKor 7,6ff.29 möglich. m
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Was heiß öoiafeic?
Personalität gegenübersteht"70: Die Kirche „ist der von Geist und Blut Gottes und Christi durchgestaltete Leib nur, indem sie zugleich seine Braut und Gattin ist" (NB 454). Wenigstens abrißhaft ist in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Ausführungen der Theodramatik zu verweisen71. Ausgangspunkt der Erörterung ist hier die lapidare Feststellung: „Das Wort Gottes erscheint in der Welt als Mann, als der .letzte Adam'. Das kann nicht gleichgültig sein." (260) Warum nicht? Die anschließend zu begründende Antwort lautet: „wie nach dem zweiten Schöpfungsbericht Eva aus Adam gebildet wurde (der sie also potentiell in sich trug), so muß das dem Manne Christus zugestaltete Weibliche aus ihm hervorgehen, als seine .Fülle' (Eph 1,23)" (261). Das ihm „zugestaltete Weibliche" aber ist Maria und die mit ihr unlösbar verbundene Kirche. a) Der „erste Adam" ist ergänzungsbedürftig. Die aus dem Mann (Adam) gebildete Frau ist das notwendige, „ihm eigens zugestaltete Gefäß der Erfüllung; keinesfalls nur als Gefäß seiner Fruchtbarkeit, sondern mit eigener, ausdrücklicher Fruchtbarkeit ausgestattet. Und doch nicht mit einer primären, sondern einer antwortenden Fruchtbarkeit, dazu gebildet, die in sich selber hilflose Fruchtbarkeit des Mannes aufzunehmen und zu ihrer ,Fülle' zu führen, und so die , Glorie' des Mannes zu sein (IKor 11,7)." (262) Ganz allgemein, d.h. unter Absehung von der nachparadiesischen sexuellen Weise der Fortpflanzung, unterscheidet die Frau sich vom Mann darin, daß sie ein „Doppelprinzip" (263) darstellt. „Sie ist Responsion als Reproduktion", weil sie dem „Geschenk" des Mannes (seiner Fruchtbarkeit) „doppelte Antwort" gibt: „eine .personale' und eine über das Ich-Du-Verhältnis hinausgehende, die man (in Ermangelung eines präziseren Wortes) .gattungshaft' nennen kann", sie ist „Antwort und (gemeinsame) Frucht" (263). b) Eine „analoge Folgerung ... für das Verhältnis zwischen Gott und Geschöpf" (264) drängt sich v. Balthasar auf 72 . Das Geschöpf (Mann und Frau) ist gegenüber Gott stets „sekundär, antwortend, .weiblich'" (264). Nichtsdestoweniger muß es, „um überhaupt Gott gegenüber (als sein ,Bild') ein solches zu sein, ebenso wie die Frau dem Mann gegenüber mit einem Prinzip eigenen Fruchttragenkönnens ausgestattet sein" (264). c) Im Gottmenschen vereinen sich „der innerweltliche (Mann-Weib) und der überweltliche (Gott-Welt) Aspekt" (264), wodurch „die christologische Stellung der
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So H. Schlier, Der Brief an die Epheser, 279 (teilweise zitiert NB 454), allerdings mit anderer Begründung als v. Balthasar und mit erheblichen Einschränkung»!. 71 Vgl. TD n/2, 260-330. Bloße Seitenangaben in Klammem beziehen sich bis zum Kapitelende stets auf TD H/2. 72 Selbstverständlich muß in diesem Zusammenhang jeder Gedanke an eine Identifikation Gottes mit Adam vermieden werden, „denn Gott bedarf des Geschöpfs nicht zu seiner Ergänzung und Erfüllung" (TD D/2, 264).
