Die kleine AG - Vom Widerspruch zur Reformidee: Eine rechtsvergleichende Studie zu unterschiedlichen Ansätzen der Differenzierung zwischen personenbezogenen Kapitalgesellschaften und Publikumsgesellschaften im deutschen Gesellschaftsrecht und im US-amerikanischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [1 ed.] 9783428523191, 9783428123193

Das deutsche Gesellschaftsrecht ist traditionell durch einen Rechtsdualismus zwischen Aktiengesellschaft und GmbH und de

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Die kleine AG - Vom Widerspruch zur Reformidee: Eine rechtsvergleichende Studie zu unterschiedlichen Ansätzen der Differenzierung zwischen personenbezogenen Kapitalgesellschaften und Publikumsgesellschaften im deutschen Gesellschaftsrecht und im US-amerikanischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [1 ed.]
 9783428523191, 9783428123193

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 226

Die kleine AG – Vom Widerspruch zur Reformidee

Von Simone Theiß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

SIMONE THEISS

Die kleine AG – Vom Widerspruch zur Reformidee

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 226

Die kleine AG – Vom Widerspruch zur Reformidee Eine rechtsvergleichende Studie zu unterschiedlichen Ansätzen der Differenzierung zwischen personenbezogenen Kapitalgesellschaften und Publikumsgesellschaften im deutschen Gesellschaftsrecht und im US-amerikanischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

Von Simone Theiß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-12319-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Mutter und zum Andenken an meinen Vater

„Die Aktiengesellschaft in ihrer jetzigen Gestalt ist eine der unvollkommensten und verhängnisvollsten Einrichtungen unseres ganzen Rechts; das meiste Ungemach, welches in den letzten Jahren auf dem Gebiete des Verkehrslebens über uns hereingebrochen ist, stammt entweder direkt aus dieser Quelle oder steht wenigstens mit ihr in engster Verbindung. Den tief demoralisierenden, die Grundsätze von Ehre und Ehrlichkeit im innerlichen Mark vergiftenden Einfluß, den das Aktienwesen ausgeübt hat, will ich an dieser Stelle gar nicht einmal mit in Rechnung bringen, ich würdige dasselbe hier lediglich unter dem ökonomischen Gesichtspunkt, und da kann ich meine Überzeugung nicht unterdrücken, daß, so hoch man auch die vorteilhaften Wirkungen für den Verkehr anschlagen möchte, dennoch des Unsegens, welchen die Aktiengesellschaften über uns gebracht haben, ungleich mehr ist als des Segens. Die Verheerungen, die sie im Privatbesitz angestiftet haben, sind ärger, als wenn Feuers- und Wassersnot, Mißwachs, Erdbeben, Krieg und feindliche Okkupation sich verschworen hätten, den Nationalwohlstand zu ruinieren. Das vernichtende Urteil, welches eine Kursliste aus der Zeit seit der letzten Katastrophe (1873), verglichen mit einer aus der Periode der Gründungen, über unser ganzes Aktienwesen ausspricht, läßt sich nicht beschönigen. Sie führt uns das Bild eines Schlachtfeldes oder eines Kirchhofes vor Augen – Blutlachen, Leichen, Gräber – Marodeure, Totengräber – nur letztere sind wohlauf, denn nur sie allein haben gewonnen!“ Rudolph von Ihering, „Der Zweck im Recht“ (1877–1883)

Vorwort Das düstere Bild, das Rudolf von Ihering in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Aktiengesellschaft gezeichnet hat, zeigt auf sehr drastische Weise, daß es um das Ansehen und die Beliebtheit der Aktiengesellschaft in Deutschland nicht immer zum besten bestellt war. Auch wenn sich der Ruf dieser Rechtsform seit den Tagen von Ihering gebessert hat, standen gerade kleine und mittlere Unternehmen der Rechtsform der Aktiengesellschaft bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts überaus kritisch gegenüber. Die Aktiengesellschaft wurde nur selten von diesen Unternehmen verwendet. Sie war – sowohl vom Leitbild der Aktienreform 1965 gesehen als auch in der öffentlichen Wahrnehmung – eine Rechtsform, die den großen, börsennotierten Publikumsgesellschaften mit einem weit gestreuten Kreis anonymer Anleger vorbehalten schien. Eine „Kleine AG“ – im Sinne einer nicht börsennotierten, personalistisch organisierten Gesellschaft – war sogesehen ein Widerspruch zur Rechtsform selbst. 1994 wollte der Gesetzgeber mit dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ die Attraktivität der Rechtsform der Aktiengesellschaft gerade für kleine und mittlere Unternehmen steigern und aus der „Kleinen AG“ eine Reformidee machen. Die Bewertung des Gesetzes in der Literatur schwankt jedoch erheblich. Für Hoffmann-Becking stellen die Regelungen überwiegend nur „unwesentliche Randkorrekturen“ dar. Lutter dagegen sieht im Gesetz eine „historische Weichenstellung“, weil durch das Gesetz „kapitalmarktrechtliche Überlegungen … unmittelbar … auf gesellschaftsrechtliche Normen und Regelungen“ einwirken. Das neue Gesetz folge insofern dem Vorbild des US-amerikanischen Rechts, bei dem im Gesellschaftsrecht schon seit langem danach unterschieden werde, ob eine Gesellschaft vorliege, deren Anteile an der Börse gehandelt werden oder nicht. Die vorliegende Arbeit ist im Spannungsfeld dieser Einschätzungen zu sehen. Sie beschäftigt sich mit der „Kleinen AG“ zunächst anhand der Einzelvorschriften. Wesentlich ist aber darüber hinaus die Frage, ob hinter den Einzelvorschriften wirklich eine weiterreichende Idee zu sehen ist, die mit Lutter als „historische Weichenstellung“ bezeichnet werden kann. In einem weiteren Teil geht dann der Blick in die USA, wobei das Zusammenwirken von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht untersucht wird. Dabei geht es zum einen um die Bedeutung materieller, insbesondere kapitalmarktrechtlicher Kriterien

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Vorwort

zur Abgrenzung personenbezogener Gesellschaften und Publikumsgesellschaften. Zum anderen steht das Ineinandergreifen von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht im Zentrum des Interesses. Die Ergebnisse der Untersuchung des US-amerikanischen Rechts sollen dazu herangezogen werden, um den im deutschen Recht gewählten Ansatz in einen größeren Zusammenhang zu stellen und dadurch kritisch zu hinterfragen. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2005 / 2006 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Fikentscher LL.M. (Michigan) für die vielen wertvollen Hinweise und Anregungen und die Diskussionen während des Fortgangs der Doktorarbeit. Herrn Professor Dr. Lorenz Fastrich danke ich sehr für die sorgfältige und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Teil zum US-amerikanischen Recht hätte ich nicht ohne einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt an der Boalt Hall School of Law (UC Berkeley), USA erstellen können. Ich danke den Mitarbeitern der Boalt Hall für ihre Gastfreundschaft und Hilfe vor allem bei der Recherche des US-amerikanischen Materials. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Melvin A. Eisenberg, der mir während des Forschungsaufenthalts als kompetenter und kritischer Ansprechpartner zur Verfügung stand. Großen Dank schulde ich Herrn Dr. Christian Ley und Herrn Dr. Christian Pisani für ihre geschätzten Anmerkungen. Herr Dr. Christian Ley hat die große Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen. Herr Dr. Christian Pisani hat ebenfalls die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens übernommen und stand zudem unzählige Male für Diskussionen und Gespräche zur Verfügung. Die Hilfe und Unterstützung beider schätze ich sehr hoch ein. Ferner danke ich dem Cusanuswerk, Bischöfliche Studienförderung für die finanzielle und ideele Unterstützung dieser Arbeit und vor allem des Forschungsaufenthalts in den USA. Am meisten möchte ich mich bei meinen Eltern und bei meiner Schwester Isabella bedanken. Meine Eltern haben mir mein Studium ermöglicht und meine ganze Familie hat die Arbeit an der Disseration stets mit großem Interesse begleitet. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Frühjahr 2009

Simone Theiß

Inhaltsübersicht 1. Teil Einleitung § 1 Problemstellung ........................................................................................... A. Verbreitung der Aktiengesellschaft ........................................................... B. Geringe Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen und ihre Folgen ........................................................................................ C. Reaktion des Gesetzgebers .......................................................................

49 49

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz ....................................................................... A. Ziel der Arbeit und Methodik ................................................................... B. Auswahl der Rechtsordnungen ................................................................. C. Auswahl der Rechtsquellen ......................................................................

67 67 70 72

52 58

§ 3 Gang der Darstellung und Abgrenzung des Themas.................................... 77 2. Teil Deutsches Recht § 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“................................................................................. 81 A. Reformansätze zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung des Mittel standes .................................................................................................... 81 B. Gesetzgebungsgeschichte des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ ................................................. 91 § 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“ zwischen GmbH und klassischer AG vor dem Hintergrund der Änderungen der Reform 1994...................... A. Gründung und Strukturänderungen .......................................................... B. Organisationsverfassung........................................................................... C. Finanzverfassung ..................................................................................... D. Gesamtbewertung der Änderungen ...........................................................

95 96 158 248 263

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“........................................................................... 272

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Inhaltsübersicht A. Materielle Kriterien als Merkmale unterschiedlicher Regelungen in der Literatur und im bisherigen Recht ............................................................. 274 B. Materielle Kriterien als Merkmale unterschiedlicher Regelungen im Gesetz für die „Kleine AG“ ...................................................................... 303 C. Zwischenergebnis und Kritik am Ansatz des Gesetzgebers......................... 324 3. Teil Amerikanisches Recht

§ 7 Begriffsklärung ............................................................................................ 327 § 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht......................................................................................... A. Gesetzgebung der Einzelstaaten für die close corporation .......................... B. Definitionsansätze in der close corporation-Gesetzgebung ......................... C. Die close corporation in der Praxis............................................................ § 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht ....................................................................................... A. Rechtsquellen und Überblick über die Regelungen des Kapitalmarktrechts .............................................................................................. B. Begriff des security .................................................................................. C. Disclosure nach dem Securities Act 1933 .................................................. D. Disclosure nach dem Securities Exchange Act 1934 .................................. E. Disclosure-Regeln im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht .................... § 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht............................. A. Vorbemerkung.......................................................................................... B. Definition eines shareholders’ agreements................................................. C. Änderung des Revised Model Business Corporation Act............................ D. Bedeutung des § 7.32 R.M.B.C.A. ............................................................ E. Verhältnis des neuen Ansatzes zur speziellen close corporation-Gesetzgebung.....................................................................................................

329 329 341 377

388 388 393 401 468 482 491 491 492 493 502 514

4. Teil Vergleich und Schlußfolgerungen § 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich.............................. 517 A. Unterschiede des US-amerikanischen zum deutschen Ansatz ..................... 517 B. Geschichtliche Hintergründe der unterschiedlichen Ansätze....................... 531 § 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht .................................................... 579

Inhaltsübersicht

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A. Neue Entwicklungen im Gesellschaftsrecht............................................... 581 B. Neue Entwicklungen im Kapitalmarktrecht ............................................... 609 § 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes.................................................... 619 A. Vorteile des vom Gesetzgeber verwendeten Ansatzes................................. 620 B. Nachteile des vom Gesetzgeber verwendeten Ansatzes .............................. 630 5. Teil Ausblick § 14 Europarechtliche Perspektiven .................................................................... A. Wettbewerbsfähigkeit anderer Staaten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts....................................................................................................... B. Rahmenbedingungen des Internationalen Privatrechts................................ C. „Race to the bottom“ als Gefahr in Europa? .............................................. D. Resümee ..................................................................................................

654 656 664 695 698

Literaturverzeichnis ............................................................................................. 700 Sachregister .......................................................................................................... 739

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung § 1 Problemstellung............................................................................................ A. Verbreitung der Aktiengesellschaft............................................................ B. Geringe Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen und ihre Folgen ..................................................................................................... C. Reaktion des Gesetzgebers ....................................................................... I. Kritik an der Rechtsform der Aktiengesellschaft .................................. 1. Aktienrechtliche Satzungsstrenge.................................................. 2. Zwingende Vorschriften bei Gründung und Organisationsgefüge.... 3. Hohe laufende Kosten................................................................... 4. Steuerliche Nachteile.................................................................... 5. Psychologische Gründe................................................................. 6. Zusammenfassung der Kritik ........................................................ II. Gesamtwirtschaftlicher Hintergrund....................................................

49 49 52 58 59 60 60 61 61 62 62 63

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz ....................................................................... A. Ziel der Arbeit und Methodik.................................................................... B. Auswahl der Rechtsordnungen.................................................................. C. Auswahl der Rechtsquellen....................................................................... I. Common law in der Tradition der Vereinigten Staaten.......................... 1. Präjudizienbindung....................................................................... 2. Die USA als case law in weiten Verhältnissen................................ II. Gesellschaftsrecht als statutory law.....................................................

67 67 70 72 72 73 74 75

§ 3 Gang der Darstellung und Abgrenzung des Themas.................................... 77 2. Teil Deutsches Recht § 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“................................................................................. 81 A. Reformansätze zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung des Mittelstandes...................................................................................... 81

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Inhaltsverzeichnis I. Ausgabe von Genußrechten ................................................................ II. GmbH auf Aktien als neue Rechtsform................................................ III. Handel von GmbH-Anteilen und anderen Gesellschaftsanteilen an der Börse ....................................................................................... IV. Die „Kleine AG“ ................................................................................ V. Zusammenfassung.............................................................................. B. Gesetzgebungsgeschichte des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ ..................................................

82 85 85 88 91 91

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“ zwischen GmbH und klassischer AG vor dem Hintergrund der Änderungen der Reform 1994........................................................................................... 95 A. Gründung und Strukturänderungen ........................................................... 96 I. Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ ........................... 96 1. Einpersonengründung................................................................... 96 a) § 2 AktG ................................................................................ 96 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 97 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 100 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 103 b) §§ 36 Abs. 2 Satz 2, 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG ............................. 106 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 106 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 108 (1) Begriffsklärung........................................................... 108 (a) „Sicherung“ i.S.d. § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG............ 109 (b) Sicherungspflicht bei Sacheinlage ......................... 110 (aa) Reichweite des § 36a Abs. 2 AktG .................. 110 (bb) Folgerungen für § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG........ 112 (2) Reichweite der Norm .................................................. 114 (a) Sicherungsbestellung bei Kapitalerhöhung............. 115 (b) Nachträgliche Vereinigung aller Gesellschaftsanteile .................................................................. 117 (c) Erledigung des Sicherungszwecks ......................... 119 (3) Randfragen................................................................. 121 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 122 c) § 42 AktG............................................................................... 126 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 127 (1) Publizität hinsichtlich der Gesellschafter im GmbHRecht.......................................................................... 127 (2) Publizität hinsichtlich der Gesellschafter im Aktienrecht........................................................................... 128

Inhaltsverzeichnis

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bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 131 (1) Begriffsklärung........................................................... 131 (a) Zurechnung des Eigentums der Aktien................... 132 (b) Adressat der Offenlegungspflicht........................... 135 (c) Rechtsfolgen des § 42 AktG .................................. 137 (2) Reichweite der Norm .................................................. 138 (a) Zeitliche Reichweite der Norm.............................. 138 (b) Sachliche Reichweite der Norm............................. 141 (3) Sanktionen bei Nichterfüllung..................................... 143 cc) Begründung für die Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung........................................................... 143 2. Einreichung des Berichts der Gründungsprüfer.............................. 145 a) § 34 Abs. 3 AktG.................................................................... 145 aa) Frühere Rechtslage und neuer Regelungsinhalt .................. 145 bb) Begründung für die Gesetzesänderung und Kritik .............. 147 b) §§ 37 Abs. 4 Nr. 4, 40 Abs. 2, 188 Abs. 3 Nr. 2 AktG ............... 148 II. Bedeutung und Bewertung der Änderungen......................................... 149 1. Stellenwert der Änderung im Gesamtsystem.................................. 149 a) Grundsatz der Aufbringung des Grund- bzw. Stammkapitals .... 150 b) Konzeption der Gründungsvorschriften ................................... 151 c) Die Änderungen im Gesamtsystem.......................................... 154 2. Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“........ 156 3. Bewertung der Änderungen durch die Praxis ................................. 156 B. Organisationsverfassung........................................................................... 158 I. Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ ........................... 158 1. Aufsichtsrat.................................................................................. 158 a) § 76 Abs. 6 BetrVG 1952........................................................ 159 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 159 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 162 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 164 b) § 31 Abs. 5 AktG.................................................................... 167 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 167 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 171 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 172 2. Hauptversammlung ...................................................................... 174 a) § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG.......................................................... 174 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 175 (1) Hintergrund der früheren Rechtslage ........................... 175 (2) Auslegung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F.................. 177 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 180

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Inhaltsverzeichnis (1) Hintergrund der neuen Regelung ................................. 180 (2) Auslegung des neuen § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG............. 182 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung........................................................... 185 b) §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG .............................................. 188 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 188 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 190 (1) Begriffsklärung........................................................... 190 (2) Reichweite der Norm .................................................. 196 (3) Form und Frist............................................................ 197 (4) Folgeänderungen ........................................................ 199 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 201 c) § 121 Abs. 6 AktG .................................................................. 203 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 203 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 204 (1) Voraussetzungen des Vollversammlungsprivilegs ......... 204 (2) Rechtsfolge des Vollversammlungsprivilegs ................ 207 (3) Reichweite des Vollversammlungsprivilegs.................. 209 (4) Grenzen des Vollversammlungsprivilegs...................... 210 (5) Folgeänderungen ........................................................ 211 cc) Begründung für die Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 211 d) § 130 AktG............................................................................. 213 aa) Frühere Rechtslage ........................................................... 213 (1) Zwecke der Pflicht zur notariellen Beurkundung.......... 214 (2) Zulässigkeit einer Hauptversammlung im Ausland....... 215 bb) Neuer Regelungsinhalt...................................................... 217 (1) Sachliche Reichweite der Norm................................... 217 (2) Persönliche Reichweite der Norm................................ 222 (3) Person des Protokollführers und Inhalt des Protokolls .. 222 cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 224 3. Rechte der Aktionäre: § 10 Abs. 5 AktG ........................................ 226 a) Frühere Rechtslage ................................................................. 226 b) Neuer Regelungsinhalt............................................................ 228 c) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung........................................................................... 230 II. Bedeutung und Bewertung der Änderungen......................................... 231 1. Stellenwert der Änderung im Gesamtsystem.................................. 232 a) Stellung der Gesellschafter und Übertragbarkeit der Anteile..... 232 b) Rechte und Pflichten der Gesellschafter................................... 233

Inhaltsverzeichnis

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c) Organstruktur ......................................................................... 234 aa) Die Aktiengesellschaft ...................................................... 234 bb) Die GmbH........................................................................ 235 cc) Leitbild und Organisationsstruktur .................................... 236 d) Satzungsautonomie................................................................. 237 e) Die Änderungen im Gesamtsystem.......................................... 240 2. Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“........ 243 3. Bewertung der Änderungen durch die Praxis ................................. 245 C. Finanzverfassung ..................................................................................... 248 I. Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ ........................... 248 1. Kapitalbindung: §§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 5 AktG............................... 248 a) Frühere Rechtslage und neuer Regelungsinhalt........................ 249 b) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung........................................................................... 250 2. Veränderung des Kapitals und Umwandlung.................................. 251 a) §§ 182, 222, 340c AktG .......................................................... 251 aa) Frühere Rechtslage und neuer Regelungsinhalt .................. 251 bb) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung..................................................................... 255 b) § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG........................................................ 256 II. Bedeutung und Bewertung der Änderungen......................................... 258 1. Stellenwert der Änderung im Gesamtsystem.................................. 258 a) Erhaltung und Änderung des Grund- bzw. Stammkapitals ........ 259 b) Rechnungslegung ................................................................... 261 c) Die Änderungen im Gesamtsystem.......................................... 262 2. Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“ und Bewertung der Änderungen durch die Praxis........................... 263 D. Gesamtbewertung der Änderungen ........................................................... 263 I. Sicht der Praxis .................................................................................. 264 II. Rechtsdogmatik.................................................................................. 267 1. Kritikpunkte aus dem „Drei-Stufen-Modell“.................................. 267 2. Grundsätzlicher Wandel durch das Gesetz im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts? ..................................................... 269 III. Zwischenergebnis............................................................................... 271 § 6 Die Idee der „Kleinen AG“........................................................................... A. Materielle Kriterien als Merkmale unterschiedlicher Regelungen in der Literatur und im bisherigen Recht ................................................... I. Idee einer personenbezogenen Aktiengesellschaft in der Literatur ........ 1. Paulick: Die „personenbezogene“ Aktiengesellschaft (1954).......... 2. Wohlmann: Die personalistische Aktiengesellschaft (1968)............ 3. Friedewald: Die personalistische Aktiengesellschaft (1991) ...........

272 274 275 275 277 278

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Inhaltsverzeichnis 4. Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter: Das Drei-Stufen-Modell (1988) .......................................................................................... II. Ansätze der Unternehmensrechtskommission ...................................... 1. Einzelne Abgrenzungsmerkmale ................................................... 2. Kombination mehrerer Merkmale zur Eingrenzung personenbezogener Unternehmen................................................................... III. Verwendung materieller Kriterien als Anknüpfungspunkt unterschiedlicher Regelungen im bisherigen Recht ............................................... 1. Mitbestimmungsrecht ................................................................... 2. Recht der Rechnungslegung.......................................................... a) Publizitätsgesetz..................................................................... b) §§ 238 ff. HGB....................................................................... aa) Größenabhängige Merkmale ............................................. bb) Marktbezogenes Merkmal................................................. IV. Zwischenergebnis............................................................................... B. Materielle Kriterien als Merkmale unterschiedlicher Regelungen im Gesetz für die „Kleine AG“ ...................................................................... I. Keine Definition des Gesetzgebers...................................................... II. Gesetzliche Einordnungskriterien für die „Kleine AG“ ........................ 1. Größenabhängige Merkmale ......................................................... a) Einpersonengesellschaft.......................................................... b) Anzahl der Aktionäre.............................................................. aa) Namentliche Bekanntheit .................................................. bb) Vollversammlung.............................................................. c) Anzahl der Arbeitnehmer ........................................................ 2. Marktbezogenes Merkmal............................................................. a) §§ 130, 58 Abs. 2 Satz 2 AktG ................................................ aa) Fassung nach dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ ..................... bb) Fassung nach dem „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ ......................................... cc) Fassung nach dem „EG-Einlagensicherungsgesetz“ ........... b) § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG........................................................ III. Einordnungskriterien für die „Kleine AG“, die der Gesetzgeber nicht verwendet hat..................................................................................... 1. Beschränkung des Kreises der Gesellschafter ................................ 2. Identität von Verwaltung und Eigentümerstellung.......................... 3. Bilanzsumme und Jahresumsatz.................................................... 4. Höhe des Grundkapitals................................................................ C. Zwischenergebnis und Kritik am Ansatz des Gesetzgebers.........................

281 283 284 288 290 291 293 293 294 296 299 302 303 303 305 306 306 308 309 310 312 313 313 314 316 318 319 321 321 322 323 323 324

Inhaltsverzeichnis

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3. Teil Amerikanisches Recht § 7 Begriffsklärung ............................................................................................ 327 § 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht......................................................................................... A. Gesetzgebung der Einzelstaaten für die close corporation .......................... I. Close corporation zwischen statutes und case law................................ II. Entwicklung einer gesonderten Gesetzgebung für die close corporation......................................................................................... III. Aktueller Stand der Gesetzgebung in den Einzelstaaten ....................... 1. Einheitliche Gesetzgebung (unified strategy) ................................. 2. Gesonderte Gesetzgebung (diversified strategy)............................. a) Integrated statutes................................................................... b) Non-integrated statutes ........................................................... B. Definitionsansätze in der close corporation-Gesetzgebung ......................... I. Close corporation nach den statutes der Einzelstaaten.......................... 1. Formeller Ansatz .......................................................................... 2. Formell-materieller Ansatz............................................................ a) Definition, die drei Merkmalen kombiniert (sog. Delaware Definition) ............................................................................. aa) Delaware.......................................................................... bb) Sonstige Einzelstaaten ...................................................... b) Definition, die an nur ein Merkmal anknüpft ........................... aa) Kalifornien....................................................................... bb) Illinois.............................................................................. cc) Pennsylvania .................................................................... c) Definition, die zwei Merkmale kombiniert............................... aa) Alabama........................................................................... bb) Vermont ........................................................................... 3. Materieller Ansatz ........................................................................ a) Maine..................................................................................... b) Pennsylvania .......................................................................... II. Common law-Definition der close corporation .................................... 1. Galler v. Galler............................................................................. a) Entscheidung.......................................................................... b) Folgeentscheidungen .............................................................. 2. Thisted v. Tower Management Corp. ............................................. a) Entscheidung.......................................................................... b) Folgeentscheidungen .............................................................. 3. Donahue v. Rodd Electrotype Co. .................................................

329 329 330 333 334 335 336 337 338 341 341 342 346 348 348 352 355 356 356 357 357 358 359 359 360 361 362 363 363 365 366 366 367 369

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Inhaltsverzeichnis a) Entscheidung.......................................................................... b) Folgeentscheidung.................................................................. III. Verhältnis der common law-Definition zu den statutes......................... 1. Vorrang der Statutes...................................................................... a) Sundberg v. Lampert Lumber Co............................................. b) Nixon v. Blackwell ................................................................. c) Zwischenergebnis................................................................... 2. Hagshenas v. Gaylord ................................................................... C. Die close corporation in der Praxis............................................................ I. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse ...................................... II. Anzahl der statutory close corporations in den USA ............................ III. Gründe für das fehlende Interesse an der statutory close corporation .... 1. Ökonomischer Begründungsansatz................................................ 2. Holistischer Begründungsansatz.................................................... IV. Zwischenergebnis und Gang der weiteren Darstellung .........................

§ 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht ................................................................................................... A. Rechtsquellen und Überblick über die Regelungen des Kapitalmarktrechts....................................................................................................... I. Rechtsquellen des securities law ......................................................... II. Überblick über den Securities Act 1933............................................... III. Überblick über den Securities Exchange Act 1934............................... B. Begriff des security .................................................................................. I. Vorgaben im Securities Act 1933 und im Securities Exchange Act 1934 .................................................................................................. II. Wörtliche Auslegung des Begriffs stock (literal approach) ................... III. Auslegung des Begriffs stock nach ökonomischen Gesichtspunkten (economic reality approach)................................................................ 1. Sale of business doctrine............................................................... 2. Zurückweisung des economic reality approach .............................. IV. Zwischenergebnis............................................................................... C. Disclosure nach dem Securities Act 1933 .................................................. I. Grundlegende Begriffe des Securities Act 1933 ................................... 1. Begriff des interstate commerce .................................................... 2. Begriff des sale oder offer to sell................................................... II. Prospektpflicht nach § 5 Sec. Act ........................................................ 1. Drei Phasen der Registrierung....................................................... 2. Inhalt der Registrierung ................................................................ III. Wertpapiere und Transaktionen, die von der Prospektpflicht ausgenommen sind ............................................................................. 1. Private Kapitalbeschaffung (private financing) ..............................

369 370 371 371 372 373 374 374 377 377 379 381 382 384 387

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Inhaltsverzeichnis

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a) § 4 Nr. 2 Sec. Act.................................................................... 413 aa) Auslegung des Begriffs public offering.............................. 414 bb) Konkretisierung des Begriffs public offering durch die Rechtsprechung ................................................................ 416 (1) SEC v. Ralston Purina Co............................................ 416 (2) Konkrete Kriterien zur Bestimmung eines public offering ...................................................................... 417 (a) Anzahl der Angebotsempfänger............................. 418 (b) Qualifikation der Angebotsempfänger.................... 420 (c) Informationszugang .............................................. 422 (d) Art und Weise des Angebots.................................. 425 (e) Anzahl der angebotenen Anteile und Größe des Angebots .............................................................. 426 (f) Verhältnis der verschiedenen Kriterien zueinander .................................................................... 426 cc) Fehlen der Umverteilung................................................... 429 dd) Zwischenergebnis ............................................................. 431 b) Rule 506................................................................................. 432 2. Öffentliche Kapitalbeschaffung (public financing)......................... 436 a) Intrastate offerings.................................................................. 436 aa) § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act .................................................... 436 (1) Issue concept .............................................................. 437 (2) Doing business within the state ................................... 438 (3) Resident within the state ............................................. 440 (4) Come to the rest.......................................................... 441 (5) Benutzung von Instrumenten des zwischenstaatlichen Handels ...................................................................... 443 (6) Ergebnis ..................................................................... 443 bb) Rule 147........................................................................... 444 (1) Issue concept .............................................................. 445 (2) Doing business within the state ................................... 446 (3) Resident within the state ............................................. 447 (4) Limitations on resales ................................................. 448 (5) Ergebnis ..................................................................... 449 b) Small offerings ....................................................................... 450 aa) Die gesetzlichen Ausnahmen, §§ 3 lit. b, c und 4 Nr. 6 Sec. Act............................................................................ 450 bb) Rules der Regulation D: Rule 504 und 505 ........................ 454 (1) Rule 504..................................................................... 455 (2) Rule 505..................................................................... 458 (3) Integration verschiedener Angebote............................. 460 cc) Regulation A .................................................................... 461

24

Inhaltsverzeichnis (1) Mögliche Emittenten................................................... 462 (2) Emissionsvolumen...................................................... 463 (3) „Registrierung“ unter der Regulation A ....................... 464 (4) Rule 254, test the waters ............................................. 465 IV. Zwischenergebnis............................................................................... 466 D. Disclosure nach dem Securities Exchange Act 1934 .................................. 468 I. Personelle Reichweite der Pflichten .................................................... 468 1. § 12 lit. a Sec. Ex. Act .................................................................. 469 2. § 12 lit. g Sec. Ex. Act .................................................................. 471 3. § 15 lit. d Sec. Ex. Act .................................................................. 472 4. Zwischenergebnis......................................................................... 473 II. Inhalt der Offenlegungspflichten......................................................... 474 1. Registrierungspflicht (registration requirement) nach § 12 Sec. Ex. Act.................................................................................. 474 2. Berichtspflicht (reporting requirement) nach § 13 Sec. Ex. Act....... 476 3. Sonstige Pflichten......................................................................... 478 III. Integrated Disclosure System.............................................................. 480 E. Disclosure-Regeln im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht .................... 482 I. Bedeutung der disclosure-Regeln........................................................ 482 II. Geltung der disclosure-Regeln für personenbezogene Gesellschaften.................................................................................... 488

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht............................. A. Vorbemerkung.......................................................................................... B. Definition eines shareholders’ agreements................................................. C. Änderung des Revised Model Business Corporation Act............................ I. Voraussetzungen des § 7.32 R.M.B.C.A. ............................................. II. Vorläufervorschriften im Recht der Einzelstaaten................................. III. Vorschriften in den aktuellen statutes der Einzelstaaten........................ D. Bedeutung des § 7.32 R.M.B.C.A. ............................................................ I. Grundproblem.................................................................................... II. Die New York-Rule ............................................................................ 1. Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres ..................... 2. Verletzung gesetzlicher Vorschriften.............................................. a) Manson v. Curtis .................................................................... b) McQuade v. Stoneham............................................................ c) Benintendi v. Kenton Hotel..................................................... 3. Verletzung der Rechte außenstehender Parteien ............................. a) Benintendi v. Kenton Hotel, dissenting opinion ....................... b) Clark v. Dodge ....................................................................... 4. Anforderungen an die Wirksamkeit eines shareholders’ agreements...................................................................................

491 491 492 493 494 497 498 502 502 503 504 505 506 507 508 508 509 509 510

Inhaltsverzeichnis

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5. Weitere Entwicklungen zur Wirksamkeit von shareholders’ agreements................................................................................... 511 E. Verhältnis des neuen Ansatzes zur speziellen close corporation-Gesetzgebung..................................................................................................... 514 4. Teil Vergleich und Schlußfolgerungen § 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich.............................. A. Unterschiede des US-amerikanischen zum deutschen Ansatz ..................... I. Grundsatz........................................................................................... II. Ausgestaltung des Schutzes der Anleger im deutschen und USamerikanischen Recht......................................................................... 1. Rechtsformdualismus vs. Zusammenspiel von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht......................................................................... a) Deutsches Recht ..................................................................... b) US-amerikanisches Recht ....................................................... 2. Materieller Schutz vs. Schutz durch Information............................ B. Geschichtliche Hintergründe der unterschiedlichen Ansätze....................... I. Geschichtliche Entwicklung in Deutschland ........................................ 1. Das Aktienrecht im ADHGB von 1861.......................................... 2. Die 1. Aktiennovelle von 1870 und die Gründerjahre..................... 3. Die 2. Aktiennovelle von 1884...................................................... 4. Reformansätze der Weimarer Zeit bis zum AktG 1937 ................... 5. Die Aktienreform durch das AktG 1965......................................... 6. Resümee der geschichtlichen Entwicklung .................................... II. Geschichtliche Entwicklung in den USA............................................. 1. Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den US-amerikanischen Einzelstaaten....................................................................... a) Erste gesellschaftsrechtliche Gesetze der Einzelstaaten ............ b) International-privatrechtliche Hintergründe ............................. aa) Bank of Augusta v. Earle................................................... bb) Paul v. Virginia ................................................................. cc) Ergebnis........................................................................... c) Die erste Deregulierungsphase ................................................ aa) New Jersey....................................................................... bb) Delaware.......................................................................... d) Zweite Deregulierungsphase ................................................... e) Resümee ................................................................................ 2. Die Beurteilung des Deregulierungsansatzes.................................. a) Race to the bottom.................................................................. b) Race to the top........................................................................

517 517 518 520 521 521 526 529 531 532 532 534 536 539 544 546 546 547 547 548 548 550 551 552 552 554 556 557 557 558 563

26

Inhaltsverzeichnis 3. Die Reaktion des Bundes auf die einzelstaatliche Liberalisierung... 570 a) Erste Reaktionsvorschläge für den Bund.................................. 570 b) Kompetenzen für Gesellschaftsrecht........................................ 571 c) Die Weltwirtschaftskrise ......................................................... 572 d) Kompetenz für Kapitalmarktrecht ........................................... 574 e) Reformen in späteren Jahren bis zum Sarbanes Oxley Act 2002 575 f) Resümee ................................................................................ 576 III. Gegenüberstellung der geschichtlichen Entwicklungen in Deutschland und den USA...................................................................................... 577

§ 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht .................................................... A. Neue Entwicklungen im Gesellschaftsrecht............................................... I. Das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG)............................................................................ 1. Vorschriften für „börsennotierte“ Aktiengesellschaften .................. a) Änderungen im Aktiengesetz für börsennotierte Aktiengesellschaften......................................................................... aa) § 110 Abs. 3 AktG ............................................................ bb) § 124 Abs. 3 AktG ............................................................ cc) § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG.................................................. dd) § 171 Abs. 1 AktG ............................................................ ee) § 328 Abs. 3 AktG ............................................................ 2. Änderungen im HGB für börsennotierte Aktiengesellschaften........ 3. Kapitalmarktorientierung des KonTraG insgesamt......................... II. Das „Transparenz- und Publizitätsgesetz“ (TransPuG) und die Debatte um corporate governance ........................................... 1. Begriff der corporate governance .................................................. 2. Soziologischer Hintergrund der corporate governance-Debatte....... 3. Das „Transparenz- und Publizitätsgesetz“ (TransPuG), insbesondere die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, und der Deutsche Corporate Governance Kodex ........................................ a) Der Weg zum „Deutschen Corporate Governance Kodex“ und dem Transparenz- und Publizitätsgesetz............................ b) Inhalt und Reichweite des Deutschen Corporate Governance Kodex .................................................................................... c) Das Transparenz- und Publizitätsgesetz unter besonderer Berücksichtigung des § 161 AktG ........................................... aa) Flankierung des Deutschen Corporate Governance Kodex durch das TransPuG, insbesondere durch § 161 AktG......... (1) § 161 AktG, Entsprechenserklärung ............................. (2) § 285 Nr. 16 HGB und § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB, Zugänglichmachung der Entsprechenserklärung...........

579 581 581 582 582 583 584 584 586 586 587 589 592 592 594

597 598 600 601 602 602 604

Inhaltsverzeichnis (3) § 325 HGB, Einreichung der Entsprechenserklärung mit dem Jahresabschluß .............................................. bb) Kapitalmarktorientierung des TransPuG insgesamt ............ III. Resümee ............................................................................................ B. Neue Entwicklungen im Kapitalmarktrecht ............................................... I. Traditionelle Ausgangslage im Kapitalmarktrecht................................ II. Frühe kapitalmarktrechtliche Gesetze.................................................. III. Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26. Juli 1994................ IV. Die Entwicklung seit dem dritten Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 1998 ............................................................................ § 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes.................................................... A. Vorteile des vom Gesetzgeber verwendeten Ansatzes................................. I. Annäherung von Aktienrecht und Aktienrealität................................... II. Stärkung der Privatautonomie ............................................................. III. Erleichterte Koordinierung zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht.......................................................................................... IV. Allgemeine Deregulierung.................................................................. B. Nachteile des vom Gesetzgeber verwendeten Ansatzes .............................. I. Grundsätzliche Argumente gegen den gesetzgeberischen Ansatz .......... 1. Satzungsfreiheit zu Lasten Dritter ................................................. 2. Notwendigkeit einer „Kleinen AG“ als weitere Rechtsform neben der GmbH .......................................................................... 3. Typik des Gesellschaftsrechts........................................................ II. Kritik an der bisherigen Umsetzung des gesetzgeberischen Ansatzes.... 1. Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen kapitalmarktorientierter und kapitalmarktferner Aktiengesellschaft ................... 2. Regelungstechnik ......................................................................... 3. Konkrete Reichweite des bisherigen Ansatzes................................

27

604 605 607 609 609 613 614 616 619 620 621 623 628 630 630 631 631 635 640 644 644 649 651

5. Teil Ausblick § 14 Europarechtliche Perspektiven .................................................................... A. Wettbewerbsfähigkeit anderer Staaten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts....................................................................................................... I. Differenzierung anhand materieller Kriterien als Wettbewerbsvorteil ... II. Verbreitung eines materiellen Ansatzes in anderen Staaten................... 1. Österreich und die Schweiz........................................................... 2. Frankreich.................................................................................... 3. England........................................................................................ 4. Staaten an den Grenzen Europas ...................................................

654 656 656 657 657 659 660 661

28

Inhaltsverzeichnis a) Rußland ................................................................................. b) Israel...................................................................................... 5. Resümee ...................................................................................... B. Rahmenbedingungen des Internationalen Privatrechts................................ I. Sitztheorie zur Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts............................ 1. Die Sitztheorie ............................................................................. 2. Die Gründungstheorie................................................................... 3. Sitztheorie und Gründungstheorie im „Wettbewerb der Rechtssysteme“ ...................................................................................... II. Europarechtliche Vereinbarkeit der Sitztheorie .................................... 1. Die „Daily Mail“-Entscheidung des EuGH.................................... 2. Die „Centros“-Entscheidung des EuGH......................................... 3. Die „Überseering“-Entscheidung des EuGH.................................. 4. Die „Inspire Art“-Entscheidung des EuGH .................................... 5. Zusammenfassende Würdigung der „Centros“-Entscheidung, der „Überseering“-Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung des EuGH..................................................................................... a) Reaktionen nach der „Centros“-Entscheidung.......................... b) Reaktionen nach der „Überseering“-Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung..................................................... aa) Aufgabe der „Sitztheorie“ für Zuzugsfälle nach Deutschland.................................................................................. bb) Streit um die sachliche Reichweite der Aufgabe der Sitztheorie.............................................................................. (1) Wegzug einer Gesellschaft im Lichte des Gemeinschaftsrechts............................................................... (2) Grenzen der Niederlassungsfreiheit wegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls.................................. (a) Gläubigerschutz als Rechtfertigung ....................... (b) Mitbestimmung als Rechtfertigung........................ cc) Räumliche Reichweite der Aufgabe der Sitztheorie............ C. „Race to the bottom“ als Gefahr in Europa? .............................................. D. Resümee ..................................................................................................

661 662 663 664 664 666 668 669 670 673 675 676 680

682 682 686 686 689 689 690 691 693 694 695 698

Literaturverzeichnis ............................................................................................. 700 Sachregister .......................................................................................................... 739

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen Name der Entscheidung th

Fundstelle

68 Street Apts., Inc. v. Lauricella

142 N.J. Super. 546, 362 A.2d 78 (1976)

Abercrombie v. Davies

35 Del. Ch. 599, 123 A.2d 893 (1956)

Adler v. Svingos

80 AD.2d 764, 436 N.Y.S.2d 719 (1981)

Amsted Indus. Inc. v. Pollak Industries

65 Ill. App.3d 545, 382 N.E.2d 393 (1978)

Andrews v. Blue

489 F.2d 367 (10th Cir. 1973)

Aquionics Acceptance Corporation v. Kollar

503 F.2d 1225 (1974)

Bank of Augusta v. v. Earle

38 U.S. (13 Pet.) 519 (1839)

Barry v. Full Mold Process, Inc.

1975 WL 1949, 1 Del. J. Corp. L. 202 (1975)

Barth v. Barth

659 N.E.2d 559 (1995)

Basic Incorporated v. Levinson

485 U.S. 224, 108 S.Ct. 978 (1988)

Benintendi v. Kenton Hotel

294 N.Y. 112, 159 A.L.R. 280 (1945)

Bloomingdale v. Bloomingdale

107 Misc. 646, 177 NYS 873 (1919)

Blount v. Taft

295 NC 472, 246 S.E.2d 763 (1978)

Board of Trade of the City of Chicago v. SEC

923 F.2d 1270 (1991)

Brooks v. Willcuts

78 F.2d 270 (1935)

Busch v. Carpenter

827 F.2d 653 (1987)

Campbell v. Degenther

97 F. Supp. 975 (1951)

Case v. Murdock

528 N.W.2d 386 (1995)

Chapman v. Dunn

414 F.2d 153 (1969)

Clark v. Dodge

269 N.Y. 410, 199 N.E. 641 (1936)

Cohen v. Wacht

124 N.Y.S.2d 207, 209 (1953)

Collier v. Mikel Drilling Co.

183 F. Supp. 104 (1958)

Compton v. Paul K. Harding Realty Co.

6 Ill. App.3d 488, 285 N.E.2d 574 (1972)

Condrey v. Howard

679 So.2d 563 (1996)

Cook v. Avien, Inc

573 F.2d 685 (1st Cir. 1978)

Corporation Trust Co. v. Logan

52 F. Supp. 999 (1943)

Crosby v. Beam

47 Ohi St.3d 105, 548 N.E.2d 217 (1989)

30

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen

DeBoy v. Harris

207 Md. 313, 113 A.2d 903 (1955)

Dixie Pipe Sales, Inc. v. Perry

834 S.W.2d 491 (1992)

Donahue v. Rodd Electrotype Co.

367 Mass 578, 328 N.E.2d 505 (1975)

Doran v. Petroleum Management Corp.

545 F.2d 893 (5th Cir. 1977)

Dowell v. Bitner

273 Ill. App. 3d 681, 652 N.E.2d 1372 (1995)

Dupuy v. Dupuy

511 F.2d 641 (1975)

Egan v. McNamara

467 A.2d 733 (1983)

Estate of Schroer v. Stamco Supply, Inc.

19 Ohio App.3d 34, 482 N.E.2d 975 (1984)

Franklin Savings Bank of New York v. Levy

551 F.2d 521 (1977)

Frederiksen v. Poloway

637 F.2d 1147 (1981)

Galler v. Galler

32 Ill. 2d 16, 203 N.E.2d 577 (1964)

Garfield v. Strain

320 F.2d 116 (1963)

Gazda v. Kolinski

458 N.Y.S.2d 387 (1982)

General Life of Missouri Investment Co. v. Shamburger

546 F.2d 774 (1976)

Gibbons v. Ogden

22 U.S. 1 (1824)

Gigax v. Repka

83 Ohio App. 3d 615, 615 N.E.2d 644 (1992)

Gilligan, Will & Co. v. SEC

267 F.2d 461 (1959)

Glazer v. Glazer

374 F.2d 390 (1967)

Grandon v. Amcore Trust Company

225 Ill. App. 3d 630, 588 N.E.2d 311 (1992)

Gray v. Harris Land and Cattle Co.

227 Mont. 51, 737 P.2d 475 (1987)

Grynberg v. Burke

378 A.2d 139 (1977)

Hagshenas v. Gaylord

199 Ill. App. 3d 60, 557 N.E.2d 316 (1990)

Hallahan v. Haltom Corp.

7 Mass. App. Ct. 68, 385 N.E.2d 1033 (1979)

Harris v. 42 E. 73rd St., Inc.

145 N.Y.S.2d 361 (1955)

Helms v. Duckworth

249 F.2d 482, 101 U.S.App. D.C. 390 (1957)

Henderson v. Hayden, Stone Inc.

461 F.2d 1069 (5th Cir. 1972)

Henderson v. Joplin

191 Neb. 827, 217 N.W.2d 920 (1974)

Hill v. Warner, Berman & Spitz

197 N.J. Super. 152, 484 A.2d 344 (1984)

Hill York Corp. v. American International 448 F.2d 680 (5th Cir. 1971) Franchise Inc.

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen Hillsborough Investment Corporation v. SEC

276 F.2d 665 (1960)

Holden v. Construction Mach. Co.

202 N.W.2d 348 (1973)

In re Dearborn Process Service, Inc.

149 B.R. 872 (1993)

In re Klaus

67 Wis. 401, 29 N.W. 582 (1886)

In re Petrol Terminal Corp.

120 F. Supp. 867 (1954)

Issen v. GSC Enters., Inc.

508 F. Supp. 1278 (1981)

Jackson v. Hooper

76 N.J. Eq. 592, 75 A. 568 (1910)

Jaffe Commericial Finance Co. v. Harris

456 N.E.2d 224, 119 Ill. App. 3d 136 (1983)

Jones v. SEC

298 U.S. 1 (1936)

Kerbs v. Fall River Industries

502 F.2d 731 (1974)

Kruger v. Gerth

16 N.Y.2d 802, 263 N.Y.S. 2d 1, 201 N.E.2d 355 (1965)

Lakeshore Deli, Inc. v. Landis Wilson

1978 WL 2508, 5 Del. J. Corp. L. 143 (1978)

Landreth Timber Co. v. Landreth

471 U.S. 681, 105 S. Ct. 2297, 85 L.Ed.2d 692 (1985)

Lavene v. Lavene

162 N.J. Super. 187, 392 A.2d 621 (1978)

Layman v. Layman

300 Ark. 583, 780 S.W.2d 560 (1989)

Ledgebrook Corp. v. Lefkowitz

354 N.Y.S.2d 318, 77 Misc.2d 867 (1974)

Libby v. Tobey

82 Me. 397, 19 A. 904 (1890)

Liggett v. Lee

288 U.S. 517, 53 S.Ct. 481 (1933)

Livens v. William D. Witter, Inc.

374 F. Supp. 1104 (1974)

Long Park v. Trenton-New Brunswick Theatres Co.

297 N.Y. 174, 77 N.E.2d 633 (1948)

Madison Consultants v. FDIC

710 F.2d 57 (1983)

Manson v. Curtis

223 N.Y. 313, 119 N.E. 559 (1918)

Marine Bank v. Weaver

455 U.S. 551, 102 S.Ct. 1220, 71 L.Ed.2d 409 (1982)

Masinter v. Webco Company

164 W.Va. 241, 262 S.E.2d 433 (1980)

McCullon v. Maryland

17 U.S. 316 (1819)

McNulta v. Corn Belt Bank

164 Ill. 427, 45 N.E. 954 (1896)

McQuade v. Stoneham

263 N.Y. 323, 189 N.E. 234 (1934)

Meiselman v. Meiselman

58. N.C. App. 758, 295 S.E.2d 249 (1982)

Meriola v. Exergen Corporation

38 Mass. App. Ct. 462, 648 N.E.2d 1301 (1995)

Meriola v. Exergen Corporation

423 Mass 461, 668 N.E.2d 351 (1996)

31

32

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen

Merlino v. West Coast Macaroni, Mfg. Co.

90 Cal. App. 2d 106, 202 P.2d 748 (1949)

Milnarik v. M-S Commodities, Inc.

320 F. Supp. 1149 (1970)

Morowitz v. U.S.

15 Cl. Ct. 621 (1988)

Morris v. Hussong Dyeing Mach. Co.

86 A. 1026, 81 N.J. Eq. 256 (1913)

Myzel v. Fields

386 F.2d 718 (1967)

Nixon v. Blackwell

626 A.2d 1366 (1993)

NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp.

301 U.S. 1 (1936)

Nursing Home Consultants v. Quantum Health Services

926 F. Supp. 835 (1996)

Odman v. Oleson

319 Mass. 24, 64 N.E.2d 439 (1946)

Orchard v. Covelli

590 F. Supp. 1548 (1984)

Padgett v. Babcock & Templeton, Inc.

59 Phillippine 232 (1933)

Parvin v. Davis Oil Co.

524 F.2d 112 (9th Cir. 1975)

Paul v. Virginia

75 U.S. 168, 19 L.Ed. 357, 8 Wall. 168 (1868).

Penley v. Penley

314 N.C. 1, 322 S.E.2d 51 (1985)

People v. Humphreys

84 Cal. Rptr 496 (1970)

People v. Landes

600 N.Y.S.2d 292, 192 A.D.2d 1 (1993)

People v. Yant

80 P.2d 506, 26 Cal. App. 2d 725 (1938)

Petruzzi v. Peduka Constr., Inc.

362 Mass 24, 64 N.E.2d 439 (1946)

Pohn v. Diversified Industries, Inc.

403 F. Supp. 413 (1976)

Prindiville v. Johnson & Higgins

113 A. 915 (1921)

Pullman Co. v. Kansas ex rel. Coleman

216 U.S. 56 (1910)

Quinn v. Stuart Lakes Club, Inc.

57 N.Y.2d 1003, 443 N.E.2d 945, 457 N.Y.S.2d 471 (1982)

Rafe v. Hindin

29 A.D.2d 481, 288 N.Y.S.2d 662 (1968)

Read v. Read

556 N.W.2d 768 (1996)

Renberg v. Zarrow

667 P.2d 465 (1983)

Repass v. Rees

174 F. Supp. 898 (1959)

Revak v. SEC Realty

18 F.3d 81 (1994)

Rexford Rand Corp. v. Ancel

58 F.3d 1215 (1995)

Ringling v. Ringling Bros.-Barnum & Bailey Combined Shows

49 A.2d 603 (1946)

Ripin v. United States Woven Label Co.

205 N.Y. 442, 98 N.E. 855 (1912)

Roberts v. San Jacinto Shipbuilders, Inc.

198 S.W.2d 488 (1946)

Rogers Walla Walla, Inc. v. Ballard

553 P.2d 1372 (1976)

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen

33

Rosenmiller v. Bordes

607 A.2d 465 (1991)

Ross v. Aloi

127 Misc.2d 864, 487 N.Y.S.2d 637 (1985)

Rubin v. United States

449 U.S. 424 (1981)

Santa Fe Industries, Inc. v. Green

430 U.S. 462 (1976)

Scalan v. W.C. Canniff & Sons, Inc.

5 Mass.L.Rptr. 578, 1996 WL 490170 (1996)

Schillner v. H. Vaughan Clarke & Co

134 F.2d 875, 877 (1943)

SEC v. Addison

194 F. Supp. 709 (1961)

SEC v. Associated Gas & Electronic Co.

99 F.2d 795 (1938)

SEC v. Computronic Industries Corp.

294 F. Supp. 1136 (1968)

SEC v. Continental Tobacco Company of South Carolina

463 F.2d 137 (5th Cir. 1972)

SEC v. Hillsborough Investment Corporation

173 F. Supp. 86 (1958)

SEC v. McDonald Investment Co.

343 F. Supp. 343 (1972)

SEC v. Murphy

626 F.2d 633 (1980)

SEC v. Ralston Purina Co

346 U.S. 119, 73 S.Ct. 981, 97 L.Ed. 1494 (1953)

SEC v. Sunbeam Gold Mines CO.

95 F.2d 699 (1938)

SEC v. Tax Service, Inc.

357 F.2d 143 (4th Cir. 1966)

SEC v. Truckee Showboat

157 F. Supp. 824 (1957)

SEC v. W.J. Howey Co.

328 U.S. 293, 66 S.Ct. 110, 90 L.Ed. 1244, 163 A.L. R. 1043 (1946)

Sher v. Buckbee-Greig Holding Corp.

1993 WL 598, 1 (1993)

Shields Development Company v. Shields

1981 WL 7636 (Del. Ch.), 7 Del. J. Corp. L. 354 (1981)

Shimer v. Webster

225 A.2d 880 (1967).

Skierka v. Skierka Brothers

192 Mont. 505, 629 P.2d 214 (1981)

Somers v. AAA Temporary Services Inc.

5 Ill App 3d 931, 284 N.E.2d 462 (1972)

Sundberg v. Lampert Lumber Co.

390 N.W.2d 352 (1986)

Tcherepnin v. Knight

389 U.S. 332, 88 S.Ct. 548, 19 L.Ed.2d 564 (1967)

Texas & Pacific Railroad Co. v. Abilene Cotton Oil Comany

204 U.S. 426 (1906)

Thisted v. Tower Management Corp.

147 Mont 1, 409 P.2d 813 (1966)

Tracey v. Franklin

67 A.2d 56 (1949)

Triggs v. Triggs

46 N.Y.2d 305, 385 N.E.2d 1254, 413 N.Y.S. 2d 325 (1978)

34

Verzeichnis der US-amerikanischen Gerichtsentscheidungen

Tschirgi v. Merchants National Bank

253 Iowa 682, 113 N.W.2d 226 (1962)

United Housing Foundation, Inc. v. Forman

421 U.S. 837, 95 S.Ct. 2051, 44 L.Ed.2d 621 (1975).

United States v. Custer Channel Wing Corp.

376 F.2d 675 (1976)

United States v. Hill

298 F. Supp. 1221, CCH Fed. Sec. L. Rep. 92461 (1969)

United States v. South-Eastern Underwriters Association

322 U.S. 533 (1943)

University Computing Co. v. LykesYoungstown Corp

504 F.2d 518 (1974)

Van Schaack Holdings, Ltd. v. Van Schaak

867 P.2d 892 (1994)

W & W Equipment Co., Inv. v. Mink

568 N.E.2d 564 (1991)

Wasserman v. Rosengarden

86 Ill. App. 3d 713, 406 N.E.2d 131 (1980)

Weber v. Sidney

19 A.D.2d 494, 244 N.Y.S.2d 228 (1963)

Weprin v. Peterson

736 F. Supp. 1124 (1988)

Western Union Teleg. Co. v. Kansas ex rel Coleman

216 U.S. 1 (1910)

Wheaten v. Matthews Holmquist & Associates, Inc.

858 F. Supp. 753 (1994)

Zion v. Kurtz

50 N.Y.2d 92, 428 N.Y.S.2d 199, 405 N.E.2d 681 (1980)

Abkürzungsverzeichnis A.; A.2d

Atlantic Reporter (Entscheidungssammlung)

a.A.; A.A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

A.C.

Law Reports: Appeal Cases

a.F.

alte Fassung

A.L.R.

American Law Report (Zeitschrift)

Abb.

Abbildung

abl.

ablehnend

ABl.

Amtsblatt

Abs.

Absatz

Abt.

Abteilung

A.D.2d

Appellate Division Reports (Entscheidungssammlung)

ADHGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

AG

Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Aktiengesellschaft

AG-Report

Die Aktiengesellschaft, Report (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz

Ala. Code

Code of Alabama

Alt.

Alternative

Am. Bus. L.J.

American Business Law Journal

Am. Jur.

American Jurisprudence

Am. U. L. Rev.

American University Law Review (Zeitschrift)

AMEX

American Stock Exchange

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

Ann.

Annotated

AnSVG

Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz)

AnwBl.

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

36

Abkürzungsverzeichnis

AO

Abgabenordnung

Ariz. Rev. Stat. Ann.

Arizona Revised Statutes Annotated

Ariz. St. L.J.

Arizona Law Journal (Zeitschrift)

Ark.

Arkansas Reports (Entscheidungssammlung)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AuslInvestmG

Auslandsinvestmentgesetz

B.C. Int’l & Comp. L. Rev.

Boston College International and Comparative Law Review (Zeitschrift)

B.R.

Bankruptcy Reporter

BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAnz.

Bundesanzeiger

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

BDA

Bund Deutscher Architekten

BDI

Bundesverband der Deutschen Industrie

Begr.

Begründung

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BetrVG 1952

Betriebsverfassungsgesetz 1952

BeurkG

Beurkundungsgesetz

BewG

Bewertungsgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BilKoG

Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz)

BilReG

Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlußprüfung (Bilanzreformgesetz)

BiRiLiG

Bilanzrichtliniengesetz

BörsG

Börsengesetz

BörsZulV

Börsenzulassungs-Verordnung

Brook. L. Rev.

Brooklyn Law Review (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis BT

Bundestag

BT-Drucks.

Drucksache des Deutschen Bundestages

Bus. Law.

Business Lawyer (Zeitschrift)

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

bzw.

beziehungsweise

C

communications et informations

Cal. App. 2d

California Reports (Entscheidungssammlung)

Cal. Corp. Code

California Corporations Code

Cal. L. Rev.

California Law Review (Zeitschrift)

Cal. Rptr.

West’s California Reporter (Entscheidungssammlung)

Cardozo L. Rev.

Cardozo Law Review (Zeitschrift)

C.B.

Cumulative Bulletin

CC

Close Corporation

CCH

Commerce Clearing House

CDU

Christlich Demokratische Union

Cir.

Circuit

Cl. Ct.

United States Claims (Entscheidungssammlung)

Co.

Company, Companie

Col. L. Rev.

Columbia Law Review (Zeitschrift)

Cong.

Congress

Conn. Gen. Stat.

General Statutes of Connecticut

Cornell LQ

Cornell Law Quarterly

Corp.

Corporation

CSU

Christlich Soziale Union

Ct. App.

Court of Appeals

d.h.

Das heißt

DANAT-Bank

Darmstädter und Nationalbank

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

D.C. Code Ann.

District of Columbia Code Annotated

Del. Ch.

Delaware Chancery Reports (Entscheidungssammlung)

Del. Code Ann.

Delaware Code Annotated

Del. J. Corp. L.

Delaware Journal of Corporate Law (Zeitschrift)

DePaul Bus. L.J.

DePaul Business Law Journal (Zeitschrift)

DePaul L. Rev.

DePaul Law Review (Zeitschrift)

37

38

Abkürzungsverzeichnis

DepotG

Depotgesetz

ders.

derselbe

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

dieselb.

dieselben

DIHT

Deutscher Industrie- und Handelstag

DJT

Deutscher Juristentag

DM

Deutsche Mark

DNotZ

Deutsche Notarzeitung (Zeitschrift)

DrittelbG

Drittelbeteiligungsgesetz

DStR

Deutsche Steuerrecht (Zeitschrift)

Duke L.J.

Duke Law Journal (Zeitschrift)

ECU

European Currency Union

EG

Europäische Gemeinschaft(en); EG-Vertrag

EGAktG

Einführungsgesetz zum Aktiengesetz

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGHGB

Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch

EGV

EG-Vertrag

Einl.

Einleitung

et seq.

et sequitur

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuR

Europarecht (Zeitschrift)

EuroBilG

Euro-Bilanzgesetz

EUV

EU-Vertrag

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EWS

Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht (Zeitschrift)

F. Supp.

Federal Supplement (Entscheidungssammlung)

F.; F.2d; F.3d

Federal Reporter (Entscheidungssammlung)

f.; ff.

folgende

FAVAG

Frankfurter Versicherungs AG

FDP

Freiheitlich-Demokratische Partei

Abkürzungsverzeichnis

39

Fed.

Federal

Fed. Sec. L. Rep.

Federal Securities Law Reports

FGG

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Fla. Stat.

Florida Statutes

Fordham L. Rev.

Fordham Law Review (Zeitschrift)

FS

Festschrift

Fußn.

Fußnote

GA

Generalanwalt

Ga. Code Ann.

Georgia Code Annotated

GenG

Genossenschaftsgesetz

Geo. L.J.

Georgetown Law Journal (Zeitschrift)

Geo. Mason Independent L. Rev.

George Mason Independent Law Review

GG

Grundgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

GmbH-Gesetz

GmbHR

GmbH-Rundschau

Großkomm.

Großkommentar

h.M.

herrschende Meinung

Harv. Int’l L.J.

Harvard International Law Journal (Zeitschrift)

Harv. L. Rev.

Harvard Law Review (Zeitschrift)

HGB

Handelsgesetzbuch

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

i.d.F.

in der Fassung

i.d.R.

in der Regel

i.e.

id est

i.S.d.

im Sinne des / der

i.V.m.

in Verbindung mit

IG-Metall

Interessengemeinschaft Metall

IHK

Industrie- und Handelskammer

ILCS

Illinois Compiled Statutes

Ill. App.3d

Illinois Appeals Court Reports (Entscheidungssammlung)

40

Abkürzungsverzeichnis

Ill. B.J.

Illinois Bar Journal (Zeitschrift)

Ill.; Ill. 2d

Illinois Reports (Entscheidungssammlung)

Inc.

Incorporated

Ind. J. Global Legal Stud.

Indiana Journal of Global Legal Studies (Zeitschrift)

insb.

insbesondere

InsO

Insolvenzordnung

Int’l Law.

International Lawyer (Zeitschrift)

IntGesR

Internationales Gesellschaftsrecht

Iowa

Iowa Reports

IPR

Internationales Privatrecht

IPRax

Praxis der Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (Zeitschrift)

J. Bus.

Journal of Business (Zeitschrift)

J. Corp. L.

Journal of Corporation Law (Zeitschrift)

J. Legal Stud.

Journal of Legal Studies (Zeitschrift)

J.L. & Econ

Journal of Law and Economics (Zeitschrift)

J.L. Econ & Org.

Journal of Law, Economics & Organization (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAGG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften

Kann. Stat. Ann.

Kansas Statutes Annotated

KapCoRiLiG

Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz

KapInHaG

Gesetz zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz) (Entwurf)

KG

Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KO

Konkursordnung

Komm.

Kommentar

KonsularG

Konsulargesetz

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

KostO

Kostenordnung

KStG

Körperschaftssteuergesetz

KWG

Kreditwesengesetz

Abkürzungsverzeichnis

41

L

législation

L.Ed.; L. Ed. 2d

Lawyer’s Edition (Entscheidungssammlung)

LG

Landgericht

lit.

littera

Loy L.A. L. Rev.

Loyola Los Angeles Law Review (Zeitschrift)

Ltd.

Limited

M.B.C.A.

Model Business Corporation Act

M.S.C.C.S.

Model Statutory Close Corporation Supplement

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

Mass.

Massachusetts Reports (Entscheidungssammlung)

Mass. App. Ct.

Massachusetts Appeal Court Reports (Entscheidungssammlung)

Md.

Maryland Reports (Entscheidungssammlung)

Md. Corps. & Ass’ns Code Ann.

Maryland Corporations and Associations Code Annotated

Md. L. Rev.

Maryland Law Review (Zeitschrift)

MdB

Mitglied des Bundestages

MDR

Monatsschrift des Deutschen Rechts (Zeitschrift)

Me.

Maine Reports (Entscheidungssammlung)

Me. Rev. Stat. Ann.

Maine Revised Statutes Annotated

Mercer L. Rev.

Mercer Law Review (Zeitschrift)

Mich. L. Rev.

Michigan Law Review (Zeitschrift)

Minn. Stat. Ann.

Minnesota Statutes Annotated

Mio.

Millionen

Misc.

New York Miscellaneous Reports (Entscheidungssammlung)

Miss. Code Ann.

Mississippi Code Annotated

MitbestErgG

Mitbestimmungsergänzungsgesetz

MitbestG

Mitbestimmungsgesetz

Mo. Rev. Stat.

Missouri Revised Statutes

Mont.

Montana Reports

Mont. Code Ann.

Montana Code Annotated

Montan-MitbestG

Montan-Mitbestimmungsgesetz

Mrd.

Milliarden

42

Abkürzungsverzeichnis

MünchKomm

Münchener Kommentar

NaStraG

Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz)

N.C.

North Carolina Reports (Entscheidungssammlung)

N.C. App.

North Carolina Court of Appeals Reports (Entscheidungssammlung)

N.C. Gen. Stat.

General Statutes of North Carolina

N.C. L. Rev.

North Carolina Law Review (Zeitschrift)

N.D.

North Dakota Reports (Entscheidungssammlung)

N.E.; N.E.2d

North Eastern Reporter (Entscheidungssammlung)

n.F.

neue Fassung

N.F.

Neue Folge

N. Ill. U. L. Rev.

Northern Illinois University Law Review (Zeitschrift)

N.J. Eq.

New Jersey Equity Reports (Entscheidungssammlung)

N.J. Super.

New Jersey Superior Court Reports (Entscheidungssammlung)

N.J. Stat. Ann.

New Jersey Statutes Annotated

N.W., N.W.2d

North Western Reporter (Entscheidungssammlung)

N.Y.; N.Y.2d

New York Reports (Entscheidungssammlung)

N.Y. Bus Corp. Law

New York Business Corporations Law

N.Y.S.; N.Y.S.2d

West’s New York Supplement (Entscheidungssammlung)

N.Y.U. L. Rev.

New York University Law Review (Zeitschrift)

NASDAQ

National Association of Securities Dealers Quotation System

Neb.

Nebraska Reports

Nev. Rev. Stat.

Nevada Revised Statutes

N.H. Rev. Stat. Ann.

New Hampshire Revised Statutes Annotated

NJ

Neue Justiz (Zeitschrift)

N.J. Rev. Stat.

New Jersey Revised Statutes

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

No.

Number

Notre Dame L. Rev.

Notre Dame Law Review (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

Nw. J. Int’l L. & Bus.

Northwestern Journal of International Law and Business (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

43

Nw. U.L. Rev.

Northwestern University Law Review (Zeitschrift)

NYSE

New York Stock Exchange

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

OECD

Organization für Economic, Cooperation und Development; Organisation für wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung

OGH

Österreichischer Oberster Gerichtshof

OHG

Offene Handelsgesellschaft

Ohio App. 3d

Ohio Appellate Reports (Entscheidungssammlung)

Ohio Rev. Code

Ohio Revised Code

Ohio St. L.J.

Ohio State Law Journal (Zeitschrift)

Ohio St. 3d

Ohio States Reports (Entscheidungssammlung)

Okla. City U. L. Rev.

Oklahoma City University Law Review (Zeitschrift)

Okla. L. Rev.

Oklahoma Law Review (Zeitschrift)

OLG

Oberlandesgericht

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgericht auf dem Gebiet des Zivilrechts einschließlich freiwilliger Gerichtsbarkeit

OTC

Over the counter

ÖVP

Österreichische Volkspartei

P.; P.2d

Pacific Reporter (Entscheidungssammlung)

Pa. Cons. Stat.

Pennsylvania Consolidated Statutes

Pepp. L. Rev.

Pepperdine Law Review (Zeitschrift)

Pet.

Peters

PLI/Corp

Practicing Law Institute, Corporate Law and Practice Course Handbook Series

PublG

Publizitätsgesetz

R.M.B.C.A.

Revised Model Business Corporation Act

RA

Rechtsanwalt

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift)

Rdnr.

Randnummer

Rev. Rul.

Revenue Rulings

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

44

Abkürzungsverzeichnis

R.I. Gen. Laws

General Laws of Rhode Island

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

ROHG

Reichs-Oberhandelsgericht; auch Reichs-Oberhandelsgerichts

ROW

Recht in Ost und West (Zeitschrift)

Rs.

Rechtssache

Entscheidungen

Rutgers L. Rev.

Rutgers Law Review (Zeitschrift)

S.

Seite

S.C. Code Ann.

Code of Laws of South Carolina Annotated

S.C. L. Rev.

South Carolina Law Review (Zeitschrift)

S.Ct.

Supreme Court Reporter (Entscheidungssammlung)

S.D. L. Rev.

South Dakota Law Review (Zeitschrift)

S.E., S.E.2d

South Eastern Reporter (Entscheidungssammlung)

S.W.; S.W.2d

South Western Reporter (Entscheidungssammlung)

San Diego L. Rev.

San Diego Law Review (Zeitschrift)

SAS

Société par Actions Simplifiée

SE

Societas Europeana

SEBG

SE-Beteiligungsgesetz

des

SEC

Securities Exchange Commission

Sec.

Section

Sec. Act

Securities Act 1933

Sec. Ex. Act

Securities Exchange Act 1934

Sess.

Session

Seton Hall L. Rev.

Seton Hall Law Review (Zeitschrift)

Slg.

Sammlung

So., So.2d

Southern Reporter (Entscheidungssammlung)

sog.

sogenannte

SPD

Sozialistische Partei Deutschlands

SPÖ

Sozialistische Partei Österreichs

Steuer Stud

Steuer & Studium (Zeitschrift)

StGB

Strafgesetzbuch

Supp.

Supplement

Sw. L.J.

Southwestern Law Journal (Zeitschrift)

SZW

Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis Tab.

Tabelle

Temp. L.Q.

Temple Law Quarterly (Zeitschrift)

45

Tex. Bus. Corp. Act

Texas Business Corporation Act

Tex. L. Rev.

Texas Law Review (Zeitschrift)

tit.

title

TransPuG

Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz)

u.

und

U. Balt. L. Rev.

University of Baltimore Law Review (Zeitschrift)

U. Chi. L. Rev.

University of Chicago Law Review (Zeitschrift)

U. Det. Mercy L. Rev.

University of Detroit Mercy Law Review (Zeitschrift)

U. Miami L. Rev.

University of Miami Law Review (Zeitschrift)

U. Mich. J. L. Reform

University Michigan Journal Law Reform (Zeitschrift)

U. Pitt. L. Rev.

University of Pittsburgh Law Review (Zeitschrift)

U. Rich. L. Rev.

University Richmond Law Review (Zeitschrift)

u.a.

unter anderem

U.C. Davis L. Rev.

University of California at Davis Law Review (Zeitschrift)

U.C.L.A.-Alaska L. Rev.

Univerisity of California at Los Angeles Alaska Law Review

U.S.

United States; United States Reports (Entscheidungssammlung)

U.S.C.

United States Code

UCLA L. Rev.

UCLA Law Review (Zeitschrit)

UMAG

Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts

UmwBerG

Umwandlungsbereinigungsgesetz

UmwG

Umwandlungsgesetz

US

United States

USA

United States of America

Utah Code Ann.

Utah Code Annotated

v.

versus

v.a.

vor allem

Va. L. Rev.

Virgina Law Review (Zeitschrift)

Vand. L. Rev.

Vanderbilt Law Review (Zeitschrift)

46

Abkürzungsverzeichnis

Verh

Verhandlung

VerkProspG

Verkaufsprospektgesetz

VermBG

Vermögensbildungsgesetz

vgl.

vergleiche

Vor.; Vorb.

Vorbemerkung

VorstOG

Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz)

Vt. Stat. Ann.

Vermont Statutes Annotated

W. Va.

West Virginia Reports (Entscheidungssammlung)

Wake Forest L. Rev.

Wake Forest Law Review (Zeitschrift)

Wall.

Wallace

Wash & Lee L. Rev.

Washington & Lee Law Review (Zeitschrift)

Wash. L. Rev.

Washington Law Review (Zeitschrift)

Wash. Rev. Code

Washington Revised Code

Wash. U. L.Q.

Washington University Law Quarterly (Zeitschrift)

WFBV

Niederländischen Gesetzes über formal ausländische Gesellschaften (Wet op de formeel biutenlandse vennootschap)

WG

Wechselgesetz

Whittier L. Rev.

Whittier Law Review (Zeitschrift)

WiB

Wirtschaft im Betrieb (Zeitschrift)

WiRO

Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Zeitschrift)

Wis.

Wisconsin Reports (Entscheidungssammlung)

Wis. L. Rev.

Wisconsin Law Review (Zeitschrift)

Wis. Stat.

Wisconsin Statutes

WISU

Wirtschaftsstudium (Zeitschrift)

WL

Westlaw

WM

Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

WPO

Wirtschaftsprüferordnung

WpPG

Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektgesetz)

Abkürzungsverzeichnis WpÜG

Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

Wyo. Stat.

Wyoming Statutes

47

Yale L.J.

Yale Law Journal (Zeitschrift)

z.B.

zum Beispiel

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Zeitschrift)

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift)

ZfHF

Zeitschrift für Handelswissenschaftliche Forschung (Zeitschrift)

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

ZHR

Zeitschrift des gesamten Handelsrechts und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

ZKW

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Zeitschrift)

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)

ZVglRWiss

Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Zeitschrift)

1. Teil

Einleitung § 1 Problemstellung „Aktiengesellschaft außer Dienst“ – dies ist der Titel eines berühmten Aufsatzes des Wirtschaftswissenschaftlers Schmalenbach aus dem Jahr 1949. Er gibt darin zu bedenken, daß das „ehemalige Deutsche Reich weniger Aktiengesellschaften hat als beispielsweise die viel kleinere Schweiz“1 und mahnt an, daß man es in Deutschland nicht „wie im Auslande verstanden hat, die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft auch den mittelgroßen Unternehmen leicht zugänglich zu machen“. Aus diesem Grund sei die „Aktiengesellschaft außer Dienst gestellt“. Die von Schmalenbach vor mehr als 50 Jahren beschriebene Situation stellte auch die Ausgangslage für den Gesetzgeber im Jahr 1994 dar, als er das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“2 erließ, das im Zentrum dieser Arbeit steht. Schlagwortartig wird diese Situation als „Krise der Aktiengesellschaft“ bezeichnet, die sich insbesondere in der geringen zahlenmäßigen Verbreitung dieser Rechtsform zeigt (unter A.). Dies hat weitreichende Folgen, vor allem für die Ausstattung von Gesellschaften mit Eigenkapital, die im internationalen Vergleich in Deutschland besonders gering ist (unter B.). Der Gesetzgeber hat 1994 versucht die Aktiengesellschaft erneut attraktiv für die Unternehmer zu machen (unter C.).

A. Verbreitung der Aktiengesellschaft Schmalenbach vergleicht in seinem Artikel die Verbreitung der Aktiengesellschaft in der Schweiz und in Deutschland. Auch wenn man heute einen solchen Vergleich zieht, trifft man in beiden Ländern auf eine ähnliche Situation, wie ____________ 1

Schmalenbach, ZfHF 1949, N.F. 1, S. 5. Nachfolgend wird das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“, BGBl. I 1994, 1961 teilweise auch „Gesetz für die Kleine AG“ genannt werden. Beide Bezeichnungen werden im Rahmen dieser Arbeit bedeutungsgleich verwendet. 2

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1. Teil: Einleitung

sie bereits von ihm beschrieben wurde. In der Schweiz ist die Aktiengesellschaft eine der am meisten verbreiteten Gesellschaftsformen, wogegen in Deutschland die Aktiengesellschaft nur selten verwendet wird. In einem engen Zusammenhang mit der Anzahl der Aktiengesellschaften muß zudem diejenige der GmbH gesehen werden. Hier zeigt sich die spiegelbildliche Relation in der Schweiz und in Deutschland. Zur Veranschaulichung sollen die folgenden Zahlen aus dem Jahr 1994 / 1995 dienen3: In der Schweiz stehen Ende 1994 6.600 GmbH einer Anzahl von 171.271 Aktiengesellschaften gegenüber4. In Deutschland ist das zahlenmäßige Verhältnis umgekehrt. Hansen geht für Anfang 1995 davon aus, daß es in Deutschland mehr als 650.000 GmbH5 gibt, aber lediglich 3.600 Aktiengesellschaften6. 99,4 % aller Kapitalgesellschaften sind nach diesen Zahlen folglich Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Eine genauere Betrachtung der statistischen Daten zeigt, daß sich seit 1950 ein kontinuierlicher Rückgang der in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisierten Unternehmen insgesamt, ebenso wie der börsennotierten Aktiengesellschaften im besonderen, feststellen läßt. Beide Werte steigen ab Mitte der 80er Jahre wieder leicht an. Assmann7 etwa gibt für 1953 eine Zahl von 2.761 Aktiengesellschaften an, darunter 660 börsennotierte Unternehmen. Bis 1982 sinkt die Zahl der Aktiengesellschaften auf 1.875 Gesellschaften ab, darunter 450 börsennotierte8. Danach tritt eine Wende ein. Bis 1990/91 nimmt die Verbreitung der Aktiengesellschaft stetig zu: Zu diesem Zeitpunkt gibt es 2.682 Aktiengesellschaften, von denen 501 bzw. 509 börsennotiert sind9. Die Zahl der Gesellschaften in der Rechtsform der ____________ 3 Im weiteren werden bewußt Zahlen aus dem Zeitraum um 1994 verwendet, da diese im Hinblick auf das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ die maßgeblichen sind, die auch für den Gesetzgeber die Ausgangslage darstellten. 4 Driesen, GmbHR 1995, R 51. Driesen stellt zwar fest, daß sich die Zahl der GmbH in der Schweiz im Zeitraum zwischen Anfang 1993 und Ende 1994 mehr als verdoppelt hat, nämlich von 2.964 auf 6.600 gestiegen ist; gleichwohl ist die Verbreitung der GmbH mit der der Aktiengesellschaft nicht zu vergleichen. 5 Hansen, GmbHR 1995, 507. Zum Jahresende 2001 geht Hansen von etwa 850.000 GmbH aus, vgl. Hansen, GmbHR 2002, 148, 149. 6 Hansen, AG-Report 1995, R 272. Vgl. auch Hoffmann-Becking, in: Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 1. 7 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 295, Tabelle 1. 8 1983 verzeichnet Assmann zwar wieder eine Zunahme bei den in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisierten Unternehmen (2.118), die Anzahl der börsennotierten Aktiengesellschaften sinkt aber auf 442 Gesellschaften ab. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 295, Tabelle 1. 9 Nach dem Erlaß des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ ist, nach Hoffmann-Becking, in: Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 1, von einem sprunghaften Anstieg der Aktiengesell-

§ 1 Problemstellung

51

GmbH nahm im gesamten angesprochenen Zeitraum erheblich und kontinuierlich zu. Für 1960 spricht Assmann10 von 35.430 Gesellschaften, für 1990 kann er dagegen 433.731 Gesellschaften verzeichnen11. Trotz der geringen Zahl an Aktiengesellschaften kann man jedoch keineswegs davon ausgehen, daß die Aktiengesellschaft keine Aufgabe hätte, also tatsächlich „außer Dienst gestellt“ sei. Vielmehr ist sie, wie sich dies auch der Gesetzgeber in der Aktienreform 1965 zum Ziel gesetzt hatte, die Gesellschaftsform für große Gesellschaften, die einen hohen Kapitalbedarf haben12. So gehörten 1992 98 % aller Aktiengesellschaften zu den Unternehmen in der höchsten Umsatzgrößenklasse von 100 Mio. DM und mehr. Gerade der Zusammenschluß von Mercedes Benz und Chrysler etwa im Mai 1998 bietet für den Anwendungsbereich der Aktiengesellschaft ein gutes Beispiel. Das durch die Fusion entstandene Unternehmen erhielt die Rechtsform einer deutschen Aktiengesellschaft. Nach Zeitungsberichten haben sich die beiden Unternehmen wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht entschieden13. Mit Schmalenbach kann man jedoch immer noch14 davon ausgehen, daß dagegen kleinere mittelständische Unternehmen die Aktiengesellschaft scheuen. ____________ schaften auszugehen. So konnten Ende 1998 bereits wieder 5.468 Aktiengesellschaften verzeichnet werden. Hansen geht davon aus, daß der Bestand der Aktiengesellschaften sich zwischen 1994 und 2000 um das Dreifache erhöht hat. Er geht zum Jahresende 2000 von 10.582 Aktiengesellschaften aus, bis Jahresende 2001 sogar von mehr als 13.000 Aktiengesellschaften, vgl. dazu Hansen, AG-Report 2001, R 67 und R 315. Im Juni 2004 gab es in Deutschland 15.753 Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. Davon waren 840 börsennotiert, vgl. dazu Marsch-Barner / Schäfer, in: Handbuch der börsennotierten AG, § 1 Rdnr. 1. 10 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 295, Tabelle 1. 11 Hansen geht für Anfang 1995 von mehr als 650.000 GmbH aus gegenüber einer Zahl von 3.600 Aktiengesellschaften, vgl. Hansen, GmbHR 1995, 507 und ders., AGReport 1995, R 272. Siehe zudem Kübler, AG 1994, 141. 12 Hier soll das Stichwort von der „Aktiengesellschaft als Kapitalsammelbecken“ genügen, vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 292; Semler, in: MünchKomm AktG Einl. Rdnr. 8 und Hoffmann-Becking, in: Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 4. Vgl. zu den Problemen auch Schneider, ZHR 142 (1978), 228, 229, sowie Hahn, S. 15 und Krieger, in: FS Stimpel, S. 305, 326. 13 Vgl. statt vieler Süddeutsche Zeitung vom 8. Mai 1998: „DaimlerChrysler will auf beiden Seiten des Atlantiks neue Jobs schaffen“, S. 29 und „Der Charme des Standortes D. Rechtliche Rahmenbedingungen sind hier besser als anderswo“, S. 30. 14 Dies gilt jedenfalls sicher vor Erlaß des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“. Für die Zeit danach ist die bereits erwähnte Zunahme der Unternehmen, die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisiert sind, bemerkenswert.

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1. Teil: Einleitung

Die Ursachen dafür werden, insbesondere vor Erlaß des hier behandelten Gesetzes, in erster Linie in den komplizierten Vorschriften des Aktienrechts und dem dadurch bedingten hohen Verwaltungsaufwand dieser Rechtsform gesehen15.

B. Geringe Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen und ihre Folgen Das bloße Verhältnis der Anzahl der Aktiengesellschaft zu der GmbH ist aber wenig aussagekräftig. Aus der geringen Verbreitung der Aktiengesellschaft ergibt sich noch nicht zwingend, daß der Gesetzgeber einschreiten sollte. Die Entscheidung vieler Unternehmer für die Rechtsform der GmbH und gegen die der Aktiengesellschaft hat jedoch sowohl für die Unternehmen selbst, wie auch für die Gesamtwirtschaft zahlreiche negative Folgen. Die Aktiengesellschaft ist (neben der KGaA, die zahlenmäßig noch geringer vertreten ist16) die einzige Gesellschaftsform17, die es dem Unternehmer ermöglicht, Eigenkapital direkt und in erheblichem Umfang über den öffentlichen Kapitalmarkt aufzunehmen. Unter Eigenkapital versteht man den Beitrag, der von den Gesellschaftern unmittelbar aufgrund des Gesellschaftsvertrags ge____________ 15 Zwar sieht ein Teil der Literatur in den Vorbehalten der Wirtschaft nur eine psychologisch bedingte Schwellenangst, vgl. Wiesner, WM 1988, 1841, v.a. 1844, ähnlich auch Chmielewicz, S. 1641. Dagegen aber statt vieler Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 85 und Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 184, der v.a. auf die Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG hinweist, die im Vergleich mit dem GmbH- oder KG-Recht jegliche Flexibilität ausschließt. Auf S. 188 richtet er sein Augenmerk zudem auf die Mitbestimmung nach § 76 BetrVG 1952 (bzw. jetzt nach dem neuen „Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat“ (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG) vom 18. Mai 2004, BGBl. I 2004, 974) und Rechnungslegung und Publizität nach § 267 Abs. 3 HGB für große Kapitalgesellschaften. 16 Es gibt etwa 30 Unternehmen, welche die Rechtsform der KGaA gewählt haben, vgl. Semler, in: FS Stimpel, S. 505, 516 ff. Ebenso K. Schmidt, § 32 I, S. 974; Kübler, § 15 VII, S. 207; Eisenhardt, Rdnr. 663, Kraft / Kreutz, S. 356; Hoffmann-Becking, in: Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 2. und Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“ Fußn. 32 zum 2. Teil, S. 161 jeweils m.w.N. Zur Aufnahme von Eigenkapital über die KGaA auch Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 153 f. Börsennotiert waren 1993 sogar nur 6 KGaA, vgl. Bergmann / Traub, DStR 1993, 1260, 1263 Fußn. 6. 17 Ebenso auch Blanke, BB 1994, 1505, Salzberger, WISU 25 (1996), S. 547, 548 und Hundt, S. 31. Prebil setzt sich auf S. 12–48 ausführlich mit den Möglichkeiten der Eigenkapitalaufnahme bei Personengesellschaften und bei der GmbH auseinander.

§ 1 Problemstellung

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schuldet wird18. Das Eigenkapital steht dabei im Gegensatz zum Fremdkapital, das die Gesellschaft etwa in Form von Krediten aufnehmen kann. Zur Vermehrung von Eigenkapital gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten19: Zum einen können die Unternehmen die interne Risikoversorgung stärken. Dies bedeutet, daß das Unternehmen Gewinne einbehält und sie in die Gewinnrücklage (§ 266 Abs. 3 A III HGB) einstellt oder auf den Gewinn vorträgt (§ 266 Abs. 3 A IV HGB). Durch diese Thesaurierung wird die Eigenkapitaldecke vergrößert, da zum Eigenkapital – etwa im Sinne des Bilanzrechts – nicht nur das gezeichnete Kapital gehört, also das Stammoder Grundkapital, sondern auch die Kapitalrücklagen, die Gewinnrücklagen und der Gewinnvortrag sowie der Jahresüberschuß (vgl. § 266 Abs. 3 A HGB). Ein solches Vorgehen ist aber nur dann möglich, wenn die wirtschaftlichen Ersparnisse im wesentlichen bei den Unternehmen selbst anfallen, wie etwa in den 50er Jahren. Inzwischen hat sich diese Situation geändert und die volkswirtschaftlichen Rücklagen stellen sich vor allem bei den Haushalten ein20. Damit hat die Möglichkeit der internen Risikokapitalversorgung für die Unternehmen an Bedeutung verloren, wenn sie auch nicht ganz vergessen werden darf21. Daher bleibt dem Unternehmen als zweite Möglichkeit die Verstärkung der externen Risikokapitalversorgung. Um aber auf diesem Weg Eigenkapital aufzunehmen, müssen entweder die Beiträge der vorhandenen Gesellschafter erhöht werden, etwa durch eine Kapitalerhöhung im Falle der Kapitalgesellschaft, oder die Gesellschaft muß neue Gesellschafter aufnehmen. Gerade bei Perso____________ 18

Wiedemann, in: Großkomm. AktG Vor § 182 Rdnr. 4. Vgl. für die Funktion des Eigenkapitals auch Brinkmann, S. 1 ff. und Albach, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 19, der vier Kriterien aufstellt: (1) Das Kapital braucht vom Kapitalnehmer nicht getilgt oder zurückgezahlt werden, (2) das Kapital kann vom Kapitalgeber nicht gekündigt werden, (3) das Kapital ist im Konkurs- bzw. Insolvenzfall des Unternehmens verloren und (4) auf das Kapital wird ein Residualeinkommen gezahlt, d.h. es besteht kein Zinsanspruch, sondern eine Gewinnbeteiligung, ähnlich auch Semler, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 41. K. Schmidt, JZ 1984, 771, 772 sieht dagegen als notwendige Kriterien des Eigenkapitals nur den „Ausschluß der freien Kündigung seitens des Kapitalgebers“ und den „Ausschluß der Geltendmachung als Konkursforderung“ an. 19 So auch Fritsch, S. 65; Reuter, 55. DJT, B 12 f. und Semler, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 39. 20 Reuter, 55. DJT, B 13 und schon Sachverständigengutachten 1979/1980, Rdnr. 353 ff. Zur Frage, ob eine Umverteilung wieder auf die Unternehmen opportun ist, vgl. einerseits Reuter, 55. DJT, B 14 f., 117 und ders., NJW 1984, 1849, 1850 ablehnend, andererseits Semler, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 40 befürwortend. 21 K. Schmidt, JZ 1984, 771, 774 weist darauf hin, daß v.a. durch die „steuerliche Entlastung langlebiger Investitionen ... Hilfen für eine Risikokapitalbildung von innen gegeben werden“ können.

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1. Teil: Einleitung

nengesellschaften, denen nur die Alternative der Aufnahme neuer Gesellschafter bleibt, kann dies große Probleme nach sich ziehen. Zum einen bedeutet die Gesellschafterstellung hier die unbeschränkte persönliche Haftung, zum anderen gehen damit weitgehende Mitwirkungs- und Informationsrechte einher22. Auf die unbeschränkte persönliche Haftung wird sich jedoch kein reiner Kapitalgeber einlassen, der sich in der Konsequenz nicht auf seine bloße Investition beschränken könnte, sondern aktiv mitarbeiten müßte, um sein Haftungsrisiko selbst beherrschen zu können. Zudem bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen – es ist nämlich im Grundsatz eine Änderung des Gesellschaftsvertrages nötig, der die Einstimmigkeit aller Gesellschafter erfordert –, so daß sich ein Anleger nicht jederzeit von seiner Investition trennen kann23. Dies läuft den Interessen eines reinen Kapitalanlegers typischerweise zuwider. Auch der Unternehmer, der Kapital benötigt, wird weitgehende Rechte eines Kapitalgebers – in der Regel – nicht in Kauf nehmen wollen. Bei der GmbH ist die Aufnahme von Gesellschaftern und die Übertragung von Anteilen zwar gegenüber den Personengesellschaften erheblich erleichtert; aber gerade die Notwendigkeit der notariellen Beurkundung sowohl bei der Abtretung von Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 3 GmbHG, als auch bei der vorangehenden schuldrechtlichen Verpflichtung dazu nach § 15 Abs. 4 GmbHG beschränkt die Handelbarkeit der Anteile und damit die Aufnahme von Eigenkapital24. Zusätzliche Schwierigkeiten treten aufgrund der fehlenden Standar____________ 22

Sowohl das Problem der unbeschränkten Haftung als auch das der Mitwirkungsund Informationsrechte ist bei der Kommanditgesellschaft nicht so virulent. Die Haftung kann für den Kommanditisten auf eine Haftsumme begrenzt werden und die Mitwirkungs- und Informationsrechte sind beschränkt und können bis auf einige Minimalrechte weiter eingeschränkt werden. Daher treten auch in der Praxis sog. „kapitalistische Kommanditgesellschaften“ etwa in Form von „Abschreibungsgesellschaften“ auf. Wegen den zahlreichen Schwierigkeiten (vgl. auch folgende Fußnote) gerade im Hinblick auf den Anlegerschutz soll jedoch die Kommanditgesellschaft im weiteren außen vor bleiben. 23 Zur Eigenkapitalbeschaffung in der Personengesellschaft insbesondere bei OHG und KG und den Schwierigkeiten auch hinsichtlich der Übertragung von Gesellschafteranteilen vgl. Prebil, S. 16–19 und Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 152. Kritisch dazu auch Semler, in: FS Stimpel, S. 505, 510, der die Schwierigkeiten v.a. in hohen Transaktionskosten und Übertragungshindernissen sieht. Zudem spielt, seiner Meinung nach, eine Rolle, daß ein Sekundärmarkt hier praktisch fehlt, so daß die Möglichkeit der Weiterveräußerung nur in geringem Maße gewährleistet ist. Das Problem der fehlenden Liquidität sieht auch Hundt, S. 26 als größte Schwierigkeit am „nichtorganisierten Kapitalmarkt“. 24 Prebil geht ausführlich auf die Möglichkeiten der Kapitalerhöhung und der Übertragung von Gesellschafteranteilen in der GmbH ein, S. 32–36. Er kommt aufgrund seiner Analyse zum Ergebnis, daß weder die GmbH, noch die Personengesellschaften den Rahmen für eine effiziente Eigenkapitalaufnahme bilden, v.a. da die Liquidität,

§ 1 Problemstellung

55

disierung von GmbH-Anteilen auf, die ebenfalls dazu führt, daß ein Markt für GmbH-Anteile nicht in der Weise besteht, wie dies bei Aktien der Fall ist. Eine effektive Aufnahme von Eigenkapital ist folglich nur dann gewährleistet, wenn für einen potentiellen Anleger geringe Risiken bestehen, wobei hier das Risiko, selbst in die Haftung genommen zu werden, von besonderer Bedeutung ist, und er die Möglichkeit hat, sich im Zweifel schnell von seiner Investition zu trennen25. Für den Unternehmer hingegen, der Eigenkapital aufnehmen will, ist eine möglichst geringe Einflußnahme des Geldgebers häufig von wesentlicher Bedeutung. Eine optimale Aufnahme von Eigenkapital ist nach diesen Kriterien26 lediglich an der Börse gegeben. Einerseits haben Investoren, die dort Unternehmensanteile erwerben, ein vernachlässigbares Risiko der persönlichen Inanspruchnahme27 und können jederzeit ihre Investition liquidieren. Andererseits haben sie nicht den Wunsch nach unternehmerischer Verantwortung, so daß auch den Interessen des Unternehmers entsprochen wird. Zugang zur Börse und damit zum öffentlichen Kapitalmarkt hat aber nur die Aktiengesellschaft28. Wenn man die Eigenkapitalausstattung der einzelnen Rechtsformen in der Praxis miteinander vergleicht, ergibt sich ein Bild, das mit dem bisher theore____________ welche die Möglichkeit der Realisierung zu jedem beliebigen Zeitpunkt einschließt, nicht gegeben ist; dazu S. 36 f. Zur Eigenkapitalaufnahme der GmbH auch Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 155 ff. 25 Hintergründe zum Bedürfnis nach Fungibilität und Beschränkung der Haftung bei Semler, in: FS Stimpel, S. 505, 513 ff., der ebenfalls diese beiden Punkte neben der unternehmerischen Mitwirkungsmöglichkeit der Anleger als wesentliche Forderungen sieht. 26 Zu den Kriterien, die von der Finanzwirtschaft an die Möglichkeiten zur Eigenkapitalbeschaffung angesetzt werden, vgl. im einzelnen Hundt, S. 22 f. Hundt nennt hier vier Kriterien: Rentabilität, Liquidität, Sicherheit und Unabhängigkeit. Für Kosten der Finanzierungsalternative spielen Rentabilität, Sicherheit und Liquidität eine Rolle, für die Dauer, wie lange das Kapital zur Verfügung steht, ist lediglich das letzte Kriterium, also die Liquidität entscheidend. Der Einfluß der Kapitalgeber und die Mitbestimmung durch Arbeitnehmer betreffen schließlich die Unabhängigkeit. 27 Die einzige Möglichkeit in einer Kapitalgesellschaft die Gesellschafter selbst in Anspruch zu nehmen, stellt die „Durchgriffshaftung“ dar. Diese wird aber vom BGH insgesamt nur mit äußerster Vorsicht herangezogen und kommt, wenn überhaupt, nur gegenüber Gesellschaftern in Betracht, die aktiv auf die Geschäftsführung Einfluß nehmen oder die Gesellschaft sogar beherrschen. Vgl. dazu nur K. Schmidt, § 9, S. 224 ff., insb. § 9 IV, S. 245 f. zum Durchgriff aufgrund Beherrschung der Gesellschaft. 28 Zum Zusammenhang zwischen Zugang zur Börse und angemessener Eigenkapitalausstattung der Aktiengesellschaft im Gegensatz zur GmbH, vgl. Kindler, NJW 1994, 3041; Blanke, BB 1994, 1505; Lutter, AG 1994, 429, Fritsch, S. 65, ebenso Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 2 f. und Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 225.

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1. Teil: Einleitung

tisch Ausgeführten übereinstimmt. Die Eigenkapitalquote, die sich aus dem Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme ergibt, ist bei Aktiengesellschaften, insbesondere solchen, die an der Börse notiert sind, am höchsten29. Dagegen haben GmbH regelmäßig eine weit geringere Ausstattung mit Eigenkapital. Dies hat zahlreiche Nachteile. Zum einen führt die geringe Eigenkapitalausstattung zu einer Beeinträchtigung der Investitions- und Innovationsfähigkeit. Gerade für autonome Investitionen30, wie Forschungsinvestitionen, von denen unsicher ist, ob sie sich auszahlen, ist Eigenkapital nötig, das ohne Rückzahlungstermin und mit einer bloßen Beteiligung an Gewinn oder Verlust zur Verfügung gestellt wird. Fremdkapital dagegen hat im Grundsatz einen festen Zinssatz und einen vorher bestimmten Rückzahlungstermin, was dann Gefahren für das Unternehmen mit sich bringen kann, wenn sich die Investition nicht oder jedenfalls nicht bis zum Rückzahlungstermin lohnt. Gerade in Deutschland wären solche Investitionen aber nötig, da hinsichtlich klassischer Güter ein gewisser Sättigungsgrad erreicht ist und bei diesen auch die internationale Konkurrenz mit Billiglohnländern besonders stark ist. Zudem bestehen auch in zukunftsorientierten Technologien gute Chancen für kleine und mittlere Betriebe, da diese charakteristischer Weise eine hohe Flexibilität aufweisen, um gerade Marktnischen zu besetzen31. Zum zweiten führt eine geringe Eigenkapitalquote dazu, daß ein Unternehmen offensive Marktstrategien, wie beispielsweise Übernahmeangebote, die zu einer Sicherung der Unternehmensposition nötig sein können, nicht wahrnehmen kann32. Des weiteren bedeutet ein hoher Anteil an Fremdkapital auch ein erhöhtes Insolvenzrisiko, ein schlechteres Rating und damit höhere Zinsen bei weiterer Fremdkapitalaufnahme. Wie bereits erwähnt, muß Eigenkapital nicht zu einem bestimmten Satz verzinst werden und nimmt statt dessen an Gewinn oder Verlust des Unternehmens teil. Gerade bei konjunkturbedingten Zinserhöhungen und Ertragseinbußen steigt aber das Insolvenzrisiko für Unternehmen, die mit einem hohen Anteil an Fremdkapital arbeiten, das unabhängig von der finan____________ 29

Für die Zahlen vgl. Wiedemann in: Großkomm. AktG Vor § 182 Rdnr. 171, Tabelle 3 für die Jahre 1976 bis 1987. Vgl. auch Reuter, 55. DJT, B 8 f., der für das Jahr 1981 auf eine Eigenkapitalquote von lediglich 20,5 % kommt. 30 So auch Reuter, 55. DJT, B 7. Zustimmend K. Schmidt, JZ 1984, 771, 772; Pietsch, Diskussion, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 83 und Beschluß I. 1. des 55. DJT, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 222, der einstimmig angenommen wurde. Zum Zusammenhang zwischen autonomen Investitionen und der Finanzierung durch Fremdbzw. Eigenkapital auch schon Sachverständigengutachten 1979/1980, Rdnr. 351 f. 31 Darauf weist MdB Dr. Solms (FDP), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 10/73 vom 6. Juni 1984, S. 5280, hin. Für die mittelstandstypischen Erfolgspotentiale, zu denen auch die beiden genannten Stärken gehören, Drach, in: „Kleine AG“ – attraktiv für mittelständische Unternehmen?, S. 9, 11. 32 Ebenso Prebil, S. 3 f. und Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 2.

§ 1 Problemstellung

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ziellen Lage des Unternehmens zurückgezahlt werden muß. Auch die Statistiken beweisen, daß etwa ein Viertel aller Insolvenzfälle auf massive Kapitalarmut zurückzuführen ist33. Schließlich steigt auch das Risiko einer Übernahme, so daß eine verbesserte Eigenkapitalausstattung auch der Unabhängigkeit der Unternehmen dient und letztlich einer zu großen Konzentrationsgefahr in der Wirtschaft entgegenwirkt34. Eine geringe Eigenkapitalausstattung hat also zahlreiche negative Folgen. Diese wirken sich besonders35 bei der GmbH aus und damit bei den zahlreichen mittelständischen Unternehmen, die diese Unternehmensform bevorzugen. In der Literatur der letzten Jahre sind die Hinweise auf die zu geringe Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen Legion36. Im internationalen Vergleich tritt das Problem sogar noch deutlicher hervor37. Zwar ist ein solcher ____________ 33

Prebil nennt hier auf S. 4 eine Zahl von 24 %. Zwar sind die Insolvenzen insgesamt bis 1990 etwas zurückgegangen, allerdings hat sich nichts daran geändert, daß diese bei der GmbH signifikant höher sind als bei Unternehmen anderer Rechtsform, vgl. Hundt, S. 20. Zur Insolvenzanfälligkeit der GmbH mit Zahlen aus 2004 bei Meyer, GmbHR 2004, 1417 ff. 34 Vgl. hierzu und zu weiteren Nachteilen einer Finanzierung durch Fremdkapital, Blanke, BB 1994, 1505 und Seibert, ZIP 1994, 247, 248. Zum erhöhten Insolvenzrisiko auch Reuter, in: FS Stimpel, S. 645 und K. Schmidt, JZ 1984, 771, 772. Zum Problem der vermehrten Konzentration durch Übernahmen in der Krise auch Lutter, AG 1994, 429. Ausführlich ebenfalls Heindl, S. 26 ff. 35 So auch Reuter, 55. DJT, B 8. Für das Jahr 1981 führt er insgesamt eine Eigenkapitalquote von 20,5 % an. Unternehmen mit Umsätzen von über 100 Mio. DM kommen hier auf einen durchschnittlichen Wert von 26,3 %. Bei Unternehmen mit Umsätzen zwischen 50 und 100 Mio. DM liegt dieser bei 21,8 %, bei Umsätzen zwischen 10 und 50 Mio. DM nur noch bei 18,3 % und bei Unternehmen, deren Umsätze bis zu 10 Mio. DM betragen, liegt die Eigenkapitalquote gar nur noch bei 14,8 %. Die Umsatzzahlen hängen dabei in erster Linie mit den jeweils bevorzugten Unternehmensformen zusammen. Vgl. auch Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 23 und S. 155. 36 Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 1 und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 1; Prüfungsauftrag: Förderung von Risikokapital, BT-Drucks. 10/1315, S. 3 und Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/2881, S. 1 mit Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 10/73 vom 6. Juni 1984, S. 5275 ff., v.a. MdB Dr. Solms (FDP). Zuvor schon Sachverständigengutachten 1979/1980, Rdnr. 352. Außerdem Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 2 ff.; Vollmer / May, S. 1; Blanke, BB 1994, 1595; Claussen, in: FS Werner, S. 81; Krieger, in: FS Stimpel, S. 305, 331; Albach, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 9; Friedewald, S. 157, K. Schmidt, JZ 1984, 771, 772; Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 182; Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 223 f; ders., AG 1991, 10, 17; Fritsch, S. 19 ff., Reuter, in: FS Stimpel, S. 645; Hahn, DB 1994, 1659, Priester, BB 1996, 333; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 6; Vollmer, ZGR 1983, 445, 447, Hopt, WM 1985, 793, 794 und Heindl, S. 19. 37 Ebenso Blanke, BB 1994, 1595; Kindler, NJW 1994, 3041; Vollmer / May, S. 1; K. Schmidt, JZ 1984, 771, 772, Fritsch, S. 27 ff., Seibert, ZIP 1994, 247, 248; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 6, Pöhlmann, S. 1. Auf die internationalen Aspekte weist auch Funke, Diskussion, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 85 und Vortmann, S. 14 hin.

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1. Teil: Einleitung

Vergleich nur bedingt möglich, da sich sowohl die Erfassungsmethoden zum Teil unterscheiden als auch vor allem die Bilanzierungspflichten, die unterschiedliche Wahlrechte eröffnen und auch hinsichtlich der Bildung von stillen Reserven nicht übereinstimmen38. Perlitz, Küpper und Löbler sind bei ihrem Vergleich ausführlich auf die nationalen Unterschiede in der Rechnungslegung und auf die daraus folgenden Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote eingegangen. Sie kommen zwar zum Ergebnis, daß die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen im Vergleich zu Großbritannien nur geringfügig abweicht; aber im Vergleich zu den USA ist diese immer noch signifikant geringer39.

C. Reaktion des Gesetzgebers Das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ sollte in erster Linie Abhilfe für die Eigenkapitalknappheit mittelständischer Unternehmen schaffen. Das wichtigste Anliegen des Gesetzes war es, gerade solchen Unternehmen den Zugang zur Rechtsform der Aktiengesellschaft zu erleichtern. Die schlechte Ausstattung der Gesellschaften mit Eigenkapital war auch darauf zurückzuführen, daß nicht selten Unternehmen in der Rechtsform der GmbH verbleiben, obwohl sich aufgrund des Kapitalbedarfs und der Struktur der Gesellschaft ein Wechsel in die Aktiengesellschaft empfehlen würde, der der Gesellschaft den Zugang zum organisierten Kapitalmarkt erst ermöglichen würde. Der Gesetzgeber hatte mit diesem Gesetz die Hoffnung verbunden, daß sich zahlreiche GmbH zu einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft entscheiden oder Unternehmen vermehrt sogleich als Aktiengesellschaft gegründet werden, um so zumindest mittelfristig mit dem Börsengang ihre Eigenkapitalbasis verbessern zu können. Dies belegen auch von der Deutschen Bank durchgeführte Untersuchungen, die zu dem Ergebnis gekommen sind, daß etwa 1.500 bis 2.000 mittelständische Unternehmen sich potentiell der Börse bedienen könnten40. Damit steht im Mittelpunkt der ____________ 38

Dieses Problem sprechen Perlitz / Küpper / Löbler, ZGR 1985, 16, 19, die dies gerade an Schlagworten wie window dressing im US-amerikanischen Bilanzrecht und der Neigung zur Bildung „Stiller Reserven“ festmachen. Vgl. auch Reuter, 55. DJT, B 10. 39 Perlitz / Küpper / Löbler, ZGR 1985, 16, 48 f.; Reuter, 55. DJT, B 10 gibt für 1980 eine Eigenkapitalquote von 20,9 % für Deutschland an, gegenüber 63,4 % für die USA. Auch er gibt zu bedenken, daß selbst bei vergleichbarer Berechnung beider Quoten, diejenige der USA immer noch doppelt so hoch ist, wie die Deutschlands. Zur Eigenkapitalausstattung in Frankreich und den dort vorgenommenen Reformen vgl. Reul, ZGR 1986, 70 ff. mit Folgerungen für Deutschland auf S. 100 ff. 40 Auf diese Untersuchung weisen Seibert / Köster / Kiem in Rdnr. 8 hin. Dehmer, WiB 1994, 753, 754 meint, daß eine Umwandlung in eine „Kleine AG“ für etwa 5.000 Unternehmen in Betracht kommt, die jetzt in der Rechtsform der GmbH oder GmbH &

§ 1 Problemstellung

59

Beschäftigung mit dem Gesetz in dieser Arbeit die Frage, ob es gelungen ist, durch die Einführung der „Kleinen AG“ die Rechtsform der Aktiengesellschaft insgesamt für Unternehmen attraktiver zu machen.

I. Kritik an der Rechtsform der Aktiengesellschaft Bislang haben, wie erwähnt, viele Unternehmer die Rechtsform der Aktiengesellschaft gemieden. Dabei haben empirische Erhebungen ergeben, daß dies nicht an grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber der Aktiengesellschaft liegt, etwa daß gerade mittelständische Unternehmen die Rechtsform als völlig ungeeignet für ihre Belange betrachten würden. Vielmehr besteht ein großes Interesse an der Rechtsform, wenn nur der Zugang zu ihr erleichtert würde41. Gerade die Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter ist darauf ausgerichtet, die Kritik der Unternehmen42 aufzudecken, um vor diesem Hintergrund das sog. „Drei-Stufen-Modell“ zu entwickeln. Für die Regelungen im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ wurde das „Drei-Stufen-Modell“ in weiten Teilen zum Vorbild43. Auch wurden bei der Ausgestaltung der Rechtsnormen die von den Unternehmen vorgebrachten Anmerkungen ausdrücklich berücksichtigt44. Nachfolgend sollen die einzelnen Kritikpunkte kurz beleuchtet werden, da daran auch die Änderungen im behandelten Gesetz zu messen sein werden.

____________ Co. KG organisiert sind. An die Börse könnten davon etwa 1.000 Unternehmen geführt werden. 41 Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 33. 42 Vgl. die Kritikpunkte knapp zusammengefaßt bei Lutter, AG 1994, 429 und Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 32. Zu den Vorbehalten der Unternehmen zum einen gegen die Rechtsform „Aktiengesellschaft“ und gegen die Börseneinführung zum anderen, vgl. Hundt, S. 33 ff.; Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 54 ff. und Grunewald, in: „Kleine AG“ – attraktiv für mittelständische Unternehmen?, S. 26, 28 ff. 43 Darauf wird im einzelnen in § 5 dieser Arbeit im Zusammenhang mit den Einzelvorschriften und der Gesamtkritik eingegangen. 44 Der Gesetzesentwurf setzt sich etwa mit der Kritik der meist mittelständischen Unternehmen auseinander, so z.B. BT-Drucks. 12/6721, S. 5 unter Bezugnahme auf die zahlreichen Formalitäten, die bei einer Aktiengesellschaft notwendig sind, und im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ vereinfacht wurden, ebenso wie mit der Mitbestimmung als Zugangshindernis.

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1. Teil: Einleitung

1. Aktienrechtliche Satzungsstrenge Als ein Nachteil der Aktiengesellschaft wird die große Satzungsstrenge gesehen. Viele Unternehmen, die den Wechsel in die Aktiengesellschaft erwägen, sind zuvor als Personengesellschaft organisiert oder in der Rechtsform einer GmbH. In jedem Fall ist hier die Vertragsautonomie oberster Maßstab. Zwingende Rechtsvorschriften finden sich nur, wo dies etwa zum Schutz von Gläubigern oder in der GmbH zur Berücksichtigung von Belangen der Arbeitnehmer erforderlich ist. Ganz anders steht es mit der Satzungsautonomie der Aktiengesellschaft. Durch § 23 Abs. 5 AktG wird das Verhältnis von zwingendem und dispositivem Recht umgekehrt und das ius cogens wird der Ausgangspunkt des Gesetzes. Nur dort, wo es ausdrücklich durch das Gesetz zugelassen ist, bleibt im Aktienrecht Spielraum für privatautonome Regelungen, die vom Gesetz abweichen. Die Folge ist, daß die Unternehmen die Regeln nicht an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können. Zudem entsteht ein hoher Beratungsaufwand, da ein Verstoß gegen zwingendes Recht gravierende Folgen haben kann, wie etwa die Nichtigkeit der entsprechenden Rechtsgeschäfte. Durch diesen Beratungsaufwand wird die Flexibilität der Unternehmen eingeschränkt, und es entstehen zudem hohe Kosten, welche die Unternehmen belasten.

2. Zwingende Vorschriften bei Gründung und Organisationsgefüge Neben der aktienrechtlichen Satzungsstrenge als Grundsatz gibt es insbesondere bei der Gründung und der Organisationsverfassung eine erhebliche Anzahl an zwingenden Vorschriften. Auch dies wird von den Unternehmern negativ beurteilt. Dies gilt sowohl für den Fall der Neugründung einer Aktiengesellschaft als auch bei einer Umwandlung in eine solche45. Im Belastungsvergleich mit der GmbH und erst recht mit Personengesellschaften führen die zwingenden Gründungsvorschriften des Aktiengesetzes somit zu einer im Verhältnis ungünstigen Bewertung der Aktiengesellschaft46. Ähnliches gilt für das Organisationsgefüge47 der Aktiengesellschaft. Dieses ist aufwendig, was den Umgang mit dieser Rechtsform für die Unternehmen erschwert. Zudem wird die Flexibilität einschränkt und es entstehen Kosten (etwa für die Beratung). Eine große Rolle spielt dabei der im Aktienrecht obligatorische Aufsichtsrat und die zwingende Kompetenzverlagerung auf diesen, wodurch Unternehmer um ihren Einfluß fürchten. Diese Bedenken werden durch das Fehlen eines Weisungs____________ 45

Auf Einzelheiten und die Gründe für diese zwingende Ausgestaltung wird unter § 5 A. II. eingegangen. 46 Genauer dazu Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 55 ff. 47 Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 58 ff.

§ 1 Problemstellung

61

rechts eines Aktionärs gegenüber dem Vorstand, wie es beim Gesellschafter einer GmbH gegenüber der Geschäftsführung besteht, verstärkt. Insgesamt haben die Unternehmen die Befürchtung, daß in der Rechtsform der Aktiengesellschaft ihre Position als Eigentümer geschwächt wird48.

3. Hohe laufende Kosten Es wurde bereits angesprochen, daß durch den höheren Beratungsaufwand auch für die Unternehmen höhere Kosten entstehen. Diese hohen laufenden Kosten, die bei der Aktiengesellschaft auch noch in anderen Bereichen auftreten, werden als weiterer Nachteil der Aktiengesellschaft genannt. Exemplarisch müssen solche Kosten etwa für Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung aufgewendet werden. Die Einberufung erfolgt durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern, wozu in jedem Fall der Bundesanzeiger gehört. Kosten treten daneben auch für den Druck der Geschäfts- und Zwischenberichte auf. Bei der Durchführung der Hauptversammlung schreibt das Aktienrecht zwingend die Beteiligung eines Notars vor. Auch dadurch entstehen höhere Kosten als etwa bei der GmbH, bei der sogar eine privatschriftliche Protokollierung nur in einzelnen Fällen ausdrücklich vorgeschrieben ist.

4. Steuerliche Nachteile Als weitere nachteilige Aspekte werden von den Unternehmern die steuerlichen Ungleichheiten49 angesprochen, die nach Meinung vieler zu einer massiven Benachteiligung der Aktiengesellschaft führen. Dies betrifft aber allein das Verhältnis zu Personengesellschaften, da bei der GmbH als Kapitalgesellschaft dieselben Belastungen auftreten, wie bei der Aktiengesellschaft. Nach dem Wegfall der Vermögenssteuer, die wohl die erheblichsten Nachteile für die

____________ 48 49

Dazu v.a. Hundt, S. 33. Dazu insgesamt Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 65 ff.

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1. Teil: Einleitung

Kapitalgesellschaften brachte50, treten die steuerlichen Nachteile nur noch hinsichtlich der Gewerbesteuer und der Körperschaftssteuer auf51.

5. Psychologische Gründe Es wurde bereits im Zusammenhang mit dem komplexen Organisationsgefüge angesprochen, daß viele mittelständische Unternehmer befürchten, den Einfluß auf ihr Unternehmen zu verlieren. Neben dem real bestehenden geringeren Einfluß spielen hier zum Teil psychologische Gründe eine bedeutende Rolle, die zur Ablehnung der Gesellschaftsform führen. Zum einen hegen die Unternehmer die Befürchtung, daß mit der leichteren Übertragbarkeit der Anteile auch die Gefahr einer Überfremdung der Gesellschaft steigt. Zudem erwarten viele Unternehmen auch durch die Arbeitnehmermitbestimmung, die in der GmbH häufig mangels einer hinreichend großen Anzahl von Arbeitnehmern nicht einschlägig ist, Einfluß zu verlieren. Dadurch wird das Organ des Aufsichtsrats, welches für sie ohnehin neu ist, noch negativer bewertet. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die meisten Unternehmer, welche den Mitbestimmungsgesetzen unterliegen, darin keinen gravierenden Nachteil mehr sehen, sondern der Beteiligung der Arbeitnehmer durchaus auch positive Aspekte abgewinnen. Gleichwohl darf die Ablehnung der Mitbestimmung bei der Motivation der Unternehmer in der Rechtsformwahl nicht unterschätzt werden. Somit wird einer Änderung der rechtlichen Regelungen bei der Mitbestimmung besonderes Gewicht zukommen.

6. Zusammenfassung der Kritik Die einzelnen Kritikpunkte lassen sich dahingehend schlagwortartig zusammenfassen, daß den Unternehmern die Schwelle von der GmbH zur Aktiengesellschaft als zu hoch erscheint. Grundsätzlich betrachten sie alle diejenigen Regelungen, welche die Aktiengesellschaft von der GmbH unterscheiden, mit ____________ 50 Die Vermögenssteuer fiel bei Kapitalgesellschaften zweimal an, nämlich hinsichtlich des Vermögens der Gesellschaft selbst, sowie bei den Anteilseignern für ihre Anteile. Im internationalen Bereich konnten sich solche Nachteile, trotz des Schachtelprivilegs nach § 102 BewG, weiter verschärfen. Überdies gab es bei Kapitalgesellschaften eine von Personengesellschaften abweichende Wertermittlung der Anteile, die bei der Bemessung der Vermögenssteuer nachteilig war. Auf Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden. 51 Vgl. Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 67 ff. Auch Bergmann / Traub, DStR 1993, 1260, 1265.

§ 1 Problemstellung

63

Skepsis. Offensichtlich trifft es bei vielen auch auf Unverständnis, warum der bloße Wechsel der Rechtsform von der GmbH in die Aktiengesellschaft alleine schon dieses striktere Reglement mit sich bringen soll, auch wenn sich an der Gesellschafterstruktur und -zusammensetzung zunächst nichts ändert. Die zukünftige Attraktivität der Aktiengesellschaft wird somit entscheidend davon abhängen, ob es dem Gesetzgeber gelingt, die Schwelle zwischen beiden Gesellschaften abzubauen.

II. Gesamtwirtschaftlicher Hintergrund Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt (unter B.) erwähnt, steht im Hintergrund des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ das Bestreben nach einer Verbesserung der Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen52. Diese soll durch einen leichteren Zugang zur Rechtsform der Aktiengesellschaft mittelbar erreicht werden. Für Unternehmen, die zur Zeit noch in einer anderen Rechtsform organisiert sind, wäre die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft der erste Schritt auf dem beschwerlichen Weg zur Börse. So hätte das Unternehmen die Möglichkeit, zunächst Erfahrungen mit der Rechtsform zu sammeln, ohne dabei schon an der Börse notiert zu sein und zusätzlich dem Kapitalmarktrecht zu unterliegen. In einem weiteren Schritt könnten die Unternehmen dann gegebenenfalls an die Börse gehen53 und hätten einen besseren Zugriff auf den Eigenkapitalmarkt. Neben den unternehmensbezogenen Effekten hat eine bessere Eigenkapitalausstattung und eine größere Anzahl von Aktiengesellschaften auch Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Lage Deutschlands. Durch eine Zunahme der börsennotierten Aktiengesellschaften wird der Finanzplatz Deutschland gestärkt54. Deutschland ist die drittgrößte „Finanznation“. Dafür muß es aber, etwa nach Meinung Waigels, auch einen Finanzmarkt besitzen, der dieser Stellung angemessen ist55. Zur Zeit ist der Börsenzettel der deutschen Börsen im internationalen Vergleich zu kurz. Mittelbar wird eine Zunahme von Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft auch zu einer Zunahme der ____________ 52 Bericht der Abgeordneten MdB Gres, Kleinert und Stiegler, in: Beschlußfassung und Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 12/7848, S. 8. 53 Vgl. zu dem Gang an die Börse in zwei Schritten auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 7; Lutter, AG 1994, 429 und Dehmer, WiB 1994, 753, 754. 54 Diesen Zusammenhang zwischen dem „Finanzplatz Deutschland“ und dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ spricht auch Freis, 19 B.C. Int’l & Comp. L. Rev. 1, 106 f. (1996) an. Ebenso Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 8 ff. und Pöhlmann, S. 1. 55 Waigel, WM 1992, 420.

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1. Teil: Einleitung

börsennotierten Gesellschaften führen, wodurch der deutsche Kapitalmarkt belebt wird. Für Anleger hätte dies den weiteren Vorteil, daß ihnen durch ein diversifiziertes Portfolio die Risikostreuung erleichtert wird. Neben dem Finanzplatz Deutschland kann durch die bessere Ausstattung der Gesellschaften mit Eigenkapital auch der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt gesichert werden56. Unternehmen haben durch mehr Eigenkapital ein höheres Maß an Unabhängigkeit. Dadurch können sie produktiver arbeiten und letztlich mehr Arbeitsplätze schaffen. Dies wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß mittelständische Unternehmen einen hohen Anteil an Arbeitsplätzen zur Verfügung stellen und es zu erwarten ist, daß in der Zukunft eher hier neue Arbeitsplätze geschaffen werden als in Großunternehmen. Zudem wirkt eine bessere Sicherung der Unabhängigkeit der Unternehmen auch der Konzentrationsgefahr entgegen57. Eine geringe Ausstattung mit Eigenkapital birgt die Gefahr von Übernahmen, was zu einer zunehmenden Konzentration der Wirtschaft führt. In der Rechtsform der Aktiengesellschaft wäre es aber aufgrund der besseren Eigenkapitalausstattung unwahrscheinlicher, daß es überhaupt zu Übernahmeversuchen kommt. Zudem ist es möglich gegebenenfalls nur kleine Anteile oder Anteilspakete zu verkaufen, um an Kapital zu gelangen. Die höhere Liquidität der Aktien vereinfacht ein solches Vorgehen. Bei der Veräußerung eines GmbH-Anteils sind darüber hinaus damit zumeist weitreichende Rechte verbunden. Im übrigen gibt es bei der GmbH oder bei Personengesellschaften oft keinen Markt für Minderheitsbeteiligungen. In Liquiditätsschwierigkeiten kann so häufig nur die Gesellschaft als Ganzes oder doch wenigstens eine Mehrheitsbeteiligung verkauft werden58. Alternativ besteht lediglich die Möglichkeit der Beteiligung in einer Vermögensbeteiligungsgesellschaft – mit dem damit verbundenen Verlust an Unabhängigkeit und der Zunahme von Fremdbestimmtheit – oder die Übergabe an „den großen Bruder“59. Im Zusammenhang mit der leichteren Veräußerbarkeit auch kleinerer Anteile bei der Aktiengesellschaft ist ein weiterer Umstand zu bedenken, der vor allem in den nächsten Jahren vermehrt an Bedeutung gewinnen wird. Es stehen eine bedeutende Anzahl von Generationswechseln60 bevor. Nach Schätzungen sollen ____________ 56

So auch Vortmann, S. 14. BT-Drucks. 12/7848, S. 8. 58 Dazu Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 9 und Seibert, ZIP 1994, 247, 248. 59 Lutter, AG 1994, 429. 60 BT-Drucks. 12/7848, S. 8 und BT-Drucks. 12/6721, S. 5. Ausführlich zur Aktiengesellschaft als geeignete Rechtsform für einen Generationenwechsel, Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 10 ff., Seibert, ZIP 1994, 247, 248; Dehmer, WiB 1994, 753, 754 f. und Bergmann / Traub, DStR 1993, 1260. 57

§ 1 Problemstellung

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davon ca. 700.000 Unternehmen betroffen sein61. Ein Generationswechsel wirft für viele Unternehmen erhebliche Probleme auf. In der ersten Generation wird das Unternehmen häufig in der Form einer Personengesellschaft oder auch einer GmbH mit starken personalistischen Einschlägen geführt. Dadurch ist es dem Unternehmer möglich, alle geschäftlichen Entscheidungen selbst in der Hand zu haben. Dies ändert sich nicht selten in der nächsten Generation. Häufig wollen oder können sich die Erben nicht in gleicher Weise unternehmerisch betätigen wie der Erblasser. Dies betrifft sowohl die Leitung des Unternehmens, als auch die persönliche Haftung, die bei einer Personengesellschaft in der Regel besteht. Oftmals sind die Erben deshalb nur an einer Kapitalbeteiligung interessiert. Spätestens hier wird ein Rechtsformwechsel unerläßlich. Bei Erbengemeinschaften sind jedoch Auseinandersetzungen nicht selten, die zum einen einen Rechtsformwechsel nach dem Tod des Prinzipals erschweren und zum anderen die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt erheblich beeinträchtigen können62. Eine Umwandlung durch den Unternehmer noch zu seinen Lebzeiten kann einen Ausweg darstellen. Diesem wird dadurch zudem ein „Ausstieg auf Raten“63 ermöglicht, da er schon vor seinem Tod potentielle Erben mit kleinen Anteilen beteiligen kann, selbst aber mit einer Aktienmehrheit und/oder einem Sitz im Aufsichtsrat weiterhin entscheidenden Einfluß auf die Geschicke des Geschäfts ausüben kann64. Nach seinem Tod kann eine Geschäftsführung durch einen Außenstehenden, der eigenverantwortlich handelt, oft ein Garant für die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sein. Auch dies spricht für die Aktiengesellschaft, deren drei Organe eine größere Unabhängigkeit voneinander haben als Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung einer GmbH, was nicht zuletzt am fehlenden Wei____________ 61 Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 10, Seibert, ZIP 1994, 247, 248, Dehmer, WiB 1994, 753, 754 und Vortmann, S. 12. 62 Allgemeiner bei Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 32, die von einer „Verminderung nachteiliger Auswirkungen familiärer Konflikte auf die Unternehmensentwicklung von Familiengesellschaften“ sprechen und Dehmer, WiB 1994, 753, 755. 63 Zu dieser Formulierung Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 9, Seibert, ZIP 1994, 247, 248 und Pöhlmann, S. 2. 64 Dies hat gerade bei Gesellschaften, die an die Börse gehen wollen, Vorteile. Seibert / Köster / Kiem weisen darauf hin, daß sich bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Schenkungs- und Erbschaftssteuer am Börsenkurs orientiert, was bei hohem Börsenkurs ungünstig sein kann. Hier empfiehlt es sich vor dem Börsengang die Anteile im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu verschenken. Durch Einräumung eines Nießbrauchs kann sich der Erblasser ohne Weiteres bis zu seinem Tod die Dividendenrechte bewahren, Rdnr. 10 f. Darauf geht auch Dehmer, WiB 1994, 753, 754 ein.

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1. Teil: Einleitung

sungsrecht der Aktionäre (als Hauptversammlung) gegenüber dem Vorstand liegt. Schließlich ist es für die Erben leichter, Anteile der Gesellschaft abzugeben, ohne daß der Einfluß der Familie verloren geht. Dies gilt selbst für den Fall, daß annähernd 75 % aller Anteile in fremder Hand sind. Nach § 139 Abs. 2 AktG können Vorzugsaktien als eigene Gattung in gleicher Höhe wie Stammaktien ausgegeben werden. Um die Mehrheit innerhalb einer Aktiengesellschaft zu halten, ist es lediglich nötig, wenn von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, 25 % der Anteile + 1 Aktie innezuhaben. Nach dem Erbfall erleichtert es die Rechtsform der Aktiengesellschaft darüber hinaus, die fällig gewordene Erbschaftssteuer zu zahlen. Aufgrund der höheren Liquidität können dazu einzelnen Anteile verkauft werden, ohne daß es erforderlich ist, sich in größerem Umfang von der Gesellschaft zu trennen, wie dies bei einer GmbH oder einer Personengesellschaft notwendig sein kann. Ein weiterer Vorteil der Aktiengesellschaft, der in diesem Zusammenhang zu nennen ist, ist, daß die Anteile fast beliebig geteilt werden können65. Schließlich bietet sich gerade bei mittelständischen Unternehmen eine Beteiligung der Mitarbeiter66 an. In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung solcher Beteiligungen verstärkt zugenommen67. Bei Personengesellschaften oder einer GmbH kann dies nur mit erheblichem Aufwand, etwa durch Arbeitnehmerdarlehen oder stillen Gesellschaften, gewährleistet werden. Bei der Aktiengesellschaft dagegen können Belegschaftsaktien ausgegeben werden, die, wenn sie als Vorzugsaktien ausgestaltet sind, den Mitarbeitern keine Mitspracherechte einräumen, sondern nur einen (wenn auch erhöhten) Gewinnanteil. Dadurch können die positiven Auswirkungen der Mitarbeiterbeteiligung wie Motivation, Vermögensbildung und Kapitalbeschaffung erzielt werden, ohne daß etwaige Vorbehalte gegenüber Verwaltungsrechten von Mitarbeitern entgegenstehen. Insgesamt kann also eine Zunahme der Unternehmen, die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisiert sind, vielfache positive Auswirkungen haben. Es sind daraus, wie gezeigt, sowohl Vorteile für die Unternehmen selbst, als auch für die gesamtwirtschaftliche Lage zu erwarten. ____________ 65

Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 31. Diesen Aspekt sprechen auch Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 31 und Dehmer, WiB 1994, 753, 755 an. Positiv für Mitarbeiterbeteiligungen auch Bergmann / Traub, DStR 1993, 1260. 67 Vgl. die Nachweise bei Dehmer, WiB 1994, 753, 755 über eine Studie von Portfolio Management. Danach gab es 1970 nur 36 Unternehmen, die Belegschaftsaktien ausgegeben haben. 1988 waren es demgegenüber bereits 140 Gesellschaften. Die Zahl der Aktionäre, die solche Anteile halten, ist in diesem Zeitraum von 400.000 auf etwa 1 Mio. gestiegen. 66

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz

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§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz Zunächst sollen nachfolgend Ziel und Methodik der Arbeit erläutert werden (unter A.). Eine Arbeit, die einen rechtsvergleichenden Ansatz wählt, muß neben der Entscheidung darüber, warum überhaupt rechtsvergleichend gearbeitet werden soll, Rechenschaft ablegen einerseits über die genaue Auswahl der Rechtsordnungen, die sie heranziehen will, andererseits über die Rechtsquellen, welche die Basis für die Arbeit liefern. Auf die Auswahl der Rechtsordnungen wird anschließend unter B. eingegangen. Die maßgeblichen Rechtsquellen stehen im Zentrum des Abschnitts C.

A. Ziel der Arbeit und Methodik Im vorangegangen Paragraphen wurde dargelegt, daß die mangelnde Eigenkapitalausstattung ein Hauptgrund für die Initiative des Gesetzgebers zum Erlaß des Gesetzes über die „Kleine AG“ war. Unternehmen in den USA haben dagegen eine gute Ausstattung mit Eigenkapital, was bereits erwähnt wurde. Dies hat vielfache Gründe, auf die hier nicht umfassend und im Detail eingegangen werden kann. Angesprochen werden muß aber, daß in den USA im Vergleich zu Deutschland viel mehr Unternehmen an der Börse notiert sind, was sicherlich eine Ursache der besseren Ausstattung mit Eigenkapital darstellt. Eine Hürde, die Unternehmer davon abhält, eine gesellschaftsrechtliche Organisationsform zu wählen, die sich über den öffentlichen Kapitalmarkt refinanzieren kann, gibt es dort damit offensichtlich nicht. Die Gründe, warum in Deutschland die Unternehmen davor zurückweichen, die Aktiengesellschaft als Gesellschaftsform zu wählen, wurden im vorangegangen Kapitel angedeutet, und liegen u.a. in der Satzungsstrenge und den strikten Vorschriften des Aktienrechts insgesamt. Eine wesentliche Ursache dafür ist darin zu sehen, daß die Aktiengesellschaft nach der Konzeption des Gesetzgebers, insbesondere nach der Aktienreform 1965, von ihrem Leitbild her eine Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Kreis anonymer Anleger ist. Diese Anleger sollen durch die restriktiven Vorschriften geschützt werden1. Eine „Kleine AG“, also eine kapitalmarktferne Gesellschaft mit einem überschaubaren Aktionärskreis stellt somit ein Widerspruch zu diesem Leitbild dar. Die GmbH dagegen dient dazu, personalistisch strukturierten Gesellschaften eine Organisation als Kapitalgesellschaft zu ermöglichen, so daß die Gesell____________ 1 Auf diesen Aspekt sowie die geschichtlichen Hintergründe wird später noch ausführlicher einzugehen sein, unter § 11 B. I. zur geschichtlichen Entwicklung in Deutschland.

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1. Teil: Einleitung

schafter insbesondere in den Genuß des Fehlens einer unbeschränkten persönlichen Haftung kommen. Dieser Rechtsformdualismus im deutschen Recht hat dazu geführt, daß sich die Grenzen zwischen beiden Gesellschaftsformen verfestigt haben und ein Wechsel den Unternehmern schwer fällt. In der Begründung des Entwurfs des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ hat der Gesetzgeber angeführt, daß durch den Dualismus zwischen GmbH und Aktiengesellschaft die Trennlinie im deutschen Gesellschaftsrecht falsch verläuft: „Richtiger wäre eine große Zweiteilung innerhalb des Kapitalgesellschaftsrechts, die an die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes … anknüpft“2. Lutter sieht gerade in einem solchen Ansatz eine „historische Weichenstellung“3 und gibt zu bedenken, daß andere Rechtsordnungen sich einer solchen kapitalmarktrechtlichen Betrachtung des Gesellschaftsrechts schon viel eher geöffnet haben. Dabei hebt er neben Frankreich besonders die USA hervor. Sowohl die gute Eigenkapitalausstattung US-amerikanischer Unternehmen als auch die Orientierung des Gesellschaftsrechts am Kapitalmarktrecht legen es nahe, einen Vergleich der deutschen Lösung mit derjenigen in den USA zu unternehmen. Dabei ist der Ausgangspunkt dieser Arbeit nicht ein Vergleich der einzelnen Regelung in Deutschland oder in den USA; vielmehr geht es um eine funktionelle Betrachtungsweise4. Es sollen in der Arbeit zwei verschiedene Modelle erfaßt werden, die beide am selben Sachverhalt anknüpfen und zur Verhinderung desselben sozialen Konfliktes5 dienen. Das Sachproblem läßt sich genauer durch die folgenden Fragen umschreiben: (1) Auf welche Weise gestalten verschiedene Rechtsordnungen die Regelungen für personalistische Kapitalgesellschaften und Publikumskapitalgesellschaften aus und (2) wie groß ist die Durchlässigkeit zwischen beiden Gesellschaftstypen. Im Detail interessieren die maßgeblichen Unterscheidungskriterien zwischen beiden Formen, sowie die genaue Ausrichtung an den sich voneinander unterscheidenden Bedürfnissen. Diese Arbeit geht davon aus, daß die unterschiedliche Stellung der Gesellschafter selbst der wesentliche Unterschied zwischen beiden Gesellschaftstypen die ist. Nur diese hängt unmittelbar von der Struktur der Gesellschaft ab, was ____________ 2

BT-Drucks. 12/6721, 1, 5. Lutter, AG 1994, 429, 430. 4 Vgl. dazu Zweigert / Kötz, § 3 I, S. 33, die davon sprechen, daß Ausgangspunkt nicht die rechtliche Regel, sondern ein konkretes Sachproblem sein muß. Ähnlich Rheinstein, S. 25, der den Begriff „funktionelle Rechtsvergleichung“ verwendet. 5 So Zweigert / Kötz, § 2 I, S. 14, zur Aufgabe der Rechtswissenschaft insgesamt, die nicht als reine „Interpretationswissenschaft“ verstanden werden soll, sondern sich an den sozialen Problemen orientieren und zu deren Lösung beitragen muß. 3

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz

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für die Behandlung der Gläubiger oder der Arbeitnehmer nicht gilt. So gibt es keinen Grund die Gläubiger in einer Publikumskapitalgesellschaft a priori stärker zu schützen als in einer personengeprägten Kapitalgesellschaft. Möglich ist lediglich, daß der Gesetzgeber und die Gerichte in beiden Gesellschaftstypen unterschiedliche Regelungen vorsehen, die sich zwar qualitativ unterscheiden, ohne dabei eine Schlechter- oder Besserstellung der Gläubiger zu beinhalten. Auch die Stellung der Arbeitnehmer ist nicht unmittelbar durch die Struktur der Gesellschaft beeinflußt6, sondern eher von der Größe des geführten Unternehmens und der damit zusammenhängenden Anzahl der Arbeitnehmer. Daher wird ein Rechtssystem bei der Ausgestaltung der Regeln für personalistische Kapitalgesellschaften und Publikumskapitalgesellschaften vor allem auf die Anteilseigner Rücksicht nehmen müssen. In einer Publikumsgesellschaft wird es eher notwendig sein, den Anteilseigner als Kapitalanleger zu schützen. In einer Gesellschaft, die personalistisch geprägt ist, wird dagegen die Vertragsfreiheit und die Fähigkeit der Gesellschafter, selbst ihre Interessen zu wahren, im Zentrum stehen. Diese Arbeit ist nicht rein rechtsvergleichend angelegt. Vor allem im nachfolgenden deutschen Teil stehen zunächst die dogmatische Durchdringung der neuen Regeln und die Bestimmung ihres Standpunkts im geltenden Recht im Zentrum. Man könnte die verfolgte Methodik daher „Rechtsvergleichung auf nationaler Basis“7 nennen. Es geht zunächst nicht darum, ein eigenes aus der Rechtsvergleichung gewonnenes System zu entwickeln. Ausgangspunkt ist vielmehr klar die Lösung des Problems im deutschen Recht unter Berücksichtigung der neuen Orientierung. Die Untersuchung des im US-amerikanischen Rechts vertretenen Ansatzes soll dazu dienen, Rückschlüsse für das eigene Recht zu ziehen. Der neue Ansatz im deutschen Recht soll durch den Vergleich kritisch hinterfragt und in einen größeren Zusammenhang gestellt werden, als dies nur unter Berücksichtigung der eigenen Rechtsordnung möglich wäre. Letztlich können so auch Folgerungen für künftige Reformen und somit der Fortentwicklung des eigenen Rechts gezogen werden. Die Erfahrungen der USA mit der von Lutter erwähnten kapitalmarktrechtlichen Orientierung des Gesellschaftsrechts können auf diese Weise für Deutschland fruchtbar gemacht werden. ____________ 6 Dies gilt zumindest, wenn man nicht von vornherein bei einer Publikumsgesellschaft etwa eine andere gesamtgesellschaftliche Verantwortung annimmt oder aus der Anonymität der Gesellschafterstruktur Rückschlüsse auf das Maß der Beteiligung der Arbeitnehmer zieht. Dies ist aber in strikter Form nicht der Ausgangspunkt des deutschen Gesetzgebers, was sich daran zeigt, daß das Eingreifen der Unternehmensmitbestimmung bei Kapitalgesellschaften v.a. an der Anzahl der Arbeitnehmer anknüpft. 7 Zum Begriff Zweigert / Kötz, § 3 VI, S. 46.

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1. Teil: Einleitung

B. Auswahl der Rechtsordnungen Warum sich die Arbeit auf das deutsche und das US-amerikanische Recht konzentriert, wurde bereits im vorangegangen Abschnitt dargelegt. Die Auswahl der Rechtsordnungen bedarf aber noch einer näheren Eingrenzung, da man nicht von „US-amerikanischem Gesellschaftsrecht“ im eigentlichen Sinne sprechen kann. Gesellschaftsrecht im Sinne eines privaten Korporationsrechts8, in dem das Innen- und Außenverhältnis von privatrechtlichen Personenvereinigungen, die zur Erreichung eines bestimmten gemeinsamen Zwecks durch Rechtsgeschäft begründet wurden9, geregelt ist, gibt es tatsächlich in den USA nicht als „US-amerikanisches“ Gesellschaftsrecht. Der Bund hat in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz10, so daß jeder Einzelstaat sowie der District of Columbia je ein corporation statute11 hat. Die Konsequenz für die Rechtsvergleichung ist, daß man grundsätzlich eine Entscheidung für einige Staaten treffen muß, deren Recht im Vordergrund stehen soll. Klassischerweise ist dies einerseits Delaware und andererseits New York und Kalifornien12. Die Wahl von New York und Kalifornien versteht sich beinahe von selbst, da beides wirtschaftlich bedeutende Staaten sind, die auch eine beträchtliche Anzahl an Neuinkorporationen verzeichnen können13. Warum Delaware, als zweitkleinster Staat der USA, dessen Einwohnerzahl mit 595.000 nicht einmal so groß ist wie die der Stadt Frankfurt am Main, wird anhand der Zahlen, die Alva in einem Aufsatz über die Bedeutung Delawares für das amerikanische Gesellschafts____________ 8

Es wird deswegen auf diese enge Definition hingewiesen, da es nach neueren Tendenzen durchaus auch möglich wäre, das sog. Kapitalmarktrecht zum Gesellschaftsrecht im weiteren Sinne zu zählen. 9 Definition so etwa bei Hueck, § 1 I, S. 1. 10 Einzelheiten dazu unten in § 11 B. II. 3. b). 11 Flechter Cyc Corp § 2.10. Der Begriff statute muß hier im Sinne von Gesetz verstanden werden und nicht im Sinne von Satzung oder Statut. 12 So befaßt sich Bungert hauptsächlich mit Delaware, New York und dem Modellgesetz, daneben mit Kalifornien und Florida, S. 18. Ähnlich Maier, der seine Untersuchung auf das Modellgesetz, Kalifornien, New York und Delaware beschränkt, S. 7. Auch Henn / Alexander erwägen bei der Frage nach dem richtigen Inkorporationsstaat zunächst die Vor- und Nachteile von Delaware auf S. 185 ff., dann von Kalifornien und New York auf S. 189 ff. Sehr plastisch beschreibt dies auch Mackkerron, 71 U. Det. Mercy L. Rev. 469 (1994): „Under the law of which state should a new corporation incorporate or a existing corporation reincorporate? … For the attorney, the answer is generally straight forward. The choice is among the ‘home state’, i.e., the state in which the corporation will have its principal office and carry on the bulk of its business, Delaware, or, perhaps, New York or California“ (m.w.N.). 13 Vgl. dazu Merkt, Rdnr. 171 ff.

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz

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recht14 von 1990 nennt, deutlich: über 40 % der Gesellschaften, die an der New York Stock Exchange NYSE notiert sind, und über 50 % der sog. „Fortune 500“-Gesellschaften15 sind in Delaware inkorporiert. Zudem gehen 82 % der Gesellschaften, die sich für eine Umgründung in einem anderen Staat entscheiden, nach Delaware. Delaware ist also der beliebteste Inkorporationsstaat in den USA16. In dieser Arbeit soll keine Beschränkung auf die genannten drei Staaten stattfinden. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen geht es hier nicht darum, die Details in einem eng umgrenzten Gebiet darzustellen, wofür eine klare Festlegung auf einige wenige Staaten unumgänglich wäre. Vielmehr sollen grundsätzliche Tendenzen aufgezeigt werden, die in der einen oder anderen Form in allen Staaten auftreten17, wobei aber selbstverständlich Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Der andere Grund liegt darin, daß die Bedeutung gerade von Delaware, aber auch von New York und Kalifornien, für die personalistisch ausgerichteten Gesellschaften, die close corporation, nicht so groß ist. Cox weist in seinem Lehrbuch eher beiläufig darauf hin, daß Delaware große Attraktivität gerade für publicly held corporation18 hat, was auch an den oben genannten Zahlen über die börsennotierten Unternehmen und die Unternehmen der „Fortune 500“ deutlich wird. Diese Unternehmen werden in Delaware gegründet, haben aber ihren Sitz und üben vor allem ihre Geschäftstätigkeit zumeist in einem oder mehreren anderen US-Bundesstaaten aus. Man nennt eine solche Gründung eine out-of-state incorporation. Dies ist aber für kleinere Unternehmen in viel geringerem Umfang üblich und sinnvoll. Typischerweise werden diese dort gegründet, wo sie auch ihre Geschäfte führen wollen. Dies hat zum einen Kostengründe19, da die Gesellschaften sowohl in dem Staat, in dem sie gegründet sind, als auch in dem Staat, in dem sie ihre Geschäfte ____________ 14

Alva, 15 Del. J. Corp. L. 885 (1990). Zu den „Fortune 500“-Gesellschaften zählen die 500 Gesellschaften, welche die größten Vermögen besitzen. 16 Zu weiteren Statistiken über die Anzahl der Inkorporationen Wiethöhler S. 148 für die 50er Jahre. Neuere Zahlen bei Merkt v.a. Abb. 9, Rdnr. 170 und Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 549. 17 Um mit Rheinstein, S. 31 ff. zu sprechen, geht es in der Arbeit eher um eine „Makrovergleichung“ als um eine „Mikrovergleichung“. Bei den Begriffen ist jedoch zu bedenken, daß die Übergänge fließend sind, wenn man nicht unter „Makrovergleichung“ ausschließlich eine Untersuchung einer Rechtsordnung oder gar eines Rechtskreises als Ganzes ansehen würde, womit jede andere Arbeit eine Mikrovergleichung darstellen würde. 18 Cox / Hazen / O’Neal, § 3.2, S. 3.7. 19 Cary / Eisenberg, S. 98; Hamilton, Cases, S. 156; Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1483 (1989). 15

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1. Teil: Einleitung

abwickeln, steuerpflichtig sind20. Zum anderen sind auch die Vorteile, die eine Gründung in einem bestimmten Staat mit sich bringt, für kleine Gesellschaften nur begrenzt21. Die Inkorporationen solcher kleinen Gesellschaften kommen also in jedem Staat abhängig von der jeweiligen Geschäftstätigkeit vor, ohne daß ein besonderer Schwerpunkt auf Delaware läge.

C. Auswahl der Rechtsquellen Gerade bei einer Arbeit, die in einem common law-Land wie den USA angesiedelt ist, ist es notwendig, das Augenmerk auch auf die Auswahl der Rechtsquellen zu lenken. An dieser Stelle kann und soll keine Theorie des common law entwickelt werden. Auf dessen Besonderheiten in der Rechtsfindung und Methodik kann nur in Ansätzen hingewiesen werden, vertiefte Ausführungen bleiben der speziellen Literatur zum US-amerikanischen Recht vorbehalten22. Nachfolgend soll jedoch wenigstens kurz angeschnitten werden, welche Rechtsquellen es insbesondere für das Gesellschaftsrecht in den USA gibt und welche Bedeutung in diesem Bereich dem Zusammenspiel von Gesetzen (statutes) und dem Recht, das sich aus den Entscheidungen der Gerichte ergibt (case law), zukommt (unter II.). Vorab ist aber auf die Besonderheiten des Verständnisses des common laws in den USA einzugehen (unter I.), was für die weitere Arbeit, vor allem für den Umgang mit den rechtlichen Regeln aus dem common law und den statutes im dritten Teil der Arbeit, von maßgeblicher Bedeutung sein wird.

I. Common law in der Tradition der Vereinigten Staaten Wenn man das common law und den Umgang damit in den USA einerseits und in England andererseits vergleicht, gibt es zwei wesentliche Unterschiede: Der eine betrifft die Präjudizienbindung (unter 1.), der andere das Verhältnis des common law zum statute law (unter 2.).

____________ 20 Auf weitere Nachteile weisen Henn / Alexander, S. 177 hin. Sobald eine Gesellschaft nur in einem einzigen Staat geschäftlich tätig werde und Eigentum halten will, empfehlen sie dort auch die Gründung. Dies trifft typisch auf die close corporation zu. Ebenso O’Neal § 2.11. 21 Näher hierzu Ayres, 70 Wash. U. L. Q. 365, 376. 22 Vgl. als Einführung etwa Hay oder Blumenwitz, um nur zwei Bücher zu nennen.

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz

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1. Präjudizienbindung Ein wesentliches Merkmal des common law ist der Grundsatz der stare decisis, also der Bindung eines Gerichts an die Entscheidungen eines im Instanzenzug übergeordneten Gerichts. Eine solche Bindung (und genaue Regelungen, wann von diesen abgewichen werden darf) ist notwendig, damit eine Rechtsordnung, die zumindest ursprünglich im wesentlichen auf Fallrecht aufbaute, bestimmten Mindestanforderungen, vor allem hinsichtlich der Rechtssicherheit, genügt. Eisenberg weist in seiner Monographie „Nature of Common Law“ auf die Prinzipien und Standards hin, denen das common law entsprechen muß. Die fundamentalen Prinzipien23, welche die Art und Weise, wie Recht eingeführt und geändert wird, betreffen, sind zunächst (1) Objektivität, im Sinne der Unparteilichkeit und der Universalität der Regelung, (2) Vorhersehbarkeit der Entscheidung und (3) die Möglichkeit, mit anderen Personen zu interagieren. Schließlich müssen die Regeln, die aufgestellt werden, im Einklang mit den allgemeinen Grundwerten der Gesellschaft sein. Durch die Entwicklung des Rechts mit den Mitteln des common law soll ein Recht geschaffen werden, daß mit den Grundeinstellungen der Gesellschaft, wie sie sich in Moral, gesellschaftlichen Grundsätzen und wissenschaftlichen Standards darstellt, übereinstimmt (social congruence). Zudem müssen die Regeln mit dem übrigen Rechtssystem in Einklang stehen (systemic consistency). Darüber hinaus muß der Umgang mit den Regeln einen angemessenen Vertrauensschutz gewährleisten24. Dies alles kann aber in einem Fallrechtssystem nur erfüllt werden, wenn durch Regeln der Präjudizienbindung eine gewisse Rechtssicherheit erreicht wird25. Ein wesentlicher traditioneller Unterschied zwischen den USA und England ist es hier, wie strikt diese Bindung gilt. In England galt bis 1966 eine strikte Bindung, so daß auch das House of Lords bis auf klar bestimmte Ausnahmen an seine eigenen Entscheidungen gebunden war26. Diese Striktheit war vor allem deswegen möglich, da die englische Spruchpraxis mit ihren verhältnismäßig wenigen Gerichten übersichtlich war27. In ____________ 23

Ausführlich zu diesen Prinzipien Eisenberg, S. 8 ff. Auch hier zu diesen standards for the common law detailliert bei Eisenberg, S. 43 ff. 25 Vgl. auch Schlesinger / Baade / Damaska / Herzog, S. 597. 26 Zu diesen Ausnahmen Fikentscher, Methoden II, S. 106. 27 Diese schon früh vorhandene starke Zentralisierung der Justiz führte bald zu einem einheitlichen Recht in England, so daß ein wesentlicher Anreiz der Kodifikation, 24

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1. Teil: Einleitung

einen Land, wie den USA, in dem 50 Einzelstaaten und der Bund getrennte Gerichts- und Rechtswegsysteme haben, ist eine solche strikte Bindung viel schwieriger. Fikentscher formuliert dies noch deutlicher: „Das eigentliche Prinzip der Anwendung älterer Fälle zur Entscheidung neuerer mußte wegen der Vielfalt der Jurisdiktionen in den USA zusammenbrechen“28.

2. Die USA als case law in weiten Verhältnissen Abhängig von einem unterschiedlichen Verständnis des common law können die USA und England als zwei unterschiedliche Untersysteme gesehen werden29. Dies hat darüber hinaus Auswirkungen für die Interpretation von Gesetzen. England kann hier als Land mit „case law in engen Verhältnissen“ bezeichnet werden. Gekennzeichnet ist dies dadurch, daß es wegen lediglich einer Gerichtsbarkeit, Rechtsanwaltschaft und Richterschaft übersichtlich ist. Zumindest vom Ansatz her, erfassen hier die Präzedenzfälle „langsam und nur im Falle eines dringenden Bedarfs ein Stück des noch nicht geregelten Rechtsraums“30. Der Gesetzgeber erläßt Gesetze nur als Einzelgesetze zur Regelung besonderer Fragen. Sie stehen neben den Regeln des common law und beschränken mit ihm zusammen die allgemeine Handlungsfreiheit immer weiter. Rechtspolitisch bedeutet dies, daß Gesetze grundsätzlich eng ausgelegt werden müssen, um den Freiraum zu wahren. In den USA ist die Situation anders. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Bindung an Vorentscheidungen geringer ist; damit schwindet aber, im Vergleich zu England, die Autorität der Präzedenzfälle. Die Fülle der Entscheidungen läßt für einen fallrechtsfreien Bereich keinen Raum mehr. Eine Folge davon ist, daß es nötig wird, hinter den Fallrechtsregeln allgemeine Rechtsprinzipien zu suchen, nach denen auch neue Fälle entschieden werden. Fikentscher bezeichnet ein solches System als „case law in weiten Verhältnissen“. Diese ____________ nämlich die Rechtsvereinheitlichung, hier nicht bestand. Zweigert / Kötz, S. 178. Zu dieser Stellung der Gerichte in common law-Ländern vgl. auch Schlesinger / Baade / Damaska / Herzog, S. 297. 28 Fikentscher, Methoden II, S. 59. Ähnlich auch Zweigert / Kötz, die auf die Einschränkung des Grundsatzes der Präjudizienbindung hinweisen, wegen der Unmöglichkeit sämtliche Vorentscheidungen zu berücksichtigen, S. 255. Vgl. auch Cross / Harris, S. 19, welche die spezifisch US-amerikanischen Probleme auf dem Hintergrund der Präjudizienbindung im englischen Recht darstellen. 29 Fikentscher, Methoden II, S. 73 ff. Auf dessen Ausführungen wird im folgenden Bezug genommen. Auch Begriffe und Einteilung wurden von ihm übernommen. 30 Fikentscher, Methoden II, S. 74.

§ 2 Rechtsvergleichender Ansatz

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praktisch lückenlose Durchdringung der Realität läßt auch Eisenberg anklingen. Nach seiner Meinung ist es sogar ein wesentliches Merkmal des common law, wobei er naturgemäß von den USA ausgeht, daß es umfassend ist. Dies bedeutet für ihn, daß es auf die Frage „Was ist das Recht bezüglich eines bestimmten Problems?“ immer eine Antwort gibt. Aufgrund seiner generative conception – also eines Konzepts, das auf Fortentwicklung basiert – ist es immer möglich, eine Regel unter Berücksichtigung der allgemeinen Prinzipien herzuleiten31. Dieser umfassende Charakter des common law hat zur Folge, daß jedes statute nicht den fallrechtsfreien Raum einschränkt, sondern das case law selbst. Nach Fikentscher besagt dies für die Auslegung von Gesetzen folgendes: Soweit das statutory law eine Einschränkung des case law darstellt, was zumeist der Fall sein wird, ist es eng auszulegen. Wenn das statutory law jedoch Gebiete reguliert, auf denen das umfassend gedachte case law keine Regelung bietet, so ist es eine Ergänzung, sog. implementing statutory law. Dieses kann unter Berücksichtigung der Rechtsprinzipien eng oder weit ausgelegt werden32.

II. Gesellschaftsrecht als statutory law Das Gesellschaftsrecht stellt aufgrund seiner historischen Entwicklung einen Bereich dar, in dem es sowohl in England als auch in den USA schon früh statutes, also geschriebene Rechtsquellen, gab. Dies stand im Zusammenhang mit dem „Konzessionssystem“ des Gesellschaftsrechts. So konnten schon in England die ersten großen Gesellschaften nur durch eine königliche Konzession oder durch ein spezielles Gesetz des Parlaments gegründet werden33. Auch in Amerika war dies bis ins frühe 19. Jahrhundert ähnlich. Nur die Einzelstaaten hatten durch den Erlaß spezieller Gesetze die Kompetenz, Gesellschaften Rechtsfähigkeit zu verleihen. Mit der Zunahme von Gesellschaftsgründungen änderte sich dies und es gab die ersten allgemeinen Gesetze, nach denen die Gründung einer Gesellschaft ermöglicht wurde. Nach Henn und Alexander erließ North Carolina 1785 als erster Staat ein general incorporation law, gefolgt von Massachusetts 1799 und New York 181134. Solche Gesetze enthielten ____________ 31

Praktische Beispiele dazu bei Eisenberg, S. 154 ff. Fikentscher, Methoden II, S. 75. 33 Cox / Hazen / O’Neal, § 2.2. 34 Henn / Alexander, S. 25. Cox / Hazen / O’Neal hingegen bezeichnen das Gesetz von New York im Jahre 1811 als erstes allgemeines Inkorporationsgesetz, § 2.4. Ebenso Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 244 (1984) und Vagts, S. 3. Hamilton, Law, S. 3, spricht gar davon, daß es erst um etwa 1840 solche Gesetze gab, wobei er wohl auf die Entwicklung 32

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1. Teil: Einleitung

neben dem Privileg der Gründung der Gesellschaft, u.a. Beschränkungen dieses Privilegs durch die Festschreibung bestimmter Zwecke und die Bestimmung eines Höchstkapitals und eines Mindestkapitals, das tatsächlich eingezahlt sein mußte35. Es folgte im Gesellschaftsrecht gesetzliche Bestimmungen, die zumindest Teilbereiche regelten. Neben diesen Vorschriften in den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Gesetzen, traten aber eine Vielzahl von Problemen auf, die durch die Richter und damit durch case law geregelt wurden. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, daß man staatliche Interventionen in den Ablauf der Wirtschaftsprozesse zum Schutzes des Schwachen in der USA grundsätzlich als Übel betrachtete. Wohlstand und Fortschritt konnten nur erreicht werden, wenn „man der Bewegungsfreiheit, dem Wagemut und der Verantwortungsfreude des Unternehmens den größtmöglichen Spielraum ließ“36. Im übrigen – wie bereits oben angedeutet – wurde mit Gesetzen in ganz anderer Weise umgegangen, als in Kontinentaleuropa. Der unterschiedliche Umgang zeigt sich auch in einem voneinander abweichenden Verständnis des Begriffes „Gesetz“ (code). In den Augen von common law-Juristen ist ein Gesetz immer eine Ergänzung zu ungeschriebenem Recht, bei dessen Auslegung und Lückenfüllung das common law beachtet werden muß37. Darüber hinaus besteht wohl auch ein grundsätzlicher Vorbehalt gegenüber Regelungen in Gesetzen38. Neben den Gesetzen entwickelte sich eine Fülle von case law. Im Verhältnis zu diesem, aus dem sich das common law ergibt, wurden die Gesetze als etwas betrachtet, was das common law einschränkt. Die Folge war, daß sie eng aus____________ außerhalb New Yorks abstellt, bei der sich ab 1836 ein allgemeiner Trend zu generellen Gesetzen abzeichnete, der sogar dazu führte, daß bis Ende des 19. Jahrhunderts beinahe alle Einzelstaaten verfassungsrechtliche Bestimmungen hatten, welche Gründungen durch Einzelfallgesetz ausschlossen. 35 Vgl. die Aufzählung der Normativbestimmungen bei Henn / Alexander, S. 26. Ausführliche Details auch in der dissenting opinion von Richter Brandeis im Fall Liggett Co. v. Lee, 288 U.S. 517, 549, 53 S.Ct. 481 (1933). 36 So Spencer in seinem Werk „Social Statics“ (1850), zitiert nach Zweigert / Kötz, S. 238. 37 Im Gegensatz dazu wird unter Gesetz (code) unter kontinentaleuropäischen Juristen ein umfassendes Regelungswerk verstanden, vgl. dazu Schlesinger / Baade / Damaska / Herzog, S. 293 38 Dazu Fikentscher, Methoden II, S. 121, der im Rahmen der Auslegungsregeln für Gesetze beschreibt, daß eine der Fragen bei der Auslegung war: „Welcher Mißstand, für den das common law keine Abhilfe schuf, sollte durch dieses Gesetz beseitigt werden?“. Ein Richter des common law wird eher dahin tendieren, festzustellen, daß durch das common law natürlich kein Mißstand geschaffen wurde, was zu einer äußerst restriktiven Interpretation des Gesetzes führt, S. 121.

§ 3 Gang der Darstellung und Abgrenzung des Themas

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gelegt wurden39. Vor diesem Hintergrund muß jede Beschäftigung mit den Regeln aus den amerikanischen statutes aber auch jeder Umgang mit dem common law gesehen werden.

§ 3 Gang der Darstellung und Abgrenzung des Themas Der beschriebene wirtschaftliche Hintergrund des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ sowie die Kritik an der Rechtsform der Aktiengesellschaft sollen als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit dienen. Das gesetzgeberische Ziel, also die Steigerung der Attraktivität der Aktiengesellschaft für den Mittelstand, wird mit der „Kleinen AG“ nur dann erreicht, wenn diese gegenüber der bisherigen klassischen Aktiengesellschaft merkliche Vorteile für kleinere Unternehmen bietet und sich dadurch eher als eine der GmbH nahestehende Rechtsform darstellt. Der nachfolgende zweite Teil der Arbeit enthält den Länderbericht zum deutschen Recht. Dieser Teil besteht aus drei Paragraphen. Im ersten Paragraphen (in § 4) wird der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ aufgezeigt. Dabei geht es zentral um die Alternativen, die im Vorfeld zum Gesetzgebungsvorhaben diskutiert wurden, um die Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen zu verbessern. So wird deutlich, in welchem Umfeld die Gesetz gewordenen Änderungen des Aktiengesetzes zu sehen sind. In dem darauf folgenden Paragraphen (in § 5) stehen die vom Gesetzgeber eingeführten Einzelregelungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Allgemein geht es hier darum, die Position der „Kleinen AG“ im Belastungsvergleich zwischen der GmbH einerseits und der klassischen Aktiengesellschaft andererseits zu bestimmen. Die Gegenüberstellung der Gesellschaftsformen und damit auch die Bewertung der Veränderungen kann und soll in zweifacher Weise geschehen: Zunächst ist es erforderlich, herauszuarbeiten, inwieweit sich in den einzelnen Vorschriften eine Abkehr vom bisherigen Regelungsmuster der Aktiengesellschaft und eine Annäherung an die gesetzlichen Bestimmungen über die GmbH findet. Eine Beschränkung auf einen solchen isolierten Vergleich, der nur die Neuregelung mit einbezieht, würde aber das Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts aus dem Auge verlieren. Um dem ____________ 39 So Ayres, 70 Wash. U. L.Q. 365 (1992) in Fußn. 11. Ebenso Texas & Pac. Ry. v. Abilene Cotton Oil Co., 204 U.S. 426 (1907), in dem der Supreme Court auf S. 437 folgendes ausführt: „We must be guided by the principle that repeals by implication are not favored, and, indeed, that a statute will not be construed as taking away a common law right existing at the date of its enactment, unless that result is imperatively required“.

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1. Teil: Einleitung

entgegenzuwirken, muß des weiteren die Bedeutung der Gesetzesänderungen vor dem Hintergrund der zwischen den beiden Gesellschaftsformen insgesamt bestehenden Wesensunterschiede beleuchtet werden. Der § 5 teilt sich in vier Abschnitte und behandelt die Bereiche „Gründung und Strukturänderungen“ (unter A.), „Organisationsverfassung“ (unter B.), „Finanzverfassung“ (unter C.) und enthält abschließend eine Bewertung der Reform insgesamt (unter D.), zum einen aus Sicht der Praxis, zum anderen aus rechtsdogmatischen Erwägungen. Der letzte Paragraph dieses Teiles (unter § 6) ist mit dem Titel Idee der „Kleinen AG“ überschrieben. Hier geht es darum, die grundsätzliche Neuorientierung des Gesetzes aufzuzeigen, die darin besteht, unterschiedliche rechtliche Regelungen nicht lediglich an rechtsformspezifischen Differenzierungen anzuknüpfen, sondern an materiellen Kriterien. Zunächst wird § 6 auf die Ursprünge dieses Ansatzes eingehen, die sich etwa ab Mitte der 50er Jahre in der Literatur und in den 70er Jahren in der Unternehmensrechtskommission finden, sowie auf deren bisherige Umsetzung im geltenden Recht. Im weiteren werden dann die Kriterien, wie sie im Gesetz über die „Kleine AG“ vom Gesetzgeber verwendet wurden, analysiert und bewertet. Dabei wird noch einmal auf die Wertung von Lutter1 einzugehen sein, für den die überragende Neuorientierung des Gesetzes in der Einführung eines kapitalmarktbezogenen Kriteriums ins deutsche Recht besteht. Aus der erwähnten Zielsetzung dieses Teiles ergeben sich zugleich die Grenzen der Arbeit. Da im Vordergrund der Belastungsvergleich der Gesellschaftsformen steht, wie er sich aufgrund der Neuregelung durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ darstellt, kann die Arbeit zum einen kein Handbuch der „Kleinen AG“ sein, das auf jedes einzelne sich durch die Neuregelung stellende Problem umfassend eingeht und die gesetzlichen Bestimmungen, die durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ in das Aktiengesetz eingefügt wurden, erschöpfend würdigt2. Zum anderen kann die Arbeit natürlich auch kein praktischer Leitfaden für den Umgang mit der „Kleinen AG“ sein. Im Hinblick auf die zahlreichen Veröffentlichungen3 auf dem Gebiet der „Praktikerliteratur“ besteht dafür wohl auch kein dringlicher Bedarf. Darüber hinaus beschränkt sich die Arbeit auf die gesellschaftsrechtlichen Regelungen, ____________ 1

Lutter, AG 1994, 429, 430. Hingewiesen sei aber hierzu auf die Werke etwa von Seibert / Köster / Kiem und Ammon / Görlitz, die hier durchaus den Charakter eines Handbuches haben. 3 Hier ist v.a. Vortmann zu nennen, aber auch Hahn, Hölters / Deilmann und Wahlers. 2

§ 3 Gang der Darstellung und Abgrenzung des Themas

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wobei zum Teil kapitalmarktrechtliche Fragestellung mitberücksichtigt werden. Steuerliche Fragen dagegen bleiben außer Betracht4. Dies ist durch die sachliche Reichweite der Reform des Gesetzgebers bedingt. Zwar darf nicht übersehen werden, daß gerade in der Praxis steuerrechtliche Fragen eine erhebliche Rolle für die Wahl der Gesellschaftsform spielen; eine Einbeziehung auch dieses Bereiches würde aber den Rahmen und die Zielsetzung dieses Teiles der Arbeit und der Arbeit insgesamt sprengen. Im dritten Teil folgt der Länderbericht zum Recht der USA, der ein zweifaches Ziel hat: Zum einen soll herausgearbeitet werden, welche Kriterien in den Rechtsordnungen der Einzelstaaten zur Abgrenzung für personenbezogene Gesellschaften und Publikumsgesellschaften herangezogen werden. Zum anderen wird ein besonderes Augenmerk auf das von Lutter angesprochenen Ineinandergreifen von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gelegt werden. Dieser Teil besteht aus vier Paragraphen. Zunächst widmet sich ein Paragraph (unter § 7) der Klärung des Begriffs close corporation in Abgrenzung zu ähnlichen Bezeichnungen, nicht zuletzt um den Sprachgebrauch dieser Arbeit festzulegen. Der folgende § 8 erörtert die Behandlung personalistischer Kapitalgesellschaften im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht. Dabei geht es in einem ersten Abschnitt (unter A.) darum zu untersuchen, inwieweit sich in der Gesetzgebung der Einzelstaaten Sonderregelungen für solche Gesellschaften (sog. close corporation-Gesetzgebung) finden. Im zweiten Abschnitt (unter B.) wird dann detailliert auf die verschiedenen Definitionsansätze eingegangen, die in der close corporation-Gesetzgebung der Einzelstaaten verwendet werden. Ein dritter Abschnitt (unter C.) schließlich geht der Frage der Bedeutung der close corporation in der Praxis nach. Der nächste Paragraph (§ 9) behandelt die Stellung der personalistischen Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht. Nach einem ersten Überblick über Regelungen und über die Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts (unter A.) und einer Bestimmung des Begriffs security, der ein Zentralbegriff des Kapitalmarktrechts ist (unter B.), wird unter C. auf die Offenlegungsvorschriften des Securities Act 1933 eingegangen und unter D. auf diejenigen des Securities Exchange Act 1934. Abschließend wird die Frage nach der Bedeutung der Offenlegungsregeln im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht insgesamt beleuchtet (unter E.). Der letzte Paragraph des Länderberichts zum US-amerikanischem Recht (§ 10) ist den kapitalmarktrechtlichen Implikationen des Gesellschaftsrechts gewidmet, ____________ 4 Vgl. zu steuerrechtlichen Fragen aber ausführlich Ammon / Görlitz, S. 101 ff. und Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 387 ff. Auch Theisen / Salzberger, in: „Kleine AG“ – attraktiv für mittelständische Unternehmen?, S. 32 ff. und dieselb., Steuer Stud 16 (1995), S. 447 ff. mit Hinweisen auf die steuerrechtliche Behandlung der Kleinen AG und den steuerlichen Konsequenzen einer Umwandlung.

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1. Teil: Einleitung

die sich insbesondere durch die Neufassung des § 7.32 Revised Model Business Corporation Act über shareholders’ agreements sowie § 8.01 des gleichen Modellgesetzes zur Möglichkeit einer Abschaffung des board of directors zeigen. Der vierte Teil der Arbeit befaßt sich mit dem Vergleich der Ansätze in beiden Rechtsordnungen und den Schlußfolgerungen aus den Länderberichten und besteht aus drei Paragraphen (§§ 11–13). Zunächst werden darin zusammenfassend die grundsätzlichen Unterschiede im Ansatz des US-amerikanischen Rechts und des bisherigen deutschen Rechts für die Frage der Differenzierung zwischen personenbezogenen Gesellschaften und Publikumsgesellschaften herausgearbeitet und dargestellt (§ 11 A.). Die Ursachen für diese unterschiedlichen Ansätze haben in erster Linie historische Hintergründe, die nachfolgend in § 11 B. beleuchtet werden. Der folgende § 12 zeigt, in welchen Bereichen der neue Ansatz, also eine Abkehr von einem strikten Rechtsformdualismus und eine Hinwendung zur Orientierung an materiellen (vor allem kapitalmarktabhängigen) Kriterien für eine Festlegung des Schutzniveaus über das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ hinaus von Bedeutung ist. Dabei wird der Fokus auf den Änderungen des Aktienrechts durch das KonTraG und den Entwicklungen des Kapitalmarktrechts liegen. Dieser vierte Teil schließt in § 13 mit einer Kritik des neuen Ansatzes. Dabei sollen die Vor- und Nachteile des gesetzgeberischen Ansatzes aufgezeigt werden. Neben grundsätzlichen Argumenten, die dagegen vorgebracht werden, gibt es auch Kritikpunkte, die an der konkreten Umsetzung anknüpfen. Auch auf diese wird einzugehen sein, da sie für eventuelle weitere gesetzgeberische Vorhaben maßgeblich sein können. Der Ausblick dieser Arbeit (in § 14) richtet sich auf Europa. Die Deregulierung des Aktienrechts, die sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt hat, hat nämlich durchaus eine europarechtliche Perspektive, die im Zusammenhang mit dem Internationalen Privatrecht und der äußerst umstrittenen „Centros“Entscheidung des EuGH sowie den Folgeentscheidungen („Überseering“ und „Inspire Art“) steht.

2. Teil

Deutsches Recht § 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ In diesem ersten Paragraphen des zweiten Teiles wird der Weg nachgezeichnet, der zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ geführt hat. Unter A. werden dazu zusammenfassend Reformideen aufgezeigt, die als Abhilfe gegen die Eigenkapitalknappheit des deutschen Mittelstands im Laufe der Zeit diskutiert worden sind. Die umgesetzte Reform des Aktienrechts und die Einführung der „Kleinen AG“ ist in diesem Zusammenhang zu sehen, so daß eine kurze Darstellung hier angezeigt erscheint. Unter B. folgt knapp die eigentliche Gesetzgebungsgeschichte folgen. Soweit sich die Literatur kritisch zu dem Gesetz äußert, basiert diese Kritik auch auf dem Vorwurf, daß die Regelungen nicht hinreichend vom Gesetzgeber durchdacht und zu schnell Gesetz geworden sind1. Auch um diese Äußerungen würdigen zu können, ist es notwendig, sich die Diskussionen im Vorfeld des Gesetzes sowie die Gesetzgebungsgeschichte zu vergegenwärtigen.

A. Reformansätze zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung des Mittelstandes Das zu Beginn der Arbeit beschriebene Problem der geringen Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen führte etwa ab dem Anfang der 80er Jahren zu einer intensiven Debatte über die zur Abhilfe dieses Mißstandes ge____________ 1

Am deutlichsten etwa Zöllner, AG 1994, 336, 340, der das Gesetz als „last-Minute-Gesetz“ bezeichnet, das nach seiner Auffassung „mit heißer Nadel genäht und daher mit allen Schwächen behaftet [ist], die solchen Produkten in der Regel eigen sind“. Eher kritisch auch Heckschen, DNotZ 1995, 275, der davon spricht, daß das Gesetz im „Eiltempo“ erlassen wurde und Claussen, AG 1995, 163, 168, der bemerkt, daß das Gesetz einer „Intensivberatung … weder in der parlamentarischen Debatte noch in der Wissenschaft zuteil geworden“ ist. Positiv aber etwa Blanke, BB 1994, 1505, welcher der Ansicht ist, daß das Gesetz in „erstaunlich kurzer Zeit geglückt“ ist. Ähnlich Priester, BB 1996, 333 und Bösert, DStR 1994, 1423.

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2. Teil: Deutsches Recht

eigneten Mittel. 1984 nahm sich der 55. Deutsche Juristentag in Hamburg der Frage an, welche Maßnahmen sich empfehlen, insbesondere im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen langfristig zu verbessern2. Dort und in der nachfolgenden Auseinandersetzung in der Literatur wurden verschiedene Ansätze3 in Betracht gezogen.

I. Ausgabe von Genußrechten Ein Teil der Reformansätze hatte das Ziel, jeder Art von Unternehmen – unabhängig von der Rechtsform – Börsenzugang zu gewähren. Als eine solche Alternative4 stellt sich zunächst die Ausgabe von Genußrechten dar5. Genußrechte sind teilweise im Gesetz erwähnt6, ohne daß diese Aufzählung abschließend wäre und eine generelle gesetzliche Definition daraus gewonnen werden könnte.

____________ 2 Dazu Gutachten B von Reuter und Sitzungsbericht K, außerdem folgende Stellungnahmen im Umfeld des Juristentags: Reuter, in: FS Stimpel, S. 645 ff.; K. Schmidt, JZ 1984, 771 ff. 3 Der Ansatz Reuters, der v.a. einen stärkeren Zwang zur Wahl publikumsoffener Gesellschaftsformen vorschlägt – was er insbesondere durch eine teleologische Restriktion des § 54 BGB erreichen will – soll hier wegen des grundlegend anderen Ansatzes ausgespart bleiben, vgl. dazu aber Reuter, 55. DJT, B 12 f. und ders.¸ in: FS Stimpel, S. 645 ff., insb. S. 663 ff. Kritisch zum Ansatz Reuters K. Schmidt, JZ 1984, 771, 780 ff. und Schwark, Diskussion, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 106 f. Ebensowenig wird hier auf Vorschläge eingegangen, die sich nicht auf die Verbesserung der Nachfrage nach externem Risikokapital, sondern auf die Verbesserung des Angebots oder der Vermittlung beziehen. Vgl. dazu statt vieler Reuter, 55. DJT, B 74 ff. und B 97 ff. und K. Schmidt, JZ 1984, 771, 775 ff. 4 Vgl. Reuter, 55. DJT, B 24. Ebenso Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 288 und Claussen, in: FS Werner, S. 81, 96, der dies aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. b Nr. 7 4. VermBG ableitet, der im Hinblick auf Genußscheine als mögliche Emittenten allgemein von „Unternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ spricht. Auch Vollmer, ZGR 1983, 445, 447. 5 Zu den Genußrechten als Mittel der Eigenkapitalaufnahme vgl. auch Prebil, S. 37 ff. und Brinkmann, S. 118 ff.; Wiedemann in: Großkomm. AktG Vor § 182 Rdnr. 108 sieht Genußrechte als eine Finanzierungsform, die ebenso wie die Stille Gesellschaft, Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen zwischen Eigen- und Fremdkapital steht. Zu genaueren Einordnung stellt er – in Rdnr. 110 – auf die Ausgestaltung der Genußrechtsbedingungen im einzelnen ab. Auch Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275 ist der Meinung, daß der Genußschein „zwischen Beteiligungs- und Gläubigerpapier“ steht. Dort auch Details zu den Voraussetzungen der Ausgabe von Genußrechten. 6 Vgl. etwa §§ 160 Abs. 1 Nr. 6, 221 Abs. 3, 4 AktG, § 10 Abs. 5 KWG. Weitere Fundstellen bei Hüffer, AktG § 221 Rdnr. 23. Für die steuerrechtliche Gestaltungen vgl. Claussen, in: FS Werner, S. 81, 89 mit zahlreichen Nachweisen.

§ 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften“

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Allgemein versteht man unter Genußrechten einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber einer Gesellschaft auf Vermögensvorteile, die auch Inhalt einer Mitgliedschaft sein können7. Da hier ein schuldrechtlicher Anspruch Ausgangspunkt ist, wird dieser Weg zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung auch obligationsrechtliche Lösung genannt. Beispiele für Vermögensvorteile, die verbrieft werden können, sind das Recht auf Beteiligung am ausgeschütteten Gewinn oder am Liquidationsgewinn, aber auch Umtausch- und Bezugsrechte auf neue Aktien. Insgesamt weisen Genußrechte eine große Variationsbreite auf. Für den Unternehmer ist von entscheidendem Interesse, daß die Genußrechte zwar einen vermögensrechtlichen Anspruch verbriefen, aber keinerlei mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte gewähren8. Im übrigen unterliegen sie, im Gegensatz zu stimmrechtslosen Vorzugsaktien keiner gesetzlichen Ausgabebegrenzung und sind zudem steuerlich begünstigt9. Den Anforderungen der Kapitalgeber wird dadurch Genüge getan, daß Genußrechte leicht gehandelt werden können. Insbesondere ist es möglich die Rechte in sogenannten „Genußscheinen“, die Wertpapiere sind, zu verbriefen und eine Zulassung zum Börsenhandel zu erhalten, wodurch ein hohes Maß an Liquidität gewährleistet ist. Eine Finanzierung durch die Ausgabe von Genußrechten hat jedoch auch Nachteile10. Genußscheine weisen ein viel geringeres Maß an Standardisierung auf als Aktien. Damit verlieren sie an Attraktivität für Anleger, da von ihnen – wegen mangelnder Informationsmöglichkeiten – entweder ein höheres Risiko in Kauf genommen werden muß oder – aufgrund einer aufwendigeren Informationsbeschaffung – sich die Kosten für die Investition erhöhen. Auch ____________ 7

Im vorliegenden Fall wird von „echten“ Genußscheinen gesprochen, die als aktiengleich angesehen werden können. Im Gegensatz dazu gibt es auch „unechte“ (obligationsähnliche) Genußscheine, die durch eine feste Mindestverzinsung und einen Anspruch auf Rückzahlung zum Nennwert nach (i.d.R. allerdings langer) Frist oder Kündigung charakterisiert werden. Solche „unechten“ Genußscheine wurden beispielsweise von den Unternehmen BMW, Varta und Atlanta ausgegeben, vgl. Reuter, NJW 1984, 1849, 1851 und werden als Fremdkapital angesehen. Zu dieser Differenzierung auch Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 147 und Vollmer, ZGR 1983, 445, 451. 8 Ebenso Pougin, in: FS Oppenhoff, S. 275, 276. 9 Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 168, die ausführen, daß Genußscheinkapital, das entweder eine Gewinnbeteiligung enthält oder eine Beteiligung am Liquidationserlös gewährt, steuerlich als Fremdkapital betrachtet wird. Dies folgt aus § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, der bestimmt, daß Gewinnausschüttungen auf Genußscheine, mit denen beide Rechte verbunden sind, steuerlich Eigenkapital sind. Daraus wird ein Umkehrschluß gezogen, mit der Folge, daß ausgezahlte Gewinnanteile auf Genußscheine mit nur einem Recht als Betriebsausgaben den Gewinn schmälern. Zur steuerlichen Behandlung auch Vollmer, ZGR 1983, 445, 454. 10 Dazu statt vieler Prebil, S. 43.

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2. Teil: Deutsches Recht

für den Unternehmer wird der Aufwand höher, wenn er verschiedene Mittel der Eigenkapitalfinanzierung einsetzt, also beispielsweise Stammaktien, stimmrechtslose Vorzugsaktien und als drittes Finanzierungsinstrument Genußscheine. Die Zersplitterung führt einerseits zu einer geringeren Liquidität wegen der Marktenge der Papiere, zum anderen führen auch bestehende Kursunterschiede zwischen verschiedenen Instrumenten zur Eigenkapitalaufnahme zu erhöhten Kosten. Die Ausgabe von Genußscheinen kann daher wohl, gerade bei der GmbH, nicht als ausreichende Alternative zur Aufnahme von Eigenkapital angesehen werden. Reuter11 sieht in aktienähnlichen Genußrechten, die von einer GmbH ausgegeben werden, sogar eine Umgehung des Aktienrechts, wenn man die rechtliche Stellung der Erwerber von Genußrechten mit der von Aktionären vergleicht. Er kommt daher insofern zur Unzulässigkeit von Genußrechten. Auch wenn man hier nicht so restriktiv sein will, erscheint die Eigenkapitalaufnahme alleine durch die Emission von Genußscheinen jedenfalls als nicht optimal12. Eine ähnliche Einschätzung haben die Unternehmen selbst. Die Studie von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter hat ergeben, daß die Unternehmen zwar den Genußscheinen überwiegend positiv gegenüber stehen, diese aber nicht als Alternative zu einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft sehen, sondern als zusätzliche Möglichkeit der Eigenkapitalaufnahme13. Der Deutsche Juristentag selbst hat in zwei Beschlüssen die Möglichkeit der Ausgabe von Genußscheinen unterstützt14 und angeregt, sowohl innerhalb des Aktiengesetzes, wie auch bei anderen Rechtsformen Gesetzesänderungen vorzunehmen, um entgegenstehende Vorschriften abzuändern bzw. Mindestbedingungen für Genußscheine aufzustellen.

____________ 11

Reuter, in: FS Stimpel, S. 645, 654 ff. So wiederum Reuter, in: FS Stimpel, S. 645, 654 ff. zu Genußrechten insgesamt. Ähnlich auch Fritsch, S. 86. Anders aber Albach, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 9, 29, der die Ausgabe von Genußscheinen zumindest bei Personengesellschaften als geeignete Maßnahme zur Aufnahme von Eigenkapital sieht, befürwortend zum Genußrecht insgesamt auch Claussen, Diskussion, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 108 ff.; Than, ebenda, K 113 ff. und Vollmer, ebenda, K 115 ff. Die beiden letzteren sehen Genußscheine als sinnvolle Ergänzung der Eigenkapitalaufnahme an. 13 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 169 f. 14 Vgl. dazu Albach, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 9, 29; Claussen, Diskussion, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 108 ff.; Than, ebenda, K 113 ff. und Vollmer, ebenda, K 115 ff, die jeweils die Ausgabe von Genußscheinen befürworten. Als ergänzendes Mittel werden sie auch von der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“ befürwortet, vgl. Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 149 f., dort allerdings auch zu den Bedenken, des weiteren auch Brinkmann, S. 118 ff. 12

§ 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften“

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II. GmbH auf Aktien als neue Rechtsform Auf dem Deutschen Juristentag wurde besonders von Semler die Einführung einer GmbH auf Aktien (GmbHaA) als Reformansatz zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis mittelständischer Unternehmen favorisiert15. Für diese Gesellschaftsform sollen Strukturelemente des GmbH-Rechts mit denen des Aktienrechts kombiniert werden16, so daß eine Zwischenform zwischen GmbH und Aktiengesellschaft entsteht. Nach der Konzeption Semlers wird den Anteilseignern bei einer solchen Gesellschaftsform die Möglichkeit eingeräumt, an der Geschäftsführung mitzuwirken. Hierin liegt ein typisches Merkmal der GmbH, das wegen § 76 AktG bei der Aktiengesellschaft de lege lata nicht möglich ist. Andererseits kann durch diese Rechtsform eine Gesellschaft auf eine breite Finanzierungsbasis mit zahlreichen, auch wechselnden Anteilseignern gestellt werden, da – ebenso wie bei einer KGaA – eine Börsennotierung der Aktien in Betracht kommt. Dieser Lösungsvorschlag wurde vom Deutschen Juristentag jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt17. Zum einen wurde der erhebliche gesetzgeberische Aufwand gescheut, zum anderen wurden Befürchtungen laut, daß eine GmbHaA ein ebenso unscheinbares Dasein wie die KGaA erwarten könnte18.

III. Handel von GmbH-Anteilen und anderen Gesellschaftsanteilen an der Börse Das Beispiel der Aktiengesellschaft zeigt, daß eine Verbesserung der Ausstattung mit Risikokapital in erster Linie durch einen Gang an die Börse herbeigeführt werden kann. Aus dieser Idee resultiert ein weiterer Ansatz, der zur Lösung des Problems erwogen wurde. Wenn die Unternehmen nicht bereit sind, in die Rechtsform der Aktiengesellschaft zu wechseln, um dann durch einen Börsengang die Eigenkapitalausstattung zu verbessern, sondern in der Rechtsform der GmbH verharren, muß man sich darüber Gedanken machen, ob nicht die Zulassung anderer Gesellschaftsanteile an einem börsenrechtlichen Markt einen gangbaren Weg darstellen könnte. Dabei wird der Handel von GmbHAnteilen oder anderen Gesellschaftsanteilen im sog. „Zweiten Börsenmarkt“ ____________ 15

Semler, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 38 ff., ders., in: FS Stimpel, S. 507 ff. Zu den Einzelheiten der Ausgestaltung, Semler, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 50 ff. und v.a. ders., in: FS Stimpel, S. 507, 523 ff. Auch Heindl, S. 115. 17 Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 223. 18 Rittner, Diskussion, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 81. Kritisch auch zum gesetzgeberischen Bedürfnis Krieger, Diskussion, ebenda, K 147; Schilling, Diskussion, ebenda, K 138 und Zapp, Diskussion, ebenda, K 133. Ebenfalls kritisch Heindl, S. 119. 16

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2. Teil: Deutsches Recht

angesprochen, also ein Handel in börslichen Nebenmärkten, wie dem Freiverkehr und dem geregelten Markt. Die Durchsetzung dieser Lösungsvariante war bereits im Jahresgutachten des Sachverständigenrates für gesamtwirtschaftliche Entwicklung 1979/1980 gefordert worden19. Danach sprach sich insbesondere die Kommission „Zweiter Börsenmarkt“ und die dazugehörige Arbeitsgruppe dafür aus. Es handelt sich dabei um eine Kommission, die im Oktober 1986 durch Herzog, damals Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie in Baden-Württemberg eingesetzt worden war. Ihre Aufgabe war es, eine Untersuchung der Probleme durchzuführen, die bei einer Börseneinführung von GmbH-Anteilen und anderen Gesellschaftsanteilen von Nichtaktiengesellschaften auftreten können. Die Kommission sollte daraufhin Lösungen entwickeln, die einen erleichterten Zugang vor allem mittelständischer Unternehmen zu den börslichen Nebenmärkten ermöglichen würden20. Die Arbeitsgruppe, die im Februar 1988 nach Veröffentlichung des Kommissionsberichts eingerichtet wurde, hatte die Aufgabe, das von der Kommission entwickelte Modell zu prüfen, weiterzuentwickeln und schließlich ein Umsetzungskonzept zu erarbeiten21. Die Kommission schlägt – im Hinblick auf einen Handel von GmbH-Anteilen – vor, für börsennotierte GmbH die Anteilsübertragungsvorschriften zu ändern. Dies betrifft insbesondere den Wegfall der notariellen Beurkundung und die Zulassung der wertpapiermäßigen Verbriefung in Inhaber- oder Orderpapieren22. Nach Ansicht der Kommission ist ein entscheidender Vorteil dieser Lösung, daß außer diesen Änderungen keine weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen erforderlich wären23. Als optionale Änderungen sieht sie eine Klarstellung durch den Gesetzgeber an, die besagt, daß für Inhaber börsennotierter Gesellschaften keine Solidarhaftung im Falle einer unzulässigen Einlagenrück____________ 19

Sachverständigengutachten 1979/1980, Rdnr. 367. Zu Einrichtung und Aufgabe der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, vgl. Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 1; Vollmer / May, S. 2 ff. und Hundt, S. 4 f. Vgl. zu diesem Vorschlag auch Brinkmann, S. 100 ff. 21 Vollmer / May, S. 6 und Hundt, S. 6. 22 Bericht der Kommission, S. 101 f. Zu den genauen Vorschlägen der Kommission und der Arbeitsgruppe v.a. bezüglich des Modells „Anleger-Verein“, das von der Arbeitsgruppe vertieft wurde, vgl. Hundt, S. 6 ff., ebenso wie Vollmer / May, S. 9 ff. mit Mustersatzung eines solchen Vereins, S. 68 ff. Im Bericht der Arbeitsgruppe steht die Umsetzung des Modells „Anleger-Verein“ im Vordergrund, da dadurch am schnellsten und einfachsten ein Börsengang von Nicht-Aktiengesellschaften ermöglicht werden könnte, Vollmer / May, S. 6. 23 Kritisch hier aber Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 233, der nicht glaubt, daß lediglich eine Aufhebung des § 15 Abs. 3 GmbHG genügt, ähnlich auch Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181. 20

§ 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften“

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gewähr Platz greift. Als zusätzliche Erleichterung regt sie die erhebliche Herabsetzung des Mindestnennwertes in § 5 GmbHG von damals 500 DM auf 50 DM, wie früher bei der Aktie, an24. Notwendige Anforderungen zum Anlegerschutz sollten nicht vom Gesetzgeber, sondern durch autonome Zulassungsbedingungen der Börsen selbst geregelt werden. Auch hinsichtlich der Anteile der KG und der Stillen Gesellschaft sowie für eigenkapitalergänzende Genußscheine spricht sich die Kommission für eine Zulassung zum Börsenhandel aus25. Als entscheidendes Argument gegen die Schaffung einer GmbHaA und gegen eine Deregulierung des Aktienrechts weist sie auf den erheblichen gesetzgeberischen Regelungsaufwand, der mit diesen Modellen verbunden ist, hin26. Bis zur Umsetzung ihrer Vorschläge sieht die Kommission schon de lege lata die Möglichkeit, Anteile von GmbH und Personengesellschaften mittelbar an der Börse zu handeln. Dafür müßte ein Anlegerverein gebildet werden, der Gesellschafter in einer ansonsten in der Grundstruktur geschlossenen Gesellschaft mit festem Mitgliederkreis ist. Da an der Börse nur die Anteile des Vereins gehandelt würden, wäre die Verwirklichung dieser Variante auch ohne eine Erhöhung der Fungibilität der GmbH-Anteile möglich. Der Vorschlag der Kommission durch Änderungen des GmbH-Rechts die Möglichkeit, zum börslichen Handel von GmbH-Anteilen zu schaffen, war zuvor bereits durch den 55. Deutschen Juristentag angenommen worden27. Gleichwohl wurde dagegen in der Literatur heftige Kritik laut. Hauptsächlich wird hier vorgebracht, daß der Handel am organisierten Kapitalmarkt ein, wie sich Reuter ausdrückt, „standardisiertes Rechtskleid“ voraussetzt, was bei der GmbH nicht gewährleistet sei28. Ein Problem, das immer beim Handel an der ____________ 24

Bericht der Kommission, S. 114. Anders aber Albach, in: Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 28, der sogar eine Stückelung im Nennwert von 10.000 DM vorschlägt, um das „breite, schutzbedürftige Publikum“ fernzuhalten. Ähnlich Reuter, in: FS Stimpel, S. 645, 659, der aber auch darauf aufmerksam macht, daß der Vorschlag damit „am Bedarf“ vorbeigeht und für die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung mittelständischer Unternehmen ungeeignet ist. 25 Vgl. Bericht der Kommission, S. 114 ff. zu KG-Anteile, S. 146 zu Stillen Beteiligungen und S. 147 ff. zu Genußscheinen. 26 Bericht der Kommission, S. 78 ff. und 155 f. 27 Vgl. Sitzungsbericht K, 55. DJT, K 223, Beschluß II. 2. Abgelehnt wurde dagegen der Handel von Kommanditanteilen, vgl. Beschluß II 3. 28 Reuter, 55. DJT, B 34. Zustimmend auch K. Schmidt, JZ 1984, 771, 779, der zwar die Möglichkeit für den Gesetzgeber, die Reuter, 55. DJT, B 29, schon ablehnt, bejaht, aber wegen notwendiger Standardisierung die Lösung rechtspolitisch für nicht wünschenswert hält. Ähnlich Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 190; Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 230 und Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 1985, 139.

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2. Teil: Deutsches Recht

Börse im Auge behalten werden muß, ist der Anlegerschutz. Die Kommission „Zweiter Börsenmarkt“ will diesen ganz in die Hände der Selbstregulierung der Börsen geben. Nach Meinung Hommelhoffs ist dafür aber eine „Überwachungsstelle“ notwendig, vergleichbar dem Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft. Gesellschafter, die lediglich an einer Kapitalanlage interessiert sind, können die Aufgabe der Überwachung der Geschäftsführung nicht erfüllen29. Auch mit anderen Anforderungen orientiert sich Hommelhoff am Aktiengesetz. Beispielsweise hält er auch für eine börsengehandelte GmbH ähnliche Vorschriften bei der Kapitalaufbringung und -erhaltung und bei den Kontroll- und Mitentscheidungsrechten der Anleger für erforderlich. Hommelhoff faßt seine Anforderungen, die er aus Gründen des Anlegerschutzes als notwendig erachtet, wie folgt zusammen: „[D]as Recht der Publikumsgesellschaften [kann] nicht von der Gestaltungsfreiheit her, sondern muß vom Prinzip der Satzungsstrenge her gedacht und verwirklicht werden.“30 Letztlich würde damit die Einführung der Fungibilität der GmbH- und KG-Anteilen nur dazu führen, daß strikte Regelungen die Bestimmungen beider Gesellschaftsformen verkomplizieren31. Den kleinen und mittelständischen Unternehmen wäre dadurch wenig geholfen.

IV. Die „Kleine AG“ Der Vorschlag einer börsennotierten GmbH würde letztlich auf die Schaffung einer Gesellschaftsform hinauslaufen (ähnlich wie im übrigen auch die von Semler vorgeschlagene GmbH auf Aktien), die zwischen GmbH und Aktiengesellschaft steht. Dasselbe gilt für den letzten Lösungsansatz, den schließlich auch der Gesetzgeber präferiert hat. Als einer der ersten sprach sich 1985 der Deutsche Industrie- und Handelstag für eine „Kleine AG“ nach schweizerischem Vorbild aus. Dafür sollten Vorschriften des Aktienrechts vereinfacht werden, um so eine Annäherung an ____________ Anders aber Heindl, S. 163, die in einem breiten differenzierten Angebot an GmbHAnteilen auch die Möglichkeit einer Differenzierung des Risikos sieht. 29 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 196. A.A. aber die Kommission selbst, Bericht, S. 106. 30 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 212. Ähnlich Reuter, in: FS Stimpel, S. 645, 649 und 657 f. und Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 1985, 139. 31 Ähnlich lehnte der DIHT die Einführung eines erleichterten Handels von GmbHund KG-Anteilen ab. Er befürchtete, „daß die GmbH durch zusätzliche Schutzvorschriften mehr in Richtung AG umgestaltet würde, mit der Konsequenz weiterer Verbürokratisierung“, dazu Hahn, DB 1994, 1659, 1660 und ders., S. 223.

§ 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften“

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die GmbH zu erreichen32. Wie Claussen richtig feststellt, ist die Zielsetzung der Modelle „Handel von GmbH-Anteilen an der Börse“ und „Kleine AG“ dieselbe. Anschaulich führt er aus: „Der Weg dorthin kommt aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen. Das GmbH-Modell kommt von unten, von der kleineren Rechtsform, das andere Modell kommt gleichsam von der höheren, der größeren Rechtsform, der AG. Beide suchen, das Feld der Mitte für sich zu erobern.“33 In wissenschaftlicher Hinsicht wurde das Modell der „Kleinen AG“ von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter ausgebaut34. In ihrem „DreiStufen-Modell“ haben sie in einem ersten Schritt untersucht, warum so zahlreiche mittelständische Unternehmen die Rechtsform der Aktiengesellschaft tatsächlich scheuen. In einem zweiten Schritt haben sie als Reaktion darauf ein Modell entwickelt, in dem sie drei Typen der Aktiengesellschaft unterscheiden: (1) die „Private Aktiengesellschaft“, die überhaupt keinen Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt hat und ein Stammkapital von 100.000 DM benötigt; (2) die „Offene Aktiengesellschaft“, deren Anteile im geregelten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden können und die ein Stammkapital von 500.000 DM braucht und schließlich (3) die (große) Aktiengesellschaft, deren Anteile in jedem Marktsegment gehandelt werden können und deren Stammkapital 2,5 Mio. DM betragen muß. Neben der Eigenkapitalknappheit sollte durch dieses Modell zusätzlich einem anderen Problem begegnet werden: der Führungskrise vieler Unternehmen35. Diese zeigt sich in besonderer Weise bei Personengesellschaften und GmbH, bei denen Eigentum und Geschäftsführung nicht getrennt sind. Konflikte können hier dann auftreten, wenn die sog. „alten Herren“ die Geschäftsführung weiterhin beeinflussen, obwohl aufgrund des Wachstums des Unternehmens eine neue Strategie für die Zukunft notwendig wäre. Daneben stellt es eine typische Konfliktlage dar, wenn neben dem alten Geschäftsführer ein weiterer (meist jüngerer) Geschäftsführer hinzutritt. Erschwerend kommt hinzu, daß mit einem Ausscheiden des alten Geschäftsführers oft ein Beratervertrag auf Lebenszeit verbunden ist und auch die Geschäftsführerverträge laufen oft auf unbestimmte Zeit. Eine periodische Wahl und damit verbunden die Möglichkeit eines Wechsels in der Geschäftsführung, ist hier oft nicht gegeben36. ____________ 32

So auch Kucera, S. 14. Zu den Vorschlägen des DIHT im einzelnen vgl. Hahn, DB 1994, 1659, 1661 und Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 75 jeweils m.w.N. 33 Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 232. 34 Zu den Hintergründen Hahn, DB 1994, 1659, 1661 ff. und Friedewald, S. 159 ff. 35 So Albach, in: Albach / Corte / Richter, S. 3, 23. Vgl. zur Rechtsform der „Kleine AG“ im Rahmen von Unternehmensnachfolgeregelungen, C. Schmidt / Müller-Eising / Gayk, ZIP 1993, 1830. 36 Albach, in: Albach / Corte / Richter, S. 3, 25.

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2. Teil: Deutsches Recht

Ein Wechsel der Rechtsform findet nach Ansicht Albachs häufig nicht schon dann statt, wenn die Führungskrise auftritt, sondern wird erst dann diskutiert, wenn auch eine Finanzkrise hinzukommt. Das „Drei-Stufen-Modell“ will gerade durch die „Private Aktiengesellschaft“ eine Gesellschaftsform zur Verfügung stellen, die eine Abhilfe beim Auftreten der Führungskrise schafft 37, ohne das Unternehmen mit den gesamten aktienrechtlichen Vorschriften zu belasten, die gerade im Hinblick auf einen weiten Kreis von Anlegern geschaffen wurden. Im Laufe des weiteren Wachstums kann das Unternehmen dann über die „Offene Aktiengesellschaft“ in eine klassische Aktiengesellschaft übergehen. Die zunehmende Inanspruchnahme des Kapitalmarkts korreliert mit einem zunehmenden Maß an klassischen aktienrechtlichen Vorschriften. Bei einem Wechsel in eine der beiden letztgenannten Formen steht dann die Lösung des Finanzierungsproblems im Vordergrund38. Ähnlich wie beim „Drei-Stufen-Modell“ spricht sich auch Hommelhoff für eine Lösung auf dem Wege zur „Kleinen AG“ aus39. Im Gegensatz zu Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter schlägt er jedoch nur eine Unterform der Aktiengesellschaft vor, die sog. „AnlegerAG“. Dies begründet er in erster Linie damit, daß zwischen mehreren Unterformen ein „Mangel signifikanter Differenzierungsmöglichkeiten“40 besteht. Bei dieser Gesellschaftsform soll zwar die in § 23 Abs. 5 AktG normierte Satzungsstrenge als Prinzip fortbestehen; sie wird jedoch durch so viele Wahlmöglichkeiten, wie mit dem institutionellen Anlegerschutz41 noch vereinbar, aufgelockert. Auf den Individualschutz der Anleger – den zweiten Aspekt des traditionellen Anlegerschutzes – müßte keine Rücksicht genommen werden, da sich die AnlegerAG an den Anleger richtet, der das Risiko einer Investition einschätzen und tragen kann. Insofern ähnelt die AnlegerAG der „Offenen Aktiengesellschaft“ des Drei-StufenModells. Ebenso wie diese soll die AnlegerAG nur zu den börslichen Nebenmärkten, also dem geregelten Markt und dem Freiverkehr zugelassen ____________ 37

Albach, in: Albach / Corte / Richter, S. 3, 25. Albach, in: Albach / Corte / Richter, S. 3, 26. 39 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 213; ders., in: Reformbedarf des Aktienrechts, S. 65 ff. Erst nach Einführung der „Kleinen AG“ durch den Gesetzgeber plädiert er für ein dreistufiges Modell mit der „AnlegerAG“ als Übergangsform zwischen „Kleiner AG“ und börsennotierter Aktiengesellschaft, ders., AG 1995, 529, 537. 40 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 213 und ders., in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 65, 82. 41 Hommelhoff unterscheidet den institutionellen Anlegerschutz, der v.a. dazu dient, den „Kapitalmarkt möglichst frei von Störungen und damit funktionsfähig zu halten“ vom Individualschutz des Anlegers um seiner selbst willen, ZHR 153 (1989), 181, 192. Ebenso Kübler, § 31 II, S. 390 und Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1096 ff. 38

§ 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften“

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sein. Um zu gewährleisten, daß Kleinanleger von den Aktien einer solchen Gesellschaft ferngehalten werden, befürwortet Hommelhoff eine Heraufsetzung des Mindestnennbetrags auf 500,- oder sogar auf 1.000,- DM42. Die Kritik43, die gegen die Idee der Schaffung einer deregulierten Sonderform einer Aktiengesellschaft vorgebracht wurde, setzt zunächst – wie bei der GmbHaA – beim hohen gesetzgeberischen Aufwand an, der damit verbunden wäre44. Zudem wurde auch in Frage gestellt, ob dadurch wirklich Erleichterungen für mittelständische Unternehmen geschaffen werden könnten45.

V. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß dem Gesetzesentwurf im Jahre 1994 eine intensive Diskussion einzelner Reformideen vorausging. Dabei wird häufig der enge Zusammenhang zwischen einer ausreichenden Eigenkapitalversorgung und dem Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt hervorgehoben. Gegen jede Idee, die erwogen wurde, gab es gewichtige Gegenargumente, die entweder in der Befürchtung bestanden, daß der Anlegerschutz vernachlässigt werden könnte oder daß ein erheblicher gesetzgeberischer Aufwand für nötig gehalten wurde, der gescheut wurde.

B. Gesetzgebungsgeschichte des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ Auch der Gesetzgeber hat das Thema der geringen Eigenkapitalversorgung der deutschen Wirtschaft im allgemeinen und des deutschen Mittelstands im besonderen bereits in der ersten Hälfte der 80er Jahre erkannt. Kurze Zeit vor dem 55. Deutschen Juristentag, der im September 1984 stattfand, erteilte der Deutsche Bundestag am 6. Juni 1984 einen Prüfungsauftrag zur „Verbesserung der Risikoausstattung der deutschen Wirtschaft“46. Dabei war der Deutsche ____________ 42

Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 214; ders., in: Reformbedarf im Aktienrechts, S. 65, 81. 43 Grundsätzlich kritisch lediglich mit pauschaler Warnung vor „Rückschritten im Schutzinstrumentarium des AktG“ K. Schmidt, JZ 1984, 771, 780. Ähnlich allgemein die Kritik bei Reuter, 55. DJT, B 35 ff. 44 Beispielsweise Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 234. 45 Statt vieler Bericht der Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, S. 78 ff. 46 BT-Drucks. 10/1315 mit Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 10/73 vom 6. Juni 1984, S. 5275 ff.

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2. Teil: Deutsches Recht

Bundestag der Meinung, daß die geringe Risikokapitalversorgung weniger darauf zurückzuführen sei, daß grundsätzlich eine zu geringe Menge an Anlagekapital in Deutschland zur Verfügung stehen würde. Viele Sparer seien gerade nicht bereit, in Risikokapital zu investieren. Als mögliche Lösungsansätze wurden in der Anfrage vor allem die Revitalisierung des Börsenmarktes durch eine Reform des Börsenrechts mit erleichterten Zulassungsvoraussetzungen gesehen. Daneben setzte die Legislative ihr Augenmerk auf eine Verbreiterung der Palette an Beteiligungstiteln. Dabei favorisierte der Bundestag die Erleichterung der Übertragbarkeit von GmbH-Anteilen und Anteilen an Kommanditgesellschaften. Nach der Antwort der Bundesregierung vom 21. Februar 1985 sollten verschiedene Lösungswege parallel beschritten werden. Die Bundesregierung stand jedoch, vorbehaltlich einer weiteren Prüfung, einer Erleichterung der Übertragbarkeit der GmbH- und KG-Anteile eher skeptisch gegenüber. Vor allem befürchtete sie, daß es mit einer bloßen Abschaffung der notariellen Beurkundung bei der Übertragung nicht getan wäre, sondern, daß vielmehr eine „grundlegende gesetzliche Änderung der Struktur der GmbH“ nötig wäre47. Sie bevorzugte vielmehr die Erleichterung des Wechsels in die Rechtsform der Aktiengesellschaft und daneben die Verbesserung indirekter Beteiligungsmöglichkeiten über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften48. Dieser zweite Gedanke wurde durch das „Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften“ vom 17. Februar 198549 umgesetzt. Hierbei wurde im wesentlichen die Idee der Kapitalbeteiligungsgesellschaften aus dem Jahre 1965 weiterentwickelt. Durch solche Gesellschaften sollte Unternehmen jeder Rechtsform eine indirekte Eigenkapitalaufnahme an der Börse ermöglicht werden. Der Weg an die Börse geht über einen Beitritt zu einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft, deren Anteile ihrerseits börsengängig sind50. Allerdings bedeutet dieser Schritt für den Unternehmer häufig einen Verlust seiner Unabhängigkeit, da er sich in die „Arme einer übermächtigen, in der Regel von einer Bank geleiteten Unternehmensbeteiligungsgesellschaft begibt“, wie dies Hahn plastisch formuliert51. Insgesamt ist daher diese Form der Eigenkapitalaufnahme bei Unternehmern wenig beliebt und konnte nicht nachhaltig zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung beitragen. ____________ 47

BT-Drucks. 10/2881, S. 5. BT-Drucks. 10/2881, S. 3 und 5. 49 BGBl. I 1985, 2488. 50 Zur Möglichkeit der Eigenkapitalaufnahme bzw. Beteiligungskapitalaufnahme durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften vgl. Hundt, S. 27 ff., insb. S. 30; Semler, in: FS Stimpel, S. 505, 509 f. und Fritsch, S. 82 ff. 51 Zu dem Zusammenhang zwischen Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und kleinen Unternehmen vgl. auch Hahn, S. 15 f. 48

§ 4 Der Weg zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften“

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Daneben wurde der Weg über eine Zugangserleichterung zur Aktiengesellschaft weiter verfolgt. Am 19. Dezember 1985 erging eine Anfrage des Bundesjustizministeriums an die gewerbliche Wirtschaft52, wobei 54 Spitzenverbände der Wirtschaft gebeten wurden einen Fragenkatalog auszufüllen. Dieser Aufforderung kamen 29 Verbände nach. Der Fragebogen53 sollte Aufschluß darüber geben, ob und gegebenenfalls auf welche Weise die Bildung von Eigenkapital durch die Erleichterung des Zugangs zur Aktiengesellschaft gefördert werden kann. Im ganzen waren die Verbände den Maßnahmen zur besseren Ausstattung mit Risikokapital gegenüber positiv eingestellt. Unterschiedliche Meinungen gab es aber hinsichtlich der richtigen Vorgehensweise. Teilweise wurde vermutet, daß Schwierigkeiten, die im Gesellschaftsrecht begründet sind, die Ursache dafür seien, daß so wenige Gesellschaften die Rechtsform der Aktiengesellschaft wählen54. Der Deutsche Industrie- und Handelstag beispielsweise befürwortete daher, wie bereits erwähnt, die Schaffung einer „Kleinen AG“ als deregulierte Aktiengesellschaft, die sich soweit möglich am Regelungsgefüge der GmbH orientieren sollte. Möglichkeiten des Börsenhandels von GmbH- und KG-Anteilen wurden dagegen ausdrücklich abgelehnt55. Ebenso lehnte etwa die Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt diesen Ansatz ab. Sie befürchtete, daß die Satzungsautonomie der GmbH auf diesem Weg erheblich eingeschränkt werde und sich zudem ein großer Regelungsaufwand ergeben würde56. In den darauffolgenden Jahren blieb es ruhig um die „Kleine AG“. Erst zu Beginn der 12. Wahlperiode wurde in der Koalitionsvereinbarung vom 16. Januar 1991 die Schaffung einer kleinen Aktiengesellschaft auf die politische Agenda gesetzt. Gerade für kleinere Unternehmen sollte die Wahl der Gesellschaftsform Aktiengesellschaft erleichtert werden57. Drei Jahre später wurde das Ziel mit größerem Verve verfolgt. Das Vorhaben wurde am 19. Januar 1994 in die Regierungserklärung „Aktionsprogramm für mehr Wachstum und Beschäftigung“ aufgenommen58. Nur etwa eine Woche später, am 26. Januar 1994, ____________ 52

Vgl. DB 1987, 154. Zum Fragenkatalog: Krieger, ZHR 150 (1986), 182, 189 f. 54 DB 1987, 154. 55 Vgl. Hahn, DB 1994, 1659, 1660 und ders., S. 223. 56 Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 1985, 139. 57 Dazu Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 1 und Seibert, ZIP 1994, 247. Vgl. zur Regierungserklärung auch Kinkel, ZRP 1991, 409, 414. 58 Unter Nr. 25 lautet die Erklärung: „Die Bundesregierung wird unverzüglich den Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts verabschieden. Die Koalitionsfraktionen werden unverzüglich den Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts (Mitbestimmung wie GmbH mit einer Übergangsfrist für bestehende AGs von fünf Jahren) als Initiativantrag in den 53

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2. Teil: Deutsches Recht

wurde daraufhin ein Entwurf des Justizministeriums ausgearbeitet, der als Formulierungshilfe für den am 1. Februar 1994 eingebrachten Initiativantrag59 der Koalitionsfraktion diente. Die erste Lesung des Gesetzes erfolgte am 3. Februar 199460. Am 13. Februar 1994 wurde das Gesetz im Wirtschaftsausschuß beraten und am 20. Februar fand ein Hearing im Rechtsausschuß statt61. Die Wirtschaft und die Wissenschaft äußerten sich dabei überwiegend positiv. Begrüßt wurde dabei insbesondere, daß durch die „Kleine AG“ der Weg an die Börse für mittelständische Unternehmen in zwei Schritte aufgespaltet wird. Kritik gab es aber von Seiten der Gewerkschaften, soweit Fragen der Mitbestimmung betroffen waren. In eine ähnliche Richtung gingen zuvor auch die Vorbehalte der SPD in der ersten Lesung des Gesetzes, die darin ein „Mitbestimmungsabbaugesetz“62 sah. Am 25. Mai 1994 hatte der Ausschuß für Arbeit und Soziales, der an der Beratung beteiligt war, den Entwurf gebilligt, ebenso wie der Wirtschaftsausschuß am 13. April 199463. Schließlich lagen am 13. Juni 1994 die Beschlußempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses mit dem geänderten Entwurf des Gesetzes64 vor. Die zweite und dritte Lesung fanden am 16. Juni 1994 im Deutschen Bundestag statt. Der Entwurf wurde mit knapper Mehrheit angenommen und passierte die Bundesratssitzung am 8. Juli 1994 ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses65. Am 10. August 1994, also ge____________ Deutschen Bundestag einbringen.“ BT-Drucks. 12/6625, S. 5. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 10/265 vom 20. Januar 1994, S. 17648 ff. 59 BT-Drucks. 12/6721, vgl. Seibert, ZIP 1994, 247. 60 Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17945 ff., vgl. Seibert, ZIP 1994, 247. 61 Dazu Seibert, GmbHR 1994, R 34. Am Hearing waren die Professoren Lutter und K. Schmidt beteiligt, sowie RA Hoffmann-Becking und BDI, BDA, DGB und IG-Metall. Vgl. auch BT-Drucks. 12/7848, S. 8. 62 So MdB Gilges (SPD), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17977 ff. Kritisch auch MdB Urbaniak (SPD), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17969. Befürwortend dagegen unter Hinweis auf die geringe Anzahl von Aktiengesellschaften, die nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren, nach dem Entwurf aus der „Mitbestimmung fallen würden“, MdB Graf Lambsdoff (FDP), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17969, MdB Faltlhauser (CDU/CSU), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17970, der von etwa 200 bis 300 Gesellschaften spricht, MdB Gres (CDU/CSU), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17988 f. und Funke, Parl. Staatsekretär bei der Bundesministerin für Justiz, Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags 12/208 vom 3. Februar 1994, S. 17982 ff. 63 BT-Drucks. 12/7848, S. 8 und Seibert, ZIP 1994, 914. 64 BT-Drucks. 12/7848. 65 Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 1. Auch Dehmer, WiB 1994, 753 und Blanke, BB 1994, 1505.

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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rade einmal sechs Monate nach der Gesetzesinitiative, konnte das Gesetz in Kraft getreten66.

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“ zwischen GmbH und klassischer AG vor dem Hintergrund der Änderungen der Reform 1994 Der zweite Paragraph dieses zweiten Teiles der Arbeit beschäftigt sich mit einer Positionsbestimmung der „Kleinen AG“ zwischen GmbH und klassischer AG. Diese Positionsbestimmung wird in zweifacher Weise vorgenommen. Zum einen werden die neuen Vorschriften in Kontrast mit der bisherigen Rechtslage gesetzt, um zu verdeutlichen, inwieweit sich der Gesetzgeber vom bisherigen Regelungsmuster für die Aktiengesellschaft entfernt hat. Zum anderen erfolgt aber auch eine unmittelbare Gegenüberstellung mit der parallelen Regelung im GmbHG, um offenzulegen, ob und inwiefern sich der Gesetzgeber bei der Neuregelung an den für die GmbH bestehenden Bestimmungen orientiert hat. Diese zweifache Gegenüberstellung wird einmal auf der Ebene der Einzelvorschriften vorgenommen und einmal auf der Ebene des Gesamtsystems des Kapitalgesellschaftsrechts. Die neuen Vorschriften des AktG werden in drei Gruppen zusammengefaßt: Das erste Kapitel befaßt sich mit der Gründung der Aktiengesellschaft (unter A.), das zweite mit der Organisationsverfassung (unter B.) und das dritte mit der Finanzverfassung der Aktiengesellschaft (unter C.). Durch die Zusammenfassung in diese Gruppen wird deutlich, in welchen Bereichen die Reformen durch den Gesetzgeber fallen. So kann bestimmt werden, welchen Stellenwert die Änderungen im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts, vor dem Hintergrund der Wesensunterschiede von Aktiengesellschaft und GmbH, einnehmen. Jedes dieser Kapitel ist entsprechend der zwei angesprochenen Ebenen in zwei Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt widmet sich jeweils den Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ im einzelnen, der zweite Abschnitt der Bedeutung der Änderungen im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts. Das abschließende Kapitel (unter D.) enthält eine Bewertung der Änderungen insgesamt, einerseits aus dem Blickwinkel der Praxis, andererseits aus rechtsdogmatischer Sicht.

____________ 66

BGBl. I 1994, 1961.

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2. Teil: Deutsches Recht

A. Gründung und Strukturänderungen Der Regelungsbereich „Gründung und Strukturänderungen“ spielt für die unterschiedliche gesetzgeberische Ausgestaltung des Aktienrechts und des GmbH-Rechts eine erhebliche Rolle. Wie bereits im Zusammenhang mit der Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter erwähnt wurde, sehen viele Unternehmen gerade für den Belastungsvergleich zwischen Aktiengesellschaft und GmbH in diesem Bereich gewichtige Nachteile zu Lasten der Rechtsform der Aktiengesellschaft. Nachfolgend stehen zunächst unter I. die Änderungen des Aktienrechts, die durch das Gesetz über die „Kleine AG“ erfolgt sind, im Zentrum der Betrachtung. Unter II. wird die Bedeutung und Bewertung dieser Änderungen im Gesamtgefüge des Kapitalgesellschaftsrechts weiter vertieft.

I. Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ Im Bereich der Vorschriften über die Gründung (§§ 2, 23 – 53 AktG) erfolgten durch das Gesetz über die „Kleine AG“ Änderungen zu zwei Themen1. Diese haben zum Teil auch für spätere Strukturänderungen eine Bedeutung. Die erste Neuregelung erlaubt nun auch im Aktienrecht die Gründung einer Gesellschaft durch einen einzigen Gesellschafter (unter 1.). Diese Vorschrift hat einige Folgeregelungen nach sich gezogen. Die zweite Änderung betrifft die Frage, bei welchen Stellen der Bericht der Gründungsprüfer einzureichen ist (unter 2.).

1. Einpersonengründung a) § 2 AktG § 2 AktG ermöglicht nach seiner Novellierung die Errichtung einer Aktiengesellschaft durch eine einzige Person. Vorbild für die Neuregelung ist § 1 GmbHG. Auch hier ist seit der GmbH-Reform 1980 die Einpersonengründung zulässig.

____________ 1 Die Neufassung des § 31 AktG, über die Bestellung eines ersten Aufsichtsrat bei Sachgründung wird im Zusammenhang mit der Organisationsverfassung (unter B.) behandelt.

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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aa) Frühere Rechtslage Der früheren Rechtslage entsprach es, daß für die Gründung einer Aktiengesellschaft mindestens fünf Personen erforderlich waren. Diese Forderung nach einer Mindestzahl von Gesellschaftern galt im deutschen Recht2 jedoch nie im Sinne eines strikten und generellen Verbots der Einpersonengesellschaft, das keine Durchbrechungen kennen würde. Bereits vor und unter der Geltung des AktG 1937 war anerkannt, daß sich das „Verbot der Einpersonengesellschaft“ lediglich auf die Errichtung einer Gesellschaft bezieht3. Das Reichsgericht erklärte bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 19204, bei der es um eine GmbH ging, daß auch nach Übergang aller Gesellschaftsanteile auf eine Person die Gesellschaft als juristische Person fortbestehen bleibe. Die Vereinigung aller Anteile führte keineswegs zum Untergang derselben. Daneben stellte das Reichsgericht hier ebenso wie in einer Entscheidung aus dem Jahre 19305 klar, daß das Unterschreiten der Mindestzahl der Anteilseigner nichts an der Trennung der Vermögensmassen ändere, so daß auch danach die Haftungsbeschränkung des Gesellschafters aufrechterhalten bleibe. ____________ 2 Ausländische Rechtsordnungen, die eine Mindestzahl von Gesellschaftern bei Kapitalgesellschaften fordern, kennen beim Unterschreiten derselben Sanktionen. Dabei gibt es insbesondere zwei mögliche Sanktionen: (1) Manche Rechtsordnungen sehen im Unterschreiten der Mindestzahl ein Auflösungsgrund für die Gesellschaft, dies gilt v.a. für lateinamerikanische Rechtsordnungen, etwa für Argentinien (Mandry / Berisso, in: Lutter, S. 1, 4), Brasilien (Thomas, in: Lutter, S. 90, 96), Chile (Nelle / Aldunate / Wihelmy, in: Lutter, S. 127, 131) und Mexiko (Frisch Phillip / Offergeld, in: Lutter, S. 480, 481). Dabei wird die Auflösung entweder von Amts wegen (vgl. z.B. die alte Rechtslage in Belgien, Jura Europae, Band II, 20.00 Nr. 25 und Dabin / Benoît-Moury, in: Lutter, S. 54, 64 f.) oder auf Antrag durchgeführt (so in der Türkei, in der sowohl der Aktionär, wie auch ein Gläubiger ein Antragsrecht haben, vgl. Ansay, in: Lutter, S. 876, 883), teilweise auch erst nach Verstreichen einer Übergangsfrist; (2) für andere Rechtsordnungen entfällt mit Vereinigung aller Anteile auf eine Person die Haftungsbeschränkung für den Gesellschafter. Die Haftung entspricht dabei entweder der eines selbstschuldnerischen Bürgen (so nach neuem belgischen Recht vgl. Belgien, Jura Europae, Band II, Belgien, 20.00 Nr. 25 und Dabin / Benoît-Moury, in: Lutter, S. 54, 64 f.) oder ist unbeschränkt. Sie tritt entweder in jedem Fall (so in Singapur, Klötzel, in: Lutter, S. 687, 697) ein oder nur im Falle der Insolvenz der Gesellschaft (vgl. die Rechtslage in Italien für die AG, Jura Europae, Band III, Italien, 40.10 Nr. 14 und Colombo, in: Lutter, S. 314, 325; ähnlich in Portugal für die Übergangszeit von einem Jahr. Danach droht der GmbH die Auflösung, vgl. Antunes, in: Lutter, S. 588, 601 Fußn. 38). 3 Vgl. m.w.N. Brändel, in: Großkomm. AktG § 1 Rdnr. 141 und Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 2 und 21 ff. 4 RGZ 98, 289, 291. 5 RGZ 129, 50, 53.

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2. Teil: Deutsches Recht

Das Erfordernis von fünf Gründern wurde in der Praxis zudem durch sog. Strohmanngründungen umgangen. Dabei beteiligen sich Personen an der Gründung, die zwar im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung handeln6. Sie treten zumeist verdeckt7 auf und sind Treuhänder8 für den Auftraggeber. Im rechtlichen Sinne wird immer nur der Treuhänder selbst als Gesellschafter behandelt, so daß ihn auch die Haftung aus § 46 Abs. 1 AktG trifft9. Lediglich § 46 Abs. 5 AktG ordnet für eine Strohmanngründung die zusätzliche Haftung der Hintermänner an. Aus der dieser Gründung zugrunde liegenden Vereinbarung sind die Treuhänder verpflichtet, die Beteiligung auf Verlangen dem Auftraggeber oder einem Dritten zu übertragen10. Anfänglich wurde die Zulässigkeit von Strohmanngründungen in Zweifel gezogen. Dabei wurde vor allem das Vorliegens eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) thematisiert, aber auch die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) oder wegen Umgehung eines gesetzlichen Verbotes (§ 134 BGB) wurde in Betracht gezogen11. Die letzte Entscheidung in ____________ 6

Zu dieser Definition statt vieler Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 36 und Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 39. 7 Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 36; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 39 weist darauf hin, daß es aber auf das Verheimlichen nicht ankommt. Auch Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 2 Rdnr. 42 unterscheidet hier das „verdeckte Treuhandverhältnis“ und das „offene Treuhandverhältnis“. Vgl. auch Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 21. 8 Die Beantwortung der Frage, ob wirklich ein Treuhandverhältnis entsteht, hängt davon ab, wie man die Treuhand definiert. Dies ist für die vorliegende Arbeit ohne Belang, vgl. jedoch dazu Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 39 m.w.N. 9 So die einhellige Meinung vgl. nur Hüffer, AktG § 46 Rdnr. 5, Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 46 Rdnr. 12 und Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 46 Rdnr. 5 f., auch Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 35 und Heider, in: MünchKomm AktG § 46 Rdnr. 9. 10 Im Recht der Aktiengesellschaft kommt als frühester Zeitpunkt für eine solche Übertragung die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister in Betracht. Dies ergibt sich bereits aus § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG. Anders ist dagegen die Lage bei der GmbH, bei der eine entsprechende Vorschrift nicht besteht. Hier ist auch eine frühere Übertragung denkbar. Der BGH hat für die GmbH in BGHZ 21, 378, 383 und in BGHZ 21, 242, 245 klargestellt, daß eine Abtretung künftiger Anteile zulässig ist, diese aber erst mit Eintragung der Gesellschaft wirksam wird. In BGHZ 21, 242, 245 weist er ausdrücklich auf die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen zwischen GmbH und Aktiengesellschaft hin. Ebenso auch Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 15 und Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 10. Anders aber Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 2 Rdnr. 10, der die BGH-Entscheidung auf das Aktienrecht überträgt, wobei er wohl § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG übersehen hat und daher die Möglichkeit der Anteilsübertragung schon vor Eintragung annimmt, wenn dadurch die Mindestzahl nicht unterschritten wird. 11 Zu den Unwirksamkeitsgründen im einzelnen ausführlich Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 2 Rdnr. 38 ff.; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 43 ff.

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der ein Gericht12 die Unwirksamkeit einer Strohmanngründung annahm, liegt aber mehr als 50 Jahre zurück, so daß an dieser Stelle nicht näher auf die in der Diskussion angesprochenen Argumente eingegangen wird. Die Zulässigkeit einer Strohmanngründung ist vielmehr heute in der Rechtsprechung13 und der überwiegenden Literatur14 anerkannt. Die Neuregelung hat an der Zulässigkeit nichts geändert15. Schließlich hat der Gesetzgeber schon vor der Novellierung selbst die Zulässigkeit einer Einpersonen-AG bei Entstehung dann ausdrücklich gebilligt, wenn die Gesellschaft aus einer Umwandlung hervorgegangen ist. Dies gilt zum einen im Falle einer formwechselnden Umwandlung von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft. Diese GmbH kann dabei, nach praktisch einhelliger Meinung16, auch eine Einpersonengesellschaft sein. Die Vorschrift des § 2 AktG a.F. über die Anzahl der Gründer fand im Falle der Umwandlung keine Anwendung. Auch ließ schon das Umwandlungsgesetz in den §§ 50 ff. UmwG a.F. ab 1969 die Umwandlung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Aktiengesellschaft zu. Als weitere Anhaltspunkte für die Anerkennung der Möglichkeit der Vereinigung aller Geschäftsanteile in einer Hand dienten §§ 3 und 15 UmwG a.F. bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft durch Übertragung des Vermögens auf eine OHG und § 319 Abs. 1 AktG, der den Fall der ____________ 12

OLG Celle, DNotZ 1951, 222 (mit abl. Anmerkung Grussendorf). Schon in RGZ 41, 9, 13. Ausführlich hat sich mit dem Problem der Strohmanngründung bei einer GmbH der Bundesgerichtshof in BGHZ 21, 378 auseinandergesetzt, wobei er auf die oben zitierte Entscheidung des OLG Celle Bezug genommen hat. Dabei hat er v.a. § 117 BGB und § 134 BGB als Nichtigkeitsgründe diskutiert und die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages abgelehnt. Er hat klargestellt, daß zwischen einem Scheingeschäft und dem Handel eines Strohmannes streng unterschieden werden muß. Ein Strohmann wird die Gesellschafterstellung und die damit verbundenen Folgen ernstlich wollen, so daß § 117 BGB ausscheide. 14 Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 51; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 2 Rdnr. 37 ff.; Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 22; ausführlich auch Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 37 ff. jeweils mit Hinweisen zur Gegenmeinung, die aber überholt sein dürfte. Seibert / Köster / Kiem sprechen in Rdnr. 18 davon, daß die Diskussion um die Wirksamkeit der Strohmanngründung seit langem der Rechtsgeschichte angehört. Ebenso Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 489. 15 Die Zulassung der Einpersonengründung sollte Zugangshindernisse abbauen, so daß nichts dafür spricht, daß dieser Weg nach der Novellierung nicht mehr möglich sein sollte, vgl. nur Hüffer, AktG § 2 Rdnr. 4 b und Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 24, der aber in § 2 Rdnr. 7 annimmt, daß deren Bedeutung abnehmen wird. So auch die einhellige Meinung zum GmbH-Recht, vgl. nur Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 510. 16 Statt vieler Grunewald / Semler, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 376 Rdnr. 52 und Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 376 Anm. 1. Auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 23. 13

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2. Teil: Deutsches Recht

Eingliederung einer 100%-Tochtergesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft behandelt.

bb) Neuer Regelungsinhalt Nach dem neuen Regelungsinhalt des § 2 AktG ist auch im Aktienrecht ausdrücklich die Zulässigkeit der Einpersonengründung anerkannt. Der Gesetzgeber hat in der Neufassung des § 2 AktG lediglich den bestehenden Gesetzestext dahingehend ergänzt, daß auch die Gründung durch eine Person möglich ist. Die Formulierung der Vorschrift wurde im übrigen beibehalten, so daß nach der Neuregelung sich eine Person an der „Feststellung des Gesellschaftsvertrages“ beteiligt. Diese Formulierung ist unpräzise, da ein Vertrag schon denklogisch zwei Gründer voraussetzt17. Die Errichtung einer Aktiengesellschaft durch einen Gründer kann daher nicht durch Vertrag, sondern nur durch einseitiges Rechtsgeschäft, nämlich eine einseitige Erklärung mit Gründungswillen, erfolgen18. Dies ist im GmbH-Recht einhellige Meinung19 und ist auch bei der GmbH-Reform 1980 vom Gesetzgeber selbst so beurteilt worden20. Es gibt keinerlei Gründe diese Frage im Aktienrecht abweichend vom GmbH-Recht zu behandeln. Daher ist auch hier von einer einseitigen Erklärung auszugehen, die vom Gesetzgeber nur deswegen als „Gesellschaftsvertrag“ bezeichnet wurde, um den Formulierungsaufwand so gering wie möglich zu halten.

____________ 17

Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 8. Hüffer, AktG § 2 Rdnr. 4a; Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 32. 19 Dazu nur Roth / Altmeppen, GmbHG, § 2 Rdnr. 1, 3; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 2 Rdnr. 6, Scholz / Emmerich, GmbHG § 1 Rdnr. 30; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 2 Rdnr. 4; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 2 Rdnr. 7; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 2 Rdnr. 3; John, S. 20; Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 491. 20 Bedeutung hat diese Frage für die gebührenrechtliche Behandlung der Errichtung einer Gesellschaft vor dem Notar im Rahmen des § 36 KostO, da der Notar für einen Vertrag nach § 36 Abs. 2 KostO die doppelte Gebühr verlangen kann. Die herrschende Ansicht geht für die Beurkundung bei der Einpersonen-GmbH von der Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 KostO (einseitige Erklärungen) aus, vgl. aus der Rechtsprechung nur BayObLG, DNotZ 1983, 252; OLG Frankfurt, DNotZ 1983, 256; OLG Düsseldorf, DB 1994, 2440, Hartmann, KostO, § 36 Rdnr. 6, Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, § 2 Rdnr. 6; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 2 Rdnr. 24; Scholz / Emmerich, GmbHG § 1 Rdnr. 31; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 2 Rdnr. 3; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 2 Rdnr. 41; Heider, in: MünchKomm. AktG § 2 Rdnr. 32; anders aber Willemer, DNotZ 1981, 469 und ders., DNotZ 1983, 257. 18

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Von erheblich größerer Bedeutung ist die Beurteilung der Rechtsnatur der Gesellschaft vor ihrer Eintragung. Die Aktiengesellschaft besteht bis zur Eintragung in das Handelsregister nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG, dem § 11 Abs. 1 GmbHG entspricht, „als solche nicht“. Umstritten ist jedoch, welche Konsequenzen daraus für die Vorgesellschaft gezogen werden müssen. Der Gesetzgeber selbst hat keine Aussage dazu getroffen und die Entscheidung über die Rechtsnatur der Vorgesellschaft von Beginn an der Literatur und Rechtsprechung überlassen21. Nichts anderes gilt für die Rechtsnatur der Vorgesellschaft, wenn es sich um eine zukünftige Einpersonengesellschaft handelt. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen zur Behandlung der Einpersonen-Vor-GmbH22, auf die hier weitgehend verwiesen werden kann. Am überzeugendsten ist die Ansicht, die keine Unterschiede macht, bei der Behandlung der Einpersonenvorgesellschaft und der Mehrpersonenvorgesellschaft23. Diese Meinung nimmt an, daß die Vorgesellschaft selbst bereits Trägerin des Vermögens ist. Für diese im Vordringen befindliche Auffassung spricht zunächst die Wertung des Gesetzgebers24. Dieser hat die Einpersonengründung zugelassen und in §§ 36, 36a AktG bestimmt, daß die Einlage bewirkt wird. Gerade bei § 36 Abs. 2 AktG geht der Gesetzgeber davon aus, daß ein Zuordnungsobjekt für diese Leistung vorhanden ist25. Die andere Ansicht, die lediglich ein Sondervermögen des Gesellschafters annimmt26, gerät insbesondere dann in Schwierigkeiten, wenn ein Unternehmen in die Vorgesellschaft eingebracht wird, da diesem nicht der Unternehmensträger fehlen kann27. Auch bleibt bei letzterer Ansicht häufig unklar, was unter einem Sondervermögen zu verstehen ist; insbesondere wird ____________ 21

Ausführlich dazu bei Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 41 Anm. 2. W. Albach, v.a. S. 124 ff.; Kleberger, S. 122 ff.; Kusserow, S. 7 ff.; John, S. 35 ff. und John, BB 1982, 505 ff. 23 Für eine unterschiedliche Behandlung besteht keine Rechtfertigung, so auch Roth / Altmeppen GmbHG § 11 Rdnr. 73; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 11 Rdnr. 35; John, S. 35 f.; John, BB 1982, 505, 514 und W. Albach, S. 138; Eisenhardt, Rdnr. 757; Gummert, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 16 Rdnr. 99; zur Vor-AG auch Sung-Po, S. 57. 24 Ausführlich zu diesem Ansatz K. Schmidt, § 11 IV, S. 312 ff. und Scholz / K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rdnr. 144 ff. Daneben wird die Meinung etwa auch von Ammon / Görlitz, S. 32; Pentz, in: MünchKomm AktG § 41 Rdnr. 79 und Weimar, AG 1992, 69, 70 vertreten. 25 So auch Hüffer, AktG § 36 Rdnr. 14, der dies aber kritisiert und nur die Überführung in ein Sondervermögen des Alleingesellschafters anerkennt. 26 Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 7 Rdnr. 60; Hüffer, AktG § 41 Rdnr. 17 a; Lutter / Hommelhoff, GmbHG § 11 Rdnr. 18. 27 Zu diesen Schwierigkeiten ausführlich Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 11 Rdnr. 147, vgl. auch Pentz, in: MünchKomm AktG § 41 Rdnr. 77. 22

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nicht deutlich, welche Folgen ein Handeln im Namen der Vorgesellschaft hinsichtlich der Haftung hat und wie die Vermögensmassen von Gesellschaft und Vorgesellschaft voneinander abgegrenzt werden sollen. Ebenso scheint die neuere Rechtsprechung die Vorgesellschaft selbst als Rechtsträger anzuerkennen, auch wenn sie dies nicht ausdrücklich ausspricht. Der Bundesgerichtshof führt in der Entscheidung vom 16. März 199228 zur VorAG – unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung – aus, daß die „Vorgesellschaft … als notwendige Vorstufe zu der mit der Eintragung entstehenden Juristischen Person als werdende Kapitalgesellschaft bereits ein eigenständiges, von ihren Gründern und Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes Rechtsgebilde mit eigenen Rechten und Pflichten ist. Die Vorgesellschaft als solche und nicht jeder einzelne Gesellschafter oder eine von ihr verschiedene Gesamtheit ihrer Gesellschafter ist Träger der eingebrachten Vermögenswerte. … Die Vorgesellschaft … ist … auch im übrigen imstande, durch ihre Geschäftsführung oder ihren Vorstand als satzungsmäßiges Vertretungsorgan nach außen geschlossen aufzutreten und eigene Rechte und Verbindlichkeiten zu begründen, deren Träger nicht die Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selber ist“29. Die Vorgesellschaft wird also hier als körperschaftliche Organisation anerkannt, die selbst Rechte und Pflichten hat. Dann aber ist kein Grund ersichtlich, warum das Vermögen nicht auch insofern der Gesellschaft selbst zustehen kann30. Für die Einpersonengesellschaft gilt nichts anderes. Die Einpersonen-Vor-AG ist ein eigenständiges Rechtsgebilde, das als solches Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Daher kann sie auch selbst bereits Zuordnungsobjekt für ein Vermögens sein. Die Frage, inwiefern eine Einpersonengesellschaft Gesamthand sein kann, stellt sich somit nicht31. Auch die Einpersonen-AG ist ihrem Wesen nach als eine „im Entstehen ____________ 28

BGHZ 117, 323 ff. BGHZ 117, 323, 325. 30 Anders offensichtlich Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, die zwar in § 11 Rdnr. 59 die Meinung vertreten, daß bei einer Mehrpersonenvorgesellschaft ein Sondervermögen vorliegt, das der Vorgesellschaft zusteht; jedoch in § 11 Rdnr. 133 von einem „von dem Geschäftsführer verwaltetes, dem Gründer gehörendes – Sondervermögen eigener Art“ (Hervorhebung durch die Verfasserin) sprechen. Unklar bleibt, warum bei der Einpersonenvorgesellschaft nicht ebenfalls die Zuordnung zur Vorgesellschaft an sich angenommen wird. Für diese Meinung, der Zuordnung des Sondervermögens zum Gründer, kann auch nicht die dort zitierte Entscheidung des BayObLG, GmbHR 1994, 329 angeführt werden. Dort spricht das Gericht vielmehr von einem „Sondervermögen der Gründungsorganisation“ und nimmt keine Zuordnung zum Gründer selbst an. 31 Ähnlich auch Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG § 11 Rdnr. 135, die anführen, daß die Gesamthandskonstruktion weitgehend ein unnötiges, nur historisch zu verstehendes Dogma ist, von dem sich die Lehre zu befreien beginnt. Pragmatisch auch Raiser, in: Das neue GmbH-Recht, S. 21, 38. Anders aber Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 11 Rdnr. 17 und § 7 Rdnr. 60, der an der Gesamthand festhält und dies als 29

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begriffene Kapitalgesellschaft“ zu bezeichnen, d.h. eine „durch Eintragung zur Rechtsfähigkeit gelangende Kapitalgesellschaft“32.

cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Das Erfordernis, daß eine Aktiengesellschaft von mindestens fünf Personen gegründet werden mußte, basierte auf zwei Erwägungen33: Das Gesetz sieht in § 46 AktG die Verantwortlichkeit der Gründer vor. Nach § 46 Abs. 4 AktG haften die Gründer als Gesamtschuldner auf nicht eingezahlte Einlagen. Durch diese Haftung, die nur bei einer Mehrheit von Gründern zweckmäßig ist, soll das Interesse der Gläubiger an der Sicherung der Kapitalaufbringung gewährleistet werden. Durch die Forderung nach fünf Gründern wurde also die Zahl der nach § 46 AktG zivilrechtlich und nach § 399 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AktG strafrechtlich haftenden Personen erhöht. Schwindelgründungen und vorzeitige Insolvenzen sollten so vermieden werden34. Zudem war die Aktiengesellschaft insbesondere vom Reformgesetzgeber von 1965 als Publikumsgesellschaft mit breit gestreutem Aktienbesitz angelegt. Indem das AktG in seinem § 2 gleich zu Beginn fünf Gründer forderte, konnte von Anfang an eine Streuung des Aktienkapitals gewährleistet werden. Zur Erreichung der eben beschriebenen beiden Ziele war die Mindestzahl von fünf Gründern letztlich beliebig35. Besonders deutlich wird dies im Vergleich mit dem Recht der eingetragenen Vereine und dem Genossenschaftsrecht. In § 56 BGB ebenso wie in § 4 GenG fordert der Gesetzgeber die Beteiligung von sieben Personen. Diese Zahl erschien ihm aber für die Aktiengesellschaft als zu hoch. Er befürchtete, daß dadurch die Gründung von ____________ maßgebliches Gegenargument gegen die Meinung K. Schmidts sieht, ebenso Hüffer, AktG § 41 Rdnr. 17c. Dagegen aber John, S. 36, der in eingeschränktem Sinn von der Einpersonen-Vor-GmbH als eine „Einmann-Gesamthand“ spricht. 32 BGHZ 117, 323, 327. 33 Vgl. ausführlich zum geschichtlichen Hintergrund der Mindestpersonenzahl seit den Diskussionen 1877 Großfeld / Lehmann, AG 1992, 216 f., auch Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 8. 34 So auch Ammon / Görlitz, S. 30. 35 Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 8, der hier von einer ordnungspolitischen Ermessensentscheidung des Gesetzgebers spricht; auch Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 2 Rdnr. 14. So auch die Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12 / 6721, S. 6. Ebenso spricht Brinkmann, S. 39 von einer letztlich willkürlichen Festlegung. Dagegen aber Großfeld / Lehmann, AG 1992, 216, die den jahrelangen Streit zwischen fünf oder sieben Gründern nachzeichnen. Kritisch zur Zulassung von Einpersonengründungen Hüffer, § 33, S. 324.

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Aktiengesellschaften nur unnötig erschwert würde und dies letztlich nur die vermehrte Beteiligung von Strohmännern herausgefordert hätte36. § 2 AktG a.F. wurde jedoch gerade in der Literatur heftig kritisiert. Im Jahre 1980 hatte der Gesetzgeber in der GmbH-Reform in § 1 GmbHG die Einpersonengründung für die GmbH nach fast einmütiger Forderung in der Literatur37 zugelassen. Auch im aktienrechtlichen Schrifttum wurden Forderungen nach der Änderung des § 2 AktG laut. So war Eckardt bereits 1976 der Ansicht, daß die „Tage dieser Vorschrift … gezählt sein“38 dürften. Seine Kritik stützte sich dabei vor allem auf die oben dargestellten zahlreichen Durchbrechungen des Grundsatzes des Verbots der Einpersonengründung. Maßgeblich argumentierte er mit einer Parallele zum Umwandlungsrecht. Im Falle einer Sachgründung einer Aktiengesellschaft, bei der ein bestehendes Unternehmen als Einlage eingebracht werde, sei eine so große Ähnlichkeit zur Umwandlung eines einzelkaufmännischen Unternehmens nach § 50 ff. UmwG a.F. durch Übertragung seines Geschäftsvermögens auf eine Aktiengesellschaft gegeben, daß es keine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung gebe. Ähnlich argumentiert Brändel, der das Erfordernis einer Mehrheit von Gründern als „Anachronismus“ und „nicht mehr zeitgemäß“ bezeichnet39. Auch er stützt sich dabei auf die beschriebenen Durchbrechungen, wobei er auf die Umwandlung als legale Umgehungsmöglichkeit hinweist und betont, daß es zur Sicherung der Kapitalaufbringung bessere Kontrollmechanismen gebe40. Gerade mit Blick auf die Zulassung der Einpersonengründung im GmbH-Recht hatte sich auch der Handelsrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins für die Aufgabe der Gründermehrheit im Aktienrecht ausgesprochen41. Auf diese Kritik hat der Reformgesetzgeber durch die Neufassung des § 2 AktG reagiert. Im Initiativentwurf42 wird auf die bisherigen Umgehungsmöglichkeiten der Einpersonengründung (Strohmanngründung, Umwandlung) ____________ 36 Vgl. schon Verhandlungen der Aktienrechtskommission zur Aktienrechtsreform 1884, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 297, wo folgendes ausgeführt wird: „Auch die Zahl der Gründer sei eine zu große, da in den seltensten Fällen wirklich sieben Interessenten vorhanden seien. Man nöthige somit zu Strohmännern und Scheinakten.“ Ebenso Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 8 und Großfeld / Lehmann, AG 1992, 216, 217. 37 Raiser, in: Das neue GmbH-Recht, S. 21, 35 und Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 490 insbes. Fußn. 20 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zu vereinzelten Gegenstimmen in der Literatur. 38 Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 2 Rdnr. 9. 39 Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 12. 40 Brändel, in: Großkomm. AktG § 2 Rdnr. 12. 41 Handelsrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins, AnwBl. 1986, 448. 42 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 6.

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ebenso wie auf die GmbH-Novelle hingewiesen. Zudem wird klargestellt, daß die Mehrzahl von Gründern dem ursprünglichen Ziel des Gesetzgebers, nämlich die Aufbringung des Stammkapitals zu gewährleisten, nicht wirklich dienen kann. Auch bei fünf Gründern sei nicht sichergestellt, daß diese die übernommenen Verpflichtungen erfüllen könnten. Die Anzahl der Personen sage nämlich nichts über deren Vermögensverhältnisse aus43, so daß dem Schutz der Gläubiger auch dann Genüge getan sei, wenn ein einziger Gründer das gesamte Aktienkapital übernehme. Die Neufassung des § 2 AktG wurde dementsprechend auch nach dem Erlaß des Gesetzes in der Literatur überwiegend positiv aufgenommen. Seibert, Köster und Kiem weisen darauf hin, daß der Umweg über die Strohmanngründungen durchaus Nachteile habe. Die Bereitschaft einer Person, sich als Gründer an einer Aktiengesellschaft zu beteiligen und das damit zusammenhängende Haftungsrisiko aus § 46 Abs. 1 AktG, mache häufig eine zusätzliche Vergütung nötig, was die Gründung einer Aktiengesellschaft gegenüber einer GmbH verteuern würde44. Auch die Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter hat gezeigt, daß gerade die Mindestzahl von fünf Gründern als Beeinträchtigung der Attraktivität der Aktiengesellschaft angesehen worden ist45. Insgesamt wird die Änderung als Vereinfachung gelobt46. Lediglich Hüffer47 steht ihr skeptisch gegenüber. Er sieht in der Haftung des § 46 AktG, der bei der Einpersonengründung wegfällt, nicht nur dessen Ausgleichsfunktion, sondern auch dessen präventive Bedeutung. Seiner Meinung nach ist die Seriosität der Gründung eher gewährleistet, wenn der spätere Alleingesellschafter wenigstens vier weitere Personen findet, die von dem Projekt derart überzeugt sind, daß sie das Haftungsrisiko auf sich nehmen. Diese Gegenargumente sind jedoch nicht wirklich durchschlagend. Hüffer hatte auch bei der GmbH-Reform die Zulassung einer Einpersonengründung mit einem ähnlichen Argument abgelehnt. Er befürchtete, daß für die Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG, die bei der Einpersonengründung im GmbH-Recht ähnlich wie im Aktienrecht die Haftung aus § 46 Abs. 1 AktG wegfällt, durch den Gesetzgeber ____________ 43

So auch Seibert / Köster / Kiem Rdnr. 20 und Planck, GmbHR 1994, 501, 502. Seibert / Köster / Kiem Rdnr. 19. 45 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 53; Lutter, AG 1994, 429, 430. 46 Seibert / Köster / Kiem Rdnr. 19; Bösert, DStR 1994, 1423, 1424; Claussen, WM 1996, 609, 610, Planck, GmbHR 1994, 501, 502 und Salzberger, WISU 25 (1996), S. 547, 553. Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1 führt hierzu aus: „Die Gründungstechnik wird dadurch erheblich erleichtert, der ‘Krampf’ der Strohmanngründung ist nunmehr überflüssig.“ Positiv auch Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 3 und Brinkmann, S. 40 f. 47 Hüffer, AktG § 2 Rdnr. 4 b. 44

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kein hinreichendes Äquivalent geschaffen wurde. Insbesondere betrachtete er die Sicherheitsleistung in § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG nicht als ausreichend48. Die Erfahrungen im GmbH-Recht von nun mehr als 20 Jahren haben aber gezeigt, daß es, soweit ersichtlich, durch die Zulassung der Einpersonengründung zu keinen besonderen Schwierigkeiten gekommen ist49, insbesondere hat auch die Gefährdung der Gläubiger nicht zugenommen50. Die Seriositätsgewähr, die Hüffer anspricht, muß zudem gerade im Hinblick aufdie erwähnten Risikoprämien, die für die Beteiligung an einer Gründung gezahlt wurden, relativiert werden. Ein erhöhtes Risiko mußte den Strohmännern durch eine erhöhte Prämie vergütet werden, wodurch es sicher erleichtert wurde, entsprechende Personen zu finden. Die Zahl von Gründungen, bei denen auch mit einer erheblichen Risikoprämie keine Mitgründer mehr zu finden waren, dürfte in der Praxis zu vernachlässigen sein.

b) §§ 36 Abs. 2 Satz 2, 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG Aus der Zulassung der Einpersonengründung in § 2 AktG ergab sich die Notwendigkeit zu Folgeänderungen. Dazu gehören zunächst zwei Bestimmungen, welche die reale Aufbringung des Stammkapitals auch bei Gründung durch eine einzige Person sicherstellen sollen. Diese sind § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG und die strafrechtliche Absicherung der Vorschrift in § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG. § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG entspricht hierbei § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, der in der GmbH-Novelle 1980 in das GmbHG eingefügt wurde. § 42 AktG, der ebenfalls in diesem Zusammenhang steht, wird im nächsten Abschnitt [unter c)] behandelt.

aa) Frühere Rechtslage § 36 Abs. 2 Satz 1 AktG spricht davon, daß eine Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister erst dann erfolgen darf, wenn der „eingeforderte Betrag ordnungsgemäß eingezahlt worden ist“. Den Begriff „eingeforderter Betrag“ erläutert § 36a AktG, der auf Art. 9 der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechtes vom ____________ 48

Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 502. Zu bedenken ist, daß die Anzahl der Einpersonen-GmbH bei etwa 25 % liegt, vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Einl. Rdnr. 9 und Tabelle in Rdnr. 72. Auch Kornblum, GmbHR 1994, 505, 508, 510 f. 50 Darauf weisen auch Ammon / Görlitz S. 30 hin. 49

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13. Dezember 1976 (77/91/EWG), sog. „Kapitalrichtlinie“51 beruht. Für Bareinlagen schreibt § 36a Abs. 1 AktG vor, daß mindestens ein Viertel des Nennbetrags (zuzüglich des vollständigen Agios bei einer Überpariemission nach § 9 Abs. 2 AktG) bei Anmeldung einzufordern und zu leisten ist. Daran hat der Gesetzgeber auch bei der Einpersonengründung nichts geändert. Er hat ebenso wie im GmbH-Recht insbesondere nicht eine Verpflichtung zur vollständigen Leistung der Einlage eingeführt52. Der Gesetzgeber hat aber durchaus die Gefahr einer nicht hinreichenden Aufbringung des gesamten Grundkapitals bei der Gründung einer Aktiengesellschaft durch eine Person als größer eingeschätzt53 als bei einer Mehrpersonengründung. Als Korrelat für die Zulassung der Einpersonengründung führte er daher – zur Sicherung der Kapitalaufbringung54 – eine Sicherheitsbestellung im neuen § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG ein. Ergänzt wird § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG durch § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Diese Vorschrift ist eine strafrechtliche Norm, die in ihrem Absatz 1 falsche Angaben oder das Verschweigen erheblicher Umstände als Vergehen (§ 12 StGB) ahndet. Ihre Zielsetzung ist es in erster Linie, Gründungsschwindel zu bekämpfen55. Nr. 1 betrifft dabei die Tathandlung56, daß zum Zwecke der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister falsche Angaben gemacht oder erheblicher Umstände verschwiegen werden. Bezugsgegenstand der falschen Angaben sind „bestimmte Gründungsvorgänge …, denen besondere Bedeutung für das Vertrauen in eine neu gegründete Gesellschaft zukommt“57. Im einzelnen betrifft dies die Übernahme der Aktien durch die Gründer, die Einzahlung der Aktien, die Verwendung der eingezahlten Beträge, den Ausgabebetrag der Aktien, die Angaben über Sondervorteile, den Gründungsaufwand, sowie Sacheinlagen und Sachübernahmen. Infolge der Aufnahme des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG wurde als weiterer strafrechtlich relevanter Gründungsvorgang die Sicherung für nicht ____________ 51 ABl. EG Nr. L 26 v. 31. Januar 1977, S. 1 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 114 umgesetzt durch das Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie vom 13. Dezember 1978, BGBl. I 1978, 1959. 52 Zu dieser Alternative auch Ammon / Görlitz, S. 33 f. 53 Bösert, DStR 1994, 1423, 1424 macht allerdings zutreffend darauf aufmerksam, daß Anzahl der Gründer und finanzielle Leistungskraft sich nicht zwingend bedingen. Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG kann daher nur einer „möglichen Gefahr“ vorbeugen. 54 Zur Begründung dieser Regelung durch den Gesetzgeber näheres unten unter cc). 55 Diese Zielsetzung verfolgten auch schon die Vorgängervorschriften, wie § 296 AktG 1937 und davor § 313 HGB a.F., vgl. dazu auch Otto, in: Großkomm. AktG § 399 Rdnr. 1. 56 Details zu den Tathandlungen bei Otto, in: Großkomm. AktG § 399 Rdnr. 35 ff. 57 Otto, in: Großkomm. AktG § 399 Rdnr. 52.

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voll eingezahlte Geldeinlagen bei § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG hinzugefügt58. Auch insoweit gibt es durch § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG eine Parallelvorschrift im GmbH-Recht. Neben dem strafrechtlichen Schutz für die Kapitalaufbringung kommen beide Vorschriften über § 823 Abs. 2 BGB als Schutzgesetz auch den Personen zugute, die durch ein Verhalten im Vertrauen auf die Richtigkeit der relevanten Erklärungen einen Schaden erlitten haben. Dabei gehören zum geschützten Personenkreis die Gesellschaft selbst, die Gläubiger und sonstige Vertragspartner der Gesellschaft, aber auch die Gesellschafter bzw. Aktionäre59.

bb) Neuer Regelungsinhalt § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG verpflichtet den Gründer bei einer Einpersonengründung für die bei Anmeldung der Gesellschaft ausstehenden Einlagen, eine Sicherheit zu bestellen. Im Zusammenhang mit dem neuen § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG sind verschiedene Themenkreise anzusprechen: Unter (1) werden die vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe geklärt und unter (2) geht es darum, die Reichweite der hier statuierten Sicherungspflicht abzuklären. Unter (3) werden dann einige weitere Randprobleme, die im Zusammenhang mit § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG auftreten, behandelt.

(1) Begriffsklärung In der Neufassung des § 36 Abs. 2 AktG verwendet der Gesetzgeber einige Termini, die einer Klärung bedürfen.

____________ 58 Falsche Angaben im Zusammenhang mit § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG liegen insbesondere dann vor, wenn die Art, Höhe oder Wert der Sicherung unrichtig angegeben ist, mit Beispielen Otto, in: Großkomm. AktG § 399 Rdnr. 85. 59 Vgl. Otto, in: Großkomm. AktG § 399 Rdnr. 5. Umstritten ist lediglich, ob der Schutz sich nur auf künftige Gesellschafter bezieht, so etwa Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 82 Rdnr. 27; Scholz / Emmerich, GmbHG § 82 Rdnr. 12; Baumbach / Hueck, GmbHG § 82 Rdnr. 9, 26, 35; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 82 Rdnr. 1. Für einen Schutz auch der gegenwärtigen Gesellschafter Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 82 Rdnr. 2.

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(a) „Sicherung“ i.S.d. § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG spricht zunächst davon, daß für eine nicht eingezahlte Bareinlage eine „Sicherung zu bestellen ist“. Nicht eindeutig geht aus dem Gesetz hervor, was mit „Sicherung“ im Sinne der Vorschrift gemeint ist. Insoweit kann auf das GmbH-Recht zurückgriffen werden, da der Gesetzgeber ausdrücklich den Vorbildcharakter des § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG für die aktienrechtliche Regelung hervorgehoben hat60. Grundsätzlich gibt es im Bürgerlichen Recht in § 232 Abs. 1 BGB eine Regelung, die heranzogen werden könnte. Jedoch spricht § 232 Abs. 1 BGB von einer „Sicherheit“ bzw. einer „Sicherheitsleistung“, was schon vom Wortlaut her enger ist als der Begriff „Sicherung“, den das GmbH- und Aktienrecht verwendet. Auch die Zwecksetzung der Vorschriften ist nicht identisch. Für die bei der Einpersonengründung vorgeschriebenen Sicherungsmittel kommen nicht nur die Realsicherheiten in Betracht, die in § 232 Abs. 1 BGB angeführt sind61. Daneben sind alle Sicherheiten zulässig, die wirtschaftlich gleichwertig sind62. Der Ausgangspunkt kann jedoch nicht die Gleichwertigkeit mit den Sicherheiten aus § 232 Abs. 1 BGB sein, worauf Röhricht63 zutreffend hinweist. Vielmehr ist dieses Kriterium vom Schutzzweck des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG her zu bestimmen. Wenn man als wesentlichen Zweck dieser Bestimmung sehen möchte, daß dadurch das Fehlen weiterer Mitgründer ersetzt werden soll, ist der zutreffende Ansatzpunkt für die Gleichwertigkeit, die Schaffung einer „uneingeschränkten persönlichen Haftung einer weiteren Person“64. Daraus folgt, daß eine Schuldmitübernahme oder Bürgschaft eines Dritten ohne weiteres ausreichend ist, nicht jedoch eine zusätzliche schuldrechtliche Ver____________ 60

Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 6. So die einhellige Meinung im GmbH-Recht: Vgl. etwa Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 7 Rdnr. 66; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 7 Rdnr. 7; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 7 Rdnr. 33; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 7 Rdnr. 8; John, S. 29; Kusserow, S. 215 ff.; Kleberger, S. 19 ff. Zum Aktienrecht: Hüffer, AktG § 36 Rdnr. 16; Kindler, NJW 1994, 3041, 3042; Blanke, BB 1994, 1505, 1506, Lutter, AG 1994, 429, 431; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 64; Ammon / Görlitz, S. 35; Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 123; Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rdnr. 87. 62 Umfassende Ausführungen zu den möglichen Sicherungsmittel außerhalb der §§ 232 ff. BGB enthält Kleberger, S. 41 ff., mit einer Liste aller in Frage kommenden Sicherungen auf S. 119. Kleberger setzt sich auch ausführlich mit den Anforderungen, die hier zu stellen sind, auseinander, insbesondere S. 55–90. Die wesentlichen Kriterien sind für ihn (1) die „Deckungskraft der Sicherung“ oder „Bonität“ (S. 59 ff.), (2) die Wertbeständigkeit der Sicherung (S. 66 ff.) und (3) die Schnelligkeit der Verwertung im Sicherungsfall (S. 83 ff.). 63 Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 123. 64 Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 123. Auf die Schwierigkeiten dieser im Ansatz überzeugenden Ansicht wird unten einzugehen sein. 61

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pflichtung des Gründers selbst65. Dabei geht es nicht darum, ob dieser Dritte wirklich solvent ist, da eine Bonitätsprüfung auch bei der Beteiligung weiterer Personen an einer Gründung nicht stattfindet. Konsequenterweise ist es sogar möglich, daß eine juristische Person eine persönliche Sicherheit stellt, die selbst nur eine Einpersonengesellschaft ist und hinter der dieselbe natürliche Person steht, die bei der Gründung beteiligt ist. Auch eine solche juristische Person hätte nämlich neben dem einzelnen Gründer auftreten können. Dann hätte eine Mehrpersonengründung vorgelegen und zur Sicherung der Kapitalaufbringung hätte nur die Haftung aus § 46 AktG zur Verfügung gestanden, die dann wohl wirtschaftlich wertlos gewesen wäre66.

(b) Sicherungspflicht bei Sacheinlage Die Sicherungspflicht in § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut nur den Fall, daß eine Geldeinlage, d.h. eine Bareinlage67 nicht vollständig erbracht wurde. Umstritten ist in der Literatur, ob eine analoge Anwendung auch bei einer Sacheinlage in Betracht kommt.

(aa) Reichweite des § 36a Abs. 2 AktG Die Streitfrage über die Auslegung des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG steht in engem Zusammenhang mit Auslegungsfragen in § 36a Abs. 2 AktG. Eine analoge Anwendung der Sicherungspflicht würde nämlich zunächst voraussetzen, daß überhaupt ein Bedürfnis für eine solche Sicherung besteht. Dies ist zweifelhaft, wenn man dem Wortlaut des § 36a Abs. 2 Satz 1 AktG folgt. Dort heißt es zunächst, daß Sacheinlagen vollständig zu leisten sind. Wenn es bei dieser Grundregel des Gesetzes bliebe, wäre eine Sicherheitsleistung bei Sacheinlagen nicht erforderlich, da die Aufbringung des Grundkapitals bereits durch die volle Erbringung der Sacheinlage gesichert wäre68. Der Satz 2 des § 36a Abs. 2 AktG ____________ 65 Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 123; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 64; Lutter, AG 1994, 429, 431; Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rdnr. 88. 66 Zu diesen Überlegungen auch Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 123. 67 Zusätzlich ist § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG auf den bar zu entrichtenden Teil einer gemischten Einlage anzuwenden, ebenso auf die Bardeckungspflicht für den Differenzbetrag zwischen Nennbetrag der Aktie und dem tatsächlichen Wert der Sacheinlage im Falle einer Überbewertung. De facto liegt nämlich auch hier eine gemischte Einlage vor, vgl. Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 119 und Hüffer, AktG § 36a Rdnr. 6. 68 So auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 63 ohne sich selbst mit der Auslegung des § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG auseinanderzusetzen.

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gestattet es aber, daß, wenn die Sacheinlage „in der Verpflichtung, einen Vermögensgegenstand auf die Gesellschaft zu übertragen“ besteht, die „Leistung innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zu bewirken“ ist. Dies ist nicht der richtige Ort, um die Auslegungsfragen des § 36a AktG in extenso zu erläutern. Der Streitstand soll aber wenigstens angedeutet werden. Einig ist man sich in der Bewertung des § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG nur insoweit als die Formulierung als höchst mißverständlich betrachtet wird69. Die strengere Auffassung, die insbesondere von Lutter70 favorisiert wird, nimmt an, daß die sofortige Leistung der Sacheinlage der Systematik des Gesetzes entsprechend der Regelfall sei. Unter Satz 2 sollen nur die Sacheinlagen erfaßt werden, die in einem schuldrechtlichen Anspruch gegen einen Dritten auf einen Vermögensgegenstand bestehen. Auch hier müßte der Anspruch, der die Sacheinlage darstellt, sofort übertragen werden, darüber hinaus müßte die Erfüllung des Anspruchs innerhalb von fünf Jahren erfolgen. Diese Ansicht stützt sich neben der Systematik auf den Wortlaut des § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG. Lutter sieht zudem im neuen § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG eine Bestätigung seiner Meinung. Der Gesetzgeber habe bei Sacheinlagen deswegen kein Bedürfnis zur Bestellung einer Sicherung entsprechend § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG gesehen, weil er eben davon ausgegangen sei, daß in der überwiegenden Anzahl der Fälle hier wegen der Pflicht zur sofortigen Erbringung kein Bedürfnis für eine solche Sicherung bestehe71. Ein Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte und den europarechtlichen Hintergrund des § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG spricht jedoch für die entgegengesetzte Auslegung. § 36a AktG beruht, wie erwähnt, auf der Kapitalrichtlinie. Vor der Umsetzung dieser Richtlinie mußte bei Eintragung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. bei Bareinlagen ein Viertel des Nennbetrags erbracht sein. Über den Zeitpunkt, zu dem Sacheinlagen eingefordert und erbracht werden mußten, traf das Gesetz keine Aussage72. Art. 9 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie lautet wie folgt: ____________ 69 Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 36a Rdnr. 11 spricht von „erheblichen Auslegungsschwierigkeiten“ und davon, daß die Regelung „aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich ist“. Ähnlich auch Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 36a Rdnr. 11; Hüffer, AktG § 36a Rdnr. 4; Lutter, AG 1994, 429, 432; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 36a Rdnr. 9. Noch schärfer Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36a Rdnr. 3, der sie für „gesetzestechnisch mißlungen“ hält. 70 Etwa Lutter, AG 1994, 429, 432 und Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 188 Rdnr. 28. Ebenso Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 36a Rdnr. 10 ff. und HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 2 Fußn. 4 mit zahlreichen Hinweisen zum Streitstand insgesamt. 71 So Lutter, AG 1994, 429, 432. 72 Vgl. nur Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 36 Anm. 16 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Auch Pentz, in: MünchKomm AktG § 36a Rdnr. 14.

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„Jedoch müssen Einlagen, die nicht Bareinlagen sind, für Aktien, die im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft oder im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit ausgegeben werden, innerhalb von fünf Jahren nach diesem Zeitpunkt vollständig geleistet werden.“73 Um den Anforderungen der Richtlinie zu genügen, wäre es also keineswegs erforderlich, die sofortige Erbringung der Sacheinlage zu verlangen; ausreichend ist vielmehr eine Bewirkung innerhalb der Fünf-Jahresfrist. So versteht auch die großzügigere Ansicht den § 36a Abs. 2 AktG74. Entgegen der Gesetzessystematik ist § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG die Regel, da in den überwiegenden Fällen, eine Sacheinlageverpflichtung durch dingliches Rechtsgeschäft zu bewirken ist. § 36a Abs. 2 Satz 1 AktG, die sofortige Erbringung der Sacheinlage, umfaßt nur die Fallkonstellationen, bei denen der Gegenstand der Einlage der Gesellschaft lediglich zur Nutzung überlassen wird75.

(bb) Folgerungen für § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG Vor dem Hintergrund der soeben bevorzugten Auslegung bezüglich des Zeitpunkts der Erbringung einer Sacheinlage in § 36a Abs. 2 AktG stellt sich nun die Frage, ob die Sicherungspflicht aus § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG in analoger Anwendung auch für die Erbringung einer Sacheinlage gilt. Wegen des eindeutigen Wortlauts ebenso wie der systematischen Stellung kommt jedenfalls keine direkte Anwendung des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG in Betracht. Eine analoge Anwendung läßt sich aber nicht ohne weiteres mit Hinweis auf diese beiden Aspekte ablehnen76. Auch eine Parallele zum GmbHG hilft nicht weiter77. Zwar gilt § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG unstreitig nur für ____________ 73

ABl. EG Nr. L 26 v. 31. Januar 1977, S. 1 ff; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 117. 74 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 2, Hüffer, AktG § 36a Rdnr. 4; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 36a Rdnr. 12 ff.; Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36a Rdnr. 6 ff.; Ammon / Görlitz, S. 36; Pentz, in: MünchKomm AktG § 36a Rdnr. 19. 75 Statt vieler Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36a Rdnr. 11 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 36a Rdnr. 16. 76 So aber Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 119, der apodiktisch meint, daß „die Neuregelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 … als Parallelregelung zu § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG nur für Geld-, d.h. Bareinlagen einschließlich des bar zu entrichtenden Teils gemischter Einlagen [gilt]. Das folgt sowohl aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes als auch aus der Stellung des § 36 Abs. 2 Satz 2 als Ergänzung zu der allein Bareinlagen betreffenden Bestimmung des § 36 Abs. 2 Satz 1. Die Vorschrift ist deshalb auf die in § 36a Abs. 2 abschließend geregelten Sacheinlagen nicht, auch nicht entsprechend … anwendbar“. 77 So wiederum Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 119, ebenda.

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Bareinlagen. Der Grund hierfür findet sich aber in § 7 Abs. 3 GmbHG. Diese Vorschrift fordert bei einer Sacheinlage die vollständige Bewirkung derselben vor Eintragung in das Handelsregister. Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, daß bei einer Einpersonengründung, wenn eine Sacheinlage eingebracht wird, mangels Sicherungsbedürfnis keine Sicherung nach § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG erbracht werden muß. Nach der hier vertretenen Ansicht zur Auslegung des § 36a Abs. 2 AktG ist die Ausgangslage im AktG aber eine andere. Eine Analogie setzt die Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke voraus78. Danach geht es, um mit Fikentscher zu sprechen, um „die Erstreckung eines rechtsbildenden Elements, also eines Rechtszwecks, eines Rechtswertes, eines systematisch-logischen Gesichtspunkts oder eines Entwicklungsgedankens auf einen bisher nicht entschiedenen Fall“79. Im konkreten Fall setzt eine Analogie also voraus, daß der Gesetzgeber das Problem der Sicherung bei Nichterbringung der Sacheinlage vor Eintragung der Gesellschaft nicht gesehen hat und daher keine Regelung getroffen hat. Dies könnte man gegebenenfalls mit dem Hinweis darauf annehmen, daß der Gesetzgeber sich bei der Formulierung des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG (und seiner systematischen Stellung) völlig am GmbHG orientiert hat, ohne zu berücksichtigen, daß nach der wohl h.M. die Ausgangslage für den Zeitpunkt der Erbringung von Sacheinlagen im Aktienrecht eine andere ist80. Als nächstes müßte eine Übertragung der Regelung für Bareinlagen auf Sacheinlagen angenommen werden, wenn dies der „Forderung der Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln“81, entspricht. Diese Folgerung ist aber in der vorliegenden Situation nicht zwingend. Im Hintergrund der Sicherungspflicht bei Bareinlagen steht, wie bereits ausgeführt, der Gedanke, daß bei einer Einpersonengründung die erhöhte Gefahr bestehe, daß der Gründer den Geldbetrag nicht aufbringt. Bei einer Mehrpersonengründung wird dem in gewissem Umfang82 durch die Haftung nach § 46 Abs. 4 AktG entgegengewirkt. Diese Haftung kann, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind, auch das Bedürfnis nach Aufbringung des Grundkapitals in vollem ____________ 78

Ebenso Larenz / Canaris, S. 194. Danach ist die Frage „ob eine derartige Lücke vorliegt … vom Standpunkt des Gesetzes selbst, der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihr verfolgten Zwecke, des gesetzgeberischen ‘Plans’ [zu beurteilen]. Eine Gesetzeslücke ist eine ‘planwidrige Unvollständigkeit’ des Gesetzes.“ Ähnlich auch Bydlinski, S. 473 f. und Zippelius, S. 59. 79 Fikentscher, Methoden IV, S. 284. 80 Von diesem Ausgangspunkt gehen auch Hüffer, AktG § 36 Rdnr. 15 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rdnr. 93 aus. 81 Larenz / Canaris, S. 202. 82 Dazu mehr unter cc).

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Umfang befriedigen. Für die Gesellschaft und die mittelbar dadurch geschützten Gläubiger ist es ohne Belang, wer einen Geldbetrag erbringt. Entsprechendes gilt für die Sicherung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG bei einer Einpersonengründung. Diese Ausgangssituation ist zumindest im tatsächlichen Bereich bei einer Sacheinlage anders. Zwar gilt hier ebenfalls die Haftung nach § 46 Abs. 4 AktG, häufig kann aber auch ein Schadensersatz, der in der Regel auf Geld geht, die Interessen der Gesellschaft nicht vollständig befriedigen. Im Falle einer Sacheinlage bzw. Sachübernahme wird zumeist ein Grundstück oder Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht. Die Gesellschaft hat in diesen Fällen weniger Interesse an dem materiellen Gegenwert dieses Gegenstands als vielmehr an dem konkreten Grundstück oder dem konkreten Unternehmen selbst, etwa weil das Unternehmen von der Aktiengesellschaft fortgeführt werden soll oder weil das eingebrachte Grundstück für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft notwendig sind. Bei solchen Einlageleistungen kann also eine bloße Schadensersatzpflicht oder auch eine Sicherung, wie sie § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG vorsieht, nur unzureichend Abhilfe schaffen. Letzte Sicherheit besteht hier für die Gesellschaft nur, wenn die Sacheinlage sofort vor Eintragung erbracht wird. Wenn der Gesetzgeber dies aber entsprechend der großzügigeren Auslegung des § 36a Abs. 2 Satz 2 AktG nicht fordert, gebieten es auch Erwägungen der Gerechtigkeit und der Gleichbehandlung nicht, wegen der abweichenden Interessenlage bei Sacheinlage und Bareinlage die Sicherungspflicht aus § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG auf Sacheinlagen in analoger Anwendung der Vorschrift zu erstrecken83.

(2) Reichweite der Norm Gerade im Hinblick auf die Reichweite der Pflicht zur Bestellung einer Sicherheit ergeben sich einige bedeutsame Unterschiede zum rechtlichen Regelungsgefüge der GmbH.

____________ 83 Gegen die analoge Anwendung von § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG auch HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 2; Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 119. Anders aber Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rdnr. 93.

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(a) Sicherungsbestellung bei Kapitalerhöhung § 56a GmbHG, der durch die GmbH-Novelle 1980 eingefügt wurde84, bestimmt, daß die Vorschriften zur Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals nicht nur bei der Gründung gelten, sondern auch im Falle einer späteren Kapitalerhöhung. § 56a GmbHG verweist zunächst auf § 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, mit der Folge, daß auch vor Anmeldung einer Kapitalerhöhung ein Viertel jeder Bareinlage aufgebracht werden muß. Für den noch offenen Betrag wird auf § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG verwiesen: es muß also eine Sicherheit bestellt werden, die derjenigen bei der Gründung betragsmäßig entspricht. Eine Bestimmung im Kapitalerhöhungsrecht des AktG, die § 56a GmbHG vergleichbar ist, hat der Gesetzgeber 1994 nicht eingefügt. Jedoch war dies bei der Aktiengesellschaft auch nicht nötig. § 188 Abs. 2 AktG verweist für die Voraussetzungen zur Anmeldung einer Kapitalerhöhung auf die Gründungsvorschriften, explizit auch auf § 36 Abs. 2 AktG („Für die Anmeldung gelten sinngemäß § 36 Abs. 2 AktG, …“). An der Formulierung des § 188 Abs. 2 AktG hat sich durch die Reform nichts geändert, so daß darin jetzt auch ein Verweis auf den neu eingefügten Satz 2 zu sehen ist. Zumindest dem Wortlaut entsprechend muß also auch bei einer Kapitalerhöhung in einer Einpersonen-AG eine Sicherheit bestellt werden. Diese Ansicht entspricht zwar der wohl h.M.85, ist aber keineswegs unumstritten86. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 188 Abs. 2 AktG müßte die Gegenansicht eine teleologische Reduktion87 bzw. Restriktion88 vornehmen. Dabei müßte man argumentieren, daß die Wortsinngrenze (nämlich der Verweis auf den gesamten Absatz 2 des § 36 AktG) weiter ist als die Normsinngrenze (bloßer Verweis auf § 36 Abs. 2 Satz 1 AktG)89. Voraussetzung einer Restriktion des § 188 Abs. 2 AktG wäre hier, daß eine Einschränkung seines Wortlauts entweder aus dem Sinn und Zweck der Norm selbst oder dem Sinn und Zweck einer anderen Norm geboten wäre.

____________ 84

Vgl. nur Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 56a vor Rdnr. 1 und Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 56a Rdnr. 1. 85 So auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 26; Hüffer, AktG § 188 Rdnr. 5; Lutter, in: Kölner Komm. AktG – Nachtrag Rdnr. 43; Lutter, AG 1994, 429, 433. Ebenso Ammon / Görlitz, S. 37 f.; Brinkmann, S. 48 und Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 3 wenn auch kritisch. 86 A.A. Heckschen, DNotZ 1995, 275, 277 und Priester, BB 1996, 333, 334. 87 Vgl. nur Bydlinski, S. 480 und Larenz / Canaris, S. 210 ff. 88 Diesen Begriff bevorzugt v.a. Fikentscher, Methoden IV, S. 311 unter Bezugnahme auf Eccenerus-Nipperday, aber auch Zippelius, S. 63. 89 Zu den Begriffen vgl. Fikentscher, Methoden IV, S. 311.

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§ 188 Abs. 2 AktG legt aus seinem eigenen Zweck eine einschränkende Auslegung nicht nahe. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm im Gegenteil einen Gleichlauf der Sicherung der Kapitalaufbringung bei Gründung und Kapitalerhöhung schaffen. Dem ist es angemessen, jetzt bei letzterer gleichfalls eine Sicherung entsprechend § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG zu verlangen. Von einer Gleichbehandlung zweier Situationen, die willkürlich und sachlich nicht gerechtfertigt ist90, kann damit keineswegs gesprochen werden. Die Notwendigkeit einer Einschränkung könnte sich allenfalls aus § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG selbst ergeben. So argumentieren auch die Gegner einer Anwendung der Sicherungsvorschrift auf die Kapitalerhöhung. Für Priester ist maßgeblich, daß der Gesetzgeber in der Novelle nur die Einpersonengründung regeln wollte, somit dürfe § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG nur hier zur Anwendung kommen91. Des weiteren stützt er, ebenso wie Heckschen92, seine Ansicht auf den weitergehenden Gesetzeszweck, der dahin geht, die Einpersonengründungen zu erleichtern. Nach bisherigem Recht war aber in einer solchen Gesellschaft eine Kapitalerhöhung ohne die Erbringung jeglicher Sicherungen möglich. Zudem – so argumentiert er des weiteren – hätte der Gesetzgeber davon abgesehen, eine § 56a GmbHG entsprechende Vorschrift in das AktG einzufügen. Dieser letzte Einwand ist jedoch nicht durchschlagend. Angesichts des Wortlautes des § 188 Abs. 2 Satz 1 AktG, der für „die Anmeldung … sinngemäß § 36 Abs. 2, § 36a und § 37 Abs. 1“ AktG gelten läßt, wäre die Einfügung einer Bestimmung wie § 56a GmbHG überflüssig gewesen. Im Gegensatz dazu hatte die alte Fassung des § 57 Abs. 2 GmbHG, dem § 188 Abs. 2 AktG vergleichbar ist, vor der Reform 1980 stärkeren inhaltlichen Bezug auf § 7 Abs. 2 GmbHG, in dem die Einzahlung zu einem Viertel geregelt war93. Auch der Zweck des Gesetzgebers scheint nicht so eindeutig, wie dies Heckschen und Priester behaupten. In der Begründung des Gesetzes stellt der Gesetzgeber vorwiegend darauf ab, daß eine Angleichung zur Rechtslage bei der GmbH erreicht werden soll. In § 36 Abs. 2 AktG sieht er ein Sicherungsmittel für die Kapitalaufbringung vor, wenn an der Gesellschaft nur eine Person beteiligt ist. Beide Beweggründe sprechen für eine Anwendung des § 188 Abs. 2 AktG auch bei der Kapitalerhöhung. Anderenfalls wäre es zumindest ____________ 90

So die Voraussetzungen bei Bydlinski S. 480 zur Begründung der Restriktion einer Norm. 91 Priester, BB 1996, 333, 334 Fußn. 16. 92 Heckschen, DNotZ 1995, 275, 277. 93 § 57 Abs. 2 GmbHG a.F. lautete: „Die Bestimmung in § 7 Abs. 2 über die vor der Anmeldung des Gesellschaftsvertrages zu leistende Einzahlung sowie die Bestimmung in § 8 Abs. 2 über die in der Anmeldung abzugebende Versicherung finden entsprechende Anwendung“.

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theoretisch zu befürchten, daß der alleinige Gründer mit dem Mindestgrundkapital von € 50.000 eine AG gründet, wofür er auch eine Sicherheit aufbringt, dann alsbald eine Kapitalerhöhung durchführt, um der Gesellschaft das eigentlich benötigte Kapital zu verschaffen und so die Notwendigkeit einer Sicherung umgeht94. Insgesamt ist also eine teleologische Restriktion von § 188 Abs. 2 AktG abzulehnen, mit der Folge der Geltung der Sicherungspflicht auch bei einer Barkapitalerhöhung.

(b) Nachträgliche Vereinigung aller Gesellschaftsanteile Ein weiterer Aspekt bei der Bestimmung der Reichweite des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG in Kontrast zu § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG betrifft die Behandlung einer nachträglichen Vereinigung aller Gesellschaftsanteile. § 19 Abs. 4 GmbHG, der ebenfalls in der GmbH-Novelle 1980 Eingang ins Gesetz fand, schreibt im Fall einer Vereinigung aller GmbH-Anteile innerhalb von drei Jahren eine nachträgliche Sicherung noch nicht voll eingezahlter Geschäftsanteile vor. Diese Bestimmung soll zwei Zwecke verfolgen: Zum einen soll die Umgehung der Einpersonen-Gründungsregeln durch Strohmanngründung verhindert werden, zum anderen soll die bei Vorhandensein mehrerer Gesellschafter bestehende Ausfallhaftung mindestens einer weiteren Person nach § 24 GmbHG ersetzt werden95. Schuldner dieser Ausfallhaftung sind in erster Linie alle nach § 16 GmbHG angemeldeten Gesellschafter96. Aus der Gesellschaft ausgeschiedene Personen haften gesamtschuldnerisch mit dem Erwerber nach § 16 Abs. 3 GmbHG weiter, soweit es um zur Zeit der Anmeldung auf den Gesellschaftsanteil rückständige Leistungen geht. Dabei ist der ____________ 94

In wieweit dies aufgrund des Aufwands einer Kapitalerhöhung in der Praxis vorkommen würde, sei dahingestellt. Zu bedenken ist auch, daß bei der hier favorisierten Auslegung Umgehungsmöglichkeiten bestehen. Darauf weist insbesondere Heckschen, DNotZ 1996, 275, 277 hin, der die Möglichkeit anspricht eine 5-DM-Aktie vor dem Kapitalerhöhungsbeschluß auf einen anderen zu übertragen, der diese nach Durchführung der Kapitalerhöhung zurück überträgt; zum einen ist hier aber an eine Gesetzesumgehung zu denken mit der Folge der Nichtigkeit (dazu nur Palandt-Heinrichs, § 134 Rdnr. 28). Zum anderen besteht diese Möglichkeit auch bei der Gründung. 95 Zu dieser Zielsetzung vgl. nur Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 19 Rdnr. 125; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 19 Rdnr. 31 und John, S. 74. 96 Zu erwähnen sind zusätzlich solche Gesellschafter, die keiner Anmeldepflicht nach § 16 GmbHG unterliegen, weil sie den Anteil nicht durch eine „Veräußerung“ im Sinne dieser Vorschrift erworben haben, sondern durch Gesamtrechtsnachfolge, beispielsweise Erbfolge. Vgl. zu weiteren Fällen nur Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rdnr. 3.

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Begriff „rückständig“ im Sinne von „fällig“ zu verstehen97. Dies bedeutet, daß keine Fortdauer der Haftung auftritt, wenn die Einlageleistung im Zeitpunkt des Ausscheidens noch nicht fällig war98. Bei einer Mehrpersonengesellschaft tritt an die Stelle des veräußernden Gesellschafters der Erwerber nach § 16 Abs. 1, 2 GmbHG. Für die Gesellschaft ändert sich hinsichtlich der Anzahl der Schuldner der Einlageleistung nichts99. Wenn, wie hier, der Erwerber der nunmehrige alleinige Gesellschafter ist, kann dies für die vollständige Aufbringung des Stammkapitals zwei negative Folgen haben: Zum einen fällt jede Sicherung der vollständigen Einlagezahlung seiner ursprünglichen Einlage nach § 24 GmbHG weg. Zum anderen läuft der Eintritt des Erwerbers in die Pflichten, insbesondere die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nach § 16 Abs. 1, 2 GmbHG, ins Leere, da die Gesellschaft keinen zusätzlichen Schuldner erhält und der jetzige Erwerber ohnehin schon über § 24 GmbHG für die Erfüllung der Verpflichtung des ausscheidenden Gesellschafters gehaftet hat. Letztlich kann so die gesamte Aufbringung des Stammkapitals ungesichert von der Vermögenslage des einzigen Gesellschafters abhängen, was das Gesetz durch § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG gerade verhindern wollte. Vor diesem Hintergrund war es vom Gesetzgeber der GmbH-Novelle sachgerecht, zumindest für einen Zeitraum von drei Jahren100 nach Gründung, die Sicherung der Kapitalaufbringung über die Anwendung dieser Gründungsvorschrift zu gewährleisten. Für die Neuregelung im Aktiengesetz gilt nun folgendes: Soweit § 19 Abs. 4 GmbHG die Umgehung der besonderen Gründungsvorschriften durch eine Strohmanngründung verhindern soll, könnte er seine Ziele auch im Aktienrecht erfüllen. In Anbetracht dessen, daß sich aber, wie oben erwähnt, keine unüberwindlichen Probleme durch die Strohmanngründung in der Vergangenheit ergeben haben, ist der Hauptzweck wohl nicht in der Erschwerung derselben zu ____________ 97

Dazu Baumbach / Hueck, GmbHG, § 16 Rdnr. 12; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rdnr. 17 f. und ausführlich Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 19 Rdnr. 125 und Zutt, in: Hachenburg, GmbHG § 16 Rdnr. 36 ff. In Rdnr. 39 hebt Zutt hervor, daß eine Haftung des Veräußerers für später fällig werdende Leistungen nicht besteht. 98 Eine Ausnahme bildet unter engen Voraussetzungen lediglich die Haftung des Veräußerers nach anderen Bestimmungen des GmbHG, insbesondere § 22 Abs. 2 und 3 GmbHG (Haftung des Rechtsvorgängers nach der Kaduzierung eines Gesellschaftsanteils) und § 28 GmbHG im Sonderfall einer beschränkten Nachschußpflicht. 99 Die Gesellschaft kann lediglich dadurch Nachteile erleiden, daß an Stelle eines zahlungsfähigen ein nicht-zahlungsfähiger Gesellschafter tritt. Soweit sie dies verhindern möchte, kann sie dies nur durch die Erschwerung der Veräußerung (§ 15 Abs. 5 GmbHG) erreichen, vgl. Zutt, in: Hachenburg, GmbHG § 16 Rdnr. 35. 100 Die Frist ist durch die in den ersten Jahren besonders hohe Neigung der GmbH zur Insolvenz bedingt, vgl. John, S. 75; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 19 Rdnr. 126.

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sehen. Vielmehr scheint dieser aus dem geschilderten Zusammenhang mit der Ausfallhaftung (§§ 16 Abs. 3, 24 GmbHG) zu resultieren. Nachdem das Aktienrecht keine § 24 GmbHG entsprechende Vorschrift kennt101, war eine Schutzvorschrift vergleichbar § 19 Abs. 4 GmbHG bei der neuen Einpersonenaktiengesellschaft nicht zwingend erforderlich. Daher hat der Gesetzgeber auch keine entsprechende Vorschrift eingeführt.

(c) Erledigung des Sicherungszwecks Zuletzt soll unter dem Stichwort „Reichweite“ des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG noch auf die Frage der Erledigung des Sicherungszwecks eingegangen werden. Im wesentlichen kommen hier zwei Fallgruppen in Betracht, unter denen eine Freigabe der Sicherung angenommen wird102: Zum einen muß eine Freigabe der Sicherung naturgemäß erfolgen, wenn vom Alleingesellschafter die Resteinlage eingezahlt wird. Dies ist evident, da somit das Grundkapital aufgebracht ist und eine weitere Sicherung für die Gläubiger nicht mehr erforderlich ist. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine Freigabe auch anzunehmen ist, wenn nachträglich eine weitere Person der Gesellschaft beitritt. Im GmbH-Recht wird dies von der einhelligen Meinung bejaht103. Auch diese Ansicht ist wiederum im Zusammenhang mit den eben erwähnten Haftungsnormen der §§ 16, 24 GmbHG zu sehen. Das Entfallen des Sicherheitsbedürfnisses beim Eintritt weiterer Gesellschafter stellt sich gleichsam als Kehrseite des Entstehens des Sicherheitsbedürfnisses im Falle des § 19 Abs. 4 GmbHG dar. In jedem Fall des Hinzutretens weiterer Gesellschafter, sei es durch den nachträglichen Beitritt zur Vorgesellschaft, durch die Abtretung eines Geschäftsanteils der eingetragenen GmbH durch den Alleingesellschafter oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung104, haftet der neue Gesellschafter für die Einlageleistung nach §§ 19 Abs. 1, 16 Abs. 1, 2 GmbHG, soweit diese im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht erbracht ist. Soweit sie vor dem Erwerb bereits ____________ 101

Mehr dazu unter cc). Nicht vertieft eingegangen wird hier auf die dritte Fallgruppe: Erledigung des Sicherungszwecks, der durch § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG gewährleistet werden soll, nach Ablauf von drei Jahren. Diese Frist wird aus § 19 Abs. 4 GmbHG entnommen, so daß eine Übertragung dieser Fallgruppe schon wegen des Fehlens einer Parallelnorm im AktG ausscheidet. Zudem lehnt selbst im GmbH-Recht die absolut überwiegende Mehrheit diese Freigabevariante ab, vgl. nur John, S. 30; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 7 Rdnr. 69 und ausführlich insbesondere Kusserow, S. 219. 103 Vgl. Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 7 Rdnr. 7; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 7 Rdnr. 69; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 7 Rdnr. 34; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 7 Rdnr. 8; John, S. 29 f.; Kusserow, S. 217 ff. 104 Zu diesen drei Fällen vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 7 Rdnr. 69. 102

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fällig war, tritt er dabei, wie erwähnt, neben den Veräußerer, dessen Weiterhaftung sich aus § 16 Abs. 3 GmbHG ergibt. Wichtiger ist im vorliegenden Zusammenhang aber, daß in der Person des Erwerbers auch die Ausfallhaftung des § 24 GmbHG zur Entstehung kommt105. Dadurch entfällt das besondere Risiko, das der Gesetzgeber bei der Einpersonen-GmbH-Gründung in der fehlenden Ausfallhaftung gesehen hat. Für das GmbH-Recht ist somit dieser Fall der Freigabe der Sicherheiten aus § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG folgerichtig. Im Aktienrecht wird diese zweite Fallgruppe – das Hinzutreten eines weiteren Gesellschafters – von der beinahe einhelligen Meinung106 anders beurteilt als im GmbH-Recht. Eine Erledigung des Sicherungszweckes wird nur dann angenommen, wenn der Alleingesellschafter die vollständige Einlageleistung erbringt107. Zur Begründung werden dabei zwei Argumente angeführt: Zum einen wird befürchtet, daß andernfalls die „Gefahr der Verfehlung des Sicherungszwecks“108 besteht. Zur Freigabe der Sicherheitsleistung würde es nämlich genügen, wenn eine einzige Aktie (und sei es eine Aktie mit dem Nennwert von einem Euro) an einen außenstehenden Dritten übertragen wird. Zum zweiten kenne das Aktienrecht auch keine Ausfallhaftung entsprechend § 24 GmbHG109, der einen Ausgleich für die Freigabe der Sicherheitsleistung darstellen könne. Hinzu komme, daß auch eine Einstandspflicht, wie sie nach § 46 AktG einen Mitgründer trifft, nicht für einen später hinzukommenden Aktionär in Frage kommt110. Das Argument der Verfehlung des Sicherheitszwecks erscheint alleine nicht zwingend. Auch eine Gründung kann mit nur zwei Gesellschaftern erfolgen, wobei der eine von ihnen lediglich eine Einlage übernimmt, die einer Aktie mit Nennwert einem Euro entspricht. Auch hier läßt sich argumentieren, daß durch eine solche Fallgestaltung, die im wesentlichen nur eine schon nach altem Recht zulässige Strohmanngründung darstellt, der Sicherungszweck des § 36 ____________ 105 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 16 Rdnr. 31 und Zutt, in: Hachenburg, GmbHG § 17 Rdnr. 39 speziell für die Teilveräußerung. Ausführlich für den Erwerb im Rahmen der Kapitalerhöhung Kusserow, S. 217 ff. 106 Anders nur Heckschen, DNotZ 1995, 275, 278. 107 Vgl. Hüffer, AktG § 36 Rdnr, 16; Lutter, AG 1994, 429, 432; Ammon / Görlitz, S. 38 f.; Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 125 und Brinkmann, S. 47. 108 So Lutter, AG 1994, 429, 432. 109 Unklar insoweit Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 125, der von einer Ausfallhaftung des hinzutretenden Gesellschafters wie in § 19 Abs. 4 GmbHG spricht. § 19 Abs. 4 GmbHG regelt aber, wie erläutert, nicht den Fall des zu einer Einpersonengesellschaft hinzutretenden Gesellschafters, sondern gerade den umgekehrten Fall, nämlich das Aufleben des Sicherheitsbedürfnisses nach § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG, wenn nachträglich eine Einpersonen-GmbH entsteht. 110 So etwa Pentz, in: MünchKomm AktG § 36 Rdnr. 95.

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Abs. 2 AktG verfehlt wird. Als tragfähig erweist sich jedoch der Hinweis auf die Einstandspflicht nach § 46 AktG. Auch wenn diese, wegen der spezifischen Voraussetzungen, nicht ganz unproblematisch ist, wird hier die h.M aus diesem Grund bevorzugt111.

(3) Randfragen Schließlich sollen noch zwei zusätzliche Aspekte im Zusammenhang mit der Sicherungspflicht zumindest kurz angesprochen werden: Zum einen ist umstritten, wer als Empfänger der Sicherung in Betracht kommt. Dieser Streit entzündet sich an der Frage über die Rechtsnatur der Gesellschaft vor ihrer Eintragung. Die Darstellung des Streitstands erfolgte ausführlich bereits oben im Zusammenhang mit der Einpersonengründung112. Nach der oben favorisierten Ansicht ist die Vorgesellschaft selbst Trägerin des Vermögens und somit Empfänger der Sicherungen aus § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG113. Zum anderen, besagt § 37 Abs. 1 AktG, daß in der Anmeldung zu erklären ist, daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 AktG und des § 36a AktG erfüllt sind. Dies bezieht sich nach der Gesetzesänderung auch auf die Pflicht zur Sicherungsbestellung. Nachdem § 37 Abs. 1 AktG pauschal auf § 36 Abs. 2 AktG verweist, war hier also eine Vorschrift, die § 8 Abs. 2 Satz 2 GmbHG entspricht, nicht erforderlich. Für diese Anmeldung muß angegeben werden, daß eine Sicherheit bestellt wurde und welche Art von Sicherheit dies ist. Auch hier entsprechen sich die aktienrechtlichen und GmbH-rechtlichen Regelungen. Die Angaben müssen so genau und umfassend sein, daß das Registergericht seiner Aufgabe entsprechend überprüfen kann, ob der Sicherungszweck erreicht wurde114. ____________ 111

Vgl. dazu noch näher unter cc). Vgl. oben unter a) bb). 113 Zum Problem, wer Rechtsträger der Sicherungen ist und wie die Einzahlung im einzelnen zu erfolgen hat, vgl. Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 121. Ebenfalls Hüffer, AktG § 36 Rdnr. 16 und zum GmbH-Recht ausführlich Kleberger, S. 122 ff. statt vieler. 114 Vgl. hier zum GmbH-Recht: Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 8 Rdnr. 32 f.; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 8 Rdnr. 22; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 8 Rdnr. 13 mit einem Formulierungsvorschlag und zum Aktienrecht insbesondere Heckschen, DNotZ 1995, 275, 277 f.; Lutter, AG 1994, 429, 433; Hüffer, AktG § 36 Rdnr. 3; Planck, GmbHR 1994, 501, 502; Röhricht, in: Großkomm. AktG § 37 Rdnr. 15; Pentz, in: MünchKomm AktG § 37 Rdnr. 26. Ausführlich zum Inhalt der Erklärung auch Seibert / Köster / Kiem Rdnr. 67 ff. 112

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cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Der Gesetzgeber bezeichnet die Einfügung des Satzes 2 in den § 36 Abs. 2 AktG schlicht als „Folgeregelung zur Zulassung der Einpersonen-Gründung (§ 2 AktG)“115 und rechtfertigt die Vorschrift mit diesem Hinweis. Dabei verweist er pauschal auf den § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG als Vorbild für die aktienrechtliche Regelung. Auch die Literatur läßt es weitgehend bei diesem Verweis bewenden116. Dies suggeriert einen Gleichlauf der Ausgangssituation und der Schutzkonzepte für die Kapitalaufbringung und deren Sicherung im Gründungsstadium im GmbH- und Aktienrecht. Dies trifft nicht zu117. Die Sicherheitsbestellung nach § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG war vom GmbHReformgesetzgeber 1980 als Ausgleich für die fehlende Haftung der Gesellschafter nach § 24 GmbHG konzipiert worden118. § 24 GmbHG dient bei der Errichtung einer GmbH durch mehrere Personen der Sicherung der effektiven Aufbringung des Stammkapitals. Falls nämlich einer oder mehrere der Gesellschafter seine Stammeinlage nicht in voller Höhe aufbringen können, folgt die Kaduzierung des Anteils nach § 21 GmbHG. Die Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter nach § 24 GmbHG tritt unter folgenden Voraussetzungen ein: (1) Die Leistung der Stammeinlage ist weder vom Rechtsvorgänger nach § 22 GmbHG zu erlangen, was gerade dann von Bedeutung sein kann, wenn sich der Geschäftsanteil immer noch in der Hand des Gründergesellschafters befindet, (2) die Veräußerung des Anteils (§ 23 GmbHG) ist entweder erfolglos oder führt zumindest nicht zur vollen Deckung des Betrags und (3) die Inanspruchnahme des Ausgeschlossenen, die wegen § 21 Abs. 3 GmbHG auch nach Ka duzierung möglich bleibt, ist fruchtlos119. Dieses Verfahren führt bei einer Strohmanngründung zu einer gewissen Seriositätsgewähr, da die sich beteiligenden „Gründer“ wissen, daß sie unabhängig von Verschulden unter Umständen das gesamte Stammkapital alleine aufbringen müssen. Bei einer ____________ 115

Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. Vgl. nur Lutter, AG 1994, 429, 431, der von der „Sicherstellung der realen Kapitalaufbringung“ und dem „Gleichlauf“ mit § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG spricht. Ebenso Blanke, BB 1994, 1505, 1506; Kindler, NJW 1994, 3041, 3042; Priester, BB 1996, 333, 334; auch Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 117. 117 Vgl. dazu auch in diesem Kapitel unter II. 118 Ebenso Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 7 Rdnr. 7; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG § 7 Rdnr. 3 und 64; John, S. 28; Kleberger, S. 3; ausführlich zur Frage, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG den Wegfall der Ausgleichshaftung nach § 24 GmbHG rechtfertigt Kusserow, S. 213 ff.; kritisch zu dieser Frage Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 501 ff. und Raiser, in: Das neue GmbH-Recht, S. 21, 40. 119 Zu den Voraussetzungen der Haftung aus § 24 GmbHG statt vieler Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 24 Rdnr. 2; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 24 Rdnr. 2; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 24 Rdnr. 2 ff. 116

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Einpersonengründung kann diese Haftung weder präventiv wirken, so etwa, daß jeder an der Gründung Beteiligte die Risiken derselben erwägt, noch ist im nachhinein für die Gläubiger120 zumindest die Aufbringung des Stammkapitals sichergestellt. In diesem Umfeld ist eine Sicherheitsbestellung aus § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG ein erforderlicher Ausgleich für die fehlende Haftung nach § 24 GmbHG121. Das Aktienrecht kennt eine solche Haftung, die § 24 GmbHG vergleichbar wäre, nicht122. Zumindest mißverständlich drückt sich daher Hüffer aus. Er ist der Meinung, daß „die Einmanngründung im Vergleich zur Mehrpersonengründung dadurch gefährdet ist, daß mithaftende Aktionäre (§§ 64, 65) nicht zur Leistung rückständiger Einlagen herangezogen werden können“123. Die aktienrechtlichen Kaduzierungsvorschriften in §§ 64, 65 AktG kennen aber nur die Zahlungspflicht der Rechtsvorgänger nach § 65 Abs. 1 AktG und schließlich den Verkauf der Anteile zum Börsenpreis nach § 65 Abs. 3 AktG. Bei Unverkäuflichkeit124 der Aktie ist im Gegensatz zum GmbH-Recht kein Rückgriff auf die übrigen Gesellschafter möglich125. Dies bedeutet, daß mithaftende Aktionäre generell auch bei einer Mehrpersonengründung nicht zur Leistung rückständiger Einlagen herangezogen werden können. Eine völlige Parallele zum Gesetzeszweck des GmbH-Gesetzes ist also nicht zutreffend126.

____________ 120 Die Haftung des § 24 GmbHG entfaltet für die Gläubiger nur mittelbare Wirkung, da sie lediglich einen Anspruch der Gesellschaft begründet. Die Gläubiger können jedoch diesen Anspruch pfänden und sich überweisen lassen, vgl. zu diesem Problemkreis Müller, in: Hachenburg, GmbHG § 24 Rdnr. 14. 121 Beachte aber, daß Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 501 ff. und Raiser, in: Das neue GmbH-Recht, S. 21, 40 dies kritisch sehen und in der Sicherheitsbestellung vom Blickwinkel des Gläubigerschutzes keine ausreichende Kompensation für die Haftung aus § 24 GmbHG sehen. 122 Zu den Ausgleichsmechanismen vgl. in diesem Abschnitt unter II. 123 Hüffer, AktG § 36 Rdnr. 13. 124 Die Frage, wer im Fall der Unverkäuflichkeit nach einer Anteilskaduzierung Anteilseigner wird, ist heftig umstritten, vgl. zu diesem Problem ausführlich Lutter, S. 147 Fußn. 179. Die überwiegende Meinung dürfte davon ausgehen, daß die Aktiengesellschaft selbst Rechtsinhaberin der Anteile wird, statt vieler Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 65 Rdnr. 87; Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 65 Rdnr. 44, Bayer, in: MünchKomm AktG § 65 Rdnr. 97 f. und Hüffer, AktG § 65 Rdnr. 10. Dies ändert nichts am Fortbestehen der Haftung des Kaduzierten. 125 Zur Kaduzierung im Vergleich zwischen Aktienrecht und GmbH-Recht vgl. Lutter, S. 146 und 154. 126 Darauf weist auch schon Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 117 Fußn. 78 hin.

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Diese unterschiedliche Situation hat der Gesetzgeber so wohl nicht gesehen, was sich aus der bereits zitierten Begründung zum Gesetzesentwurf ergibt. Die Folgerung, die man daraus ziehen kann, ist, daß eine Sicherheitsbestellung im Aktienrecht im Gegensatz zum GmbH-Recht nicht wegen des Wegfalls einer Haftung der Mitaktionäre unmittelbar notwendig gewesen wäre. Allerdings ist dieses Sicherungsmittel insofern sachgerecht als bei einer Mehrpersonengründung ein Korrektiv auch im Haftungsrecht des AktG vorhanden ist, welches die Aufbringung der Kapitalbasis der Gesellschaft gewährleisten kann. Dazu gehört vorrangig § 46 Abs. 5 AktG, der eine gesetzliche Haftung127 der Gründer gegenüber der Gesellschaft vorsieht und bereits oben mehrfach erwähnt wurde. Danach haften die Gründer als Gesamtschuldner für den Fall, daß einer der Gründer zahlungsunfähig128 wird bzw. unfähig, seine Sacheinlage zu erbringen. Der Aktiengesellschaft muß durch diese Zahlungsunfähigkeit ein Ausfall entstehen. Die überwiegende Meinung in der Literatur ist der Ansicht, daß ein solcher erst dann feststeht, wenn die Kaduzierung nach §§ 64, 65 AktG durchgeführt worden ist129. Der entscheidende Unterschied zur Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG liegt im subjektiven Tatbestand130. Im Gegensatz zur verschuldensunabhängigen Haftung des § 24 GmbHG ist bei § 46 Abs. 5 AktG nur ein Handeln in positiver Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit haftungsbegründend. § 24 GmbHG stellt damit ein echtes Instrument zur Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals dar. Im Gegensatz dazu enthält § 46 Abs. 5 AktG eine deliktsrechtliche Haftung, die noch dazu den Nachweis von Vorsatz voraussetzt. ____________ 127

Zur Rechtsnatur der Haftung Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG Vor §§ 46– 51 Rdnr. 2; Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 46 Anm. 2; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 46 Rdnr. 14 ff. 128 Beim Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist umstritten, ob dieser wie in § 102 KO a.F. (jetzt: § 17 InsO) verstanden werden soll, so Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 46 Rdnr. 25; Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 46 Anm. 15; weiter Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 46 Rdnr. 38, der im Gegensatz zu § 102 KO a.F. kein andauerndes Unvermögen zur Leistungsaufbringung verlangt. Es genügt ihm, daß der Gründer im Zeitpunkt der Übernahme nicht zur Zahlung in der Lage ist. Ebenso Pentz, in: MünchKomm AktG § 46 Rdnr. 52, der betont, daß es sich nicht um eine dauernde Zahlungsunfähigkeit handeln muß. 129 Statt vieler Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 46 Anm. 17; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 46 Rdnr. 41; Hüffer, AktG § 46 Rdnr. 15; a.A. aber Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 46 Rdnr. 26, der die vorherige Kaduzierung als zu umständlich und zeitraubend ablehnt und den haftenden Gründer für nicht schutzwürdig hält, ebenso Pentz, in: MünchKomm AktG § 46 Rdnr. 56. 130 Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 46 Anm. 18 spricht im Vergleich beider Vorschriften von einer Haftung aus § 46 Abs. 5 AktG, die gegenüber der aus § 24 GmbHG „außerordentlich stark eingeschränkt“ ist und lehnt daher jede Fruchtbarmachung der Grundsätze eines Tatbestands für den anderen ab.

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Es kann lediglich festgehalten werden, daß auch die Haftung nach § 46 Abs. 5 AktG im Falle einer Einpersonengründung ins Leere greifen muß. Wegen der strengen Anforderungen dieser Vorschrift liegt zwar ein geringeres Schutzbedürfnis der Gläubiger vor, da sich diese gerade nicht auf den Eintritt einer solchen Haftung verlassen können. Dennoch kann der neue § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG das Manko gegenüber der Mehrpersonengründung im präventiven wie im repressiven Bereich kompensieren. Ähnliches gilt für die Haftungsnormen des § 46 Abs. 1 und 2 AktG sowie der unmittelbaren Außenhaftung gegenüber den Gläubigern aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 399 Nr. 1 AktG131. Insgesamt muß man aber sagen, daß durch § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG die Aufbringung des Grundkapitals bei einer Einpersonengründung in viel höherem Umfang gesichert ist als bei einer Errichtung einer Aktiengesellschaft durch mehrere Personen. Zwar ist es für einen Gläubiger bzw. für die Gesellschaft unter dem Haftungsaspekt immer von Vorteil, wenn eine möglichst große Anzahl von Gründern vorhanden ist, da diese potentielle Schuldner darstellen. Da jede dieser Haftungsnormen aber Verschulden voraussetzt, liegt in der Einpersonengründung alleine gegenüber der Mehrpersonengründung noch kein handgreiflicher Nachteil, der eine Kompensation über eine Sicherheitsbestellung notwendig macht. Es entsteht der Eindruck, daß diese gewichtigen Unterschiede zwischen dem GmbH-Recht und dem Aktienrecht vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG zu wenig berücksichtigt worden sind. Gerade auch die Probleme bei der Bestimmung der Reichweite des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG haben dies gezeigt. Viele Regelungen im GmbHG, wie etwa einerseits § 19 Abs. 4 GmbHG, aber auch andererseits das Entfallen des Sicherungszwecks durch das Hinzutreten weiterer Gesellschafter, sind in spezifischer Weise vor dem Hintergrund der Ausfallhaftung des § 24 GmbHG zu sehen. Der Gesetzgeber hat die GmbH-Regeln, gleichsam eklektizistisch, zum Vorbild herangezogen, was die Entscheidung in den Bereichen schwierig macht, in denen eine Parallelregelung im AktG fehlt. Gleiches gilt für die Frage, welche Anforderungen an Sicherheiten nach § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG zu stellen sind. Wenn Röhricht hier fordert, daß die „Gleichwertigkeit mit der uneingeschränkten persönlichen Haftung einer weiteren Person“132 bestehen muß, wird dabei nicht hinreichend deutlich, daß eine solche Haftung eigentlich nur über § 24 GmbHG bei Gründung einer GmbH besteht. Bei der Mehrpersonengründung einer AG ____________ 131 Zu § 399 Nr. 1 AktG als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaft, der Gläubiger, sonstiger Vertragspartner der AG und der Aktionäre, vgl. nur Otto, in: Großkomm. AktG § 399 Rdnr. 5. 132 Röhricht, in: Großkomm. AktG § 36 Rdnr. 123.

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tritt eine persönliche Haftung etwa nach § 46 Abs. 5 AktG nur bei Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit ein. Die Haftung ist also gerade nicht uneingeschränkt, sondern verschuldensabhängig. Die verschuldensunabhängige Sicherungspflicht bei einer Einpersonengründung geht unabhängig davon, welche Sicherung gestellt wird, immer weit über das aufgrund § 46 Abs. 5 AktG bestehende Sicherungsbedürfnis hinaus. Die Kritik, die in der Literatur bisher gegenüber der Vorschrift laut wird, betrifft meist einzelne Aspekte der Sicherungspflicht nach § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG, vor allem die zusätzliche Sicherungspflicht bei Barkapitalerhöhungen. Zumeist wird hier vorgebracht, daß die Verschärfung der Anforderungen in diesem Bereich entgegen der Konzeption des Gesetzgebers wirkt, die Einpersonengründung zu erleichtern133. Genauer betrachtet ist aber allein die Tatsache der „Verschlechterung“ der Rechtslage für bisherige Einpersonenaktiengesellschaften nicht wirklich ein durchgreifender Kritikpunkt gegen § 36 AktG. Im Vorgriff auf § 42 AktG, der im nachfolgenden Gliederungspunkt behandelt wird, ist hier darauf hinzuweisen, daß auch diese Vorschrift durch die Unterwerfung jeder Aktiengesellschaft unter die Anmeldepflicht eine solche „Verschlechterung“ zum Ergebnis hat. Insgesamt war aber wohl vorrangige Motivation des Gesetzgebers, die Einpersonengesellschaft überhaupt zu regeln und vor allem die umständlichen Konstruktionen bei der Gründung überflüssig zu machen, ebenso wie zuvor im GmbH-Recht. Die behaupteten „Verschlechterungen“ stellen vielmehr nur Regelungen bereits bisher regelungsbedürftiger Bereiche dar.

c) § 42 AktG Eine – neben der Sicherungsbestellung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG – weitere Folgeregelung der Zulassung der Einpersonengründung enthält § 42 AktG. Diese Vorschrift bestimmt, daß die Tatsache, daß eine bestimmte Gesellschaft eine Einpersonengesellschaft ist, einen publizitätspflichtigen Umstand darstellt.

____________ 133

So insbesondere Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 3 und Ammon / Görlitz, S. 37 f. Aus diesem Grund lehnen, wie erwähnt, auch Heckschen, DNotZ 1995, 275, 277 und Priester, BB 1996, 333, 334 eine Anwendung der Sicherungspflicht bei Kapitalerhöhung insgesamt ab.

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aa) Frühere Rechtslage Nach früherem Recht bestand und zum Teil besteht heute noch ein wesentlicher Unterschied in der Publizität der Gesellschafter einer GmbH gegenüber denen einer Aktiengesellschaft. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Gläubigerschutz von Bedeutung.

(1) Publizität hinsichtlich der Gesellschafter im GmbH-Recht Das GmbHG kennt in dreifacher Weise eine Publizitätspflicht hinsichtlich der Identität der Gesellschafter: Zunächst schreibt § 8 GmbHG Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der nach § 7 GmbHG zu bewirkenden Anmeldung vor, die im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH erforderlich ist. § 8 Abs. 1 GmbHG gibt an, welche Anlagen einer Anmeldung beizufügen sind. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG gehört dazu auch die Liste der Gesellschafter, was im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist. Diese muß von den Anmeldenden unterschrieben sein und genauere Angaben zu den Gesellschaftern enthalten, nämlich Name, Vorname, Beruf134 (bzw. nach der Handelsrechtsreform 1998 das Geburtsdatum) und Wohnort bei natürlichen Personen. Soweit eine juristische Person, eine OHG oder KG zu den Gesellschaftern gehört, sind Firma und Sitz einzutragen135. Darüber hinaus fordert das Gesetz, daß für jeden Gesellschafter auch die von ihm übernommene Stammeinlage aufgeführt werden muß. Bis zur Handelsrechtsreform 1998 erfolgte eine Aktualisierung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 GmbHG a.F. nur einmal jährlich. Danach war nämlich durch den Geschäftsführer im Zeitpunkt des Jahresabschlusses eine Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, die in ihren Angaben derjenigen bei der Anmeldung der Gesellschaft entsprach. Soweit es keine Änderungen gab, genügte nach § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG a.F. eine Erklärung mit dem entsprechenden Inhalt. Das Problem dieser Regelung war, daß sich niemand wirklich auf die Gesellschafterliste, die beim Handelsregister eingereicht war, verlassen konnte. Der Kreis der Gesellschafter konnte sich bereits am Tag nach der Einreichung geändert haben. In der Handelsrechtsreform wurde der ____________ 134 § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG spricht hier der alten Wortwahl entsprechend von „Stand“ vgl. zu dieser Wortwahl etwa auch § 130 Nr. 1 ZPO. 135 Vgl. nur Lutter / Hommelhoff, GmbHG § 8 Rdnr. 4; Roth / Altmeppen, GmbHG, § 8 Rdnr. 4; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 8 Rdnr. 5; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 8 Rdnr. 6. Hier auch zu den Angaben, die erforderlich sind, wenn eine BGB-Gesellschaft oder Erbengemeinschaft GmbH-Gesellschafter ist.

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Kritik der Literatur136 entsprochen: Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG n.F. muß nunmehr jede Veränderung im Gesellschafterbestand unverzüglich durch den Geschäftsführer mittels Einreichung einer neuen vollständigen Gesellschafterliste angezeigt werden. Daneben trifft nach § 40 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. jeden Notar, der einen Vertrag über die Abtretung eines Geschäftsanteils einer GmbH beurkundet, die Pflicht, diese unverzüglich dem Registergericht anzuzeigen. Eine solche unverzügliche Pflicht, wie sie jetzt generell gilt, galt vor der Handelsrechtsreform nach § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. nur bei der Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand. Diese Sondervorschrift, die zum Vorbild für § 42 AktG wurde, wurde durch die Neuregelung des § 40 GmbHG obsolet und ist daher im Zuge der Handelsrechtsreform aufgehoben worden. Durch die Änderung des § 40 GmbHG wird jetzt um so deutlicher, daß es sich bei der GmbH nicht um eine „anonyme“ Gesellschaft137 handelt wie bei der Aktiengesellschaft.

(2) Publizität hinsichtlich der Gesellschafter im Aktienrecht Im Aktienrecht war vor der Einführung des § 42 AktG für Außenstehende der Gesellschafterbestand nur sehr eingeschränkt ersichtlich. Nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 AktG müssen die Gründer einer Aktiengesellschaft in der Urkunde bei Übernahme der Aktien138 angegeben werden. Im einzelnen sind hier die Angaben notwendig, die eine Individualisierung ermöglichen, folglich bei natürlichen Personen jedenfalls Vor- und Nachname, sowie die Anschrift, bei juristischen Personen Firma und Sitz. Eine Vorschrift, die § 40 GmbHG (in alter oder neuer Fassung) entspricht, kennt das Aktiengesetz nicht. Dies trägt dem Charakter der Aktiengesellschaft als anonymer Gesellschaft Rechnung. Lediglich bei Namensaktien ist jeder Aktionär im Aktienbuch (bzw. jetzt Aktienregister) einzutragen, § 67 Abs. 1 AktG. Bis zum NaStraG hatte nach § 67 Abs. 5 AktG hat jeder Aktionär ein Einsichtsrecht. Auch andere Personen, die ____________ 136

Nachweise bei Roth / Altmeppen, GmbHG, § 40 Rdnr. 1. So auch Lutter / Hommelhoff, GmbHG § 40 Rdnr. 2. 138 Die Aktienübernahmeerklärung gemäß § 23 Abs. 2 AktG ist nach h.M. ein Rechtsgeschäft, das sich von der Feststellung der Satzung unterscheidet, vgl. etwa Hüffer, AktG § 23 Rdnr. 16; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 23 Rdnr. 87; § 2 Rdnr. 7 ff.; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 23 Rdnr. 47 f.; Pentz, in: MünchKomm AktG § 23 Rdnr. 12. Worauf Hüffer, AktG § 23 Rdnr. 16 im Anschluß an Röhricht, in: Großkomm. AktG § 23 Rdnr. 2, 65 richtig hinweist, besteht für die Trennung von Satzung und Übernahmeerklärung kein Bedürfnis mehr, da durch das AktG 1965 nur noch die Einheitsgründung zulässig ist, die früher mögliche Stufen- oder Sukzessivgründung ist beseitigt worden, vgl. zu beiden Begriffen statt vieler Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG Vor § 23 Rdnr. 4. 137

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nicht die Aktionärseigenschaft besitzen, konnten Einsicht in das Aktienbuch unter den Voraussetzungen des § 810 BGB verlangen, also wenn sie daran ein rechtliches Interesse hatten139. Bei Namensaktien bestand somit in beschränktem Umfang Publizität140. Jedoch herrschen in der Praxis weitgehend Inhaberaktien vor141, so daß nur in seltensten Fällen durch den Einblick ins Aktienbuch der Gesellschafterbestand einer Aktiengesellschaft ersichtlich wird. Eine abweichende Rechtslage bestand vor der Änderung des AktG durch das Gesetz über die „Kleine AG“ auch nicht für Aktiengesellschaften, die nur einen Gesellschafter hatten. § 42 AktG basiert auf Art. 3 i.V.m. Art. 6 der Zwölften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 22. Dezember 1989 (89/667/EWG), sog. „Einpersonen-GmbH-Richtlinie“142. Art. 3 der Richtlinie fordert, daß das Entstehen einer Einpersonengesellschaft für das Publikum ersichtlich wird. Nach Art. 1 der Richtlinie besteht eine Pflicht zur Harmonisierung grundsätzlich nur für die GmbH und vergleichbare Rechtsformen. Art. 6 der Richtlinie erweitert deren Anwendungsbereich aber auch auf Aktiengesellschaften, soweit ein Mitgliedstaat eine Einpersonengesellschaft im Sinne des Art. 2 der Richtlinie auch für Aktiengesellschaften zuläßt. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie kennt für das Entstehen der Einpersonengesellschaft zwei Wege: (1) die Errichtung und (2) die Vereinigung aller Geschäftsanteile in einer einzigen Hand. Da nach deutschem Recht vor 1994 zwar das Entstehen einer Einpersonen-AG durch Vereinigung aller Anteile in einer Hand möglich war, nicht aber eine Errichtung durch nur eine Person, wurde überwiegend gefolgert, daß die Richtlinie in Deutschland nicht sogleich auch für die ____________ 139

Ebenso Hüffer, AktG § 67 Rdnr. 18; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 67 Rdnr. 54; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 67 Rdnr. 99, insb. 102; dort auch jeweils zum Einsichtsrecht nicht eingetragener Namensaktionäre. 140 Nach § 64 Abs. 6 AktG i.F.d. NaStraG ist das Einsichtsrecht aus Datenschutzgründen beschränkt. Ein Einsichtsrecht hat nur noch jeder Aktionär über seine eigenen Daten. Eine abweichende Regelung ist bei nicht börsennotierten Gesellschaften möglich, vgl. dazu BT-Drucks. 14/4051, S. 2 und 11. 141 Dies galt jedenfalls in dieser Entschiedenheit bis vor wenigen Jahren. In der letzter Zeit sind vermehrt auch größere Unternehmen dazu übergegangen, ihre Aktien auf Namensaktien umzustellen. Dies liegt insbesondere daran, daß Inhaberaktien eine deutsche Besonderheit sind. Gerade im anglo-amerikanischen Raum sind nur Namensaktien bekannt. Hintergrund der Umstellung ist also häufig, daß man auch für ausländische Anleger interessant sein möchte oder gar an eine Notierung an einer US-amerikanischen Börse denkt. 142 ABl. EG Nr. L 395 v. 30. Dezember 1989, S. 40 ff.; auch abgedruckt in EuZW 1990, 57 ff. und bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 278.

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Aktiengesellschaft gelte. Eckert betont, daß durch den Verweis des Art. 6 der Richtlinie auf Art. 2 Abs. 1 klargestellt ist, daß der Anwendungsbereich der Richtlinie nur dann auf die Aktiengesellschaft erstreckt wird, wenn der Mitgliedstaat beide Möglichkeiten der Entstehung einer Einpersonen-AG zuläßt143. Dagegen geht Brändel davon aus, daß die Einpersonen-GmbH-Richtlinie bereits dann für die Aktiengesellschaft gilt, wenn ein Tatbestand des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie erfüllt ist144. Er argumentiert dabei, daß beide Tatbestände zur Entstehung der Einpersonengesellschaft – also die Errichtung wie auch die nachträgliche Vereinigung aller Anteile in einer Hand – rechtlich gleichwertig sind. Der Schutzzweck der Einpersonen-GmbH-Richtlinie gebiete es, die Regelungen bereits dann für die Aktiengesellschaft anzuwenden, wenn ein Mitgliedstaat die Existenz der Einpersonen-AG überhaupt gestatte, da auch hier etwa das im Hintergrund der Anzeigepflicht stehende Informationsinteresse Dritter bestehe. Daraus folgert er, daß „sämtliche deutsche Aktiengesellschaften, die im Sinne der Einpersonen-GmbH-Richtlinie nach ihrer Gründung zu einer Einpersonengesellschaft geworden sind, vom Beginn des Jahres 1993 an nach den Bestimmungen der Richtlinie behandelt werden müssen“145. Für Aktiengesellschaften, die im Laufe des Jahres 1992 gegründet werden und vor dem 1. Januar 1993 zu Einpersonengesellschaften werden, will er die Bestimmungen der Richtlinie sogar von einem noch früheren Zeitpunkt an anwenden, wohl im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie. Man kann sicher darüber diskutieren, wie Art. 6 und Art. 2 Abs. 1 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie zu verstehen sind, und ob daher der deutsche Gesetzgeber nach Art. 8 Abs. 1 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie ab dem 1. Januar 1992 eine Umsetzungspflicht auch hinsichtlich der Einpersonenaktiengesellschaften gehabt hätte. Eindeutig ist jedoch, daß die Aktiengesellschaften selbst vor einer solchen Umsetzung nicht die Pflichten der Richtlinie zu erfüllen hatten. Dies würde zu einer unmittelbaren Drittwirkung der Richtlinie zu Lasten einer Person des Privatrechts führen146, nämlich zu Lasten der Aktiengesellschaft bzw. ihrer Organe. Diese horizontale Dritt____________ 143

Eckert, EuZW 1990, 54, 55. Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 18. 145 Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 18. 146 Auch Brändel, in: FS Kellermann, S. 15 ff., geht auf S. 18 wohl nicht von einer solchen unmittelbaren Drittwirkung ohne Umsetzung aus. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß er sich auf den S. 19 ff. mit den notwendigen Transformationen beschäftigt. Gerade seine oben zitierten Ausführungen über die Anwendbarkeit der Richtlinie auf Aktiengesellschaften sind jedoch jedenfalls mißverständlich. 144

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wirkung wird aber im Europarecht von der Literatur und der Rechtsprechung praktisch einhellig abgelehnt147. Unabhängig von der Frage der Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie, war jedenfalls Art. 3 der Richtlinie, der das Vorbild von § 42 AktG darstellt, vor der Reform 1994 nicht unmittelbar anwendbar.

bb) Neuer Regelungsinhalt § 42 AktG ordnet an, daß – unter Angabe des Namens, Vornamens, Geburtsdatums und Wohnorts des Aktionärs – unverzüglich beim Handelsregister einzureichen ist, wenn alle Anteile einem Aktionär „gehören“. Hinsichtlich des Regelungsgehalts des § 42 AktG gibt es insgesamt drei Themenbereiche, die einer Erörterung bedürfen. Unter (1) werden klärungsbedürftige Begriffe erläutert. (2) befaßt sich mit der Reichweite der Vorschrift. Abschließend wird unter (3) auf die Sanktionen bei Nichterfüllung der Meldepflicht eingegangen.

(1) Begriffsklärung Am Beginn einer Auseinandersetzung mit § 42 AktG muß eine Klärung der vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe stehen.

____________ 147

So in EuGH, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen –, Slg. 1987, 3969, 3985 f. und EuGH, Rs. 152/84 – Marshall / Health Authority –, Slg. 1986, 723, 749 gegen eine Wirkung zu Lasten eines einzelnen Bürgers, außerdem EuGH, Rs. C-106/89 – Marleasing / LA Comercial International de Alimentación –, Slg. 1990 I, 4135, 4158 und EuGH, Rs. C-91/92 – Faccini Dori / Recreb –, Slg. 1994 I, 3325, 3355 f. Zu den Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendung von nicht rechtzeitig umgesetzten Richtlinien gegenüber den Mitgliedstaaten selbst vgl. nur Schweizer / Hummer, Rdnr. 364 ff.; Streinz, Rdnr. 394 ff., insb. Rdnr. 402; Bleckmann, Rdnr. 431 ff.; Oppermann, Rdnr. 556 ff.; Geiger, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rdnr. 15 ff.; ausführlich bei Ruffert, in: Callies / Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 Rdnr. 69 ff. und Grabitz, in: Grabitz / Hilf, Art. 189 EWG Rdnr. 60 ff. Einschränkend in der neuesten Rechtsprechung des EuGH, EuZW 2001, 153, 156, wo sich eine Privatperson in einem Zivilrechtstreit mit einer anderen Privatperson darauf berufen kann, daß ein nationales Gesetz wegen eines Verstoßes gegen eine noch nicht umgesetzte Richtlinie nichtig ist, vgl. auch Gundel, EuZW 2001, 143 ff. zu diesem Urteil und verschiedenen Fallgruppen.

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(a) Zurechnung des Eigentums der Aktien Als erste Voraussetzung der Offenlegungspflicht fordert das Gesetz, daß „alle Aktien allein oder neben der Gesellschaft einem Aktionär gehören“. Was mit dem Begriff „gehören“ gemeint ist, ist klärungsbedürftig. Unzweifelhaft „gehören“ einem Aktionär die Aktien, wenn er selbst Inhaber des Vollrechts ist, also Eigentümer der Aktien. Fraglich ist indes, ob im Rahmen des § 42 AktG auch § 16 Abs. 4 AktG Anwendung findet. Dies würde bedeuten, daß sogenannte mittelbare Beteiligungen, die in der Hand eines abhängigen Unternehmens gehalten werden, zuzurechnen sind. Für die Anwendung des § 16 Abs. 4 AktG spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. Sowohl in § 42 AktG wie auch in § 16 AktG verwendet der Gesetzgeber dieselbe Formulierung. Er spricht in beiden Vorschriften davon, daß die Aktien einem Gesellschafter „gehören“. Dieses Wortlautargument ist um so gewichtiger, wenn man § 42 AktG etwa mit § 319 AktG vergleicht. In § 319 Abs. 1 Satz 1 AktG spricht das Gesetz davon, daß sich „alle Aktien in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden“. Es ist in der Literatur einhellige Meinung, daß der Gesetzgeber durch die Formulierung in § 319 Abs. 1 Satz 1 AktG ausdrücken wollte, daß die Hauptgesellschaft Inhaberin aller Mitgliedschaftsrechte sein muß. Eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG wird hier abgelehnt148. In § 42 AktG dagegen orientiert sich der Wortlaut klar an § 16 AktG. Gegen die Anwendung von § 16 Abs. 4 AktG sprechen aber zum einen teleologische Erwägungen, zum anderen systematische. Bei § 42 AktG geht es um Registerpublizität, was für eine formale Betrachtung der Vorschrift spricht149. Entscheidender ist aber, daß sich in vergleichbaren Vorschriften, in denen an die unmittelbare und mittelbare Beteiligung bestimmte Rechtsfolgen anknüpft werden, ein direkter Verweis auf die Zurechnungsvorschrift des § 16 Abs. 4 AktG findet. Beispiele hierfür sind etwa die §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 1 Satz 2 und § 328 Abs. 1 Satz 3 AktG150. Teile der Literatur151 wollen aus dem fehlenden Verweis in § 42 AktG einen Umkehrschluß ziehen. Ein solcher Umkehrschluß oder argumentum e contrario muß sich aber auf Rechtszwecke, Rechtswerte, Logik und System152 stützen, die hinter einer Norm stehen. Jeder ____________ 148 Vgl. Hüffer, AktG § 319 Rdnr. 4; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 88; Semler / Grunewald, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 319 Rdnr. 2; Kraft, in: Kölner Komm. AktG Vorb. § 319 Rdnr. 9; Grunewald, in: MünchKomm AktG § 319 Rdnr. 3. 149 Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 4 150 So auch Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 4 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 21. 151 So Hüffer AktG § 42 Rdnr. 4. 152 Ausdrücklich Fikentscher, Methoden IV, S. 285.

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Umkehrschluß, der sich allein auf das Fehlen eines ausdrücklichen Verweises stützt, wäre schon logisch falsch153, da er voraussetzen würde, daß eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG nur in Betracht komme, wenn ausdrücklich darauf verwiesen werde. Die Frage kann also nur mit Blick auf den Zweck der Norm selbst beantwortet werden. Für eine Zurechnung mittelbarer Beteiligungen spricht hier, daß sich der Gesetzgeber mit § 42 AktG ausdrücklich an § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. orientieren wollte154. Bei § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. wurde aber überwiegend vertreten, daß der Gesetzeszweck es gebiete, einem Gesellschafter auch „mittelbare Beteiligungen“ zuzurechnen155. Das Gesetz möchte nämlich den Rechtsverkehr vor der „Alleinherrschaft“ eines Gesellschafters warnen. Für die Gläubiger macht es wenig Unterschied, ob die Anteile rechtlich einer einzigen Person gehören oder dies lediglich wirtschaftlich der Fall ist156. Richtiger Ansicht nach wird man bei § 42 AktG aber differenzieren müssen. Eine Zurechnung ist vorzunehmen, soweit es unmittelbar um die Anwendbarkeit von § 16 Abs. 4 AktG geht, also in einem Fall, in dem es neben dem Aktionär der Gesellschaft nur noch ein Tochterunternehmen gibt, daß abhängig von demselben Aktionär ist157. Eine solche Fallgestaltung kann im Einzelfall bereits an eine Umgehung des § 42 AktG grenzen. Zudem ist es einfach feststellbar, daß die Herrschaft durch die gleiche Person ausgeübt wird. Dies ist mit der aufgrund der Registerpublizität verbundenen formalen Betrachtungsweise auch vereinbar, da sich häufig auch die Abhängigkeit des Tochterunternehmens mittelbar aus dem Handelsregister ergeben dürfte. Etwas anderes gilt jedoch für verschiedene Arten von Treuhandverhältnissen. Im GmbH-Recht findet zwar bei § 40 Abs. 2 GmbHG nach überwiegender Meinung auch hier eine Zurechnung statt. Dies würde aber über § 16 Abs. 4 AktG hinausgehen und ist auch nicht geboten. Zum einen hat der Gesetzgeber sich zwar an § 40 Abs. 2 GmbHG angelehnt, die Vorschrift aber nicht identisch formuliert158. Zudem ist auch die Gefahrenlage, die aus der alleinigen Herr____________ 153

Ebenso Larenz / Canaris, S. 209. Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. 155 So Roth / Altmeppen, GmbHG, § 40 Rdnr. 8; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 40 Rdnr. 7 (14. Aufl.); Scholz / Schneider, GmbHG § 40 Rdnr. 10. Anders aber Mertens, in: Hachenburg, GmbHG § 40 Rdnr. 15. 156 Vgl. nur Roth / Altmeppen, GmbHG, § 40 Rdnr. 8. 157 Dazu auch das Beispiel bei Lutter, AG 1994, 429, 434. Ohne diese Differenzierung sprechen sich Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 3 Rdnr. 22 und Brinkmann, S. 50 f. für eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG aus. 158 Auch die Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8 spricht nur von „Anlehnung“ an § 40 Abs. 2 GmbHG. 154

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schaft eines Aktionärs resultiert geringer als bei der GmbH159. Soweit man in einer Einpersonengesellschaft die Gefahr für die Gläubiger im Hinblick auf die reale Aufbringung des Grundkapitals als größer ansieht als bei einer Mehrpersonengesellschaft, besteht jedenfalls diese Gefahr bei Treuhandverhältnissen nicht. Gegen den Treuhänder kann sich nämlich gerade noch eine Einlageforderung richten. Zum anderen ist insgesamt die Gefahr des unkontrollierten Agierens eines alleinigen Gesellschafters bei der Aktiengesellschaft nicht so groß wie bei der GmbH. Bei der GmbH gibt es kein Kontrollorgan. Der Gesellschafter bildet allein die „Gesellschafterversammlung“ und hat ein Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer, wenn er nicht selbst diese Position einnimmt. Bei der Aktiengesellschaft steht in jedem Fall der Aufsichtsrat als Kontrollorgan zur Verfügung. Auf die Aufsichtsratsmitglieder hat der Alleingesellschafter nur bei der Bestellung Einfluß, im übrigen sind sie aber Dritten gegenüber verantwortlich und haften über §§ 116, 93 Abs. 2 AktG nach außen. Der Vorstand handelt in der Aktiengesellschaft nach § 76 AktG unter eigener Verantwortung und ist nicht der Hauptversammlung weisungsunterworfen. Zwar kann der alleinige Gesellschafter selbst die Position des Vorstands einnehmen, wenn er vom Aufsichtsrat dazu bestellt wird, oder er kann einen Sitz im Aufsichtsrat einnehmen. § 105 AktG sichert aber die Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat zugleich. Zudem fordert § 95 Abs. 1 Satz 1 AktG, daß dem Aufsichtsrat mindestens drei Personen angehören müssen. Der Einfluß des alleinigen Gesellschafters und somit die damit verbundenen Gefahren sind also in jedem Fall bei der Aktiengesellschaft geringer als bei der GmbH. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß für die Anwendung des § 42 AktG auf § 16 Abs. 4 AktG Bezug genommen werden kann160. Eine Zurechnung auch bei Treuhandverhältnissen161, wie dies bei § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. vertreten wurde, würde über § 16 Abs. 4 AktG hinausgehen und ist im Aktienrecht aus den geschilderten Gründen auch nicht angezeigt.

____________ 159

Darauf weist zutreffend Lutter, AG 1994, 429, 434 hin. Ebenso Lutter, AG 1994, 429, 434; a.A. aber Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 4 und § 16 Rdnr. 12 sowie Blanke, BB 1994, 1505, 1506, der sonst die Anzeigepflichten in § 42 AktG für zu weitreichend erachtet und zudem auf § 16 Abs. 1 AktG zurückgreifen will. Unklar ist welche Auffassung Heckschen, DNotZ 1995, 275, 279 vertritt, der apodiktisch meint: „Nach richtiger Auffassung wird hier auf § 16 AktG Bezug genommen“. 161 So aber Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 88; Ammon / Görlitz, S. 43; HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 3; unklar Kindler, NJW 1993, 3041, 3042, der sich zur Frage wie Beteiligungen zu behandeln sind, die über eine Treuhand gehalten werden, nicht äußert. 160

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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(b) Adressat der Offenlegungspflicht Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, wen die Pflicht des § 42 AktG zur Offenlegung des Charakters als Einpersonengesellschaft trifft. Die wörtliche Auslegung der Vorschrift führt nicht weiter, ebenso wenig hilft unmittelbar eine historische Auslegung, da sich zu diesem Thema weder in der Begründung des Gesetzesentwurfs162 noch in der Begründung des Rechtsausschusses163 direkte Hinweise finden. Bei einer systematischen Betrachtung gibt es zwei Konstruktionsvarianten: Zum einen kann man mangels anderer Vorschriften für die Anmeldung auf § 78 AktG zurückgreifen, so daß die Anmeldepflicht den Vorstand treffen würde164. Hoffmann-Becking weist darauf hin, daß eine solche Auslegung sich auch auf die wenigen Hinweise, die sich aus der Geschichte der Vorschrift ableiten lassen, stützen kann. Zunächst war nämlich im Gesetzesentwurf die Anmeldung zur Eintragung vorgesehen. Dies hätte aber eindeutig nur durch den Vorstand erfolgen können165. Für diese Ansicht spricht zudem eine Parallele zum GmbH-Recht. Auch dort oblag, aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 40 Abs. 2 GmbHG a.F., die Offenlegungspflicht dem Geschäftsführer als Vertretungsorgan. Wenn man zum anderen die Stellung des § 42 AktG in den Gründungsvorschriften bedenkt, dann muß jedenfalls im Falle der Gründung einer Einpersonengesellschaft § 36 Abs. 1 AktG berücksichtigt werden. Die Pflicht eine Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, trifft hier sowohl die Gründer als auch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Soweit jetzt nach § 42 AktG eine gesonderte Anzeige gegenüber dem Handelsregister erfolgen muß, aus der sich der Charakter als Einpersonengesellschaft ergibt, ist es zweckdienlich, diese von demselben Personenkreis wie bei § 36 Abs. 1 AktG zu fordern166. Lediglich wenn eine Aktiengesellschaft erst durch nachträgliche Vereinigung aller Anteile zur Einpersonengesellschaft wird, trägt eine Orientierung an § 36 Abs. 1 AktG nicht.

____________ 162

Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 8 f. 164 Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 5, ebenso Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 83 und Blanke, BB 1995, 681, 683, jedoch jeweils ohne Begründung. Auch Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 22. 165 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 3 f. Er weist darauf hin, daß dadurch, daß jetzt nur noch die Einreichung zu den Akten gefordert wird, nicht auch der Adressat der Pflicht ausgewechselt werden sollte. Ähnlich Heckschen, DNotZ 1995, 275, 279. 166 Ebenso Lutter, AG 1994, 429, 435; Ammon / Görlitz, S. 44. 163

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2. Teil: Deutsches Recht

Vor allem praktische Erwägungen sprechen bei § 42 AktG jedoch dagegen, ausschließlich eine Pflicht des Vorstands nach § 78 Abs. 1 AktG anzunehmen. Wie erwähnt ist die Aktiengesellschaft eine anonyme Gesellschaft. Diese Anonymität besteht nicht nur gegenüber dem allgemeinen Publikum, sondern auch gegenüber den Organen der Gesellschaft selbst. Bei der GmbH kennt der Geschäftsführer schon wegen § 16 Abs. 1 GmbHG den genauen Bestand der Gesellschafter. Ohne einer Anmeldung eines Rechtsübergangs bei der Gesellschaft, und damit beim Geschäftsführer, gilt dieser gegenüber der GmbH als nicht erfolgt. Eine ähnliche Vorschrift enthält das Aktienrecht, wie erläutert, nur bei Namensaktien in § 67 Abs. 2 AktG. In der Konsequenz bedeutet dies, daß der Vorstand allein gegebenenfalls gar keine Kenntnis darüber hat, daß aus der Gesellschaft eine Einpersonengesellschaft geworden ist. Dies gilt um so mehr, wenn man wie hier für § 42 AktG eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 AktG vornimmt. Damit ist es noch weniger zu erwarten, daß der Vorstand Kenntnis davon hat, daß alle Aktien einem einzigen Gesellschafter „gehören“. Aus praktischen Gründen sollte man daher zumindest auch eine Pflicht des Alleinaktionärs annehmen. Auch ist es aktienrechtlichen Vorschriften durchaus nicht fremd eine solche Pflicht des Gesellschafters selbst anzunehmen. So besteht etwa nach § 20 Abs. 1 AktG eine Mitteilungspflicht eines Unternehmens selbst, wenn es mehr als 25 % der Aktien einer Aktiengesellschaft innehat. Ähnliches gilt im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Auch nach § 21 Abs. 1 WpHG gilt derjenige als meldepflichtig gegenüber Gesellschaft sowie der Öffentlichkeit167, der selbst einen bestimmten Anteil der Stimmrechte innehat. Der Zweck dieser Vorschrift, nämlich Schutz durch Transparenz168, kann durchaus auch als Begründung bei § 42 AktG herangezogen werden. Dieser Schutz wird aber am effektivsten gewährleistet169, wenn auch bei § 42 AktG eine Mitteilungspflicht des Alleinaktionärs gegenüber dem Handelsregister170 angenommen wird. Diese kann durchaus neben der Pflicht des Vorstands stehen, soweit dieser Kenntnis von ____________ 167

Die Öffentlichkeit wird bei § 21 WpHG dadurch informiert, daß eine Meldung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erfolgt, die von der Gesellschaft veröffentlicht werden muß. 168 Siehe nur Begründung zum Regierungsentwurf des WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 35. 169 Ähnlich Brinkmann, S. 52. 170 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4 will lediglich eine Mitteilungspflicht des Alleinaktionärs gegenüber dem Vorstand annehmen. Woraus sich diese Pflicht ergeben soll, bleibt jedoch im Dunkeln. Unklar ist, ob er diese Meinung aufrecht erhalten hat, vgl. dazu bei Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 3 Rdnr. 22, wo nur noch davon gesprochen wird, daß der Alleinaktionär mitteilungspflichtig ist, ohne zu spezifizieren, wem gegenüber die Pflicht besteht. Ähnlich und Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 23.

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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dem Charakter der Gesellschaft als Einpersonengesellschaft hat oder haben muß171.

(c) Rechtsfolgen des § 42 AktG Zumindest eine unglückliche Formulierung wird man dem Gesetzgeber hinsichtlich der Rechtsfolgen des § 42 AktG vorwerfen können. Mit Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen war zunächst vorgesehen, daß eine „Anmeldung bei dem Gericht“ erfolgen müsse. Art. 3 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie kennt bei Vereinigung aller Anteile drei mögliche Rechtsfolgen: (1) die Hinterlegung in der Akte, (2) die Eintragung in ein Register im Sinne des Art. 3 Abs. 1, 2 Richtlinie 68/151/EWG (Publizitätsrichtlinie) oder (3) der Vermerk in einem bei der Gesellschaft geführten Register, das jedoch jedem zugänglich sein muß. Ein besonderes von der Gesellschaft geführtes Register kennt das deutsche Aktienrecht nicht, so daß zum einen die Eintragung in das Handelsregister in Betracht gekommen wäre, zum anderen die Hinterlegung bei den Registerakten. Der Gesetzesentwurf sah zunächst die Eintragung in das Handelsregister vor172. Der Rechtsausschuß hielt es dann für ausreichend, wenn eine Hinterlegung der Mitteilung bei den Registerakten erfolgt. Dabei stellte er auf die Anforderungen der Richtlinie ab. Zudem wurde so eine parallele Regelung zu den Vorschriften des GmbH-Rechts geschaffen173. Aus diesem Verständnis des § 42 AktG, das auf die Gesetzgebungsgeschichte abstellt, ergibt sich auch, daß für die Mitteilung die einfache Schriftform genügt. Eine notarielle Beglaubigung ist gerade nicht erforderlich, was § 12 HGB dagegen für eine Anmeldung (zur Eintragung) fordert174. In der Handelsrechtsreform 1998 hat der Gesetzgeber die Formulierung klargestellt. § 42 AktG n.F. verlangt jetzt nicht mehr, daß die ____________ 171

Ähnlich Lutter, AG 1994, 429, 435, der die Pflicht des Vorstands aus einer Analogie zu § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. ableitet; Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 19; Ammon / Görlitz, S. 44; Heckschen, DNotZ 1995, 275, 279; tendenziell in die gleiche Richtung argumentiert Priester, BB 1996, 333, 334 Fußn. 17. Nicht recht nachvollziehbar ist, wieso eine solche Pflicht des Alleinaktionärs „den Gesetzestext überdehnt“, wie Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 83 meinen. Nachdem der Text nichts zu der Frage aussagt, kann er auch nicht „überdehnt“ werden. 172 Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 3; vgl. auch Blanke, BB 1994, 1505, 1506; Kindler, NJW 1994, 3041, 3042 f. 173 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 8 f. 174 Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 6; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 84; Ammon / Görlitz, S. 41; Lutter, AG 1994, 429, 434; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 3; Heckschen, DNotZ 1995, 275, 278; Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 26.

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2. Teil: Deutsches Recht

entsprechenden Angaben unverzüglich „bei Gericht anzumelden“ sind, sondern daß eine Mitteilung „zum Handelsregister einzureichen“ ist. Inhaltlich müssen gemäß § 42 AktG zwei Umstände mitgeteilt werden: Zum einen muß gegenüber dem Handelsregister offengelegt werden, daß es sich überhaupt um eine Einpersonengesellschaft handelt. Dies ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift auch dann gegeben, wenn neben einem Aktionär nur noch die Gesellschaft selbst eigene Aktien hält. Dies alleine genügt aber nicht175. Durch eine solche Mitteilung wäre zwar der Charakter als Einpersonengesellschaft für Dritte ersichtlich, aber § 42 AktG ebenso wie Art. 3 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie gehen darüber hinaus. Die Anonymität der Gesellschafter wird in diesem Fall gelüftet, und es muß auch die Identität des Alleinaktionärs offengelegt werden176. § 42 AktG in der ursprünglichen Fassung forderte daher, ebenso wie § 40 GmbHG a.F., die Angabe von Name, Vorname, Beruf und Wohnort des alleinigen Aktionärs. Nach der Handelsrechtsreform 1998 ist an die Stelle des Berufes das Geburtsdatum des Aktionärs getreten.

(2) Reichweite der Norm Die Reichweite der Vorschrift ist sowohl in zeitlicher wie auch in sachlicher Hinsicht zu bestimmen. Bei der zeitlichen Reichweite geht es sowohl darum, ob die Vorschrift nur bei späterer Vereinigung aller Anteile oder schon bei Gründung anwendbar ist, als auch darum, ob sie auf bestehende Aktiengesellschaften Anwendung findet [dazu unter (a)]. Die sachliche Reichweite befaßt sich mit der Frage, ob auch der actus contrarius unter die Norm fällt [dazu unter (b)].

(a) Zeitliche Reichweite der Norm Die Vorschrift des § 42 AktG gilt sowohl bei Gründung einer Einpersonengesellschaft als auch bei der nachträglichen Vereinigung aller Anteile in einer Hand. Dies ergibt sich nur mittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes. Dieses spricht davon, daß dann, wenn alle Aktien einem Aktionär „gehören“, eine entsprechende Mitteilung beim Gericht einzureichen ist. Das Gesetz beschreibt ____________ 175 Vgl. Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 5, Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 83; Lutter, AG 1994, 429, 434 f.; Planck, GmbHR 1994, 501, 502; Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 24. 176 Anschaulich hier Brändel, FS Kellermann, S. 15, 19.

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also nicht die Art und Weise, wie es dazu kommt, daß alle Anteile in einer Hand sind. Aus teleologischen Erwägungen würde es genügen, wenn die nachträgliche Vereinigung aller Anteile beim Handelsregister offengelegt wird. Der Zweck des § 42 AktG ist es nämlich den Charakter einer Aktiengesellschaft als Einpersonengesellschaft für den Rechtsverkehr aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich zu machen177. Dies ist aber bei Gründung einer Einpersonen-AG ohnehin der Fall. Wie erwähnt muß jede Aktiengesellschaft nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 AktG bei ihrer Gründung ihre Gründer angeben. Wegen § 37 Abs. 4 Nr. 1 AktG i.V.m. § 9 Abs. 1 HGB wäre bei der Einpersonengründung der Charakter der Gesellschaft ohnehin für das Publikum erkennbar. Entscheidend für die Anwendung des § 42 AktG auch bei der Gründung einer Einpersonengesellschaft spricht jedoch die systematische Stellung der Vorschrift. § 42 AktG steht im zweiten Teil des Aktiengesetzes, welcher der Gründung der Gesellschaft gewidmet ist. Daher betrifft er in gleicher Weise die Gründung einer Einpersonengesellschaft wie auch die spätere Entwicklung dazu178. Dies entspricht sicher auch insoweit dem gerade erwähnten Zweck der Bestimmung, da eine besondere Mitteilung über die Tatsache, daß die Gesellschaft nur einen einzigen Aktionär hat, wohl eher auffällt, als wenn diese Tatsache lediglich der Satzung entnommen werden kann179. Hinzuweisen ist ergänzend auf zwei Umstände: Zum einen geht eine solche gesonderte Offenlegungspflicht über das hinaus, was § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. gefordert hatte, der als Vorbild für § 42 AktG diente180. Dieser sprach ausdrücklich davon, daß eine Einreichung einer Gesellschafterliste erforderlich wird, sobald „sich alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters ... vereinigt haben“, womit zweifellos nur die nachträgliche Vereinigung angesprochen war181. Die Einreichung einer entsprechenden Liste bei Gründung war und ist

____________ 177

So etwa Lutter, AG 1994, 429, 434. So die allg. Meinung vgl. Lutter, AG 1994, 429, 434; Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 3; Ammon / Görlitz, S. 42; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 3; Blanke, BB 1994, 1505, 1506; Trölitzsch, WiB 1994, 795, 798; Dehmer, WiB 1994, 753, 756; Planck, GmbHR 1994, 501, 502; Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 9. 179 Darauf bezieht sich ausdrücklich auch Lutter, AG 1994, 429, 434. Vgl. hierzu auch Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 3 Rdnr. 22. 180 So Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. 181 So auch Mertens, in: Hachenburg, GmbHG § 40 Rdnr. 13; Lutter / Hommelhoff, GmbHG § 40 Rdnr. 7 (14. Aufl.). 178

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2. Teil: Deutsches Recht

hier, wie erwähnt, nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG gefordert182. Zum anderen geht die Offenlegungspflicht bei Gründung auch über das gemeinschaftsrechtlich Geforderte hinaus. Art. 3 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie sieht einen Publizitätsakt nur in der Situation vor, daß eine Gesellschaft durch die Vereinigung aller Anteile in einer Hand zur Einpersonengesellschaft wird. Sowohl der Wortlaut („wird“) als auch der Vergleich des Art. 3 der Richtlinie mit Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sprechen hier dafür, daß nur die nachträgliche Vereinigung eine Offenlegungspflicht auslöst. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie unterscheidet nämlich zwischen der Errichtung als Einpersonengesellschaft und der nachträglichen Vereinigung der Anteile als zwei unterschiedliche Tatbestände. Art. 3 der Richtlinie greift lediglich den zweiten auf183. Zwar bezieht sich auch die Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 42 AktG ausdrücklich auf diese Bestimmung der Richtlinie184, aus den oben beschriebenen Gründen, ist aber dennoch von einem weiteren Anwendungsbereich des § 42 AktG auszugehen185. In zeitlicher Hinsicht kennt § 42 AktG keinerlei Einschränkung etwa auf neu gegründete Aktiengesellschaften bzw. Gesellschaften, die erst nach dem Inkrafttreten dieser Vorschrift, also nach dem 10. August 1994, die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt haben. Sowohl Wortlaut wie auch Sinn der Vorschrift sprechen eindeutig für eine Anwendung auch auf Altfälle. Es wäre mit dem Zweck des § 42 AktG, die Tatsache des Vorliegens einer Einpersonengesellschaft für jeden zugänglich zu machen, nicht vereinbar, wenn § 42 AktG lediglich auf neue Aktiengesellschaften anwendbar wäre. Auch entspricht nur in dieser Auslegung § 42 AktG den Vorgaben der Einpersonen-GmbH-Richtlinie. Aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie ergibt sich lediglich, daß die Mitgliedstaaten für Gesellschaften, die bei Ablaufen der Umsetzungsfrist am 1. Januar 1992 ____________ 182 Planck, GmbHR 1994, 501, 502 weist im Zusammenhang mit der Reichweite des § 42 AktG ebenfalls auf § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG hin und folgert aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift den weiteren Anwendungsbereich des § 42 AktG. Wie bereits angesprochen, erscheint diese Folgerung gerade im Hinblick auf die mehrfach erwähnten §§ 23 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 4 Nr. 1 AktG jedenfalls nicht zwingend, da diese eine entsprechende Funktion wie § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG haben. 183 Ebenso Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 3; anders Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 19, der – jedoch ohne Begründung – feststellt, daß die Bestimmung des Art. 3 der Richtlinie sowohl für den Fall der anfänglichen wie auch den der nachträglichen Entstehung der Einpersonengesellschaft gelte. 184 In der Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8 findet sich folgende Formulierung: „Der neue § 42 AktG setzt die Vorgabe des Art. 3 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie in Anlehnung an § 40 Abs. 2 GmbHG um“. 185 Unklar hier Priester, BB 1996, 333, 334, der wohl eher davon ausgeht, daß eine Mitteilungspflicht nur dann besteht, wenn es später zu einer Einpersonen-AG kommt, da er wie folgt formuliert: „Entsteht später eine Einpersonen-AG, dann muß dies dem Handelsregister mitgeteilt werden“.

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bereits bestehen, eine Übergangsfrist für eine Jahr, also bis zum 1. Januar 1993, vorsehen können186. Eine generelle Geltung für Altfälle wird hier aber vorausgesetzt. Schließlich hat auch der Rechtsausschuß187 ausdrücklich hervorgehoben, daß die Regelung auch für bestehende Aktiengesellschaften gelten soll. Von einer Übergangsregelung wurde wegen „der überschaubaren Zahl und ... des geringen Aufwands“188 abgesehen. Auch eine an der Entstehungsgeschichte orientierte Auslegung des § 42 AktG spricht somit eindeutig für eine Geltung auch für Altfälle189.

(b) Sachliche Reichweite der Norm Umstrittener als die zeitliche Reichweite ist indes die Frage, ob eine Offenlegungspflicht auch für den actus contrarius gilt, wenn also aus einer Einpersonengesellschaft durch die Übertragung von Aktien wieder eine Mehrpersonengesellschaft wird. Der Wortlaut des § 42 AktG betrifft diesen Fall nicht, es wird hier nur die Folge einer Anteilsvereinigung geregelt. Gleiches gilt für Art. 3 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie. Auch der Gesetzgeber hat sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt. Das Problem ist weder in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 42 AktG angesprochen190, noch in der Begründung des Rechtsausschusses zu dieser Norm191. Eine Pflicht zu einer Anzeige, daß es sich bei einer Gesellschaft nicht mehr um eine Einpersonen-AG handelt, kann somit nur aufgrund einer teleologischen Korrektur bzw. Ergänzung192 des § 42 AktG gefolgert werden. Voraussetzung ist jedenfalls, daß der hinter der Norm stehende Zweck es erfordert, eine Mitteilungspflicht auch dann anzunehmen, wenn wieder eine Mehrpersonen____________ 186 Anders Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 3, der aus der Formulierung des Art. 3 der Richtlinie („wird“) folgt, daß keine Rückwirkung stattfindet, ohne sich jedoch mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie auseinanderzusetzen. 187 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 9. 188 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 9. 189 So die allgemeine Meinung, vgl. nur Ammon / Görlitz, S. 42; Lutter, AG 1994, 429, 434; Dehmer, WiB 1994, 753, 756; Blanke, BB 1994, 1505, 1506; HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 3; Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 3; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 89; Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 19. 190 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. 191 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 8 f. 192 Unter Verwendung der Begriffe von Fikentscher, Methoden IV, S. 284 kann man hier wohl von Analogie sprechen. Für ihn bedeutet eine Analogie „die Erstreckung eines rechtsbildenden Elements, also eines Rechtszwecks, eines Rechtswertes, eines systematisch-logischen Gesichtspunktes oder eines Entwicklungsgedankens auf einen bisher nicht entschiedenen Fall, anders ausgedrückt, auf die Bildung einer neuen Fallnorm“.

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2. Teil: Deutsches Recht

gesellschaft entstanden ist. Dies wird auch von der überwiegenden Literatur193 vertreten, soweit sie sich mit dieser Frage überhaupt beschäftigt. Anzumerken ist zunächst, daß im GmbH-Recht für § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. dieses Ergebnis gerade nicht angenommen wurde194. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß die Ausgangslage zwischen GmbH und Aktiengesellschaft insoweit unterschiedlich ist. Bei der GmbH bestand höchstens für ein Jahr eine Ungewißheit des Rechtsverkehrs darüber, ob eine Gesellschaft weiterhin nur einen einzigen Gesellschafter hat, nämlich bis mit dem nächsten Jahresabschluß eine entsprechende Erklärung über die Zusammensetzung der Gesellschaft erfolgte. Diese Unsicherheit war aber vor allem deshalb hinnehmbar, da das Publikum, wie erwähnt, auch sonst nach einem Einblick in die Registerakten nie sicher sein konnte, ob der dort niedergelegte Gesellschafterbestand noch mit dem aktuellen identisch ist. Im Aktienrecht kann man ähnlich argumentieren: Die Aktiengesellschaft ist in der Regel eine anonyme Gesellschaft. Die Offenlegung der Identität der Aktionäre in § 42 AktG stellt die absolute Ausnahme dar, so daß auch hier der Rechtsverkehr nur begrenzt auf Aussagen zu dieser Frage vertrauen kann. Der entscheidende Unterschied zum GmbH-Recht ist aber, daß bei der Aktiengesellschaft die Registerakten auf Dauer einen falschen Sachverhalt ausweisen würden195. Dies ist jedenfalls mit dem Vertrauen, das vom Rechtsverkehr dem Register und den dort eingereichten Schriftstücken entgegengebracht wird, nicht zu vereinen. Daher ist zu folgern, daß auch das Entstehen einer mehrgliedrigen Gesellschaft einen publizitätspflichtigen Umstand darstellt. Es genügt hier die Mitteilung an das Registergericht, daß die Aktiengesellschaft zwischenzeitlich wieder mehrgliedrig geworden ist und gegebenenfalls ein Nachweis der Mehrgliedrigkeit bzw. der Veräußerung zumindest einer Aktie196. So wird eine dauerhafte Irreführung des Rechtsverkehrs vermieden.

____________ 193

So Ammon / Görlitz, S. 42; Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 5; Lutter, AG 1994, 429, 434; Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 19. Anders aber Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 20, der aus der Vorschrift keine Verpflichtung folgert, eine entsprechende Mitteilung dem Vorstand empfiehlt. 194 Mertens, in: Hachenburg, GmbHG § 40 Rdnr. 14. Für das neue Recht stellt sich die Frage nicht mehr, da § 40 Abs. 1 GmbHG n.F. für jeden Fall die unverzügliche Einreichung einer Gesellschafterliste fordert. 195 Ebenso Ammon / Görlitz, S. 43; Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 5; Lutter, AG 1994, 429, 434. 196 Ammon / Görlitz, S. 43; Lutter, AG 1994, 429, 434; Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 19.

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(3) Sanktionen bei Nichterfüllung Als Sanktionen ist bei Nichterfüllung der Anmeldepflicht an eine registerrechtliche und eine haftungsrechtliche Sanktion zu denken. Wenn der Mitteilungspflicht nicht unverzüglich, also gemäß § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern, Folge geleistet wird, kann durch das Registergericht eine entsprechende Mitteilung erzwungen werden. Als Zwangsmittel steht dabei nach § 14 HGB ein Zwangsgeld von bis zu € 5.000 zur Verfügung. Das Verfahren der Androhung und Festsetzung des Zwangsgelds ist in den §§ 132 ff. FGG im einzelnen geregelt197. Daneben ist § 42 AktG im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB Schutzgesetz. Soweit somit durch die Nichtanmeldung im Einzelfall ein Schaden entsteht, kann der Gläubiger aus diesen Normen Schadensersatz verlangen198.

cc) Begründung für die Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Auf die Begründung der Gesetzesänderung wurde bereits an mehreren Stellen eingegangen. In erster Linie sollte durch den § 42 AktG Art. 3 der Einpersonen-GmbH-Richtlinie umgesetzt werden. Für die Umsetzung hat sich der Gesetzgeber § 40 Abs. 2 GmbHG a.F. zum Vorbild genommen. Die Umsetzung war notwendig geworden, da durch die Zulassung der Einpersonengründung in § 2 AktG nun in jedem Fall199 gemäß Art. 6 der genannten Richtlinie eine Umsetzungspflicht bestand. Über § 42 AktG hinaus sah der Gesetzgeber zu Recht keinen weiteren Umsetzungsbedarf der Einpersonen-GmbH-Richtlinie200. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie schreibt vor, daß der einzige Gesellschafter die Befugnisse der Gesellschafterversammlung ausübt, was im deutschen Aktienrecht auch ohne besondere ____________ 197

Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4; Ammon / Görlitz, S. 45; Lutter, AG 1994, 429, 435; Hüffer, AktG § 42 Rdnr. 6; Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 19; Blanke, BB 1994, 1505, 1507; Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 28. 198 So auch Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4, der praktische Schwierigkeiten in der Feststellung eines entsprechenden Schadens sieht; Ammon / Görlitz, S. 45; Lutter, AG 1994, 429, 435. Anders wohl Pentz, in: MünchKomm AktG § 42 Rdnr. 28, der ausführt, daß neben § 14 HGB keine sonstigen Sanktionen bestehen. Zu beachten ist, daß – aus dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ – nicht auch noch eine strafrechtliche Sanktion hinzukommt, da die Mitteilungspflicht des § 42 AktG in § 399 AktG nicht aufgeführt ist. 199 Inwieweit bereits zuvor Umsetzungsbedarf bestanden hätte, wurde bereits angesprochen. Einen solchen befürwortet Brändel, in: FS Kellermann, S. 15, 18. 200 Vgl. dazu im einzelnen Lutter, AG 1994, 429, 435; Kindler, NJW 1993, 3041, 3042 f.

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2. Teil: Deutsches Recht

Anordnung der allgemeinen Meinung entspricht. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ist für Beschlüsse des einzigen Gesellschafters eine Aufnahme in die Niederschrift oder die Schriftform erforderlich. Diese Anforderung war durch § 130 AktG a.F. mehr als erfüllt, da für jeden Beschluß einer Hauptversammlung die notarielle Beurkundung notwendig war. Auch in der jetzigen Fassung ist nach § 130 AktG jedenfalls die Schriftform für Beschlüsse notwendig, unabhängig davon, wie viele Gesellschafter die Aktiengesellschaft hat. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie fordert, daß bei Verträge zwischen dem einzigen Gesellschafter und der Gesellschaft Schriftform gewahrt ist. Der Zweck dieser Vorschrift ist, daß bei Verträgen, bei denen auf beiden Seiten die gleiche Person auftritt, Beweisprobleme vermieden werden. Im deutschen Recht stellt sich dieses Problem nicht. § 112 AktG verlangt in einem solchen Falle ohnehin die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat, so daß sich das deutsche Recht für eine andere Lösung des Problems entschieden hat und es zu einem Beweisproblem nicht kommen kann. Zur Kritik des § 42 AktG läßt sich folgendes festhalten: Nachdem es auch ohne eine ähnliche Schutzvorschrift in der Vergangenheit zu keinen Problemen gekommen ist, war es ausreichend, daß sich der Gesetzgeber nur für eine einfache Meldung der entsprechenden Angaben an das Handelsregister entschieden hat und nicht eine Anmeldung zur Eintragung gefordert hat. Eine solche wäre gerade auch wegen der dann gemäß § 12 HGB i.V.m. § 129 BGB notwendigen Form der öffentlichen Beglaubigung für die betreffenden Gesellschaften mit höheren Kosten als notwendig verbunden gewesen. Gerade die höhere Kostenbelastung bei der Aktiengesellschaft insgesamt, ist für die Wahl der Aktiengesellschaft als Gesellschaftsform durchaus von Bedeutung, wie die Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter gezeigt hat201. Eine solche gesteigerte Form erscheint weder im Hinblick auf etwaige Aufklärungspflichten des Notars gegenüber der Gesellschaft, die bei einer Unterschriftsbeglaubigung, wenn überhaupt, ohnehin nur eingeschränkt bestehen, noch aus Publikumsschutz geboten zu sein202.

____________ 201

Siehe dazu schon oben unter § 4 A. IV. Kindler, NJW 1993, 3041 spricht zwar auf S. 3043 davon, daß der Verzicht auf die Eintragungspflicht rechtspolitisch zu bedauern sei, ohne seine Ansicht jedoch näher zu begründen. 202

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Kritisch ist jedoch die Formulierung des § 42 AktG zu bewerten203. Zwar hat der Gesetzgeber, wie erwähnt, in der Handelsrechtsreform 1998 zum Teil den Wortlaut nachgebessert, zahlreiche Ungenauigkeiten, wie etwa das Merkmal des „Gehörens“ oder der Adressat der Pflicht, sind aber geblieben. Teile der Literatur sind darüber hinaus der Ansicht, daß die Sanktionen eines Verstoßes gegen § 42 AktG schärfer hätten ausfallen können204. Zwar sind die Konsequenzen einer Nichterfüllung der Meldungspflicht nicht besonders einschneidend, jedoch ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, daß – wie erwähnt – auch ohne eine entsprechende Mitteilungspflicht in der Vergangenheit keine besonderen Probleme aufgetreten sind. Wenn der Gesetzgeber das Unterlassen der Mitteilung in die strafrechtliche Vorschrift des § 399 AktG aufgenommen hätte, hätte er sich den Einwand gefallen lassen müssen, ob er dabei nicht gegen das ultima ratio-Prinzip des Strafrechts verstoßen hätte. Eine Strafbarkeit soll nämlich nur dann angeordnet werden, wenn kein anderes Mittel zum Rechtsgüterschutz in Betracht kommt205. In Anbetracht der geringen Gefahren für den Rechtsverkehr, ist hier wohl die registerrechtliche Möglichkeit, Strafgelder zu verhängen, ausreichend.

2. Einreichung des Berichts der Gründungsprüfer a) § 34 Abs. 3 AktG aa) Frühere Rechtslage und neuer Regelungsinhalt In § 34 Abs. 3 Satz 1 AktG ist geregelt, bei welcher Stelle ein Exemplar des Berichts der Gründungsprüfer einzureichen ist. Das Gründungsrecht des Aktiengesetzes kennt insgesamt drei Gründungsberichte: In § 32 AktG ist zunächst bestimmt, daß die Gründer der Gesellschaft selbst, also nach § 28 AktG die Aktionäre, welche die Satzung gemäß § 23 Abs. 1 AktG festgestellt haben und dort auch nach § 23 Abs. 2 Satz 1 AktG ____________ 203 Ebenso Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 84; Lutter, AG 1994, 429, 435; Heckschen, DNotZ 1995, 275, 278; Ammon / Görlitz, S. 39 bezeichnet die Vorschrift als „zumindest sprachlich nicht besonders geglückt“ ebenso das Fazit auf S. 45, in dem § 42 AktG als lex imperfecta bezeichnet wird und deren Formulierung als „lückenhaft“ und „unpräzise“ angesehen wird. Ähnlich die Bewertung von Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4. 204 Etwa Blanke, BB 1994, 1505, 1507, der § 42 AktG wegen fehlender Sanktionen als „stumpfes Schwert“ bezeichnet, und Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4, der einen Verstoß gegen § 42 AktG als letztlich sanktionslos ansieht. Kritisch auch Ammon / Görlitz, S. 45. 205 Vgl. nur Roxin, Strafrecht AT, Bd. 1, § 2 Rdnr. 1 und 38 ff.

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genannt sind, persönlich206 einen Bericht erstatten, in dem sie den Hergang der Gründung beschreiben207. Dieser Bericht verfolgt ein doppeltes Ziel208: Zum einen ist er Grundlage für die darauf folgende Gründungsprüfung209, zum anderen soll er als Schutz gegen unzulängliche Gründungen dienen. Die Gründungsprüfung erfolgt daraufhin nach § 33 Abs. 1 AktG von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats, sowie gegebenenfalls zusätzlich nach § 33 Abs. 2–5 AktG in einer externen Gründungsprüfung. In § 34 Abs. 2 Satz 1 AktG ist festgelegt, daß über jede dieser Prüfungen ein Bericht210 abgefaßt werden muß. Der Bericht der externen Prüfung durch einen oder mehrere unabhängige Gründungsprüfer (§ 33 Abs. 5 AktG) muß nach § 34 Abs. 3 Satz 1 AktG neben dem Vorstand der Aktiengesellschaft auch beim zuständigen Registergericht eingereicht werden. Dies kann unmittelbar durch die Gründungsprüfer erfolgen oder mittelbar dadurch, daß dem Vorstand ein Exemplar zur Weiterleitung überlassen wird211. In der früheren Fassung des § 34 Abs. 3 Satz 1 AktG war daneben auch noch die Hinterlegung des Berichts der Gründungsprüfer bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) gefordert. Dies ist nach neuer Rechtslage nicht mehr notwendig.

____________ 206

Allgemeine Meinung vgl. dazu nur Röhricht, in: Großkomm. AktG § 32 Rdnr. 3; Pentz, in: MünchKomm AktG § 32 Rdnr. 6; Hüffer, AktG § 32 Rdnr.2 und Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 32 Rdnr. 4, der auf den Zusammenhang mit der zivil- und strafrechtlichen Haftung nach § 399 Abs. 1 Nr. 2 AktG (ggf. i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) hinweist. 207 Zum Hergang der Gründung gehören etwa Angaben zur Errichtung der Aktiengesellschaft, Höhe der geleisteten Bareinlagen, Tag der Wahl der ersten Organe, Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands, u.a., vgl. dazu statt vieler Hüffer, AktG § 32 Rdnr. 3. 208 Zu dieser doppelten Zwecksetzung auch Röhricht, in: Großkomm. AktG § 32 Rdnr. 2, der auch auf die Vorgängerbestimmung (§ 191 HGB) hinweist, die demselben Zweck dienen sollte, aber nur für die Sachgründung vorgesehen war, sowie Eckardt, i n: Geßler / Hefermehl, AktG § 32 Rdnr. 1; Hüffer, AktG § 32 Rdnr. 1 und Petz, in: MünchKomm AktG § 32 Rdnr. 3. 209 Statt vieler Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 32 Rdnr. 1 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 32 Rdnr. 3. 210 Umstritten ist hier, ob der Bericht von Vorstand und Aufsichtsrat zusammengefaßt werden kann. Zustimmend hier Röhricht, in: Großkomm. AktG § 34 Rdnr. 10, ebenso Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 34 Rdnr. 8; Hüffer, AktG § 34 Rdnr. 4; drei getrennte Berichte fordert dagegen Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 34 Rdnr. 12. Ähnlich auch Pentz, in: MünchKomm AktG § 34 Rdnr. 19, der von mindestens zwei Gründungsberichten spricht. 211 Statt vieler Röhricht, in: Großkomm. AktG § 34 Rdnr. 15 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 34 Rdnr. 24.

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bb) Begründung für die Gesetzesänderung und Kritik Die Gesetzesänderung erfolgte auf Vorschlag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Handelsrecht und Handelsregister“212. Sie stellt eine Vereinfachung des Gründungsverfahrens dar. Die Arbeitsgruppe hatte empfohlen, durch den Verzicht der Hinterlegung bei der IHK einen „unnötig gewordenen Formalismus“ zu beseitigen213. Häufig war zudem den Gesellschaften nicht bewußt, daß eine Hinterlegung auch dort erforderlich war oder diese wurde übersehen. Dies führte dazu, daß das zuständige Registergericht214 eine Zwischenverfügung erlassen mußte, was zusätzliche Verzögerungen des ohnehin aufwendigen Gründungsverfahrens der Aktiengesellschaft zur Folge hatten und einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich brachte215. Die Notwendigkeit der Einreichung des Berichts der Gründungsprüfer an drei Stellen (Vorstand, Registergericht und IHK) war in der Aktienreform 1937 eingeführt worden. Zuvor sah § 193 Abs. 3 HGB lediglich vor, daß der Bericht der „amtlichen Vertretung des Handelsstandes“216 zu übergeben war217. Zwar mußte auch danach schon jedem Einsicht gestattet werden; durch die Hinterlegung beim Registergericht und bei der IHK konnte aber die Publizität der Öffentlichkeit, die zusätzliche Kontrolle gewährleisten sollte, besser verwirklicht werden. Es hat sich jedoch im Laufe der Zeit gezeigt, daß von der Einsichtsmöglichkeit gerade bei der IHK praktisch kein Gebrauch gemacht wurde218. Kontrolle durch Publizität und das Informationsinteresse Dritter kann auch weiterhin gewährleistet werden, da jeder ein Einsichtsrecht bei Gericht hat (§ 34 Abs. 3 Satz 2 AktG). Dieses ist gebührenfrei und ohne Nachweis eines ____________ 212 Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde im September 1992 eingerichtet, um Vereinfachungen des Handelsrechts sowie des Handelsregisterrechts zu erarbeiten, für einen zusammenfassenden Bericht vgl. Dokumentation, ZIP 1994, 1407 ff. und 1899 ff. 213 Vgl. Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. 214 Aus § 125 Abs. 1 FGG ergibt sich die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte. Örtlich zuständig ist nach § 14 AktG das Gericht des Sitzes der Gesellschaft (§§ 5, 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG). 215 Auf den Zusammenhang zwischen notwendigen Zwischenverfügungen beim Registergericht, weil die Einreichungspflicht gegenüber der IHK übersehen wurde, und dem Verwaltungsaufwand für die IHK weisen auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 59 und Hölters / Deilmann, S. 25 hin. Ein solcher Aufwand trat zudem auch bei den Unternehmen selbst durch die Notwendigkeit der Übergabe des Berichts an die IHK auf, worauf Blanke, BB 1994, 1505, 1507 aufmerksam macht. 216 Die Änderung von „amtlicher Vertretung des Handelsstandes“ in Industrie- und Handelskammer war rein redaktioneller Art, vgl. Röhricht, in: Großkomm. AktG § 34 Rdnr. 1. 217 Zur alten Rechtslage nach § 193 Abs. 3 HGB, vgl. Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 34 Anm. 4. 218 So Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7.