Aof cifEtj» als Existenzvollzug
der Kirche
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Frau absehbar" (265) wird. Wir beschränken uns auf die in unserem Zusammenhang relevanten Punkte73: 1. Als menschliches, männliches Individuum hat Jesus Christus eine (notwendige) individuelle Beziehung zur Frau: „die Frau, auf die er sich bezieht, ist ein bestimmter Jemand" (265). Als inkarniertes Gotteswort, dessen Sendung die Versöhnung der Welt mit Gott ist, muß andererseits „die ,Gehilfin', auf die er bezogen ist, notwendig, als Repräsentation dieser (vor Gott weiblichen) Menschheit, sozialen Aspekt haben" (265). Beide Aspekte sind weder identisch noch separierbar. 2. Die Inkarnation des Wortes, „sofern es Gott ist" (265), bedarf der weiblichen Ergänzung nicht. Sofern aber das Wort „zugleich wahrer Mensch, und zwar als Mann" ist, hat Christus „als zweiter und letzter Adam eine bestimmte Analogie zum ersten...: aus der Seite(nwunde) des (am Kreuz) Schlummernden wird das antwortende ,Antlitz' des Weibes gezogen und .gestaltet' (Eph 5,27), dessen der Mann nicht entbehren kann" (265). Das genügt. Unter der (hier nicht zu entfaltenden) Voraussetzung, Maria sei „Realsymbol und Inbegriff" (306) der neutestamentlichen Kirche wird deutlich, worauf die Balthasarsche Lehre von der individuellen Frau (Mariologie) und der sozialen Frau (Ekklesiologie) gleichermaßen zielt. Die Rolle der Maria-Kirche ist „derjenigen Christi koextensiv: sofern nämlich Christus als Mensch der weiblichen Ergänzung ebenso bedarf wie der erste Mann, und die Gehilfin ebenso seiner Seite entspringt wie bei Adam, mit dem wesentlichen Unterschied aber, daß Christus als der Sohn Gottes erhaben bleibt über jede Ergänzungsbedürftigkeit - Marias Mutterschaft und Brautschaft hängt am reinen freien Erlösungsbeschluß des dreieinigen Gottes - , und daß die dem am Kreuz entschlummerten Mann entspringende Frau (die ,Immaculata' Eph 5,27) nicht so sehr Geschenk für seine Bedürftigkeit, als Produkt seiner eigenen Fülle ist." (310f) Die Bezeichnung der Kirche als „Braut Christi" hat darum ihren Skopus in der relativen Selbständigkeit der Kirche gegenüber Jesus Christus. Gewiß ist die Kirche sein Werk; aber sie ist es als sein kraft der Gnade notwendiger Cooperator. „denn er braucht dieses aus ihm Entstandene zugleich als seine .Gehilfin' für sein Werk, als jene Gestalt auch, die, wenn er nicht mehr als geschichtliche Person auf Erden ist, ihn repräsentiert und sein Werk fortsetzt" (314). Die Kirche ist in diesem Sinne ein „freigelassene[s] Gegenüber" (314), ohne dessen tätige Mitwirkung Christus nicht „herrlich" sein will. Ästhetisch ausgedrückt: Der von der Gestalt (forma) der Kirche ausgehende Glanz (splendor) ist die „Wucht" der gleichen selbstlosen Liebe, die Jesus Christus eignet. Daß dieser Glanz von der Gestalt der Kirche ausgeht, verdankt die Kirche nicht sich selbst. Insofern ist ihre Herrlichkeit Reflex: „Ant-
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Aus Gründen der Beschränkung wird auf die Entfaltung des Aspektes der Frau als Mutter hier verzichtet. Man wird aber nicht fehlgehen, warn man im unmittelbaren Ubergang des Bildes von der Kirche als Braut Christi zum Bild der „Mutter Kirche" die heimliche Pointe der Balthasarschen Aufstellungen sieht.
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Was heißt
fiofafetc?
wort des Verherrlichens" (NB 511). Aber die unmittelbare, tätige Weise, in der sie „einbezogen" ist „in das herrliche Wort, dem sie antwortet" (NB 511), macht sie zu mehr als einem bloßen Spiegel, Mond oder Zeichen74. Was von dem Gebilde Kirche ausstrahlt, ist ja nicht einfach der Abstrahl des Lichtes, das sie äußerlich bestrahlt; der göttliche splendor bricht aus ihrem Inneren hervor als ihr zu eigen gegebener. Die So£a rov Xpiarov ein Prädikat der Sofa TTIQ eKKkr)oLa