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rechtlichen Interesses zu gewähren219. Auch die IHK benötigt ihr Exemplar des Berichts nicht. Nach § 126 FGG ist ohnehin ihre Mitwirkung im Eintragungsverfahren vorgesehen. In diesem Rahmen erhält sie den Gründungsprüfungsbericht zusammen mit den anderen Anmeldeunterlagen übersendet. Diese Einschätzungen des Gesetzgebers teilt auch die Literatur220, welche die früher bestehende Pflicht ebenfalls als überflüssig und kostenintensiv bezeichnet und die Änderung einhellig begrüßt.

b) §§ 37 Abs. 4 Nr. 4, 40 Abs. 2, 188 Abs. 3 Nr. 2 AktG Die §§ 37 Abs. 4 Nr. 4, 40 Abs. 2 und 188 Abs. 3 Nr. 2 AktG enthalten Folgeänderungen, die sich aus dem Verzicht auf die Einreichung des Gründungsprüfungsberichts bei der IHK ergeben. § 37 Abs. 4 AktG bestimmt, welche Unterlagen der Anmeldung einer Gesellschaft zum Handelsregister (§ 36 Abs. 1 AktG) beigefügt werden müssen. Nach Nr. 4 des § 37 Abs. 4 AktG gehören dazu auch der Gründungsbericht, sowie die Prüfungsberichte von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats und der Bericht der unabhängigen Gründungsprüfer221. Als Folge der Hinterlegungspflicht des Berichts bei der IHK mußte nach früherer Rechtslage zudem eine Bescheinigung, welche die Erfüllung dieser Pflicht nachweist, beigefügt werden. Die Beifügung der Bescheinigung der IHK wurde gestrichen. § 40 Abs. 2 AktG schreibt vor, daß bekannt gemacht werden muß, daß die zur Anmeldung eingereichten Dokumente beim Gericht eingesehen werden können. Da eine Einreichung des Berichts der Gründungsprüfer nicht mehr bei der IHK erfolgt, so daß eine Einsichtnahme dort ausscheidet, ist der früher ____________ 219

Vgl. nur Hüffer, AktG § 34 Rdnr. 7 und Hölters / Deilmann, S. 25. Statt vieler Ammon / Görlitz, S. 46, Lutter, AG 1994, 429, 446; Pentz, in: MünchKomm AktG § 34 Rdnr. 23; Brinkmann, S. 45 und Dehmer, WiB 1994, 753, 756. 221 Strittig ist hier, ob eine solche Beifügung des Berichts der Gründungsprüfer auch dann erforderlich ist, wenn das Gericht diesen von den Prüfern selbst erhalten hat. Ablehnend dazu die ganz überwiegende Meinung, vgl. Röhricht, in: Großkomm. AktG § 34 Rdnr. 15, § 37 Rdnr. 51, Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 34 Rdnr. 13, § 37 Rdnr. 26; Hüffer, AktG § 34 Rdnr. 6 und § 37 Rdnr. 12; Pentz, in: MünchKomm AktG § 37 Rdnr. 74. Die genannten Autoren folgern vielmehr aus der Nennung des Berichts der Gründungsprüfer in § 37 Abs. 4 Nr. 4 AktG, daß das Gesetz vom Regelfall der mittelbaren Einreichung dieses Berichts (§ 34 Abs. 3 AktG) durch den Vorstand ausgeht. Anders Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 34 Rdnr. 21, der von der Notwendigkeit der doppelten Einreichung des Berichts spricht, dieses Ergebnis jedoch als „nicht sehr sinnvoll“ kritisiert. 220

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vorgeschriebene Hinweis auf die dortige Einsichtsmöglichkeit in § 40 Abs. 2 AktG hinfällig geworden. Folglich wurde er gestrichen. Die Änderung des § 34 Abs. 3 AktG hat schließlich nicht nur Auswirkungen auf das Gründungsverfahren, sondern auch auf die Kapitalerhöhung durch Sacheinlage (§ 183 AktG). § 183 Abs. 3 Satz 1 AktG schreibt auch hier eine Prüfung durch unabhängige Prüfer vor. In Satz 2 der Vorschrift wird auf die Gründungsprüfung verwiesen. Dieser Verweis erfaßt auch § 34 Abs. 3 AktG. Dies hat zur Folge, daß der Bericht im Fall der Sachkapitalerhöhung ebenfalls nicht mehr bei der IHK eingereicht werden muß222. Entsprechend dem § 37 AktG für die Gründung regelt § 188 AktG die Anmeldung und Eintragung bei der Kapitalerhöhung. § 188 Abs. 2 AktG verweist auch insoweit auf die Bestimmungen des Gründungsverfahrens (§ 36 Abs. 2, 36a und 37 Abs. 1 AktG). § 188 Abs. 3 AktG gibt wie § 37 Abs. 4 AktG an, welche Unterlagen der Anmeldung zum Gericht beizufügen sind. Auch hier war der Verweis auf den Nachweis der IHK über die Einreichung des Prüfungsberichts nach § 183 Abs. 3 Satz 2 AktG i.V.m. § 34 Abs. 3 AktG gegenstandslos geworden und wurde daher gestrichen.

II. Bedeutung und Bewertung der Änderungen Im Abschnitt „Bedeutung und Bewertung der Änderungen“ wird zunächst unter 1. auf den Stellenwert der Änderungen im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts eingegangen. Nachfolgend werden die Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“ von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter gesehen (unter 2.). Abschließend geht es um eine Bewertung der Änderungen durch die Praxis (unter 3.).

1. Stellenwert der Änderung im Gesamtsystem Um die Änderungen im Bereich der Gründungsvorschriften bewerten zu können, ist es nötig, sich die grundsätzlichen konzeptionellen Unterschiede im Gründungsrecht der GmbH und der Aktiengesellschaft vor Augen zu halten. Es braucht nicht betont werden, daß an dieser Stelle nicht auf Details eingegangen werden kann. ____________ 222 Seibert / Köster / Kiem weisen in Rdnr. 59 darauf hin, daß auch die Einsichtsmöglichkeit des Berichts bei der Sachkapitalerhöhung bisher von geringer praktischer Relevanz war. Daher begrüßen sie auch diese Änderung.

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2. Teil: Deutsches Recht

a) Grundsatz der Aufbringung des Grund- bzw. Stammkapitals Wesentliche Zielsetzung ist sowohl bei der Gründung einer Aktiengesellschaft, als auch bei einer GmbH die reale Aufbringung des Grund- bzw. Stammkapitals223. Das selbe Ziel verfolgen die Vorschriften, die die Erhöhung des Grund- bzw. Stammkapitals in ihren Voraussetzungen und ihrer Durchführung regeln. Sie schreiben im wesentlichen die Wertungen aus dem Gründungsrecht fort. Im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht ist die Kapitalaufbringung einer der wichtigsten Grundsätze überhaupt224. Die Forderung eines bestimmten haftenden Kapitals steht in engem Zusammenhang mit der Beschränkung der Haftung der Gesellschafter. In Personengesellschaften haften die Gesellschafter gegenüber den Gläubigern mit ihrem gesamten persönlichen Vermögen. Diese persönliche Haftung verfolgt verschiedene Zwecke: Zunächst sinkt für die Gläubiger durch einen zusätzlichen Schuldner (neben der Gesellschaft) das Risiko der Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen. Daneben werden die Gesellschafter zu einer ordentlichen Unternehmensführung angehalten, da sie anderenfalls eine Haftung mit ihrem Privatvermögen fürchten müssen. Schließlich steht die Haftung in engem Zusammenhang damit, daß in einer Personengesellschaft kein bestimmter Einsatz von Kapital vorausgesetzt wird225. Wenn bei einer Kapitalgesellschaft keine persönliche Haftung der Gesellschafter besteht, müssen dieselben Ziele auf andere Weise erreicht werden. Dies geschieht durch die Sicherung des Kapitals. Nach K. Schmidt besteht zwischen Haftung und Kapitalsicherung ein Wechselspiel, ein sog. wechselseitiges Legitimationsverhältnis. „Erst eine strenge Kapitalsicherung rechtfertigt die beschränkte Haftung, und deshalb fordert und rechtfertigt die beschränkte Haftung auch eine strenge Kapitalsicherung“226. Nachdem sowohl durch die Wahl der Rechtsform der GmbH als auch durch die der Aktiengesellschaft die Gesellschafter ihre Haftung beschränken können, ____________ 223 So statt aller Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 34. 224 Hueck, § 21 I, S. 185; Kübler, § 14 I, S. 153, ausführlich dazu auch Wiedemann, § 10 IV, S. 552 ff. und Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 16 jeweils m.w.N. 225 Zu diesen drei Funktionen der persönlichen Haftung ausführlich K. Schmidt, § 18 IV, S. 540 ff., der hier im Anschluß an Wiedemann, § 10 III, S. 535 ff. von „Haftung als Leistungserzwingung“, „Haftung als Verhaltenskontrolle“ und „Haftung als Eigenkapitalersatz“ spricht. 226 K. Schmidt, § 18 IV, S. 539.

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wird in beiden Gesellschaftsformen in der Gründung die Aufbringung des haftenden Kapitals sichergestellt. Das Gesetz hat jedoch jeweils ein unterschiedliches System gewählt, durch das dieses Ziel erreicht werden soll. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund zu verstehen, daß gerade bei der Aktiengesellschaft die Gründungsvorschriften neben dem Gläubigerschutz noch einem weiteren Zweck dienen, nämlich auch der Schutz der Aktionäre selbst, genauer dem Schutz des anlagesuchenden Publikums vor betrügerischen Gesellschaftsgründungen227. Im einzelnen wird darauf noch im Zusammenhang mit der Organisationsverfassung einzugehen sein. Dieses Motiv des Anlegerschutzes ist zu einem erheblichen Teil für die Systemunterschiede zwischen beiden Gesellschaftsformen verantwortlich und wird in dieser Arbeit noch mehrfach herangezogen werden.

b) Konzeption der Gründungsvorschriften Bei den Gründungsvorschriften ergeben sich beim Vergleich zwischen GmbH und Aktiengesellschaft folgende unterschiedliche Konzepte: Bei der Aktiengesellschaft besteht die Gründung aus einer „lange[n] Kette einzelner Prüfungshandlungen und Berichte“228. Am Beginn steht bei der Aktiengesellschaft nach § 23 AktG die Feststellung der Satzung229 durch notarielle Beurkundung und die Übernahme aller Aktien durch die Gründer (§ 28 AktG), die ebenfalls der notariellen Beurkundung bedarf. Nach § 29 AktG ist damit die Aktiengesellschaft errichtet. Das AktG kennt somit nur noch die Simultan- oder Einheitsgründung, bei der die Gründer selbst alle Aktien zeichnen. Die Sukzessiv- oder Stufengründung, bei der die Gründer nur je mindestens eine Aktie übernehmen mußten und die anderen Aktien sofort dem Publikum angeboten wurden, wurde in der Aktienreform 1965 abgeschafft, nachdem diese Form zuvor schon keine praktische Bedeutung mehr hatte230. Auf die Bestellung der ersten Organe (§§ 30, 31 AktG) durch die Gründer bzw. durch den ersten Aufsichtsrat folgt die Gründungsprüfung (§§ 32–35 AktG). Zunächst haben die Gründer nach § 32 Abs. 1 AktG einen schriftlichen Be____________ 227

Ähnlich statt vieler Kübler, § 15 I, S. 173. So Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 35. Vgl. zu den einzelnen Schritten auch Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 3 Rdnr. 4 ff. 229 Zum Inhalt der Satzung vergleiche §§ 23 Abs. 2–4 AktG. Soweit Sondervorteile eingeräumt werden sollen, muß dies nach § 26 Abs. 1 AktG ebenfalls in der Satzung festgesetzt werden. Das gleiche gilt für den Gründungsaufwand, § 26 Abs. 2 AktG. Schließlich bedarf auch eine Sacheinlage bzw. eine Sachübernahme nach § 27 AktG einer Festsetzung in der Satzung. 230 Hueck, § 22, S. 189 und Heider, in: MünchKomm AktG § 2 Rdnr. 2. 228

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richt231 über den Hergang der Gründung zu erstatten (Gründungsbericht). Regelmäßig schließt sich daran die Prüfung durch den Vorstand und den Aufsichtsrat nach § 33 Abs. 1 AktG an. Bei einer qualifizierten Gründung hat darüber hinaus eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden, die durch das Gericht bestellt werden (§ 33 Abs. 3 AktG). Eine solche qualifizierte Gründung232 liegt insbesondere in solchen Situationen vor, in denen entweder eine unabhängige Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats nicht unbedingt gewährleistet ist, weil diese ein eigenes Interesse an der Gründung haben, etwa weil ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats selbst zu den Gründern gehört (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 AktG)233. Daneben findet eine gesonderte Gründungsprüfung auch bei Sachgründungen (§ 33 Abs. 2 Nr. 4 AktG) statt, da hier Bewertungs- und Seriositätsprobleme auftreten können, denen durch eine Prüfung durch externe Prüfer, die nach § 33 Abs. 4 AktG besondere Qualifikationen haben müssen, begegnet werden kann. Nach der Gründungsprüfung nehmen die Gründer sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nach § 36 Abs. 1 AktG die Anmeldung der Gesellschaft beim Handelsregister vor. Den Inhalt der Anmeldung beschreibt § 37 AktG. Insbesondere muß die nach §§ 36 Abs. 2, 36a AktG notwendige Einlage geleistet worden sein. Das Gericht prüft daraufhin nach § 38 AktG noch einmal selbständig, ob die Errichtung und Anmeldung der Gesellschaft ordnungsgemäß waren, bevor die Eintragung nach §§ 39 ff. AktG vorgenommen wird. Besonderes Gewicht wird den zahlreichen Schritten dadurch verliehen, daß §§ 46–49 AktG umfangreiche Haftungsvorschriften für die Gründer und denen gleichgestellte Personen nach § 47 AktG vorsehen, aber auch für die Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats und für die Gründungsprüfer selbst. Die Gründung einer GmbH gestaltet sich im Gegensatz dazu um vieles einfacher, insbesondere ist die Prüfungsdichte eine viel geringere. Am Anfang steht auch bei der GmbH-Gründung der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages234 in notarieller Form, § 2 GmbHG. Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft ____________ 231

Dessen Inhalt wird in den § 32 Abs. 2 und 3 AktG konkretisiert. Zum Begriff vgl. nur K. Schmidt, § 27 II, S. 794, 796 ff. 233 Andere Fälle eines solchen Interesses enthalten § 33 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AktG. § 33 Abs. 2 Nr. 2 AktG betrifft den Fall, daß bei Gründung für Rechnung eines Vorstands oder Aufsichtsrats Aktien übernommen werden; § 33 Abs. 2 Nr. 3 AktG, daß einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats besondere Vorteile aus der Gründung versprochen werden. 234 Der Inhalt des Gesellschaftsvertrages wird in § 3 GmbHG konkretisiert. Wie bei der Aktiengesellschaft muß auch in der GmbH im Falle von Sacheinlagen deren Gegenstand und Betrag im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden, § 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG. 232

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folgt auch bei der GmbH nach der „Feststellung der Satzung“ die Übernahme der Geschäftsanteile durch die Gründer. Nach § 5 Abs. 2 GmbHG kann dabei jeder Gesellschafter nur einen Geschäftsanteil übernehmen. Daraufhin werden die ersten Geschäftsführer benannt, was nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG entweder schon durch den Gesellschaftsvertrag erfolgt oder durch die Gründer im Rahmen einer Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 5 GmbHG. Die wesentliche Abweichung von der Gründung einer Aktiengesellschaft ergibt sich daraus, daß eine Gründungsprüfung, wie sie die §§ 32 ff. AktG ausführlich vorsehen, bei der GmbH grundsätzlich nicht vorgeschrieben ist. Eine Ausnahme besteht lediglich bei der Vereinbarung von Sacheinlagen. Wie schon im Zusammenhang mit der Gründung der Aktiengesellschaft angedeutet, treten bei einer Sachgründung in besonderer Weise Bewertungs- und Seriositätsprobleme auf. Diesen begegnet auch das GmbHG. Das Gesetz schreibt jedoch in § 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG235 lediglich die Erstellung eines Gründungsberichts durch die Gesellschafter selbst vor, eine Prüfung durch externe, neutrale Gründungsprüfer findet nicht statt236. Lediglich nach der Anmeldung237 der Gesellschaft zum Handelsregister (§ 7 GmbHG), sieht § 9c GmbHG eine Prüfung durch das Gericht vor, die der Eintragung nach § 10 GmbHG vorausgeht. Ähnlich wie im Aktienrecht sind auch im GmbH-Recht Haftungsnormen vorgesehen, die zur Absicherung des Verfahrens dienen (§§ 9a, 9b GmbHG). Im Vergleich zum Aktienrecht fällt auf, daß bei der Bargründung einer GmbH nur eine einzige Prüfung beim Handelsregister stattfindet und auch bei der Sachgründung bleibt das GmbH-Recht hinter dem vom Aktienrecht Geforderten zurück. Es findet hier durch den bereits erläuterten238 § 24 GmbHG ein Ausgleich für eine geringere Prüfungsdichte statt239. § 24 GmbHG sieht eine ____________ 235

In der GmbH-Reform 1980 war zwar im Regierungsentwurf in § 5d GmbHG eine Bestimmung vorgesehen, die eine solche obligatorische Prüfung durch externe Prüfer vorgesehen hat, eine Übernahme hat der Bundestag aber abgelehnt, vgl. dazu Raiser, in: Das neue GmbH-Recht, S. 21, 34. 236 Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 36 gibt den Hinweis, daß in der Praxis die Gründer häufig von sich aus das Gutachten eines neutralen Sachverständigen beilegen, um Verzögerungen der Eintragung zu vermeiden. Es findet somit funktional eine Gründungsprüfung nach dem Vorbild des § 33 Abs. 2 Nr. 4 AktG statt, wenn auch auf freiwilliger Basis. 237 Der Inhalt der Anmeldung ist in § 8 GmbHG näher erläutert. Wie auch im Aktienrecht setzt die Anmeldung einer GmbH zur Eintragung voraus, daß der vom Gesetz vorgeschriebene Teil auf die Einlage geleistet ist, §§ 7 Abs. 2, Abs. 3 GmbHG. 238 Vgl. oben unter I. 1. b) bb) (2) (b). 239 Ähnlich Scholz-Emmerich, GmbHG § 24 Rdnr. 1; Müller, in: Hachenburg, GmbHG, § 24 Rdnr. 2 m.w.N.

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persönliche Haftung aller Gesellschafter für die Aufbringung des Stammkapitals vor, die subsidiär ist und erst eingreift, wenn alle anderen Mittel zur Kapitalaufbringung fehlgeschlagen sind. Die Haftung in diesem Bereich hat für die Gläubiger wiederum die Funktion, die Haftungsmasse zu erweitern. Daneben dient sie zugleich der Verhaltenskontrolle, so daß der Gesellschaft zumindest das Kapital vollständig zur Verfügung steht, zu dessen Aufbringung sich die Gründer verpflichtet haben. Die Haftung nach § 24 GmbHG verfolgt somit ähnliche Ziele wie die persönliche Haftung bei einer Personengesellschaft. An die Stelle der Gründungsprüfung im Aktiengesetz tritt in gewissem Maße durch die Ausfallhaftung ein eher personalistisches Element in die GmbH. Dies ist Ausdruck davon, daß die GmbH in der Regel im Verhältnis zur Aktiengesellschaft personalistischere Züge240 aufweist.

c) Die Änderungen im Gesamtsystem An den beschriebenen Wesensunterschieden zwischen der GmbH und der Aktiengesellschaft im Bereich des Gründungsrechts hat die Novelle durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ nichts geändert. Durch die Änderung des § 34 Abs. 3 AktG und die Folgeänderungen in §§ 37 Abs. 4 Nr. 4, 40 Abs. 2, 188 Abs. 3 Nr. 2 AktG trat zwar eine Vereinfachung im Themenkomplex der Gründungsprüfung der Aktiengesellschaft ein, jedoch ist die Frage, ob bei der IHK ein zusätzlicher Gründungsbericht zu hinterlegen ist oder nicht, eine bloße Marginalie. Die Komplexität der Gründung einer Aktiengesellschaft gegenüber der Gründung einer GmbH wurde in vollem Umfang beibehalten. Dabei ist zu betonen, daß keine Differenzierung innerhalb des Aktienrechts geschaffen wurde, um etwa verschiedene Typen von Aktiengesellschaften unterschiedlich zu behandeln. Eine zumindest theoretisch in Betracht kommende Veränderung wäre es gewesen, für eine personalistische Aktiengesellschaft die Gründungsprüfung zu vereinfachen und die Aufbringung ähnlich wie im GmbH-Recht durch andere Mittel sicherzustellen. Diesen Weg hat der Gesetzgeber nicht erwogen241. Ein solcher wäre im Bereich der Gründung allerdings auch praktisch schwierig, da im Gründungsstadium die Aktiengesellschaft immer personalistischer ____________ 240 Statt vieler K. Schmidt, § 33 I, S. 983; Hueck, § 34 II, S. 326. Ähnlich auch gerade im Zusammenhang mit der Ausfallhaftung Wilhelm, S. 42 und Müller, in: Hachenburg, GmbHG, § 24 Rdnr. 2. 241 Gegen eine Änderung des Gründungsrechts in diesem Bereich auch Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 61 unter Hinweis darauf, daß eine Angleichung an das GmbHG insbesondere durch eine Haftung ähnlich wie § 24 GmbHG der Aktiengesellschaft wesensfremd ist.

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ausgestaltet ist. Ein Börsengang erfolgt in der Regel erst nach einigen Jahren. Eine Differenzierung hätte allenfalls für eine Kapitalerhöhung Bedeutung. Die weitere Änderung im Zusammenhang mit dem Gründungsrecht betrifft die Gründung als Einpersonengesellschaft. Der Gesetzgeber hat sich bei Schaffung dieser Regelungen, wie erörtert, in besonderer Weise am GmbH-Recht orientiert. Gleichwohl trat auch hier keine wesentliche Veränderung bei den Systemunterschieden zwischen beiden Gesellschaftsformen ein. Es wurde bereits im Zusammenhang mit den Einzelvorschriften, insbesondere mit § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG darauf hingewiesen, daß durch die beinahe schematische Übernahme der Regelungen aus dem GmbHG für die Einpersonenaktiengesellschaft ein noch höheres Maß an Sicherung der Kapitalaufbringung erreicht wurde als für eine klassische Aktiengesellschaft und natürlich auch als für eine Einpersonen-GmbH. Die Sicherungspflicht in § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG, die im GmbH-Recht die fehlende Solidarhaftung nach § 24 GmbHG bei Gründung durch eine Person ausgleichen sollte, wurde auch bei der Einpersonen-AG eingeführt, obwohl es eine entsprechende Haftung, deren Wegfall zu kompensieren gewesen wäre, im Aktienrecht nicht gibt. Die dargestellte große Kontrolldichte, die das Aktienrecht durch Prüfungshandlungen und Berichte kennt, wurde jedoch auch für die Einpersonengründung einer Aktiengesellschaft beibehalten, so daß eine Kumulation beider Systeme die Folge ist. Dies ist, vor dem Hintergrund der Deregulierung, sicher negativ zu beurteilen; v.a. da es den Anschein hat, daß sich der Gesetzgeber dieses Schrittes nicht in vollem Umfang bewußt war. Allenfalls kann man in der Ermöglichung der Gründung durch eine Person einen erleichterten Zugang zur Aktiengesellschaft sehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Änderung des Umwandlungsrechts hinzuweisen. Durch eine Aufhebung der §§ 339 – 393 AktG und den Erlaß des Umwandlungsgesetzes vom 28. Oktober 1994242 (also praktisch zur selben Zeit wie die hier interessierende Reform des Aktiengesetzes) wurde das Umwandlungsrecht umfassend kodifiziert. Dabei wurden etliche Erleichterungen geschaffen243, die auch für die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft von Bedeutung sind. Auf das Umwandlungsrecht wird an dieser Stelle deswegen gesondert hingewiesen,

____________ 242

BGBl. I 1994, 3210. Vgl. nur Schmitt / Hörtnagl / Stratz, Einf. UmwG Rdnr. 11 ff., der davon spricht, daß durch das neue Umwandlungsgesetz das deutsche Recht systematisiert und vervollständigt wurde, und daß somit auch Lücken in den Umstrukturierungsmöglichkeiten geschlossen wurden. 243

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2. Teil: Deutsches Recht

da die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft in der Praxis wohl eine noch größere Rolle spielt als die Neugründung einer solchen244.

2. Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“ Bei einem Vergleich der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen des Aktienrechts mit den Vorschlägen von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter in ihrem „Drei-Stufen-Modell“ ist folgendes zu erwähnen: Auch die Autoren haben sich im Bereich der Gründung insbesondere für die Zulassung einer Einpersonengründung ausgesprochen245, wobei sie auf die Rechtslage im GmbHG Bezug genommen haben. Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber gefolgt. Eine weitere wesentliche Änderung, die dort angesprochen worden ist, wurde vom Gesetzgeber dagegen nicht umgesetzt. In dem Gutachten haben die Autoren vorgeschlagen, das für eine Aktiengesellschaft erforderliche Grundkapital drastisch heraufzusetzen246. Lediglich für die „Private Aktiengesellschaft“ hielt das Modell am bisherigen Betrag von 100.000 DM fest. Für die „Offene Aktiengesellschaft“ war ein Mindestgrundkapital von 500.000 DM vorgeschlagen, für die dritte Stufe, die (große) Aktiengesellschaft gar ein Mindestgrundkapital von 2,5 Mio. DM. Auf diese Abweichung und mögliche Folgerungen daraus wird noch einzugehen sein, an dieser Stelle247 soll der Hinweis darauf genügen.

3. Bewertung der Änderungen durch die Praxis Trotz der geringen Bedeutung der Änderungen im Gesamtsystem zwischen GmbH und Aktiengesellschaft ist abschließend zu erwähnen, daß die Aufnahme der beiden geänderten Regelungskomplexe in der Praxis überaus positiv war. ____________ 244

So etwa K. Schmidt, § 27 I, S. 790; ähnlich Kübler, § 15 I, S: 173 und Hueck, § 22, S. 190, der aber von einer etwa gleich großen praktischen Bedeutung ausgeht. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter haben auf S. 52 in ihrer Untersuchung ebenfalls die Bedeutung der Umwandlung betont. Von 92 befragten Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft wurden lediglich 14 auch in dieser Rechtsform gegründet, vgl. Statistik auf S. 64. 245 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 52. 246 Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 54 f. und die Reformvorschläge auf S. 26. Die unterschiedlichen Beträge für das Mindestgrundkapital ergeben sich aus den dort vorgeschlagenen § 7 AktG bzw. § 277c AktG und § 277l AktG. 247 Vgl. § 13 B I 1.

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Schawilye, Gaugler und Keese habe eine Studie durchgeführt, durch die sie die Reaktionen der Unternehmen auf die neuen Regelungen untersuchen wollten. Diese Studie belegt, daß 89 der befragten Aktiengesellschaften und damit etwa 64 %, derjenigen die durch Gründung entstanden sind, von weniger als fünf Personen errichtet worden sind. Dabei wurden etwa die Hälfte der Gesellschaften durch nur eine Person gegründet, nämlich 43 Gesellschaften, was einem Prozentsatz von 29,5 % bezogen auf alle Gründungen entspricht248. Soweit die Gesellschaften von der Herabsetzung der Anzahl der Gründer keinen Gebrauch gemacht haben, lag dies zumeist daran, daß die Gesellschaft ohnehin fünf oder mehr Gesellschafter haben sollte. Eine gewichtige Rolle spielt dabei der Umstand, daß sich die Untersuchung an alle Aktiengesellschaften gerichtet hatte, die ab dem Jahr 1994 eingetragen worden sind. Daher gaben etwa 36 % der Gesellschaften, die durch fünf oder mehrere Personen gegründet worden sind, an, daß die Entscheidung über die Gründung und die Vorbereitungen für die Gründung noch vor der Gesetzesänderung getroffen wurden249. Dies bestätigt auch die Entwicklung des Gebrauchs der Vorschrift von 1994 bis 1996. Der Prozentsatz der Gesellschaften, die die Herabsetzung der Mindestzahl tatsächlich nutzten, nahm von 50 % in 1994 über 63,8 % 1995 auf 68,3 % 1996 zu250. Die zweite Änderung, der Verzicht der Hinterlegung der Gründungsprüfer bei der IHK, wurden von 66 % aller befragten Aktiengesellschaften genutzt251. Bei den Gesellschaften, die trotz der Abschaffung der Pflicht aus § 34 Abs. 3 AktG einen Bericht an die IHK einreichten, gaben die meisten an (etwa 35,1 %), sie hätten von der Abschaffung dieser Pflicht keine Kenntnis gehabt. Lediglich 20 Unternehmen, also etwa 26 %, reichten den Bericht aus Imageund Public Relations-Gründen ein. Nur zwölf Unternehmen (entsprechend 15,6 %) sahen in der Abschaffung der Pflicht keine wesentliche Kosteneinsparung und legten aus diesem Grund den Bericht vor252. Interessanter Weise änderte sich der Prozentsatz der Unternehmen, die von einer Einreichung des ____________ 248

Schawilye / Gaugler / Keese, S. 122. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 122 f. Hinzu kommen sechs Unternehmen, die angaben, die Neuerung nicht gekannt zu haben. 250 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 124 f. Dort im übrigen auch zu weiteren Details zur Anwendung der neuen Vorschrift. Insbesondere wird die Frage auch unter dem Blickwinkel der Umsatzklasse, der Branchenzugehörigkeit und des Unternehmenscharakters untersucht, Schawilye / Gaugler / Keese, S. 123. 251 Bemerkenswert ist, daß zwar ein Prozentsatz von 81,5 % aller Unternehmen, welche die Erleichterung genutzt haben, angaben, dies bewußt getan zu haben. Immerhin 18,5 % gaben aber an, von der bisherigen Pflicht überhaupt keine Kenntnis gehabt zu haben, Schawilye / Gaugler / Keese, S. 125. 252 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 126. 249

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Berichts absahen von 1994 bis 1996 nicht signifikant, was im Hinblick auf den nicht unbedeutenden Anteil von Gesellschaften, aber auch Registergerichten und Industrie- und Handelskammern, welche die Änderung nicht kannten, überrascht253.

B. Organisationsverfassung I. Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ Die meisten Änderungen, die das Aktiengesetz in der Aktienreform 1994 erfahren hat, betreffen im weitesten Sinne die Organisationsverfassung der Gesellschaft. Nachfolgend wird zunächst auf die Änderungen in den Bestimmungen über den Aufsichtsrat eingegangen (unter 1.). Sodann folgen Ausführungen zu der Novellierung in den Vorschriften über die Hauptversammlung, wobei sowohl verfahrensrechtliche Fragen als auch eine Änderung in der Kompetenzverteilung angesprochen wird (unter 2.). Zuletzt befaßt sich der Abschnitt mit einer Änderung, die dem Themenkreis „Rechte der Aktionäre“ zuzurechnen ist (unter 3.). Durch die Hinzufügung des § 10 Abs. 5 AktG wurde den Aktiengesellschaften die Möglichkeit gegeben, das Recht der Aktionäre auf Einzelverbriefung auszuschließen oder doch zumindest einzuschränken.

1. Aufsichtsrat Die Novelle des Aktienrechts durch das Gesetz über die „Kleine AG“ führte im Bereich der Vorschriften über den Aufsichtsrat zu zwei Änderungen: Einerseits wurde die Mitbestimmung in neu gegründeten Aktiengesellschaften neu gefaßt [unter a)], andererseits wurde die Bestellung des ersten Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft novelliert [unter b)].

____________ 253

Umfassend hierzu Schawilye / Gaugler / Keese, S. 128, die zudem wiederum auch auf Unterschiede in der Nutzung der Vorschrift im Hinblick auf das Umsatzvolumen, die Branche und den Unternehmenscharakter eingehen, schließlich auch den Grad der Anwendung bei Gründung und Umwandlung betrachten.

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a) § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 Durch die Änderung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952254 müssen Aktiengesellschaften, die nach dem 10. August 1994 – an diesem Tag trat das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ in Kraft – eingetragen werden, erst ab 500 Arbeitnehmern einen mitbestimmten Aufsichtsrat bilden.

aa) Frühere Rechtslage Nach früherer Rechtslage war de facto der Aufsichtsrat jeder Aktiengesellschaft mitbestimmt. Man konnte sogar sagen, daß die Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft einen Wesenszug des deutschen Aktienrechts und auch des deutschen Gesellschaftsrechts insgesamt darstellte255. Wenn mitbestimmungsrechtliche Vorschriften zur Anwendung kommen, wird nur ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder nach dem im Aktienrecht selbst, in § 101 AktG vorgesehenen Verfahren durch die Anteilseigner gewählt oder in anderer Weise bestellt. Der andere Teil wird entweder durch unmittelbare Wahl oder durch Delegiertenwahl von den Arbeitnehmern bestimmt. Hintergrund des Mitbestimmungsrechts ist es, daß die Gesellschaft nicht nur als Verband ihrer Mitglieder verstanden wird, in dem sich die Herrschaftslegitimation aus der Verbandsmitgliedschaft ableitet256. Eine Gesellschaft wird statt dessen gemäß eines unternehmensrechtlichen Ansatzes auch als „Sozialverband Unterneh-

____________ 254

Am 1. Juli 2004 wurde das BetrVG 1952 aufgehoben. An seine Stelle ist das „Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG)“ getreten, das am 1. Juli 2004 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2004, 974). § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG enthält die mit § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 vergleichbare Regelung. 255 Vgl. daher auch die Schwierigkeiten bei der Einigung über eine Europäische Aktiengesellschaft, die nicht zuletzt in den unterschiedlichen Auffassungen zum Thema Mitbestimmung begründet lagen, statt vieler nur Assmann, in: Großkomm. AktG Einl Rdnr. 233. Letztlich haben sich die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft nur auf eine Richtlinie einigen können, die den Staaten einen Umsetzungsspielraum läßt, wohingegen das Statut der Gesellschaft in einer Verordnung enthalten ist, also in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht darstellt. 256 So etwa K. Schmidt, § 16 IV, S. 483. Ähnlich auch Unternehmensrechtskommission, S. 104.

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2. Teil: Deutsches Recht

men“257 betrachtet. Es liegt eine Vereinigung von Kapital und Arbeit zu einem wirtschaftlichen Zweckverband vor, mit der Folge, daß auch die Legitimation der Herrschaft aus beiden Quellen erfolgen muß. Durch die Regeln des Gesellschaftsrechts im engeren Sinne ist die Legitimation durch Vertreter des „Kapitals“ gewährleistet. Die Gesellschafter können über die Wahl bzw. die direkte Entsendung etwa von Aufsichtsratsmitgliedern, Einfluß auf die Zusammensetzung der Leitungsgremien nehmen. Eine Legitimation durch „Vertreter der Arbeit“ erfolgt demgegenüber durch die Vorschriften in den mitbestimmungsrechtlichen Gesetzen. Dabei ist anzumerken, daß die Notwendigkeit einer solchen Legitimation auch durch den Faktor „Arbeit“ in um so höherem Maße besteht, je mehr Arbeitnehmer eine Gesellschaft hat und je mehr sie vom personalisierten Führungsstil der Personengesellschaften entfernt ist258. In einem personenbezogenen Unternehmen wird regelmäßig die Leitungsmacht durch das persönliche Engagement der Gesellschafter im Unternehmen hinreichend legitimiert259. Nachdem die Aktiengesellschaft, wie mehrfach erwähnt, für den Gesetzgeber vom Leitbild der großen Publikumsgesellschaft her konstruiert war, ergab sich daraus, daß sie in nahezu allen Fällen der Mitbestimmung unterliegen sollte. Dagegen schien es dem Gesetzgeber bei der GmbH nur im Einzelfall notwendig, eine Mitbestimmung vorzusehen, die auch einen obligatorischen Aufsichtsrat für die GmbH erforderlich macht. Im einzelnen sind die Regelungen über die Mitbestimmung in vier verschieden Gesetzen enthalten, die unterschiedliche Aufsichtsratssysteme repräsentieren. Den größten Einfluß auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats hat die Mitbestimmung im Bereich der Montanunternehmen nach dem MontanMitbestG und dem MitbestErgG. Diese Gesetze betreffen jedoch nur wenige Gesellschaften und werden in dieser Arbeit nicht weiter vertieft260. Die allge____________ 257

Der Begriff wird etwa von K. Schmidt, § 16 IV, S. 484 verwendet. Ein genaueres Eingehen auf diesen Ansatz und die Folgerungen im einzelnen kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Es müssen einige wenige Andeutungen genügen, die erforderlich erscheinen, um die gesetzlichen Regelungen im richtigen Bild zu sehen. Vgl. zu der im Text angesprochenen sozialethischen Begründung der Mitbestimmung auch Wiedemann, § 11 I, S. 593 ff. 258 Vgl. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 249, Kübler, AG 1981, 5, 10 ff.; ähnlich Unternehmensrechtskommission, S. 104. 259 Ähnlich Unternehmensrechtskommission, S. 105. 260 Vor der Wiedervereinigung fielen 28 Unternehmen unter das Montan-Mitbestimmungsgesetz. Für 1997 geht, Oetker, in: Großkomm. AktG Montan-MitbestG Einl. Rdnr. 8 von 45 Unternehmen aus. Die tatsächliche Bedeutung des MitbestErgG ist noch geringer. Ende 1998 galt das Gesetz nur noch für zwei Aktengesellschaften: Klöckner Werke AG und die Mannesmann AG. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG, ZIP 1999, 410 ff. („Mannesmann“) entfiel die Mitbestimmung nach diesem Gesetz für

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meine Mitbestimmung nach dem MitbestG greift nach § 1 Abs. 1 MitbestG ein, wenn eine Gesellschaft mehr als 2.000 Arbeitnehmer hat. Sie gilt sowohl für Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft als auch für GmbH in gleicher Weise. Ausgenommen von der Mitbestimmung sind nach § 1 Abs. 4 MitbestG sog. „Tendenzunternehmen“261 und Unternehmen von Religionsgemeinschaften. Gekennzeichnet ist die Mitbestimmung nach dem MitbestG durch die paritätische Besetzung im Sinne des § 7 Abs. 1, Abs. 2 MitbestG262. Soweit eine Gesellschaft weder unter die Montanmitbestimmung noch unter die allgemeine Mitbestimmung des MitbestG fällt, ist das BetrVG 1952 bzw. seit 1. Juli 2004 das Drittelbeteiligungsgesetz heranzuziehen. Vor der Reform 1994 gab es hier unterschiedliche Regelungen für Aktiengesellschaften und für GmbH. Eine GmbH mußte nach § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 nur dann einen mitbestimmten Aufsichtsrat bilden, wenn sie mehr als 500 Arbeitnehmer hatte. Bei einer Aktiengesellschaft war nach § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 der Aufsichtsrat generell mitbestimmt, mußte also zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen. Davon gab es nur zwei enge Ausnahmen: Zunächst nahm § 81 BetrVG 1952, wie auch schon das MitbestG, die „Tendenzunternehmen“ und die Unternehmen der Religionsgemeinschaften von der Mitbestimmung aus. Die zweite Ausnahme betraf Familiengesellschaften. Zu diesen wurden nach § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG 1952 diejenigen Aktiengesellschaften gerechnet, die lediglich eine einzige natürliche Person als Aktionär haben oder deren Aktionäre untereinander im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 – 8, Abs. 2 AO verwandt oder verschwägert sind. Zusätzlich durften diese Gesellschaften nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, um nicht unter die Mitbestimmung nach BetrVG 1952 zu fallen. Es galt also im Bereich des Aktienrechts nur für Familiengesellschaften eine vergleichbare Rechtslage wie im GmbH-Recht. Alle anderen Aktiengesellschaften mußten dagegen – unabhängig263 von der ____________ die beiden Unternehmen, vgl. dazu Oetker, in: Großkomm. AktG Montan-MitbestG Einl. Rdnr. 10. 261 Unter Tendenzunternehmen zählen Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dienen. 262 Je nach Anzahl der Arbeitnehmer ist hier ein Aufsichtsrat mit zwölf Mitgliedern (bei weniger als 10.000 Arbeitnehmern), 16 Mitgliedern (zwischen 10.000 und 20.000 Arbeitnehmern) oder 20 Mitgliedern (bei mehr als 20.000 Arbeitnehmern), die je zur Hälfte den Arbeitnehmern und den Aktionären zuzurechnen sind, zu besetzen. Für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer stellt § 7 Abs. 2 MitbestG weitere Anforderungen. 263 Die herrschende Meinung nahm im übrigen Aktiengesellschaften nur dann von der Mitbestimmung vollständig aus, wenn sie gar keine Arbeitnehmer oder nicht mehr als vier Arbeitnehmer hatten, vgl. Hüffer AktG § 96 Rdnr. 12; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 28 Rdnr. 5 ff.; ausführlich auch

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Anzahl der Arbeitnehmer – ein Drittel ihrer Aufsichtsratssitze mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzen.

bb) Neuer Regelungsinhalt Durch die Änderung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 in der Reform durch das „Gesetz für die Kleine AG“ spielt nun die Anzahl der Arbeitnehmer auch für die Mitbestimmung nach BetrVG 1952 bzw. jetzt dem Drittelbeteiligungsgesetz – ähnlich wie bei den anderen Mitbestimmungsgesetzen – die maßgebliche Rolle. Im ersten Halbsatz der Vorschrift wurde der Begriff „Familiengesellschaften“ gestrichen. Daraus folgt, daß grundsätzlich für eine Aktiengesellschaft nun im wesentlichen die gleiche Rechtslage gilt wie für eine GmbH. § 76 BetrVG 1952 und § 77 BetrVG 1952 wiesen jedoch unterschiedliche Formulierungen auf, die einer vollständigen Gleichstellung beider Gesellschaftstypen entgegenstehen. Für die GmbH ordnete § 77 BetrVG 1952 an, daß ein (mitbestimmter) Aufsichtsrat bei „mehr als fünfhundert Arbeitnehmern“ zu bilden ist, folglich wird eine GmbH, wenn man dem Wortlaut folgt, mit Einstellung des 501. Arbeitnehmers mitbestimmungspflichtig. In § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 nahm der Gesetzgeber dagegen eine „Aktiengesellschaft, die weniger als fünfhundert Arbeitnehmer beschäftigt“, von der Mitbestimmung aus. Nach dem Wortlaut greifen somit die Mitbestimmungsregeln schon mit der Einstellung des 500. Arbeitnehmers ein264. Dieses Ergebnis widerspricht der Intention des Gesetzgebers, der eine Gleichstellung mit der GmbH anstrebte265 und ergab sich wohl lediglich durch die abweichende Formulierung der Vorschrift, die durch die andere Gesetzestechnik entstanden ist. § 77 BetrVG 1952 ordnet ebenso wie die Regelungen der anderen Mitbestimmungsgesetze die Mitbestimmung unmittelbar nur für solche Gesellschaften an, die mehr als eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern haben. § 76 BetrVG 1952 sah dagegen zunächst in Absatz 1 für den Aufsichtsrat einer jeder Aktiengesellschaft eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern zu einem Drittel vor. Absatz 6, in dem auf die Arbeitnehmerzahl Bezug genommen wird, ist nur als Ausnahme formuliert. Auch das Drittelbeteiligungsgesetz hat diese unterschiedliche ____________ Mertens, in: Kölner Komm. Anh. § 117 E BetrVG 1952 Rdnr. 15; Fabricius / Kraft / Wiese / Kreutz, GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 5 ff. und Oetker, in: Großkomm. AktG § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 5 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Anders aber Fitting / Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 61. 264 So auch Mertens, in: Kölner Komm. Anh. § 117 E BetrVG 1952 Rdnr. 5. Ungenau hier etwa Blanke, BB 1994, 1505, 1510 und Fitting / Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 114, der von „mindestens bzw. mehr als 500 ArbN“ spricht, ohne zu problematisieren, ob die Einstellung des 500. Arbeitnehmers ausreicht. 265 Etwa in Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 9.

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Formulierung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG (für die Aktiengesellschaft) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG (Für die GmbH) beibehalten. § 1 hat insofern §§ 76 Abs. 6 Satz 1–3 und 77 Abs. 1–3 BetrVG 1952 unverändert übernommen266. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Mitbestimmung auch nach BetrVG 1952 bzw. jetzt DrittelbG nur dann eintritt, wenn es sich nicht nur um eine vorübergehende Absenkung oder Erhöhung der Anzahl der Arbeitnehmer handelt. In den Vorschriften anderer Gesetze, etwa § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, hat der Gesetzgeber diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, daß er fordert, daß „in der Regel“ mehr als eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt sind. Auch für § 76 Abs. 6 Satz 1 BetrVG 1952 (jetzt: § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) gibt es keinen Grund, bloß vorübergehende Schwankungen als mitbestimmungsrechtlich entscheidend anzusehen, so daß insofern eine Korrektur der Norm angezeigt ist und auf den regelmäßigen Beschäftigungsstand267 abzustellen ist. Damit dürfte das angesprochene Problem des Unterschiedes zwischen der GmbH-rechtlichen und aktienrechtlichen Norm gänzlich akademischer Natur sein. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung ordnete die vollständige Gleichstellung von Aktiengesellschaft und GmbH an, so daß auch die Definition der Familiengesellschaft in § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 1952 gestrichen hätte werden können. Diese partielle Abschaffung der Mitbestimmung in allen kleinen Aktiengesellschaften wurde jedoch scharf kritisiert268. Im Rechtsausschuß wurde daher die Definition der Familiengesellschaft beibehalten und in einem zweiten Halbsatz in § 76 Abs. 6 Satz 1 BetrVG 1952 angefügt, daß die Anzahl der Arbeitnehmer nur für Aktiengesellschaften von Bedeutung ist, die nach dem 10. August 1994 eingetragen werden. Es bleibt somit für die „Altgesellschaften“ bei einer mitbestimmungsrechtlichen Ungleichbehandlung. Daß die Formulierung des Gesetzes an den Tatbestand der „Eintragung“ nach dem Stichtag anknüpft, hat zwei Folgerungen für den Anwendungsbereich der Vorschrift: Der Wegfall der Mitbestimmung gilt zum einen nicht nur für Gesellschaften, die nach dem Stichtag gegründet werden. Durch den Begriff „Eintragung“ werden auch diejenigen Gesellschaften erfaßt, die durch Form____________ 266

Vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 15/2542, S. 11. Ebenso die allgemeine Meinung zum BetrVG 1952, vgl. nur Oetker, in: Großkomm. AktG § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 7; Mertens, in: Kölner Komm. Anh. § 117 E BetrVG 1952 Rdnr. 7; Fitting / Kaiser / Heither / Engels, BetrVG, § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 12; Fabricius / Kraft / Wiese / Kreutz, GK-BetrVG, § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 146; auch Raiser, in: Hachenburg, GmbHG § 52 Rdnr. 156 jeweils m.w.N. 268 Vgl. Nachweise bei Seibert / Köster / Kiem, Fußn. 336 zu Rdnr. 253. 267

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wechsel oder durch Umwandlung aus einem anderen Rechtsträger entstehen269. Zum anderen ist es aber nötig, daß die Gesellschaft in irgendeiner Weise „neu als Aktiengesellschaft“ entsteht. Soweit Aktiengesellschaften vor dem 10. August 1994 aus anderen Gründen nicht unter die Mitbestimmung fielen, diese Gründe nach dem Stichtag aber wegfallen, greift die Mitbestimmung nach § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 (jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) ein. Wenn also eine Gesellschaft, die bisher als Familiengesellschaft von der Mitbestimmung freigestellt war, sich nun für eine Öffnung ihres Mitgliederkreises entscheidet, fällt diese damit unter § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 (jetzt: § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) und obliegt der Mitbestimmung, da sie vor dem Stichtag eingetragen wurde270. Das gleiche gilt für eine Gesellschaft, die etwa vor dem Stichtag keine Arbeitnehmer hatte und danach Arbeitnehmer beschäftigt.

cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur Änderung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 vor allem darauf hingewiesen, daß die Differenzierung zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH hinsichtlich der Mitbestimmung einen nicht auflösbaren Widerspruch dargestellt hat, der nun beseitigt werden sollte. Der Ausgangspunkt für die ursprüngliche Gesetzeslage, daß kleinere Unternehmen die Rechtsform der GmbH wählen und lediglich größere Unternehmen sich für eine Aktiengesellschaft entscheiden, also eine Segmentierung der Kapitalgesellschaften eintritt, ist vom heutigen Standpunkt aus nicht mehr zutreffend271 und auch nicht mehr gewünscht. Der Gesetzgeber hat es sich, wie in der Einleitung geschildert, mit der Reform gerade zum Ziel gesetzt, die Aktiengesellschaft für mittelständische Unternehmen attraktiv zu machen, um so deren Eigenkapitalausstattung zu verbessern. Damit soll also der früher angestrebten Segmentierung gerade entgegengewirkt werden. Diese als Rechtfertigung für eine unterschiedliche Mitbestimmungsregelung in beiden Gesellschaftsformen heranzuziehen, trägt somit nicht mehr.

____________ 269

Darauf weisen etwa auch Hüffer, AktG § 96 Rdnr. 12 und Lutter, AG 1994, 429, 445 hin. 270 Dagegen ist das weitere Beispiel bei Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 267 nicht schlüssig. Die Autoren führen an, daß Familiengesellschaften, die nach dem 10. August 1994 die Schwelle von 500 Arbeitnehmern überschreiten in die Mitbestimmung wachsen. Dies gilt aber unabhängig von der Neuregelung, was hier nicht deutlich wird, da jede Gesellschaft, auch nach der neuen Regelung mit dem Überschreiten der Grenze von 500 Arbeitnehmern der Mitbestimmung unterliegt. 271 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 11.

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Hinzu kam ein weiterer Aspekt: In der Praxis hatte sich die unterschiedliche Behandlung im Mitbestimmungsrecht als eine der Hauptzugangsschwellen zur Rechtsform der Aktiengesellschaft gezeigt272. Dies gilt in gleicher Weise für deutsche mittelständische Unternehmen, die bisher in der Form der GmbH tätig waren, wie auch für ausländische Investoren273, die mit der Mitbestimmung nach deutscher Tradition ohnehin erhebliche Schwierigkeiten haben. Um diese Schwelle wirkungsvoll abzubauen, wurde vom Rechtsausschuß auch der Vorschlag der SPD abgelehnt, wonach die Differenzierung zwischen GmbH und Aktiengesellschaften grundsätzlich beibehalten werden sollte und lediglich für neue Aktiengesellschaften eine „mitbestimmungsfreie Schonfrist“274 vorgesehen war. Andererseits konnte sich die Idee einer Auslauffrist für bestehende Gesellschaften nicht durchsetzen275. Der Rechtsausschuß hat sich als Kompromißlösung lediglich zu der bereits erläuterten unterschiedlichen Behandlung zwischen Altgesellschaften und neu gegründeten Aktiengesellschaften entschlossen. Dabei begründet er diese Differenzierung damit, daß durch die Novelle primär für Gesellschaften, die bisher nicht der Mitbestimmung unterliegen, der Schritt in die Aktiengesellschaft erleichtert werden soll. Dies mache es aber lediglich erforderlich, bei Neugesellschaften keine Mitbestimmung eingreifen zu lassen. Die Situation bei bereits bestehenden Aktiengesellschaften sei eine andere. Diese hätten es „gelernt, mit der Mitbestimmung umzugehen“276. Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Zum einen betrifft die Neuregelung nicht nur Gesellschaften, die gelernt haben, mit der Mitbestimmung umzugehen, sondern auch Gesellschaften, die bereits vor dem Stichtag in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisiert waren, aber aus anderen Gründen mitbestimmungsfrei waren, was erörtert wurde. Zum anderen berücksichtigt der Rechtsausschuß zu wenig, daß bei der Begründung des Gesetzesentwurfes auch eine Beseitigung der Ungleichbehandlung zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH angestrebt war. In diesem Zusammenhang ist auch die Diskussion in

____________ 272

So auch ausdrücklich die Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 11 unter Hinweis auf Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 104 ff. Auch Hommelhoff, in: Reformbedarf des Aktienrechts, S. 65, 77; Planck, GmbHR 1994, 501, 504; Blanke, BB 1994, 1505, 1510. 273 Gerade auf diese zweite Gruppe weisen Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 250 und Ammon / Görlitz, S. 89 ausdrücklich hin. Ähnlich Bösert, DStR 1994, 1423, 1426. 274 So die Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 10. 275 Vgl. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 266, die diese Variante als die sauberste Lösung angesehen hätten. 276 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 10.

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der Literatur277 um das Problem der Umgehung der Stichtagsregel des § 76 Abs. 6 Satz 1 BetrVG 1952 zu sehen. Es ist nämlich zumindest theoretisch denkbar, daß eine Aktiengesellschaft, die vor dem Stichtag eingetragen wurde, jetzt aber nicht mehr unter die Mitbestimmung fallen würde, sich zunächst in eine GmbH umwandelt und daraufhin wieder eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vornimmt. Bei der Frage, ob hier eine Umgehung der gesetzlichen Regelung vorliegt, wird wie folgt zu unterscheiden sein: In objektiver Hinsicht nimmt man ein Umgehungsgeschäft mit der Folge der Nichtigkeit278 an, wenn durch eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit, die scheinbar nicht unter die Verbotsnorm fällt, ein vom Gesetzgeber mißbilligter Erfolg erreicht wird. Kein Umgehungsgeschäft liegt dagegen vor, wenn der Gesetzgeber nur die Vornahme von Geschäften einer bestimmten Art und Weise verhindert wollte, nicht aber den wirtschaftlichen oder rechtlichen Erfolg an sich mißbilligt279. Im vorliegenden Fall ist der Erfolg, nämlich das Erreichen eines mitbestimmungsfreien Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, die nicht zwingend Familiengesellschaft ist, jedoch weniger als 500 Arbeitnehmer hat, vom Gesetzgeber an sich nicht mißbilligt. Die Annahme einer Umgehung bei einer zweimaligen Umwandlung einer Gesellschaft könnte somit nur auf eine subjektive Mißbilligung abstellen. Eine solche reicht aber in der Regel für die Annahme einer Umgehung nicht aus. Der Gesetzgeber selbst hat das Problem wohl zurecht als ein nur theoretisches280 betrachtet, und sich damit nicht auseinandergesetzt. Neben den vereinzelten Diskussionen um die eben angesprochene Umgehungsproblematik, waren die Reaktionen auf die Änderung des § 76 Abs. 6 Satz 1 BetrVG 1952 insgesamt überwiegend positiv281. Von zahlreichen Auto____________ 277 V.a. Blanke, BB 1995, 681, 684, der auch auf die Auswirkungen des § 325 UmwG näher eingeht. Heckschen, DNotZ 1995, 275, 289, welcher der Ansicht ist, daß es auf der Hand liegt, durch Umwandlungsvorgänge in den Genuß dieser Neuregelung zu kommen. 278 Umstritten ist, ob sich die Nichtigkeit aus der Auslegung der umgangenen Verbotsnorm ergibt oder ob es sich hier um einen besonderen Nichtigkeitsgrund handelt, vgl. dazu nur Palandt-Heinrichs, § 134 Rdnr. 28. 279 Auch hier Palandt-Heinrichs, § 134 Rdnr. 28 m.w.N. 280 Ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 267; Ammon / Görlitz, S. 93. 281 Brinkmann, S. 80 f.; Lutter, AG 1994, 429, 445 sieht darin „eine große und anerkennenswerte Leistung des Gesetzgebers“. Ammon / Görlitz, S. 93 sprechen von einem „erfreulichen Ergebnis“. Oetker, in: Großkomm. AktG BetrVG 1952 Einl. Rdnr. 4 spricht von einer „bedeutsamen Ergänzung“. Ähnlich Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 10, der diese Änderung (und § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) als „mutige und weitreichende Reformschritte“ bezeichnet. Priester BB, 1996, 333, 335: „wirklich bedeutsame Änderung“ und Claussen, WM 1996, 609, 617: „bedeutsame Regulierung“. Heckschen, DNotZ 1995, 275, 289 spricht von einer „ganz wesentlichen Änderung mit entscheidendem Wert für die Praxis“.

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ren wird überhaupt nur diese Änderung im Mitbestimmungsrecht als erwähnenswert innerhalb der gesamten Reform angesehen282, zum Teil wird auch die Formulierung der Vorschrift im einzelnen gelobt283. Vom hiesigen Blickwinkel aus, sind zwei Aspekte anzumerken: Zum einen wäre es wünschenswert, wenn sich der Gesetzgeber hinsichtlich der Formulierung mehr an den anderen mitbestimmungsrechtlichen Regelungen orientiert hätte. Insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung bei genau 500 Arbeitnehmern liegt zumindest eine gewisse Unstimmigkeit der gesetzlichen Regelung vor284. Jedenfalls aus rechtsdogmatischen Gründen ist zudem auch die dauerhafte Ungleichbehandlung zwischen Gesellschaften, die vor und die nach dem 10. August 1994 eingetragen sind, nicht wünschenswert285, auch wenn nicht übersehen werden darf, daß diese Regelung rechtspolitisch die einzig durchsetzbare war. Vor dem Hintergrund der Rechtfertigung der Mitbestimmung läßt sich eine Ungleichbehandlung personalistischer Gesellschaften in unterschiedlicher Rechtsform nicht rechtfertigen. Ein Legitimationsdefizit tritt insofern nicht abhängig von der Rechtsform auf. Bei einer vollständigen Gleichbehandlung wäre die Neuregelung auch Gesellschaften zugute gekommen, die bisher als Familiengesellschaften nicht unter die Mitbestimmung fallen, aber eine Öffnung für familienfremde Anleger anstreben.

b) § 31 Abs. 5 AktG Durch die Neufassung des § 31 Abs. 5 AktG wird im ersten Aufsichtsrat die Amtszeitbeschränkung des § 30 Abs. 3 AktG für nachrückende Arbeitnehmervertreter im Falle einer Sachgründung aufgehoben.

aa) Frühere Rechtslage Grundsätzlich müssen schon die Gründer einer Aktiengesellschaft nach § 30 Abs. 1 AktG einen ersten Aufsichtsrat bestellen. Dieser bestimmt dann nach ____________ 282

So Ammon / Görlitz, S. 89. Etwa Lutter, AG 1994, 429, 445 spricht davon, daß die Formulierung exakt ist. 284 Auch wenn zuzugestehen ist, daß dies in der Praxis nur von geringer Bedeutung ist. Zum einen werden wohl nur wenige Gesellschaften genau 500 Arbeitnehmer haben, zum anderen will die allgemeine Ansicht, wie erwähnt, auf die regelmäßige Beschäftigungszahl abstellen, so daß das Problem weiterhin nivelliert werden dürfte, da es gerade nicht zu einem Abzählen der Arbeitnehmer am Tag der Wahl kommt. 285 Ebenso Ammon / Görlitz, S. 92, der das Argument, die Altgesellschaften hätten es gelernt, mit der Mitbestimmung umzugehen, als eher schwach empfindet; ähnlich Hahn, DB 1994, 1659, 1665. 283

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§ 30 Abs. 4 AktG den ersten Vorstand der Gesellschaft. Somit wird gewährleistet, daß bereits die Vor-AG handlungsfähig ist. Diese Handlungsfähigkeit ist, wie das Gesetz an mehreren Stellen erkennen läßt, notwendig, da eine Mitwirkung der ersten Organe für die Entstehung der Gesellschaft unverzichtbar ist. Dies zeigt sich etwa in § 33 Abs. 1 AktG, wonach die Gründung vom Vorstand und vom Aufsichtsrat zu prüfen ist. Auch § 36 Abs. 1 AktG fordert beispielsweise, daß die Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister nicht allein durch die Gründer erfolgt, sondern daß daneben auch eine Mitwirkung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats erforderlich ist. Für die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats ergibt sich aus § 30 Abs. 2 AktG eine Besonderheit gegenüber jedem späteren Aufsichtsrat. Zwar haben die Gründer die nach § 95 Abs. 1 Satz 1 AktG durch das Gesetz, bzw. nach Satz 2 durch die Satzung vorgeschriebene Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern zu bestellen. § 30 Abs. 2 AktG ordnet aber an, daß für diesen ersten Aufsichtsrat die Mitbestimmungsvorschriften, die oben erläutert wurden, noch nicht anwendbar sind. Hintergrund dieser Regelung ist, daß neu gegründete Gesellschaften zumeist keine oder nur eine kleine Belegschaft haben286. Ohne Arbeitnehmer kommt eine Arbeitnehmermitbestimmung aber nicht Betracht. Selbst wenn jedoch die für § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 früher geforderte Mindestzahl von drei bis fünf Arbeitnehmern überschritten ist, würde jedenfalls eine Wahl der Arbeitnehmervertreter in diesem Stadium dazu führen, daß nur eine geringe Anzahl von Personen die Besetzung des ersten Aufsichtsrats beeinflussen könnten, was gerade für später eingestellte Arbeitnehmer von Nachteil wäre. Durch die Mitbestimmung soll eine Repräsentation der gesamten Arbeitnehmerschaft eines Unternehmens geschaffen werden. Zudem wäre durch eine Wahl in einem so frühen Stadium eine echte Auswahl nicht sichergestellt287. Einen Ausgleich dafür, daß der Aufsichtsrat nicht mitbestimmt ist, stellt die relativ kurze Amtszeit für diese ersten Aufsichtsratsmitglieder dar. § 30 Abs. 3 AktG sieht vor, daß sie nicht länger als bis zur Beendigung der Hauptversammlung im Amt sein können, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Ein Blick in § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB ergibt, daß somit die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats längstens 20 Monate288 betragen kann. Ein Geschäftsjahr kann ____________ 286

Vgl. auch Brinkmann, S. 43. Zu den Hintergründen vgl. Seibert / Köster / Kiem Rdnr. 35; Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7 sowie Pentz, in: MünchKomm AktG § 30 Rdnr. 19. 288 Dazu auch Dehmer, WiB 1994, 753, 758 und Ammon / Görlitz, S. 47, die darauf hinweisen, daß in der Praxis die Amtszeit kürzer sein wird. Bei letzteren finden sich 287

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nach § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht die Dauer von zwölf Monaten überschreiten. Dies gilt auch für das erste Geschäftsjahr. Die Satzung kann für das erste Geschäftsjahr lediglich eine kürzere Dauer vorsehen, etwa wenn das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmen soll. Zu diesen maximal zwölf Monaten kommen nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG weitere acht Monate289, die den Zeitraum beschreiben, der der Hauptversammlung höchstens für die Entscheidung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats eingeräumt ist. Das Argument, daß eine neu gegründete Aktiengesellschaft nur wenige Arbeitnehmer habe, und daß somit eine Mitbestimmung noch nicht erforderlich sei, ist aber in einer Sondersituation nicht durchschlagend. Wenn nämlich in eine solche Gesellschaft als Einlage ein Unternehmen bzw. ein Unternehmensteil eingebracht wird, hat diese auch von Anfang an eine Belegschaft, so daß es keinen Grund gibt, den ersten Aufsichtsrat von der Mitbestimmung auszunehmen. Das gleiche gilt bei der Umwandlung eines bestehenden Unternehmens. Auf diese Situation nimmt auch das Gesetz in § 31 AktG Rücksicht, auf den § 76 Abs. 2 Satz 2 UmwG für die Verschmelzung verweist290. Unter zwei Voraussetzungen unterliegt danach bereits der erste Aufsichtsrat der Mitbestimmung: Zum einen muß entsprechend § 27 AktG eine Sacheinlage oder Sachübernahme festgesetzt sein. § 31 Abs. 1 AktG macht in seiner Formulierung ausdrücklich deutlich, daß es auf die Festsetzung in der Satzung ankommt. Lediglich eine Vereinbarung unter den Gründern, die außerhalb der Satzung erfolgt, genügt demnach nicht291. Zum anderen muß diese Sacheinlage oder Sachübernahme in der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils bestehen. Die Definition des Begriffs „Unternehmen“ fordert „eine organisatorische Zusammenfassung von sachlichen und personellen Mitteln zu ____________ dazu auch zahlreiche Nachweise, ebenso wie Ausführungen dazu, ob es contra legem zu einer längeren Amtszeit kommen kann. 289 Unstreitig ist hier ebenso wie bei § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG, der dieselbe Frist im Zusammenhang mit der Feststellung des Jahresabschlusses und der Verwendung des Bilanzgewinnes vorsieht, daß eine Verlängerung der Frist durch die Satzung nicht zulässig ist, vgl. nur Hüffer, AktG § 175 Rdnr. 4. Ob die Satzung die Frist verkürzen kann, wird dagegen heftig diskutiert, vgl. wiederum nur Hüffer, AktG § 175 Rdnr. 4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zu beiden Ansichten. 290 Weitere Beispiele bei Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 34 Fußn. 43. Vgl. auch Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 76 Rdnr. 6 und Schmitt / Hörtnagl / Stratz, UmwG, § 76 Rdnr. 2. Über die Verweisnormen des § 125 UmwG gilt § 31 Abs. 1 AktG auch für alle Arten der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung) und über § 197 UmwG, der für den Formwechsel unmittelbar in das entsprechende Gründungsrecht verweist, auch dort. 291 So auch Röhricht, in: Großkomm. AktG § 31 Rdnr. 2 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 31 Rdnr. 6.

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einem wirtschaftlichen Zweck, die grundsätzlich ein Auftreten am Markt erlaubt“. Für einen Unternehmensteil muß eine „daraus aussonderungsfähige Wirtschaftseinheit“292 gegeben sein. Wesentlich ist im vorliegenden Fall sicher jeweils das Vorhandensein „personeller Mittel“, also das Vorhandensein von Arbeitnehmern293, da sonst der Zweck des § 31 AktG leerlaufen würde. § 31 Abs. 1 Satz 1 AktG fordert, daß bereits im ersten Aufsichtsrat regelmäßig Plätze für die Vertreter der Arbeitnehmer freigehalten werden müssen. Zu Gunsten der Funktionsfähigkeit des Organs soll durch § 31 Abs. 1 Satz 2 AktG lediglich ein Aufsichtsrat mit nur zwei Mitgliedern auch über einen kurzen Zeitraum verhindert werden. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AktG hat der Vorstand unverzüglich nach der Einbringung oder Übernahme des Unternehmens oder Unternehmensteils bekannt zu machen, nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammengesetzt wird. Einbringung oder Übernahme setzt dabei nicht den sachenrechtlichen Übergang der Vermögensgegenstände voraus. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Zeitpunkt die Gesellschaft das Unternehmen bzw. den Unternehmensteil tatsächlich nutzen kann294. § 31 Abs. 3 Satz 2 AktG verweist im übrigen auf das aktienrechtliche Statusverfahren (§§ 97 – 99 AktG), so daß schon zu einem früheren Zeitpunkt Rechtssicherheit295 erreicht werden kann. Je nachdem, ob die Gründer von den richtigen Vorschriften der Mitbestimmung ausgegangen sind, findet nach § 31 Abs. 3 Satz 3 AktG lediglich eine Ergänzung des Aufsichtsrats statt oder eine vollständige Neuwahl296. Nach altem Recht erklärte schließlich § 31 Abs. 5 AktG die Regelung in § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG ausdrücklich für anwendbar. Dies bedeutete, daß auch bei einer Sacheinlage für ____________ 292 Jeweils Röhricht, in: Großkomm. AktG § 31 Rdnr. 2; ähnliche Definitionen wählen Hüffer, AktG § 31 Rdnr. 2; ders., in: Großkomm. HGB Vorb. § 22 Rdnr. 6; Pentz, in: MünchKomm AktG § 31 Rdnr. 7 und Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 31 Rdnr. 5. 293 Dies stellen auch Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 31 Rdnr. 3 und Pentz, in: MünchKomm AktG § 31 Rdnr. 8 als entscheidendes Kriterium dar. 294 Ähnlich Röhricht, in: Großkomm. AktG § 31 Rdnr. 14; Hüffer, AktG § 31 Rdnr. 8; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 31 Rdnr. 20, die jeweils an die Rechtsprechung zu § 613a BGB anknüpfen. 295 Rechtssicherheit ist insgesamt Regelungszweck der §§ 97–99 AktG, da eine eindeutige Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 97 Abs. 2 Satz 1 AktG und § 99 Abs. 4 Satz 2 AktG erreicht wird, die im Falle des § 99 Abs. 4 Satz 2 AktG sogar ausdrücklich mit einer Wirkung „für und gegen alle“ ausgestattet ist. Der Rechtssicherheit dient auch der Kontinuitätsgrundsatz, der in § 96 Abs. 2 AktG ausgedrückt ist, vgl. dazu etwa Mertens, in: Kölner Komm. § 96 Rdnr. 22 sowie Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 577. 296 Im einzelnen Hüffer, AktG § 31 Rdnr. 10 ff. und Pentz, in: MünchKomm AktG § 31 Rdnr. 28 ff.

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die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat die kurze Amtszeit von maximal 20 Monaten galt.

bb) Neuer Regelungsinhalt Nach der Neufassung des § 31 Abs. 5 AktG wird nun explizit angeordnet, daß § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG für die Aufsichtsratsmitglieder, die von den Arbeitnehmern entsprechend § 31 Abs. 3 AktG bestellt wurden, nicht gilt. Die Folge ist, daß bereits die Amtszeit der für den ersten Aufsichtsrat bestellten Arbeitnehmervertreter der in § 102 Abs. 1 AktG festgesetzten Höchstdauer von etwa fünf Jahren297 entsprechen kann. Dies gilt aber nur für die Arbeitnehmervertreter. Wenn § 31 Abs. 5 AktG darauf hinweist, daß § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG für diese keine Anwendung findet, ergibt sich daraus im Umkehrschluß, daß es bei der kurzen Amtszeit für die Vertreter der Anteilseigner ebenso wie für die weiteren Mitglieder nach Montan-MitbestG bzw. MitbestErgG bleibt. Folge ist, daß die Aufsichtsratsmitglieder, die durch die Arbeitnehmer bestellt wurden, und die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats unterschiedliche Amtszeiten haben. Allerdings ist zum einen anerkannt, daß eine unterschiedliche Amtszeit für die Aufsichtsratsmitglieder durchaus zulässig ist298. Daraus folgt, daß auch eine verschobene Amtszeit für die verschiedenen Aufsichtsratsmitglieder legitim ist. Etwas anderes ergibt sich auch aus § 102 Abs. 2 AktG nicht. Danach erlischt das Amt eines Ersatzmitglieds spätestens mit Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds. Hintergrund dieser Bestimmung ist aber nicht die Synchronität der Amtszeit aller Aufsichtsratsmitglieder. Vielmehr soll das Nachrücken eines Ersatzmitglieds bloße Überbrückungsfunktion haben. Zudem erfolgt nach § 101 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 AktG die Bestellung eines Ersatzmitglieds zeitgleich mit der Wahl des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds. Daher ist es folgerichtig, daß die Amtszeit ebenfalls an die des ursprünglich bestellten Aufsichtsratsmitglieds gekoppelt ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß es in der Hand der Gesellschafter liegt, eine Synchronität der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder herbeizuführen. Entweder kann bereits in der Satzung für die nicht durch die Arbeitnehmer bestellten Aufsichtsratsmitglieder eine abweichende Amtszeit im zweiten Aufsichtsrat bestimmen ____________ 297

Siehe das Beispiel bei Hüffer, AktG § 31 Rdnr. 4. Dies gilt für Rechtsprechung und Literatur, vgl. BGHZ 99, 211, 215 einerseits und Hüffer, AktG § 102 Rdnr. 4; Geßler, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 102 Rdnr. 12; Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 102 Anm. 4; Lutter, AG 1994, 429, 446; Planck, GmbHR 1994, 501, 502 andererseits. 298

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werden. Daneben kann auch der Wahlbeschluß in der Hauptversammlung selbst, eine solche kürzere Amtszeit vorsehen299.

cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Der Gesetzgeber wollte durch die Neuregelung in erster Linie verhindern, daß innerhalb kurzer Zeit zweimal das aufwendige Wahlverfahren bei den Arbeitnehmern durchgeführt werden muß. Bereits vor der Novelle gab es Stimmen in der Literatur300, die kritisierten, daß es durch § 31 Abs. 5 AktG bei Geltung der Mitbestimmungsgesetze notwendig sei, zweimal ein langwieriges und kostspieliges Verfahren durchzuführen, das die Gesellschaft unnötig belastet. Diese Kritik hat der Gesetzgeber nunmehr aufgegriffen. Er weist darauf hin, daß bei einem Unternehmen als Sacheinlage bereits ein fester Arbeitnehmerstamm vorhanden sei, so daß eine Amtszeitbeschränkung aus Sicht der Arbeitnehmer keinen Sinn mache301. Für die Anteilseigner hat er dagegen lakonisch ausgeführt, daß es bei der alten Rechtslage bleiben kann, „da hier nicht dieselben Gründe der Praktikabilität und der Vermeidung unnötigen Wahlaufwands für eine Aufsichtsratsverlängerung sprechen“302. Zutreffend ist daran sicher, daß es in der Praxis durch die Beschränkung der Amtszeit bei den Vertretern der Anteilseigner zu keinen übermäßigen Problemen kommt, da die Hauptversammlung ohnehin jedes Jahr zusammentreten muß und daher mit der Notwendigkeit einer erneuten Wahl der Aufsichtsratsmitglieder kein unzumutbarer Aufwand verbunden ist303. Gleichwohl erscheint der Ausgangspunkt des Gesetzgebers nicht zutreffend zu sein. Oben wurde erläutert, daß der Hintergrund für die kurze Amtszeit bei § 30 Abs. 3 AktG gerade dadurch begründet wird, daß er noch nicht mitbestimmt ist. Dieser „unvollständige“ Aufsichtsrat soll bald durch einen mitbestimmten Aufsichtsrat ersetzt werden. Dieses Argument greift aber bei § 31 AktG ohnehin nicht. Der Gesetzgeber hätte sich daher nicht fragen müssen, ob etwas für die „Amtszeitverlängerung“ spricht, sondern ob es auch in diesem speziellen Fall der Sachgründung einen Grund dafür gibt, daß die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats gegenüber der des späteren Aufsichts____________ 299 So auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 56; Hüffer, AktG § 102 Rdnr. 4; Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 71. 300 Etwa Heinsius, in: FS Stimpel, S. 571, 573. 301 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. 302 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. 303 Ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 53, die v.a. darauf abstellen, daß durch die Erleichterungen in §§ 121, 130 AktG in der Novelle 1994 überdies die Einberufung der Hauptversammlung vereinfacht wurde.

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rats verkürzt wird. Ein solcher Grund besteht aber nicht, so daß es konsequenter gewesen wäre, § 30 Abs. 3 AktG insgesamt im Falle der Sachgründung nicht anzuwenden. Die Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter hat sich gegen eine Verlängerung der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats insgesamt ausgesprochen304. Hinter dieser Auffassung steht die Idee, daß es nach der Gründung oder Umwandlung häufig zu einem Gesellschafterwechsel kommt, etwa bei einem going public. Die Vorschrift beuge also einer zu langen Beherrschung des Aufsichtsrats durch die Gründer vor. Seibert, Köster und Kiem haben dagegen überzeugend angemerkt, daß ein going public zumeist nicht in einem Schritt mit der Gründung vollzogen wird305. Zudem werden auch die Gründer häufig jedenfalls die einfache Mehrheit behalten, die für eine Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder erforderlich ist. Selbst ein mit einem going public verbundener Gesellschafterwechsel wird regelmäßig wegen der dann breiten Streuung des Aktienbesitzes nicht zu einer solchen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse führen, die sich in der Besetzung des Aufsichtsrats sofort niederschlagen würde. In der Literatur ist die Änderung des § 31 Abs. 5 AktG durchweg positiv aufgenommen worden, da hierin eine Vereinfachung der gesetzlichen Regelungen gesehen wird306. Nicht ganz einig ist man sich aber, ob dadurch die frühere Praxis überflüssig geworden ist307. Um eine doppelte Wahl zu vermeiden, verfolgte die Praxis zwei Wege: Entweder wurden beide Wahlen in einem Termin zusammengefaßt308 oder man ließ die Aufsichtsratsmitglieder, welche die Arbeitnehmer repräsentieren sollten, nach § 104 Abs. 2 AktG gerichtlich bestellen309. Der Gesetzgeber wollte, wie sich aus der Begründung zu § 31 AktG ____________ 304

Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 70, 71. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 52. 306 Etwa Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4 („eine sinnvolle Regelung“); Brinkmann, S. 45; Kindler, NJW 1994, 3041, 3046, der die alten Regelung als „Schwachstelle“ ansah. Zuvor schon die Stellungnahmen der Wirtschaft und der Gewerkschaften beim Hearing des Rechtsausschusses, Seibert, GmbHR 1994, R 34. 307 So Lutter, AG 1994, 429, 446, der explizit die Ansicht vertritt, daß dadurch die „Notbehelfe der Praxis überflüssig“ geworden sind. Ähnlich Planck, GmbHR 1994, 501, 502; Heckschen, DNotZ 1995, 275, 288 und Bösert, DStR 1994, 1423, 1427. Jedenfalls zweifelnd Ammon / Görlitz, S. 49. 308 Dazu Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 46; Lutter, AG 1994, 429, 446. 309 Siehe etwa LG Hof, WM 1993, 695 ff. Im Zusammenhang mit § 104 AktG ist auf das Problem der Länge der Amtszeit hinzuweisen. Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 4 Rdnr. 17 will § 31 Abs. 5 AktG auch auf vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglieder anwenden, siehe dort auch für weitere Nachweise. 305

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ausdrücklich ergibt, diese Möglichkeit der Bestellung nach § 104 AktG unberührt lassen310. Umstritten ist aber die Frage, ob die Variante durch die Neuregelung nun im Regelfall überflüssig geworden ist. In Zweifel zieht dies insbesondere Hoffmann-Becking. Er weist darauf hin, daß die Wahl von Arbeitnehmervertretern etwa ein halbes Jahr dauere311. Im Hinblick darauf, daß zuvor eine Bekanntmachung des § 31 Abs. 3 AktG erfolgen müsse und die Monatsfrist des § 97 Abs. 2 AktG verstrichen sein müsse, komme es regelmäßig zu einem Zeitraum von sieben bis acht Monaten bis der Aufsichtsrat vollständig sei312. Für diesen Zeitraum, ist er der Ansicht, wird es auch weiterhin notwendig oder jedenfalls empfehlenswert sein, die Arbeitnehmervertreter gerichtlich bestimmen zu lassen. Jedenfalls können diese gerichtlich bestellten Mitglieder dann entsprechend § 104 Abs. 5 AktG sobald als möglich durch die gewählten abgelöst werden, ohne die Amtszeit künstlich bis zur Wahl in der ersten Hauptversammlung nach § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG zu verlängern313.

2. Hauptversammlung Die Vorschriften über die Hauptversammlung erfuhren eine Reihe von Änderungen, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen: Zum einen kam es im Bereich der materiellen Regelungen zu einer Verschiebung der Kompetenzen für die Gewinnverwendung (unter 1.). Zum anderen wurden einige verfahrensrechtliche Vorschriften geändert (unter 2.–4.). Diese betreffen die Form der Einberufung von Hauptversammlungen, aber auch die Durchführung der Hauptversammlung selbst, soweit alle Aktionäre erschienen sind, und die Notwendigkeit einer Niederschrift in notarieller Form. Die verfahrensrechtlichen Neuerungen führten im Zusammenhang mit der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses zu Folgeänderungen.

a) § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG Die Änderung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG i.d.F. des „Gesetzes für die Kleine AG“ führt zu einer größeren Satzungsautonomie bei der Gewinnthesaurierung von Gesellschaften, die nicht börsennotiert sind. ____________ 310 311 312 313

Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4; ebenso Ammon / Görlitz, S. 49. Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4; Ammon / Görlitz, S. 49. Ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 48.

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aa) Frühere Rechtslage § 58 AktG ist, wie bereits Kronstein314 sagte, „das Schloß an den gläsernen, aber verschlossenen Taschen der Aktienunternehmen“. Diese Vorschrift stellt somit – mit anderen Worten – die zentrale Bestimmung zur Verwendung des Jahresüberschusses einer Aktiengesellschaft dar.

(1) Hintergrund der früheren Rechtslage § 58 AktG muß vor dem Interessengegensatz zwischen der Verwaltung und den Aktionären gesehen werden315. Für die Verwendung des Jahresüberschusses kommen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht: Entweder kann der Überschuß von der Gesellschaft durch die Bildung von Rücklagen einbehalten werden oder er kann als Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Bei den Rücklagen ist hier zwischen stillen Rücklagen, deren Hauptmerkmal ihre „willkürliche“, also nicht geplante Bildung ist316, und offenen Rücklagen317 zu unterscheiden, die als solche in der Bilanz ausgewiesen sind (§ 266 Abs. 3 A II und III HGB). Bei der (offenen) Gewinnrücklage kennt § 266 Abs. 3 A III HGB ebenso wie § 158 Abs. 1 Nr. 4 AktG vier Fallgruppen: (1) gesetzliche Rücklagen (§ 150 AktG), (2) Rücklagen für eigene Anteile (§§ 272 Abs. 4 HGB, 71 Abs. 2 Satz 2 AktG), (3) satzungsmäßige Rücklagen und (4) andere Gewinnrücklagen.

____________ 314

Vgl. Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 4. Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 3 sowie Bayer, in: MünchKomm AktG § 58 Rdnr. 2 und 14 ff. jeweils auch zur geschichtlichen Entwicklung der Vorschrift. Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 5 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß aus der rechtlichen Selbständigkeit der Aktiengesellschaft schon lange auch eine faktische Selbständigkeit geworden ist: „Die AG hat sich vom Unternehmer-Aktienverein zur Unternehmung, zum ‘Unternehmen an sich’ entwickelt. Größe, Finanzkraft, wirtschaftliche und soziale Bedeutung lassen die AG – von kleinen Unternehmen abgesehen – im sozialen Gefüge als dauernd, unabhängig und ausschließlich eigeninteressiert erscheinen; die oft große oder gar sehr große Zahl ihrer Aktionäre betont diese Entwicklung noch“. 316 Beispiele hier bei Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 9. 317 Für den Unterschied zwischen Gewinnrücklagen und Kapitalrücklagen vgl. nur Hüffer, AktG § 150 Rdnr. 2. 315

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Die Bildung von Rücklagen bzw. die Gewinnthesaurierung318 dient insbesondere dem langfristigen Interesse des Unternehmens an einer möglichst hohen Eigenfinanzierung. Durch eine hohe Gewinnausschüttung dagegen wird den kurzfristigen Interessen der Aktionäre eher entsprochen. Diese haben es dann selbst in der Hand, ob sie die zugeflossene Dividende etwa im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft selbst wieder zukommen lassen und somit ebenfalls deren Selbstfinanzierung stärken. Die Aktionäre können das Geld aber auch anderweitig anlegen oder verkonsumieren. Häufig wird das Kapital in jedem Fall dem Kapitalmarkt wieder zugeführt. Die Frage ist damit eher, welche Unternehmen davon profitieren319. Eine Gewinnthesaurierung dagegen nimmt den Aktionären die Entscheidung über den genauen Ort des Kapitaleinsatzes aus der Hand und führt zu einer Bevorzugung der Gesellschaft, in der das Kapital bisher investiert war. Zwar profitiert dadurch auch der Aktionär, da durch eine stärkere Ausstattung mit Kapital der Wert der Gesellschaft und damit auch der des von ihm gehaltenen Anteils steigt. Einher geht aber mit der angesprochenen geringeren Entscheidungsmöglichkeit des Anlegers die Steigerung des Risikos, wenn ein höherer Kapitalanteil in einem einzigen Unternehmen angelegt ist, und der Aktionär sein Risiko nicht durch den Einsatz in verschiedenen Unternehmen streuen oder insgesamt das Risiko durch die Bevorzugung anderer Anlageformen vermindern kann. Dieser Interessengegensatz findet insbesondere in § 58 AktG einen Ausgleich. Das Gesetz unterscheidet zunächst hinsichtlich der Feststellung des Jahresabschlusses zwei Fallgestaltungen: Den Regelfall nennt § 172 Satz 1 AktG. Danach wird der Jahresabschluß vom Vorstand zusammen mit dem Lagebericht gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 AktG dem Aufsichtsrat vorgelegt, der ihn zu prüfen hat (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG). Wenn der Aufsichtsrat ihn billigt, ist damit die formelle Feststellung des Jahresabschlusses vollendet (§ 172 Satz 1 AktG). Davon kennt das Gesetz jedoch drei Ausnahmefälle, in denen die Zuständigkeit für die Feststellung auf die Hauptversammlung verlagert wird: (1) Die Feststellung des Jahresabschlusses kann, obwohl der Aufsichtsrat diesen gebilligt hat, durch Beschluß des Vorstands und des Aufsichtsrats der Hauptversammlung überlassen werden (§§ 172 Satz 1, 173 Abs. 1 Fall 1 AktG). Die Kompetenz wird durch das Gesetz auf die Hauptversammlung verlagert, wenn (2) der Aufsichtsrat die Billigung des Jahresabschlusses ablehnt (§ 173 ____________ 318 Der Begriff der Gewinnthesaurierung soll hier entsprechend der Definition bei Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 6 verstanden werden: Gewinnthesaurierung ist danach „die Einbehaltung von Erträgen der AG …, die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung im Rahmen der periodischen Erfolgsrechnung hätten ausgewiesen und an die Aktionäre oder sonstige Berechtigte ausgeschüttet werden können, tatsächlich aber nicht ausgeschüttet wurden“. 319 So auch Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 5.

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Abs. 1 Fall 2 AktG) oder (3) dieser seinen Bericht nicht innerhalb der nach § 171 Abs. 3 Satz 2 AktG gesetzten Nachfrist abliefert, was vom Gesetz als Nichtbilligung des Jahresabschlusses behandelt wird (§§ 171 Abs. 3 Satz 3, 173 Abs. 1 Fall 2 AktG). Für den Ausnahmefall der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung ist der gesetzliche Ausgangspunkt ein Verbot der Bildung von Rücklagen, die nicht durch das Gesetz vorgeschrieben sind. Die Satzung kann aber die Bildung von Rücklagen vorsehen (§ 58 Abs. 1 AktG). Dabei darf die Satzung nicht eine bloße Ermächtigung aussprechen. Vielmehr muß die Bildung der Rücklage durch zwingende Verpflichtung vorgeschrieben werden, wobei auch der Umfang der Rücklage in der Satzungsbestimmung festgelegt werden muß320. Von größerem Interesse ist hier aber der Regelfall: die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat. Als Grundsatz sieht das Gesetz in § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG vor, daß zugleich bei der Feststellung ein Teil des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen i.S.d. §§ 266 Abs. 3 A III Nr. 4 HGB, 158 Abs. 1 Nr. 4 lit. d AktG eingestellt werden kann, wobei die Obergrenze bei 50 % des Jahresüberschusses liegt. Im Gegensatz zu § 58 Abs. 1 AktG geht es hier nicht um eine Verpflichtung der Verwaltung. Das Gesetz spricht vielmehr eine Ermächtigung aus. Wenn die gesetzliche Regelung beibehalten wird, verbleibt somit zumindest die Hälfte des Jahresüberschusses, die an die Aktionäre als Gewinn ausgeschüttet werden kann321. Dies dient dem Ausgleich der Interessen der Gesellschaft einerseits und der Aktionäre andererseits.

(2) Auslegung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. konnte die Kompetenz zur Bildung von Rücklagen zugunsten der Verwaltung erweitert werden. So konnte die Satzung bestimmen, daß Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren Teils ermächtigt werden können. Dies zog zwei Folgerungen nach sich: Da die Satzung lediglich eine „Ermächtigung“ aussprechen kann, konnte sie die Dispositionsfreiheit der Verwaltung nur erweitern, nicht aber einschränken. Sie konnte ____________ 320

Ebenso Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 30 und 33 und Bayer, in: MünchKomm AktG § 58 Rdnr. 26. 321 Ob der verbleibende Teil wirklich als Gewinn ausgeschüttet wird, hängt vom Gewinnverwendungsbeschluß ab, für den die Hauptversammlung zuständig ist, §§ 58 Abs. 3, 174 Abs. 1 Satz 1 AktG. Neben der Ausschüttung des Gewinns kann auch die Hauptversammlung im Gewinnverwendungsbeschluß u.a. Beiträge in die Gewinnrücklage einstellen (§ 174 Abs. 2 Nr. 3 AktG) oder einen Vortrag der Gewinne beschließen (§ 174 Abs. 2 Nr. 4 AktG).

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also insbesondere keine Verpflichtung322 zur Bildung von anderen Gewinnrücklagen statuieren. Darüber hinaus gab § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. lediglich die Möglichkeit durch Satzungsbestimmung die gesetzliche Ermächtigung zur Rücklagenbildung zu erweitern, eine Einschränkung unter das in § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG gesetzliche Maß von 50 %, war wegen § 23 Abs. 5 AktG nicht zulässig323. Umstritten ist im Zusammenhang mit solchen Satzungsbestimmungen, ob es eine Höchstgrenze für eine Satzungsermächtigung gibt. Eine Mindermeinung324 leitet aus § 254 Abs. 1 AktG ab, daß für die Aktionäre zumindest eine Gewinnausschüttung von 4 % bleiben muß. Jedoch wird dies zu Recht von der überwiegenden Meinung325 abgelehnt. Der Wortlaut des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F., der von einem „größeren Teil“ spricht, könnte zwar als Indiz dafür gewertet werden, daß das Gesetz nicht eine Satzungsermächtigung gestattet, nach welcher die Verwaltung befugt ist, den gesamten Jahresüberschuß für die Gewinnthesaurierung zu verwenden. Die Formulierung ist aber zur Ableitung einer festen Grenze nicht klar genug gefaßt. Zudem wäre, worauf Lutter326 zutreffend hinweist, auch 99 % des Jahresüberschusses ein „Teil“ dieses, so daß sich aus dem Wortlaut jedenfalls nicht zwingend eine Höchstgrenze entsprechend § 254 Abs. 1 AktG ableiten läßt. Darüber hinaus widerspricht es auch § 254 Abs. 1 AktG selbst, aus dieser Bestimmung eine feste Grenze ableiten zu wollen. Zwar ist es der Zweck der Vorschrift, dem einzelnen Aktionär eine Mindestdividende von 4 % zu garantieren. Ein Verstoß gegen § 254 Abs. 1 AktG führt jedoch lediglich zu einer Anfechtbarkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses; aus dieser Vorschrift eine implizite Beschränkung für die Verteilung des Jahresüberschusses abzulesen, die ex lege vorliegen würde, ginge weit darüber hinaus. Wichtiger ist es aber zu bedenken, daß § 254 Abs. 1 AktG durchaus nicht ohne Einschränkungen gilt. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, daß es zu einer geringeren Dividende kommen kann, wenn so eine wirtschaft____________ 322

Ähnlich Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 37. Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 37; auch Planck, GmbHR 1994, 501, 504. 324 Nachweise dazu bei Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 30 sowie Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 40 f. 325 Dazu grundlegend BGHZ 55, 359, 360 ff.; ebenso Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 42; Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 30; Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 58 Anm. 17; Hüffer, AktG § 58 Rdnr. 12; Bayer, in: MünchKomm AktG § 58 Rdnr. 44 jeweils m.w.N; ähnlich auch Lutter, AG 1994, 429, 436; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 94. 326 Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 30; ähnlich Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 42. 323

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lich notwendige Rücklage oder ein wirtschaftlich notwendiger Gewinnvortrag gesichert werden soll. Es ist aber zumindest problematisch aus einer solch flexiblen und von den wirtschaftlichen Gegebenheiten abhängigen Mindestdividende eine strikte Folgerung für § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. abzuleiten. Zudem ist jedenfalls von der h.M. anerkannt, daß § 254 Abs. 1 AktG durch die Satzung eingeschränkt werden kann327. Bei einer solchen Satzungsbestimmung weiß ein Minderheitsaktionär, um dessen Schutz es § 254 Abs. 1 AktG vorwiegend geht, von vornherein, auf was er sich einläßt, da er vor dem Erwerb von Aktien die Möglichkeit hat, sich über die Satzung der Gesellschaft zu informieren. Nicht anders ist es aber nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. Eine Satzungsbestimmung, die entsprechend dieser Vorschrift eine Ermächtigung zur vollständigen Einstellung des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen ermöglicht, ist für einen Aktionär in gleicher Weise offensichtlich. Er muß bereits bei Erwerb des Anteils damit rechnen, daß er gegebenenfalls in manchen Jahren überhaupt keine Dividende erhält, weil die Verwaltung die Selbstfinanzierung der Gesellschaft für wichtiger als die Gewinnausschüttung erachtet. Zudem bleibt auch bei einer Ermächtigung zur Thesaurierung des gesamten Jahresüberschusses jedenfalls der Schutz des § 58 Abs. 2 Satz 3 AktG bestehen, der die Hälfte des Grundkapitals als absolute Grenze für eine Selbstfinanzierung der Gesellschaft durch andere Gewinnrücklagen sieht. Eine weitere Unsicherheit betrifft die Frage, welche Anforderungen an die Formulierung einer wirksamen Satzungsklausel i.S.d. § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. genau zu stellen sind. Eine Ansicht läßt es ausreichen, daß die Satzung schlicht den Wortlaut des Gesetzes wiederholt328. Dabei wird insbesondere auf die Entstehungsgeschichte des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. hingewiesen. Der Regierungsentwurf des § 55 AktG, der die Rolle des § 58 AktG erfüllen sollte, sprach hier von einem „bestimmten (höheren) Teil“329. Daraus wäre eindeutig abzuleiten gewesen, daß die Satzung einen genauen Prozentsatz angeben muß. Im Laufe der Beratungen wurde aber die Formulierung aufgegeben und der heutige Wortlaut bevorzugt. Die Gegenansicht in der Literatur330 fordert gleichwohl die klare Angabe einer Obergrenze in der Satzung. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Der Gesetzeswortlaut erscheint im Hinblick auf die Zweifelsfragen zumindest nicht gerade gelungen, so daß schon deshalb eine eindeutigere Formulierung in der Satzung angezeigt ist. Zudem soll die Vorschrift auch eine Warnfunktion erfüllen. Ein (künftiger) Aktionär muß sich, wenn er die Sat____________ 327

Statt vieler Hüffer, AktG § 254 Rdnr. 6 m.w.N. Etwa Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 31 m.w.N. 329 Vgl. Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 58 Rdnr. 31. 330 Hüffer, AktG § 58 Rdnr. 11; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 45; Bayer, in: MünchKomm AktG § 58 Rdnr. 46. 328

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zungsbestimmung liest, darüber im klaren sein, daß dadurch der Verwaltung eine volle Thesaurierung des Jahresüberschusses ermöglicht wird. Wenn die Satzung aber nur die gesetzliche Formulierung wiederholt, ist dies zweifelhaft. Hefermehl und Bungeroth331 weisen zutreffend darauf hin, daß auch der Hinweis auf das Gesetzgebungsverfahren, angesichts der grundlegenden Umgestaltung der Vorschrift, nur Indizcharakter haben kann.

bb) Neuer Regelungsinhalt § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. ermöglicht es der „Kleinen AG“ eine Satzungsbestimmung vorzusehen, welche die Ermächtigung des Vorstands zur Bildung von Rücklagen vollständig auf die Hauptversammlung verlagert.

(1) Hintergrund der neuen Regelung Der angesprochene Interessengegensatz, der für § 58 AktG zum Leitbild wurde, ist charakteristisch für eine Aktiengesellschaft, bei der man aufgrund ihrer Größe und Finanzkraft von einem Eigeninteresse sprechen kann. Vor allem tritt ein solcher Gegensatz aber bei einer Gesellschaft auf, die eine Vielzahl von Aktionären hat, die sich der Gesellschaft nicht verbunden fühlen, so daß das Interesse einer ausreichenden Eigenfinanzierung der Gesellschaft nicht von hinreichender Bedeutung für den einzelnen Aktionär ist. Bei einer größeren Identifizierung des Aktionärs mit der Gesellschaft, wird der Interessengegensatz geringer sein oder unter Umständen gar nicht bestehen. Der Aktionär wird sich hier nicht nur als Anleger verstehen, der für sein Kapital die höchstmögliche Verzinsung bei dem geringstmöglichen Risiko sucht, sondern wird selbst auf längere Zeit am „Gedeih und Verderb“ der Gesellschaft Anteil nehmen und daher auch ihre Eigenfinanzierung an diesem Ziel ausrichten. Dies zeigt sich auch, wenn man die aktienrechtliche Regelung mit der Parallelregelung im GmbHG vergleicht. Zunächst setzt insbesondere § 58 Abs. 2 AktG eine unabhängige Verwaltung voraus, da bei einem Weisungsrecht, wie es im GmbHG zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer besteht, ohnehin die Verwaltung nicht eigenständig und gegen den Willen der Gesellschafter für eine Gewinnthesaurierung und gegen eine Ausschüttung der Gewinne entscheiden könnte. Darüber hinaus ist aber auch die gesetzliche Konzeption bei der GmbH eine andere. Nach § 49 Nr. 1 GmbHG i.V.m. § 29 Abs. 1 und 2 GmbHG obliegt die Feststellung des Jahresabschlusses ohnehin ____________ 331

Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 45.

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der Gesellschafterversammlung. Nach § 29 Abs. 2 GmbHG entscheidet sie auch selbst im Rahmen des Beschlusses über die Gewinnverwendung, welcher Anteil des Jahresüberschusses tatsächlich an die Gesellschafter als Gewinn ausgeschüttet werden soll und welcher Anteil in die Gewinnrücklage eingestellt oder als Gewinn vorgetragen wird. Schutzregeln enthält das Gesetz keine332. Es geht vielmehr davon aus, daß die Gesellschafter kraft ihrer Verantwortung für die Gesellschaft aber auch für Minderheitsgesellschafter selbst die Interessen an einer vernünftigen Eigenfinanzierung mit den Gewinninteressen der Gesellschafter in Ausgleich bringen. Für die Aktiengesellschaft, die nicht dem alten Leitbild der Publikumsaktiengesellschaft mit einem weit gestreuten Kreis von Aktionären entspricht, ist davon auszugehen, daß die Gesellschafter in gleicher Weise selbst in der Lage sind, den erwähnten Interessengegensatz zu überwinden. Bei einer eher personalistischen Aktiengesellschaft ist ebenso wie bei einer GmbH zu erwarten, daß diese aufgrund ihrer engeren Bindung an die Gesellschaft nicht einseitig ihre Gewinninteressen verfolgen, sondern auch das Interesse der Gesellschaft an einer fundierten Eigenfinanzierung berücksichtigen. Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber durch die Neufassung von § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG Rechnung getragen. Bei Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen sind, ist es zunächst333 bei der alten Regelung geblieben. Das bedeutet, daß die Verwaltung in Abweichung von § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG durch die Satzung ermächtigt werden kann, auch einen größeren Teil als 50 % des Jahresüberschusses in die andere Gewinnrücklage einzustellen. Für die übrigen Aktiengesellschaften kann die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat „zur Einstellung eines größeren und kleineren Teils … ermächtigen“. Zweck dieser Erweiterung der Satzungsautonomie für Aktiengesellschaften, die nicht börsennotiert sind, war es – nach dem Willen des Gesetzgebers – die Frage der Rücklagenbildung stärker in die Disposition der Aktionäre zu stellen. Die Begründung des Gesetzesentwurfs stellt dabei ausdrücklich darauf ab, daß eine solche Regelung dem Charakter der „Kleinen AG“ eher entspricht. Mit einem „stärkeren unternehmerischen Engagement der Aktionäre [soll] auch ____________ 332 Eine Grenze kann sich aber aus der Treuepflicht ergeben, sofern nicht schon der Gesellschaftsvertrag selbst eine Begrenzung der Thesaurierung vorsieht, vgl. Roth / Altmeppen, GmbHG, § 29 Rdnr. 18; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 29 Rdnr. 9 f.; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 29 Rdnr. 110 ff.; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 29 Rdnr. 5. Ausführlich zum Minderheitenschutz auch Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rdnr. 25 ff. und Goerdeler / Müller, in: Hachenburg, GmbHG § 29 Rdnr. 33 ff. 333 Seit dem TransPuG gilt die zunächst für die Kleine AG eingeführte Regelung für alle Aktiengesellschaften.

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eine größere Verantwortung für die Rückstellungs- und Ausschüttungspolitik der Gesellschaft korrespondieren“334.

(2) Auslegung des neuen § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG Der Wortlaut der neuen Vorschrift läßt jedoch einige Fragen offen. Zunächst ist klarzustellen, daß die Formulierung des Gesetzgebers, der von einer Ermächtigung der Verwaltung durch die Satzung spricht, jedenfalls für die kapitalmarktferne Aktiengesellschaft unglücklich gewählt worden ist. Wenn eine Satzungsbestimmung vorsieht, daß die Verwaltung nur bei einem geringeren Anteil als in § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Bildung von Rücklagen befugt ist, bedeutet dies in der Konsequenz eine Beschränkung der Kompetenzen335, die der Verwaltung durch das Gesetz zugewiesen sind. Ebenso wie bei der ursprünglichen Fassung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG stellen sich des weiteren die Fragen, wie eine Satzungsbestimmung zu formulieren ist und welche Reichweite diese haben kann. Durch § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. kann die Satzung vorschreiben, daß die Verwaltung nur zu einem „kleineren Teil“ Rücklagen bildet. Der Wortlaut ist ebenso ungenau wie bei § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F., der lediglich von einem „größeren Teil“ sprach, ohne zu spezifizieren, ob es für diesen „größeren Teil“ eine Obergrenze gibt336. Man wird somit annehmen müssen, daß – parallel zur Auslegung des bisherigen Wortlauts – mit dem neuen Wortlaut auch ein vollständiger Ausschluß der Kompetenz der Verwaltung zur Gewinnthesaurierung vereinbar ist. Auch hier läßt sich argumentieren, daß selbst eine Thesaurierung von nur einem Prozent des Jahresüberschusses einen „kleineren Teil“ darstellt. Da es keine klare Grenze gibt, wird man folglich annehmen müssen, daß auch 0 % des Jahresüberschusses in der Satzung vorgesehen werden können, auch wenn hier genau genommen nicht mehr von einem „Teil“ gesprochen werden kann. Es sind – außer des unklaren Wortlauts – auch sonst keine Gründe ersichtlich, die für die Annahme einer Untergrenze sprechen337.

____________ 334

Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. Vgl. zu den Hintergründen der Gesetzesänderung auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 93. 335 Ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 94. 336 Vgl. dazu bereits oben unter aa). 337 So auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 94; Lutter, AG 1994, 429, 436; Ammon / Görlitz, S. 84. Von einem vollständigen Ausschluß spricht auch HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 5; ähnlich auch Claussen, WM 1996, 609, 616 und Bayer, in: MünchKomm AktG § 58 Rdnr. 44.

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Hinzuweisen ist darauf, daß neben der Rücklagenbildung der Verwaltung (oder, wenn diese durch § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. vollständig ausgeschlossen ist, an deren Stelle) in jedem Fall die Hauptversammlung selbst in ihrem Beschluß über die Gewinnverwendung nach § 58 Abs. 3 AktG ebenso wie auch die Gesellschafterversammlung der GmbH die Möglichkeit hat, weitere Beträge in die Gewinnrücklage einzustellen oder als Gewinn vorzutragen. Dies entsprach schon vor der Neuregelung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG der Rechtslage. Der gegebenenfalls vollständige Ausschluß jeder Bildung freier Rücklage durch die Verwaltung nach der Neuregelung wird aber zu einer Zunahme der Bedeutung des § 58 Abs. 3 AktG führen, so daß – abgesehen von gesetzlichen Rücklagen – die Verteilung des gesamten Jahresüberschusses der alleinigen Entscheidung der Hauptversammlung überlassen sein kann. Die weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. hinsichtlich der Formulierung einer Satzungsermächtigung338 gestellt hat, kann nach der Neufassung nicht mehr auftreten. Für eine Gesellschaft, deren Anteile nicht an der Börse notiert sind, kann es keinesfalls genügen, in der Satzung lediglich den Gesetzeswortlaut zu wiederholen. Jedenfalls soweit die Befugnisse von Vorstand und Aufsichtsrat beschränkt werden sollen, muß dies durch die Angabe einer ausdrücklichen Grenze erfolgen. Dabei kann für eine nicht börsennotierte Gesellschaft ein Prozentsatz zwischen 0 % und 100 % vorgesehen werden. Die Kompetenzverteilung im Bereich der Bildung von Rücklagen kann somit vollständig autonom in der Satzung geregelt werden339. Lediglich für die Gesellschaft, deren „Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen“ sind, blieb es zunächst nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. bei der alten Regelung. Hier stellt sich zudem die Frage, in welchem Marktsegment eine Zulassung vorliegen muß, damit von einer „Zulassung an einer Börse“ gesprochen werden kann. Der Hinweis auf die „Börse“ allein schafft keine Klärung dieser Frage. Das Aktiengesetz selbst kennt keine Definition dieses Begriffs; auch in anderen Gesetzen, wie dem Börsengesetz (etwa in § 1 Abs. 1 BörsG), wird der Begriff vorausgesetzt. Herkömmlich versteht man darunter „Einrichtungen für die regelmäßige Zusammenkunft von Kaufleuten am gleichen Ort zum Massenumsatz von Waren, Wertpapieren oder Devisen durch standardisierte Verträge“340. Nach dem sog. „materiellen Börsenbegriff“, der vollelektronische Handelseinrichtungen mitberücksichtigt, wird die Ortsgebun____________ 338

Vgl. dazu auch oben unter aa). Für eine mögliche Formulierung einer solchen Satzungsbestimmung vgl. Trölitzsch, WiB 1994, 795, 797. 340 Vgl. Groß, Vorb. BörsG Rdnr. 9; Baumbach / Hopt, HGB, (14) BörsG Einl. 1. Siehe dazu auch Schwark, BörsG, § 1 Rdnr. 1 ff. und Peterhoff, in: Schäfer, BörsG, § 1 Rdnr. 19 ff. 339

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denheit durch das Erfordernis „eines zentralisierten, organisierten Handelssystems mit Abschlußelementen“341 ersetzt. Grundsätzlich enthält der Begriff „Börse“ aber keine Einschränkung auf bestimmte Handelssegmente. Nachdem die Bezeichnung „Börse“ selbst nicht für eine Beschreibung der Marktsegmente herangezogen werden kann, muß ein anderer Aspekt angeführt werden. § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. spricht davon, daß die Aktien zum Handel zugelassen sind. Folglich wird man darauf abstellen müssen, in welchen Segmenten eine Zulassung der Aktien überhaupt in Betracht kommt. Dies gilt in jedem Fall für Anteile, die im Segment des amtlichen Markts gehandelt werden, also amtlich notiert sind (vgl. § 30 Abs. 1 BörsG i.V.m. §§ 1 ff. BörsZulV). Einer Zulassung bedürfen aber auch die Papiere, die im geregelten Markt gehandelt werden, wobei man hier von einer nicht-amtlichen Notierung spricht (vgl. § 49 Abs. 1 BörsG). Soweit dagegen Aktien im Freiverkehr (§ 57 Abs. 1 BörsG) gehandelt werden, ist keine Zulassung im technischen Sinne notwendig. An die Stelle des öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahrens tritt beim Freiverkehr eine Einbeziehung auf privatrechtlicher Grundlage342. Hier kann also nicht von einer „Zulassung“ im engeren Sinne gesprochen. Wenn man dieses Verständnis auch bei § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG zugrunde legt, kämen zunächst solche Aktiengesellschaften in den Genuß der größeren Satzungsautonomie, deren Aktien weder im amtlichen Markt noch im geregelten Markt gehandelt werden, ein Handel im Freiverkehr würde dagegen noch nicht den Tatbestand des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG („Zulassung an einer Börse“) erfüllen343. Gegen eine solche Auffassung läßt sich jedoch anführen, daß § 57 Abs. 1 BörsG selbst auch beim Handel im Freiverkehr von einer „Zulassung“ spricht. Auch wird man wohl sagen müssen, daß die vom Gesetzgeber vorausgesetzte größere Verbundenheit der Gesellschafter mit der Gesellschaft bei jeder Art des öffentlichen Handels ausscheidet, so daß die besseren Argumente für eine weite Auslegung des Begriffs „Zulassung zum Handel an einer Börse“ sprechen344. Die angesprochene Frage stellt sich in dieser Weise nicht mehr, nachdem § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im ____________ 341 Groß, Vorb. BörsG Rdnr. 9; Baumbach / Hopt, HGB, (14) BörsG Einl. 1; Schwark, BörsG, § 1 Rdnr. 4; Peterhoff, in: Schäfer, BörsG, § 1 Rdnr. 19. 342 Groß, BörsG § 78 Rdnr. 3; Ledermann, in: Schäfer, BörsG, § 78 Rdnr. 2 ff. 343 So Ammon/Görlitz, S. 64, 83; Beyer, AG 1996, R 48 f.; Bösert, DStR 1994, 1423, 1426; Priester, BB 1996, 333, 334 Fußn. 23; Claussen, AG 1995, 163, 171; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 168 zu § 130 AktG. 344 Ebenso wenn auch zu § 130 AktG: Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14b.

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Unternehmensbereich“ (KonTraG) vom 27. April 1998345 neu gefaßt wurde. An die Stelle von „Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen sind“ ist jetzt der Terminus „börsennotierte Gesellschaften“ getreten, der in § 3 Abs. 2 AktG legal definiert ist346. Durch das „Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität“ (Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG) vom 19. Juli 2002347 wurde § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG erneut geändert. Es wurde hierbei der Bezug auf börsennotierte Gesellschaften ganz gestrichen, so daß die zuvor für nicht börsennotierte Gesellschaften beschriebenen Rechtslage (Satzungsautonomie hinsichtlich der Höhe der Rücklagen) auch für börsennotierte Gesellschaften gilt und damit die Differenzierung der Regelung für börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften aufgehoben wurde. Der Gesetzgeber des TransPuG hat diese Änderung damit begründet, daß die ursprüngliche Regelung den Charakter des „Zwangssparens“ hatte und ein Mißtrauen gegenüber den Aktionären zum Ausdruck brachte. Dies sei aber heute nicht mehr angebracht. Es bestehe vielmehr die Erwartung, daß die „Verwaltung sich in einem offenen Dialog mit den Aktionären um Verständnis dafür bemüht“, daß anstelle von Ausschüttungen ein höherer Anteil des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden soll348.

cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Die Begründung für die Neufassung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG in der Fassung des „Gesetzes für die Kleine AG“ hängt, wie angedeutet, mit der Abkehr vom alten Leitbild der Aktiengesellschaft zusammen. Der Gesetzgeber wollte es einer Aktiengesellschaft mit personalistischem Charakter ermöglichen, bei der Frage der Rücklagenbildung die Entscheidungskompetenz von der Verwaltung vollständig auf die Hauptversammlung zu verlagern. Dies ist zu begrüßen, da so besser auf die unterschiedlichen Interessenlagen in den verschiedenen Aktiengesellschaften eingegangen werden kann. Schon vor der Reform 1994 entsprach durchaus nicht jede Aktiengesellschaft dem angesprochenen Leitbild der Publikumsgesellschaft mit weit gestreutem Aktionärskreis. Bei Gesellschaften, die einen größeren personalen Bezug aufweisen, eignet sich aber die durch die Reform 1994 eingefügte Regelung aufgrund ihrer größeren ____________ 345

BGBl. I 1998, 786. Im einzeln wird auf die Frage der Börsennotierung nach altem und nach neuem Recht in nächsten Paragraphen (§ 6 Die Idee der Kleinen AG) eingegangen werden. 347 BGBl. I 2002, 2681. 348 So BT-Drucks. 14/8769, S. 12. 346

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Flexibilität besser. Dies zeigt sich auch daran, daß die Rechtslage der „Kleinen AG“ derjenigen der GmbH angenähert ist. Die Gesetzesänderung wird auch in der Literatur überwiegend positiv beurteilt349. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß § 58 AktG a.F. in der Literatur insgesamt seit der Entstehung des heutigen Aktienrechts in höchstem Maße umstritten war350. Zum Teil wurde vorgebracht, daß § 58 AktG insbesondere in seinem Abs. 2 Satz 3 die Befugnisse der Verwaltung unangemessen beschränkt. Hefermehl und Bungeroth haben jedoch überzeugend nachgewiesen, daß diese Kritik nicht gerechtfertigt ist351. Die Verwaltung hat nach dem geltenden Recht zwar geringere Kompetenzen als im AktG 1937, in dem die Bildung von Rücklagen nahezu unbegrenzt in der Entscheidung der Verwaltung lag352, gleichwohl bestehen eine erhebliche Anzahl von Möglichkeiten der Thesaurierung353. Von einem anderen Teil der Literatur wird im Gegensatz dazu § 58 AktG deswegen kritisiert, weil die Interessen der Aktionäre nicht in hinreichendem Maße gesichert seien354. Hier stellt § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. einen Fortschritt dar. Durch eine Satzungsgestaltung, welche die Kompetenz zur Bildung von Rücklagen stärker auf die Aktionäre selbst verlagert, sind diese in größerem Maße zur Sicherung ihrer eigenen Interessen in der Lage. Dies gilt, auch wenn zu bedenken ist, daß beim Gewinnverwendungsbeschluß nach §§ 58 Abs. 3 Satz 1, 174 AktG eine einfache Mehrheit genügt. Hier haben aber Minderheitsaktionäre zumindest im Falle einer unbegründeten „Aushungerungspolitik der Mehrheit“355 die bereits erwähnte Anfechtungsmög-

____________ 349

Kritisch jedoch Brinkmann, S. 54. Ihrer Ansicht nach fehlt es dieser Vorschrift an praktischer Bedeutung. Zudem befürchtet sie, daß dadurch Aktiengesellschaften davon abgehalten werden, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Dieser Kritikpunkt hat sich mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs durch das TransPuG erledigt. 350 Nachweise zu den unterschiedlichen Kritikansätzen bei Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 5 sowie Bayer, in: MünchKomm AktG § 58 Rdnr. 17 ff. 351 So aber Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 5 und Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 58 Anm. 4 f. jeweils m.w.N. 352 Vgl. Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 3. V.a. ist hier auf die Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven hinzuweisen. Dazu konnte es kommen, weil nach § 125 AktG 1937 Vorstand und Aufsichtsrat im Regelfall den Jahresabschluß feststellten und bei der Bewertung von Vermögensgegenständen nach § 133 AktG 1937 nur an Obergrenzen nicht jedoch an Untergrenzen gebunden waren. 353 Im einzelnen Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 7. 354 Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 5 m.w.N. 355 So Hüffer, AktG § 254 Rdnr. 1 unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzesentwurfs und Hüffer, in: MünchKomm AktG § 254 Rdnr. 2.

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lichkeit des § 254 Abs. 1 Satz 1 AktG und sind daher nicht völlig schutzlos gestellt356. Für die Beurteilung der Neuregelung in § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG bestehen insbesondere unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Frage, ob man eine entsprechende Satzungsbestimmung durch die faktisch eine Beschneidung der Kompetenzen der Verwaltung zugunsten der Hauptversammlung eintritt, uneingeschränkt für alle Aktiengesellschaften begrüßen soll, für welche die Anwendung eröffnet ist. Lutter ist der Ansicht, daß eine solche Kompetenzverlagerung für Familienaktiengesellschaften und andere Aktiengesellschaften, die einen kleinen und homogenen Aktionärskreis haben, durchaus empfehlenswert sei357. Andere Stimmen in der Literatur stehen der Vorschrift eher kritisch gegenüber358. Dabei werden mehrere Argumente angeführt, die gegen eine entsprechende Satzungsregelung sprechen: Zum einen kann die Distanz zwischen der Verwaltung und den Gesellschaftern, die durch die Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft im Gegensatz zur GmbH herrscht, auch bei Gesellschaften, die nicht an der Börse notiert sind, sinnvoll sein. Gerade der Wunsch einer Stärkung der sachlichen Unternehmensführung wird bei der Wahl der Rechtsform der Aktiengesellschaft eine Rolle spielen. Dann spricht aber einiges dafür, möglichst weitreichende Kompetenzen auch tatsächlich der Verwaltung zu überlassen. Zum anderen kann es auch aufgrund von Kompetenzbeschneidungen für Gesellschaften schwieriger werden, erstrangige Führungspersönlichkeiten für den Vorstand zu gewinnen359. Schließlich kann es gerade im Hinblick auf die Erbengeneration, die vielleicht keine enge Bindung an die Gesellschaft mehr hat und eher einseitig an die Ausschüttung von Dividenden zu Lasten der Selbstfinanzierung der Gesellschaft denkt360, von Vorteil sein, wenn weiterhin die Entscheidung über die Bildung von Rücklagen bei der Verwaltung liegt. Die Frage, ob eine konkrete Gesellschaft von der Möglichkeit des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG Gebrauch macht, wird sicher von Erwägungen, wie den eben dargestellten abhängen. Gleichwohl ist die Neufassung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F. insgesamt zu begrüßen, da er es ermöglicht, die Kompetenzverteilung an die Bedürfnisse des einzelnen Unternehmens anzupassen.

____________ 356

Auch wenn anzumerken ist, daß die Reichweite des § 254 AktG durchaus kritisch gesehen wird, so etwa Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 58 Rdnr. 78. 357 Lutter, AG 1994, 429, 436. 358 Etwa Ammon / Görlitz, S. 84; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 5. 359 So Ammon / Görlitz, S. 84. 360 Ammon / Görlitz, S. 84.

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2. Teil: Deutsches Recht

b) §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG § 121 Abs. 4 AktG erlaubt die Einberufung der Hauptversammlung durch einen eingeschriebenen Brief, wenn aller Aktionäre namentlich bekannt sind. Nach § 124 Abs. 1 Satz 3 AktG gilt diese Form auch für die Bekanntmachung der Tagesordnung. Als Vorbild beider Vorschriften diente § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Hinzuweisen ist darüber hinaus auf Folgeänderungen in den §§ 241 Nr. 1, 242 Abs. 2 Satz 4 und 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG.

aa) Frühere Rechtslage In § 121 AktG finden sich Einzelheiten zur Einberufung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. § 121 Abs. 1 AktG regelt die Einberufungsgründe und § 121 Abs. 2 AktG den Personenkreis, der zur Einberufung berechtigt und verpflichtet ist. § 121 Abs. 3 AktG befaßt sich dagegen mit Fragen der Form der Einberufung, die über den Verweis in § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG auch für die Bekanntmachung der Tagesordnung vorgeschrieben ist. Satz 1 des § 121 Abs. 3 AktG enthält Einzelheiten über diese Form, Satz 2 dagegen schreibt den genauen Inhalt der Einberufung vor. Vor der Reform durch die Novelle 1994 enthielt § 121 Abs. 4 AktG a.F. schließlich Einzelheiten zu Ort und Zeit der Hauptversammlung. Die Form, die vor der Reform zwingend für die Einberufung der Hauptversammlung und die Bekanntmachung der Tagesordnung vorgeschrieben war, war dabei klar am Leitbild der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft mit weit gestreutem Kreis von Anlegern orientiert. §§ 121 Abs. 3 Satz 1, 124 Abs. 1 Satz 1 AktG fordert die Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern. Nach § 25 Satz 1 AktG setzt eine solche Bekanntmachung jedenfalls die Veröffentlichung im (elektronischen) Bundesanzeiger voraus. Dadurch soll ein Veröffentlichungsort vorhanden sein, der einem unbestimmten Adressatenkreis als allgemein zugängliche Quelle361 offensteht und der sich nicht nur an einem regionalen Personenkreis362 richtet. Daneben kann jedoch die Satzung gemäß § 25 Satz 2 AktG weitere Publikationsorte als Gesellschaftsblätter bezeich-

____________ 361

So Hüffer, AktG § 25 Rdnr. 2 und Pentz¸ in: MünchKomm AktG § 25 Rdnr. 10. Auf die Gefahr, daß durch eine Veröffentlichung lediglich in Zeitungen von nur örtlicher oder sonst untergeordneter Bedeutung die aktienrechtlichen Bekanntmachungspflichten „unterlaufen“ werden, weist etwa Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 25 Rdnr. 5 hin. 362

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nen363. Dadurch können etwa die Gründer eine bei ihnen verbreitete Zeitung als weiteres offizielles Gesellschaftsorgan vorsehen. Nach alter Rechtslage konnte eine Einberufung der Hauptversammlung ebenso wie die Bekanntmachung der Geschäftsordnung nicht lediglich durch persönliche Einladung der Aktionäre erfolgen. Dies war nicht einmal bei einem nur begrenzten Kreis von Aktionären oder gar bei einer Einpersonenaktiengesellschaft zulässig364. Eine persönliche Mitteilung an einen Aktionär war nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 AktG nur dann (zusätzlich) erforderlich, wenn dieser die Aktien bei der Gesellschaft hinterlegt hatte. Die Erfüllung der formellen Anforderung der Veröffentlichung im Bundesanzeiger war für Aktiengesellschaften mit nur wenigen Gesellschaftern besonders belastend und zudem mit relativ großen Kosten verbunden, deren Rechtfertigung häufig den Gesellschaftern nicht einleuchtete. Dies galt insbesondere vor dem Hintergrund des GmbHRechts, das hier gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG die Einberufung mittels eingeschriebenem Brief genügen läßt. In der Praxis gaben auch nicht wenige Unternehmen an, daß dieser größere Aufwand bei der Einberufung der Hauptversammlung ein Grund war, die Aktiengesellschaft insgesamt zu meiden365. Hinzuweisen ist darauf, daß bereits in Art. 24 Abs. 1 lit. a des geänderten Vorschlags der Kommission einer Fünften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 19. August 1983, der sog. „Strukturrichtlinie“366 ein Lösungsansatz für dieses Problem vorgesehen war. Danach konnten die Gesetze der Mitgliedstaaten vorsehen, daß „sofern alle Aktien der Gesellschaft Namensaktien sind, die Einberufung zur Hauptversammlung durch eine Mitteilung erfolgen kann, welche die Prüfung ermöglicht, daß und an welchem Tag die Mitteilung jedem Aktionär zugesandt worden ist“. Nachdem aber die Richtlinie nicht verabschiedet wurde, wurde das deutsche Aktienrecht zunächst nicht geändert. Wenn die Form für die Einberufung der Hauptversammlung bzw. die Bekanntmachung der Tagesordnung nicht eingehalten worden war, hatte dies nach ____________ 363 Falls die Satzung davon Gebrauch macht, muß die Gesellschaft, um ihren gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntmachungspflichten etwa aus §§ 121 Abs. 3 Satz 1, 124 Abs. 1 Satz 1 AktG nachzukommen, auch in diesen Blättern zusätzliche Veröffentlichungen vornehmen, soweit die Satzung nichts anderes vorsieht. 364 Dazu ausdrücklich zur alten Rechtslage Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 121 Rdnr. 29 und Werner, in: Großkomm. AktG § 121 Rdnr. 63. 365 So Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 36. 366 ABl. EG Nr. C 240 v. 9. September 1983, S. 2 ff. Dritter geänderter Vorschlag einer fünften Richtlinie vom 20. November 1991 abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 176, 188.

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2. Teil: Deutsches Recht

der alten Rechtslage gravierende Folgen: Ein Beschluß, dem keine Bekanntmachung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern vorausging, war nach §§ 241 Abs. 1 Nr. 1, 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG nichtig. Etwas anderes galt lediglich, wenn alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren, da dann die Einberufungsmängel unschädlich blieben367. Fehler in der Bekanntmachung der Tagesordnung führen nicht zur Nichtigkeit, nach § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG ist jedoch eine Beschlußfassung über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurden, unzulässig. Sachbeschlüsse, die gleichwohl gefaßt werden, sind nach § 243 AktG anfechtbar368.

bb) Neuer Regelungsinhalt Nach der neuen Rechtslage ist nun eine Erleichterung der Formvorschriften eingetreten. § 121 Abs. 4 AktG ermöglicht es Gesellschaften, die Einladung zur Hauptversammlung mittels eingeschriebenen Briefes bekannt zu machen, wenn ihre Aktionäre namentlich bekannt sind. Die Formulierung des § 121 Abs. 4 AktG wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Zunächst folgt eine Klärung der Begriffe. Vor allem geht es darum, was unter der Voraussetzung der „namentlichen Bekanntheit“ zu verstehen ist (unter 1.). Danach geht es um die Reichweite der Norm (unter 2.). Welche Anforderungen an die Form genau gestellt werden, sowie der Beginn des Fristlaufs bei Verwendung eines eingeschriebenen Briefes sind Themen, die im Vergleich mit den Parallelregelungen des GmbHG Aufmerksamkeit verdienen (unter 3.). Schließlich sind noch die Folgeänderungen, die durch § 121 Abs. 4 AktG notwendig geworden sind, zu behandeln (unter 4.).

(1) Begriffsklärung § 121 Abs. 4 AktG ermöglicht die Verwendung eines eingeschriebenen Briefes zur Einberufung der Hauptversammlung dann, wenn alle Aktionäre namentlich bekannt sind. Was dabei genau unter der „namentlichen Bekanntheit“ zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Von besonderem Interesse ist zunächst einmal, daß die Formulierung weiter ist, als die in Art. 24 Abs. 1 lit. a des Vorschlags der Strukturrichtlinie, der bereits erwähnt wurde. Dort wird eine besondere Art der Einberufung nur ermöglicht, wenn „alle Aktien der Gesellschaft Namensaktien sind“. In § 121 Abs. 4 Satz 1 AktG dagegen wird kein bestimm____________ 367

Werner, in: Großkomm. AktG § 121 Rdnr. 65. Statt vieler Hüffer, AktG § 124 Rdnr. 18; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 124 Rdnr. 62 und Werner, in: Großkomm. AktG § 124 Rdnr. 97. 368

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ter Aktientyp vorausgesetzt und im übrigen auch kein bestimmter Typ der Aktiengesellschaft, wie etwa in § 58 Abs. 2 AktG und § 130 AktG (kapitalmarktferne Aktiengesellschaft). Ausschlaggebend ist lediglich, daß die Gesellschaft Kenntnis von den Namen der Aktionäre hat. Wie bereits im Zusammenhang mit § 42 AktG n.F. erwähnt wurde, ist eine solche Kenntnis jedoch eher die Ausnahme. Die Aktiengesellschaft ist in der Regel eine anonyme Gesellschaft, wobei diese Anonymität nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit besteht, sondern auch gegenüber der Gesellschaft und ihren Organen selbst. Das Aktienrecht kennt keine Vorschrift wie § 16 Abs. 1 GmbHG, nach der der Gesellschaft gegenüber eine Abtretung eines Gesellschaftsanteils erst dann entgegen gehalten werden könnte, wenn diese ihr gegenüber angemeldet ist. Die Mitteilungspflichten nach §§ 21, 22 WpHG bzw. § 21 AktG sehen Meldepflichten der Aktionäre nur beim Überschreiten bestimmter Schwellen vor. Dadurch kennt die Gesellschaft und die Öffentlichkeit nur Aktionäre, die größere Pakete (bei börsennotierten Gesellschaften mehr als 5 %) halten; auch bei diesen können sich die Gesellschaft und die Öffentlichkeit nicht sicher sein, daß sie die genaue Beteiligung kennen, da nur ein Überschreiten bzw. Unterschreiten oder Erreichen einer Meldeschwelle eine Meldung erforderlich, nicht aber jede Veränderung. Lediglich in § 67 Abs. 2 AktG findet sich für die Namensaktien eine ähnliche Bestimmung wie im GmbHG. Demnach gilt auch hier jemand im Verhältnis zur Gesellschaft nur dann als Aktionär, wenn er im Aktienbuch, bzw. jetzt im Aktienregister, eingetragen ist. Sobald eine Eintragung aber erfolgt ist, kennt die Verwaltung der Gesellschaft sowohl den Namen als auch die Adresse des Aktionärs (vgl. § 67 Abs. 1 AktG). In der Literatur369 wird die Frage diskutiert, ob dies auch bei blanko indossierten Namensaktien370 gilt. Ein solches Blankoindossament ist die Voraussetzung dafür, daß eine Namensaktie depotund börsenfähig ist, da sonst die etwa in § 5 DepotG geforderte Vertretbarkeit nicht gegeben ist. Beim Blankoindossament nach Art. 13 Abs. 2 WG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG wird aber der Indossar nicht bezeichnet. Seine Bedeutung erlangt diese Form der Übertragung durch Art. 14 Abs. 2 Nr. 3 WG, da der Inhaber die Urkunde durch bloße Weitergabe des Blankoindossaments (verbunden mit einer Übereignung nach §§ 929 ff. BGB) diese weiter übertragen kann. In diesem Fall gewährleistet die Namensaktie nicht, daß der Gesellschaft der tatsächliche Aktionär bekannt ist. Gleichwohl kann sie sich auch hier ____________ 369

Vgl. v.a. Lutter, AG 1994, 429, 437; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 106. Deren Zulässigkeit wird von der allgemeinen Meinung angenommen, vgl. nur Hüffer, AktG § 68 Rdnr. 5; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 68 Rdnr. 12 ff.; Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 68 Rdnr. 7. 370

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2. Teil: Deutsches Recht

§ 121 Abs. 4 AktG bedienen. § 67 Abs. 2 AktG führt nämlich dazu, daß sich die Gesellschaft nur auf das Aktienbuch bzw. Aktienregister verlassen darf und muß. Folge von § 67 Abs. 2 AktG ist, daß die eingetragene Person gegenüber der Gesellschaft alle Rechte und Pflichten hat, einschließlich des Dividendenund des Stimmrechts371. Wenn die Aktiengesellschaft aber wegen § 67 Abs. 2 AktG „außer dem Eingetragenen niemand als Aktionär behandeln darf“372 bedeutet dies zugleich, daß auch die Einladung zur Hauptversammlung lediglich an den Eingetragenen ergehen darf. Dies entspricht der Rechtslage bei der GmbH aufgrund § 16 Abs. 1 GmbHG373. Bei Namensaktien ist das Kriterium der namentlichen Bekanntheit folglich immer erfüllt374. Im Gegensatz zum oben angesprochenen Richtlinienentwurf ist die Einberufung mittels eingeschriebenen Briefs aber auch dann zulässig, wenn die Gesellschaft Inhaberaktien ausgegeben hat oder unverkörperte Anteile vorliegen, soweit nur die Verwaltung die Namen der Aktionäre kennt. In der Regel ist dies jedoch nicht der Fall, da Inhaberaktien entsprechend §§ 929 ff. BGB durch bloße Einigung und Übergabe übertragen werden können und bei unverkörperten Anteilen die formlose Abtretung nach §§ 398, 413 BGB genügt. Eine Vorschrift wie § 16 Abs. 1 GmbHG oder § 67 Abs. 2 AktG gibt es ebenso wenig wie – abgesehen von § 21 AktG sowie §§ 21, 22 WpHG – Meldepflichten gegenüber der Gesellschaft375. Eine solche Pflicht kann wegen § 23 Abs. 5 AktG auch nicht durch eine Satzungsbestimmung statuiert werden. Die Aktionäre können lediglich interne Vereinbarungen treffen, durch die ihnen eine Meldepflicht auferlegt wird. Diese Möglichkeit ist auch in der Begründung zum Gesetzgebungsentwurf angesprochen376. Die Konsequenzen einer solchen rein schuldrechtlichen Vereinbarung sind aber unklar. Als Folge eines Verstoßes gegen die Meldepflicht kennt die Verwaltung der Gesellschaft ihre Aktionäre nicht. Wenn sie sich gleichwohl der Einberufung durch eingeschriebenen Brief bedient, fehlt es an der ordnungsge____________ 371 Ausführlich zu den Wirkungen der Eintragung Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 67 Rdnr. 25 ff. 372 So deutlich Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 67 Rdnr. 33. 373 Lutter / Hommelhoff, GmbHG § 16 Rdnr. 4; Roth / Altmeppen, GmbHG § 16 Rdnr. 10; Zutt, in: Hachenburg, GmbHG § 16 Rdnr. 23; Rowedder / Rittner / SchmidtLeithoff, GmbHG § 16 Rdnr. 13 ff.; Baumbach / Hueck, GmbHG § 16 Rdnr. 10 f.; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG § 16 Rdnr. 8 ff. 374 Ebenso Lutter, AG 1994, 429, 437; Ammon / Görlitz, S. 53 und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 47. Unklar Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 106. 375 Unklar Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 48, der die Aufnahme einer Meldeobliegenheit in der Satzung anspricht. 376 So auch Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8.

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mäßen Einladung aller Aktionäre zur Hauptversammlung mit der Folge der Nichtigkeit der Beschlüsse nach § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG377. Etwas anderes würde nur gelten, wenn man aus der Meldepflicht zugleich eine Verlagerung des Risikos für eine unzutreffende Beurteilung des Aktionärskreises annehmen könnte. Lutter argumentiert für die Aktiengesellschaft vor dem Hintergrund des GmbH-Rechts378, daß eine Ladung dann fehlerfrei ist, wenn die Gesellschaft eine unzutreffende Person einlädt, soweit dies auf einem Irrtum beruht, der nicht von ihr zu vertreten ist379. Hierfür spricht seiner Ansicht nach, daß sonst § 121 Abs. 4 AktG für Gesellschaften mit Inhaberaktien und unverkörperten Aktien leerlaufen würde. Dies gelte sowohl für den Fall, daß ein Verstorbener versehentlich geladen wird, als auch bei Ladung eines früheren Aktionärs, der trotz vertraglicher Verpflichtung vertragswidrig seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Diese Ansicht geht aber zu weit, da eine vollständige Parallelität der Rechtslage mit dem GmbH-Recht gerade nicht gegeben ist. Die Auslegung des § 121 Abs. 4 AktG gibt eine solche Risikoverteilung nicht her. Der Wortlaut der Vorschrift stellt nur darauf ab, daß die Aktionäre namentlich bekannt sind. Maßgeblich ist somit die objektive Rechtslage380. Für die Frage, wem der Umstand der Unkenntnis zuzurechnen ist, läßt die Formulierung keinen Raum. Weder aus Systematik noch aus der Gesetzgebungsgeschichte läßt sich etwas anderes ableiten. Zwar spricht die Begründung des Gesetzesentwurfs an, daß interne Vereinbarungen auch bei Inhaberaktien häufig dazu führen werden, daß die Aktionäre der Gesellschaft zweifelsfrei bekannt sind381. Dies ist auch zutreffend, wenn man ein vereinbarungskonformes Verhalten der Aktionäre voraussetzt. Eine Risikoverteilung läßt sich aus diesem Satz aber nicht ableiten. Im Gegenteil kann man sagen, daß sich der Gesetzgeber dadurch, daß er eine solche Pflicht nicht eingeführt hat, was wohl erwogen wurde, selbst implizit gegen die Risikotragung der Aktionäre ausgesprochen hat382.

____________ 377

So auch Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 48. Vgl. etwa Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 6 und Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 51 Rdnr. 10. 379 Lutter, AG 1994, 429, 438. Ebenso Brinkmann, S. 59, da sie sonst befürchtet, daß die Regelung ins Leere läuft. Zudem sieht sie dieses Risiko als Nachteil, den derjenige in Kauf nehmen muß, der die Vorteile der hohen Fungibilität der Inhaberaktie genießen will. 380 Gegen die „subjektivierende Theorie“ von Lutter auch Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 6. 381 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. 382 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 6. 378

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2. Teil: Deutsches Recht

Auch teleologische Erwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis: Bei der Auslegung des § 121 Abs. 4 AktG ist zwar die Nähe zur GmbH-Regelung in § 51 GmbHG zu beachten. Man darf aber nicht übersehen, daß sich der Gesetzgeber eben nicht für ein identisches Regelungsgefüge entschieden hat383. Die GmbH ist, wie mehrfach erwähnt, per legem eine Gesellschaft, bei der der Kreis der Gesellschafter bekannt ist. Darauf dürfen sich die GmbH und ihre Organe auch verlassen. Der Fall, daß ihr ein Gesellschafterwechsel unbekannt geblieben ist und sie ihn gleichwohl gegen sich gelten lassen muß – es folglich nicht um eine „Veräußerung“ i.S.d. § 15 Abs. 1 GmbHG geht, also nicht um eine rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge384 – stellt im Regelungsgefüge der GmbH die Ausnahme dar. Dies rechtfertigt es, hier das Risiko einer unverschuldeten falschen Ladung nicht der GmbH aufzuerlegen. Bei der Aktiengesellschaft ist jedoch die Ausgangslage wegen der Anonymität des Gesellschafterkreises eine andere, was sich auch durch die Novelle nicht geändert hat. Dem muß in der Auslegung des § 121 Abs. 4 AktG Rechnung getragen werden385. Zudem hat die Aktiengesellschaft immer die Möglichkeit, das Problem durch eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern zu umgehen386. Diese Lösungsvariante steht der GmbH nicht zur Verfügung, die auf die Ladung durch eingeschriebenen Brief angewiesen ist. Das entscheidende Gegenargument gegen die Auffassung von Lutter dürfte jedoch folgendes sein: Durch die von ihm vertretene Risikoverlagerung hat die vertragliche Vereinbarung der Aktionäre eine Wirkung zu Lasten Dritter, nämlich zu Lasten des neuen Aktionärs. Vertragspartner der Aktionärsvereinbarung ist nur der frühere Aktionär mit der Folge, daß auch nur dieser gebunden ist. Wenn er seine Meldeverpflichtung verletzt, macht er sich schadensersatzpflichtig. Ihn treffen folglich die Mehraufwendungen, die durch eine erneute Hauptversammlung entstehen, wenn infolge der fehlerhaften Einberufung die in der ursprünglichen Hauptversammlung gefaßten Beschlüsse nichtig sind und nachgeholt werden müssen. Dadurch trägt er tatsächlich zu einem Teil das Risiko, das durch die Meldepflicht auf ihn verlagert wurde. ____________ 383

Zu diesen Unterschieden auch Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 6. Zur Begriffsbestimmung der „Veräußerung“ bei § 16 GmbHG vgl. Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 16 Rdnr. 3; Roth / Altmeppen, GmbHG, § 16 Rdnr. 2; Zutt, in: Hachenburg, GmbHG § 16 Rdnr. 3; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 16 Rdnr. 9 ff.; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 16 Rdnr. 2; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 16 Rdnr. 1. 385 Vgl. auch Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 35 Rdnr. 26. 386 So auch Ammon / Görlitz, S. 55 und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 48. 384

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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Die weitergehende Annahme, daß die Ladung wirksam ist und auch die Beschlüsse nicht wegen § 241 Nr. 1 AktG nichtig sind, würde dagegen dazu führen, daß letztlich der neue Aktionär die Nachteile tragen müßte. Er konnte sein Teilnahmerecht (sowie sein Stimmrecht) mangels Kenntnis der Hauptversammlung nicht wahrnehmen und hat nun auch nicht die Möglichkeit, die Nichtigkeit der Beschlüsse geltend zu machen. Er kann sich, soweit ein Schaden entstanden ist, wohl an seinen Vertragspartner halten, wenn man annimmt, daß es eine Nebenpflicht des Vertrags auf Übertragung der Mitgliedschaft darstellt, durch die Erfüllung der Meldepflicht, die Ladung des neuen Aktionärs zu gewährleisten. Dies ist aber nicht ausreichend, da es häufig schwierig sein wird, einen konkreten Schaden nachzuweisen. Die Aktionärsvereinbarung hätte damit quasi-dingliche Wirkung und würde wie eine Satzungsbestimmung wirken. Dies ist aber mit ihrem Charakter als schuldrechtlichem Vertrag nicht vereinbar und stellt im Hinblick auf den Schutz des neuen Aktionärs, der unter Umständen gar nichts von ihr weiß, ein nicht hinnehmbares Ergebnis dar. Es bleibt somit dabei, daß die Einberufung mittels eingeschriebenen Briefes dann nicht einer ordnungsgemäßen Ladung entspricht, wenn – aus welchen Gründen auch immer – der Verwaltung der Aktiengesellschaft der Wechsel der Aktionäre verborgen geblieben ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn zwar der Brief an den richtigen Aktionär abgesendet war, sich aber mittlerweile dessen Adresse geändert hat. Insbesondere soweit ihm durch eine Aktionärsvereinbarung die Verpflichtung zur Meldung von Adressenänderungen auferlegt wurde, muß dieses Risiko vom Aktionär getragen werden. Dies ist auch sachgerecht. Derjenige, der nicht rechtzeitig von der Hauptversammlung erfährt, trägt selbst die Verantwortung dafür, da er seine eigene Verpflichtung nicht erfüllt hat. Aber auch ohne eine solche ausdrückliche Vereinbarung wird den Aktionär eine entsprechende Meldepflicht treffen, die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergibt387. Dies ist auch mit § 121 Abs. 4 Satz 1 AktG vereinbar, der nur darauf abstellt, daß der Aktionär namentlich bekannt ist. Auf die Kenntnis der Adresse, die zwar Voraussetzung für die Ladung durch einen Brief ist, bezieht sich der Gesetzeswortlaut nicht. Daher hat auch hier eine Risikotragung durch den Aktionär selbst zu erfolgen388. ____________ 387 Ebenso Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 135 ff. ohne jedoch hinreichend zwischen dem Fall zu unterschieden, daß die Ladung an den richtigen Aktionär gerichtet ist, dessen Adresse aber nicht mehr stimmt und sonstigen Mängeln der Ladung, die für die Gesellschaft nicht ersichtlich sind. Die Autoren wollen anscheinend bei allen Mängeln, die der Gesellschaft nicht zurechenbar sind, die Einberufung als fehlerfrei ansehen. Dies steht im Widerspruch zu deren Ausführungen bei Rdnr. 107 ff. 388 So auch zum GmbH-Recht etwa Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 7.

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2. Teil: Deutsches Recht

Soweit mehrere Personen gemeinschaftlich eine Aktie halten, gilt für die Voraussetzung der „namentlichen Bekanntheit“ und die Ladung folgendes: Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AktG genügt es, daß Willenserklärungen, die dem Aktionär gegenüber abzugeben sind, soweit die Gemeinschaft keinen gemeinsamen Vertreter benannt hat, einem Berechtigten gegenüber abgegeben werden. Bei einer Erbengemeinschaft ist § 69 Abs. 3 Satz 2 AktG zu berücksichtigen, der dies nur für den Zeitraum von einem Monat nach Anfall der Erbschaft für zulässig erklärt. Diese Bestimmung ist auf die Einberufung der Hauptversammlung und die Bekanntmachung der Tagesordnung entsprechend anzuwenden.

(2) Reichweite der Norm Die Möglichkeit der Verwendung eines eingeschriebenen Briefes erstreckt sich nicht nur auf die Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 121 Abs. 4 AktG. Auch der neu eingefügte § 124 Abs. 1 Satz 3 AktG verweist auf § 121 Abs. 4 AktG. Daher kann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, auch die Bekanntmachung der Tagesordnung nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG in der Form eines eingeschriebenen Briefs erfolgen. Dasselbe gilt für ein Minderheitsverlangen nach § 124 Abs. 1 Satz 2 AktG, durch das eine Ergänzung der Tagesordnung gefordert wird. Schließlich ordnet § 121 Abs. 4 Satz 2 AktG die sinngemäße Geltung der §§ 125 – 127 AktG an389. Dieser Verweis hat aber nicht zur Folge, daß auch die dort vorgeschriebenen Informationen durch eingeschriebenen Brief erfolgen ____________ 389 Die §§ 125–127 AktG betreffen weitergehende Informationspflichten der Geselschaft, die in ihrer sachlichen und persönlichen Reichweite über die Mitteilung nach §§ 121 Abs. 1, 124 Abs. 1 AktG hinausgehen. § 125 Abs. 1 Satz 1 AktG gilt für Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären einschließlich des Namens des Aktionärs, der Begründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung. § 126 AktG enthält Einzelheiten zu den Anträgen der Aktionäre, § 127 AktG zu den Wahlvorschlägen. Sachlich gilt die Mitteilungspflicht gegenüber den Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt haben oder die eine Mitteilung verlangt haben. Den Kreditinstituten sind seit 1997 Finanzdienstleistungsinstitute nach dem KWG gleichgestellt. Darüber hinaus müssen in bestimmten Fällen auch Aufsichtsratsmitglieder und Aktionäre benachrichtigt werden. Einzelheiten dazu in §§ 125 Abs. 2 und Abs. 3 AktG. Eine bestimmte Form ist für die Mitteilung nicht vorgeschrieben, insbesondere ist auch kein eingeschriebener Brief erforderlich, wie dies noch in § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 vorgesehen war, vgl. dazu Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 125 Rdnr. 60. Eckardt nimmt in diesem Zusammenhang an, daß eine allein mündliche Mitteilung nicht ausreicht, läßt aber auch die persönliche Aushändigung zu. Ähnlich hier Hüffer, AktG § 125 Rdnr. 4, der eine schriftliche Mitteilung fordert.

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könnten390. Er bedeutet lediglich, daß an die Stelle der „Bekanntmachung“ in § 125 Abs. 1, 126 Abs. 1 AktG, die Mitteilung durch eingeschriebenen Brief tritt391 und dient damit nur zu einer Anpassung der Formulierung.

(3) Form und Frist Es wurde bereits angedeutet, daß der neue § 121 Abs. 4 AktG dazu führt, daß der Vorstand bei der Einberufung der Hauptversammlung nun die Wahlmöglichkeit hat, ob er die Form der öffentlichen Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern oder die des eingeschriebenen Briefes bevorzugt. Dieses Wahlrecht kann auch durch Satzung nicht eingeschränkt werden392. Die Einberufung der Hauptversammlung gehört zu den Befugnissen des Vorstands (§ 121 Abs. 2 Satz 1 AktG). Das Gesetz billigt ihm die Möglichkeit der Einberufung durch eingeschriebenen Brief zu, ohne ausdrücklich eine Satzungsbestimmung vorzusehen, die nur eine Art der Einberufung zuläßt und dadurch das Wahlrecht beschränken könnte. Somit steht § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG einer entsprechenden Satzungsvorschrift entgegen393. Auch das Argument, daß sich die Aktionäre auf eine bestimmte Art der Einberufung verlassen können müßten, schlägt nicht durch. Gerade bei der Möglichkeit der Einberufung durch eingeschriebenen Brief besteht ohnehin kein Vertrauensschutz, da die Aktionäre nicht wissen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 AktG stets erfüllt sind. Soweit Satzungen insbesondere noch vor der Novelle die Bekanntmachung im Bundesanzeiger vorschreiben, ist dies nicht als abschließend anzusehen. In der Regel sollte

____________ 390

So aber Lutter, AG 1994, 429, 437 und Ammon / Görlitz, S. 56. Ebenso ausdrücklich Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. Ebenso Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 52, der die Bestimmung als „handwerklich mißlungen und deshalb mißverständlich“ bezeichnet. 392 Dieses Problem wird in der Literatur zwar nicht ausdrücklich diskutiert. Es wird aber implizit vorausgesetzt, daß der Vorstand in jedem Fall weiterhin die Möglichkeit einer Einberufung durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern hat (so etwa Wahlers, S. 118, der ausführt, daß der Vorstand im Zweifelsfall den sicheren Weg der Einberufung durch Bekanntmachung hat; ähnlich Seibert/Kiem, Rdnr. 533; HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 6). Am deutlichsten spricht für diese Meinung wohl Seibert in der 3. Aufl. Dort führt er auf S. 73 aus: „Selbstverständlich bleibt es neben der Einberufung durch eingeschriebenen Brief bei der Möglichkeit der Bekanntmachung der Einberufung in den Gesellschaftsblättern gemäß § 121 Abs. 3 AktG. Das kommt schon durch die Stellung des Absatzes 4 und durch die Formulierung als ‚Kann-Vorschrift’ deutlich zum Ausdruck.“ Ähnlich auch Hüffer, AktG § 121 Rdnr. 11e: „Gem. § 121 IV kann Einberufung durch eingeschriebenen Brief erfolgen. Daneben bleibt Bekanntmachung in den Gesellschafterblättern nach § 121 III zulässig und stets genügend“. 393 Ähnlich Behrends, NZG 2000, 578, 579 f. 391

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2. Teil: Deutsches Recht

dadurch nur der Wortlaut des Gesetzes wiederholt werden394. Auch hier kann somit der Vorstand sich nach der Novelle der Einberufung durch eingeschriebenen Brief bedienen. § 121 Abs. 4 AktG sieht, ebenso wie § 51 GmbHG, die Einberufung der Hauptversammlung durch eingeschriebenen Brief vor. Im Zusammenhang mit § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist umstritten, ob aus dem Erfordernis der Ladung mittels eingeschriebenen Briefes auch folgt, daß die Schriftform des § 126 BGB eingehalten werden muß, ob also insbesondere der Einberufende eigenhändig unterschreiben muß. Dies ist abzulehnen. Die Form des eingeschriebenen Briefes betrifft lediglich die Frage der Zustellung des Schriftstücks. Daraus läßt sich aber weder bei § 121 Abs. 4 AktG noch bei § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG etwas für die inhaltlichen Anforderungen der Ladung ableiten395. Entscheidend ist, daß die Berechtigung zur Einberufung aus dem Schreiben hervorgeht, daß also der Name des Einberufenden ersichtlich ist. Dies ist aber auch ausreichend, so daß keine wesentlichen Sachgründe für das Erfordernis einer Unterschrift sprechen396. Hinsichtlich des Fristbeginns ist auf einen gewichtigen Unterschied zum GmbH-Recht hinzuweisen. Für die Einberufung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft fordert § 123 Abs. 1 AktG die Einhaltung einer 30-Tagesfrist nach UMAG. Fristbeginn ist, wenn die Einberufung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgt mit dem Erscheinungsdatum des Gesellschaftsblatts397. Für das Fristende sind §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB heranzuziehen, da es sich um eine Ereignisfrist handelt. Bei der Einberufung durch eingeschriebenen Brief kämen nun an sich zwei verschiedene Tage für den Fristbeginn in Betracht. Zum einen könnte man auf den Tag der Absendung des Briefes abstellen, was vor allem den Vorteil der Rechtssicherheit hätte398. Dieser Tag ist durch die ____________ 394

Vgl. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 121; dazu auch Behrends, NZG 2000, 578, 580 f. und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 53. 395 So auch Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 3; Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 4; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 120; Rowedder / Rittner / SchmidtLeithoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 7; Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 51 Rdnr. 13; anders aber Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51 Rdnr. 11, die eine Unterschrift fordern, und MeyerLandrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 3. Zum AktG wie hier Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 50, der eine eigenhändige Unterschrift nicht für erforderlich hält. 396 Ähnlich Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 4 und Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 51 Rdnr. 13; anders aber Roth / Altmeppen, GmbHG, § 51 Rdnr. 2; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51 Rdnr. 11 und Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 3. 397 Ausführlich Hüffer, AktG § 123 Rdnr. 2. 398 Ebenso Planck, GmbHR 1994, 501, 503 und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 125 Rdnr. 51.

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Person, durch welche die Einberufung erfolgt unmittelbar beeinflußbar. Der Nachweis kann durch den Einlieferungszettel leicht geführt werden. Zum anderen könnte man auf den Tag des tatsächlichen (oder mutmaßlichen) Zugangs abstellen. Der Nachteil dieses Anknüpfungspunktes ist die größere Rechtsunsicherheit. Der Vorteil ist aber, daß alle Gesellschafter jedenfalls die im Gesetz vorgesehene Ladungszeit haben, um hinsichtlich der Versammlung zu disponieren. In bezug auf § 51 Abs. 1 GmbHG ist diese Frage heftig umstritten. Die wohl überwiegende Ansicht vertritt hier, daß die Wochenfrist in § 51 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ebenso wie die Frist von drei Tagen in § 51 Abs. 4 GmbHG als „Dispositionsfrist“ anzusehen ist399. Danach muß bei Aufgabe des eingeschriebenen Briefes die Zeit hinzugerechnet werden, die für eine normale Postbeförderung nötig ist. Im Aktienrecht hat der Gesetzgeber selbst die Frage beantwortet. Nach § 121 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 AktG gilt der Tag der Absendung als Tag der Bekanntmachung. Hintergrund dieser Regelung, die der Rechtssicherheit dient, ist, daß bei der langen Einberufungsfrist von § 123 Abs. 1 AktG (30 Tage) nicht unbedingt dem Aktionär die volle Frist für Dispositionen zur Verfügung stehen muß. Bei den kurzen Fristen des GmbHG ist dies hingegen anders zu beurteilen400.

(4) Folgeänderungen Die Einfügung des § 121 Abs. 4 AktG hat einige Folgeänderungen nach sich gezogen. Zunächst wurde die Vorschrift des § 121 Abs. 4 AktG bei den Katalogen des §§ 241 Nr. 1, 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG hinzugefügt401. Fehler bei der Verwendung eines eingeschriebenen Briefes nach § 121 Abs. 4 AktG führen, ebenso wie eine fehlerhafte Einberufung der Hauptversammlung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 121 Abs. 3 AktG), grundsätzlich zur Nichtigkeit der in dieser Hauptversammlung gefaßten Beschlüsse bzw. zur Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses. Dies gilt auch für den Fall, daß nicht allen Aktionären gegenüber eine Einladung ergangen ist. Dieses Problem wurde bereits im

____________ 399

So BGHZ 100, 264, 267 f.; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 8 ff.; Roth / Altmeppen, GmbHG, § 51 Rdnr. 3; Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 15; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51 Rdnr. 17 jeweils m.w.N. Anders aber Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 3. Vgl. hierzu auch Scholz / K. Schmidt, § 51 Rdnr. 15. 400 Ähnlich Ammon / Görlitz, S. 52 und Lutter, AG 1994, 429, 437. 401 Zur Formulierung im einzelnen Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 240.

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Zusammenhang mit der Frage nach einer Meldeverpflichtung der Aktionäre angesprochen402. Von Bedeutung ist der neu eingefügte § 242 Abs. 2 Satz 4 AktG, der die Genehmigung eines nichtigen Beschlusses der Hauptversammlung vorsieht. Bereits nach § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG tritt eine Heilung der Nichtigkeit nach § 241 Nr. 1 AktG ein, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist. Satz 4 dieser Vorschrift gibt nun dem Aktionär, der zu einer Hauptversammlung nicht geladen worden ist, darüber hinaus die Möglichkeit, die gefaßten Beschlüsse zu genehmigen. Die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich daraus, daß die Nichtigkeit von jedem Aktionär geltend gemacht werden kann, unabhängig davon, ob der Mangel in seiner Person begründet war403. Gerade wenn es um Fehler der Ladung geht, kann dies aber problematisch sein. Insbesondere die Nichtigkeitsfolge aus § 241 Nr. 1 AktG – bei Verstoß gegen die Ladungsvorschriften – soll die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre sichern. Jeder Aktionär soll jedenfalls die Möglichkeit erhalten, auf der Hauptversammlung insbesondere sein Stimmrecht auszuüben. Dafür benötigt er jedoch die Kenntnis von der Hauptversammlung. Im Zentrum steht hierbei nur der Schutz eines jeden Aktionärs im Hinblick auf sein eigenes Teilnahmerecht404. Da kein Aktionär zur Teilnahme oder zur Abgabe einer Stimme verpflichtet ist, kann er letztlich auch selbst darüber entscheiden, ob er durch die fehlende Ladung seine Rechte als verletzt betrachtet. Im übrigen entspricht die angesprochene Genehmigungsmöglichkeit auch einer weit verbreiteten Meinung405 im GmbH-Recht. Auch hier wird von der wohl überwiegenden Ansicht vertreten, daß für den Fall, daß ein Beschluß der Gesellschafterversammlung nichtig ist, weil ein Gesellschafter nicht geladen wurde, diesem ein Recht zur Genehmigung zusteht. Die Genehmigung führt zur Heilung der Nichtigkeit. Insofern ist somit durch die Neuregelung im AktG eine weitgehende Angleichung an das Recht der GmbH eingetreten. Im GmbH-

____________ 402

Vgl. dazu oben unter (1). Vgl. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 137 und Hüffer, in: MünchKomm. AktG § 242 Rdnr. 13 ff. 404 Ebenso Hüffer, in: MünchKomm. AktG § 242 Rdnr. 14; Ähnlich zum GmbHRecht: Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 19. 405 Vgl. Roth / Altmeppen, GmbHG, § 47 Rdnr. 105; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 19; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51 Rdnr. 24a; Raiser, in: Hachenburg, GmbHG Anh. § 47 Rdnr. 78 m.w.N.; a.A. Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 32. Vgl. zum Streitstand auch Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 51 Rdnr. 13; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 11 und Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 13. 403

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Recht muß eine Genehmigung unverzüglich406 vorgenommen werden. Der Gesetzgeber hat sich dagegen im Aktienrecht entschieden, keine Frist für eine solche Genehmigung aufzunehmen. Eine Genehmigung wäre demnach möglich bis durch § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG eine Heilung eingetreten ist. Wenn es um einen Beschluß geht, der nicht eingetragen werden muß, wäre eine Genehmigung auch noch nach Anhängigkeit der Nichtigkeitsklage eines anderen Aktionärs möglich, was dieser nachträglich die Basis entziehen könnte. Dieses Ergebnis erscheint nicht unproblematisch, ist aber aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts wohl unumgänglich407.

cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung der §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG die Einberufung der Hauptversammlung gerade in personalistischen Aktiengesellschaften erleichtern. Der Gesetzesentwurf hat darauf Bezug genommen, daß die bisherige Regelung lediglich auf Publikumsgesellschaften zugeschnitten sei und für Aktiengesellschaften mit überschaubarem Kreis von Gesellschaftern „keinen Sinn“ mache408. Die Literatur begrüßt die Änderungen der Bekanntmachungsvorschriften weitgehend409. Durch die Vereinfachung der Bekanntmachung werde auch der Zugang zur Rechtsform „Aktiengesellschaft“ insgesamt erleichtert410. Gerade die Einberufungs-, Mitteilungs- und Beurkundungspflichten wurden von mittel-

____________ 406 Statt vieler Raiser, in: Hachenburg, GmbHG Anh. § 47 Rdnr. 78 m.w.N; MeyerLandrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 13. 407 Ebenso Hüffer, in: MünchKomm. AktG § 242 Rdnr. 17. 408 Siehe Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. Ähnlich Blanke, BB 1994, 1505, 1507, der im Fall einer Aktiengesellschaft mit kleinem Gesellschafterkreis für das in den §§ 121 ff. AktG vorgesehene Verfahren von bloßer Förmelei spricht. 409 Für Blanke, BB 1994, 1505, 1508 etwa ist die Formerleichterung aus Sicht der Praxis uneingeschränkt begrüßenswert. Ähnlich Kindler, NJW 1994, 3041, 3044 und Brinkmann, S. 56. Auch Planck, GmbHR 1994, 501, 503 hebt hervor, daß jetzt die Gesellschaft, die für sie wirtschaftlichere Form der Bekanntmachung wählen kann. Kritisch jedoch Heckschen, DNotZ 1995, 275, 281, der bemerkt, daß aufgrund der zahlreichen Schwierigkeiten der Gesetzgeber hier „Steine statt Brot“ gegeben habe. Er kritisiert überdies heftig, daß nicht wenigstens eine Beschränkung auf nicht börsennotierte Gesellschaften, die eine solche Form der Einberufung ausdrücklich in der Satzung vorsehen, erfolgt sei. Kritisch auch Claussen, WM 1996, 609, 617. 410 So ausdrücklich Seibert / Köster / Kiem Rdnr. 101, der auch auf ausländische Rechtsordnungen hinweist, die „weniger starre Einberufungsvorschriften“ kennen.

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2. Teil: Deutsches Recht

ständischen Unternehmen als „zu umständlich, zu formalistisch und zu kostspielig“411 beurteilt. Auch wenn die Änderung – gerade im Hinblick auf eine Annäherung der „Kleinen AG“ an die GmbH – insgesamt zu begrüßen ist, wäre es jedoch vorteilhaft gewesen, wenn der Gesetzgeber auch bei der Verwendung von Inhaberaktien der Gesellschaft Mittel an die Hand gegeben hätte, die Kenntnis über ihre Aktionäre sicherzustellen. Zu denken wäre beispielsweise an die Möglichkeit, eine Meldepflicht bei der Übertragung von Anteilen durch eine Satzungsbestimmung zu statuieren. Dadurch wäre die Unsicherheit im Hinblick auf die namentliche Bekanntheit beseitigt worden. Es scheint auch bei der Einführung dieser Vorschrift, daß der Gesetzgeber Regelungen aus dem GmbHRecht übernommen hat, ohne sich über die Unterschiede des Aktienrechts zum GmbH-Recht hinreichende Gedanken zu machen. Gerade bei der Erleichterung der Einberufung ist jedoch zuzugestehen, daß es die Gründer einer Aktiengesellschaft durchaus in der Hand haben, die Unsicherheit bei der namentlichen Bekanntheit zu vermeiden, wenn sie statt Inhaberaktien Namensaktien ausgeben412. Abschließend soll noch ein weiterer Vorteil angesprochen werden, der bisher noch nicht erwähnt wurde und aus der Praxis resultiert. Gerade in Krisensituationen kann die zügige Einberufung der Hauptversammlung durch eingeschriebenen Brief aus zwei Gründen vorteilhaft sein: Zum einen kann bei einem Verlust des hälftigen Grundkapitals eine schnelle Information der Gesellschafter erfolgen. Blanke413 spricht davon, daß die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft schon dadurch wiederhergestellt werden kann, wenn der Vorstand die Hauptversammlung durch einen eingeschriebenen Brief, der auf der Tagesordnung den Punkt „Anzeige nach § 92 Abs. 1 AktG“ enthält, einberuft. Zum anderen wird es auf diesem Weg vermieden, daß die Krise auch in der Öffentlichkeit publik wird414.

____________ 411

Ammon / Görlitz, S. 50. Ähnlich auch Lutter, AG 1994, 429, 436, der sich auf die von ihm und Albach, Corte, Friedewald und Richter durchgeführte Studie bezieht, aus der sich ergibt, daß die „formalen Bestimmungen rund um die Hauptversammlung als ein wesentliches Hindernis für die Attraktivität“ gelten. 412 Vgl. Vortmann, S. 89, der ausdrücklich nur das Muster einer Namensaktie angibt mit dem Hinweis, daß diese Art der Aktie für eine kleine Aktiengesellschaft vorteilhafter ist. Bemerkenswert ist etwa, daß sich der Handelsrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins, AnwBl. 1986, 448 lediglich für eine erleichterte Einberufungsmöglichkeit bei vinkulierten Namensaktien ausgesprochen hat. 413 Blanke, BB 1995, 681. 414 Blanke, BB 1995, 681 sowie Vortmann, S. 50.

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c) § 121 Abs. 6 AktG § 121 Abs. 6 AktG, der vollständig neu in § 121 AktG einfügt wurde, ermöglicht bei einer Vollversammlung – ähnlich wie § 51 Abs. 3 GmbHG – eine Beschlußfassung ohne die Einhaltung von Formvorschriften. Auch infolge dieser Änderung wurde die Neufassung der §§ 241 Nr. 1, 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG nötig.

aa) Frühere Rechtslage Auch nach früherer Rechtslage hatte, wie bereits angedeutet, eine Vollversammlung, also eine Hauptversammlung bei der alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren, eine besondere Bedeutung. Sowohl § 241 Abs. 1 Nr. AktG a.F. als auch § 256 Abs. 3 Nr. AktG a.F. nahmen jeweils Beschlüsse, die in einer solchen Versammlung gefaßt worden waren, von der Nichtigkeitsfolge aus. Im Hintergrund dieser Ausnahme ist der Zweck der Einberufungsvorschriften zu sehen. Diese sollen gewährleisten, daß jeder Aktionär von seinem Teilnahmeecht an der Hauptversammlung Gebrauch machen kann, wenn er dies möchte. Insbesondere soll keiner deshalb darauf verzichten müssen, weil er nicht in hinreichender Weise von der Einberufung der Hauptversammlung informiert worden ist. Wenn aber ohnehin alle Aktionäre an der Hauptversammlung teilnehmen, ist das Ziel der Einberufungsvorschriften erreicht und ein Absehen von einzelnen Einberufungsvorschriften ist unschädlich. Nach alter Rechtslage galt diese Rechtsfolge allein für einen engen Kreis von Vorschriften. Die Anwesenheit aller Aktionäre konnte lediglich die Nichtigkeit der Beschlüsse wegen einer Verletzung der §§ 121 Abs. 2 und Abs. 3 AktG verhindern. Der Verstoß gegen sonstige Bestimmungen des entsprechenden Unterabschnitts zog weiterhin zumindest die Anfechtbarkeit der getroffenen Beschlüsse nach sich. Dies galt etwa, wenn die Frist in § 123 AktG nicht eingehalten wurde, ebenso bei nicht ordnungsgemäßer Bekanntmachung der Tagesordnung nach § 124 Abs. 1 AktG oder wenn die Versammlung an einem von § 121 Abs. 4 AktG a.F. abweichenden Ort stattgefunden hatte. Ein vollständiges Absehen von den Förmlichkeiten der Einberufung hat der BGH allerdings bereits in einer frühen Entscheidung bei einer Einpersonengesellschaft zugelassen415. Darüber hinaus war nach altem Recht zu beachten, daß zwar bei einer Vollversammlung durch § 241 Nr. 1 AktG keine Nichtigkeit

____________ 415

BGHZ 19, 108, 109.

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2. Teil: Deutsches Recht

eintrat, jedoch die Anfechtbarkeit der Beschlüsse weiterhin möglich blieb416, wenn der betreffende Aktionär seinen Widerspruch nach § 245 Nr. AktG angemeldet hatte. Somit hing der Hauptversammlung in jedem Fall das „Odium der ordnungswidrigen Veranstaltung [an], bei der Einberufungsmängel nur folgenlos bleiben“417.

bb) Neuer Regelungsinhalt Durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ wurde das Vollversammlungsprivileg im neu angefügten Absatz 6 des § 121 AktG geregelt. Damit findet sich die Regelung am selben systematischen Ort wie im GmbHG, in dem auch die Vollversammlung in § 51 Abs. 3 GmbHG im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Einberufung der Gesellschafterversammlung steht. Nachfolgend wird zunächst auf die Voraussetzungen [unter (1)] und die Rechtsfolgen des Vollversammlungsprivilegs [unter (2)] eingegangen. Die Gliederungspunkte (3) und (4) beschäftigen sich mit der Reichweite und den Grenzen der Norm. Abschließend werden Folgeänderungen behandelt [unter (5)].

(1) Voraussetzungen des Vollversammlungsprivilegs Voraussetzung für eine Vollversammlung i.S.d. § 121 Abs. 6 AktG ist zunächst, daß alle Aktionäre entweder selbst erschienen oder doch wirksam vertreten sind. Dabei ist auf alle Aktionäre abzustellen, die ein Recht haben, an der Hauptversammlung teilzunehmen. Dies hat zwei Konsequenzen: Zum einen werden hier die eigenen Aktien der Gesellschaft nicht mitgerechnet. Wegen § 71b AktG vermitteln eigene Aktien, die eine Gesellschaft hält, keinerlei Rechte. Dies bezieht sich nicht nur auf das Stimmrecht, sondern auf alle Mitgliedschaftsrechte und somit auch auf das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung418. Diese Folgerung hat nur deshalb keine praktische Bedeutung, da der Vorstand und die Aufsichtsratsmitglieder ohnehin bei jeder Hauptversammlung teilnahmeberechtigt sind (vgl. § 118 Abs. 2 AktG). Die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, ist aber nicht als Aktionärin selbst zur Teilnahme berechtigt. Daher muß sie auch nicht geladen werden. Eine Hauptversammlung ist auch dann Vollversammlung, wenn die Verwaltungsmitglieder nicht erschie____________ 416

Vgl. Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 241 Rdnr. 32 und Werner, in: Großkomm. AktG § 121 Rdnr. 66. 417 So anschaulich Hüffer, AktG § 121 Rdnr. 19. 418 Ähnlich Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 241 Rdnr. 32.

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

205

nen sind. Die überwiegende Ansicht nimmt jedoch in einem solchen Fall die Anfechtbarkeit der Beschlüsse an, wenn jede Benachrichtigung der Verwaltung unterblieben ist419. Zum anderen genügt es nicht, daß alle Aktionäre erschienen sind, die ein Stimmrecht haben. Die Einberufungsformalien wollen das Teilnahmerecht sichern. Eine Vollversammlung liegt somit nur vor, wenn auch Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht anwesend oder vertreten sind420. Ein Vergleich der Formulierung des § 121 Abs. 6 AktG n.F. mit dem Wortlaut des § 51 Abs. 3 GmbHG, der Parallelvorschrift im GmbHG, deutet auf den ersten Blick darauf hin, daß das Aktienrecht über das GmbHG hinausgeht. § 51 Abs. 3 GmbHG fordert die Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter; eine Vertretung sieht der Gesetzestext nicht vor. Dagegen genügt es für § 121 Abs. 6 AktG, daß alle Aktionäre „erschienen oder vertreten“ sind. In der Literatur421 und in der Rechtsprechung422 ist aber anerkannt, daß auch im GmbHG eine Vertretung möglich ist und auch vertretene Gesellschafter als anwesend gelten. Das BayObLG423 hat es sogar – jedenfalls bei einer Zweipersonengesellschaft – für ausreichend erachtet, daß jemand als vollmachtsloser Vertreter auftritt, sofern danach eine Genehmigung erfolgt. Der Gesetzgeber hat nun die nach h.M. für die GmbH geltende Rechtslage für die Aktiengesellschaft ausdrücklich im Gesetz angeordnet. Dies dürfte sich auch auf das Auftreten als vollmachtsloser Vertreter beziehen, da es auch hier um eine Vertretung bei der Stimmabgabe geht und keine Gründe ersichtlich sind, warum im Aktienrecht eine vom GmbH-Recht abweichende Behandlung geboten ist. Des weiteren darf, damit eine Vollversammlung nach § 121 Abs. 6 AktG vorliegt, kein Aktionär der Beschlußfassung widersprechen. Hintergrund dieser Widerspruchslösung ist, daß so kein Gesellschafter dazu gezwungen werden soll, der Hauptversammlung fernzubleiben, wenn er die Verletzung von Einberufungsförmlichkeiten geltend machen will424. Besondere Bedeutung hat dies etwa, wenn die Tagesordnung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurde. ____________ 419 Dazu näher Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 153 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur; Ammon / Görlitz, S. 60. Anders aber wie hier Kubis, in: MünchKomm. AktG § 121 Rdnr. 66. 420 Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 241 Rdnr. 32 noch zur alten Rechtslage; ebenso Hüffer, AktG § 121 Rdnr. 20 und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 121 Rdnr. 64. 421 So Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 28; Roth / Altmeppen, GmbHG, § 51 Rdnr. 12; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 18; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 12; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51 Rdnr. 25 ff.; Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 51 Rdnr. 39. 422 BayObLG, GmbHR 1989, 252, 253. 423 BayObLG, GmbHR 1989, 252, 253. 424 Zu diesem Gedanken auch Hüffer, AktG § 121 Rdnr. 21.

206

2. Teil: Deutsches Recht

Ein Teilnehmer der Hauptversammlung, der erschienen ist, sich aber aus diesem Grund nicht ausreichend vorbereiten425 konnte, müßte sonst die Hauptversammlung verlassen, um seinen Schutz nicht zu verlieren. Nach der alten Rechtslage hinderte der Widerspruch zwar nach h.M.426 nicht das Vorliegen einer Vollversammlung, mit der Folge, daß die Nichtigkeit des Beschlusses geheilt wurde. Wie aber oben bereits erwähnt, führte der Widerspruch eines Aktionärs dazu, daß der Hauptversammlungsbeschluß anfechtbar war (§ 245 Nr. 1 AktG). Welche Rechtsfolge ein Widerspruch nach neuem Recht nach sich zieht, hängt davon ab, um welche Art eines Einberufungsmangels es sich handelt427. Bei Verstößen gegen die §§ 121 Abs. 2, 3 oder 4 AktG führt der Widerspruch zur Nichtigkeit. Alle anderen Fehler haben nur die Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Folge. Abschließend ist im Zusammenhang mit den Voraussetzungen einer Vollversammlung darauf hinzuweisen, daß auch mit der Widerspruchslösung der Gesetzgeber eine Voraussetzung ausdrücklich im AktG verankert hat, die im Recht der GmbH von der h.M. als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal angesehen wird. Der Wortlaut des § 51 Abs. 3 GmbHG erwähnt nämlich wiederum nicht, daß ein Widerspruch zum Verlust des Vollversammlungsprivilegs führt. Der Begriff „anwesend“ wird jedoch teleologisch so reduziert, daß ein Widerspruch eines Gesellschafters dazu führt, daß er nicht als „anwesend“ im Rechtssinne behandelt wird428. Dieses Problem stellt sich im Aktienrecht wegen der abweichenden Formulierung nicht.

____________ 425

Zum Vorbereitungsschutz im GmbHG vgl. Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 18. Eine ähnliche Begründung gibt der Rechtsausschuß, BT-Drucks. 12/7848, S. 9. 426 Vgl. dazu Hüffer, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 241 Rdnr. 33; Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 121 Rdnr. 51; kritisch zur früheren Lösung auch Lutter, AG 1994, 429, 439. 427 Hüffer, AktG § 121 Rdnr. 21 sowie Kubis, in: MünchKomm. AktG § 121 Rdnr. 68. Zu dem Problem auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 149 ff. Hier unklar Blanke, BB 1994, 1505, 1509; zu eng Planck, GmbHR 1994, 501, 504 und Bösert, DStR 1994, 1423, 1425, die bei Widerspruch in jedem Fall die Beschlußnichtigkeit annehmen. 428 Hierzu BGHZ 100, 264, 270; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 18; Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 51 Rdnr. 29 m.w.N.; Roth / Altmeppen, GmbHG, § 51 Rdnr. 12; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 51 Rdnr. 12; Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 51 Rdnr. 43; Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 11; ebenso Baumbach / Hueck, GmbHG, § 51 Rdnr. 26, wenn auch kritisch.

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(2) Rechtsfolge des Vollversammlungsprivilegs Wenn eine Vollversammlung i.S.d. § 121 Abs. 6 AktG vorliegt, hat dies eine Befreiung von den Vorschriften des gesamten zweiten Unterabschnitts des 1. Buches 4. Teil zur Folge. Im einzelnen werden so die §§ 121–128 AktG für die Gesellschaft dispositiv. Somit kann von den genaueren Formalitäten für die Einberufung abgesehen werden, wie sie §§ 121 Abs. 3 und Abs. 4 AktG fordern. Dasselbe gilt für die Einhaltung der Ladungsfrist des § 123 Abs. 1 AktG. Dadurch wird es auch möglich, eine spontane Hauptversammlung abzuhalten, der vielleicht gar keine Ladung vorausgeht. Überdies ist es unschädlich, wenn die Einberufung der Hauptversammlung von jemandem durchgeführt wird, der nach § 121 Abs. 2 AktG nicht dazu befugt ist. Von besonderer Bedeutung ist zudem, daß bei einer Vollversammlung § 121 Abs. 5 AktG n.F. keine Rolle mehr spielt. Nach dieser Vorschrift muß in der Regel, wenn die Satzung keine abweichende Regelung trifft, die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden. Heftig umstritten war in der Vergangenheit, ob auch eine Hauptversammlung im Ausland möglich sei. Die wohl noch überwiegende Meinung429 lehnt eine Hauptversammlung im Ausland ab. Dabei wird dieses Ergebnis jedoch weniger an § 121 Abs. 5 AktG verankert. Wenn man lediglich dem Wortlaut der Bestimmung folgt, spricht nichts dagegen zuzulassen, daß die Satzung einen Ort im Ausland als Ort der Hauptversammlung festlegt. Dies kann auch durch § 13d HGB und § 13f HGB gestützt werden, die beide zumindest das Problem des Sitzes im Ausland betreffen. Ein Hauptargument gegen eine Hauptversammlung im Ausland ist, daß zum Schutz der Aktionäre die leichte Erreichbarkeit gewährleistet sein müsse. Im übrigen werde auch die Gleichbehandlung nach § 53a AktG so nicht gewahrt430. Durch das Erfordernis einer Satzungsbestimmung aus der sich der Ort der Hauptversammlung ergibt, ist jedoch der Schutz der Aktionär durch die Information selbst sichergestellt. Im übrigen kann eine solche Satzungsbestimmung gerade auch bei Gesellschaften, die zu einem überwiegenden Teil ausländische Aktionäre haben, in Betracht kommen. Auch wenn es um Konzerntöchter geht, besteht häufig ein durchaus gewichtiges Bedürfnis, die Hauptversammlung am ausländischen Verwaltungssitz der Konzernspitze abzuhalten431.

____________ 429 Werner, in: Großkomm. AktG § 121 Rdnr. 48 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der älteren Literatur; Wilhelmi, BB 1987, 1331; Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 121 Rdnr. 34; ebenso die Rechtsprechung etwa OLG Hamburg, OLGZ 1994, 42, 43 f; OLG Hamm, OLGZ 1974, 149, 152. 430 Vgl. Biehler, NJW 2000, 1243, 1244 m.w.N. 431 Statt vieler Kindler, NJW 1994, 3041, 3044. Jetzt auch Biehler, NJW 2000, 1243.

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2. Teil: Deutsches Recht

Die Ablehnung einer Hauptversammlung im Ausland wurde des weiteren vor allem auf § 130 AktG a.F. gestützt, der die zwingende Protokollierung der Beschlüsse durch einen Notar vorsah432. Darauf wird unter Gliederungspunkt d) näher eingegangen. An dieser Stelle genügt ein Verweis hierauf. Bei einer Vollversammlung spielt § 121 Abs. 5 AktG jetzt keine Rolle mehr. Es ist dabei sogar die Abhaltung einer Hauptversammlung an einem Ort zulässig, der nicht in der Satzung benannt ist. Ebenso kommt es bei einer Vollversammlung auf einen Verstoß gegen die umfangreichen Regelungen im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Tagesordnung in § 124 AktG nicht mehr an. Dies bedeutet, daß entgegen § 124 Abs. 1 AktG ohne die Bekanntmachung der Tagesordnung wirksame Beschlüsse gefaßt werden können. Besondere Bedeutung hat dies für eine Beschlußfassung über zusätzliche Tagesordnungspunkte, die nicht bekannt gemacht worden sind. Dies ist nach neuer Rechtslage unschädlich (§ 124 Abs. 4 AktG)433. Schließlich gilt das Vollversammlungsprivileg auch für die Mitteilungspflichten aus den §§ 125 – 128 AktG, auf die bereits oben im Zusammenhang mit § 121 Abs. 4 Satz 2 AktG eingegangen wurde. § 121 Abs. 6 AktG befreit dagegen nicht von der Aufstellung eines Teilnehmerverzeichnisses nach § 129 AktG und der Beurkundung der Hauptversammlung nach § 130 AktG, da beide Vorschriften zum nächsten Unterabschnitt gehören. Im Hinblick auf die frühere Regelung ist festzuhalten, daß das Vollversammlungsprivileg nach § 121 Abs. 6 AktG n.F. weit über die alte Regelung hinausgeht434. Dies gilt einerseits hinsichtlich des Tatbestands und andererseits hinsichtlich der Rechtsfolgen. Durch § 121 Abs. 6 AktG n.F. wird die Einhaltung aller Vorschriften des entsprechenden Unterabschnitts geheilt, wogegen nach alter Rechtslage nur ein Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und Abs. 3 a.F., den Vorschriften, welche die Nichtigkeit als Rechtsfolge nach sich zogen, geheilt wurde. Bei der Anfechtbarkeit wegen dieses Verstoßes und wegen sonstiger Verstöße gegen die Formvorschriften blieb es. Auch aus der systematischen Stellung der Vollversammlung in § 241 Nr. 1 AktG a.F. und § 256 Abs. 3 Nr. 1 ____________ 432 433

Zu dieser Frage auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 145; Ammon / Görlitz, S. 59. Hinweis dazu auch bei Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721,

S. 9. 434 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9; ähnlich auch Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 6 und Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 40 Rdnr. 10. Für die Praxis wird dies von Ammon / Görlitz, S. 59 relativiert, da früher bei einer Vollversammlung alle Anwesenden ausdrücklich ihren Verzicht auf alle Förmlichkeiten erklärten.

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AktG a.F. war deutlich, daß lediglich eine Heilung der Nichtigkeit des Beschlusses in Betracht kam.

(3) Reichweite des Vollversammlungsprivilegs Nach zutreffender Ansicht wird man annehmen müssen, daß die Entbehrlichkeit der Bekanntmachung der Tagesordnung sich auch auf die Fälle erstreckt, in denen das Gesetz auf § 124 Abs. 1 AktG verweist. So muß etwa nach § 183 Abs. 1 Satz 2 AktG einem Beschluß zu einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlage eine Bekanntmachung vorausgehen, der die in § 183 Abs. 1 Satz 1 AktG erwähnten Anforderungen erfüllt. Ebenso verweist § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG auf § 124 Abs. 1 AktG. Auch ein Bezugsrechtsausschluß setzt somit voraus, daß der geplante Ausschluß ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Schließlich findet sich in der Verweisung des § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG auf § 186 Abs. 4 AktG auch ein impliziter Verweis auf die Vorschrift des § 124 Abs. 1 AktG. Auch bei einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital ist der Beschluß über einen Ausschluß des Bezugsrechts nur zulässig, wenn die Bekanntmachung rechtmäßig erfolgt ist. Die Frage, ob das Vollversammlungsprivileg auch hier gilt, kann nur am Zweck der jeweiligen Bestimmungen orientiert beantwortet werden. Nicht zwingend erscheint die Ansicht Hüffers435, der meint, durch die Anwendung dieses Privilegs würde der Verweis auf § 124 Abs. 1 AktG ins Leere gehen. § 121 Abs. 6 AktG erklärt nach Wortlaut und systematischer Stellung nicht von vornherein sämtliche Förmlichkeiten dieses Unterabschnitts für entbehrlich, vielmehr ergibt sich die Erkenntnis, daß trotz Verletzung von Ladungsvorschriften, wirksame Beschlüsse gefaßt werden können, erst aus der Perspektive der Hauptversammlung. Man kann daher nicht sagen, eine Vollversammlung würde zur Folge haben, daß die Vorschriften der §§ 121 ff. AktG generell nicht beachtet werden müßten, da sich die Frage, ob es zu einer Vollversammlung kommt, nicht ex ante beantworten läßt. Es kommt allenfalls eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Aktionären in Betracht, durch die eine Vollversammlung verabredet werden kann436. Gegen die Annahme, daß bei einer Vollversammlung auch Beschlüsse im Sinne der §§ 183 Abs. 1 Satz 2, 186 Abs. 4 Satz 1, 203 Abs. 2 Satz 2 AktG wirksam gefaßt werden können, obwohl gegen § 124 Abs. 1 AktG verstoßen wurde, spricht, daß in diesen Fällen die Bekanntmachung für den Gesetzgeber ____________ 435 436

Hüffer, AktG § 121 Rdnr. 23. Lutter, AG 1994, 429, 439.

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2. Teil: Deutsches Recht

von besonderer Bedeutung war. Dies wurde durch den gesonderten Hinweis auf die Bekanntmachung betont. Entscheidend muß aber sein, ob durch die Bekanntmachung jeweils ein über § 124 Abs. 1 AktG hinausgehender Zweck verfolgt werden soll. § 124 Abs. 1 AktG bezweckt die rechtzeitige Information der Aktionäre über den Beschlußgegenstand, was Voraussetzung für eine sinnvolle Teilnahme an der Hauptversammlung ist437. Die §§ 183 Abs. 1 Satz 2, 186 Abs. 4 Satz 1, 203 Abs. 2 Satz 2 AktG wollen zwar neben der bloßen Information über den Beschlußgegenstand auch eine Warnfunktion ausüben, da sowohl mit der Kapitalerhöhung mittels Sacheinlage wie auch durch den Bezugsrechtsausschuß besondere Gefahren verbunden sind438. Auch hier sind jedoch diejenigen, die geschützt werden sollen, die Aktionäre selbst. Daher müssen bei einer Vollversammlung i.S.d. § 121 Abs. 6 AktG, wenn also alle anwesend oder vertreten sind und niemand widerspricht, auch solche Beschlüsse ohne Einhaltung der § 124 Abs. 1 AktG gefaßt werden können439. Die Aktionäre, die geschützt werden sollen, müssen über diesen Schutz disponieren können.

(4) Grenzen des Vollversammlungsprivilegs Bei allen Erleichterungen durch § 121 Abs. 6 AktG hat sich der Gesetzgeber entschlossen, im Aktienrecht eine Abstimmung ohne jegliche Versammlung in einem schriftlichen Verfahren nicht zuzulassen. Im GmbH-Recht erlaubt § 48 Abs. 2 GmbHG hingegen die Beschlußfassung im schriftlichen Verfahren. Hier werden zwei Fallgestaltungen unterschieden: Nach § 48 Abs. 2 1. Alt GmbHG ist eine solche Beschlußfassung möglich, wenn der Sachbeschluß selbst einstimmig ergeht. Bei der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter muß auch das Einverständnis von nicht-stimmberechtigten Gesellschaftern440 erklärt werden, da der Schutz des Teilnahmerechts im Vordergrund steht. § 58 Abs. 2 2. Alt GmbHG ermöglichen Mehrheitsbeschlüsse, wenn alle Gesellschafter sich mit dem schriftlichen Verfahren einverstanden erklären. Im Aktiengesetz haben die Aktionäre nur eine indirekte Möglichkeit ähnlich wie im schriftlichen Verfahren abzustimmen. Dazu muß jeder Aktionär einer Person eine schriftliche Vollmacht zur Abstimmung erteilen. Diese eine ____________ 437

Statt vieler Hüffer, AktG § 124 Rdnr. 1. Etwa Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 183 Rdnr. 50 und § 186 Rdnr. 95, Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 186 Rdnr. 55. 439 Ähnlich Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 7. 440 So auch Hüffer, in: Hachenburg, GmbHG § 48 Rdnr. 43; Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 48 Rdnr. 19; Scholz / K. Schmidt, GmbHG § 48 Rdnr. 63; Baumbach / Hueck, GmbHG, § 48 Rdnr. 18; a.A. Meyer-Landrut / Miller / Niehus, GmbHG, § 51 Rdnr. 24. 438

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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Person kann dann mittels der Vollmachten alleine eine „Vollversammlung“ abhalten. Dabei kommen ihm alle Vorteile des § 121 Abs. 6 AktG zu Gute441.

(5) Folgeänderungen Abschließend soll noch auf die beiden Folgeänderungen des § 121 Abs. 6 AktG hingewiesen werden: Sowohl in § 241 Nr. 1 AktG wie auch in § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG wurde der Halbsatz „es sei denn, daß alle Aktionäre erschienen oder vertreten waren“ aufgehoben. Die Einfügung von § 121 Abs. 6 AktG hat zur Folge, daß es bei einer Vollversammlung schon an einem Verstoß gegen § 121 Abs. 2, 3 oder 4 AktG fehlt. § 121 Abs. 6 AktG selbst ist nicht eine Heilungsvorschrift, sondern ein materieller Verzicht auf die Einberufungsformalitäten442. Somit ist bereits der Tatbestand des § 241 Nr. 1 AktG bzw. § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG nicht mehr erfüllt und der Halbsatz war überflüssig.

cc) Begründung für die Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Die Begründung des Gesetzgebers für § 121 Abs. 6 AktG ähnelt derjenigen für § 121 Abs. 4 AktG. Hauptzweck ist die Flexibilisierung des Aktienrechts, um die Attraktivität der Rechtsform Aktiengesellschaft für mittelständische Unternehmen zu steigern. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergibt sich, daß die Bestimmungen der §§ 121 – 128 AktG auf den Typus der Publikumsgesellschaft mit weit gestreutem Aktienbesitz zugeschnitten sind. Gerade bei einer personalistischen Aktiengesellschaft werden die Vorschriften bei einer Vollversammlung nun auch vom Gesetzgeber als „unnötige Formalität“443 betrachtet. Eher bedenklich erscheint zwar die Anmerkung in den Gesetzesmaterialen, daß bereits jetzt in Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis in der Praxis die Formvorschriften mißachtet wurden444. Generell wird man es nicht als Aufgabe des Gesetzgebers ansehen, Normen, im Falle ihres Nichtbeachtens, der Realität anzupassen. Jedoch kann die stete Nichtbefolgung einer ____________ 441 Zu diesem Weg auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 154, die bemerken, daß dies schon bisher der gängigen Praxis entsprach. 442 Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 146. 443 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9. 444 Zu diesen Erfahrungen der Praxis auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 143, die anmerken, daß in kleinen Aktiengesellschaften regelmäßig Entscheidungen außerhalb der Hauptversammlung beraten werden. In der Hauptversammlung würde es lediglich zu einer Bestätigung der Beschlüsse kommen. Ebenso Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 83.

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2. Teil: Deutsches Recht

Norm durchaus dazu führen, daß der Gesetzgeber daraufhin die Norm insgesamt hinterfragt und gegebenenfalls ändert. Dies ist hier der Fall. Es ist jedenfalls zu begrüßen, daß bei der „Kleinen AG“ keine höheren Anforderungen mehr gestellt werden als bei der GmbH. Formalistische und kostspielige Bestimmungen, die nicht unbedingt erforderlich sind, werden damit abgeschafft 445. Gerade mit der Widerspruchsmöglichkeit, die im Rechtsausschuß in § 121 Abs. 6 AktG ergänzt wurde, findet durch die Neuregelung auch keine Schlechterstellung der Aktionäre statt, da diese in einfacher Weise ihre Rechte wahren können446. Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß in der Literatur die Widerspruchsmöglichkeit durchaus nicht von allen positiv bewertet wird. So sieht etwa Heckschen447 in der Neuregelung keinen Vorteil für die Praxis und stützt dies insbesondere auf die Tatsache, daß Mitgesellschafter darauf vertrauen, daß eine Vollversammlung vorliegt und daher über Beschlußgegenstände beraten, mit der Gefahr, daß die gesamte Beratung durch den Widerspruch eines einzelnen hinfällig werden könnte448. Jedoch erscheint es zweifelhaft, ob diese Gefahr in der Praxis besteht. Ein Widerspruch wird sich wohl häufig darauf stützen, daß ein Aktionär über einen einzelnen Tagesordnungspunkt nicht hinreichend informiert ist. Dann wird er aber schon vor dem Beginn der Beratung seinen Widerspruch geltend machen. Heckschen berücksichtigt bei seinem Einwand die Interessen des Aktionärs zu wenig, die durch den Widerspruch gesichert werden sollen. Schließlich entspricht die jetzige Rechtslage derjenigen im GmbH-Recht. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, daß sich dort die von Heckschen befürchtete Gefahr verwirklicht hätte. Bemerkenswert ist abschließend, daß der Gesetzgeber auch bei § 121 Abs. 6 AktG den Anwendungsbereich nicht auf einen bestimmten Typus der Gesellschaft beschränkt hat. Die Begründung des Gesetzesentwurfs setzt voraus, daß eine Vollversammlung mit einer Kapitalpräsenz von 100 % bei einer Publikumsgesellschaft ohnehin ausgeschlossen sein dürfte449, so daß keine Ein____________ 445

Ähnlich Ammon / Görlitz, S. 50 und Brinkmann, S. 61. Positiv auch Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 147, die die Möglichkeit einer unbürokratischen Hauptversammlung ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand loben und Bösert, DStR 1994, 1423, 1425, der in der Vorschrift ein höheres Maß an Rechtssicherheit für die Gesellschaften sieht. 446 Blanke, BB 1994, 1505, 1509. 447 Heckschen, DNotZ 1995, 275, 282. 448 Heckschen, DNotZ 1995, 275, 282. 449 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9. Ebenso Ammon / Görlitz, S. 56.

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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schränkung der Regelung auf kapitalmarktferne Gesellschaften für nötig erachtet wurde.

d) § 130 AktG § 130 AktG betrifft die Form der Niederschrift für Beschlüsse in der Hauptversammlung. Auch hier orientiert sich die Neufassung des § 130 AktG an der Rechtslage bei der GmbH.

aa) Frühere Rechtslage Nach der früheren Regelung mußte bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft immer ein Notar anwesend sein. § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG fordert, daß jeder Beschluß, also jede Willensbildung durch Abstimmung der Aktionäre450, in einer Hauptversammlung durch eine „die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden“ ist. Das gleiche gilt nach § 130 Abs. 1 Satz 2 AktG für ein Minderheitsverlangen. Dazu gehören zunächst die Fälle des § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG, also das Minderheitsverlangen, durch das eine gesonderte Abstimmung über die Entlastung eines einzelnen Mitglieds der Verwaltung gefordert wird. Darüber hinaus gehört § 137 AktG hierher, wenn also durch das Verlangen einer Minderheit die vorrangige Abstimmung über einen Aktionärsvorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 127 AktG unterstützt wird. Schließlich zählt § 147 Abs. 1 AktG dazu, der im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus dem Gründungsvorgang steht. Auch an anderer Stelle kennt das Gesetz Vorgänge, die einer Beurkundung bedürfen. So fordert etwa § 131 Abs. 5 AktG, daß ein Aktionär, dem die Auskunft verweigert wurde, verlangen kann, daß sowohl die Auskunftsverweigerung selbst als auch der Verweigerungsgrund in die Niederschrift aufgenommen. Ein weiteres wichtiges Beispiel451 für einen zwingend protokollierungsbedürftigen Vorgang ist, wie im Zusammenhang mit § 121 AktG erwähnt, der Widerspruch gegen einen von der Hauptversammlung gefaßten Beschluß. Dieser ist nach § 245 Nr. 1 AktG in die Niederschrift aufzunehmen, um das Anfechtungsrecht des Aktionärs zu bewahren.

____________ 450

Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 2. Weitere beurkundungspflichtige Vorgänge zählt Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 4 und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 8 auf. 451

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2. Teil: Deutsches Recht

(1) Zwecke der Pflicht zur notariellen Beurkundung Die Zwecke, die hinter der Pflicht zur notariellen Beurkundung stehen, sind vielgestaltig: Zum einen soll durch die Beurkundung die Willensbildung der Hauptversammlung dokumentiert werden. Daneben will sie auch eine umfassende Rechtssicherheit von Gläubigern und Aktionären gewährleisten. Dies ist besonders im Zusammenhang mit der Nichtigkeit und der Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung von Bedeutung. Eine notarielle Niederschrift ist ein Urkundsbeweis nach § 415 ZPO. Dies ist bei einem privatschriftlichen Protokoll nicht der Fall. Dieses unterliegt vielmehr der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO452. So sieht auch die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 130 AktG eine wesentliche Funktion der notariellen Beurkundung in der Beweissicherung453. Umstritten ist, ob der Notar darüber hinaus auch Beratungspflichten hat. Ein Teil der Literatur lehnt solche Pflichten generell ab454. Der Notar dürfe aufgrund seiner Amtsstellung lediglich über evidente Rechtsverstöße455 nicht hinwegsehen. Solche evidenten Verstöße können beispielsweise den Inhalt der Niederschrift nach § 130 Abs. 2 AktG oder des Teilnehmerverzeichnisses nach § 130 Abs. 3 AktG betreffen. Ein anderer Teil der Literatur456 geht mit der Annahme der Beratungspflichten über das bisher Gesagte hinaus und nimmt umfangreiche Beratungspflichten an. Hervorzuheben ist, daß eine derartige Beratungspflicht jedenfalls nicht unmittelbar aus § 130 AktG abgeleitet werden kann. Auch § 17 BeurkG kann nicht herangezogen werden, da es sich bei der Niederschrift der Hauptversammlung nicht um die Beurkundung einer Willenserklärung handelt. Daher können solche Pflichten nur auf die allgemeine Amtsstellung des Notars als Träger eines öffentlichen Amtes457 gestützt werden. Vorzugswürdig erscheint die Ansicht, die eine Beratung auf evidente Verstöße ____________ 452 Zu diesem Aspekt auch Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 1, Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 158 und Werner, in: Großkomm. AktG § 130 Rdnr. 3. 453 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9. Daneben nennt die Begründung auch Rechtsfrieden und Rechtssicherheit als Folgen der notariellen Beurkundung. Ähnlich Planck, GmbHR 1994, 501, 504 sowie Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 1. 454 Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 130 Rdnr. 54 ff. sowie Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 12 m.w.N. 455 Dazu mit Beispielen Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 12. Ebenso Ammon / Görlitz, S. 61. 456 Wohl Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 158; auch Werner, in: Großkomm. AktG § 130 Rdnr. 96 ff. 457 Ähnlich Wilhelmi, BB 1987, 1331, 1332; Werner, in: Großkomm. AktG § 130 Rdnr. 97.

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beschränkt. Weitergehende Pflichten alleine aus der Amtsstellung abzuleiten, würde diese überdehnen.

(2) Zulässigkeit einer Hauptversammlung im Ausland Es wurde bereits oben bei der Frage, ob eine Hauptversammlung auch im Ausland458 stattfinden könne, erwähnt, daß dies insbesondere im Zusammenhang mit der Pflicht zur notariellen Beurkundung von Beschlüssen der Hauptversammlung heftig umstritten ist. Dabei werden drei Lösungsmöglichkeiten angesprochen: Zum einen gibt es vereinzelte Stimmen in der Literatur, die ein Tätigwerden eines deutschen Notars gerade bei § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG im Ausland für zulässig erachten. Zwar ergebe sich implizit aus § 2 BeurkG, daß eine Tätigkeit im Ausland grundsätzlich nicht in Betracht komme. Die Urkundsgewalt des Notars müsse an den Grenzen der Staatsgewalt enden459. Jedoch könne bei einer Niederschrift i.S.d. §§ 36 ff. BeurkG, am ausländischen Ort ein Entwurf aufgenommen werden, aus dem im Amtsbezirk eine Niederschrift gefertigt werde460. Zum zweiten steht nach § 10 Abs. 2 KonsularG die Beurkundung eines deutschen Konsuls der des Notars gleich. Durch eine solche kann die Form des § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG jedenfalls gewahrt werden461. Als drittes kommt die Beurkundung durch einen örtlichen ausländischen Notar in Betracht. Diese Variante ist zugleich diejenige, die am heftigsten diskutiert wird. Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB kann ein Geschäft dann formwirksam vorgenommen werden, wenn entweder die Ortsform oder die Geschäftsform eingehalten wird. Der erste Streit entzündet sich schon an der Frage, ob auch bei Beschlüssen der Hauptversammlung eine Zurückgreifen auf die Ortsform möglich ist. In der Konsequenz könnte sich daraus ergeben, daß einfache Schriftform genügt oder auch gar keine Form eingehalten werden muß, wenn eine solche im Gesellschaftsrecht des Staates, in dem die Haupt____________ 458

Insgesamt dazu Schiessl, DB 1992, 823 und Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 35 Rdnr. 33. 459 Allg. Meinung, statt vieler Biehler, NJW 2000, 1243, 1245 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 460 Biehler, NJW 2000, 1243, 1244 m.w.N. 461 Auch Biehler, NJW 2000, 1243, 1245, der v.a. auf die Schwierigkeiten dieser Möglichkeit hinweist. Die Gesellschaft kann sich etwa für die Beurkundung keine bestimmte Person aussuchen, was bei einem Notar durchaus möglich ist, da es im Konsulat in der Regel nur wenige Beamten gibt, die deutsche Beurkundungen vornehmen können. Zum anderen gibt es keine Pflicht eines Konsuls, überhaupt eine solche Beurkundung vorzunehmen.

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versammlung stattfindet, nicht vorgesehen ist. Die Stimmen, die dies ablehnen462, begründen ihre Ansicht vor allem damit, daß die Niederschrift beim deutschen Handelsregister eingereicht werden muß, was zwingend die notarielle Beurkundung erforderlich macht. Auch wenn man nur aus dem Geschäftsrecht die Form entnimmt, also in jedem Fall eine notarielle Beurkundung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG verlangt, ergeben sich weitere Zweifelsfragen. Ob diese notarielle Beurkundung auch von einem ausländischen Notar vorgenommen werden kann, ist ein Problem der Substitution463. Wenn die Beurkundung durch einen ausländischen Notar einer deutschen gleichwertig ist, wird man eine Substitution zulassen. Gleichwertigkeit bedeutet dabei nicht völlige Gleichheit, weder in Inhalt noch in der Bezeichnung. Notwendig ist nur eine „Übereinstimmung der wesentlichen Merkmale“464. In persönlicher Hinsicht wird man eine solche Gleichwertigkeit bei Notaren in Österreich, in einigen Kantonen der Schweiz und dem romanischen Rechtskreis anerkennen können, ebenso in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich465. In den meisten US-amerikanischen Staaten, die einen notary public haben, der keine entsprechende juristische Ausbildung haben muß, wird die Gleichwertigkeit sicher abzulehnen sein466. Soweit man für die Beurkundung bei § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG darüber hinaus auch noch umfangreiche Aufklärungspflichten annimmt, wird man dagegen die Gleichwertigkeit fast jedes ausländischen Notars ablehnen, da eine hinreichende Kenntnis von deutschem Aktienrecht, die solche Pflichten voraussetzen, in der Regel nicht vorhanden sein dürfte. ____________ 462 Rowedder / Rittner / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 48 Rdnr. 5; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rdnr. 16; Scholz / Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 72; weitere Nachweise bei Biehler, NJW 2000, 1243, 1245 Fußn. 13, zustimmend Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 60. Zweifelnd Schiessel, DB 1992, 823, 824. Offen gelassen in BGHZ 80, 76, 78. Die Ortsform ausreichen lassen Wiedemann, S. 820; Palandt-Heldrich, Art. 11 EGBGB Rdnr. 13; OLG Stuttgart, NJW 1981, 1176; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 121 Rdnr. 42, § 130 Rdnr. 49. Differenzierung unter Darstellung des Meinungsstreits, Goette, DStR 1996, 709, 711. 463 Statt vieler Kropholler, S. 211 ff. und Staudinger / Großfeld, IntGesR, Rdnr. 471. 464 So etwa Kropholler, S. 212. Vgl. auch BGHZ 80, 76, 78. 465 Schiessl, DB 1992, 823, 825 und Biehler, NJW 2000, 1243, 1245 m.w.N. Für einen Notar in Zürich bejahend BGHZ 80, 76, 78. Anerkannt – und in der Praxis beliebt – sind des weiteren die Notare in Basel und in Zug, jedenfalls für die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen. Ähnlich Goette, DStR 1996, 709, 712, der eine Gleichwertigkeit nur generell bei der Abtretung von Geschäftsanteilen annimmt, nicht aber etwa bei Satzungsänderungen oder gar Gründungen von Gesellschaften. Vgl. dazu auch Kubis, in: MünchKomm. AktG § 121 Rdnr. 60. 466 Biehler, NJW 2000, 1243, 1245 will hier auf den im Einzelfall tätig werdenden Notar abstellen und die Gleichwertigkeit bejahen, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Generell ablehnend zumindest für Änderungen des Gesellschaftsvertrages Scholz / Priester, GmbHG, § 53 Rdnr. 74.

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Nach der hier vertretenen Ansicht, die lediglich bei evidenten Verstößen eine Aufklärungspflicht annimmt, können an die Gleichwertigkeit geringere Anforderungen gestellt werden467. Dies ist auch sachgemäß. Der maßgebliche Gedanke, der hinter Art. 11 EGBGB steht, ist, den internationalen Rechtsverkehr zu erleichtern468. Auch bei Beurkundungen ist es anerkannt, daß trotz der grundsätzlich bestehenden Pflichten aus § 17 BeurkG auch ein ausländischer Notar tätig werden kann469. Durch die Entscheidung eine Hauptversammlung im Ausland abzuhalten, wird auf ein gewisses Maß an Schutz bewußt verzichtet, was aus Gründen der Privatautonomie möglich sein muß. Wegen § 121 Abs. 5 AktG, der Möglichkeit den Ort für die Hauptversammlung in der Satzung festzulegen, ist dies auch für alle Aktionäre erkennbar.

bb) Neuer Regelungsinhalt Durch die Neuregelung wurde für Aktiengesellschaften, deren Anteile „nicht an einer Börse zum Handel“470 zugelassen sind, eine Annäherung an die Regelung des GmbHG erreicht. Bei derartigen Gesellschaften genügt für Beschlüsse eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Niederschrift, es sei denn es geht um Beschlüsse, „für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt“. Auch bei dieser Vorschrift wirft deren Formulierung eine Vielzahl Fragen auf. Nachfolgend wird zunächst [unter (1)] auf die sachliche Reichweite der Norm eingegangen und unter (2) auf deren persönliche Reichweite. Unter dem Gliederungspunkt (3) wird die Person des Protokollführers und der Inhalt des Protokolls behandelt.

(1) Sachliche Reichweite der Norm Der Wortlaut der Vorschrift ist unklar, insbesondere gilt dies für die Frage, was mit Beschlüssen gemeint ist, für die das Gesetz zumindest eine „Dreiviertelmehrheit“ vorsieht. Der Begriff der „Dreiviertelmehrheit“ wird vom Gesetz an keiner anderen Stelle verwendet. Mit dieser Formulierung können einerseits Beschlüsse gemeint sein, die eine Kapitalmehrheit von Dreiviertel ____________ 467

Ähnlich Ammon / Görlitz, S. 68. Statt vieler Kropholler, S. 284. 469 Kropholler, S. 212. 470 Nach dem KonTraG spricht das Gesetz von „nicht börsenzugelassenen Gesellschaften“. 468

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bedürfen oder andererseits solche, die eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen fordern. A priori ist weder die eine noch die andere Auslegung zwingend471. Eine Mehrheit von Dreiviertel der abgegebenen Stimmen muß dabei etwa für die Abberufung eines Mitglieds des Aufsichtsrats gemäß § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG vorliegen. Ebenso kennt § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG eine solche Mehrheit. Hier geht es darum, daß bei einem bestimmten Geschäft, das nach der Satzung bzw. nach Beschluß des Aufsichtsrats nur mit dessen Zustimmung vorgenommen werden kann, die Aufsichtsratszustimmung verweigert wird. § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG gibt dem Vorstand dann die Möglichkeit, einen Beschluß der Hauptversammlung herbeizuführen, der mit der genannten Mehrheit von Dreiviertel der abgegebenen Stimmen gefaßt werden muß. Ein Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte, also in die Begründung des Gesetzesentwurfs und die Begründung durch den Rechtsausschuß, zeigt, daß solche Beschlüsse bei der Neufassung des § 130 AktG nicht gemeint waren. Der Entwurf der Regierungskoalition wählte insgesamt eine andere Formulierung zur Bestimmung der beurkundungsbedürftigen Beschlüsse. Hier wurde von sog. „Grundlagenbeschlüssen“ gesprochen. Zu diesen Beschlüssen sollten zunächst natürlich satzungsändernde Beschlüsse nach § 179 AktG gehören. Darunter zählen auch solche Beschlüsse, durch die das Grundkapital heraufoder herabgesetzt werden soll (nach §§ 182 ff., 221, 222 ff. AktG), die wegen § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG mit einer Satzungsänderung einhergehen, oder ein Beschluß zur Auflösung einer Aktiengesellschaft nach § 262 Abs. Nr. 2 AktG. Schließlich sind solche Beschlüsse gemeint, die von grundlegender Bedeutung sind. Beispiele sind hier Beschlüsse, die die Eingliederung einer Gesellschaft zur Folge haben (§§ 319 ff. AktG), der Abschluß von Unternehmensverträgen (§§ 291 ff. AktG) und schließlich Beschlüsse der Hauptversammlung im Umwandlungsgesetz, also bei einer Verschmelzung nach §§ 2 ff., 60 ff. UmwG, bei einer Spaltung (über den Verweis des § 125 UmwG), einer Vermögensübertragung nach §§ 174 ff. UmwG oder einem Formwechsel nach §§ 190 ff., 225 ff. UmwG. Die Begründung des Gesetzesentwurfes zählt dabei die maßgeblichen Vorschriften unmittelbar auf472 und stellt klar, daß es sich insgesamt um Beschlüsse handeln soll, bei denen eine Mehrheit von Dreiviertel „des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals“ gesetzlich vorgesehen ist. Im übri____________ 471

Anders Heckschen, DNotZ 1995, 275, 282. Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9, wobei anstelle des UmwG die §§ 339 ff., 359 ff. und 362 ff. AktG genannt wurden, in denen die entsprechenden Regelungen vor der Verabschiedung des UmwG enthalten waren. 472

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gen orientiert sich die Begründung ausdrücklich an der Terminologie von Kübler, der davon spricht, daß die Hauptversammlung bei grundlegenden Entscheidungen über den Fortbestand und die (Kapital-)Struktur der Gesellschaft eine sog. „Grundlagenzuständigkeit“473 besitze. Der Rechtsausschuß hatte nun empfohlen an Stelle von „Grundlagenbeschlüssen“ ausdrücklich die notwendige Mehrheit in den Gesetzestext aufzunehmen, so daß es zur Formulierung „Beschlüsse …, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt“ kam. Dabei hat der Rechtsausschuß sich in seiner Begründung explizit auf die ursprüngliche Begründung bezogen und ist davon ausgegangen, daß durch die Formulierung keine sachliche Änderung eingetreten ist. Insbesondere sollten nicht auch Beschlüsse, die nur eine Mehrheit von Dreiviertel der abgegebenen Stimmen erfordern, miteinbezogen werden474. Dies muß für die Auslegung der endgültigen Fassung des § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG maßgebend sein475. Wenn man sich nur am Wortlaut des § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG orientiert, ergeben sich daraus zwei weitere Folgerungen: Zum einen sind nur solche Beschlüsse gemeint, für die „das Gesetz“ eine entsprechende Mehrheit vorsieht. Wenn lediglich die Satzung für einzelne Beschlüsse abweichend von der gesetzlichen Regelung eine höhere Mehrheit – also eine Kapitalmehrheit von Dreiviertel oder mehr – vorsieht, werden diese dadurch nicht beurkundungspflichtig. Jedoch bleibt es der Gesellschaft unbenommen, auch in einem solchen Fall eine notarielle Beurkundung zu bevorzugen. Das gleiche gilt, wenn durch die Satzung das Mehrheitserfordernis in zulässiger Weise herab-

____________ 473 Kübler, § 15 V, S. 195. Die Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9 sieht daher den Begriff „Grundlagenbeschluß“ als im Aktienrecht feststehend an. 474 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 9, in der es wörtlich heißt: „Der Rechtsausschuß hat die Befreiung von der notariellen Beurkundung jetzt ausdrücklich auf Beschlüsse beschränkt, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt. Die Begründung des Entwurfs führt diese Grundlagenbeschlüsse im einzelnen auf“. 475 Ebenso Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 161. Dort werden in Rdnr. 162 auch diejenigen Beschlüsse aufgezählt, die jetzt ohne notarielle Beurkundung gefaßt werden können. Dabei handelt es sich um Beschlüsse, „die die Struktur der Gesellschaft nicht berühren und … um alljährlich wiederkehrende Routinebeschlüsse“. Ähnlich HoffmannBecking, ZIP 1995, 1, 7; Brinkmann, S. 66, Ammon / Görliz, S. 64 f., Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 24 und Semler, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 40 Rdnr. 2; a.A. Heckschen, DNotZ 1995, 275, 282, der sich jedoch nicht mit der Begründung des Rechtsausschusses auseinandersetzt.

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gesetzt wird. Dies ändert nichts daran, daß das Gesetz eigentlich eine „Dreiviertelmehrheit“ vorsieht476. Darüber hinaus war bereits im Hearing zum Rechtsausschuß umstritten, ob unter die Beurkundungspflicht auch weitere Beschlüsse fallen, in denen es um sonstige grundlegende Veränderungen der Struktur der Aktiengesellschaft geht, die aber nicht ausdrücklich in der Begründung zum Gesetzesentwurf genannt wurden. Dabei wurde insbesondere auf die „Holzmüller“-Entscheidung477 des Bundesgerichtshofes Bezug genommen. Dort hat das Gericht angenommen, daß bei bestimmten Entscheidungen, die einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht und die Vermögensinteressen der Aktionäre darstellen, der Vorstand eine Pflicht habe, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. In solchen Fällen würde sich das in § 119 Abs. 2 AktG vorgesehen Recht des Vorstands, eine Entscheidung der Hauptversammlung zu verlangen, zu einer Pflicht verdichten. Wenn der Vorstand nicht von § 119 Abs. 2 AktG Gebrauch macht, verletze er dadurch seine Sorgfaltspflicht478. Durch die Präzisierung der Formulierung auf Beschlüsse, bei denen „das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit“ fordert, fallen solche Beschlüsse eindeutig nicht unter die Beurkundungsbedürftigkeit. Es geht hier nicht um die Frage, ob „Grundlagenbeschlüsse“ vorliegen oder ob bei diesen Beschlüssen eine Beurkundung wünschenswert wäre479. Gerade durch die Fassung des Rechtsausschusses sollte Rechtssicherheit erreicht werden. Daher wäre eine andere Entscheidung – abgesehen vom ausdrücklich entgegenstehenden Wortlaut – auch aus teleologischen Gesichtspunkten kontraproduktiv480. Eine weitere Frage betrifft die Reichweite der Beurkundungspflicht, wenn in einer Hauptversammlung einzelne Beschlüsse nach § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG zu beurkunden sind, andere Beschlüsse hingegen nicht. Der Gesetzeswortlaut legt nahe, daß dann auch der Notar nur einen Teil der Beschlüsse beurkunden muß. Dies mag zwar von geringerer Bedeutung sein, da in der Praxis der Notar bei solchen „gemischten Hauptversammlung“481 häufig die Protokollierung der ____________ 476

Ebenso Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 8. BGHZ 83, 122 ff. 478 Ausführlich dazu mit zahlreichen weiteren Nachweisen Hüffer, AktG § 119 Rdnr. 16 ff; Kübler, § 15 V, S. 195 insb. Fußn. 38. 479 Dies mißachtet Blanke, BB 1994, 1506, 1510; ders., BB 1995, 681, 682 ebenso wie Heckschen, DNotZ 1995, 275, 284. 480 Ebenso Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14c; Ammon / Görliz, S. 66; Kindler, NJW 1994, 3041, 3045, Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 25; a.A. Blanke, BB 1993, 1506, 1510. 481 Zu dem Begriff Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14c. 477

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gesamten Sitzung übernimmt. Zwingend erforderlich ist dies nicht und diese Folgerung widerspricht auch der Systematik des Gesetzes. Auch § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG spricht nur davon, daß „jeder Beschluß“ der Hauptversammlung beurkundet werden muß, eine Beurkundung der gesamten Hauptversammlung ist nicht gefordert482. So wurde auch unter der alten Fassung des § 130 AktG diskutiert, ob ein Protokoll bei einer beschlußlosen Hauptversammlung durch den Notar erstellt werden muß483. Dies muß man, wenn man den Wortlaut des Gesetzes ernst nimmt, ablehnen. Im übrigen ist die Beurkundung dann auch aus den oben geschilderten Zwecken der Formvorschrift nicht erforderlich. Rechtsunsicherheit kann nur auftreten, wenn überhaupt Beschlüsse gefaßt worden sind, die einer Anfechtung unterliegen können. Für die jetzt zu beantwortende Frage bedeutet dies, daß lediglich die Beschlüsse beurkundungsbedürftig sind, die unter die oben genannten „Grundlagenbeschlüsse“ fallen. Das Gesetz unterscheidet strikt zwischen jedem Beschluß als solchen484. Es gibt keinen Grund, der etwa aus teleologischen Erwägungen zwingend dafür spricht, § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG anders zu verstehen485. Ohne Belang ist es für die zutreffende Auslegung der Norm, wie die Praxis diese Frage handhaben wird. Zudem ist durchaus nicht praxisfern, daß die Hauptversammlung zunächst ohne Notar zusammentritt und die Beschlüsse faßt, die einer notariellen Form nicht bedürfen, und einen Notar erst später hinzurufen, um die beurkundungsbedürftigen Beschlüsse in der richtigen Form zu fassen. Nicht überzeugend erscheint daher auch der Hinweis von Hüffer, der die Hauptversammlung als Einheit ansieht, die entweder insgesamt der Beurkundung bedarf oder nicht486.

____________ 482 Auf diesen Unterschied weist ausdrücklich Werner, in: Großkomm. AktG § 130 Rdnr. 1 und Rdnr. 6 hin. A.A. Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 27, der von der Unteilbarkeit des Hauptversammlungsprotokolls ausgeht. 483 Vgl. Werner, in: Großkomm. AktG § 130 Rdnr. 14 m.w.N., der eine Pflicht zur Protokollierung durch einen Notar nicht annimmt, seine Hinzuziehung aber empfiehlt. Zur beschlußlosen Hauptversammlung auch Claussen, WM 1996, 609, 617 und Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 130 Rdnr. 18 m.w.N. 484 Anders wird der Wortlaut von Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 7 interpretiert. Zweifelnd auch Ammon / Görlitz, S. 67 und Heckschen, DNotZ 1995, 275, 284. 485 Ebenso überzeugend Lutter, AG 1994, 429, 440. Anders aber Brinkmann, S. 65 und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 27, der aber die Möglichkeit zweier getrennter Hauptversammlungen unmittelbar nacheinander anspricht. 486 Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14d.

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(2) Persönliche Reichweite der Norm Neben der eben behandelten Frage der sachlichen Reichweite des § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG ist die persönliche Reichweite der Norm zu bestimmen. Die Vorschrift ließ in der Fassung durch das Gesetz über die „Kleine AG“ die Formerleichterung nur für solche Gesellschaften zu, deren Aktien „nicht an einer Börse zum Handel zugelassen sind“. Die Frage, ob mit dem Begriff „Börse“ nur der Handel in den Börsensegmenten des amtlichen Marktes und des geregelten Marktes gemeint ist oder ob darunter auch Aktien einbezogen werden, die im Freiverkehr gehandelt werden, muß bei § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG in der Fassung der Novelle 1994 in gleicher Weise beantwortet werden, wie bei § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG, der eine identische Formulierung verwendet. Es kann also insofern auf die Argumentation oben487 verwiesen werden. Auch bei § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG ist die Frage mittlerweile obsolet geworden. Diese Bestimmung wurde nämlich ebenfalls 1998 durch das KonTraG neu gefaßt. Die Beurkundungspflicht entfällt jetzt für alle „nicht börsennotierten“ Gesellschaften. Der Begriff „börsennotierte Gesellschaft“ ist in § 3 Abs. 2 AktG legal definiert488.

(3) Person des Protokollführers und Inhalt des Protokolls Nicht ausdrücklich regelt das Gesetz, wer bei einer Hauptversammlung ohne Notar das Protokoll führen soll. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah vor, daß der Vorstand die Niederschrift aufnehmen sollte und sie auch zu unterzeichnen hatte. Nach § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG, wie er nun Gesetz geworden ist, wird nur festgelegt, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Niederschrift unterzeichnen muß. Hintergrund dieser Vorschrift ist, daß in der Praxis zumeist der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Leitung der Hauptversammlung übernimmt. Gesetzlich vorgeschrieben ist dies jedoch nicht. Häufig ergibt sich jedoch aus einer Regelung in der Satzung, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Leitung in der Hauptversammlung übernehmen soll. Durch die Unterzeichnung der Niederschrift übernimmt der Unterzeichnende die Verantwortung dafür. Daraus folgt aber nicht, daß er auch selbst das Protokoll führen müßte, diese Aufgabe trifft ihn nicht höchstpersönlich489. Eine ____________ 487

Vgl. dazu Ausführungen unter a) bb) (2). Siehe zur Frage „Börsennotierung“ auch ausführlich unten unter § 6 B. II. 2 a) bb). 489 Vgl. Lutter, AG 1994, 429, 439; Ammon / Görlitz, S. 66, Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 28, a.A. wohl Planck, GmbHR 1994, 501, 504, ohne ihre Ansicht jedoch zu begründen. 488

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Schwierigkeit ergibt sich dann, wenn die Satzung einer Aktiengesellschaft nicht den Vorsitzenden des Aufsichtsrats mit der Leitung betraut, sondern eine andere Person. Noch verschärft wird das Problem, wenn der Vorsitzende des Aufsichtsrats vielleicht nicht einmal anwesend ist. Der Rechtsausschuß stützt den Änderungsvorschlag mit der Aussage, daß er es für „richtiger [hält], daß nicht der Vorstand, sondern der Aufsichtsratsvorsitzende die Niederschrift unterzeichnet“490. Dies ist vor dem Hintergrund der eben geschilderten Praxis zu sehen. Des weiteren führt der Rechtsausschuß aus, daß für den Fall, daß der Aufsichtsratsvorsitzende verhindert ist, die Unterzeichnung durch den ihn vertretenden stellvertretenden Vorsitzenden erfolgen soll. Dadurch wird deutlich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers, diejenige Person die Niederschrift unterzeichnen soll, der tatsächlich die Leitung der Hauptversammlung oblag. Dies macht eine teleologische Extension491 des § 130 AktG notwendig. Der Gesetzgeber hat nämlich nicht bedacht, daß die Leitung auch von jemand anderen als dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats erfolgen kann. Um aber gleichwohl dem Zweck der Norm Rechnung zu tragen, der, wie auch die Auslegung der Regelung an Hand der Gesetzesmaterialen ergibt, eine Parallelität von Leitung und Verantwortung will, muß § 130 AktG über seinen eindeutigen Wortsinn hinaus ausgedehnt werden. Die Folge ist, daß der tatsächliche Leiter der Hauptversammlung die Verantwortung übernimmt und unterzeichnet492. Für den Inhalt des Protokolls ist auf §§ 130 Abs. 2 und Abs. 3 AktG493 zu verweisen, die auch im Falle der Vollversammlung nicht verzichtbar sind. Das Vollversammlungsprivileg erstreckt sich, wie erwähnt, nur auf die Vorschriften der §§ 121–128 AktG. Soweit ein privatschriftliches Protokoll nach § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG genügt, ergab sich daraus eine Folgeänderung in § 130 Abs. 5 AktG, der die Einreichung des Protokolls zum Handelsregister betrifft. An Stelle der eigentlich geforderten notariellen Niederschrift, tritt hier eine vom Aufsichtsratsvorsitzen-

____________ 490

Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 9. Larenz / Canaris, S. 217. 492 Ebenso Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14e, Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 30 und Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 166. 493 Vgl. zu den Einzelheiten hier auch Wilhelmi, BB 1987, 1331, 1333 f. bzw. 1336 und Heckschen, DNotZ 1995, 175, 185 f. und Kubis, in: MünchKomm. AktG § 130 Rdnr. 41. 491

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den unterzeichnete Niederschrift494. Für die Einreichung des Protokolls bleibt es bei der Zuständigkeit des Vorstands nach § 130 Abs. 5 AktG495.

cc) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Auch für die Änderung des § 130 AktG spielte für den Gesetzgeber die Vergleichbarkeit zwischen „Kleiner AG“ und GmbH eine gewichtige Rolle. In der Begründung des Gesetzesentwurfs für § 130 AktG gab der Gesetzgeber zu bedenken, daß dieser Typ der Aktiengesellschaft „nicht wesentlich strenger zu behandeln [sei] als die GmbH“496. Bei der GmbH kennt aber § 48 GmbHG nicht einmal eine generelle Pflicht zur Niederschrift der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Noch viel weniger besteht eine Pflicht zu einer notariell beurkundeten Niederschrift, wie im Aktienrecht. Lediglich § 48 Abs. 3 GmbHG fordert seit der GmbH-Novelle 1980 eine Protokollierung bei Beschlüssen einer Einpersonengesellschaft497. Daneben müssen lediglich einzelne Beschlüsse, die von besonderer Bedeutung sind, notariell beurkundet werden. Dies gilt etwa nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG für den Gesellschaftsvertrag selbst, aber auch nach § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, die eine Satzungsänderung beinhalten. Die Gesetzgeber war im Hinblick auf die „Kleine AG“ der Ansicht, daß auch bei ihr die notarielle Beurkundung – soweit es nicht um grundlegende Beschlüsse gehe – im wesentlichen einen „unnötigen und die Rechtsform belastenden Kostenfaktor“498 darstelle. Dabei kann sich der Gesetzgeber insbesondere auf die Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter stützen. Die dort befragten Unternehmer haben mehrfach angegeben, daß sie auch den Kostenfaktor, der etwa durch die Notwendigkeit der Anwesenheit eines Notars begründet wird, als maßgeblich erachten und daher die Aktiengesellschaft meiden499. Man wird wohl davon ausgehen müssen, daß hinter der jetzigen Regelung eine Interessenabwägung des Gesetzgebers steht. Für die strengen formellen Anforderungen ____________ 494

Ausführlich dazu Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 170. A.A. Planck, GmbHR 1994, 501, 504 und Blanke, BB 1994, 1506, 1510 jeweils ohne Begründung nur unter Berufung auf die Neufassung von § 130 AktG, die eine solche Auslegung jedoch nicht hergibt. 496 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9. 497 Dies entspricht auch der Forderung des Europarechts, was sich aus Art. 4 Abs. 3 der „Einpersonen-GmbH-Richtlinie“ ergibt. 498 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 9. 499 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 85 ff. Die Kostenentlastung ist auch für Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14a der maßgebliche Grund für die Neuregelung. Auch Kindler, NJW 1994, 3041, 3045 spricht von beachtlichen Kostennachteilen. 495

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sprechen bei jeder Gesellschaft die oben aufgeführten Aspekte, also etwa Rechtssicherheit und Beweissicherungsfunktion der Beurkundung. Dies würde aber auch bei einer GmbH grundsätzlich und generell für eine solche notarielle Beurkundung sprechen. Auf der anderen Seite steht das Bedürfnis der Unternehmen nach möglichst einfachen und unbürokratischen Vorschriften. Diesem Interesse kann man eher nachgeben, wenn es sich um eine Gesellschaft mit einem nur kleinen Kreis von Gesellschaftern handelt, bei dem ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern striktere Regeln unnötig macht500. Der Gesetzgeber hat bei personalistischen Aktiengesellschaften die Interessen an der Einfachheit der Hauptversammlung überwiegen lassen, was gerade auch im Blick auf die Regeln der GmbH als sachgerecht erscheint. Viele Stimmen in der Literatur stehen daher dieser Vorschrift positiv gegenüber501. Dabei wird neben der Entlastung von Notargebühren502 auch die Befreiung vom Zwang zu größeren Förmlichkeiten begrüßt. Der Beratungsbedarf, der sicher auch bei kleinen Gesellschaften auftritt, betrifft ohnehin zumeist grundlegende Beschlüsse, die auch nach der Neufassung des § 130 AktG einer notariellen Beurkundung bedürfen503. Soweit in der Literatur Kritik gegen die Änderung geübt wird, wird dabei angeführt, daß die Gebührenbelastung in Wahrheit nicht so groß sei. Überdies würde bei Satzungsänderungen ohnehin das Hinzuziehen eines Notars erforderlich sein504. Dazu läßt sich darauf verweisen, daß die Gebührenbelastung, wie erwähnt, gerade von den Unternehmen anders bewertet wurde. Der Hinweis etwa auf Satzungsänderungen führt schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, da es dem Gesetzgeber um eine Gleichstellung oder zumindest Annäherung an die Rechtslage bei der GmbH gegangen ist. Auch bei dieser bedürfen jedoch gerade Änderungen des Gesellschaftsvertrages ebenfalls der notariellen Beurkundung. Diese Kosten werden somit bei einer Entscheidung über einen Rechtsformwechsel keine bedeutende Rolle spielen. Insgesamt ist somit den positiven Stimmen in der Literatur zuzustimmen. Kritisch sind bei § 130 AktG lediglich wieder die aufgezeigten Ungenauigkeiten in den Formulierungen zu sehen.

____________ 500

Kritisch hier Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14a. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 160; Planck, GmbHR 1994, 501, 504; Ammon / Görliz, S. 62. 502 Dazu ausführlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 160 Fußn. 186. 503 Ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 160. 504 So etwa Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 7; kritisch ebenfalls Heckschen, DNotZ 1995, 275, 283. 501

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Die Erleichterung bei der Form der Niederschrift ist auch im Zusammenhang mit § 121 Abs. 6 AktG zu sehen. Gerade wenn man die Spontanversammlung als einen Fall der Vollversammlung ansieht, ist eine solche durch die fehlende Notwendigkeit eines Notars entscheidend erleichtert worden. Spontanversammlungen werden als beschlußfähige Hauptversammlung wohl überhaupt erst durch die Formerleichterung in § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG möglich. Somit ist ein Vorteil der Neuregelung auch in ihrer höheren Flexibilität insgesamt zu sehen. Das gleiche gilt für eine Hauptversammlung im Ausland. Die Zweifel der Zulässigkeit stützen sich dabei vornehmlich auf die Notwendigkeit der Beurkundung der Beschlüsse der Hauptversammlung, was jetzt bei § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG jedenfalls für kapitalmarktferne Gesellschaften weggefallen ist, soweit es sich nicht um Beschlüsse handelt, für die das Gesetz eine „Dreiviertelmehrheit“ vorgesehen hat.

3. Rechte der Aktionäre: § 10 Abs. 5 AktG Durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ wurde dem § 10 AktG ein weiterer Absatz hinzugefügt, der Absatz 5. Danach können Aktiengesellschaften in ihrer Satzung den Anspruch auf Einzelverbriefung der Aktien ausschließen oder jedenfalls einschränken.

a) Frühere Rechtslage Vor der Novelle 1994 enthielt das Aktiengesetz zu der Frage der Verbriefung der Anteile keine ausdrückliche Regelung. Die Verbriefung steht traditionell in engem Zusammenhang mit der Übertragbarkeit der Aktien505. Die Fungibilität ist dabei wesensbestimmend für die Aktiengesellschaft, die auf einen ständigen Wechsel der Gesellschafter angelegt ist. Dies wird durch eine Verbriefung der Mitgliedschaft, sei es durch Inhaberaktien, Namensaktien oder Zwischenscheine (§ 8 Abs. 4 AktG), wesentlich erleichtert506. Der Gesetzgeber des Aktiengesetzes ging wohl ursprünglich von einem Anspruch auf Verbriefung aus, hielt eine ausdrückliche Regelung jedoch nicht für notwendig. Er hat an verschiedenen Stellen im Gesetz die Herstellung und Aus____________ 505

Statt vieler Brändel, in: Großkomm. AktG § 10 Rdnr. 2. Auch wenn die Verbriefung der Anteile selbst nicht zum Wesen der Aktiengesellschaft gezählt wird, vgl. etwa nur Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 10 Rdnr. 7; § 1 Rdnr. 32.; Brändel, in: Großkomm. AktG § 10 Rdnr. 10 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, der betont, daß die Aktienurkunden nur deklaratorischen, keinen konstitutiven Charakter haben. 506

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gabe von Aktienurkunden vorausgesetzt. Als Beispiel mag hier etwa § 213 Abs. 2 AktG dienen, in dem – im Zusammenhang mit Teilrechten als Rechte aus einer neuen Aktie – ausdrücklich der Anspruch auf Ausstellung einer Aktienurkunde genannt wird. Auch gehen etwa §§ 125 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 AktG von einer Verbriefung aus, wenn darin von der Hinterlegung von Aktien bei der Gesellschaft gesprochen wird. Das gleiche gilt für § 123 Abs. 2 Satz 1 AktG. In der Rechtsprechung war ein Anspruch auf Verbriefung schon aus den Zeiten des Reichsoberhandelsgerichts anerkannt. Bereits dieses entschied 1875, daß jeder Aktionär das Recht einer Verbriefung seines Mitgliedschaftsrechts gegenüber der Gesellschaft habe507. Dieser Ansicht ist auch das Reichsgericht in seiner Rechtsprechung gefolgt und hat dem Aktionär ein Recht auf eine Aktienurkunde zugebilligt508. Ebenso entsprach diese Rechtsansicht der allgemeinen Meinung in der Literatur509. Das Recht auf Verbriefung wurde als unentziehbares Mitgliedschaftsrecht angesehen. Dies hatte mehrere Konsequenzen: Zum einen wurde angenommen, daß ein Aktionär zwar auf die Ausstellung einer Urkunde verzichten konnte, dieser Verzicht aber jederzeit widerrufbar war510. Zum anderen konnte der Anspruch selbst durch Satzung oder einen Beschluß, etwa der Mehrheit der Aktionäre, nicht ausgeschlossen werden. Sowohl eine derartige Satzungsbestimmung wie auch ein entsprechender Beschluß wurde als nichtig angesehen511. ____________ 507 ROHG 19, 227, 232. Das Reichsoberhandelsgericht ging in der Entscheidung noch weiter und definierte hier die Ausgabe von „Aktienbriefen“ als ein „wesentliches Erfordernis der Aktiengesellschaft“. 508 RGZ 79, 174, 177; RGZ 94, 60, 64. Umstritten war lediglich, ob dieses Recht von der vollständigen Leistung der Einlage abhing. Dies wurde vom Reichsgericht in beiden Entscheidungen angenommen. Die Literatur vertrat aber in weiten Teilen die Gegenansicht, so etwa Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 10 Rdnr. 8, 19; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 10 Rdnr. 6; Brändel, in: Großkomm. AktG § 10 Rdnr. 23. 509 Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 10 Rdnr. 8; Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 10 Rdnr. 5; Brändel, in: Großkomm. AktG § 10 Rdnr. 23; Hüffer, AktG § 10 Rdnr. 3. Vgl. auch Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 12 Rdnr. 4; Heider, MünchKomm. AktG § 10 Rdnr. 55. A.A. Canaris, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2135. 510 So Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 10 Rdnr. 5; Brändel, in: Großkomm. AktG § 10 Rdnr. 10. 511 Die Nichtigkeit der Satzungsbestimmung ergibt sich dabei aus § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG, die Nichtigkeit etwa eines Hauptversammlungsbeschlusses aus § 23 Abs. 5 AktG i.V.m. § 214 Abs. 1 Nr. 3, 3. Fall AktG. Zur Rechtsfolge auch Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 10 Rdnr. 6; Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 10 Rdnr. 9; Brändel, in: Großkomm. AktG § 10 Rdnr. 23; Bösert, DStR 1994, 1423, 1427 jedoch jeweils ohne sich über den konkreten Rechtsgrund der Nichtigkeit zu äußern. Auch Hüffer, AktG § 10 Rdnr. 3 spricht davon, daß das Recht an sich satzungsfest ist.

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b) Neuer Regelungsinhalt Gemäß § 10 Abs. 5 AktG kann durch Satzungsbestimmung das Recht auf Verbriefung in einer Einzelurkunde ausgeschlossen werden. Mit der Ansicht der Literatur, daß ein unentziehbarer Anspruch auf Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts besteht, ging zumeist einher, daß sich dieses Recht auf jede einzelne Aktie bezieht. Zwar war auch die Verbriefung in einer Sammelurkunde möglich, was in § 9a DepotG legal definiert ist und eine Ausstellung von solchen Urkunden meint, in denen mehrere Aktien in einer einzigen Urkunde zusammengefaßt werden. Dies ist in der Praxis auch weitgehend üblich512. Gleichwohl konnte der Aktionär in jedem Fall die Verbriefung jeder seiner Aktien verlangen. So klagte etwa ein Aktionär 1993 vor dem Amtsgericht Köln darauf, daß sein Anteil am Stammkapital von 500.000 DM im einzelnen verbrieft werde513. Die Aktiengesellschaft weigerte sich, verlor aber den Prozeß vor dem Amtsgericht Köln. Daraufhin mußte sie 5.000 Einzelurkunden über Aktien mit einem Nennbetrag von je 100 DM ausstellen. Darüber hinaus mußten von der Gesellschaft auch die Kosten für diese Verbriefung getragen werden. § 10 Abs. 5 AktG hat nun die Satzungsautonomie der Gesellschaften gestärkt und eine Einschränkung der Verbriefung durch die Satzung ermöglicht. Der Anspruch des Aktionärs kann in mehrfacher Weise eingeschränkt werden, wobei es dazu einer ausdrücklichen Satzungsbestimmung bedarf. Zum einen kann der Anspruch auf eine Einzelverbriefung aller Anteile insgesamt ausgeschlossen werden. Dies ändert aber nichts daran, daß nach § 10 Abs. 5 AktG in der Fassung der Novelle 1994 auch in diesem Fall das grundsätzliche Recht des Aktionärs auf eine Urkunde bestehen bleibt. Dieses erstreckt sich jedoch nur mehr auf eine Sammelurkunde. Zum zweiten erlaubt es § 10 Abs. 5 AktG auch, daß die Kosten für die Ausstellung von Einzelurkunden dem Aktionär auferlegt werden. Diese Möglichkeit der Kostenauferlegung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Da aber die Satzung den vollständigen Ausschluß der Einzelverbriefung vorsehen kann, kann sie als Minus diese zwar weiterhin zulassen, jedoch vom Aktionär dafür eine Kostenerstattung verlangen. Entgegen der Ansicht einiger Stimmen in der Literatur514 können aber nicht auch die Kosten ____________ 512

Statt vieler Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 10 Rdnr. 10. Dazu AG Köln, WM 1993, 2010. 514 So etwa Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 33 im Anschluß an Trölitzsch, WiB 1994, 795, 796. Er schlägt für eine Satzung folgende Formulierung vor: „Davon unberührt bleibt das Recht jedes Aktionärs, auf seine Kosten von der Gesellschaft die Ausstellung einer Mehrfachurkunde über sämtliche von ihm gehaltenen Aktien zu verlangen.“ Unklar hier Ammon / Görlitz, S. 88. 513

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für die Ausstellung einer Sammelurkunde dem Aktionär auferlegt werden. Diese müssen in jeden Fall weiterhin die Gesellschaft selbst treffen, da sonst auch das Recht auf eine solche Urkunde durch die Kostentragung indirekt eingeschränkt werden würde. Dies erlaubt aber § 10 Abs. 5 AktG in der Fassung der Novelle 1994 noch nicht. Konsequenterweise geht auch die Begründung des Gesetzesentwurfs davon aus, daß die Satzung entscheiden soll, „wie die Kostentragung zu erfolgen hat, wenn eine nicht ausgeschlossene Einzelverbriefung geltend gemacht wird“515. Schließlich ist es auch möglich, daß der Anspruch des Aktionärs in der Satzung auf die Lieferung von Mehrfachurkunden mit einer festen Anzahl von Aktien (beispielsweise 10, 50 oder 100 Aktien) beschränkt wird. Auch dies ergibt sich als Minus aus der Formulierung des Gesetzes und wird durch die Begründung zum Gesetzesentwurf bestätigt516. Dies hat zur Konsequenz, daß ein Aktionär nicht seinen gesamten Anteil verbrieft erhält, wenn die Anzahl der Aktien nicht in Mehrfachurkunden aufgeht, worauf auch Seibert, Köster und Kiem hinweisen517. Dadurch wird aber sein Anspruch auf Verbriefung insgesamt beschränkt, was eigentlich mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 AktG nicht vereinbar ist. Das Ziel des Gesetzgebers war es jedoch eine Erleichterung zu schaffen für Aktiengesellschaften, die nach dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz518, das am 26. Juli 1994 und somit wenige Tage vor dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ erlassen wurde, ihre Aktien mit einem Nennwert von 50,- DM auf 5,- DM umstellten. Ihnen sollte ermöglicht werden, die ursprünglichen Urkunden weiter zu verwenden. Durch die Zulassung von Mehrfachurkunden können nach einem entsprechenden Beschluß der Hauptversammlung die früheren Einzelurkunden als Mehrfachurkunden weitergeführt werden519. Vor diesem Hintergrund geht also der Wortsinn über den vom Gesetzgeber gemeinten Normsinn hinaus, so daß das angestrebte Ergebnis eine teleologische Restriktion erforderlich macht520. ____________ 515 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. Ebenso Hüffer, AktG § 10 Rdnr. 11; Dehmer, WiB 1994, 753, 756; Heider, MünchKomm. AktG § 10 Rdnr. 59. 516 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. 517 Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 33a. 518 BGBl. I 1994, 1749. 519 Dies gilt jedenfalls soweit nicht ausdrücklich die Stückzahl auf den Aktien aufgedruckt ist. Dazu insgesamt Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 33a. 520 Diese Lösung ist durchaus nicht zwingend. Auf die Frage soll jedoch nicht mehr genauer eingegangen werden, da sich das Problem durch die erneute Neufassung des § 10 Abs. 5 AktG durch das sog. KonTraG v. 27. April 1998 erledigt hat. Nach der neuen Fassung des § 10 Abs. 5 AktG kann jetzt der Anspruch auf Verbriefung vollständig ausgeschlossen werden.

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c) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Die Einfügung des § 10 Abs. 5 AktG hat zwei wesentliche Hintergründe521: Zum einen ist die Regelung im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Zweite Finanzmarktförderungsgesetz zu sehen. Die damit verbundene Änderung des § 8 Abs. 1 AktG und die Zulassung der 5-DM-Aktie machte den Ausschluß der Ausstellung von Einzelaktien mehr als geboten. Ein Anspruch auf Aktienurkunden mit einem Nennwert von 5,- DM (oder jetzt 1,- Euro) könnte zu Kosten führen, die sogar ein Vielfaches des Börsenkurses der Einzelaktie ausmachen würden522. Zum anderen bestand zwar, wie erläutert, ein Anspruch auf Einzelverbriefung der Aktien. Eine Einzelverbriefung kam aber in der Praxis nur sehr selten vor. Gerade bei Aktiengesellschaften, die an der Börse gehandelt werden, hatte die Auslieferung von Einzelaktien keine Bedeutung mehr, da der Handel im Effekten-Giroverkehr erfolgt. Vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Erwägungen wird die Neuregelung in § 10 Abs. 5 AktG von der Literatur auch ganz überwiegend begrüßt523. Der Gesetzgeber ist im übrigen in der Folgezeit den mit der Einfügung des § 10 Abs. 5 AktG beschrittenen Weg noch weiter gegangen. Durch das KonTraG wurde die Vorschrift 1998 neu gefaßt. Dadurch kann durch Satzungsbestimmung nicht nur der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen werden; es ist vielmehr möglich jeglichen Anspruch auf Verbriefung auszuschließen oder einzuschränken524. Die Einfügung des § 10 Abs. 5 AktG, ebenso wie die jetzige Neufassung durch das KonTraG, haben aber nicht nur Vorteile: Die Vorschrift kann bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften zu einer Einschränkung der Fungibilität der Anteile beitragen. Wenn nämlich das Mitgliedschaftsrecht an der Aktiengesellschaft in einem Inhaberpapier verbrieft ist, folgt daraus die einfa____________ 521

Dazu auch Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 6. Auf diesen Umstand weisen auch Ammon / Görlitz, S. 88 hin, ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 30 und Brinkmann, S. 42. Zu dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis, sogar gegen den Willen der Aktionäre, vgl. Hüffer, AktG § 10 Rdnr. 19. 523 Statt vieler Ammon / Görlitz, S. 88, die von einer „insgesamt vernünftigen und sinnvollen Regelung“ sprechen. Ähnlich Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 30, der die alte Rechtslage als einen „überflüssigen und antiquierten Rechtszustand“ bezeichnet. Heckschen, DNotZ 1995, 275, 278 sieht in § 10 Abs. 5 AktG eine „für alle Gesellschaften erfreuliche Ergänzung“ des § 10 AktG. Lutter, AG 1994, 429, 436 findet eine entsprechende Satzungsregelung „empfehlenswert“, ebenso Claussen, WM 1996, 609, 610. 524 Zu den Problemen bei einer nachträglichen Satzungsänderung, durch die ein Ausschluß der Verbriefung erfolgen soll vgl. nur Hüffer, AktG § 10 Rdnr. 12 und Heider, MünchKomm. AktG § 10 Rdnr. 58. Vgl. zu § 10 Abs. 5 AktG i.d.F. des KonTraG auch Lauppe, DB 2000, 807 ff. 522

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che Übertragbarkeit des „Rechts aus dem Papier“ durch die Übertragung des „Rechts am Papier“ nach §§ 929 ff. BGB. Dies hat mehrere Folgen525: Zum einen gilt somit auch der Gutglaubensschutz des § 932 BGB, der wegen § 935 Abs. 2 BGB sogar auf abhanden gekommene Inhaberaktien erstreckt ist. Soweit das Mitgliedschaftsrecht jetzt nicht mehr verbrieft ist, bleibt dem Aktionär nur die Abtretung nach § 398 BGB ohne jeglichen Gutglaubensschutz. Das gleiche gilt für den Fall, daß der Aktionär eine Mehrfachurkunde ausgestellt erhalten hat und nicht über alle Anteile verfügen will. Auch dann kann er diese nur nach § 398 BGB abtreten. Zum anderen kann in diesem Fall die Veräußerung auch der Gesellschaft gegenüber nicht mehr anonym bleiben. Nach Abtretung können dann der alte und neue Aktionär von der Gesellschaft die Ausstellung von Urkunden über ihren Aktienanteil verlangen. Dies setzt aber voraus, daß die Abtretung gegenüber der Aktiengesellschaft angezeigt und auch nachgewiesen wird526. Diese Folgen wurden zwar vom Gesetzgeber in der Begründung der Novelle 1994 nicht ausdrücklich angesprochen. Er sah jedoch durchaus, daß der Ausschluß der Einzelverbriefung im Zusammenhang mit anderen Möglichkeiten zu sehen ist, durch die die freie Verfügbarkeit der Aktien eingeschränkt wird. Zu nennen sind hier die Vinkulierung der Anteile, die Vereinbarung von Vorkaufsrechten für die Gesellschaft selbst oder für die anderen Gesellschafter sowie die Ansetzung hoher Nennbeträge527.

II. Bedeutung und Bewertung der Änderungen Im nachfolgenden Abschnitt geht es um die Bedeutung und Bewertung der Änderungen. Zu Beginn widmet er sich dem Stellenwert der Änderungen im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts (unter 1.). Unter 2. werden die Änderungen, die durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ vorgenommen wurden mit den Vorschlägen von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter im „Drei-Stufen-Modell“ verglichen. Unter 3. schließlich werden die Änderungen einer Bewertung durch die Praxis unterzogen.

____________ 525

Siehe auch schon Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4 und Brinkmann, S. 42. Ähnlich Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 4, Ammon / Görlitz, S. 88; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 33b und Brinkmann, S. 42. Die Schwierigkeiten bei nur teilweiser Veräußerung spricht auch Planck, GmbHR 1994, 501, 505 an. 527 Vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 7. 526

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1. Stellenwert der Änderung im Gesamtsystem a) Stellung der Gesellschafter und Übertragbarkeit der Anteile Ausgangspunkt für eine unterschiedliche Konzeption der Organisationsverfassung bei GmbH und Aktiengesellschaft ist ein verschiedenartiges Verständnis der Stellung des Gesellschafters. Diese entspricht sich in beiden Rechtsformen zwar formal, da die Gesellschafter jeweils Mitglieder eines körperschaftlichen Zusammenschlusses sind, durch den ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. In der materiellen Ausgestaltung zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede. Wie bereits im Zusammenhang mit den Gründungsvorschriften angedeutet, ist die GmbH im Vergleich zur Aktiengesellschaft personalistischer organisiert. Das Gesetz geht von einer stärkeren Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft aus und auch von einem größeren unternehmerischen Engagement des einzelnen Gesellschafters528. Dies beginnt damit, daß in der GmbH die Gesellschafter nicht anonym sind. Die Gesellschaft muß nach § 16 Abs. 1 GmbHG nur diejenigen Personen als Gesellschafter behandeln, die bei ihr angemeldet sind. Zugleich trifft auch die Gesellschaft selbst eine Pflicht dafür zu sorgen, daß der aktuelle Bestand ihrer Mitglieder für jeden im Handelsregister einsehbar ist (§ 40 Abs. 1 GmbHG). Darauf wurde bereits ausführlich eingegangen529. Diese engere persönliche Bindung wirkt sich auch in der verhältnismäßig schweren Übertragbarkeit der Geschäftsanteile aus. Nach § 15 Abs. 3 GmbHG ist zur Übertragung der Anteile ein Vertrag in notarieller Form erforderlich. Auch kann der Gesellschaftsvertrag nach § 15 Abs. 5 GmbHG an die Abtretbarkeit der Anteile weitere Voraussetzungen knüpfen. Nach ganz überwiegender Meinung kann durch eine Bestimmung im Gesellschaftsvertrag die Abtretbarkeit sogar gänzlich ausgeschlossen werden530. Die Aktiengesellschaft geht dagegen vom Typus der anonymen Publikumsgesellschaft aus, bei der für die Gesellschafter die Kapitalanlage im Vordergrund steht. Der Aktionär ist nicht nur Mitglied eines Unternehmensverbandes sondern in erster Linie Kapitalanleger. Gerade mit der Charakterisierung des Aktionärs als Kapitalanleger ist die Anonymität der Mitgliedschaft verbunden. Weder die Aktiengesellschaft selbst kennt notwendigerweise ihre Gesellschaf____________ 528 Ähnlich Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 40, der davon spricht, daß sich der Gesetzgeber von der Überlegung hat leiten lassen, „die Gesellschafter stünden in großer Nähe zum Gesellschaftsgeschehen und seien überdies untereinander verbunden“. 529 Vgl. I. 1. c) aa) (1). 530 Vgl. nur RGZ 80, 175, 179.

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ter, da keine dem § 16 GmbHG entsprechende Anmeldepflicht besteht, noch kann die Öffentlichkeit Einblick in die Gesellschafterstruktur einer Aktiengesellschaft gewinnen531. Im Zusammenhang damit steht die leichtere Übertragbarkeit der Geschäftsanteile. Die Veräußerung erfolgt, der Idee des Gesetzes entsprechend, wertpapierrechtlich in Abhängigkeit von der genauen wertpapierrechtlichen Art der Verbriefung des Geschäftsanteils. Bei Inhaberaktien, die Inhaberpapiere darstellen, erfolgt die Übertragung wie bei beweglichen Sachen gemäß § 929 BGB durch Einigung und Übergabe. Der Übertragung des Eigentums am Papier folgt die Übertragung des darin verbrieften Rechts nach. Bei Namensaktien handelt es sich um Orderpapiere. Die Übertragung erfolgt daher durch Indossament. Soweit der Geschäftsanteil überhaupt nicht verbrieft ist, bleibt die Übertragung der Mitgliedschaft durch einfache Einigung nach § 398 BGB. Diese Übertragungsarten führen zu einem leichteren Wechsel der Stellung als Aktionär als etwa bei der GmbH. Die modernen Formen des Effektenhandels, die bei börsennotierten Gesellschaften weitgehend an die Stelle der Übertragung in den Formen des Wertpapierrechts getreten sind, tun ein übriges532.

b) Rechte und Pflichten der Gesellschafter Neben den beschränkten eher formalen Folgen zieht die unterschiedliche Auffassung der Stellung des Gesellschafters in Aktiengesellschaft und GmbH auch Konsequenzen für andere Bereiche nach sich. Am deutlichsten wird dies bei den Rechten und Pflichten der Gesellschafter. So war etwa die Treuepflicht der Gesellschafter, die im Gebiet der Personengesellschaften ihren Ursprung hat, zunächst ausschließlich für die Gesellschafter einer GmbH anerkannt533. Eine Anerkennung von Treuepflichten wurde für die Aktiengesellschaft lange Zeit vollständig abgelehnt534 und erfolgte durch die Rechtsprechung erst spät535. ____________ 531

Eine Ausnahme besteht hier in gewisser Weise nur bei Namensaktien, vgl. §§ 67, 68 AktG und über die Meldepflichten des §§ 20, 21 AktG und §§ 21, 22 WpHG. 532 Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Formen der Übertragung von Aktien, Mentz / Fröhling, NZG 2002, 201 ff. 533 Hierzu etwa K. Schmidt, § 35 I, S. 1036. 534 Aus der Rechtsprechung RGZ 158, 248, 254; BGHZ 18, 350, 365 und BGH, JZ 1976, 561 (Audi/NSU) Vgl. dazu auch Hueck, § 26 IV, S. 262 f.; K. Schmidt, § 20 IV, S. 591; Schiessl, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 32 Rdnr. 12 ff.; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 17 Rdnr. 14 ff.; Hüffer, § 10, S. 78 ff.; Eisenhardt, Rdnr. 647 ff. zur Aktiengesellschaft und Rdnr. 741 ff. zur GmbH jeweils m.w.N. 535 Zu nennen wären hier zunächst das Urteil „Linotype“, BGHZ 103, 184 ff. und erst vor wenigen Jahren, im Jahr 1995, die Entscheidung „Girmes“, BGHZ 129, 136 ff.

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Als weiteres Beispiel sind hier die Möglichkeiten genannt, den Gesellschaftern über die bloße Leistung der Einlage hinausgehende Pflichten aufzuerlegen. Dies ist bei der GmbH nach § 3 Abs. 2 GmbHG ohne weitere Beschränkungen zulässig, bei der Aktiengesellschaft wird es jedoch nur in den engen Grenzen des § 55 AktG gestattet.

c) Organstruktur Von noch größerer Bedeutung ist es, daß die unterschiedliche Stellung der Gesellschafter auch Auswirkungen auf die Organe und deren Kompetenzen ebenso wie für die Reichweite der Satzungsautonomie hat, also der Möglichkeit in Gesellschaftsvertrag oder Satzung von dem im Gesetz vorgegebenen Regelungsmuster abzuweichen. Die Organe stehen im Mittelpunkt dieses Abschnitts [unter c)], auf die Satzungsautonomie wird im nachfolgend Abschnitt [unter d)] näher eingegangen.

aa) Die Aktiengesellschaft Für die Aktiengesellschaft sieht das Gesetz drei Organe vor: den Vorstand (§§ 76 ff. AktG), den Aufsichtsrat (§§ 95 ff. AktG) und die Hauptversammlung (§§ 118 ff. AktG). Der Vorstand ist das Organ, dem die Leitung der Gesellschaft, also die Geschäftsführung (§ 76 Abs. 1 AktG), ebenso wie die Vertretung der Gesellschaft (§ 78 Abs. 1 AktG) obliegt. Wesentlich ist dabei, daß er – wie in § 76 Abs. 1 AktG ausdrücklich erwähnt – „unter eigener Verantwortung“ handelt. Daraus ergibt sich insbesondere seine Weisungsunabhängigkeit sowohl vom Aufsichtsrat wie auch von der Hauptversammlung. Der Aufsichtsrat hat die Funktion der sachverständigen Kontrolle und Überwachung der Geschäftsleitung (§ 111 Abs. 1 AktG). Neben der Überwachung des Vorstands ist ihm auch die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder zugewiesen (§§ 84 Abs. 1 und Abs. 3 AktG). Diese Kompetenz stellt eine Sanktionsmöglichkeit bei groben Pflichtverletzungen des Vorstands dar und kann letztlich – neben anderen Zwecken – auch als ein Mittel der Durchsetzbarkeit der Überwachung gesehen werden. Diese Überwachung erfolgt durch den Aufsichtsrat, der in unterschiedlicher Weise zur bereits angesprochenen Legitimation der Lenkungsmacht des Unternehmens536 beträgt. Ein ____________ zur Treuepflicht eines Minderheitsaktionärs. Differenzierend schon Wiedemann, § 2 I, S. 95. 536 Dazu K. Schmidt, § 16, S. 456 ff. Vgl. hierzu im übrigen oben unter I. 1. a) aa).

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Teil der Mitglieder wird von den Aktionären bestimmt, d.h. in der Regel gewählt (§ 101 Abs. 1 AktG) und vermittelt so die verbandsrechtliche Legitimation der Leitungsmacht. Der andere Teil der Mitglieder wird nach verschiedenen Mitbestimmungsvorschriften besetzt und dient zur Legitimation von Arbeitnehmerseite. Zuletzt ist die Hauptversammlung zu nennen – das Organ, in dem die Aktionäre selbst ihre Rechte ausüben. Die wesentlichen Befugnisse der Hauptversammlung (§ 119 AktG) sind neben der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder, die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 174 AktG) sowie eine Grundlagenzuständigkeit537, die der Hauptversammlung eine Entscheidung über alle Fragen zuweist, die für den Fortbestand und die Kapitalstruktur der Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind. Über die ihr im einzelnen zugewiesenen Kompetenzen ist der Hauptversammlung in erster Linie eine langfristige Steuerung der Aktiengesellschaft möglich. Eine unmittelbare Mitwirkung in der Führung laufender Geschäfte ist jedoch zur Gänze ausgeschlossen538.

bb) Die GmbH Die Struktur der GmbH ist mit grundsätzlich lediglich zwei gesetzlich vorgeschriebenen Organen einfacher als die der Aktiengesellschaft. Das vom Gesetz vorgesehene Leitungsorgan ist der Geschäftsführer (§§ 6, 35 ff. GmbHG), wobei die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer haben kann (§ 6 Abs. 1 GmbHG). Er vertritt die GmbH gerichtlich und außergerichtlich (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Neben der Vertretung obliegt ihm grundsätzlich auch die Leitung der Geschäfte im Inneren, also die Geschäftsführung. Die Gesellschafterversammlung (§§ 45 ff. GmbHG) ist wie auch die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft das Organ der Willensbildung der Gesellschafter selbst. Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft ist die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung nach § 45 Abs. 1 GmbHG allumfassend, soweit die Kompetenzen nicht ausdrücklich dem Geschäftsführer zugewiesen sind539 (Grundsatz der Allzuständigkeit). Die §§ 46 ff. GmbHG präzisieren die Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung trifft. Neben den grundlegenden Entscheidungen ____________ 537

Zum Begriff Kübler, § 15 V, S. 195. Ähnlich Kübler, § 15 V, S. 194 f. 539 Beispiele bei Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 42. 538

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gehört hier auch die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung selbst (§ 46 Nr. 6 GmbHG), einschließlich der Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zu ihren Kompetenzen. Sie kann – im Gegensatz zur Hauptversammlung – sich zudem maßgeblich in die Geschäftsführung selbst einbringen, da eine generelle Beschränkung der Geschäftsführung genauso möglich ist, wie eine Weisung im Einzelfall. Auch kann sie eine konkrete Entscheidung gänzlich an sich ziehen540. Ein Aufsichtsrat ist als zusätzliches Organ in einer GmbH nur dann obligatorisch, wenn sich dies aus den Mitbestimmungsgesetzen ergibt. Dies bedeutet, daß eine GmbH mit mehr als 500 Arbeitnehmern, einen Aufsichtsrat haben muß (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG)541. In der mitbestimmten GmbH hat der Aufsichtsrat, wie in der Aktiengesellschaft, die Aufgabe der Überwachung der Geschäftsführung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG). Die Personalkompetenz, welche die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers ebenso wie den Abschluß des Anstellungsvertrages umfaßt, ist dem Aufsichtsrats einer GmbH nur zugewiesen, wenn die Mitbestimmung nach dem MitbestG (§ 31 Abs. 1 MitbestG i.V.m. § 84 AktG) erfolgt bzw. wenn ein Fall der Montanmitbestimmung vorliegt (§ 12 MontanMitbestG bzw. § 13 MitbestErgG i.V.m. § 84 AktG). Bei der Mitbestimmung nach DrittelbG verbleibt diese Aufgabe bei der Gesellschafterversammlung. Doch selbst, wenn der Aufsichtsrat entsprechende Kompetenzen hat, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Stellung der Gesellschafterversammlung als „oberstes Organ“542, da es insbesondere bei der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers bleibt und auch das Recht zur Feststellung des Jahresabschlusses nach § 46 Nr. 1 GmbHG weiterhin der Gesellschafterversammlung zusteht.

cc) Leitbild und Organisationsstruktur Die eben dargestellte unterschiedliche Organstruktur ist zu einem wesentlichen Teil in sich unterscheidenden Auffassungen von der Stellung des Gesellschafters in GmbH und Aktiengesellschaft begründet. Nachdem der Gesellschafter in der GmbH eher als Unternehmer gesehen wird, der sich für die Gesellschaft engagiert und sich für eine Kapitalgesellschaft vornehmlich aus Gründen der Haftungsbeschränkung entschieden hat, ist es nur folgerichtig, daß ____________ 540 Vgl. Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 41 unter Hinweis auf den zu engen Wortlaut des § 37 Abs. 1 GmbHG. 541 Zur Mitbestimmung nach MitbestG bzw. MontanMitbestG und MitbestErgG vgl. oben unter I. 1. a) aa). 542 So auch Hueck, § 36 I, S. 356.

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den Gesellschaftern große Bedeutung gerade auch für die alltägliche Geschäftsführung beigemessen wird. Durch den unmittelbaren Einfluß der Gesellschafterversammlung auf den Geschäftsführer kann sich das unternehmerische Handeln direkt umsetzen, sei es durch die Bestimmung der Person des Geschäftsführers, sei es durch Weisungen. Soweit dagegen ein Aufsichtsrat in der GmbH obligatorisch wird, geht es ausschließlich um die Verwirklichung der Mitwirkungsinteressen der Arbeitnehmer543. Das Leitbild der Aktiengesellschaft findet sich in der Organisationsverfassung dieser Gesellschaftsform wieder. Wenn es den Aktionären nicht in erster Linie um ein eigenes unternehmerisches Handeln geht, sondern um die Anlage ihres Kapitals, sind Veränderungen in der Struktur und Kompetenzverteilung konsequent. Für weitreichende Entscheidungen in organisatorischer oder finanzieller Hinsicht bleibt es bei der Zuständigkeit der Gesellschafter, soweit es aber um das Tagesgeschäft geht, würde ein unmittelbarer Einfluß der Aktionäre gegebenenfalls mehr schaden als nützen. Als Stichwort ist hier die Trennung von Kapitalanleger und Management zu nennen544. Wenn der Aktionär hauptsächlich an der möglichst gewinnbringenden Anlage seines Kapitals interessiert ist, wird er nur begrenzt zu einer effektiven Kontrolle der Unternehmensführung in der Lage sein. Eine solche würde ein großes Maß an Wissen und Zeit erfordern. Vor dem Hintergrund, daß der Anleger sein Kapital gegebenenfalls an mehreren Stellen, etwa bei mehreren Gesellschaften eingesetzt hat, wird deutlich, daß er selbst die Kontrollfunktion nicht mehr wahrnehmen kann und will. Diese Aufgabe kommt in quasi professionalisierter Weise dem Aufsichtsrat zu545, auf dessen Besetzung der Aktionär, wie beschrieben, Einfluß nehmen kann.

d) Satzungsautonomie Eine ähnliche Bedeutung wie der Organisationsstruktur kommt dem Themenkreis „Satzungsautonomie“ bzw. „Satzungsstrenge“ und Flexibilität der gesellschaftlichen Regelungen im einzelnen zu. Die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag546 ist die rechtsgeschäftliche Grundlage der Gesellschaft. Wie in jedem anderen privatrechtlichen Vertrag auch, legen darin die Mitglieder die ____________ 543

Vgl. Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 40. Vgl. zu dem Schlagwort von „separation of ownership and control“ bereits Berle / Means, S. 69 ff. 545 Ähnlich zur Bedeutung des Aufsichtsrats Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 40. 546 Zur Frage, ob es Funktionsunterschiede zwischen „Satzung“ und „Gesellschaftsvertrag“ gibt vgl. K. Schmidt, § 5 I, S. 85 ff. 544

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Einzelheiten ihrer vertraglichen Ordnung nieder. Wesentliches Merkmal ist dabei die Vertragsfreiheit der Mitglieder, die sich in der Gesellschaft in der Satzungsautonomie niederschlägt. Grundsätzlich obliegt demnach die Ausgestaltung der Regelungen in einer Gesellschaft den Gesellschaftern selbst. Begrenzt wird dies durch zwingendes Gesetzesrecht, dessen Aufgabe der Verkehrsschutz oder der Schutz der Mitglieder ist547. Bei der GmbH ist ein Großteil der gesetzlichen Vorschriften dispositiv. Zwingende Normen finden sich insbesondere dort, wo es um den Schutz derjenigen geht, die mit der GmbH in geschäftlichen Kontakt treten548. Beispielsweise sind die Regeln über die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht nach außen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) oder die Vorschriften, die zur Aufbringung und Sicherung des Kapitals dienen sollen (z.B. §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2, 30 GmbHG), zwingend. Die Regeln zu den inneren Strukturen dagegen sind nach dem GmbHG weitgehend dispositiv549. Damit ähnelt die Rechtslage bei der GmbH derjenigen im Recht der Personengesellschaften, bei denen § 109 HGB für das Innenverhältnis das Primat des Gesellschaftsvertrages festlegt. Der Gedanke, der hinter der weitgehenden Vertragsfreiheit steht, ist es, den Parteien zuzugestehen, generell selbst für die Wahrung ihrer Interessen zu sorgen. Im Aktienrecht gilt zwar auch der Grundsatz der Vertragsfreiheit. § 23 Abs. 5 AktG erklärt jedoch alle Vorschriften für zwingend, soweit nicht ausdrücklich eine Abweichung zugelassen ist. Damit besteht die Möglichkeit für eine privatautonome Gestaltung auch für die inneren Belange der Aktiengesellschaft nur in einem engen Rahmen. Die Verantwortung für die Gestaltung der Rechtsverhältnisse ist praktisch von den Gesellschaftern als „Satzungsgebern“ auf den Gesetzgeber verlagert550. Die Rechtfertigung einer solchen Beschränkung der Vertragsfreiheit auch nach innen besteht – nach der Auffassung des Gesetzgebers – darin, daß die Aktionäre als Kapitalanleger typischerweise nicht ihre Interessen selbst wahrnehmen können und wollen551. Zum einen hat derjenige Aktionär, der erst später seinen Gesellschaftsanteil erwirbt, keine Möglichkeit, Einfluß auf eine möglichst interessengerechte Ausgestaltung der Satzung zu nehmen. Zum anderen führt die in § 23 Abs. 5 AktG vorgeschriebene formelle ____________ 547 548

Vgl. K. Schmidt, § 5 III, S. 116. So auch Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26,

49. 549

Beispiele für die Gestaltungsfreiheit etwa bei K. Schmidt, S. 1004. Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 46. 551 Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 46 nennt hier den Schutz vielfältiger Interessen: Gläubiger, Kapitalanleger, Arbeitnehmer an der Mitbestimmung und „schließlich der Allgemeinheit am guten Funktionieren der AG als gesetzestypischen Kapitalsammelbecken und Großunternehmensträger“. 550

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Satzungsstrenge zu einer Formalisierung des Aktienrechts, die dem Anleger die Anlageentscheidung vereinfacht. Er kann sich auf einen gewissen Mindeststandard von Rechten und Pflichten verlassen und ist nicht darauf angewiesen, sich umfangreich und unter großem Zeitaufwand, um die Regelungen der Satzung im einzelnen zu kümmern. Derselbe Gedanke steht hinter der größeren Formalisierung des Aktienrechts gegenüber dem GmbH-Recht. Es wurden oben im Zusammenhang mit der Einberufung der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafterversammlung auf die unterschiedlichen Bestimmungen über die Einberufung und Durchführung der Versammlungen hingewiesen552. Diese soll an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen werden. Auch in diesem Bereich ist der höhere Grad an Formalität bei der Aktiengesellschaft durch deren besondere Gesellschafterstruktur bedingt. Bei einer Gesellschaft mit einem großen Kreis von Mitgliedern, die noch dazu für die Gesellschaft selbst weitgehend anonym sind, ist eine Einberufung, wie in § 121 Abs. 3 AktG (durch Veröffentlichung der Einberufung in den Gesellschaftsblättern) die einzige Möglichkeit, durch die eine Information der Gesellschafter hinreichend sicher gewährleistet werden kann. Das gleiche gilt für die Bekanntmachung der Tagesordnung nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG553. Dagegen können bei der GmbH weniger formale Wege554 gewählt werden, wie sie etwa in § 51 GmbHG für die Form der Einberufung niedergelegt sind. Der Kreis der Gesellschafter ist in der Regel kleiner und die Gesellschafter sind der Gesellschaft gegenüber bekannt (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Häufig wird darüber hinaus bei der GmbH durch die unmittelbare Beteiligung der Gesellschafter etwa als Geschäftsführer ohnehin eine weitgehende Information der Gesellschafter gewährleistet sein, so daß auch aus diesem Grund die Formalien geringer ausfallen können.

____________ 552

Siehe dazu I 2 b. Für den Zusammenhang zwischen komplexen Vorschriften über die Hauptversammlung und der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft mit einem großen Kreis ständig wechselnder Aktionäre auch Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 45 f. Auch Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 79 sehen in den Vorschriften zur rechtzeitigen Unterrichtung der Aktionäre ein Element des Anlegerschutzes. 554 Auch Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 42 betont, die Ausgestaltung des Entscheidungsprozesses als „einfach und flexibel“. Als Beispiel führt er auf S. 43 an, daß die Gesellschafter „sogar beim Tennis ad hoc Beschlüsse fassen [können], wenn nur alle Gesellschafter damit einverstanden sind“. 553

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2. Teil: Deutsches Recht

e) Die Änderungen im Gesamtsystem Ein Großteil der Änderungen, die durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ im Aktienrecht vorgenommen wurden, betreffen zwar die Organisationsverfassung, an der grundsätzlich unterschiedlichen Auffassung der Stellung der Gesellschafter in der „Kleinen AG“ gegenüber der Gesellschaft selbst aber auch untereinander ändert sich jedoch auch nach der Reform nur wenig. Im wesentlichen bleibt hier die Regelung für die klassische Aktiengesellschaft weiterhin maßgeblich. Eine Annäherung an die GmbH, etwa in der Art, daß die Gesellschafter in der „Kleinen AG“ einen stärkeren Einfluß auf die Gesellschaft haben würden oder vermehrte Einsichtsrechte, um nur einige Beispiele zu nennen, findet hier nicht statt. Auch hinsichtlich der Organe führt die Novelle zu keinen grundlegenden Veränderungen. Der Aufsichtsrat bleibt für die Aktiengesellschaft obligatorisch, jedoch wird im Mitbestimmungsrecht formal die Rechtslage für die GmbH und die Aktiengesellschaft vollständig angeglichen, soweit es um die Neuerrichtung von Aktiengesellschaften geht. Für beide Gesellschaften greift die Unternehmensmitbestimmung erst ab einer Anzahl von 500 Arbeitnehmern555 ein (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 DrittelbG). Wie erläutert hat aber die Mitbestimmung primär nichts mit der Stellung der Gesellschafter zu tun, sondern dient lediglich der Beteiligung der Arbeitnehmer an Unternehmensentscheidungen. Auf den zweiten Blick stellt jedoch auch diese Änderung eine gewisse Abkehr vom Bild der Aktiengesellschaft als bloßer kapitalistischer Gesellschaftsform dar. Wie die frühere Ausnahme der Mitbestimmung bei Familienaktiengesellschaften zeigt, war wesentlicher Grund für die Unternehmensmitbestimmung auch bei einer Aktiengesellschaft mit nur einer geringen Anzahl von Arbeitnehmern die Anonymität der Kapitalgeber, die selbst keinerlei unternehmerisches Engagement an den Tag legen556. Bei einer Familienaktiengesellschaft wurde vom Gesetzgeber angenommen, daß diese Anonymität nicht bestehe und daß daher auch ein Gleichlauf der Mitbestimmung mit den Regeln für die GmbH möglich war. Diese „Anonymität der Kapitalgeber“ liegt aber nicht zwingend bei einer Aktiengesellschaft vor, auch wenn es sich dabei nicht um eine Familienaktiengesellschaft handelt. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber nun Rechnung getragen.

____________ 555

Auf die unterschiedlichen Formulierungen des § 76 Abs. 6 Satz 1 BetrVG 1952 und § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1952 bzw. den entsprechenden Vorschriften des DrittelbG und der daraus resultierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen bei genau 500 Arbeitnehmern wurde oben im Zusammenhang mit § 76 BetrVG 1952 hingewiesen. 556 Ebenso Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 106.

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Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß die Mitbestimmung – trotz ihrer jetzigen Rechtsformunabhängigkeit – unterschiedliche Auswirkungen auf den Einfluß der Arbeitnehmer in der Aktiengesellschaft und der GmbH hat. Dies hängt mit den bereits erwähnten557 weitreichenderen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung gegenüber der Hauptversammlung zusammen. Dies hat indirekt auch Auswirkungen auf die Bedeutung des Aufsichtsrats. Auch nach der Neuregelung des Aktienrechts in der Novelle 1994 ist der Einfluß der Gesellschafter bzw. der Hauptversammlung im Vergleich zur Gesellschafterversammlung gering geblieben. Auch bei einer personalistischen Aktiengesellschaft handelt der Vorstand in eigener Verantwortung unabhängig von den Weisungen der Gesellschafter558. Der Einfluß der Hauptversammlung wurde lediglich bei der Gewinnverteilung gestärkt. Durch eine Satzungsbestimmung nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG kann bei einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft bestimmt werden, daß Vorstand und Aufsichtsrat gar keinen Teil des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklage einstellen dürfen, soweit es sich nicht um die gesetzliche Rücklage handelt. Damit kann die Bedeutung der Hauptversammlung in einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft wachsen, da die Gesellschafter gegebenenfalls über die Verwendung des gesamten Jahresüberschusses bestimmen können, §§ 58 Abs. 3, 174 AktG559. Hinsichtlich des unterschiedlichen Grades der Satzungsautonomie bzw. der Formalisierung fand ebenfalls durch das Gesetz eine Annäherung an die Rechtslage bei der GmbH statt. Dabei kam es im Hinblick auf die Satzungsautonomie im allgemeinen zu einer punktuellen Angleichung. Auch nach der Reform bleibt es für jede Aktiengesellschaft, unabhängig davon, ob sie personalistisch ausgestaltet ist oder nicht, weiterhin beim Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG. Lediglich in zwei kleinen Teilbereichen trug die Reform zu einer Erweiterung der Satzungsautonomie bei: Zum einen kann, wie erwähnt, die Satzung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG sowohl bestimmen, daß ein größerer Teil als die Hälfte des Jahresüberschusses in die andere Gewinnrücklage eingestellt werden kann, als auch daß ein geringerer Teil eingestellt werden darf. Die Festlegung des Bruchteils des Jahresüberschusses, den Vorstand und Aufsichtsrat über das gesetzlich Geforderte hinaus einer Gewinnverteilung an die Aktionäre entziehen können, kann in einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft (und seit dem TransPuG in jeder Aktiengesellschaft) völlig frei festgelegt werden. Die zweite ____________ 557

Vgl. oben unter c) aa) und bb). Zur möglichen Ausgestaltung der Unternehmensführung bei personalistischen Aktiengesellschaften vgl. Friedewald, S. 82 ff. 559 Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß durch das TransPuG für börsennotierte Aktiengesellschaften nunmehr dieselbe Flexibilität gilt. 558

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Änderung, die eine Erweiterung der Satzungsautonomie betrifft, ist § 10 Abs. 5 AktG. Durch diese Bestimmung kann in der Satzung selbst über das Schicksal des Anspruchs der Gesellschafter auf Verbriefung des Anteils entschieden werden560. Die Veränderungen im Bereich der §§ 121 ff. AktG stellen zudem eine Angleichung an die Regelungen der GmbH dar. Sowohl die Einberufung der Hauptversammlung als auch die Bekanntmachung der Tagesordnung durch eingeschriebenen Brief, §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 Satz 3 AktG, entsprechen hinsichtlich der Form den Bestimmungen im GmbH-Recht (§ 51 Abs. 1 GmbHG). Ein Absehen von jeglichen Einberufungsformalien wird sogar nach § 121 Abs. 6 AktG zulässig, soweit eine Vollversammlung vorliegt und kein Aktionär widerspricht. Auch die Erleichterungen bei der Beurkundungsbedürftigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung in § 130 AktG dienen der Vereinfachung und stellen zumindest eine Annäherung an die rechtlichen Vorschriften der GmbH dar. Die formellen Erleichterungen gelten jedoch nicht für alle Aktiengesellschaften. Voraussetzung bei §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 Satz 4 AktG ist die namentliche Bekanntheit der Aktionäre. Die Vorschriften finden also dann Anwendung, wenn es sich bei der Aktiengesellschaft nicht um eine anonyme Massengesellschaft handelt. Ähnliches gilt für das Vollversammlungsprivileg. Auch dieses setzt zumindest faktisch einen überschaubaren Gesellschafterkreis voraus und wird bei einer Publikumsgesellschaft mit zahlreichen Kleinaktionären wohl keine Bedeutung erlangen. Auch § 130 AktG gilt, wie ausgeführt, nicht für alle Aktiengesellschaften, sondern nur für diejenigen, die nicht an der Börse notiert sind. Auch hier ist eine Abkehr vom alten Leitbild der Aktiengesellschaft zu erkennen, das, ohne weitere Differenzierung, davon ausging, daß es sich bei einer Aktiengesellschaft um eine börsennotierte Gesellschaft handelt. Insgesamt stellen somit die Veränderungen im Bereich der Organisationsverfassung keinen durchgreifenden Wandel im Aktienrecht dar, sind aber durchaus erste Schritte zu einer Neuorientierung, die nicht mehr die gesamte Regelung vom alten Leitbild lenken läßt.

____________ 560 Wie erwähnt bezog sich die Satzungsautonomie nach dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ nur auf die Möglichkeit einen Anspruch auf Einzelverbriefung auszuschließen. Durch die erneute Änderung des § 10 Abs. 5 AktG im KonTraG kann die Satzung jetzt sogar den vollständigen Ausschluß jeglicher Verbriefung vorsehen.

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2. Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“ Alle neuen Vorschriften, die im Bereich der Organisationsverfassung in das Aktienrecht eingefügt wurden, gehen im Grundsatz auf die Vorschläge von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter im „Drei-Stufen-Modell“ zurück561. Bei der zuvor durchgeführten Untersuchung monierten die befragten Unternehmer vor allem den erheblichen Aufwand, der mit der Durchführung einer Hauptversammlung im Zusammenhang steht. Dabei wurden in erster Linie die Mitteilungs- und Bekanntmachungsvorschriften als äußerst zeit- und kostenintensiv beurteilt562. Hinsichtlich der Akzeptanz dieser Vorschriften sprachen sich 82 % der Unternehmer563 für eine Vereinfachung der Einberufungsvorschriften aus, und sogar 91 %564 waren für einen Verzicht auf die zwingende Bekanntmachung der Einberufung durch die Gesellschaftsblätter. Gerade bei einem kleinen Kreis der Aktionäre, der überschaubar ist, war für die befragten Unternehmen auch der Sinn der Regelung nicht nachvollziehbar565. Ähnlich wurde auch die Pflicht zur Beurkundung aller Beschlüsse der Hauptversammlung vor allem als Kostenbelastung angesehen. Auch hier sprach sich daher eine Mehrheit für die Abschaffung der Beurkundungspflicht aus, soweit es nicht um grundlegende Fragestellungen geht566. Kostengesichtspunkte können schließlich auch für eine Verlängerung der Amtszeit der Arbeitnehmervertreter des ersten Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft im Falle der Sachgründung angeführt werden567.

____________ 561 Lediglich eine § 10 Abs. 5 AktG entsprechende Vorschrift wurde von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter nicht diskutiert. Zudem ist zu erwähnen, daß zwei weitere Änderungsvorschläge des „Drei-Stufen-Modells“ vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen wurden. Zum einen befürworteten die Autoren in ihrer Studie eine Erweiterung der Berichtspflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären (§ 277e AktG-Entwurf). Zum anderen wurde von ihnen die Möglichkeit zur Durchführung schriftlicher Abstimmungen vorgeschlagen (§ 277f AktG-Entwurf). Auf die Gründe, die gegen diese Möglichkeit sprechen, wurden bereits im Zusammenhang mit dem Vollversammlungsprivileg hingewiesen. 562 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 79. 563 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 80, Tabelle 5. 564 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 81, Tabelle 6. 565 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 80. 566 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 86. Anzumerken ist, daß das Ergebnis der Umfrage hier keineswegs so eindeutig war, wie bei den Einberufungsvorschriften, vgl. Tabelle 8. Lediglich bei den Familienaktiengesellschaften waren 80 % für eine Abschaffung der Beurkundungspflicht. 567 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 70.

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Hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen den Organen herrschte bei einem Großteil der befragten Unternehmen Zufriedenheit568. Bei der Frage der Gewinnverwendung wurde § 58 AktG von den Verwaltungsmitgliedern überwiegend positiv beurteilt569. Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter schlugen gleichwohl eine Veränderung der Norm vor, die auch vom Gesetzgeber aufgegriffen wurde. Hintergrund war die bereits erwähnte größere Flexibilität in dieser Frage im GmbH-Recht. Eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist in erster Linie eine Entscheidung der Gesellschafter selbst. Für diese kann aber eine eventuell vollständige Thesaurierung einen gewichtigen Eingriff in die Vermögensrechte darstellen, da so keine Dividende ausgezahlt wird. Daher waren Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter der Ansicht, daß § 58 AktG eine Zugangsbarriere für die Rechtsform der Aktiengesellschaft sein könnte570. Eine ähnliche Situation zeigt sich bei der Mitbestimmung. Von Seiten der Unternehmen wurde angeführt, daß die Mitbestimmung jedenfalls kein Hindernis für eine Aktiengesellschaft darstelle571. Kritisch wurde nur gesehen, daß sich bei einer Umwandlung einer GmbH in eine Aktiengesellschaft sich die Mitbestimmung ändert, wenn das Unternehmen weniger als 500 Arbeitnehmer habe. Als GmbH sei das Unternehmen mitbestimmungsfrei, als Aktiengesellschaft besitze es jedoch einen mitbestimmten Aufsichtsrat. Da es, wie oben bereits erläutert, keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt, wurde auch hier eine Änderung der Rechtslage vorgeschlagen572.

____________ 568

Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 88 ff. So wurden von einem hohen Prozentsatz der befragten Unternehmen eine Erweiterung der Kompetenzen der Hauptversammlung abgelehnt (vgl. Tabellen 9–11, S. 89 f.). Die Unternehmen waren überdies zufrieden mit der Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat (Tabellen 14 + 15, S. 100). Eine Veränderung der Organstruktur, die eine Aufhebung der Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat mit sich bringen würde und damit das Board-System nach amerikanischem Modell einführen würde, wurde ebenfalls – trotz der eventuell größeren Flexibilität – von der ganz überwiegenden Mehrheit der befragten Unternehmen abgelehnt (Tabellen 19 + 20, S. 110). 569 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 123, Tabelle 25. 570 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 125 f. 571 Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 104, Tabelle 17. Lediglich in der Gruppe der Unternehmen, die eine Börseneinführung in naher Zukunft planen, sahen 56 % in der Mitbestimmung ein Hindernis und nur 44 % verneinten die Frage. 572 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 107.

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3. Bewertung der Änderungen durch die Praxis Abschließend sollen noch auf einige Ergebnisse der Studie von Schawilye, Gaugler und Keese zur Bewertung der Veränderungen573 in der Praxis hingewiesen werden. Der Wegfall der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 (bzw. jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) für neu gegründete Aktiengesellschaften wurde von 77,4 %, also mehr als Dreiviertel der in der Studie befragten Unternehmen, genutzt574. Soweit die befragten Unternehmen einen mitbestimmten Aufsichtsrat hatten, lag dies bei knapp der Hälfte der Unternehmen (43,6 %) daran, daß sie trotz der Änderung unter die Mitbestimmung fielen. Immerhin zwölf Unternehmen (also 30,8 %) kannten die Befreiung von der Mitbestimmungspflicht nicht575. Vom Recht zum Ausschluß der Einzelverbriefung haben 45,9 % der befragten Unternehmen Gebrauch gemacht. Etwa die Hälfte der Unternehmen, die sich nicht für eine entsprechende Satzungsbestimmung entschlossen hat, beurteilt diese als überflüssig, da beim konkreten Aktionärskreis nicht mit einer Geltendmachung des Anspruchs zu rechnen sei576. Zu erwähnen ist, daß die Zahlen577 nahelegen, daß ein Ausschluß von den Unternehmen eher in Erwägung gezogen wurde, wenn einen Börsengang geplant ist. Als Motiv ist hier an die durch die Verbriefung entstehenden Kosten zu denken. Zudem dürfte durch

____________ 573 Nicht eingegangen wird dabei auf die Beurteilung des § 31 Abs. 5 AktG. Von den 239 neueingetragenen Aktiengesellschaften, die dort befragt worden sind, haben nur acht Gesellschaften die Vorschrift genutzt. Grund für die geringe Anwendung war, daß 64,1 % der Unternehmen nicht der Mitbestimmung unterlagen und 33,4 % nicht durch Sachgründung entstanden sind. 574 Der Anteil der Unternehmen, die nach der Änderung keine Mitbestimmung haben, ist noch größer. Nachdem in der Untersuchung gefragt wurde, ob die Unternehmen „von der Neuerung Gebrauch gemacht“ hatten, haben diejenigen, die auch schon nach alter Rechtslage keine Mitbestimmung hatten, konsequenterweise mit „Nein“ geantwortet, vgl. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 133 und S. 237 zur Fragestellung. 575 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 132. Der Rest der Unternehmen hatte sonstige Gründe angegeben, etwa daß sie keine Mitarbeiter hätten und somit auch nach alter Rechtslage mitbestimmungsfrei waren. Ein Unternehmen hat die Mitbestimmung freiwillig eingeführt. Für Differenzierungen in der Beantwortung der Frage hinsichtlich der Unternehmensgröße, des Unternehmenscharakters und der Art der Errichtung vgl. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 133 f. 576 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 135. 54,8 % der Unternehmen, die § 10 Abs. 5 AktG nicht genutzt haben, gaben diese Antwort. Häufig waren dies Unternehmen mit nur ein oder zwei Gesellschaftern. Zur Beantwortung der Frage im Zusammenhang mit der Unternehmensgröße, den Wirtschaftszweigen sowie dem Unternehmenscharakter finden sich Ausführungen auf S. 138 f. 577 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 140.

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die Börsennotierung auch die Wahrscheinlichkeit einer Geltendmachung des Anspruchs auf Verbriefung steigen578. Eine Satzungsklausel entsprechend § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG, die eine Verlagerung der Entscheidung über die Thesaurierung von Gewinnen von der Verwaltung auf die Hauptversammlung vornimmt, wurde nur von etwa einem Fünftel aller Unternehmen aufgenommen579. Dabei nannten die meisten Gesellschaften, die sich gegen eine entsprechende Regelung entschieden hatten, daß eine Entscheidungsverlagerung keine Auswirkungen habe, da ohnehin eine Identität zwischen den Aktionären und den Verwaltungsmitgliedern bestehe (46,6 %)580. Etwa ein Viertel der Gesellschaften hat sich auch bewußt gegen eine Vermehrung der Kompetenzen der Hauptversammlung entschieden. Schawilye, Gaugler und Keese sehen dies vor dem Hintergrund, daß eine Aktiengesellschaft gerade häufig deshalb gewählt wird, um den Einfluß der Aktionäre zurückzudrängen581. Bei der Bewertung der verschiedenen Vorschriften, die sich auf die Hauptversammlung beziehen, fällt auf, daß das Vollversammlungsprivileg gegenüber der vereinfachten Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung und der Tagesordnung am positivsten beurteilt wird. Von den befragten Unternehmen gaben lediglich 32 % an, von der vereinfachten Einberufungsmöglichkeit mittels eingeschriebenen Briefes bisher Gebrauch gemacht zu haben. Unter den Unternehmen waren zu etwa einem Drittel auch solche, die Inhaberaktien haben und deren Aktionäre daher nicht zwangsläufig der Gesellschaft namentlich bekannt sind582. Wie bereits angedeutet, war der Hauptgrund für die Nichtanwendung (73,48 %) die Einschätzung, daß das neue Vollversammlungsprivileg praktikabler ist583. Konsequenterweise zeigen die Zahlen einen ____________ 578

Ähnlich Schawilye / Gaugler / Keese, S. 140, die hier von eventuell „erpresserischen Forderungen“ sprechen. 579 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 135. Auf S. 144 ff. finden sich Hinweise auf den Einfluß der Unternehmensgröße, der Branchenzugehörigkeit und des Unternehmenscharakters. 580 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 141. 581 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 143. Weitere Gründe waren die Unkenntnis der Vorschrift (12,2 %) und die Absicht einer späteren Börsennotierung (9,5 %). Vgl. zur Bedeutung eines späteren going public auch S. 149 f. 582 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 153. 583 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 155. Etwa 9,85 % gaben an, daß ihnen die Aktionäre nicht namentlich bekannt seien, 6,06 % beurteilten die Einberufung über Gesellschaftsblätter als sicherer. Weitere Gründe waren die Unkenntnis über die Vorschrift (0,76 %), die Einschätzung, daß eine Einberufung über die Gesellschaftsblätter kostengünstiger sei (3,79 %), der positive Imageeffekt (3,03 %) und sonstige Gründe (3,03 %). Zu einer Differenzierung nach Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit und Unternehmenscharakter, S. 156 ff.

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Zusammenhang zwischen der Anzahl der Aktionäre und der bisherigen Nutzung der neuen Einberufungsform. Während die Einberufung durch eingeschriebenen Brief bei Einpersonengesellschaften nur selten genutzt wird (14,6 %), steigt der Nutzungsgrad bei zwei – vier Aktionären auf etwa 32 % und bei mehr als fünf Aktionären auf 45 %584. Hintergrund dürfte sein, daß die Wahrscheinlichkeit einer Vollversammlung mit der wachsenden Zahl der Aktionäre sinkt. Die Grenze der Anzahl der Aktionäre, bei denen eine namentliche Bekanntheit nicht mehr gegeben ist, dürfte dagegen um einiges höher liegen. Die Einschätzung der befragten Unternehmen über die Nutzung des Vollversammlungsprivilegs stimmt damit überein, was bereits aufgrund der Aussagen zur vereinfachten Einberufung zu erwarten war. Das Vollversammlungsprivileg wurde von einer großen Anzahl der befragten Gesellschaften genutzt (69,7 %). Die Gesellschaften, welche die Neuregelung nicht anwenden, gaben zur Hälfte an, daß ihnen die Wahrung der Form der Hauptversammlung wichtig sei. Daneben gaben 17,4 % der Gesellschaften an, daß ihnen die Neuregelung nicht bekannt sei. 23,9 % hatten einen zu weitläufigen Aktionärskreis und 8,7 % nannten sonstige Gründe585. Wie zu erwarten, zeigten die Daten über den Zusammenhang zwischen der Nutzung des Vollversammlungsprivilegs und der Anzahl der Aktionäre, eine Abnahme der Nutzung des § 121 Abs. 6 AktG mit zunehmender Aktionärszahl. Bei Einpersonengesellschaften nutzten das Vollversammlungsprivileg 85,5 % aller Gesellschaften, bei zwei Aktionären sind es noch 76,7 %, bei drei bzw. vier Aktionären 70,7 % und bei fünf und mehr Aktionären lediglich 53,8 %586 der Gesellschaften. Damit wird die oben aufgestellte Vermutung der abnehmenden Praktikabilität der Vollversammlung bei zunehmender Anzahl von Anteilseignern bestätigt. Schließlich hat die Untersuchung gezeigt, daß von der vereinfachten Dokumentation der Hauptversammlung nach § 130 AktG weitreichender Gebrauch gemacht wurde. Vier Fünftel der befragten Gesellschaften haben angegeben, die Vorschrift bisher angewendet zu haben. Die Unternehmen, die auf die Anwendung verzichtet haben, haben dies zu 25 % damit begründet, daß durch die notarielle Beurkundung höhere Rechtssicherheit zu erreichen sei. Ebenso viele wünschten die Anwesenheit eines Notars, da sie eine Beratung bei ____________ 584 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 161 f. Zum Zusammenhang zwischen Nutzungsabsichten und geplantem Börsengang, S. 164 f. 585 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 166. Vgl. für die Anwendung der Neuregelung in Abhängigkeit zu Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit und Unternehmenscharakter, S. 168 ff. 586 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 172 f.

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Abhaltung der Hauptversammlung wollten587. Weitere Gründe gegen eine Anwendung der Erleichterung waren, daß keine Kostenersparnisse erwartet wurden (8,1 %), die Unterscheidung zwischen beurkundungspflichtigen und nicht beurkundungspflichtigen Geschäften problematisch sei (12,9 %) sowie die Unkenntnis über die Neuerung (16,1 %). Als sonstige Gründe für eine notarielle Beurkundung der Hauptversammlung (11,3 %) wurden vor allem die Börsennotierung der Gesellschaften und beurkundungspflichtige Beschlüsse auf der Tagesordnung genannt, was die Anwendung ohnehin ausschließt588.

C. Finanzverfassung I. Änderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ Im Zusammenhang mit der Finanzverfassung der Aktiengesellschaft kam es in drei Themenbereichen zu Veränderungen: Zunächst wurde § 58 Abs. 5 AktG gestrichen und dafür bei § 57 AktG ein Absatz 3 eingefügt. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Kapitalbindung in der Aktiengesellschaft (unter 1.). Die beiden weiteren Änderungen betreffen Veränderungen im Kapital der Gesellschaft und Umwandlungsvorgänge (unter 2.). Hier sind zum einen §§ 182 Abs. 2, 222 Abs. 2 und 340c Abs. 3 AktG zu nennen, welche die Notwendigkeit von Sonderbeschlüssen bei Kapitalmaßnahmen und bei der Umwandlung regeln [unter 2 a)]. Zum anderen wurde bei § 186 Abs. 4 AktG ein Satz 4 angefügt, der einen erleichterten Bezugsrechtsausschluß bei Kapitalerhöhungen vorsieht, soweit es sich um börsennotierte Gesellschaften handelt [unter 2 b)].

1. Kapitalbindung: §§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 5 AktG Das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ führte zur Streichung des § 58 Abs. 5 AktG. Statt dieser Vorschrift wurde § 57 Abs. 3 AktG eingefügt, der inhaltlich mit § 58 Abs. 5 AktG a.F. identisch ist.

____________ 587

Schawilye / Gaugler / Keese, S. 176. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 177. Zum Einfluß der Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit und des Unternehmenscharakter, S. 178 ff. 588

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a) Frühere Rechtslage und neuer Regelungsinhalt § 58 Abs. 5 AktG a.F. spielte eine wichtige Rolle im Bereich des Rechts der Kapitalerhaltung einer Aktiengesellschaft. In der Vorschrift wurde statuiert, daß vor der Auflösung der Gesellschaft lediglich eine Verteilung des Bilanzgewinns zulässig sei. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit § 57 Abs. 1 AktG, dem Verbot der Einlagenrückgewähr, zu sehen. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG verbietet nach seinem Wortlaut einer Aktiengesellschaft, den Aktionären ihre „Einlagen“ zurückzugewähren. Diese Formulierung ist mißverständlich und nur aus ihrem historischen Kontext heraus zu verstehen589. Bei einem wörtlichen Verständnis könnte man annehmen, daß durch § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG lediglich eine Rückzahlung der konkreten Einlage i.S.d. § 54 AktG verboten ist. Dies wäre aber ein Fehlschluß. Die Vorschrift strebt vielmehr einen umfassenden Kapitalschutz an. Dabei fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Vorteile unter das Verbot, die der Aktionär von der Aktiengesellschaft im Hinblick auf seine mitgliedschaftliche Stellung erhält590. Es geht somit keineswegs nur um die Rückgewähr der konkreten Einlagen, sondern um einen Schutz des gesamten Vermögens der Aktiengesellschaft591. Der Schutz ist dabei auf den Wert des Vermögens gerichtet, eine Bindung einzelner Vermögensgegenstände ist damit nicht verbunden592. Aus einem Verstoß gegen § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG folgt eine Rückzahlungspflicht im Rahmen des § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die § 59 AktG und § 58 Abs. 5 AktG a.F. machen die Reichweite der Regel des § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG deutlich. Aus beiden Bestimmungen ergeben sich seine jeweiligen Ausnahmen. § 59 AktG läßt Abschlagszahlungen auf den Gewinnanspruch zu, soweit sich hierfür eine Ermächtigung aus der Satzung ergibt. § 58 Abs. 5 AktG a.F. hebt hervor, daß lediglich die Zahlung von Bilanzgewinn vor der Auflösung der Gesellschaft als zulässige Zahlung an die Aktionäre in Betracht kommt. Zusammenfassend folgt somit aus § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. §§ 59, 58 Abs. 5 AktG a.F.: „Was nicht Verteilung von Bilanzgewinn ____________ 589 Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 57 Rdnr. 5 ist der Ansicht, daß der Wortlaut „verfehlt“ und „längst überholt“ ist. Auch Bayer, MünchKomm. AktG § 57 Rdnr. 7 spricht davon, daß der Wortlaut des Verbots nur „unvollkommen“ und „mehrfach mißverständlich“ umschrieben ist. 590 Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 57 Rdnr. 9. 591 Vgl. Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 57 Rdnr. 5; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 57 Rdnr. 4; Bayer, MünchKomm. AktG § 57 Rdnr. 9. 592 Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 57 Rdnr. 6, Bayer, MünchKomm. AktG § 57 Rdnr. 9.

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2. Teil: Deutsches Recht

(oder Ausnahmefall) ist, ist Einlagenrückgewähr: Tertium non datur.“593 § 58 Abs. 5 AktG hatte folglich denselben Inhalt, wie bereits § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG; der Unterschied lag lediglich in einer verschiedenen Formulierung594. Durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ hat der Gesetzgeber § 58 Abs. 5 AktG aufgehoben und in § 57 AktG einen Absatz 3 angefügt mit gleichlautendem Wortlaut.

b) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Ursprünglich wollte der Gesetzgeber § 58 Abs. 5 AktG ersatzlos streichen. Dies begründete er damit, daß § 58 Abs. 5 AktG, wie erwähnt, neben § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG keinerlei selbständigen Regelungsinhalt enthält. An der Rechtslage hätte sich somit ohne § 58 Abs. 5 AktG nichts geändert. Der Initiativentwurf beurteilte daher die Bestimmung als „verzichtbar“595. Der Rechtsausschuß befürwortete dagegen, daß die Regelung in § 57 AktG integriert werden sollte, wo der zutreffende systematische Standort wäre596. In der Literatur wird die Änderung bzw. Umstellung durchweg begrüßt597. Dabei stellt die Literatur – wie schon der Rechtsausschuß – darauf ab, daß § 58 Abs. 5 AktG bisher ohnehin systematisch am falschen Ort stand. Wenn die Vorschrift jedoch, wie ursprünglich geplant, gestrichen worden wäre, hätte dies durchaus zu Unklarheiten führen können. Eine solche Maßnahme des Gesetzgebers hätte nämlich zu dem Schluß verleiten können, daß nun auch bei Aktiengesellschaften der Vermögensschutz tatsächlich auf ein bloßes Verbot der Rückgewähr der Einlagen reduziert werde598.

____________ 593

Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 57 Rdnr. 5 mit zahlreichen weiteren Nachwei-

sen. 594

Ähnlich Hüffer, AktG § 57 Rdnr. 22 zur neuen Vorschrift des § 57 Abs. 3 AktG. Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 8. 596 Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 9. 597 Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 96; Ammon / Görlitz, S. 85; Hüffer, AktG § 57 Rdnr. 1; Kindler, NJW 1994, 3041, 3043; Planck, GmbHR 1994, 501, 504; Dehmer, WiB 1994, 753, 759; Blanke, BB 1994, 1505, 1511; ebenso Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 5, der zugleich bemerkt, daß die Änderung durchaus „keine reformerische Großtat“ des Gesetzgebers darstellt. 598 Ammon / Görlitz, S. 85; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 5. 595

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2. Veränderung des Kapitals und Umwandlung a) §§ 182, 222, 340c AktG In der Novelle wurden des weiteren die §§ 182 Abs. 2, 222 Abs. 2 und 340c Abs. 3 AktG geändert. In allen drei Vorschriften geht es um die Notwendigkeit von Sonderbeschlüssen.

aa) Frühere Rechtslage und neuer Regelungsinhalt Die §§ 182 ff. AktG regeln die Kapitalerhöhung gegen Einlage. Nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG muß jede Erhöhung des Grundkapitals gegen Einlage mit einer Mehrheit von Dreiviertel des bei Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals beschlossen werden. Zusätzlich zu der in § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG geforderten Kapitalmehrheit muß nach § 133 Abs. 1 AktG der Beschluß von der einfachen Stimmenmehrheit gefaßt sein. Nach der Formulierung des § 182 Abs. 2 AktG a.F. mußte dann, wenn „mehrere Gattungen von Aktien vorhanden“ waren, neben dem Beschluß nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AktG, durch den die Hauptversammlung den Willen zur Kapitalerhöhung bekundet hat, die Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung i.S.d. § 11 Satz 2 AktG vorliegen. Diese Zustimmung erfolgt nach § 182 Abs. 2 Satz 2 AktG durch einen Sonderbeschluß der Aktionäre jeder Gattung. Über diese Sonderbeschlüsse gab es vor der Reform 1994 zwei Streitfragen: Zum einen war umstritten, ob hier für eine Kapitalerhöhung auch ein Beschluß der Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht nötig sei. Soweit dies abgelehnt wurde, stellte sich die weitere Frage, ob für den Fall, wenn es neben den Stammaktien und den Vorzugsaktien keine weiteren Gattungen gibt, gleichwohl ein Sonderbeschluß der Inhaber der Stammaktien erforderlich sei. Die erste Frage wurde von der überwiegenden Mehrheit in der Literatur verneint. Die Vorzugsaktien stellen zwar eine Aktiengattung dar, können jedoch nach §§ 139 ff. AktG ohne Stimmrecht ausgegeben sein. Als Ausgleich für das fehlende Stimmrecht werden sie bei der Verteilung des Gewinns bevorzugt (vgl. § 139 Abs. 1 AktG). Ausnahmsweise gewährt § 141 AktG auch den Vorzugsaktionären ein Stimmrecht, wenn der Vorzug aufgehoben, beschränkt oder beeinträchtigt wird. § 141 Abs. 1 AktG erfaßt dabei die Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs, § 141 Abs. 2 AktG die Ausgabe neuer Vorzugsaktien, die den bisherigen Vorzugsaktien vorgehen oder gleichstehen. Im Verhältnis zwischen § 141 AktG und § 182 Abs. 2 AktG ging die überwiegende

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2. Teil: Deutsches Recht

Meinung599 davon aus, daß § 141 AktG als lex specialis anzusehen sei. Zwar ergab sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, da § 182 Abs. 2 AktG keine Einschränkung auf bestimmte Gattungen beinhaltet. Jedoch konnte für diese Ansicht sowohl die Gesetzgebungsgeschichte600 als auch der systematische Zusammenhang angeführt werden. § 139 Abs. 1 AktG erlaubt die Ausgabe von Aktien ohne Stimmrecht, § 141 AktG enthält von dieser Regelung in eng umschriebenen Fällen eine Ausnahme. Soweit nun in anderen Vorschriften von Beschlüssen von Aktionären, deren Aktien verschiedenen Gattungen angehören, gesprochen wird, muß gefolgert werden, daß nur solche Aktien betroffen sein können, die grundsätzlich ein Stimmrecht vermitteln. § 141 AktG regelt im übrigen abschließend die Frage, wann bei einer Kapitalerhöhung ein Sonderbeschluß der Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht notwendig ist. Soweit die Voraussetzungen des § 141 Abs. 2 AktG bei der Kapitalerhöhung nicht erfüllt sind, haben die Vorzugsaktionäre auch keinerlei Stimm- und Mitwirkungsrechte. Für die zweite Frage ging die überwiegende Ansicht601 von folgendem aus: Wenn eine Aktiengesellschaft nur Stammaktien und stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben hat, würde eine Zustimmung der Stammaktionäre nach § 182 Abs. 2 AktG durch einen Sonderbeschluß zu einer bloßen Förmlichkeit. Bei einem solchen Beschluß würden nämlich dieselben Personen noch einmal abstimmen, die bereits in der Hauptversammlung die Kapitalerhöhung beschlossen haben. Es würde, wenn man einen Sonderbeschluß fordert, zweimal ein Beschluß lediglich von den Inhabern der Stammaktien gefaßt werden, wobei beide Beschlüsse hinsichtlich ihres Inhalts, aber auch der Anzahl und Zusammensetzung der Stimmberechtigten völlig identisch wären. Lutter spricht zutreffend davon, daß der „Sonderbeschluß … also letztlich nichts anderes als eine Wiederholung des Hauptversammlungsbeschlusses“602 wäre. Dies kann aber nicht der Sinn des vom Gesetz geforderten Sonderbeschlusses sein, so daß eine teleologische Restriktion des § 182 Abs. 2 AktG angezeigt war. Die entsprechende Rechtslage gilt in allen Fällen der besonderen Formen der Kapitalerhöhung, bei denen auf § 182 Abs. 2 AktG verwiesen wird, also bei ____________ 599 Vgl. Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 182 Rdnr. 11; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 182 Rdnr. 37 jeweils m.w.N. Zu dieser früher herrschenden Meinung vgl. auch Hüffer, AktG § 182 Rdnr. 19; Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 182 Rdnr. 49; Kindler, NJW 1994, 3041, 3047; Ammon / Görlitz, S. 69, Peifer, MünchKomm. AktG § 182 Rdnr. 23. 600 So auch Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 182 Rdnr. 11. 601 Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 182 Rdnr. 12; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 182 Rdnr. 38; Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 182 Rdnr. 50 mit zahlreichen weiteren Nachweisen insb. in Fußn. 69. 602 Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 182 Rdnr. 12.

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bedingtem Kapital (§ 193 AktG), bei genehmigtem Kapital (§ 202 AktG) und bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 207 AktG). Dasselbe Problem wie bei § 182 Abs. 2 AktG a.F. stellte sich auch bei § 222 AktG. § 222 AktG betrifft den zu §§ 182 ff. AktG spiegelbildlichen Vorgang, nämlich die ordentliche Kapitalherabsetzung. Nach § 222 Abs. 1 AktG ist für die Herabsetzung des Grundkapitals ebenfalls eine Mehrheit von mindestens Dreiviertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals nötig. Wiederum wird darüber hinaus die einfache Stimmenmehrheit i.S.d. § 133 Abs. 1 AktG gefordert. § 222 Abs. 2 Satz 1 AktG a.F. enthielt eine mit § 182 Abs. 2 Satz 1 AktG a.F. identische Formulierung. Auch hier verlangte das Gesetz beim Vorhandensein mehrerer Aktiengattungen die Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung mittels Sonderbeschluß. Daher stellten sich für § 222 Abs. 2 Satz 1 AktG a.F. dieselben beiden Fragen, wie bei § 182 Abs. 2 Satz 1 AktG, die von der allgemeinen Meinung603 auch identisch beantwortet wurden. Diese Ansicht ging also davon aus, daß wiederum § 141 AktG lex specialis sei. Bei einer Kapitalherabsetzung war also ein Sonderbeschluß der Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht jedenfalls nach § 222 Abs. 2 Satz 1 AktG a.F. nicht erforderlich. Soweit nur Stammaktien und Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben waren, entfiel das Erfordernis von Sonderbeschlüssen insgesamt. § 222 Abs. 2 Satz 1 AktG war teleologisch zu reduzieren. Es ist darauf hinzuweisen, daß durch die Verweisung auf § 222 AktG dieselbe Rechtslage bei Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien gilt (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AktG) sowie bei vereinfachter Kapitalherabsetzung (§ 229 Abs. 3 AktG). Eine weitere Vorschrift, die eine vergleichbare Frage betraf, war § 340c Abs. 3 AktG. Nach § 340c Abs. 1 AktG wurde ein Verschmelzungsvertrag zwischen zwei Aktiengesellschaften nur wirksam, wenn die Hauptversammlung jeder Gesellschaft zugestimmt hatte. Die nötigen Mehrheiten ergaben sich dabei aus § 340c Abs. 2 AktG. Danach war von Gesetzes wegen zumindest eine Mehrheit von Dreiviertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals notwendig, ebenso wie bei den Kapitalerhöhungs- bzw. -herabsetzungsbeschlüssen nach § 182 AktG und § 222 AktG. Darüber hinaus bestimmte § 340c Abs. 3 AktG parallel zu § 222 Abs. 2 AktG und § 182 Abs. 2 AktG, daß beim Vorhandensein mehrerer Gattungen von Aktien, der „Beschluß der Hauptversammlung zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung“ bedürfe. Nach § 340c Abs. 3 Satz 2 AktG mußte diese Zustimmung in ____________ 603 Vgl. Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 222 Rdnr. 7 ausführlich zur Frage, wann bei einer Kapitalherabsetzung § 141 Abs. 1 AktG erfüllt sei, wann also darin zugleich eine „Beschränkung“ der Vorrechte zu sehen ist. Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 222 Rdnr. 7, vgl. ebenso OLG Frankfurt, DB 1993, 272 f.; LG Frankfurt, AG 1991, 405, 406.

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Form eines Sonderbeschlusses ergehen. Damit stellten sich für § 340c Abs. 3 AktG dieselben beiden Fragen, wie bei § 182 Abs. 2 AktG, nämlich zum einen, ob auch ein Sonderbeschluß von Inhabern stimmrechtsloser Vorzugsaktien nötig war, und zum anderen, ob ein Sonderbeschluß der Inhaber von Stammrechtsaktien erforderlich war, wenn neben ihnen nur noch Vorzugsaktien ohne Stimmrecht als Gattung bestanden. Nachdem sowohl die Formulierung als auch die Interessenlage bei § 340c Abs. 3 AktG derjenigen bei § 182 Abs. 2 AktG und bei § 222 Abs. 2 AktG entsprach, wurden in der Literatur beide Fragen durch einen pauschalen Verweis auf diese Vorschriften beantwortet604. Auch bei § 340c Abs. 3 AktG wurde somit von der allgemeinen Meinung vertreten, daß lediglich in der Fallkonstellation des § 141 AktG den Inhabern stimmrechtsloser Vorzugsaktien ein Stimmrecht zustehe, bei § 340c Abs. 3 AktG dagegen nur stimmberechtigte Aktionäre ein Stimmrecht hätten. Zudem war auch hier ein Sonderbeschluß nicht notwendig, wenn es neben der Gattung der Stammaktien nur noch Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gab. In der Neuregelung wurden alle drei Vorschriften in gleicher Weise geändert, so daß der Beschluß der Hauptversammlung nur noch dann zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre anderer Gattungen benötigt, wenn „mehrere Gattungen von stimmberechtigten Aktien vorhanden“ sind. Mit „stimmberechtigten“ Aktien wurde damit der Gegenbegriff zu den „stimmrechtslosen“ Aktien gebildet. Damit wurden beide Fragen genauso beantwortet, wie bereits zuvor von der allgemeinen Meinung. Zum einen wird deutlich, daß Inhabern von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht auch hier kein Stimmrecht zusteht. Zum anderen ist ein Sonderbeschluß nur erforderlich, wenn mehrere Gattungen stimmberechtigter Aktien ausgegeben wurden, nicht aber schon dann, wenn neben den Stammaktien nur Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorhanden sind. § 340c AktG wurde zusammen mit dem gesamten Umwandlungsrecht (§§ 339 – 393 AktG) durch Art. 6 Nr. 13 UmwBerG vom 28. Oktober 1994605 mit Wirkung zum 1. Januar 1995 aufgehoben. An Stelle des § 340c AktG ist jetzt § 65 UmwG getreten. Insgesamt hat § 65 UmwG einen weiteren Anwendungsbereich als seine Vorgängervorschrift, da er auch für Verschmelzungen von Aktiengesellschaften mit Rechtsträgern anderer Rechtsformen gilt606. § 65 Abs. 2 UmwG entspricht weitgehend § 340c Abs. 3 AktG. Nach § 65 Abs. 2 Satz 1 UmwG gilt: „Sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, so bedarf der Beschluß der Hauptversammlung zu seiner Wirksamkeit der ____________ 604 Vgl. etwa Kraft, in: Kölner Komm. AktG § 340c Rdnr. 20, 24; Grunewald, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 340c Rdnr. 14. 605 BGBl. I 1994, 3210, 3263. 606 So etwa Rieger, in: Widmann / Mayer, Umwandlungsrecht, § 65 UmwG Rdnr. 1; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 65 Rdnr. 1.

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Zustimmung der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung.“ Dementsprechend ist eindeutig, daß Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht auch im Fall der Verschmelzung kein Stimmrecht haben. Das gleiche gilt über die zahlreichen Verweisungen bei anderen Umwandlungsvorgängen. Gewisse Zweifel bestehen bei Formulierung jedoch, ob die Notwendigkeit zum Sonderbeschluß entfällt, wenn nur Stammaktien und Vorzugsaktien ausgegeben wurden. Auch in diesem Fall sind mehrere Gattungen von Aktien vorhanden, was vom Gesetz vorausgesetzt wird. Mehrere stimmberechtigte Gattungen fordert jedenfalls der Wortlaut des § 65 Abs. 2 UmwG nicht. Gerade die Tatsache, daß § 65 UmwG und die zitierten aktienrechtlichen Vorschriften in kurzem zeitlichen Abstand607 erlassen wurden, könnte als Indiz dafür gesehen werden, daß der Gesetzgeber tatsächlich unterschiedliche Regelungen treffen wollte. Jedoch gilt auch für § 65 Abs. 2 UmwG, daß in einem solchen Fall ein Sonderbeschluß eine überflüssige Formalie ist, da dieselben Personen mit denselben Stimmverhältnissen und in derselben Zusammensetzung erneut abstimmen müßten. Daher ist davon auszugehen, daß der abweichende Wortlaut ein gesetzgeberisches Versehen ist608. Durch § 65 Abs. 2 UmwG sollte gerade keine sachliche Änderung eintreten.

bb) Begründung der Gesetzesänderung und Kritik an der Neuregelung Zweck der Änderung war eine Klarstellung der bisher umstrittenen Fragen. In der Begründung des Entwurfs macht der Gesetzgeber deutlich, daß der bisher allgemeinen Meinung gefolgt werden sollte609. Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht haben weder bei § 182 Abs. 2 AktG noch bei § 222 Abs. 2 AktG oder § 340c Abs. 3 AktG ein Stimmrecht. Lediglich im Fall des § 141 Abs. 2 und 3 AktG kann ihnen ein solches zustehen. Diese Vorschrift wurde durch die Neuregelung nicht berührt610. Diese Klarstellung wird durch die Literatur ganz überwiegend begrüßt, wenn sie auch nur eine Randkorrektur darstellt611. Seibert, Köster und Kiem heben ____________ 607

Zwischen beiden Gesetzen liegen nicht einmal drei Monate. Ebenso die h.M., vgl. etwa Rieger, in: Widmann / Mayer, Umwandlungsrecht, § 65 UmwG Rdnr. 15; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 65 Rdnr. 22; ähnlich Schmitt / Hörtnagl / Stratz, UmwG, § 65 Rdnr. 4 und 13 und Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 65 Rdnr. 8. 609 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 10. 610 Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 10. 611 So etwa Heckschen, DNotZ 1995, 275, 289 und Peifer, MünchKomm. AktG § 182 Rdnr. 23. 608

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2. Teil: Deutsches Recht

hervor, daß die Änderung der Rechtssicherheit dient612. Zudem wird von ihnen betont, daß stimmrechtslose Vorzugsaktien Papiere seien, die mit anderen Rechten ausgestattet seien, aber eben kein Stimmrecht verleihen, was zuweilen durch Literatur und Rechtsprechung durchbrochen werde613. Kritik im Hinblick auf die Änderung wird insbesondere von Hoffmann-Becking laut. Zum einen merkt er an, daß die Frage, ob die Änderung in § 340c AktG eine bloße Folgeänderung darstelle, nicht ganz so eindeutig sei, wie dies der Gesetzgeber angebe. Zwar wurde die Bestimmung am Vorbild des § 182 Abs. 2 AktG formuliert, nachdem aber eine Verschmelzung besonders weitreichende Folgen habe, sei das Ergebnis, daß Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht auch keine Mitwirkungsrechte daran haben nicht zwingend614. Die Kritik Hoffmann-Beckings mag zwar de lege ferenda bedenkenswert sein, de lege lata war es aber der eindeutige Wille des Gesetzgebers auch bei § 340c AktG keinen Sonderbeschluß von Inhabern stimmrechtsloser Aktien zu fordern. Zudem entsprach dieses Ergebnis, wie erwähnt, auch schon vor der Gesetzesnovelle der überwiegenden Ansicht. Zu kritisieren ist jedoch, daß es der Gesetzgeber übersehen hat, daß ein identischer Streit bei § 179 Abs. 3 AktG besteht. Auch dort ist anerkannt, daß § 141 AktG als lex specialis anzusehen ist. Es sind somit auch hier keine Sonderbeschlüsse von Inhabern stimmrechtsloser Vorzugsaktien notwendig. Eine Klarstellung dieser Bestimmung ist nicht erfolgt. Es würde aber wohl zu weit gehen, daraus zu folgern, daß der Gesetzgeber für § 179 Abs. 3 AktG die Gegenansicht bevorzugen wollte615.

b) § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG Als letzte Änderung soll § 186 Abs. 3 AktG wenigstens kurz Erwähnung finden. § 186 AktG regelt die Frage des Bezugsrechts bei Kapitalerhöhungen. Nach § 186 Abs. 1 Satz 1 AktG hat ein Aktionär einen Anspruch darauf, daß er entsprechend seinem bisherigen Anteil am Grundkapital im Falle einer Kapitalerhöhung Aktien zugeteilt erhält. Hintergrund der Vorschrift ist, daß der Aktionär bei einer Erhöhung des Kapitals vor einer Entwertung seiner Beteiligung geschützt werden soll. Dabei ist insbesondere zwei verschiedenen Ge-

____________ 612 613 614 615

Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 176. Ebenso Bösert, DStR 1994, 1423, 1427. Ebenso Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 176. Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 8 und Brinkmann, S. 67. Ähnlich Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 8; ebenso Ammon / Görlitz, S. 70.

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fahren zu begegnen616: Zum einen kann die Gefahr der Kurswertverwässerung auftreten, wenn die neuen Aktien zu einem deutlich geringeren Kurs ausgegebenen werden als zum aktuellen Börsenkurs. Zum anderen kann durch eine Kapitalerhöhung der Aktionär an Stimmkraft verlieren (sog. Stimmrechtsverwässerung), da durch die Erhöhung seine relative Beteiligungsquote sinkt. Das Bezugsrecht gibt dem Aktionär die Möglichkeit den status quo aufrecht zu erhalten. In bestimmten Situationen ist aber die Ausgabe neuer Aktien unter Ausschluß des Bezugsrechts wünschenswert oder gar geboten. Ein Beispiel dafür kann etwa eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage sein617 oder auch eine Kapitalerhöhung zur Plazierung der Aktien an der Börse618. Schon nach alter Rechtslage war ein Ausschluß des Bezugsrechts nach § 186 Abs. 3 Satz 1 AktG möglich. Dieser mußte im Beschluß über die Erhöhung des Grundkapitals erfolgen. Über die formellen Voraussetzungen hinaus, forderte das Schrifttum schon etwa seit den 60er Jahren, daß ein Bezugsrechtsausschluß jenseits des Wortlauts des Gesetzes an materielle Voraussetzungen gebunden sei619. Dem hat sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Kali & Salz vom 13. März 1978620 angeschlossen und fordert seither, daß ein Bezugsrechtsausschluß dem Interesse der Aktiengesellschaft einerseits und der Verhältnismäßigkeit andererseits entsprechen muß. Durch die Einfügung des § 186 Abs. 4 Satz 4 AktG im Gesetz über die „Kleine AG“ wurde nun auch gesetzlich anerkannt, daß solche sachlichen Voraussetzungen vorliegen müssen. Zugleich hat der Gesetzgeber eine Fallgestaltung beschrieben, in welcher ein Bezugsrechtsausschluß zulässig ist, nämlich dann, wenn die „Kapitalerhöhung gegen Bareinlage zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht übersteigt“. Gerade diese Änderung wurde in der Literatur kontrovers und aus-

____________ 616

Vgl. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 181; Ammon / Görlitz, S. 74; Lutter, AG 1994, 429, 441; Lutter, in: Kölner Komm. AktG Nachtrag § 186 Rdnr. 3; Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 186 Rdnr. 13; Kübler, ZBB 1993, 1. 617 Statt vieler Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 186 Rdnr. 78 ff.; Hüffer, AktG § 186 Rdnr. 34 ff.; Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 186 Rdnr. 167. 618 Vgl. nur die Entscheidung des BGH, ZIP 1994, 529 („Deutsche Bank“), bei der es um einen Bezugsrechtsausschluß zur Einführung von Aktien auf einem ausländischen Börsenplatz geht. Ähnlich auch Hüffer, AktG § 186 Rdnr. 31 mit weiteren Beispielen in Rdnr. 29 ff. und Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 186 Rdnr. 154 mit zahlreichen weiteren Fallgruppen. 619 Ausführlich etwa Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 186 Rdnr. 60. 620 BGHZ 71, 40.

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2. Teil: Deutsches Recht

führlich diskutiert621. So spricht sich etwa Hoffmann-Becking dafür aus, daß es die einzige grundlegende Änderung im ganzen Gesetz ist622. Auf sie soll aber in der vorliegenden Arbeit gleichwohl nicht eingegangen werden. Der erleichterte Bezugsrechtsausschluß setzt nämlich voraus, daß eine Aktiengesellschaft vorliegt, deren Anteile an der Börse notiert sind. Damit betrifft sie gerade nicht die „Kleine AG“623, die Thema dieser Arbeit ist, sondern ausschließlich die börsennotierte Publikumsgesellschaft.

II. Bedeutung und Bewertung der Änderungen Nachfolgend geht es um Bedeutung und Bewertung der Änderungen. Zunächst wird unter 1. der Stellenwert der Änderungen im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts beleuchtet. Der abschließende Abschnitt sieht die Änderungen vor dem Hintergrund des von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter entwickelten „Drei-Stufen-Modells“ und zeigt die Bewertung durch die Praxis (unter 2.).

1. Stellenwert der Änderung im Gesamtsystem Die Finanzverfassung besteht im wesentlichen aus zwei Themenkomplexen624: a) die Aufbringung, Erhaltung und Änderung des Kapitals und b) die Rechnungslegung. Auf beide Bereiche wird in den nachfolgenden Abschnitten kurz eingegangen.

____________ 621

Vgl. zum Bezugsrechtsausschluß Hüffer, Akt § 186 Rdnr. 20 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Lutter, in: Kölner Komm. AktG Nachtrag § 186 Rdnr. 1 ff.; Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 186 Rdnr. 148 ff.; Peifer, MünchKomm. AktG § 186 Rdnr. 82 ff.; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 180a ff.; Ammon / Görlitz, S. 73 ff.; Lutter, AG 1994, 429, 440 ff.; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 8 ff., Kindler, NJW 1993, 3041, 3047; Heckschen, DNotZ 1995, 275, 286 ff.; Bösert, DStR 1994, 1423, 1427 ff.; Claussen, WM 1996, 609, 610 ff., Dehmer, WiB 1994, 753, 756; MarschBarner, AG 1994, 532 ff.; Hirte, ZIP 1994, 356 ff.; Martens, ZIP 1994, 669 ff.; Groß, DB 1994, 2431 ff.; Krieger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 56 Rdnr. 68 ff.; Brinkmann, S. 67 ff. 622 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 8. 623 Für den Zusammenhang des § 186 Abs. 4 AktG und der Begriffsbestimmung der „Kleinen AG“, vgl. unten unter § 6 B. II. 2. b). 624 Ähnlich K. Schmidt, § 26 IV, S. 782; Kübler, § 16 I, S. 208.

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a) Erhaltung und Änderung des Grund- bzw. Stammkapitals Auf die unterschiedlichen Konzepte hinsichtlich der Aufbringung des Stamm- bzw. Grundkapitals wurde bereits im Zusammenhang mit dem Gründungsrecht hingewiesen. Im wesentlichen setzen sich die unterschiedlichen Konzepte, die bei der Kapitalaufbringung entwickelt wurden, auch hier bei der Erhaltung des Kapitals fort. Ebenso wie bei der Kapitalaufbringung besteht auch die Sicherung des Kapitals im Aktienrecht mittels einer strikteren Kapitalbindung in einen größeren Umfang als im GmbH-Recht. Überdies wirkt sich wiederum bei der Regelung im GmbH-Recht die stärkere personalistische Ausprägung der GmbH aus. Bei der Aktiengesellschaft ist § 57 Abs. 3 AktG (im Zusammenhang mit § 57 Abs. 1 AktG), wie bereits angedeutet, die Schlüsselnorm für die Erhaltung und Sicherung des Kapitals625. Sie bestimmt, daß vor der Auflösung der Gesellschaft nur der Bilanzgewinn unter den Aktionären verteilt werden darf, der sich aus der ordnungsgemäßen Feststellung des Jahresabschlusses sowie aus dem Verwendungsbeschluß der Hauptversammlung ergibt. Die weit überwiegende Meinung folgert aus §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 3 AktG, daß der Schutz des Kapitals das ganze Vermögen der Gesellschaft umfaßt626. Neben dem Kapital, welches das Grundkapital ausmacht, sind auch Zahlungen aus den Aktiva, denen etwa eine freie Rücklage gegenübersteht, verboten. Zwar spricht § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG nur davon, daß die „Einlage“ nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf, dies ist aber so zu verstehen, daß jede Leistung der Aktiengesellschaft an ihre Gesellschafter unzulässig ist. Ohne Belang ist dabei, ob die Ausschüttung direkt erfolgt oder durch ein Verkehrsgeschäft getarnt ist. Bereits das Reichsgericht627 hat in einer Entscheidung vom 13. Dezember 1935 hier plastisch ausgeführt: „Anderweitige Ausschüttungen von Gesellschaftsvermögen an die Aktionäre sind vielmehr der Gesellschaft schlechterdings ver____________ 625 Ähnlich Maier, S. 33, der in beiden Vorschriften den „Grundstein des Gläubigerschutzes“ sieht, wobei er noch § 58 Abs. 5 AktG a.F. an Stelle des jetzigen § 57 Abs. 3 AktG zitiert. 626 So Hüffer, AktG § 57 Rdnr. 3; K. Schmidt, § 29 II, S. 896; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 16 Rdnr. 1; Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 37; Maier, S. 34; Barz, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 57 Anm. 3; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 57 Rdnr. 4 jeweils m.w.N.; Berg, S. 155. Lediglich Maier, S. 36 ff. unter Berufung auf Wilhelm stellt den umfassenden Vermögensschutz der Aktiengesellschaft in Frage. Beide gehen davon aus, daß die Kapitalbindung bei GmbH und Aktiengesellschaft sich entsprechen und nur das Grundkapital erfassen. Der einzige Unterschied zwischen beiden Rechtsformen wird darin gesehen, daß im Aktienrecht neben dem Grundkapital auch die gesetzlichen Rücklagen geschützt werden. 627 RGZ 149, 385, 400.

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2. Teil: Deutsches Recht

wehrt; sie kann sich auch zu solchen weder ihren Aktionären noch Dritten gegenüber rechtswirksam verpflichten. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine offene oder mehr oder minder verdeckte Vermögensverteilung unter den Aktionären oder gar nur bestimmten oder bestimmbaren Gruppen von ihnen handelt.“ Dieser umfassende Kapitalschutz des Aktienrechts dient vielfachen Interessen628: In erster Linie sollen durch den Grundsatz der Kapitalerhaltung die Gesellschaftsgläubiger geschützt werden als Ausgleich für die beschränkte Haftung in der Kapitalgesellschaft. Dies fand bereits im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung im Gründungsrecht Erwähnung. Darüber hinaus werden aber auch die Aktionäre selbst geschützt. Es soll nämlich verhindert werden, daß es zu einer Verschiebung von Vermögen der Gesellschaft auf einzelne Aktionäre kommt, was eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des § 53a AktG zur Folge hätte. Wesentlich für das Aktienrecht ist aber ein dritter Gesichtspunkt, der hier besonders betont werden soll. Der strikte Vermögensschutz im Aktienrecht dient zugleich dem Schutz des anlagesuchenden Publikums. Potentielle Anleger sollen sich im klaren darüber sein, welchen Ertragswert eine Aktie hat. Darüber könnten sie bei extensiver Dividendenpolitik, die nicht nur den Bilanzgewinn verteilt, getäuscht werden, da dadurch der Kurs der Aktie unbegründet in die Höhe getrieben werden könnte629. Bei der GmbH dagegen bezieht sich der Kapitalschutz tatsächlich nur auf das satzungsmäßige Stammkapital. Der geringere Kapitalschutz ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß bei der GmbH kein anlagesuchendes Publikum geschützt werden muß. Auch der Schutz der Gesellschafter selbst kann geringer ausfallen, da typischerweise unternehmerisch handelnde Gesellschafter in höherem Maße auf den Selbstschutz verwiesen werden können. § 30 Abs. 1 GmbHG schließt folglich ausdrücklich Zahlungen an die Gesellschafter nur insoweit aus, als dadurch das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angetastet wird. Dabei beruht § 30 GmbHG auf dem Prinzip des „Vermögensschutzes“ und nicht auf dem des „gegenständlichen Eigentumsschutzes“630. Einer GmbH ist es somit nicht verwehrt, Vermögensgegenstände an die Gesellschafter zu übertragen, solange rechnerisch nur das Stammkapital unangetastet bleibt. Eine Ausschüttung wird erst dann unzulässig, wenn dadurch eine Unterbilanz entsteht, wenn also „in einem Vermögensstatus der ____________ 628 Vgl. Hüffer, AktG § 57 Rdnr. 1; Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 57 Rdnr. 2; Hefermehl / Bungeroth, in: Geßler / Hefermehl, AktG § 57 Rdnr. 4; Bayer, MünchKomm. AktG § 57 Rdnr. 2 f. 629 Dazu Lutter, in: Kölner Komm. AktG § 57 Rdnr. 2. 630 Dazu K. Schmidt, § 37 III, S. 1130 und Mayer / Vollrath, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 17 Rdnr. 1.

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Gesellschaft die Aktiven nicht mehr die Summe aus Verbindlichkeiten und Stammkapital decken“631. Soweit entgegen des Verbots in § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. § 30 Abs. 1 GmbHG Vermögen an die Gesellschafter ausgezahlt wird, ist die Rechtsfolge bei beiden Rechtsformen grundsätzlich ein Rückerstattungsanspruch gegenüber dem Empfänger der Leistung. Im Aktienrecht ergibt sich der Anspruch aus § 62 Abs. 1 AktG, im Recht der GmbH aus § 31 Abs. 1 GmbHG. Wie schon beim Recht der Kapitalaufbringung im Zusammenhang mit den Gründungsvorschriften hat auch hier beim Rückzahlungsanspruch der personenbezogene Charakter der GmbH seinen Niederschlag gefunden. § 31 Abs. 3 GmbHG gewährt den Gläubigern einen Anspruch auf Rückzahlung auch gegenüber allen übrigen Gesellschaftern nach dem Verhältnis derer Geschäftsanteile, soweit dies zu ihrer Befriedigung erforderlich ist und eine Erstattung vom Empfänger nicht zu erlangen ist. Diese Haftung ist vergleichbar mit § 24 GmbHG632, der auch bei erstmaliger Aufbringung des Stammkapitals alle Gesellschafter subsidiär heranzieht. Eine solche Haftung ist also wiederum im Zusammenhang mit dem personalistischen Charakter der GmbH zu sehen und stellt eine Kompensation zum Schutzgefälle633 zwischen beiden Rechtsformen dar. Konsequenterweise kennt das AktG keine entsprechende Vorschrift.

b) Rechnungslegung Im Bereich der Rechnungslegung sind im Gegensatz zum Recht der Kapitalerhaltung keine wesentlichen rechtsformspezifischen Unterschiede zwischen GmbH und Aktiengesellschaft zu verzeichnen. Fragen der Buchführung und Bilanzierung sind im HGB in den §§ 238 ff. HGB zunächst unabhängig von der Rechtsform geregelt. Auch die zusätzlichen Vorschriften für Kapitalgesellschaften in den §§ 264 ff. HGB enthalten keine rechtsformspezifischen Regeln für die einzelnen Gesellschaftsformen. Aus den Ergänzungen der Regeln im GmbHG und AktG ist lediglich § 150 AktG hervorzuheben. Diese Vorschrift schreibt für die Aktiengesellschaft zwingend vor, daß eine gesetzliche Rücklage zu bilden ist, deren Umfang sich aus § 150 Abs. 2 AktG ergibt. Vor allem für die Gläubiger tritt dadurch eine ____________ 631

Im einzelnen K. Schmidt, § 37 III, S. 1133 und Berg, S. 85. Ebenso sieht K. Schmidt, § 37 III, S. 1141 in § 31 Abs. 3 GmbHG die „Kehrseite der zum Kapitalaufbringungsrecht gehörigen Vorschrift des § 24 GmbHG“. Ähnlich Hueck, § 36 II, S. 360 und Goerdler / Müller in: Hachenburg, GmbHG § 31 Rdnr. 41. 633 So Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 38. 632

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zusätzliche Sicherung634 ein, da die Verpflichtung, eine solche Rücklage einzustellen, solange besteht, bis diese und die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB mindestens ein Zehntel des Grundkapitals erreichen, es sei denn in der Satzung wurde ein höherer Betrag festgesetzt. Im Zusammenhang mit der oben beschriebenen weitergehenden Kapitalsicherung im Aktienrecht ist auch diese Bestimmung ein Indiz für den weitergehenden Gläubigerschutz bei der Aktiengesellschaft.

c) Die Änderungen im Gesamtsystem Das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ hat an den generellen Unterschieden in der Finanzverfassung der Aktiengesellschaft und GmbH, die hier selbstverständlich nur angedeutet werden konnten, nichts verändert. Die Änderungen in diesem Bereich sind zahlenmäßig gering und auch von nur untergeordneter Bedeutung. § 57 Abs. 3 AktG, der durch die Novelle 1994 angefügt wurde, ist zwar, wie erläutert, von erheblichem Gewicht. Jedoch trat mit der Streichung des § 58 Abs. 5 AktG und der damit verbundenen wortgleichen Einfügung eines Absatzes 3 bei § 57 AktG keine sachliche Änderung ein. Das Gebot, nur den Bilanzgewinn auszuschütten, hat lediglich eine neue systematische Stellung erhalten. Die Änderungen bei den Sonderbeschlüssen in den §§ 182 Abs. 2, 222 Abs. 2 und 340c Abs. 3 AktG sind ähnlich zu bewerten. Bei den Sonderbeschlüssen handelt es sich um eine Besonderheit im Aktienrecht, da es nur hier stimmrechtslose Anteile gibt. Darüber hinaus ging es lediglich um eine Klarstellung, in der der Gesetzgeber die bisher herrschende Meinung zu diesem Problem bestätigt hat. Die letzte Vorschrift, die im Zusammenhang mit der Finanzverfassung zu nennen war, ist § 186 Abs. 3 AktG über den erleichterten Bezugsrechtsausschluß. Diese Vorschrift ist zwar von erheblicher praktischer Bedeutung; wie erwähnt, trifft die Änderung aber nur Aktiengesellschaften, deren Aktien an der Börse notiert sind. Daher ist auch diese Änderung für die Frage, ob das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ eine Annäherung des Aktienrechts an das GmbHG für die „Kleine AG“ gebracht hat, ohne Belang.

____________ 634

Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 37 spricht hier von einem „Zusatzpuffer vor Unterbilanz und Überschuldung“.

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2. Änderungen vor dem Hintergrund des „Drei-Stufen-Modells“ und Bewertung der Änderungen durch die Praxis Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß auch die Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter für eine Änderung der Finanzverfassung keinerlei Vorschläge gemacht hat635. Wegen der geringen Veränderungen in diesem Bereich haben zudem Schawilye, Gaugler und Keese auf eine Befragung der Unternehmen zur Umstellung von § 58 Abs. 5 AktG zu § 57 Abs. 3 AktG und den Änderungen bei den Sonderbeschlüssen verzichtet636. Die Erfahrungen der Unternehmen mit § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG haben sie zwar in ihre Untersuchung aufgenommen, jedoch sind hier die Ergebnisse aufgrund der geringen Anzahl von börsennotierten Gesellschaften wenig signifikant637.

D. Gesamtbewertung der Änderungen Die vorangegangenen Abschnitte sollten zunächst die Position der „Kleine AG“ zwischen der GmbH und der klassischen Aktiengesellschaft bestimmen. Dazu wurden die neuen Regelungen mit der bisherigen aktienrechtlichen Rechtslage vergleichen, um zu zeigen, wo sich der Gesetzgeber vom Regelungsmuster der klassischen Aktiengesellschaft entfernt hat. Eine Gegenüberstellung der neuen Regelungen mit denen im GmbHG sollte offenlegen, inwieweit der Gesetzgeber diese als Vorbild der Neuregelung genutzt hat. Letztlich sollte so anhand der Änderungen durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ eine Überprüfung der Frage ermöglicht werden, ob der Gesetzgeber die mit dem Gesetz verfolgten Regelungsziele erreicht hat.

____________ 635 Auf deren Befragung der Unternehmen zu § 58 AktG wurde bereits im Zusammenhang mit der Organisationsverfassung hingewiesen, da es hierbei im wesentlichen darum ging, ob die bisherige Kompetenzverteilung zwischen den Organen der Aktiengesellschaft beibehalten werden sollte, vgl. Albach / Corte / Friedewald /Lutter / Richter, S. 123 f. 636 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 17. Bei §§ 182 Abs. 2 Satz 1, 222 Abs. 2 Satz 1 und 340c Abs. 4 Satz 1 AktG führen die Autoren als zusätzliches Element an, daß diese Änderungen nicht dem Ziel dienen sollten, Erleichterungen für die betriebliche Praxis zu schaffen, sondern lediglich Klarheit und Rechtssicherheit. Jedoch ist m. E. zu berücksichtigen, daß gerade auch ein erhöhtes Maß an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit durchaus eine Erleichterung in der Praxis darstellen kann, was Schawilye / Gaugler / Keese vernachlässigen. 637 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 182 konnten ihre Befragung an nur elf börsennotierte Unternehmen richten.

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Diese Frage stellt sich auf zweifache Weise: Zum einen kann man zur Beantwortung der Frage die Sicht der Praxis einnehmen. Dabei geht es vor allem darum, ob durch die Novelle eine Steigerung der Attraktivität der Rechtsform „Aktiengesellschaft“ eingetreten ist, da das Ziel des Gesetzgebers insbesondere ein erleichterter Zugang gerade des Mittelstands zur Aktiengesellschaft war. Damit einhergeht die Frage, wie die Praxis selbst die Bedeutung der Änderungen einschätzt (unter I.). Zum anderen kann man aber auch einen eher rechtsdogmatischen Standpunkt einnehmen (unter II.). Dabei sind zunächst die konkreten Regelungsziele des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die aus der Kritik der Unternehmen resultieren. Daneben steht aber die allgemeinere Frage, ob durch die Novelle im Gesamtsystem der Kapitalgesellschaften ein grundsätzlicher Wandel eingetreten ist oder ob – mit den Worten Hoffmann-Beckings – das Gesetz zur „Kleinen AG“ eine unwesentliche Randkorrektur oder eine grundlegende Reform darstellt638.

I. Sicht der Praxis Aus Sicht der Praxis stellt sich zunächst die Frage, ob das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ konkret zur Steigerung der Attraktivität der Rechtsform Aktiengesellschaft beigetragen hat. Dies kann daran abgelesen werden, wie insgesamt die Resonanz der Praxis zu den Regelungen im einzelnen ist, was Schawilye, Gaugler und Keese in ihrer bereits mehrfach angesprochenen Studie mittels einer Befragung von Aktiengesellschaften, die in den Jahren 1994 – 1996 neu eingetragen wurden, untersucht haben. Ihre Ergebnisse seien hier knapp erwähnt. Die Resultate ihrer Umfrage wurden hinsichtlich der Einzelvorschriften bereits im Zusammenhang mit der Einschätzung der Bedeutung und Bewertung dieser Bestimmungen in den Bereichen Gründung und Strukturänderung, Organisationsverfassung und Finanzverfassung erläutert. Von Interesse erscheint hier insbesondere die Frage, welche Bedeutung den einzelnen geänderten Regelungen im direkten Vergleich zugemessen wird. Schawilye, Gaugler und Keese haben diesbezüglich eine Rangliste aller Maßnahmen aufgestellt. Als wichtigste Änderung schätzen die Unternehmen die Einschränkung der notariellen Beurkundungspflicht ein, knapp gefolgt vom Vollversammlungsprivileg. An dritter Stelle steht die Herabsetzung der Mindestzahl der Gründungsgesellschafter, gefolgt von der Möglichkeit, die Hauptversammlung per eingeschriebenen Brief einzuberufen. Geringste Bedeutung hatte für die Unternehmen dagegen die Verlängerung der Amtszeit der Arbeit____________ 638

Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1.

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nehmervertreter bei Sachgründungen639. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß die Befreiung der Mitbestimmungspflicht lediglich im Mittelfeld liegt, obwohl dies die umstrittenste Frage in der Gesetzgebung darstellte640. Die Unternehmen sind bei der Bewertung pragmatisch vorgegangen. Sie haben den Vorschriften die besten Noten gegeben, die für sie eine unmittelbare Kostenersparnis ermöglichen. Ebenso wie die Beurteilung der einzelnen Vorschriften ist – nach dieser Untersuchung – auch die Resonanz auf das Reformpaket insgesamt positiv. Schawilye, Gaugler und Keese haben angeführt, daß die Nachfrage nach Aktiengesellschaften in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Ein Teilnehmer der Untersuchung, der mit Mantelgründungen befaßt ist, erklärte, daß in früherer Zeit auf etwa zehn GmbH-Gründungen eine AG-Gründung kam. Heute liegt das Verhältnis bei drei GmbH-Gründungen zu einer Gründung einer Aktiengesellschaft641. Es hat sich also eindeutig zugunsten der Aktiengesellschaft verschoben. Die Autoren haben in ihrer Studie auch untersucht, inwieweit das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ konkret einen Beitrag zur Verbesserung der Attraktivität der Aktiengesellschaft als Rechtsform geleistet hat. Auch dabei bestätigt sich die bereits angedeutete positive Bewertung der Praxis für dieses Gesetz. Etwa 75,4 % aller Befragten sind der Meinung, daß das Reformpaket die Attraktivität der Rechtsform Aktiengesellschaft in hohem oder sehr hohem Maße gesteigert hat. Nur etwa 11 % sind dagegen der Ansicht, daß durch das Gesetz keinerlei oder nur eine geringfügige Verbesserung in diesem Bereich eingetreten ist642. Ähnlich beurteilen die Unternehmen die Bedeutung der Änderungen für ihre konkrete Rechtsformentscheidung. Etwa 40 % der Befragten geben an, daß die Vereinfachungen durch das Gesetz erst die „notwendigen Rahmenbedingungen ____________ 639

Schawilye / Gaugler / Keese haben gebeten, die Relevanz der einzelnen Vorschriften auf einer Skala mit fünf Stufen zu beurteilen (1 = unwichtig; 5 = sehr wichtig). Der höchste Mittelwert lag bei 4,03 (notarielle Beurkundung) und 3,96 (Vollversammlungsprivileg), der geringste mit einigem Abstand bei 1,95 (Amtsdauer der Arbeitnehmervertreter bei Sachgründung). Im einzelnen Schawilye / Gaugler / Keese, S. 191 ff. 640 Dazu auch Schawilye / Gaugler / Keese, S. 192. Vgl. dort überdies zu einer Differenzierung in der Bewertung nach Unternehmensgröße (Tab. 3.2.1), Unternehmenscharakter (Tab. 3.2.2), Anzahl der Aktionäre zum Eintragungszeitpunkt (Tab. 3.2.3) und Art der Errichtung (Tab. 3.2.4). 641 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 14. 642 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 183. Dort auf den S. 183 ff. auch zu Einzelheiten der Umfrage. Die Frage der Attraktivitätssteigerung ist hier zusätzlich nach Wirtschaftszweigen, dem Unternehmenscharakter, dem Eintragungsjahr und einem geplanten Börsengang aufgeführt. Schließlich unterscheidet die Untersuchung im Hinblick auf verschiedene Umsatzklassen von Aktiengesellschaften, wobei die Unternehmen mit einem Umsatz von 5–25 Mio. DM und 25–100 Mio. DM sich besonders positiv äußern.

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geschaffen und es ihnen ermöglicht [hätten], als Aktiengesellschaft zu firmieren“643. Schawilye, Gaugler und Keese folgern daraus, daß diese Unternehmen wohl ohne eine Änderung des Aktienrechts eine andere Rechtsform gewählt hätten. Weitere 33,9 % sahen in der Novelle einen Anstoß sich näher mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft zu beschäftigen644. Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die Gesamtbeurteilung durch die Praxis außerordentlich positiv ausgefallen ist. Dabei betonen Schawilye, Gaugler und Keese645, daß es ein Erfolg des Gesetzes war, die Rechtsform der Aktiengesellschaft stärker in das Bewußtsein der Unternehmen zu rufen, die wohl häufig vor der Novelle die Aktiengesellschaft als geeignete Rechtsform überhaupt nicht in ihre Überlegungen miteinbezogen hatten. Diese positive Bewertung wird auch durch die tatsächlichen Zahlen bestätigt, die einen rapiden Anstieg des Bestands der Aktiengesellschaften zeigen. Wie zu Beginn der Arbeit erwähnt, gab es 1994 etwa 3.600 Aktiengesellschaften. Nach dem Erlaß des „Gesetzes für die Kleine AG“ ist von einem sprunghaften Anstieg der Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft auszugehen646. Ende 1998 gab es 5.468 Aktiengesellschaften. Zwischen 1994 und 2000 hat sich die Anzahl der Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft sogar verdreifacht. Zum Jahresende 2000 ist von 10.582 Aktiengesellschaften auszugehen647. Hansen führt dies nicht zuletzt auf das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ zurück, daß – seiner Ansicht nach – auf großes Interesse gestoßen ist648. Diese Entwicklung hat sich 2001 fortgesetzt, so daß Hansen für Ende 2001 von mehr als 13.000 Aktiengesellschaften ausgeht649. Damit läßt sich aufgrund der Statistiken durchaus als Zwischenergebnis festhalten, daß durch das Gesetz die Attraktivität der Rechtsform der Aktiengesellschaft erheblich gesteigert wurde. So ist davon auszugehen, daß nach 1994 vermehrt mittelständische Unternehmen einen Formwechsel in eine Aktiengesellschaft wagten bzw. Unternehmer sich sogleich für die Rechtsform der Aktiengesellschaft entschieden haben, die früher vielleicht eher die GmbH bevorzugt hätten. Parallel zur Zunahme der Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft nahm auch die Zahl ____________ 643

Schawilye / Gaugler / Keese, S. 115. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 116. Auch hier betrachten die Autoren nachfolgend die Bedeutung des Gesetzes nach Umsatzgruppen, Wirtschaftszweigen, Unternehmenscharakter und Eintragungsjahr. 645 Schawilye / Gaugler / Keese, S. 200. 646 Hoffmann-Becking, in: Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 1. 647 Hansen, AG-Report 2001, R 67 und R 315. 648 Hansen, AG-Report 2001, R 67, R 68. 649 Hansen, AG-Report 2001, R 315. 644

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derjenigen Gesellschaften zu, die den organisierten Kapitalmarkt benutzen und an die Börse gingen. Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort. Im Juni 2004 gab es in Deutschland 15.753 Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien. Davon waren 840 börsennotiert650.

II. Rechtsdogmatik In rechtsdogmatischer Hinsicht bietet sich zunächst eine Betrachtung der Änderungen im Hinblick auf die bereits erwähnten Kritikpunkte der Wirtschaft an, die vor allem in der Untersuchung von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter laut geworden sind und an denen sich der Gesetzgeber als Regelungsziele orientiert hat (unter 1.). Unter 2. geht es zusammenfassend darum, ob durch die Reform ein grundsätzlicher Wandel im System der Kapitalgesellschaften eingetreten ist.

1. Kritikpunkte aus dem „Drei-Stufen-Modell“ Wie zu Beginn dieser Arbeit erwähnt651, war der erste Kritikpunkt die große Rigidität des Aktienrechts, die sich in erster Linie in § 23 Abs. 5 AktG niederschlägt. Im Hinblick auf die Satzungsautonomie erfolgten in der Novelle 1994 nur Änderungen in Randbereichen. Zum einen können die Gesellschaften nach § 10 Abs. 5 AktG (in der Fassung der Novelle 1994) selbst entscheiden, ob den Aktionären ein Anspruch auf Einzelverbriefung ihrer Anteile zusteht oder nicht. Eine genauere Regelung kann in der Satzung der Aktiengesellschaft enthalten sein. Zum anderen wird durch die Novellierung des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG (in der Fassung nach der Novelle 1994) den Aktiengesellschaften in einem weiteren Bereich ein verstärktes Maß an Satzungsautonomie gewährt. Die Satzung einer Aktiengesellschaft, deren Anteile nicht an der Börse gehandelt werden, konnte festlegen, welcher Teil des Jahresüberschusses von Vorstand und Aufsichtsrat in die Gewinnrücklage eingestellt werden kann. Diese Autonomie hat nach dem TransPuG jede Aktiengesellschaft. Höhere Satzungsautonomie wird durch die Neuregelung insgesamt somit in sehr kleinen Teilbereichen gewährt, auf die grundsätzlich Kritik gegenüber § 23 Abs. 5 AktG gehen die Änderungen nicht ein.

____________ 650

Vgl. dazu Marsch-Barner / Schäfer, in: Handbuch der börsennotierten AG, § 1 Rdnr. 1. 651 Dazu oben unter § 1 C. I. 2.

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2. Teil: Deutsches Recht

Als nächstes werden die aufwendigen zwingenden Gründungsvorschriften als ein wesentliches Hindernis für mittelständische Unternehmen gesehen, die Rechtsform der Aktiengesellschaft zu wählen652. Eine Erleichterung, die den Zugang für eine größere Zahl von Unternehmen eröffnet, stellt hier sicher die Herabsetzung der Mindestanzahl der Gründungsgesellschafter dar. Gleichwohl bleibt es auch nach der Novelle dabei, daß die Komplexität der Gründung einer Aktiengesellschaft diejenige einer GmbH oder einer Personengesellschaft bei weitem übersteigt. Der Verzicht auf die Hinterlegung des Berichts der Gründungsprüfer bei der Industrie- und Handelskammer ist eine Marginalie. Allenfalls läßt sich anführen, daß nach der Novelle – durch die Zulassung der Einpersonengründung – die Gründung einer Aktiengesellschaft zumindest nicht schon daran scheitert, daß das Quorum von fünf Gründern nicht aufgebracht werden kann. Vielleicht war auch in der Vergangenheit die Gründung einer Aktiengesellschaft nicht wünschenswert, da der Gründer jedenfalls im Anfangsstadium eine Gesellschaft mit sich als alleinigem Gesellschafter bevorzugte. Das ist jetzt bei beiden Kapitalgesellschaften möglich. Des weiteren wendet sich die Kritik gegen die hohen laufenden Kosten, die bei Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung entstehen, aber auch für den Druck der Geschäfts- und Zwischenberichte sowie die Gebühren für die Eintragungen in das Handelsregister653. Spezifisch für das Aktienrecht sind dabei sicher in erster Linie die Kosten für Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung, die auch ein hohes Maß an organisatorischem Aufwand mit sich bringen. Zu diesem Bereich gehören nicht unbedeutende Neuregelungen der Gesetzesnovelle. Zum einen wurde die Kostenbelastung durch die Neufassung des § 130 AktG herabgesetzt, da die Beteiligung eines Notars nur noch bei Beschlüssen, die eine Kapitalmehrheit von Dreiviertel bedürfen, erforderlich ist. Aber auch die Vereinfachungen bei der Einberufung der Hauptversammlung durch eingeschriebenen Brief und das Vollversammlungsprivileg, das einen Großteil der Formvorschriften entbehrlich macht, stellen sich als Reaktionen auf diese Kritik dar. Auf die zustimmende Beurteilung gerade dieser Änderungen in der Praxis, wie sie sich aus der Studie von Schawilye, Gaugler und Keese ergibt, wurde bereits hingewiesen. Dem eher psychologischen Motiv654, nämlich die Angst der mittelständischen Unternehmen bei der Aktiengesellschaft leichter die Kontrolle zu verlieren, wurde jedenfalls partiell durch eine Angleichung der Mitbestimmungsregeln in GmbH und Aktiengesellschaft entgegengewirkt. Angemerkt werden ____________ 652 653 654

Dazu oben unter § 1 C. I. 2. Dazu oben unter § 1 C. I. 3. Vgl. dazu unter § 1 C. I. 5.

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soll hier noch, daß die Befragung von Schawilye, Gaugler und Keese ergeben hat, daß jedenfalls für die dort befragten Unternehmer die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ebenso wie die Schwächung der Eigentümerposition insgesamt als weitgehend unproblematisch655 beurteilt wurden. Dies hängt wohl nicht zuletzt damit zusammen, daß eine entsprechende Gestaltung der Satzung bzw. ein Einfluß auf die Besetzung von Aufsichtsrat und mittelbar auch den Vorstand etwa verbunden mit Kontrollmöglichkeiten bei der Übertragung von Geschäftsanteilen durch eine Vinkulierung der Aktien durchaus die Wahrung eines hinreichenden Maßes an Einfluß des Eigentümers ermöglichen656. Keinerlei Veränderungen hat das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ hinsichtlich der beiden noch verbleibenden Kritikpunkte gebracht657. Steuerliche Fragen wurden in dem Reformgesetz nicht behandelt. Das aufwendige Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft mit obligatorischem Aufsichtsrat wurde ebenfalls nicht angetastet. Ein Vergleich der tatsächlich vom Gesetzgeber durchgeführten Änderungen mit der Kritik der Unternehmen, ergibt somit, daß nur auf Teilbereiche reagiert wurde.

2. Grundsätzlicher Wandel durch das Gesetz im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts? Auch die Frage, ob durch die Novelle im Gesamtsystem der Kapitalgesellschaften ein grundsätzlicher Wandel eingetreten ist, muß jedenfalls im Hinblick auf die Einzeländerungen verneint werden658. Im Bereich Gründung und Strukturänderungen ist allenfalls die Zulassung der Gründung durch eine Person eine nennenswerte Vereinfachung der aktienrechtlichen Regelungen, der Verzicht auf die Einreichung des Berichts der Gründungsprüfer bei der IHK ist nur Marginale. Sonst hat sich an den aktienrechtlichen Gründungsvorschriften nichts ____________ 655

Schawilye / Gaugler / Keese, S. 99. Vgl. auch Schawilye / Gaugler / Keese, S. 99. Insgesamt für Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Sicherung der Unternehmenskontinuität, der Kontrolle der Unternehmensnachfolge so wie bei der Ausgestaltung der Unternehmensführung ausführlich bei Friedewald, S. 35 ff. und S. 82 ff. Kurz auch bei Dehmer, WiB 1994, 753, 759 f., der neben vinkulierten Namensaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien, v.a. hohe Nennbeträge, Zwangseinziehung und Schutzgemeinschaften als Mittel nennt um einer Überfremdung der Gesellschaft durch Dritte entgegenzuwirken und den Einfluß des ursprünglichen Eigentümers zu sichern. 657 Dazu oben unter § 1 C. I. 2. und 4. 658 Vgl. zu den Bewertungen ausführlich oben in den Teilen A. II., B. II. und C. II. 656

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2. Teil: Deutsches Recht

geändert659. Die meisten Änderungen betreffen die Organisationsverfassung. Soweit aber hier eine Angleichung an das GmbH-Recht und damit eine Deregulierung des Aktienrechts stattgefunden hat, geht es dabei vor allem um formale Fragen, wie etwa die Einberufungsmodalitäten oder auch die Formfragen bei Durchführung einer Gesellschafterversammlung. Zwar wird nicht bezweifelt, daß es sich hier um Änderungen handelt, die für die Unternehmer von nicht geringer Bedeutung sind; bezogen auf das Gesamtsystem bedeuten sie jedoch nur wenig660. Insbesondere wurde auch für die „Kleine AG“ die strikte Organstruktur der klassischen Aktiengesellschaft mit ihrer klaren Trennung der Funktionen und Organe beibehalten. Auch eine Stärkung der Satzungsautonomie, was eine wirkliche Deregulierung des Aktienrechts dargestellt hätte, fand nur in zwei Randbereichen statt (§ 10 Abs. 5 AktG, § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG)661. Die Finanzverfassung der Aktiengesellschaft wurde schließlich durch die Novelle überhaupt nicht angetastet. Die wenigen Vorschriften, die in diesem Bereich geändert wurden, sind von untergeordneter Bedeutung662. Ähnlich ist auch die Bewertung der Gesetzesnovelle in der Literatur. Soweit lediglich die Einzelvorschriften im Blickpunkt stehen, wird im günstigsten Fall das Gesetz als „erster Schritt“ in die Richtung einer Steigerung der Attraktivität der Aktiengesellschaft gesehen663. Sonst wird oft von einigen „nützlichen Erleichterungen“ gesprochen, die aber keinesfalls eine Revolution der Rechtsformen darstellen664, soweit die Autoren nicht dem gesamten Gesetz insgesamt kritisch gegenüber stehen665. Auch Hoffmann-Becking, der seinen Aufsatz, wie ____________ 659

Vgl. dazu ausführlich oben unter A. II. Schaber, GmbHR 1995, R 1 spricht hier sogar von Etikettenschwindel. 661 Vgl. dazu ausführlich oben unter B. II. 662 Vgl. dazu ausführlich oben unter C. II. 663 So etwa ausdrücklich Bösert, DStR 1994, 1423, 1429 und Blanke, BB 1995, 681, 684; letzterer sieht zwar in der Reform eine spürbare Erleichterung für die Unternehmenspraxis der nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, erhofft aber ebenfalls eine Fortsetzung der Reformen. Ähnlich befürwortend auch Planck, GmbHR 1994, 501, 505 und Kindler, NJW 1994, 3041, 3048. 664 Vgl. Priester, BB 1996, 333, 338. 665 So Heckschen, DNotZ 1995, 275, 290, der erwartet, daß wenn überhaupt vermehrt die Aktiengesellschaft als Organisationsform gewählt wird, dies im wesentlichen an der Neuregelung des Mitbestimmungsrechts liegt. Diese Ansicht begründet er jedoch nicht ausreichend. Im Hinblick darauf, daß im Bereich der Mitbestimmung jetzt lediglich eine Angleichung zwischen GmbH-Recht und Aktienrecht eingetreten ist, ist nicht nachvollziehbar, warum gerade dieser Aspekt vermehrt zu einer Wahl der Aktiengesellschaft führen sollte, wenn im übrigen nichts für eine Steigerung ihrer Attraktivität getan ist, wovon Heckschen ausgeht. Überdies hat die Untersuchung von Schawilye / Gaugler / Keese, S. 191 gezeigt, daß die Befreiung von der Mitbestimmungspflicht von den neu eingetragenen Gesellschaften durchaus nicht als wichtigste Vorschrift ange660

§ 5 Positionsbestimmung der „Kleinen AG“

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erwähnt, pointiert mit der Frage „Gesetz zur ‘Kleinen AG’ – unwesentliche Randkorrekturen oder grundlegende Reform?“ überschrieben hat, sieht als Fazit zwar im erleichterten Bezugsrechtsausschluß und der Mitbestimmungsfreiheit der neu gegründeten Aktiengesellschaft mit weniger als 500 Arbeitnehmern „mutige und weitreichende Reformschritte ...; alle anderen Änderungen des Aktiengesetzes sind nur unwesentliche Randkorrekturen, die das große Aufheben, das in der Öffentlichkeit um dieses Gesetz gemacht wird, nicht rechtfertigen“666. Diesen Autoren ist, wie dargelegt, im Hinblick auf die Einzelvorschriften zuzustimmen. Es fand nur in Teilbereichen eine wirkliche Deregulierung des strikten aktienrechtlichen Regelungsgefüges statt, die im Gesamtgefüge des Aktienrechts nur unbedeutend ist, und häufig lediglich formelle Erleichterungen beinhaltet.

III. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, daß das Gesetz zwar von der Praxis positiv aufgenommen wurde und insofern auch zu einem vermehrten Gebrauch der Rechtsform Aktiengesellschaft geführt hat, was sich auch an den zitierten statistischen Untersuchungen zeigt. In rechtsdogmatischer Hinsicht stellen jedenfalls die Einzelvorschriften für sich betrachtet, keine wesentliche Neuorientierung im Kapitalgesellschaftsrecht dar. Dies hat zum einen die hier vorgenommene Untersuchung der Vorschriften im Lichte des bisherigen Regelungsgefüges des Kapitalgesellschaftsrechts ergeben. Zum anderen wird diese Schlußfolgerung auch von der überwiegenden Literatur in der Bewertung des Gesetzes geteilt. Vereinfachungen wurden nur in – teilweise wenig bedeutsamen – Teilbereichen vorgenommen, eine wirkliche umfassende und systematische Deregulierung des Aktienrechts fand nicht statt. Für eine solche hätte der Gesetzgeber in einer umfassenden Reform für jede der zwingenden Vorschriften nach dem konkreten Nutzen und der Notwendigkeit fragen müssen, bzw. den Grundsatz der Satzungsstrenge, der sich aus § 23 Abs. 5 AktG ergibt, insgesamt in Frage stellen müssen. Bei einer solchen Einzelbetrachtung darf man aber nicht stehen bleiben. Vielmehr geht es darum, hinter den Einzelvorschriften das Gesamtkonzept „Kleine AG“ zu sehen, das durchaus einen bedeutenden Reformschritt darstellt. Dieser Gedanke wird im Zentrum des nachfolgenden Paragraphen stehen. ____________ sehen wird, sondern in der Wertschätzung eher im Mittelfeld liegt. Eher kritisch auch Dehmen, WiB 1993, 753, 760. 666 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 10.

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2. Teil: Deutsches Recht

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“ Wie bereits im vorangegangen Paragraphen ausgeführt, stellen die Veränderungen durch das Gesetz über die „Kleine AG“ im Hinblick auf die konkreten Einzelvorschriften keine bahnbrechende Neuerung im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht dar. Zwar sind in Einzelfragen Erleichterungen eingetreten, die gerade auch von der Praxis begrüßt werden, an der grundsätzlichen Konzeption der Rechtsformen hat sich jedoch nichts geändert. Das Gesetz erschöpft sich aber keineswegs in einer Anzahl von Einzelvorschriften, die ohne Verbindung nebeneinander stehen würden. Vielmehr steht hinter der Reform eine Idee, die in diesem Paragraphen genauer beleuchtet werden soll – die Idee der „Kleinen AG“. Der Gesetzgeber hat durch die Novelle 1994 im Aktienrecht Sondervorschriften für Aktiengesellschaften schaffen wollen, die durch eine größere Personenbezogenheit gekennzeichnet sind. Dies stellt eine fundamentale Abkehr des Gesetzgebers vom bisherigen Leitbild der Aktiengesellschaft dar. Es wurde im Rahmen dieser Arbeit mehrfach darauf hingewiesen, daß für die Aktienreform 1965 das Leitbild der Aktiengesellschaft die Publikumsgesellschaft mit weit gestreutem Anlegerkreis war. Die Aktiengesellschaft sollte die Gesellschaftsform sein, die sich als Kapitalsammelbecken eignet. Daher waren die gesamten Regelungen vor dem Hintergrund einer erhöhten Kapitalsammel- und Kapitalbindungsfunktion zu sehen1. So klang etwa schon in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 folgende Zielsetzung an, die später im Zuge der Diskussionen um die Reform 1965 noch verstärkt wurde: „Hauptziel des neuen AktG sollte die Erleichterung der Kapitalbeschaffung mit möglichst breiter Streuung des Aktienbesitzes sein“2. Eine Kehrseite dieser Zielsetzung war es, daß sich die Vorschriften über die Aktiengesellschaft kaum für kleinere Unternehmen eigneten. Aufgrund des erwarteten weit gestreuten Anlegerkreises hielt der Gesetzgeber den strikten Schutz auch der Gesellschafter für notwendig. Dagegen war die GmbH die klassische Rechtsform für kleinere Unternehmen, die vorwiegend an einer Beschränkung der Haftung interessiert waren. Das bislang geltende deutsche Kapitalgesellschaftsrecht zeichnet sich somit durch einen scharfen Rechtsformdualismus3 zwischen der Aktiengesellschaft ____________ 1

Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 291; Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 2. Ähnlich auch Paulick, S. 64; Hoffmann-Becking, in: Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 4; Friedewald, S. 3 und Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 15. 2 Zitiert nach Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 191 mit Nachweis Verh BT, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte, S. 17 C ff. (20 A). 3 Ähnlich Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 8.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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einerseits und der GmbH andererseits aus. Die Idee, eine Zwischenform einzuführen, die zwischen Aktiengesellschaft und GmbH steht, stellt einen ersten Schritt zur Aufbrechung dieses Dualismus dar. Bisher bestand in jeder Aktiengesellschaft ein gleiches Schutzniveau für Gesellschafter bzw. Anleger. Dafür war es unerheblich, ob die konkrete Aktiengesellschaft tatsächlich dem Leitbild der Aktiengesellschaft als Kapitalsammelbecken entsprach. Diese Vorschriften galten auch, wenn die Gesellschaft personalistisch organisiert war, also nur einen kleinen Kreis von Gesellschaftern hatte und den organisierten Kapitalmarkt nicht in Anspruch nahm. So nahmen tatsächlich im Jahre 1992 von 3.219 Aktiengesellschaften nur 665 den organisierten Kapitalmarkt in Anspruch, also etwa ein Fünftel aller Aktiengesellschaften. Soweit man die Börsennotierung als wesentliches Merkmal einer Gesellschaftsform mit breit gestreutem Anlegerkreis sieht, entsprachen also vier Fünftel aller Aktiengesellschaft nicht dem Modell, das der Gesetzgeber für die Aktiengesellschaft vor Augen hatte4. Durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ wurde nun an Stelle dieses strikten Rechtsformdualismus – durch die Einführung materieller Kriterien zur Schaffung eines unterschiedlichen Schutzniveaus – ein differenziertes Bild gesetzt. Dies kann letztlich zu einem grundsätzlichen Umdenken im Kapitalgesellschaftsrecht führen, in dem nicht mehr die Rechtsform für das Maß des Schutzes von Gesellschaftern entscheidend ist, sondern die Frage, ob ein tatsächlich schutzbedürftiger Personenkreis vorhanden ist. Zudem würde eine solche Orientierung es dem Kapitalgesellschaftsrecht ermöglichen, flexibler zu sein und damit auch wettbewerbsfähiger im Vergleich mit anderen Gesellschaftsrechtsordnungen5. Insgesamt werden in diesem Paragraphen zwei neue Gesichtspunkte angesprochen. Die allgemeine Deregulierung wurde bereits im vorgegangenen Kapitel ausführlich beleuchtet. Das Ergebnis war die Feststellung, daß hier nur in wenigen Teilbereichen eine wirkliche Deregulierung des aktienrechtlichen Regelungsregimes stattgefunden hat6. Im vorliegenden Kapital geht es um zwei weitere Gesichtspunkte dieses Gesetzes: die personalistische Struktur und die Kapitalmarktferne der „Kleinen AG“. Diese beide Gesichtspunkte hängen – jedenfalls idealtypisch – eng miteinander zusammen. Es ist praktisch ausgeschlossen, daß eine Gesellschaft sich des öffentlichen Eigenkapitalmarkts bedient, also ihre Gesellschaftsanteile börsennotiert sind, aber gleichwohl eine ____________ 4

Vgl. zu diesen Zahlen Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 1. 5 Vgl. zu diesem Aspekt ausführlicher im § 14 dieser Arbeit. 6 Vgl. dazu oben unter § 5 D. II.

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personalistische Struktur hat7. Eine personalistische Struktur bedeutet hier nicht zwingend, daß eine Familiengesellschaft vorliegt, also die Aktionäre miteinander verwandt sind. Zu einer personalistischen Struktur gehört aber eine geringe Anzahl von Gesellschaftern, die enge Einbindung dieser Gesellschafter in die Entscheidungen der Gesellschaft und damit eine hohe Kontrolle durch die Gesellschafter sowie schließlich gegebenenfalls auch eine enge (personelle) Verbundenheit zwischen Gesellschaftern und Verwaltung8. Andererseits wird aber eine Gesellschaft, die nicht börsennotiert ist, typischerweise einen personalistischen Aktionärskreis haben. Zwar ist auch hier denkbar, daß eine Aktiengesellschaft, deren Aktien nicht an der Börse zugelassen sind, eine Vielzahl von Aktionären hat, wie dies etwa bei Publikumskommanditgesellschaften der Fall ist, dies entspricht aber nicht der Regel. In diesem Paragraphen wird gezeigt, was unter der angesprochenen Idee der „Kleinen AG“ zu verstehen ist und in welchem Zusammenhang die Reform im Hinblick auf bisherige Ansätze in der Literatur und der Gesetzgebung zu sehen ist (unter A.). Unter B. wird dargestellt, auf welche Weise diese Idee der „Kleinen AG“ in der Novelle 1994 umgesetzt wurde. Am Ende des Paragraphen steht eine kritische Würdigung des gesetzgeberischen Ansatzes (unter C.).

A. Materielle Kriterien als Merkmale unterschiedlicher Regelungen in der Literatur und im bisherigen Recht Die Idee, Sonderregelungen für personenbezogene Aktiengesellschaften zu schaffen, trat bereits vor der Reform 1994 sowohl in der Literatur als auch in ersten Ansätzen in der bisherigen Gesetzgebung auf. In diesem Abschnitt der Arbeit geht es einerseits darum, zu zeigen, auf welche Traditionen sich der Ansatz der „Kleinen AG“ in Literatur und Gesetzgebung berufen kann. Ande____________ 7 Allenfalls wäre es denkbar, daß die Stammaktien der Gesellschaft nur von einer kleinen Gruppe von Aktionären gehalten werden, die aufgrund des Stimmrechts die Entscheidungen treffen, wogegen nur stimmrechtslose Vorzugsaktien an der Börse notiert sind. Auch hier wird man aber nur schwerlich von einer personalistischen Struktur sprechen können, wenn man sich vor Augen hält, daß gleichwohl wesentliche Entscheidungen nur in einer (Publikums-)Hauptversammlung getroffen werden können, bei der die Vorzugsaktionäre jedenfalls ein Teilnahme- ebenso wie ein Frage- bzw. Auskunftsrecht nach § 131 AktG haben. Bei diesen „wesentlichen Entscheidungen“ wird etwa an „Holzmüller“-Beschlüsse gedacht oder auch an Umstrukturierungen nach dem UmwG. Neben dem Teilnahme- und Fragerecht der Vorzugsaktionäre ist überdies an die Notwendigkeit von Sonderbeschlüssen in bestimmten Fällen zu denken. 8 Vgl zu den Merkmalen einer personalistischen Gesellschaft insgesamt unter I. mit den verschiedenen Ansätzen der Literatur (Paulick, Wohlmann, Friedewald, Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter).

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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rerseits ist von besonderem Interesse, welche Kriterien von der Reform dazu jeweils zur Abgrenzung von personenbezogenen Unternehmen und großen Unternehmen verwendet wurden. Auch für den Gesetzgeber des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ bestand nämlich ein wesentliches Problem darin, die richtigen Merkmale zu finden, die maßgeblich für das Eingreifen der deregulierten Vorschriften seien sollten. Unter I. werden nachfolgend die verschiedenen Vertreter dieser Idee in der Literatur vorgestellt. Sodann stehen die Ansätze, die von der Unternehmensrechtskommission in den frühen 70er Jahren entwickelt wurden, im Zentrum der Betrachtung (unter II.). Abschließend wird die Frage beleuchtet, inwieweit materielle Kriterien – als Anknüpfungspunkt unterschiedlicher Regelungen – bereits im bisherigen Recht (also vor der Novelle 1994) verwendet wurden (unter III.).

I. Idee einer personenbezogenen Aktiengesellschaft in der Literatur Die Literatur hat sich häufig damit auseinandergesetzt, daß rechtstatsächlich eine Aktiengesellschaft nicht zwingend der Konzeption des Gesetzgebers als „Kapitalsammelbecken“ entsprechen muß, sondern auch personenbezogene Strukturen aufweisen kann. Nachfolgend werden einige Modelle der Literatur dargestellt, die sich mit den typischen Charakteristika einer solchen personenbezogenen Aktiengesellschaft befaßt haben.

1. Paulick: Die „personenbezogene“ Aktiengesellschaft (1954) Paulick hat sich in seiner Arbeit „Die eingetragene Genossenschaft als Beispiel gesetzlicher Typenbeschränkung“ (1954) mit der Typenlehre im Gesellschaftsrecht insgesamt auseinandergesetzt. Dabei zeigt er als ein Beispiel einer Typenvermischung, die als Folge der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsfreiheit eintreten kann, die „personenbezogene“ Aktiengesellschaft. Zur Abgrenzung einer solchen Aktiengesellschaft von dem Normaltyp der Aktiengesellschaft verwendet er strikte Kriterien, die er im wesentlichen aus § 5 der Zweiten Verordnung zur Durchführung der Dividendenabgabeverordnung vom 5. Mai 19429 ableitet. Dort hat der Gesetzgeber nicht die personenbezogene Aktiengesellschaft sondern allgemein die personenbezogene Kapitalgesellschaft umschrieben, als eine Kapitalgesellschaft „mit beschränktem Anteilseigner____________ 9

RGBl. 1942 I S. 261.

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kreis, bei denen Anteilseigner und gesetzliche Vertreter weitgehend personengleich sind“. Nach Paulick10 müssen für eine personenbezogene Aktiengesellschaft drei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen darf bei der Übertragung ihrer Anteile der organisierte Kapitalmarkt nicht in Anspruch genommen werden. Die Aktien dürfen somit „weder zum amtlichen Handel an einer deutschen Börse zugelassen sein noch im Freiverkehr gehandelt werden“. Als zweites muß der Kreis der Gesellschafter beschränkt sein. Für diese Beschränkung sieht Paulick zwei verschiedene Möglichkeiten: Entweder ist diese zahlenmäßig, wobei er fordert, daß die Gesellschaft nicht mehr als fünf Gesellschafter haben darf, die natürliche Personen sein müssen, oder es ist eine satzungsmäßige Beschränkung. Von einer derartigen satzungsmäßigen Beschränkung des Kreises der Anteilseigner spricht er dann, wenn nur solche Personen als Gesellschafter zugelassen sind, die untereinander durch eine familienrechtliche Sonderbeziehung verbunden sind. Er nennt hier die Ehe, Verwandtschaft, Schwägerschaft oder Annahme an Kindesstatt. Seine dritte Forderung betrifft das Maß der Trennung von Unternehmensbesitz und Unternehmensmacht. Er setzt voraus, daß bei einer personenbezogenen Aktiengesellschaft diese Trennung abgeschwächt oder sogar vollständig beseitigt ist. Als Mittel dazu sieht er die Personengleichheit von Gesellschaftern und gesetzlichen Vertretern an. Auch zur Erfüllung dieses Merkmals differenziert er zwischen einer zahlenmäßigen und einer satzungsmäßigen Beschränkung des Gesellschafterkreises. Bei einer zahlenmäßigen Beschränkung muß mindestens ein Gesellschafter hauptberuflich als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft tätig werden. Zudem muß der bzw. müssen die hauptberuflich tätigen Gesellschafter mindestens 60 % des Gesellschaftskapitals innehaben. Im Falle einer satzungsmäßigen Beschränkung des Gesellschafterkreises, also im Falle einer Familiengesellschaft etwa, genügt es, wenn die erste Voraussetzung erfüllt ist, wenn also mindestens ein Gesellschafter hauptberuflich als gesetzlicher Vertreter in der Gesellschaft tätig ist. Paulick begründet, außer dem Hinweis auf die besagte Verordnung zur Dividendenabgabeverordnung, allerdings nicht, wie er auf seine recht konkreten Forderungen kommt. Zusammenfassend geht Paulick davon aus, daß eine personenbezogene Aktiengesellschaft zwar ihrer Form nach noch eine Kapitalgesellschaft ist, nicht aber ihrem Wesen nach.

____________ 10

Paulick, S. 64 Fußn. 145, wo er auf die Voraussetzungen des Begriffs der personenbezogenen Kapitalgesellschaft eingeht.

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2. Wohlmann: Die personalistische Aktiengesellschaft (1968) Wohlmann hat sich 1968 mit der personalistischen Aktiengesellschaft in der Schweiz beschäftigt. Er setzt sich in seiner Arbeit zur Treuepflicht des Aktionärs im schweizerischen Recht mit den von Paulick entwickelten Kriterien zur Abgrenzung einer personalistischen Aktiengesellschaft11 von der typischen Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft auseinander. Dabei geht es ihm zum einen um die Frage der Übertragbarkeit auf schweizerische Verhältnisse und zum anderen auf die Verwendbarkeit der Kriterien für die Behandlung der Treuepflicht12. Hauptsächlich überprüft er alle Begriffsmerkmale daran, ob sie etwas über ein persönliches Vertrauensverhältnis aussagen, das er einerseits für das Bestehen einer Treuepflicht als entscheidend erachtet, und das für ihn andererseits ein wesentliches Merkmal der personalistischen Aktiengesellschaft insgesamt darstellt. Uneingeschränkt schließt sich Wohlmann dem kapitalmarktbezogenen Merkmal an. Er weist darauf hin, daß die Börsennotierung von Aktien oder auch der ständige außerbörsliche Handel dazu führt, daß eine „dauernde Fluktuation der Aktionäre“13 eintritt. Eine Beständigkeit in der Zusammensetzung der Gesellschafter ist aber die Basis für die von ihm geforderte allseitige persönliche Vertrauensbasis. Ebenso schließt er sich zumindest grundsätzlich der Forderung Paulicks an, daß der Kreis der Gesellschafter bei einer personalistischen Aktiengesellschaft beschränkt sein muß. Eine solche Beschränkung sieht er als Indiz für ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern an14. Im einzelnen kritisiert er aber die Position Paulicks. Er weist darauf hin, daß eine zahlenmäßige Beschränkung etwas rein faktisches ist. Ob aus einer zahlenmäßigen Beschränkung ein persönliches Vertrauensverhältnis gefolgert werden kann, zieht er dabei in Zweifel. Entscheidender sei es, daß die Gesellschafter die Übertragbarkeit ihrer Anteile entweder durch Satzung oder durch schuldrechtliche Zusatzverträge beschränken können. Als wichtigste Maßnahme einer statuarischen Übertragungsbeschränkung nennt er dabei die Vinkulierung der Anteile, worin er ein typisches Mittel zur „Wahrung der persönlichen Eigenart der Aktiengesellschaft“15 sieht. Die gleiche Folgerung ____________ 11

Wohlmann, S. 132, verwendet den Begriff „personalistische Aktiengesellschaft“ gleichbedeutend mit den Bezeichnungen Familienaktiengesellschaft und private Aktiengesellschaft. 12 Wohlmann, S. 133. 13 Wohlmann, S. 133. 14 Wohlmann, S. 138. 15 Wohlmann, S. 135.

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zieht er für andere Beschränkungen der Übertragbarkeit etwa durch Einräumung von „Vorkaufsrechten“, „Kaufsrechten“ und „Vorhandrechten“16. Eine Bindung durch ein familienrechtliches Sonderverhältnis, wie Paulick sie voraussetzt, stellt seiner Ansicht nach ein zusätzliches Indiz für ein Vertrauensverhältnis dar, ist aber für ein solches keinesfalls zwingende Voraussetzung. Schließlich spricht er auch die Möglichkeit einer Bindung durch schuldrechtliche Zusatzverträge, sog. Aktionärsbindungsverträge, an. Auch solche stellen für ihn eine Variante der Beschränkung des Aktionärskreises dar. Sie können der Bildung eines persönlichen Vertrauensverhältnisses dienen, soweit es sich um ausschließliche Verträge handelt, die alle Aktionäre miteinbeziehen. Die unmittelbare Beteiligung der Aktionäre an der Geschäftsführung, die für Paulick, die dritte Voraussetzung einer personalistischen Aktiengesellschaft darstellt, hebt auch Wohlmann als Typusmerkmal einer derartigen Gesellschaft hervor. Bezogen auf die ihn vorrangig interessierende Treuepflicht habe dieses Kriterium jedoch nur Bedeutung für die Stärke der Treuepflicht, weniger für die Begründung derselben17.

3. Friedewald: Die personalistische Aktiengesellschaft (1991) Friedewald hat 1991 wiederum im deutsch-schweizerischen Vergleich die „personalistische Aktiengesellschaft“ untersucht. Er widmet sich in seiner Monographie den Gestaltungsmöglichkeiten, die nach geltendem Recht bestehen, um den personenbezogenen Charakter einer Aktiengesellschaft zu unterstreichen. Dabei befaßt er sich insbesondere mit der mitgliedschaftlichen Stellung ____________ 16 Es handelt sich bei allen drei Begriffen um solche des schweizerischen Rechts. Der Begriff des „Vorkaufsrechts“ entspricht dabei im wesentlichen der deutschen Terminologie und setzt voraus, daß einem oder mehreren Mitaktionären durch Rechtsgeschäft die Befugnis eingeräumt wird, die Übertragung eines Anteils dann zu verlangen, wenn die Veräußerung bereits mit einem Dritten (bedingt) vereinbart ist. Der Mitaktionär tritt bei Ausübung des Vorkaufsrechts in den Vertrag zwischen Veräußerer und Dritten ein; vgl. dazu Vogel, S. 73; Forstmoser / Meier-Hayoz / Nobel, § 44 Rdnr. 259. Ein „Kaufrecht“ nach schweizerischem Recht entspricht wohl am ehesten einem Ankaufsrecht oder einer Option nach deutschem Recht. Wesentlich für das „Kaufrecht“ ist, daß es sich um eine Befugnis handelt, „während einer bestimmten Zeit – sogleich oder nach Eintritt einer Bedingung – jederzeit eine Sache zu den im voraus festgesetzten Konditionen kaufweise zu erwerben“, so Vogel, S. 78. Ein „Vorhandsrecht“ beinhaltet die Pflicht eines Aktionärs, der seinen Anteil veräußern will, diesen zuvor einem bestimmten oder allen bisherigen Aktionären anzubieten, bevor er ein Angebot gegenüber einem Dritten abgibt; vgl. Forstmoser / Meier-Hayoz / Nobel, § 44 Rdnr. 259; ähnlich Vogel, S. 82 ff., der verschiedene Arten der Vorhand unterscheidet. Für ähnliche Maßnahmen im deutschen Aktienrecht vgl. nur Friedewald, S. 76 ff. 17 Wohlmann, S. 138.

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der Aktionäre. Er entwickelt darüber hinaus ein „Sonderrecht der personalistischen Aktiengesellschaft“, das er bei der Auslegung des Aktienrechts ebenso wie zur Schließung von Lücken im AktG heranziehen will18. Friedewald stellt zunächst, bevor er allgemeine Kriterien entwickelt, die eine personalistische Aktiengesellschaft erfüllen muß, dar, welche Erscheinungsformen die Aktiengesellschaft im allgemeinen und die personalistische Aktiengesellschaft im besonderen aufweist. Als allgemeines Merkmal der personalistischen Aktiengesellschaft sieht er es an, daß sich die wirtschaftliche Macht darin zugunsten der Aktionäre verschiebt. Er unterscheidet dabei vier Erscheinungsformen19 der personalistischen Aktiengesellschaft: (1) die Familien-AG, die er entsprechend § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 1952 a.F. i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2–8, Abs. 2 AO definiert; (2) die Mitunternehmer-AG, deren Merkmal es ist, daß sich verschiedene Partner aus beruflichen Gründen zusammenschließen, um ein Unternehmen im Sinne einer Personengesellschaft zu betreiben; (3) die Einmann-AG20 und (4) die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Als Definitionskriterien zieht Friedewald ebenfalls, wie schon Paulick und Wohlmann, drei Merkmale heran: Zunächst ist für ihn entscheidend, daß der Aktionärskreis beschränkt ist. Wie auch Wohlmann, betrachtet er dieses Kriterium insbesondere dann als erfüllt, wenn die Gesellschaft bestimmte Maßnahmen in der Satzung ergriffen hat. Beispielhaft nennt er die Vinkulierung von Namensaktien, Zwangseinziehung nach § 237 AktG, aber auch Maßnahmen, die das Stimmrecht betreffen oder Regelungen, die auf die Besetzung der Verwaltungsorgane Einfluß nehmen, wie die Vereinbarung einer besonderen Qualifikation der Verwaltungsmitglieder oder Entsenderechte. Neben solchen statuarischen Maßnahmen kann eine Beschränkung des Aktionärskreises, im Anschluß an Wohlmann, auch durch bestimmte schuldrechtliche Vereinba____________ 18

Vgl. Friedewald, S. 2, 130 ff. Neben den bei ihm genannten Typen lehnt er weitere Unterformen explizit ab, insbesondere stellt seiner Ansicht nach weder die sog. „Nebenleistungs-AG“ noch die „genossenschaftliche Aktiengesellschaft“ eine Sonderform der personalistischen Aktiengesellschaft dar. Die Vereinbarung von Nebenleistungen sage nichts über die Organisation der Gesellschaft aus, eine Nebenleistungsverpflichtung stelle allenfalls ein Indiz für das Vorliegen einer personalistischen Aktiengesellschaft dar. Bei einer genossenschaftlichen Aktiengesellschaft handele es sich dagegen nicht zwingend um eine personalistische Aktiengesellschaft, da durchaus denkbar sei, daß lediglich eine Kapitalbeteiligung der Anleger im Vordergrund stehe, vgl. Friedewald, S. 14. 20 Wobei er die abhängige unter einer einheitlichen Konzernleitung stehende Aktiengesellschaft ausdrücklich ausnimmt. Die abhängige AG stellt neben der Publikums-AG, der gemischten Publikums-AG und der oben behandelten personalistischen AG den vierten Typ der Aktiengesellschaft dar, Friedewald, S. 10. 19

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rungen erfolgen21. Im Gegensatz zu Paulick, lehnt er jede zahlenmäßige Begrenzung dagegen vollständig ab. Er kritisiert an einem starren Zahlenmerkmal insbesondere, daß die Festsetzung der exakten Anzahl letztlich willkürlich wäre und über das Maß der persönlichen Verbundenheit, auf das er – ebenso wie Wohlmann – abstellt, nichts aussagt. Ebenso spricht er sich – entgegen Paulick – dagegen aus, daß eine personalistische Aktiengesellschaft nur im Falle familiärer Bindungen anzunehmen ist. Seiner Ansicht nach könne die nötige Personenbezogenheit auch dann gegeben sein, wenn andere Kriterien22 vorliegen, an denen die genannten statuarischen oder schuldrechtlichen Maßnahmen anknüpfen, um den Kreis der Aktionäre geschlossen zu halten. Schließlich fordert er auch nicht, daß nur natürliche Personen an einer personalistischen Aktiengesellschaft beteiligt sind, wodurch er sich von Paulick abgrenzt. Nach Ansicht Friedewalds ist nur der personale Charakter der Gesellschaft entscheidend. Dieser kann auch gegeben sein, wenn juristische Personen als Gesellschafter auftreten. Allenfalls sieht er in der Beteiligung juristischer Personen am Kreis der Aktionäre ein Indiz gegen die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter. Als weiteres Merkmal fordert Friedewald, wie auch schon Paulick und Wohlmann, die Beteiligung der Aktionäre an der Verwaltung der Gesellschaft. Dafür müsse mindestens „ein Aktionär als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft tätig sein“23. Die Fremdorganschaft werde in der personalistischen Aktiengesellschaft durch die Selbstorganschaft ersetzt. Zusätzlich erwähnt er, daß häufig die Stellung der Aktionäre deshalb eine andere als in einer Publikumsaktiengesellschaft sei, da ihr Aktienanteil hinreichend groß sei und sie auf die Geschäftsführung jedenfalls einen faktischen Einfluß ausüben können. Schließlich hält er es, wie Paulick und Wohlmann, für erforderlich, daß die Aktien nicht an einem öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden. Im Falle des öffentlichen Handels spricht er von einer „unwiderleglichen Vermutung dafür …, daß es auf die Person des einzelnen Teilhabers nicht ankommt“24. Dabei ist Friedewald der Ansicht, daß das Merkmal des Fehlens einer Börsennotierung der Anteile in engem Zusammenhang mit der Beschränktheit und ____________ 21

Im einzelnen nennt Friedewald, S. 15, Vereinbarungen zur Beschränkung der Übertragbarkeit unmittelbar, wie etwa Vorkaufsrechte, Anbietungspflichten und Rückkaufsrechte, aber auch vertragliche Nebenleistungspflichten und Stimmbindungs- und Schutzgemeinschaftsverträge. 22 Als Beispiele nennt Friedewald, S. 16 die berufliche Qualifikation, Zugehörigkeit zu bestimmten Verbänden, Alter, Geschlecht und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. 23 Friedewald, S. 17. 24 Friedewald, S. 18.

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Verbundenheit des Kreises der Aktionäre steht. Die Annahme einer personalistischen Aktiengesellschaft, wenn nur ein kleiner Teil der Aktien an der Börse gehandelt wird, lehnt er ab, da durch jede Art des Handels am öffentlichen Kapitalmarkt, die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter zwingend verloren gehe. Zudem sei es dann notwendig, Zugeständnisse gegenüber den Publikumsaktionären im Hinblick auf die Struktur zu machen, etwa hinsichtlich der Besetzung der Organe der Aktiengesellschaft, was letztlich gegen eine personenbezogene Struktur insgesamt spreche25.

4. Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter: Das Drei-Stufen-Modell (1988) Als letztes soll das „Drei-Stufen-Modell“ dargestellt werden, das bereits mehrfach angesprochen wurde und von den Autoren Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter 1988 entwickelt wurde. Im Gegensatz zu den bisher erläuterten Ansichten wählt dieses Modell einen im wesentlichen neuen Ansatz, aus dem die Autoren umfangreiche Folgerungen für die Ausgestaltung des Aktienrechts ziehen. Wegen dieses neuen Ansatzes wird es auch als letztes dargestellt. Zudem diente das Modell dem Gesetzgeber als Vorbild für das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ jedenfalls hinsichtlich der Einzelvorschriften. Dies wurde bereits erläutert. Das „Drei-Stufen-Modell“ beschränkt sich nicht auf eine Charakterisierung dessen, was eine personenbezogene Aktiengesellschaft ist, um daraus eine Zweigliederung der Aktiengesellschaft („personalistische Aktiengesellschaft“ – „klassische Aktiengesellschaft“) zu entwickeln. Vielmehr unterscheidet es drei verschiedene Stufen im Aktienrecht: Die erste Stufe stellt die „Private Aktiengesellschaft“ dar. Charakterisiert wird dieser Typus durch einen geschlossenen Gesellschafterkreis und eine hohe Personenbezogenheit. Aufgrund der größeren Nähe der Anleger zu ihrer Gesellschaft sollten auch die gesetzlichen Regelungen im Verhältnis zum bisherigen Recht durch weitgehende Erleichterungen und größere Gestaltungsfreiheit innerhalb des Aktienrechts geprägt sein26. Bei der „Privaten Aktiengesellschaft“ findet also eine Annäherung an die Vorschriften des GmbH-Gesetzes statt. Entscheidend ist für diesen Typ, daß er – ebenso wie die GmbH – keinen Kapitalmarktzugang hat27. ____________ 25

Friedewald, S. 18 f. Im einzelnen Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 36 und S. 52 ff. und Friedewald, S. 164 ff. Einen guten Überblick bietet hier das Schaubild über die Deregulierungsmaßnahmen Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 40 bzw. Friedewald, S. 163. 27 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 37. 26

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Die zweite Stufe stellt die „Offene Aktiengesellschaft“ dar. Wie schon der Name nahelegt, ist dieser Typus durch einen offenen Gesellschafterkreis gekennzeichnet. Im Gegensatz zur „Privaten Aktiengesellschaft“ können die Anteile der „Offenen Aktiengesellschaft“ an der Börse gehandelt werden. Es kommt jedoch nur ein Handel im Freiverkehr oder im geregelten Markt in Betracht, nicht aber im amtlichen Markt. Für diese Stufe sieht das Modell einzelne Erleichterungen gegenüber der bisherigen Rechtslage vor, die jedoch im Hinblick auf die Öffnung des Gesellschafterkreises einen geringeren Umfang haben als diejenigen bei der „Privaten Aktiengesellschaft“28. Als potentielle Gesellschafter wird hier an Personen gedacht, die in der Lage sind, die Risiken ihres Engagements zu beurteilen, und daher in gewissem Umfang entsprechende Maßnahmen zum Selbstschutz treffen können. Als dritte und letzte Stufe sehen die Autoren die (große) Aktiengesellschaft nach dem geltenden Aktienrecht vor. Die Anteile dieser Gesellschaft können in jedem Marktsegment gehandelt werden, insbesondere auch im amtlichen Markt. Idealtypisch hat eine große Aktiengesellschaft eine Vielzahl von Aktionären. Diese sind, wie im geltenden Aktienrecht, umfassend geschützt, was mit dem geringsten Grad an Freiheit vor den zwingenden gesetzlichen Regelungen einher geht. Im wesentlichen soll es für diese dritte Stufe beim rechtlichen status quo bleiben. Im Gegensatz zu den Modellen von Paulick, Wohlmann und Friedewald stellt das „Drei-Stufen-Modell“ de lege ferenda auf nur noch ein einziges Kriterium ab, daß zur Differenzierung der unterschiedlichen Typen dient, nämlich das Maß der Teilnahme am Kapitalmarkt. Zwar sehen die Autoren auch einen unterschiedlich hohen Mindestnennbetrag des Grundkapitals vor, die „Private Aktiengesellschaft“ soll, wie die Aktiengesellschaft nach bisherigem Recht (vor der Euro-Umstellung), 100.000 DM Grundkapital haben. Die „Offene Aktiengesellschaft“ soll über ein Grundkapital von 500.000 DM verfügen und die (große) Aktiengesellschaft über eines von 2,5 Mio. DM. Allerdings ist diese Differenzierung im Grundkapital eine Folge der Qualifizierung einer Gesellschaft zu einer Stufe, nicht aber das maßgebliche Kriterium für die Unterscheidung. Bei der Entwicklung des Modells haben sich die Autoren durchaus auch mit anderen Kriterien auseinandergesetzt, die zumeist größenspezifisch sind. Zu nennen sind hier u.a. der Umsatz, die Bilanzsumme, die Anzahl der Arbeitnehmer sowie die Anzahl der Anteilseigner29. Letztlich sind sie aber der Ansicht, ____________ 28 29

Vgl. wiederum Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 37. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 16, 33.

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daß größenabhängige Merkmale für ihre Zwecke ungeeignet sind. Ein Problem bei derartigen Merkmalen sei, daß die Bewertung der einzelnen Parameter in hohem Maße von der Art des Unternehmens abhänge. So hat etwa die Anzahl der Arbeitnehmer bei einem Dienstleistungsunternehmen eine andere Bedeutung als bei einem Produktionsunternehmen, das einen Großteil seiner Produktion automatisiert hat30. Das Zielpublikum des „Drei-Stufen-Modells“ seien gerade junge und dynamische Unternehmen, die schon bald fürchten müßten, in einer Art Automatismus aus einer „Privaten Aktiengesellschaft“ in die Form der „Großen Aktiengesellschaft“ zu gelangen, ohne dies zu wollen. Zudem seien Größenmerkmale statisch und würden daher der Dynamik der Märkte und der darin tätigen Unternehmen widersprechen31. Daher entwickeln sie ein Modell, das ausschließlich marktorientiert ist.

II. Ansätze der Unternehmensrechtskommission Am 6. Oktober 1971 wurde durch den Bundesminister der Justiz eine Kommission unabhängiger Sachverständiger eingesetzt32. Diese sollte sich mit den Rechtsfragen auseinandersetzen, „die sich aus der notwendigen Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts zu einem umfassenden Unternehmensrecht ergeben … Außerdem soll sich die Kommission auch mit der Frage befassen, ob sich die bisherige Vielfalt der Rechtsformen bewährt hat oder inwieweit Einschränkungen möglich oder Erweiterungen notwendig sind“33. Im einzelnen befaßte sich die Kommission mit vier Themenkreisen: (1) Organisation der rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen, (2) Konzerne, (3) Publizität und (4) Vielfalt der Rechtsformen. In diesem Zusammenhang, vor allem im Hinblick auf Fragen der Organisation verschiedener Unternehmen aber auch bei der Publizität und beim Konzernrecht hat die Unternehmensrechtskommission diskutiert, ob überhaupt eine Festlegung unternehmensrechtlich relevanter Größenmerkmale sinnvoll und möglich ist, und welchen Merkmalen im Hinblick auf welche Sachfrage herausragende Bedeutung zukommt. Dabei setzten sich die Sachverständigen insbesondere mit der Unterscheidung zwischen Publikumsunternehmen und personenbezogenem ____________ 30 Dazu Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 16 auch mit weiteren Beispielen, welche die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit größenspezifischen Kriterien stehen, aufzeigen. Kritisch zu festen Größenkriterien auch schon ein Teil der Mitglieder der Unternehmensrechtskommission, Unternehmensrechtskommission, S. 100. 31 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 17. 32 Zur Zusammenfassung der Kommission vgl. Unternehmensrechtskommission, S. 91–93. 33 Unternehmensrechtskommission, S. 78 f.

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Unternehmen auseinander. Hinzuweisen ist darauf, daß sich der Blick der Kommission, im Gegensatz zu den oben dargestellten Modellen der Literatur, eher darauf richtete, was Großunternehmen ausmacht. Diese waren Zielgruppe eines von der Kommission zu diskutierenden Unternehmensrechts34. Auch bei den personenbezogenen Unternehmen stand das Großunternehmen im Mittelpunkt des Interesses. Die Kommission hat für die Abgrenzung von Publikumsunternehmen und personenbezogenen Unternehmen zum einen verschiedene Einzelkriterien erörtert, die teilweise insbesondere mit den Merkmalen, die Paulick, Wohlmann und Friedewald heranziehen, übereinstimmen. Zum anderen waren sich wohl alle Kommissionsmitglieder einig, daß ein Einzelkriterium alleine die notwendige Abgrenzung zwischen Publikums- und personenbezogenem Unternehmen nicht leisten könne, so daß sie in einem zweiten Schritt unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten diskutierten35.

1. Einzelne Abgrenzungsmerkmale Als erstes Charakteristikum wird die Unternehmensleitungsfunktion mindestens eines Gesellschafters angesprochen. Wie schon in den oben dargestellten Modellen, sehen es auch die Sachverständigen der Unternehmensrechtskommission als für ein personalistisches Unternehmen wesensgemäß an, daß die gerade in Kapitalgesellschaften typische Trennung von unternehmerischem Eigentum und unternehmerischer Macht zumindest eingeschränkt ist. Ein Teil verlangt, wie schon Paulick, die tatsächliche Beteiligung zumindest eines Gesellschafters an der Leitung des Unternehmens36. Dabei wird jedoch nicht zwingend gefordert, daß der Gesellschafter zugleich gesetzlicher Vertreter ist, wie bei Paulick. Ausreichend ist vielmehr eine Tätigkeit in einem Kontrollorgan, so daß auch ein Sitz im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft genügen würde. Begründet wird dies damit, daß gerade in personenbezogenen Unternehmen ohnehin nicht von einer scharfen Trennung von Geschäftsführungsund Kontrollorgan ausgegangen werden kann. Ein anderer Teil der Kommission geht noch weiter und läßt es ausreichen, daß ein Gesellschafter die Politik des ____________ 34 Vgl. nur Unternehmensrechtskommission, S. 100 ff. Auf S. 511 wird dazu ausgeführt: „Ein künftiges Unternehmensrecht könnte unter der Prämisse einer rechtsformunabhängigen Organisation von Großunternehmen an die Unterscheidung zwischen Publikumsunternehmen und personenbezogenen Unternehmen anknüpfen und das personenbezogene Unternehmen neben dem Publikumsunternehmen als besonderen Grundtyp mit eigenständiger Unternehmensverfassung organisieren“. 35 Unternehmensrechtskommission, S. 529 ff. 36 Unternehmensrechtskommission, S. 516.

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Unternehmens maßgeblich bestimmen kann37, ohne daß dieser Einfluß sich durch eine unmittelbare Beteiligung an der Verwaltung institutionalisiert haben muß. Umstritten bleibt innerhalb der Kommission die Frage, ob eine Tochtergesellschaft innerhalb eines Konzerns als personalistisches Unternehmen behandelt werden soll38. Als zweites Merkmal wird die Beschränkung der Zahl der Gesellschafter diskutiert. Dabei wird neben einem möglichen Tatbestandsmerkmal „geringe Zahl von Gesellschaftern“ auch das Merkmal „begrenzte Zahl von Gesellschaftern“ angesprochen, was Familiengesellschaften begünstigen würde. Schließlich wird auch die Beschränkung der Zahl der Gesellschafter durch die Festlegung einer bestimmten Höchstzahl an Gesellschaftern erwähnt. Auch die Kommission weist auf die Schwierigkeit hin, die bei der Entscheidung entsteht, bis zu welcher Zahl man noch von einem personalistischen Unternehmen ausgehen soll, die auch bereits Wohlmann und Friedewald angemerkt haben. Ein Teil der Kommissionsmitglieder ist sogar der Ansicht, daß man auf dieses Kriterium insgesamt verzichten sollte, da eine persönliche Bindung bis zu einem gewissen Grad unabhängig von der Anzahl der Gesellschafter bestehen könne. Zudem seien bei einer starren Grenze Umgehungsgeschäfte durch gemeinsame Vertreter oder Treuhänder zu befürchten39. Wie erwähnt, ist es ein Ausgangspunkt von Paulick, daß von einem personenbezogenen Unternehmen nur dann gesprochen werden könne, wenn lediglich natürliche Personen als Gesellschafter auftreten. Dem ist sowohl Friedewald als auch Wohlmann entgegengetreten. Ähnlich umstritten war diese Frage in der Unternehmensrechtskommission, die diskutiert hat, ob besondere Merkmale der beteiligten Personen oder des Unternehmensträgers erforderlich seien. Die Meinungen gehen hier weit auseinander. Ein Teil ist der Ansicht, daß ein personenbezogenes Unternehmen nur natürliche Personen als Gesellschafter haben könne, ein Teil widerspricht der Ansicht und läßt auch juristische Personen zu, zumindest wenn diese ihrerseits personenbezogene Unternehmen seien40. ____________ 37

Unternehmensrechtskommission, S. 517. Unternehmensrechtskommission, S. 517 f.; vgl. dazu auch Friedewald, S. 10, der dies, wie bereits erwähnt, ablehnt und in der abhängigen Aktiengesellschaft einen eigenen Typus der Aktiengesellschaft sieht. 39 Unternehmensrechtskommission, S. 519. 40 Unternehmensrechtskommission, S. 520. Daneben wurde auch angesprochen, ob es sich empfiehlt, verschiedene Gruppen von Unternehmen zu bilden, bzw. ob eine eigene Rechtspersönlichkeit des Unternehmensträgers Einfluß auf die Einordnung des Unternehmens selbst als personenbezogen oder nicht haben könne. 38

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Des weiteren wird – wie bei Paulick, Wohlmann und Friedewald – die Bedeutung einer stärkeren Bindung der Anteile an die Gesellschafter und die damit einhergehende geringere Mobilität des Kapitaleinsatzes angesprochen. Soweit die Kommission das Kriterium als geeignet erachtet, besteht der Hauptstreitpunkt41 darin, ob der Gesetzgeber selbst die Veräußerung der Anteile erschweren müsse und so eine langfristige Kapitalbindung durch gesetzliche Regelung absichere, oder ob es genüge, daß den Anteilen in tatsächlicher Hinsicht die Markfähigkeit fehle, es also in der Praxis keinen Markt für sie gebe. Diejenigen, die dem Merkmal keine eigene Bedeutung zumessen, führen überwiegend an, daß eine langfristige Bindung des Kapitals nur eine Folge etwa einer engen mit der Gesellschaft verbundenen Führung des Unternehmens und vor allem einer fehlenden Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes sei. Bei der engen Einbeziehung der Gesellschafter würden diese ohnehin Maßnahmen treffen, die eine Kontrolle des zukünftigen Gesellschafterkreises sicherstellen würden. Bei dem Fehlen eines öffentlichen Handels am Kapitalmarkt sei eine langfristige Bindung selbstverständliche Folge42. Ebenso wie in allen in der Literatur entwickelten Modellen, die oben43 erläutert wurden, herrscht innerhalb der Unternehmensrechtskommission Einstimmigkeit darüber, daß jedenfalls ein umfangreicher Handel der Anteile einer Gesellschaft dazu führt, daß diese nicht mehr als personenbezogen angesehen werden könne, sondern eine Publikumsgesellschaft sei44. Umstritten ist dagegen die Frage, ob auch im Falle einer nur geringfügigen Inanspruchnahme des Kapitalmarktes bereits die Personenbezogenheit ausgeschlossen sei. Besonders strikt ist die Meinung, daß die bloße Möglichkeit der Ausgabe von Anteilen, die an der Börse gehandelt werden, der Charakterisierung eines Unternehmens als personenbezogen entgegenstehe. So geht diese Meinung davon aus, daß eine Aktiengesellschaft per se „aus dem Kreis der personenbezogenen Unternehmen ausscheiden [müsse]. Wer eine Gesellschaftsform wähle, die nicht für den Typ des personenbezogenen Unternehmens vorgesehen sei, bleibe an die Regelungen gebunden, die der Gesetzgeber für diese Rechtsform aufgestellt habe“45. Soweit bei einer Aktiengesellschaft nur wenige Großaktionäre unternehmerisch tätig seien, könnten sie den Status eines personenbezogenen Unternehmens nur durch Umwandlung in eine GmbH erreichen. Die Gegenauffassung spricht sich dafür aus, daß eine geringfügige Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes – wobei von einer Grenze von etwa 25 % ge____________ 41 42 43 44 45

Unternehmensrechtskommission, S. 523 f. Unternehmensrechtskommission, S. 524. Vgl. oben unter I. Unternehmensrechtskommission, S. 525. Unternehmensrechtskommission, S. 526.

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sprochen wird – einer Einordnung eines Unternehmens als personenbezogenes Unternehmen nicht entgegenstehe. Hier wird auch anerkannt, daß nicht schon die Rechtsform der Aktiengesellschaft einer Personenbezogenheit im Wege stehe, sondern daß auch hier bei der Erfüllung bestimmter Kriterien46 ein personenbezogenes Unternehmen vorliegen könne. Für die Frage, wann eine „Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarkts“ bestehe, will diese Ansicht alle Marktsegmente einbeziehen. Zwei weitere Kriterien wurden schließlich bei der Unternehmensrechtskommission diskutiert, die sich in den oben dargestellten Ansätzen in der Literatur jedenfalls nicht unmittelbar finden. Zum einen wurde die Größe des Anteils und das damit einhergehende Risiko des einzelnen Gesellschafters erwähnt, zum anderen die Bedeutung einer persönlichen Haftung. Die Berücksichtigung einer persönlichen Haftung ist bei den oben erläuterten Ansätzen schon deshalb nicht in Frage gekommen, da die Autoren von der Bestimmung einer personenbezogenen Aktiengesellschaft oder doch Kapitalgesellschaft ausgegangen sind, die grundsätzlich47 durch das Fehlen einer persönlichen Haftung geprägt ist. In der Unternehmensrechtskommission ist nur ein Teil der Meinung, daß von der persönlichen Haftung auch die Personenbezogenheit des Unternehmens abhänge, da dadurch eine Beziehung zwischen Gesellschafter und Unternehmen geschaffen werden, die ähnlich eng sei, wie bei einer Beteiligung in der Leitung der Gesellschaft48. Wenn die persönliche Haftung nicht als entscheidend betrachtet wird, hat dies mehrere Ursachen: Zunächst wird die Frage nach dem Fehlen einer persönlichen Haftung gerade für Großunternehmen bedeutungslos sein. Zudem dürfte die persönliche Haftung jedenfalls nicht condicio sine qua non für eine Einordnung eines Unternehmens als personenbezogen sein, was sich gerade an der personalistischen GmbH zeige49. Schließlich wird auf die Umgehungsmöglichkeiten etwa durch die Verwendung einer juristischen Person als persönlich haftendem Gesellschafter hingewiesen.

____________ 46 Unternehmensrechtskommission, S. 527: Genannt werden wiederum der begrenzte Aktionärskreis, die unternehmerische Betätigung der Anteilseigner und eine beschränkte Übertragbarkeit der Anteile. 47 Eine gewisse Ausnahme bildet hier nur die KGaA, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist. Friedewald, S. 13 sieht die KGaA zumindest bei bestimmten konkreten Ausgestaltungen als Unterform der personalistischen Aktiengesellschaft an. Entscheidend ist aber auch hier für ihn, ob die Aktien dieser Gesellschaft am organisierten Kapitalmarkt gehandelt werden oder die Gesellschaft im übrigen einen weit gestreuten Kreis von Aktionären habe, was gegen die Personenbezogenheit sprechen würde. 48 Unternehmensrechtskommission, S. 528. 49 Unternehmensrechtskommission, S. 529.

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Die Größe des Anteils und damit des Risikos der einzelnen Gesellschafter wird ebenfalls von den oben erörterten Ansätzen in der Literatur nicht herangezogen. Dieses Merkmal steht jedoch in engem Zusammenhang mit der dort durchaus angesprochenen Anzahl der Gesellschafter50. Soweit die Größe des Anteils in der Unternehmensrechtskommission als gesondertes Merkmal herausgearbeitet wird, wird betont, daß es hier um die relative Größe und die Stimmkraft gehe, mit der der Einfluß auf die Gesellschaft verbunden sei. Die Mitglieder, die das Merkmal dagegen ablehnen, stützen ihre Ablehnung insbesondere darauf, daß ein gesteigertes Risiko bei einem größeren Geschäftsanteil erst dann Auswirkungen zeige, wenn dieses über die Gefahr, die Einlage zu verlieren, hinausgehe51. Dies deute aber im Ergebnis auf eine eigene persönliche Haftung hin.

2. Kombination mehrerer Merkmale zur Eingrenzung personenbezogener Unternehmen In der Unternehmensrechtskommission vertritt die ganz überwiegende Meinung, daß jedenfalls ein einzelnes Merkmal nicht genüge52, um Publikumsunternehmen und personenbezogenes Unternehmen abzugrenzen. Daher werden fünf verschiedene Kombinationsmodelle entwickelt, die jeweils zwei bzw. drei Merkmale zusammennehmen, um eine Abgrenzung zu ermöglichen.

• Das erste Modell sieht als wichtigste Anforderung die „weitgehende Identität zwischen Leitung und Eigentum“ an53. Dies konkretisiert das Modell in drei Voraussetzungen, die ein Unternehmen erfüllen muß, um als personenbezogen zu gelten: Zunächst müssen mehrheitlich die Gesellschafter selbst oder ihre Angehörige in der Verwaltung der Gesellschaft tätig sein. Daneben muß die Bindung zwischen dem Unternehmen und den Gesellschaftern langfristig sein, was sich darin ausdrückt, daß jede Übertragung von Gesell-

____________ 50 Auf den Zusammenhang der beiden Abgrenzungsmerkmale „Größe des Anteils und damit das Risiko der einzelnen Gesellschafter“ und der „geringen Anzahl der Gesellschafter“ weist auch der Kommissionsbericht hin, Unternehmensrechtskommission, S. 522. 51 Unternehmensrechtskommission, S. 522. 52 Einige Stimmen in der Kommission waren der Ansicht, daß eine abstrakte Definition eines personenbezogenen Unternehmens – unabhängig vom konkreten Ansatz – unmöglich sei, wenn nicht die Rechtsform desselben mitberücksichtigt werde, vgl. Unternehmensrechtskommission, S. 533. 53 Unternehmensrechtskommission, S. 530.

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schaftsanteilen von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängt. Schließlich dürfen nicht mehr als 30 % der Anteile börsennotiert sein.

• Das zweite Modell betont gänzlich andere Merkmale: An einem personenbezogenen Unternehmen dürften nur wenige Gesellschafter beteiligt sein, die zusammen mehr als Dreiviertel des gesamten Kapitals der Gesellschaft in ihren Händen halten und bei denen entweder ein Gesellschafter selbst die persönliche Haftung übernommen hat oder jedenfalls eine langfristige Kapitalbindung vorliegt54.

• Das dritte Modell möchte ein personalistisches Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht bestimmen. Dort ist für die Personenbezogenheit maßgebend, daß ein sog. „Eigentümer-Unternehmen“ vorliegt55. In juristischen Kategorien bedeutet das, daß das Unternehmen (1) nur eine geringe Anzahl von Gesellschaftern haben darf, (2) mindestens ein Gesellschafter selbst unternehmerische Tätigkeit entfalten muß und (3) eine langfristige Kapitalbindung vorhanden sein muß.

• Das vierte Modell ähnelt dem dritten Modell weitgehend. Ebenso wie dieses fordert es eine geringe oder jedenfalls begrenzte Anzahl von Gesellschaftern und den maßgeblichen Einfluß der Gesellschafter auf die Führung der Gesellschaft – „die Unternehmensführung [muß] in den Händen der Gesellschafter“56 liegen. An Stelle der langfristigen Kapitalbindung stellt dieses Modell die Anforderung auf, daß für die Anteile kein Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt bestehe. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß die in Modell drei verlangte langfristige Kapitalbindung die Folge einer fehlenden Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarkts ist. Das vierte Modell geht insofern über das dritte Modell hinaus, als eine Kapitalbindung auch dann vorliegen kann, wenn eine Gesellschaft zwar aufgrund ihrer Rechtsform als Aktiengesellschaft die Möglichkeit hätte, den Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, dies aber tatsächlich nicht tut und darüber hinaus etwa vinkulierte Anteile hat. Bei dem oben erläuterten engen Verständnis des Kriteriums „kein Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt“ scheiden bei diesem Modell Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft als personenbezogene Unternehmen aus.

• Das fünfte Modell schließlich läßt es als einziges genügen, daß die Unternehmen nur zwei Merkmale erfüllen. Zum einen muß bei einem per____________ 54 55 56

Unternehmensrechtskommission, S. 531. Unternehmensrechtskommission, S. 532. Unternehmensrechtskommission, S. 532.

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sonenbezogenen Unternehmen der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung gewährleistet sein. Zum anderen darf die Gesellschaft nur eine geringe Anzahl von Gesellschaftern haben. Im Hintergrund dieses Ansatzes steht das Mitbestimmungsrecht. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Notwendigkeit einer Mitbestimmung ist die Abgrenzung eines Publikumsunternehmens und eines personenbezogenen Unternehmens nach dieser Ansicht auch von besonderem Interesse. Nur bei letzterem wären die Arbeitnehmerinteressen ohnehin hinreichend geschützt, so daß eine Mitbestimmung nicht in Betracht komme. Dafür sei aber am wichtigsten, daß die Gesellschafter selbst die Verantwortung für die Verwaltung der Gesellschaft tragen57. Es ist noch darauf hinzuweisen, daß in der Unternehmensrechtskommission neben den in den Modellen angesprochenen Kriterien, noch erwogen wurde, ob für die Wahl einer personenbezogenen Unternehmensverfassung zusätzlich noch weitere Größenkriterien herangezogen werden müßten, wie etwa die Anzahl der Arbeitnehmer. Dabei ging es in erster Linie um Mitbestimmungsfragen58, so daß hier auf diesen Ansatz nicht weiter eingegangen wird.

III. Verwendung materieller Kriterien als Anknüpfungspunkt unterschiedlicher Regelungen im bisherigen Recht Auch im bisherigen Recht gibt es Bereiche, in denen Regelungen nicht an der Rechtsform anknüpfen, sondern rechtsformunabhängig bzw. rechtsformübergreifend aufgrund unterschiedlicher materieller Kriterien anwendbar sind. Von besonderem Interesse ist dabei zum einen für welche Arten von Unternehmen hier differenziert wird und zum anderen welche Kriterien vom Gesetzgeber dafür gewählt wurden.

____________ 57

Vgl. schon oben zu den Hintergründen und Ausnahmen der Mitbestimmung, unter § 5 B I 1 a aa. 58 Unternehmensrechtskommission, S. 534 ff.

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1. Mitbestimmungsrecht Auf die Vorschriften über die Mitbestimmung wurde bereits im Zusammenhang mit der Änderung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 (jetzt: § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) eingegangen, so daß hier eine knappe Darstellung genügen soll59. Die Notwendigkeit der Unternehmensmitbestimmung, die im MitbestG, Montan-MitbestG, MitbestErgG und dem DrittelbG geregelt ist, wird üblicherweise von zwei unterschiedlichen Standpunkten gerechtfertigt, die auch in der Unternehmensrechtskommission diskutiert wurden. Eine Ansicht geht von einem arbeitsrechtlichen Ansatz aus. Danach soll die Mitbestimmung vorrangig der Repräsentation von Arbeitnehmerinteressen dienen60. Darüber hinaus soll sie ein Mittel zur Legitimation und Überwachung der Leitungsmacht des Unternehmens durch die Arbeitnehmerseite sein. Bei diesem Ausgangspunkt ist für das Eingreifen der Mitbestimmung die Anzahl der Beschäftigten von herausragender Bedeutung. Eine besondere Integration der Interessen der Arbeitnehmer wird dann notwendig, wenn das Unternehmen eine gewisse Größe erreicht hat, so daß es für die Arbeitnehmer aufgrund der mit der Größe einhergehenden Anonymität unüberschaubar wird61. Auch wächst mit der Beschäftigtenzahl der Abstand zwischen Arbeitnehmern und der Unternehmensleitung62. Eine andere Ansicht begründet die Mitbestimmung vorwiegend durch ein öffentliches Interesse. Gerade bei Großunternehmen, die eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung haben, ist es von besonderer Relevanz, daß Kontrolle und Transparenz gewährleistet werden. Dieser Ansatz hat auch Auswirkungen auf die genaue Besetzung des Aufsichtsorgans. Als Folge dieses Ansatzes werden hier als Aufsichtsratsmitglieder neben Arbeitnehmervertretern auch Vertreter eben dieses öffentlichen Interesses vorgesehen. Die Frage, durch welche Kriterien ein Unternehmen mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung abstrakt zu umschreiben ist, ist heftig umstritten. Dabei muß aber wohl neben der Anzahl der Arbeitnehmer auch auf andere Kriterien abgestellt werden. Insbesondere ist hier an die Bilanzsumme zu denken, aber auch an den Umsatz und ähnliche ____________ 59

Vgl. oben unter § 5 B. I. 1. a). Unternehmensrechtskommission, S. 102. 61 Unternehmensrechtskommission, S. 103. 62 Auf die Ausnahme der personenbezogenen Unternehmen wurde ebenfalls oben bereits hingewiesen. Bei einem solchen ist die Leitungsmacht in hinreichender Weise durch den persönlichen Einsatz des Unternehmers und Kapitalgebers legitimiert. Die Legitimation von arbeitsrechtlicher Seite ist zusätzlich nicht notwendig, vgl. Unternehmensrechtskommission, S. 105. 60

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größenbezogene Kriterien63. Eine weitere Möglichkeit um solche Großunternehmen zu bestimmen, könnten u.a. eine individuelle Einordnung sein oder auch eine Beschränkung auf solche Unternehmen, deren Insolvenz „volkswirtschaftlich untragbar“ wäre64. Der Gesetzgeber stellt hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien lediglich auf die Anzahl der Arbeitnehmer ab, folgt somit wohl eher dem zuerst erwähnten arbeitsrechtlichen Ansatz. Die Tatsache, daß bei bestimmten Unternehmen auch öffentliche Interessen eine Rolle spielen und im Aufsichtsrat vertreten sein sollen, hat nicht über abstrakte Kriterien ins geltende Recht Eingang gefunden. Vielmehr wird dieser Gedanke vorwiegend bei der Mitbestimmung in einem bestimmten Wirtschaftszweig verwirklicht, nämlich bei Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, dem sogenannten „Montanbereich“. Die Mitbestimmung nach den dort geltenden Montan-MitbestG und MitbestErgG sieht neben Vertretern der Anteilseigner und Arbeitnehmer weitere Mitglieder vor. Diese zeichnen sich durch eine gewisse vom Unternehmen unabhängige Stellung aus, da sie nach § 4 Abs. 3 Montan-MitbestG weder der Gewerkschaft noch den Arbeitgeberverbänden angehören dürfen. Überdies dürfen sie auch im Unternehmen selbst weder auf Arbeitnehmer- noch auf Arbeitgeberseite stehen und an dem Unternehmen nicht wesentlich wirtschaftlich interessiert sein. Eine gewisse Berücksichtigung öffentlicher Interessen kann zudem im MitbestG darin gesehen werden, daß auf Seiten der Arbeitnehmer auch Vertreter der Gewerkschaften vorgesehen sind. Alle diese Regeln hängen maßgeblich von der Beschäftigtenzahl ab. Die Mitbestimmung nach DrittelbG tritt, soweit die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, bei mehr als 500 Arbeitnehmern ein. Beim Montan-MitbestG liegt die Grenze bei 1.000 Arbeitnehmern und bei MitbestG sowie MitbestErgG bei 2.000 Arbeitnehmern.

____________ 63 Vgl. dazu Unternehmensrechtskommission, S. 111, die verschiedene „größenindizierende Hilfsmerkmale“ diskutieren. Genannt werden dabei: Zahl der Beschäftigten, Bilanzsumme, Nennkapital, Nennkapital zuzüglich offener Rücklagen, Umsatz oder Bruttoproduktionswert, Nettoproduktionswert, Wertschöpfung und Marktanteil, aber auch Umsatzüberschuß, Investitionskraft, Innovationskraft, relative Bedeutung des Unternehmens auf den relevanten Arbeitsmärkten sowie Außenhandelsbedeutung. Als praktisch verwendbar werden aber nur die drei oben explizit genannten Merkmale genannt: Beschäftigtenzahl, Jahresbilanzsumme und Jahresumsatz. 64 Zu solchen Ansätzen und deren Bewertung, vgl. Unternehmensrechtskommission, S. 121 ff.

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2. Recht der Rechnungslegung Daneben kennt das Recht der Rechnungslegung eine Vielzahl von Vorschriften, deren Anwendbarkeit nicht von der Rechtsform abhängig ist, sondern von der Erfüllung materieller Merkmale, die in erster Linie größenabhängig sind.

a) Publizitätsgesetz Zunächst schuf der Gesetzgeber mit dem Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (sog. „Publizitätsgesetz“ – PublG) vom 15. August 196965 Vorschriften, die von der Rechtsform unabhängig sind, und sich nur an der Erfüllung materieller Kriterien orientieren. Wenn ein Unternehmen zwei der darin genannten drei Merkmale erfüllt, ist es zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 1 Abs. 1 PublG). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 PublG muß der gesetzliche Vertreter des Unternehmens einen Jahresabschluß in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs aufzustellen. Hierzu tritt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 PublG die Verpflichtung, den Jahresabschluß um Anhang und Lagebericht zu erweitern, sofern es sich nicht um ein Unternehmen in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft oder einem Einzelkaufmann handelt. Die daran anschließenden Vorschriften befassen sich mit der Prüfung, Feststellung und Offenlegung der geforderten Dokumente. Ziel dieses Gesetzes war es, für Großunternehmen66 Sondervorschriften zu schaffen, die derartige Unternehmen unabhängig von der konkreten Rechtsform zu einer einheitlichen Rechnungslegung verpflichten. Um den Kreis der Unternehmen zu umschreiben, hat sich der Gesetzgeber für die gewählten drei Merkmale entschieden, die auch nach der Ansicht der Unternehmensrechtskommission als am geeignetesten bezeichnet wurden, um Unternehmen von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung zu bestimmen67, also (1) die Bilanzsumme, (2) der Umsatz und (3) die Beschäftigtenzahl. Dabei liegt der Grenzwert bei der Bilanzsumme bei € 65 Mio. und beim Jahresumsatz bei € 130 Mio. Die Anzahl ____________ 65

BGBl. I 1969, 1189, bereinigt 1970 I, 1113. Vgl. zu den Diskussionen über die Regelung der Publizität Unternehmensrechtskommission, S. 125 ff. 67 In der Unternehmensrechtsdiskussion wurde auch angesprochen, ob es nicht für Fragen der Publizität ausreichend wäre, auf Umsatz und Bilanzsumme abzustellen, vgl. Unternehmensrechtskommission, S. 125. Die Gegenansicht sprach sich für einheitliche Größenabgrenzungen in den Bereichen Publizität, Organisation (d.h. Mitbestimmung) und Konzernrecht aus und bevorzugte daher auch für die Publizität die erwähnte Merkmaletrias, so Unternehmensrechtskommission, S. 126. 66

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der Arbeitnehmer ist auf mindestens 5.000 festgelegt. Bis zum Jahre 1985, in dem das Bilanzrichtliniengesetz zu entscheidenden Änderungen des Publizitätsgesetzes führte, galt es in erster Linie auch für Kapitalgesellschaften. Diese fallen jetzt gemäß § 3 Abs. 1 PublG nicht mehr in den Geltungsbereich des Gesetzes, so daß diesem nur mehr ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich bleibt68.

b) §§ 238 ff. HGB Eine umfassende Neuregelung erfuhr das Rechnungslegungsrecht durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19. Dezember 1985 (BiRiLiG)69, das insbesondere zu einer Neufassung des Dritten Buches des HGB (§§ 238 – 339) führte. Das BiRiLiG diente zur Umsetzung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts. Von besonderem Interesse ist im vorliegenden Zusammenhang die Vierte Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsform vom 25. Juli 1978 (78/660/EWG), der sog. „Jahresabschlußrichtlinie“70, die den materiellen Inhalt des Jahresabschlusses regelt, so wie dessen Prüfung und Offenlegung. Dabei ist nach Art. 1 Abs. 1 der Jahresabschlußrichtlinie Ziel der Richtlinie die Rechnungslegung der Kapitalgesellschaften zu koordinieren. Dies betraf in Deutschland die Aktiengesellschaft, die KGaA und die GmbH. Schon die Richtlinie sah für diese drei Gesellschaftsformen einheitliche Regelungen vor. In der Richtlinie wurde den Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit eingeräumt, ____________ 68 Das Publizitätsgesetz gilt danach nach § 3 Abs. 1 PublG nur noch für Personenhandelsgesellschaften, die keinen Abschluß nach §§ 264a, 264b HGB aufgestellt haben und für den Einzelkaufmann; darüber hinaus für wirtschaftliche Vereine, rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts, wenn sie ein Gewerbe betreiben und Körperschaften, Stiftungen oder Anstalten des öffentlichen Rechts, wenn sie Kaufmann i.S.d. § 1 HGB sind oder als Kaufmann im Handelsregister eingetragen sind. Dies gilt jeweils unter der Voraussetzung, daß die Schwellen des § 1 Abs. 1 PublG überschritten werden. 69 BGBl. I 1985, 2355. 70 ABl. EG Nr. L 222 v. 14. August 1978, S. 11 ff., auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 147 ff. Auf die Siebte Richtlinie vom 13. Juni 1983 (83/349/EWG), die sog. „Richtlinie über den konsolidierten Abschluß“, ABl. EG Nr. L 193 v. 18. Juli 1983, S. 1 ff., auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 211 ff., in der die Rechnungslegung von Konzernen geregelt ist, sowie auf die Achte Richtlinie vom 10. April 1984 (84/253/EWG), der sog. „Prüferbefähigungsrichtlinie“, ABl. EG Nr. L 126 v. 12. Mai 1984, S. 20 ff. auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 232 ff., in der die persönlichen Voraussetzungen sowie das Zulassungsverfahren der Personen geregelt sind, die mit der Pflichtprüfung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften beauftragt sind, wird nachfolgend nicht mehr eingegangen.

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Ausnahmen von einem Teil der Regelungen für Gesellschaften, die bestimmte Größenordnungen nicht überschreiten, zu schaffen (Art. 11, 27 Jahresabschlußrichtlinie). Der deutsche Gesetzgeber machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und regelte in § 267 HGB die Zuordnung zu den verschiedenen gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Größenordnungen. Die Untergliederung der Kapitalgesellschaften in „kleine Kapitalgesellschaften“ (§ 267 Abs. 1 HGB), „mittelgroße Kapitalgesellschaften“ (§ 267 Abs. 2 HGB) und „große Kapitalgesellschaften“ (§ 267 Abs. 3 HGB) erfolgt an dieser Stelle abschließend71. Das Gesetz nimmt aber an zahlreichen Stellen72 auf die Einordnung Bezug. Als wesentliche Folge dieser Neuordnung des Rechts der Rechnungslegung ist festzuhalten, daß gerade für Aktiengesellschaften, die als „kleine Kapitalgesellschaften“ gelten, bedeutende Erleichterungen eingetreten waren. Neben solchen Erleichterungen, die die Aufstellung der Bilanz im einzelnen betreffen, ist hier der Wegfall der Pflichtprüfung durch einen Abschlußprüfer nach § 316 Abs. 1 HGB zu nennen. Zuvor war die Pflichtprüfung in den §§ 162–168 AktG a.F. geregelt und galt einheitlich für alle Aktiengesellschaften73. Zu dieser Herausnahme von „kleinen Aktiengesellschaften“ aus der Prüfungspflicht waren die Mitgliedstaaten durch Art. 51 Abs. 2 der Jahresabschlußrichtlinie ermächtigt, aber nicht verpflichtet. Der deutsche Gesetzgeber verfolgte dabei bereits ähnliche Ziele, wie durch den Erlaß des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“. Auch diese Maßnahme sollte der „Verbesserung der Risikokapitalausstattung der deutschen Wirtschaft“74 dienen und die Rechtsform der Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit den übrigen Erleichterungen in der Offenlegung für den Mittelstand attraktiver machen75. Nachfolgend wird genauer auf die Kriterien eingegangen, die sowohl in der Richtlinie, als auch vom deutschen Gesetzgeber vorgesehen wurden, um die Einordnung in die erwähnten Größenordnungen zu ermöglichen. Der deutsche Gesetzgeber hat dabei nicht nur auf größenabhängige Merkmale zurückgegriffen, sondern hat auch in § 267 Abs. 3 HGB die Frage der Börsennotierung und ____________ 71

Eine ähnliche Einordnung in verschiedene Größenklassen findet in § 293 HGB im Zusammenhang mit der Rechnungslegung von Konzernen statt. Der Aufbau dieser Vorschrift gleicht im wesentlichen § 267 HGB. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf die dort verwendeten Merkmale nicht mehr eingegangen. 72 Zu nennen sind hier etwa §§ 264 Abs. 1 Satz 3, 266 Abs. 1, 276, 288, 316 Abs. 1 Satz 1, 319 Abs. 1 Satz 2, 325 Abs. 2, 326, 327 HGB. 73 Vgl. Baumbach / Hopt, HGB, § 316 Rdnr. 1. 74 So der Titel der Unterrichtung der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/2881, S. 5. 75 Vgl. zu diesem Hintergrund auch Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 316 HGB Rdnr. 3.

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2. Teil: Deutsches Recht

damit ein kapitalmarktabhängiges Merkmal für die konkrete Einordnung als maßgeblich angesehen.

aa) Größenabhängige Merkmale Die größenabhängigen Merkmale in § 267 HGB (ebenso wie in Art. 11, 27 der Jahresabschlußrichtlinie) entsprechen denen des Publizitätsgesetzes. Ebenso wie in diesem Gesetz und im Bericht der Unternehmensrechtskommission sind die verwendeten Größenmerkmale die Bilanzsumme, die Nettoumsatzerlöse und die durchschnittliche Beschäftigtenzahl. Neben diesen Merkmalen entspricht auch die Regelungstechnik derjenigen des Publizitätsgesetzes. Eine Gesellschaft wird dann in eine bestimmte Größenklasse eingeordnet, wenn sie jeweils bei zwei der drei Merkmale über bzw. unter den angegebenen Grenzbeträgen liegt. Unter Bilanzsumme wird die Summe aller Aktiv- und Passivposten verstanden. Dabei ist ein eventuell vorhandener, durch Eigenkapital nicht abgedeckter Fehlbetrag abzuziehen76. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Bilanzsumme durch stichtagsbedingte Zufälligkeiten beeinflußt werden kann. Claussen und Korth nennen hier als Beispiel den Erhalt einer hohen Anzahlung von einem Kunden77. Für das HGB gilt aber ebenso wie schon für das Publizitätsgesetz, daß das einmalige Überschreiten der Kriterien nicht ausreicht, um eine Gesellschaft einer anderen Größenklasse zuzuordnen. Überdies können die Gesellschaften in gewissem Rahmen beeinflussen, wie hoch die Bilanzsumme ausfällt, etwa durch Auswahlrechte bei der Aufstellung der Bilanz, durch die die Bilanzsumme verkürzt wird78. Ähnliches gilt für die Umsatzerlöse (vgl. dazu §§ 275 Abs. 2 und Abs. 3 HGB). Für eine Beeinflussung der Umsatzerlöse stehen jedoch nicht bilanzpolitische Maßnahmen zur Verfügung. Ein Einfluß darauf kann nur durch geschäftspolitische Entscheidungen erfolgen, etwa einen erhöhten oder verminderten Verkauf in den letzten Monaten des Geschäftsjahres79. Hinzuweisen ist darauf, daß diese Möglichkeiten, auf die Einordnung in eine bestimmte Größenordnung Einfluß zu nehmen, vom Gesetzgeber gesehen und wohl auch gebilligt wurden80. Bei der Anzahl der Arbeitnehmer ist ____________ 76

Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 267 HGB Rdnr. 8; Herrmann, in: Heymann, HGB, § 267 Rdnr. 2. 77 Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 267 HGB Rdnr. 8. 78 Beispiele hierzu bei Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 267 HGB Rdnr. 9; Herrmann, in: Heymann, HGB, § 267 Rdnr. 2. 79 Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 267 HGB Rdnr. 10. 80 Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 267 HGB Rdnr. 7.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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auf die durchschnittlich tätigen Personen abzustellen. Nachdem das HGB keinen eigenen Arbeitnehmerbegriff kennt, sind dafür auf die Grundsätze des Arbeitsrechts zurückzugreifen. Dies war auch schon beim PublG anerkannt, so daß derjenige Arbeitnehmer ist, der für die Aktiengesellschaft weisungsabhängig tätig wird und durch Arbeitsvertrag gebunden ist81. Seit dem BiRiLiG wurden die Kriterien Bilanzsumme und Nettoumsatzerlöse bislang dreimal erhöht. Alle Erhöhungen sind aufgrund europäischer Richtlinien erfolgt. Nach Art. 11 der Jahresabschlußrichtlinie galt jede Gesellschaft als klein, die zwei der folgenden drei Merkmale nicht überschritt: 1.550.000 ECU Bilanzsumme; 3.200.000 ECU Nettoumsatzerlöse; 50 Arbeitnehmer. Nach Art. 27 der Jahresabschlußrichtlinie galten für die Abgrenzung von mittleren und großer Kapitalgesellschaft eine Bilanzsumme von 6.200.000 ECU, Nettoumsatzerlöse von 12.800.000 ECU und eine Anzahl der Arbeitnehmer von 250. Eine mittlere Gesellschaft war eine solche, die wiederum bei zwei der drei Merkmale den Grenzbetrag nicht überschreitet. Das BiRiLiG setzte für kleine Kapitalgesellschaften die Grenze für die Bilanzsumme auf 3.900.000 DM und für die Umsatzerlösen auf 8.000.000 DM fest (§ 267 Abs. 1 HGB in der Fassung des BiRiLiG). Für mittelgroße Kapitalgesellschaften lag die Bilanzsumme bei 15.500.000 DM und die Umsatzerlöse bei 32.000.000 DM. Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 8. November 1990 (90/604/EWG), die sog. „Mittelstandsrichtlinie“82 führte zu einer Erhöhung der Grenzen für die Bilanzsumme und die Nettoumsatzerlöse in den Art. 11 und 27 der Jahresabschlußrichtlinie. In Art. 11 wurde die Bilanzsumme auf 2.000.000 ECU und die Nettoumsatzerlöse auf 4.000.000 ECU erhöht und in Art. 27 die Bilanzsumme auf 8.000.000 ECU und die Nettoumsatzerlöse auf 16.000.000 ECU. Der Gesetzgeber setzte die Mittelstandsrichtlinie durch das „Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen“ vom 25. Juli 199483 um. In § 267 Abs. 1 HGB wurde die Bilanzsumme auf 5.310.000 DM erhöht, die Umsatzerlöse auf 10.620.000 DM. Bei § 267 Abs. 2 HGB, also für mittelgroße Kapitalgesellschaften, stieg die Grenze bei der Bilanzsumme auf 21.240.000 DM an, bei den Umsatzerlösen auf 42.480.000 DM. ____________ 81 Claussen / Korth, in: Kölner Komm. AktG § 267 HGB Rdnr. 11. Dort auch zu Detailfragen, so etwa die Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten und Auszubildenden. 82 ABl. EG Nr. L 317 v. 16. November 1990, S. 57 ff. 83 BGBl. I 1994, 1682. Zur Änderung durch dieses Gesetz speziell für die Kleine AG auch Farr, AG 1995, 76 ff. und AG 1996, 145 ff.

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Die zweite Anhebung der größenabhängigen Merkmale in § 267 HGB war eine Folge der Richtlinie des Rates der Europäischen Union (1999/60/EG) vom 17. Juni 1999, der sog. ECU-Anpassungsrichtlinie84. Diese wurde durch das Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) vom 24. Februar 200085 ins deutsche Recht umgesetzt. Danach liegt eine kleine Kapitalgesellschaft jetzt vor, wenn diese zwei der drei in § 267 Abs. 1 HGB in der Fassung des KapCoRiLiG umschriebenen Merkmale nicht überschreitet. Die Bilanzsumme wurde hier auf 6.720.000 DM angehoben und die Umsatzerlöse auf 13.440.000 DM. Für die maßgebliche Arbeitnehmerzahl verblieb es wiederum, wie schon bei den Änderungen zuvor, bei 50 Beschäftigten im Jahresdurchschnitt. Nach § 267 Abs. 2 HGB in der Fassung des KapCoRiLiG liegt eine mittelgroße Kapitalgesellschaft dann vor, wenn sie die Grenzen von 26.890.000 DM bei der Bilanzsumme, 53.780.000 DM bei den Umsatzerlösen und von 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt für mindestens zwei der genannten drei Merkmale nicht überschreitet. Durch das bereits erwähnte Eurobilanzgesetz vom 10. Dezember 2001 wurden die DM-Beträge in Euro umgestellt. In § 267 Abs. 1 HGB lautet der Grenzbetrag für die Bilanzsumme € 3.438.000 und für die Umsatzerlöse € 6.875.000. Die Schwelle in § 267 Abs. 2 HGB zur Abgrenzung mittelgroßer Kapitalgesellschaften und großer Kapitalgesellschaften liegt bei der Bilanzsumme bei € 13.750.000 und bei den Umsatzerlösen bei € 27.500.000. Durch die Euro-Umstellung wurden also die Beträge insgesamt nach unten abgerundet. Zur dritten Erhöhung kam es durch die sog. „Schwellenwerterichtlinie“86. Diese Richtlinie wurde durch das Bilanzreformgesetz (BilReG) vom 4. Dezember 200387 ins deutsche Recht umgesetzt. Danach gilt in § 267 Abs. 1 HGB für die Bilanzsumme der Grenzbetrag von € 4.015.000 und für die Umsatzerlöse der Grenzbetrag von € 8.030.000. Die Schwelle in § 267 Abs. 2 HGB zur Abgrenzung mittelgroßer Kapitalgesellschaften und großer Kapitalgesellschaften wurde für die Bilanzsumme auf € 16.060.000 und bei den Umsatzerlösen auf € 32.120.000 angehoben.

____________ 84 85 86 87

ABl. Nr. L 162 v. 26. Juni 1999, S. 65 ff. BGBl. I 2000, 154. Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003, ABl. EU Nr. L 120, S. 22 ff. BGBl. I 2004, 3166 ff.

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bb) Marktbezogenes Merkmal Der Gesetzgeber schöpfte im BiRiLiG den in Art. 11 bzw. Art. 27 der Jahresabschlußrichtlinie gegebenen Spielraum nicht in vollem Umfang aus. Bereits in der Unternehmensrechtskommission wird, wie oben erwähnt, die Meinung geäußert, daß ein Unternehmen dann jedenfalls nicht mehr personenbezogen sei, wenn es sein Eigenkapital ausschließlich oder doch zu einem überwiegenden Teil am öffentlichen Kapitalmarkt beziehe88. Streit herrscht lediglich darüber, ob schon die bloße Möglichkeit dieser Aufnahme von Eigenkapital ausreichen sollte, um ein Unternehmen nicht mehr als personenbezogenen zu behandeln oder ob es auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Kapitalmarktes ankomme. Eine andere Ansicht hält sogar eine Teilfinanzierung von 25 % über den öffentlichen Kapitalmarkt für unschädlich89. Der Gesetzgeber hat an diese Diskussion bei der Umsetzung der Jahresabschlußrichtlinie angeknüpft. Er hat entschieden, daß die Erleichterungen, die für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften zur Verfügung gestellt werden, dann von einer Gesellschaft nicht mehr genutzt werden können, wenn ihre Anteile börsennotiert sind. Dadurch hat er, vor dem Hintergrund der Diskussion in der Unternehmensrechtskommission, eine vermittelnde Position eingenommen. Zum einen genügt die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Kapitalmarktes noch nicht, um die Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften zu verlieren. Dies entspricht auch dem Ziel des Gesetzgebers, durch ein rechtsformunabhängiges Recht der Rechnungslegung die Aktiengesellschaft attraktiver zu gestalten. Zum anderen schadet aber jede tatsächliche Inanspruchnahme des Kapitalmarktes, wenn auch nur ein geringer Teil der Anteile betroffen ist. In gewisser Weise stellt dieses marktbezogene Merkmal einen Ausgleich dafür dar, daß Gesellschaften bei den ausschließlich größenbezogenen Kriterien eine Einflußmöglichkeit auf ihre Einordnung haben. Eine Gesellschaft, die sich dafür entscheidet, am öffentlichen Kapitalmarkt Eigenkapital aufzunehmen, gilt damit automatisch als „große Kapitalgesellschaft“ i.S.d. § 267 Abs. 3 HGB und muß den gesamten Vorschriften des Dritten Buches des HGB ohne Erleichterungen entsprechen. Ebenso wie die Größenmerkmale wurde auch das marktbezogene Kriterium in § 267 Abs. 3 HGB seit dem BiRiLiG mehrfach geändert. Die Entscheidung für börsennotierte Gesellschaften nicht von den gemeinschaftsrechtlich eingeräumten Wahlrechten, insbesondere des Art. 11 und Art. 27 der Jahresabschlußrichtlinie, Gebrauch zu machen, hat dabei zu einer nicht gemeinschaftsrechtlich ____________ 88 89

So Unternehmensrechtskommission, S. 526. Unternehmensrechtskommission, S. 527.

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vorgegebenen Differenzierung zwischen Gesellschaften, deren Anteile an der Börse gehandelt werden und solchen, bei denen dies nicht zutrifft, geführt. Die Änderungen hinsichtlich dieser marktbezogenen Unterscheidung waren daher nicht unmittelbar durch das Gemeinschaftsrecht bedingt, sondern beruhten vornehmlich auf Änderungen des deutschen Börsenrechts90. Nach dem BiRiLiG wurden zunächst solche Gesellschaften als „große Kapitalgesellschaften“ behandelt, deren Aktien oder andere Wertpapiere „an einer Börse in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind oder die Zulassung zum amtlichen Handel beantragt haben“ (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB i.F.d. BiRiLiG). Zum einen ist dabei zu bemerken, daß eine Notierung in Deutschland einer Notierung an einer anderen Börse in einem Mitgliedstaat der (damaligen) EWG gleichgestellt ist. Die maßgeblichen Marktsegmente sind hier der amtliche Handel (jetzt: amtlicher Markt) und der geregelte Freiverkehr, wie er in § 43 BörsG a.F. definiert war. Mit dem sog. Börsenzulassungsgesetz vom 16. Dezember 198691 wurde das deutsche Börsenrecht umfassend geändert. Dieses Gesetz diente der Umsetzung dreier börsenrechtlicher Richtlinien: der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse (79/279/EWG), sog. „Börsenzulassungrichtlinie“92, der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. März 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist (80/390/EWG), sog. „Börsenzulassungsprospektrichtlinie“93 und der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Februar 1982 über regelmäßige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind (82/121/EWG), sog. „Richtlinie über Halbjahresberichte“94. § 78 BörsG hatte dabei zum einen die bis dahin bestehenden Segmente des geregelten Freiverkehrs und des ungeregelten Frei____________ 90 Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß diese Änderungen des deutschen Börsenrechts zum Teil auf der Umsetzung von EG-Richtlinien beruhten. 91 BGBl. I 1986, 2478. 92 ABl. EG Nr. L 66 vom 16. März 1979, S. 21 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 532 ff. 93 ABl. EG Nr. L 100 vom 17. April 1980, S. 1 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 552 ff. 94 ABl. EG Nr. L 48 vom 20. Februar 1982, S. 26 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 581 ff.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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verkehrs zu einem einzigen Marktsegment, nämlich dem „Freiverkehr“, zusammengefaßt. Zugleich trat zwischen die Segmente des amtlichen Marktes und des Freiverkehrs das Marktsegment „Geregelter Markt“ (vgl. §§ 71–77 BörsG, jetzt: §§ 49–56 BörsG). Die Schaffung eines neuen Marktsegments machte die Änderung des § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB erforderlich. Nach der Änderung dieser Vorschrift führte auch eine Zulassung von durch die Gesellschaft ausgegebenen Wertpapiere am geregelten Markt bzw. die Beantragung einer solchen Zulassung dazu, daß eine Gesellschaft als „große Kapitalgesellschaft“ behandelt wurde. Obwohl in § 78 BörsG die Unterscheidung zwischen geregeltem und ungeregeltem Freiverkehr aufgehoben wurde, blieb der geregelte Freiverkehr in § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB erhalten bis zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 199895, durch das die Worte „oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen“ in § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB gestrichen wurden und die Vorschrift somit an die börsenrechtliche Rechtslage angepaßt wurde. Die jetzt geltende Fassung erhielt die Vorschrift durch das bereits erwähnte KapCoRiLiG. In der neuen Fassung enthält § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB selbst keine Eingrenzung hinsichtlich des konkreten Marktsegmentes mehr, an dem die Wertpapiere der Gesellschaft gehandelt werden müssen. Die Vorschrift stellt darauf ab, daß eine Kapitalgesellschaft dann als große Kapitalgesellschaft gilt, „wenn sie einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes durch ihre ausgegebenen Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt worden ist“ (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB i.F.d. KapCoRiLiG). § 2 Abs. 5 WpHG definiert den organisierten Markt als einen „Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist“. Inhaltlich fand durch die Neufassung des § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB hinsichtlich der Marktsegmente keine Änderung statt. Unter einen „organisierten Markt“ fallen im deutschen Recht der amtliche Markt, der geregelte Markt und – solange es ihn gab – der „Neue Markt“96. Der „Neue Markt“, den es vom 10. März 1997 bis zum 5. Juni 2003 gab, war zwar ein Handelssegment, das im Marktsegment Freiverkehr eingerichtet war. Jedoch setzte die Notierung am „Neuen Markt“ voraus, daß die Wertpapiere das öffentlich-rechtliche Zulas____________ 95

BGBl. I 1998, 529. So Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 96; Potthoff / Stuhlfauth, WM-Sonderbeilage Nr. 3 1997, 1, 7; Kersting, AG 1997, 222, 223. 96

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2. Teil: Deutsches Recht

sungsverfahren des geregelten Marktes durchlaufen hatten sowie weitere Zulassungsvoraussetzungen erfüllten97. Nachdem jede Zulassung am „Neuen Markt“ also die Zulassung am geregelten Markt zur Bedingung hatte, fielen auch Aktiengesellschaften, deren Papiere dort gehandelt wurden, unter § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB98. Lediglich eine Notierung von Wertpapieren im Freiverkehr führt daher nicht zur Klassifizierung als „große Kapitalgesellschaft“. Im Bezug auf den räumlichen Anwendungsbereich des § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB fand gegenüber dem früheren Recht eine Erweiterung statt. Wie erwähnt, war die Zulassung bei einer deutschen Börse derjenigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gleich gestellt. Soweit aber ein Markt außerhalb der Europäischen Union in Anspruch genommen wurde, waren die Voraussetzung des § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB nicht erfüllt. Es gibt aber keinen Grund, warum eine Notierung einer Gesellschaft an einer Börse, etwa in den USA, nicht zu einer erweiterten Rechnungslegung nach HGB führen sollte, soweit diese Vorschriften nach Internationalem Privatrecht anwendbar sind. Durch die Neufassung des § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB trat diesbezüglich eine Gleichbehandlung ein. Auch wenn ein Unternehmen an einer Börse außerhalb der Europäischen Union notiert ist, welche die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 WpHG erfüllt, gilt es nun unabhängig von der Erfüllung der Größenkriterien in § 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB als „große Kapitalgesellschaft“ i.S.d. § 267 Abs. 3 HGB n.F.99.

IV. Zwischenergebnis Es gibt sowohl in der Literatur als auch in der bisherigen Gesetzgebung Ansätze für die Schaffung von rechtsformunabhängigen Regelungen, deren Anwendbarkeit von materiellen Kriterien abhängig ist. Weder in der Literatur noch in der Gesetzgebung konnten sich aber bislang einheitliche Kriterien für die Abgrenzung von personalistischer Kapitalgesellschaft und Publikumskapitalgesellschaft herausbilden. In der Gesetzgebung wurden einerseits größenabhängige Merkmale verwendet, wobei hier Bilanzsumme, Nettoumsatzerlöse und durchschnittliche Beschäftigtenzahl zu nennen sind. Andererseits wird ein marktbezogenes Merkmal herangezogen, nämlich die tatsächliche Inanspruch____________ 97 So etwa Claussen, § 9 Rdnr. 48b. Vgl. auch Groß, § 71 BörsG Rdnr. 3 f. und Ledermann, in: Schäfer, BörsG, Vor § 71 Rdnr. 4a. 98 Baumbach / Hopt, HGB, § 267 Rdnr. 10 unter Hinweis auf die dann jedenfalls mitenthaltene Zulassung am geregelten Markt. 99 Vgl. Baumbach / Hopt, HGB, § 267 Rdnr. 9; Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum KapCoRiLiG, BT-Drucks. 14/1806, S. 23.

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nahme des öffentlichen Kapitalmarktes. In der Literatur werden größenabhängige und marktbezogene Merkmale nebeneinander für eine Abgrenzung berücksichtigt. Lediglich das „Drei-Stufen-Modell“ macht hier eine Ausnahme, da es hiernach vorrangig vom Grad der Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes abhängen soll, welchem Typus eine Aktiengesellschaft zugeordnet wird.

B. Materielle Kriterien als Merkmale unterschiedlicher Regelungen im Gesetz für die „Kleine AG“ Im vorangegangenen Kapitel ging es um die Bedeutung materieller Kriterien, anhand derer im bisherigen Recht bestimmte Regeln unabhängig von der Rechtsform vorgesehen wurden. Daneben wurde auf die Ansätze in der Literatur zur Unterscheidung verschiedener Typen von Aktiengesellschaften eingegangen. In diesem Abschnitt steht nun die Regelung durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ im Zentrum. Die Einzelvorschriften, die durch dieses Gesetz in das Aktiengesetz eingefügt wurden, wurden im vorangegangen Paragraphen (§ 5) ausführlich behandelt. An dieser Stelle steht im Mittelpunkt, welche Kriterien der Gesetzgeber genau verwendet hat, um die „Kleine AG“ von der klassischen Aktiengesellschaft abzugrenzen.

I. Keine Definition des Gesetzgebers Im bereits mehrfach angesprochenen „Drei-Stufen-Modell“ von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter haben diese mit der „Privaten Aktiengesellschaft“ und der „Offenen Aktiengesellschaft“ jeweils einen neuen Typus der Aktiengesellschaft schaffen wollen. Die Sondervorschriften für diese Formen sollten in eigene Abschnitte zusammengefaßt werden. Jeweils zu Beginn eines solchen Abschnitts sollte definiert werden, was unter einer „Privaten Aktiengesellschaft“ (in § 277a AktG-E) bzw. einer „Offenen Aktiengesellschaft“ (§ 277j AktG-E) verstanden wird. Zudem geht der Vorschlag dahin, daß jede Gesellschaft den Typus in ihre Satzung ausdrücklich aufnehmen sollte (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 7 AktG-E). Auch aus der Firma der Aktiengesellschaft sollte der entsprechende Typus ersichtlich sein, was sich an §§ 277b, 277k AktG-E zeigt. Bei diesem Modell hätte man also durchaus davon sprechen können, daß neue Rechtsformen geschaffen werden.

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2. Teil: Deutsches Recht

Diesem Ansatz ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Er hat sich zwar, wie erwähnt, das „Drei-Stufen-Modell“ hinsichtlich der Einzeländerungen zum Vorbild gemacht, die Typuseinteilung hat er jedoch nicht übernommen. Der Gesetzgeber hat durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ keine neue Rechtsform der „Kleinen AG“ im eigentlichen Sinne geschaffen100. Wie sich schon aus dem vorangegangenen Paragraphen ergeben hat, hat er – im Gegensatz zum „Drei-Stufen-Modell“ – auch keineswegs die Sondervorschriften, die für die „Kleine AG“ gelten, in einem gesonderten Abschnitt zusammengefaßt. Die gesonderten Regelungen sind vielmehr über das gesamte Aktiengesetz (und das BetrVG 1952 bzw. jetzt DrittelbG) verstreut. Man könnte eher sagen, daß sich der Gesetzgeber von der „Idee der Kleinen AG“ hat leiten lassen, ohne den Begriff selbst zu definieren. Er hat ihn darüber hinaus noch nicht einmal innerhalb des Gesetzes verwendet. In der Begründung des Gesetzesentwurfs101 und in dem Bericht des Rechtsausschusses102 findet sich die Bezeichnung noch, im Zusammenhang mit der Zielsetzung des Gesetzes. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft solle nämlich „durch besondere Vorschriften für kleine Aktiengesellschaften attraktiv gemacht werden“103. Ähnlich auch im allgemeinen Teil der Begründung des Entwurfs104. Im Gesetz selbst taucht der Ausdruck „Kleine AG“ bzw. „kleine Aktiengesellschaft“ nur noch im Titel des Gesetzes105 auf. Nachfolgend sollen die Merkmale, die der Gesetzgeber in den Einzelvorschriften für wesentlich erachtet hat, genauer beleuchtet werden. Dabei wird auch berücksichtigt, welche Kriterien er nicht verwendet hat. Ziel ist dabei, der angesprochenen „Idee der Kleinen AG“ näher zu kommen, um sie so genauer zu umschreiben und bewerten zu können.

____________ 100 So auch die Stimmen in der Literatur, vgl. Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 2; Kindler, NJW 1994, 3041; Bösert, BB 1995, 1423; Heckschen, DNotZ 1994, 275; Schawilye / Gaugler / Keese, S. 3; Trölitzsch, WiB 1994, 795; Priester, BB 1996, 333, 335. 101 BT-Drucks. 12/6721. 102 BT-Drucks. 12/7848. 103 BT-Drucks. 12/6721, S. 1, BT-Drucks. 12/7848, S. 1. 104 BT-Drucks. 12/6721, S. 5. 105 „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“, BGBl. I 1994, 1961.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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II. Gesetzliche Einordnungskriterien für die „Kleine AG“ Der Gesetzgeber hat nicht den Anwendungsbereich aller Vorschriften im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ durch die Einführung bestimmter Merkmale eingeschränkt. Ein Teil der geänderten Bestimmungen gehört entweder in den Bereich der allgemeinen Deregulierung oder der Klarstellung von bislang umstrittenen Fragen. Den allgemeinen Deregulierungsvorschriften ist etwa die Möglichkeit des Ausschlusses der Verbriefung der Geschäftsanteile in § 10 Abs. 5 AktG zuzurechnen, aber auch die Erleichterungen bei der Hinterlegung des Berichts über die Gründungsprüfung in § 34 AktG mit seinen Folgeänderungen in den §§ 37, 40 und 188 AktG. Auch die Verlängerung der Amtszeit der Arbeitnehmervertreter im ersten Aufsichtsrat bei einer Sachgründung in § 31 Abs. 5 AktG gilt für alle Gesellschaften. Zu den Änderungen mit klarstellendem Charakter sind die §§ 182, 222, 340c AktG, sowie die Aufhebung des § 58 Abs. 5 AktG und die Einfügung einer inhaltlich identischen Regelung in § 57 Abs. 3 AktG zu zählen. Wenn man diese Änderungen, die zur allgemeinen Deregulierung bzw. Klarstellung gehören, inhaltlich betrachtet, so stellen sie zumeist nur geringfügige Neuerungen dar. Dies zeigt auch die Bewertung durch die Praxis. In der Untersuchung von Schawilye, Gaugler und Keese gehört keine der eben aufgezählten Bestimmungen zu denen, die von den Unternehmen als besonders wichtig eingeschätzt wurden. Soweit Schawilye, Gaugler und Keese die Änderungen überhaupt in die Befragung miteinbezogen haben106, nehmen sie in der Bedeutung der Gesetzesänderungen die hinteren Ränge ein107. Bei den Vorschriften, in denen der Gesetzgeber materielle Merkmale zur Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Aktiengesellschaften verwendet hat, sind – wie schon bei § 267 HGB – zwei unterschiedliche Ansätze für die Differenzierung verwirklicht. Den erste Ansatz könnte man eher als gesellschaftsrechtliche Lösung bezeichnen, die an echte Größenmerkmale anknüpft. Der zweite Ansatz verwendet ein marktorientiertes Merkmal, um beide Formen der Aktiengesellschaft voneinander abzugrenzen. Diese Lösung ist somit eher durch das Kapitalmarktrecht geprägt und fragt nach der Börsenzulassung der Wertpapiere der Gesellschaft.

____________ 106 107

Vgl. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 17. Schawilye / Gaugler / Keese, S. 191.

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2. Teil: Deutsches Recht

1. Größenabhängige Merkmale Die Entwicklung größenabhängiger Merkmale zur Unterscheidung verschiedener Arten von Unternehmen wurde bereits in der Unternehmensrechtskommission ausführlich diskutiert108. Wenn man die Einzelbestimmungen im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ betrachtet, gibt es drei Gruppen von Vorschriften, bei denen unmittelbar oder doch zumindest mittelbar auf größenabhängige Kriterien abgestellt wird. Dies sind zunächst die Bestimmungen, bei denen die Anzahl der Gesellschafter maßgeblich ist. Daneben gehören hierher die Vorschriften über die Einpersonengesellschaft sowie diejenigen, die auf einen überschaubaren Kreis von Aktionären abstellen. Schließlich spielt auch die Anzahl der Arbeitnehmer in einer Vorschrift eine Rolle, so daß damit auch ein unmittelbar größenabhängiges Merkmal verwendet wird.

a) Einpersonengesellschaft Besondere Vorschriften, die abhängig von der Anzahl der Gesellschafter sind, sind die Bestimmungen über Einpersonengesellschaften. Aus dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ sind hier etwa die §§ 36 Abs. 2 und 42 AktG zu nennen. Daneben gehört hier auch § 2 AktG, der es ermöglicht, daß eine Gesellschaft von Anfang an weniger als fünf Gesellschafter haben kann, da die Einpersonengründung zugelassen wird. Vorschriften, die für Gesellschaften gelten, die nur einen Gesellschafter haben, nehmen im hier angesprochenen Zusammenhang eine Sonderstellung ein. Generell, wenn auf größenabhängige Kriterien abgestellt wird, die eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Gesellschaften ermöglichen sollen, ist die genaue Festlegung der Größenmerkmale mehr oder weniger beliebig. Dies gilt bei absoluten Beschränkungen der Anzahl der Gesellschafter ebenso wie bei der Frage, ab welcher Arbeitnehmerzahl eine Mitbestimmung eintreten soll. Wenn man sich bei der Anzahl der Gesellschafter, etwa wie Paulick, dafür ausspricht, daß eine personenbezogene Gesellschaft nicht mehr als fünf Gesellschafter haben darf, muß man sich den Vorwurf gefallen lassen, daß diese zahlenmäßige Bestimmung letztlich willkürlich ist. Eine zwingende Begründung dafür, warum die Grenze genau bei fünf Gesellschaftern liegt, und warum sich eine Gesellschaft mit sechs Gesellschaftern davon strukturell unter____________ 108

Auf die verschiedenen dort angesprochenen Ansätze wurde in dieser Arbeit (unter A. II.) bereits eingegangen.

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scheidet, wird schwer zu geben sein. Das gleiche gilt für die Annahme, daß ein Unternehmen ab 500 Arbeitnehmern der Mitbestimmung unterfällt. Die Ziele der Mitbestimmung, die dargelegt wurden, machen zwar deutlich, daß das Bedürfnis nach Mitbestimmung mit zunehmender Anzahl von Arbeitnehmern steigt. Dadurch läßt sich aber nicht begründen, warum ein solches Bedürfnis erst ab einer Zahl von 500 Arbeitnehmern gesehen wird, nicht aber schon bei 100 Arbeitnehmern bzw. 499 Arbeitnehmern oder warum die Grenze nicht erst bei 1.000 Arbeitnehmern liegen sollte. Bei den Sondervorschriften für Einpersonengesellschaften ist dies anders. Eine Sonderbehandlung, oder gar die Frage der Zulässigkeit einer solchen Gesellschaft, kann hier deshalb diskutiert werden, weil unter einer Gesellschaft eigentlich ein privatrechtlicher durch Vertrag begründeter Zusammenschluß mehrerer Personen zu einem gemeinsamen Zweck verstanden wird. Ein wesentliches Element einer Gesellschaft, nämlich der „Zusammenschluß mehrerer Personen“ fehlt bei einer Einpersonengesellschaft. Im Kapitalgesellschaftsrecht ist seit langem anerkannt, daß aufgrund der Abstraktion und Verselbständigung der Kapitalgesellschaft als juristische Person auch eine Einpersonengesellschaft möglich und zulässig ist. Darauf wurde im Zusammenhang mit § 2 AktG im vorangegangen Paragraphen dieser Arbeit eingegangen109. Gleichwohl ergeben sich durch die Zulassung der Einpersonengesellschaft besondere Problemlagen, auf die der Gesetzgeber reagiert hat. Bei einer Gesellschaft, die aus nur einer Person besteht, können für die Gläubiger besondere Gefahren entstehen, etwa bei der Aufbringung des Kapitals bei Gründung oder Kapitalerhöhung. Diesen gilt es mit Sondervorschriften entgegenzuwirken. Daneben gibt es auch Vorschriften, die auf mehrere Personen zugeschnitten sind. Eine Änderung kann hier geboten sein, damit sie auf eine Situation passen, bei der nur eine Person Gesellschafter ist. § 36 Abs. 2 AktG und mit ihm § 399 AktG, der in der Folge geändert wurde, reagieren auf die (vermeintlich) größeren Gefahren, die bei der Gründung einer Gesellschaft durch nur eine Person für die Aufbringung des Stammkapitals bestehen110. § 42 AktG enthält eine Verpflichtung sowohl die Tatsache offen____________ 109

Vgl. unter § 5 A. I. 1. a). Es wurde bereits im Zusammenhang mit diesen Vorschriften erwähnt, daß von solchen erhöhten Gefahren tatsächlich nur bei der GmbH gesprochen werden kann, da bei dieser durch die Einpersonengründung die Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG ins Leere läuft. Bei einer Aktiengesellschaft gibt es jedoch eine solche Solidarhaftung nicht. Die Sicherung der Aufbringung des Grundkapitals wird v.a. durch eine umfangreiche Gründungsprüfung gewährleistet, die bei der Einpersonengründung in gleicher Weise stattfindet. Im Ergebnis hat hier § 36 Abs. 2 AktG für die Einpersonengesellschaft dazu 110

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zulegen, daß es sich bei einer Gesellschaft um eine Einpersonengesellschaft handelt, als auch die Anonymität des einzigen Gesellschafters aufzudecken. Dies kann jeweils dadurch gerechtfertigt werden, daß bei einer Einpersonengesellschaft besondere Gefahren auftreten können. Deswegen ist es für den Rechtsverkehr von Bedeutung, daß er Kenntnis davon hat, daß ihm eine solche Gesellschaft gegenübersteht. Weitere Vorschriften, die eine Anpassung an die Einpersonengesellschaft betreffen, hat der Gesetzgeber nicht geschaffen, so spricht etwa § 2 AktG auch bei einer Person davon, daß es um den Abschluß eines „Gesellschaftsvertrages“ geht. Bei einer Person kann aber kein Vertrag vorliegen, der denklogisch mindestens zwei Parteien voraussetzt. Auch gibt es bei einer Einpersonengesellschaft weiterhin eine „Hauptversammlung“. Der Begriff „Versammlung“ impliziert hier das Vorhandensein mehrerer Personen. Eine Anpassung in diesen Bereichen wäre zwar unter Umständen wünschenswert gewesen, ist aber sicher nicht zwingend erforderlich ist.

b) Anzahl der Aktionäre Eine einfache Möglichkeit, zwischen einer „Kleinen AG“ und einer klassischen Aktiengesellschaft zu unterscheiden, wäre es, auf die Anzahl der Aktionäre abzustellen. Die klassische Aktiengesellschaft wurde vom Gesetzgeber als Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Kreis von Aktionären verstanden. Eine „Kleine AG“ wäre danach eine Gesellschaft, deren Aktionärskreis klein ist. Durch die Festlegung einer absoluten Höchstzahl von Aktionären hätte der Gesetzgeber eine eindeutige Grenze zwischen der personenbezogenen Aktiengesellschaft und der Publikumsgesellschaft ziehen können. Dieses Abgrenzungsmerkmal wurde – wie dargelegt – etwa von Paulick nutzbar gemacht111. Zudem ist es gerade im anglo-amerikanischen Rechtskreis ein häufig herangezogenes Kriterium112.

____________ geführt, daß die Aufbringung des Grundkapitals bei weitem stärker gesichert ist als bei der Mehrpersonenaktiengesellschaft. 111 Oben wurde auch die Kritik, die gerade von Wohlmann und Friedewald gegen ein solches starres Kriterium vorgebracht wurde, dargelegt. 112 Vgl. dazu § 8 dieser Arbeit, in dem auf das Kriterium einer zahlenmäßigen Beschränkung im Zusammenhang mit dem „formellen Ansatz“ für die close corporation eingegangen wird. Außerhalb der USA ist darauf hinzuweisen, daß eine Abgrenzung, die sich an einer festen Anzahl von Gesellschaftern orientiert, in neuerer Zeit eher abgelehnt wird. Etwa England gab 1980 dieses Kriterium zur Unterscheidung von private company und public company auf, vgl. Birds, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 138, 145. Im Februar 2000 hat Israel durch Companies Law 5759-1999, das die Companies Ordinance, New Version, 5743-1983 ablöste, ebenfalls das Kriterium

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Der Gesetzgeber hat zu diesem starren Merkmal nicht gegriffen. Er hat aber dem Merkmal der Überschaubarkeit des Aktionärkreises auf andere Weise Rechnung getragen. Er hat zum Teil die Anwendbarkeit von Erleichterungen davon abhängig gemacht, ob der Gesellschaft alle Gesellschafter namentlich bekannt sind, bzw. ob alle Gesellschafter bei einer Hauptversammlung anwesend sind. Beide Kriterien setzen letztlich die Überschaubarkeit des Kreises der Aktionäre voraus.

aa) Namentliche Bekanntheit Der Gesetzgeber hat es den Aktiengesellschaften durch §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG ermöglicht, die Hauptversammlung bzw. die Bekanntmachung der Tagesordnung auf einfachere Weise vorzunehmen als bei der klassischen Aktiengesellschaft. Bei einer solchen ist in beiden Fällen eine Veröffentlichung der Bekanntmachung bzw. der Einberufung in den Gesellschaftsblättern notwendig (§ 121 Abs. 3 AktG). Dieser Weg ist bei einer personenbezogenen Aktiengesellschaft umständlich und mit überflüssigen Kosten verbunden. Durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ ist es nun zulässig, die Einberufung der Hauptversammlung und die Bekanntmachung der Tagesordnung auf einfachere Weise ordnungsgemäß durchzuführen, nämlich durch eingeschriebenen Brief. Die Voraussetzung dafür ist die „namentliche Bekanntheit“ der Aktionäre. Neben den §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG spielt die namentliche Bekanntheit mittelbar auch für die Folgeänderungen in den §§ 241, 242, 256 AktG eine Rolle. Es wurde im vorangegangen Paragraphen im Zusammenhang mit den §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG ausführlich erläutert, wann das Kriterium der „namentlichen Bekanntheit“ erfüllt ist. Es kann hier also nach oben verwiesen werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle nur, daß dieses Merkmal mittelbar mit der Überschaubarkeit des Kreises der Gesellschafter zusammenhängt. Je mehr Gesellschafter eine Aktiengesellschaft hat, desto unwahrscheinlicher ist es, daß ihr alle Aktionäre tatsächlich mit Namen und Adresse bekannt sind. Dies gilt um so mehr, als das Gesetz, wie erwähnt, der Gesellschaft keine zusätzlichen Mittel an die Hand gegeben hat, durch die gewährleistet werden könnte, daß sie tatsächlich alle Gesellschafter kennt. Lediglich wenn sich die Gründer entscheiden, daß nur Namensaktien ausgegeben werden, führt § 67 Abs. 1 AktG dazu, daß die „namentliche Bekanntheit“ gesichert ist. Häufig wird bei der Ausgabe von Namensaktien die Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 ____________ der Anzahl der Gesellschafter zur Abgrenzung von public company und private company aufgegeben, vgl. Assan/Theiß, RIW 2000, 525; Assan/Theiß, NZG 2001, 49.

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AktG hinzukommen, wodurch nicht nur die Überschaubarkeit des Kreises der Gesellschafter gewahrt ist sondern zu dieser Überschaubarkeit auch die Geschlossenheit hinzukommt. Wenn hingegen auch oder ausschließlich Inhaberaktien verwendet werden, ist es viel schwieriger die namentliche Bekanntheit sicherzustellen113. Auch dann kann man von der Erfüllung des Kriteriums am ehesten ausgehen, wenn der Kreis der Aktionäre für die Gesellschaft nachvollziehbar ist. Dies ist der Fall, wenn es nur eine geringe Anzahl von Gesellschaftern gibt, die etwa alle als Vorstandsmitglieder oder Mitglieder des Aufsichtsrats in der Verwaltung der Gesellschaft tätig sind. Ein Wechsel der Gesellschafter ohne die Kenntnis der Mitgesellschafter erscheint dann zumindest faktisch unmöglich oder doch unwahrscheinlich. Überdies besteht ein enger Zusammenhang zwischen der „namentlichen Bekanntheit“ der Aktionäre und der Frage der Börsennotierung der Gesellschaft. Die §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG beschränken die Einberufung der Hauptversammlung bzw. die Bekanntmachung der Tagesordnung nicht ausdrücklich auf Gesellschaften, deren Anteile nicht an der Börse notiert sind. Eine solche Einschränkung ist indes auch gar nicht nötig. Es erscheint praktisch ausgeschlossen, daß die Anteile einer Aktiengesellschaft am öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden, und die Gesellschaft gleichwohl ihre Aktionäre namentlich kennt. Das in §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG verwendete Kriterium der „namentlichen Bekanntheit“ führt also mittelbar dazu, daß eine „Kleine AG“ einen überschaubaren Kreis von Aktionären haben muß, ohne daß der Gesetzgeber sich auf eine genaue Zahl festlegen mußte. Auch der Handel der Anteile am öffentlichen Kapitalmarkt ist mit der „namentlichen Bekanntheit“ schwerlich vereinbar.

bb) Vollversammlung Eine ähnliche Situation wie bei §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG herrscht bei § 121 Abs. 6 AktG. Soweit bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft alle Aktionäre erschienen oder doch zumindest wirksam vertreten sind, können wirksame Beschlüsse gefaßt werden, ohne daß die Vorschriften der §§ 121 – 128 AktG über die Einberufung der Hauptversammlung eingehalten sein müssen. Auch bei diesem „Vollversammlungsprivileg“ spielt die absolute Anzahl der Gesellschafter bzw. die Überschaubarkeit des Kreises der Aktionäre eine ____________ 113

Zur Bedeutung schuldrechtlicher Vereinbarungen vgl. oben unter § 5 B. I. 2. b) bb) (1).

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entscheidende Rolle. Es ist leicht einsehbar, daß die Wahrscheinlichkeit der persönlichen Anwesenheit aller Gesellschafter bei steigender Zahl der Aktionäre sinkt. Zwar sind durch die Möglichkeit einer Vertretung die Anforderungen insofern abgemildert. Allerdings wird auch hier eine vollständige Präsenz praktisch voraussetzen, daß es sich um eine Aktiengesellschaft handelt, deren Anteile sich nur in den Händen von wenigen Gesellschaftern befinden. Überdies wird eine Vollversammlung dann leichter zu erreichen sein, wenn kein Splitterbesitz vorliegt, sondern die Aktien von wenigen Großaktionäre gehalten werden. Auch bei den Gesellschaften, die § 121 Abs. 6 AktG nützen können, wird es sich somit in aller Regel um personenbezogene Gesellschaften handeln, welche dem Leitbild der Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Aktionärskreis nicht entsprechen. Auch hier werden, wie schon bei §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG, häufig Gesellschaften vorliegen, bei denen die Gesellschafter zugleich auch in der Verwaltung tätig sind. Dadurch steigt einerseits die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Präsenz, zum anderen wird hier auch die Information der Gesellschafter durch ihre Verbundenheit mit der Gesellschaft und den Belangen der Gesellschaft eher gegeben sein. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht daneben zwischen § 121 Abs. 6 AktG und der Frage, ob die Anteile der betreffenden Aktiengesellschaft an der Börse gehandelt werden. Auch § 121 Abs. 6 AktG ist hinsichtlich seines Anwendungsbereichs nicht ausdrücklich auf solche Aktiengesellschaften beschränkt, deren Anteile nicht am öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden. Ähnlich wie schon bei der Frage der „namentlichen Bekanntheit“ in den §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG wird eine Vollversammlung bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft praktisch ausgeschlossen sein. Bei dem damit typischer-, wenn nicht notwendigerweise verbundenen gestreuten Kreis von Aktionären, die ihre Beteiligung an einer Gesellschaft eher als Kapitalanlage sehen, denn als unternehmerisches Engagement, wird die aktive Beteiligung an einer Hauptversammlung ohnehin eher der Ausnahmefall sein. Gerade wenn man sich die Möglichkeit einer Spontanversammlung vor Augen hält, die eventuell zufällig zustande gekommen ist, jedenfalls aber ohne Einhaltung der Formalien der §§ 121–128 AktG, wird deutlich, daß die Anwesenheit bei einer solchen Hauptversammlung oder die Vertretung aller Aktionäre für eine Publikumsgesellschaft in der Praxis ausgeschlossen sein dürfte.

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c) Anzahl der Arbeitnehmer Ein weiteres größenabhängiges Abgrenzungsmerkmal wird in § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 (bzw. jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) verwendet. Das Eingreifen der Mitbestimmung nach Drittelbeteiligungsgesetz ist nach der Novelle 1994 auch bei einer Aktiengesellschaft davon abhängig, daß die Anzahl ihrer Arbeitnehmer 500 oder mehr beträgt. Jedenfalls für neu gegründete Aktiengesellschaften ist es darüber hinaus nicht mehr Voraussetzung, daß es sich bei der Gesellschaft um eine Familiengesellschaft handelt, daß also alle Aktionäre im Sinne der AO miteinander verwandt oder verschwägert sind. Diese frühere Beschränkung der Ausnahme von der Mitbestimmung bei einer Aktiengesellschaft auf Familiengesellschaften, war noch durch das traditionelle Bild der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft geprägt. Wie auch durch einige Stimmen der Unternehmensrechtskommission deutlich wurde, ging der Gesetzgeber wohl davon aus, daß eine Aktiengesellschaft schon aufgrund ihrer Rechtsform grundsätzlich per se keine personenbezogene Gesellschaft114 sein könne, bei der aus arbeitsrechtlichen Gründen eine Mitbestimmung nicht erforderlich wäre. Eine Ausnahme wurde nur dann gemacht, wenn die Gesellschafter untereinander familienrechtlich verbunden sind. Zu denken ist auch an die Definition der „personenbezogenen Gesellschaft“ bei Paulick, für den ein wesentliches Merkmal einen solches Gesellschaftstypus ist, daß die Gesellschafter selbst in einer familienrechtlichen Beziehung stehen. Bei der Neufassung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 (jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) darf also weniger das Augenmerk darauf gerichtet werden, daß das Eingreifen der Mitbestimmung von dem Überschreiten einer bestimmten Zahl von Arbeitnehmern abhängig ist. Dies stellt für das Mitbestimmungsrecht, wie ausgeführt, das klassische Abgrenzungskriterium dar. Die genaue Festlegung der Zahl auf 500 Arbeitnehmer war dabei durch die alte Fassung bedingt, welche die Mitbestimmungsfreiheit auf Familiengesellschaften beschränkte, sowie durch § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 (jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG). Diese Vorschrift sieht insoweit vor, daß bei einer GmbH die Mitbestimmung nach BetrVG 1952 bzw. DrittelbG bei mehr als 500 Arbeitnehmern eingreift. Der Aspekt, der bei der Neufassung des § 76 Abs. 6 BetrVG 1952 (jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) hingegen bemerkenswert ist, ist der Abschied von irgendwelchen zusätzlichen Voraussetzungen, die eine Aktiengesellschaft erfüllen muß, um mitbestimmungsfrei zu sein. Solche zusätzlichen Voraussetzungen, wie etwa das Vorliegen einer Familiengesellschaft, waren durch das traditionelle Leitbild der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft bedingt. ____________ 114

Etwa Unternehmensrechtskommission, S. 526.

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Danach besteht in jedem Fall ein Abstand zwischen Arbeitnehmern und der Unternehmensleitung, so daß die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen per se notwendig wird. In der Neufassung, die auch bei der Aktiengesellschaft eine Mitbestimmung erst ab einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern eingreifen läßt, wird demgegenüber der Tatsache Rechnung getragen, daß eine Aktiengesellschaft nicht zwingend Publikumsgesellschaft ist. Dabei ist zu bedenken, daß zwar die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft durch eine Spaltung der Verwaltung in den Vorstand als Geschäftsführungsorgan und dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan eine Mitbestimmung nach deutschem Modell erst möglich macht; auch beim Vorliegen eines Aufsichtsrats ist sie aber keineswegs zwingend erforderlich.

2. Marktbezogenes Merkmal Bereits ab dem BiRiLiG hat der Gesetzgeber für die Abgrenzung verschiedener Arten von Kapitalgesellschaften neben größenabhängigen Merkmalen ein marktbezogenes Merkmal verwendet. Nach § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB liegt eine große Kapitalgesellschaft dann vor, wenn von ihr ausgegebene Wertpapiere im öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden115. Auf die Erfüllung der in § 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB aufgestellten größenabhängigen Kriterien soll es dann nicht mehr ankommen. Auch für das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ spielt die Frage der Börsennotierung eine bedeutende Rolle: Zum einem gewähren die § 130 AktG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) nur solchen Gesellschaften ein höheres Maß an Satzungsfreiheit bzw. ermöglichen das Abhalten einer Hauptversammlung ohne Notar, wenn sie den öffentlichen Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen. Zum anderen steht die Möglichkeit eines erleichterten Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG nur dann offen, wenn, neben anderen Kriterien, der Ausgabebetrag der Aktien den Börsenpreis nicht unterschreitet. Somit ist auch für § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG das Bestehen eines Börsenpreises und somit die Frage der Börsennotierung ein wesentliches Merkmal.

a) §§ 130, 58 Abs. 2 Satz 2 AktG Es wurde bereits im Zusammenhang mit den Einzelvorschriften angedeutet, daß gerade das Merkmal, das für die Anwendbarkeit sowohl des § 130 AktG als ____________ 115

Zu den Einzelheiten vgl. oben unter A. III. 2. b) bb).

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auch des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) entscheidend ist, nach dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ noch zweimal geändert worden ist. Damit stellt sich die Frage, welche Marktsegmente noch in Anspruch genommen werden dürfen, ohne daß die Gesellschaft die Möglichkeit verliert, von den neuen Erleichterungen Gebrauch zu machen.

aa) Fassung nach dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ In der ursprünglichen Fassung, die sowohl § 130 AktG als auch § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG nach der Reform 1994 hatten, war die entscheidende Frage, ob die Aktien der Gesellschaft „an einer Börse zum Handel zugelassen“ waren. Auf die diesbezüglichen Zweifelsfragen wurde bereits im Zusammenhang mit § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG eingegangen. Bei der Eingrenzung der maßgeblichen Börsensegmente ist zunächst von der Rechtslage auszugehen, die der Gesetzgeber 1994 vorfand. Zu diesem Zeitpunkt gab es drei Marktsegmente: amtlicher Handel (§§ 36 ff. BörsG a.F.), geregelter Markt (§§ 71 ff. BörsG a.F.) und Freiverkehr (§ 78 BörsG a.F.). Der sog. „Neue Markt“ war noch nicht eingerichtet. Grundsätzlich könnte man für die Frage, welche Marktsegmente maßgeblich sind, drei verschiedene Ansichten vertreten. Die engste Auffassung ginge davon aus, daß nur Gesellschaften, deren Anteile im amtlichen Handel (jetzt: amtlichen Markt) gehandelt werden, an einer „Börse zum Handel zugelassen“ sind. Eine vermittelnde Auffassung könnte darauf abstellen, daß dem amtlichen Handel (jetzt: amtlichen Markt) auch ein Handel im geregelten Markt gleichzustellen ist. Eine Notierung lediglich im Freiverkehr, würde nichts an der Anwendbarkeit der Vorschriften ändern. Die weiteste Auffassung wäre es, wenn unter der Zulassung zum Handel an einer Börse, die Inanspruchnahme jeglichen öffentlichen Kapitalmarktes verstanden würde. Der Gesetzgeber selbst hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Soweit ersichtlich, wird die erste Auffassung in der Literatur nicht vertreten. Lediglich Claussen116 würde eine solche Lösung de lege ferenda für wünschenswert halten. Eine derartige Ansicht, die die ursprüngliche Rechtslage nur noch im engen Rahmen der Unternehmen anwenden wollte, die im amtlichen Markt gehandelt werden, kann sich aber weder auf den Begriff „Börse“ stützen noch auf das ____________ 116

Claussen, § 9 Rdnr. 44, 48c.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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Kriterium der „Zulassung“, die nicht nur bei einem Handel im amtlichen Markt notwendig ist. Die vermittelnde Auffassung kann sich dagegen bei der Auslegung des Begriffs der „Zulassung“ auf einen technischen Zulassungsbegriff berufen117. Eine solche technische Zulassung im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahrens ist nur bei einem Handel im amtlichen Markt, vor allem in § 36 Abs. 2 und Abs. 3 BörsG (jetzt § 30 Abs. 2 und 3 BörsG)118, und im geregelten Markt (§ 73 BörsG jetzt § 49 BörsG)119 notwendig. Beim Freiverkehr gibt es keine „Zulassung“ als öffentlich-rechtlichen Akt. Die Zulassung zum Handel erfolgt durch eine Einbeziehung, die eine privatrechtliche Grundlage hat120. Ein solches Verständnis des § 130 AktG und des § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) hätte für sich, daß die Gesellschaften, deren Anteile im Freiverkehr gehandelt werden, sich einerseits des öffentlichen Kapitalmarktes bedienen könnten und so auch dessen Vorteile genießen könnten, andererseits aber die Erleichterungen, die für die „Kleine AG“ in § 130 AktG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) offenstehen, nutzen könnten. Gesellschaften, deren Anteile im Freiverkehr gehandelt werden, würden damit tatsächlich eine Übergangsform zwischen der geschlossenen Aktiengesellschaft darstellen, deren Anteile an keinem öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden, und den großen Gesellschaften, die sich der klassischen Marktsegmente bedienen121. Wie bereits im Zusammenhang mit den beiden Vorschriften erwähnt, ist diese Auslegung der § 130 AktG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) jedoch keineswegs zwingend. Der Gesetzestext des § 78 BörsG (jetzt: § 57 BörsG) selbst spricht auch beim Handel im Freiverkehr von einer „Zulassung“ zum Handel. Für eine Auslegung des Begriffs „Zulassung an einer Börse“, die auch den Handel im Freiverkehr einbeziehen würde, sprechen vornehmlich Anlegerschutzaspekte. Darüber hinaus ging der Gesetzgeber davon ____________ 117

Vgl. dazu auch oben. Vgl. zum Zulassungsverfahren und den Anforderungen im einzelnen Claussen, § 9 Rdnr. 61 ff. ; Groß, §§ 36–39 Rdnr. 6 ff.; Schwark, BörsG, § 30 Rdnr. 6 ff. und Hamann, in: Schäfer, BörsG, § 36 Rdnr. 2 ff. 119 Dazu Claussen, § 9 Rdnr. 71 ff. 120 Dazu Claussen, § 9 Rdnr. 74, Groß, § 78 BörsG Rdnr. 3; Ledermann, in: Schäfer, BörsG, Vor § 71 Rdnr. 2. Insgesamt spiegelt sich in diesen unterschiedlichen Verfahren, welche charakteristisch für die verschiedenen Marktsegmente sind, die „historische Ambivalenz … zwischen öffentlich-rechtlicher Rechtsform und privatrechtlicher Betreibung“, wie es Claussen, § 9 Rdnr. 39, treffend bezeichnet hat. 121 So Ammon / Görlitz, S. 64, 83; Beyer, AG 1996, R 48 f.; Bösert, DStR 1994, 1423, 1426; Priester, BB 1996, 333, 334 Fußn. 23.; Claussen, AG 1995, 163, 171; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 168 zu § 130 AktG. 118

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aus, daß sowohl bei § 130 AktG wie auch bei § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) eine größere Freiheit deswegen möglich ist, da eine solche Gesellschaft ihrem Typus nach eher einer GmbH entspricht mit einer stärkeren Verbundenheit zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Eine solche Verbundenheit wird aber auch dann, wenn die Anteile nur im Freiverkehr gehandelt werden, eher zweifelhaft sein. Zwar ist sich der Anleger, der im Freiverkehr Wertpapiere kauft, des größeren Risikos und der geringeren Standardisierung bewußt; gleichwohl erscheint es vorzugswürdig, auch bei einem Handel der Anteile im Freiverkehr davon auszugehen, daß eine Zulassung der Anteile an einer Börse i.S.d. § 130 AktG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) vorliegt. Dies gilt jedenfalls bei der ursprünglichen Fassung der Bestimmungen122.

bb) Fassung nach dem „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ Durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ vom 27. April 1998123 (KonTraG) wurden § 130 AktG wie auch § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG geändert124. Danach gelten die Deregulierungen in beiden Vorschriften nicht für „börsennotierte Gesellschaften“. Der Begriff der „börsennotierten Gesellschaft“ wurde durch das KonTraG an zentraler Stelle in § 3 Abs. 2 AktG definiert. Danach sind solche Gesellschaften „börsennotiert“ i.S.d. AktG, „deren Aktien an einem Markt gehandelt werden, der von staatlich anerkannter Stelle geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist“. Zunächst ist von Bedeutung, daß es – wie auch schon bei § 267 Abs. 3 HGB n.F. – nicht mehr darauf ankommt, wo der Handel stattfindet. Schon in der Fassung des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ gab es im Falle der Zulassung an einer Börse keine örtliche Beschränkung etwa auf einen Handel in Deutschland oder in den Länder der Europäischen Union. Dies gilt auch für die Neufassung nach dem KonTraG125.

____________ 122

Ebenso Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14b. BGBl. I 1998, S. 786 ff. 124 Auf weitere Änderungen durch das KonTraG wird unten – unter § 12 A. II. – eingegangen, soweit sie für die „Idee der kleinen AG“ von Belang sind. 125 So auch Seibert, in: Reform, S. 1, 4. 123

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

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Umstritten war bei der Formulierung des § 3 Abs. 2 AktG i.d.F. des KonTraG, welche Marktsegmente vom Begriff der „börsennotierten Gesellschaft“ umfaßt sind. Dabei ging und geht es nicht um die letzten beiden Voraussetzungen. Für alle Marktsegmente wird man wohl annehmen können, daß der Handel regelmäßig stattfindet und für das Publikum zugänglich ist. Des weiteren forderte § 3 Abs. 2 AktG i.d.F. des KonTraG aber, daß der Markt, an dem die Aktien gehandelt werden, von staatlich anerkannter Stelle geregelt und überwacht ist. Dies trifft zweifellos für die Segmente „amtlicher Markt“ und „geregelter Markt“ zu. Für beide wurde bereits die Notwendigkeit einer Zulassung in öffentlich-rechtlicher Form126 angesprochen, deren Voraussetzungen in § 30 BörsG i.V.m. BörsZulV127 für die Zulassung am amtlichen Markt und in § 49 BörsG i.V.m. § 50 BörsG sowie den Bestimmungen der jeweiligen Börsenordnung128 für die Zulassung im geregelten Markt niedergelegt sind. Beim Freiverkehr dagegen fehlt es an der Regelung und Überwachung durch eine staatlich anerkannte Stelle. Der Handel wird von den Börsen, deren Träger privatrechtliche Vereine oder Kapitalgesellschaften sind129, organisiert. Der Gesetzgeber hatte auch ausdrücklich ausgeführt, daß das Aktiengesetz von einer börsennotierten Gesellschaft bei einer „Notierung der Aktien im geregelten Markt und im amtlichen Handel, nicht aber … [bei einer] Einführung im Freiverkehr“130 spricht. Fraglich dagegen war, wie der „Neue Markt“ zu behandeln war. Dazu hatte sich der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geäußert. Der „Neue Markt“ wurde am 10. März 1997 an der Frankfurter Wertpapierbörse als eigenständiges Handelssegment im Segment Freiverkehr eingerichtet131. Daraus wurde in der Literatur

____________ 126 Genauer gesagt stellt die Zulassung sowohl beim amtlichen Markt wie auch beim geregelten Markt einen Verwaltungsakt dar, vgl. Groß, §§ 36–39 BörsG Rdnr. 1; Claussen, § 9 Rdnr. 66; Ledermann, in: Schäfer, BörsG, § 36 Rdnr. 30b und Schwark, BörsG, § 30 Rdnr. 6 ff. 127 Bei der Börsenzulassungsverordnung handelt es sich um eine Rechtsverordnung, welche die Bundesregierung aufgrund der Verordnungsermächtigen des BörsG, etwa in § 38 BörsG erlassen hat. 128 Zum Rechtscharakter der Börsenordnung als Satzung und den Folgerungen, vgl. Groß, § 4 BörsG Rdnr. 1 ff.; Schwark, BörsG, § 4 Rdnr. 2 ff.; Peterhoff, in: Schäfer, BörsG, § 4 Rdnr. 1 und Claussen, § 9 Rdnr. 37. 129 So etwa Groß, Vorb. BörsG Rdnr. 16; Schwark, BörsG, § 1 Rdnr. 18 und Peterhoff, in: Schäfer, BörsG, § 1 Rdnr. 34 ff. 130 BT-Drucks. 13/9712, S. 12. 131 Vgl. Groß, § 71 BörsG Rdnr. 3; Ledermann, in: Schäfer, BörsG, Vor § 71 Rdnr. 4a auch Claussen, DB 1998, 177, 178.

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2. Teil: Deutsches Recht

gefolgert, daß eine Notierung am „Neuen Markt“ ebenfalls nicht zu einer „Börsennotierung“ i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG a.F. führt132.

cc) Fassung nach dem „EG-Einlagensicherungsgesetz“ Ziel des Gesetzgebers war es schon mit der Formulierung des § 3 Abs. 2 AktG in der Fassung des KonTraG, auch Gesellschaften als börsennotiert zu behandeln, deren Anteile im „Neuen Markt“ notiert waren133. Dies geht aus der Begründung zum Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16. Juli 1998134 hervor, in dem der Gesetzgeber § 3 Abs. 2 AktG korrigierte. Dies hatte Auswirkungen auf § 130 AktG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG. In der jetzt geltenden Fassung ist eine Gesellschaft dann börsennotiert, wenn ihre „Aktien an einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). Durch die Ersetzung des „Handels“ an einem Markt, der den beschriebenen Anforderungen entspricht, durch die „Zulassung“ an einem solchen Markt, waren auch die Gesellschaften börsennotiert i.S.d. AktG, die am „Neuen Markt“ gehandelt wurden135. Ein solcher Handel in diesem Marktsegment setzte nämlich einen doppelten Zulassungsprozeß voraus: Als erstes mußten die Wertpapiere eine Zulassung für den geregelten Markt beantragen. Daneben mußten sie zusätzlich gegebenenfalls weitere Voraussetzungen aus der jeweils gültigen Börsenordnung der konkreten Wertpapierbörse erfüllen. Als zweites mußte ein Unternehmen, daß am „Neuen Markt“ notiert werden wollte, neben diesem öffentlich-rechtlichen Verfahren, das mit einer Zulassung zum geregelten Markt abgeschlossen wurde, eine Zulassung nach den gesonderten Voraussetzungen der jeweiligen Börsenordnung für die Zulassung am „Neuen Markt“ beantragen. Dabei war es zulässig, beide Anträge miteinander zu verbinden136. Nachdem somit jeder Handel am „Neuen Markt“ ein vollständiges Zulassungsverfahren am geregelten Markt voraussetzte, der einen ____________ 132

So Claussen, DB 1998, 177, 178; Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 854; Claussen, § 9 Rdnr. 48c. 133 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 13/10846, S. 27. Ebenso Seibert, in: Reform, S. 1, 6. 134 BGBl. I 1998, 1842. 135 So ausdrücklich Begründung des Gesetzgebers, BT-Drucks. 13/10846, S. 27. 136 Groß, § 71 BörsG Rdnr. 3. Zu der Konstruktion einer Zulassung zum „Neuen Markt“, die dogmatisch zumindest zweifelhaft ist, siehe auch Claussen, § 9 Rdnr. 48b, der diese Bipolarität die „hybride Natur des Neuen Marktes“ nennt.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

319

Markt darstellt, der von staatlich anerkannter Stelle geregelt und überwacht wird, fielen unter § 3 Abs. 2 AktG auch Gesellschaften, deren Aktien am „Neuen Markt“ gehandelt wurden137. Der Neue Markt wurde am 5. Juni 2004 nach der Neusegmentierung der Aktienmärkte der Frankfurter Wertpapierbörse eingestellt. Die Frage hat sich damit also erledigt.

b) § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG, der durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ neu angefügt wurde, ermöglicht einen vereinfachten Bezugsrechtsausschluß bei Erhöhungen des Grundkapitals unter drei Voraussetzungen138: Zunächst muß es sich um eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlage handeln. Daneben darf die Kapitalerhöhung zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen. Schließlich ist – was im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist – ein erleichterter Bezugsrechtsausschluß dann möglich, wenn „der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet“. Ebenso wie bei § 130 AktG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG a.F. (vor dem TransPuG) stellt sich hier die Frage, welche Marktsegmente die nötigen Voraussetzungen erfüllen, damit ein solcher „Börsenpreis“ i.S.d. Gesetzes vorliegt. In der Novelle wurde der Begriff „Börsenpreis“ nicht ausdrücklich definiert. Weder der Wortlaut selbst noch die Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens können hier weiterhelfen. Es wurde bereits oben in anderem Zusammenhang dargelegt, daß aus dem Begriff „Börse“ selbst nicht auf ein bestimmtes Marktsegment geschlossen werden kann. Das gleiche gilt für den „Börsenpreis“. Wenn man diesen Begriff wörtlich versteht, umschreibt er lediglich den Preis, der an der Börse, in welchem Marktsegment auch immer, für ein Wertpapier gebildet bzw. bezahlt wird. Der Gesetzgeber selbst hat sich in der Begründung zu § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG nicht dazu geäußert, welche Marktsegmente er miteinbeziehen will. Er ist nur auf die Hintergründe der Vorschrift eingegangen und war der Ansicht, daß die beiden Hauptgefahren, die Gefahr des Einflußverlustes und des Kurswertverlustes, dann nicht bestehen, wenn die Gesellschafter die Anteile an der Börse kaufen können und der Ausgabepreis ____________ 137 So auch Seibert, in: Reform, S. 1, 6; Claussen, § 9 Rdnr. 48c und Möllers, AG 1999, 433, 436. 138 Daneben bleibt es bei der früheren Rechtsprechung. Martens, ZIP 1994, 669, 674 spricht bei § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG von einer „geschriebenen Einschränkung ungeschriebener Rechtssätze“ und weist ebenfalls darauf hin, daß die Rechtsprechung fortbesteht und bei allen Sachverhalten Anwendung findet, die von der Neuregelung nicht erfaßt sind.

320

2. Teil: Deutsches Recht

nahe dem „Börsenpreis“ liegt. „Die vorgeschlagene Regelung ist deshalb auf Gesellschaften beschränkt, deren Aktien an der Börse zugelassen sind“139. Da der Gesetzgeber in der Begründung den gleichen Wortlaut wie in den §§ 130, 58 Abs. 2 Satz 2 AktG verwendet, würde eine parallele Auslegung der verschiedenen Vorschriften naheliegen. Auf die Auslegungsvarianten zu §§ 130, 58 Abs. 2 Satz 2 AktG wurde oben ausführlich eingegangen. Bei einer systematischen Auslegung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG kann man zwei unterschiedliche Ansatzpunkte wählen: Zum einen kann man für die Auslegung des Begriffes auf andere aktienrechtliche Vorschriften rekurrieren, bei denen dem „Börsenpreis“ Bedeutung beigemessen wird. Zum anderen bleibt der Rückgriff auf außeraktienrechtliche Vorschriften, vor allem das BörsG. Im AktG selbst wird der Begriff „Börsenpreis“ außer im § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG noch in den §§ 65 Abs. 3, 214 Abs. 3 und 226 Abs. 3 AktG verwendet. Nach früherem Recht hatten alle drei Vorschriften nicht auf einen „Börsenpreis“ allgemein abgestellt, sondern auf den „amtlichen Börsenpreis“. Damit war nur der Börsenpreis gemeint, der im amtlichen Markt zustande kam. Seit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz spricht das Gesetz nur noch von „Börsenpreis“. Damit gilt die Regelung heute auch für Aktien, die im geregelten Markt oder Freiverkehr gehandelt werden140. Der gleiche Wortlaut in § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG legt nahe, daß hier ebenfalls eine Preisfeststellung in jedem Börsensegment genügt. Das gleiche Ergebnis ergibt sich, wenn man für eine Begriffsbestimmung, auf das BörsG selbst zurückgreift, das den Begriff „Börsenpreis“ definiert. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BörsG sind zunächst einmal „Preise für Wertpapiere, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse im amtlichen Markt oder im geregelten Markt oder Preise, die an einer Warenbörse festgestellt werden, … Börsenpreise“. Durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz141 wurde zudem durch den Verweis des § 57 Abs. 2 BörsG auf § 24 BörsG klargestellt, daß auch der Preis, der im Freiverkehr ermittelt wird, „Börsenpreis“ im Sinne des BörsG ist. Auch wenn man auf den Gesetzeszweck abstellt, kommt man zu dem Ergebnis, daß mit „Börsenpreis“ eine offizielle Kursfeststellung gemeint sein muß, da nur so der Schutz des Aktionärs vor allem vor dem sog. Kurswertverlust, der sonst bei einem Ausgabepreis unter dem Börsenwert zu befürchten wäre, gewährleistet werden kann. Eine solche offizielle Kursfeststellung findet aber seit ____________ 139 140 141

Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 12/6721, S. 10. Vgl. Bayer, in: MünchKomm. AktG § 65 Rdnr. 83. BGBl. I 1994, 1749.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

321

dem 1. Januar 1995, an dem das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in Kraft getreten ist, auch im Freiverkehr statt142. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß der Begriff „Börsenpreis“ damit nach neuer Rechtslage an jedem der Marktsegmente gebildet werden kann, unabhängig davon, ob die Anteile im amtlichen Markt, im geregelten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden.

III. Einordnungskriterien für die „Kleine AG“, die der Gesetzgeber nicht verwendet hat Im vorangegangenen Gliederungspunkt wurden die Merkmale erörtert, die der Gesetzgeber im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ verwendet hat, um je nach Einzelvorschrift die „Kleine AG“ von der klassischen Aktiengesellschaft abzugrenzen. Nachfolgend soll nun auf einige Merkmale eingegangen werden, auf die er sich nicht gestützt hat. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Kriterien in der Literatur und der Unternehmensrechtskommission im Vorfeld zur Abgrenzung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft diskutiert worden sind143. Daneben sollen auch die bisher in der Gesetzgebung verwendeten Kriterien Erwähnung finden144.

1. Beschränkung des Kreises der Gesellschafter Alle oben dargestellten Ansätze der Literatur – mit Ausnahme des „Drei-Stufen-Modells“ von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter – sowie der Mitglieder der Unternehmensrechtskommission145 haben als Charakteristikum einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft eine Beschränkung des Kreises der Gesellschafter gesehen. Neben einer absoluten Höchstzahl der Gesellschaf____________ 142 Ähnlich Lutter, in: Kölner Komm. AktG – Nachtrag, Rdnr. 11; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 199; Marsch-Barner, AG 1994, 532, 533; Hüffer, § 186 Rdnr. 39c; anders noch zur Rechtslage vor dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz Lutter, AG 1994, 429, 441; Wiedemann, in: Großkomm. AktG § 186 Rdnr. 153, der jedoch auch auf den börsenrechtlichen Begriff zurückgreift. 143 Vgl. oben unter A. I. und II. 144 Vgl. oben unter A. III. 145 In engem Zusammenhang steht auch das Kriterium der geringen Mobilität der Anteile, was von der Unternehmensrechtskommission als gesondertes Merkmal verstanden wurde.

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2. Teil: Deutsches Recht

ter, die nicht überschritten werden darf, um noch als „personenbezogen“ zu gelten, wurden auch Beschränkungen durch die Satzung bzw. schuldrechtliche Zusatzvereinbarungen der Gesellschafter untereinander diskutiert. Von besonderer Bedeutung waren hier die Vinkulierung der Anteile sowie schuldrechtliche Vorkaufsrechte oder vergleichbare Maßnahmen. Im Zusammenhang mit der „Beschränkung des Kreises der Gesellschafter“ gehört auch die Forderung, daß etwa nur natürliche Personen Mitglieder einer personenbezogenen Kapitalgesellschaft sein dürften, oder daß sämtliche Gesellschafter, durch familienrechtliche Beziehungen verbunden sein müssen. Der Gesetzgeber hat durchaus die Überschaubarkeit des Gesellschafterkreises als wesentlich erachtet. Dies zeigt sich, wie erläutert, sowohl bei der „namentlichen Bekanntheit“ in den §§ 121 Abs. 4, 124 Abs. 1 AktG als auch bei der Notwendigkeit der vollständigen Präsenz aller Aktionäre bei einer Vollversammlung, § 121 Abs. 6 AktG. Auch erleichtert die Vinkulierung oder etwa die Vereinbarung schuldrechtlicher Vorkaufsrechte diese Überschaubarkeit. Solche Maßnahmen ermöglichen gegebenenfalls erst, daß die Gesellschaft tatsächlich davon ausgehen kann, daß ihr alle Gesellschafter „namentlich bekannt“ sind. Gleichwohl wurde die tatsächliche Beschränkung der Anzahl der Gesellschafter nicht vom Gesetzgeber als Voraussetzung für Sondervorschriften verwendet, was sicher mit den Schwierigkeiten bei der Bestimmung einer konkreten Höchstzahl zusammenhängt. Auch ist nochmals darauf hinzuweisen, daß in § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG gerade die Beschränkung der Befreiung von der Mitbestimmung auf Familiengesellschaften aufgehoben wurde. Auf die Gründe wurde oben eingegangen. Auch eine Vinkulierung der Anteile ist kein Kriterium, das der Gesetzgeber für die Bestimmung einer „Kleinen AG“ herangezogen oder vorausgesetzt hat.

2. Identität von Verwaltung und Eigentümerstellung Auch das Merkmal einer Identität von Verwaltung und Eigentümerstellung wurde wiederum sowohl von der Literatur als auch von der Unternehmensrechtskommission als wesentlich für eine personenbezogene Kapitalgesellschaft erachtet. Auch dieses Kriterium wurde vom Gesetzgeber außer acht gelassen. Was genau unter dieser „Identität“ zu verstehen ist, wird unterschiedlich gesehen. Neben der engsten Auffassung von Paulick, der fordert, daß ein Gesellschafter als hauptberuflicher gesetzlicher Vertreter auftreten muß, genügt es nach einer anderen Auffassung146, daß überhaupt eine Beteiligung ____________ 146

Vgl. etwa Friedewald, S. 17.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

323

der Aktionäre in der Verwaltung gegeben ist, sei es in Vorstand oder Aufsichtsrat. Auch dieses Merkmal wird sicher für den Gesetzgeber nicht ohne Bedeutung gewesen sein. Etwa die Zulassung von Vollversammlungen wird in solchen Gesellschaften eine besondere praktische Bedeutung haben, in denen ohnehin alle Aktionäre selbst in der Gesellschaft tätig sind. Hier werden zum einen häufig die Beschlüsse bereits vorher zwischen den Gesellschaftern abgestimmt sein, so daß eine Hauptversammlung mit geringem organisatorischen Aufwand durchgeführt werden kann. Zudem ist es auch wahrscheinlich, daß alle Gesellschafter spontan ohne vorherige Einladung an einem Ort zusammenkommen. Jedoch ist auch das Merkmal der Identität zwischen Verwaltung und Eigentümerstellung kein Definitionskriterium, von dem der Gesetzgeber die Anwendbarkeit einer deregulierten Vorschrift abhängig gemacht hat.

3. Bilanzsumme und Jahresumsatz Auch von den größenspezifischen Kriterien, die insbesondere von der Unternehmensrechtskommission diskutiert worden sind147, um verschiedene Kapitalgesellschaften, unabhängig von der Rechtsform, voneinander abzugrenzen, hat der Gesetzgeber lediglich für die Mitbestimmung das klassische Kriterium der Anzahl der Arbeitnehmer herangezogen. Auch die bereits im Rahmen von § 267 Abs. 1 und 2 HGB verwendeten Größenmerkmale von Bilanzsumme und Jahresumsatz, wurden vom Gesetzgeber nicht wieder verwendet. Gerade durch den Begriff der „Kleinen AG“ hätte es im Grundsatz durchaus nahegelegen, sich an den Kriterien der „kleinen Kapitalgesellschaft“ i.S.d. HGB zu orientieren148. Davon hat der Gesetzgeber aber abgesehen und keine Vorschriften im AktG geschaffen, die von derartigen Größenmerkmalen abhängig sind.

4. Höhe des Grundkapitals Das „Drei-Stufen-Modell“ von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter sah vor, daß eine „Offene Aktiengesellschaft“, die dadurch charakterisiert ist, daß ihre Anteile im Freiverkehr oder am geregelten Markt gehandelt werden ____________ 147

Vgl. dazu die Liste in Unternehmensrechtskommission, S. 111 f. So etwa die Kritik von Schawilye / Gaugler / Keese, S. 3, die anmerken, daß sie bei der Durchführung ihrer Untersuchung festgestellt haben, daß die Bezeichnung „Kleine AG“ Mißverständnisse hervorgerufen habe. Die Unternehmen haben mitgeteilt, daß sie im Hinblick auf den Umsatz oder die Mitarbeiterzahl nicht als „klein“ bezeichnet werden könnten. 148

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2. Teil: Deutsches Recht

können, ein Mindestgrundkapital von 500.000 DM haben muß. Bei einer Aktiengesellschaft, für die das klassische Aktienrecht weitergelten sollte, die auch für einen Handel in amtlicher Notierung in Betracht kommt, mußte sogar ein Grundkapital von mindestens 2,5 Mio. DM aufgebracht werden. Der Gesetzgeber ist, wie erwähnt, dem „Drei-Stufen-Modell“ zwar hinsichtlich der Einzelvorschläge weitgehend gefolgt, nicht jedoch in diesem generellen Vorschlag. Er hat weder eine Anhebung des Grundkapitals insgesamt in Betracht gezogen, noch hat er die Anwendbarkeit irgendwelcher Einzelvorschriften, von der Höhe eines bestimmten Grundkapitals abhängig gemacht.

C. Zwischenergebnis und Kritik am Ansatz des Gesetzgebers Zusammenfassend ergibt sich für den Ansatz des Gesetzgebers im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ folgendes: Der Gesetzgeber hat in der Reform weder eine ausdrückliche Definition für eine „Kleine AG“ statuiert, noch einheitliche Kriterien für die Sondervorschriften verwendet. Auch fällt auf, daß er rein größenabhängige Kriterien insgesamt gescheut hat149. Wenn man die von ihm herangezogenen Merkmale in ihrer Gesamtheit betrachtet, dann ist seine „Kleine AG“ durch eine Überschaubarkeit des Gesellschafterkreises gekennzeichnet, was sich sowohl bei Einpersonengesellschaften zeigt, wie auch bei den Vorschriften über die Vollversammlung oder die Einberufung der Hauptversammlung bzw. Bekanntmachung der Tagesordnung durch eingeschriebenen Brief bei namentlicher Bekanntheit der Aktionäre. Ein zweites Merkmal, das mit der Überschaubarkeit eng zusammenhängt, ist die fehlende Inanspruchnahme des Kapitalmarktes. Der Ansatz des Gesetzgebers hat vor allem den Nachteil der fehlenden Übersichtlichkeit der Regelungen. Für Unternehmen, die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft organisiert sind und als personenbezogene Gesellschaften gelten, birgt die Neuregelung trotz ihrer grundsätzlichen Vorteile auch einige Nachteile. Durch eine einheitliche Definition der „Kleine AG“, für die sich der Gesetzgeber jedoch nicht entschieden hat, wäre es für die Unternehmen einfacher gewesen zu durchschauen, ob sie die Vorteile der Novelle nutzen können. Durch die Verwendung verschiedener Kriterien in jeder einzelnen Vorschrift, stellt sich diese Frage für ein Unternehmen jedesmal neu. Dadurch, daß der Gesetzgeber für die „Kleine AG“ von den bestehenden Regeln für die klassische Aktiengesellschaft ausgegangen ist, kommt als zusätzliches Problem hinzu, daß es für ein Unternehmen, das als „Kleine AG“ gilt, notwendig ist, die gesamten Vorschriften für die klassische Aktiengesellschaft zu kennen und dar____________ 149

Ausnahme ist die Arbeitnehmerzahl für die Mitbestimmung.

§ 6 Die Idee der „Kleinen AG“

325

über hinaus die Sondervorschriften, die in Abhängigkeit von unterschiedlichen Kriterien genutzt werden können. Das Problem der fehlenden Übersichtlichkeit der Vorschriften wäre auch geringer, wenn der Gesetzgeber die Sondervorschriften zumindest in einem eigenen Abschnitt zusammengefaßt hätte. Auch für die Verwendung einheitlicher Kriterien im Aktienrecht und etwa im Recht der Rechnungslegung hätte sicher die leichtere Handhabbarkeit der Regelungen gesprochen. Andererseits liegt in den eben aufgezählten scheinbaren Mängeln des gesetzgeberischen Ansatzes auch seine Stärke. Die Verwendung fester Merkmale, wie etwa Umsatz und Bilanzsumme, hätten sich vor allem dann angeboten, wenn der Gesetzgeber wirklich eine gesonderte Rechtsform hätte schaffen wollen. Schon die Unternehmensrechtskommission ist aber zum Ergebnis gekommen, daß unterschiedliche Regelungszwecke durchaus unterschiedliche Abgrenzungen fordern können150. Der Gesetzgeber wollte im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ die jeweiligen Merkmale am konkreten Regelungsproblem ausrichten und keine darüber hinausgehenden Beschränkungen aufstellen. Natürlich hätte man Vorschriften, wie etwa über die Ladung durch eingeschriebenen Brief oder die Möglichkeit einer Vollversammlung mit den entsprechenden Rechtsfolgen auch etwa nur für Gesellschaften, mit fünf oder weniger Gesellschaftern zulassen können. Dies wäre einerseits sicher eindeutiger gewesen. Andererseits hätte dadurch aber eine Gesellschaft, aufgrund einer letztlich zufälligen Entscheidung des Gesetzgebers, eine für sie geeignete Vorschrift nicht nutzen können. Durch die vom Gesetzgeber verwendeten Merkmale werden die Vorschriften auf die Gesellschaften beschränkt, die sich tatsächlich ihrer bedienen können. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen, die beide zu begrüßen sind: Zum einen wollte der Gesetzgeber durch die Novelle 1994 den strikten Rechtsformdualismus des deutschen Rechts zwischen GmbH und Aktiengesellschaft aufbrechen und eine größere Durchlässigkeit schaffen. Dies ist durch ein flexibles System, bei dem sich die Vorschriften an den rechtstatsächlichen Notwendigkeiten orientieren, aber leichter möglich als durch die Schaffung einer weiteren Rechtsform, die zwar zwischen den beiden bisherigen Gesellschaftsformen steht, bei der aber die Abgrenzungsmerkmale ähnlich starr sind wie bisher. Durch den gewählten Ansatz ist eine größere Durchlässigkeit zwischen klassischer Aktiengesellschaft und der „Kleinen AG“, die es als eigene Rechtsform gerade nicht gibt, möglich. Zum zweiten führt der Ansatz dazu, daß jedenfalls bei einigen Problemen, sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Regelung nicht einzig an der Rechtsform orientiert, sondern an der Erfüllung ____________ 150

Unternehmensrechtskommission, S. 102.

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2. Teil: Deutsches Recht

materieller Kriterien und damit daran, ob die Regelung tatsächlich erforderlich ist. Das Gesetz stellt einen Schritt weg von einer starren Orientierung an der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft mit breitem Anlegerkreis dar, was zwar dem gesetzlichen Leitbild entspricht, nicht aber die typische Erscheinungsform der Aktiengesellschaft widerspiegelt. Zumindest zum Teil kann sich der Schutz durch das Gesetz jetzt daran orientieren, ob er tatsächlich notwendig ist. In einer personalistisch strukturierten Aktiengesellschaft werden aber ein geringerer Schutz und eine geringere Regelungsdichte erforderlich sein, als bei einer Aktiengesellschaft mit weit gestreutem Anlegerkreis, die dem Leitbild entspricht. Die neue Weichenstellung des Gesetzes könnte also, nach den bisherigen Ergebnissen, darin gesehen werden, daß das Aktienrecht sich von einem am strikten Leitbild der Publikumsgesellschaft orientierten Recht auf den Weg macht zu einem Recht, das Regeln an materiellen Kriterien ausrichtet und dadurch den Schutz des Gesetzes nur dort eingreifen läßt, wo hierfür tatsächlich ein Bedürfnis ist. Gerade Lutter hat in dem Gesetz vor allem deshalb eine „historische Weichenstellung“ gesehen, weil durch das Gesetz „kapitalmarktrechtliche Überlegungen … unmittelbar … auf gesellschaftsrechtliche Normen und Regelungen“151 einwirken. Dabei hat er insbesondere auf das US-amerikanische Recht Bezug genommen, bei dem im Gesellschaftsrecht schon seit langem danach unterschieden werde, ob eine Gesellschaft vorliege, deren Anteile an der Börse gehandelt werden oder nicht. Gerade um die Behandlung personenbezogener Gesellschaften und Publikumsgesellschaften in den USA wird es in den nachfolgenden Paragraphen gehen. Auch hier wird herauszuarbeiten sein, ob zum einen das US-amerikanische Recht wirklich in der Hauptsache auf materielle Kriterien abstellt, um diese Differenzierung nachzuvollziehen, und zum anderen welche Kriterien im einzelnen herangezogen werden. Dabei wird der Blick nicht nur auf das US-amerikanische Gesellschaftsrecht gerichtet, sondern auch auf das Kapitalmarktrecht, das für die Publikumsgesellschaften von erheblicher Bedeutung ist.

____________ 151

Lutter, AG 1994, 429, 430.

3. Teil

Amerikanisches Recht § 7 Begriffsklärung Zu Beginn des dritten Teiles dieser Arbeit soll eine Klärung des Begriffes close corporation vorgenommen werden, der gerade für die Darstellung des US-amerikanischen Rechts von essentieller Bedeutung ist. Dafür muß eine Abgrenzung zu einigen verwandten Begriffen vorgenommen werden, die in Literatur und Rechtsprechung daneben gebraucht werden. Zudem soll die Begriffswahl für diese Arbeit klargestellt werden. Was genau unter einer close corporation im Sinne der einzelnen Gesetze und Entscheidungen verstanden wird und welche Merkmale für ihre Definition herangezogen werden, wird im nachfolgenden Paragraphen (§ 8) ausführlich erörtert. Wenn in Literatur oder Rechtsprechung von einer close corporation gesprochen wird, werden neben dieser Bezeichnung auch die Begriffe closely held corporation oder seltener closed corporation gebraucht. Diese drei Begriffe werden dabei nur selten klar voneinander abgegrenzt. Mit allen drei Bezeichnungen ist zunächst einmal dieselbe Gesellschaftsform gemeint. In weiten Teilen der Literatur1 und auch der Rechtsprechung2 werden diese, nicht zuletzt aus praktischen Gründen3, als Synonyme verwendet. Soweit man, den geringen semantischen Unterschieden entsprechend, differenziert4, liegt bei der Bezeichnung closely held corporation das Hauptaugenmerk auf der Anzahl der Gesellschafter. Es wird damit eine Gesellschaft bezeichnet, die eine relative kleine ____________ 1

Statt vieler O’Neal § 1.04, S. 12 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Zur Verwendung als weitgehend austauschbar vergleiche nur Read v. Read, 556 N.W.2d 768, 772 (1996); Layman v. Layman, 300 Ark. 583, 590; 780 S.W.2d 560, 564 (1989); Orchard v. Covelli, 590 F. Supp. 1548, 1557 (1984); Meiselman v. Meiselman, 58 N.C. App. 758, 763; 295 S.E.2d 249, 253 (1982). 3 Darauf weist Dickensen, 33 Am. U.L. Rev. 559, 565 (1984) in Fußn. 24 hin. 4 Dazu insgesamt in O’Neal § 1.04, S. 12 ff.; Ginsberg, 25 DePaul L. Rev. 1, 11 (1975). 2

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Anzahl von Anteilseignern hat. So findet sich im Steuerrecht5 für die Bewertung von nicht börsennotierten Aktien (stocks) und Wertpapieren (securities) folgende Definition: „Closely held corporations are those corporations the shares of which are owned by a relatively limited number of stockholders.“ Bei closed corporation liegt der Akzent eher darauf, daß die Gesellschaft Schritte unternommen hat, die außenstehende Dritte davon abhalten, Interesse an der Gesellschaft zu entwickeln6. Hier spielen Beschränkungen der Übertragbarkeit der Anteile, die denklogisch bis zu einem vollständigen Ausschluß der Übertragbarkeit gehen können, eine entscheidende Rolle. Die Gesellschaft ist somit für Außenstehende closed, also „geschlossen“ oder „gesperrt“. Close corporation wird zum einen insgesamt als eine Art terminus technicus verwendet. So spricht der Court of Appeals of Ohio, Hamilton County im Fall Estate of Schroer v. Stamco Supply, Inc.7 davon, daß die Bezeichnung close corporation mittlerweile ein solches Maß an Anerkennung erreicht hat, daß sie die weniger umfassenden und vielleicht irreführenden Alternativen closely held corporation und closed corporation verdrängt hat. Diese Feststellung hängt sicher auch damit zusammen, daß, soweit die Einzelstaaten spezielle Gesetze über diese Gesellschaftsform erlassen haben oder zumindest einzelne Vorschriften in ihre allgemeinen Gesetze über die business corporation aufgenommen haben, diese nahezu immer den Begriff close corporation häufig auch im Zusammenhang mit statutory8 verwenden.

____________ 5 Rev. Rul. 54-77, 1954-1 C.B. 187, 188. Ebenso 22 A.L.R. Fed. 31, 38 (1975) und Condrey v. Howard, 679 So.2d 563, 567 (1996) unter Bezugnahme auf § 59 Abs. 3 Restatment of Judgements (2d). Ähnlich der Superior Court von New Jersey, der allerdings in der Entscheidung Lavene v. Lavene, 162 N.J. Super. 187, 191; 392 A.2d 621, 623 (1978) neben der Anzahl der Anteilseigner auch auf den seltenen Handel der Anteile abstellt. Anders aber in den Entscheidungen Barth v. Barth, 659 N.E.2d 559, 561 (1995) und Morowitz v. U.S. 15 Cl. Ct. 621, 624 (1988), die als Definition für eine closely held corporation dieselben Kriterien verwenden, die sich in Galler v. Galler, 32 Ill. 2d 16, 27; 203 N.E.2d 577, 583 (1964), für die close corporation finden. Ebenso Clark, § 1.3, der der Meinung ist, daß close corporation lediglich eine Kurzbezeichnung für die closely held corporation ist. 6 Zu dieser Definition O’Neal § 1.04, diesem folgend z.B. der Supreme Court von Colorado in Van Schaack Holdings, Ltd. v. Van Schaak, 867 P.2d 892 (1994). Ähnlich auch der District Court of Appeals, Kalifornien in der Entscheidung People v. Yant, 80 P.2d 506, 509; 26 Cal. App. 2d 725, 732 (1938), der eine Gesellschaft als closed corporation qualifizierte, da ihre Anteile nicht öffentlich verkauft werden. 7 19 Ohio App. 3d 34, 36; 482 N.E.2d 975, 978 (1984). 8 Dazu als nur ein Beispiel § 3 Model Statutory Close Corporation Supplement.

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Gesellschaftsrecht

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In dieser Arbeit wird ausschließlich der Terminus close corporation verwendet. Dabei spielen dieselben Erwägungen eine Rolle, die im vorangegangenen Absatz bereits angedeutet wurden: Dieser Begriff hat sich weitestgehend durchgesetzt. Er ist gerade im Hinblick auf das Recht, das sich aus den statutes ergibt, zu einem terminus technicus geworden. Closely held corporation und closed corporation werden in dieser Arbeit daher nur verwendet, soweit sie in einem wörtlichen Zitat auftreten.

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Der nachfolgende Paragraph hat drei Abschnitte: Der erste Abschnitt (unter A.) widmet sich der Gesetzgebung der US-amerikanischen Einzelstaaten für die close corporation. Unter B. werden die unterschiedlichen Definitionsansätze entwickelt, die sich in dieser close corporation-Gesetzgebung finden. Im Zentrum dieses Abschnitts steht die Frage, welche Kriterien konkret von den verschiedenen Gesetzgebern der Einzelstaaten herangezogen werden, um die close corporation von der publicly held corporation abzugrenzen. Wiederum, wie bereits im § 6 dieser Arbeit, liegt somit das Hauptinteresse darauf, zu zeigen, welche Merkmale als maßgeblich erachtet werden, um zwischen der personenbezogenen Kapitalgesellschaft und der Publikumskapitalgesellschaft zu differenzieren. Der letzte Abschnitt dieses Paragraphen (unter C.) beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedeutung die close corporation in der US-amerikanischen Praxis hat. Nur dadurch wird es möglich die Tragweite der zuvor herausgearbeiteten Differenzierungskriterien für die Praxis einzuschätzen.

A. Gesetzgebung der Einzelstaaten für die close corporation Wenn man sich mit den konkreten Rechtsquellen für die Regeln der close corporation befaßt, muß man sich zunächst über die Bedeutung der statutes einerseits und der Behandlung dieser Gesellschaften durch das case law andererseits klar werden (unter I.). Unter II. wird auf die Entwicklung der gesonderten Gesetzgebung für die close corporation eingegangen. Abschließend geht es in diesem Abschnitt um den derzeitigen Stand der Gesetzgebung für die close corporation in den Einzelstaaten (unter III.). Dabei werden vor allem die dort im einzelnen unterschiedlichen Ansätze aufgezeigt.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

I. Close corporation zwischen statutes und case law Es wurde bereits im ersten Teil der Arbeit im Paragraphen zu den Rechtsquellen1 darauf hingewiesen, daß im Bereich des Gesellschaftsrechts die statutes aus historischen Gründen schon immer eine größere Bedeutung hatten als sonst im traditionellen US-amerikanischen Recht. Dies gilt im Grundsatz auch für die close corporation. Gleichwohl ist hier auf eine Besonderheit hinsichtlich der Behandlung solcher Gesellschaften durch die Gerichte hinzuweisen. Die general corporation laws hatten anfänglich nur die publicly held corporation als gesetzgeberisches Idealbild vor Augen. Dies führte dazu, daß die Regelungen oft für kleine Gesellschaften nicht geeignet waren. Die Gesellschafter versuchten deshalb über vertragliche Vereinbarungen für sie interessengerechte Regeln zu schaffen. Wenn es daraufhin zum Streit kam, hatten in der Folge die Gerichte als erste mit diesen „besonderen Gesellschaften“ zu tun und mußten entscheiden, ob sie Sonderregeln entwickeln sollten. Bis Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts standen die Gerichte den besonderen Bedürfnissen der close corporation skeptisch gegenüber. Der Fall In re Klaus2 aus dem Jahre 1886 soll hier als Beispiel für diese Haltung der Gerichte genügen. Es ging darin um die Gültigkeit einer Vinkulierung von Geschäftsanteilen. Die by-laws der Gesellschaft sahen ein Verbot der Übertragung der Anteile ohne die vorherige einstimmige Zustimmung durch die Gesellschafter vor. Das Gericht entschied, daß eine solche Übertragungsbeschränkung gegen die guten Sitten verstoße und daher nichtig sei („against public policy and void“)3. Auch die geringe Anzahl der Anteilseigner könne keine Rechtfertigung darstellen. („No exception can be made in the application of this rule on the ground that the shareholders of the corporation are few.“) Das Gericht hielt zwar die Argumentation für plausibel, daß der Maßstab, wann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliege, bei einer publicly held corporation ____________ 1

Vgl. unter § 2 C. II. 67 Wis. 401; 29 N.W. 582 (1886). 3 Mit der gleichen Argumentation hielten die Gerichte auch in anderen Zusammenhängen spezielle Vereinbarungen, die auf die Bedürfnisse kleinerer Gesellschaften zugeschnitten waren, für nichtig. Dies betraf besondere shareholders’ agreements, v.a. wenn sie die Entscheidungen des board of directors einschränken sollten, daneben ging es aber auch um Stimmrechtsbindungsverträge und ähnliches. Vgl. dazu In re Petrol Terminal Corp., 120 F. Supp. 867, 876 (1954); Odman v. Oleson, 319 Mass. 24, 26; 64 N.E.2d 439, 440 (1946). Weitere Entscheidungen bei Hochstetler / Svejda, 10 J. Corp. L. 849 (1985) in Fußn. 53–58. 2

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Gesellschaftsrecht

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anders als bei einer private corporation beurteilt werden könne. Gleichwohl war es aber der Ansicht, daß es im konkreten Fall keinen zwingenden Grund gebe, zwischen beiden Typen von Gesellschaften zu unterscheiden. Die freie Übertragbarkeit der Anteile sei gleichsam die Kehrseite der Vorteile, welche die Gesellschafter vor allem durch die beschränkte Haftung genießen: „The corporation have secured the advantages of a corporation, and they should be governed by all the other incidents of a corporation. ... They cannot be a corporation, and still remain, in respect to the same business, a copartnership.“4 Die entscheidende Wende trat 1964 mit der Entscheidung des Supreme Court of Illinois Galler v. Galler5 ein. Hierin ging es um die Durchsetzung eines komplexen shareholders’ agreements6. Die gesamte Vereinbarung wurde zunächst von der ersten und zweiten Instanz wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeininteresse als nichtig angesehen. Begründet wurde dies insbesondere damit, daß wesentliche Vorschriften des Corporation Act mißachtet worden waren7. Der Appellate Court entschied also ähnlich, wie das Gericht im oben erwähnten Fall In re Klaus. Der Supreme Court erkannte jedoch an, daß aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage eine gesonderte Behandlung der close corporation angezeigt sei. Er ging sogar noch weiter, indem er den Gesetzgeber aufforderte, ein umfassendes Gesetz, das sich mit der close corporation befaßt, zu entwerfen8. Die Besonderheit in diesem Fall, ähnlich wie in Clark v. Dodge9 einige Jahre zuvor, ist, daß das Gericht sich klar über die Entscheidung des Gesetzgebers, keine unterschiedlichen Regelungen für die close corporation und die publicly held corporation zu schaffen, hinweggesetzt hat, da es solche ____________ 4 In re Klaus, 29 N.W. 582, 584 (1886). Ähnlich entschied der New York Court of Appeals in McQuade v. Stoneham 263 N.Y. 323; 189 N.E. 234 (Ct. App. 1934), in dem es um ein shareholders’ agreement ging. Das Gericht gestand zwar zu, daß solche Verträge üblich seien, gleichwohl seien sie aber wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Trennung von Eigentümerstellung und Verwaltung nichtig. Ebenso Manson v. Curtis, 223 N.Y. 313, 319; 119 N.E. 559, 560 (1918); Long Park v. Trenton-New Brunswick Theatres Co. 297 N.Y. 174, 179; 77 N.E.2d 633, 635 (1948). Dazu in Jackson v. Hooper, 76 N.J. Eq 592, 599; 75 A. 568, 571 (1910): „They cannot be partners inter se and a corporation as to the rest of the world“. Vgl. zu shareholders’ agreement und zu diesen Entscheidungen auch § 10 dieser Arbeit, insb. unter D. II. 5 32 Ill. 2d 16; 203 N.E.2d 577 (1964). 6 Zu dem Begriff shareholders’ agreement vgl. ausführlich unten in § 10 B. 7 Das Gericht spricht hier wörtlich von „substantial disregard of provisions of the Corporation Act“, 32 Ill. 2d 16; 203 N.E.2d 577, 581 (1964). 8 Auf S. 585: „[p]erhaps … a separate comprehensive statutory scheme governing the close corporation would serve here“. 9 269 N.Y. 410; 199 N.E. 641 (1936).

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3. Teil: Amerikanisches Recht

für notwendig erachtet hat. So führt der Court of Appeals von New York in Clark v. Dodge aus: „Public policy, the intention of the Legislature, determent to the corporation, are phrases which in this connection mean little. Possible harm to bona fide purchaser of stock or to creditors or to stockholder minorities have more substance; but such harms are absent in many instances“10. Diese Argumentation ist auch der Ausgangspunkt für den Supreme Court von Illinois in Galler v. Galler. Das Gericht bezieht sich dabei insbesondere auf die Entscheidung Clark v. Dodge und nimmt dabei an, daß die bloße Verletzung des Business Corporation Act zumindest dann nicht zur Nichtigkeit eines shareholders’ agreements führen kann, wenn niemand dadurch geschädigt wird: „Several shareholder-director agreements that have technically ‘violated’ the letter of the Business Corporation Act have nevertheless been upheld in the light of the existing practical circumstances, i.e. no apparent public injury, the absence of a complaining minority interest, and no apparent prejudice to creditors.“11 Insgesamt zeigt sich an diesen Beispielen, daß ein besonderes Recht für die close corporation zumindest zunächst nur von den Gerichten entwickelt wurde, also als case law. Später kamen Kodifizierungen hinzu, auf die noch einzugehen sein wird. Häufig steht jedoch nur das in den Gesetzen, was zuvor von den Gerichten entwickelte worden war, so daß es sich um sog. codifying statutes handelt. Dies muß bei der Auslegung zusätzlich berücksichtigt werden, da Gerichte dazu tendieren, auch auf vor dem Erlaß der Gesetze liegende Entscheidungen zurückzugreifen12. Auf die Gründe dafür, daß das Recht der close corporation zuerst von den Gerichten entwickelt wurde und nicht vom Gesetzgeber, kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Erwähnt werden soll nur die Einschätzung Ayres, der von der These ausgeht, daß der Grund für den Vorrang der richterlichen Regelungen im Bereich der close corporation der fehlende Wettbewerb zwischen den Staaten ist, der im Bereich der publicly held corporation hingegen stattgefunden hat. Er begründet dies wie folgt: „By now, legislatures have largely codified these early nullifications, both to improve the law for locally domiciled close corporations and to reduce the deleterious spillover effects that judicial nullifications might have had on the competition for the charters of

____________ 10 11 12

269 N.Y. 410, 414 bzw. 199 N.E. 641, 642 (1936). 32 Ill. 2d 16, 28; 203 N.E.2d 577, 584 (1964). Zweigert / Kötz, S. 197.

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publicly held corporations“13. Dieser Wettbewerb und seine Bedeutung wird an späterer Stelle noch näher behandeln werden14.

II. Entwicklung einer gesonderten Gesetzgebung für die close corporation Eine gesonderte Gesetzgebung für die close corporation durch die Einzelstaaten findet sich erst relativ spät15. Neben den Gerichten gab es aber auch in der Literatur bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vereinzelt Stimmen16, die sich für eine solche gesonderte Gesetzgebung aussprachen. Dies änderte jedoch zunächst nichts am Desinteresse des Gesetzgebers an der close corporation, das bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein anhielt. O’Neal17 weist darauf hin, daß im Jahre 1958, als die erste Auflage seines Werkes „Close Corporations: Law and Practice“ erschien, gerade einmal zwei Staaten besondere Vorschriften für die close corporation kannten. Dies war zum einen New York18, der in § 9 des New York Stock Corporation Act (1948) unter bestimmten Umständen ein Abweichen von der üblichen Mehrheitsregel erlaubte, ebenso wie die Einführung höherer Quoren für die Beschlußfähigkeit und qualifizierter Mehrheiten für Handlungen der Anteilseigner und der directors bei einer close corporation. Eine andere frühe Vorschrift, die an den speziellen Bedürfnissen der close corporation ausgerichtet war, enthielt der North Carolina Business Corporation Act (1955). In dessen Vorschriften für personenbezogene Kapitalgesellschaften ging es vor allem um die Zulässigkeit und die Voraussetzungen von shareholders’ agreements. ____________ 13

70 Wash. U. L.Q. 365, 388 (1992). Vgl. dazu § 11 B II. 15 Ausführlich zur Geschichte der close corporation-Gesetzgebung: O’Neal, 1972 Duke L.J. 867; O’Neal, 33 Bus. Law 873 (1978); O’Neal, Close Corporation, § 1.18, S. 100 ff.; Cox / Hazen / O’Neal, § 14.2; Karjala, 21 Ariz. St. L.J. 663 (1989) und Karjala, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 161, 162 ff. 16 Vgl. dazu nur Weiner, 27 Mich. L. Rev. 273 (1929), der seinen Artikel mit dem bezeichnenden Satz „Its [gemeint ist das englische Recht] of private companies deserves at least a hearing“ beendet (S. 284). 17 In 33 Bus. Law. 873 (1978). 18 Zu Details dieser Vorschriften und auch der später genannten vgl. O’Neal, 1972 Duke L.J. 867, 873 (New York), 873 f. (North Carolina), 874 ff. (South Carolina), 878 ff. (Florida), 880 ff. (Delaware und Maryland); außerdem O’Neal, § 1.13, S. 79 ff. m.w.N. zur Literatur, die sich ausführlich sowohl mit dem New York Stock Corporation Act (1948), als auch mit dem North Carolina Business Corporation Act (1953) und dem South Carolina Business Corporation Act (1962) befaßt. 14

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Zu den wichtigen statutes der Folgezeit, die sich mit der close corporation befaßten, gehörte der South Carolina Business Corporation Act (1962), der den Kapitalgesellschaften in ihren internen Angelegenheiten nahezu soviel Freiheit einräumte wie einer Personengesellschaft. Außerdem fanden sich darin Vorschriften, die vor allem in der close corporation häufige Situationen, wie einem deadlock (Pattsituation zwischen Gesellschaftern, in der die Gesellschaft handlungs- bzw. entscheidungsunfähig wird), einer dissension (Machtkämpfe zwischen Gesellschaftern) und der Frage der unfreiwilligen Auflösung der Gesellschaft, regeln. Als letztes soll hier noch das Gesetz von Florida aus dem Jahre 1963 Erwähnung finden. In gewissem Sinne begann mit diesem eine neue Ära der close corporation-Gesetzgebung. In § 608.70 Nr. 2 dieses Gesetzes war erstmals die close corporation definiert und zwar als Gesellschaft, deren Anteile nicht öffentlich gehandelt werden („a corporation for profit whose shares of stock are not generally traded in the markets maintained by securities dealers or brokers“). Dies ist deswegen besonders erwähnenswert, da gerade die Probleme bei der Festlegung einer Definition der close corporation immer wieder ein Grund dafür waren, auf eine gesonderte Gesetzgebung zu verzichten19. So hat etwa die New York Law Revision Commission 1948, bei den Beratungen für den oben erwähnten § 9 Stock Corporation Act festgestellt, daß es keine befriedigende Lösung für die Definition der close corporation zum Zwecke der gesetzlichen Regelung gibt20. Daraus wurde gefolgert, daß eine generelle Überarbeitung des Gesetzes mit dem Ziel der Vereinfachung und Anpassung an die close corporation auf später verschoben werden sollte. In Florida stellte man sich dagegen der Herausforderung. Darüber hinaus war das Gesetz aus Florida auch das erste integrated statute, das alle Vorschriften für die close corporation in einem gesonderten Abschnitt zusammenfaßte21.

III. Aktueller Stand der Gesetzgebung in den Einzelstaaten Wenn man die aktuelle Gesetzgebung über die close corporation betrachtet, gibt es gesetzestechnisch zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze22. Zu ____________ 19

Vgl. O’Neal, § 1.13, S. 80 und O’Neal, 23 UCLA L. Rev. 1155, 1156 (1976). „No satisfactory way of defining the genuine close corporation for purposes of a statute has ever been found.“ 1948 Report of New York Law Revision Commission S. 386. 21 Hier: Fla. Stat. §§ 608.70–77 (Supp. 1972). Vgl. zu den integrated statutes ausführlich unten unter III. 2. b). 22 Diese Einteilung orientiert sich weitgehend an Karjala, 58 Tex. L. Rev. 1207 (1980); Karjala, 21 Ariz. St. L.J. 663 (1989). Andere Einteilungsansätze bei: Cary / 20

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unterscheiden ist hier die unified strategy (unter 1.) und die diversified strategy (unter 2.). Im letzten Ansatz ist wiederum zu differenzieren, nämlich zwischen den integrated statutes [unter 2 a)] und den non-integrated statutes [unter 2 b)].

1. Einheitliche Gesetzgebung (unified strategy) Der erste Ansatz im Umgang mit der close corporation kann als „einheitliche Gesetzgebung“ bezeichnet werden bzw. als sog. unified strategy23. Diese Vorgehensweise zeichnet sich dadurch aus, daß der Gesetzgeber nicht zwischen der close corporation und der publicly held corporation unterscheidet, sondern es bei einer einheitlichen Gesetzgebung für beide Formen beläßt. Dies kann zwei Folgen haben: Entweder die Gesetzgebung orientiert sich eher an den Bedürfnissen und Interessenlagen in der public corporation. Dies führt dazu, daß diese Gesetze für die close corporation häufig ungeeignet sind. Daneben gibt es aber auch Gesetze, die sich vollständig an der close corporation orientieren. Der Gesetzgeber ist hier von dem Bestreben geleitet, die allgemeinen Regeln flexibel zu gestalten, so daß es möglich ist, sie an alle auftretenden Bedürfnisse anzupassen. Als Beispiele für die zuletzt erwähnte Fallgruppe können die Gesetze von New Jersey, Michigan und Minnesota dienen. Im ersten Paragraph des New Jersey Business Corporation Act ist etwa als ausdrückliche Zielsetzung festgeschrieben, ein liberales Gesetz zu schaffen, das sein besonderes Augenmerk auf die Anforderungen und Bedürfnisse der close corporation richtet24. Nahezu der identische Wortlaut findet sich in einer der ersten Vorschriften des Michigan Business Corporation Act25. Schließlich berichtet der „Beratende Sonderausschuß für Gesellschaftsrecht“ (Advisory Task Force on Corporation Law) dem Senat des Staates Minnesota in den Materialien zur Änderung des Business Corporation Act (1979), daß er sich bewußt gegen Vorschriften entschieden hat, die ein Sonderrecht für close corporation aufgrund besonderer Wahl schaffen. Als innovative Entwicklung und als Ziel sieht der Ausschuß es vielmehr an,

____________ Eisenberg, S. 351–355; M.B.C.A. Annotated, Band 4, S. CC-71; O’Neal, 1972 Duke L.J. 867, v.a. S. 878; O’Neal, 33 Bus. Law. 873 (1978), v.a. auf S. 875. 23 Ebenso Cary / Eisenberg, S. 351. 24 N.J. Stat. Ann. 14A:1-1 insbesondere Nr. 2 „This act shall be liberally construed and applied to promote its underlying purposes and policies“ und Nr. 3 „Underlying purposes and policies of this act are, among others, (c) to give special recognition to the legitimate needs of the close corporation“. 25 Minn. Stat. Ann. § 450.1103.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Vorschriften zu entwickeln, die für alle Gesellschaften so flexibel und wenig formell, wie möglich sind26. Hinzuzufügen ist, daß es in den genannten Gesetzen, so wie in wohl allen Business Corporation Acts, Vorschriften gibt, die zwar dem Wortlaut nach auf alle Gesellschaften anwendbar sind, aber faktisch auf die speziellen Anforderungen der close corporation zugeschnitten sind27. Im Minnesota Business Corporation Act zeigt sich dies an den Vorschriften über shareholders’ agreement (§ 302A.457 Minn. Stat. Ann.), daneben auch an § 302A.201 Minn. Stat. Ann., in dem den Gesellschaftern die Möglichkeit eröffnet wird, bestimmte Entscheidungen, die eigentlich dem board of directors übertragen sind, an sich zu ziehen. Nach § 302A.215 Minn. Stat. Ann. schließlich ist eine Kumulierung von Stimmen bei der Wahl beispielsweise des board of directors zulässig. Beim New Jersey Business Corporation Act ist diese Eignung für die close corporation etwa bei folgenden Vorschriften zu beobachten: § 14A:5-6 N.J. Stat. Ann. behandelt Beschlüsse der Gesellschafter ohne formelles shareholders’ meeting, was in der Praxis unter den dort festgelegten Voraussetzungen nur für eine close corporation in Betracht kommt. § 14A:7-16 N.J. Stat. Ann. betrifft Übertragungsbeschränkungen und in § 14A:12-5 und § 14A:12-7 N.J. Stat. Ann. finden sich die Regelungen für eine dissolution (Auflösung der Gesellschaft). Auch diese Fragen sind bei einer publicly held corporation von geringer Bedeutung. Um diese konkrete Gesetzgebungstechnik einzuordnen, muß angemerkt werden, daß die unified strategy gerade in der Vergangenheit insgesamt weit verbreitet war und der Model Business Corporation Act (M.B.C.A.) dieser Strategie bis 1982 folgte. Etwa nach Meinung Eisenbergs28 geht jedoch der Trend des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in eine andere Richtung.

2. Gesonderte Gesetzgebung (diversified strategy) Die Staaten, die dem entgegengesetzten Ansatz folgen, haben gesonderte Vorschriften für die close corporation erlassen. Auch hier lassen sich wieder ____________ 26

„Accordingly, in what represents the most innovative development anywhere in the nation, the proposed Minnesota business corporation act embodies the notion that all business corporations, whether closely – held or publicly – owned, should be permitted to operate with substantial flexibility and informality ...“. 27 Vgl. dazu auch Flechter Cyc Corp § 70.10, S. 4; Merkt Rdnr. 625; O’Neal § 1.13, S. 78. 28 Cary / Eisenberg, S. 352.

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zwei Spielarten unterscheiden: Zum einen zählen zu diesen Gesetzen die integrated statutes [unter a)], zum anderen die non-integrated statutes [unter b)].

a) Integrated statutes Als integrated statutes werden diejenigen Gesetze bezeichnet, in denen sich ein gesonderter Abschnitt oder ein gesondertes Kapitel ausschließlich zur close corporation findet. Wie bereits erwähnt, war Florida der erste Staat, der sich für diesen Ansatz entschieden hat. Jedoch wurde der gesamte Florida Close Corporation Act 1975 zurückgenommen und durch eine einzelne Vorschrift über shareholders’ agreement im allgemeinen Gesetz zum Gesellschaftsrecht ersetzt. Der bedeutendste Staat, der sich für ein integrated statute entschieden hat und diesem Ansatz bis heute treu geblieben ist, ist Delaware. Dort wurde 1967 das Unterkapitel XIV29 zum General Close Corporation Law verabschiedet, das solche gesonderten Vorschriften enthält. Daneben folgen diesem Ansatz zumindest 16 weitere Staaten30. Darüber hinaus ist an dieser Stelle das Model Statutory Close Corporation Supplement (M.S.C.C.S.) zu nennen, eine Ergänzung zum M.B.C.A., dessen Entwurf 1981 vom Committee on Corporate Laws der Section on Corporation, Banking and Business Law der American Bar Association vorgelegt wurde.

____________ 29

Delaware, Del. Code Ann. tit. 8 §§ 341–356. Alabama, Ala. Code §§ 10-2A-300–10-2A-313; Arizona, Ariz. Rev. Stat. Ann§§ 10-1801–10-1813; District of Columbia, D.C. Code Ann. §§ 29-399.54–29-399.69; Georgia, Ga. Code Ann. §§ 14-2-901–14-2-950; Illinois, 805 ILCS 5/2A-05–5/2A- 60; Kansas, Kan. Stat. Ann. §§ 17-7201–17-7216; Maryland, Md Corps & Ass’ns Code Ann §§ 4-101–4-603; Missouri, Mo. Rev. Stat. §§ 351.750–351.865; Montana, Mont. Code. Ann. §§ 35-9-102–35-9-504; Nevada, Nev. Rev. Stat. §§ 78A-010–78A-200; Pennsylvania, Pa. Cons. Stat. §§ 2301–2337; South Carolina, S.C. Code Ann. §§ 33-18-101– 33-18-500; Texas, Tex. Bus. Corp. Act Ann. Art. 12.01–12.54; Vermont, Vt. Stat. Ann. tit. 11A §§ 20.01–20.16; Wisconsin, Wis. Stat. §§ 180.1801–180.1837; Wyoming, Wyo. Stat. §§ 17-17-101–17-17-151. Fraglich ist zudem, ob man auch Rhode Island zu den Staaten mit „integrierter Gesetzgebung“ zählen sollte, wofür sich M.B.C.A. Annotated, Band 4, S. CC-71; Karjala, 21 Ariz. St. L.J. 663, 670 Fußn. 26 (1989) und Karjala, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 161, 166 Fußn. 15 aussprechen, dagegen O’Neal, § 1.18, S. 101. Es gibt hier nur eine einzige Vorschrift zur close corporation (§ 7-1.1-51). Andererseits ist die Regelung aber so umfassend, daß sie durchaus mit einem eigenen Abschnitt eines anderen Gesetzes vergleichbar ist. Außerdem faßt auch diese Regelung alle für die close corporation wichtigen Vorschriften an einem Ort im Gesetz zusammen. 30

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Zielsetzung dieses Modellgesetzes31 war es, einen Vorschlag für ein integriertes Gesetz zu machen, das sich mit allen wichtigen Problemen der close corporation befaßt. („The Model Statutory Close Corporation Supplement is an optional statute developed for states that determine that it is advisable to enact an integrated statute dealing with the problems of closely held corporations“32.) Ein wesentliches Charakteristikum, das all diesen Gesetzen gemeinsam ist, ist – bei aller Unterschiedlichkeit der Regeln im einzelnen –, daß zunächst eine Definition33 einer [statutory] close corporation aufgestellt wird. Die im Gesetz dann folgenden Regeln richten sich ausschließlich an diejenigen Gesellschaften, die unter diese Definition fallen.

b) Non-integrated statutes Unter den non-integrated statutes werden diejenigen Gesetze verstanden, die Regelungen enthalten, die zwar speziell auf die close corporation anwendbar sind, die aber nicht in einem bestimmten Kapitel zusammengefaßt, sondern vielmehr über das ganze Gesetz für die Kapitalgesellschaften verstreut sind34. Auch bei den non-integrated statutes sind zwei Arten zu unterscheiden: Zum einen gibt es Staaten, die, obwohl sie sich gegen eine zusammenhängende Kodifikation entschieden haben, in ihren General Corporation Act eine Definition der close corporation aufgenommen haben. Das wichtigste Beispiel ist hier wohl Kalifornien. Zu Beginn, im 1. Abschnitt des Gesetzes ist in § 158 festgelegt, was in Kalifornien unter einer close corporation verstanden werden ____________ 31 Zur Umsetzung dieses Modellgesetzes in einzelstaatliches Recht vgl. nur O’Neal, § 1.18, S. 101 und M.B.C.A. Annotated, Band 4, S. CC-71. 32 Vgl. Introductory Comment zum Model Statutory Close Corporation Supplement, M.B.C.A. Annotated, Band 4, S. CC-4. 33 Alabama, Ala. Code § 10-2A-301; Arizona, Ariz. Rev. Stat. Ann. § 10-1803; Delaware, Del. Code Ann. tit. 8 § 343; District of Columbia, D.C. Code Ann. § 29399.55; Georgia, Ga. Code Ann. § 14-2-902; Illinois, 805 ILCS 5/2A-10; Kansas, Kan. Stat. Ann. § 17-7202; Maryland, Md Corps & Ass’ns Code Ann § 4-201; Missouri, Mo. Rev. Stat. § 351.755; Montana, Mont. Code Ann. § 35-9-103–35-9-504; Nevada, Nev. Rev. Stat. § 78A-020; Pennsylvania, Pa. Cons. Stat. § 2304; Rhode Island , R.I. Gen. Laws § 7-1.1-51; South Carolina, S.C. Code Ann. § 33-18-103; Texas, Tex. Bus. Corp. Act Ann. Art. 12.11; Vermont, Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 20.02; Wisconsin, Wis. Stat. § 180.1803; Wyoming, Wyo. Stat. § 17-17-103. Zu den Einzelheiten der verschiedenen Definitionen vgl. unten unter B. 34 Damit ist der Begriff, der in dieser Arbeit verwendet wird, enger als beispielsweise bei O’Neal, der in 33 Bus. Law. 873 (1978), 878 die Gesetzgebung von Kalifornien mit der von Michigan und New Jersey zusammenfaßt, die aber beide gerade keine ausdrücklichen Vorschriften für die close corporation beinhalten.

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Gesellschaftsrecht

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soll. Die weiteren Vorschriften35, die speziell auf die vorher definierte Gesellschaftsform Anwendung finden, sind an den Stellen im Gesetz eingefügt, an die sie systematisch gehören. § 300 lit. a, der im Abschnitt über die Verwaltung steht, stellt die allgemeinen Regeln über die Verwaltung der Gesellschaft durch das board of directors auf. § 300 lit. b modifiziert diese, indem er für die close corporation shareholders’ agreements zuläßt, durch welche die Verwaltung der corporation der einer partnership angeglichen werden kann. Der gleichen Gesetzgebungstechnik bedient sich auch Maine36. Der zweite Ansatz steht der unified strategy näher, was zur Folge hat, daß einige Stimmen in der Literatur37 die oben bei der unified strategy genannten Staaten und die nachfolgenden Staaten in eine Gruppe zusammenfassen. Dabei vernachlässigen diese Autoren aber eine Gemeinsamkeit dieses Ansatzes mit dem anderen erwähnten non-integrated Ansatz, die einen entscheidenden Unterschied zur unified strategy darstellt. Es gibt hier, im Gegensatz zur Gesetzgebung von Kalifornien und Maine, und letztlich auch im Gegensatz zu den integrated statutes, keine ausdrückliche Definition der close corporation. Der Ausgangspunkt für die gesonderte Regelung ist vielmehr zumeist eine Vorschrift über die Wirksamkeit von shareholders’ agreements. Ein wesentliches Merkmal, das diesen Ansatz aber von der unified strategy unterscheidet, ist, daß das shareholders’ agreement nur zulässig ist, wenn die Gesellschaft bestimmte Kriterien erfüllt. Einer der ersten Staaten, der in diese Richtung gegangen ist, ist North Carolina mit dem § 55-7-31 des North Carolina Business Corporation Act. Durch eine Vereinbarung bei den Anteilseignern wird es hier möglich, in weiten Teilen die close corporation „wie eine partnership zu behandeln“, d.h. privatautonom insbesondere die Verwaltung an die Bedürfnisse der Anteilseigner anzupassen. Dies ist aber nur zulässig, wenn die Gesellschaft nicht public ist. Auch die anderen Staaten mit diesem Ansatz, wie Ohio (§ 1701.591), New York (§ 620) und Florida (§ 607.0732 Nr. 4), die wie North Carolina Vorschriften über shareholders’ agreements haben und Indiana, das in § 21-1-45-1 eine vereinfachte Auflösung der Gesellschaft erlaubt, gestatten dies nicht jeder Gesellschaft, sondern nur denen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zumeist gilt dies für Gesellschaften deren Anteile nicht an der Börse gehandelt werden dürfen. Gerade durch diese Eigenart stehen diese Staaten aber den anderen nonintegrated statutes nahe. Auch bei diesen gelten nämlich nicht grundsätzlich für ____________ 35

Eine Aufzählung der Vorschriften, die der Gesetzgeber als besonders auf die close corporation zugeschnitten bezeichnet, enthält § 158 lit. g: §§ 186, 202, 204, 300, 418, 421, 706, 1111, 1201, 1800, 1904. 36 Die Definition der close corporation findet sich in § 102 (5), die übrigen Regeln, die sich auf die close corporation im besonderen beziehen, sind hier §§ 407, 604, 606, 607, 623, 625, 626, 627, 701, 714, 1114. 37 Vgl. dazu nur Karjala, 21 Ariz. St. L.J. 663 (1989), 669 Fußn. 23 m.w.N.

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alle Gesellschaften flexible Regelungen, wie bei den Gesetzen, die der unified strategy folgen. Die Regeln beschränken sich vielmehr auf Gesellschaften, die bestimmte Kriterien erfüllen. Man könnte sogar aus diesen Regeln indirekt eine Definition für die close corporation ableiten. Schließlich darf in diesem Zusammenhang eine Änderung des Revised Model Business Corporation Act (R.M.B.C.A.) nicht unerwähnt bleiben. Obwohl das Komitee für Gesellschaftsrecht (Committee on Corporate Law) 1982 das Model Statutory Close Corporation Supplement zum R.M.B.C.A. befürwortet hat und sich damit in gewisser Weise für ein integrated statute entschieden hat, berichtet es in seinem Report 199138 über die Aufnahme eines neuen § 7.32 in das R.M.B.C.A.39 In dieser Vorschrift werden, ähnlich wie in den Gesetzen North Carolinas, Ohios, New Yorks und Floridas, shareholders’ agreements in weitem Umfang40 als zulässig betrachtet, um die Gesellschaft an den speziellen Bedürfnisse der Anteilseigner anpassen zu können. Insbesondere ist dadurch die Vereinfachung der Verwaltung bis zur Abschaffung des board of directors (Nr. 1) möglich, aber auch die Auflösung einer Gesellschaft auf Verlangen eines oder mehrerer Anteilseigner (Nr. 7) ist zulässig. Nach einer Generalklausel (Nr. 8) kann schließlich alles, was sonst die Belange der Gesellschaft und das Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern betrifft, privatautonom geregelt werden, solange dies nicht den guten Sitten widerspricht („otherwise governs the exercise of the corporate powers or the management of the business and affairs of the corporation or the relationship among the shareholders, the directors and the corporation, or among any to them, and is not contrary to public policy“). Auch hier ergibt sich wieder implizit ein materielles Kriterium aus der Norm, das die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen begrenzt. Nach § 7.32 lit. d soll die Vereinbarung unwirksam werden, sobald die Gesellschaft an der Börse gehandelt wird. („An agreement authorized by this section shall cease to be effective when shares of the corporation are listed on a national securities exchange or regularly traded in a market maintained by one or more members of a national or affiliated securities association.“) Durch die Einfügung des § 7.32 R.M.B.C.A. und dem M.S.C.C.S. stehen sich auf der Ebene der Modellgesetze sowohl die Strategie der integrated statutes, als auch die der nonintegrated statutes in seiner zweiten Spielart als gleichberechtigt gegenüber. ____________ 38 Changes of the Revised Model Business Corporation Act – Amendment Pertaining to Closely Held Corporations, A Report of the Committee on Corporate Laws, 46 Bus. Law. 297 (1990). 39 Auf diese Vorschrift wird unten ausführlich eingegangen, vgl. hierzu § 10 C. 40 Vgl. § 7.32 lit. a R.M.B.C.A.

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Die Einzelstaaten haben somit für beide Ansätze ein Muster unter den Modellgesetzen.

B. Definitionsansätze in der close corporation-Gesetzgebung Entsprechend der Besonderheiten des anglo-amerikanischen Rechtskreises reicht es für die Bestimmung der verschiedenen Definitionsansätze nicht aus, lediglich auf die in Gesetzen kodifizierten Regelungen zu schauen. Vielmehr stehen neben den statutes, die jedenfalls nach der diversified strategy mittelbar oder unmittelbar eine Definition der close corporation enthalten (unter I.), die Entscheidungen der Gerichte. Auch im common law wurden Definitionen der close corporation entwickelt (unter II.). Da es auf beiden Ebenen unter Umständen sich widersprechende Definitionen gibt, stellt sich schließlich die Frage des Verhältnisses zwischen beiden Rechtsquellen (unter III.).

I. Close corporation nach den statutes der Einzelstaaten Wie bereits oben erwähnt, führte es immer wieder zu Schwierigkeiten, eine close corporation zu definieren. Die Literatur dazu ist Legion41. Einige Autoren halten es sogar für unmöglich, diese Gesellschaftsform so zu definieren, daß der Begriff für alle Zwecke geeignet ist42. Gleichwohl wuchs mit zunehmendem Interesse des Gesetzgebers, vor allem bei integrated statutes, und der Gerichte die Notwendigkeit, die Gesellschaft, die zum Ziel spezieller Regeln geworden war, exakt zu umschreiben. Methodisch sind hier drei Ansätze zu unterscheiden: Eine Variante ist es, die Gesellschafter selbst, unabhängig von materiellen Kriterien, entscheiden zu lassen, ob ihre Gesellschaft eine close corporation sein soll. Dieser Ansatz wird ____________ 41

Karjala, 58 Tex. L. Rev. 1207, 1253 (1980); Hochstetler / Svejda, 10 J. Corp. L. 849 (1985), v.a. auf S. 852 und 876; Hall, 27 Md. L Rev. 341, 343 (1967); Folk, 15 S.C. L. Rev. 275, 282 (1963); Latty, 34 N.C. L. Rev. 432, 455 (1956); Comment, 16 Vand. L. Rev. 1267 (1963); Comment, 7 U. Rich. L. Rev 511, 513 (1973); Comment, 23 S.D. L. Rev. 427, 432 (1978), Ginsberg, 25 DePaul L. Rev. 1, 10 (1975) jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 42 Vgl. dazu Fußnote 20. Auch Israels, 33 Cornell LQ 488, 491 (1948), betont diese Tatsache („no satisfactory all-purpose definition of a close corporation appears ever to have been worked out“). Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die oben (unter § 6 A. II.) erwähnte Einschätzung der Unternehmensrechtskommission, die in eine ähnliche Richtung ging und ebenfalls die Ansicht vertrat, daß eine Definition einer personenbezogenen Gesellschaft, die für alle Zwecke geeignet sei, nicht gefunden werden kann.

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hier als „formeller Ansatz“ bezeichnet, da der erwünschte Status ausschließlich von einem formellen Akt abhängig ist (unter 1.). Der entgegengesetzte Ansatz („materieller Ansatz“) geht ausschließlich von inhaltlichen Charakteristika aus. Immer dann, wenn diese erfüllt sind, wird die Gesellschaft als close corporation behandelt, unabhängig davon, ob die Gesellschafter dies wollen (unter 3.). Dazwischen steht die Idee, die Anwendbarkeit besonderer Regeln der Privatautonomie der Gesellschafter zu überlassen, wenn die entsprechende Gesellschaft bestimmte Kriterien erfüllt. Die Vorschriften sind also nicht für alle Gesellschaften eröffnet. Unter 2. wird auf diesen Ansatz eingegangen, der zur Folge hat, daß eine Gesellschaft nur dann eine close corporation werden kann, wenn bestimmte materielle Kriterien erfüllt sind und die Gesellschafter sich für die close corporation als Gesellschaftsform entschieden haben („Formell-materieller Ansatz“).

1. Formeller Ansatz Im Extremfall bedeutet der formelle Ansatz, daß die Gesellschaft, die close corporation werden will, lediglich eine Klausel in ihre articles of incorporation aufnehmen muß, die festlegt: „Diese Gesellschaft ist eine close corporation.“ Des weiteren müssen keine Voraussetzungen erfüllt werden. So absolut ist der Ansatz jedoch nur in wenigen Staaten verwirklicht. South Carolina, das im übrigen dem M.S.C.C.S. folgt, gehört zu den Staaten, die diesen Ansatz in radikaler Weise verfolgen. In § 33-18-103 lit. a legt das Gesetz fest: „A statutory close corporation is a corporation whose articles of incorporation contain a statement that the corporation is a statutory close corporation.“ Ähnlich, wenn auch mit einer etwas anderen Formulierung, verlangt der Business Corporation Act von Texas eine solche Klausel. Nach Art. 12.11 müssen die articles of incorporation jeder close corporation die Aussage enthalten: „This corporation is a close corporation.“ Schließlich gehört hierher noch Maryland. Nach Md Corps & Ass’ns Code Ann. § 4-201 lit. a ist die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in den articles of incorporation alles, was die Gesellschafter tun müssen, damit ihre Gesellschaft als close corporation behandelt wird43. Maryland stellt aber insofern eine Besonderheit dar, da die Wahl des Status als close corporation Beschränkungen der Übertragbarkeit der Anteile als zwingende Folge hat44. Jede Übertragung an außenstehende ____________ 43 Wortlaut von § 4-201: (a) Statement to be contained in charter. – A corporation may elect to be a close corporation under this title by including in its charter a statement that it is a close corporation. 44 Wenn Hall, 27 Md. L. Rev. 341 (1967) auf S. 342 eine Maryland close corporation als eine Gesellschaft beschreibt, deren Anteile speziellen Übertragungs-

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Dritte muß gemäß § 4-501 entweder im Zeitpunkt der Übertragung oder schon zuvor durch ein shareholders’ agreement gebilligt sein. In etwas abgewandelter Form findet sich der formelle Ansatz auch in § 3 M.S.C.C.S. Der erste Absatz dieser Bestimmung hat denselben Wortlaut, wie § 33-18-103 lit. a des Business Corporation Acts von South Carolina, das insoweit dem M.S.C.C.S. gefolgt ist. In einem weiteren Absatz des § 3 M.S.C.C.S. erfährt der rein formelle Ansatz eine Einschränkung. Soweit es sich bei der Gesellschaft um eine bestehende Gesellschaft handelt, kann diese nur dann den speziellen Status wählen, wenn sie weniger als 50 Anteilseigner hat45. Der Zweck dieser Einschränkung ist es, Gesellschaften mit einer großen Anzahl von Anteilseignern davon abzuhalten, eine close corporation zu werden. Solche Gesellschaften sollen nicht in den Genuß der damit verbundenen Vorteile kommen, also etwa der Möglichkeit ohne einen board of directors ihre Geschäfte abzuwickeln46. Gleichwohl ändert dies nichts daran, daß rein formelle Kriterien die Definition dominieren, da diese Einschränkung auf 50 Anteilseigner nur einen engen Anwendungsbereich hat. Einerseits gilt die zahlenmäßige Beschränkung dann nicht, wenn eine Gesellschaft neu gegründet wird. Wohl noch bedeutender ist andererseits die Tatsache, daß die Gesellschaft nicht aufhört eine close corporation zu sein, wenn die Zahl der Anteilseigner später 50 Personen überschreitet. Nur bei der Entscheidung einer bestehenden Gesellschaft für diesen Status muß diese Anzahl eingehalten werden. Als Begründung dient nach dem offiziellen Kommentar (official comment) die Befürchtung, daß die Gesellschaft sonst unfreiwillig ihren Status verlieren könnte, was zahlreiche Schwierigkeiten mit sich bringen würde47. Sicherlich spricht ebenfalls für diese Ausgestaltung der Vorschrift, daß sie dann nicht in vollem Umfang der Kritik ausgesetzt ist, die üblicherweise gegen zahlenmäßige Beschränkungen vorgebracht wird. Ein Hauptargument gegen solche Bestimmungen liegt natürlich in der ihnen innewohnenden Willkür48. ____________ beschränkungen unterliegen und die eine entsprechende Klausel aufgenommen hat, ist dies vom Ergebnis gesehen richtig. Allerdings entspricht es nicht der dogmatischen Konstruktion des Gesetzes. 45 Wortlaut von § 3 lit. b M.S.C.C.S.: „A corporation having 50 or fewer shareholders may become a statutory close corporation by amending its articles of incorporation to include the statement required by subsection (a). The amendment must be approved by the holders of at least two-third of the votes of each class or series of shares of the corporation, voting as separate voting groups, whether or not otherwise entitled to vote on amendments. If the amendment is adopted, a shareholder who voted against the amendment is entitled to assert dissents’ rights under MCSA Chapter 15“. 46 Official Comment zu § 3 M.S.C.C.S, M.B.C.A. Annotated, Band 4, S. CC-9. 47 Official Comment zu § 3 M.S.C.C.S, M.B.C.A. Annotated, Band 4, S. CC-10. 48 Vgl. dazu bereits oben etwa unter § 6 A. I. 3.

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Die Frage, wie viele Anteilseigner genau die Grenze bilden sollen, ist schwer zu entscheiden. Dies zeigt auch ein Blick auf die Bundesstaaten, die dem M.S.C.C.S. folgen und die Vorschrift wörtlich in ihr Corporation Act übernommen haben. Nur Georgia49, Missouri50 und Wisconsin51 sind dem Vorbild auch hinsichtlich der Anzahl der Anteilseigner gefolgt. Wyoming52 sieht die Grenze bei 35 Anteilseigner und Montana53 sogar bereits bei 25. Eine materielle Rechtfertigung für die jeweilige Entscheidung gibt es nicht. Darüber hinaus sehen einige Autoren54 dann Probleme bei der Bestimmung der Anzahl der vorhandenen Gesellschafter, wenn ein trust oder eine partnership als Anteilseigner auftritt oder wenn einige Anteile in joint tenancy55 oder common tenancy56 gehalten werden. Hier muß entschieden werden, ob man etwa bei einem trust oder einer partnership auf die formale Stellung als Gesellschafter abstellt. Diese hat dann nur jeweils eine Person inne. Dies vernachlässigt aber die Tatsache, daß durch beide Konstruktionen eine Vielzahl von Personen mittelbar die Stellung als Gesellschafter einnehmen, so daß man für die Bestimmung der Zahl der Gesellschafter auch auf die dahinterstehenden wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaftsanteile abstellen könnte. Eine solche Zurechnung ist zwar einerseits sachgerecht, da dadurch die Umgehung der Begrenzung eingeschränkt werden kann. Andererseits kann es aber Situationen geben, in denen gerade im Falle eines trusts weder für die Gesellschaft selbst noch für die anderen Gesellschafter ersichtlich ist, wer hinter dem Treuhänder steht und auch, was wohl ausschlaggebender sein wird, wie viele Personen dies sind. Eine solche Zurechnung würde also erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen und die Rechtssicherheit beeinträchtigen. Wenn die Anzahl der Anteilseigner aber nur zu einem einzigen Zeitpunkt eine Rolle spielt, nämlich bei der Wahl dieses Status durch eine bestehende Gesellschaft, verliert das Merkmal an Gewicht. ____________ 49

Ga. Code Ann. § 14-2-902. Mo. Rev. Stat. § 351.755. 51 Wis. Stat. § 180.1803. 52 Wyo. Stat. § 17-17-103. 53 Mont. Code Ann. § 35-9-103. 54 Dazu nur Hochstetler / Svejda, 10 J. Corp. L. 849, 879 f. (1985); Hall, 27 Md. L. Rev. 341, 345 (1967). 55 Joint tenancy entspricht Miteigentum, bei dem die Beteiligten gesamthänderisch gebunden sind. Jedem steht das ungeteilte Recht im ganzen zu. Eine Besonderheit ist das Prinzip der survivorship. Dies bedeutet, daß das Recht nicht vererbt werden kann, es wächst vielmehr dem Überlebenden an. 56 Die common tenancy oder tenancy in common entspricht eher dem Miteigentum in Bruchteilen. Dies bedeutet eine unity of possession, also ein gemeinsamer Besitz, aber andererseits getrennte Titel der Beteiligten. Im Gegensatz zur joint tenancy ist der Anteil vererbbar und fällt mit dem Tod eines Beteiligten in die Erbmasse seines Nachlasses. 50

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In engem Zusammenhang mit dem Willkürvorwurf steht ein weiteres klassisches Argument gegen zahlenmäßige Beschränkungen. Es ist logisch nicht begründbar, warum eine Gesellschaft mit n + 1 Anteilseignern strukturell von einer mit n Anteilseignern so verschieden ist, daß sie anders behandelt werden muß57. Auch hier kann dem Ansatz des M.S.C.C.S. zugute gehalten werden, daß es zu keiner Veränderung der Struktur und Behandlung durch die Gesetze kommt, wenn bei einer Gesellschaft, die den Status der close corporation gewählt hat, die Anzahl der Gesellschafter um ein oder zwei Personen zunimmt. South Carolina58, das wie bereits erwähnt, ebenfalls § 3 lit. a M.S.C.C.S übernommen hat, sah in Anbetracht der Tatsache, daß sich die Behandlung der Gesellschaft bei zunehmender Zahl nicht ändert, sogar keinen zwingenden Grund, überhaupt eine solche Beschränkung bei der Wahl des Status aufzunehmen. Abschließend ist für den formellen Ansatz noch Arizona zu nennen, das sich für eine ähnliche Strategie wie das M.S.C.C.S. entschieden hat, ohne jedoch den Wortlaut dieses Modellgesetzes übernommen zu haben. Gemäß Ariz. Rev. Stat. Ann. § 10-1803 lit. a und § 10-1818 lit. c erfolgt die Wahl des Status close corporation durch die Aufnahme des Begriffes „Arizona Close Corporation“ in den articles of incorporation59. Eine weitere Voraussetzung ist auch hier, daß die Zahl der Anteilseigner bei Wahl der Gesellschaftsform, wozu hier auch die Gründung zählt, eine bestimmte Anzahl nicht überschreitet. Diese Grenze hat der Gesetzgeber von Arizona bereits bei zehn Personen gesehen. Diese Beschränkung gilt aber, wie oben, lediglich für das Stadium der Wahl der Form. Konsequenzen einer späteren Zunahme der Anzahl der Anteilseigner sind im Recht Arizonas ebenso wenig ersichtlich wie beim M.S.C.C.S. Gegen diesen ____________ 57

Ebenso Hochstetler / Svejda, 10 J. Corp. L. 849, 880 (1985); Legislation Note, 75 Harv. L. Rev. 852, 854 (1962); Hall, 27 Md. L. Rev. 341, 343 (1967); ausführlich dazu Ginsberg, 25 DePaul L. Rev. 1, 12–14 (1975). Karjala, 58 Tex. L. Rev. 1207 (1980) stellt dazu auf S. 1256 provokativ folgende Frage: „Why should a change from ten to eleven or from thirty to thirty-one shareholders inevitably require a change in the rules of their corporate government?“. Ebenso Comment 16 Vand. L. Rev. 1267, 1269 (1963): „It is obvious that the addition of one shareholder will rarely change the nature of the corporation, although such addition can place the corporation outside the statutory definition“. 58 South Carolina Reporters’ Comment zu S.C. Code Ann. § 33-18-103: „A corporation having fewer than fifty shareholders at the time of the election can continue to qualify as a statutory close corporation even though it subsequently has more than fifty shareholders and there is no sound policy reason why a corporation having more than fifty shareholders should not be able to elect statutory close corporation status if two-thirds or more of the shareholders are in favor of the election“. 59 Vgl. auch Ariz. Rev. Stat. Ann. § 10-1818 lit. a. Danach genügt es alle Hinweise auf die close corporation, sowohl in den articles of incorporation als auch im Name der Gesellschaft zu entfernen, um den gewählten Status aufzugeben.

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Ansatz ist sicher einzuwenden, daß die Umgehung der zahlenmäßigen Begrenzung auf der Hand liegt. Die Gesellschaft wählt die Rechtsform, solange die Voraussetzungen erfüllt sind. Kurze Zeit später wird die Anzahl der Anteilseigner auf die eigentlich von Anfang an angestrebte Zahl erhöht.

2. Formell-materieller Ansatz Bei dem hier sogenannten „formell-materiellen Ansatz“ kommen zwei Elemente für die Definition einer close corporation zusammen: Zum einen ist es auch hier notwendig, daß die Gesellschafter sich selbst dafür entscheiden, ihre Gesellschaft den speziellen Vorschriften der close corporation zu unterstellen. Dies bedeutet, daß sich jedenfalls ein Hinweis auf diese Gesellschaftsform in den articles of incorporation finden muß60 ebenso wie beim rein formellen Definitionsansatz. Des weiteren müssen aber auch materielle Charakteristika in die articles of incorporation aufgenommen und von der Gesellschaft erfüllt werden. Sobald die Gesellschaft diesen Anforderungen nicht mehr genügt, verliert sie entweder sofort oder nach einer sog. Gnadenfrist (grace period)61 ihren Status als close corporation62. Zur Beantwortung der Frage, welche materiellen Kriterien erfüllt werden müssen, gibt es in den einzelnen Staaten beträchtliche Unterschiede. Insgesamt werden bis zu drei verschiedene Merkmale zur Abgrenzung einer close corporation von einer public corporation herangezogen: Zunächst ist dies, wie bereits im Zusammenhang mit dem formellen Ansatz erwähnt, die Anzahl der Anteilseigner. Daneben spielen Übertragungsbeschränkungen der Geschäftsanteile eine Rolle und schließlich das Verbot eines öffentlichen Handels der Anteile, also das Verbot eines public offerings. Dabei ist das letzte Kriterium besonders bemerkenswert. Dem Begriff des public offerings ist nämlich auch im Kapitalmarktrecht des Bundes, genauer im Securities Act 1933 eine zentrale Bedeutung eingeräumt, in § 4 Nr. 2 dieses Gesetzes63. An diesen bundesrechtlichen Begriff knüpfen die Einzelstaaten an und führen, soweit sie das Verbot eines public offering als ein für eine close corporation wesentliches Defini____________ 60

Beispiele hierfür in Ala. Code § 10-2A-301 lit. a Nr. 1; Cal. Corp. Code § 158 lit. a; Del. Code Ann. tit. 8, § 343 Nr. 2; D.C. Code Ann. § 29-399.56 Nr. 1; 805 ILCS 5/2A.5; Kan. Stat. Ann. § 17-7203 lit. a; Nev. Rev. Stat. § 78A.020 Nr. 2 lit. b; Pa. Cons. Stat. § 2303 Nr. 1; Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 20.02 Nr. 1. 61 Zum Begriff siehe Hochstetler / Svejda, 10 J. Corp. L. 849, 891 (1985). 62 Vergleiche dazu nur Cal. Corp. Code § 158 lit. d; Del. Code Ann. tit. 8, § 345 Nr. 2; Kann. Stat. Ann. § 17-7208; RI Gen. Laws § 7-1.1-51 lit. d. 63 Vgl. dazu ausführlich unten unter § 9 C. III. 1. a).

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tionskriterium betrachten, keine autonome (einzelstaatliche) Begriffsbestimmung ein. Die Idee an die gerade genannten Merkmale eine unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften anzuknüpfen, hat im anglo-amerikanischen Rechtskreis Tradition. Dies zeigt sich auch, wenn man über die Grenzen der USA hinaus blickt. Bis in die 80er Jahre64 kannte beispielsweise England eine ähnliche Trias von Kriterien65, wie sie hier für das US-amerikanische Gesellschaftsrecht genannt werden. Dasselbe galt für das Recht Kanadas, das sich bis zu den Reformvorschlägen 1973, weitgehend am Recht Großbritanniens orientierte66. Bis heute ist die Erfüllung entsprechender Kriterien (nicht mehr als 50 Anteilseigner, kein öffentlicher Handel, beschränkte Übertragung der Anteile) in Australien zur Unterscheidung zwischen public company und proprietary company, einer Gesellschaft mit personalistischer Struktur, entscheidend67. Die soeben genannten Definitionsansätze, die außerhalb der USA verwendet werden, zeichnen sich dadurch aus, daß für eine personalistische Gesellschaft kumulativ alle drei Merkmale erfüllt sein müssen. In den US-amerikanischen Einzelstaaten fordert dies nur Delaware68 und diejenigen Staaten, welche die „Delaware Definition“ übernommen haben (unter 1.). Daneben gibt es aber auch Staaten, denen die Erfüllung lediglich eines Merkmals genügt (unter 2.) oder die sich zumindest damit begnügen, daß die Gesellschaft zwei Merkmale erfüllt (unter 3.). Bei den beiden letzten Gruppen von Staaten gibt es hinsichtlich der Verwendung und Kombination der Merkmale verschiedene Spielarten.

____________ 64 1980 wurde unter Einfluß des kontinental-europäischen Rechts das System des englischen Gesellschaftsrechts grundlegend geändert. Dabei wurde unter anderem die Abgrenzung zwischen private company und public limited company neu bestimmt. Jetzt besteht für die private company nur noch ein Verbot der öffentlichen Emission. 65 Companies Act 1907, section 37. Dazu nur Birds, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 138, 142. Ähnliches gilt für das Recht Israels, das im Februar 2000 eine ähnliche Änderung vornahm, vgl. dazu Assan/Theiß, RIW 2000, 525; Assan / Theiß, NZG 2001, 49. 66 Cheffins, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 183, 185. 67 Fritzemeyer in: Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, S. 30 f. 68 Del. Code Ann. tit. 8, § 342.

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a) Definition, die drei Merkmalen kombiniert (sog. Delaware Definition) aa) Delaware Am komplexesten ist die Definition für eine close corporation, die zuerst in Delaware verwendet wurde. Nach Del. Code Ann. tit. 8, § 342 muß eine Gesellschaft drei Merkmale erfüllen, um sich für eine close corporation zu qualifizieren: Gemäß Nr. 1 des lit. a dieser Bestimmung darf die Zahl der Anteilseigner 30 nicht überschreiten, wobei in den articles of incorporation auch eine geringere Zahl als Grenze festgesetzt werden kann. Diese Beschränkung der Anzahl der Anteilseigner stellt im Gegensatz zur Regelung im M.S.C.C.S eine echte materielle Voraussetzung dar. Von der Erfüllung dieses, ebenso wie der anderen beiden Kriterien, hängt nicht nur die Wahl, sondern auch das Fortbestehen der Gesellschaft ab. Dies folgt aus Del. Code Ann. tit. 8, § 345 i.V.m. § 34869. Eine Gesellschaft hat solange den besonderen Status der close corporation bis sie nach § 345 Abs. 1 ihre articles of incorporation ändert oder gemäß § 345 Abs. 2 den materiellen Voraussetzung, wie sie sich aus § 342 ergeben, nicht mehr genügt, ohne für eine Abhilfe70, wie sie in § 348 vorgesehen ist, zu sorgen. Neben der vorgeschriebenen Anzahl der Anteilseigner darf die Gesellschaft nach Nr. 3 des Del. Code Ann. tit. 8, § 342 lit. a ihre Anteile nicht in einer Art und Weise anbieten, die ein public offering darstellen würde. Es wurde bereits erwähnt, daß hier an das Kapitalmarktrecht des Bundes und insbesondere an die Auslegung des § 4 Nr. 2 Securities Act 1933 angeknüpft wird, aber auch an die Rule 506, die als safe harbor-Vorschrift den Begriff des public offerings

____________ 69 Del. Code Ann. tit. 8, § 345 (Limitations on continuation of close corporation status) sieht folgendes vor: „A close corporation continues to be such and to be subject to this subchapter until: (1) It files with the Secretary of State a certificate of amendment deleting from its certificate of incorporation the provisions required or permitted by s 342 of this title to be stated in the certificate of incorporation to qualify it as a close corporation; or (2) Any of the provisions or conditions required or permitted by s 342 of this title to be stated in a certificate of incorporation to qualify a corporation as a close corporation has in fact been breached and neither the corporation nor any of its stockholders takes the steps required by s 348 of this title to prevent such loss of status or to remedy such breach“. 70 Del. Code Ann. tit. 8, § 348 gibt der Gesellschaft 30 Tage Zeit, um die Situation zu verändern, wobei ihr insbesondere die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Anteilsübertragung, welche die Verletzung verursacht hat, zurückzuweisen. Dieses Zurückweisungsrecht und seine Voraussetzungen sind in Del. Code Ann. tit. 8, § 347 geregelt.

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konkretisiert71, ohne eine eigenständige Ausnahme darzustellen72. In Delaware73 wird dieser Bezug durch folgende Formulierung deutlich: „The corporation shall make no offering of any of its stock of any class which would constitute a ‘public offering’ within the meaning of the United States Securities Act of 1933, as it may be amended from time to time.“ Auf die Einzelheiten des Begriffs public offering wird im Zusammenhang mit dem securities law des Bundes eingegangen, worauf hier verwiesen werden soll74. Schließlich ist in der Nr. 2 des Del. Code Ann. tit. 8, § 342 lit. a vorgeschrieben, daß alle Anteile einer oder mehreren Übertragungsbeschränkungen, wie sie in Del. Code Ann. tit. 8, § 202 vorgesehen sind, unterliegen. Der Abschnitt über die close corporation bezieht sich für dieses Merkmal somit auf eine Vorschrift des generellen Gesellschaftsrechts. § 202 sieht bestimmte Typen von Übertragungsbeschränkungen vor, welche jede Gesellschaft für ihre Anteile vorsehen kann. Zudem werden hierin weitere Voraussetzungen für die einzelnen Übertragungsbeschränkungen statuiert75. Die Besonderheit des Status als close corporation ist lediglich, daß bei dieser Gesellschaftsform Übertragungsbeschränkungen vorgesehen werden müssen. Zudem fordert § 342, daß die Art der Übertragungsbeschränkung sich aus den articles of incorporation ergibt. Dagegen genügt nach § 202 lit. b auch eine Beschränkung durch die by-laws oder in einem shareholders’ agreement76. Im lit. c des § 202 finden sich vier Typen von Beschränkungen, die durch dieses Gesetz erlaubt sind: Nr. 1 sieht eine Verpflichtung des Anteilseigners vor, die Anteile der Gesellschaft anzubieten. Keine Entscheidung trifft das Gesetz darüber, bei welchem Anlaß eine solche Pflicht entsteht. Auch ergibt sich nicht unmittelbar, ob der Vertrag zu den mit dem Dritten ausgehandelten Vertrags____________ 71

Vgl. nur Folk, § 342.1, S. 414. Zu den Einzelheiten der Rule 506 vgl. unten unter § 9 C. III. 1. b). 72 Dies unterscheidet die Rule 506 von der Rule 504 und 505, die eigenständige Ausnahmen von dem Registrierungserfordernis statuieren. Das einzelne Angebote diesen Regeln entsprechen genügt daher für das einzelstaatliche Recht nicht, da dann gleichwohl ein public offering vorliegt. Auch hierzu finden sich Details in § 9 C III 1 b einerseits (für Rule 506) sowie 9 C III 2 b bb andererseits (für Rule 504 und 505). 73 Del. Code Ann. tit. 8, § 342 lit. a Nr. 3. 74 Vgl. unten in § 9 C. III. 1. 75 Beispielsweise fordert Del. Code Ann. tit. 8, § 202 lit. a die Schriftform für Übertragungsbeschränkungen. Vgl. dazu Lakeshore Deli, Inc. v. Landis Wilson, 1978 WL 2508, 5 Del. J. Corp. L. 143 (1978). In dieser Entscheidung ging es um eine Übertragungsbeschränkung bei einer Gesellschaft, die nicht den close corporation Status hatte. Die Anteilseigner beriefen sich zur Begründung dieser Beschränkung auf eine mündliche Vereinbarung, was vom Gericht als nicht ausreichend erachtet wurde. 76 Vgl. Folk, § 342.1, S. 414.

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bedingungen zustande kommt oder ob die Bedingungen zuvor unabhängig von den Vereinbarungen mit dem Dritten festgelegt sind. Im ersten Fall wird man rechtstechnisch von einem right of first refusal sprechen müssen, im zweiten Fall von einer first option. Ohne an dieser Stelle auf Details eingehen zu können, kann festgehalten werden, daß der Anteilseigner, der verkaufen will, bei einem right of first refusal, seine Anteile zunächst dem Inhaber des Vorkaufsrechts (was die Gesellschaft selbst oder andere Gesellschafter sein können) anbieten muß. Dieser kann dann entscheiden, ob er sein Recht ausüben will oder nicht. Wenn er sich innerhalb eines vorher festgesetzten Zeitraumes nicht zu einer Ausübung entschließt, kann der Anteilseigner an den Dritten verkaufen. In dem anderen Fall kommt der Vertrag zwischen dem verkaufswilligen Gesellschafter und dem Vorkaufsberechtigten zu den mit dem Dritten vereinbarten Bedingungen zustande. Bei einer first option dagegen sind die Vertragsbedingungen zuvor zwischen Aktionär und Vorkaufsberechtigten festgelegt. Zudem kann eine Option nicht nur für den Fall vereinbart werden, daß der Aktionär tatsächlich verkaufen möchte. So kann eine first option etwa auch beim Tod des Anteilseigners eingreifen, was etwa durch die Entscheidung Shields Development Company v. Shields77 verdeutlicht wird. Shields Development Company v. Shields wurde vor dem Court of Chancery des Staates Delaware, New Castle, verhandelt. In einem stock purchase agreement war eine Pflicht statutiert, die Gesellschaftsanteile beim Tod des Anteilseigners der Gesellschaft zum Buchwert zum Verkauf anzubieten. Die Erbin weigerte sich zu verkaufen, da die Vereinbarung nicht eindeutig sei, und daher nicht erzwungen werden könne. Das Gericht folgte ihrer Argumentation nicht und verurteilte sie vielmehr dem Verkauf zu den festgelegten Bedingungen zuzustimmen. Das Gericht tendierte also dazu, solche Vereinbarungen weit auszulegen, um so dem Willen der Vertragsparteien zur Durchsetzung zu helfen. § 202 lit. c Nr. 2 gibt spiegelbildlich die Möglichkeit, der Gesellschaft oder den Anteilseignern eine Kaufverpflichtung aufzuerlegen. Nach Nr. 3 kann die Übertragung an eine Zustimmung der Gesellschaft oder der Gesellschafter geknüpft werden. Hier wird von einem sog. consent restraint gesprochen. Dabei kann entweder die Zustimmung des board of directors erforderlich sein. Daneben können auch die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit oder ein Teil der Gesellschafter für die Zustimmung zuständig sein. Demjeni____________ 77

1981 WL 7636, 7 Del. J. Corp. L. 354 (1981).

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gen, dem die Kompetenz zur Zustimmung zusteht, wird in der Regel ein weiter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zugebilligt78. Schließlich ist nach § 202 lit. c Nr. 4 eine Form eines relativen Übertragungsverbots eine zulässige Form einer Übertragungsbeschränkung. Die Übertragung kann nur an eine bestimmte Gruppe von Personen verboten werden, wenn dies nicht unreasonable ist, also unbillig ist. Durch diese ausdrückliche Festlegung der für Übertragungsbeschränkungen zulässigen Ausgestaltungen wird ein höheres Maß an Rechtssicherheit erreicht, als wenn ein solcher konkreter Bezug fehlt. Gleichwohl muß festgehalten werden, daß aus dieser Gesetzesvorschrift nicht abgeleitet werden kann, daß Übertragungsbeschränkungen der beschriebenen Art in jedem Fall gültig sind. Dies wird in der Entscheidung Grynberg v. Burke79 klargestellt. In Grynberg v. Burke berief sich die Beklagte (Oceanic Exploration Company) darauf, daß aus der Festlegung der Typen im Delaware Corporation Code folge, daß derartige Beschränkungen der Übertragbarkeit per se wirksam seien. Dies wies das Gericht zurück. Vielmehr sei in Del. Code Ann. tit. 8, § 202 eine moderne Kodifikation der im common law entwickelten Prinzipien, also kodifiziertes Richterrecht80, zu sehen. Deshalb könne und müsse aber für die Frage der Zulässigkeit einer konkret vorgesehenen Beschränkung der Übertragbarkeit der Geschäftsanteile auf die vor Erlaß des Gesetzes entschiedenen Präzedenzfällen zurückgegriffen werden können. Insbesondere sei hier zu prüfen, inwieweit im vorliegenden Fall die Beschränkung einen vernünftigen Bezug zum Gesellschaftszweck habe. Del. Code Ann. tit. 8, § 202 lit. d gibt ein Beispiel dafür, wann ein solcher vernüftiger Bezug in jedem Fall gegeben ist. Die Vorschrift legt fest, daß jede ____________ 78 So auch in McNulta v. Corn Belt Bank, 164 Ill. 427; 45 N.E. 954 (1896). Hier wird für die Ungültigkeit des Zustimmungsvorbehalts, neben der Beschränkung des Eigentums, auch dieses Problem angesprochen: „This by-law is illegal and void, … because it seeks to keep the future action of the stockholders … in subjection to the will of the original directors“, ähnlich auch Merkt, Rdnr. 570. 79 378 A.2d 139 (1977). 80 Auf S. 142 f. führt der Richter aus: „Consequently, I think it more logical to conclude that the express authorization of s 202(c)(3) which permits a restriction giving a corporation the right to first approve a transfer of its stock is no more than a modern codification of the principle adopted in Lawson v. Household Finance Corp., namely, that a restraint on the free transferability of corporate stock which gives the corporation itself a prior right to pass on the right of shareholder to transfer it to another is permissible under our law provided it bears some reasonably necessary relation to the best interests of the corporation“.

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Übertragungsbeschränkung als reasonable gilt, wenn sie dem Zweck dient, einen bestimmten steuerrechtlichen Status (sog. s corporation) nicht zu verlieren81. Lit. e schließlich erweitert die Aufzählung der zulässigen Beschränkungen der Übertragbarkeit um „jede andere gesetzmäßige Übertragungsbeschränkung“. Der Begriff „gesetzmäßig“ (lawful) kann hier zweierlei bedeuten82. Zum einen können solche Beschränkungen aus statutes resultieren. Zum Beispiel ist eine Klausel in den articles of incorporation möglich, die bestimmt, welche spezielle Gruppe von Personen als Anteilseigner einer close corporation in Frage kommt und somit eine Konkretisierung des § 202 lit. c Nr. 4 darstellt. Zum anderen kann aber lit. e auch als Einfallstor für das common law gesehen werden, was noch wichtiger ist. Eine Beschränkung der Übertragbarkeit ist dann mit lit. e vereinbar, wenn sie den Maßstäben des common law standhält. Es findet also eine ähnliche Überprüfung statt, wie sie vor Erlaß dieser Bestimmung zur Beurteilung der Gültigkeit von Übertragungsbeschränkungen herangezogen wurde83.

bb) Sonstige Einzelstaaten Dieser eben dargestellten Definition für eine close corporation haben sich in der Folgezeit einige Staaten angeschlossen. Delaware hat damit auch im Bereich der close corporation Vorbildcharakter gehabt. Zu nennen sind hier etwa Kansas84 und Nevada85 sowie der District of Columbia86.

____________ 81

Del. Code Ann. tit. 8, § 202 lit. d: „Any restriction on the transfer of the shares of a corporation for the purpose of maintaining its status as an electing small business corporation under subsection S of the United States Internal Revenue Code [26 U.S.C. s 1371 et seq.] or of maintaining any other tax advantage to the corporation is conclusively presumed to be for a reasonable purpose“. 82 Vgl. Folk, § 202. 4., S. 376 ff. 83 Zum Standard im common law in Delaware vgl. die Entscheidung des Supreme Court von Delaware aus dem Jahre 1949 Tracey v. Franklin, 67 A.2d 56 (1949), insbesondere auf S. 59: „… arbitrary restraints on alienation are forbidden and unless restraints are imposed for purposes recognized as sufficient, they will be held invalid. The public policy against restraints may be relaxed where the circumstances of a particular case convince the Court that it is a reasonable means accomplishing a purpose recognized as proper“. 84 Kan. Stat. Ann. § 17-7202. 85 Nev. Rev. Stat. § 78A-020. 86 D.C. Code Ann. § 29-399.55.

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§ 17-7202 des Gesetzes von Kansas stimmt beinahe wörtlich mit der Vorschrift aus Delaware überein. Auch Kansas fordert neben der Aufnahme einer Klausel in den articles of incorporation, daß die vorliegende Gesellschaft eine close corporation ist, das folgende: Die Gesellschaft darf nicht mehr als 30 Anteilseigner haben, die Anteile dürfen nicht in einer Art und Weise angeboten werden, die ein public offering darstellt, wobei auch hier im Wortlaut ausdrücklich auf den Securities Act 1933 Bezug genommen wird. Schließlich müssen die Geschäftsanteile einer oder mehreren Übertragungsbeschränkungen im Sinne des Kann. Stat. Ann. § 17-6426 unterliegen. Ebenso wie in Delaware ist dies eine Vorschrift des allgemeinen Gesellschaftsrechts, dessen Wortlaut mit dem gerade zitierten Del. Code Ann. tit. 8, § 202 vergleichbar ist. Der Gesetzgeber im District of Columbia hat in D.C. Code Ann. § 29-399.55 die Definition Delawares übernommen. Lediglich hat er die Obergrenze für die Anzahl der Anteilseigner nicht auf 30, sondern auf 35 Gesellschafter festgelegt. Daneben darf auch hier kein public offering im Sinne des § 4 Nr. 2 Sec. Act vorgenommen werden. Die Beschränkung der Übertragbarkeit der Anteile richtet sich nach D.C. Code Ann. § 29-320. Im Gegensatz zu Delaware nennt diese Vorschrift keine materiellen Anforderungen für Übertragungsbeschränkungen. Sie legt in lit. b lediglich fest, daß sich auf der Urkunde der Anteile, die einer solchen Beschränkung unterliegen, ein entsprechender Hinweis befinden muß. Im übrigen muß dem Anteilseigner der genaue Wortlaut der Beschränkung zugänglich gemacht werden, was entweder durch Aufdruck auf der Urkunde oder in sonstiger Weise erfolgen kann. Das Fehlen detaillierter materieller Anforderungen hat zur Folge, daß eine Beschränkung nur daran gemessen wird, ob sie vernünftig (reasonable) ist87. Diese Billigkeit der Klausel richtet sich nach den allgemein im common law entwickelten Grundsätzen. Schließlich ist Nevada der Delaware-Definition gefolgt. Auch hier darf die Anzahl der Anteilseigner 30 nicht überschreiten und es darf kein public offering der Geschäftsanteile vorliegen. Die Formulierung weicht dabei nur unerheblich von derjenigen in Delaware ab. Eine Besonderheit und Abweichung von der Rechtslage Delawares ergibt sich hinsichtlich der Übertragungsbeschrän____________ 87 Vgl. Clark, § 18.2, der drei Techniken für die Kodifikation von Übertragungsbeschränkungen unterscheidet: Zum einen gebe es Staaten, die durch die Forderung nach einer vernünftigen (reasonable) Beschränkung auf die Regeln des common law requirieren. Daneben gäbe es solche mit permissive statutes, wie z.B. Delaware, die bestimmte Typen der zulässigen Übertragungsbeschränkunen aufzählen. Schließlich gibt es Staaten, die besonderes rigide Regeln gerade für close corporation aufstellen, indem sie grundsätzlich die Übertragung der Anteile verbieten. Beispiele hierfür sind Maryland und Nevada.

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kungen. Für diese verweist Nev. Rev. Stat. § 78A-020 auf Nev. Rev. Stat. § 78A-050. Dieser befindet sich in einem besonderen Abschnitt des Gesetzes für die close corporation und bestimmt in seiner Nr. 1, daß die Anteile einer solchen Gesellschaft grundsätzlich nicht übertragbar sind. Eine Ausnahme dieser strikten Regel kann auf zwei Ebenen statuiert werden: Zum einen könnten die Gesellschafter selbst Ausnahmen dieser Regel vorsehen. Dabei können die articles of incorporation, die by-laws, ein shareholders’ agreement oder ein voting trust agreement den Umfang der Übertragbarkeit festlegen. In Nr. 2 bestimmt das Gesetz selbst Situationen, in denen das Übertragungsverbot nicht gilt, soweit die articles of incorporation keine abweichende Regelung treffen. Solche gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefälle sind beispielsweise eine Übertragung der Anteile zwischen den Gesellschaftern, ebenso eine Übertragung auf die gesetzlichen Erben und eine solche, der alle stimmberechtigten Anteilseigner zugestimmt haben. Durch diese besondere Vorschrift für die close corporation weicht der Gesetzgeber Nevadas von den Grundsätzen des common law ab. Im common law gingen die Gerichte, auch wenn sie die besonderen Bedürfnisse der close corporation anerkannten, stets davon aus, daß eine Übertragungsbeschränkung ein Eingriff in das Eigentum ist und als solche eng ausgelegt werden muß. Dies ging in frühen Entscheidungen soweit, daß jegliche Beschränkungen der Übertragbarkeit als unwirksam betrachtet wurden. In der Entscheidung Morris v. Hussong Dyeing Mach. Co.88 aus dem Jahre 1913 etwa, in der Anteile nach den by-laws nur dann übertragen werden durften, wenn alle directors der Übertragung zugestimmt hatten, kam das entscheidende Gericht, der Court of Chancery von New Jersey, zur Unwirksamkeit der Klausel. Dabei argumentierte es, daß es sich bei Anteilen einer Gesellschaft um persönliches Eigentum der Anteilseigner handele, über das diese auch frei verfügen könnten. Die by-laws können den directors nur die Kompetenz geben, die Formalitäten der Übertragung zu bestimmen89. Der Vorbehalt eines umfänglichen Zustimmungsrechts für die Gesellschaft sei aber nicht zulässig. Wenn eine Klausel über die Bestimmung von Formalitäten hinausgehe, so wie im vorliegenden Fall, wäre dies zum einen eine Beschränkung des Handels und würde zum anderen die allgemeinen Gesetze verletzen, die sich auf die Übertragung von Privateigentum beziehen. Daher wurde die Bestimmung für unwirksam erklärt90. ____________ 88

86 A. 1026; 81 N.J. Eq. 256 (1913). 86 A. 1026, 1028. 90 86 A. 1026, 1029. Ähnlich entschieden die Gerichte etwa in McNulta v. Corn Belt Bank, 164 Ill. 427; 45 N.E. 954 (1896) und In re Klaus, 67 Wis. 401; 29 N.W. 582 89

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Soweit später Übertragungsbeschränkungen anerkannt wurden, wurde zumindest immer ein vernünftiger Zweck gefordert, der die Beschränkung rechtfertigt und mit dem Zweck der Gesellschaft in Beziehung stehen mußte91. Nevada geht dagegen für die close corporation von einem generellen Übertragungsverbot der Anteile aus, wenn auch mit Ausnahmen. Ein solches würde nach dem common law als unwirksam angesehen werden92.

b) Definition, die an nur ein Merkmal anknüpft Nachdem die Delaware-Definition als vielschichtige Definition vorgestellt wurde, folgen nun die Staaten, die sich dazu entschlossen haben, neben einer close corporation-Klausel die Erfüllung lediglich eines der drei materiellen Kriterien zu fordern, damit sich eine Gesellschaft als eine close corporation qualifiziert. Als Beispiele dienen hier Kalifornien93, das nur eine Beschränkung der Anzahl der Anteilseigner vorsieht [unter aa)], Illinois94, das die Beschränkung der Übertragbarkeit der Anteile fordert [unter bb)], und Pennsylvania95, in dem die Gesellschaft keine Anteile in einer ein public offering darstellenden Weise anbieten darf [unter cc)].

____________ (1886), etwa auch noch in Rafe v. Hindin, 29 A.D.2d 481; 288 N.Y.S.2d 662 (1968). Weitere Entscheidungen bei Henn / Alexander, S. 759 Fußn. 15. 91 Vgl. dazu etwa nur die Bemerkung des Court of Appeals von Texas in Dixie Pipe Sales, Inc. v. Perry, 834 S.W.2d 491 (1992) zum Zusammenhang zwischen Gesellschaftszweck und Billigkeit der Übertragungsbeschränkung: „The reasonableness of such a restriction is ordinarily to be determined by applying the test of whether the provision is sufficiently necessary to the particular corporate enterprise to justify overruling the usual policy of the law in opposition to restraints on the alienability of personal property“. 92 Vgl. nur Justice Hodges in Renberg v. Zarrow, 667 P.2d 465, 469 (1983) hinsichtlich absoluter Übertragungsverbote. Aber auch die Entscheidung Padgett v. Babcock & Templeton, Inc, 59 Phillippine 232 (1933), zitiert nach 61 A.L.R. 2d 1318, 1322, bei der auf den Aktienzertifikaten das Wort nontransferable gedruckt war. Das Gericht kam hier zur Nichtigkeit dieses Ausschlusses der Übertragbarkeit. Im übrigen dazu auch Prindiville v. Johnson & Higgins, 113 A. 915, 919 (1921); Bloomingdale v. Bloomingdale 107 Misc. 646, 656; 177 N.Y.S. 873, 878 (1919); Hill v. Warner, Berman & Spitz, 197 N.J. Super. 152, 156; 484 A.2d 344, 351 (1984); Quinn v. Stuart Lakes Club, Inc, 57 N.Y.2d 1003; 443 N.E.2d 945; 457 N.Y.S.2d 471 (1982) und 65 A.L.R. 1159, 1163 (1930) und 61 A.L.R. 2d 1318, 1322 und 1337 (1958) mit zahlreichen weiteren Entscheidungen. 93 Cal. Corp. Code § 158 lit. a. 94 805 ILCS 5/2A-10 und 5/1.80. 95 Pa. Cons. Stat. § 2304.

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aa) Kalifornien Nach Cal. Corp. Code § 158 lit. a darf eine close corporation nicht mehr als 35 Anteilseigner haben, wobei die articles of incorporation auch eine geringere Zahl festsetzen können. Ebenso wie in Delaware ist diese Beschränkung eine wirkliche materielle Voraussetzung. Sie ist nicht nur zum Zeitpunkt der Wahl des Status ausschlaggebend, sondern beeinflußt auch das Bestehen der close corporation als solche. Konsequenterweise ist die Folge der Überschreitung der Anzahl der Anteilseigner, das Entfallen des Status96. Ein gewisser Schutz gegen ein unfreiwilliges Überschreiten der Anzahl der Anteilseigner bietet § 418 lit. d. Jede freiwillige Übertragung eines Anteils unter Lebenden ist nichtig, wenn sie zur Folge hätte, daß die Höchstzahl der Anteilseigner überschritten werden würde. Zum Schutz desjenigen, der ein Anteil erwerben will, muß nach § 418 lit. c die Urkunde jedes Anteils einen speziellen Vermerk97 enthalten, die Auskunft über die Höchstzahl der Anteilseigner und über die Folgen beim Überschreiten dieser Anzahl gibt.

bb) Illinois Auch das Illinois Business Corporation Act fordert nur die Erfüllung eines materiellen Kriteriums. Gemäß § 180 lit. s und § 2A.10 dieses Gesetzes muß jeder Geschäftsanteil einer close corporation einer der in § 6.55 genannten Übertragungsbeschränkungen unterliegen. Auch diese Vorschrift steht im Abschnitt des allgemeine Business Corporation Acts und gilt daher für jegliche Übertragungsbeschränkungen, unabhängig davon, ob es sich bei der Gesellschaft um eine close corporation handelt oder nicht. Die Vorschrift wiederholt den Wortlaut des Del. Code Ann. tit. 8, § 202. Sie zählt ebenfalls in lit. c vier Typen von Übertragungsbeschränkungen auf, die durch diesen Paragraphen explizit erlaubt werden. In lit. e werden darüber hinaus alle Beschränkungen gebilligt, die einem vernünftigen Zweck entsprechen. Lit. d legt dabei fest, daß ein solcher Zweck, immer gegeben ist, wenn die Übertragungsbeschränkung einen steuerlichen Hintergrund hat und etwa dazu dienen soll, den Status als s corporation zu bewahren.

____________ 96

Vgl. Cal. Corp. Code § 158 lit. e. „This corporation is a close corporation. The number of holders of record of its shares of all classes cannot exceed (a number not in excess of 35). Any attempted voluntary inter vivos transfer which would violate this requirement is void. Refer to the articles, bylaws and any agreements on file with the secretary of the corporation for further restrictions“. 97

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cc) Pennsylvania Einen ähnlichen Ansatz wie die beiden zuvor genannten Staaten wählt schließlich Pennsylvania. Nach Pa. Cons. Stat. §§ 2303 Nr. 2, 2304 lit. a darf eine statutory close corporation98 kein public offering ihrer Anteile im Sinne des Securities Act 1933 machen. Ein non-public offering liegt dann vor, wenn entweder das Angebot die Voraussetzungen der Rule 506 der Regulation D erfüllt oder die des § 4 Nr. 2 Sec. Act. Dies ist dann gegeben, wenn anhand mehrerer Anhaltspunkte eindeutig ist, daß die Anleger des Schutzes des Securities Act 1933 nicht bedürfen. Davon ist insbesondere dann ausgehen, wenn aufgrund sonstiger Umstände, vor allem ihrer persönlichen Stellung zur Gesellschaft, ein ausreichender Informationszugang gewährleistet ist. Eine bestimmte Höchstzahl von Anteilseignern wird für die Wahl der statutory close corporation vom Gesetz nicht gefordert. Die Gesellschafter können jedoch in ihre articles of incorporation eine solche zahlenmäßige Beschränkung aufnehmen99. Außerdem sieht das Gesetz in § 2322 lit. a vor, daß die Übertragbarkeit von Anteilen einer close corporation ausgeschlossen ist. Ausnahmen enthält lit. b. Diese Regelung gilt jedoch nur, wenn die Gesellschafter in den by-laws nichts Abweichendes bestimmt haben. Diese Beschränkung der Übertragbarkeit ist aber hier keine Voraussetzung für die Wahl des Status, sondern eine Folge. Deshalb wurde Pennsylvania in dieser Arbeit auch unter die Staaten mit nur einem Merkmal eingeordnet.

c) Definition, die zwei Merkmale kombiniert Zuletzt sollen noch zwei Staaten vorgestellt werden, die im Hinblick auf die Wahl materieller Kriterien im gemischt formell-materiellen Ansatz zwischen den bisher erwähnten Staaten stehen. Sowohl Alabama100 als auch Vermont101 fordern von den Gesellschaften, die den besonderen Status der close corporation wählen wollen, neben der close corporation-Klausel in den articles of incorporation, die Erfüllung zweier materieller Kriterien. ____________ 98

Diesen Begriff verwendet das Gesetz seit 1980 an Stelle von close corporation. Dadurch sollte eine bessere Unterscheidbarkeit zwischen Gesellschaften erreicht werden, die diesen Status wählen, und solche, die lediglich als closely held corporation gelten (dazu unten). Vgl. Clark, 32 Wake Forest L. Rev. 149 (1997) Fußn. 11, außerdem Official Comment zu Pa. Cons. Stat. § 1103. 99 Pa. Cons. Stat. § 2304 lit. b Nr. 1. 100 Ala. Code § 10-2A-301. 101 Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 20.02.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

aa) Alabama Alabama orientiert sich nach Aussage des offiziellen Kommentars (official comment) an Del. Code Ann. tit. 8, § 342102. Tatsächlich entspricht der Wortlaut des Ala. Code. § 10-2A-301 in weiten Teilen dieser Vorschrift. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied. Alabama hat in seine Definition nicht die Beschränkung aufgenommen, daß die Anteile der Gesellschaft nicht in einem public offering angeboten werden dürfen. § 10-2A-301 des Codes von Alabama stellt zwei materielle Anforderungen an Gesellschaften, die eine statutory close corporation werden wollen: Nach lit. c dürfen die Anteile der Gesellschaft von höchstens 30 Gesellschaftern gehalten werden. § 10-2A-301 lit. a Nr. 2 bestimmt, daß alle Geschäftsanteile einer oder mehreren Übertragungsbeschränkungen unterliegen müssen. Die maßgebliche Vorschrift für die Zulässigkeit solcher Übertragungsbeschränkungen im allgemeinen war zunächst Ala. Code § 10-2A-41. Diese wurde abgelöst durch Ala. Code § 10-2B-6.27, der seit 1. Januar 1997 in der neuen Fassung gilt. Diese Vorschrift hat zwar ihren Ursprung in Del. Code Ann. tit. 8, § 202103, übernimmt diesen aber nicht wörtlich. Lit. a des Ala. Code § 10-2B-6.27 gestattet grundsätzlich, daß durch die articles of incorporation, die by-laws oder shareholders’ agreements Übertragungsbeschränkungen vereinbart werden dürfen. Lit. b legt dabei fest, daß eine solche Beschränkung gegenüber einem Erwerber nur im Fall der positiven Kenntnis durchgesetzt werden kann. In lit. c finden sich Beispiele für welche Zwecke eine solche Maßnahme getroffen werden darf. Nr. 1 nennt die Wahrung eines bestimmten Status, wenn dieser abhängig von der Anzahl der Gesellschafter ist. Dies trifft typischerweise auf die close corporation zu, aber auch auf Gesellschaften, die steuerrechtlich als sog. s corporation behandelt werden. Nr. 2 gibt als weiteren typischen Fall das Erfüllen einer Ausnahmevorschrift unter dem securities law des Bundes oder eines Einzelstaates an. In Nr. 3 schließlich findet sich eine Generalklausel, die eine solche Beschränkung für jeden anderen vernünftigen Grund („for any other reasonable purpose“) autorisiert. Lit. d, der hier von besonderem Interesse ist, zählt zudem die Arten typischer Übertragungsbeschränkungen auf. Diese sind nach dem Recht Alabamas: (1) die Verpflichtung die Anteile zunächst der Gesellschaft und/ oder den anderen Gesellschaftern zum Verkauf anzubieten104, (2) die Verpflichtung, der Gesell____________ 102

Auch Folk weist in seinem General Comment to Subchapter XIV, S. 404 auf den Einfluß Delawares auf die Gesetzgebung Alabamas hin. 103 Official Comment zu Ala Code § 10-2B-6.27. 104 Also je nach Ausgestaltung right of first refusal oder first option, worauf bereits im Zusammenhang mit Delaware eingegangen wurde.

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schaft oder anderer Personen, Anteile zu erwerben, (3) das Erfordernis zu einer Übertragung, die Zustimmung der Gesellschaft oder anderer Personen zu bedürfen105, (4) das Verbot, die Anteile an bestimmte Personen zu übertragen und schließlich (5) das Recht der Gesellschaft eine Übertragung zurückzuweisen.

bb) Vermont Auch Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 20.02 fordert von jeder Gesellschaft neben dem formalen Element der close corporation-Klausel, daß zwei materielle Elemente erfüllt werden. Nach Abs. 3 der Vorschrift darf die Gesellschaft höchstens 35 Anteilseigner haben106. Abs. 6 legt fest, daß die Gesellschaft mit keinem ihrer Anteile ein public offering durchführen darf. Der Begriff des public offering ist wiederum im Sinne des Securities Act 1933 gemeint und wird nach den unten107 genauer dargelegten Kriterien bestimmt. Übertragungsbeschränkungen sind in Vermont nicht erforderlich, um den Status der close corporation zu erlangen. Es ist jedoch auch hier anerkannt, daß solche Beschränkungen als möglicher Inhalt insbesondere der articles of incorporation in Betracht kommen. Dies ergibt sich insbesondere aus Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 20.05 lit. b (additional articles of incorporation). In einem solchen Fall muß die Beschränkung nach Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 20.02. Abs. 5 auf den Anteilen vermerkt sein. Zusätzlich muß gewährleistet sein, daß die Anteilseigner auf Anfrage und ohne zusätzliche Kosten genauere Informationen darüber erhalten.

3. Materieller Ansatz Neben den beiden zuvor erörterten Ansätzen, gibt es für die Definition der close corporation schließlich einen rein materiellen Ansatz. Danach wird jede Gesellschaft als close corporation behandelt, die bestimmte materielle Kriterien erfüllt. Es wird nicht danach gefragt, ob die Gesellschafter diesen Status anstreben. Folglich ist auch keine close corporation-Klausel in den articles of incorporation erforderlich. ____________ 105

Sog. approval-of-transfer bzw. consent restrain. Bezüglich der Anzahl der Anteilseigner regelt Vt. Stat. Ann. tit. 11A, § 1.42, in welcher Art und Weise diese Anzahl bestimmt wird. 107 Vgl. dazu unter § 8 C. 1. a) aa). 106

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Die Sonderbehandlung einer Gesellschaft, die bestimmte materielle Kriterien erfüllt, gibt es in zweierlei Spielarten: Zum einen finden sich amerikanische Einzelstaaten, die sich dafür entschieden haben, für ihre Definition einer close corporation diesem Ansatz zu folgen. Eine weitaus größere Bedeutung hat dieser Ansatz jedoch im Bereich des common laws. Sobald die Gerichte das Bedürfnis einer besonderen Behandlung personenbezogener Gesellschaften anerkannt hatten, mußten sie auch entscheiden, unter welchen Voraussetzungen taein solcher Sonderstatus vorliegt bzw. gewährt werden kann. In der Folge entwickelten sich mehrere Definitionsansätze für die close corporation im common law. Gerade zu Beginn dieser Entwicklung wurde der Begriff close corporation noch nicht als terminus technicus verwendet. Natürlich hatten die Gesellschaften keine entsprechende Klausel in ihren articles of incorporation aufgenommen, die etwas über den Status der Gesellschaft aussagte. Daher stellte die Rechtsprechung ebenfalls nur materielle Kriterien auf, die dazu dienten, eine close corporation von einer klassischen publicly held corporation abzugrenzen und eine Rechtfertigung für gesonderte Regelungen zu bieten. Folglich kann man sagen, daß auch die common law-Definition der close corporation dem materiellen Ansatz folgt. Ebenso wie beim „gemischt formell-materiellen“ Ansatz stellt sich sowohl bei einer Definition in einem statute wie auch für die Gerichte die Frage, welche Kriterien für einen Sonderstatus ausschlaggebend sein sollen. Innerhalb der statutes gibt es zwei Staaten, die eine rein materielle Definition haben. Dies ist einerseits Maine (unter 1.) und andererseits Pennsylvania (unter 2.). Beide Staaten fordern jeweils als einziges Kriterium das Nichtüberschreiten einer bestimmten Anzahl von Anteilseignern. Auf die Definition im common law wird im darauffolgenden Abschnitt eingegangen werden (unter II.).

a) Maine Einem rein materiellen Ansatz folgt Maine108. Hier gilt jede Gesellschaft als close corporation, die weniger als 20 Anteilseigner hat. An diesen Status sind besondere Rechte geknüpft, die einer solchen Gesellschaft zugestanden werden. Am wichtigsten ist hier sicher zum einen, daß die Gesellschaft nach § 701 auf den board of directors als Verwaltungsorgan verzichten kann und statt dessen durch die Gesellschafter selbst geleitet werden kann. Außerdem können zum anderen die articles of incorporation das Recht jedes Gesellschafters zur Auflösung der Gesellschaft vorsehen (dissolution)109. Zumindest gilt für diese ____________ 108 109

Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 102 Abs. 5. Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 1114.

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beiden wesentlichen Rechte, daß zwar der Status als close corporation selbst nicht von der Wahl der Anteilseigner abhängt, aber die Frage, wem die Leitung der Gesellschaft obliegt oder ob jedem Gesellschafter ein Auflösungsrecht zusteht, insoweit zur Disposition der Gesellschafter steht, als beide Male eine entsprechende Klausel in den articles of incorporation vorausgesetzt wird. Maine stellt damit die Möglichkeit einer solchen Gestaltung jeder Gesellschaft zur Verfügung, die weniger als 20 Gesellschafter hat. Man kann also nicht sagen, daß eine Gesellschaft tatsächlich gegen ihren Willen als close corporation behandelt wird – ein Vorwurf, der sonst durchaus gegen einen rein materiellen Definitionsansatz erhoben werden könnte. Andere eher technische Regelungen sind, vor allem die Einhaltung kürzerer Fristen bei der Einladung zu einem shareholders’ meeting110, die Registrierung der teilnahmeberechtigten Gesellschafter111 und geringere Anforderungen bei der Auflistung der beim shareholders’ meeting stimmberechtigten Gesellschafter112. Diese gelten jedoch in der Tat für alle Gesellschaften, welche die Definition der close corporation objektiv erfüllen, ohne daß die Gesellschafter darauf Einfluß hätten. Auch hier wird man aber schwerlich davon sprechen können, daß den Gesellschaften Regeln aufgezwungen werden, die sie nicht haben wollen. Die Vorschriften stellen eher Erleichterungen für personalistische Gesellschaften dar.

b) Pennsylvania Zuletzt ist die Regelung Pennsylvanias zu nennen, die aufgrund ihrer Ausgestaltung besonders interessant ist. Zunächst kennt dieser Staat, wie oben beschrieben, eine statutory close corporation. Dies ist eine Gesellschaft, die ihre Anteile nicht in einer Art und Weise anbietet, die ein public offering darstellt und die eine entsprechende Klausel in ihre articles of incorporation aufgenommen hat113. Daneben führt aber Pa. Cons. Stat. § 1103 den Begriff der closely held corporation ein. Darunter fallen alle Gesellschaften, die entweder eine statutory close corporation im Sinne des Gesetzes sind oder solche Gesellschaften, die weniger als 30 Anteilseigner haben. Diesen Status hat eine Gesellschaft, unabhängig von einer eigenen Entscheidung nur bei Erfüllung der

____________ 110 111 112 113

Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 604 Abs. 1 B. Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 606 Abs. 1 B. Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 607 Abs. 1. Pa. Cons. Stat. § 2303 Nr. 1 i.V.m. § 2304 lit. a.

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materiellen Voraussetzung114. Das Gesetz kennt somit zum einen besondere Vorschriften für eine statutory close corporation, die im Abschnitt 23 des Gesetzes zusammengefaßt sind. Zum anderen gibt es aber auch einige Sonderregeln für alle closely held corporation115. Pennsylvania verfolgt somit einen zweifachen Ansatz. Einerseits gehört es zu den Staaten, die dem formell-materiellen Ansatz folgen, um eine statutory close corporation zu definieren. Andererseits gilt der rein materielle Ansatz um eine Version der closely held corporation zu beschreiben. Closely held corporation stellt in diesem Gesetz einen Oberbegriff dar.

II. Common law-Definition der close corporation Schon bevor in den statutes Definitionen der close corporation aufgenommen wurden, wurden solche von den Gerichten entwickelt, sobald diese das Bedürfnis gesonderter Regelungen für einen bestimmten Typ kleinerer Gesellschaften anerkannt hatten. Diese Definitionen wurden in Situationen entwickelt, in denen die Gesellschafter besondere Regeln für ihre Gesellschaft statutieren wollten, die indes häufig mit dem bis dahin geltenden allgemeinen Gesellschaftsrecht in einem Spannungsverhältnis standen. Die Gerichte mußten somit entscheiden, ob den Gesellschaften aus bestimmten materiellen Gründen eine Sonderbehandlung zuteil werden konnte. Da die jeweiligen Definitionen aus dem Fallrecht folgen, ergibt sich daraus, daß hier, unabhängig von der jeweiligen Jurisdiktion, für die Einordnung als close corporation nur die Erfüllung materieller Kriterien gefordert wird, also der rein materielle Definitionsansatz verwirklicht ist. Ebenso wie in den statutes werden von den Gerichten für diese Definition vor allem drei Kriterien verwendet, die sich zum Teil unwesentlich von denen der statutes unterscheiden. Als erstes Merkmal fordern die Gerichte eine kleine Anzahl von Anteilseignern. Dies ähnelt der Festlegung einer bestimmten Höchstzahl von Anteilseignern, wie sie sich in den statutes findet. Diese „kleine Anzahl“ wurde von den Gerichten jedoch nicht zahlenmäßig bestimmt. Vielmehr wird im Einzelfall abgewogen, ob die Anzahl der Gesellschafter noch hinreichend überschaubar ist. Das zweite Merkmal ist verwandt, mit der Forderung der statutes, daß die Anteile keinem public offering unterliegen dürfen. Die Gerichte fordern hier, daß es für die Anteile keinen Markt gibt, bzw. ____________ 114

Vgl. Nursing Home Consultants v. Quantum Health Services, 926 F. Supp. 835, 838 (1996). 115 Pa. Cons. Stat. §§ 1521 lit. b Nr. 1 ii, 1702 lit. b, 1767 lit. a Nr. 2, 1901 lit. b.

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daß diese nur selten gekauft oder verkauft werden. Das dritte Kriterium, das von den Gerichten aufgestellt wird, ist eine Identität von Eigentümerstellung und Management. Dafür gibt es keine Entsprechung in den statutes. Jedoch wird eine solche Identität eng mit der kleinen Anzahl von Gesellschaftern und dem Fehlen eines Marktes für die Gesellschaftsanteile zusammenhängen. Solche Gesellschaften werden häufig auch eher wie Personengesellschaften organisiert sein, was mit einer Selbstorganschaft an Stelle der für die Kapitalgesellschaft üblichen Fremdorganschaft einhergehen wird. In den Entscheidungen der Gerichte können drei große Linien für die Definitionen unterschieden werden116, die durch die Entscheidungen Galler v. Galler117 (unter 1.), Thisted v. Tower Management Corp.118 (unter 2.) und Donahue v. Rodd Electrotype Co.119 (unter 3.) und ihre Folgeentscheidungen repräsentiert werden. Anzumerken ist hier vorab, daß die Gerichte zumeist die Begriffe close corporation und closely held corporation nebeneinander gebrauchen, ohne daß damit Bedeutungsunterschiede verbunden sind.

1. Galler v. Galler a) Entscheidung Der Ausgangsfall für eine weit verbreitete Definition der close corporation ist der Fall Galler v. Galler120 aus dem Jahre 1964, der oben (unter A. I.) bereits angesprochen wurde. Der Illinois Supreme Court definiert hier121 eine close corporation als Gesellschaft, deren Anteile (1) nur in wenigen Händen oder von wenigen Familien gehalten werden („the stock is held in a few hands, or in a few families“) und (2) die gar nicht oder jedenfalls nur selten gehandelt werden („wherein it is not at all, or only rarely, dealt in by buying or selling“). Hierbei ____________ 116 Anzumerken ist hier, daß die Gerichte diese teilweise nicht wirklich als unterschiedliche Definitionsansätze verstehen. So zitiert der Washington Court of Appeal in der Entscheidung Rogers Walla Walla, Inc. v. Ballard, 553 P.2d 1372 (1976) auf S. 1378 in der Fußnote 9 für die Definition der close corporation sowohl die Entscheidung Brooks v. Willcuts als auch die Entscheidung Donahue v. Rodd Electrotype Co., obwohl beide Entscheidungen bei genauerer Betrachtung nicht exakt die gleichen Kriterien fordern. Allerdings spricht auch die Entscheidung Donahue v. Rodd Electrotype Co. 367 Mass. 578, 586; 328 N.E.2d 505, 511 (1975) von drei unterschiedlichen Ansätzen; davon lassen sich die folgenden Ausführungen leiten. 117 32 Ill. 2d 16; 203 N.E.2d 577 (1964). 118 147 Mont. 1; 409 P.2d 813 (1966). 119 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505 (1975). 120 32 Ill. 2d 16; 203 N.E.2d 577 (1964). 121 Auf S. 27 bzw. 583.

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stützte sich das Gericht auf die Entscheidung Brooks v. Willcuts122, eine Entscheidung des United States Court of Appeals, 8th Circuit aus dem Jahre 1935. Dort ging es um die Bewertung von Geschäftsanteilen aus steuerlichen Gründen im Zusammenhang mit einer regulation, also einer Richtlinie, die das Treasury Departement erlassen hat, zur Bewertung von Eigentum im Rahmen des § 302 Revenue Act von 1926. Eine dieser Richtlinien enthielt eine Spezialvorschrift für die Anteile einer close corporation. Der United States Court of Appeals legte dabei den Begriff in der eben erwähnten Weise aus. Der Entscheidung des Illinois Supreme Court lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gesellschaft „Galler Drug Company“ gehörte ursprünglich den Brüdern Benjamin und Isadore Galler. Nach dem Tod Benjamins trat an dessen Stelle seine Ehefrau Emma Galler. Die Anteile wurden also nur von einer geringen Anzahl von Personen gehalten, die noch dazu miteinander verwandt bzw. verschwägert waren. Die Gesellschaft wurde von 1919 bis 1924 von den Brüdern als partnership geführt. 1924 wurde sie unter dem Illinois Corporation Act inkorporiert. In der gesamten Zeit von 1924 bis zur Einreichung der Klage, wurden nur ein einziges Mal zwölf Geschäftsanteile an einen Angestellten übertragen. Dieser mußte sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückübertragen. Die beiden schon in der Entscheidung Brooks v. Willcuts aufgestellten Kriterien waren hier somit eindeutig erfüllt, so daß das Gericht in Galler v. Galler keine weiteren Anhaltspunkte für die Auslegung der beiden Kriterien gab. In einer späteren Entscheidung Amsted Indus. Inc. v. Pollak Industries123 ergänzte der Appellate Court von Illinois das Erfordernis der geringen Anzahl von Gesellschaftern. Er entschied, daß selbst ein einziger Gesellschafter für eine close corporation ausreicht, es also keine Mindestanzahl von Gesellschaftern gibt („There is no specified or required minimum number of stockholders for a valid corporate existence and corporation with a single shareholder have received judicial sanction“124.) Jedoch findet sich auch hier kein Anhaltspunkt für eine Höchstzahl von Gesellschaftern bei deren Überschreiten nicht mehr von einer close corporation ausgegangen werden kann. Bemerkenswert ist, daß der Appellate Court von Illinois hier auch die dritte Voraussetzung anspricht, die später in Donahue v. Rodd Electrotype Co125 für eine close corporation gefordert wird, die Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung. Hier wird sie aber vom Appellate Court of Illinois nicht als Vor____________ 122 123 124 125

78 F.2d 270 (1935). 65 Ill. App. 3d 545; 382 N.E.2d 393 (1978). 65 Ill. App. 3d 545; 382 N.E.2d 393, 396 (1978). 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505 (1975).

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aussetzung für eine close corporation verstanden, sondern als Beschreibung der Geschäftsrealität. („This is a recognition of the basic business reality, previously approved by the Illinois Supreme Court (See Galler), that in a close corporation stock ownership and management control often are found in the same person“126.) Gerade in Illinois hat diese – erstmals in Galler v. Galler verwendete – Definition, in einer ganzen Reihe von Entscheidungen127 Gefolgschaft gefunden. Sie wurde als die common law-Definition128 für die close corporation innerhalb dieser Jurisdiktion bezeichnet. Auch Gerichte anderer Jurisdiktionen haben sie übernommen129.

b) Folgeentscheidungen Einen ähnlichen Definitionsansatz wie in Galler v. Galler wählte etwa der Supreme Court von Indiana in der Entscheidung Barth v. Barth130. Unter einer close corporation (wobei er von closely held corporation spricht) versteht er eine Gesellschaft, die relativ wenige Gesellschafter hat („relatively few shareholder“) und deren Anteile generell nicht am Wertpapiermarkt gehandelt werden („whose shares are not generally in the securities market“) . Diese Definition weicht zwar in der Formulierung von der in Galler v. Galler verwendeten ab. Tatsächliche inhaltliche Differenzen dürften aber nicht vorliegen. Auf die Nähe der Kriterien „kein Handel im organisierten Wertpapiermarkt“ und dem „Fehlen“ überhaupt jedes Handels wurde bereits hingewiesen. ____________ 126

65 Ill. App. 3d 545; 382 N.E.2d 393, 397 (1978). Wasserman v. Rosengarden, 86 Ill. App. 3d 713, 716; 406 N.E.2d 131, 134 (1980); Jaffe Commericial Finance Co. v. Harris 456 N.E.2d 224, 231; 119 Ill. App. 3d 136 (1983); Hagshenas v. Gaylord, 199 Ill. App. 3d 60, 69; 557 N.E.2d 316, 322 (1990); Grandon v. Amcore Trust Company, 225 Ill. App. 3d 630, 632; 588 N.E.2d 311, 313, (1992); In re Dearborn Process Service, Inc. 149 B.R. 872 (1993); Dowell v. Bitner, 273 Ill. App. 3d 681, 690; 652 N.E.2d 1372, 1378 (1995). 128 So in Grandon v. Amcore Trust Company, 225 Ill. App. 3d 630, 632; 588 N.E.2d 311, 313, (1992), Dowell v. Bitner, 273 Ill. App. 3d 681, 690; 652 N.E.2d 1372, 1378 (1995). 129 Vgl. nur Superior Court of New Jersey in Lavene v. Lavene, 162 N.J. Super. 187, 192; 392 A.2d 621, 623 (1978) und der Superior Court of Appeals of West Virginia in Masinter v. Webco Company, 164 W. Va. 241, 242; 262 S.E.2d 433, 435 (1980) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Galler v. Galler. 130 659 N.E.2d 559, 561 (1995). Ebenso zuvor W & W Equipment Co., Inv. v. Mink, 568 N.E.2d 564, 571 (1991) und Principles of Corporate Governance, § 1.06. Im District of Columbia verwendet der Court of Appeal in der Entscheidung Egan v. McNamara 467 A.2d 733, 738 (1983) dieselbe Definition. 127

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Den gleichen Ausgangspunkt nimmt schließlich auch der Supreme Court von Ohio und der Courts of Appeals von Ohio in einer Reihe von Entscheidungen131. Hier wird unter einer close corporation eine Gesellschaft verstanden, welche die beiden oben genannten Charakteristika erfüllt. Zusätzlich wird anerkannt, daß bei solchen Gesellschaften häufig zudem eine Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung besteht. In Estate of Schroer v. Stamco Supply, Inc. führt der Court of Appeals of Ohio, Hamilton County hierzu aus: „A close corporation is characterized, perhaps always, by at least two indicia: first, a relatively small number of shareholders as compared to a publicly held corporation, and, second, one whose shares are not traded on a national securities exchange or regularly quoted on an over-the-counter market, and are only rarely bought and sold. In addition to these universals, it is frequently characterized by an identity of management and ownership“132. Auch an Hand der Entscheidung Crosby v. Beam des Supreme Court von Ohio133 wird deutlich, daß die Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung nicht als Voraussetzung für eine close corporation begriffen wird, da hier dieses Merkmal überhaupt nicht erwähnt wird.

2. Thisted v. Tower Management Corp. a) Entscheidung Das Merkmal der Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung, das in Galler v. Galler und den Folgeentscheidungen als Beschreibung der Wirklichkeit genannt wurde, ohne für die Definition der close corporation maßgeblich zu sein, wird vom Supreme Court von Montana als einziges Definitionsmerkmal verwendet134. ____________ 131 Estate of Schroer v. Stamco Supply, Inc., 19 Ohio App. 3d 34; 482 N.E.2d 975 (1984); Crosby v. Beam, 47 Ohio St. 3d 105;, 548 N.E.2d 217 (1989) und Gigax v. Repka, 83 Ohio App. 3d 615; 615 N.E.2d 644 (1992). 132 19 Ohio App. 3d 34; 482 N.E.2d 975, 978 (1984). Dem folgend Gigax v. Repka, 83 Ohio App. 3d 615; 615 N.E.2d 644, 648 (1992). 133 47 Ohio St. 3d 105; 548 N.E.2d 217, 220 (1989), wobei interessant ist, daß der Supreme Court of Ohio trotz der anderen Gewichtung in der Definition gleichwohl für die Frage der Treuepflichten die Ansichten des Supreme Judicial Court of Massachusetts in Donahue v. Rodd Electrotype Co. übernimmt. 134 Zuvor bereits ähnlich United States Court of Appeals, District of Columbia in Helms v. Duckworth, 249 F.2d 482; 101 U.S.App. D.C. 390 (1957) auf S. 485 bzw. S. 393 und Court of Appeals of New York in Kruger v. Gerth, 16 N.Y.2d 802; 210 N.E.2d 355; 263 N.Y.S.2d 1 (1965) auf S. 806 bzw. S. 357 und S. 4. Beide Entscheidungen folgen Israels, der die Nähe der close corporation zur Partnership für

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In der Entscheidung Thisted v. Tower Management Corp.135 hatte das Gericht im wesentlichen über eine Pattsituation (deadlock) bei der Wahl eines directors zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hatten zahlreiche Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft dazu geführt, daß bei einem meeting of shareholders jeder der Kandidaten für den Posten des directors dieselbe Anzahl von Stimmen auf sich vereinigen konnte. Das Gericht spricht drei mögliche Lösungen für das Problem an: Zunächst könnten die beiden verbliebenen directors bis zu einer erneuten Wahl im Amt bleiben und die Geschäfte führen. Jedoch stellt das Gericht in diesem Zusammenhang fest, daß sich einer der beiden fortwährend der Verletzung seiner Treuepflichten schuldig gemacht hätte. Im konkreten Fall käme daher nur die Auflösung der Gesellschaft (dissolution) einerseits oder die Anordnung der Führung der Geschäfte, im Rahmen einer vom Gericht bestimmten „Zwangsverwaltung“ (sog. receivership) andererseits in Frage. Das Gericht entschied sich für die letzte Lösung. Dabei begründet es diesen ungewöhnlichen Weg mit der Tatsache, daß es sich bei der vorliegenden Gesellschaft um eine close corporation handele. In einer solchen Gesellschaft sei die Gefahr für jeden der Gesellschafter bei einem Mißbrauch der Stellung als director besonders gravierend, da jeder der Gesellschafter viel eher als in einer Publikumsgesellschaft berechtigte Befürchtungen hegt, der andere könnte die ausbalancierten Machtverhältnisse stören. Das Gericht definiert hier eine close corporation als eine Gesellschaft, in der eine Identität von Verwaltung und Eigentümerstellung vorliegt. („It is to be noted that a close corporation is one in which management and ownership are substantially identical“136.) Eine solche Definition lag im vorliegenden Fall nahe, weil der Auslöser der Schwierigkeiten gerade in der nahen Verknüpfung von Verwaltung und Anteilseignern einerseits und dem großen Interesse der letzteren am Einfluß auf die Verwaltungsentscheidungen andererseits lag.

b) Folgeentscheidungen Auch in der Folgezeit wurde diese Definition vom Supreme Court of Montana in einer Reihe anderer Fälle137 herangezogen, ebenso wie von Gerichten ____________ ausschlaggebend hält. Dies manifestiert sich seiner Ansicht nach v.a. in der genannten Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung. Vgl. Israels, 33 Cornell LQ 488 (1948) und 19 U. Chi. L. Rev. 778 (1952). 135 147 Mont. 1; 409 P.2d 813 (1966). 136 147 Mont. 1; 409 P.2d 813, 820 (1966). 137 Vgl. neben Gray v. Harris Land and Cattle Co. statt vieler nur Skierka v. Skierka Brothers, Inc. 192 Mont. 505; 629 P.2d 214 (1981).

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3. Teil: Amerikanisches Recht

anderer Jurisdiktionen138. Dabei ging es hier jedoch um andere gesellschaftsrechtliche Probleme, die nicht so eng mit dem Management der Gesellschaft verknüpft waren. Als Beispiel sei hier die Entscheidung Gray v. Harris Land and Cattle Co.139 genannt. Hier hatte der Supreme Court of Montana über die Wirksamkeit von Übertragungsbeschränkungen zu entscheiden. Die Anteilseigner waren in ein sog. buy-sell agreement eingetreten, in dem zum einen vereinbart war, daß eine Übertragung von Geschäftsanteilen nur mit Zustimmung der anderen Gesellschafter und der Gesellschaft selbst zulässig sei. Zum anderen wurde zunächst der Gesellschaft, dann den Gesellschaftern ein Vorkaufsrecht eingeräumt, eine sog. first option. Die Gesellschafter gerieten im Zusammenhang mit einem Verkaufsfall in Streit über die Bestimmung des maßgeblichen Verkaufspreises für die Anteile. Das Gericht erster Instanz wies den Antrag des verkaufswilligen Anteilseigners auf Berufung einer unabhängigen Person zur Festlegung des Preises zurück. Dieser machte daraufhin vor dem Supreme Court geltend, daß die gesamte Beschränkung der Übertragbarkeit der Geschäftsanteile unwirksam sei, da sie eine Beschränkung seines Eigentumsrechts darstelle, die nicht durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt sei. Der Supreme Court wies diesen Einwand zurück. Maßgeblich war hier für die Entscheidung, daß es sich bei der Gesellschaft um eine close corporation handelte. In dieser würden für die Frage, wann ein vernünftiger Grund für Übertragungsbeschränkungen vorliege, andere Maßstäbe gelten als in einer nicht personengeprägten Gesellschaft. Für die Definition berief sich das Gericht auf die oben zitierte Entscheidung Thisted v. Tower Management Corp. und beschrieb wiederum eine close corporation als eine Gesellschaft, bei der eine Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung vorliege140.

____________ 138 Superior Court of New Jersey in 68th Street Apts., Inc. v. Lauricella, 142 N.J. Super. 546; 362 A.2d 78 (1976) auf S. 557 bzw. S. 85 und dissenting opinion, Supreme Court of South Dakota in Case v. Murdock, 528 N.W.2d 386 (1995) auf S. 390 unter Bezugnahme auf Thisted v. Tower Management Corp. 139 227 Mont. 51; 737 P.2d 475 (1987). 140 227 Mont. 51; 737 P.2d 475, 476 (1987).

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3. Donahue v. Rodd Electrotype Co. a) Entscheidung Eine Entscheidung, die versucht die beiden bisher genannten Definitionsansätze zusammenzuführen, ist die weit beachtete Entscheidung des Supreme Judicial Court of Massachusetts Donahue v. Rodd Electrotype Co.141. In dieser Entscheidung ging es um die Klage der Minderheitsgesellschafterin Euphemia Donahue gegen die directors der Gesellschaft Rodd Electrotype Co. Die Klägerin warf den Beklagten vor, beim Kauf von Geschäftsanteilen eines früheren directors und Mehrheitsgesellschafters ihre Treuepflicht (fiduciary duty) verletzt zu haben. Im Hintergrund dieses Vorwurfs stand, daß der dem Mehrheitsgesellschafter gezahlte Preis für die Anteile äußerst attraktiv war und sich insbesondere die Gesellschaft geweigert hatte, die Anteile der Klägerin zu denselben Bedingungen zu erwerben. Diese machte deshalb geltend, daß der Kauf in Wahrheit eine gesetzwidrige Verteilung von Gesellschaftsvermögen an den kontrollierenden Gesellschafter darstellte. Das Gericht gab ihr Recht. Seine Entscheidung begründete es damit, daß gerade die close corporation eine sehr große Ähnlichkeit zu einer partnership aufweise. Daher würden hier besonders hohe Treuepflichten bestehen („Just as in a partnership, the relationship among the stockholders must be one of trust, confidence and absolute loyalty if the enterprise is to succeed“142.) Diese Pflichten wären im vorliegenden Fall verletzt worden. Der Mehrheitsgesellschafter, der neben den directors Beklagter war, wurde verurteilt, das erhaltene Geld zuzüglich Zinsen gegen Rückübertragung der Anteile zurückzuzahlen. Da das Gericht eine derartige Treuepflicht aus der besonderen Natur der close corporation ableitete und die Entscheidung auch ausdrücklich auf solche Gesellschaften beschränkte143, mußte es eine Definition der close corporation geben. Es beschrieb eine close corporation dabei wie folgt: „We deem a close corporation to the typified by: (1) a small number of stockholders; (2) no ready market for the corporate stock; and (3) substantial majority stockholder participation in the management, direction and operation of the corporation“144. Der Supreme Judicial Court of Massachusetts nimmt also alle drei in den an____________ 141

367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505 (1975). 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505, 512 (1975). 143 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505, 511 (1975): „However we limit the applicability of our holding to ‘close corporation’, as hereinafter defined. Whether the holding should apply to other corporations is left for decisions in another case, on proper record“. 144 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505, 511 (1975). 142

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3. Teil: Amerikanisches Recht

deren Entscheidungen angesprochenen Anforderungen zusammen und spricht nur dann von einer close corporation, wenn die Gesellschaft (1) eine nur geringe Anzahl von Gesellschaftern hat und (2) kein Markt für die Geschäftsanteile besteht, was beides schon der Illinois Supreme Court in Galler v. Galler als maßgeblich erachtete. Darüber hinaus muß sich die Gesellschaft aber (3) dadurch auszeichnen, daß die Gesellschafter selbst in ihrer Mehrheit in der Leitung und Verwaltung der Gesellschaft beteiligt sind.

b) Folgeentscheidung Auch diese Entscheidung wurde sowohl in der eigenen Jurisdiktion145, als auch in anderen Jurisdiktionen146 häufig rezipiert. Die darin statuierte Definition fand eine breite Anhängerschaft. Erwähnt werden soll hier als Beispiel eine weitere Entscheidung aus Massachusetts, nämlich Meriola v. Exergen Corporation147. Auch hier ging es um eine Verletzung von Treuepflichten. Der Beklagte verteidigte sich vor allem damit, daß er bestritt, daß es sich bei der Exergen Corporation um eine close corporation handele. Dies stütze er darauf, daß es zwei oder drei Gesellschafter in der Gesellschaft gegeben habe, die ihre Anteile verkauft hatten. Er folgerte aus diesem Verkauf, daß hier durchaus ein Markt für die Anteile bestehen würde. Der Appeals Court of Massachusetts hatte somit Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen, was unter „no ready market for corporation’s stock“ zu verstehen ist. Dabei führte er aus, daß entscheidend sei, daß die Anteile zum einen nicht an der Börse notiert bzw. nicht unter dem Securities Act 1933 registriert seien. Zum anderen bestünden im vorliegenden Fall für alle Anteile Übertragungsbeschränkungen. Auch diese hätten das Ziel, einen schnellen Absatz der Anteile zu verhindern. Diese Zielsetzung sei aber ausschlaggebend. Ready market in der Entscheidung Donahue v. Rodd Electrotype Co. bezöge sich nicht auf die Bereitschaft eines einzelnen Käufers die Anteile zu erwerben. Vielmehr sei entscheidend, daß für die Anteile kein Markt bestehe, in dem der Preis durch das Verhalten einer Vielzahl unabhängig voneinander handelnder ____________ 145

Statt vieler Hallahan v. Haltom Corp., 7 Mass. App. Ct. 68, 70; 385 N.E.2d 1033, 1034 (1979) und Scalan v. W.C. Canniff & Sons, Inc. 1996 WL 490170 (1996), S. 4. 146 Vgl. eine Entscheidung des United States Claims Court, Morowitz v. U.S., 15 Cl. Ct. 621, 624 (1988) unter Bezugnahme auf die Entscheidung Donahue v. Rodd Electrotype Co., 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505 (1975). Allerdings zitiert die Entscheidung auch Brooks v. Willcuts, in der die Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung nicht erwähnt ist. Ähnlich auch Supreme Court in New York in Ross v. Aloi, 127 Misc.2d 864, 865; 487 N.Y.S.2d 637, 638 (1985). 147 38 Mass. App. Ct. 462; 648 N.E.2d 1301 (1995).

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Käufer und Verkäufer bestimmt werde148. Im vorliegenden Fall nahm das Gericht deswegen das Vorliegen einer close corporation an149.

III. Verhältnis der common law-Definition zu den statutes Nachdem zunächst unter I. die Definitionen der close corporation in den statutes erläutert wurde und unter II. diejenigen, die im common law von den Gerichten herangezogen wurden, stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis beide zueinander stehen. Vorab ist festzuhalten, daß es jedenfalls in den Staaten, in den statutes keine besonderen Regeln bzw. keine Definition für eine close corporation aufgenommen haben, bei der common law-Definition bleibt. Zu einem Konflikt kommt es aber dann, wenn eine Gesellschaft, zwar nach dem common law eine close corporation wäre, sie aber die besonderen Voraussetzungen in dem jeweiligen statute nicht erfüllt. Am häufigsten fehlt es hier an der close corporation-Klausel in den articles of incorporation.

1. Vorrang der Statutes Die Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis beider Definitionen zueinander hängt primär davon ab, in welcher Beziehung die statutes insgesamt zum common law stehen. Im Grundsatz ist für den gesamten Bereich des common law zu sagen, also insbesondere für England und die USA, daß den statutes der Vorrang gegenüber den aus dem common law folgenden rechtlichen Regelungen zukommt. Für das hier interessierende Problem würde dies bedeuten, daß, soweit der Gesetzgeber besondere Anforderungen aufgestellt hat, Gesellschaften, die ein Sonderstatus anstreben, auch diese Anforderungen der statutes erfüllen müssen. Eine Gesellschaft könnte somit, wenn sie keine statutory close corporation ist, nicht unter Berufung auf das common law eine gesonderte Behandlung fordern. Ebenso haben eine Reihe von Gerichten entschieden, ____________ 148 „The ‘ready market’ … does not refer, as the defendant argue, to the alleged readiness of a single buyer … to buy the stock of stockholder desiring to sell his shares …; it refers to an active trading market for the stock of the corporation where the price is determined by the behavior of numerous buyers and sellers, each acting independently of the other.“ 38 Mass. App. Ct. 462; 648 N.E.2d 1301, 1303 (1995). 149 Dieser Einschätzung folgte auch Supreme Judicial Court of Massachusetts, der als nächste Instanz ein gutes Jahr später über den Fall zu entscheiden hatte. Meriola v. Exergen Corporation, 423 Mass. 461; 668 N.E.2d 351 (1996). Auf S. 353 führte das Gericht aus: „We agree with the judge’s conclusion that Exergen was a close corporation“.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

wobei hier im Mittelpunkt zwei Entscheidungen stehen sollen: Zum einen ist dies Sundberg v. Lampert Lumber Co.150, eine Entscheidung des Court of Appeals von Minnesota, zum anderen Nixon v. Blackwell151, die vom Supreme Court von Delaware entschieden wurde.

a) Sundberg v. Lampert Lumber Co. Die Entscheidung Sundberg v. Lampert Lumber Co. stammt aus dem Jahre 1986. Die Lampert Lumber Company war eine Gesellschaft, die 122 Anteilseigner hatte. Ihre Anteile wurden zu keinem Zeitpunkt für den öffentlichen Handel registriert und wurden auch auf keinem organisierten Wertpapiermarkt gehandelt. Dies bedeutete für die Gesellschafter, daß nur ein freihändiger Verkauf oder ein Verkauf an die Gesellschaft selbst in Betracht kam, wenn sie sich von ihren Anteilen trennen wollten. Ab den späten 50er Jahren hatte die Gesellschaft individuellen Gesellschaftern auf deren Verlangen ihre Anteile abgekauft. Im Jahre 1981 forderten nun die Kläger (zehn Minderheitsgesellschafter), daß die Lampert Lumber Company ihre Anteile aufkaufen solle. Der board of directors weigerte sich mit der Begründung, daß der Gesellschaft die finanziellen Mittel fehlen würden. 1983 forderten die Kläger erneut den Rückkauf, was vom Management wiederum abgewiesen wurde. Das Gericht erster Instanz behandelte die Gesellschaft als close corporation (wobei das Gericht von closely held corporation spricht) und stellte fest, daß der board of directors durch sein Verhalten eine ihm obliegende Treuepflicht (fiduciary duty) verletzt habe. Die Gesellschaft wurde verurteilt, die Anteile zu kaufen. Der Court of Appeals von Minnesota hob indes das Urteil auf. Eine solche Rückkaufpflicht (sog. buy-out) könne nach § 302A.751 Minn. Stat. Ann. nur statuiert werden, soweit es sich um eine closely held corporation handele. Eine solche dürfte aber nach § 302A.011 Minn. Stat. Ann. nicht mehr als 35 Anteilseigner haben. Also erfülle im vorliegenden Fall die Gesellschaft nicht die Anforderungen des statutes. Eine Berufung auf das common law sei im konkreten Fall ausgeschlossen: „Despite all this, respondents cannot rely on ‘common law of corporations’ because Minnesota has already codified in Minn. 302A.751 the conditions necessary for a court to order a corporation to buy-out the stock of aggrieved shareholders.“152 An dieser grundsätzlichen Erwägung hielt der Court of Appeals in Minnesota fest153. Die Entscheidung fand in der ____________ 150 151 152 153

390 N.W.2d 352 (1986). 626 A.2d 1366 (1993). 390 N.W.2d 352, 357 (1986). Vgl. nur Sher v. Buckbee-Greig Holding Corp. 1993 WL 598, 1 (1993).

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Literatur aufgrund dieser Haltung eher Kritik154, auf die aber an dieser Stelle nicht im einzelnen eingegangen werden kann.

b) Nixon v. Blackwell Ähnlich entschied auch der Supreme Court von Delaware in Nixon v. Blackwell155 im Jahre 1993156. Die betroffene Gesellschaft hatte zwei Arten von Geschäftsanteilen. Zum einen waren sog. class a voting stocks ausgegeben, also Anteile, die ein Stimmrecht verleihen, zum anderen sog. class b non-voting stocks, also Anteile, aus denen sich kein Stimmrecht ergab. Etwa 25 % dieser Anteile der Klasse B wurden von Gesellschaftern gehalten, die nicht Beschäftigte der Gesellschaft waren und auch zusätzlich keine Anteile der Klasse A hielten. Sie hatten somit keinerlei Einfluß auf die Geschäftsführung und überhaupt auf Entscheidungen, welche die Gesellschaft betrafen. Die Kläger waren nun diejenigen Gesellschafter, die diese 25% der Anteile der Klasse B innehatten. Sie machten geltend, die Gesellschaft würde alle Gesellschafter benachteiligen, die nicht Beschäftigte waren und Anteile der Klasse B haben, da Beschäftigte bei Austritt aus der Gesellschaft neben anderen Rechten das Recht hatten, ihre Anteile im Rahmen des ESOP (employee stock owner plan) an die Gesellschaft zurückzuverkaufen. Die Kläger forderten Schadensersatz. Sie machten geltend, die Verwaltung hätte durch diese Ungleichbehandlung die ihr obliegende Treuepflicht (fiduciary duty) verletzt. Das Hauptproblem der Entscheidung lag in der Bestimmung des genauen Umfangs einer solche Treuepflicht. Von den Klägern wurde geltend gemacht, daß gerade bei einer close corporation höhere Treuepflichten bestehen würden. ____________ 154

V.a. Karjala kritisiert die Entscheidung und wünscht, daß die Gerichte mehr auf die vernünftigen Erwartungen der Parteien eingehen und nicht dem Fingerzeig des Gesetzes folgen („take its cue from the statute itself“), 73 Wash. U. L.Q. 455 (1995) auf S. 458 Fußn. 10. An anderer Stelle nennt Karjala die Entscheidung unglücklich, 21 Ariz. St. L.J. 663, 697 (1989). Kritik findet sich auch bei Murdock, 65 Notre Dame L. Rev. 425 (1990), der allerdings die Schuld an der Entscheidung einem zu restriktiven Lesen des common law insbesondere der Entscheidung Donahue v. Rodd Electrotype zuschreibt, ohne sich mit dem Problem des Vorrangs der gesetzgeberischen Entscheidung auseinanderzusetzen. 155 626 A.2d 1366 (1993). Vgl. zu dieser Entscheidung auch die Besprechung von Beck, 8 No.1 Insights 27 (1994), der die Entscheidung mit dem Standard der Treuepflichten, der in Massachussets in Donahue v. Rodd Electrotype statuiert wurde, kontrastiert. 156 Bereits 1975 erging die Entscheidung Barry v. Full Mold Process, Inc., 1975 WL 1949; 1 Del. J. Corp. L. 202 (1975) des Court of Chancery, Delaware, New Castle. Auch hier entschied das Gericht, daß Del. Code Ann. tit. 8 § 342 nur auf eine solche Gesellschaft Anwendung finden könnte, die eine statutory close corporation ist.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Da die Gesellschaft keine statutory close corporation war, hatte das Gericht dabei auch die angesprochene Fragestellung zu entscheiden, nämlich ob für die Minderheitsgesellschafter spezielle, von den Gerichten entwickelte Regeln eingreifen könnten, wenn die Gesellschaft keine statutory close corporation im Sinne des 13. Abschnitts des Delaware General Corporation Law ist. Der Supreme Court von Delaware lehnte es ab, solche speziellen Regeln zu entwickeln. Dabei war für ihn ausschlaggebend, daß der entsprechende Abschnitt des Gesetzes über die close corporation dieses Problem umfassend und abschließend regeln wollte, so daß gleichlautendes common law ausgeschlossen sei. Dies begründet er mit der Doktrin der „independent legal significance“, die in der Rechtsprechung Delawares entwickelt wurde. Diese besagt, daß die Gültigkeit einer Transaktion nur nach den unmittelbar auf sie anwendbaren Regeln beurteilt wird. Dies gilt auch wenn letztlich das wirtschaftliche Ergebnis auch auf eine andere Art und Weise herbeigeführt hätte werden können und dann aufgrund anderer Vorschriften abweichend beurteilt worden wäre157.

c) Zwischenergebnis Aus den hier genannten Entscheidungen kann somit gefolgert werden, daß grundsätzlich die Definitionen der close corporation in den statutes die common law-Definitionen verdrängen158. Auf die Ausnahme in Illinois wird sogleich unter 2. eingegangen. Anzumerken ist, daß gerade im Hinblick auf den Vorbildcharakter den Delaware im Bereich des Gesellschaftsrechts hat, die Entscheidungen dieser Jurisdiktion auch über die Grenzen des Staates hinaus von besonderer Bedeutung sind.

2. Hagshenas v. Gaylord Den entgegengesetzten Ansatz wendeten die Gerichte in Illinois in einer Reihe von Entscheidungen an. Hier werden die Prinzipien des common law, die speziell für die close corporation entwickelt wurden, weiterhin auf solche Gesellschaften als anwendbar erachtet, die zwar nicht unter die Definition des Illinois Close Corporation Act fallen, aber der common law-Definition entspre____________ 157

Vgl. 626 A.2d 1366, 1381 (1993). In Fußn. 21 finden sich die Erklärung dieser Doktrin und weitere Fundstellen aus der Rechtsprechung. 158 Neben den Staaten Minnesota und Delaware, für die dies hier belegt ist, sei noch die Entscheidung Read v. Read, 556 N.W.2d 768, 773 (1996) erwähnt, in der in apodiktischer Kürze das gleiche vom Court of Appeals von Wisconsin entschieden wurde.

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chen, wie sie vor allem vom Illinois Supreme Court in Galler v. Galler entwickelt wurde. Den Anfang nahm dieser Grundsatz in der Entscheidung Hagshenas v. Gaylord159 im Jahre 1990. Hier forderte der Kläger (Hagshenas), der 50 % der Anteile einer kleinen Gesellschaft hielt, die Auflösung dieser Gesellschaft wegen deadlock, also einer nicht auflösbaren Pattsituation. Der Beklagte (Gaylord), der die anderen 50 % innehatte, erhob Widerklage wegen Verletzung der Treuepflicht (fiduciary duty). Der Hintergrund für diesen Anspruch war, daß Hagshenas, nachdem er nicht mehr die Leitung der Gesellschaft hatte, ein Konkurrenzunternehmen eröffnet hatte und die Angestellten der gemeinsamen Gesellschaft abwarb. Das Gericht erster Instanz gab dem Widerkläger Recht und entschied, daß das Verhalten des Beklagten eine Verletzung der Treuepflicht darstelle. Jedoch gestand es dem Widerkläger keine Kompensation des vollen Schadens zu, da ein solcher als nicht hinreichend kalkulierbar eingeschätzt wurde. Der Appellate Court von Illinois führte zwar aus, daß ein director und ein officer nach dem Ausscheiden aus dem Amt generell keiner Treuepflicht mehr unterliegen würden. Auch Gesellschafter untereinander schulden sich im allgemeinen keine Treuepflichten. Jedoch kenne der Illinois Close Corporation Act die Möglichkeit, den Anteilseignern selbst die Geschäftsführung zu übertragen. Dies ist aber nur in einer close corporation möglich. Eine solche Übertragung der Geschäftsführung hat zur Folge, daß die Gesellschafter den gleichen Pflichten wie ein director oder ein officer einer normalen business corporation unterliegen. Im vorliegenden Fall erfüllte die Gesellschaft nicht die Anforderungen, die 805 ILCS 5 § 2A-05, 2A-10 und § 1.80 an eine close corporation stellten. Insbesondere fehlte in den articles of incorporation eine close corporation-Klausel. Das Gericht hielt sich aber durch die gesetzliche Regelung nicht daran gehindert, auf das common law zurückzugreifen. Dabei argumentierte es mit dem Wortlaut von § 1216 des Illinois Close Corporation Act in der Fassung von 1981, der statuiert, daß durch ihn kein Gesetz oder keine Regel des common law, die sonst auf eine Gesellschaft, die keine statutory close corporation ist, anwendbar wäre, modifiziert oder aufgegeben werden solle160. Im vorliegenden ____________ 159

199 Ill. App. 3d 60; 557 N.E.2d 316 (1990). The provisions of the Close Corporation Act „shall not be deemed to repeal, amend or modify any statute or rule of common law which is or would be applicable to any corporation which is not a close corporation as herein defined“. In der aktuellen Fassung ergibt sich das entsprechende aus 805 ILCS 5 / § 2A.60 lit. b: „Any corporation which is not a close corporation shall not be subject to the provisions of this Article nor 160

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Fall lag aber unproblematisch eine close corporation im Sinne von Galler v. Galler vor. Der Appellate Court von Illinois legte also die Maßstäbe der Treuepflichten in einer common law-close corporation an und kam so zu einer Verletzung der Treuepflicht. Auch in einer Reihe darauffolgender Entscheidungen blieb der Appellate Court von Illinois161 und ihm folgend auch der United States Court of Appeals, 7th Circuit162 bei dieser Auslegung des Gesetzes. In Illinois wurde die im common law entwickelte Definition der close corporation somit nicht durch den Illinois Close Corporation Act verdrängt und es findet weiterhin im Bereich des Rechts der close corporation ein Rückgriff auf das common law statt. Illinois hat hier einen Sonderweg eingeschlagen, der auch in der Literatur als problematisch gesehen wird163. Die Kritik von Bamonte setzt aber nicht an dogmatischen Problemen164 an. Er wirft vielmehr die Frage auf, ob dieses besondere Eingehen auf die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen das Gesellschaftsrecht Illinois nicht in ein tatsächliches Dilemma bringe, da es sich durch Hagshenas v. Gaylord, aber auch die nachfolgenden Entscheidungen vor allem gegen die Entscheidung Nixon v. Blackwell und damit gegen Delaware stelle. Seiner Meinung nach gebe es für Illinois zwei Reaktionsmöglichkeiten, wobei er in seinen Ausführungen die Konsequenzen der beiden für Illinois verbleibenden Lösungen aufzeigt. Zum einen könne die Rechtsprechung an dieser Linie festhalten, was zur Konsequenz haben könnte, daß Illinois im Wettstreit mit Delaware zurückfällt, da die Entscheidung Nixon v. Blackwell eher das Management begünstige. Die andere Möglichkeit bestünde in einer Anpassung an die in Delaware vertretene Rechtsprechungslinie, was aber eine Aufgabe der Eigenständigkeit des Gesellschaftsrechts Illinois bedeuten würde. Welchen Weg Illinois tatsächlich einschlagen solle, erwähnt ____________ shall the provisions of this Article be construed to amend or modify any statute or rule of common law otherwise applicable to such a corporation.“ Dieselbe Argumentation findet sich bei Miller, 27 DePaul L. Rev. 587, 619 ff. (1978), v.a. im Hinblick auf die Frage, der Gültigkeit von shareholders’ agreements bei Gesellschaften, die zwar den Anforderungen von Galler v. Galler entsprechen, aber nicht den Status der statutory close corporation gewählt haben. 161 Grandon v. Amcore Thrust Company, 225 Ill. App. 3d 630; 588 N.E.2d 311 (1992); Dowell v. Bitner, 273 Ill. App. 3d 681; 652 N.E.2d 1372 (1995). 162 Rexford Rand Corp. v. Ancel, 58 F.3d 1215 (1995). 163 Vgl. v.a. Bamonte, 15 N. Ill. U. L. Rev. 257 (1995). 164 Ein solches Problem ergibt sich nicht aus abweichenden Entscheidungen in anderen Jurisdiktionen, da eine Präjudizienbindung nur innerhalb einer Jurisdiktion gilt. Allerdings könnte man Bedenken anmelden, ob nicht dem statute ein größerer Rahmen eingeräumt werden müßte und die vom Gericht zitierte Vorschrift restriktiv interpretiert werden müßte, um das Gesetzesrecht nicht auszuhöhlen. Eine Kritik eher auf der Basis dogmatischer Bedenken, findet sich bei Schaller, 3 DePaul Bus. L.J. 1 (1990), der auf S. 50 dem Gericht eine ganze Reihe von Fehlbewertungen vorwirft.

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Gesellschaftsrecht

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Bamonte nicht. Er will lediglich die Vor- und Nachteile jeder der beiden angesprochenen Handlungsalternativen aufzeigen und endet pointiert mit der Anmerkung, daß es für Illinois zumindest ein geringer Trost ist, daß sich 48 andere Staaten – also alle außer Delaware – vor einem ähnlichen Dilemma sehen („The only consolation for Illinois, and a small one at that, is that forty-eight other states face the same dilemma“165.)

C. Die close corporation in der Praxis I. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Wenn man die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte zusammenfaßt, ist folgendes festzuhalten: Für eine Sonderbehandlung personenbezogener Kapitalgesellschaften im Gesellschaftsrecht der amerikanischen Einzelstaaten wurden sowohl im Bereich des Fallrechts als auch im Bereich des Gesetzesrechts in weitem Umfang Definitionen für die sog. close corporation entwickelt. In den statutes gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Definitionsansätzen (formeller Ansatz, materieller Ansatz) und eine Mischform. Soweit in den Ansätzen die Erfüllung materieller Kriterien gefordert wird, finden sich in den Gesetzen, die eine close corporation-Definition aufgenommen haben, drei unterschiedliche Merkmale: Das erste Merkmal, das in vielen Gesetzen gefordert wird, ist, daß eine bestimmte Höchstzahl von Anteilseignern für eine close corporation nicht überschritten werden darf. Das zweite Merkmal ist die Forderung der Aufnahme von Übertragungsbeschränkungen für die Anteile einer close corporation und das dritte Merkmal ist das Verbot eines Anbietens der Anteile einer close corporation in einer Weise, die ein public offering im Sinne des Securities Act 1933 darstellen würde. Diese drei Kriterien müssen je nach Staat kumulativ erfüllt sein oder es genügt die Erfüllung eines oder zweier vom jeweiligen Staat festgelegter Kriterien. Soweit die Einzelstaaten dem formellen oder gemischt formell-materiellen Ansatz folgen, muß eine Gesellschaft, die eine close corporation sein möchte, entweder ausschließlich oder zusätzlich zu den materiellen Merkmalen eine entsprechende Klausel in ihre articles of incorporation aufnehmen, durch die sie diesen Status explizit wählt. Auch im Bereich der Definitionen, die sich im common law herausgebildet haben, wird hauptsächlich auf drei Charakteristika abgestellt: Eine close corporation wird danach als eine Gesellschaft bezeichnet, deren Anteile nur in wenigen Händen oder von wenigen Familien gehalten, die nicht öffentlich gehandelt ____________ 165

Bamonte, 15 N. Ill. U. L. Rev. 257, 269 (1995).

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3. Teil: Amerikanisches Recht

werden und bei denen eine Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung besteht. Je nach Jurisdiktion muß eine Gesellschaft, um sich für den Status zu qualifizieren, entweder allen drei Anforderungen genügen oder nur einer bzw. zwei davon. Diese common law-Definition hat in den Staaten, die eine gesonderte close corporation-Gesetzgebung erlassen haben, weitgehend ihre Bedeutung verloren, da die statutes als vorrangige abschließende Regelungen der Materie angesehen werden. Eine Ausnahme bildet hier lediglich Illinois, wo anerkannt ist, daß die Regeln des common law über die close corporation neben dem Illinois Close Corporation Act ihre Bedeutung behalten haben. Dies wurde insbesondere für das Bestehen von Treuepflichten (fiduciary duty) entschieden. Eine Gesellschaft kann also hier entweder als close corporation behandelt werden, weil sie den Anforderungen des Gesetzes entspricht oder weil sie der Definition des common law, wie sie vor allem in Galler v. Galler entwickelt wurde, genügt. Nach den bisherigen Ausführungen stehen die erwähnten Merkmale gleichberechtigt nebeneinander. Lutter166 dagegen hat ausgeführt, daß es für die Behandlung personenbezogener Gesellschaften in den USA vorrangig darauf ankommt, ob die Anteile einer Gesellschaft an der Börse notiert sind. Diese These läßt sich jedenfalls auf Basis der bisherigen Ergebnisse nicht so bestätigen. Zwar kennen sowohl die statutes als auch das common law ein Kriterium, das kapitalmarktorientiert ist. Im Bereich der statutes ist dies das Verbot eines public offering. Nach dem common law wird gefordert, daß die Anteile nur selten gehandelt werden dürfen. Dies bedeutet nach der Entscheidung Meriola v. Exergen Corporation167, daß der Preis für die Gesellschaftsanteile nicht durch das Verhalten einer Vielzahl unabhängig voneinander handelnder Käufer und Verkäufer bestimmt wird, was in der Regel einen in gewisser Weise organisierten Kapitalmarkt voraussetzt. Dieses Kriterium ist nur eines unter jeweils dreien. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß ihm im Gegensatz zu den anderen ein besonderer Rang zukommt. Die vorherigen Ausführungen sind aber nur dann von Bedeutung, wenn die gesellschaftsrechtliche Unterscheidung zwischen close corporation und publicly held corporation, diejenige ist, die wirklich auch für die Praxis die größte Bedeutung hat. Um dies beurteilen zu können, wird nachfolgend die Frage beantwortet, wie viele statutory close corporation es in den USA gibt, so daß bestimmt werden kann, eine wie große Bedeutung dieser Unterscheidung zukommt. ____________ 166 167

Lutter, AG 1994, 429, 430. 38 Mass. App. Ct. 462; 648 N.E.2d 1301 (1995).

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Gesellschaftsrecht

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II. Anzahl der statutory close corporations in den USA Eine große Anzahl der statutes setzt für die Behandlung einer Gesellschaft als close corporation voraus, daß diese neben der Erfüllung der materiellen Kriterien, den Status explizit wählt. Darauf wurde mehrfach hingewiesen. Um die Bedeutung der statutes und damit auch der Definitionen der close corporation, wie sie bisher entwickelt wurden, zu beurteilen, ist es wichtig, einen Blick in die Praxis zu werfen. In diesem Zusammenhang sind zwei Zahlen zu betrachten: Zum einen ist von Interesse, wie viele bzw. ein wie hoher Prozentsatz der US-amerikanischen Gesellschaften überhaupt für eine Wahl des Status einer close corporation in Betracht kommt, wie viele also die materiellen Kriterien erfüllen und faktisch closely held sind. Zum anderen muß untersucht werden, ein wie hoher Prozentsatz tatsächlich diesen Status wählt. Aus der Relation beider Zahlen kann dann eine erste Schlußfolgerung für die Beliebtheit und Bedeutung der Gesellschaftsform der close corporation gezogen werden. Es gibt jedoch – soweit ersichtlich – weder zu der ersten noch zu der zweiten Frage eine bundesweite Statistik oder auch nur eine die Mehrzahl der US-amerikanischen Einzelstaaten umfassende Statistik. Dies hängt damit zusammen, daß nur ein kleiner Teil der Einzelstaaten die dafür notwendigen Unterlagen aufbewahrt168. Allerdings lassen die Zahlen, die von einzelnen Staaten verfügbar gemacht sind, Rückschlüsse auf die Lage insgesamt zu. Hinsichtlich der ersten Frage ergibt sich, daß beispielsweise sowohl in Texas169 als auch in Kalifornien170 und Wisconsin171, wofür jeweils spezielle Untersuchungen vorliegen, die überwiegende Anzahl von Gesellschaften grundsätzlich für den Status einer statutory close corporation in Frage kommen. Bei O’Neal172 findet sich überdies eine Aussage, die sich auf die Gesell____________ 168

Vgl. O’Neal, § 1.19. Blunk, 32 Sw. L.J. 941 (1980) führt auf S. 949 beispielsweise aus, daß nach einer Studie des Texas Secretary of State im Jahre 1978 90,26 % der Gesellschaften, 1979 sogar 96,24 % nicht mehr als drei Gründer hatten. Die Zahlen stammen aus der Auswertung von jeweils 1.400 articles of incorporation, die innerhalb von vier zufällig ausgewählten hintereinander folgenden Tagen bearbeitet wurden. 170 Vgl. Wang, 15 San Diego L. Rev. 687, 689 (1978). 171 Harris, 1986 Wis. L. Rev. 811 führt für Wisconsin aus, daß die typische Gesellschaft weniger als zehn Anteilseigner hat. Wenn man nur die Gesellschaften zählt, die mindestens zwei Anteilseigner haben, kommt man zu 94 %, soweit man die Einpersonen-Gesellschaften hinzuzählt, sind es sogar 96 % aller in dieser Umfrage befragten Gesellschaften, die weniger als zehn Anteilseigner hatten. 172 § 1.19, S. 108. 169

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3. Teil: Amerikanisches Recht

schaften in den gesamten USA bezieht. Hierbei nimmt er an, daß mindestens 90 % aller Gesellschaften, den Charakteristika einer close corporation entsprechen173. Soweit ergaben die Zahlen nichts Unerwartetes, da in Deutschland die überwiegende Zahl der (Kapital-) Gesellschaften eine geringe Anzahl von Gesellschaftern hat und auch einen geschlossen Anlegerkreis aufweist. Es wurde bereits am Beginn dieser Arbeit erwähnt, daß etwa 1995 aus den Statistiken folgte, daß 99,4 % aller Kapitalgesellschaften GmbH waren. Die Aktiengesellschaften, die ebenfalls einen geschlossenen Kreis von Gesellschaftern haben, sind dabei noch nicht mitberücksichtigt. Überraschender ist aber, in welchem Umfang die US-amerikanischen Gesellschaften tatsächlich von der statutory close corporation Gebrauch machen. Auch hier ist unabhängig vom einzelnen Staat eine deutliche Tendenz abzulesen. Nur eine sehr geringe Anzahl von Gesellschaften entscheidet sich wirklich bewußt für diesen Status. O’Neal hat für eine Reihe von Staaten die absoluten Zahlen der statutory close corporation zusammengetragen. Der Prozentsatz der Gesellschaften, welche diese Wahl getroffen haben, bewegt sich um die 5 %174. Am höchsten liegt die Zahl der statutory close corporation in Kalifornien. Im Jahr 1978 waren hier 28 % aller Gesellschaften statutory close corporation175, 1985 traf dies immerhin noch auf 19 % der Gesellschaften zu176. Diese im Vergleich mit den anderen Staaten relativ hohe Zahl will Holden, Staff Counsel, Office of the California Secretary of State, von dem die Zahlen stammen, jedoch nicht auf eine größere Popularität dieser Gesellschaftsform in Kalifornien zurückführen. Vielmehr würden diese Gesellschaften häufig von Laien gegründet, die dabei vorgedruckten Formulare nutzen, ohne den Grund der Wahl gerade dieses Status zu verstehen. Häufig würden Mißverständnisse dazu führen, daß sich die Gesellschafter für eine statutory close corporation entscheiden. Eigentlich bestehe zumeist der Wunsch der Wahl eines besonderen Steuerstatus (sog. s corporation) oder einer Ausnahme innerhalb des Kapitalmarktrechts Kaliforniens. Diese Ausnahmen werden in der Praxis häufig mit der gesellschaftsrechtlichen Form der statutory close corporation verwechselt. ____________ 173 Ebenso Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362 (1995). Für eine Studie über die Jahre 1968–1970 siehe bei Conard, 63 Cal. L. Rev. 440 (1975). 174 Bei O’Neal, § 1.19, S. 108 finden sich Zahlen für Wisconsin, Alabama, Pennsylvania, Delaware, Kansas, Missouri, Montana, Nevada und Wyoming. Für Texas kommt Blunk, 32 Sw. L.J. 941 (1980) auf S. 955 zu einem ähnlichen Ergebnis. Für den gewählten Zeitraum 1978 sind 3,71 % der Gesellschaften statutory close corporation, für 1979 5,59 %. Weitere Nachweise bei Ribstein, 73 Wash. U. L.Q. 369, 404 (1995) und Tracy / Tsoris, 80 Ill. B.J. 552 (1992) für Illinois. 175 Wang, 15 San Diego L. Rev. 687, 689 (1978). 176 Nachweis bei O’Neal, § 1.19, S. 109.

§ 8 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Gesellschaftsrecht

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Insgesamt läßt sich also festhalten, daß zwar die überwiegende Mehrzahl der Gesellschaften potentiell als statutory close corporation in Frage kommen. Diese Gesellschaftsform ist gleichwohl in der Praxis nicht sehr beliebt177. Die Gründer einer Gesellschaft ziehen eine Inkorporation178 ihres Unternehmen unter dem allgemeinen corporation law vor, das nicht speziell auf kleine Unternehmen zugeschnitten ist.

III. Gründe für das fehlende Interesse an der statutory close corporation Die im vorangegangenen Abschnitt festgestellte mangelnde praktische Relevanz der statutory close corporation ist um so erstaunlicher, wenn man sich die bereits angesprochenen jahrzehntelangen Forderungen, gerade der Wissenschaft, um eine gesonderte Behandlung kleinerer Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis vor Augen hält179. Um die Ursachen des fehlenden Interesses für die bestehenden close corporation-statutes zu erklären, gibt es hauptsächlich zwei unterschiedliche Begründungsansätze, die nachfolgend angesprochen werden.

____________ 177

Darauf weist auch der Delaware Supreme Court in der Entscheidung Nixon v. Blackwell, 626 A.2d 1366 (1993) auf S. 1380 Fußn. 19 hin: „Statutory close corporations have not found particular favor with practitioners“. 178 Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362 (1995) gibt auf S. 1385 Fußn. 99 zu bedenken, daß natürlich auch ein Teil der Gesellschaften, die potentiell als close corporation in Frage kommen, gar nicht als corporation, also als Kapitalgesellschaft, organisiert sind, sondern sich für eine general oder limited partnership oder eine andere Gesellschaftsform entscheiden. 179 Auf diese Forderung wurde oben im Zusammenhang mit der Entwicklung der close corporation bereits eingegangen. Aus der älteren Literatur vgl. Ginsberg, 25 DePaul L. Rev. 1 (1975); Hall, 27 Md. L. Rev. 341 (1967); Note, 33 N.Y.U. L. Rev 700 (1958), insb. S. 705 f.; Comment, 23 S.D. L. Rev. 427 (1978) mit zahlreichen weiteren Nachweisen in Fußn. 5. In der neueren Literatur wurde diese Forderung nicht grundsätzlich aufgegeben. Allerdings wird häufig in der neu entwickelten limited liability company die Gesellschaftsform für Gesellschaften mit geschlossenem Anlegerkreis gesehen, die den Anforderungen der Gesellschafter besser entspricht als die close corporation-Gesetzgebung, vgl. Sargent, 19 Pepp. L. Rev. 1069, 1070 (1992): „The LLC statutes may thus meet much of the promise that special close corporation statutes of the 1960s and 1970s left unfulfilled.“ Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362 (1995), v.a. S. 1396 ff.

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1. Ökonomischer Begründungsansatz Der erste Begründungsansatz hat einen ökonomisch-analytischen Ausgangspunkt und wird vor allem von Wortman180 und Ribstein181 vertreten. Beide gehen davon aus, daß grundsätzlich ein Bedarf für gesonderte rechtliche Regelungen für Gesellschaften mit einem kleinen, geschlossenen Anlegerkreis besteht. Dabei spielen für beide zumeist, neben der Tatsache, daß solche Gesellschaften in der inneren Struktur und den Bedürfnissen häufig einer partnership, also einer Personengesellschaft, näher stehen als einer publicly held corporation182, Kostengesichtspunkte die entscheidende Rolle. Geringere Kosten würden zunächst hinsichtlich des Entwurfs der Satzung entstehen. Wenn das Gesetz selbst bereits Regelungen, die für eine close corporation passen, bereithielte, müßten Satzungsbestimmungen nicht aufwendig die gesetzlichen Regeln an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Zudem ist mit jedem Abweichen der individuellen Regelungen vom gesetzlichen Leitbild auch ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit verbunden, da die Gesellschafter häufig nicht sicher sein können, ob ein Gericht die gewählte Regelung als wirksam betrachten wird oder wie es in Zweifelsfällen eine Regelung auslegt. Am wichtigsten erscheint Wortman aber, daß durch eine gesonderte gesetzliche Regelung, die close corporation einem gesetzlichen Regime unterliege, das auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sei183. Wortman zählt drei Gründe auf, die ihr wesentlich dafür erscheinen, warum die Gesellschaften trotz des Bestehens von close corporation-Gesetzen weiterhin unter dem general corporation law organisiert seien: Zum einen bestünden bestimmte network externalities184. Darunter versteht sie, daß bestimmte Vor____________ 180

70 N.Y.U. L. Rev. 1362 (1995), v.a. S. 1381 ff. 73 Wash. U. L.Q. 369 (1995), v.a. S. 404 ff. 182 Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1382–1386 (1995) zählt hier v.a. auf, daß sowohl bei der partnership als auch bei der close corporation die Stellung als Anteilseigner eine aktive Investition bedeute, da die Gesellschafter üblicherweise selbst in der Gesellschaft arbeiten und daraus ihren Lebensunterhalt beziehen. Im Gegensatz zur public corporation betont Wortman bei der close corporation die geringe Zahl der Anteilseigner, ebenso wie die Identität von Eigentümerstellung und Verwaltung und das Fehlen eines Marktes. Aus diesen Merkmalen ergeben sich typische Problemstellungen, v.a. sind deadlock, die ungleiche Verteilung von Gewinn und die größere Wahrscheinlichkeit einer Benachteiligung von Minderheiten zu nennen. Andererseits bestünden aufgrund der näheren Beziehungen in der close corporation auch höhere Treuepflichten. 183 „Most importantly, the customized legislation removes the close corporation form a legal framework poorly designed to deal with the intricacies of the close corporation form.“ Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1385 (1995). 184 Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1386 ff. (1995). 181

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teile aus dem Gebrauch und der Interpretation der corporation laws im Laufe der Zeit resultieren. Die gesetzlichen Regeln führen zusammen mit dem case law zur Entwicklung einer gewissen allgemeinen Geschäftspraxis. Dies reduziert Kosten und erhöht die Verfügbarkeit rechtlicher Beratung. Gemeinsam mit den zukünftigen richterlichen Präzedenzfällen wird so ein Netzwerk aufgebaut, wovon jeder, der diesem Netzwerk angehört, profitieren kann185. Wesentlich hängt der Wert des Netzwerks von der Anzahl der Unternehmen ab, die aktuell und zukünftig die maßgeblichen Vorschriften verwenden. Solche Vorteile durch ein bestehendes Netzwerk gibt es aber zur Zeit nur beim general corporation law, da die meisten Gesellschaften (publicly held corporation und close corporation) hierunter organisiert sind. Ein entsprechendes Netzwerk konnte sich dagegen im Bereich der close corporation-Gesetzgebung nicht entwickeln. Im übrigen ist auch im Bereich der general corporation laws die Beratung kostengünstiger, da in diesem Bereich mehr Anwälte Erfahrung haben. Außerdem führt eine breite Praxis und eine hinreichende Anzahl von Entscheidungen zu größerer Rechtssicherheit und verhindert zukünftige Prozesse, da bereits Präzedenzfälle bestehen. Das Netzwerk wird vor allem auch durch die zukünftige Verwendung der Vorschriften geschaffen. Damit in Interaktion steht aber auch ein weiterer Grund, der für die general corporation laws spricht, nämlich das Lernen aus dem Vergangenen (past learning)186. Die häufige Verwendung bestimmter rechtlicher Regelungen in der Vergangenheit spricht dafür, daß diese auch in der Zukunft verwendet werden. Schließlich bestehen sog. path dependencies187. Darunter versteht Wortman, daß in einer bestimmten Frage von einem einmal eingeschlagenen Weg nur schwer wieder abgewichen wird. In concreto bedeutet dies, daß die close corporation statutes so spät erlassen wurden, daß die potentiell für diesen Status in Frage kommenden Gesellschaften bereits herausgefunden hatten, wie sie unter dem general corporation law die gewünschten Ergebnisse erreichen konnten. Auch wenn die close corporationstatutes einen einfacheren Weg für dasselbe Ergebnis bereit hielten, würden nach dieser Theorie die Gesellschaften grundsätzlich an der einmal gewählten Methode festhalten. Hinzu kommt, daß eine diesbezügliche Veränderung auch Kosten (Kosten für eine Re-Inkorporation) entstehen lassen würde. Dies scheuen die Gesellschaften.

____________ 185 186 187

Vgl. dazu auch Ribstein, 73 Wash. U. L.Q. 369, 376 (1995). Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362 (1995), insb. S. 1391 ff. 70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1393 ff.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Für die Frage der Kosten spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle. Wortman vertritt in ihrem Aufsatz die These, daß die Behandlung der close corporation und der publicly held corporation unter denselben gesetzlichen Regelungen nicht nur für die close corporation von Nachteil ist, sondern auch für die publicly held corporation188. Diese Kosten sind vom gesamtgesellschaftlichen Standpunkt aus mit zu berücksichtigen. Daher kann eine Kostenbetrachtung insgesamt einen Wechsel in den close corporation statutes hinreichend günstig erscheinen lassen. Dies kann sich aber aus dem Blickwinkel der close corporation selbst anders darstellen, da diese die Vorteile, die eine getrennte Regelung für die publicly held corporation bringt, nicht einkalkuliert. Diese genannten Phänomene könnten nur dann überwunden werden, wenn die Vorteile, die sich aus der Inkorporation unter dem close corporation statute ergeben, die zu erwartenden Kosten übersteigen würden. Dafür wäre es notwendig, einen zusätzlichen Anreiz für einen Wechsel in die statutory close corporation zu schaffen. Je größer ein solcher Anreiz ist, desto eher werden die Gesellschaften die Vorteile eines bestehenden Netzwerks und vergangener Erfahrungen unberücksichtigt lassen. Früher oder später führt also ein hinreichend großer Anreiz zu einer Zunahme von Gesellschaften in dieser Gesellschaftsform. Dadurch kann sich ein eigenes Netzwerk und sog. past usage entwickeln. Hinsichtlich der bestehenden close corporation statutes sind sich Wortman und Ribstein einig, daß die vorhandenen Anreize zu gering sind189.

2. Holistischer Begründungsansatz Der eben dargestellte ökonomische Begründungsansatz ist vor allem de lege ferenda von Bedeutung, wenn es um die Frage geht, wie eine zukünftige Gesetzgebung für personalistische Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis ausgestaltet sein soll. Eher implizit enthält er eine Beschreibung des Verhältnisses der speziellen close corporation statutes und der general corporation laws de lege lata. Dies gilt etwa für die Ausführungen, daß es, wenn auch mit gewissen Transaktionskosten für eine Gesellschaft möglich sei, unter dem general corporation law die für eine close corporation passenden Regeln zu wählen. Überdies läßt die Aussage, daß die Anreize, welche die close ____________ 188

70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1379 ff. Anders beurteilen beide dies für die limited liability company, für die spezielle Regelungen zwischen den frühen 90er Jahren und der Mitte des Jahres 1994 von 48 der 51 US-amerikanischen Jurisdiktionen erlassen wurden. Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1396 (1995); Ribstein, 73 Wash. U. L.Q. 369, 405 (1995). 189

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corporation statutes setzen, zu gering seien, die Folgerung zu, daß beiden rechtlichen Regelungsgefüge sich weitgehend ähnlich sind. Von einem Teil der Autoren wird daher vertreten, daß das aktuelle general corporation law so flexibel ist, daß die Gesellschafter auch damit jedes von ihnen gewünschte Ergebnis erreichen können. Der Gegensatz dieses Begründungsansatzes zum ökonomischen Ansatz ist lediglich, daß von dieser Seite überhaupt kein spezielles close corporation statute gefordert wird, sondern eher ein flexibles general corporation law, das den Gesellschaftern ausreichend Planungsfreiheit gewährt. Es wird somit ein ganzheitliches general corporation law gefordert. Bradley190 ist ein Vertreter dieser These. In einem Aufsatz aus dem Jahre 1968 vergleicht er die close corporation-Gesetzgebung in Maryland und Delaware. Dabei gilt sein Augenmerk den besonderen Definitionsansätzen, die beide Einzelstaaten jeweils gewählt haben191. Bei der Gegenüberstellung des speziellen close corporation statutes in Delaware mit dem dort geltenden generellen corporation law kommt er zu folgender Schlußfolgerung: „Thus, a workable close corporation statute exists for all corporations regardless of the number of shareholders, stock transfer restrictions, or public offerings.“ Er sieht also im allgemeinen Gesellschaftsrecht bereits ein brauchbares close corporationGesetz, das unabhängig von materiellen Kriterien von den Gesellschaften verwendet werden kann. Seine Beurteilung des speziellen Gesetzes für die close corporation fällt dementsprechend hart aus: „Consequently, the intricate Delaware provisions for guarding the close corporation’s status seem hardly worth the effort.“192 Shapiro193 befaßt sich mit dem Close Corporation Statute von Maryland. Anhand mehrerer typischer Probleme, wie „Einstimmigkeit“ und die Gefahr eines deadlocks194, Übertragungsbeschränkungen195 und der Möglichkeit von Macht____________ 190

Bradley, 1968 Duke L.J. 525; ders. 9 Loy L.A. L. Rev. 865 (1976) auf S.904: „The great need to establish a friendly legal environment for close corporation planning has been treated in the California statute and elsewhere by a wholesale liberation of the contractual planning right.“ Bradley macht insofern eine Einschränkung, da er für den Schutz von Minderheiten zwingende Regeln fordert, wofür gegebenenfalls eine besondere close corporation-Gesetzgebung nötig sein kann. Vgl. ders., 54 Geo. L. J. 1145 (1966), insb. S. 1196; ders., 10 J. Corp. L. 817, 827 (1985). 191 Maryland: formeller Ansatz; Delaware: gemischt materiell-formeller Ansatz mit drei Kriterien, vgl. oben unter A. I. 1. bzw. A. I. 2. a) aa). 192 Bradley, 1968 Duke L.J. 525, 533. 193 Shapiro, 36 Md. L. Rev. 289 (1976). 194 36 Md. L. Rev. 289, 303 ff. 195 36 Md. L. Rev. 289, 307 ff.

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verschiebungen innerhalb der Gesellschaft196, zeigt er, daß bereits durch das allgemeine corporation law beinahe dieselben Lösungsmöglichkeiten erreicht werden können wie durch die spezielle close corporation-Gesetzgebung. Für das besondere close corporation statute bestünde also kein Bedarf und das allgemeine corporation law biete im Ergebnis sogar eine größere Flexibilität197. Schließlich soll noch Karjala als Vertreter dieses Ansatzes zitiert werden. Auch er hat mehrfach belegt, daß das generelle corporation law anpassungsfähig genug ist, um allen Bedürfnissen personenbezogener Gesellschaften gerecht zu werden198. Interessant sind dabei seine Gedanken zur Frage der geringeren Transaktionskosten bei close corporation statutes. Häufig werde als Argument für eine gesonderte Gesetzgebung für close corporation aus der ökonomischen Perspektive vorgebracht, daß durch die auf die close corporation abgestimmten Vorschriften geringere Kosten gerade beim Entwurf der Satzung und sonstiger Formalitäten entstünden, da bereits das Gesetz selbst für typische Probleme Lösungen bereithalte und diese nicht erst individuell entwickelt werden müßten. Karjala weist nun eindrücklich auf die Gefahren hin, die es mit sich bringen kann, wenn die Gesellschaften aus diesem Grund gegebenfalls ganz auf Anwälte verzichten. Er sieht es nicht als wünschenswert an, wenn die spezielle Gesetzgebung diesen Effekt hätte199. Gerade eine individuelle Planung, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Gesellschaft abgestimmt sei, könne nämlich durch keine Gesetzgebung ersetzt werden, da immer auf die Besonderheiten des Einzelfalles und der konkreten Gesellschaft eingegangen werden müsse. „No statute can substitute for careful initial planning that is tailored to meet the needs of particular cases“200. Jede andere Auffassung würde mißachten, daß es die close corporation ebensowenig gibt wie die corporation.

____________ 196

36 Md. L. Rev. 289, 309 ff. 36 Md. L. Rev. 289, 307: „As these examples show, the pattern of rights and protections built into the close corporation statute is fixed to a significant extent, while the potential for variations in allocating rights to majority and minority interests is virtually limitless under the general corporation law“. 198 Vgl. Karjala, 58 Tex. L. Rev. 1207 (1980). Dabei geht er auf S. 1209 von der folgenden These aus: Das M.B.C.A. „is sufficient flexible to meet the needs of small businesses without additional legislation aimed specifically at close corporation“. Diese These belegt er auf S. 1213 ff. an Hand mehrerer Beispiele. Ähnlich ders., 73 Wash. U. L.Q. 455 (1995). 199 Karjala, 58 Tex. L. Rev. 1207, 1252 (1980): „Therefore, special legislation probably performs a social disservice if it encourages people to avoid lawyers upon incorporation“. 200 Karjala, 58 Tex. L. Rev. 1207, 1267. 197

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Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß, aus dem Blickwinkel vieler Autoren, das allgemeine Gesellschaftsrecht zunehmend an Flexibilität gewonnen hat und aus diesem Grund kein wirkliches Bedürfnis für die spezielle close corporation-Gesetzgebung besteht. Am pointiertesten faßte diese Beobachtung vielleicht Manne201 1967 zusammen: „Our general corporation laws seems to be in the process of becoming general close corporation laws with only incidental relevance to large companies.“ Karjala202 folgt Manne hierin und weist noch auf einen zusätzlichen Aspekt hin, der im Mittelpunkt des nachfolgenden Paragraphen stehen soll. Hier wird auch angedeutet, inwieweit doch ein kapitalmarktorientiertes Kriterium für die unterschiedliche Behandlung von publicly held corporation und close corporation maßgeblich ist. Für die rechtliche Regelung der publicly held corporation sei es nämlich unumgänglich, die Geltung des securities law mit zu berücksichtigen. Karjala merkt dazu an: „The interaction of federal and state law in the governance of publicly held companies has resulted in a legal system quite distinguishable from that of any single state's corporation law. In a very meaningful sense, federal securities regulation has thus created a public company law, leaving ‘pure’ state corporation law as a kind of private company law.“203

IV. Zwischenergebnis und Gang der weiteren Darstellung Es kann somit festgehalten werden, daß die Regelungen der speziellen close corporation statutes weitgehend auf die close corporation keine Anwendung finden, da nur ein äußerst geringer Anteil der Gesellschaften, denen eine Wahl des Status der statutory close corporation möglich wäre, diesen Schritt auch tatsächlich getan haben. Ein wesentlicher Grund für die fehlende Bereitschaft, diesen Status zu erwerben, ist, daß auch das allgemeine Gesellschaftsrecht so flexibel ist, daß die Gesellschafter beinahe jede gewünschte Regelung für die spezielle Gesellschaft statuieren können. Um das Verhältnis von publicly held corporation und close corporation richtig beurteilen zu können, ist daneben aber noch eine andere Rechtsmaterie in Betracht zu ziehen, nämlich das securities law, also das Kapitalmarktrecht. Die These, die von Karjala aufgestellt wurde und die auch den weiteren Gang der Untersuchung leiten soll, ist, daß durch das Kapitalmarktrecht für die publicly held corporation völlig andere Regeln das Gesellschafts____________ 201 202 203

Manne, 53 Va. L. Rev. 259, 284 (1967). Karjala, 21 Ariz. St. L.J. 663 (1989). Karjala, 21 Ariz. St. L.J. 663, 666 (1989).

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recht überlagern und dadurch modifizieren. Wenn dieses Kapitalmarktrecht für close corporation nicht oder nur in geringerem Umfang gilt, würde dies bedeuten, daß für die Behandlung der close corporation weniger von Bedeutung ist, ob es ein spezielles close corporation statute gibt oder nicht, sondern vielmehr die Geltung bzw. Nichtgeltung des Kapitalmarktrechts. Dadurch würde, unabhängig davon, welche Kriterien man zur Definition der close corporation innerhalb der statutes und des common law heranzieht, ein kapitalmarktbezogenes Kriterium für die unterschiedliche Behandlung von personenbezogenen Gesellschaften und Publikumsgesellschaften von entscheidender Bedeutung sein. In den folgenden Paragraphen soll nun überprüft werden, ob sich diese These belegen läßt. Dabei wird zum einen auf die Pflichten eingegangen, die das securities law insgesamt statuiert und zum anderen darauf, welche Bedeutung diese Pflichten für die Gesellschaften haben. Daneben muß überprüft werden, inwiefern das Kapitalmarktrecht Anwendung auf personenbezogene Kapitalgesellschaften findet.

§ 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht A. Rechtsquellen und Überblick über die Regelungen des Kapitalmarktrechts Bevor auf die Geltung des securities law für die close corporation im einzelnen eingegangen wird, soll auf die Rechtsquellen des securities law hingewiesen werden (unter I.) sowie ein erster Überblick zum Regelungsinhalt des Securities Act 1933 (unter II.) und des Securities Exchange Act 1934 (unter III.) gegeben werden. Eine kurze Darstellung der wesentlichen Rechtsquellen des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts ebenso wie der Regelungsinhalte des Securities Act 1933 und des Securities Exchange Act 1934 erscheinen erforderlich, da man nur so die Bedeutung und das Verhältnis dieser beiden Gesetze zueinander zutreffend einordnen kann. Eine solche Einordnung ist entscheidend, um die Auswirkungen des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts auf personalistische Kapitalgesellschaften in den USA zu verstehen, wie sie unter B.–E. dargelegt werden.

§ 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Kapitalmarktrecht

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I. Rechtsquellen des securities law Im Bereich des securities law gibt es sowohl Rechtsquellen des Bundes als auch solche der Einzelstaaten. Die beiden zentralen Gesetze zum securities law des Bundes sind der Securities Act 1933 (Sec. Act) und der Securities Exchange Act 1934 (Sec. Ex. Act). Die Bedeutung der beiden Gesetze ergibt sich aus deren breiten Anwendungsbereich. Ihre Regeln beziehen sich auf jede Transaktion mit einem Wertpapier (security), soweit diese im interstate commerce, also im zwischenstaatlichen Handel, stattfindet. Sowohl auf die Auslegung des Begriffs security als auch auf die des interstate commerce, insbesondere i.S.d. § 5 Sec. Act, wird in den nächsten Abschnitten dieser Arbeit noch ausführlich einzugehen sein1. An dieser Stelle genügt es zu erwähnen, daß beide Begriffe weit ausgelegt werden, um einen möglichst weiten Anwendungsbereich des Gesetzes zu gewährleisten. Neben diesen Gesetzen des Kongresses sind zwei weitere „Rechtsquellen“ anzuführen, die von der Securities Exchange Commission (SEC) erlassen werden: Ex lege entfalten dabei nur die sog. rules, also Regeln der SEC, rechtliche Wirkung. Daneben sind andere Äußerungen der SEC zu nennen, die ebenfalls einen allgemeinem Geltungsbereich haben (sog. securities releases). Diese spielen insbesondere für die Vorschriften über die Registrierung nach dem Securities Act 1933 eine erhebliche Rolle2. Solche securities releases, die einfache Erklärungen darstellen, die an die Presse, an bei der SEC registrierte Gesellschaften und an sonstige interessierte Personen verteilt werden, sind das wichtigste Instrument „informeller Rechtsetzung“ durch die SEC (sog. informal law-making)3. Insgesamt steht dieser Bereich des informellen Handelns, durch das die Ansichten der Kommission oder deren Mitarbeiter zu aktuellen Fragen der Öffentlichkeit nahegebracht werden, ohne daß die gesetzlich vorgesehene Form eingehalten wird, neben dem Erlaß der genannten rules und hat eine erhebliche Bedeutung für die Auslegung der Vorschriften. Neben den beiden genannten Gesetzen gehören zu den wichtigsten Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts des Bundes fünf weitere Gesetze: Vier davon sind in derselben Zeit wie der Securities Act 1933 und der Securities Exchange Act 1934 erlassen wurden, nämlich in den Jahren zwischen 1933 und 19404. ____________ 1

Unter B. zum Begriff des securities; unter C. I. 1. zum Begriff des interstate com-

merce. 2

Ratner, S. 16. Ratner, S. 15. 4 Public Utility Holding Company Act 1935, Trust Indenture Act 1939, Investment Company Act 1940 und Investment Advisors Act 1940. 3

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Hinzu kommt der Securities Investor Protection Act, der aus dem Jahr 1970 stammt. Jedes dieser Gesetze hat einen spezielleren Anwendungsbereich als der Securities Act 1933 und der Securities Exchange Act 1934. So schreibt etwa der Public Utility Holding Company Act 1935 speziell den electric and gas public utility holding companies Offenlegungspflichten hinsichtlich ihrer Führung und Finanzierung vor. Für die Frage der Behandlung personenbezogener Kapitalgesellschaften im Kapitalmarktrecht sind sie von geringerer Bedeutung. Daher wird auf diese Gesetze im weiteren Verlauf der Arbeit nicht mehr eingegangen5. Bereits vor den Bundesgesetzen hatten die Einzelstaaten kapitalmarktrechtliche Gesetze erlassen6, die üblicherweise blue sky laws genannt werden. Durch den Erlaß des Securities Act 1933 und des Securities Exchange Act 1934 verloren diese zwar nicht formell ihre Bedeutung, da das Bundesrecht sie nicht verdrängen wollte. Dies ergibt sich explizit aus § 18 Sec. Act, der klarstellt, daß die Regeln der Einzelstaaten durch dieses Gesetz nicht berührt werden sollen7. Jedoch sind die einzelstaatlichen Kapitalmarktgesetze heute faktisch nur noch von subsidiärer Bedeutung8. Häufig orientiert sich das Recht der Einzelstaaten im übrigen an den beiden erwähnten Bundesgesetzen9. Aus diesen Gründen soll auch auf das Recht der Einzelstaaten im weiteren nicht mehr eingegangen werden10.

____________ 5 Vgl. für Einzelheiten zu diesen Gesetzen nur Cary / Eisenberg, S. 257; Loss / Seligman, Fundamentals, S. 33 ff., Cox / Hazen / O’Neal, § 27.9; Ratner, S. 10 ff.; Ballantine, S. 874. 6 1911 hatte Kansas das erste Kapitalmarktgesetz erlassen, in der Folgezeit erließ jeder Bundesstaat ein ähnliches Gesetz, vgl. Cox / Hazen / O’Neal § 27.3, S. 27.4. 7 § 18 Sec. Act: „Nothing in this subchapter shall affect the jurisdiction of the securities commission (or any agency or office performing like functions) of any State or Territory of the United States, or the District of Columbia over any security or any person“. 8 Ebenso etwa Choper / Coffee / Gilson, S. 314. 9 Branson, 50 Wash & Lee L. Rev. 1043 (1993) auf S. 1045. 10 Zu Einzelheiten des state securities law vgl. mit einem Überblick über die verschiedenen Gesetzgebungsansätze Ballantine S. 862; außerdem Vagts, S. 168. Ausführlich Cox / Hazen / O’Neal § 27.2–§ 27.8.

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II. Überblick über den Securities Act 1933 Der Securities Act 1933 baut vorrangig auf die Statuierung von Offenlegungspflichten, er ist also ein sog. disclosure-Gesetz11. In seinem Schwerpunkt stellt er eher Pflichten bei der anfänglichen Plazierung von securities (also Zulassungspflichten) auf als für deren späteren Handel (also Zulassungsfolgepflichten). Die zentrale Norm des Gesetzes ist § 5 Sec. Act. Dieser verbietet jedes öffentliche Angebot und jeden Verkauf von Wertpapieren ohne eine vorherige Registrierung bei der SEC, soweit hierfür zwischenstaatliche Kommunikationsoder Transportmittel oder die Post benutzt werden. Dies gilt generell für alle Wertpapiere und jede Art von Transaktion. § 3 Sec. Act nimmt jedoch einige Wertpapiere von der Registrierungspflicht nach § 5 Sec. Act aus. In § 4 Sec. Act finden sich im übrigen bestimmte Transaktionen, bei denen keine Registrierung nötig ist. Die §§ 6 und 8 Sec. Act enthalten formelle Anforderungen an die Registrierung durch die Festlegung eines bestimmten Verfahrens. §§ 7 und 10 Sec. Act statuieren dagegen die materiellen Anforderungen, indem sie vorschreiben, welche Informationen im Detail offengelegt werden müssen. Die §§ 11 und 12 Sec. Act sind schließlich Anspruchsgrundlagen für eine zivilrechtliche Haftung. § 11 Sec. Act stellt darauf ab, ob einzelne Angaben des Registrierungsprospektes falsch sind oder völlig fehlen. § 12 lit. a Nr. 1 Sec. Act knüpft eine Haftung an eine Verletzung des § 5 Sec. Act. § 12 lit. a Nr. 2 Sec. Act hat einen noch weiteren Anwendungsbereich. Eine Haftung wird hier jedem auferlegt, der bei dem Angebot oder dem Verkauf von Wertpapieren in Kenntnis oder unter Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt12 falsche Tatsachen vorspiegelt oder die Offenlegung von wahren Tatsachen unterläßt. Ebenso wie die Strafvorschrift § 17 Sec. Act ist die Haftung nach § 12 lit. a Nr. 2 Sec. Act unabhängig davon, ob die Wertpapiere der Registrierungspflicht des § 5 Sec. Act unterfallen oder nach §§ 3 oder 4 Sec. Act hiervon ausgenommen sind. Im Rahmen der Arbeit sollen ausgewählte Aspekte des Securities Act 1933 angesprochen werden, die für die hier vorgestellte These von Bedeutung sind: Im einzelnen wird nach einer Klärung des Begriffs des securities, der den Anwendungsbereich des gesamten Kapitalmarktrechts bestimmt (unter B.), und einiger weiterer Begriffe des Securities Act 1933 (unter C. I.), ein Überblick zur ____________ 11

Zu den anderen möglichen Arten von Kapitalmarktgesetzen unten unter E. insbesondere Fußn. 279. 12 § 12 lit. b Nr.2 Sec. Act legt wörtlich fest, daß sich der Verkäufer dadurch verteidigen kann, daß er beweist, daß „he did not know, and in the exercise of reasonable care could not have known, of such untruth or omission“.

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Registrierungspflicht nach § 5 Sec. Act gegeben (unter C. II.). Dabei wird darauf eingegangen, was nach § 7 und § 10 Sec. Act offengelegt werden muß. Dadurch soll es ermöglicht werden, sich ein Bild von den Pflichten zu machen, die durch dieses Gesetz einer Gesellschaft auferlegt werden. Von ganz zentraler Bedeutung ist es für eine Gesellschaft, ob sie unter eine der Ausnahmen in §§ 3 bzw. 4 Sec. Act fällt, da die Vorschriften des Securities Act 1933 mit Ausnahme der strafrechtlichen Vorschrift des § 17 Sec. Act und des deliktsrechtlichen Haftungstatbestands des § 12 lit. b Nr. 2 Sec. Act, also insbesondere die Registrierungspflicht, nur für solche Wertpapiere gelten, die nicht eine Ausnahme erfüllen. Auf diese Ausnahmen wird ausführlich einzugehen sein (unter C. III.).

III. Überblick über den Securities Exchange Act 1934 Der Securities Exchange Act 1934 regelt alle Aspekte des Wertpapierhandels nach einer ersten Plazierung im Markt. Im Gegensatz zum Securities Act 1933 gibt es darin nicht nur eine Zentralnorm. Das Gesetz spricht vielmehr eine ganze Reihe verschiedener Themen an13. Im Vordergrund stehen neben der Regulierung des Handels selbst die Registrierungspflichten für verschiedene an der Börse tätige Personen. Ebenso wie bereits im Securities Act 1933 gibt es hier zudem neben den Offenlegungspflichten sog. antifraud-Vorschriften. Diese gelten wiederum im Hinblick auf alle securities, unabhängig davon ob die emittierende Gesellschaft im übrigen der Registrierungsverpflichtung des Gesetzes unterliegt. Gerade die generelle antifraud-Vorschrift in § 10 lit. b Sec. Ex. Act, speziell mit ihrer Erweiterung in der SEC Rule 10b-5, hat eine weitreichende praktische Bedeutung erlangt und eine geradezu unübersichtliche Fülle an Entscheidungen und Literatur hervorgebracht. Das Augenmerk dieser Arbeit richtet sich jedoch auch hier vor allem auf die Offenlegungspflichten in den §§ 12, 13, 14 und 16 Sec. Ex. Act. In diesen Vorschriften werden zum Teil den Gesellschaftern Pflichten auferlegt14, zum Teil aber auch den Gesellschaften selbst. Im folgenden sollen daraus zwei Aspekte genauer beleuchtet werden: Zum einen ist von Interesse, welche Gesellschaften überhaupt vom Securities Exchange Act 1934 erfaßt werden (unter D. I.). Zum zweiten soll untersucht wer____________ 13

Für einen Überblick siehe Ratner, § 12. Vgl. § 16 a, b = Transactions by Insider; § 13 d, g = Acquisitions of Substantial Blocks; § 14 d, e = Tender Offers; § 13 f = Institutional Investment Managers. 14

§ 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Kapitalmarktrecht

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den, welche Pflichten sich aus diesem Gesetz ergeben (unter D. II.). Danach wird auf das sog. integrated disclouse system eingegangen (unter D. III.).

B. Begriff des security Die meisten kapitalmarktrechtlichen Gesetze, sowohl des Bundes als auch der Einzelstaaten, knüpfen ihre Regelungen an den Zentralbegriff des security, also Wertpapiers, an. Das vorrangige Problem, das sich somit zunächst stellt, ist es, zu bestimmen, was diese Gesetze jeweils unter security verstehen. Um die Tragweite dieser Frage noch einmal zu betonen, muß man sich vor Augen führen, daß für den Fall, daß beispielsweise die Anteile einer close corporation nicht als security behandelt werden würden, weder der Securities Act 1933 noch der Securities Exchange Act 1934 überhaupt Anwendung finden würden. Soweit diese aber als securities qualifiziert werden, können die Anteile zwar noch von der Registrierungspflicht ausgenommen sein, weil sie die Ausnahmen, die die Gesetze bereithalten, erfüllen. Es würden aber trotzdem die antifraud-Vorschriften auf den Verkauf von close corporation-Anteilen anwendbar bleiben15. Dies gilt also insbesondere einerseits für §§ 17, 12 lit. b Nr. 2 Sec. Act und andererseits für § 10 lit. b Sec. Ex. Act einschließlich der SEC Rule 10b-5.

I. Vorgaben im Securities Act 1933 und im Securities Exchange Act 1934 Weder der Securities Act 1933 noch der Securities Exchange Act 1934 enthalten eine Definition des Begriffs security, die anhand allgemeiner Kriterien diesen Begriff umschreiben16. In § 2 Nr. 1 Sec. Act findet sich lediglich eine umfangreiche Liste mit Beispielen, was hierunter zu verstehen ist. So fällt unter security „any note, stock, ____________ 15 Zu der Bedeutung der Frage, ob ein bestimmter Geschäftsanteil als security zu behandeln ist und die Folgen, die sich daraus ergeben, vgl. Sargent, 19 Pepp. L. Rev. 1069 (1992), der diese Frage für die Anteile der limited liability company untersucht und auf S. 1071 ausführt: „If limited liability interests are securities, they cannot be offered or sold without registration or exemption therefrom under the securities laws. In addition, their status as securities would trigger substantial disclosure obligations and create the risk of liability under the antifraud provisions of the securities laws“. 16 Vgl. dazu Sargent, 19 Pepp. L. Rev. 1069, 1081 (1992), der auch auf die daraus resultierenden Probleme und Unsicherheiten hinweist. Ebenso Cook, 15 U. Balt. L. Rev. 310, 314 (1986).

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3. Teil: Amerikanisches Recht

treasury stock, bond, debenture, evidence of indebtedness, certificate of interest or participation in any profit-sharing agreement, collateral-trust certificate, preorganization certificate or subscription, transferable share, investment contract, voting-trust certificate, certificate of deposit for a security, fractional undivided interest in oil, gas, or other mineral rights, ... or, in general, any interest or instrument commonly known as a ‘security,’ or any certificate of interest or participation in, temporary or interim certificate for, receipt for, guarantee of, or warrant or right to subscribe to or purchase, any of the foregoing“. Diese Liste enthält sowohl Begriffe, deren Bedeutung relativ eindeutig ist, als auch solche, deren genauer Inhalt schwerer zu beschreiben ist und einer Konkretisierung bedarf. Letzteres trifft etwa für den „investment contract“ und das „instrument commonly known as a ‘security’“ zu. § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Ex. Act enthält eine ähnliche Liste wie § 2 Nr. 1 Sec. Act. Der Supreme Court hatte im Jahre 1967 in der Entscheidung Tcherepnin v. Knight17 die Gelegenheit, sich zur Bestimmung des Begriffs security im Rahmen des Securities Exchange Act 1934 zu äußern und damit auch zum Verhältnis des Begriffs in Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934. Er hatte dabei zu entscheiden, ob die einziehbare Kapitalbeteiligung an einer sog. capital and loan association, also einer Art Bausparkasse, im Staate Illinois ein security im Sinne des Securities Exchange Act 1934 darstellt oder nicht. Es ging dabei um die Frage, ob eine Verletzung des § 10 lit. b Sec. Ex. Act und der Rule 10b-5 vorlag. Der Supreme Court führte dabei aus, daß aufgrund der praktisch identischen Beispiele in § 2 Nr. 1 Sec. Act und in § 3 lit. a Nr. 10 Sec. Ex. Act, er für die Bestimmung des Begriffs im Securities Exchange Act 1934 auf die zum Securities Act 1933 ergangenen Entscheidungen zurückgreifen könne18. Diese Auffassung bestätigte der Supreme Court in einer Fülle von späteren Entscheidungen19.

____________ 17

389 U.S. 332; 88 S.Ct. 548 (1967). 389 U.S. 332; 88 S.Ct. 548, 553 (1967). Im übrigen verwenden auch die blue sky laws der Einzelstaaten substantiell dieselbe Begriffsbestimmung, vgl. dazu Hazen, 61 N.C. L. Rev. 393, 396 (1983), Ratner, S. 21. Ebenso Branson, 50 Wash & Lee L. Rev. 1043, 1045 (1993) mit zahlreichen weiteren Nachweisen, der aber, v.a. da er mit der Auslegung des Begriffs durch den Supreme Court nicht zufrieden ist, die Gerichte der Einzelstaaten dazu anregt, ihre eigene Auslegung zu entwickeln. 19 Statt vieler vgl. nur Landreth Timber Co. v. Landreth, 471 U.S. 681, 686 Fußn. 1; 105 S.Ct. 2297, 2301 Fußn. 1; 85 L.Ed.2d 692 (1985); Marine Bank v. Weaver, 455 U.S. 551, 555, Fußn. 3; 102 S.Ct. 1220, 1223, Fußn. 3; 71 L.Ed.2d 409 (1982); United Housing Foundation, Inc. v. Forman, 421 U.S. 837, 847, Fußn. 12; 95 S.Ct. 2051, 2058, Fußn. 12; 44 L.Ed.2d 621 (1975). Weitere Nachweise in Loss / Seligman, Fundamentals, S. 169. 18

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Im Fall der close corporation werden die Anteile zumeist als stock, also etwa Aktien, bezeichnet und fallen damit vordergründig unter security im Sinne von § 2 Nr. 1 Sec. Act und in § 3 lit. a Nr. 10 Sec. Ex. Act, wo jeweils der Begriff stock ausdrücklich genannt wird. Die bloße Bezeichnung stock reiche allerdings nicht aus. Dies hat der Supreme Court in der Entscheidung United Housing Foundation, Inc. v. Forman20 entschieden. Daher ist es notwendig, die Auslegung des Begriffes etwas genauer zu untersuchen.

II. Wörtliche Auslegung des Begriffs stock (literal approach) In der eben genannten Entscheidung United Housing Foundation, Inc. v. Forman21 ging es um den Anteil an einer vom Staat subventionierten Wohnungsgenossenschaft (sog. residential housing cooperative). Ein zukünftiger Käufer mußte pro Raum, den er bewohnen wollte, 18 Geschäftsanteile erwerben, die share of stock genannt wurden. Die Übertragung solcher Anteile war mit der Miete eines Appartements in der Genossenschaft verbunden. Die Anteile wiesen jedoch einige Besonderheiten gegenüber Aktien im herkömmlichen Sinne auf. Insbesondere erhielten die Anteilseigner keine Dividende; auch waren die Anteile nicht selbständig übertragbar. In seiner Entscheidung stellt der Supreme Court zusätzliche materielle Anforderungen auf, die als typische Charakteristika22 eines stocks, also einer Aktie, auch in nachfolgenden Entscheidungen23 angesehen wurden. Zum einen sind, nach hier24 geäußerter Ansicht des Supreme Court, stocks typischerweise mit einem Dividendenrecht verbunden, das abhängig ist von der Gewinnzuteilung. Zum anderen können sie verkauft und üblicherweise auch verpfändet werden. Darüber hinaus gewähren stocks in der Regel ein Stimmrecht, das proportional ist zur Anzahl der Anteile, die der Stimmberechtigte inne hat. Schließlich können sie dem Wert nach eingeschätzt werden. Daß im vorliegenden Fall die beiden ersten Merkmale nicht erfüllt waren, wurde bereits erwähnt. Zudem war das Stimmrecht nicht abhängig von der Anzahl der Anteile. Bei der Beteiligung an Angelegenheiten der Genossenschaft hatten vielmehr die Bewohner eine Stimme pro Appartement, unabhängig davon, wie ____________ 20

421 U.S. 837; 95 S.Ct. 2051; 44 L.Ed.2d 621 (1975). 421 U.S. 837; 95 S.Ct. 2051; 44 L.Ed.2d 621 (1975). 22 421 U.S. 837, 851; 95 S.Ct. 2051, 2060 (1975): „… some of the significant characteristics typically associated with stock“. 23 Statt vieler Landreth Timber Co. v. Landreth, 471 U.S. 681, 686; 105 S.Ct. 2297, 2302 (1985). 24 United Housing Foundation, Inc. v. Forman, 421 U.S. 837, 851; 95 S.Ct. 2051, 2060; 44 L.Ed.2d 621 (1975). 21

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viele Anteile sie hielten. Nachdem den Geschäftsanteilen also alle materiellen Charakteristika des Begriffs stock fehlten, kam der Supreme Court zu dem Ergebnis, daß kein security im Sinne des Securities Act 1933 und des Securities Exchange Act 1934 vorliege, auch wenn die Anteile als stock bezeichnet werden. Somit waren die antifraud-Vorschriften beider Gesetze nicht anwendbar.

III. Auslegung des Begriffs stock nach ökonomischen Gesichtspunkten (economic reality approach) Im Zusammenhang mit der Übertragung von Anteilen einer close corporation entstand eine weitere Unsicherheit in der Auslegung des Begriffs stock. Insbesondere wenn 100 % der Anteile an einer solchen Gesellschaft verkauft werden, tritt die Frage auf, ob auch dieser Verkauf unter den Securities Act 1933 und den Securities Exchange Act 1934 falle. Diese Frage wird von den verschiedenen Circuits – Spruchkammern – des U.S. Court of Appeals in unterschiedlicher Weise beantwortet25. Der 7th, 10th und 11th Circuit des U.S. Court of Appeals entwickelte die sog. sale of business doctrine (unter 1.). Darin wird ein Verkauf der genannten Art unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtetet. Die Gerichte nahmen daher an, daß es hier nicht um den Verkauf eines security gehe. Der 2nd, 3rd und 4th Circuit des U.S. Court of Appeals hielten hingegen an einer am Wortlaut orientierten Auslegung fest (unter 2.). Sie nahmen daher an, daß der Begriff stock grundsätzlich in jedem Fall auch unter den Begriff security im Sinne der beiden Gesetze falle.

1. Sale of business doctrine Um die sale of business doctrine zu verstehen und den damit verbundenen ökonomischen Auslegungsansatz, ist es notwendig, den Zusammenhang zu sehen, in dem sie erstmals entwickelt wurde. Dies war die Entscheidung SEC v. W.J. Howey Co.26, die Leitentscheidung zur Auslegung des Begriffs investment contract in § 2 Nr. 1 Sec. Act.

____________ 25 Vgl. zu den Hintergründen der Auseinandersetzung und mit zahlreichen Nachweisen zu den Entscheidungen der einzelnen Circuits, Prentice / Roszkowski, 44 Ohio St. L.J. 473 (1983), v.a. S. 475 ff. 26 328 U.S. 293, 66 S.Ct. 1100, 90 L.Ed. 1244, 163 A.L.R. 1043 (1946).

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In dieser Entscheidung ging es um eine Gesellschaft in Florida, die große Orangenplantagen besaß. Diese bot potentiellen Käufern Grundstückskaufverträge über Landparzellen an. Diese Kaufverträge waren mit einem Managementvertrag verbunden, der die Ernte und den Vertrieb der Früchte mit einschloß. Alle Parzellen der Käufer wurden von der Gesellschaft zusammen bewirtschaftet. Die Käufer erhielten aus dem Verkauf der Früchte einen Gewinnanteil, der sich an der Größe des Parzellenanteils bemaß. Darüber hinaus hatten die Käufer kein vertragliches Recht, das Land zu betreten, etwa um die Ernte selbst zu vertreiben. Auch hatten sie kein Eigentumsrecht an speziellen Früchten. In der Entscheidung stand nun die Frage im Mittelpunkt, ob die Grundstückskaufverträge nicht eigentlich investment contracts im Sinne des § 2 Nr. 1 Sec. Act seien, so daß die Verwendung von Post und anderen Mitteln des zwischenstaatlichen Handels zur Weitergabe von Informationen § 5 Sec. Act verletze, soweit zuvor keine Registrierung erfolgte. Der U.S. Supreme Court entwickelte hier einen Test mit vier Merkmalen, durch den entschieden werden sollte, ob ein investment contract vorliege (sog. Howey-Test). Dazu führt das Gericht folgendes aus: „An investment contract for purposes of the Securities Act means a contract, transaction or scheme whereby a person invests his money in a common enterprise and is led to expect profits solely from the efforts of the promoter or a third party“27. Als erstes Merkmal ist es demnach notwendig, daß eine Person ihr Geld investiert. Dabei muß es sich zum zweiten um eine Investition in ein sog. common enterprise28, also ein gemeinschaftliches Unternehmen handeln. Drittens muß sich der Anleger von einer Gewinnerwartung leiten lassen und viertens darf diese Gewinnerwartung einzig29 aus den Anstrengungen dritter Personen resultieren. In SEC v. W.J. Howey Co entschied nun der Supreme Court, daß hier eindeutig ein solcher investment contract vorliege. Ein Blick auf die ökonomischen Hintergründe der Transaktion zeige deutlich, daß es den Käufern der Parzellen nur um

____________ 27

328 U.S. 293, 299; 66 S.Ct. 1100, 1103 (1946). Die Gerichte unterscheiden hier horizontal commonality, d.h. daß die Anleger durch einen einzigen gemeinsamen Pool an Vermögen beteiligt sind und vertical commonality, bei dem eine Gewinnvereinbarung zwischen den an der Gesellschaft aktiv beteiligten Gesellschaftern und jedem einzelnen Anleger besteht. Im Falle der letzteren Gestaltung ist umstritten, ob dies für die Erfüllung eines common enterprise genügt, vgl. ausführlich dazu Revak v. SEC Realty 18 F.3d 81, 87 f. (1994). 29 Der Begriff „einzig“, also solely wurde später durch primarily bzw. substantially, also „vorwiegend“, ersetzt. Dadurch sollten auch sog. pyramid sales arrangements erfaßt werden, vgl. Cox / Hazen / O'Neal, § 27.13, S. 27.38; Ratner, S. 27 f. 28

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eine passive Investition gehe. Die Käufer seien weder in der Lage das Land selbst zu bewirtschaften, noch sei dies ökonomisch sinnvoll30. In der Entscheidung Frederiksen v. Poloway31 übertrug der U.S. Court of Appeals 7th Circuit diese wirtschaftliche Betrachtungsweise auch auf die Frage, ob der Begriff stock unter die Voraussetzungen eines security falle. Es ging in dieser Entscheidung um den Verkauf sämtlicher Anteile an einer close corporation. Der bisherige alleinige Anteilseigner schloß mit dem Käufer eine Art Beratervertrag. Als dieser gekündigt wurde, klagte er wegen Vertragsverletzung und wegen fraud. Der Käufer erhob daraufhin eine Klage gegen den Verkäufer wegen Verletzung der antifraud-Vorschriften des Kapitalmarktrechts des Bundes. Das Gericht wies die Klage zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, daß mit Blick auf den ökonomischen Hintergrund der Transaktion kein Verkauf von securities vorliege. Dabei würde es am Erfordernis des Betreibens eines common enterprises fehle, so wie der Begriff in SEC v. W.J. Howey Co. entwickelt wurde. Als alleiner Eigentümer des Unternehmens würde der Käufer mit niemanden zusammen ein solches betreiben. Die Tatsache, daß ein Beratungsvertrag mit dem ehemaligen alleinigen Anteilseigner bestehen würde, ändere hieran nichts. Diese Vertrag sei ein bloßer Arbeitsvertrag, aber keine Investition in Wertpapiere, auch wenn die Gegenleistung erfolgsbezogen sei32. Zudem würde der Käufer die Gesellschaft eindeutig kontrollieren, so daß der Gewinn vollständig aus seinen eigenen Anstrengungen resultiere, nicht aber aus den anderer Personen. Aus diesen Gründen entschied das Gericht, daß bei der vorhandenen Transaktion kein security betroffen sei. In diesem und ähnlichen Fällen nahmen die Gerichte somit an, daß es unter Berücksichtigung der ökonomischen Hintergründe bei einem Verkauf sämtlicher Anteile an einer Gesellschaft nicht um den Verkauf von securities, also Wertpapiere, sondern um den Verkauf von Vermögensgegenständen (assets) gehe. Daher wurde der Securities Act 1933 und der Securities Exchange Act 1934 nicht auf solche Verkäufe eines Unternehmens als Ganzes angewendet. Dies ist gerade deswegen von Bedeutung, da die Frage, ob der Kauf eines Unternehmens durch den Verkauf der Anteile (share deal) oder durch den Verkauf von Vermögensgütern (asset deal) in der Praxis oft weitgehend austauschbar ist. Häufig ist die konkrete Gestaltung von steuerlichen Fragen abhängig, oder

____________ 30

SEC v. W.J. Howey Co , 328 U.S. 293, 300; 66 S.Ct. 1100, 1103 (1946). 637 F.2d 1147 (1981). 32 637 F.2d 1147, 1152 (1981): „The fact that an employee receives partial compensation in commissions on sales does not transform an employment contract into a securities investment“. 31

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davon, ob das Eigentum des Verkäufers an den Anteilen für den Käufer hinreichend sicher erscheint.

2. Zurückweisung des economic reality approach Diese Auslegung der beiden Gesetze durch die 7th, 10th und 11th Circuits des U.S. Courts of Appeals stieß auf harte Kritik durch die 2nd, 3rd und 4th Circuits des U.S. Courts of Appeals. Diese Circuits wollten den sog. Howey-Test nur dann anwenden, wenn es wirklich um die Frage ging, ob im konkreten Fall ein investment contract vorliege. Auch in der Literatur ist die Anwendung der vier Merkmale dieses Tests auf Kritik gestoßen. Hauptkritikpunkt ist dabei, daß die Kriterien nicht im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs stock oder security entwickelt worden seien. Ursprünglich diente der Howey-Test dazu, den Anwendungsbereich des Gesetzes auszudehnen. Auch ohne das Vorliegen der formellen Anforderungen an ein Wertpapier, also insbesondere ohne eine Urkunde, sollten die Vorschriften des Kapitalmarktrechts anwendbar sein, damit der Schutzzweck der beiden Gesetze nicht umgangen werden könne. Im Bereich der sale of business doctrine beschreiten die Gerichte indes den entgegengesetzten Weg und schränken die Anwendbarkeit des Gesetzes durch dieselbe Regel ein33. Für die speziellen Fälle des Verkaufs eines Unternehmens in seiner Gesamtheit müßte, wenn überhaupt, eine Ausnahme durch den Gesetzgeber geschaffen werden. Eine solche Ausnahme, die aus die Interpretation der Gerichte hervorgehe, sei nicht zulässig34. Ein eindeutiges Votum erteilte auch der Supreme Court in der Entscheidung Landreth Timber Co. v. Landreth35. Auch hier ging es um den Kauf aller Anteile einer close corporation, die als Geschäftszweck eine Mühle betrieb. Nachdem sich die Gesellschaft nicht den Erwartungen des ursprünglichen Käufers entsprechend entwickelte, verkaufte dieser sie mit Verlust weiter. Hierauf klagte er vor dem Federal District Court auf Aufhebung des Kaufvertrages und Schadensersatz wegen Verletzung der Registrierungspflicht unter dem Securities Act 1933 und den antifraud-Regeln des Securities Exchange Act 1934. Das Gericht erster Instanz wies die Klage ab, da unter der sale of business doctrine kein Verkauf eines security vorlag. Das Berufungsgericht, der ____________ 33

Vgl. dazu Hazen, 61 N.C. L. Rev. 393, 398 und 401 (1983). Hazen, 61 N.C. L. Rev. 393, 403 (1983), Cook, 15 U. Balt. L. Rev. 310, 329 (1986). 35 471 U.S. 681; 105 S.Ct. 2297; 85 L.Ed.2d 692 (1985). 34

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9th Circuit of Appeals, bestätigte diese Entscheidung. Anders entschied der Supreme Court. Er führte zunächst aus, daß unter Anwendung der Grundsätze aus United Housing Foundation, Inc. v. Forman die Anteile hier allen typischerweise mit stocks verbundenen Charakteristika entsprechen würden. Dies war auch vom Federal District Court so beurteilt worden. Danach führte der Supreme Court aus, daß es dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde, die breite Definition des security, die sich in beiden Gesetzen findet, wieder durch den Howey-Test einzuschränken, mit dem Ergebnis, daß stocks im herkömmlichen Sinne aus dem Anwendungsbereich dieser Gesetze fallen könnten36. Das Gericht lehnte die Anwendung des Howey-Test aus mehreren Gründen ab: Dieser Test sei im Zusammenhang mit ungewöhnlichen Investionspapieren entwickelt worden. Da es sich bei stock jedoch um eine traditionelle Aktie handele, gäbe es keinen Grund den Test auch hier anzuwenden: „In the case at bar, in contrast, the instrument involved is traditional stock, plainly within the statutory definition. There is no need here, as there was in the prior cases, to look beyond the characteristics of the instrument to determine whether the Acts apply“37. Eine Ausdehnung dieses Tests auf alle im Gesetz aufgezählten Investitionstypen würde sogar die Aufzählung selbst überflüssig machen38. Der Beklagte argumentierte dagegen, daß sich der Schutzzweck beider Gesetze lediglich auf den „passiven Anleger“ beziehe, nicht aber auf den Unternehmer selbst, der Kontrolle über die Gesellschaft habe. Auch diesen Einwand wies der Supreme Court unter Hinweis auf die Vorschriften des Securities Exchange Act 1934 zu Übernahmeangeboten zurück. Des weiteren erwähnte er in diesem Zusammenhang auch die Offenlegungspflichten für Transaktionen von officers und Mehrheitsgesellschaftern sowie die Rückzahlungspflicht für sog. shortswing profits. Dabei handelt es sich um Vorteile, die dadurch entstehen, daß die vorgenannten Personen aufgrund ihres Zugang zu Informationen früher als jemand anderes Anteile kaufen oder verkaufen können (§§ 14–16 Sec. Ex. Act)39. Ein Ausschluß all dieser Transaktionen bereits aus der Definition des security würden dem Zweck dieser Vorschriften widersprechen.

____________ 36 471 U.S. 681, 688; 105 S.Ct. 2297, 2303 (1985): „… we think it would improperly narrow Congress' broad definition of ‘security’ to hold that the traditional stock at issue here falls outside the Acts' coverage“. 37 471 U.S. 681, 690; 105 S.Ct. 2297, 2304 (1985). 38 471 U.S. 681, 692; 105 S.Ct. 2297, 2305 (1985). 39 471 U.S. 681, 692; 105 S.Ct. 2297, 2305 (1985).

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Nach Meinung des Supreme Court findet somit der Howey-Test keine generelle Anwendung bei der Definition des security. Es bleibt hier beim sog. literal approach, der zunächst vorgestellt wurde.

IV. Zwischenergebnis Entscheidend für die Annahme eines security ist nach der Rechtsprechung, daß ein Anleger Geld oder Eigentum für einen Anteil an einem Unternehmen aufwendet in der Erwartung Gewinn zu erzielen40. Die Anteile einer close corporation werden im Regelfall als stock ein security im Sinne des Kapitalmarktrechts darstellen. Die Definitionen in § 2 Nr. 1 Sec. Act und in § 3 lit. a Nr. 10 Sec. Ex. Act entsprechen sich insofern. Eine Auslegung des Begriffs orientiert sich allein am Wortlaut. Dabei müssen stocks die materiellen Anforderungen, die der Supreme Court in United Housing Foundation, Inc. v. Forman entwickelt hat, erfüllen. Eine ökonomische Betrachtung nach dem sog. „Howey-Test“ findet auch im Falle eines Verkaufs aller Anteile einer close corporation nicht statt. Die sale of business doctrine der 7th, 10th und 11th Circuits des U.S. Courts of Appeals wurde vom Supreme Court vielmehr als nicht anwendbar erklärt.

C. Disclosure nach dem Securities Act 1933 Die zentrale Vorschrift für Offenlegungspflichten nach dem Securities Act 1933 ist – wie erwähnt – § 5 Sec. Act. Der Wortlaut der lit. a der Vorschrift lautet wie folgt: „Unless a registration statement is in effect as to a security, it shall be unlawful for any person, directly or indirectly – (1) to make use of any means or instruments of transportation or communication in interstate commerce or of the mails to sell such security through the use or medium of any prospectus or otherwise; or (2) to carry or cause to be carried through the mails or in interstate commerce, by any means or instruments of transportation, any such security for the purpose of sale or for delivery after sale.“ Es ist also demnach verboten, securities unter Benutzung der Posteinrichtungen oder anderer Einrichtungen des interstate commerce zu verkaufen, ohne diese Wertpapiere zuvor durch die SEC registrieren zu lassen.

____________ 40

Zusammenfassend so Ballantine, S. 879.

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Nachdem bereits oben (unter B.) ausführlich dargestellt wurde, was unter security im Sinne des Securities Act 1933 zu verstehen ist, fehlt noch die Erörterung zweier weiterer grundlegender Begriffe (unter I.). Es stellt sich zum einen die Frage, was unter interstate commerce im Sinne des § 5 Sec. Act zu verstehen ist (unter I. 1.). Zum anderen ist zu bestimmen, welche Transaktionen die Begriffe sale, also Verkauf, bzw. auch offer to sell umfassen (unter I. 2.). Daran anschließend wird diese Arbeit die Prospektpflicht nach § 5 Sec. Act näher darstellen (unter II.) und schließlich wird unter III. auf die zentrale Frage eingegangen, welche Wertpapiere und Transaktionen von der Prospektpflicht ausgenommen sind.

I. Grundlegende Begriffe des Securities Act 1933 1. Begriff des interstate commerce Der Begriff interstate commerce, also zwischenstaatlicher Handel, wird ebenso wie der Begriff security und das Securities Act 1933 insgesamt weit ausgelegt. Die Gerichte haben dazu mehrfach ausgeführt, daß ein solches Vorgehen im Interesse des Ziels des Kapitalmarktrechts ist, möglichst umfassenden Schutz durch Offenlegung zu gewähren. Die Regeln sollen „flexibly, not technically and restrictively“41, also flexibel und nicht technisch und restriktiv ausgelegt werden. Dieser Grundsatz findet bei der Auslegung des Begriffs interstate commerce in mehrfacher Hinsicht Anwendung. Er gilt für die Beantwortung der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Instrumente des interstate commerce benutzt werden müssen, ebenso wie für die Auslegung des Begriffs insgesamt. Die Entscheidung Franklin Savings Bank of New York v. Levy42 des U.S. Courts of Appeals befaßte sich mit der ersten hier angesprochenen Frage. In dieser Entscheidung ging es um den Verkauf von notes, einer bestimmten Art von Schuldverschreibungen. Ohne die Einzelheiten des Falles beschreiben zu wollen, ist festzuhalten, daß die Gesellschaft, um deren notes es ging, in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Bei einer Versammlung, bei der die zu erwartenden zukünftigen Verluste behandelt werden sollten, wurden von dem Beklagten Levy, der zu der general partnership gehörte, die exklusiv mit diesen Papieren handelte, einige für die Zukunft der Gesellschaft wesentliche Daten ____________ 41 So z.B. der 7th Circuit in Dupuy v. Dupuy, 511 F.2d 641, 643 (1975). Ähnlich auch schon der Supreme Court in Tcherepnin v. Knight, 389 U.S. 332, 338; 88 S.Ct. 548, 554 (1967) zur Frage, wie der Begriff security ausgelegt werden muß. 42 551 F.2d 521 (1977).

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nicht offengelegt. Die Franklin Savings Bank of New York, ein Käufer dieses Papiers, klagte daraufhin wegen Verletzung der antifraud-Vorschriften unter § 12 lit. a Nr. 2 Sec. Act und § 10 lit. b Sec. Ex. Act. Eine Schwierigkeit der Klagebegründung stellte es dar, daß für die Verletzung von § 12 lit. a Nr. 2 Sec. Act ein Verkauf unter Verwendung von Transport- oder Kommunikationsmitteln des zwischenstaatlichen Handels erforderlich gewesen wäre43. Beim vorliegenden Verkauf waren aber alle wesentlichen Schritte persönlich, also ohne Verwendung solcher Instrumente abgewickelt worden. Dies galt insbesondere für die Übergabe der notes und die Bezahlung. Schriftliche Äußerungen, die mit der Post versendet wurden, hatten nur instruierenden bzw. bestätigenden Charakter, wie beispielsweise die Bestätigung des Erhalts der note nach der Abwicklung des Verkaufs. Im Sinne eines möglichst umfassenden Schutzes, entschied der Supreme Court jedoch, daß auch die Versendung von Nachrichten, die lediglich zur Bestätigung eines bereits vorher getätigten Verkaufs dienten, ausreiche um den Anwendungsbereich des Securities Act 1933 zu eröffnen44. Somit wurde der zeitliche Rahmen für die Verwendung der Instrumente des interstate commerce denkbar weit gefaßt, da nicht nur eine Benutzung zwischen Vertragsanbahnung und Vertragsschluß zu einer Anwendung des Securities Act 1933 führte. Auch eine solche Nutzung nach Vertragsschluß war ausreichend. Auch für die zweite oben angesprochene Frage, wann überhaupt ein Instrument des interstate commerce vorliege, haben sich die Gerichte für eine weite Auslegung entschieden. In einer Reihe von Entscheidungen hatten die Gerichte darüber zu befinden, ob eine Verwendung die Instrumente des interstate commerce auch dann gegeben sei, wenn im Zusammenhang mit dem Verkauf lediglich innerstaatliche Telefonanrufe geführt worden waren. Exemplarisch für dieses Problem ist die Entscheidung Dupuy v. Dupuy45 des U.S. Court of Appeals. Der Kläger klagte hier gegen seinen Bruder auf der ____________ 43

Wörtlich spricht § 12 Abs. 2 Sec. Act davon, daß das security verkauft werden muß „by use of any means or instruments of transportation or communication in interstate commerce or of the mails“. 44 551 F.2d 521, 524 (1977): „However, it has been generally held that the mailing of a letter which simply confirms a prior sale constitutes an appropriate basis for jurisdiction under the 1933 Act.“ In Fußn. 8 derselben Seite finden sich zahlreiche Nachweise aus der Rechtsprechung. Ebenso schon der 2nd Circuit im Jahre 1943 über die Intention des Kongresses: „It would seem much more likely that Congress intended to make the statute applicable if one sells a security by use of the mails, even though the seller’s untrue or misleading statement is communicated orally and intrastate.“ Schillner v. H. Vaughan Clarke & Co, 134 F.2d 875, 877 (1943). 45 511 F.2d 641 (1975).

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Ebene des Bundesrechts wegen Verletzung der Rule 10b-5. Beide Brüder hielten ursprünglich denselben Prozentsatz an Anteilen einer Gesellschaft, der ein Hotel gehörte. Nachdem sich ein Bruder aus gesundheitlichen Gründen bereits aus dem Management der Gesellschaft zurückgezogen hatte, wollte er nun auch die Geschäftsanteile an seinen Bruder verkaufen. In diesem Zusammenhang beschuldigte er seinen Bruder, daß dieser beim Verkauf bestimmte wichtige Daten, die den Wert der Anteile beeinflußten, falsch dargestellt hatte, so daß der Kläger bereit war, die Anteile zu einem Vielfachen unter Wert zu verkaufen. Um seine Klage aus dem Kapitalmarktrecht des Bundes zu begründen, gab er vor, daß ein Großteil des Verkaufs durch innerstaatliche Telefonate vorbereitet und abgewickelt wurde. Das Gericht stellte zunächst klar, daß es in dieser Frage nur darüber zu entscheiden hatte, ob der Gesetzgeber solche Anrufe unter die Regeln des Securities Act 1933 und des Securities Exchange Act 1934 einbeziehen wollte. Auf die Frage, ob dieser auch die Kompetenz dazu habe, ging es nicht ein. Das Bestehen einer solchen Kompetenz sei allgemein anerkannt46. Nach Ansicht des Gerichts sei auch zu berücksichtigen, daß dem Gesetzgeber an einem möglichst umfassenden Schutz gelegen gewesen sei, was für eine extensive Auslegung des Begriffs spreche. Gerade vor dem Hintergrund, daß der Kongreß mit den beiden Gesetzen ein umfassendes gesetzliches Regime zur Vermeidung von fraud im Bereich des Wertpapierhandels geschaffen habe, wäre es ungewöhnlich, wenn er den Anwendungsbereich der Gesetze restriktiv bestimmt hätte. Daher sei davon auszugehen, daß auch bei einem Anruf innerhalb eines Staates die Mittel der zwischenstaatlichen Kommunikation benutzt werden, mit der Folge, daß die Vorschriften beider Gesetze Anwendung fänden47. Etwas deutlicher hatte diese Auslegung noch der U.S. Court of Appeals in Aquionics Acceptance Corporation v. Kollar48 erläutert. Als maßgeblich wurde für die Frage, ob eine Einrichtung des zwischenstaatlichen Handels verwendet werde, nur betrachtet, daß der Charakter der Einrichtung selbst über die Grenze der Einzelstaaten hinausgehe. Der Charakter des speziellen Anrufs spielt dagegen keine Rolle. („It is the character of the instrument used rather than the nature of the call, which determines“49.) Ebenso führte das Gericht in Kerbs v. ____________ 46 511 F.2d 641, 642 (1975): „… we are of course dealing exclusively with a question of Congressional intent, not Congressional power. It is well-established that Congress may regulate intrastate activity when necessary for the protection of interstate commerce“. 47 511 F.2d 641, 643 f. (1975). 48 503 F.2d 1225 (1974). 49 503 F.2d 1225, 1228 (1974).

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Fall River Industries50 aus, daß sowohl innerstaatliche als auch zwischenstaatliche Telefonate Teile eines Telefonsystems seien, das man als ganzes sehen müsse. Der Kongreß habe solange die Regelungskompetenz, wie die Einrichtung selbst integrierter Teil eines zwischenstaatlichen Systems sei. Dies gelte zumindest, wenn es für den Schutz des zwischenstaatlichen Handels notwendig sei, auch Aktivitäten innerhalb eines Staates mit einzubeziehen. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß der Begriff des interstate commerce im Rahmen des Securities Act 1933 (ebenso wie des Securities Exchange Act 1934) weit verstanden wird. Dieser Handel soll auch dann berührt sein, und damit der Anwendungsbereich der Gesetze eröffnet, wenn beim Verkauf Telefonate allein innerhalb eines einzelnen Staates geführt wurden. Darüber hinaus genügt es, wenn die Einrichtungen des interstate commerce in irgendeinem – auch weiten – Zusammenhang mit dem Verkauf verwendet worden sind. Dies bedeutet etwa, daß auch die Bestätigung nach Abwicklung des eigentlichen Kaufes, beispielsweise durch einen Brief, ausreichend ist. Eine Transaktion fällt somit nur dann nicht unter die Gesetze, wenn im gesamten Zusammenhang weder Telefon noch Post (noch das Internet und e-Mail) verwendet werden, sondern alles auf einer persönlichen Basis abgewickelt wird. Dies dürfte ausgesprochen selten der Fall sein.

2. Begriff des sale oder offer to sell Eine Definition des Begriff sale bzw. offer to sell enthält § 2 Nr. 3 Sec. Act. Demnach versteht das Gesetz unter sale jeden Kaufvertrag oder jede Verfügung über securities oder einen Anspruchs auf securities für einen Gegenwert, also „every contract of sale or disposition of security or interest in a security, for value“. Offer to sell, bzw. offer for sale oder offer allgemein umfaßt, sämtliche wie auch immer geartete Formen eines Angebots über ein security oder einen Anspruch darauf, um gegen einen Gegenwert zu verfügen. Außerdem fällt auch das Ersuchen um ein Kaufangebot, also eine reine invitatio ad offerendum, darunter. Das Gesetz selbst spricht von „every attempt or offer to dispose of, or solicitation of an offer to buy, a security or interest in a security, for value“. Durch diese weite Begriffsbestimmung will das Gesetz, wie der District Court, N.D. Texas, Dallas Division in SEC v. Addison51 ausdrückt, jede noch so raffiniert erdachte Methode erfassen, die dazu dient, Geld von Mitgliedern der ____________ 50

502 F.2d 731 (1974) auf S. 738. Ähnlich schon Myzel v. Fields, 386 F.2d 718, 727 f. (1967). 51 194 F. Supp. 709 (1961).

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Öffentlichkeit für ein Finanzierungsprojekt zu gewinnen52. Dies muß auch solche Fälle einschließen, in denen die Ausgabe des Wertpapiers nur ein Teil der Transaktion ist. Ein Beispiel dafür wäre ein kombinierte Geschäft, bei dem ein Element einer Schenkung eines zuvor ausgegebenen Wertpapiers verbunden mit dem Kauf einer anderen Sache ist oder auch eine Gratifikation, die im Zusammenhang mit einem Darlehen oder der Leistung von Diensten steht53. Zur Bestimmung des Begriffs im Securities Act 1933 sollen an dieser Stelle zwei weitere Entscheidungen herangezogen werden, die wesentlich für die Auslegung des Begriffs sind: In Rubin v. United States54, einer strafrechtliche Entscheidung, in der die Verletzung von § 17 Sec. Act im Raume stand, hatte das Gericht darüber zu befinden, ob auch ein pledge, also die Verpfändung von Wertpapieren, eine Transaktion im Sinne des Securities Act 1933 darstelle. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte war Vizepräsident der Tri-State Energy, Inc., die sich mit Energiegewinnung befaßte. Diese Gesellschaft hatte ernste finanzielle Probleme. Die Bank war aber zur Gewährung eines Darlehen allein nach Vorlage eines Finanzierungskonzepts bereit. Die der Bank vorgelegten Unterlagen zum Finanzierungskonzept waren in vielerlei Hinsicht unvollständig und falsch. Dabei wurden etwa die Gewinnerwartungen in hohem Maße auf Scheinverträge und gefälschte Dokumente gestützt. Als Sicherheit für das Darlehen wurden Geschäftsanteile verpflichtet, die aber faktisch wertlos waren. Der Vizepräsident wurde nun angeklagt, die antifraud-Bestimmung des Securities Act 1933, also § 17 Sec. Act, verletzt zu haben. Das Gericht entschied, daß hier ein sale im Sinne des Gesetzes gegeben war. Es begründete seine Entscheidung damit, daß die Verpfändung eine „disposition of [an] interest in a security, for value“, also Verfügung über das Recht an einem Wertpapier darstelle. Zwar würde bei einer solchen Transaktion nicht der gesamte Titel übertragen werden, dies sei aber auch nicht nötig. Zum einen würde gerade ein interest in a security übertragen werden, zum anderen könne

____________ 52 194 F. Supp. 709, 722 (1961): „The terms … are also broadly defined to include ingenious methods employed to obtain money from members of the public to finance ventures“. 53 Hinzuweisen bleibt in diesem Zusammenhang darauf, daß die blue sky laws einiger Staaten, insbesondere das Kapitalmarktgesetz Kaliforniens eine noch umfassendere Definition des Begriffs sale kennen, vgl. dazu Ballantine, S. 880; Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.43 Fußn. 5. 54 449 U.S. 424 (1981).

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die Verpfändung dazu führen, daß im Falle der Nichtauslösung das Eigentum an dem Objekt übergehe55. Man kann also allgemein sagen, daß jede Veränderung der ursprünglichen Verpflichtung, die auf einer Vereinbarung zwischen dem Inhaber des Wertpapiers und dem Emittenten beruht, so behandelt wird, als wenn es sich um einen Austausch der „alten“ Wertpapiere gegen neue Wertpapiere handeln würde, die zu diesem Zwecke emittiert wurden56. Ergänzend bemerken Cox, Hazen und O'Neal jedoch, daß im Gegensatz dazu die Zahlung von Dividenden durch die Ausgabe eigener Aktien oder die einer anderen Gesellschaft selbst keinen sale konstituieren würde57. Abschließend sei noch erwähnt, daß nicht nur die freiwillige Übertragung von securities unter den Begriff sale im Sinne des Securities Act 1933 fällt58. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit mergers, also Unternehmenszusammenschlüssen, aber auch in Verbindung mit bestimmten anderen Formen der Reorganisation, von Bedeutung. Hier wurde zunächst lange Zeit angenommen, daß diese keinen sale der Wertpapiere selbst darstellen würden und damit von der Registrierungspflicht des § 5 Sec. Act ausgenommen seien. Dies änderte sich aber mit der Rule 145, die von der SEC im Jahre 1972 erlassen wurde und eine Abkehr von der bisherigen Praxis bedeutete59, so daß heute auch Reorganisationen zu einem sale im Sinne des Securities Act 1933 führen können.

II. Prospektpflicht nach § 5 Sec. Act Nachdem bisher die Voraussetzungen des § 5 Sec. Act erörtert wurden, geht es im folgenden Abschnitt um die daraus resultierenden Rechtsfolgen. Für diese Rechtsfolgen sind drei zeitliche Phasen bis zur endgültigen Registrierung zu unterscheiden, auf die auch § 5 Sec. Act selbst Bezug nimmt (unter 1.). In jeder ____________ 55 Noch weiter zieht die Entscheidung SEC v. Associated Gas & Electronic Co., 99 F.2d 795 (1938) den Begriff des sale. Hier entschied der Federal Court of Appeals, daß die Verlängerung der Fälligkeit einer Schuldverschreibung einen sale darstelle. Es ging hier zwar um einen Fall unter dem Public Utility Holding Company Act 1935. Das Gericht führte aber ausdrücklich aus, daß es keinen Grund für eine unterschiedliche Begriffsbestimmung in diesem Spezialgesetz und dem Securities Exchange Act 1934 bzw. Securities Act 1933 gebe. Damit hat also die angesprochene Auslegung des Begriffs sale für alle Gesetze Bedeutung. 56 So auch Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.43. 57 S. 27.43 m.w.N. Beachte aber die Ausnahme im Falle sog. spin-offs und shell corporation, dazu ausführlich Ratner, S. 67; Loss / Seligman, Fundamentals, S. 242 ff. 58 Cary / Eisenberg, S. 1494. 59 Dazu Ratner, S. 67, zur alten Rechtslage noch Ballantine, S. 881.

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dieser Phase hat der Emittent hinsichtlich des Verkaufs und des Angebots unterschiedliche Rechte und Pflichten. Die folgenden Vorschriften des Securities Act 1933 (§§ 6–10 Sec. Act) geben Aufschluß darüber, welchen Inhalt der von § 5 Sec. Act geforderte Prospekt haben muß (§§ 7 und 10 Sec. Act) und welche formellen Anforderungen (also welches Verfahren) bei der Registrierung unter dem Securities Act 1933 eingehalten werden muß (§§ 6 und 8 Sec. Act) (dazu unter 2.). 1. Drei Phasen der Registrierung60 Die drei Phasen der Registrierung ergeben sich aus dem Zusammenwirken der drei Absätze des § 5 Sec. Act. Da dieses sich äußerst komplex darstellt, soll es zunächst an Hand einer Übersicht61 verdeutlicht werden.

Filing Date

Effective Date

§ 5 lit. a § 5 lit. b Nr. 1 § 5 lit. b Nr. 2 § 5 lit. c Pre-filing period

Waiting period

Post-effective period

Abbildung: Übersicht zu § 5 Securities Act 1933

Die erste Phase bei einer geplanten Registrierung von securities wird „prefiling period“ genannt. Sie umfaßt den Zeitraum bis das Registrierungsformular eingereicht wird. Kurz zusammengefaßt kann man sagen, daß in diesem Zeitraum weder ein Verkauf, noch ein bloßes Angebot von securities i.S.d. § 2 Nr. 3 Sec. Act erlaubt sind. Dies ergibt sich aus § 5 lit. c Sec. Act, der Angebot und Verkauf untersagt, bevor ein entsprechendes Registrierungsdokument eingereicht worden ist („unless a registration statement has been filed“). Außerdem statuiert § 5 lit. a Sec. Act für diesen Zeitraum bereits das Verbot eines Verkaufs ohne Registrierung. ____________ 60 Hier kann und soll nur ein erster Eindruck von dem vermittelt werden, was in der jeweiligen Phase zulässig ist. Für Details wird insbesondere auf Ratner, S. 43 ff., v.a. S. 47 ff. und Cox / Hazen / O'Neal § 27.11.1. verwiesen. 61 Die Übersicht orientiert sich an den beiden Übersichten in Ratner, S. 45 und 46.

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Der Zeitraum zwischen der Einreichung des zur Registrierung erforderlichen Prospekts und der endgültigen Registrierung durch die SEC wird als waiting period bezeichnet. § 8 lit. a Sec. Act bestimmt, daß zwischen beiden Akten mindestens 20 Tage liegen müssen. Cox, Hazen und O'Neal62 weisen insofern daraufhin, daß in der Praxis diese Periode mehrere Monate andauern kann. Dies gilt insbesondere für Anbieter, die das erste Mal Wertpapiere emittieren oder bei komplexen offerings. Das Verbot aus § 5 lit. c Sec. Act trifft für diesen Zeitraum nicht mehr zu, da bereits ein Registrierungsdokument eingereicht wurde. Allerdings sind in der Warteperiode immer noch keine Verkäufe zulässig, was sich wiederum aus § 5 lit. a Sec. Act ergibt. Bloße Angebote erfaßt § 5 lit. 1 Sec. Act nicht mehr, so daß diese bereits im jetzigen Stadium stattfinden dürfen. Aus dem Zusammenspiel von § 2 Nr. 10 Sec. Act und § 5 lit. b Nr. 1 Sec. Act ergibt sich aber, daß dies nicht für jede Art eines Angebots gilt. Nach § 5 lit. b Nr. 1 Sec. Act darf, nachdem die Registrierung einmal eingereicht wurde, kein „Prospekt“ im Sinne des Securities Act 1933 mehr verwendet werden, der nicht den Anforderungen des § 10 Sec. Act entspricht. Die dort vorgeschriebenen Informationen sind aber üblicherweise in einem so frühen Stadium noch nicht in vollem Umfang verfügbar. Welche Art von Angebot bereits zulässig ist, hängt folglich davon ab, was das Gesetz unter „Prospekt“ versteht. Dieser Begriff wird in § 2 Nr. 10 Sec. Act in einer umfassenden Weise definiert. Es wird darunter zunächst jedes schriftliche Angebot verstanden, sowie Angebote in sonstiger Formen, sofern sie nur dauerhaft sind oder weit bekannt gemacht werden. Dies bezieht sich vor allem auch auf Informationen, die über das Fernsehen oder den Rundfunk verbreitet werden. Zulässige Angebote können in der waiting period also in erster Linie63 in mündlicher Form ergehen oder am Telefon. Der Zeitraum, der mit Ausgabe des Prospekts beginnt, wird als post-effective period bezeichnet. Nachdem nun die Anforderungen des § 5 lit. a Sec. Act erfüllt sind, entfaltet dieser Absatz keine Wirkung mehr und Verkäufe sind zulässig. Es gelten jedoch weiterhin die beiden Unterabsätze des § 5 lit. b Sec. Act. Nach Nr. 1 müssen, wie bereits erwähnt, alle schriftlichen und sonst dauerhaft bestehenden oder weit verbreiteten Angebote den besonderen Anforderungen eines qualifizierten Prospektes im Sinne des § 10 Sec. Act entsprechen. § 5 lit. b Nr. 2 Sec. Act bestimmt darüber hinaus, daß auch keine Übergabe eines securities stattfinden darf, es sei denn, diese wird begleitet durch ____________ 62

§ 27.11.1 Fußn. 18. Für einige besondere Formen eines schriftlichen Angebots hat die SEC Ausnahmen geschaffen, dies gilt insbesondere für ein sog. „identifying statement“ im Sinne des § 2 Nr. 10 b Sec. Act und der Rule 134. Außerdem ist nach Rule 430 und Rule 431 eine besondere Art des Prospekts zulässig, Cox / Hazen / O'Neal § 27.11.1, S. 27.30. 63

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einen den gesetzlichen Voraussetzungen des § 10 lit. a Sec. Act entsprechenden Prospekt. Nach § 2 Nr. 10 a Sec. Act ist ab diesem Zeitpunkt auch das sog. free writing zulässig. Dies bedeutet, daß der Emittent beliebige weitere Informationen über die Emission verbreiten darf. Form und Umfang des § 10 Sec. Act müssen dabei nicht eingehalten werden, wenn dieses Vorgehen zusätzlich zu einem den Anforderung entsprechenden Prospekt erfolgt. Insgesamt läßt sich zusammenfassen, daß die Registrierungspflicht nach § 5 Sec. Act äußerst kompliziert ist und durch diese Vorschrift genaue Anforderungen an die Art und Weise eines Angebots gestellt werden. Der Inhalt der Registrierung, der ebenfalls eine Fülle von Details umfaßt, wird nachfolgend (unter 2.) näher umrissen.

2. Inhalt der Registrierung Das wichtigste Dokument zur Offenlegung der Informationen nach dem Securities Act 1933 ist das sog. registration statement, also das Registrierungsdokument selbst. Diese Erklärung muß grundsätzlich gegenüber der SEC abgegeben werden. Es gibt dafür eine Anzahl verschiedener Formulare. Welches Formular von dem jeweiligen Emittenten verwendet werden muß, hängt von der Qualifikation des Emittenten ab, aber auch von den Umständen, welche die Emission betreffen, und der Frage, welche Wertpapierarten ausgegeben werden sollen. Unabhängig davon, welches Formular verwendet werden muß, hat ein Registrierungsdokument zwei Hauptteile: Die Informationen des ersten Teiles sind identisch mit denen, die in einen „Prospekt“, wie er in § 10 lit. a Sec. Act und im Schedule A, das sich in der Anlage zum Securities Act 1933 befindet, vorgesehen ist. Der zweite Teil der Erklärung enthält zusätzliche Informationen, die nicht mit dem Prospekt an die potentiellen Anleger versendet werden. Diese verbleiben in den Akten der SEC und können dort von jedem eingesehen werden. Schedule A spricht 27 Punkte an, die ein Prospekt enthalten muß: Zunächst muß der Name des Emittenten (Nr. 1) und anderer Personen, deren Identität für einen Anleger wesentlich sein kann, angegeben werden. Dazu gehören vor allem die directors (Nr. 4), underwriters64 (Nr. 5) und diejenigen Gesellschafter, die mehr als 10 % der Anteile halten (einschließlich der Anzahl der Anteile, vgl. Nr. 6, 7). Es sind Aussagen über weitere allgemeine Daten zu machen, wie über den Gründungsstaat (Nr. 2), der ausschlaggebend ist für das anwendbare Recht ____________ 64

Vgl. zu dem Begriff genauer unter bei cc).

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auf Ebene des einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts, den Sitz des Unternehmens (Nr. 3) und eine generelle Charakterisierung des Unternehmenszwecks (Nr. 8). Des weiteren müssen Informationen offengelegt werden, durch die es dem Anleger möglich ist, die allgemeine Kapitalisierung des Unternehmens in Art und Umfang zu beurteilen (Nr. 9–12). Daneben gehören Angaben zur vorbereiteten Emission, insbesondere der Preis der securities (Nr. 16) und der erwartete Reinerlös dieser Emission (Nr. 15), zum vorgeschriebenen Inhalt des Prospektes. Hinzu kommen Informationen über die Ausgaben des Unternehmens, sowohl im Zusammenhang mit dieser Emission (etwa Nr. 17), als auch sonstige Ausgaben, soweit sie das Übliche überschreiten (Nr. 20–22). Ebenfalls im Zusammenhang mit der konkreten Emission steht Nr. 23, welcher die Angabe von Namen und Adressen der Personen fordert, die die Ordnungsmäßigkeit der Emission geprüft haben. Schließlich muß der Prospekt darüber Aufschluß geben, welche material contracts, also welche wesentlichen Verträge innerhalb der letzten zwei Jahren vor der Emission geschlossen wurden. Dabei ist hier vor allem an Management-Verträge zu denken und an solche Vereinbarungen, durch die jemand einen Anspruch auf zusätzlichen Gewinn erhält. Nr. 25 fordert zusätzlich eine Bilanz, die nicht früher als 90 Tage bevor die Registrierung eingereicht wurde, erstellt wurde und in Nr. 26 eine Gewinn- und Verlustrechnung. Nach Schedule A müssen zusätzlich die Kopien folgender Materialien bei der SEC eingereicht werden: Vereinbarungen mit dem underwriter, „Gutachten“ (legal opinions oder comfort letter) der Berater (Rechtsanwälte und Wirtschaftspräfer) hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des Angebots, alle in Nr. 24 angesprochenen Verträge, es sei denn die SEC hält diese nicht für den Anlegerschutz relevant. Im Falle einer corporation müssen überdies die articles of incorporation sowie Aktionärsvereinbarungen und weitere ähnliche Vereinbarungen beigefügt werden. Schedule A gibt nur einen groben Umriß dessen, was von den Emittenten offengelegt werden muß. Die speziellen Anforderungen finden sich in den Registrierungsformularen der SEC und in drei regulations der SEC. Die wichtigsten Registrierungsformulare65 sind dabei die Formulare S-166 sowie die Formulare S-2 und S-3, die im Zusammenhang mit dem sog. integrated disclosure system67 entwickelt wurden und bestimmte Typen von Emittenten betreffen68. ____________ 65 Zu Details der einzelnen Formularen siehe 69 Am. Jur. §§ 260 ff., außerdem Hazen, S. 119 ff. Für Beispiele und ausführliche Erläuterungen auch zu den speziellen Formularen bei Loss / Seligman, Fundamentals, S. 122; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 601 ff. 66 Dieses hat den weitesten Anwendungsbereich und wird für Handels- und Industrieunternehmen verwendet, soweit kein spezielleres Formular verwendet werden kann. 67 Vgl. dazu unten unter D. III.

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III. Wertpapiere und Transaktionen, die von der Prospektpflicht ausgenommen sind Auf den ersten Blick verbietet § 5 Sec. Act jeden Verkauf eines Wertpapiers, ohne Rücksicht darauf, wie unbedeutend der Verkauf für den Kapitalmarkt ist oder wer der Verkäufer bzw. Käufer ist. Wenn diese Regel keine Ausnahme hätte, würde das Gesetz über sein gesetzgeberisches Ziel weit hinausgehen. Der Securities Act 1933 soll in erster Linie Anleger schützen. Bestimmte Anleger bedürfen allerdings keines Schutzes, so daß auch hier die Mechanismen des Securities Act 1933 nicht zwingend eingreifen müssen. Darüber hinaus sind die dargestellten Offenlegungspflichten mit einem hohen Maß an Aufwand und an Kosten verbunden. Bei manchen Angeboten kann daher eine Registrierung ökonomisch sinnlos sein kann. Meer weist in einem Artikel aus dem Jahre 1966 daraufhin, daß sich schon bei einer Emission von geringem Umfang die Kosten, einschließlich des Drucks und der juristischen Beratung, auf wenigstens $ 25.000 belaufen69. Nicht zuletzt aus diesen beiden Gründen enthalten die §§ 3 und 4 Sec. Act und die darunter erlassenen rules Ausnahmen von der Offenlegungspflicht aus § 5 Sec. Act. Dabei nimmt § 3 Sec. Act bestimmte Arten von Wertpapieren, also securities, von der Registrierungspflicht aus. § 4 Sec. Act knüpft dahingegen eher an die Art der Transaktion an70. Für alle Ausnahmen gilt, daß sie von der Rechtsprechung restriktiv ausgelegt werden, um dem Gesetz einen möglichst weiten Anwendungsbereich zu erhalten. Auf dieses Anliegen wurde schon mehrfach im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs sale und mit der Frage, was unter interstate commerce ____________ 68 Die weiteren Formulare haben nur noch einen beschränkten Anwendungsbereich: Die Regulation S-K beschreibt etwa in detaillierter Weise, wie die erforderlichen Informationen dargelegt werden sollen. Die Regulation S-B enthält eine vereinfachte Art der Offenlegung speziell für kleine Unternehmen. Unter einem kleinen Unternehmen (small business) versteht die Bestimmung gemäß Item 10 lit. a Nr. 1 jeden Emittenten aus den USA oder Kanada, der keine Kapitalanlagegesellschaft ist und dessen Einkünfte im letzten Finanzjahr weniger als $ 25 Mio. betrugen. Wenn es sich bei dem Unternehmen um eine mehrheitlich gehaltene Tochtergesellschaft handelt, ist eine weitere Voraussetzung, daß auch die Muttergesellschaft unter die Definition des Small Business Issuer fällt. Die Regulation S-X schließlich behandelt Fragen der Bilanzierung. 69 Meer, 20 Sw. L.J. 503, 504 (1966). 70 Genauer müßte man sagen, daß nur §§ 3 lit. a Nr. 2–8 und § 3 lit. c Sec. Act bestimmte Typen von securities ausnehmen, wie z.B. in Nr. 2 securities, die von einer Bank oder vom Staat ausgegeben worden sind. Neben § 4 Sec. Act enthalten auch § 3 lit. a Nr. 1, 9, 10 und 11, ebenso wie § 3 lit. c Sec. Act Ausnahmen für bestimmte Transaktionen, vgl. Ratner, S. 53, auch Cox / Hazen / O'Neal S. 27.44 ff., Loss / Seligman, S. 262 ff. mit ausführlichen Hinweisen zu den einzelnen Ausnahmen. Beachte auch Hicks, der eine ganze Loseblatt-Sammlung mit dem Titel „Exempted Securities Under the Securities Act 1933“ herausgegeben hat.

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zu verstehen ist, hingewiesen. Zu dieser engen Auslegung kommt hinzu, daß derjenige, der sich auf eine bestimmte Ausnahme berufen möchte, auch die Beweislast dafür trägt, daß sie erfüllt ist71. Im folgenden wird auf die Ausnahmen eingegangen werden, die gerade für kleinere Unternehmen typischerweise von Interesse sind. Dabei ist zwischen privater Kapitalbeschaffung (unter 1.) und öffentlicher Kapitalbeschaffung (unter 2.) zu unterscheiden72. Mit letzterer wird hier eine Finanzierung bezeichnet, bei der das Unternehmen durch die öffentliche Emission von Wertpapieren Eigenkapital aufnimmt.

1. Private Kapitalbeschaffung (private financing) Grundsätzlich unterliegt eine Kapitalaufnahme durch ein sog. private financing, also durch private Kapitalbeschaffung, der Registrierungspflicht nach § 5 Sec. Act. Dies gilt, soweit die bereits erörterten Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Gerade im Bereich der privaten Kapitalbeschaffung ist häufig ein Schutz der Anleger durch den Securities Act 1933 tatsächlich nicht erforderlich. Daher sieht dieses Gesetz im Falle eines private placements, also der privaten Plazierung von Wertpapieren, kein Bedürfnis für eine Registrierung nach § 5 Sec. Act. § 4 Nr. 2 Sec. Act spricht davon, daß auf solche Transaktionen § 5 Sec. Act keine Anwendung findet, die durch einen Emittenten durchgeführt werden und bei der die Wertpapiere nicht im Wege eines public offerings angeboten werden. Was unter einem solchen public offering zu verstehen ist, hat im einzelnen erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten aufgeworfen. Nachfolgend wird zunächst auf § 4 Nr. 2 Sec. Act eingegangen, wobei die Auslegung des Begriffs public offering durch die Gerichte im Zentrum der Auseinandersetzung stehen wird [unter a)]. Neben der Begriffsbestimmung durch das common law, stellt die Rule 506 der Regulation D eine weitere Konkretisierung der private placement-Ausnahme dar [unter b)].

a) § 4 Nr. 2 Sec. Act § 4 Nr. 2 Sec. Act nimmt jedes Angebot von Wertpapieren durch einen Emittenten aus, das zu keinem public offering in Bezug steht. ____________ 71 72

Vgl. Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.44. Hierzu auch Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544, 553 ff. (1980).

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aa) Auslegung des Begriffs public offering Das Gesetz selbst enthält keine Definition dazu, was im einzelnen unter einem public offering zu verstehen ist. Eine Auslegung des Begriffs muß zunächst vor dem Hintergrund der Methodik des amerikanischen Rechts unternommen werden, deren Grundzüge wenigstens knapp angesprochen werden müssen. Es gibt im englischen und in der Folge auch in der amerikanischen Methodenlehre traditionell drei Auslegungsregeln73: Nach der mischief rule („AbhilfeRegel“) ist die erste Frage, welcher Mangel bestand, für den das common law keine Abhilfe schuf, so daß der Gesetzgeber tätig werden mußte. Diese Regel geht vom historischen Zweck einer erlassenen Gesetzesvorschrift aus und bestimmt so die „Reichweite der Abhilfe“74. Hintergrund dieser Regel ist die Überlegung, daß der Gesetzgeber in das rechtliche Gefüge des common law nur dann eingreift, wenn dies tatsächlich notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn er den Eindruck hat, daß in der Rechtspraxis Mängel aufgetreten sind, denen das common law nicht in gehöriger Weise abhelfen konnte. Eine Einschränkung dieser Regel erfolgt von zwei Seiten: Zum einen gibt die golden rule an, in welchen Grenzen nach diesem historischen Zweck gefragt werden darf und muß. Hier gilt insbesondere, daß der Zweck der Regelung explizit zum Ausdruck gekommen sein muß (expressed intention). Zum anderen gilt nach der literal rule, auch plain meaning rule oder in-claris-verbis-rule, daß der klare Wortlaut einer Norm jeder Frage nach dem Zweck der Norm vorgeht. Dies gilt theoretisch auch dann, wenn er zu absurden Ergebnissen führt. Eine gewisse Einschränkung tritt hier jedoch wiederum durch die golden rule ein. Diese sagt aus, daß dem Wortlaut nicht mehr gefolgt werden darf, wenn er zu solchen Ergebnissen führt, die offensichtlich nicht vom Gesetzgeber gewollt sein können. Diese ursprünglich in England entwickelten Regeln, gelten im wesentlichen auch in den USA75. Wenn man diese Auslegungsregeln mit der Auslegungsmethodik in Deutschland vergleicht, ist also nur die Auslegung nach dem Wortlaut anerkannt und in Einschränkungen die sog. „subjektive Theorie“, die bei der Zweckauslegung nach dem „Willen des Gesetzgebers“ fragt76. ____________ 73

Zum englischen Recht Fikentscher, Methoden II, S. 120 ff., der ausführlich die verschiedenen Auslegungsmethoden darstellt. Daran orientieren sich auch die folgenden Ausführungen. 74 Zur historischen Entwicklung der mischief-rule und der Auslegungsmaximen insgesamt vgl. Cross, S. 10 ff. 75 Fikentscher, Methoden II, S. 264. 76 Fikentscher, Methoden II, S. 266. Zu diesen beiden Methoden als Grundsätze der Gesetzesauslegung vgl. auch Davies, S. 293.

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Bei der Auslegung des Begriffs public offering stellt sich somit zunächst die Frage nach dem Wortsinn von public, wie er sich nach allgemeinem Sprachgebrauch darstellt77. Bei einem weiten Verständnis wäre ein offering, also ein Angebot, nur dann public, also an die Öffentlichkeit gerichtet, wenn es in gleicher Weise jedem gegenüber wirksam wäre. Bei diesem Begriffsverständnis würde ein Angebot an die Gesamtbevölkerung von einem an eine Gruppe mit einzelnen Mitgliedern unterschieden werden. Jede Beschränkung des Angebots und jede Gruppenbildung würde dazu führen, daß ein private offering vorliegt. Schon früh hat der Supreme Court in der Entscheidung SEC v. Sunbeam Gold Mines78 diese Auslegung als nicht praktikabel abgelehnt. Ein beschränktes Angebot an beispielsweise alle rothaarigen Männer oder alle Einwohner San Franciscos sei aus dem Blickwinkel des Gesetzes ebenso ein public offering wie ein „unbeschränktes Angebot an die ganze Welt“ („unrestricted offering to the world at large“). Also läßt sich allein über den Wortsinn der Begriff nicht hinreichend bestimmen. Auch ein Blick in die Gesetzgebungsgeschichte hilft nur begrenzt79. Jedenfalls ergibt sich daraus, daß der Kongreß den Begriff nicht in seinem weiten Wortsinn verstanden haben wollte. Der Ansatz zum Verständnis des Begriffs ist ein entgegengesetzter. Grundsätzlich gilt jedes offering als an die Öffentlichkeit gerichtet, also public, es sei denn, es zielt nur auf eine kleine Anzahl von Personen ab80. Zum einen sollte es durch diese Ausnahme dem Emittenten eines Papiers erlaubt werden, einen speziellen und isolierten Verkauf an eine bestimmte Person vorzunehmen („to make a specific or an isolated sale of its securities to a particular person“). Zum anderen sollte sich die Ausnahme generell nicht auf solche Transaktionen beziehen, bei denen kein praktisches Bedürfnis und kein öffentliches Interesse für die Anwendung des Gesetzes bestehe („where there is ____________ 77 Davies, S. 311: „Words and phrases are construed according to ordinary rules of grammar and ordinary dictionary meanings.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). Zum englischen Recht Cross, S. 49 und detaillierter auf S. 72 ff. Fikentscher weist darauf hin, daß hier ein erheblicher Gegensatz zur deutschen Tradition besteht, die primär auf den juristischen Sprachgebrauch abstellt, Methoden II, S. 266. Für ein Beispiel aus der Rechtsprechung, bei dem es um die Auslegung des Begriffs close corporation in der Treasury Regulation ging und das Gericht die beiden Alternativen: rechtstechnische Auslegung und Auslegung nach dem natürlichen Wortsinn diskutiert, Brooks v. Willcuts, 78 F.2d 270 (1935). 78 95 F.2d 699 (1938). Ebenso unter Bezugnahme auf diese Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co., 346 U.S. 119, 123; 73 S.Ct. 981, 983 (1953). 79 Gegen die Verwendung von Gesetzgebungsgeschichte überhaupt Davies, S. 314, der seine Ablehnung auf die geringe Verläßlichkeit (unreliability), Schwierigkeiten in der Verfügbarkeit (uneven availability) und die enormen Kosten bei der Suche danach (expense) stützt. 80 Vgl. dazu SEC v. Sunbeam Gold Mines, 95 F.2d 699, 701 (1938).

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no practical need for [the bill’s] application or where the public benefits are to remote“)81.

bb) Konkretisierung des Begriffs public offering durch die Rechtsprechung Nachdem für das Verständnis des Begriffs public offering weder eine wörtliche Interpretation, noch der Blick auf die Gesetzgebungsgeschichte weiterhilft, muß eine Begriffsbestimmung vor allem am Zweck der Ausnahmevorschriften orientiert erfolgen. Das Prinzip, daß eine Ausnahme dann in Betracht kommt, wenn die Anwendung des Gesetzes keinen praktischen Nutzen hat, ergibt sich dabei aus dem gesetzgeberischen Willen. Dieser Grundsatz stellte sowohl für die Leitentscheidung des U.S. Supreme Court zum Begriff des public offerings aus dem Jahre 1953, dem Fall SEC v. Ralston Purina Co.82, den Ausgangspunkt dar (unter 1.), als auch für die weitere Konkretisierung des Begriffs in der Folgezeit (unter 2.).

(1) SEC v. Ralston Purina Co. In der Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co.83 hatte ein Emittent in den zurückliegenden fünf Jahre nicht registrierte Aktien im Wert von etwa $ 2 Mio. an eine große Anzahl von Angestellten verkauft, die nicht dem Management der Gesellschaft angehörten. Die Kommission verklagte ihn wegen Verletzung des Erfordernisses der Registrierung aus § 5 Sec. Act. Die erste Instanz wies die Klage unter Berufung auf § 4 Nr. 2 Sec. Act ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Erst der Supreme Court hob die Entscheidung der Untergerichte auf und entwickelte dabei seine Kriterien für die Differenzierung zwischen einem public offering und einem private offering (sog. „Ralston Purina-Test“). Die hier entwickelten Kriterien orientieren sich maßgeblich am Zweck des Gesetzes.

____________ 81

H.R. Rep. No. 85, 73rd Cong.; 1st Sess. 5–7, 15–16 (1933) zitiert nach Loss / Seligman, Fundamentals, S. 307 bzw. Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1351. 82 346 U.S. 119; 73 S.Ct. 981; 97 L.Ed. 1494 (1953). 83 346 U.S. 119; 73 S.Ct. 981; 97 L.Ed. 1494 (1953).

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Der Gesetzgeber wollte im Securities Act 1933 hauptsächlich durch Offenlegung von Informationen, die für eine durchdachte Investment-Entscheidung nötig sind, Anleger schützen84. Daraus leitet der Supreme Court den Grundsatz ab, daß immer dann kein public offering vorliege, wenn diejenigen, denen die Geschäftsanteile angeboten werden, für sich selbst zu sorgen in der Lage sind („shown to be able to fend for themselves“). Als entscheidendes Kriterium sah es das Gericht an, daß alle einen ausreichenden Zugang zu Informationen haben. Dieser Ansatzpunkt wurde auch in der Folgezeit der Hauptpunkt in der Analyse der private offering-Ausnahme85. Drei Aspekte86, die auch in nachfolgenden Entscheidungen immer wieder eine Rolle gespielt haben, sollen hier hervorgehoben werden: Zunächst bürdet das Gericht demjenigen, der sich auf die Ausnahme beruft, die Beweislast dafür auf, daß die Anleger sich selbst schützen können („to be shown“). Dabei wird diese Voraussetzung, daß die Anleger zum Selbstschutz in der Lage sind („be able to fend for themselves“), weiter gesehen als die besondere Voraussetzung des Zugangs zu bestimmten Informationen. Schließlich fordern die Gerichte nicht, daß der Anleger Zugriff zu genau den Informationen hat, die im Falle einer Registrierung offengelegt würden. Es genügt vielmehr, wenn es dieselbe Art von Information ist („the kind of information“).

(2) Konkrete Kriterien zur Bestimmung eines public offering In der Folgezeit nach SEC v. Ralston Purina Co. gab es eine Reihe von Entscheidungen und Erlassen der SEC, die die private placement-Ausnahme durch konkrete Aufzählung von Merkmalen interpretierten und konkretisierten. Häufig wurden dabei vier Kriterien genannt durch die ein private placement von einem public offering abgegrenzt werden kann. Die folgenden wurden vor allem in Entscheidungen des U.S. Courts of Appeals, 1st Circuit entwickelt: (1) Anzahl der Angebotsempfänger und ihre Beziehung zueinander, (2) Anzahl der Anteile, die angeboten werden, (3) Größe des Angebots, (4) Art und Weise des ____________ 84 346 U.S. 119, 124; 73 S.Ct. 981, 984 (1953): „To protect investors by promoting full disclosure of information thought necessary to informed investment decisions“. 85 Vgl. zum Beispiel General Life of Missouri Investment Co. v. Shamburger, 546 F.2d 774, 781 (1976); Parvin v. Davis Oil Co., 524 F.2d 112, 118 (1975); Andrews v. Blue, 489 F.2d 367, 373 (1973); United States v. Custer Channel Wing Corp., 376 F.2d 675, 678 (1976); SEC v. Tax Service, Inc., 357 F.2d 143, 144 f. (1966); SEC v. Continental Tobacco Company of South Carolina, 463 F.2d 137, 158 (1972); Repass v. Rees, 174 F. Supp. 898, 903 (1959); SEC v. Computronic Industries Corp., 294 F. Supp. 1136 (1968). Ebenso Wheaten v. Matthews Holmquist & Associates, Inc., 858 F. Supp. 753 (1994). 86 Vgl. Soderquist, Understanding, S. 125.

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Angebots87. Daneben werden aber auch weitere Aspekte in den Entscheidungen, vor allem anderer Circuits, den Securities Releases88 und der Literatur erwogen. Diese sollen nachfolgend diskutiert werden.

(a) Anzahl der Angebotsempfänger Bereits in den Materialien zu § 4 Nr. 2 Sec. Act wird darauf hingewiesen, daß eine gewisse Anzahl von Personen, denen Anteile angeboten werden, nötig ist, um ein public offering zu konstituieren89. Auch eine frühe Aussage des General Counsel der SEC im Securities Release No. 28590 wählt dieses Kriterium als Hauptanknüpfungspunkt. In diesem release wird ausgeführt, daß das Angebot sich an eine substantielle Anzahl von Interessenten richten müsse. Dabei würde unter normalen Umständen ein Angebot an 25 oder weniger Personen noch kein public offering darstellen („… under ordinary circumstances an offering to not more than approximately twenty-five persons is not an offering to a substantial number and presumably does not involve a public offering “)91. Jedoch betont der General Counsel, daß die Anzahl der Angebotsempfänger kein exklusives Merkmal sein kann. Immer sei es notwendig, alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Lange Zeit schrieben gleichwohl gerade Anwälte der Anzahl der Angebotsempfänger maßgebliche Bedeutung zu92. In der bereits erwähnten Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co.93 erkannte der Supreme Court dieses Kriterium jedoch nur bedingt an. Er erteilte jeder zahlenmäßigen Abgrenzung des public offering vom private offering eine klare Absage. Dabei ging er sogar soweit, daß im Extremfall ein Angebot an nur einen einzigen Anleger ein public offering darstellen könne94. Dies sei zumindest dann der Fall, wenn es lediglich um ____________ 87

People v. Landes, 600 N.Y.S.2d 292, 294; 192 A.D.2d 1, 3 (1993); Doran v. Petroleum Management Corp., 545 F.2d 893, 900 (1977); Hill York Corp. v. American International Franchises, Inc., 448 F.2d 680, 687 (1971); SEC v. Continental Tobacco Company of South Carolina, 463 F.2d 137, 158 (1972); Weprin v. Peterson, 736 F. Supp 1124, 1128 (1988). 88 Vgl. zum Begriff oben unter A. I. 89 „Unless the stockholders are so small in number that the sale to them does not constitute a public offering.“ H.R. Rep. No. 85, 73rd Cong.; 1st Sess. 5–7, 15–16 (1933) zitiert nach 31 Bus. Law. 485, 486 (1975). 90 1935 SEC LEXIS 955, 11 FR 10952. 91 Securities Release No. 285, 1935 SEC LEXIS 955, 11 FR 10952. 92 Dazu 31 Bus. Law. 485, 500 (1975). 93 346 U.S. 119; 73 S.Ct. 981; 97 L.Ed. 1494 (1953). 94 346 U.S. 119, 125; 73 S.Ct. 981, 985; 97 L.Ed. 1494 (1953) in Fußn. 11 unter Bezugnahme auf die englischen Entscheidung Nash v. Lynde (1929) A.C. 158, 169: „The

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die Interpretation der gesetzlichen Vorschrift des § 4 Nr. 2 Sec. Act gehe. Es stehe aber der Kommission frei, eine spezielle Ausnahmevorschrift an wie auch immer geartete zahlenmäßige Kriterien anzuknüpfen. („Indeed nothing prevents the commission, in enforcing the statute, from using some kind of numerical test in deciding when to investigate particular exemption claims.“) Durch den Erlaß der Rule 146 im Jahre 1974 und nachfolgend der Rule 506 im Jahre 1982 ist die Kommission dieser Anregung gefolgt. Es sollte jedoch betont werden, daß beide Regeln nicht darauf abstellen, an wie viele Personen das Angebot ergeht. Die numerische Grenze von dort 35 Personen bezieht sich auf die tatsächlichen Käufer. Dies ist deshalb von Bedeutung, da es nach dem Securities Release No. 285 im Gegensatz dazu für § 4 Nr. 2 Sec. Act gerade nicht auf die Zahl der tatsächlichen Käufer ankomme95. Das Komitee für die bundesrechtliche Regelung der Wertpapiere (Federal Regulation of Securities Committee) der American Bar Association empfiehlt noch weitergehend, auf dieses Kriterium ganz zu verzichten. Soweit es überhaupt Aussagekraft besitze, hänge es eng mit anderen Kriterien, wie etwa der Art und Weise des Angebots zusammen. Bei einer großen Anzahl von Personen, an die das Angebot ergehe, scheine es wenig wahrscheinlich, daß dies nicht durch generelle Werbung oder ein sonstiges generelles Angebot der Allgemeinheit gegenüber erfolge. Des weiteren bestehe ein enger Zusammenhang zwischen der Anzahl der Angebotsempfänger und ihrer sophistication96. Je größer die letztere sei, an desto mehr Personen könne ein Angebot ergehen, ohne die Qualifizierung als private placement zu verlieren97. Es wird also auch deswegen auf die Anzahl der Angebotsempfänger als Merkmal verzichtet, da dieses allein ohne Aussagekraft ist. Gerade das letzte Argument wird durch die Rule 506 bestätigt. Für ein private placement unter dieser rule wird die Zahl der Käufer auf 35 Personen begrenzt. Bei der Berechnung bleiben aber nach Rule 501 lit. e solche Personen außer Betracht, die ohnehin die nötige Erfahrenheit besitzen also die geforderte sophistication aufweisen. ____________ public … is of course a general word. No particular number is prescribed. Anything from two to infinity may serve: perhaps even one, if he is intended to be the first of a series of subscribing the proceedings needless by himself subscribing the whole“. 95 Wörtlich wird ausgeführt: „You will note that this does not mean the number of actual purchasers, but the number of persons to whom the security in question is offered for sale.“ 1935 SEC LEXIS 955, 11 FR 10952. 96 Der Begriff sophistication läßt sich nur unzureichend ins Deutsche übersetzen. Am ehesten könnte man ihn mit „Erfahrung“ im weitesten Sinne übertragen. 97 31 Bus. Law. 485, 500 f. Auf diesen Zusammenhang weisen auch Loss / Seligman, Fundamentals, S. 311 bzw. Securities Regulation, S. 1366 hin. Bei institutionellen Anlegern sei ein private offering von der SEC auch noch bei 80–90 Angebotsempfängern angenommen worden.

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Abschließend bleibt festzuhalten, daß die Frage, an wie viele Personen ein Angebot ergeht von den Gerichten98, entgegen der Empfehlung des Federal Regulation of Securities Committee, weiterhin als wesentliches Indiz dafür gewertet wird, ob ein public offering i.S.d. § 4 Nr. 2 Sec. Act vorliegt. Häufig ist es wohl der erste Anhaltspunkt für das Gericht, da dieses Merkmal am leichtesten überprüfbar ist99. Dabei herrscht Einigkeit, daß es keine feste Zahl von Personen gibt, bei denen die Ausnahme angenommen wird, und daß dieses Kriterium für die Annahme eines private offerings alleine nicht hinreichend sein kann. Es sei aber zu berücksichtigen, daß mit der Anzahl der Angebotsempfänger jedenfalls die Wahrscheinlichkeit steige, daß ein Angebot als public, also an die Öffentlichkeit gerichtet, eingestuft werde100. Bei steigender Personenzahl besteht eher die Gefahr, daß nicht alle Zugang zu den nötigen Informationen haben101.

(b) Qualifikation der Angebotsempfänger Eine weitere Voraussetzung, die in der Rechtsprechung angesprochen wird, ist die Qualifikation der Angebotsempfänger. Diesem Erfordernis kann in dreifacher Weise entsprochen werden: Zunächst kann die Qualifikation in der sophistication liegen. Hier wird konkret danach gefragt, ob derjenige, an den das ____________ 98

Doran v. Petroleum Management Corp., 545 F.2d 893, 900 (1977); SEC v. Continental Tobacco Company of South Carolina, 463 F.2d 137, 158 (1972); Hill York Corp. v. American International Franchises, Inc., 448 F.2d 680, 687 (1971); Henderson v. Hayden, Stone Inc., 461 F.2d 1069, 1071 (1972); Repass v. Rees, 174 F. Supp. 898, 903 (1959). Ebenso auch Cook v. Avien, Inc., 573 F.2d 633, 691 (1978). Allerdings stellt hier der 1st Cir. auf folgendes ab: Die „purchasers … are limited in number“. Es geht also um die begrenzte Zahl der Käufer und nicht die der offerees. Eine Auseinandersetzung damit, daß dies eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung darstellt, fehlt. Das Gericht zitiert sogar die oben genannten Entscheidungen Doran v. Petroleum Management Corp. und Hill York Corp. v. American International Franchises, Inc. als Beleg, obwohl gerade die erste Entscheidung auf S. 901 hervorhebt, daß es gerade nicht auf die Anzahl der Käufer ankommt. 99 Vgl. Corporation Trust v. Logan, 52 F. Supp. 999, 1002 (1943). Hier geht es um die Ausgabe von Anteilen in Zusammenhang mit einem voting trust. Zwar waren daran nur Anteilseigner der Gesellschaft beteiligt, was für ein private offering sprechen würde. Allerdings ließ das Gericht die Ausnahme an der Anzahl der „Angebotsempfänger“ und der Anzahl der Anteile scheitern. Es handelte sich um 5.000.000 Anteile, von denen 800.000 Anteile von 3.500 Anteilseignern gehalten wurden. Der „Nummerntest“ war für das Gericht so offensichtlich nicht erfüllt, daß es weitere Kriterien gar nicht mehr erörterte. 100 Dazu zusammenfassend mit zahlreichen weiteren Nachweisen, SEC v. Murphy, 626 F.2d 633 (1980). 101 Zu diesem Zusammenhang auch Securities Release No. 4552, 1962 SEC LEXIS 166, 27 FR 11316 und 69 Am. Jur. 2d § 165.

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Angebot ergeht, die nötige geschäftliche (und auch rechtliche) Erfahrung besitzt, um die Risiken, die mit der Investition verbunden sind, angemessen einschätzen zu können102. Daneben kann es aber auch genügen, daß er über das nötige Vermögen oder Einkommen verfügt, um eine solches Risiko zu tragen103. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß gerade das Federal Regulation of Securities Committee gegen diese Form der „Qualifikation“ Bedenken anmeldet. Es betont, daß hier eher das Augenmerk darauf liegen sollte, ob der potentielle Anleger aufgrund seines Vermögens die nötige Verhandlungsstärke (bargaining power) besitzt, um auch so an die nötigen Informationen zu gelangen. Zu vernachlässigen sei dagegen die Frage, inwieweit ein Anleger einen potentiellen Verlust wirtschaftlich tragen könne. Schließlich kann auch die Beziehung des Angebotsempfängers zum Anbietenden oder der Angebotsempfänger untereinander für die Qualifikation eine Rolle spielen104. Zu denken ist hier einerseits an familiäre oder freundschaftliche Bindungen beider, andererseits an eine Bindung durch ein Beschäftigungsverhältnis oder bereits früher bestehende geschäftliche Beziehungen. Gegen dieses in der Literatur angeführte Merkmal könnte zwar die Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co. sprechen. Diese hat der Tatsache allein, daß ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Anbieter und allen Angebotsempfängern bestand, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Angebotsempfängern nicht ein einfaches Beschäftigungsverhältnis ist, sondern letzterer die Position eines executive personnel, also etwa eines leitenden Angestellten, oder eines directors innehat105. Das Federal Regulation of Securities Committee106 weist bei Vorliegen eines persönlichen Verhältnisses zwischen demjenigen von dem das Angebot ausgeht und dem Angebotsempfänger darauf hin, daß hier in der Regel das öffentliche Interesse an einer Registrierung zu gering sei. Die Entscheidung, eine Beteiligung zu kaufen, ist, wenn enge Beziehungen zu dem Anbietenden bestehen, zumeist durch Faktoren motiviert, die in keinem Zu____________ 102

Anschaulich ist dazu die Entscheidung Doran v. Petroleum Management Corp., 545 F.2d 893 (1977), in der der 5th Circuit des United States Court of Appeals auf S. 904 bei der Frage der sophistication anführt, daß der fragliche Investor den für den Geschäftsbereich der Gesellschaft geeigneten Universitätsabschluß (petroleum engineering degree) hatte. 103 Vgl. dazu auch die beiden Fallgruppen des accredited investors in Rule 501 lit. a Nr. 5 und 6, in denen sich der gleiche Gedanke widerspiegelt. 104 69 Am. Jur. 2d § 166 m.w.N. in Fußn. 65 und 66. 105 69 Am. Jur. 2d § 166. 106 31 Bus. Law. 485, 491 (1975).

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sammenhang zu den finanziellen Risiken und Vorteilen des Investments stehen107.

(c) Informationszugang Weder sophistication noch persönliche Beziehung alleine sind aber hinreichend, damit ein private offering vorliegt. Vielmehr können beide nur Mittel sein, um das vielleicht zentrale Kriterium108 zu erfüllen, nämlich den Informationszugang zu gewährleisten. Für die potentiellen Käufer müssen die nötigen Informationen erhältlich sein, die erforderlich sind, um die Risiken der Investition einschätzen zu können. Dies kann bedeuten, daß die Angebotsempfänger tatsächlich die Informationen haben oder aber den Zugang dazu. Wenn die Informationen nämlich fehlen, nützt die – wie auch immer geartete – Qualifikation des Anlegers nichts. Prägnant formuliert dies der 4th Circuit des U.S. Court of Appeals in der Entscheidung United States v. Custer Channel Wing Corporation109: „But ‘sophistication’ is not a substitute for ‘access to the kind of information’ which registration would disclose“110. Im Hinblick auf den Zweck, den eine Registrierung erfüllen soll, und der Rechtfertigung von Ausnahmen ist dieses Kriterium nur folgerichtig. Die Registrierung soll es dem Anleger, der Anteile einer bestimmten Gesellschaft erwerben möchte, ermöglichen, daß er alle nötigen Informationen hat und dann auf dieser Basis in der Lage ist, eine vernünftige Investmententscheidung zu treffen. Soweit ein Angebot an institutionelle Anleger ergeht, werden diesen zumeist die nötigen Informationen zur Verfügung gestellt. Dies liegt vor allem an der bereits oben in anderem Zusammenhang angesprochen ökonomischen Verhandlungsstärke (bargaining power), durch die sie sich Zugang verschaffen können. Wenn jedoch Angebote individuellen Anlegern unterbreitet werden, stellt der Zugang zu Informationen häufig ein Problem dar. Am einfachsten ist es noch, wenn persönliche Beziehung zum Anbieter bestehen. In der Entscheidung Cook v. Avien, Inc.111 wird der enge Zusammenhang dieser beiden Kriterien klar. ____________ 107 Vgl. auch Vagts, S. 170, der die Bedeutung der persönlichen Beziehung für die Annahme eines private offerings ebenfalls hervorhebt. 108 Ebenso Jennings / Marsh / Coffee, S. 326. Vgl. hierzu auch Elben, RIW 1998, 108, 110. 109 376 F.2d 675 (1967). 110 Auf S. 678, ebenso Doran v. Petroleum Management Corp. 545 F.2d 893 (1977) auf S. 902. 111 573 F2d. 633, 691 (1978).

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Zwischen Anbietendem und Angebotsempfänger müsse eine solche Beziehung bestehen, die es dem letzteren ermögliche „to command access to information that would otherwise be contained in a registration statement“, also den Zugang zu Informationen zu haben, die sonst bei der Registrierung offengelegt werden würden. Auf diese Merkmal weist auch die Entscheidung Hill York Corp. v. American International Franchise Inc.112 hin. Daneben kann die Gesellschaft, die Anteile verkaufen möchte, den potentiellen Käufern auch durch private Offenlegung den Zugang zu den nötigen Informationen verschaffen. Hier ist äußerst umstritten, ob dies ausreicht, um der Ausnahme von § 4 Nr. 2 Sec. Act zu entsprechen. Dagegen sprechen insbesondere die Argumente, die von Bloomenthal und Wolff113 vorgebracht werden. Eine private Offenlegung der Informationen steht der Registrierung nie gleich. Selbst wenn inhaltlich die gleichen Informationen enthalten sind, fehlt der privaten Offenlegung eine offizielle Bestätigung, wie dies bei der Registrierung der Fall ist. Gegebenenfalls ist auch die Registrierung aktueller. Zudem besteht die Gefahr, daß die Gesellschaften durch eine private Offenlegung der Informationen lediglich eine öffentliche Registrierung umgehen wollen. Auf diesen Aspekt weist auch der District Court von Connecticut in der Entscheidung United States v. Hill114 hin. Im Ergebnis hätte damit ein Emittent die Wahl, ob er seine Wertpapiere registrieren lasse oder die Informationen freiwillig offenlege, ohne den speziellen Standards und Sanktionen des Gesetzes zu unterliegen115. Dies könne nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen. Hinsichtlich der Form des Informationszugangs steht fest, daß es nicht erforderlich ist, daß die Informationen den Interessenten schriftlich zur Verfügung gestellt werden116. Für die Gerichte genügt auch ein Zugang zu den Informatio____________ 112 448 F.2d 680, 688: „The relationship between the offerees and the issuer is most significant. If the offerees know the issuer and have special knowledge as to its business affairs, such as high executive officers of the issuer would possess, then the offering is apt to be private“. 113 § 4.05 [14] [f], S. 4-70. 114 298 F. Supp. 1221 (1969) auf S. 1229: „Such an arrangement would always permit a company to circumvent the registration requirements of the Act by the simple expedient of offering to open up the corporate books“. 115 Securities Release No. 4552, 1962 SEC LEXIS 166, 27 FR 11316, S. 4: „The exemption does not become available simply because offerees are voluntarily furnished information about the issuer. Such a construction would give each issuer the choice of registering or making its own voluntary disclosures without regard to the standards and sanctions of the Act.“ Ebenso United States v. Custer Channel Wing Corp., 376 F.2d 675 (1976) auf S. 489. 116 Für andere Alternativen der Informationsvermittlung vgl. 31 Bus. Law. 485, 496 f. (1975).

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nen auf andere Weise. Für ein schriftliches Zurverfügungstellen spricht aber natürlich vor allem, daß es dadurch leichter ist zu beweisen, daß die potentiellen Anleger tatsächlich informiert wurden. Auch treten keine Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Frage auf, welche Informationen den Anlegern gegenüber konkret aufgedeckt wurden. Beim Umfang der Informationen, die für die Angebotsempfänger zugänglich sein müssen, orientieren sich die Anforderungen meist daran, was im Falle einer Registrierung offengelegt werden würde. Insbesondere ist hierbei auf Schedule A des Securities Act 1933 und das Formular S-1 zu verweisen, die bereits angesprochen wurden. Wenn es sich um relativ kleine Gesellschaften handelt, werden von der Rechtsprechung teilweise geringere Anforderungen gestellt. In der Entscheidung Livens v. William D. Witter, Inc.117 etwa verklagten Käufer unregistrierter Geschäftsanteile den Verkäufer und die ausgebende Gesellschaft selbst wegen Verletzung des Securities Act 1933. Ein Argument das hier von den Klägern vorgebracht wurde, war, daß ihnen nicht die notwendigen Dokumente, die für eine vernünftige Investmententscheidung erforderlich gewesen wären, vollständig zur Verfügung gestellt worden waren. Der District Court von Massachusetts wies den Anspruch zurück. Er gab dabei zu bedenken, daß der Zugang zu Informationen nur ein Kriterium des sog. „Ralston PurinaTests“118 sei. Tatsächlich hätte sich aber gezeigt, daß das Vertrauen auf die Informationen, um die es im konkreten Fall ging, in der Praxis nur relativ gering sei119. Bei Berücksichtigung aller Umstände liege im zu entscheidenden Fall damit ein private offering vor. Von Bedeutung dürfte bei dieser Entscheidung auch gewesen sein, daß den potentiellen Käufern das Fehlen der Informationen bekannt war und sie das damit verbundene Risiko bewußt in Kauf genommen hatten120. Nicht ganz eindeutig ist, wie diese letzte Aussage des Gerichts zu bewerten ist. Diese Frage stellt sich gerade im Hinblick auf die Entscheidung United States v. Custer Channel Wing Corporation121 des 4th Circuit des U.S. Court of Appeals, die einige Jahre früher ergangen ist. Hier stellte das Gericht in apodiktischer Kürze fest: „In the present case the District Court found that none of the purchasers of Channel Wing stock had access to the kind of information that would have become available to them through a registration statement. Apply____________ 117

374 F. Supp. 1104 (1974). Vgl. dazu oben in bb (1). 119 374 F. Supp. 1104, 1112 (1974). 120 Darauf weißt auch das Federal Regulation of Securities Committee hin, 31 Bus. Law. 485, 496 (1975). 121 376 F.3d 675 (1967). 118

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ing the Ralston Purina test to the sale of Channel Wing securities, it is evident that the transaction was a public offering.“122 Im Gegensatz zu Livens v. William D. Witter, Inc.. wurden die Kriterien aus der Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co. strikt angewendet. Die Einschränkung, daß die Käufer das Risiko, das aus fehlenden Informationen resultieren kann, bewußt eingehen können, wurde gerade nicht angeführt.

(d) Art und Weise des Angebots Eine weiteres Kriterien, das zur Abgrenzung zwischen private offering und public offering herangezogen wird, ist die Art und Weise, in der das Angebot gemacht wird. Diese Voraussetzung findet sich auch in Regulation D, genauer in Rule 502, worauf später noch einzugehen sein wird. Im Rahmen des § 4 Nr. 2 Sec. Act gilt hier ähnliches. Soweit ein Angebot durch direkte Kommunikation zwischen dem Emittenten und den potentiellen Käufern zustande kommt, ist das Vorliegen eines private placements wahrscheinlicher, als wenn das Angebot mit öffentlichkeitswirksamen Mitteln erfolgt, vor allem durch eine generelle Ausschreibung, etwa in einer Zeitung123 oder durch Werbung aller Art124. Ähnliches gilt, wenn die Dienste einer Investment Bank oder der Einrichtungen der Wertpapierbörse125 in Anspruch genommen werden. Auch diese Frage steht in enger Verbindung zum Verhältnis von Interessenten und Emittenten und damit dem Informationszugang. In der Entscheidung Campbell v. Degenther126 nimmt der District Court von Pennsylvania etwa das Vorliegen der private placement-Ausnahme an, mit dem Hinweis darauf, daß es sich um eine Vereinbarung zwischen Freunden und Bekannten auf persönlicher Basis handele, ohne daß ein systematisches Marketingprogramm

____________ 122

376 F.3d 675, 678 (1967). Dazu Ledgebrook Corp. v. Lefkowitz 354 N.Y.S.2d 318; 77 Misc.2d 867 (1974). Hier warb eine Gesellschaft in einer New Yorker Zeitung für eine Anteilsplazierung. Der New York Supreme Court hielt dies für ein public offering und stellte eine Verletzung des New Yorker Kapitalmarktgesetzes fest, das insoweit dem Securities Act 1933 entspricht. 124 Securties Release No. 285, 1935 SEC LEXIS 955, 11 FR 10952, S. 7. Ebenso Collier v. Mikel Drilling Co. 183 F. Supp. 104, 111 f. (1958). 125 Securities Release No. 4552, 1962 SEC LEXIS 166, 27 FR 11316 auf S. 5 f.: „Public advertising of the offerings would, of course, be incompatible with a claim of a private offering. Similarly, the use of the facilities of a securities exchange to place the securities necessarily involves an offering to the public“. 126 97 F. Supp. 975 (1951). 123

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zum Verkauf der Anteile an die Öffentlichkeit vorgelegen habe127. Die Zuteilung der Anteile auf einer persönlichen Basis und eine systematische Werbung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit schließen sich also gewissermaßen aus. Schließlich sei in diesem Zusammenhang noch auf einen anderen Umstand hingewiesen, den die Rechtsprechung als Indiz dafür verwendet hat, ob ein private offering vorliegt oder nicht. Soweit die Initiative für den Verkauf von dem Emittenten ausgeht, tendiert die Rechtsprechung eher zu einem public offering128. Wenn hingegen ein Investor als Initiator der Transaktion anzusehen ist, spricht dies nach der Rechtsprechung eher für den privaten Charakter des Angebots129.

(e) Anzahl der angebotenen Anteile und Größe des Angebots Eng mit der Frage, wie mögliche Käufer für die Anteile gefunden und angesprochen werden, hängt auch die Anzahl der angebotenen Anteile und die Größe des Angebots zusammen. Generelle Werbung wird dann zumeist nicht stattfinden, wenn nur eine kleine Anzahl von Anteilen angeboten werden. Beide Kriterien werden auch im Securities Release No. 285130 unter anderen herangezogen, um festzustellen, wann ein public offering i.S.d. § 4 Nr. 2 Sec. Act vorliegt.

(f) Verhältnis der verschiedenen Kriterien zueinander Nachdem die verschiedenen Kriterien, die für die Entscheidung, wann ein public offering i.S.d. § 4 Nr. 2 Sec. Act vorliegt, wesentlich sind, dargestellt ____________ 127

97 F. Supp. 975, 977 (1951): „At most, the transactions herein conducted were a close-knit arrangement among friends and acquaintances on a purely personal basis, without any systematic scheme or promotion program for sale of said securities to the general public or any select group sufficient in size to fall within the province of a public offering “. 128 Statt vieler People v. Humphreys, 84 Cal. Rptr. 496, 499 (1970) und Shimer v. Webster, 225 A2d 880, 885 (1967). 129 People v. Humphreys, 84 Cal. Rptr. 496, 499 (1970). Garfield v. Strain, 320 F.2d 116, 119 (1963). In dieser Entscheidung hielt es der 10th Circuit des Court of Appeal für ausschlaggebend, daß dem Angebot und schließlich dem Kauf zahlreiche Bitten des Anlegers vorausgingen, doch die Möglichkeiten für eine entsprechende Investition zu schaffen. 130 1935 SEC LEXIS 485, 11 FR 10952.

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wurden, stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Der United States District Court, N.D. Georgia, Atlanta Division etwa beschreibt dieses Verhältnis in der Entscheidung Weprin v. Peterson131 wie folgt: „Consideration of these factors need not exhaust the inquiry, nor is one factor's weighting heavily in favor of the private status of the offering sufficient to ensure the availability of the exemption. Rather, these factors serve as guideposts to the court in attempting to determine whether subjecting the offering to registration requirements would further the purposes of the 1933 Act. It is clear from the Court's statement that not any one of the cited factors, nor all of the factors, is important in and of itself. Rather, the factors are simply aids to be used in determining whether subjecting an Offering to registration would further the purposes of the 1933 Act.“ Die einzelnen Faktoren sind also nur Anhaltspunkte, die dazu dienen, festzustellen, ob der Zweck des Securities Act 1933 erfüllt ist. Kein einzelnes Kriterium ist für sich selbst gesehen alleine ausreichend, um die Frage zu beantworten, ob ein public offering vorliegt. Vielmehr ist in jedem Einzelfall eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände nötig. Es müssen aber auch nicht zwingend alle Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Der Vorteil dieser Auffassung ist für die Gerichte, ebenso wie für die Kommission die damit verbundene Flexibilität. Allerdings ist eben diese Flexibilität für Emittenten, potentielle Käufer und Anwälte „a cause for anxiety and frustration“, also die Ursache für Sorge und Frustration, wie sich Hicks132 treffend ausdrückt. Die Kehrseite der Flexibilität ist somit das Fehlen von Rechtssicherheit. Wenn man die Entscheidungen der Gerichte und die Literatur genauer betrachtet, kann man für das Verhältnis der Kriterien folgendes festhalten: Das wichtigste Kriterium ist, was auch schon angedeutet wurde, der Zugang zu Informationen. Dies ergibt sich aus dem Zweck des Securities Act 1933. Bereits in der Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co.133 führte der U.S. Supreme Court dazu aus: „The design of the statute is to protect investors by promoting full disclosure of information thought necessary to informed investment decisions“134. Einzig diese Voraussetzung läßt sich unmittelbar aus dem Gesetz ____________ 131 736 F. Supp. 1124, 1128 (1988). Ähnlich auch 69 Am. Jur. 2d § 163 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung, v.a. in Fußn. 43, 44. 132 § 11.01 [3] [a], S. 11–14. 133 346 U.S. 119, 73 S.Ct. 981 (1953). 134 346 U.S. 119, 123, 73 S.Ct. 981, 983 (1953) mit Hinweis auf die Präambel des Gesetzes mit den Worten: „An Act to provide full and fair disclosure of the character of

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ableiten. Zu berücksichtigen ist aber, daß die anderen Kriterien eng miteinander verbunden sind. Je geringer die Anzahl der Angebotsempfänger und der angebotenen Anteile und somit die Größe des Angebots ist, desto eher wird auch der Informationszugang gewährleistet sein. Ebenso trifft dies für die Art und Weise des Angebots zu. Es ist nicht zu erwarten, daß im Fall eines breiten Angebots durch öffentliche Werbung so viele Informationen weitergegeben werden wie nötig. Anders kann dies aber bei der unmittelbaren Verhandlung mit wenigen Interessenten sein. Noch deutlicher ist der Zusammenhang des Informationszugangs mit dem Verhältnis des potentiellen Käufers zum Anbietenden. Häufig wird hier dem Interessenten die Möglichkeit einer due diligence gegeben, in deren Rahmen er selbst umfangreichen Informationszugang zu den Unternehmensdaten hat. Im übrigen ist es für solche Interessenten möglich aufgrund ihrer Verhandlungsstärke sich durch Zusicherungen und Freistellungen (representations & warranties und indemnities) weiter abzusichern. Soweit der Interessent selbst eine wichtige Position in der Gesellschaft einnimmt, wird er überdies einen ausreichenden Informationszugang schon aus diesem Grund haben. Alle diese Kriterien können also als Indizien dafür herangezogen werden, ob ein ausreichender Zugang zu den maßgeblichen Informationen vorhanden ist. Die geforderte Qualifikation (sophistication) ist dabei eine Folgevoraussetzung. Wenn sie nicht vorliegt, kann der Angebotsempfänger die zur Verfügung gestellten Informationen ggf. nicht verwerten. Hinzuweisen bleibt abschließend auf die Entscheidung Milnarik v. M-S Commodities135, in der der United States District Court, N.D. Illinois, E.D., zu einer ähnlichen Gewichtung gekommen ist. Am wichtigsten war dem Gericht für die Bestimmung des Begriffs public offering die Beantwortung der Frage, ob der einzelne Angebotsempfänger Bedarf an den Informationen hatte: „These criteria [for determining a public offering] ... include the number, amount, and manner of the offering, and, finally, whether or not the particular class of persons affected will be beneficially protected by applying the Act to them. ... The most significant single standard criterion in making the public versus private determination is the need of the persons affected for the information contained in a registration statement, i.e. whether there is any practical need for the Act's application.“

____________ securities sold in interstate and foreign commerce and through the mails, and to prevent frauds in the sale thereof, and for other purposes“. 135 320 F. Supp. 1149, 1153 (1970).

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cc) Fehlen der Umverteilung Ein zusätzliches Kriterium, das von den Gerichten zum Teil herangezogen wird, ist das „Fehlen der Umverteilung“. Dabei geht es weniger um die Bestimmung des Begriffs public offering. Vielmehr wird auf die Formulierung „transactions not involving any public offering“ des § 4 Nr. 2 Sec. Act abgestellt136. Die Bedeutung dieses Kriteriums zeigt sich etwa an der Entscheidung United States v. Custer Channel Wing Corporation137 des District Court von Maryland. Für das Gericht war die Feststellung, daß ein Käufer seine Transaktion aus Gründen der langfristigen Investition getätigt hat, also das Fehlen einer späteren Umverteilung der Anteile, neben dem Informationszugang ausschlaggebend für das Vorliegen der Voraussetzung der Ausnahme aus § 4 Nr. 2 Sec. Act. Diese Einschätzung hat mehrere Hintergründe: Soweit man die Anzahl der Interessenten für maßgeblich hält, würde durch eine schnelle Umverteilung diese überschritten werden. Es läßt sich im übrigen auch nicht feststellen, ob der endgültige Käufer Schutz bedarf oder nicht, so daß eine Privilegierung durch den Verzicht auf Registrierung nicht angezeigt ist138. Darüber hinaus muß das Merkmal im Zusammenhang mit zwei anderen Vorschriften gesehen werden139: So nimmt § 4 Nr. 1 Sec. Act solche Transaktionen von der Registrierung nach § 5 Sec. Act aus, bei denen andere Personen auftreten, als der Emittent (issuer), der underwriter, also derjenige, der eine Effektenemission übernimmt oder ein gewerbsmäßiger Verkäufer von Wertpapieren (dealer). Underwriter wird dabei von § 2 Nr. 11 Sec. Act als eine Person definiert, die Wertpapiere im Hinblick auf deren Weiterverkauf kauft oder zeichnet („with a view to … the distribution of any securities“)140. Ähnliches gilt für den Begriff des dealer nach § 2 Nr. 12 Sec. Act. Bei private offerings sollen somit solche Fälle gesondert behandelt werden, in denen kein Weiterverkauf angestrebt ist. Im Falle des Fehlens eines investment intents, wenn der Käufer die Anteile also nicht als Investition erwirbt, sondern sie weiterverkaufen will, ____________ 136

Klarstellend hier Orrick, 21 U. Pitt. L. Rev. 1, 13 ff. (1959). Zu dieser Voraussetzung neben den klassischen, die für die Frage des public offering entscheidend sind, auch Meer, 20 Sw. L.J. 503, 513 (1966). 137 247 F. Supp. 481, 489 (1965). Zur Unterscheidung eines Kaufes zur Investition oder zum Weiterverkauf vgl. auch Gilligan, Will & Co. v. SEC, 267 F.2d 461 (1959). 138 Zu diesem Aspekt 69 Am. Jur. 2d § 167. 139 Auf diesen Zusammenhang weisen Jennings / Marsh / Coffee auf S. 326 hin. 140 Vgl. zu den Voraussetzungen des investment hier auch Securities Release No. 1862 vom 14. Dezember 1938, 1938 SEC LEXIS 401, 11 FR 10962.

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bedeutet dies, daß schon das aktuelle Angebot an ihn mit einem public offering verbunden ist, so daß § 4 Nr. 2 Sec. Act als Ausnahmetatbestand ausscheidet. Die Frage, ob der Anleger einen sog. investment intent, also eine Investitionsabsicht hat, und nicht die Weiterverteilung der Anteile anstrebt, ist ein subjektives Element. Daher liegt ein wesentliches Problem hier auf der Beweisebene. In der Praxis wurde deshalb versucht, Sicherungsmaßnahmen gegen einen alsbaldigen Weiterverkauf einzuführen. Zunächst wurde es üblich, daß der Käufer der Anteile einen investment letter141 unterschreiben mußte. Darin versichert er einerseits, daß er umfassend über den Emittenten und das Geschäft informiert worden ist. Andererseits erklärt er darin, daß sein Erwerb lediglich zu Zwecken der Investition erfolgt und nicht im Hinblick auf eine Weiterverteilung der Anteile. Als weitere Vorkehrung kommt insbesondere142 ein Vermerk auf dem Wertpapier in Betracht, aus dem sich ergibt, daß das Papier lediglich zur Investition unter der Ausnahme von § 4 Nr. 2 Sec. Act gekauft wurde. Jedoch gewähren solche Vorkehrungen keine absolute Sicherheit. Das Federal Regulation of Securities Committee gibt zu bedenken, daß solche Mittel nicht vom Gesetz zwingend vorgesehen seien143. Es sei vielmehr zu unterscheiden, um welche Art von Gesellschaft es sich handele. Soweit die Gesellschaft im übrigen öffentlich notiert sei, und nur das konkrete Angebot unter die Ausnahme des § 4 Nr. 2 Sec. Act fallen könnte, oder falls eine große Anzahl von klassischen Anlegern vorhanden sei, habe das Vorliegen oder das Fehlen solcher Vorkehrungen sowohl für die Gerichte144 sowie für die SEC einen gewisse Indizwirkung145. Anders sei dies aber zu beurteilen, wenn es sich um eine vollständig in privater Hand gehaltene Gesellschaft handele, bei der ein öffentlicher Handel nicht zu erwarten sei. Hier wäre ein investment letter oder ähnliches nicht notwendig. Die SEC wies dagegen bereits im Jahre 1935 in dem Securities Release No. 603146 auf eine Meinung des General Counsel Burns hin, daß die bloße Erklä____________ 141

Statt vieler Painter, S. 494. Daneben gibt es auch Instruktionen an die Wertpapieragenten bestimmte Papiere nicht zu handeln, sog. „stop transfer instructions“ vgl. dazu 31 Bus. Law. 485, 498 (1975). 143 Ebenso 31 Bus. Law. 485, 496 f. (1975). 144 Zum Beispiel ist für den District Court von Connecticut in der Entscheidung United States v. Hill, 298 F. Supp. 1221 (1969) auf S. 1231 der Umstand, daß die verkaufende Gesellschaft von den Käufern keinen investment letter erhält, ein wesentliches Element für die Ablehnung der Ausnahme nach § 4 Nr. 2 Sec. Act. 145 31 Bus. Law. 485, 497 (1975). 146 1935 SEC LEXIS 934; 11 FR 10955. 142

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rung keinen endgültigen Schluß auf aktuelle Absichten des Käufers zulasse. Vielmehr sei es notwendig die genaueren Umstände mit zu berücksichtigen. Diese lägen vor allem in den Beziehungen zwischen Emittent und Käufer, aber auch im Geschäft des letzteren, ebenso wie in der tatsächlich zwischen dem Erwerb und dem Verkauf verstrichenen Frist. Auch im Securities Release No. 4552147, das die SEC 1962 zu Details der non-public offering exemption erließ, legte sie Wert darauf, daß die vergangenen Investitions- und Handelsusancen des Käufers einzubeziehen sind. Lange war es im Zusammenhang mit dieser Voraussetzung umstritten, ob es genügt, daß tatsächlich ein Weiterverkauf auf absehbare Zeit nicht erfolgt oder ob es darüber hinaus notwendig ist, daß der Anleger von Anfang an eine „Investitionsabsicht“ hatte. Gerade diese Diskussion führte aber zu extremen Schwierigkeiten in der Interpretation und stellte sich als fortwährender Unsicherheitsfaktor dar148. Heute ist wohl anerkannt, daß es wenig Sinn macht, von bloß im subjektiven Bereich gebliebenen Gedanken des Käufers über einen möglichen Weiterverkauf, das Vorliegen einer Voraussetzung abhängig zu machen. Es geht eher darum, daß die subjektive Absicht an Hand signifikanter objektiver Anhaltspunkte, die einen Schluß auf die subjektive Seite zulassen, bewertet werden muß149. Heute dreht sich die Diskussion gerade in der Praxis150, eher um die Frage, welche Zeitspanne die Anteile mindestens gehalten werden müssen, um dem Erfordernis der „Investitionsabsicht“ zu genügen. Es kann jedoch hier generell keine bestimmte Dauer angegeben werden, nach der die Gerichte in jedem Fall den ursprünglichen Willen zur Investition annehmen.

dd) Zwischenergebnis Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die Voraussetzungen des § 4 Nr. 2 Sec. Act dann erfüllt sind, wenn der Angebotsempfänger den nötigen Informationszugang hat, um sich selbst vor dem Risiko der Investition zu schützen oder doch zumindest das Risiko einer Investition einschätzen zu können. Neben diesem Informationszugang werden weitere Kriterien herangezogen, um eine genauere Abgrenzung vornehmen zu können. Dazu gehören ____________ 147

1962 SEC LEXIS 166; 27 FR 11316. Jennings / Marsh / Coffee, S. 326. 149 So auch Orrick, 21 U. Pitt. L. Rev. 1 (1959) auf S. 23: „The subjective intention of purchasers at the time of acquiring securities from an issuer or controlling person must be evaluated by reference to significant objective evidence relating to their conduct“. 150 Dazu ausführlich Painter, S. 499 m.w.N. 148

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etwa die Anzahl der Empfänger des Angebots und der angebotenen Anteile selbst, aber auch die Art und Weise des Angebots und die Qualifikation der Angebotsempfänger. Daneben muß der Anleger mit Investitionsabsicht, also mit investment intent kaufen, damit es nicht durch die dann folgende Weiterverteilung der Anteile zu einem public offering kommt und somit ein Schutz durch die Registrierung in der Tat nicht geboten ist.

b) Rule 506 Nachdem die Auslegung des § 4 Nr. 2 Sec. Act erhebliche Unsicherheiten birgt, entschied sich die SEC eine Konkretisierung der private placement-Ausnahme durch die Rule 506 vorzunehmen. Diese wurde von der SEC 1982 im Rahmen der Regulation D erlassen. Diese Regulation D statuiert insgesamt drei Ausnahmen vom Registrierungserfordernis des Securities Act 1933, nämlich die Rules 504, 505 und 506. Wie erwähnt, gehört der Erlaß derartiger rules zu den Handlungskompetenzen, die der SEC zugewiesen sind. Man unterscheidet innerhalb der rules drei Spielarten151: Zum einen gibt es rules, die technische Fragen und Verfahrensregeln enthalten. Die zweite Kategorie bilden Vorschriften, die eigenständige materielle Regeln beinhalten, welche die SEC in Ausübung der ihr delegierten Rechtsetzungsmacht erläßt. Dies trifft etwa auf die Rules 504 und 505 zu, die beide nicht auf § 4 Nr. 2 Sec. Act gestützt sind, sondern auf § 3 lit. b Sec. Act. Letztere Bestimmung ermöglicht es der SEC solche Wertpapiere von der Registrierung auszunehmen, bei denen kein öffentliches Interesse hieran besteht. In einem solchen Fall liegt zwar ein public offering vor, aber nur in einem begrenzten Rahmen. Die Ausnahmen in Rule 504 und 505 stellen folglich selbständige Ausnahmetatbestände dar, die neben denen des Securities Act 1933 bestehen und für die § 3 lit. b Sec. Act nur die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage darstellt. Im einzelnen wird darauf im nächsten Abschnitt [unter 2. b) bb)] eingegangen werden. Schließlich können rules auch die Begriffe definieren, die im Gesetz verwendet werden. Zu dieser Gruppe gehört auch die Rule 506, in der beschrieben wird, was unter einem public offering im Sinne des § 4 Nr. 2 Sec. Act zu verstehen ist152. Rule 506 statuiert im Gegensatz zu der Rule 504 und 505 keine ____________ 151

Dazu Ratner, S. 15. Daher ist es auch im Zusammenhang mit der Frage, ob ein public offering für die Definitionen der Einzelstaaten vorliegt, ausreichend, wenn den Anforderungen der Rule 152

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eigenständige Ausnahme153. Die Interpretation des Begriffs public offering durch Rule 506 ist nicht abschließend154. Der Sinn solcher Interpretationsvorschriften, die primär objektive Anforderungen aufstellen, ist es im komplexen Bereich der Ausnahmevorschriften eine gewisse Rechtssicherheit zu schaffen. Daher werden sie auch als safe harbor-Vorschriften bezeichnet. In diesem Rahmen kann nicht auf jede Einzelheit dieser Vorschrift eingegangen werden. Es sollen aber die wichtigsten Aspekte für ein Angebot, das kein public offering im Sinne dieser Vorschrift darstellt, angesprochen werden. Rule 506 lit. a nimmt Bezug auf die Ermächtigungsnorm des § 4 Nr. 2 Sec. Act und stellt klar, daß ein Angebot, das die Anforderungen der nachfolgenden Absätze erfüllt, kein public offering i.S.d. § 4 Nr. 2 Sec. Act ist. Lit. b verweist zum einen in der Nr. 1 auf die Bestimmungen und Bedingungen in Rule 501 und 502 und legt fest, daß ein Angebot zunächst einmal alle in diesen beiden Vorschriften niedergelegten Voraussetzungen erfüllen muß. Zum anderen stellt Rule 506 unter Nr. 2 eigene spezielle Ansprüche, denen ein Angebot genügen muß, um sich für die Ausnahme zu qualifizieren. Nach Nr. 2 (i) ist die Anzahl der Käufer auf 35 Personen begrenzt. Im Gegensatz zur Interpretation durch die Gerichte ist hier bemerkenswert, daß auf die Anzahl der Käufer abgestellt wird und nicht auf die Anzahl der Angebotsempfänger155. Dies hat den Vorteil der leichteren Bestimmbarkeit und damit der größeren Rechtssicherheit. Bei der Berechnung dieser Zahl muß Rule 501 lit. e berücksichtigt werden. Die Nummer 1 dieses Absatzes stellt eine Liste von Käufern auf, die für die Berechnung ausgeschlossen sind. Am bedeutendsten ist hier unter Nummer 1 (iv) der Ausschluß sogenannter accredited investors. Darunter fallen solche Anleger, von denen angenommen wird, daß sie sich selbst hinreichend schützen können. Dies wird auch deutlich anhand der Aufzählung in Rule 501 lit. a, die den Begriff für die gesamte Regulation D definiert. Accredited investors sind danach zum einen institutionelle Investoren (Nr. 1), wie Banken, Versicherungen, aber auch private business development companies (Nr. 2) und weitere Gruppierungen (vgl. Nr. 3, 7 und 8), die sowohl die Einsicht als auch die Ver____________ 506 entsprochen wird. Dazu nur für das Recht Delawares, das auch hier für die anderen Staaten Modellcharakter besitzt, Folk, § 342.1, S. 414. 153 Anders anscheinend Soderquist, der Rule 506 aus „praktischen Gründen“ (practical matter) als gesonderte Ausnahme ansieht, ohne allerdings die Konsequenzen seiner Sicht aufzuzeigen, in Soderquist, Securities Regulation, S. 172 und Soderquist, Understanding, S. 124. 154 Das Federal Securities Committee der American Bar Association weist im Zusammenhang mit der Vorgängervorschrift Rule 146 auf deren Charakter als nonexclusive definition hin. 31 Bus. Law. 485 (1975) auf S. 485. Ebenso das Committee on Development in Business Financing in 31 Bus. Law. 515 (1975) auf S. 515. 155 Vgl. dazu oben die Anforderungen bei § 4 Nr. 2 Sec. Act, unter 1. a) bb) (2) (a).

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handlungsmacht haben, um Informationen zu verlangen und zu erhalten, bevor sie ihr Geld investieren156. Zum anderen fallen darunter nach Nr. 4 solche Personen, die über eine ausreichende Geschäftserfahrung verfügen dürften und daher Risiken selbst einschätzen können, wie directors, executive officers und general partners. Nr. 5 und 6 nehmen darüber hinaus noch natürliche Personen aus, die entweder über ein bestimmtes Vermögen (Nr. 5) oder Mindesteinkommen verfügen (Nr. 6). Anhand der Bestimmungen dieser Rule 501 wird die oben angesprochene Relation zwischen der Anzahl der Käufer/ Angebotsempfänger und der sophistication deutlich. Wenn die Anleger hinreichend in der Lage sind, sich selbst zu schützen, verliert ihre reine Anzahl an Bedeutung. Soweit die Käufer nicht als accredited investors gelten, müssen sie zusätzlich den Anforderungen der Rule 506 lit. b Nr. 2 (ii) entsprechen. Auch hier ist es notwendig, daß die Anleger eine gewisse Geschäftserfahrung aufweisen oder zumindest alleine oder mit Hilfe eines purchaser representatives die Fähigkeit haben, die Risiken einer derartigen Investition einschätzen zu können (sog. sophistication standard). Zu bemerken bleibt, daß diese Voraussetzung nicht objektiv gegeben sein muß. Es genügt, wenn derjenige, der die Anteile anbietet, bei vernünftiger Betrachtungsweise davon ausgehen durfte (reasonable believe), daß dieser Standard erfüllt ist. Auch dies dient dem Interesse der Rechtssicherheit, da die Frage der sophistication für die anbietende Gesellschaft nur schwer zu überprüfen ist. Eine Obergrenze hinsichtlich eines Geldbetrages, den das offering nicht überschreiten darf, statuiert die Vorschrift nicht. Weitere Voraussetzungen für ein sog. private offering i.S.d. Rule 506 folgen aus den allgemeinen Vorschriften zu Beginn der Regulation D: Zum einen ist die Art und Weise des Angebots eingeschränkt. Rule 502 lit. c verbietet jede Art der generellen Ausschreibung oder Werbung, sei es durch Anzeigen in den Medien (Nr. 1) oder gesonderte Werbeveranstaltungen (Nr. 2). Zum anderen fordert Rule 502 lit. b, daß jedem Anleger, der nicht als accredited investor gilt, bestimmte in der Vorschrift näher umschriebene Informationen zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, daß der Anleger die nötigen Informationen erhält, obwohl wegen der Ausnahmevorschrift keine Prospektpflicht i.S.d. § 5 Sec. Act entsteht. Wenn man Rule 506 mit ihrer Vorgängervorschrift, der Rule 146, die 1974 von der SEC erlassen wurde, vergleicht, fallen besonders zwei Unterschiede auf: Beide Vorschriften beziehen sich auf die Qualifikation der offerees, also derjenigen Personen gegenüber denen das Angebot erfolgt: Zum einen fordert ____________ 156

Ebenso Clark, § 17.3.

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Rule 506, daß der bereits erwähnte sophistication standard, der sich in Rule 506 lit. b Nr. 2 (ii) findet, nur von den tatsächlichen Käufern erfüllt wird. Nach Rule 146 mußte dieser Voraussetzung jeder genügen, dem Anteile zum Kauf angeboten wurden. Rule 506 ist also hier großzügiger als Rule 146, da nur ein kleinerer Kreis von Personen dem Standard tatsächlich genügen muß. In erster Linie stellt diese Einschränkung eine Beweiserleichterung dar, da es für die Gesellschaft unter Rule 146 häufig erhebliche Schwierigkeiten aufwarf, den entsprechenden Beweis für alle Angebotsempfänger zu führen. Leichter ist es demgegenüber diese Tatsache lediglich für die Käufer, eine überschaubare Anzahl von Personen, zu belegen. Zum anderen eliminierte Rule 506 den sog. economic risk test. Nach Rule 146 mußte gewährleistet sein, daß der Angebotsempfänger eine Person ist, die das Risiko einer solchen Investition tragen kann157. Dieser Gedanke findet sich heute nur noch in den bereits erwähnten Fallgruppen des accredited investors in Rule 501 lit. a Nr. 5 und 6. Auch der Fortfall dieser Voraussetzung hat zwei Aspekte: Zum einen ist nun die Gruppe der Personen, denen ein solches Angebot gemacht werden kann, größer, da sie das Risiko des Investments nur einschätzen können müssen, aber nicht unbedingt auch über großes Vermögen oder Einkommen verfügen müssen, um einen potentiellen Verlust zu tragen. Auch hier dürfte der größere Vorteil im Bereich der Beweisbarkeit liegen. Unter Rule 146 mußte sich eine Gesellschaft, die ihre Anteile Interessenten anbietet, vergewissern, daß sie bei jedem den Beweis führen konnte, daß dem economic risk test Genüge getan war. Nicht zuletzt aufgrund solcher Anforderungen, die eine Wertung nötig machten und zudem mit Beweisschwierigkeiten einhergingen, wurde Rule 146 in der Literatur scharf kritisiert158. Gerade dadurch bestünde eine vergleichbare Unsicherheit wie bei § 4 Nr. 2 Sec. Act, die durch eine safe harbor-Vorschrift vermieden werden sollte. Diese Bedenken hat die SEC bei der Überarbeitung der Bestimmungen zur Rule 506 aufgenommen. Rule 506 in ihrer jetzigen Form gewährleistet daher insgesamt ein höheres Maß an Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit als dies alleine durch § 4 Nr. 2 Sec. Act, auch in seiner Ausgestaltung durch die Gerichte, erreicht werden könnte.

____________ 157

Zu dieser Voraussetzung vgl. Painter, S. 504. Vgl. nur Jennings / Marsh / Coffee, S. 326; Painter, S. 505 und Cox / Hazen / O’Neal, § 27.15. 158

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2. Öffentliche Kapitalbeschaffung (public financing) Im Gegensatz zum private financing wird in Fällen des public financing Eigenkapital durch die öffentliche Emission von Anteilen aufgenommen. Hier stehen zwei Ausnahme des Securities Act 1933 im Vordergrund: Zum einen enthält § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act eine Ausnahme für sog. intrastate offerings [unter a)]. Daneben ermöglicht insbesondere § 3 lit. b Sec. Act, daß die SEC einige Angebote, die eigentlich ein public offering darstellen, aufgrund ihres begrenzten Charakters von der Pflicht der Registrierung ganz oder teilweise ausnimmt. Die SEC hat hiervon vielfach Gebrauch gemacht. Dabei sind an dieser Stelle vor allem die Rules 504 und 505 der Regulation D zu nennen, aber auch die Regulation A. Ein derartiges Angebot wird üblicherweise als limited offering oder auch small offering [unter b)] bezeichnet. Sowohl die intrastate offerings wie auch die small offerings sind – neben der public offering-Ausnahme – gerade für kleine Unternehmen von erheblicher Bedeutung.

a) Intrastate offerings Die Ausnahme, nach der intrastate offerings keiner Prospektpflicht unterliegen, ist in § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act geregelt [unter aa)]. Daneben hat die SEC 1974 die Rule 147 als safe harbor rule erlassen [unter bb)].

aa) § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act nimmt jedes Wertpapier (security) von der Registrierung nach § 5 Sec. Act aus, das nur den Bewohnern eines einzigen Einzelstaates angeboten wird, wenn der Emittent des Wertpapiers als Gesellschaft in diesem Staat inkorporiert ist und auch hier die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft ausgeübt wird. Diese Ausnahme steht in § 3 Sec. Act und damit in dem Paragraphen über die von der Registrierung ausgenommener Wertpapiere. Gleichwohl weisen sowohl die Gesetzgebungsgeschichte wie auch die Auslegung durch Gerichte und SEC darauf hin, daß sich die Ausnahme lediglich auf bestimmte Transaktionen bezieht, nicht aber auf das Wertpapier selbst, so daß sie systematisch eher zu § 4 Sec. Act gehören würde. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „Any security which is part of an issue offered and sold only to persons resident within a single State or Territory, where the issuer of such security is a person resident and doing business within or, if a corporation, incorporated by and doing business within, such a State or Territory.“

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(1) Issue concept Eine wesentliche Voraussetzung für § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act ist, daß die gesamte Emission (issue) ausschließlich an Anleger eines Staates verkauft wird. Von großer Bedeutung ist es deshalb zu bestimmen, ob ein Angebot als part of an issue anzusehen ist. Dieses Problem tritt immer dann auf, wenn dem fraglichen Angebot ein anderes vorausgeht und beide als integriert angesehen werden könnten. Ob eine solche Integration angenommen wird, ist eine Tatsachenfrage und hängt von mehreren Umständen ab. Die SEC hat in ihrem Securities Release No. 4434 dafür fünf Kriterien aufgestellt159: Zunächst spielt es eine Rolle, ob beide Angebote sich aufeinander beziehende Teile desselben Finanzierungsplans sind. Indizien dafür sind, daß beide Angebote dieselbe Gattung von Wertpapieren betreffen, sie in engem zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen, aus derselben Überlegung heraus gemacht wurden und demselben generellen Zweck dienen sollen. Painter weist darauf hin, daß zwei Angebote nicht notwendigerweise als integriert angesehen werden, wenn sie ein oder zwei der eben aufgezählten Charakteristika teilen. Er gibt aber zu bedenken, daß mit der Anzahl der übereinstimmenden Faktoren auch das Risiko zunimmt, daß sie als eine einzige Emission angesehen werden160. Die Bedeutung der Frage nach einer Integration zweier Angebot, wird an der Entscheidung SEC v. Hillsborough Investment Corporation161 deutlich. Die beklagte Gesellschaft hatte ihren Sitz in New Hampshire. Sie hatte ohne Registrierung verschiedene Arten von securities auch an Anleger außerhalb New Hampshires verkauft, darunter aber keine Vorzugsaktien. Die SEC erließ gegen sie eine injunction, also ein Verbot der weiteren Nutzung von Mitteln des interstate commerce. Dieses Verbot bezog sich auf jede Art von Wertpapiere und auf alle potentiellen Käufer, also auch solche innerhalb des Staates. Der District Court bestätigte diese Entscheidung der SEC. Dabei führte er aus, daß das Gesetz fordert, daß die gesamte Emission nur innerhalb eines Staates verkauft werden dürfe. Dies habe aber zu Folge, daß sobald diese Voraussetzung durch den Verkauf an einen Anleger außerhalb des Staates verletzt sei, auch die zukünftigen Verkäufe an innerstaatliche Anleger sich nicht mehr auf diese Ausnahme berufen könnten. Das Gesetz lege ausdrücklich fest, daß die Ausnahme ____________ 159 Painter, S. 506; Securities Release No. 4434 vom 6. Dezember 1961, zitiert nach Jennings / Marsh / Coffee, S. 389, v.a. S. 390. 160 Painter, S. 507. 161 173 F. Supp. 86 (1958), bestätigt in Hillsborough Investment Corporation v. SEC, 276 F.2d 665 (1960).

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nur erfüllt sei, wenn „any security which is part of the issue“, also jedes Wertpapier, das zu einer bestimmten Emission gehört, die Voraussetzungen erfüllt. Schon ein einziger Verkauf in einen anderen Staat mache die Ausnahme unanwendbar162. Auch der U.S. Court of Appeals, 1st Circuit, bestätigte diese Entscheidung in zweiter Instanz. Er wies dabei auf folgendes hin: „An issuer, that has lost the exemption as to one issue of securities by a non-resident sale, does not have the opportunity to regain the legal use of interstate facilities or the mails by halting the non-resident sales and confining itself to sales to residents“163. Eine Gesellschaft, die also durch den Verkauf von Wertpapieren an einen Käufer eines anderen Staates die Ausnahmevorschrift bereits verloren hätte, könne, wenn sie an dem vorigen Verkauf festhalte, Mittel des zwischenstaatlichen Handels auch für einen Verkauf an die Einwohner ihres Sitzstaates nicht mehr rechtmäßig gebrauchen. Gerade dies versuchte aber – nach Meinung des Gerichts – die Gesellschaft durch ihren nun ersatzweise durchgeführten Finanzierungsplan. Der Verkauf nun allein an Anleger innerhalb des Staates stellte lediglich eine Fortsetzung der nicht mehr unter die Ausnahme fallenden Verkäufe dar und verletzte daher ebenfalls den Securities Act 1933. Die Frage, ob zwei Angebote als integriert betrachtet werden, ist somit von erheblicher Bedeutung. Durch die Integration können die Voraussetzungen des § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act für einen Teil der Emission fehlen, was die Vorschrift auf die gesamte Emission unanwendbar macht. Dabei ist anzumerken, daß es nicht zu einem Verkauf an Anleger, die non-residents sind, kommen muß, es genügt vielmehr schon das Angebot an solche Personen164.

(2) Doing business within the state § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act fordert bei Gesellschaften, daß sie in dem Staat, in dem sie ihre securities anbieten und verkaufen wollen, auch inkorporiert sind. Eine weitere Voraussetzung ist, daß sich auch die Geschäftstätigkeit hier abspielen muß. Vielfach haben sich die Gerichte damit beschäftigen müssen, was „doing business within the state“ i.S.d. Vorschrift bedeutet.

____________ 162 173 F. Supp. 86, 88 (1958): „a single sale to a nonresident destroys the exemption“ m.w.N. aus der Literatur und Rechtsprechung. 163 Hillsborough Investment Corporation v. SEC, 276 F.2d 665, 668 (1960). 164 Vgl. SEC v. Truckee Showboat, 157 F. Supp. 824 (1957). Ebenso 69 Am. Jur. 2d § 108 m.w.N.

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Der leading case dazu ist Chapman v. Dunn165. Die Gesellschaft, um die es hier ging, war in Michigan gegründet, hatte ihre gesamte Verwaltung in Michigan und emittierte von hier Geschäftsanteile ausschließlich an in Michigan ansässige Anleger. Die gesamten Produktionsstätten, Felder zur Förderung von Öl und Gas, befanden sich jedoch in Ohio. Der U.S. Court of Appeals, 6th Circuit, führte hier aus, daß dies ein klassischer Fall sei, in dem die Tätigkeit über die Grenzen eines Staates hinausgehe und ein effektiver Schutz nur durch eine Registrierung bei der Bundesbehörde gewährleistet werden könne. Ergänzend ist hierzu anzumerken, daß die Ausnahme des § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act auf einer zweifachen Überlegung beruht166: Zum einen verzichtet der Bund hier auf eine Registrierung, da damit gerechnet werden kann, daß sich die Anleger aufgrund der größeren räumlichen Nähe zur Gesellschaft besser selbst schützen können. Zum anderen fallen derartige Wertpapiertransaktionen häufig unter die blue sky laws, also die Kapitalmarktgesetze der Einzelstaaten. Gerade aus dieser zweiten Überlegung heraus, leitet das Gericht im erwähnten Fall ab, daß dadurch, daß die Gesellschaft ihre Produktionsstätten in einem anderen Staat habe, die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift nicht erfüllt seien. Zu einem effektiven Schutz der Anleger könne es nämlich nötig sein, daß die Wertpapieraufsichtsbehörde auch die Produktionsstätten inspizieren müsse. Da diese aber außerhalb der Jurisdiktion Michigans liegen, sei dies zwar eventuell durch die Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde des anderen Staates möglich, aber zumindest zeit- und kostenintensiv. Es seien zudem durchaus Fälle denkbar, in denen eine adäquate Untersuchung und damit zusammenhängend eine vollständige Offenlegung gänzlich unmöglich sei167. Aus diesen Gründen sei im Fall Chapman v. Dunn anzunehmen, daß das Erfordernis des „doing business within the state“ nicht erfüllt sei. Auch in weiteren Entscheidungen wurde mehrfach klargestellt, daß für die Voraussetzung des „doing business within the state“ alle wesentlichen Geschäfte im Inkorporationsstaat geführt werden müssen168. Darüber hinaus müssen die finanziellen Mittel, welche die Gesellschaft durch den Verkauf der Anteile erhält, in erster Linie in Zusammenhang mit dem Geschäft verwendet werden, das die Gesellschaft innerhalb dieses Staates durchführt. In den Fällen, in ____________ 165

414 F.2d 153 (1969). Im Securities Release No. 5450 vom 7. Januar 1974, zitiert nach Jennings / Marsh / Coffee, S. 398, führt die SEC aus, daß der Kongreß bei dieser Ausnahme davon ausging, daß „the investor would be protected both by their proximity to the issuer and by state regulation“. 167 414 F.2d 153, 158 (1969). 168 Securities Release No. 4434 in: Jennings / Marsh / Coffee auf S. 401. Busch v. Carpenter, 827 F.2d 653 (1987), v.a. S. 658 f.; 69 Am. Jur. 2d § 109 m.w.N. 166

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denen der Ertrag für eine Expansion oder Diversifikation in einem anderen Staat benützt wird, wird dadurch die Ausnahme unanwendbar169.

(3) Resident within the state Das Angebot und der Verkauf der Wertpapiere dürfen nur an Anleger erfolgen, die residents innerhalb des Staates sind, in dem die emittierende Gesellschaft inkorporiert ist und ihre Geschäftstätigkeit ausübt. Es stellt sich somit die Frage, was das Gesetz mit dem Begriff resident meint. Diese Frage ist von maßgeblicher Bedeutung, da – wie erwähnt – ein einziger Verkauf oder nur ein Angebot an einen non-resident die Ausnahme insgesamt unanwendbar macht. Das Gesetz selbst definiert den Begriff nicht, aber die SEC hatte mehrfach Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen. Im Securities Release No. 4454 führt sie aus, daß die bloße Anwesenheit in diesem Staat nicht ausreiche, um als resident angesehen zu werden: „Mere presence in the state is not sufficient to constitute residence.“ Es geht also hier nicht nur darum, daß der Aufenthaltsort des Anlegers sich im maßgeblichen Staat befindet. Vielmehr muß er hier sein domicile haben. Dieser Begriff ist zumindest im US-amerikanischen Recht mit dem deutschen Wohnsitzbegriff vergleichbar. Zusätzlich zum tatsächlichen physischen Aufenthalt an diesem Ort, muß bei einem domicile of choice ein voluntatives Element hinzukommen. Das Restatement of Choice of Law (2d) formuliert dies in § 18 wie folgt: „To acquire a domicile of choice in a place, a person must intend to make that place his home for the time at least.“ Die Person muß also, in deutscher Terminologie, die Absicht haben, am maßgeblichen Ort auch ihren Lebensmittelpunkt zu haben. An dieser Bestimmung des Begriffs resident in § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act wird vor allem kritisiert, daß hier auf eine innere Einstellung abgestellt wird, die von dem Emittenten ____________ 169 Vgl. hierzu SEC v. Truckee Showboat, 157 F. Supp. 824 (1957). In dieser Entscheidung wollte eine kalifornische Gesellschaft den Emissionserlös dazu verwenden, um ein Hotel in Nevada zu kaufen und dann auch zu führen. Bis dahin war die Gesellschaft nur innerhalb Kaliforniens tätig und bot ihre Anteile auch nur hier zum Verkauf an. Da es aber jetzt um eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit außerhalb des Staates Kalifornien ging, entschied der United District Court, S.D. California, daß sich die Gesellschaft nicht auf § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act berufen könne. Ein ähnliches Problem tritt in SEC v. McDonald Investment Co., 343 F. Supp. 343 (1972) auf. Hier benutzte eine Gesellschaft aus Minnesota den Erlös um Darlehen an Personen zu vergeben, die Land außerhalb dieses Staates erschließen wollten. Das Gericht führte hier aus, daß eine solche Praxis zumindest den Geist des Gesetzes, wenn nicht sogar den Buchstaben verletze, „… would seem to violate the spirit if not the letter of the Act“, S. 346 und gewährte der Gesellschaft nicht die Ausnahme in § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act.

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praktisch nicht überprüft werden kann170. Teilweise wurde daher gefordert auf den Begriff residence, also lediglich Aufenthaltsort abzustellen, da dieser leichter zu überprüfen sei171. Die Konsequenz dieser Ansicht der SEC soll an zwei Beispielen illustriert werden: Ein Angebot oder ein Verkauf an einen Angehörigen des Militärs, der zeitweise in dem Staat stationiert ist, fällt nicht unter die Ausnahme des § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act. Dagegen ist durch dieses Konzept in der Interpretation des Begriffs resident die Übergabe eines securities auch an jemanden möglich, der sich kurzfristig außerhalb des Staates aufhält172.

(4) Come to the rest Eine weitere Voraussetzung, die im case law zu dieser Ausnahme entwickelt wurde, ist, daß die Anteile in den Händen der innerstaatlichen Anleger „zur Ruhe gekommen sein“ müssen, was mit der Formulierung „come to the rest“ umschrieben wird. Diese Voraussetzung erinnert an das Merkmal des investment intent im Rahmen von § 4 Nr. 2 Sec. Act, der oben angesprochen wurde. Auch hier dürfen die ursprünglichen Käufer nicht mit dem Ziel eines Weiterverkaufs an non-residents handeln. Auch diese Frage wird meist dann virulent, wenn es nach Ablauf einiger Zeit zu einem Weiterverkauf gekommen ist und sich nun die Frage stellt, ob diese Transaktion bereits im Zeitpunkt des Erwerbs geplant war. Exemplarisch sei hier auf die Entscheidung Busch v. Carpenter173 des U.S. Court of Appeals, 10th Circuit, verwiesen. Die Kläger waren Käufer von Anteilen der Gesellschaft „Sonic“ und klagten aus § 12 lit. a Sec. Act auf Rückzahlung des Kaufpreises, da die Gesellschaft die Vorschrift des § 5 Sec. Act verletzt habe. Kurz nach der Gründung der Gesellschaft in Utah gab diese securities in einer öffentlichen Emission an residents dieses Staates aus. Dabei erfüllte sie die Prospektpflicht nach dem Securities Act 1933 nicht, wobei sie sich auf die intrastate offering-Ausnahme aus § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act stützte. Einige Monate später nahm ein promotor einer Gesellschaft zur Ölförderung in ____________ 170

In praktischer Hinsicht schlagen Alberg und Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 648 (1974) vor, daß der Emittent beim Erwerb von jedem Käufer eine formelle Bescheinigung über den Wohnort i.S.d. Vorschrift fordert. Ergänzend soll in allen Verkaufsunterlagen klargestellt werden, daß das Angebot ausschließlich an Personen ergeht, die an einem bestimmten Ort ihren Wohnsitz haben. 171 Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 646 (1974). 172 Hierzu 69 Am. Jur. 2d § 109. 173 827 F.2d 653 (1987).

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Illinois mit dieser Kontakt auf und schlug einen Unternehmenszusammenschluß beider Gesellschaften vor. Nachdem es zu dem Zusammenschluß gekommen war, gründeten sie gemeinsam eine Investmentfirma. Durch diese konnten die Anteile an „Sonic“, die ursprünglich nur an Anleger in Utah ausgegeben wurden, von den jetzt neu Beteiligten erworben werden. Außerdem erwarben auch die Kläger, die ihren Wohnsitz in Kalifornien hatten, Anteile. Bei der Frage, ob für die ursprüngliche Emission der securities § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act anwendbar war, mußte das Gericht die Frage beantworten, ob das Erfordernis des come to the rest hinsichtlich der Anteile erfüllt war. Der District Court nahm dies an. Dem folgte auch die Entscheidung des 10th Circuit, U.S. Court of Appeals. Dabei führte das Berufungsgericht aus, daß die Voraussetzung des come to the rest deswegen statuiert wurde, um einer Umgehung des Securities Act 1933 vorzubeugen. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn die residents die Wertpapiere zum Zwecke der Investition erworben hätten und nicht zum Weiterverkauf174. Im vorliegenden Fall liege zwischen dem ursprünglichen Verkauf und dem Weiterverkauf sieben Monate. Das Gericht wies den Einwand der Kläger zurück, daß allein der Weiterverkauf genüge, um die Ausnahme unanwendbar zu machen. In diesen Zusammenhang seien vielmehr alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die auf eine Investitionsabsicht der ursprünglichen Käufer schließen lassen. Im konkreten Fall hielt es das Gericht für ausschlaggebend, daß zum Zeitpunkt des Verkaufs der Anteile die Idee eines Unternehmenszusammenschlusses noch nicht entstanden war. Erst dieser führte aber zur Gründung der Investmentfirma und damit zu dem Weiterverkauf der Anteile. Ein wirklicher Beweis der Investitionsabsicht der ursprünglichen Käufer darüber hinaus, müsse von der Gesellschaft nicht geführt werden. Ebenso wie im Rahmen des § 4 Nr. 2 Sec. Act geht es also auch bei dieser Ausnahme nicht um ein Erforschen der inneren Absichten der Verkäufer, sondern vielmehr um objektive Anhaltspunkte175, die den Schluß auf eine Investitionsabsicht bzw. auf das come to the rest zulassen. Ein wichtiger Umstand ist die Länge der Zeit zwischen den Verkäufen. Dabei läßt sich keine feste Grenze ziehen176. In der eben geschilderten Entscheidung Busch v. Carpenter hielt das Gericht einen Zeitraum von sieben Monaten unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles für ausreichend. In der bereits oben zitierten Ent____________ 174

827 F.2d 653, 656 (1987). Vgl. auch 69 Am. Jur. 2d § 110. 176 Zu den Überlegungen ein wie langer Zeitraum vergehen muß auch Cox / Hazen / O'Neal S. 27.48, der die neun Monate aus Rule 147, die unten behandelt wird, zumindest als Anhaltspunkt verwenden möchte. 175

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scheidung SEC v. Hillsborough Investment Corporation177 lagen zwischen dem Verkauf innerhalb des Staates und dem Weiterverkauf außerhalb der Grenzen des Einzelstaates lediglich 30 Tage. Noch dazu erfolgte der Weiterverkauf teilweise bevor das offering abgeschlossen war. In diesem Fall entschieden die Gerichte, daß die erforderliche Investitionsabsicht jedenfalls gefehlt habe. Die SEC selbst hat angegeben, daß generell bei Weiterverkäufen innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr eine widerlegbare Vermutung dafür bestehe, daß eine entsprechende Absicht beim Kauf gefehlt habe178.

(5) Benutzung von Instrumenten des zwischenstaatlichen Handels Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Ausnahme des intrastate offerings in keinem Zusammenhang mit der Frage steht, ob Instrumente des interstate commerce benutzt wurden. Das bedeutet, daß die Ausnahme nicht dadurch verletzt wird, daß die Post, das Telefonnetz oder generelle Zeitungsanzeigen verwendet werden, um das Angebot möglichen Interessenten zu unterbreiten. Im Falle einer Zeitungsanzeige muß allerdings gewährleistet sein, daß diese auf residents beschränkt ist, da sonst angenommen werden kann, daß ein Angebot an alle Anleger unabhängig vom Wohnsitz ergeht, was bereits § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act unanwendbar macht179.

(6) Ergebnis Wenn sich eine Gesellschaft auf die Ausnahme unter § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act berufen will, muß sie zusammenfassend folgende Anforderungen erfüllen: Die Gesellschaft muß in demselben Staat, an dessen Bewohner das Angebot ergeht, ____________ 177

173 F. Supp. 86 (1958), bestätigt in Hillsborough Investment Corporation v. SEC, 276 F.2d 665 (1960). 178 Vgl. Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 646 (1974). Alberg und Lybecker, ebenda S. 648, empfehlen dem Emittenten beim Erwerb von jedem Käufer eine formelle Bescheinigung zu fordern, in der er das Bestehen der Investitionsabsicht bestätigt. Damit im Zusammenhang soll eine Vereinbarung getroffen werden, daß er das Wertpapier nicht vor Ablauf eines Jahres an einen Anleger in einem anderen Einzelstaat verkaufen werde. Ergänzend zu der Vereinbarung mit dem Anleger, soll auch die Urkunden der securities das Verbot eines Verkaufs an einen non-resident vor Ablauf eines Jahres enthalten. 179 Üblicherweise wird dies durch den Zusatz „For State X Residents Only“ klargestellt. Dazu Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 648 Fußn. 124 (1974), vgl. auch Securities Release No. 4434, in: Jennings / Marsh / Coffee auf S. 392.

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gegründet sein und den wesentlichen Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit haben. Für den Begriff residents wird dabei auf den domicile-Begriff abgestellt, so daß die Anleger neben ihrem tatsächlichen Aufenthalt auch ihren Lebensmittelpunkt in dem fraglichen Staat haben müssen. Soweit nur ein einziger Verkauf oder auch nur ein Angebot an non-residents ergeht, hat dies die Unanwendbarkeit der Ausnahme für die gesamte Emission zur Folge. Zwei Angebote, die hintereinander erfolgen, werden nur dann nicht als eine integrierte Emission angesehen, wenn zwischen ihnen substantielle Unterschiede bestehen. Schließlich müssen die securities vom Käufer mit Investitionsabsicht erworben werden und dürfen erst dann weiterverkauft werden, wenn das Erfordernis des come to the rest erfüllt ist. Insgesamt ist die Vorschrift nur für public offerings gedacht, die ihrer ganz Art nach lokalen Charakter haben. Dies bedeutet, daß nur die Finanzierung ortsansässiger Industrie durch lokale Investoren von der Registrierung unter § 5 Sec. Act ausgenommen ist. Die SEC hat dies im Securities Release No. 4454 so ausgedrückt: „… Section 3 (a) (11) is designed to apply only to distributions genuinely local in character. From a practical point of view, the provisions of that section can exempt only issues which in reality local financing by local industries, carried out through local investment.“180

bb) Rule 147 Bei der Auslegung von § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act hat sich gezeigt, daß es zahlreiche Fragen gibt, die insbesondere von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt sind. Zwar hat die Vorschrift in den fast 70 Jahren ihrer Geltung durch eine Vielzahl von Entscheidungen und Äußerungen der SEC, allen voran dem bereits erwähnten Securities Release Nr. 4434 aus dem Jahre 1961, eine Konkretisierung erfahren, es bleiben jedoch für die Gesellschaft, die sich ihrer bedienen möchte, Unsicherheiten bestehen. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die SEC 1974 die Rule 147 erlassen. Das Verhältnis dieser Regel zur gesetzlichen Bestimmung entspricht weitgehend dem von § 4 Nr. 2 Sec. Act zu Rule 506. Auch die Rule 147 gehört in die Gruppe der norminterpretierenden rules181, die im Gesetz verwendete Begriffe definieren. Ebenso wie bei Rule 506 handelt es sich bei Rule 147 um eine nicht ____________ 180 181

S. 15.

In: Jennings / Marsh / Coffee auf S. 393. Zu den drei verschiedenen Gruppen der rules vgl. oben unter 1. b) und Ratner,

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abschließende Regelung182. Das bedeutet, daß sich Emittenten – auch wenn sie die Anforderungen der Rule 147 nicht erfüllen – gleichwohl auf § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act berufen können, wie er durch die Rechtsprechung und die SEC interpretiert wird183. Der Sinn der Rule 147, als safe harbor rule, ist es vielmehr, objektive Standards aufzustellen, die dem Emittenten, der sich auf die intrastate offering-Ausnahme berufen möchte, ein höheres Maß an Rechtssicherheit gewähren können als § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act selbst.

(1) Issue concept Das erste Problem bei der Anwendung von § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act stellt sich, wie angesprochen, bei der Entscheidung darüber, wann zwei nacheinander ergangene Angebote als integriert angesehen werden müssen. Wenn dies der Fall ist, gehören beide derselben Emission an, sind also part of an issue. Sie müssen beide die Anforderungen des § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act erfüllen, da sonst die Ausnahme unanwendbar ist. Lit. b Nr. 2 der Rule 147 stellt eine Regel dafür auf, wann zwei Angebote jedenfalls nicht integriert werden. Zum einen muß das Angebot, das nicht der intrastate offering-Ausnahme entspricht, entweder von einer der übrigen Ausnahmen in § 3 Sec. Act erfaßt werden, ein private placement darstellen und daher nach § 4 Nr. 2 Sec. Act von der Registrierung ausgenommen sein oder registriert sein. Darüber hinaus muß zwischen beiden Angeboten ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten verstreichen. Das intrastate offering muß folglich sechs Monate vor dem anderen Angebot erfolgen oder nach Ablauf von sechs Monaten. Soweit es innerhalb dieses Zeitraums zu einem Angebot oder Verkauf von Wertpapieren derselben Gattung durch oder für den Emittenten kommt, folgt aus Rule 147 nicht eine automatische Integration, wie es noch der erste Entwurf der Rule 147 vorsah. Vielmehr bleibt die Integration dann eine Tatsachenfrage, die nach den auch sonst geltenden traditionellen subjektiven Standards entschieden wird184.

____________ 182 Zum Charakter der Rule 147 als nonexclusive exemption vgl. 69 Am. Jur. 2d § 111; Vorwort zur Rule 147 unter Nr. 1; Securities Release No. 5450 vom 7. Januar 1974 zitiert nach Jennings / Marsh / Coffee, S. 398 ff. 183 Cary / Eisenberg, S. 1520. 184 Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 650 (1974).

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(2) Doing business within the state Ebenso wie bei § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act fordert die Rule 147, daß der Emittent resident des Staates ist, in dem er seine securities verkaufen möchte. Für eine Gesellschaft bedeutet dies, daß sie in diesem Staat gegründet sein muß. Diese Feststellung wirft keine Schwierigkeiten auf. Für die Frage, wann davon gesprochen werden kann, daß der Emittent seine Geschäfte in dem maßgeblichen Staat führt, stellt die Rule 147 klare objektive Anforderungen. Nach lit. c Nr. 2 der Rule 147 muß die emittierende Gesellschaft zunächst 80 % ihres Bruttoertrages während eines bestimmten Geschäftsjahres aus Grundstücken oder durch Geschäfte oder Dienstleistungen innerhalb des Staates erlangt haben. Die Frage, welches Geschäftsjahr entscheidend ist, wird unterschiedlich beantwortet, je nachdem wann es zu dem Angebot gekommen ist. Soweit dieses in die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres fällt, ist das vergangene ausschlaggebend. Wenn das Angebot den Anlegern in den letzten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres unterbreitet wurde, stellt ein Zeitraum von zwölf Monaten, der mit den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres endet, das maßgebliche Jahr dar. Als weitere Voraussetzung mußte die Gesellschaft im vergangenen halben Geschäftsjahr 80 % ihres Vermögens und das ihrer Tochtergesellschaften in diesem Staat haben. Des weiteren muß der Emittent die Absicht haben, 80 % des Reinerlöses aus dem Verkauf der securities in Grundstücke oder den Betrieb des Unternehmens zu investieren. Als letzte Voraussetzung, die auch schon aus § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act entnommen wurde, muß sich der Hauptsitz der Gesellschaft hier befinden. Obwohl sich der Ansatz in lit. c an den traditionellen Anforderungen an einer lokalen Finanzierung durch ortsansässige Personen orientiert, wurde dieser scharf kritisiert. Die genauen prozentualen Angaben könnten zur Folge haben, daß die Qualifikation eines potentiellen Emittenten von Jahr zu Jahr von Zufällen abhängt. Jedoch wurde diese Kritik hauptsächlich gegenüber dem ersten Entwurf der Regel laut. Dieser forderte, daß 90 % des Reinerlöses innerhalb des Staates reinvestiert werden müssen, und kannte auch für die Bestimmung des maßgeblichen Geschäftsjahres starrere Vorschriften. Alberg und Lybecker weisen darauf hin185, daß vor allem die Beispiele, welche die SEC im Securities Release No. 5450 zur Frage, wann ein Unternehmen seine Geschäfte innerhalb des Staates führt, darauf schließen lassen, daß dieser Absatz nicht restriktiv interpretiert werden wird. ____________ 185

Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 651 (1974).

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(3) Resident within the state Eine Schwierigkeit im Rahmen des § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act stellt die Anforderung dar, die an potentielle Käufer gestellt wird. Es wurde bereits oben angesprochen, daß es der SEC nicht lediglich ausreicht, daß der Käufer im Staat, in dem die securities angeboten werden, seine residence, also seinen Aufenthaltsort, hat. Vielmehr stellt die SEC auf den schwieriger zu bestimmenden domicile-Begriff ab, dem subjektive Elemente innewohnen. Für die safe harbor Rule 147 kommt auch hier die SEC den Anbietern entgegen, indem sie eine Vermutungsregel für die Frage aufnimmt, ob die Voraussetzung resident beim Käufer erfüllt ist. Nach lit. d soll eine Person dann als resident gelten, wenn sie im fraglichen Staat oder Territorium ihren principal residence, also ihren Hauptaufenthaltsort, hat. Zwar stellt dies eine gewisse Erleichterung gegenüber dem Erfordernis im Securities Act 1933 dar, da es nicht mehr in demselben Maße auf die für den Anbieter der securities kaum ergründbare Intention eines potentiellen Käufers ankommt. Das Risiko des Anbieters, daß er diese Anforderung nicht erfüllt, ist damit reduziert. Es bleibt jedoch auch hier nicht aus, daß nach subjektiven Einstellungen gefragt werden muß. Soweit ein Interessent sich in verschiedenen Staaten aufhält, verbleibt die Unsicherheit, welcher im konkreten Fall der Hauptaufenthaltsort ist. Die SEC hat nämlich daran festgehalten, daß ein bloß zeitweiliger Aufenthalt in einem Staat, wie es etwa bei Angehörigen des Militärs der Fall ist, nicht als principal residence genügt186. Eine Differenzierung zwischen einem principal residence und einem bloß zeitweiligen, also temporary, kann aber nicht ohne Berücksichtigung eines voluntativen Elements bestimmt werden. Man muß wohl aus dem Beispiel schließen, daß ein zeitweiliger Aufenthaltsort in diesem Sinne nur dann angenommen werden muß, wenn die Person nicht freiwillig im fraglichen Staat lebt187. Soweit eine Gesellschaft als Käufer in Frage kommt, statuiert die Rule 147, daß diese ihren Sitz in dem Staat haben muß, in dem sie securities, die unter die Ausnahme fallen, erwerben möchte. Hier besteht ein Unterschied, zur Frage, wann die emittierende Gesellschaft als resident angesehen wird. Wie bereits angesprochen ist dabei vor allem die Gründung ausschlaggebend. Die SEC hat im Securities Release No. 5450 dazu ausgeführt, daß sie der Meinung ist, daß der Sitz für den lokalen Charakter des Erwerbers wesentlicher ist als der Gründungsort. Diese Entscheidung hat im Ergebnis zur Folge, daß ein Erwerb von ____________ 186

Securities Release No. 5450, in Jennings / Marsh / Coffee, S. 405. Eben diesen Ansatz wählen auch Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 652 (1974). 187

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securities, die als intrastate offerings gelten, für eine größere Anzahl von Gesellschaften in Frage kommt. Das US-amerikanische Kollisionsrecht folgt die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Gesellschaftsrecht der Gründungstheorie. Die Wahl des Gründungsstaates erfolgt somit häufig aus pragmatischen Erwägungen, vor allem danach in welchem Einzelstaat die gesellschaftsrechtlichen Regeln den Bedürfnissen der Gründer am ehesten entsprechen. Dies führt, wie bereits in anderem Zusammenhang angedeutet, dazu, daß Delaware für eine erhebliche Anzahl gerade größerer Gesellschaften als Gründungsstaat dient. Der Bezug dieser Gesellschaften zu Delaware beschränkt sich aber dann zumeist auf diese Gründung, wogegen die eigentlichen Geschäfte in einem oder mehreren anderen Staaten geführt werden. In einem dieser Staaten befindet sich auch der Sitz der Gesellschaft. Wenn eine Gesellschaft securities erwerben möchte, dann ist in den meisten Fällen der lokale Bezug zum taktisch gewählten Gründungsstaat viel geringer als zu dem Staat, in dem sich tatsächlich der Sitz befindet. Also ist die Entscheidung der SEC aus dem Blickwinkel des Kollisionsrecht gerechtfertigt. Im anderen Fall könnten wohl viele Gesellschaften securities nur bei intrastate offering in Delaware erwerben, was auf Grund der Größe des Staates und der damit verbundenen Anzahl der Gesellschaften, die hier als Emittenten in Betracht kommen (also hier gegründet sind, ihren Sitz haben und den substantiellen Teil ihrer Geschäftstätigkeit ausüben), den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift stark einschränken würde.

(4) Limitations on resales Immer dann, wenn Anleger, die Wertpapiere unter § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act erworben haben und diese nun an Interessenten aus anderen Staaten weiterverkaufen wollen, stellt sich die Frage, ob die Anteile in der Zwischenzeit innerhalb des Staates „zur Ruhe gekommen sind“, ob also das durch die Rechtsprechung statuierte Merkmal des come to the rest erfüllt ist. In lit. e der Rule 147 hat die SEC den Gesellschaften zur Entscheidung dieser Frage eine klare Richtlinie an die Hand gegeben. Innerhalb des Zeitraums, in dem die securities, die als Teil einer Emission angesehen werden, angeboten oder verkauft werden, müssen auch die Weiterverkäufe durch Erstkäufer den Anforderungen des intrastate offerings entsprechen, dürfen also nur an residents desselben Staates erfolgen. Das gleiche fordert der genannte Absatz für den Zeitraum von neun Monaten nach dem letzten Verkauf. Damit wird in dieser Regel nur auf einen einfach zu bestimmenden Zeittest abgestellt. Nach dem investment intent des Erstkäufer, der eine Voraussetzung des come to the rest ist, wird im Sinne der Rechtsprechung zu § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act nicht gefragt.

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Ursprünglich wurde erwogen, nicht nur die Weiterverkäufe mit einzubeziehen, sondern die zeitliche Beschränkung auch auf Angebote der Ersterwerber an Anleger in anderen Staaten auszudehnen. Dies wäre jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen, da es für einen Emittenten nahezu unmöglich ist, bloße Angebote zu verbieten oder von diesen überhaupt Kenntnis zu erlangen188. Da daher die Erstreckung auf Angebote impraktikabel geblieben wäre, nahm die SEC davon wieder Abstand. Kritik wurde von Seiten der Literatur vor allem gegenüber der genauen Zeitdauer laut. So wurde zu bedenken gegeben, daß im Extremfall die Zeitspanne, in der ein Anleger seine Anteile nicht frei weiterveräußern kann, bis zu achtzehn Monate betragen kann189. Es wurde deswegen an Stelle der neun Monate eine Periode von drei oder sechs Monaten als ausreichend erachtet190. Lit. f der Rule 147 schreibt schließlich bestimmte Vorkehrungen vor, die einen Verkauf über die Grenzen eines Staates hinaus verhindern sollen. Zunächst muß sich nach lit. f Nr. 1 (i) auf jeder Urkunde ein Vermerk befinden, der darauf hinweist, daß dieses Wertpapier ohne eine vorherige Registrierung unter dem Securities Act 1933 verkauft wurde und daher den eben beschriebenen Beschränkungen des Weiterverkaufs nach Rule 147 lit. e unterliegt. Zudem muß nach lit. f Nr. 1 (ii) an die für die Übertragung der Anteile zuständige Person (sog. transfer agent) eine Anweisung ergehen, die eine Übertragung verhindert. Lit. f Nr. 1 (iii) schließlich fordert von jedem Käufer ein schriftliche Erklärung über seinen residence, also seinen Wohnsitz, im Sinne der Vorschrift. Außerdem wird einem Emittenten auferlegt, sowohl die Weiteräußerungsbeschränkung nach lit. e, als auch die Anforderungen nach lit. f Nr. 1 (i), (ii) und Nr. 2 im Zusammenhang mit einem Verkauf oder einem Angebot offenzulegen.

(5) Ergebnis Im Vergleich zu § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act stellt die Rule 147 in zahlreichen Fragen objektive Standards auf und vermindert so für Anbieter, die sich auf die Ausnahme des intrastate offering berufen wollen, die mit der Ausnahme verbundenen Risiken. Ein Beispiel ist etwa die abweichende Auslegung des Begriffs resident oder auch die Entscheidung, wann zwei hintereinander erfolgte Angebote als Teile einer einzigen Emission angesehen werden, wann also eine ____________ 188

Vgl. hier Securities Release No. 5450, in: Jennings / Marsh / Coffee, S. 405. Zur Berechnung dieser Frist siehe Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622 (1974) auf S. 652, Fußn. 150. 190 Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 652 (1974) m.w.N. 189

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Integration der beiden stattfindet. Auf die Nachteile solch strikter Regeln wurde bereits im Zusammenhang mit dem Erfordernis des doing business within a state hingewiesen191. Da aber, wie schon im Verhältnis zwischen § 4 Nr. 2 Sec. Act und Rule 506192, auch hier § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act weiterhin anwendbar bleibt, können die Emittenten auf diese offenere, aber damit auch unsichere und mit höheren Risiken verbundene Regel zurückgreifen, wenn die strikteren Voraussetzungen der Rule 147 knapp nicht erfüllt sind.

b) Small offerings In den Genuß einer weiteren wichtigen Ausnahme von der Registrierungspflicht kommen Unternehmen im Falle eines sog. limited offerings oder small offerings. Gemeinsam ist allen Vorschriften über solche Angebote, daß sie nur anwendbar sind, wenn das Angebot bzw. auch mehrere Angebote in einem bestimmten Zeitraum eine Höchstsumme nicht überschreiten. Von vorrangiger Bedeutung ist für diese Art von Angeboten die Regulation D mit ihren Rules 504 und 505 [unter bb)] und daneben die Regulation A [unter cc)]. Zunächst soll aber unter aa) auf die gesetzlichen Grundlagen dieser Vorschriften eingegangen werden.

aa) Die gesetzlichen Ausnahmen, §§ 3 lit. b, c und 4 Nr. 6 Sec. Act § 3 lit. b Sec. Act selbst stellt nicht, wie die bisher erwähnten §§ 3 lit. a Nr. 11, 4 Nr. 2 Sec. Act, einen eigenen Ausnahmetatbestand dar. Vielmehr gibt diese Vorschrift der SEC die Kompetenz, unter bestimmten Voraussetzungen weitere eigene Ausnahmevorschriften zu erlassen. Die darunter erlassenen rules gehören der oben angesprochenen zweite Gruppe der von der SEC geschaffenen Regeln an193. Sie enthalten substantielle Regelungen, welche die SEC aufgrund ihrer vom Kongreß übertragenen Kompetenz erlassen kann. Bei diesen Ausnahmen müssen Voraussetzungen erfüllt sein, die dafür sprechen, daß nach dem Zweck des Gesetzes keine Registrierung notwendig ist. § 3 lit. b Sec. Act fordert, daß kein öffentliches Interesse an einer Registrierung besteht und eine solche auch für den Schutz der Anleger nicht erforderlich ist. Gründe dafür können zum einen in der nur geringen Anzahl von securities lie____________ 191 192 193

Dies gibt auch Alberg / Lybecker, 74 Col. L. Rev. 622, 653 (1974) zu bedenken. Siehe dazu oben unter 1. b). Vgl. wiederum oben unter 1. b).

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gen, die emittiert werden, oder in dem begrenzten Charakter des Angebots. Nach dem Gesetz sollen Ausnahmen somit dann statuiert werden, wenn die SEC der Meinung ist, „that the enforcement of this subchapter with respect to such securities is not necessary in the public interest and for the protection of investors by reason of the small amount involved or the limited character of the public offering“. Obwohl diese Ermächtigung der SEC in dem Abschnitt über von der Registrierung ausgenommenen securities steht, wird auch diese Vorschrift, ebenso wie bereits § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act traditionell zu den Ausnahmevorschriften für bestimmte Transaktionen gezählt194. Unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahme im einzelnen gewährt wird, legt die SEC selbst fest. Das Gesetz gibt jedoch eine summenmäßige Obergrenze für die betroffene Emission an. Wenn diese überschritten ist, kann keinesfalls eine weitere Ausnahme von der Registrierung nach § 3 lit. b Sec. Act vorgesehen werden. Bei einer höheren Emission kann somit nicht mehr von einem small offering im Sinne des Gesetzes gesprochen werden. Welche Schwierigkeiten gerade bei dieser Ermächtigung auftreten, kann gut daran ermessen werden, wenn man sich die Diskussionen vor Augen hält, die bei der Erhöhung dieser Obergrenze immer wieder geführt werden195. Als § 3 lit. b Sec. Act ursprünglich erlassen wurde, lag die erwähnte Grenze bei $ 100.000. 1945 wurde die Summe auf $ 300.000 erhöht. Bis zu einer weitere Heraufsetzung des Limits mußten 25 Jahre vergehen. Der Grund hierfür waren unterschiedliche Auffassungen innerhalb des Kongresses. Der Senat stimmte für eine höhere Summe, aber der Kongreß lehnte dies mehrfach ab, bis 1970 eine Erhöhung auf $ 500.000 in beiden Häusern eine Mehrheit fand. Kurze Zeit darauf wurde die Ausnahme erheblich ausgeweitet. Im Mai 1978 verdreifachte der Kongreß das Limit und setzte es auf $ 1,5 Mio. fest, dann im Oktober desselben Jahres wurde auf $ 2 Mio. erhöht und zwei Jahre später schließlich auf $ 5 Mio. Bei jeder dieser Erhöhungen standen sich zwei Prinzipien gegenüber, die auch im Hinblick auf die Ausgestaltung der einzelnen rules durch die SEC im Auge behalten werden müssen. Einerseits sind die Registrierung und die damit zusammenhängenden Schritte sowohl zeit-, als auch kostenintensiv196. Die Kosten sind dabei zudem für kleinere Unternehmen proportional höher als für große Unternehmen197. Dadurch kann es für kleine Unternehmen zu einer ____________ 194

Vgl. hierzu und zu den Auswirkungen 69 Am. Jur. 2d § 107 Fußn. 45. Im einzelnen Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1310 ff. 196 Dazu nur Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544, 549 (1980). 197 Loss / Seligman, Fundamentals, S. 301 bzw. Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1308 Fußn. 235 m.w.N. 195

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Sperrwirkung des öffentlichen Marktes kommen. Loss und Seligman folgern daraus, daß es die Aufgabe des Staates sei, auch solchen Unternehmen eine Kapitalaufnahme am öffentlichen Kapitalmarkt zu für sie erschwinglichen Bedingungen zu ermöglichen. Dies gilt zumindest dann, wenn es nicht ausdrücklich dem politischen Willen entspricht, große Unternehmen gegenüber kleinen zu bevorzugen. „Thus, unless it is national policy to give the large business firms advantages over the small in capital formation, it is essential to create compensatory programs to stimulate the financing of small firms.“198 Andererseits durfte bei der Erhöhung der Grenzen der Zweck des Gesetzes nicht außer acht gelassen werden. Historisch ist aber erwiesen, daß es gerade die Gründer neuer, spekulativer Gesellschaften waren, die einen substantiellen Anteil der Betrügereien im Zusammenhang mit Wertpapieren begingen. Dies bedeutet, daß zu großzügige Ausnahmen für kleinen Unternehmen gerade den Anlegern den Schutz des Kapitalmarktrechtes entziehen würden, die ihn am notwendigsten bedürfen. Neben § 3 lit. b Sec. Act gibt es zwei weitere Bestimmungen, die unter dem Stichwort small offering genannt werden sollen: § 3 lit. c Sec. Act erlaubt der SEC in ähnlicher Weise, wie der lit. b, die securities solcher Kapitalanlagegesellschaften von der Registrierung auszunehmen, die dem Small Business Investment Act von 1958 unterfallen. Diese Ermächtigung ist deswegen von Bedeutung, da sog. investment companies sich auf eine Reihe von Ausnahmevorschriften, die sich auf lit. b stützen, nicht berufen können199. Auch hier findet sich im Securities Act 1933 selbst nicht die Ausnahmevorschrift, sondern nur eine Übertragung einer Kompetenz zur Rechtsetzung auf die SEC. Auch von dieser soll die SEC nach ihrem Ermessen dann Gebrauch machen, wenn eine Registrierung im Hinblick auf das öffentliche Interesse und zum Schutz von Anlegern nicht notwendig erscheint. Unter § 3 lit. c Sec. Act hat die SEC die Regulation E erlassen. Auf diese Vorschriften wird im weiteren nicht mehr eingegangen, da die spezifischen Belange kleiner Kapitalanlagegesellschaften im vorliegenden Zusammenhang von geringerem Interesse sind. Erwähnt werden kann zudem, daß die Regulation E in weiten Teilen an die korrespondierenden Vorschriften der Regulation A angelehnt ist200, die unter cc) behandelt wird. Am deutlichsten wird dies daran, daß auch die Regulation E Angebote von kleinen Kapitalanlagegesellschaften nur dann ausnimmt, wenn sie $ 5 Mio. ____________ 198 Loss / Seligman, Fundamentals, S. 301 bzw. Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1309. 199 So nimmt Rule 504 lit. a Nr. 2 ebenso wie Rule 505 lit. a Kapitalanlagegesellschaften als mögliche Emittenten aus. Dasselbe gilt für die Regulation A, was sich hier aus Rule 251 lit. a Nr. 4 ergibt. 200 69 Am. Jur. § 212. Dort auch zu Details der Regulation E.

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nicht überschreiten. Dies stimmt mit der Regulation A überein, was um so gewichtiger ist, da § 3 lit. c Sec. Act im Gegensatz zu lit. b der SEC die Möglichkeit eröffnet, Anteile solcher Gesellschaften grundsätzlich von der Prospektpflicht zu befreien, unabhängig von einer bestimmten Höchstgrenze des Angebots. Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch § 4 Nr. 6 Sec. Act zu nennen. Diese Bestimmung wurde dem Securities Act 1933 im Jahre 1980 aufgrund des Small Business Issuers’ Simplification Acts hinzugefügt. Dadurch sollen solche Angebote von § 5 Sec. Act ausgenommen werden, die zum einen an sog. accredited investors201 ergehen und zum anderen im Umfang, die in § 3 lit. b Sec. Act festgelegte Höchstsumme nicht überschreiten. Damit kombiniert diese Ausnahme Elemente des § 4 Nr. 2 Sec. Act (private offering) mit denen eines small offerings nach § 3 lit. b Sec. Act. Dieser Vorschrift wird in der Literatur nur geringe Bedeutung beigemessen. Soweit ein Angebot an einen accredited investor vorliegt, werden zumeist auch die Anforderungen der § 4 Nr. 2 Sec. Act bzw. der safe harbor rule 506 der Regulation D erfüllt sein. Ein gewisser Anwendungsbereich bleibt der Vorschrift nur, wenn der Emittent die Anzeigepflichten aus Rule 503 nicht erfüllt oder sich aus anderen Gründen nicht auf die Regulation D berufen kann202. Auch Soderquist203 sieht die Bedeutung dieses Absatzes des Securities Act 1933 nicht so sehr in der eigentlichen Veränderung, die er gebracht hat, sondern in einem anderen Umstand. Seit der sog. new deal-Gesetzgebung unter Präsident Roosevelt, die neben anderen Kapitalmarktgesetzen zum Erlaß des Securities Act 1933 und dem Securities Exchange Act 1934 geführt hatte, hatte der Kongreß Regelungen im Hinblick auf securities praktisch gänzlich einer Regulierung durch die SEC überlassen. Erst durch den besagten Small Business Investment Act von 1980 gab der Kongreß zu erkennen, daß er in dieser Rechtsmaterie selbst Regelungen treffen möchte. Zudem war wohl der Erlaß dieser Vorschrift auch für die Ausgestaltung der Regulation D im Jahre 1982 ein entscheidendes Vorbild für die SEC.

____________ 201 Auf diesen Begriff wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Rule 506 eingegangen, vgl. oben unter 1. b). 202 69 Am. Jur. § 171 Fußn. 10 mit Verweis auf § 148, für die Fälle, in denen eine Berufung auf Regulation D nicht in Betracht kommt. 203 Understanding, S. 140.

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bb) Rules der Regulation D: Rule 504 und 505 Die Rules 504 und 505 gehören ebenso wie die Rule 506 zur Regulation D. Im Gegensatz zu letzterer, auf die bereits oben im Rahmen der Frage, was ein public offering ist, ausführlich eingegangen wurde, stellen Rule 504 und 505 eigenständige Ausnahmetatbestände dar, für die § 3 lit. b Sec. Act nur die gesetzliche Regelungsermächtigung ist. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn der Emittent, der sich auf die Regel beruft, einige Voraussetzungen nicht erfüllt. Im Falle der Rule 506 kann ein Emittent immer noch den Anforderungen an ein private offering, so wie sie sich aus § 4 Nr. 2 Sec. Act ergeben, entsprechen, auch wenn die Voraussetzungen der Rule 506 nicht vorliegen. Wenn hingegen Rule 504 oder 505 nicht anwendbar sind, gibt es regelmäßig keine Vorschrift im Gesetz, auf deren Erfüllung er sich berufen kann, insbesondere ist eine Berufung auf § 3 lit. b Sec. Act nicht möglich. Die Regulation D wurde von der SEC im Jahre 1982 erlassen. Mit ihr verfolgte die SEC mehrere Ziele. Im Securities Release No. 6389 vom 8. März 1982204 sind diese wie folgt umschrieben: „The new regulation is designed to simplify and clarify existing exemptions, to expand their availability, and to achieve uniformity between federal and state exemptions in order to facilitate capital formation consistent with the protection of investors.“ Das Ziel der Regelung war also die Vereinfachung und Vereinheitlichung bestehender Ausnahmen im Kapitalmarktrecht des Bundes und der Einzelstaaten, um so eine Aufnahme von Kapital zu ermöglichen, die auf die Bedürfnisse des Anlegerschutzes hinreichende Rücksicht nimmt. Durch diese Regeln wurden die bisherigen Rules 146, 240 und 242 abgelöst. Durch die Zusammenfassung in einer einzigen Regulation und die Festlegung gemeinsamer Voraussetzungen und Definitionen in den Rules 501 – 503 wurden die Ausnahmevorschriften vereinfacht und übersichtlicher. Eine Koordination der bisherigen Regeln war vor allem auch deshalb angezeigt, da diese im Abstand von mehreren Jahren ergangen waren. Die Rule 146 wurde 1974 erlassen. Durch die ein Jahr später erlassene Rule 240 wollte die SEC zwar einerseits eine neue Ausnahme schaffen, andererseits aber auch auf die scharfe Kritik reagieren, die zur Rule 146 laut geworden war205. Auch die Rule 242, die 1980 erlassen wurde, reagierte wiederum auf den Einwand aus der Literatur und der Praxis, daß vor allem die beiden anderen Regeln für kleine Unternehmen von geringem Nutzen seien. Insgesamt waren also alle drei Regeln weniger von einer einheitlichen Idee oder einem Gesamtkonzept getragen. Sie stellten vielmehr einen immer neuen ____________ 204

Zitiert nach Jennings / Marsh / Coffee, S. 347 ff. Zu der Geschichte der Rules 146, 240 und 242 siehe ausführlich Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1404. 205

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Versuch dar, die Kritik in der Wissenschaft und Praxis zum Verstummen zu bringen. Bevor auf die Rules 504 und 505 im einzelnen eingegangen wird, sollen zunächst einige Bemerkungen erfolgen, die für die gesamte Regulation D gelten. Sobald die Voraussetzungen einer der Ausnahme der Regulation D erfüllt sind, hat dies zur Folge, daß der Emittent von der Registrierungspflicht, wie sie sich aus § 5 Sec. Act ergibt, befreit ist. Ebenso wie bei Vorliegen eines private offerings im Sinne des § 4 Nr. 2 Sec. Act oder eines intrastate offerings nach § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act bleibt hiervon die Anwendung der antifraud-Vorschriften, ebenso wie die Anwendung der zivilrechtlichen Haftungsvorschriften und der sonstigen Bestimmungen des Kapitalmarktrechtes des Bundes auf derartige Transaktionen unberührt. Im Falle der Regulation D ist zu beachten, daß nach Rule 503 jeder Emittent der SEC ein bestimmtes Formular (Form D) übersenden muß. Dies darf nicht später als 15 Tage nach dem ersten Verkauf von securities erfolgen. Diese Benachrichtigung ist jedoch mit keiner Registrierungsgebühr verbunden und es besteht darüber hinaus auch keine formelle Verpflichtung für einen Emittenten, irgendwelche Änderungen zu dem Formular einzureichen. Wenn diese Anzeige an die SEC unterlassen wird oder nicht vollständig ist, zieht dies zudem nicht den Verlust des Ausnahmetatbestands für dieses Angebot selbst nach sich. Allerdings kann die SEC dem Emittenten gegenüber eine Verfügung (injunction) erlassen, was zur Folge hat, daß er für zukünftige Emissionen von der Berufung auf Regulation D ausgeschlossen ist206.

(1) Rule 504 Rule 504 ist die Nachfolgervorschrift der Rule 240. Diese Bestimmung ist nur für Angebote oder Verkäufe durch den Emittenten selbst anwendbar. Als möglicher Emittent kommen dabei nur solche Gesellschaften nicht in Betracht, die in lit. a der Vorschrift ausdrücklich genannt sind. Dies sind, wie bereits erwähnt, investment companies, also Kapitalanlagegesellschaften (Nr. 2), außerdem solche Gesellschaften, die den fortlaufenden Publizitätspflichten aus §§ 13 bzw. 15 lit. d Sec. Ex. Act unterliegen (Nr. 1) 207. Nach Nr. 3 sind zudem sog. development stage companies ausgeschlossen. Darunter versteht die rule solche Gesellschaften, deren Geschäftszweck noch nicht endgültig feststeht oder deren Geschäftszweck der Kauf oder ein Unternehmenszusammenschluß mit einem anderen Unternehmen ist, das noch nicht genauer bestimmt ist. Bei ____________ 206 207

69 Am. Jur. § 149. Vgl. dazu unter D.

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solchen Gesellschaften sind die Anleger also im Ungewissen über die spätere Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, was zur Folge hat, daß auch eine Risikoeinschätzung für den individuellen Anleger erschwert, wenn nicht gar unmöglich wird. Daher besteht hier, auch wenn es nur um eine verhältnismäßig kleine Emission geht, ein öffentliches Interesse, daß zumindest die Registrierungspflichten des Securities Act 1933 erfüllt werden, so daß auf diese Weise ein gewisses Maß an Anlegerschutz gewährleistet ist. Die spezifische Voraussetzung, die die Rule 504 an jemanden stellt, der sich auf sie berufen möchte, ist, daß die Emission ein Volumen von $ 1 Mio. nicht überschreiten darf. Damit wurde hier im Vergleich zur Vorgängervorschrift Rule 240, bei der das Limit bei $ 100.000 lag, die Summe erheblich erhöht. Für die Berechnung dieser Summe ist der aggregate offering price im Sinne der Rule 501 lit. c maßgeblich. Es wird also nach dem Gesamtpreis des Angebots gefragt. Dabei wird jede Vermehrung des Vermögens des Emittenten, die aufgrund der Emission erlangt wird, summiert. Es wird hier nicht nur Geld berücksichtigt, sondern ebenso Dienstleistungen, Grundstücke, der Erlaß von Schulden oder ähnliche Gegenleistungen. Für die Berechnung der $ 1 Mio. werden nach lit. b Nr. 2 der Rule 504 alle Verkäufe von Wertpapieren innerhalb von zwölf Monaten berücksichtigt, die entweder die Anforderungen einer small offering-Ausnahme (§ 3 lit. b Sec. Act) erfüllen oder die unter Verletzung der Prospektpflicht nach § 5 Sec. Act gemacht wurden. Dies bedeutet also, daß der Emissionsumfang der Angebote, die sich auf Rule 505 oder die Regulation A stützen, zu dem der unter Rule 504 verkauften Wertpapiere hinzugezählt wird. Folgendes Beispiel soll der Illustration dienen: Wenn ein Emittent securities für $ 750.000 im Januar 1997 unter Berufung auf Rule 504 verkauft, kann er in den folgenden zwölf Monaten noch Wertpapiere für weitere $ 250.000 verkaufen, wiederum unter Rule 504. Er kann aber alternativ auch securities für bis zu $ 4.250.000 unter Berufung auf Regulation A oder Rule 505 plazieren, die jeweils eine Höchstsumme von $ 5 Mio. haben. Wenn er andererseits unter einer der letzten beiden Ausnahmen Anteile für einen Gesamtpreis von mehr als $ 1 Mio. plaziert, hat dies zur Folge, daß für die kommenden zwölf Monate kein Verkauf von Anteilen unter Rule 504 mehr möglich ist, da die Preise zusammengezählt werden und die Rule 504 ein Limit von nur $ 1 Mio. hat208. Verkäufe, die dagegen unter Rule 506, der private offering-Ausnahme des Securities Act 1933 (§ 4 Nr. 2) oder der intrastate offering-Ausnahme erfolgen, ____________ 208

Weitere Beispiele zur Berechnung der maßgeblichen Summe finden sich in der Regulation D selbst nach Rule 504 lit. b Nr. 2 als Note 1 und 2. Außerdem Loss / Seligman Securities Regulation, S. 1409 Fußn. 487 und 69 Am. Jur. § 152 insbesondere Fußn. 54.

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werden nicht zu dieser Summe hinzugezählt, ebensowenig die Angebote, die unter § 5 Sec. Act registriert sind. Die allgemeinen Voraussetzungen für ein Angebot unter Rule 504 ergeben sich zudem aus den Rules 501 – 503, wenn auch mit gewissen Modifikationen. Am wichtigsten erscheint hierbei, daß keine besondere Form der Offenlegung von Informationen vorgeschrieben ist. Die in Rule 502 lit. b Nr. 2 aufgezählten Offenlegungspflichten gelten gemäß Rule 502 lit. b Nr. 1 nicht für Angebote unter Rule 504. Soderquist209 sieht den Grund für diesen geringeren Anlegerschutz in Rule 504 als eine Antwort auf die fortwährende Kritik und Unzufriedenheit kleiner Gesellschaften mit den hohen Anforderungen und der Strenge der bisherigen Ausnahmen sowie der Registrierung. Seiner Meinung nach ist diese Abschwächung des Anlegerschutzes zwar bedenklich, da auch schon eine Summe von $ 1 Mio. für die meisten Anleger ein erheblicher Betrag sei. Jedoch würde der notwendige Anlegerschutz zumindest dadurch gewährleistet werden, daß aufgrund der zivilrechtlichen Haftungsvorschriften, die meisten Emittenten Anleger freiwillig mit einem Mindestmaß an Informationen versorgen würden. Im Vergleich zur Vorgängervorschrift Rule 240 erscheint noch eine weitere Tatsache erwähnenswert. Die alte Bestimmung galt als typische Regel, die es Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis ermöglichen wollte, Kapital aufzunehmen210. Diese Einschätzung stützte sich auf folgende weitere signifikante Anforderung, die Rule 240 enthielt und die sich nicht mehr in der neuen Regel findet: Nach Rule 240 durfte die Anzahl der sog. beneficial owner der Anteile, also derjenigen Personen, welche, im Gegensatz zu einem trustee, das Eigentum der Anteile im eigenen Interesse halten oder Treugeber sind, weder vor noch nach dem Verkauf 100 Personen überschreiten. Diese Beschränkung der Anzahl der möglichen Anteilseigner des Emittenten wurde aufgegeben. Dadurch wurde der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erweitert. Einen gewissen Ausgleich schafft die schon erwähnte Einschränkung der potentiellen Gesellschaften auf solche, die nicht der Registrierungspflicht nach dem Securities Exchange Act 1934 unterliegen (Rule 504 lit. a Nr. 1). Publikumsgesellschaften mit einem großen Anlegerkreis müssen dieser Pflicht meist genügen211, so daß sich diese auch weiterhin für ein einzelnes Angebot nicht auf small offering i.S.d. Rule 504 berufen können. An Stelle eines zahlenmäßigen Kriteriums, dem immer eine gewisse Willkür innewohnt, da eine ____________ 209

Understanding, S. 142. Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544, 558 (1980). Dort auch weitere Details zu dieser Vorgängervorschrift, ebenso bei Painter, S. 505. Speziell zum Vergleich der alten Rule 240 mit der neuen Rule 504 vgl. Hicks, S. 7–20.2 ff. 211 Zu den Details, wann eine Gesellschaft unter die Offenlegungspflicht des Securities Exchange Act 1934 fällt, vgl. unten unter D. I. 210

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Gesellschaft nicht mit Zunahme eines einzigen Anteilseigners ihren Charakter ändert212, ist somit ein kapitalmarktrechtliches Merkmal getreten.

(2) Rule 505 Rule 505 steht mit den darin gestellten Anforderungen zwischen Rule 504 und Rule 506. Ebenso wie in der ersten Regel gibt es hier eine Obergrenze, die der Gesamtpreis aller Angebote nicht überschreiten darf. Diese Grenze liegt bei $ 5 Mio. und schöpft damit das in der Ermächtigungsvorschrift § 3 lit. b Sec. Act aufgestellte Limit, das ebenfalls bei $ 5 Mio. liegt, aus. Wie in Rule 504 werden auch hier alle Angebote berücksichtigt, die innerhalb von zwölf Monaten gemacht werden, und sich entweder auf eine Ausnahme von der Prospektpflicht, die aufgrund § 3 lit. b Sec. Act erlassen wurde, stützen oder in Verletzung des § 5 Sec. Act ohne jegliche Registrierung ergangen sind. Für die Berechnung kann entsprechend nach oben verwiesen werden. Zusätzlich ist in der Rule 505 lit. b Nr. 2 (ii) auch die Anzahl der Käufer beschränkt, wie in Rule 506. Ein Emittent kann sich nur dann auf diese Ausnahme berufen, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, daß es für den entsprechenden Kauf der securities nicht mehr als 35 Käufer gebe. Diese Begrenzung in der Anzahl der Käufer gilt aber nur für solche Personen, die nicht als accredited investors im Sinne der Rule 501 lit. a gelten. Unter accredited investors versteht man – wie angesprochen – Anleger, die in der Lage sind, für sich selbst Schutzvorkehrungen zu treffen und daher nicht auf den Schutz des Kapitalmarktrechts angewiesen sind. Welche Personengruppen genauer zu dieser Art von Anlegern gezählt werden, wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Rule 506 erörtert213. Zudem sind für die Berechnung der Anzahl der Käufer auch diejenigen Käufer ausgeschlossen, die in Rule 501 lit. e aufgezählt sind, so daß etwa Verkäufe an Verwandte nicht mitgerechnet werden. Wenn man hinsichtlich dieses Aspekts Rule 505 mit der Vorläufervorschrift der Rule 242 vergleicht, finden sich diese Anforderungen schon dort. Der bedeutendste Unterschied zwischen beiden Bestimmungen liegt jedoch in der Höhe des Gesamtpreises, bis zu dem ein Angebot noch als small offering gilt. Bei der Rule 242 lag die Grenze bei $ 2 Mio. Diese war allerdings nicht auf den Zeitraum von zwölf Monaten bezogen, sondern allein auf sechs Monate214. ____________ 212

Zur Beschränkung der Zahl der Anteilseigner in der Definition der close corporation, die ähnliche Probleme aufwirft, vgl. oben § 8 B. I. 1. 213 Siehe oben unter 1. a). 214 Zu übrigen Details zu Rule 242 siehe Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544, 566 (1980) und Painter, S. 506.

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Berufen können sich auf die Ausnahmevorschrift der Rule 505 grundsätzlich alle Emittenten von Wertpapieren. Gewisse Einschränkungen ergeben sich aus Rule 505 lit. a und lit. b Nr. 2 (iii). Ebenso wie schon in Rule 504 sind Kapitalanlagegesellschaften vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Darüber sind auch solche Gesellschaften ausgeschlossen, die unter Rule 251 der Regulation A fallen, eine sog. bad boy disqualification215. Eine Einschränkung, daß nur solche Gesellschaften, in den Genuß der Ausnahme kommen, die nicht den Publizitätspflichten des Securities Exchange Act 1934 unterliegen, enthält Rule 505 nicht. Weitere Anforderungen ergeben sich aus den allgemeinen Vorschriften, Rule 501–503. Dazu sollen zwei Aspekte erwähnt werden: Eine Beschränkung betrifft die Art und Weise des Angebots. Rule 502 lit. c läßt für ein unter die Regulation D fallendes Angebot keine generelle Ausschreibung oder Werbung – etwa in den Medien – zu. Außerdem fordert Rule 502 lit. b, daß, soweit es sich bei einem Käufer nicht um einen accredited investor handelt, bestimmte Mindestinformationen bereitgestellt werden. Für die Frage, wie weit eine Offenlegung gehen muß, sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Zum einen ist dies der Umfang des Angebots in Dollar, zum anderen die Frage, ob der Emittent, den schon mehrfach erwähnten Publizitätspflichten des Securities Exchange Act 1934 unterliegt. Unabhängig von diesen Fragen müssen die in Rule 502 lit. b Nr. 2 (iii) – (vii) beschriebenen Inhalte offengelegt werden. Dies sind beispielsweise Beschränkungen des Weiterverkaufs (vii), zudem muß dem Anleger die Möglichkeit eingeräumt werden, Fragen bezüglich der Angebotsbedingungen zu stellen (iv). Welche Informationen im einzelnen offengelegt werden müssen, ist äußerst komplex. An dieser Stelle kann nicht mehr als ein Eindruck davon vermittelt werden. Wenn der Emittent der Wertpapiere der Publizitätspflicht aus dem Securities Exchange Act 1934 genügen muß, orientieren sich die für die Regulation D offenzulegenden Informationen in Umfang und Art an den ohnehin publizierten Fakten. Enthalten sind der jeweils aktuelle Geschäftsbericht, der für die Anteilseigner erstellt wurde, außerdem die proxy statements, also die Vollmachtsurkunden. Alternativ kann auch der Geschäftsbericht verwendet werden, der für die SEC erstellt wurde, wenn er aktualisiert wurde. Insgesamt verweist Rule 502 lit. b Nr. 2 (ii) auf die entsprechenden Formulare, die nach dem Securities Exchange Act 1934 verwendet werden müssen. Soweit der Emittent nicht unter die genannten Gesellschaften fällt, hängen Art und Umfang der Informationen von der Größe des Angebots ab. Es müssen den potentiellen ____________ 215

Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.59. Im übrigen ausführlich zu Rule 251 bei 69 Am. Jur. § 118.

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Anlegern finanzielle und sonstige Informationen zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt fällt dabei auf, daß sich der Umfang und die Art der Informationen daran orientiert, was von der Regulation A gefordert wird. Dies gilt zumindest für die nicht finanziellen Informationen und für Angebote unter $ 2 Mio.216. Für Angebote zwischen $ 2 Mio. und $ 7,5 Mio. müssen die Anleger diejenigen Informationen erhalten, die sich aus dem Formular SB-2 ergeben. Dieses wurde von der SEC ausgegeben, um kleineren Unternehmen auf erleichterte Weise eine Publizität zu ermöglichen, die gleichwohl den Anforderungen des Anlegerschutzes genügt217.

(3) Integration verschiedener Angebote Sowohl bei Rule 504 als auch bei Rule 505 spielt eine summenmäßige Begrenzung des Gesamtverkaufspreises eine Rolle. Nicht damit verwechselt werden darf die Frage der „Integration“ verschiedener Angebote, die zur Folge hat, daß zwei Angebote wie eines behandelt werden. Daher muß dann für jedes der Angebote die speziellen Anforderungen derselben Ausnahmevorschrift erfüllt sein. Dazu folgendes Beispiel: Ein erstes Angebot ergeht im Mai 1997 über $ 500.000 und findet 50 Käufer, ein weiteres Angebot im Dezember 1997 beträgt $ 2,5 Mio. und hat 20 Käufer. Wenn beide Angebote getrennt betrachtet werden, also nicht zusammengefaßt werden, würde das erste den Anforderungen der Rule 504 entsprechen, das zweite denen der Rule 505. Da die Rule 505 ein Limit von $ 5 Mio. hat, stellt die Addition beider Gesamtpreise, welche die Regulation D für alle Angebote vorschreibt, die sich auf eine Ausnahme unter § 3 lit. b Sec. Act berufen, kein Problem dar. Insgesamt ist erst eine Summe von $ 3 Mio. ausgeschöpft, so daß sogar noch securities für weitere $ 2 Mio. bis Mai 1998 angeboten werden könnten, wenn diese den Anforderungen der Rule 505 oder der Regulation D entsprächen. Wenn beide Angebote aber integriert werden, werden sie wie ein einziges Angebot behandelt. Dies hätte zur Folge, daß weder die Ausnahme der Rule 504 noch die der Rule 505 anwendbar ist. Für die Berufung auf Rule 504 ist das Angebot dann mit $ 3 Mio. zu groß, für eine Berufung auf Rule 505 ist die Anzahl der Käufer zu groß. In einem solchen Fall würden also ohne eine Registrierung beide Angebote die Vorschrift des § 5 Sec. Act verletzen. ____________ 216

Zu dem Inhalt des von der Regulation A geforderten und daher auch hier maßgeblichen Form 1-A siehe 69 Am. Jur. § 125. 217 Im einzelnen dazu 69 Am. Jur. § 271.

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In Rule 502 lit. a findet sich für die Frage der Integration eine safe harbor rule. Immer dann, wenn ein Angebot oder ein Verkauf mehr als sechs Monate vor oder nach einem unter Regulation D fallenden offering gemacht wird, wird dieses nicht als Teil des Regulation D Angebots angesehen. Für die Integration zweier Angebote oder Verkäufe innerhalb der Sechs-Monatsfrist gelten die auch sonst üblichen Kriterien, welche die SEC aufgestellt hat218. Im zitierten Beispiel könnte sich der Emittent auf die safe harbor rule berufen, da zwischen dem Angebot im Mai 1997 und im Dezember 1997 mehr als sechs Monate liegen. Eine Integration beider Angebote fände nicht statt. Er kann sich damit für das erste Angebot auf Rule 504, für das zweite auf Rule 505 stützen.

cc) Regulation A Schließlich soll im Zusammenhang mit der small offering-Ausnahme auf die Regulation A eingegangen werden. Diese ist die älteste der Ausnahmevorschriften, die unter § 3 lit. b Sec. Act von der SEC erlassen wurde, und ist bereits im Jahre 1936 ergangen. Bis 1941 enthielt sie elf voneinander unabhängige Regeln. Die Rule 200 sah eine vorbehaltlose Ausnahme für die meisten Angebote bis $ 30.000 vor. Für die anderen zehn Regeln galt die Höchstsumme $ 100.000, wobei sich aber die Anforderungen im einzelnen voneinander unterschieden. Mit Wirkung zum 1. Januar 1941 wurden alle elf Regeln aufgehoben und durch eine einzige Ausnahme abgelöst, die Regulation A, welche die Rules 251 bis 263 umfaßt. In den darauffolgenden Jahren wurde die Höchstsumme für diese small offering mehrfach erhöht. Zuletzt fand im Jahre 1992 eine umfangreiche Liberalisierung der Regulation A statt. Neben anderen Veränderungen219 wurden $ 500.000 als Grenze für eine Ausnahme nach Regulation A vorgesehen, so daß erst jetzt die Ermächtigung aus § 3 lit. b Sec. Act vollständig ausgeschöpft wurde220.

____________ 218

Vgl. die fünf Kriterien in Securities Release No. 4434 vom 6. Dezember 1961, zitiert nach Jennings / Marsh / Coffee, S. 389, v.a. S. 390, außerdem oben unter a) aa) (1). 219 Die anderen Veränderungen erörtert beispielsweise Ratner, S. 65. 220 Bereits im Jahre 1980 gab es Diskussionen innerhalb der SEC die Summe der Regulation A an die geänderte Höchstgrenze des § 3 lit. b Sec. Act anzupassen. Statt dessen entschied sich die Kommission aber dann im Mai 1982 die aktuelle Regulation D zu erlassen, bei der, wie erwähnt, bei Rule 505 die Obergrenze des Angebots bei $ 500.000 liegt.

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Ein signifikanter Unterschied zwischen der Regulation A und den bisher beschriebenen Ausnahmen ist, daß die Regulation A in ihrer Ausgestaltung eher an eine vereinfachte Form der Registrierung erinnert, als an eine wirkliche Ausnahme von der Prospektpflicht221. Ihr kann auch nicht dadurch entsprochen werden, daß der Emittent bestimmten festgelegten Anforderungen genügt. Er kann sich vielmehr nur auf die Regulation A berufen, wenn er ein Verfahren durchläuft, das dem Registrierungsverfahren nach dem Securities Act 1933 ähnelt. In der Literatur wird sie infolgedessen auch als „Mini-Registrierung“222 bezeichnet. Diese Bezeichnung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei ihr um eine echte Ausnahme im technischen Sinne handelt, wenn auch die Form einer „bedingten Ausnahme“223 vorliegt. Die wichtigste Folge dieser Einordnung ist, daß im Falle einer falschen Erklärung die zivilrechtliche Haftung aus § 11 Sec. Act nicht eintritt, die ausdrücklich an das Vorliegen eines registration statements anknüpft. Es gelten jedoch, wie bei allen Ausnahmen, weiterhin die sonstigen allgemeinen antifraud-Bestimmungen aus § 12 lit. a Nr. 2 Sec. Act, ebenso wie die Rule 10b-5 und § 17 lit. a Sec. Act.

(1) Mögliche Emittenten Die Regulation A ist gemäß Rule 251 lit. a für alle Emittenten verfügbar, die unter dem Recht der USA oder unter dem Kanadas inkorporiert sind, und zusätzlich in einem dieser beiden Länder ihren Hauptsitz haben (Nr. 1). Darüber hinaus darf der Emittent unmittelbar vor dem Angebot unter der Regulation A (Nr. 2) nicht der Registrierungspflicht nach dem Securities Exchange Act 1934 unterliegen. Ebenso wie bei Rule 504 der Regulation D sind zudem registrierte Kapitalanlagegesellschaften, ebenso wie development stage companies224 ausgeschlossen. Eine wichtige Vorschrift für die Bestimmung der möglichen Emittenten ist außerdem Rule 251 lit. a Nr. 6, die auf Rule 262 verweist. Die Vorschrift wird, wie bereits erwähnt, üblicherweise als bad boy oder unworthy offering provision bezeichnet. Sie verbietet die Annahme bestimmter Ausnahmevorschriften für ein bestimmtes Angebot dann, wenn der Emittent, der underwriter oder andere Personen, die in Beziehung zum Emittenten stehen (gedacht ist hier an die Stellung als director oder officer), innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein wertpapierrechtliches Vergehen begangen haben, we____________ 221

Ratner, S. 64; Soderquist, Understanding, S. 137. So bei Hazen, S. 196; Cox / Hazen / O'Neal § 27.15, S. 27.57. 223 Loss / Seligman sprechen in ihren Fundamentals auf S. 304 von einer conditional exemption. 224 Zum Begriff vgl. oben unter (1). Die Gründe für den Ausschluß dürften den oben aufgezählten entsprechen. 222

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gen dem die SEC diese belangt hat. Genauer225 bestimmt Rule 262 hinsichtlich des Emittenten selbst, daß er keine „Registrierungserklärung“ abgegeben haben darf, die zur Zeit einer Überprüfung nach § 8 Sec. Act unterliegt. Außerdem darf gegen ihn in den letzten fünf Jahren durch die SEC keine Verfügung, die eine angestrebte Registrierung zurückwies (sog. refusal order) oder vorläufig stoppte (sog. stop order), ergangen sein. Schließlich darf auch in eben dem Zeitraum kein Verfahren gegen ihn nach Rule 258, welche die SEC zu ähnlichen Sanktionen ermächtigt wie § 8 Sec. Act, angestrengt worden sein. Der Gedanke, der hinter Rule 262 stehen dürfte, ist, daß es aus Gründen des Anlegerschutzes, der nach § 3 lit. b Sec. Act Maßstab für die Gewährung der Ausnahme sein soll, sicherer ist, sog. bad boys den Vorteil einer Ausnahme – wie Regulation A – nicht zugute kommen zu lassen. In den Augen der SEC besteht wohl bei solchen Emittenten eine größere Gefahr, daß sie wiederum in einer die Anleger gefährdenden Weise vorgehen könnten, als bei solchen, die sich auch bisher streng an die Vorschriften des Kapitalmarktrechts gehalten haben. Zu erwähnen ist zusätzlich, daß die SEC nach eigenem Ermessen entscheidet, ob für eine bestimmte Emission eine Berufung auf Regulation A aufgrund einer der in Rule 262 aufgezählten Gründe ausscheidet.

(2) Emissionsvolumen Nach der bereits erwähnten Erhöhung der Obergrenze in der Regulation A, dürfen nach Rule 251 lit. b innerhalb von zwölf Monaten bis zu $ 5 Mio. als Gesamtpreis für securities erlangt werden. Für die Berechnung dieser Summe werden, soweit nicht eine „Integration“ zweier Angebote in Betracht kommt, nur solche Angebote berücksichtigt, die unter Regulation A selbst erfolgten. Eine Addition des Preises mit anderen Angeboten, die unter die Ausnahmen nach § 3 lit. b Sec. Act fallen oder unter Verletzung des § 5 Sec. Act verkauft wurden, findet – im Gegensatz zu den Rules 504 und 505 – nicht statt226. Zusätzlich zur Obergrenze von $ 5 Mio. enthält die Bestimmung eine weitere Begrenzung für sog. secondary offerings, also für Wertpapiere, die von Altgesellschaftern selbst verkauft also nicht von der Gesellschaft neu emittiert werden. Diese dürfen $ 1,5 Mio. nicht überschreiten. Der Hintergrund dieser letzten Beschränkung ist, daß durch die Regulation A Unternehmen vor allem ____________ 225 Für weitere Details der Rule 262 vgl. den Text der Regel selbst und Hazen, S. 199, Loss / Seligman, Fundamentals, S. 304, Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1328 ff, ebenso wie Jennings / Marsh / Coffee, bei denen sich auf S. 376 ein Auszug aus eines Aufsatz von Sosin über die Regulation A findet, der in 16 Review of Securities Regulation 782 (1983) veröffentlicht wurde. 226 Hazen, S. 200.

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Neuemissionen ermöglicht werden sollen. Die $ 5 Mio. sollen in erster Linie dazu dienen, daß dem Emittenten über den Kapitalmarkt „neue“ Mittel zufließen und nicht lediglich eine Umverteilung der bereits früher emittierten securities stattfindet. Dies dürfte in den meisten Fällen eher im Interesse der abgebenden Aktionäre sein, als im Interesse der Gesellschaft selbst. Im Hinblick auf die Integration bietet Rule 251 lit. c eine safe harbor rule, die derjenigen in Rule 502 lit. a ähnelt. Angebote oder Verkäufe werden nach (vi) dann nicht als eine einzige Transaktion betrachtet, wenn diese sechs Monate nach Abschluß der unter Regulation A fallenden Emission gemacht werden. Zusätzlich sind auch solche Angebot oder Verkäufe von einer Integration ausgenommen, die vor oder nach dem unter Regulation A fallenden Angebote stattfinden und entweder (1) unter dem Securities Act 1933 registriert sind (eine Ausnahme hierfür enthält Rule 254 lit. d), oder (2) mit Rule 701227 übereinstimmen, also im Rahmen eines employee benefit plan, also eines Planes, durch den Arbeitnehmern bestimmte zusätzliche Leistungen in Form von Wertpapieren gewährt werden sollen, emittiert wurden oder (3) mit Regulation S in Einklang stehen228. Soweit keiner der genannten Spezialfälle zutrifft, bleibt dem Emittenten, ebenso wie schon bei Regulation D, die Berufung darauf, daß die allgemeinen Voraussetzungen für eine Integration zweier Emissionen nicht vorliegen.

(3) „Registrierung“ unter der Regulation A Um die Ausnahme nach Regulation A zu erhalten, muß der Emittent mindestens zehn Tage bevor das Angebot eröffnet wird, eine Registrierungserklärung einreichen, die eine notification, also Bekanntmachung, und ein offering circular, also eine Art Emissionsprospekt, enthält. Details zum Inhalt der Bekanntmachung, die im Gesetz auch als offering statement bezeichnet wird, enthält Rule 252. Darauf wird hier verwiesen229. Die Rules 256 und 257 geben weitere Anweisungen, die bei der Einreichung der ____________ 227

Rule 701, auf die hier nicht genauer eingegangen werden kann, gewährt eine Ausnahme vom Erfordernis der Registrierung für solche Wertpapiere, die den Angestellten und Arbeitern eines Unternehmens im Rahmen eines Arbeitnehmers-Aktienerwerbsplans angeboten werden. Für genauere Informationen zu den Voraussetzungen dieser Ausnahme vgl. v.a. Hazen, S. 204 und 69 Am. Jur. § 210. 228 Aus Regulation S ergibt sich, daß off-shore offerings, also Angebote, die außerhalb der USA ergehen, von der Registrierung ausgeschlossen sind, ausführlich zu Regulation S statt vieler 69 Am. Jur. § 174 ff. 229 Vgl. auch Hazen, S. 201.

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Unterlagen zu beachten sind. Zusätzlich zum offering statement ist es eine Bedingung, daß alle Käufe und Verkäufe unter der Regulation A von einem Emissionsprospekt, einen sog. offering circular, begleitet sind. Die Regeln in diesem Zusammenhang lehnen sich stark an die des Securities Act 1933 an. Die Anforderungen an diesen „Prospekt“ etwa in Rule 254 sind parallel zu denen in § 5 lit. b Sec. Act230. Im Vergleich zu den Voraussetzungen im Securities Act 1933 sind diejenigen der Regulation A allerdings häufig weniger streng und detailliert231. Im übrigen führen Ungenauigkeiten und Fehler im Ausfüllen der Formulare, wie schon erwähnt, nicht zu einer Haftung nach § 11 Sec. Act, was einen weiteren wichtigen Unterschied darstellt.

(4) Rule 254, test the waters Ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Registrierung nach der Regulation A und einer solchen gemäß des Securities Act 1933 enthält Rule 254, der abschließend erwähnt werden soll. Rule 254 erlaubt es dem Emittenten, bereits vor einer Emission, d.h. insbesondere bevor er die „Emissionserklärung“ abgibt, auf formellen Wege vorzufühlen, ob die Emission auf das nötige Interesse bei den Anlegern stößt. Dies bedeutet, daß er auf mündlichem oder schriftlichen Weg, aber auch durch Radio oder Fernsehen, bei potentiellen Käufern Interesse für die Emission wecken darf. Für schriftliche Werbung gelten aber bestimmte Einschränkungen, die in lit. b der Vorschrift enthalten sind. Dies betrifft in erster Linie Warnzusätze, die einen Verkauf bevor das offering circular einem Interessenten übergeben ist, verhindern sollen. Außerdem soll eine solche schriftliche Werbung zuvor bei der SEC eingereicht werden. Diese Möglichkeit der Werbung steht in deutlichem Gegensatz zu vor allem § 5 Sec. Act (vgl. oben II. 1.). Lit. c des § 5 Sec. Act verbietet vor Einreichung der Registrierungserklärung ausdrücklich jede Form der Kommunikation mit potentiellen Interessenten. Auch nach § 5 lit. b in Verbindung mit § 2 Nr. 10 Sec. Act ist nach der Einreichung der Erklärung bis zu ihrem Wirksamwerden Werbung nur in begrenztem Maße möglich. Anzumerken ist schließlich, daß eine Verletzung der Anforderungen aus Rule 254 lit. b nicht dazu führt, daß die Regulation A unanwendbar wird.

____________ 230 231

Weitere Beispiele Hazen, S. 203. Ratner, S. 65.

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IV. Zwischenergebnis Die durch das Gesetz geforderte Registrierungs- und Prospektpflicht, die eintritt, sobald im Rahmen des zwischenstaatlichen Handels ein Wertpapier verkauft oder auch nur angeboten werden soll, bringt gerade für kleinere Gesellschaften zahlreiche Schwierigkeiten mit sich. Das Verfahren ist äußerst komplex und zudem zeit- und kostenintensiv232. Dies gilt insbesondere, wenn man sich vor Augen hält, wie schnell die Anforderungen des § 5 Sec. Act erfüllt sind, der jedes Angebot und jeden Verkauf von Wertpapieren ohne vorherige Registrierung verbietet, wenn dafür zwischenstaatliche Kommunikations- oder Transportmittel verwendet werden. Dies ist schon dann erfüllt, wenn potentielle Käufer und Verkäufer zur Anbahnung des Kontakts oder dem Abschluß des Geschäfts miteinander telefonieren oder die Post benützen233. § 5 Sec. Act greift also nur dann nicht ein, wenn alle Schritte des Verkaufs durch persönlichen Kontakt – ohne Benutzung von Kommunikationsmitteln – abgewickelt werden, was nur in absoluten Ausnahmefällen gegeben sein dürfte. § 5 Sec. Act würde also, wenn das Gesetz keine Einschränkung des Grundsatzes vorsehen würde, weit über das eigentliche Ziel – den Schutz des anonymen Anlegers – hinausreichen. Es gibt jedoch eine Vielzahl von Ausnahmen, die dazu führen, daß die Pflicht zur Registrierung und Offenlegung nach § 5 Sec. Act nicht eingreift. Hier wurde nur eine Auswahl dieser Vorschriften234 dargestellt. Dabei lag das Augenmerk auf solchen Vorschriften, die zum einen insgesamt in der Praxis von großer Bedeutung sind, zum anderen aber auch gerade für kleinere Unternehmen interessant sind235. Es wurden zudem nur diejenigen Vorschriften angesprochen, die bei einer Emission durch das Unternehmen selbst eine Rolle spielen, nicht aber diejenigen, die bei Verkäufen durch andere Personen236, vor allem durch sog. underwriter, Wertpapierverkäufer oder Personen, die Kontrolle innerhalb der Gesellschaft ausüben, Anwendung finden. Zudem wurden ____________ 232 Zur Beschreibung des Verfahrens als „very complex, time-consuming and costly“ mit ausführlicher Erläuterung dazu, vgl. Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544, 549 (1980), v.a. Fußn. 27–29. 233 Vgl. zur sehr weiten Auslegung des Begriffs des interstate commerce oben unter I. 1. 234 Zu einer ausführlicheren Darstellung der genannten sowie weiterer Vorschriften, vgl. Hazen, S. 162 ff. und insbesondere auch Hicks. 235 Ähnlich insoweit auch Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544 (1980), der allerdings häufig noch die Vorgängervorschriften der hier genannten Vorschriften erörtert. 236 Vgl. hier § 4 Nr. 3 und 4 Sec. Act, statt vieler Hazen, § 4.23, v.a. S. 242–244 und § 4.27, S. 275–278.

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auch die Verkäufe im Sekundärmarkt, beim privaten Weiterverkauf von securities durch Anleger, ausgespart237. Soweit sich ein Emittent auf eine Ausnahmebestimmung berufen kann, gibt es eine Reihe von möglichen Rechtsfolgen, die von einer reinen Informationspflicht bis zu einem vereinfachten Registrierungsverfahren, das immerhin dem des § 5 Sec. Act angenähert ist, gehen können. Eine Freistellung des Unternehmens von jeder Art der Informationserteilung oder zumindest dem Erfordernis einer an bestimmte Formen gebundenen Information der Anleger liegt dann vor, wenn die Ausnahme des private offering nach § 4 Nr. 2 Sec. Act erfüllt ist. Hier fällt das Unternehmen somit ganz aus dem Anwendungsbereich des USamerikanischen Kapitalmarktrechts (des Bundes) heraus. Soweit kein private offering vorliegt und damit von einer gewissen Öffnung des Aktionärskreis auszugehen ist, fordert i.d.R. etwa Rule 502 lit. b die Offenlegung bestimmter Informationen238 oder Regulation A enthält sogar, trotz Vorliegens einer Ausnahme (small offering), ein vereinfachtes Registrierungsverfahren, das dem im Securities Act 1933 weitgehend angenähert ist. In jedem Fall birgt eine solche Anzeigepflicht für den Emittenten weniger Schwierigkeiten als eine wirkliche Registrierung nach dem Securities Act 1933 und erhält daher Erleichterungen für Gesellschaften, die zwar ihren Aktionärskreis geöffnet haben und daher nicht mehr rein personalistisch strukturiert sind, bei denen aber eine Inanspruchnahme des Kapitalmarktes nur in geringem Umfang stattfindet. Am Ende des vorangegangenen Paragraphen dieser Arbeit wurde die Frage gestellt, inwieweit kapitalmarktrechtliche Kriterien zu einer Sonderbehandlung kleiner Gesellschaften mit geschlossenem Anlegerkreis führen. Für den Securities Act 1933 gilt, daß die ausgesprochen weit gehenden Registrierungspflichten nach § 5 Sec. Act für eine close corporation in den meisten Fällen keine Anwendung finden. Entweder kommt bei einer close corporation, schon per definitionem keine Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes in Frage, da das Fehlen eines public offerings, wie erläutert, nach den close corporation-Gesetzen zahlreicher Einzelstaaten zu den Definitionsmerkmalen dieser Rechtsform gehört. Unabhängig von den Sondervorschriften für die close corporation ist aber festzuhalten, daß für kleine Gesellschaften, die sich entweder überhaupt nicht dem öffentlichen Kapitalmarkt zum Verkauf ihrer Anteile bedienen, da sie einen geschlossenen Anlegerkreis bevorzugen, oder ____________ 237 Eine Ausnahme findet sich hier beispielsweise in § 4 Nr. 1 Sec. Act Siehe auch Rule 144 und 144A, sowie § 4 Nr. 1 ½. Zu alledem vgl. Hazen, § 4.23–4.26, S. 240– 275. 238 Vgl. dazu ausführlich oben unter III. 2. b) bb) (2).

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den öffentlichen Kapitalmarkt nur in sehr geringem Umfang in Anspruch nehmen, die dargestellten Ausnahmen von maßgeblicher Bedeutung sind. Solange ein Angebot aber, auch wenn es im öffentlichen Kapitalmarkt erfolgt, einen gewisse summenmäßige Begrenzung oder den innerstaatlichen Bereich nicht überschreitet, kann sich die Gesellschaft auf eine der beschriebenen Ausnahmen berufen und fällt daher nicht unter die Registrierungspflicht des § 5 Sec. Act. Die weitreichenden Pflichten des Securities Act 1933 – jedenfalls hinsichtlich der Offenlegung von Informationen – gelten aufgrund kapitalmarktrechtlicher Kriterien nicht für kleine, personenbezogene Unternehmen, die häufig auch einen geschlossenen Anlegerkreis besitzen.

D. Disclosure nach dem Securities Exchange Act 1934 Die Offenlegungspflichten des Securities Act 1933 können einen Anleger durch das Zur-Verfügung-Stellen von Informationen nur zu dem Zeitpunkt schützen, zu dem dieser die Investitionsentscheidung trifft. Die Pflichten entstehen, wie erwähnt, nur bei der Emission von securities oder gegebenenfalls auch beim Weiterverkauf dieser. Sie können jedenfalls nur punktuell die Offenlegung von Informationen gewährleisten. Aus dem Securities Exchange Act 1934 folgt nun die Verpflichtung für die Gesellschaften, regelmäßig Informationen offenzulegen. Dies ergänzt die Publizität aus dem Securities Act 1933. Nachfolgend wird zunächst auf den Kreis der Gesellschaften eingegangen, die die Publizitätspflichten im Securities Exchange Act 1934 treffen (unter I.). Dabei richten sich die Verpflichtungen in erster Linie an publicly held corporations. Unter II. wird der Inhalt dieser Pflichten umrissen. Schließlich wird unter III. der Zusammenhang der Registrierungspflichten nach dem Securities Act 1933 und nach dem Securities Exchange Act 1934 deutlich gemacht.

I. Personelle Reichweite der Pflichten Ebenso wie die disclosure-Vorschriften des Securities Act 1933 wenden sich die hier im Mittelpunkt stehenden Offenlegungspflichten des Securities Exchange Act 1934 eindeutig an Gesellschaften, die öffentlich notiert sind, bzw. einen breiten Anlegerkreis haben. Dagegen sollen Gesellschaften, die personalistisch strukturiert sind und einen geschlossenen Anlegerkreis haben, nicht von diesen Pflichten betroffen werden. Es läßt sich somit aus dem Gesetz indirekt eine Definition des Begriffs publicly held corporation ablei-

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ten239. Bei der Bestimmung der personellen Reichweite der Vorschriften sind dabei insbesondere § 12 lit. a Sec. Ex. Act (unter 1.), § 12 lit. g Sec. Ex. Act (unter 2.) und § 15 lit. d Sec. Ex. Act. (unter 3.) zu berücksichtigen.

1. § 12 lit. a Sec. Ex. Act Nach § 12 lit. a Sec. Ex. Act müssen zunächst die Gesellschaften, die an einer national securities exchange notiert sind, von ihnen ausgegebene Wertpapiere registrieren lassen. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine der Ausnahmen eingreift, die insbesondere in § 12 lit. g Nr. 2 Sec. Ex. Act enthalten sind240. Das Gesetz formuliert dies in der Weise, daß es jede Transaktion mit securities an einer national securities exchange verbietet, wenn nicht eine wirksame Registrierung vorliegt. Zu bemerken ist, daß diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut die Pflicht zur Registrierung nicht unmittelbar der Gesellschaft selbst auferlegt. Es findet sich vielmehr gar kein Normadressat darin. Sobald aber die Gesellschaft oder allgemein der Emittent der securities wünscht, daß diese an einer Börse im Sinne des Gesetzes notiert und gehandelt werden, obliegt ihm auch die Pflicht zur Registrierung241. Somit wird in der Regel die Gesellschaft selbst der Adressat der Pflicht zur Registrierung sein. Zunächst stellt sich die Frage, was unter einer national securities exchange zu verstehen ist242. Der Begriff exchange, also Börse, wird in § 3 lit. a Nr. 1 Sec. Ex. Act legal definiert. Der Terminus wird danach weit verstanden. Im wesentlichen gehört dazu jede Organisation, Vereinigung oder Gruppe von Personen, die einen Marktplatz bereitstellt, auf dem Käufer und Verkäufer von securities für Transaktionen zusammenkommen können. Zusätzlich spielt das Herkommen eine gewisse Rolle. Es sollen nämlich nur solche Orte berücksichtigt werden, die dem Begriff der Börse entsprechen, wie er allgemein verstanden wird oder wie das Gesetz formuliert „as that term is generally understood“. ____________ 239 Merkt bezeichnet dies in Rdnr. 596 als „halbamtliche Definition“ des Begriffs public corporation bzw. publicly held corporation. Der letzte Begriff wird hier bevorzugt, da er den Umstand des breit gestreuten Anlegerkreises besser umschreibt. 240 Einzelheiten zu den Ausnahmen, die hier von nicht so großem Interesse sind und daher auch im weiteren nicht erläutert werden, finden sich beispielsweise in 69 Am. Jur. §§ 581–591, außerdem auch bei Hazen, S. 412–414; Loss / Seligman, Fundamentals, S. 401–407. Die meisten Ausnahmen betreffen die Anteile bestimmter spezieller Emittenten. 241 Auf diesen Zusammenhang weist 69 Am. Jur. § 577 hin. 242 Weitere Details bei Jennings / Marsh / Coffee, S. 538 ff.

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Welche Auswirkungen diese Einschränkung hat, zeigt sich beispielsweise an der Entscheidung Board of Trade of the City of Chicago v. SEC243 aus dem Jahre 1991. Hier ging es um ein elektronisches Datensystem für den Handel von Optionen auf sog. federal government securities. Richter Posner, der das Mehrheitsvotum des Gerichts begründete, lehnte es ab, dieses System als Börse im Sinne des Securities Exchange Act 1934 anzusehen. Zwar würde auch auf diese Weise computergestützt ein Marktplatz für den Handel von Wertpapieren geschaffen werden. Diesem würden aber wesentliche Aspekte fehlen, die üblicherweise zu einer exchange gehören. Dies gilt insbesondere für einen trading floor, also eine Börsensaal, und auch für professionelle Börsenteilnehmer, die die Liquidität einer Börse erhöhen, in dem sie mit eigenem Kapital gegen den Markt handeln, um zu große Kursbewegungen zu verhindern. Zudem müßte das oben genannte System broker haben, also Börsenmakler, die durch den Einsatz eigener Mittel, sowie der Mittel ihrer Kunden, für eine erhöhte Marktliquidität sorgen244. Es ist fraglich, ob diese Entscheidung heute noch aufrecht erhalten werden würde. Auch wenn man auf den Begriff der Börse „nach Herkommen“ abstellt, wird man wohl im Interesse des Anlegerschutzes die Weiterentwicklung des Börsenbegriffs auf elektronische Handelsplätze berücksichtigen müssen. Unter § 12 lit. a Sec. Ex. Act fallen aber nicht die securities aller Gesellschaften, die an einer securities exchange gehandelt werden. Vielmehr bezieht sich die Verpflichtung nur auf solche, die an einer national securities exchange notiert sind. Dieser Begriff der national securities exchange erklärt sich aus § 6 Sec. Ex. Act. Danach zählen nur derartige Börsen unter diese Bezeichnung, die bei der SEC ausdrücklich als solche registriert sind. Zur Zeit gibt es neun Börsen, die diese Voraussetzung erfüllen245. Die bedeutendste ist die New York Stock Exchange (NYSE), an der über 80 % des gesamten landesweiten Handels abgewickelt wird. Außerdem werden hier diejenigen securities gehandelt, die das höchste Prestige genießen. An zweiter Stelle folgt die American Stock Exchange (Amex), an der etwa 10 % aller Wertpapiere gehandelt werden. Die fehlenden 10 % verteilen sich auf die sieben regional exchanges, unter denen der Chicago Board Options Exchange, der Philadelphia Stock Exchange

____________ 243

923 F.2d 1270 (1991). 923 F.2d 1270, 1272 (1991). 245 In Cary / Eisenberg, S. 262 ist noch die Rede von insgesamt zehn National Securities Exchanges. Allerdings wurde 1990 die wenig bekannte „Spokane Exchange“ geschlossen, so daß jetzt nur noch neun übrig geblieben sind, vgl. Hazen, S. 464 Fußn. 38. 244

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bzw. der Pacific Stock Exchange in San Francisco die größte Bedeutung zukommen246. Die Registrierungspflicht aus § 12 Sec. Ex. Act und daran anknüpfend weitere Offenlegungspflichten, die unten erläutert werden, gelten also zunächst einmal für solche Gesellschaften, die an einer der neun genannten national securities exchanges notiert sind.

2. § 12 lit. g Sec. Ex. Act Bis 1964 galt die Verpflichtung zur Registrierung und auch die Folgepflichten daraus nur in dem eben beschriebenen eingeschränkten Rahmen. Ein Emittent konnte im Ergebnis selbst entscheiden, ob er sich den Offenlegungspflichten unterwerfen wollte oder nicht. Er hatte nämlich die Möglichkeit, seine securities in einem anderen Marktsegment, dem sog. over-the-counter (OTC)Markt247, handeln zu lassen. Diese Wahlmöglichkeit wurde scharf kritisiert. Man befürchtete, daß dadurch das traditionelle Verhältnis zwischen beiden Segmenten gestört werde und vor allem langfristig sich das Geschäft vom regulierten auf den unregulierten Markt verlagern würde. Bildhaft beschreiben Loss und Seligman, daß eine derartige Entwicklung so sicher ist, wie die Tatsache, daß „water flows downhill“248. Im übrigen herrschte die Meinung vor, daß das öffentliche Interesse an umfangreichen Offenlegungspflichten bei OTC-MarktWertpapieren auf demselben regulatorischen Niveau stattfinden sollte, wie bei securites, die an einer nationalen Wertpapierbörse notiert sind. Die Novelle zum Securities Exchange Act 1934 im Jahre 1964 änderte dies. Durch sie wurden in § 12 Sec. Ex. Act die lit. g–i angefügt. Aus § 12 lit. g Sec. Ex. Act ergibt sich nun, daß jeder Emittent, dessen securities unter Nutzung der Post oder anderer Instrumente des zwischenstaatlichen Handels gehandelt werden, diese ebenso, wie nach § 12 lit. a Sec. Ex. Act, registrieren lassen muß, wenn seine Aktiva $ 1 Mio. überschreiten und er mehr als 500 Anteilseigner hat. Durch diese Ergänzung fallen jetzt vor allem solche Gesellschaften in den Anwendungsbereich der §§ 12 ff Sec. Ex. Act, die am OTCMarkt gehandelt werden. In den Jahren 1982 und 1986 machte die SEC zweimal von § 12 lit. h Sec. Ex. Act Gebrauch, der ihr die Ermächtigung gibt, be____________ 246 Hazen, S. 452. Die vier fehlenden regional exchanges sind die Boston Stock Exchange, die Cincinnati Stock Exchange, die InterMountain Stock Exchange und die Midwest Stock Exchange. 247 Vgl. zu diesem Marktsegment statt vieler Cary / Eisenberg, S. 262. 248 Loss / Seligman, Fundamentals, S. 389; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1746.

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stimmte Wertpapiere von der Pflicht zur Registrierung unter dem Securities Exchange Act 1934 auszunehmen. Zudem erhöhte sie bei Rule 12g-1 die Summe in Anpassung an die Inflation zunächst auf $ 3 Mio., dann auf $ 5 Mio. und 1996 auf eine Summe von $ 10 Mio.249. Bemerkenswert ist, daß die Offenlegungspflichten des Securities Exchange Act 1934 zunächst auch dann weiterhin gelten, wenn die Gesellschaft die beschriebenen Anforderungen nicht mehr erfüllt. Diese enden nur, wenn die Gesellschaft weniger als 300 Anteilseigner hat oder wenn sowohl die Zahl der Anteilseigner unter 500 als auch die der Aktiva unter $ 10 Mio. sinkt250.

3. § 15 lit. d Sec. Ex. Act Den beiden eben beschriebenen Typen von Gesellschaften wird in § 15 Sec. Ex. Act noch ein dritter zur Seite gestellt. Nach § 15 lit. d Sec. Ex. Act sind dies solche Emittenten, die der Registrierungspflicht des Securities Act 1933 unterliegen. Dies gilt auch dann, wenn es sich dabei um Wertpapiere handelt, die eigentlich als exempted securities251 im Sinne des § 3 lit. a Nr. 12 Sec. Ex. Act zu betrachten sind. § 15 lit. d Sec. Ex. Act geht hier also vor252. Dies wird daraus gefolgert, daß § 15 lit. d Sec. Ex. Act sonst überflüssig wäre, wenn er sich nur auf solche securities beziehen würde, die ohnehin unter die Berichtspflicht fallen würden. § 15 lit. d Sec. Ex. Act ergänzt insofern die § 12 lit. a und § 12 lit. g Sec. Ex. Act und schließt Lücken, die die anderen Bestimmungen gelassen haben253. Die praktische Folge des § 15 lit. d Sec. Ex. Act ist es, daß eine Gesellschaft aufgrund der Registrierung unter dem Securities Act 1933 lediglich früher zur Einhaltung einiger sich aus dem Securities Exchange Act 1934 ergebenden Pflichten angehalten wird. Soderquist weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Gesellschaften, die ihre equity securities unter dem Securities Act 1933 registrieren müssen, typischerweise auch bald die Anforderungen aus § 12 lit. g Nr. 1 Sec. Ex. Act in Verbindung mit der Rule 12g-1 erfüllen, häufig sogar unmittelbar mit Abschluß an die Emission254. Hier führt der unterschiedliche ____________ 249

Ratner, S. 95. Rule 12g-4. 251 Vgl. näheres zu den exempted securities nach dem Securities Exchange Act 1934 in 69 Am. Jur. § 322. 252 Ebenso 69 Am. Jur. § 612. 253 Hazen, S. 419. 254 Soderquist, Understanding, S. 199. 250

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Anfangszeitpunkt der Berichtspflicht bei § 13 Sec. Ex. Act und § 15 lit. d Sec. Ex. Act dazu, daß die Berichtspflicht wegen § 15 lit. d Sec. Ex. Act lediglich vorverlegt wird. Unter § 13 Sec. Ex. Act beginnt diese nämlich erst 120 Tage nach dem Ende des ersten Rechnungslegungsjahres, das noch vom Registrierungsformular erfaßt war (vgl. Rule 13a-1). Dagegen muß der erste Bericht bei § 15 lit. d Sec. Ex. Act unmittelbar mit dem Zeitpunkt seinen Anfang nehmen, in dem die Registrierung unter dem Securities Act 1933 wirksam geworden ist (vgl. Rule 15d-1). Es besteht jedoch ein wichtiger Unterschied zwischen den nach § 12 Sec. Ex. Act und den nach § 15 lit. d Sec. Ex. Act verpflichteten Gesellschaften. Aus § 12 Sec. Ex. Act ergibt sich für die Gesellschaften zunächst eine Registrierungspflicht. Die darauffolgenden Bestimmungen statuieren weitere Berichts- und Informationspflichten. Demgegenüber unterliegen die von § 15 Sec. Ex. Act umfaßten Gesellschaften nur einer Berichtspflicht nach § 13 Sec. Ex. Act.

4. Zwischenergebnis Die Offenlegungspflichten des Securities Exchange Act 1934 gelten allein für publicly held corporations. Dazu zählen zunächst Gesellschaften, die entweder (1) an einer der neun national securities exchanges notiert sind oder (2) im OTC-Markt gehandelt werden und zusätzlich mehr als 500 Anleger und Aktiva von über $ 10 Mio. haben. Darüber hinaus werden auch solche Gesellschaften darunter gezählt, deren Anteile i.S.d. Securities Act 1933 registriert sind. Im folgenden soll dargelegt werden, welche Pflichten nach dem Securities Exchange Act 1934 entstehen. Dies geschieht, um sich ein Bild von der Reichweite der Pflichten machen zu können und so zu beurteilen, welche Vorteile es einer Gesellschaft bringt, die Pflichten nicht erfüllen zu müssen. Es kann aber als Zwischenergebnis festgehalten werden, daß für personalistische Gesellschaften, unabhängig davon, ob sie als close corporation nach den statutes und dem common law gelten, solche Pflichten keine Anwendung finden.

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II. Inhalt der Offenlegungspflichten 1. Registrierungspflicht (registration requirement) nach § 12 Sec. Ex. Act Ein Registrierungserfordernis für eine publicly held corporation kann sich zum einen aus § 12 lit. a Sec. Ex. Act, zum anderen aus § 12 lit. g Sec. Ex. Act ergeben. Wie bereits erwähnt, fallen solche Gesellschaften, die nach § 15 lit. d Sec. Ex. Act als publicly held corporation gelten, nicht unter die Registrierungspflicht des § 12 Sec. Ex. Act. Die hier vorgeschriebene Registrierung darf nicht mit der aus dem Securities Act 1933 verwechselt werden. Zwar sind die Formulare in beiden Fällen, vor allem nach den Ansätzen der SEC zu einem integrated disclosure system, sehr ähnlich, gleichwohl unterscheiden sich die Konsequenzen beider Registrierungen vollständig voneinander. Im Falle des Securities Act 1933 geht es um die Registrierung von securities, die in einer speziellen Transaktion verkauft werden. Mit der Erfüllung dieser Pflicht ist den Anforderungen aus dem Securities Act 1933 Genüge getan. Bei einer Registrierung nach § 12 Sec. Ex. Act ist diese erste Registrierung erst der Beginn und Anknüpfungspunkt zahlreicher weiterer Verpflichtungen, insbesondere der laufenden Berichtspflicht nach § 13 Sec. Ex. Act (vgl. dazu unten unter 2.). Beide Gesetze nehmen somit hinsichtlich der Registrierungspflichten unterschiedliche Blickwinkel ein. Im Falle des Securities Act 1933 liegt das Augenmerk auf der einzelnen Transaktion, so daß faktisch255 diese der Registrierungspflicht unterliegt. Beim Securities Exchange Act 1934 dagegen muß zumindest faktisch die Gesellschaft selbst registriert werden. Soderquist formuliert das prägnant wie folgt: „In that case [gemeint ist die Registrierung unter dem Securities Act 1933], it is only technically incorrect to say that the transaction itself is what is registered. … In the case of the Exchange Act, it is only technically incorrect to say that the issuer is what is registered“256. Die Registrierung betrifft nach § 12 Sec. Ex. Act im technischen Sinne die securities selbst257. Präzisieren läßt sich dies wie folgt: Bis 1954 galt die Registrierungsverpflichtung nur für die speziellen Anteile, die die Gesellschaft emittiert hat, ebenso wie beim Securities Act 1933. Im Jahre 1954 schrieb die SEC nun ein Registrierungssystem vor, das sich auf die gesamte Wertpapier____________ 255

Im technischen Sinn bezieht sich die Registrierungspflicht des Securities Act 1933 auf die einzelnen Wertpapiere. 256 Soderquist, Understanding, S. 197. 257 Klarstellend auch Merkt Rdnr. 569.

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gattung (class of securities) bezieht. Dazu gehören nach § 12 lit. g Nr. 5 Sec. Ex. Act all diejenigen Wertpapiere eines Emittenten, die vergleichbar sind und allen Inhabern die substantiell gleichen Rechte und Privilegien gewähren. Durch dieses neue System kann zwar eine gewisse Unsicherheit bei der Frage auftreten, ob mehrere Wertpapiere derselben Gattung angehören. Insgesamt vereinfacht es aber die Registrierung für den Emittenten. Als Folge bezieht sich die Anmeldung für die Registrierung auf alle Anteile in Vergangenheit und Zukunft, die dieser Gattung angehören. Sobald die Registrierung wirksam ist, wird sie automatisch – ohne weitere Anmeldung oder Zertifikat der SEC – auf zusätzliche securities derselben Gattung ab deren Emission bezogen258. Zu beachten ist, daß dieses durch die SEC erlassene vereinfachte Verfahren nur für die gesetzlichen Registrierungsanforderungen gilt. Daneben können aber die Börsen selbst nach Rule 12d-1 lit. c verlangen, daß der Emittent angibt, wie viele Anteile einer bestimmten Gattung zur Zeit ausgegeben sind259. Ein Unterschied, welche Art von Anteilen registriert werden müssen, besteht zwischen § 12 lit. a Sec. Ex. Act und § 12 lit. g Sec. Ex. Act. Die Registrierungspflicht nach § 12 lit. a Sec. Ex. Act gilt für alle Wertpapiere, unabhängig davon, ob es sich dabei um equity securities, also Wertpapiere, die ein Anteilsrecht an der Gesellschaft verbriefen, oder debt securities, also Schuldverschreibungen und ähnliches, handelt. § 12 lit. g Sec. Ex. Act umfaßt dagegen lediglich equity securities. Ausgangspunkt für den Inhalt der Registrierung ist § 12 lit. b Sec. Ex. Act. Er verleiht der SEC, ebenso wie § 12 lit. g Nr. 1 Sec. Ex. Act zusätzlich die Kompetenz, die Details der Offenlegung festzulegen. Die Kommission hat hier für beide Typen von Gesellschaften die Verwendung derselben Formulare vorgeschrieben. Für die meisten Emittenten ist dies Formular 10. Die Offenlegung betrifft sowohl allgemeine Informationen über das Unternehmen, wie beispielsweise zur Organisation und Kapitalisierung, aber auch zur Gattung der ausgegebenen Anteile. Daneben muß offengelegt werden, wer die Organmitglieder (director und officer) der Gesellschaft sind und wer im übrigen durch eine Beteiligung von mehr als 10 % Einfluß auf das Unternehmen ausüben kann. Darüber hinaus müssen auch finanzielle Informationen enthalten sein, vor allem die Bilanzen der letzten drei Jahre und die Gewinn-und-Verlust-Rechnungen für dieselben Zeiträume260. ____________ 258 Vgl. dazu m.w.N. Loss / Seligman, Fundamentals, S. 386; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1739. 259 Auf welchem verfahrensmäßigen Weg diese Meldung erfolgen kann, erörtern Loss / Seligman, Fundamentals, S. 386 Fußn. 10. 260 Weitere Details zu dem Inhalt bei Hazen, S. 408 ff.

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Eine Ausnahme hinsichtlich der Reichweite der Offenlegung besteht für sog. small business issuer. Diesen hat es die SEC erlaubt ein vereinfachtes Formular zu verwenden, das Formular 10-SB. Daneben kann das Formular 8-A, das ebenfalls einfach aufgebaut ist, auch von solchen Gesellschaften verwendet werden, die bereits aus anderem Grund der Berichtspflicht des Securities Exchange Act 1934 unterliegen, etwa weil eine andere Gattung von securities schon zuvor unter § 12 lit. a oder lit. g Sec. Ex. Act gefallen ist oder weil die Gesellschaft nach § 15 lit. d Sec. Ex. Act zur Offenlegung verpflichtet ist. Der Zweck eines vereinfachten Formulars für small business issuer war es, die Eigenkapitalbeschaffung gerade kleinerer Unternehmen am Kapitalmarkt zu erleichtern. Im Fall des Formulars 8-A ist es unschädlich einen weniger komplexen Weg der Registrierung zu verwenden, da die für den Anlegerschutz notwendigen Informationen, der Öffentlichkeit ohnehin schon im Sinne des Securities Exchange Act 1934 bekannt gemacht worden sind.

2. Berichtspflicht (reporting requirement) nach § 13 Sec. Ex. Act Die Berichtspflicht (reporting requirement) nach § 13 Sec. Ex. Act trifft zwei Arten von Gesellschaften: Zum einen wird eine Gesellschaft durch die Registrierung unter den Securities Exchange Act 1934 nach § 12 Sec. Ex. Act zur sog. reporting company und muß der ständigen Berichtspflicht nach § 13 Sec. Ex. Act Genüge tun. Dasselbe gilt für Gesellschaften, die unter § 15 lit. d Sec. Ex. Act fallen. Hier ergibt sich die Anwendbarkeit des § 13 Sec. Ex. Act aus § 15 lit. d Sec. Ex. Act in Verbindung mit der Regulation 15 D. Unter § 13 lit. a Sec. Ex. Act müssen die Gesellschaften zwei Arten von Informationen bei der SEC einreichen: Nach der Nr. 1 des lit. a gehören dazu zum einen diejenigen Informationen und Dokumente, die erforderlich sind, um die nach § 12 Sec. Ex. Act bei der Registrierung offengelegten Daten auf aktuellem Stand zu halten. Nach Nr. 2 kann die SEC darüber hinaus, solche jährlichen und vierteljährlichen Berichte verlangen, die sie selbst nach dem Zweck des Gesetzes für erforderlich hält. Der Umfang der Kompetenzen aus § 13 lit. a Sec. Ex. Act ist faktisch so weit, daß die SEC im Ergebnis die Einreichung jedes Dokuments oder jedes Berichts, den sie wünscht, fordern kann261. Die Regulation 13 A konkretisiert die Anforderungen des § 13 lit. a Sec. Ex. Act. Ein Emittent muß üblicherweise, um seiner Berichtspflicht zu genügen, drei verschiedene Formulare einreichen: Dies ist zum einen das Formular 10-K für einen Jahresabschluß, zum anderen das Formular 10-Q für ____________ 261

So auch Soderquist, S. 198 und Grosse, S. 10.

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einen Quartalsbericht und schließlich das Formular 8-K. Dieses letzte Formular soll die Offenlegung von Informationen über Ereignisse, die wesentlichen Einfluß auf das Unternehmen hatten, gewährleisten (sog. report on major business developments). Ein typisches Beispiel eines solchen Ereignisses stellt ein Verkauf der Geschäftsanteile dar, der einen Kontrollwechsel in der Gesellschaft bedeutet, oder wesentliche Veränderungen des Gesellschaftsvermögens etwa durch den Verkauf einer bisherigen Tochtergesellschaft. Weitere Beispiele können der Wechsel des Rechnungsprüfers oder der Rücktritt von Mitgliedern des board of directors sein. Ein Bericht nach Formular 10-Q besteht üblicherweise vor allem aus dem vierteljährlichen Finanzbericht. Der Jahresbericht gemäß Formular 10-K orientiert sich weitgehend an dem Inhalt des Registrierungsberichts nach Formular 10. Bei jedem der Formulare finden sich zahlreiche Verweise auf die detaillierten Offenlegungspflichten, die in der bereits oben262 erwähnten Regulation S-K (bzw. S-B für small business issuer) erwähnt wurde. Abschließend soll kurz die Kritik erwähnt werden, die im Zusammenhang mit der Berichtspflicht gerade von Cary und Eisenberg263 laut geworden ist. Zwar seien, ihrer Meinung nach, die Pflichten insofern zu begrüßen, da sie zumindest bei unter diese Regel fallenden Gesellschaften die Informationsdefizite der Anleger kompensieren, die unter alleiniger Geltung des Rechts der Einzelstaaten zu Tage treten. Jedoch sei der Nutzen dadurch begrenzt, daß die einzelnen Berichte nicht einen umfassenden Inhalt mit einer rechtzeitigen Information verbinden. Dasjenige Formular, das im Inhalt am meisten begrenzt ist, nämlich das Formular 8-K, muß innerhalb von 15 Tagen, nachdem das Ereignis eingetreten ist, eingereicht werden. Für Formular 10-Q hat das Unternehmen 45 Tage Zeit und für das inhaltlich aussagekräftigste Formular 10-K sogar 90 Tage nach dem Ende des Zeitraums, den der Bericht umfaßt. So berechtigt es ist, auf die mit dieser zeitlichen Verzögerung zusammenhängenden Probleme hinzuweisen, müssen aber auch praktische Erwägungen berücksichtigt werden, was von Cary und Eisenberg nicht hinreichend erfolgt. Je umfangreicher ein Bericht ist, um so aufwendiger ist auch seine Erstellung für das Unternehmen. Häufig werden hierzu auch externe Berater hinzugezogen werden. Daraus ergibt sich notwendigerweise, daß das Gesetz den Unternehmen diese Zeit auch zugestehen muß, wenn sich nicht Fehler einschleichen sollen, wegen derer der Emittent haftungsrechtliche Folgen fürchten muß. Sicher kann man jedoch im einzelnen darüber diskutieren, ob die genauen Zeitvorgaben angemessen sind und ob so noch der Zweck des Gesetzes nach einer ____________ 262 263

Vgl. dazu schon Fußn. 68 S. 266.

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umfassenden und zeitnahen Information der Anleger in hinreichendem Maße gewährleistet ist.

3. Sonstige Pflichten Weitere Pflichten, die speziell im Zusammenhang mit einer publicly held corporation bestehen und die aus der Registrierung nach § 12 Sec. Ex. Act resultieren, ergeben sich etwa aus § 13 lit. b und lit. e Sec. Ex. Act, aber auch aus den §§ 14, 16 Sec. Ex. Act. § 13 lit. b Sec. Ex. Act steht in engem Zusammenhang mit der Berichtspflicht aus § 13 lit. a Sec. Ex. Act. Diese Bestimmung verpflichtet die Gesellschaft zu stetiger Buchführung. Nach § 13 lit. b Nr. 2 Sec. Ex. Act muß das Unternehmen diese in einer Art und Weise durchführen, welche die finanziellen Transaktionen und Dispositionen angemessen nachvollziehbar macht. Zudem muß auch ein System der internen Kontrolle von Entscheidungen errichtet werden264. § 13 lit. e Sec. Ex. Act verbietet einer Gesellschaft, den Erwerb eigener Aktien und Anteile, es sei denn der Erwerb bewegt sich in dem Rahmen, der von der SEC in den rules und regulations umschrieben wurde. Der Hintergrund ist, daß nach dem einzelstaatlichen Gesellschaftsrecht der Erwerb eigener Anteile in gewissen finanziellen Grenzen erlaubt ist265. Jedoch besteht gerade bei einer an der Börse notierten Gesellschaft die Gefahr, daß durch eigene Aktienrückkäufe der Markt manipuliert wird. Deshalb schränkt der Securities Exchange Act 1934 solche Transaktionen grundsätzlich ein266. Geregelt ist hier der Ankauf im Zusammenhang mit der Abwehr von sog. tender offers, also feindlichen Übernahmeangeboten267, was zugleich auch den vielleicht wichtigsten Fall eines nach Kapitalmarktrecht erlaubten Erwerbs eigener Anteile darstellt. In den §§ 12 und 13 Sec. Ex. Act geht es um die Publizität einer publicly held corporation gegenüber der Öffentlichkeit durch die Einreichung der vorgeschriebenen Dokumente bei der SEC und der darauffolgenden Veröffentlichung. § 14 Sec. Ex. Act schreibt nun die Offenlegung bestimmter Informationen auch unmittelbar gegenüber den Anteilseignern einer Publikumsgesell____________ 264 265 266 267

Zu diesem Erfordernis auch Hazen, S. 418 ff. Ausführlich statt vieler Cary / Eisenberg, S. 1375 ff.; Henn / Alexander, S. 936 ff. Vgl. insgesamt dazu Ratner, S. 129 ff., ausführlich auch Hazen, S. 643 ff. Jennings / Marsh / Coffee, S. 716 ff.

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schaft vor. Diese Offenlegungsvorschriften stehen in Zusammenhang mit den Regelungen über die proxies, also die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten, bzw. mit der proxy solicitation, als das Werben – zumeist der Verwaltung – um die Erteilung solcher Vollmachten durch die Zusendung eines proxy-Vordrucks268. Da in der Praxis nur ein kleiner Teil der Aktionäre persönlich an den Hauptversammlungen teilnimmt, hat die Erteilung von proxies eine große Bedeutung, da sonst nicht die nötigen Quoren erfüllt werden könnten, die in den USA für die Anwesenheit bei Hauptversammlungen gelten. In § 14 lit. a Sec. Ex. Act in Verbindung mit insbesondere Rule 14a-3 und Schedule 14A ist umfangreich geregelt, welche Arten von Informationen hier aufgedeckt werden müßten. Insgesamt betrifft dies sämtliche Umstände, die bei dem bevorstehenden shareholders’ meeting eine Rolle spielen könnten269. Nach § 14 lit. d Sec. Ex. Act müssen zudem alle tender offer offengelegt werden und nach § 13 lit. d Sec. Ex. Act muß jeder, der mehr als 5 % der Anteile einer Gesellschaft erwerben will, eine Meldung darüber bei der SEC einreichen. Schließlich regelt § 16 Sec. Ex. Act Pflichten speziell im Zusammenhang mit publicly held corporations. Diese Vorschrift bezieht sich auf bestimmte Offenlegungspflichten, die nicht der Gesellschaft selbst auferlegt sind, sondern sog. corporate insider trifft. Unter diese Gruppe zählen zum einen Personen, die als director oder officer der Verwaltung einer Gesellschaft angehören, zum anderen aber auch Anteilseigner, denen mehr als 10 % der Anteile gehören. Durch diese Regelung sollen sie davon abgehalten werden, durch kurzfristige Transaktionen, von den Vorteilen Gebrauch zu machen, die sie aufgrund ihres Informationsvorsprungs haben, und durch die sie sog. short-swing Gewinne erzielen können270. Aus § 16 lit. a Sec. Ex. Act ergibt für solche Personen die Pflicht, die Tatsache, daß sie als corporate insider im Sinne dieser Vorschrift gelten, anzuzeigen. § 16 lit. b Sec. Ex. Act statuiert schließlich unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftung gegenüber dem Emittenten im Falle solcher Gewinne.

____________ 268 Ausführlich zum proxy system vgl. nur Ratner, S. 99 ff.; Hazen, S. 549 ff.; Henn / Alexander, S. 518 ff.; Cary / Eisenberg, S. 270 ff. 269 Dazu im einzelnen Hazen, S. 555; Jennings / Marsh / Coffee, S. 967 ff. 270 Dazu Ratner, S. 117 ff.; Hazen, S. 707 ff.; Jennings / Marsh / Coffee, S. 1350 ff.; Cary / Eisenberg, S. 880 ff.

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III. Integrated Disclosure System Es wurde bereits angedeutet, daß die Registrierung unter dem Securities Act 1933 mit der unter dem Securities Exchange Act 1934 vordergründig in keinem Zusammenhang steht. Dies bedeutet auch, daß eine Gesellschaft im Ergebnis gleichzeitig dazu verpflichtet sein kann, ihre securities unter beiden Gesetzen registrieren zu lassen. Beispielsweise tritt dies dann ein, wenn ein bestimmtes Wertpapier öffentlich angeboten wird und zugleich an einer national securities exchange notiert ist271. Der Gesetzgeber entwickelte hier ursprünglich zwei unterschiedliche, voneinander getrennte Offenlegungssysteme. Der Grund dafür war die unterschiedliche Zielsetzung beider Gesetze. Eine besondere Schwierigkeit stellte es in der Praxis dar, daß diese Parallelität der Verfahren teilweise zur doppelten Offenlegung der Informationen führte, wobei die Unternehmen dazu verpflichtet waren, unterschiedliche Dokumente zu erstellen. Als Beispiel hierfür kann der notwendige Bericht an die Anteilseigner dienen. Nach dem Securities Exchange Act 1934 mußte dieser lediglich den GAAP, also den generally accepted accounting principles, genügen. Im Falle des Securities Act 1933 jedoch waren die weitaus strengeren Anforderungen der Regulation S-K zu erfüllen. Auch im Zusammenhang mit den proxy rules mußten erneut dieselben Informationen offengelegt werden, wobei im einzelnen wiederum eine andere Form vorgeschrieben war. Das nun durch die SEC entwickelte integrated disclosure system sorgt hier durch die Schaffung eines einfacheren, einheitlichen und integrierten Systems der Offenlegung für Abhilfe. Der erste Schritt war für die SEC der Erlaß der Regulation S-K im Jahre 1977, die einen einheitlichen Standard für beide Gesetze aufstellte. Im Januar 1980 wurde dies durch den Erlaß zum Teil neuer, zum Teil stark überarbeiteter Regeln und Formulare ausgebaut. Dies trifft auf das Formular 10-K zu, außerdem auf die Rule 14a-3, die im Zusammenhang mit den proxies, den Stimmrechtsvollmachten, steht. Außerdem ist hier die Regulation S-X und die überarbeitete Regulation S-K zu nennen. Das so entstandene System vereint jetzt zwei wesentliche Aspekte: Zum einen koordiniert es die im Securities Act 1933 und im Securities Exchange Act ____________ 271 Dieses Beispiel findet sich bei Loss / Seligman, Fundamentals, S. 384 und Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 1734. Wenn es sich bei dem fraglichen Wertpapier um eine Schuldverschreibung handelt, die von einer public utility holding company emittiert wird, also von einer Holding Gesellschaft, die sich um die Versorgung der Bevölkerung mit Gas und Elektrizität kümmert, kann sogar eine Registrierung unter vier kapitalmarktrechtlichen Gesetzen vorgeschrieben sein, dem Securities Act 1933, dem Securities Exchange Act 1934, dem Trust Indenture Act und dem Public Utility Holding Company Act.

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1934 vorgeschriebenen Offenlegungspflichten im Lichte der efficiency market hypothesis. Diese besagt, daß Informationen, die auf effektive Weise in der Öffentlichkeit verbreitet werden, sich schnell im Preis der Anteile widerspiegeln werden, unabhängig davon, welche Quelle die Daten haben272. Darauf berief sich auch die SEC im Securities Release No. 6235 vom 2. September 1980273, in dem sie als wichtiges Prinzip im Zusammenhang mit dem integrated disclosure system das sog. Äquivalenzprinzip (the principle of equivalency) nannte. Dazu führt sie aus: „Integration, as a concept, involves a conclusion as to equivalency between transactional (Securities Act) and periodic (Exchange Act) reporting. If a subject matter is material information (other than a description of transaction itself), then it will be material both in the distribution of securities and to the trading market“274. Nach Auffassung der SEC müssen bei der Einführung eines solchen Systems mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Neben dem Gleichlauf der Materialien muß auch die Frage beantwortet werden, wem und unter welchen Umständen Informationen zugänglich gemacht werden sollen. Anderenfalls würde aus dem Äquivalenzprinzip nur folgen, daß in jedem Formular dieselben Informationen enthalten sein müßten275. Der zweite Aspekt des Systems besteht in der Entwicklung von bestimmten termini technici im Bereich der Offenlegung von Informationen, die sowohl für die Registrierung nach Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934, wie auch für die fortlaufenden Berichtspflichten gelten. Diese Begriffe befinden sich in der bereits erwähnten Regulation S-X für finanzielle Daten und der Regulation S-K für sonstige Informationen. Darüber hinaus wurde von der SEC eine short-form registration eingeführt, also ein vereinfachtes Registrierungsformular für solche Gesellschaften, die ohnehin bereits unter dem Securities Exchange Act 1934 zur Publizität verpflichtet sind. Dies erfolgte 1982 durch die Erlaß der Formulare S-2 und S-3, gemeinsam mit dem allgemeinen S-1 Formular276. ____________ 272 Vgl. Loss / Seligman, Fundamentals, S. 122 f.; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 604 f. 273 Zitiert nach: Jennings / Marsh / Coffee, S. 154 ff. 274 Securities Release No. 6235, in: Jennings / Marsh / Coffee, S. 154. 275 Zu Problemen dieses Konzepts vgl. Loss / Seligman, Fundamentals, S. 126 f.; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 619 ff. 276 Details über die Formulare S-2 und S-3 finden sich bei Loss / Seligman, Fundamentals, S. 124 f.; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 616 ff. Auch Executive Summary of Securities Releases, No. 6331–6338, in: Jennings / Marsh / Coffee, S. 156 ff., v.a. auf S. 158. Hier weist die SEC auch erneut auf den Zusammenhang zwischen der efficient market theory und dem genauen Umfang der offenzulegenden Informationen und Securities Release No. 6383 hin, in: Jennings / Marsh / Coffee, S. 161 ff.

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E. Disclosure-Regeln im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht In den vorangegangenen Abschnitten dieser Arbeit wurden die beiden wichtigsten Aspekte der disclosure, also der „Offenlegungsphilosophie“, des US-amerikanischen securities law vorgestellt. Dabei lag zum einen ein Schwerpunkt auf der Frage, auf welche Gesellschaften die jeweiligen Pflichten Anwendung finden, zum anderen wie solche Pflichten im einzelnen ausgestaltet sind.

I. Bedeutung der disclosure-Regeln Durch die Verpflichtung der jeweiligen Gesellschaften bei einem public offering nach dem Securities Act 1933 Informationen offenzulegen, und dann fortlaufend nach dem Securities Exchange Act 1934 Informationen zu veröffentlichen, wird für gegenwärtige und zukünftige Anleger, aber auch für andere Personen, wie etwa Gläubiger, ein hohes Maß an Transparenz geschaffen. Im Mittelpunkt steht hier eindeutig der Schutz der Investoren. Dieser soll nach ständiger Rechtsprechung der Gerichte durch vollständige Offenlegung von Informationen gewährleistet werden. Der Supreme Court führt dazu in seiner Entscheidung Santa Fe Industries, Inc. v. Green277 aus: „The Court repeatedly has described the ‘fundamental purpose’ of the Act as implementing a ‘philosophy of full disclosure’“278. Dieser Ansatz zum Schutz insbesondere der Anleger zeigt sich nicht nur in den bereits genannten Publizitätspflichten der Gesellschaften, sondern ist das Grundprinzip des gesamten Securities Exchange Act 1934. Auch die in der Praxis wichtigen Regeln über das insider-trading, die im Zusammenhang mit der Rule 10b-5 entwickelt wurden, spiegeln dies wieder. Im Unterschied zu den disclosure-Vorschriften des Securities Act 1933 und auch der meisten aus §§ 12 - 16 Sec. Ex. Act resultierenden Verpflichtungen, obliegen hier die Pflichten nicht der Gesellschaft selbst, sondern den sog. „Insidern“, also Personen, die in einem bestimmten Treueverhältnis zur Gesellschaft stehen und früher als der Markt Einblick in bestimmte Informationen haben. Bemerkenswert ist, daß das Gesetz das sog. insidertrading nicht direkt verbietet. Es gibt den betroffenen Personen vielmehr zwei Möglichkeiten zu handeln: Entweder sie legen alle Informationen, die sie haben, offen und können dann wie geplant handeln, also die entsprechenden ____________ 277

430 U.S. 462 (1976). 430 U.S. 462, 477 f. (1976) m.w.N. Ebenso statt vieler Issen v. GSC Enters., Inc., 508 F. Supp. 1278, 1289 (1981); Basic Incorporated v. Levinson, 485 U.S. 224, 230; 108 S.Ct. 978, 983 (1988) und Karjala, 80 Nw. U. L. Rev. 1473, 1477 (1986) Fußn. 15 jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 278

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Wertpapiere kaufen oder verkaufen, oder sie legen ihre Informationen nicht offen. Dann dürfen sich aber auch keine konkreten Handlungen aufgrund ihren Informationen unternehmen. Der gleiche Ansatz ist beispielsweise bei § 5 Sec. Act bestimmend. Nach § 5 lit. a und lit. c Sec. Act muß eine Gesellschaft, die ihre Anteile verkaufen möchte, entweder die notwendigen Formulare bei der SEC einreichen, also Informationen offenlegen oder sie muß ganz davon absehen, sich in der beschriebenen Weise der Instrumente der zwischenstaatlichen Kommunikation zu bedienen. Sobald eine Registrierung eingereicht ist, muß sie für ein Angebot entweder von einem Prospekt Gebrauch machen, der den gesetzlichen Anforderungen genügt, oder sie kann lediglich in mündlicher Form Angebote abgeben. Mit einem Schlagwort wird dieses Prinzip als disclose or obstain, also „lege offen oder nehme Abstand von der Transaktion“, bezeichnet. Insgesamt ist somit nach dem Kapitalmarktrecht des Bundes Publizität das Mittel zum Schutz von Anlegern. Um diese Philosophie der Offenlegung richtig einschätzen zu können, ist es von Nutzen, einen Blick auf alternative Konzepte zu werfen, wie sie beispielsweise in den Kapitalmarktgesetzen der Einzelstaaten auftreten279. Neben den disclosure laws, die vorwiegend die Prospektpflicht und andere Möglichkeiten der Informationsverbreitung regeln und damit einen Schutz durch bestimmte Verfahrensanforderungen vorsehen, gibt es in vielen Einzelstaaten Gesetze, die eher materielle Regeln enthalten und eine Überprüfung beispielsweise der Kapitalausstattung oder anderer für den Anlegerschutz wesentlicher Aspekte ermöglichen280. Auf der Ebene des Bundesrechts kann die SEC keiner Gesellschaft eine Notierung an der Börse etwa mit der Begründung verweigern, daß die Ausstattung mit Kapital oder konkrete Regelungen in der Satzung der Gesellschaft eine Gefahr für die Anleger darstellen würden. Die SEC hat also keine Befugnis zu einer „Qualitätskontrolle“. Auch wenn die SEC der Meinung ist, daß den Anlegern ihre Investition niemals etwas anderes als Verluste einbringen wird, kann sie nicht einschreiten281. Wenn die Gesellschaft alle Informationen vorschriftgemäß offengelegt hat, insbesondere auch die negativen Faktoren und Risiken, erhält sie die Zulassung. Easterbrook und Fischel umschreiben dies wie folgt: „The dominant principle of securities regulation still is that anyone willing to disclose the right things can sell or buy whatever he wants at whatever price the ____________ 279 Zu den einzelnen Typen der Kapitalmarktgesetze vgl. Ballantine, S. 862 ff. Ähnlich auch Clark, S. 27.6 ff. zusätzlich mit Hinweisen auf verschiedene Arten der Registrierung (qualification, notification, coordination with federal registration). 280 Dazu auch Hazen, S. 389. 281 Hamilton, S. 298. Ähnlich auch Cary / Eisenberg, S. 1476 und Clark, S. 720.

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market will sustain“282. Als weitere Gruppe gibt es die sogenannte fraud laws, die eine unabhängige Stelle zur strafrechtlichen Verfolgung von fraudulent transactions, also betrügerischen Handlungen im Zusammenhang mit dem Angebot und Verkauf von Wertpapieren, ermächtigen283. Ein weiterer Ansatz schließlich, den Cox, Hazen und O'Neal den merit approach nennen, zielt allein auf die Lizensierung und Registrierung der Wertpapiermakler und anderen Personen ab, die mit dem Verkauf von securities befaßt sind, und stellt an diese bestimmte Anforderungen. Eine Zulassung wird in der Regeln erst nach Prüfung des Charakters und der Vertrauenswürdigkeit dieser Personen gewährt. Durch diese grundsätzliche Zuverlässigkeit der im Wertpapierhandel tätigen Personen sollen die Anleger auch vor Schaden durch betrügerisches Handeln der Gesellschaft selbst im Einzelfall geschützt werden. Als der Kongreß in den 30er Jahren sich entschieden hatte, securities laws zu erlassen, mußte er sich auch mit diesen verschiedenen Ansätzen auseinandersetzen. Eine große Anzahl von Befürwortern fand zunächst ein reines fraud law nach dem Vorbild New Yorks, das lediglich betrügerisches Verhalten im Zusammenhang mit Wertpapieren unter Strafe stellen sollte. Begründet wurde dieser Ansatz mit der Befürchtung, daß jedes Gesetz, das vorbeugende Maßnahmen vorsieht, in erster Linie ehrliche Unternehmen in ihrem Fortkommen behindern würde, ohne effektive Mittel gegen die Schädigung von Anlegern bereitzuhalten. Auch die Aufstellung von sog. „Qualitätsstandards“ (merit standards) für die Wertpapiere bzw. die Emittenten wurde erwogen. Einer Zulassung zur Börse sollte danach ein wirkliches materielles Prüfungsrecht vorgeschaltet werden, das gewährleisten sollte, daß die Wertpapiere eine solide Grundlage haben. Schließlich setzte sich aber ein dritter Ansatz durch, die sog. disclosure philosophy, die vor allem von Brandeis befürwortet wurde. Bildhaft begründete er diese Philosophie 1914 mit folgendem berühmt gewordenen Ausspruch: „Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman“284. Zwar sind im Kapitalmarktrecht des Bundes, wie häufig in den Kapitalmarktgesetzen, in gewisser Weise verschiedene Ansätze kombiniert. So regelt beispielsweise § 15 Sec. Ex. Act auch die Registrierung von sog. Wertpapier____________ 282

Easterbrook / Fischel, S. 277; dieselben, 70 Va. L. Rev. 669, 670 (1984). Als Beispiele nennt Ballantine, S. 862 hier die Gesetze von New York und New Jersey. Cox / Hazen / O'Neal ergänzen, daß New York früher nur Vorschriften gegen fraud hatte, inzwischen aber dazu übergegangen ist, auch die Einreichung bestimmter Unterlagen zu fordern. 284 Zitiert nach Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 173 ff. Im übrigen dort auch weitere Details zur Gesetzgebungsgeschichte der Securities Acts. 283

§ 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Kapitalmarktrecht

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maklern und -verkäufern. Jedoch haben die Gesetze zumeist einen Schwerpunkt in ihrem Schutzansatz und dieser liegt beim Securities Act 1933 ebenso wie beim Securities Exchange Act 1934 eindeutig in der disclosure, also der Offenlegung, in der vorgestellten Weise. Die Regeln, die sich nun mit der Offenlegung von Informationen beschäftigen haben dabei zwei Komponenten285: Choper, Coffee und Gilson286 bezeichnen die eine als affirmative und die andere als negative. Die erste Komponente stand hier bisher im Mittelpunkt. Zusätzlich zu dem in Ansätzen dargestellten System der Offenlegung, das durch die Gesetze und Regeln gefordert und bestärkt wird, gibt es jedoch antifraud-Regeln. Diese werden als zweite Komponente der disclosure-Philosophie angesehen. Sie sind sowohl im Securities Act 1933 wie auch im Securities Exchange Act 1934 enthalten und ergänzen die antifraud-Regeln des common law. Insgesamt verbieten sie zum einen unrichtige Angaben hinsichtlich wesentlicher Punkte und wenden sich zum anderen gegen die Auslassung von wichtigen Informationen. Da durch jede Offenlegung weiterer Informationen für die Gesellschaft das Risiko wächst, wegen Fehlinformation zu haften, wirken die antifraud-Regeln zugleich als Beschränkung der Publizität287, weswegen sie als deren negative Komponente bezeichnet werden. Dieses System mit obligatorischen Publizitätspflichten und Vorschriften gegen fraud soll, um ein Schlagwort zu gebrauchen, truth in securities288 gewährleisten. Das Zusammenwirken beider Komponenten stellen dabei Easterbrook und Fischel anschaulich dar. In einem Markt, der zwar die Aufdeckung von Informationen kennt, sei es freiwillig, weil die Gesellschaften für die Anleger attraktiv sein wollen, oder verpflichtend, aber keine Regeln über antifraud vorsieht, sind sowohl die Anleger als auch die Gesellschaft selbst vor Probleme gestellt. Die Anleger können sich nicht sicher sein, daß die Informationen, die ihnen die Gesellschaften zur Verfügung gestellt haben, auch der Wahrheit entsprechen. Zwar können ein Teil der Informationen überprüft werden, dies trifft aber nur in einem geringen Umfang zu und ist für die potentiellen Investoren zeit- und ____________ 285 Choper / Coffee / Gilson, S. 312; Cary / Eisenberg, S. 1475; Easterbrook / Fischel, S. 276; dieselben, 70 Va. L. Rev. 669 (1984). 286 S. 312. 287 Kitch, 61 Brook. L. Rev. 763, 770 (1995). Kitch berücksichtigt dabei vielleicht nicht genügend, daß eine Haftung der Emittenten auch im Falle der unvollständigen Information eintritt. Daher können gerade Haftungsnormen auch das entgegengesetzte Ergebnis haben und zu umfangreichen Offenlegungen führen, damit den Gesellschaften nicht vorgeworfen werden kann, wesentliche Aspekte verschwiegen zu haben. 288 Cary / Eisenberg, S. 1475; Ballantine, S. 877; Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.34; Conard, S. 271.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

kostenaufwendig289. Unternehmen, welche ihre Qualität herausstellen und beweisen wollen, müssen dazu zusätzliche Schritte machen. Traditionellerweise werden sie dies dadurch tun, daß sie ihre Bücher externen Prüfern zur Verfügung stellen und sich von diesen den Wahrheitsgehalt bescheinigen lassen. Ein anderer Weg ist, daß die Mitglieder der Verwaltung selbst Anteilseigner werden. Je höher die Qualität der Wertpapiere ist, desto mehr Verwaltungsmitgliedern werden dazu bereit sein, und je mehr von ihnen selbst Anteile halten, desto mehr werden auch andere Investoren bereit sein, auf die Informationen der Gesellschaft zu vertrauen – vorausgesetzt sie verlassen sich darauf, daß alle Informationen offengelegt waren290. Jedoch sind alle diese Mittel kostenintensiv. Eine Regel, die fraud, also betrügerisches Verhalten, verbietet, kann hier helfen gerade für neue Unternehmen Kosten einzusparen291. Wenn man im Gegensatz dazu von einem System ausgeht, das zwar Vorschriften gegen fraud kennt, aber keinerlei Bestimmungen, welche in bestimmten Bereichen Publizität vorschreiben, läuft man Gefahr, daß die Gesellschaften still bleiben und den Anlegern gar keine Informationen zur Verfügung stellen. Zudem können die Unternehmen, die sich für eine disclosure entscheiden, dies in beliebiger Form tun, solange sie nicht die Unwahrheit verbreiten. Dies macht die Bewertung der Informationen für den potentiellen Anleger schwierig. Easterbrook und Fischel beschreiben das mögliche Szenario, wie folgt: „They could attempt to sell securities with ads in glossy magazines and on television featuring sexy models or herds of bulls“292. In einem System, das obligatorische Verpflichtungen zur Offenlegung kennt, werden die Möglichkeiten eines Unternehmens keine Informationen zu veröffentlichen signifikant eingeschränkt. Nicht weniger bedeutend ist, daß Ort, Zeit und Art der disclosure kontrolliert und koordiniert wird. Die Aufdeckung bestimmter Informationen verfolgt dabei zwei Ziele: Traditionell steht dabei die Information für den individuellen Anleger im Vordergrund293. Durch eine umfassende Offenlegung aller wesentlichen Punkte im Sinne der beiden Securities Acts sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen

____________ 289

Ausführlich dazu Easterbrook / Fischel, S. 280 ff.; dieselben, 70 Va. L. Rev. 669, 674 f. (1984). 290 Vgl. Easterbrook / Fischel, S. 282; dieselben, 70 Va. L. Rev. 669, 675 ff. (1984) mit weiteren Möglichkeiten für die Unternehmen. 291 Easterbrook / Fischel, S. 283; dieselben, 70 Va. L. Rev. 669, 677 (1984). 292 Easterbrook / Fischel, S. 286; dieselben, 70 Va. L. Rev. 669, 680 (1984). 293 Vgl. Clark, S. 719; Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.34; Vagts, S. 169.

§ 9 Die personalistische Kapitalgesellschaft im US-Kapitalmarktrecht

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werden, daß sich der Anleger selbst schützen kann294. Jede vernünftige Anlageentscheidung braucht eine hinreichende Basis um eine Einschätzung des Wert der securities, die ein Anleger kaufen oder verkaufen möchte, angemessen zu ermöglichen. Dieses Ziel wird in der Literatur295 auch als prudent investor concept bezeichnet. Daneben steht ein am Gesamtmarkt orientierter Zweck, den Kitch mit dem Begriff accuracy enhancement296 umschreibt und der in neuerer Zeit immer mehr in den Vordergrund getreten ist. Der Ansatzpunkt für dieses Konzept ist die bereits erwähnte efficiency market theory, also die Hypothese von einem effizienten Markt. Diese geht davon aus, daß die Aktienkurse einer Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt sämtliche Informationen, die über eine Gesellschaft im Markt verfügbar sind, widerspiegeln. Der Kurs entspricht damit dem wahren Wert der Beteiligung. Dadurch werden die Anleger nicht übervorteilt und es findet eine effiziente Allokation der vorhandenen Kapitalressourcen statt297. Zur Folge hat dies – zumindest, wenn man die Variante der efficiency market theory, die als semi-strong bezeichnet wird, vertritt298 –, daß sich ein Investor nicht um den Preis kümmern muß, den er zahlt. Er kann davon ausgehen, daß es zwangsläufig der angemessene ist. Jedoch kann sich ein solcher angemessener Preis nur dann bilden, wenn für die Marktkräfte hinreichende Informationen verfügbar sind. Zusätzlich darf niemand Informationen für Kaufoder Verkaufsentscheidungen zur Grundlage nehmen, die auf einem Informationsvorsprung gegenüber der Öffentlichkeit beruhen. Der erste Aspekt wird durch die im Kapitalmarktrecht vorgeschriebenen Publizitätspflichten gewährleistet, der zweite Aspekt durch die verschiedenen Bestimmungen und Regeln299, die das sog. insider trading betreffen. ____________ 294 Zum Zusammenhang zwischen Selbstschutz und Information, wenn auch im Rahmen von § 10 lit. b Sec. Ex. Act und Rule 10b-5 der 2nd Circuit des United States Court of Appeals in Madison Consultants v. FDIC, 710 F.2d 57 (1983), insb. S. 63 ff. 295 Kitch, 61 Brooklyn L. Rev. 763, 767 (1995). 296 Kitch, 61 Brooklyn L. Rev. 763 (1995). Dort setzt sich der Autor auch ausführlich damit auseinander, welche Hindernisse dem accuracy enhancement in der Praxis im Wege stehen. 297 Zu diesem Aspekt auch Bruemmer, 9 U. Mich. J. Law Reform 256, 263 (1976) und Conard, S. 271. Weitere Gründe, die dafür sprechen, daß das accuracy enhancement ein erstrebenswertes Ziel ist bei Kitch, 61 Brook. L. Rev. 763, 773 ff. (1995). Eine umfassende Analyse zu den Gründen für ein mandatory disclosure system findet sich bei Coffee, 70 Va. L. Rev. 717 (1984), zur effizienten Allokation von Kapital v.a. S. 734 ff., zum Zusammenhang mit der These von einem effizienten Markt, S. 747 ff. 298 Erklärungen zu den drei verschiedenen Varianten dieser Hypothese u.a. bei Merkt, Rdnr. 766 ff. und Jennings / Marsh / Coffee S. 210. 299 Zu denken ist hier in erster Linie an § 10 lit. b Sec. Ex. Act und die Rule 10b-5, daneben aber auch § 16 lit. b Sec. Ex. Act über short-swing trading profits und an einzelstaatliches common law.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

II. Geltung der disclosure-Regeln für personenbezogene Gesellschaften Nachdem die Bedeutung der Offenlegungspflichten als das Mittel zum Anlegerschutz herausgearbeitet wurde, soll noch einmal auf dessen Geltung für kleine personenbezogene Gesellschaften eingegangen werden. Die durch den Securities Exchange Act 1934 auferlegten Publizitätspflichten gelten nicht für Gesellschaften mit einem geschlossenen, personalistischen Anlegerkreis. Die Registrierungspflicht aus § 12 Sec. Ex. Act und die daran anknüpfenden Pflichten setzen, wie bereits ausführlich erörtert, entweder eine Notierung an einer national securities exchange (§ 12 lit. a Sec. Ex. Act) oder eine Notierung im OTC-Markt und mehr als 500 Anteilseigner (§ 12 lit. g Sec. Ex. Act) voraus. Weder die Tatbestandsmerkmale des § 12 lit. a Sec. Ex. Act noch die des § 12 lit. g Sec. Ex. Act dürften bei einer close corporation gegeben sein, unabhängig davon, wie man sie im einzelnen definiert. Ähnliches gilt aber auch für die Registrierungserfordernisse aus dem Securities Act 1933. Soweit ein Handel von Anteilen einer close corporation insgesamt ausscheidet, weil die Gesellschafter auf einen geschlossenen Anlegerkreis Wert legen und daher die Anteile in der Regel nicht verkaufen, kommt eine Offenlegungspflicht nach § 5 Sec. Act ohnehin nicht in Betracht, da noch nicht einmal ein Verkauf vorliegt. Selbst wenn einzelne Anteile einmal verkauft werden sollten, wird häufig das Merkmal des interstate commerce nicht gegeben sein, da der Verkauf meist im engen Umkreis der Gesellschaft stattfinden wird. Sogar, wenn aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs des interstate commerce § 5 Sec. Act tatbestandlich gegeben sein sollte, wird doch zumindest ein bloßes private offering vorliegen, das unter die Ausnahme des § 4 Nr. 2 Sec. Act fällt, so wie dies zum Teil bereits als Definitionskriterium für eine close corporation verwendet wird. Im übrigen wurde auch auf weitere Ausnahmen von § 5 Sec. Act eingegangen, die kleinere public offerings entweder ganz oder in weiten Teilen von der Registrierung ausnehmen. Somit bleibt im Bereich der personalistischen Gesellschaften sogar eine gewisse beschränkte Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes möglich. Zumindest hingewiesen sei hier noch auf die Bestrebungen der SEC vereinfachte Offenlegungsformulare für sog. small business issuers zu schaffen und damit solchen Gesellschaften die Aufnahme von Eigenkapital über den öffentlichen Kapitalmarkt zu erleichtern. Bei solchen small business issuer handelt es sich aber nicht um Gesellschaften in Form der close corporation. Vielmehr zielen die Vorschriften auf kleinere Unternehmen, die auf dem Weg zum börsennotierten Unternehmen sind. Deutlich wird dies an der Definition, die sich in Rule 405 befindet. Danach kann ein small business issuers jede US-amerikanische oder kanadische Gesellschaft sein, die keine Investmentgesellschaft ist und Einnahmen von we-

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niger als $ 25 Mio. hat. Soweit es sich bei der Gesellschaft um eine Tochtergesellschaft handelt, wird sie nur dann als small business issuer behandelt, wenn diese Voraussetzungen auch für die Muttergesellschaft erfüllt sind. Bereits Mitte der 70er Jahre hatte die SEC erstmals ihr Augenmerk auf kleine Emissionen und Angebote von kleinen Unternehmen gerichtet300 und das Formular S-18301 erlassen. Im Juli 1992 und im April 1993 erließ die SEC die Regulation S-B, die auf der Ebene der kleinen Unternehmen ein vereinfachtes integriertes disclosure-System schuf302. Insgesamt kann man jedoch nicht sagen, daß die Vorschriften der Kapitalmarktgesetze des Bundes ausschließlich auf Gesellschaften Anwendung finden, die an den nationalen Börsen gehandelt werden oder insgesamt als publicly held corporation angesehen werden dürften. Karjala303 führt dazu folgendes aus: Wenn der Gesetzgeber heute den Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934 noch einmal erlassen müßte, würde das Prinzip, die securities laws einzig auf derartige Gesellschaften anzuwenden, sicher weitgehend von ihm umgesetzt werden. Auch der Kongreß hatte bei der Gesetzgebung hauptsächlich Regelungen für die nationalen Wertpapierbörsen und deren Beziehung zur Gesamtwirtschaft der USA im Auge. Jedoch habe die Rechtsprechung zum Teil den Anwendungsbereich weit darüber hinaus ausgedehnt. Ein Aspekt, den Karjala hierfür anführt, ist, daß der Begriff des public offering äußerst weit ausgelegt wird. Dadurch kann selbst dann ein public offering vorliegen, wenn nach der Emission mit Sicherheit keine publicly held corporation im Sinne des Securities Exchange Act 1934 vorliegt304. Noch wichtiger ist aber der zweite Aspekt, der auch hier schon mehrfach betont wurde. Die antifraud-Vorschriften sowohl im Securities Act 1933, als auch im Securities Exchange Act 1934 sind zu weit, um ihre Anwendbarkeit auf Publikumsgesellschaften zu beschränken. Karjala sieht aber Ansätze im Versuch der Gerichte der Einzelstaaten durch eine enge Bestimmung des Begriffs stock in der Definition des security im § 3 Nr. 10 Sec. Ex. Act die Anwendbarkeit der Kapitalmarktgesetze insgesamt wieder entsprechend der genannten These zu beschränken. Allerdings hat der Supreme ____________ 300

Hazen, S. 124. Einzelheiten zu diesem Formular bei Brooks, 13 U.C. Davis L. Rev. 544, 570 ff. (1980). 302 Vgl. im Detail in Jennings / Marsh / Coffee / Seligman, S. 44 ff. und 69 Am. Jur. 2d §§ 217 ff., 782. Scheuermann, 917 PLI/Corp 807 (1996). 303 80 Nw. L. Rev. 1473, 1483 ff. (1986). 304 Er stellt dabei v.a. auf die Definition von public offering in der erwähnten Entscheidung SEC v. Ralston Purina Co., 356 U.S. 119 (1953) ab, die ausgeführt hat, daß sogar ein Angebot an nur wenige Personen, eventuell sogar an eine einzige, ausreichen kann, um ein public offering anzunehmen. 301

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3. Teil: Amerikanisches Recht

Court, wie ausgeführt, die sale-of-business doctrine, die als ein solcher Versuch gesehen werden kann, zurückgewiesen und dadurch implizit einen Ausschluß der close corporation von der Geltung der Securities Acts durch richterliche Interpretation abgelehnt. Wenn man aber die Zahlen für die reporting companies unter dem Securities Exchange Act 1934 betrachtet, so kann man zumindest festhalten, daß diese Publizitätspflichten auf die überwiegende Anzahl der Gesellschaften keine Anwendung findet305 und auch die hier interessierenden close corporation jedenfalls nicht umfaßt. Auch fallen close corporation in den meisten Fällen nicht unter die blue sky laws der Einzelstaaten. Zwar läßt sich nur schwer eine Aussage über alle einzelstaatlichen Kapitalmarktgesetze treffen. Allerdings gibt es ein Modellgesetz, den Uniform Securities Act, der laut Cox, Hazen und O'Neal von wenigstens 35 Staaten und zusätzlich von Puerto Rico und dem District of Columbia übernommen wurde306. Hier findet sich eine Ausnahme für limited offerings, womit Angebote gemeint sind, die nur an eine kleine Anzahl von Käufern oder Anteilseignern gehen. Die Zahl schwankt hierin zwischen fünf und 40 Personen. Die meisten Staaten kennen eine Beschränkung auf 35 Käufer bzw. Anteilseigner307. Schließlich gibt es noch zusätzliche Offenlegungspflichten, die nicht von der SEC erlassen werden, sondern von den nationalen Börsen selbst. Hier wird von den Gesellschaften zumeist eine sofortige Offenlegung relevanter Dokumenten gefordert und lediglich periodische Berichte genügen nicht. Diese Pflichten treffen aber nur diejenigen Gesellschaften, die entweder an der New York Stock Exchange (NYSE), der American Stock Exchange (AMEX) oder der National Association of Securities Dealers Quotation System (NASDAQ) notiert sind308, gelten also ebenfalls nicht für close corporations.

____________ 305

Cary/Eisenberg sprechen auf S. 268 davon, daß die Publizitätspflichten des Securities Exchange Act 1934 nur für die publicly held corporation gelten: „The reporting requirements of the Securities Exchange Act 1934 apply to only a fraction of all publicly held corporations“. 306 Cox / Hazen / O'Neal, S. 27.6. 307 Jennings / Marsh / Coffee, S. 1637. Ebenfalls zum Anwendungsbereich der blue sky laws Hazen, S. 388; speziell zu den Ausnahme auf S. 398 ff. 308 Zu Einzelheiten hierzu Choper / Coffee / Gilson, S. 320 ff.

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht A. Vorbemerkung In den ersten beiden Paragraphen des Länderberichts zum US-amerikanischen Recht (§§ 7, 8) wurde herausgearbeitet, daß zwar in einer erheblichen Anzahl von Einzelstaaten eine gesonderte close corporation-Gesetzgebung besteht. Zugleich machen die Gesellschaften aber tatsächlich in nur geringem Umfang davon Gebrauch. Als Grund dafür wurde vor allem die große Flexibilität des allgemeinen Gesellschaftsrechts genannt, die dazu geführt hat, daß lediglich ein geringes Bedürfnis für die speziellen Regeln besteht, die personalistischen Gesellschaften vorbehalten sind. In dem darauf folgenden Paragraphen (§ 9) stand das Kapitalmarktrecht des Bundes im Mittelpunkt. Auf dieser Ebene findet sich ein Großteil der anlegerschützenden Vorschriften durch die disclosure-Regeln und die antifraudBestimmungen. Gerade die Offenlegungspflichten treffen im überwiegenden Maße allein publicly held corporations, also große Publikumsgesellschaften. Für personenbezogene Gesellschaften mit eher geschlossenem Anlegerkreis ist es daher nicht bedeutend, ob sie sich für eine statutory close corporation, wie sie in den Einzelstaaten definiert ist, qualifizieren können. Wichtiger ist dagegen die Frage, ob das bundesrechtliche securities law auf sie Anwendung findet. Im Hinblick auf eine unterschiedliche Behandlung von einer publicly held corporation und einer close corporation, wenn man diesen Begriff als Typusbegriff begreift, ist also die Geltung oder Nichtgeltung des Kapitalmarktrechts von wesentlicher Bedeutung. Im einzelnen geht es dabei im Bereich des Securities Exchange Act 1934 maßgeblich um die Frage, ob eine Gesellschaft an einer national securities exchange oder im OTC-Markt gehandelt wird. Für den Securities Act 1933 ist entscheidend, ob die Wertpapiere in einer Art und Weise angeboten werden, die ein public offering, also ein Angebot an die Öffentlichkeit, konstituiert. Beide Male sind es somit Kriterien die in engem Zusammenhang mit der Kapitalmarktorientierung der konkreten Gesellschaft stehen. Auch innerhalb des Gesellschaftsrechts, nämlich bei der Frage der Wirksamkeit von shareholders’ agreements, ist insbesondere in den letzten Jahren die Kapitalmarktorientierung einer Gesellschaft zu einem entscheidenden Merkmal geworden. Dies führt zu einer engeren Verflechtung von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht. Diese Entwicklung soll zum Abschluß dieses Teiles über das US-amerikanische Recht jedenfalls angedeutet werden.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

B. Definition eines shareholders’ agreements Für den Begriff shareholders’ agreement, der mit Aktionärsvereinbarung übersetzt werden könnte, gibt es im US-amerikanischen Recht keine präzise Definition1. Er wird aber allgemein weit ausgelegt und umfaßt jeden Vertrag zwischen zwei oder mehreren Anteilseignern, der sich auf deren Verhalten im Hinblick auf die Gesellschaft, deren Anteile sie innehaben, bezieht2. Eine solche Vereinbarung kann neben der Satzung – den articles of incorporation und den bylaws – bestehen, sie kann aber auch in diese inkorporiert sein3. Besonders bei Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis sind solche Verträge ein wichtiges Mittel4, durch das die Gesellschafter die gesetzlichen Regeln an ihre Bedürfnisse anpassen können. Es gibt zwei typische Arten von shareholders’ agreements: Bei der ersten Art koordinieren die Gesellschafter ihr Abstimmungsverhalten. Dies geschieht entweder in sog. voting trusts5, in voting agreements6 oder in proxy agreements7. Durch die zweiten Art ____________ 1 Zur Frage des Begriffs vgl. beispielsweise Blount v. Taft, 295 N.C. 472, 484; 246 S.E.2d 763, 771 (1978). Teilweise finden sich spezielle Definitionen auch in den Gesetzen der Einzelstaaten, z.B. Cal. Corp. Code § 186. 2 18A Am. Jur. 2d § 312. 3 Vgl. nur § 7.32 lit. b R.M.B.C.A. Für das Verhältnis von shareholders’ agreement und bylaws vgl. Blount v. Taft, 295 N.C. 472; 246 S.E.2d 763 (1978). Hier führt der Supreme Court of North Carolina auf S. 484 bzw. S. 771 aus, daß bylaws, wenn sie einstimmig erlassen sind, zugleich auch ein shareholders’ agreement darstellen. „In our view this debate is sterile, for these terms are not mutually exclusive. Bylaws which are unanimously enacted by all the shareholders of a corporation are also shareholders’ agreements“. 4 Daher wird die Zulässigkeit von shareholders’ agreements auch in der Literatur häufig im Zusammenhang mit der close corporation diskutiert, vgl. nur Note, 7 U.C.L.A.-Alaska L. Rev. 123, 129 f. (1977); Note, 11 Okla. City U. L. Rev. 357 (1986); Kessler, 38 Fordham L. Rev. 743, 753 (1970); Comment, 23 S.D. L. Rev. 427, 437 (1978) mit Beispielen typischer Inhalte. Ausdrücklich so Jordan, 23 UCLA L. Rev. 1094, 1151 (1976): „The most important organizational tool of the close corporation is the shareholders’ agreement “ und Ghinger, 4 U. Balt. L. Rev. 211, 212 (1975). 5 Bei einem voting trust werden alle Anteile mit Stimmrecht auf einen voting trustee übertragen, der als Eigentümer der Anteile eingetragen ist und das Stimmrecht während der Dauer des voting trusts wie dort vereinbart ausübt, vgl. Henn / Alexander, S. 528; Cary / Eisenberg, S. 356 ff. und Flechter Cyc Corp §§ 2075 ff. 6 Bei einem voting agreement bleiben die Gesellschafter selbst Halter der Anteile. Sie vereinbaren aber wie sie grundsätzlich ihre Stimmen in Angelegenheiten der Gesellschaft abgeben. Davon zu unterscheiden sind Vereinbarungen hinsichtlich bestimmter Themen. Vgl. Flechter Cyc Corp §§ 2064 ff. 7 Unter einem proxy versteht man die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht. Durch die (ggf. gegenseitige) Erteilung einer solchen Vollmacht, kann die Durchsetzung eines voting agreements sichergestellt werden. Vgl. Cary/Eisenberg, S. 349 ff. Zum Begriff auch Flechter Cyc. Corp. §§ 2049.1 ff.

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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von shareholders’ agreements soll unmittelbar die Leitung der Gesellschaft kontrolliert werden. Auf diesen Typ der Vereinbarung, der von der Rechtsprechung skeptischer als eine bloße Abstimmung des Stimmverhaltens betrachtet wurde, wird nachfolgend genauer einzugehen sein. Soweit durch shareholders’ agreements die Leitung der Gesellschaft kontrolliert werden soll, greifen diese dadurch in ein Grundprinzip der corporation ein, nämlich dem Prinzip der zentralisierten Verwaltung. Dies ist auch die Ursache der Vorbehalte der Gerichte8. Die Zwecke, die generell durch eine zentralisierte Verwaltung verfolgt werden, sind durch eine solche Vereinbarung gefährdet9. Zu diesen Zwecken gehören zum einen die Erleichterung der Koordination und Entscheidungsfindung in großen Publikumsgesellschaften. Zum anderen dient die Leitung durch ein zentralisiertes und unabhängiges Organ dem Gesamtinteresse der Kapitalanleger, da die unabhängigen directors dem Unternehmensinteresse bzw. der Gesamtheit der Aktionärsinteressen verpflichtet sind und idealiter nicht irgendwelche Einzelinteressen verfolgen. Eine Einschränkung dieser Unabhängigkeit beeinträchtigt somit potentiell alle diejenigen, die nicht an der Vereinbarung beteiligt sind. In einer Publikumsgesellschaft gehören dazu die öffentlichen Kapitalanleger. In einer kleineren Gesellschaft kann durch eine solche Vereinbarung der Minderheitsgesellschafter, der nicht Partei des agreements ist, gefährdet werden. Mit dem Problem des shareholders’ agreements beschäftigten sich sowohl die Gesetzgeber als auch die Gerichte. Besonders bemerkenswert erscheint hier eine Novelle des Revised Model Business Corporation Act vor einigen Jahren. Dadurch werden shareholders’ agreements weitreichend zugelassen (dazu unter C.). Unter D. soll die Bedeutung dieser Vorschrift vor dem Hintergrund des common law, das lange Zeit shareholders’ agreements ablehnte, beleuchtet werden.

C. Änderung des Revised Model Business Corporation Act Im Jahre 1992 kam es zu einer Änderung des Revised Model Business Corporation Act. Unter anderem wurde darin ein neuer § 7.32 R.M.B.C.A. hinzugefügt. Diese Vorschrift erachtet sog. shareholders’ agreements unter bestimmten Voraussetzungen als wirksam. Diese Voraussetzungen werden unter I. näher dargestellt. Hieran anschließend werden Vorläufervorschriften im Recht der Einzelstaaten behandelt (unter II.) sowie ähnliche Vorschriften in den ____________ 8 9

Vgl. zu diesen Entscheidungen unten D. II. Zu diesen Zwecken auch Clark, § 18.3.5, S. 781 ff.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

aktuellen statutes der Einzelstaaten (unter III.), um die Verbreitung dieser Bestimmung des Modellgesetzes einschätzen zu können.

I. Voraussetzungen des § 7.32 R.M.B.C.A. Lit. a des § 7.32 R.M.B.C.A. ist der Kern der Bestimmung. Durch ihn wird festgelegt, daß bestimmte Arten von shareholders’ agreements nicht deshalb als unwirksam betrachtet werden dürfen, weil sie anderen Vorschriften des Gesetzes widersprechen. Der zulässige Inhalt der Aktionärsvereinbarungen kann äußerst weit gehen: Nach Nr. 1 kann durch solche Vereinbarungen das Organ, dem eigentlich die Leitung und Verwaltung der Gesellschaft obliegt, der board of directors, entweder vollständig abgeschafft oder jedenfalls in seinem Ermessen oder seinen Kompetenzen stark eingeschränkt werden. Des weiteren kann darin beispielsweise die Gewinnverteilung geregelt werden (Nr. 2) oder eine Festlegung dazu getroffen werden, wer director oder officer sein wird (Nr. 3). Darüber hinaus kann auch ein Auflösungsrecht der Gesellschaft statuiert werden, das entweder einem oder mehreren Anteilseignern zusteht oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses entsteht (Nr. 7). Die sieben speziellen Kategorien, die das R.M.B.C.A. gewählt hat, decken dabei die in der Praxis am häufigsten verwendeten shareholders’ agreements ab. Der Umfang der durch § 7.32 lit. a R.M.B.C.A. zulässigen Vereinbarungen ist dadurch äußerst breit, wenn nicht nahezu inhaltlich unbegrenzt10. Diese Einschätzung wird insbesondere durch § 7.32 lit. a Nr. 8 R.M.B.C.A. gestützt. In dieser Nummer findet sich eine äußerste Grenze für den zulässigen Inhalt eines shareholders’ agreements. Wörtlich bestimmt die Regelung folgendes: „An agreement among the shareholders of a corporation that complies with this section is effective among the shareholders and the corporation even though it is inconsistent with one or more other provisions of this Act in that it: … (8) otherwise governs the exercise of the corporate powers or the management of the business and affairs of the corporation or the relationship among the shareholders, the directors and the corporation, or among any of them, and is not contrary to public policy.“ Eine Vereinbarung zwischen den Anteilseignern und der Gesellschaft kann also im Prinzip im Innenverhältnis, vor allem hinsichtlich der Organisationsverfassung der Gesellschaft, jeden be____________ 10 So auch der Bericht des Committee on Corporate Laws, 46 Bus. Law. 297, 303: „The range of agreements validated by section 7.32 (a) is expansive though not unlimited“.

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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liebigen Inhalt haben. Die Grenze dabei stellt nur die public policy dar, was mit „öffentlicher Ordnung“ oder „guten Sitten“ übertragen werden könnte. Für die Auslegung dieses höchst allgemein gehaltenen Absatzes sind zwei Aspekte zu beachten: Die konkrete Regelung wird von dem Wort otherwise eingeleitet. Diese Ziffer muß in Zusammenhang mit den vorangegangenen sieben Ziffern gelesen werden. Bei einer Art von Vereinbarung, die nicht unter Nr. 1 – 7 fällt, muß das Gericht also erwägen, ob diese den aufgezählten Inhalten ähnlich ist. Der Begriff unterliegt also der eiusdem generis rule, einer im gesamten anglo-amerikanischen Rechtsraum verbreiteten Auslegungsregel11. Die Beschränkung auf Vereinbarungen, die nicht contrary to public policy sind, soll dem Gericht die Kompetenz geben § 7.32 lit. a Nr. 8 R.M.B.C.A. dann nicht zur Anwendung zu bringen, wenn dadurch substantielle Fragen des Allgemeinwohls und damit die guten Sitten betroffen sind. Als Beispiel führt das Committee on Corporate Laws ein shareholders’ agreement an, das vorsieht, daß den directors weder der Gesellschaft noch den Gesellschaftern gegenüber eine duty of loyalty oder eine duty of care obliegt12, was einem Ausschluß jeglicher Treue- und Sorgfaltspflichten entsprechen würde. § 7.32 lit. b R.M.B.C.A. stellt formelle Anforderungen an ein shareholders’ agreement. Diese sind aber nicht hoch. Eine Vereinbarung, die unter § 7.32 R.M.B.C.A. wirksam sein soll, kann entweder in die articles of incorporation aufgenommen werden, aber auch in den bylaws oder einer sonstigen Vereinbarung enthalten sein, die der Schriftform genügen muß. Unabhängig davon, wo die Vereinbarung getroffen wird, wird vom Gesetz Einstimmigkeit aller Anteilseigner gefordert. § 7.32 lit. b Nr. 3 R.M.B.C.A. bestimmt eine Höchstdauer einer derartigen Vereinbarung. Diese liegt, soweit vertraglich keine abweichende Regelung getroffen wurde, bei zehn Jahren. Da es in diesem Zeitraum durchaus zu einem Gesellschafterwechsel kommen kann, muß § 7.32 lit. c R.M.B.C.A. beachtet werden. Ein shareholders’ agreement wirkt auch gegenüber Gesellschaftern, die erst später die Anteile durch Kauf oder auf sonstige Weise erwerben. Dies gilt aber nur, wenn auf der Urkunde des Anteils ausdrücklich auf eine solche Vereinbarung hingewiesen worden ist. Da das Gesetz selbst keine weiteren speziellen Anforderungen vorsieht, genügt eine einfache Erklärung wie etwa „the shares represented by this certificate are subject to a shareholders’ agreement“13. Zwar hat ein potentieller Erwerber durch einen ____________ 11 Auf diese Auslegung von otherwise weist das Committee on Corporate Laws, 46 Bus. Law. 297, 304 hin. Insgesamt zur eiusdem (bzw. auch ejusdem) generis rule vgl. Fikentscher, Methoden II, S. 126; Cross, S. 135 zum englischen Recht und Davies, S. 309 zum amerikanischen Recht. 12 46 Bus. Law. 297, 304. Dort finden sich auch weitere Beispiele. 13 Committee on Corporate Laws, 46 Bus. Law. 297, 306.

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solchen Hinweis noch keine Kenntnis über den Inhalt der Vereinbarung, jedoch ist die Warnfunktion erfüllt. Jeder hat dann die Möglichkeit, sich selbst weitere Informationen zu verschaffen und insbesondere bei der Gesellschaft oder dem Veräußerer des Anteils diesbezüglich nachzufragen. Der Absatz, der im Zusammenhang dieser Arbeit am interessantesten erscheint, ist lit. d des § 7.32 R.M.B.C.A. Dieser bestimmt, daß jedes unter diesem Paragraphen zulässige shareholders’ agreement automatisch unwirksam wird, wenn die Anteile der Gesellschaft öffentlich gehandelt werden,. Dies bedeutet, daß für publicly held corporations jedenfalls die genannten shareholders’ agreements nicht offenstehen14. Das Gesetz formuliert hier, wie folgt: „An agreement authorized by this section shall cease to be effective when shares of the corporation are listed on a national securities exchange or regularly traded in a market maintained by one or more members of a national or affiliated securities association.“ Der Wortlaut der Vorschrift erinnert an den Securities Exchange Act 1934, dessen Offenlegungspflichten auch nur für solche Gesellschaften gelten, die entweder an einer der national securities exchange oder im sog. OTC-Markt gehandelt wird. Auch im Rahmen des R.M.B.C.A. ist bei der Beschreibung des Marktes, der alternativ zu den national securities exchanges in Betracht kommt, praktisch nur an die OTC-Märkte zu denken, die von der National Association of Securities Dealers (NASD) koordiniert werden, der einzigen von der SEC unter § 15A Sec. Ex. Act registrierten securities association15. Das Gesellschaftsrecht übernimmt also hier zur Unterscheidung von personalistischen, kapitalmarktfernen Kapitalgesellschaften und börsennotierten Publikumskapitalgesellschaften, die nicht das Privileg des § 7.32 R.M.B.C.A. erhalten sollen, ein Kriterium, das dem Kapitalmarktrecht des Bundes entstammt. § 7.32 R.M.B.C.A. muß dabei zusammen mit § 8.01 R.M.B.C.A. gesehen werden, der parallel ebenfalls 1992 geändert wurde. § 8.01 lit. a R.M.B.C.A. enthält die Grundregel, daß jede corporation einen board of directors haben muß. Diesem obliegen nach § 8.01 lit. b R.M.B.C.A. alle Kompetenzen innerhalb der Gesellschaft sowie die Verwaltung und Führung sämtlicher Angelegenheiten der Gesellschaft. Vor 1992 war es nach § 8.01 lit. c R.M.B.C.A. einer Gesellschaft, die weniger als 50 Anteilseigner hatte, möglich, die Kompetenzen des board of directors zu begrenzen oder ganz auf dieses Organ zu verzichten. Diese zahlenmäßige Beschränkung wurde aufgehoben. Statt dessen verweist ____________ 14 Zu erwägen wäre hier lediglich, inwieweit die Regeln, die sich aus dem common law ableiten lassen, weiterhin auch für publicly held corporations die Möglichkeit eines shareholders’ agreements offenlassen. 15 Vgl. Hazen, S. 464.

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nun sowohl lit. a als auch lit. b des § 8.01 R.M.B.C.A. auf § 7.32 R.M.B.C.A. Über diesen Verweis sind Beschränkungen der Kompetenzen des board of directors durch ein shareholders’ agreement möglich, die bis zu seiner Abschaffung gehen können, wenn die Gesellschaft nicht „börsennotiert“ im Sinne des § 7.32 lit. d R.M.B.C.A. ist. Darüber hinaus gibt § 14.34 R.M.B.C.A. Gesellschaftern erleichterte Möglichkeiten zur Auflösung eine Gesellschaft, wenn diese nicht publicly held ist16. Der Begriff publicly held wird hier genauso wie in § 7.32 R.M.B.C.A. umschrieben., Zusammengefaßt ist festzuhalten, daß in einer Reihe von zentralen Stellen des Revised Model Business Corporation Act somit nach der Novelle 1992 die Frage nach der Kapitalmarktorientierung einer Gesellschaft die entscheidende Rolle für die Reichweite der Vertragsfreiheit spielt.

II. Vorläufervorschriften im Recht der Einzelstaaten Vorschriften, die bestimmte Privilegien, wie hier die Wirksamkeit eines shareholders’ agreements oder auch die Möglichkeit zur Abschaffung des board of directors von materiellen, marktorientierten Kriterien abhängig machen, gab es schon früher im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht. Man kann sogar sagen, daß gerade die ersten Gesetze, die für die close corporation gesonderte Regelungen geschaffen haben, diesen Weg wählten17. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang lediglich noch einmal zwei Staaten: Zum einen North Carolina, zum anderen Florida. An diesen beiden Beispielen wird auch der Unterschied deutlich, der zwischen diesen älteren Ansätzen und dem neuen, der unter anderen im R.M.B.C.A. enthalten ist, besteht. Sowohl in N.C. Gen. Stat., § 55-73 lit. b (1955), als auch in Fla. Stat. § 608.75 (1963) erlaubte das Gesetz bestimmte shareholders’ agreement18 solange eine Gesellschaft nicht generally traded, also allgemein gehandelt wurde. Auch durch dieses Merkmal wurde bereits indirekt an die Marktfähigkeit der Gesellschaft angeknüpft, genauer an die Frage, inwieweit für die Anteile einer konkreten Gesellschaft ein Markt besteht. Jedoch wurde dieser Begriff, vor ____________ 16

Für Details vgl. Committee on Corporate Laws, 46 Bus. Law. 297, 310 ff. Vgl. dazu oben ausführlich unter § 8 A. II. mit dem Hinweis auf das North Carolina Business Corporation Act (1955), eines der ersten Gesetze, das Regeln für personenbezogene Gesellschaften enthielt. 18 Welche Arten von shareholders’ agreements hier möglich waren, soll an dieser Stelle außen vor bleiben. Später wird ohnehin auf die Zulässigkeit solcher Vereinbarung auf Basis des common law eingegangen, vgl. unten unter D. II. Als Hinweis aber zumindest Scott, 13 Bus. Law. 741, 758 (1958). 17

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allem wegen seiner fehlenden Eindeutigkeit in weiten Teilen der Literatur kritisiert19. Dabei war insbesondere unklar, wann genau die Schwelle überschritten ist, daß von einer Gesellschaft gesprochen werden kann, die generally traded ist, bei der also ein Handel nicht nur gelegentlich stattfindet. Dickson etwa wirft in seinem Artikel, in dem er das Scheitern des Weges, den Florida gewählt hat, konstatiert, eine Vielzahl der Fragen auf, die sich bei diesem Merkmal stellten. Unklar war etwa, ob ein Kaufen und Verkaufen durch broker in angemessenem Rahmen bereits für einen allgemeinen Handel genügte oder ob sich die Aktivitäten vielmehr über einen bestimmten Zeitraum erstrecken müßten. Dabei trat das Problem der Länge des Zeitraums und des Umfangs des Handels auf. Daneben war unsicher, ob die Handelstätigkeit durch einen „professionellen Verkäufer“ erfolgen mußte, oder ob auch ein Handel lediglich durch den Anteilseigner selbst genügte, um das Kriterium zu erfüllen. Soweit „professionelle Verkaufspersonen“ (dealer oder broker) gefordert wurden, ergab sich eine weitere Schwierigkeit daraus, daß das Gesetz (Floridas jedenfalls) nicht bestimmte, unter welchen Voraussetzungen von solchen gesprochen werden konnte20. Derartige Definitionsprobleme können durch die neue Formulierung in § 7.32 R.M.B.C.A. weitgehend ausgeräumt werden. Gerade durch die Nähe zu den Begriffen aus dem securities law dürfte ein höheres Maß an Eindeutigkeit gewonnen sein als in der früheren Fassung, da jetzt die Stellungnahmen der SEC und zahlreiche Gerichtsentscheidungen, die etwa zum Securities Exchange Act 1934 ergangen sind, zur Konkretisierung der Voraussetzungen herangezogen werden können.

III. Vorschriften in den aktuellen statutes der Einzelstaaten Die Neuorientierung durch § 7.32 R.M.B.C.A. fand bei den Einzelstaaten weiten Anklang. Eine Reihe von Staaten übernahm die Vorschrift dabei wörtlich21 in ihre allgemeinen corporation statutes. Besonders sei darauf hingewie____________ 19

Statt vieler Dickson, 21 U. Miami L. Rev. 842, 843 (1967); Scott, 13 Bus. Law. 741, insb. 758 (1958); Folk, 1966 Duke L. J. 875, 946. 20 Noch ausführlicher und v.a. zu weiteren Fragen vgl. Dickson, 21 U. Miami L. Rev. 842, 843 f. (1967). Weitere Kritik auch zu anderen Aspekten vgl. Scott, 13 Bus. Law. 741, 758 (1958). 21 Dies gilt sowohl für die möglichen Inhalte eines shareholders’ agreements, wie sie in § 7.32 lit. a R.M.B.C.A. aufgeführt sind, als auch für die Form, die sich aus § 7.32 lit. b R.M.B.C.A. ergibt und die Pflicht auf die Vereinbarung auf der Urkunde der Anteile hinzuweisen.

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sen, daß sich die Staaten auch im Hinblick auf § 7.32 lit. d R.M.B.C.A der neuen Orientierung angeschlossen haben. Auch in zahlreichen Einzelstaaten sind vertraglichen Vereinbarungen zur Regelung praktisch des gesamten Innenverhältnisses zulässig, solange die Geschäftsanteile nicht im Sinne des Modellgesetzes börsennotiert sind. Zu den Staaten, welche die Vorschrift wörtlich oder zumindest nur mit minimalen Änderungen übernommen haben, gehören etwa Alabama22, Arizona23, Connecticut24, Florida25, Mississippi26, Nebraska27, New Hampshire28, Utah29 und Washington30, sowie auch Oregon31. Daneben gibt es weitere Staaten, die zwar auch für ihre Gesellschaften das Instrument des shareholders’ agreements zur Verfügung stellen, aber teils inhaltlich, teils in der Formulierung von § 7.32 R.M.B.C.A. abweichen. In vielen Fällen entsprechen diese aber zumindest im hier interessierenden Aspekt dem Modellgesetz, in dem sie eine derartige vertragliche Vereinbarung nur für Gesellschaften zulassen, die nicht im Sinne des § 7.32 lit. d R.M.B.C.A. börsennotiert sind. Als Beispiele32 können hier Georgia33, Maine34, New York35 oder New Jersey36 dienen. ____________ 22 23 24 25 26 27 28

Ala. Code § 10-2B-7.32 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in lit. d. Ariz. Rev. Stat. Ann. § 10-7.32 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in lit. d. Conn. Gen. Stat. § 33-717 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in lit. d. Fla. Stat. § 607.0732 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in Abs. 4. Miss. Code Ann. § 79-4-7.32 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in lit. d. Neb. Rev. Stat. § 21-2069 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in Abs. 4. N.H. Rev. Stat. Ann. § 293-A:7.32 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in

lit. d. 29

Utah Code Ann. § 16-10a-732 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in Abs. 4. Wash. Rev. Code § 23B.07.320 mit dem Bezug auf die Börsennotierung in Abs. 4. 31 Oregon hat in § 60.265 zumindest eine Vorschrift erlassen, die sich weitgehend an § 7.32 R.M.B.C.A. anlehnt. Zwar ist beispielsweise die Aufzählung der möglichen Inhalte in Abs. 1 der Bestimmung nicht so ausführlich wie im Modellgesetz; gerade die hier interessierende Frage, wann ein shareholders’ agreement unwirksam wird, beantwortet das Gesetz in Oregon in Absatz 4 aber praktisch identisch wie § 7.32 lit. d R.M.B.C.A. Nach § 60.265 Abs. 4 ist dies dann der Fall, wenn die Anteile entweder an einer national securities exchange oder an der NASDAQ (National Association of Securities Dealers, Inc. Automated Quotation System) notiert sind. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß die NASD die einzige bei der SEC registrierte national securities association ist. Durch die engere Formulierung im Recht Oregons tritt daher zumindest kein praktischer Unterschied zu § 7.32 lit. d R.M.B.C.A. auf. 32 Für einen Vergleich der Bestimmungen über shareholders’ agreements in den sog. great lake states (Illinois, Indiana, Michigan, Minnesota, New York, Ohio, Penn30

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Schließlich sollen noch zwei Staaten erwähnt werden, die trotz ihrer Nähe zu den bisher beschriebenen Staaten in gewisser Weise einen Sonderweg beschritten haben: Zum einen ist dies North Carolina, zum anderen Ohio. North Carolina hat in § 55-7-31 seines Business Corporation Act, wie bereits oben in anderen Zusammenhang erwähnt, shareholders’ agreement zugelassen. In lit. b bestimmt die Vorschrift, daß keine solche Vereinbarung, die von allen Anteilseigner getroffen wird, insbesondere in Fragen des Managements der Gesellschaft oder hinsichtlich der Gewinnverteilung, deshalb ungültig ist, weil die Anteilseigner die corporation wie eine partnership behandeln. Dies gilt jedoch nicht für Gesellschaften, die als publicly held corporation gelten. Das Gesetz selbst entscheidet die Frage, was unter publicly held corporation zu verstehen ist, nicht. Jedoch bezieht sich der offizielle Kommentar (official comment) dieser Vorschrift mehrfach auf die Entscheidung Blount v. Taft37, die der Supreme Court von North Carolina 1978 gefällt hat. Dort hat das Gericht bei der Frage, wann von einem shareholders’ agreement gesprochen werden kann, ____________ sylvania und Wisconsin) mit denen des R.M.B.C.A. und von Delaware siehe Mackerron, 71 U. Det. Mercy L. Rev. 469 (1994), insb. S. 481 ff. 33 Ga. Code Ann. § 14-2-731 lit. c: „Except in cases where the shares of the corporation are listed on a national securities exchange or regularly quoted in the markets maintained by securities dealers or brokers, no written agreement by all the shareholders, whether embodied in the articles of incorporation or bylaws or in any agreement in writing, which relates to any phase of the affairs of the corporation, whether to the management of its business or to the division of its profits or otherwise, shall be invalid as among the shareholders on the ground that it eliminates a board of directors, authorizes director proxies or weighted voting rights for directors, or is an attempt to restrict the discretion or powers of the board of directors in its management of the business of the corporation as if it were a partnership or to arrange the relationships of shareholders in a manner that would be appropriate only between partners.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). 34 Me. Rev. Stat. Ann. tit. 13-A, § 618 Abs. 3: „To the extent that it contains provisions which would not be valid but for subsection 1, an agreement authorized by subsection 1 shall be valid only so long as no shares of the corporation are traded on any national securities exchange or regularly quoted in any over-the-counter market by one or more members of a national or affiliated securities association.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). 35 N.Y. Bus. Corp. Law § 620 lit. c: „A provision authorized by paragraph (b) shall be valid only so long as no shares of the corporation are listed on a national securities exchange or regularly quoted in an over-the-counter market by one or more members of a national or affiliated securities association.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). 36 N.J. Rev. Stat. § 14A 4-21 Abs. 3 b: „(3) A provision authorized by subsection 14A:5-21(2) shall become invalid if, to the knowledge of the board, or of the person or persons having the management authority otherwise in the board, (a) …; or (b) Any shares of the corporation are listed on a national securities exchange or regularly quoted in an over-the-counter market by one or more members of a national or affiliated securities association.“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). 37 295 N.C. 472; 246 S.E.2d 763 (1978).

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ausgeführt, daß hier grundsätzlich sowohl Vereinbarungen von Gesellschaftern einer Gesellschaft mit geschlossenem Anlegerkreis in Betracht kommen, als auch solche, deren Anteile „öffentlich gehandelt“ (publicly traded) werden. Zur Erläuterung der beiden Begriffe fährt das Gericht, wie folgt, fort: „In the context of this case the term refers to an arrangement whereby all the shareholders in a close corporation, the stock of which is not traded in markets maintained by securities dealers or brokers, seek to conduct their business as if they were partners operating under a partnership agreement.“ Zwar ist die genannte Entscheidung zu N.C. Gen. Stat. § 55-73 lit. b in der Fassung von 1955 ergangen. Es ist aber gleichwohl davon auszugehen, daß der Gesetzgeber hieran nichts ändern wollte. Für die Auslegung des N.C. Gen. Stat. § 55-7-31 lit. b kann somit aus dieser Entscheidung gefolgert werden, daß unter einer publicly held corporation eine Gesellschaft verstanden werden soll, deren Anteile auf einem Markt gehandelt werden, der durch das Handeln von Wertpapierhändler und Wertpapiermakler gekennzeichnet ist. Die Regelung des Staates Ohio sei hier zuletzt angesprochen. Die Wirksamkeit eines shareholders’ agreements, das vom Gesetz selbst als close corporation agreement bezeichnet wird, ist in Ohio Rev. Code Ann. § 1701.591 geregelt. Im Vergleich zu § 7.32 R.M.B.C.A. ist diese Vorschrift viel detaillierter. Beispielsweise schreibt lit. a Nr. 3 vor, daß eine Vereinbarung, die dieser Bestimmung unterfallen soll, einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten muß. Auch enthält lit. c, der sich mit dem möglichen Regelungsinhalt eines shareholders’ agreements befaßt, zwölf für eine solche Vereinbarung mögliche Inhalte, im Gegensatz zu lit. b des Modellgesetzes, der sich mit acht Punkten begnügt. Ohne an dieser Stelle auf die gesamte Vorschrift im einzelnen einzugehen, soll nur noch die Frage beleuchtet werden, unter welchen Voraussetzungen danach ein shareholders’ agreement seine Wirksamkeit verliert. Dies regelt lit. i des § 1701.591, der hierfür einen besonderen Weg gewählt hat: Nach der Nummer 1 des § 1701.591 lit. i wird eine Vereinbarung unwirksam, wenn die Anteile der Gesellschaft an einer national securities exchange notiert werden. Nummer 2 und 3 beziehen sich unmittelbar auf die Registrierungspflicht unter dem Securities Exchange Act 1934. Ohio Rev. Code Ann. § 1701.591 lit. i Nr. 2 betrifft Anteile, die nach § 12 lit. g Sec. Ex. Act registriert werden müssen. Die darauffolgende Nummer 3 gilt für solche Anteile, die unter dem Securities Act 1933 registriert sind und zudem der periodischen Offenlegungspflicht des § 15 lit. d Sec. Ex. Act unterfallen. Gerade bei der Vorschrift von Ohio zeigt sich also die Verknüpfung zwischen Kapitalmarktrecht des Bundes und Gesellschaftsrecht der Einzelstaaten in besonderer Deutlichkeit. Auch an den anderen zitierten Vorschriften der

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Einzelstaaten zur Wirksamkeit von shareholders’ agreement wird augenfällig, daß, durch die Bezugnahme auf kapitalmarktbezogene Kriterien im Gesellschaftsrecht, eine enge Verzahnung des einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts mit dem Kapitalmarkt des Bundes stattfindet.

D. Bedeutung des § 7.32 R.M.B.C.A. Die Bedeutung des § 7.32 R.M.B.C.A. ebenso wie des § 8.01 R.M.B.C.A. und der vergleichbaren Vorschriften in den corporation laws der Einzelstaaten, kann erst dann beurteilt werden, wenn man sich vor Augen hält, wie shareholders’ agreements zuvor im common law behandelt wurden. Dies soll nachfolgend am Beispiel der Rechtsprechung des New York Court of Appeals angedeutet werden.

I. Grundproblem Insgesamt stand die Frage nach der Wirksamkeit bestimmter shareholders’ agreements immer wieder im Mittelpunkt zahlreicher Gerichtsentscheidungen38. Zu Schwierigkeiten kam es dabei insbesondere dann, wenn die Gesellschafter sich durch vertragliche Vereinbarungen über Inhalte verständigten, die nach dem Gesetz in der Kompetenz des board of directors lagen. So legten die Gesellschafter beispielsweise vertraglich fest, wer dem Management der Gesellschaft angehören sollte39, oder sie stellten Regeln für die Verteilung des

____________ 38 Einen Überblick, der auf eine Vielzahl von Entscheidungen verschiedener Jurisdiktionen zu diesem Themenkreis eingehen bei Rosenhouse, 15 A.L.R.4th 1078 (1981). Vgl. auch University Computing Co. v. Lykes-Youngstown Corp, 504 F.2d 518, 531 (1974) mit zahlreichen Nachweisen in Fußn. 12 und Glazer v. Glazer, 374 F.2d 390, 405 (1967) mit zahlreichen Nachweisen zu Literatur und Rechtsprechung in Fußn. 13– 19. 39 Vgl. beispielsweise Henderson v. Joplin, 191 Neb. 827; 217 N.W.2d 920 (1974), in der die zwei einzigen Anteilseigner einer Gesellschaft bereits in einem Vertrag vor der Gründung dieser ihre Positionen innerhalb des board of directors und ihre Vergütung dafür festgelegt haben. Zu ähnlichen Fallgestaltungen vgl. nur Merlino v. West Coast Macaroni, Mfg. Co., 90 Cal. App. 2d 106; 202 P.2d 748 (1949), Tschirgi v. Merchants National Bank, 253 Iowa 682; 113 N.W.2d 226 (1962) und Cohen v. Wacht, 124 N.Y.S.2d 207 (1953). Vgl. aber auch Roberts v. San Jacinto Shipbuilders, Inc., 198 S.W.2d 488 (1946) und Odman v. Oleson, 319 Mass. 24; 64 N.E.2d 439 (1946). In diesen Fällen waren nicht alle Anteilseigner an der Vereinbarung beteiligt, was dazu führte, daß die Gerichte sie wegen Verstoßes gegen die public policy und die Interessen der nicht beteiligten Anteilseigner für unwirksam hielten.

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Gewinns40 auf. Beides sind Bereiche, die nach den statutes in die Kernkompetenz des board of directors fallen. Noch weiter wird in die Befugnisse dieses Organs eingegriffen, wenn sich einzelne oder mehrere Anteilseigner ein Vetorecht vorbehalten. Dies kann ebenso wie ein umfangreiches Weisungsrecht dazu führen, daß die Gesellschaft letztlich nicht mehr von dem board of directors, sondern von den Gesellschaftern selbst verwaltet und gelenkt wird. Diese faktische Aufhebung der Trennung von Eigentümerstellung und Leitung der Gesellschaft hat besonders in close corporations große Bedeutung erlangt41. Diskutiert werden alle diese Themen vor allem unter dem Stichwort sterilization of the board of directors42.

II. Die New York-Rule Für die Behandlung von shareholders’ agreements spielte die Rechtsprechung des New York Court of Appeals eine bedeutende Rolle43. Im Gegensatz zu den Entscheidungen des Illinois Supreme Court, allen voran Galler v. Galler44, der die Gültigkeit von shareholders’ agreements vor dem besonderen Hintergrund der close corporation im Sinne des common law prüft, stellen die Entscheidungen aus New York auf allgemeine gesellschaftsrechtliche Erwägungen ab. In Galler v. Galler und in dessen Folgeentscheidungen45 erkennen die Gerichte in Illinois an, daß gerade in Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis shareholders’ agreements eine nützliche Funktion zum Schutz der

____________ 40

Statt vieler DeBoy v. Harris, 207 Md. 313, 113 A.2d 903 (1955); Petruzzi v. Peduka Constr., Inc., 362 Mass. 24; 64 N.E.2d 439 (1946); Harris v. 42 E. 73rd St., Inc., 145 N.Y.S.2d 361 (1955) und Weber v. Sidney, 19 A.D.2d 494; 244 N.Y.S.2d 228 (1963). 41 Vgl. Note, 11 Okla. City U. L. Rev. 357 (1986); Kessler, 38 Fordham L. Rev. 743 (1970) v.a. S. 752 f.; Comment, 23 S.D.L. Rev. 427, 442 (1978). Auch Comment, 63 Nw. U. L. Rev. 230 (1968) auf S. 232: „Specifically, the close corporation may be managed according to stockholders’ agreements which restrict the power of discretion of the board or which attempt to establish partnership-like control“. 42 Statt vieler Bulloch, 59 Temp. L.Q. 61 (1986) und Kessler, 28 Rutgers L. Rev. 96 (1974). 43 Vgl. zur sog. „New York Rule“ auch Flechter Cyc Corp § 2064.2. Zur Entwicklung der Rechtsprechung in dieser Jurisdiktion knapp auch Clark, § 18.3, S. 783 ff. 44 32 Ill. 2d 16; 203 N.E.2d 577 (1964). 45 Vgl. Holden v. Construction Mach. Co., 202 N.W.2d 348, 363 (1973); Wasserman v. Rosengarden, 86 Ill. App. 3d 713, 717; 406 N.E.2d 131, 134 (1980); Compton v. Paul K. Harding Realty Co. 6 Ill. App. 3d 488, 495; 285 N.E.2d 574, 578 (1972); Pohn v. Diversified Industries, Inc., 403 F. Supp 413, 415 f. (1976) (unter Anwendung des Rechts Illinois).

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finanziellen Interessen der Anleger erfüllen und damit grundsätzlich nicht gegen die public policy, also die guten Sitten, verstoßen46.

1. Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres Anders wurde dies lange Zeit von der Rechtsprechung in New York gesehen. Dies zeigt sich exemplarisch an der Entscheidung Long Park, Inc. v. TrentonNew Brunswick Theatres47 aus dem Jahr 1948. Diese illustriert den Unterschied zwischen der früheren Haltung des common laws gegenüber shareholders’ agreements und der heutigen Regelung, die sich aus dem R.M.B.C.A. ergibt sowie aus den Gesetzen der Einzelstaaten, besonders anschaulich. Im Zentrum der Entscheidung Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres stand einzig die Frage nach der Gültigkeit eines shareholders’ agreements, das zwischen der Gesellschaft Trenton-New Brunswick Theatres und sämtlichen Gesellschaftern geschlossen worden war. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: In der Gesellschaft Trenton-New Brunswick Theatres gab es vier Klassen von Anteilen (Klasse A1, A2, B und C). In einer Vereinbarung vom 1. September 1942 stimmten die Beteiligten – also die Gesellschaft und ihre Gesellschafter – darin überein, daß die gesamte Leitung der Gesellschaft dem Anteilseigner obliegen solle, der die Anteile der Klassen A1 und A2 halte. Bei Abschluß des Vertrages hatte die Gesellschaft drei Gesellschafter: Die B.F. Keith Corporation, eine Gesellschaft nach dem Recht des Staates New York, – die Hauptbeklagte – hielt alle Anteile der Klassen A-1 und A-2; die Long Parc Inc., eine Gesellschaft nach dem Recht New Jerseys hielt alle Anteile der Klasse B und die Trenton Theatres Building Company, die ebenfalls dem Recht New Jerseys unterlag, hatte schließlich die Anteile der Klasse C inne. Nach der Vereinbarung oblag somit der B.F. Keith Corporation die vollständige Leitung und Verwaltung der Gesellschaft. Als Laufzeit des Vertrages war ein Zeitraum von 19 Jahren vereinbart (vom 1. September 1942 – 31. August 1961) mit einer Verlängerungsoption. Hinsichtlich der Reichweite der Kompetenzen enthielt die Vereinbarung folgenden Inhalt: „The Manager is hereby given full authority and power to supervise and direct the operation and ____________ 46

32 Ill. 2d 16, 27; 203 N.E.2d 577, 583 (1964). Hingewiesen werden soll aber auch auf die Entscheidung Somers v. AAA Temporary Services, Inc., 5 Ill. App. 3d 931; 284 N.E.2d 462 (1972). Hier führt der Appellate Court of Illinois auf S. 935, bzw. S. 465 aus, daß auch eine Berufung auf die Besonderheiten der close corporation nicht dazu führen kann, daß gegen den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstoßen wird: „Accordingly, it is obvious to us that the holding in the Galler case gives no sanction to appellants to disregard the clear and unambiguous language of that section of the Act“. 47 297 N.Y. 174; 77 N.E.2d 633 (1948).

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management of all such theatres“48. In § 4 des Art. XIV des shareholders’ agreements wurde der Wechsel im Management unter besondere Voraussetzungen gestellt und von einer Entscheidung der American Arbitration Association abhängig gemacht, die von den Inhabern der Aktien der Klasse B und C gemeinschaftlich beantragt werden mußte. Gegen diese Regelung erhob nach einigen Jahren der Inhaber der Aktien der Klasse B, die Gesellschaft Long Parc Inc. Klage und berief sich darauf, daß die Vereinbarung gegen das Recht New Yorks verstoße. Dieses schreibe vor, daß eine Gesellschaft durch das board of directors verwaltet und geleitet werde. Sowohl das Gericht erster Instanz als auch der Court of Appeals New York gaben dem Kläger recht. Eine so weitreichende Übertragung des Managements auf einem Anteilsinhaber und damit faktisch die Ausschaltung des board of directors, der auch nicht den Entscheidungen des „Managers“ zustimmen mußte, stelle einen Verstoß gegen eine Vorschrift des General Corporation Law von New York dar. Die Regelung ginge so weit, daß ein infringement des board of directors, also ein massives Eindringen in die Befugnisse der Verwaltung vorliege. Letztlich werde der board of directors hier praktisch vollständig ausgeschaltet.

2. Verletzung gesetzlicher Vorschriften Das entscheidende Argument für den Court of Appeals in New York in der eben dargestellten Entscheidung Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres war der Verstoß des shareholders’ agreements gegen § 27 des General Corporation Law des Staates New Yorks zur Verwaltung einer Gesellschaft. Aus diesem objektiven Verstoß folgerte das Gericht die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Dagegen prüfte es nicht, ob dadurch die Interessen irgendwelcher dritter Parteien beeinträchtigt sind. Bei dieser Vorgehensweise konnte es sich auf eine ganze Reihe von Präzedenzfällen berufen, von denen nachfolgend die drei wichtigsten näher dargestellt werden sollen. Diese sind Manson v. Curtis49 aus dem Jahr 1918, McQuade v. Stoneham50 aus dem Jahr 1934 und Benintendi v. Kenton Hotel51 aus dem Jahr 1945.

____________ 48 49 50 51

297 N.Y. 174, 177; 77 N.E.2d 633, 634 (1948). 223 N.Y. 313; 119 N.E. 559 (1918). 263 N.Y. 323; 189 N.E. 234 (1934). 294 N.Y. 112; 60 N.E.2d 829 (1945).

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a) Manson v. Curtis In der Entscheidung Manson v. Curtis52 ging es um eine Vereinbarung zweier Gesellschafter im Zusammenhang mit dem board of directors der BermudaAtlantic Steamship Company. Diese Gesellschaft hatte ein Stammkapital von $ 186.000. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte hielten einen Geschäftsanteil von je $ 55.000. Ein weiterer Gesellschafter, Abel I. Culver, hatten einen Anteil in Höhe von $ 40.000. Daneben gab es acht weitere Gesellschafter. Der Kläger verfügte durch Stimmrechtsvereinbarungen zusätzlich zu dem Stimmrecht aus seinem eigenen Anteil über Stimmrechte, die aus Geschäftsanteilen von weiteren $ 36.000 resultierten. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte waren directors der Gesellschaft. Es gab eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und Culver, durch die der Kläger – neben anderen Regeln – eine first option, also ein Vorkaufsrecht, auf die Anteile Culvers hatte. Der Beklagte wollte die Anteile Culvers erwerben und forderte den Kläger auf, zu einem Kauf der Anteile Culvers zuzustimmen. Durch diesen würde der Beklagte zum Inhaber von mehr als der Hälfte aller Geschäftsanteile werden. Der Kläger stimmte dem Kauf zu. Im Gegenzug wurden zahlreiche Vereinbarungen im Hinblick auf das board of directors getroffen, vor allem über die Besetzung dieses Organs, die letztlich zwar den director pro forma an der Spitze der Gesellschaft gelassen hätte, aber faktisch die gesamte Kontrolle auf die beiden Vertragsparteien verlagert hätte. Daneben verpflichte sich der Beklagte dem Kläger Geschäftsanteile im Wert von $ 20.000 zu verkaufen. An die Verpflichtungen aus diesem shareholders’ agreement hielt sich der Beklagte in der Folgezeit nicht und zog – aufgrund seiner Mehrheitsmacht – die gesamte Kontrolle an sich. Aus diesem Grund erhob der Kläger eine Klage auf Einhaltung der in der Vereinbarung getroffenen Verpflichtungen. Das Gericht wies die Klage ab und entschied, daß das shareholders’ agreement nichtig sei. Dies stütze es vor allem auf die Bestimmung des Rechts New Yorks, die aussagte, daß eine Gesellschaft durch eine board of directors geleitet werden soll. Dabei argumentierte es, wie folgt: „In corporate bodies, the powers of the board of directors are, in a very important sense, original and undelegated. The stockholders do not confer, nor can they revoke, those powers. They are derivative only in the sense of being received from the state in the act of incorporation“53. Entscheidend stellte das Gericht also darauf ab, daß die ____________ 52 223 N.Y. 313; 119 N.E. 559 (1918). Ebenso auch Abercrombie v. Davies 35 Del. Ch. 599; 123 A.2d 893 (1956) auf S. 608 bzw. S. 898 zum Recht von Delaware: „This means that our corporation law does not permit actions or agreements by stockholders which would take all power from the board to handle matters of substantial management policy“. 53 Manson v. Curtis, 223 N.Y. 313, 322; 119 N.E. 559, 562 (1918).

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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Kompetenzen des board of directors nicht von den Gesellschaftern abgeleitet, sondern vielmehr durch die Zulassung der Gründung der Gesellschaft quasi vom Staat verliehen seien. Deutlich wird dies auch in folgender Aussage, aus der sich zugleich eine Einschränkung der Rechte der Gesellschafter ergibt: „Clearly the law does not permit the stockholders to create a sterilized board of directors. Corporations are the creatures of the state, and must comply with the exactions and regulations it imposes. We conclude that the agreement here is illegal and void, and its violation is not a basis for a cause of action“54. Den Anteilseigner ist es also nach dieser Entscheidung verboten diese Kompetenzen des board of directors an sich zu ziehen.

b) McQuade v. Stoneham Ein ähnlicher Aspekt spielte auch in der Argumentation in McQuade v. Stoneham55 eine wichtige Rolle. Hintergrund dieser Entscheidung war folgender: Der Beklage Stoneham und der Kläger McQuade waren beide Gesellschafter der National Exhibition Company. Stoneham hatte die Mehrheit in der Gesellschaft. Er verkaufte an McGraw einige Geschäftsanteile. Im Zusammenhang mit dieser Veräußerung trafen beide am 21. Mai 1919 eine Vereinbarung, in der sie insbesondere darüber übereinstimmten, daß der board of director aus sieben Personen bestehen sollte. Alle Parteien verpflichteten sich, sich nach Kräften zu bemühen, daß Stoneham Präsident des boards werden sollte, McGraw der Vizepräsident und McQuade der Schatzmeister. Alle weiteren directors sollten von Stoneham benannt werden. Daneben einigten sich die Parteien auch über eine feste Vergütung für die directors. Für jede Erhöhung der Vergütung war Einstimmigkeit aller Gesellschafter vereinbart. 1928 kam es nun zu Streit zwischen den Parteien. Eine andere Person Bondy sollte an der Stelle des Klägers als Schatzmeister benannt werden. Die vier directors, die von Stoneham bestellt und kontrolliert wurden, stimmten für Bondy and gegen McQuade. Dieser erhob Klage, um entweder sein Amt wieder zu erlangen oder wenigstens Schadensersatz zu erhalten. Das Gericht entschied, daß eine derartige Vereinbarung nichtig sei. Die Ausgangspunkte waren auch hier die folgenden: Eine Gesellschaft werde – nach der Konzeption des Gesetzes – ausschließlich durch die directors geleitet. Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern seien dann nichtig, wenn die directors dadurch ihrer Kompetenzen entledigt werden, da hierin ein Verstoß ____________ 54

Manson v. Curtis, 223 N.Y. 313, 323 f.; 119 N.E. 559, 562 (1918). 263 N.Y. 323; 189 N.E. 234 (1934). Ausführlich zu dieser Entscheidung Bulloch, 59 Temp. L.Q. 61, 63 ff. (1986) und Jordan, 23 UCLA L. Rev. 1094, 1113 (1976). 55

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3. Teil: Amerikanisches Recht

gegen die guten Sitten liege. Zwar sei zuzugeben, daß derartige shareholders’ agreements gerade in close corporation nicht selten seien. Dies könne aber zu keiner anderen Bewertung führen. Auch die vorliegenden Vereinbarungen seien nichtig, da sie den board of directors davon abhalten, Veränderungen etwa hinsichtlich einzelner officers oder der Vergütung zu treffen, wenn nicht die Zustimmung der Parteien des shareholders’ agreements vorliege.

c) Benintendi v. Kenton Hotel Eine ähnliche Einschätzung eines shareholders’ agreement war schließlich in Benintendi v. Kenton Hotel56 1945 angedeutet worden. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Fall hatten zwei Gesellschafter, welche die einzigen Anteilseigner waren, festgelegt, daß sowohl für die Wahl der directors, wie auch für die Entscheidungen dieser das Einstimmigkeitsprinzip gelten solle. Richter Desmond, der das Urteil verfaßte, stellte dabei nachfolgende Grundsätze auf, die einerseits auf Manson v. Curtis zurückgreifen und andererseits in Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres weiterzuwirken scheinen: „But this State has decreed that every stock corporation chartered by it must have a representative government, … That whole concept is destroyed when the stockholder, by agreement, by-law or certificate of incorporation provision as to unanimous action, give the minority interest an absolute, permanent, all-inclusive power of veto“57. Danach darf also keine Vereinbarung der Gesellschafter einer zwingenden Wertentscheidung des Gesetzes, hier hinsichtlich der Leitung einer corporation durch ein repräsentativ besetztes Organ, widersprechen. Dieselbe Argumentationslinie vertrat Richter Thacher, der in Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres das Urteil des Gerichts verfaßte.

3. Verletzung der Rechte außenstehender Parteien Einen anderen Ansatz wählten dagegen etwa die dissenting opinion in Benintendi v. Kenton Hotel ebenso wie die Entscheidung Clark v. Dodge58, die aus dem Jahre 1936 stammt.

____________ 56 57 58

294 N.Y. 112; 60 N.E.2d 829 (1945). 294 N.Y. 112, 118; 60 N.E.2d 829, 831 (1945). 269 N.Y. 410; 199 N.E. 641 (1936).

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

509

a) Benintendi v. Kenton Hotel, dissenting opinion Richter Conway widersprach in Benintendi v. Kenton Hotel59 der Mehrheitsansicht im Gericht und verfaßte eine dissenting opinion. Entscheidend stellte er für die Frage nach der Wirksamkeit des shareholders’ agreements nicht darauf ab, ob dadurch gesetzliche Vorschriften verletzt werden. Vielmehr waren für ihn Schutzerwägungen ausschlaggebend. Im vorliegenden Fall hätten sich die Eigentümer, einer Gesellschaft, die 100 % der Anteile innehatten, darauf verständigt, eine Vereinbarung zu treffen. Durch diese seien Rechte der Gläubiger nicht beeinträchtigt worden, ebenso wenig werde dadurch die öffentliche Ordnung des Staates verletzt. Dazu führte Richter Conway aus: „The general rule could be no more succinctly stated than in Matter American Fibre Chair Seat Corp. ... as follows: ‘Where rights of third parties are involved and no public policy of the state violated, the courts will give effect to the agreement of the stockholders and the corporate resolutions’“60. Ein Verstoß gegen die public policy liege hier trotz der Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Vorschriften nicht vor. Die vorliegende corporation sei – so wie sie organisiert ist – eigentlich eine partnership. Soweit aber hier die Belange der Gläubiger und die des Staates nicht berührt seien, könnten die Gesellschafter vereinbaren, was sie wollten: „There are not rights of creditors involved. A totality of stockholders may agree among themselves as to how they shall or shall not vote shares of stock owned by them. They may by agreement waive or relinquish as between themselves statutory rights where such waiver or abandonment is not contrary to the public interest. There is here no question of public policy“61. Die Vereinbarung wurde somit als wirksam betrachtet.

b) Clark v. Dodge Einen ähnliche Argumentationslinie wählte schließlich der Court of Appeals, New York in Clark v. Dodge62. Das Gericht stellt hier für die Frage der Gültigkeit eines shareholders’ agreements gar nicht erst auf eine Entscheidung des Gesetzgebers, etwa hinsichtlich der Verwaltung der Gesellschaft ab. Eine solche bezeichnet Richter Crouch als „more or less nebulous“. Es wirft vielmehr die Frage auf, ob im konkreten Fall die public policy, also die guten Sitten, verletzt seien. Dies mißt das Gericht an den Interessen Dritter, vor allem der Gläubiger oder anderer Anteilseigner. „So, where the public was not ____________ 59 60 61 62

294 N.Y. 112, 121; 60 N.E.2d, 829, 832. 294 N.Y. 112, 124 f.; 60 N.E.2d, 829, 834. 294 N.Y. 112, 129; 60 N.E.2d, 829, 837. 269 N.Y. 410; 199 N.E. 641 (1936).

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3. Teil: Amerikanisches Recht

affected, ‘the parties in interest might, by their original agreement of incorporation, limit their respective rights and powers’, even where there was a conflicting statutory standard“63. Da im konkreten Fall alle Anteilseigner am shareholders’ agreement beteiligt waren und auch eine Verletzung von Gläubigerinteressen nicht ersichtlich war, kam das Gericht zur Gültigkeit der Vereinbarung. Entscheidend war für das Gericht dagegen nicht die Reichweite des konkreten shareholders’ agreements. Die Entscheidung Long Park, Inc. v. TrentonNew Brunswick Theatres berief sich aber gerade auf diesem Aspekt, um mit diesem Unterschied die Abweichung von der Entscheidung Clark v. Dodge zu rechtfertigen und zugleich an dem Ansatz von Manson v. Curtis, McQuade v. Stoneham und Benintendi v. Kenton Hotel festzuhalten.

4. Anforderungen an die Wirksamkeit eines shareholders’ agreements Für die Wirksamkeit von shareholders’ agreements kann man aus den genannten Entscheidungen folgende Grundsätze ablesen: (1) Ein shareholders’ agreement, an dem nicht alle Anteilseigner Vertragsparteien sind, ist wegen eines Verstoßes gegen die public policy unwirksam64. (2) Wenn alle Anteilseig____________ 63 269 N.Y. 410, 416; 199 N.E. 641, 643 (1936), ähnlich auch schon in Ripin v. United States Woven Label Co. 205 N.Y. 442, 448; 98 N.E. 855, 857 (1912) und später Cohen v. Wacht, 124 N.Y.S.2d 207, 209 (1953). 64 Dies folgt aus Manson v. Curtis und McQuade v. Stoneham, vgl. Bulloch, 59 Temp. L.Q. 61, 66 (1986) und Hoffmann, 28 Brook. L Rev 1, 6 ff. (1961), der auch die Frage aufwirft, ob shareholders’ agreements, bei denen nicht alle Anteilseigner beteiligt sind, zumindest dann aufrecht erhalten werden können, wenn sie nur einen geringen Eingriff in die Organisationsstruktur der Gesellschaft darstellen. Er verneint die Frage aber im Hinblick auf weitere Rechtsprechung des New York Court of Appeal, auch wenn sie nicht ausdrücklich vom Gericht entschieden wurde. Diese Vermutung wird auch durch die dissenting opinion von Richter Gabrielli in Triggs v. Triggs, 46 N.Y.2d 305; 385 N.E.2d 1254; 413 N.Y.S. 2d 325 (1978) bestärkt. Darin führt er aus, daß jedes shareholders’ agreement, das die Kompetenzen auf einzelne Anteilseigner verschiebt, zu einer Verletzung der Interessen der an der Vereinbarung nicht beteiligten Gesellschafter führt, da einem unabhängigen board of directors dadurch Schutzfunktion zukommt, daß die Entscheidungen lediglich am Interesse der Gesellschaft orientiert seien. Auf S. 314, bzw. S. 1258 und S. 330 erläutert er: „In those cases in which the agreement is made by less than all the shareholders, almost any attempt to reduce the authority granted to the board by law will create a significant potential for harm to other shareholders even if the potential for harm to the general public is minimal. This is so because the effect of such an agreement is to deprive the other shareholders of the benefits and protections which the law perceives to exist when the corporation is managed by an independent board of directors, free to use its own business judgment in the best interest of the corporation“.

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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ner Parteien der Vereinbarung sind, hängt die Wirksamkeit vom Umfang des Eingriffs in die Befugnisse des board of directors ab. Dabei kann (a) ein nur geringer Eingriff, der die Rechte der Gläubiger nicht gefährdet, dazu führen, daß der Vertrag als wirksam erachtet wird65. Anders ist dies aber (b) bei einer Regelung, die tatsächlich zu einer Ausschaltung des board of directors führt. Hier zieht ein Verstoß gegen die public policy die Unwirksamkeit des shareholders’ agreements nach sich66. Dies gilt vor allem wenn man berücksichtigt, daß Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres, von dem sog. damage-Test aus Clark v. Dodge wieder abgerückt ist, also nicht mehr danach fragt, ob eine Regelung tatsächlich außenstehende Parteien verletze und eine Schaden herbeiführe.

5. Weitere Entwicklungen zur Wirksamkeit von shareholders’ agreements Bevor es zu einer Veränderung der Bestimmungen der statutes kam, war vor allem die Abgrenzung schwierig, wann es sich um einen noch hinzunehmenden geringen Eingriff in die Kompetenzen des board of directors handele, und wann die angesprochene Grenze überschritten sei, die zu einer Unwirksamkeit des shareholders’ agreements führt. In Zion v. Kurtz67 einer Entscheidung des New York Court of Appeals aus dem Jahre 1980 wird diese Grenzziehung zumindest von der Mehrheit der Richter68 vollständig aufgegeben. In dieser Entscheidung waren die Gesellschafter einer Gesellschaft, die unter dem Recht Delawares organisiert war, darüber übereingekommen, daß keine Angelegenheit der Gesellschaft durchgeführt werden dürfe, ohne die ausdrückliche Zustimmung des Minderheitsgesellschafter. Nach den Grundsätzen von Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres wäre eine so weitreichende Vereinbarung nicht wirksam ____________ 65 Vgl. Clark v. Dodge, ebenso unter Bezug auf diese Entscheidung Bulloch, 59 Temp. L.Q. 61, 66 (1986) und Hoffmann, 28 Brook. L Rev 1, 6 (1961). 66 Dazu Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres, vgl. auch Bulloch, 59 Temp. L.Q. 61, 66 (1986) und Hoffman, 28 Brook. L Rev 1, 6 f. (1961). 67 50 N.Y.2s 92; 428 N.Y.S.2d 199; 405 N.E.2d 681 (1980). 68 Ebenso wie schon in Triggs v. Triggs verfaßt Richter Gabrielli eine dissenting opinion (S. 107 bzw. S. 688 und S. 207), in der er an der restriktiven Handhabung von shareholders’ agreements festhalten will. Zwar würden die statutes solche Vereinbarungen zum Teil erlauben, allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen, wie beispielsweise mit einem ausdrücklichen Hinweis in der Urkunde der Geschäftsanteile. Wenn diese nicht erfüllt seien, müsse die Intention des Gesetzgebers dahin verstanden werden, daß Verträge darüber hinaus unwirksam sind.

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3. Teil: Amerikanisches Recht

gewesen. Hinsichtlich der Voraussetzungen eines shareholders’ agreements kam zwar hier das Recht Delawares zur Anwendung69. Das Gericht hätte aber eine Durchsetzung des Vertrages unter Hinweis auf die public policy70 New Yorks verneinen können. Dies tat es nicht. Es argumentierte dabei, wie folgt: Durch den Erlaß des § 620 lit. b des New York Business Corporation Law, der zum 1. September 1963 in Kraft getreten war, wäre eine Nichtigkeit unter Berufung auf den ordre public nicht mehr angezeigt. Durch diese Vorschrift sei nämlich unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufnahme von Bestimmungen in die articles of incorporation erlaubt, die „otherwise prohibited by law as improperly restrictive of the discretion or powers of the directors in the management of the corporate affairs“71. Das Gericht war der Ansicht, daß durch die Bestimmung vor allem die Entscheidung Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres verworfen worden sei (overruled)72. Dies sei ein deutliches Zeichen, das auf eine Änderung der allgemeinen Anschauungen gegenüber solchen Vereinbarung hinweise. In den Gründen ging Richter Meyer, der das Urteil verfaßte, wiederum auf die Ansätze in Clark v. Dodge zurück, indem er darauf abstellte, daß durch die konkrete Vereinbarung keine Rechte Dritter verletzt seien. Das shareholders’ agreement war jedoch nicht in den articles of incorporation enthalten, wie es § 620 lit. b Business Corporation Law vorschreibt. Trotzdem hielt das Gericht die Vereinbarung für wirksam und entschied, daß die formellen Voraussetzungen noch nachträglich erfüllt werden könnten: „Since there are no intervening rights of third persons, the agreement requires nothing that is not permitted by statute, and all of the stockholders of the corporation assented to it, the certificate of incorporation may be ordered reformed, by requiring Kurtz to file the appro____________ 69

Auf ein shareholders’ agreement finden nach den maßgeblichen Kollisionsregeln das Recht des Inkorporationsstaats Anwendung, nicht das Recht des Staates, in dem der Vertrag geschlossen wurde. Ausdrücklich so der Court of Chancery of Delaware, New Castle County in Ringling v. Ringling Bros.-Barnum & Bailey Combined Shows, 49 A.2d 603, 607 (1946) mit Verweis auf Restatement, Conflict of Laws, §§ 182, 183, die Restatement, Second, Conflict of Laws, §§ 303, 304 entsprechen. Ebenso Glazer v. Glazer, 374 F.2d 390, 407 (1967) und Rosenmiller v. Bordes, 607 A.2d 465, 468 (1991), dazu auch Flechter Cyc Corp § 2:78, § 2064. 70 Im Zusammenhang mit der Frage, ob das Recht eines anderen Einzelstaates der public policy widerspricht, wird man diesen Begriff, wohl am ehesten mit ordre public übertragen können. 71 Vgl. Hoffman, 28 Brooklyn L Rev 1 (1961) auf S. 9. Dort und in Kessler, 43 Fordham L Rev 197 (1974) auch zu den genaueren Voraussetzungen, die § 620 an solche shareholders’ agreements stellt. 72 50 N.Y.2s 92, 103; 428 N.Y.S.2d 199, 204; 405 N.E.2d 681, 686 (1980). Ebenso Hoffman, 28 Brook. L. Rev. 1, 10 (1961).

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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priate amendments, or more directly he may be held estopped to rely upon the absence of those amendments from the corporate charter“73. Auch in späteren Entscheidungen wurden shareholders’ agreements, die unter Beteiligung aller Anteilseigner geschlossen wurden, unter der Jurisdiktion New Yorks für wirksam angesehen, auch wenn sie praktisch zu einer völligen Aushöhlung der Kompetenzen des board of directors führten74. Durch § 7.32 R.M.B.C.A. und den Erlaß ähnlicher Vorschriften der Einzelstaaten, die sich daran orientieren, ist heute die Wirksamkeit von shareholders’ agreements im wesentlichen praktisch unumstritten. Für die Gesellschafter ist dadurch die Rechtssicherheit für ihre individuellen Regelungen gestiegen. Dies kann bei der unübersichtlichen Rechtslage durch 50 Jurisdiktionen und einer kaum überschaubaren Anzahl von Entscheidungen nicht zu hoch eingeschätzt werden kann. Die Gerichte befassen sich mit der Gültigkeit von shareholders’ agreements heute lediglich in Fällen, wo die gesetzlich gezogenen Grenzen überschritten wurden75. Häufig werden dabei formelle Anforderungen nicht eingehalten, wie etwa das Schriftformerfordernis76 des § 7.32 lit. b Nr. 1 R.M.B.C.A.

____________ 73

405 N.E.2d 681, 685 (1980). Vgl. statt vieler Adler v. Svingos, 80 A.D.2d 764, 765; 436 N.Y.S.2d 719, 721 (1981). Anders aber, ebenfalls in einem Fall, in dem die Vereinbarung nicht in den articles of incorporation enthalten war Gazda v. Kolinski, 458 N.Y.S.2d 387 (1982). Hier orientiert sich das Gericht inhaltlich an der dissenting opinion zu Zion v. Kurtz, setzt sich aber weder mit den Gründen des Gerichts dort, noch mit denen der dissenting opinion auseinander. Burnett, 59 Temp. L.Q. 61, 67 (1986) hält in Fußn. 57 die Entscheidung daher schlichtweg für falsch. 75 Vgl. hierzu mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Bulloch, 59 Temp. L.Q. 61 (1986), v.a. S. 78 ff. Der Artikel bezieht sich zwar auf frühere gesetzliche Regelungen, die sich teilweise auch unmittelbar auf statutory close corporation bezogen haben. Allerdings dürften gerade die Ausführungen hinsichtlich shareholders’ agreements, die nicht von allen Anteilseigner eingegangen werden, heute noch in gleicher Weise gelten, da auch § 7.32 R.M.B.C.A. und die Vorschriften der Einzelstaaten die Beteiligung aller Gesellschafter fordern, vgl. nur § 7.32 lit. b R.M.B.C.A. 76 Zur Durchsetzbarkeit einer mündlichen Vereinbarung zwischen den beiden einzigen Anteilseignern einer Gesellschaft vgl. Penley v. Penley, 314 N.C. 1; 322 S.E.2d 51 (1985) insb. auf S. 23 bzw. S. 64. 74

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3. Teil: Amerikanisches Recht

E. Verhältnis des neuen Ansatzes zur speziellen close corporation-Gesetzgebung Dieser neue Ansatz in § 7.32 R.M.B.C.A. soll abschließend noch ins Verhältnis zur traditionellen speziellen close corporation-Gesetzgebung gesetzt werden. Durch die Gestattung von shareholders’ agreements, die einen so umfassenden Inhalt haben, wie es § 7.32 lit. a R.M.B.C.A. umschreibt, haben die Gesellschafter, in dem Fall, daß die Anteile ihrer Gesellschaft nicht an der Börse zugelassen sind, für die Regelung der internen Verhältnisse völlige Vertragsfreiheit. Dies bedeutet, daß sie im internen Bereich dieselben Möglichkeiten wie in einer partnership haben77. Eine Grenze besteht erst dort, wo Rechte von Personen, die nicht an der Vereinbarung beteiligt sind, sei es Gläubiger, sei es außenstehende Gesellschafter, beeinträchtigt sind78. Wenn Autoren über besondere close corporation-Gesetzgebung schreiben, heben sie immer hervor, daß diese nur dann wirklich ihren Zweck erfüllen kann, wenn sie so flexible Strukturen wie möglich bereitstellt79. Zudem müssen durch die Wahl des besonderen Status der statutory close corporation Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden, die unter dem allgemeinen Gesellschaftsrecht nicht zur Verfügung stehen. In der Vergangenheit wurde hierbei häufig die Zulässigkeit von weiten shareholders’ agreements genannt und die Veränderung der Managementstrukturen, die von Weisungs- und Vetorechten bis zur vollständigen Abschaffung des board of directors und der Leitung der Gesellschaft durch die Anteilseigner selbst gehen kann80. Beides ist nun auch durch das allgemeine Gesellschaftsrecht verfügbar geworden. Dies ist von um so größerer Bedeutung, da in der Praxis, wie bereits erörtert, nur wenige Gesellschaften den speziellen Status der statutory close corporation wählen. So war es auch das Ziel der Novelle des § 7.32 R.M.B.C.A. ebenso wie des § 8.01 ____________ 77

Darauf weist auch Dooley, 47 Bus. Law. 461 (1992) in Fußn. 19 hin. Dieser Zusammenhang zwischen Vertragsfreiheit im Inneren mit den Schutzmechanismen nach außen gegenüber den Gläubigern, erinnert im deutschen Recht an die Vorschriften für die Personenhandelsgesellschaften. 79 Vgl. nur O’Neill, 24 Seton Hall L. Rev. 603, 640 (1993) mit zahlreichen Nachweisen in Fußn. 161. 80 Diese beiden Privilegien fordern beispielsweise Mann, 22 Am. Bus. L.J. 289, 341 (1984); Comment, 63 Nw. U. L. Rev. 230, 232 f. (1968), wo eine Lenkung und Verwaltung gemäß eines shareholders’ agreements bis zur Abschaffung des board of directors als besonderes Privileg der close corporation-Vorschriften Delawares hervorgehoben wird. Ebenso zum Statutory Close Corporation Supplement Report of Committee on Corporate Laws, 37 Bus. Law. 269, 271 (1981) und Kessler, 36 Mercer L. Rev. 661, 675 ff. (1985). 78

§ 10 Kapitalmarktrechtliche Kriterien im Gesellschaftsrecht

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R.M.B.C.A., der die Abschaffung des board of directors erlaubt, daß das allgemeine Gesellschaftsrecht für Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis attraktiver wird, um so letztlich besondere Gesetze überflüssig zu machen. Ausdrücklich ist dieser Gedanke etwa im Bericht des Committee on Corporate Laws angesprochen: „The Committee believes that the proposed changes in the Revised Act will help close corporation constituencies without having negative effect on public corporations. Further, adoption of theses changes will reduce, if not eliminate, the need to rely on the close corporation supplement. While the Committee recognizes that use of the close corporation supplement will be limited, it has elected not to repeal the supplement at this time“81. Wenn man diesen neuen Ansatz in Zusammenhang mit den Ausführungen zum Kapitalmarktrecht sieht, ergibt sich daraus, daß somit auf zwei Ebenen im amerikanischen Recht die Kapitalmarktorientierung einer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist: Einerseits bestimmt sie vor allem über § 7.32 und § 8.01 R.M.B.C.A. (und deren Parallelvorschriften in den Einzelstaaten) das Maß an Vertragsfreiheit, das den Gesellschaftern zur Verfügung steht. Andererseits führt eine zunehmende Kapitalmarktorientierung einer Gesellschaft über das Kapitalmarktrecht des Bundes zu einer Ausweitung der disclosure-Verpflichtungen und dadurch zu einer Zunahme der anlegerschützenden Vorschriften, die sich vornehmlich im Kapitalmarktrecht des Bundes finden. Damit kann man festhalten, daß zwar in den speziellen close corporationstatutes, die Frage der Kapitalmarktorientierung einer Gesellschaft über die Voraussetzung des Fehlens eines public offerings nur ein Merkmal unter dreien darstellt. Auf diese Kriterien kommt es aber nicht an. Entscheidend für eine Gesellschaft ist in der Tat ihre Kapitalmarktorientierung. Eine kapitalmarktferne Gesellschaft hat einerseits ein Höchstmaß an Vertragsfreiheit und kann ihre internen Fragen wie eine Personengesellschaft regeln, andererseits unterliegt sie nicht den weitgehenden Offenlegungspflichten des Kapitalmarktrechts. Bei einer börsennotierten Gesellschaft ist dagegen die Vertragsfreiheit stärker eingeschränkt, da hier die Möglichkeit des shareholders’ aggreements nicht zur Verfügung steht. Der Anlegerschutz wird darüber hinaus weitgehend über die Registrierung und Offenlegung nach dem Securities Act 1933 und dem Securi____________ 81 46 Bus. Law. 297 (1990). Zu diesem Ansatz durch § 7.32 R.M.B.C.A. das generelle corporation law für Gesellschaften mit einem geschlossenen Anlegerkreis attraktiver zu machen, siehe auch Wortman, 70 N.Y.U. L. Rev. 1362, 1371 (1996) Fußn. 38; Karjala, 73 Wash. U. L.Q. 455, 457 (1995) Fußn. 7 und Crago, 49 Okla. L. Rev. 1, 25 (1996).

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3. Teil: Amerikanisches Recht

ties Exchange Act 1934 gewährleistet. So ist die Kapitalmarktnähe oder -ferne einer Gesellschaft das wesentlichste Merkmal für ihre Behandlung durch das US-amerikanische Recht.

4. Teil

Vergleich und Schlußfolgerungen § 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich A. Unterschiede des US-amerikanischen zum deutschen Ansatz Im Länderbericht zum deutschen Recht wurde als Ergebnis festgehalten, daß die Bedeutung des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ weniger in den durch dieses eingeführten Einzelregelungen liegt, sondern eher darin, daß innerhalb des Aktienrechts die Geltung bestimmter Regelungen von der Erfüllung materieller Kriterien abhängig ist. Dadurch orientiert sich der Schutz des Aktienrechts nicht mehr einseitig an einem abstrakt vorgegebenen Leitbild der Aktiengesellschaft, sondern an den tatsächlichen Gegebenheiten hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter als bloße Kapitalanleger. Eines dieser materiellen Kriterien, das der Gesetzgeber gewählt hat, ist dabei die „Börsennotierung“ der Gesellschaft. Dieses kapitalmarktbezogene Kriterium ist besonders bedeutsam. Im Länderbericht zum US-amerikanischen Recht hat sich gezeigt, daß auch hier die Frage der Kapitalmarktorientierung die eigentlich ausschlaggebende für das auf die Gesellschaft anwendbare Regelungsgefüge ist. Dies gilt zwar nicht auf der Ebene des einzelstaatlichen Rechts für die Differenzierung zwischen close corporation und publicly held corporation. Hier stellt die Kapitalmarktorientierung der Gesellschaft lediglich ein Kriterium unter dreien dar. Entscheidend ist aber die Kapitalmarktnähe einer Gesellschaft, also die „Börsennotierung“, für die Geltung des Kapitalmarktrechts des Bundes und für §§ 7.32, 8.01 R.M.B.C.A, in denen das Fehlen eines Handels an der Börse (genauer an einer national securities exchange bzw. der OTC-Märkte der NASD) über die Reichweite der Satzungsautonomie entscheidet. Nachfolgend soll noch einmal zusammenfassend der Grundsatz, der beide Rechtsordnungen jeweils in der Frage der Behandlung personalistischer, also kapitalmarktferner Gesellschaften im Gegensatz zu Publikumsgesellschaften,

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

die sich des öffentlichen Kapitalmarkts bedienen, zugrunde liegt, dargestellt werden (unter I.). Unter II. wird die Ausgestaltung in beiden Rechtsordnungen durch zwei Gegensatzpaare einander gegenübergestellt.

I. Grundsatz Sowohl in den USA als auch in Deutschland ist der tatsächliche Ausgangspunkt für die Frage, wie man die Regeln für personalistische, kapitalmarktferne Gesellschaften im Gegensatz zu börsennotierten Publikumsgesellschaften ausgestaltet, im Grundsatz derselbe. In beiden Rechtsordnungen ist für das Zivilrecht die Vertragsfreiheit das bestimmende Element. Dies gilt grundsätzlich auch im Gesellschaftsrecht, wenn auch – etwa in Deutschland – mit der Einschränkung des numerus clausus der gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen1. Ein Unternehmen muß also aus Gründen des Verkehrsschutzes eine der vom Gesetz vorgegebenen Rechtsformen wählen. Diese Wahl ist frei. Lediglich durch einen Rechtsformzwang2 können hier Einschränkungen erfolgen. Einen solchen gibt es im Gesellschaftsrecht nur in engen Grenzen. Innerhalb der jeweiligen Gesellschaftsform besteht aber im übrigen wiederum Vertragsfreiheit. Deutlich wird dieser Grundsatz des deutschen Rechts etwa bei § 109 HGB, der festlegt, daß für die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter einer OHG und (wegen § 161 Abs. 2 HGB auch einer KG) in erster Linie der Gesellschaftsvertrag selbst maßgeblich ist. Erst soweit dort keine Regelungen getroffen sind, wird auf die §§ 110 – 122 HGB zurückgegriffen. Gründe für die Beschränkung der Privatautonomie bestehen immer dann, wenn der Schutz bestimmter Interessen zwingende Regeln erfordert. Zunächst ist hier an den Verkehrs- bzw. Gläubigerschutz zu denken, der für alle Gesellschaftsformen eine Rolle spielt. Ähnlich haben die US-amerikanischen Gerichte im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von shareholders’ agreements argumentiert. Neben den Interessen Dritter können etwa auch allgemeine wirtschafts- und sozialpolitische Ziele hinzukommen, welche die Vertragsfreiheit einschränken3. Dazu zählen im ____________ 1

Vgl. hier etwa K. Schmidt, § 5 II, S. 102 ff. Allgemein wird ein Rechtsformzwang insb. als Einengung der Rechtsformwahl begriffen. K. Schmidt dagegen will den Begriff als dogmatische Kategorie auffassen. Dabei versteht er unter Rechtsformzwang einen „Reaktionsmechanismus für Fälle der Rechtsformverfehlung“, § 5 II, S. 10 ff. Vgl. auch Baumbach / Hopt, HGB, Einl. v. § 105 Rdnr. 4 ff. 3 So etwa Kübler, § 2 III, S. 15. 2

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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deutschen Recht etwa die zwingenden Regeln über die Mitbestimmung, auf die bereits eingegangen wurde4. Ein Schutz der Vertragspartner selbst, also der Mitglieder einer Gesellschaft, kann zusätzlich ein Grund für zwingende Normen darstellen. In welchem Umfang der Gesetzgeber hier Schutzvorschriften vorsieht, wird davon abhängen, inwieweit er davon ausgehen kann, daß die Vertragsparteien selbst dafür sorgen können, ihre Interessen optimal zu wahren. Dabei wird sowohl die Struktur der Gesellschaft, wie auch die Ziele, die die Gesellschafter mit ihrer Beteiligung verfolgen, eine wesentliche Rolle spielen. Personengesellschaften, aber auch Kapitalgesellschaften, die personalistisch ausgestaltet sind und sich des öffentlichen Kapitalmarkts nicht bedienen, sind häufig durch eine enge Bindung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern geprägt5. Dies äußert sich im geringen Wechsel der Gesellschafter, aber auch in einer deutlichen Beteiligung der Gesellschafter in der Verwaltung des Unternehmens. Bei solchen Gesellschaften ist eher davon auszugehen, daß die Vertragspartner selbst ihre Interessen wahrnehmen können. Aufgrund des geringen Wechsels im Gesellschafterbestand wird ein Gesellschafter auch eher beim Abschluß des Vertrages beteiligt sein oder bei einem Gesellschafterwechsel Änderungen des Gesellschaftsvertrags durchsetzen können, als dies bei einer börsennotierten Publikumsgesellschaft gegeben sein kann. Diese ist auf den Wechsel der Gesellschafter angelegt ist, die sich dann nur noch als anonyme Kapitalanleger verstehen. Die längerfristige Bindung an eine personenbezogene, kapitalmarktferne Gesellschaft und gegebenenfalls die größeren Schwierigkeiten bei der Veräußerung der Anteile, soweit dies überhaupt möglich ist, werden typischerweise auch mit einem größeren Interesse der Gesellschafter an den Belangen der Gesellschaft einhergehen, als dies bei einem bloßen Aktienerwerb der Fall ist. Mit einer solchen Beteiligung an einer Gesellschaft ist, wie erwähnt, häufig auch ein Engagement in der Verwaltung der Gesellschaft verbunden. Hinzu kommt also eine unternehmerische Ausrichtung der Gesellschafter. Völlig anders ist die Lage bei einer Publikumsgesellschaft mit einem breit gestreuten Kreis von Gesellschaftern. Dort ist eine Beteiligung in einer Gesellschaft weniger Ausdruck eines unternehmerischen Engagements als vielmehr ____________ 4

Vgl. hierzu § 5 B I 1 a zu § 76 Abs. 5 BetrVG 1952 (jetzt: § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG) v.a. unter aa sowie unter § 5 B. II. 1. c) und e). 5 Vgl. etwa die Definitionen für eine personalistische Gesellschaft im deutschen Teil, aber auch die Definitionen für eine close corporation in den US-amerikanischen Einzelstaaten, die Übertragungsbeschränkungen fordern oder im common law etwa in der Entscheidung des Supreme Judicial Court of Massachusetts Donahue v. Rodd Electrotype Co., 367 Mass. 578; 328 N.E.2d 505 (1975), die als drittes Merkmal einer close corporation fordern, daß sich die Gesellschafter im Management betätigen.

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ein Mittel zur Kapitalanlage unter mehreren. Die Gesellschaft ist auf häufige Gesellschafterwechsel angelegt. Der typische Anleger erwirbt zudem die Anteile erst lange nach der Gründung und kann somit nicht schon bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags seine Interessen wahren. Auch vor einem Erwerb von Anteilen wird sich der potentielle Aktionär nicht ausführlich mit dem Gesellschaftsvertrag auseinandersetzen können und wollen. Zudem ist ein Verhandeln über einzelne Bedingungen praktisch ausgeschlossen.

II. Ausgestaltung des Schutzes der Anleger im deutschen und US-amerikanischen Recht Neben den eben angesprochenen Aspekten ist die „Trennung von Eigentum und Macht“6 ein wesentliches Charakteristikum der Publikumsgesellschaft. Daraus ergibt sich das Problem, daß die Gesellschafter nicht selbst durch die Beteiligung am Management ihre Interessen im laufenden Geschäftsbetrieb wahren können. Zumeist sind die Gesellschafter nicht einmal zu einer effektiven Überwachung der Verwaltung in der Lage. Im Extremfall sind die Anteile einer Publikumsgesellschaft so breit gestreut, daß keiner der Gesellschafter alleine eine Rechtsposition hätte durch die er die Verwaltung kontrollieren könnte7. Häufig stehen jedoch praktische Probleme im Vordergrund. Dieses wird deutlich, wenn man sich einen Anleger vorstellt, der in seinem Portfolio die Aktien beispielsweise 20 verschiedener Aktiengesellschaften hält, wobei seine Beteiligung am jeweiligen Grundkapital jeweils weit unter 1 % liegt, da er jeweils nur einige wenige Aktien besitzt. Für einen solchen Gesellschafter wird der Gesetzgeber selbst Schutzmechanismen bereitstellen müssen. Wenn man nun diese Mechanismen im deutschen Recht und im US-amerikanischen Recht vergleicht, zeigen sich zwei wesentlich voneinander abweichende Konzeptionen. Dies ist in den vorangegangenen beiden Teilen der Arbeit angedeutet worden und soll an dieser Stelle noch einmal zusammenfassend dargestellt werden. Diese Konzepte unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht: Der erste Unterschied betrifft die Frage, wie die personalistische, kapitalmarktferne Gesellschaft von der börsennotierten Publikumsgesellschaft abgegrenzt wird (unter 1.). Von dieser Abgrenzung ist es abhängig, welche Gesellschaften genau von dem erhöhten Schutz erfaßt werden. Der zweite ____________ 6 So grundlegend Berle / Means, insb. S. 69 ff. K. Schmidt, § 26 III, S. 777 spricht hier von einer „strenge[n] Trennung zwischen dem Kreis der Kapitaleigner … und dem Management“. Ähnlich Mestmäcker, S. 4; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 2 Rdnr. 6 und Meier-Schatz, ZHR 149 (1985), S. 76 ff. Vgl. dazu bereits oben § 5 B. II. 1. c) cc). 7 Vgl. dazu ausführlich Berle / Means, S. 84 ff.

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Unterschied liegt in der konkreten Methode, die vom Gesetzgeber für den Schutz der Anleger gewählt wird (unter 2.). Entweder kann er materielle Regelungen schaffen, die es verhindern, daß Anleger überhaupt gefährdet werden. Oder er kann bestimmen, daß alle Informationen, aus denen eine Gefährdungslage abgeleitet werden kann, gegenüber dem Anleger offengelegt werden müssen. Der Anleger hat dann die Möglichkeit verschiedene Gesellschaften zu vergleichen und in diejenige sein Kapital zu investieren, bei der die Relation von Risiko und zu erwartendem Gewinn seinen Bedürfnissen und Erwartungen entspricht. Soweit ihm aber das Risiko bei allen für ihn möglichen Gesellschaftsbeteiligungen zu hoch erscheint, kann er auch von einem Beteiligungserwerb vollständig absehen und sein Kapital in andere Anlageformen investieren.

1. Rechtsformdualismus vs. Zusammenspiel von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht a) Deutsches Recht Das deutsche Recht hat das oben angesprochene Problem der Abgrenzung zwischen der personenbezogenen, kapitalmarktferner Kapitalgesellschaft und der Publikumsgesellschaft, die sich idealiter des öffentlichen Kapitalmarkts bedient,, durch die Schaffung zweier unterschiedlicher Gesellschaftsformen gelöst. Mit der GmbH hat der Gesetzgeber eine Rechtsform geschaffen, die sich vor allem für personalistische Gesellschaften eignet und keinen Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt bietet. Das Ziel des Gesetzgebers war es, eine Form bereitzustellen, bei der „das Verhältnis der Mitglieder zu der Gesellschaft erheblich fester geknüpft wird als bei der Aktiengesellschaft“8. Konsequenterweise zeichnet sich das GmbH-Recht durch große Flexibilität aus. Die Gesellschafter können die internen Regelungen im wesentlichen an ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen, die Anzahl der zwingenden gesetzlichen Vorschriften ist relativ gering9. Ganz anders ist dies im Aktienrecht. Die Aktiengesellschaft stellt, wie mehrfach betont, nach der gesetzgeberischen Konzeption den Prototyp der Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Anlegerkreis dar, die sich typischerweise des öffentlichen Kapitalmarkts bedient. Dies spiegelt sich in den Einzelvorschriften des AktG wider. Gerade in der Aktienreform 1965 war die ____________ 8

Begründung GmbHG 1891, S. 31 f. zitiert nach K. Schmidt, § 33 II, S. 985. Ähnlich zu den Hintergründen Kübler, § 17 I, S. 222. 9 Ähnlich Mülbert, S. 5 f.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Kapitalmarktausrichtung der normtypischen Aktiengesellschaft jedenfalls auch eine Dimension der Reform10. So lassen sich auch die Regeln des Aktienrechts als anlegerschützend bezeichnen. Auf diese Zielsetzung wurde teilweise bereits im deutschen Teil, insbesondere bei der Bewertung der Einzelvorschriften des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ im Gesamtsystem von Aktiengesellschaft und GmbH hingewiesen. Im Gesellschaftsrecht werden zum einen die Publizitätspflichten der Gesellschaften als anlegerschützend betrachtet. Zum anderen kann der Anlegerschutz auch im Hinblick auf die Vorschriften über die Binnenorganisation der Aktiengesellschaft herangezogen werden können. Bei den Publizitätspflichten ist zunächst die gesellschaftsrechtliche Gründungspublizität11 zu erwähnen. Nach §§ 39, 40 AktG besteht für die Gesellschaft die Verpflichtung, eine Reihe von bestimmten Informationen beim Gründungsvorgang offenzulegen. Dazu zählen etwa der Pflichtinhalt der Satzung nach § 23 Abs. 3 AktG, aber auch Einzelheiten zur Identität der Gründer und Mitglieder des ersten Aufsichtsrats. Diese Angaben stehen über die Registeröffentlichkeit (§ 9 Abs. 1 HGB) jedem zur Verfügung. Durch die Haftungsvorschriften der §§ 46 Abs. 1, 47 Nr. 3 AktG, die Sanktionen an fahrlässig falsche Ankündigungen knüpft, und die strafrechtliche Bestimmung des § 399 Abs. 1 Nr. 3 AktG, die ein Schutzgesetz im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB darstellt, wird die Bedeutung der Gründungspublizität zusätzlich unterstrichen. Für die laufenden Geschäfte sehen die §§ 242, 264 ff. HGB die Publizität der Rechnungslegung vor. Die Gesellschaften werden zur Aufstellung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zuzüglich eines erläuternden Anhangs verpflichtet. Hinzu kommt noch der Lagebericht. Auch hier schreibt das Gesetz die Offenlegung in § 325 HGB vor. Bei börsennotierten Gesellschaften bedeutet dies nach § 325 Abs. 2 HGB, daß eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger erfolgen muß, ebenso wie die Einreichung der Unterlagen zum Handelsregister. Dies macht deutlich, daß auch die Öffentlichkeit und damit potentielle Anleger

____________ 10 Vgl. hier ausführlich Mülbert. Dieser führt auf S. 78 aus, daß zwar auch in der Aktienreform 1965 die traditionelle verbandsrechtliche Sicht der Aktiengesellschaft den Gesetzgeber leitete. Danach wird der Aktionär in erster Linie in seiner mitgliedschaftlichen Rechtsstellung gesehen. Mülbert sieht aber die Förderung des Kapitalmarktes jedenfalls als Ziel der mitgliedschaftlichen Regeln und erklärt so die „kapitalmarktrechtliche Dimension“ des AktG 1965. 11 So schon Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 391. Auch Möllers, ZGR 1997, 334, 338 sieht darin ein Mittel des Anlegerschutzes. Neben diesen gesellschaftsrechtlichen Regeln nennt er hier die börsenrechtlichen Vorschriften über die Prospektpflicht, die vorliegend jedoch nicht im Zentrum des Interesses stehen. Ähnlich Bloomenthal, § 8 C.

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von den Publizitätsregeln profitieren12. Dies gilt um so mehr, da durch die einheitlichen Vorgaben der §§ 264 ff. HGB, trotz der bestehenden Wahlrechte, jedenfalls ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit dem einer anderen Gesellschaft gegeben ist. Schließlich tritt zu den beschriebenen Publizitätserfordernissen ergänzend der Informationsanspruch der Gesellschafter aus § 131 AktG hinzu, der durch das scharfe Schwert der Anfechtungsklage bei mangelnder Auskunft durch den Vorstand sanktioniert ist. Schon Hopt13 hat den engen Zusammenhang zwischen diesem Auskunftsrecht und der Rechnungslegung betont, da letztere die Voraussetzung für das Auskunftsrecht ist. Die kapitalmarktrechtliche Ausrichtung auch des § 131 AktG ergibt sich jedoch nicht nur aus dieser Nähe zur Rechnungslegung, deren anlegerschützende Funktion schon dargelegt wurde. Für Hopt ist hier maßgeblich, daß „die Auskunft nicht individuell und privat dem einzelnen Aktionär, sondern diesem coram publico in der Hauptversammlung erteilt werden muß. Dementsprechend müssen nach § 131 Abs. 4 AktG Auskünfte, die einem Aktionär in dieser Eigenschaft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden sind, konsequent auch jedem anderen auf dessen Verlangen in der Hauptversammlung gegeben werden, und zwar ohne Rücksicht auf den Zusammenhang mit der Tagesordnung und auf angebliche Geschäftsschädlichkeit. Damit wird offenbar, daß der fragende Aktionär auch das allgemeine Anlagepublikum repräsentiert“14. Durch die Öffentlichkeit der Hauptversammlung, die primär für die Mitaktionäre und die Vertreter der Banken besteht, jedenfalls tatsächlich aber auch für Pressebeobachter15, werden die Informationen über den Kreis der aktuellen Aktionäre hinaus verbreitet. Auch weitere aktienrechtliche Bestimmungen bezwecken neben dem Gläubigerschutz, der hier – wie schon zu Beginn der Arbeit erwähnt – nicht weiter interessiert16, auch den Schutz des anlegenden Publikums. Dies gilt zunächst einmal für den obligatorischen Aufsichtsrat. Es wurde bei der Gegenüberstellung von Publikumsgesellschaft und personalistischer, kapitalmarktferner Ge____________ 12

Darauf weist auch Mülbert, S. 79 f. hin. Ähnlich auch Hommelhoff, ZHR 1989, 181, 200, der die Kapitalmarktrelevanz von Rechnungslegung, Abschlußprüfung und Publizität hervorhebt sowie Bloomenthal, § 8 C. 13 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 404. Ihm folgend Mülbert, S. 80; Möllers, ZGR 1997, 334, 342 und Hommelhoff, ZHR 1989, 181, 201. 14 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 404. 15 So Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 404. 16 Der Gläubigerschutz ist für dieses Arbeit deswegen nicht weiter von Interesse, da dieser nicht als entscheidende Rechtfertigung für ein unterschiedliches Schutzniveau zwischen Aktiengesellschaft und GmbH dienen kann. Bei beiden Gesellschaftsformen besteht aufgrund der Beschränkung der Haftung auf das Kapital der Gesellschaft der gleiche Grund für einen Schutz der Gläubiger, vgl. dazu schon § 2 A.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

sellschaft erwähnt, daß in ersterer die Gesellschafter sich häufig nur als Kapitalanleger begreifen und selbst nicht an der Verwaltung der Gesellschaft beteiligt sind. Sie sind nicht in der Lage und aufgrund ihrer Interessen als bloße Kapitalanleger nicht bereit, die Verwaltung effektiv zu kontrollieren17. Diese Überwachung muß daher in einer Publikumsgesellschaft – auch um die Gesellschafter zu schützen – auf ein unabhängiges Organ übertragen werden. Dessen Aufgabe ist es, „die Geschäftsleitung kontinuierlich zu überwachen“18. Dies erfolgt in jeder Aktiengesellschaft durch einen obligatorischen Aufsichtsrat19. Diesem sind für die Erfüllung seiner Aufgaben im AktG eine Reihe von Kompetenzen zugewiesen, in § 90 AktG etwa, aber auch für die Prüfung des Jahresabschlusses in § 171 AktG. Dazu kommen weitere Möglichkeiten, durch die er auf die Geschicke der Aktiengesellschaft Einfluß nehmen kann20. Gerade die Kontrolle über Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG soll hier noch erwähnt werden, da diese durch das TransPuG erheblich an Bedeutung gewonnen hat. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bestimmt nun nicht mehr, daß die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmte Arten von Geschäften an die Zustimmung des Aufsichtsrats binden „soll“. Vielmehr besteht eine Verpflichtung in der Satzung oder der Geschäftsordnung Zustimmungsvorbehalte vorzusehen. Wer dem Aufsichtsrat angehört, wird – vorbehaltlich der Regeln über die Mitbestimmung – von den Aktionären selbst nach § 101 AktG bestimmt. Um die Erfüllung der Pflichten der Mitglieder des Aufsichtsrats auch durchzusetzen, trifft diese die Sanktion der Haftung nach §§ 116, 93 AktG. Neben der Überwachung durch den Aufsichtsrat sind die Vorschriften etwa im Gründungsrecht oder bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu beachten, welche eine Prüfungskompetenz einer unabhängigen Stelle vorschreiben. Im Gründungsrecht ist dies der Gründungsprüfer nach § 33 Abs. 2 AktG. Beim Jahresabschluß der Abschlußprüfer nach §§ 318, 319 HGB. An dieser Stelle sollen des weiteren nur noch die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung jedenfalls erwähnt werden21. Auch auf diese wurde im Zusam____________ 17

Zu diesem Gedanke auch Berle / Means, S. 84 ff. Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 194. 19 Zur genaueren Ausgestaltung der Überwachungsfunktion vgl. Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 197 f. 20 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 198 nennt hier beispielsweise die Besetzung des Vorstands nach § 84 AktG, die Abschlußfeststellung nach § 172 AktG, die Kompetenzen bei der Rücklagenbildung nach § 58 Abs. 2 AktG und die Zustimmungsvorbehalte gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. 21 Vgl. Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 205. Zu den Anforderungen an die Mitentscheidungsrechte bei einer Publikumsgesellschaft, die aus Gründen des institutionellen Anlegerschutzes mindestens verbleiben müssen, vgl. Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 201 ff. 18

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menhang mit der Bewertung der Änderungen des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ im System von Aktiengesellschaft und GmbH eingegangen22. Schließlich kann auch § 23 Abs. 5 AktG, durch den das übliche Verhältnis von zwingenden und dispositiven Regeln umgekehrt wird, unter dem Aspekt des Anlegerschutzes gesehen werden. Gerade da die potentiellen Aktionäre keine Möglichkeit haben, die für sie vorteilhaftesten Regeln auf dem Verhandlungswege im Gesellschaftsvertrag durchzusetzen, besteht ein Bedürfnis nach einem relativ strikten Korsett von gesetzlich zwingenden Bestimmungen. Der Gesetzgeber selbst sorgt so dafür, daß ein gerechter Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten erfolgt23 und eine gewisse Standardisierung eintritt, auf die sich ein potentieller Anleger verlassen kann. Insgesamt erfolgte somit im deutschen Recht der Anlegerschutz traditionell (d.h. vor 1994 und dem WpHG) auf der Ebene des Gesellschaftsrechts, genauer des Aktienrechts24. Dies ist dann konsequent, wenn die Aktiengesellschaft in jedem Fall als Publikumsgesellschaft gesehen wird, die idealtypisch börsennotiert ist. Die Folge eines strikten Rechtsformdualismus ist jedoch, daß die Gesellschafter einer Aktiengesellschaft auch dann „geschützt“ werden, wenn diese – entgegen dem Idealtypus – tatsächlich eine personenbezogene, kapitalmarktferne Gesellschaft ist. Hier führt der deutsche Ansatz dazu, daß Gesellschafter geschützt werden, die dieses Schutzes nicht bedürfen. Negativ formuliert, hat der Rechtsformdualismus zur Folge, daß die Privatautonomie der Gesellschafter beschränkt wird, obwohl eine Einschränkung nicht durch übergeordnete Aspekte, etwa des Anlegerschutzes, gerechtfertigt ist25. Auf diesen ____________ 22

Vgl. dazu oben unter § 5 C. I. 1. und § 5 C. II. 1. a). Mertens, ZGR 1994, 426, 429 stellt zu § 23 Abs. 5 AktG pointiert die folgende These in den Raum: „Zwingendes staatliches Organisationsrecht könnte ja kraft langer geschichtlicher Erfahrung, umfangreicher Reformen und einer seismographisch und flexibel auf wirtschaftliche Erfordernisse reagierenden Gesetzesbürokratie inzwischen so optimal gestaltet sein, daß privatautonome Abweichungen letztlich nur nachteilhaft wären.“ Zugleich kritisiert er den zu weiten Bestand an zwingendem Recht. 24 So ausdrücklich etwa Bloomenthal, § 8 C aus amerikanischer Sicht, der ausführt: „Although Germany does not have federal or state securities laws comparable to the securities acts and blue sky laws in the United States, there is a body of law derived from many sources which controls the issuance, distribution, and trading in corporate securities and prescribe corporate reporting.“ Neben dem BörsG nennt er hier als wichtigstes Quelle des Kapitalmarktrechts das AktG. Auf die Entwicklung des Kapitalmarktrechts nach 1994 wir unter § 12 B. eingegangen. 25 Schon zur Kritik etwa des § 23 Abs. 5 AktG als zu weitgehend selbst bei einer klassischen Aktiengesellschaft, vgl. Mertens, ZGR 1994, 426, 432. Vgl. zu § 23 Abs. 5 AktG auch ausführlich May, S. 62 ff. 23

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Aspekt der Stärkung der Privatautonomie im gesetzgeberischen Ansatz wird noch einmal bei der Bewertung des neuen Ansatzes einzugehen sein26.

b) US-amerikanisches Recht Das US-amerikanische Recht kennt keinen strikten Rechtsformdualismus, um die Regeln für die personalistische Gesellschaft und die Publikumsgesellschaft voneinander abzugrenzen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die beiden Rechtsformen der close corporation und der publicly held corporation, soweit sie überhaupt eine gesetzlich unterschiedliche Behandlung erfahren haben, zumeist anhand materieller Kriterien abgegrenzt werden. Dabei wird die Anzahl der Gesellschafter ebenso herangezogen, wie das Vorliegen von Übertragungsbeschränkungen und / oder das Fehlen eines öffentlichen Handels der Anteile. Schon diese Verwendung materieller Kriterien führt dazu, daß eine Gesellschaft nur dann den zumeist strikteren Vorschriften der Publikumsgesellschaft unterworfen wird, wenn sie diesem Bild auch tatsächlich entspricht. Dies steht im Gegensatz zum deutschen Rechtsformdualismus. Es ist nach dem deutschen System einerseits durchaus eine GmbH denkbar, die einen breiten Kreis von Anlegern hat. Noch viel eher hat sich in der Vergangenheit das Problem bei der GmbH & Co. KG gestellt, die in einer Vielzahl von Fällen faktisch zu einer Publikumsgesellschaft geworden ist. Eine Orientierung des Schutzes ausschließlich an der Rechtsform muß hier zu Lücken führen, die dann etwa durch die Rechtsprechung gefüllt werden müssen, wie dies im Zusammenhang mit der GmbH & Co. KG der Fall war. Auf der anderen Seite entspricht nicht jede Aktiengesellschaft dem gesetzlichen Leitbild einer Publikumsgesellschaft. Hier kann das deutsche Recht, wie angedeutet, zu einer übermäßigen Beschränkung der Privatautonomie führen. Wenn das US-amerikanische Recht nun nicht auf ein bestimmtes Konzept einer Rechtsform rekurriert, sondern auf materielle Kriterien, wird dieses Problem vermieden. Eine Gesellschaft, die nur eine geringe Anzahl von Gesellschaftern hat, wobei in den US-amerikanischen Einzelstaaten die Begrenzung zwischen 25 und 50 Anteilseigner liegt, kann per se keine Publikumsgesellschaft mit weit gestreutem Anliegerkreis sein. Noch deutlicher ist dies bei dem Erfordernis von Übertragungsbeschränkungen. Solche Beschränkungen in der Übertragung von Geschäftsanteilen sind Ausdruck einer besonderen persönlichen Verbundenheit zwischen den Gesellschaftern, die ein maßgebliches Inte____________ 26

Vgl. hierzu ausführlich unter § 13 A. II.

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resse an der Kenntnis und Beeinflussung der genauen Zusammensetzung ihres Gesellschafterkreises haben. Auch dies wird schwerlich bei einer Publikumsgesellschaft vorliegen, für die der ungehinderte Handel der Gesellschaftsanteile wesentlich ist. In besonderer Weise wird der Flexibilität des Schutzes durch das Verbot eines öffentlichen Handels der Geschäftsanteile in den close corporation-Gesetzen Rechnung getragen. Eine Gesellschaft, die sich des öffentlichen Kapitalmarktes bedient,, wird gerade solche Personen für sich interessieren, denen es vorwiegend um eine Anlage des Kapitals geht, die sich aber wohl in den meisten Fällen nicht unternehmerisch betätigen wollen und können27. Daher erscheint gerade das Abstellen auf die Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarkts als besonders geeignet, um beide Gesellschaftstypen voneinander abzugrenzen. Es ist wohl geradezu denknotwendig ausgeschlossen, daß eine Gesellschaft sich des Kapitalmarktes bedient, gleichwohl aber personalistisch strukturiert ist28. Die Bedeutung des Kapitalmarktkriteriums zeigt sich aber noch viel deutlicher als in der gesonderten close corporation-Gesetzgebung im Zusammenspiel zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht29. Das US-amerikanische Gesellschaftsrecht zeichnet sich meist durch ein Höchstmaß an Flexibilität aus, die sich aus dem Vorherrschen dispositiver Regeln ergibt30. Schon oben im Zusammenhang mit der Frage, welche Rolle die statutory close corporation in der Rechtspraxis spielt31, wurde deutlich, daß aufgrund der Flexibilität des allgemeinen Gesellschaftsrechts häufig das Bedürfnis einer speziellen Gesetzgebung für die close corporation als nur gering bewertet wird. Dies liegt daran, daß es schon das general corporation law ermöglicht, die für die close corporation passenden Regeln zu wählen. Man könnte sogar noch darüber hinaus gehen und sagen, daß das allgemeine US-amerikanische Gesellschaftsrecht aufgrund der geringen Anforderungen und der hohen Flexibilität de facto ein Recht für die close corporation ist. Diesen Gedanken hat Manne32 im zitierten33 ____________ 27

Eine Ausnahme besteht natürlich im Zusammenhang mit Übernahmen bzw. insgesamt dem Versuch durch den Erwerb von Anteilen an der Börse die Mehrheit in einer Gesellschaft zu übernehmen und dann auch die unternehmerischen Geschicke zu bestimmen. 28 Vgl. zu diesem Gedanken auch schon § 6 in der Vorbemerkung vor A. 29 Ähnlich Möllers, ZGR 1997, 334, 335 und Spindler, AG 1998, 53, 57. 30 Vgl. auch Ballantine, S. 41, der ausführt: „The primary purpose of corporation laws is not regulatory. They are enabling acts, to authorize business men to organize and to operate their business, large or small, with the advantages of the corporate mechanism“. 31 Dazu unter § 8 C. III. 32 Manne, 53 Va. L. Rev. 259, 284 (1967).

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Aufsatz von 1967 erwähnt: „Our general corporation laws seem to be in the process of becoming general close corporation laws with only incidental relevance to large companies“. Aber auch das US-amerikanische Recht hat die Schutzbedürftigkeit von Gesellschaftern in Publikumsgesellschaften durchaus zur Kenntnis genommen. Das flexible Gesellschaftsrecht wird durch ein striktes Kapitalmarktrecht ergänzt. Wegen dieser Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch die zwingenden Regeln des Kapitalmarktrechts erwähnt auch Manne in dem eben zitierten Ausspruch, daß das allgemeine Gesellschaftsrecht nur noch „incidental relevance to large companies“ hat. Hauptsächlich resultiert das zwingende maßgebliche Recht für diese „large companies” oder treffender börsennotierten Publikumsgesellschaften weitgehend aus dem Kapitalmarktrecht des Bundes. Anschaulich wird dies auch bei Conard34, der das Zusammenspiel zwischen Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht in der Phase der Gründung einer Gesellschaft mit anschließender Ausgabe von Anteilen so beschreibt: „For example, the Model Business Corporation Act soothingly assures the reader that shares may be issued for the consideration fixed by the board of directors, but fails to note that if the shares are offered to more than a selected few, they must be registered with up to fifty states and federal securities commissions.“ An anderer Stelle führt Conard35 aus: „As a price for their fifty permissive corporation systems, they now submit to forty-nine state securities law systems, overlaid with rigorous, duplicative, technical, and burdensome federal securities law. The combined system of corporation and securities laws is probably the strictest in the world, and certainly the most cumbersome.“ Auf die Einschätzung dieses kombinierten Systems, wie sie Conard hier vertritt, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Die Zitate haben lediglich das Ziel das Zusammenwirken von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht zu illustrieren. Dieses Kapitalmarktrecht, vor allem der Securities Act 1933 und der Securities Exchange Act 1934, betrifft, wie im Länderbericht zum US-amerikanischen Recht ausgeführt, in erster Linie Gesellschaften, deren Anteile an einem öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden, bei denen also ein public offering der Anteile vorliegt. Damit gelten aber insbesondere die strikten Regeln des Kapitalmarktrechts des Bundes36 gerade nicht für kleine Gesellschaften mit einem ____________ 33

Vgl. dazu unter § 8 C. III. 2. Conard, 71 Mich. L. Rev. 621, 664 (1973), der in diesem Abschnitt auf die obscurity of securities law aufmerksam macht. 35 Conard, 71 Mich. L. Rev. 621, 667 (1973). 36 Das einzelstaatliche Kapitalmarktrecht, das sich in den sog. blue sky laws der Einzelstaaten findet, soll hier außer Betracht bleiben. 34

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personalistisch geprägten Anlegerkreis, da deren Anteile wesensgemäß nicht am öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden. Hingewiesen werden soll hier auch noch einmal auf die neueren Entwicklungen im R.M.B.C.A. Wie erwähnt37, gewährt § 7.32 R.M.B.C.A. Gesellschaften, die nicht börsennotiert sind, in ihren shareholders’ agreements ein Höchstmaß an Vertragsfreiheit. § 8.01 R.M.B.C.A. erlaubt es der Gesellschaft sogar den board of directors gänzlich abzuschaffen. Auch hier ist über den Verweis auf § 7.32 R.M.B.C.A. somit die Frage nach der Börsennotierung entscheidend. Dadurch wird deutlich, daß noch über das flexible Gesellschaftsrecht hinaus, für nicht börsennotierte Gesellschaften weitestgehende Vertragsfreiheit herrscht. Anlegerschutz wird somit im US- amerikanischen Recht durch das Kapitalmarktrecht des Bundes, vorrangig durch den Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934 gewährt. Diese Gesetze sind abhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme des anonymen Kapitalmarktes. Das Zusammenspiel zwischen Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht führt so dazu, daß das System flexibler ist als im deutschen Recht und der Schutz eher an der Stelle eingreift, an der er notwendig ist.

2. Materieller Schutz vs. Schutz durch Information Neben den bisher beschriebenen konzeptionellen Unterschieden, verfolgen Deutschland und die USA traditionell unterschiedliche methodische Ansätze zum Schutz der Anleger, was bereits in den bisherigen Ausführungen angedeutet wurde. Das deutsche Recht, insbesondere das Aktienrecht, versucht den Schutz der Anleger vor allem durch materielle Regelungen zu erreichen. Zwar gibt es im Gesellschaftsrecht, und insbesondere auch im neueren Börsen- und Kapitalmarktrecht, zahlreiche Offenlegungspflichten. Diese habe das Ziel, dem Anleger die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, wollen aber keine Garantie für den Wert bzw. die Seriosität der Gesellschaft übernehmen. Daneben versuchen viele der aktienrechtlichen Regelungen, genau eine solche Sicherung der Seriosität der Gesellschaft38. Durch einen obligatorischen Aufsichtsrat und die ihm zugewiesenen Kompetenzen soll eine effektive Kontrolle der Verwaltung ermöglicht werden. Statt einer vollständigen Pflicht, alle Handlungen der Verwaltung für die Gesellschafter transparent zu gestalten, bestehen dagegen in ____________ 37 38

Vgl. oben unter § 10 C. I. Vgl. dazu oben unter 1. a) zu den aktienrechtlichen Regelungen im einzelnen.

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§ 90 AktG umfangreiche Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat. Dieser muß seine Überwachungsaufgabe aus § 111 Abs. 1 AktG so ausüben, daß dadurch die Interessen auch der Gesellschafter gewahrt sind und ein Machtmißbrauch des Vorstands ausgeschlossen ist. Ähnliches gilt für die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft. Das deutsche Aktienrecht gewährleistet dies durch sein System eines gesetzlich festgelegten Mindestgrundkapitals. Die Vorschriften zur Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals sollen gewährleisten, daß eine Gesellschaft, der ein Anleger sein Kapital anvertrauen möchte, jedenfalls zu einem Mindestmaß verantwortungsvoll damit umgehen muß. Das strikte Kapitalbindungsgebot, insbesondere durch §§ 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG, führt dazu, daß das eingesetzte Kapital zumindest nicht in einseitiger Weise an etwa verwaltungsnahe Aktionäre ausgezahlt werden kann. Neben der Haftungsvorschrift des § 62 AktG steht einem solchen Verhalten auch das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG entgegen. Zu diesen materiellen Vorschriften kommen ergänzend die Offenlegungsbestimmungen etwa aus §§ 242, 264 ff. i.V.m. § 325 HGB hinzu. Ein kapitalmarktrechtliches Verständnis ausschließlich der Publizitätsvorschriften dürfte jedoch für das deutsche Recht zu kurz gegriffen sein39. Ganz anders ist dies für das US-amerikanische Kapitalmarktrecht des Bundes. Einige Einzelstaaten haben sich zwar für einen Ansatz entschieden, in dem sie selbst die Wertpapiere, die über den Kapitalmarkt gehandelt werden, auf deren Seriosität, aber auch auf angemessene Preise überprüfen wollen40. Eine Notierung wird nur dann zulassen, wenn diese materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Das Kapitalmarktrecht des Bundes stellt dagegen im Securities Act 1933 und im Securities Exchange Act 1934 vollständig das Prinzip der Offenlegung (disclosure) in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dies gilt vor einer Börseneinführung für ein sog. registration statement, das eine Vielzahl von Informationen enthalten muß, aber auch für kontinuierliche Berichterstattung im laufenden Geschäftsverkehr. Auf Einzelheiten wurde im Länderbericht zum US-amerikanischen Recht eingegangen41. Der Anleger soll durch die umfassenden Offenlegungspflichten mit allen nötigen Informationen versorgt werden, so

____________ 39 So aber wohl Hopt, ZHR 141 (1977), 389 ff. der im wesentlichen nur den verschiedenen Vorschriften über die Offenlegung eine kapitalmarktrechtliche Dimension zu billigen will. Anders jedoch beispielsweise Mülbert, S. 86 ff. sowie auch Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 194 ff. 40 Vgl. nur Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 205. Zu den verschiedenen möglichen Ansätzen bei kapitalmarktrechtlichen Gesetzen siehe insb. Ballantine, S. 862 ff. 41 Für eine knappe Zusammenfassung etwa Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 204. Auch Conard, S. 274 f.

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daß sowohl Informationsvorsprünge als auch überzogene Preise ausgeschlossen sind42. Diese hohe Bedeutung der Transparenz, nicht nur für den Anlegerschutz, hat Brandeis schon in seiner Monographie von 1914 „Other People’s Money“ anschaulich gemacht: „Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best disinfectants; electric light the most efficient policemen“43. Ein solcher Ansatz möchte dabei nicht den Anleger davor bewahren, ein schlechtes Geschäft abzuschließen. Dies obliegt seiner eigenen Entscheidung, zu der die gesetzlichen Vorschriften lediglich die notwendigen Informationen liefern sollen44.

B. Geschichtliche Hintergründe der unterschiedlichen Ansätze Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen unterschiedlichen Strategien zum Schutz der Anleger haben vor allem hinsichtlich des ersten Aspekts, des Rechtsformdualismus in Deutschland bzw. des Zusammenwirkens von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in den USA geschichtliche Entstehungsgründe. Die Frage, ob ein rechtliches System eher dazu neigt, die schwächere Partei selbst durch materielle Regeln im Sinne eines materiellen Mindeststandards zu schützen, oder ob es die Selbstverantwortung der Parteien betont, ist von einer unterschiedlichen sozialen und gesellschaftstheoretischen Einstellung der Systeme abhängig, wobei ein Konzept, daß eine Verantwortlichkeit des Staates für den Schwächeren vorsieht, mit einem Konzept der Eigenverantwortlichkeit kontrastiert wird. Beide Systeme können sich jedenfalls grundsätzlich auf die Privatautonomie als Ansatz berufen. In einem System, das materiell zwingende Regelungen aufstellt, wird man argumentieren, daß dies eine Maßnahme zum Schutz der Privatautonomie der schwächeren Partei ist. Ein freies Aushandeln eines Vertrages ist nur dann möglich und für beide Parteien mit einer optimalen ____________ 42 Choper / Coffee / Gilson fassen dies auf S. 315 wie folgt zusammen: „The premise was that if investors were provided with all material information about security to be offered, there would be not unfair informational advantage and the security would not be overpriced.“ Ähnlich auch Clark, S. 719; Kitch, 61 Brook. L. Rev. 763, 764 f. (1995); Conard, S. 270 f. und S. 274 sowie Vagts, S. 169 und Cox / Hazen / O'Neal, § 27.12. 43 Zitiert nach Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 205. Ebenso bei Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25. Dazu auch oben unter § 9 E. I. zur Bedeutung der disclosure-Regeln. 44 So ausdrücklich auch Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25. Zur Kritik eines solchen Systems, das ausschließlich auf zwingende Offenlegung ausgerichtet ist, etwa Clark, S. 749 ff. kritisch auch Spindler, AG 1998, 53, 60 ff.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Interessenwahrung verbunden, wenn es sich um Parteien mit einer gleich starken Verhandlungsposition handelt. Wenn dagegen eine Partei eine stärkere Position etwa aufgrund besserer Informationen oder einer intellektuellen Überlegenheit innehat, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Interessen der schwächeren Partei zu wahren. Diese Argumentation kann man auf den Anlegerschutz bzw. das zwingende Gesellschaftsrecht übertragen, wenn man den Anleger als die strukturell schwächere Partei ansieht. Der entgegengesetzte Ansatz wird sich ebenfalls auf die Privatautonomie berufen können. Der Schutz der Freiheit und einer gleichgewichtigen Verhandlungsposition soll dabei dadurch gewährleistet werden, daß jedem umfassende Informationen zur Verfügung gestellt werden. Soweit es nicht um Informationsdefizite einer Partei geht, sondern um sonstige Defizite, wird man argumentieren können, daß sie sich gegebenenfalls professioneller Hilfe bedienen muß, um diese Defizite auszugleichen. In jedem Fall gebietet es aber das Prinzip der Eigenverantwortung, daß sie nicht von einem unter Umständen für sie nachteiligen Geschäft abgehalten wird45. Nachfolgend soll unter I. auf die historische Entwicklung in Deutschland eingegangen werden. Diese führte zu einem immer schärfer werdenden Rechtsformdualismus zwischen GmbH und Aktiengesellschaft, der insbesondere durch eine Formalisierung und Komplizierung der aktienrechtlichen Regelungen geprägt war. Unter II. geht es um das Entstehen des flexiblen USamerikanischen Systems eines Zusammenwirkens von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht.

I. Geschichtliche Entwicklung in Deutschland 1. Das Aktienrecht im ADHGB von 1861 Zur ersten rechtseinheitlichen Kodifikation46 des Aktienrechts kam es in Deutschland 1861 mit dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch ____________ 45 So etwa Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25: „At the same time, the law should not try to keep investors from making bad bargains“. 46 Für frühere aktienrechtliche Regelungen vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 12–67; auch Laux, S. 41–48 und List, S. 15–39, letzterer mit Schwerpunkt auf die Entwicklung der Rechnungsprüfung. Mit Blick auf anlegerschützende Regelungen insgesamt Hopt, S. 16–31. Semler, in: MünchKomm. Einl. Rdnr. 20 spricht davon, daß das deutsche Aktienrecht mit dem Preußischen Gesetz über Aktiengesellschaften vom 9. November 1843 begann, daß folgendes aussagte: „Aktiengesellschaften mit den im gegenwärtigen Gesetz bestimmten Rechten und Pflichten können nur mit landesherrlicher Genehmigung errichtet werden“.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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(ADHGB). Dieses Gesetz trat in Preußen am 1. März 1862 in Kraft und regelte die Aktiengesellschaft in den Art. 207 – 249 ADHGB47. Mit dem Gesetz vom 5. Juni 1869 wurde das ADHGB schließlich zum Gesetz im Norddeutschen Bund48. Nach Art. 208 Abs. 1 ADHGB kannte dieses Gesetz noch die Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften. Keine Aktiengesellschaft konnte somit gegründet werden, die nicht das Placet des Staates erhielt. Gleiches galt für Beschlüsse der Generalversammlung (was der Hauptversammlung nach heutiger Terminologie entspricht), welche den Gesellschaftsvertrag abändern wollten. Auch hierfür war nach Art. 214 Abs. 1 ADHGB eine staatliche Genehmigung nötig. Zweck eines solchen Konzessionssystems war es, eine gewisse Kontrolle gegenüber den Aktiengesellschaften zu haben. Dadurch sollte vor allem dem allgemeinen Mißtrauen begegnet werden, das gegenüber Unternehmen vorherrschte, die in dieser Rechtsform organisiert waren. Zum einen bestand hier die Sorge, daß es durch das Kapital, das in einer Aktiengesellschaft zusammengefaßt ist, zu einem „Nebenregiment im Staate“ kommen könne. Zum anderen wurde befürchtet, daß durch Aktiengesellschaften der Wettbewerb beeinträchtigt und Monopole gefördert werden49. Dadurch wurden aber andere Gewerbe und der Handelsstand insgesamt als gefährdet angesehen. Früh sah man auch schon die Gefahr, daß durch die Aktiengesellschaft in vermehrtem Maße „unproduktive Spekulationen zum Schaden des Publikums und der Wirtschaft“50 auftreten können. Durch das Konzessionssystem meinte man, aufgrund der vorherigen staatlichen Kontrolle, solchen Aktienspekulationen vorbeugen zu können. Bereits im Vorfeld zum ADHGB 1861 war aber das Konzessionssystem umstritten. Dabei argumentierten insbesondere die Vertreter eines wirtschaftsliberalen Standpunkts gegen die Notwendigkeit einer Konzession für die wirtschaftliche Betätigung. Zusätzlich lieferte die Abschaffung dieses Systems im Ausland, etwa in England, aber auch in den Hansestädten Bremen und Hamburg51, Argumente gegen eine Beibehaltung des Konzessionssystems in Preußen. Schließlich führte eine Reihe von Stimmen als Argument an, daß das System für die angestrebten Zwecke, darunter den Schutz des Publikums, nicht ____________ 47 Vgl. insb. Laux, S. 48 ff. Dort auch zu weiteren Einzelheiten der Regelung, v.a. hinsichtlich einer Gemeinwohlbindung. 48 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 76. 49 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 60 m.w.N. 50 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 60. 51 Hamburg sah schon in einer Verordnung von 1835 die Möglichkeit vor, daß eine Aktiengesellschaft um tätig zu werden, lediglich die Gesellschaftssatzung hinterlegen müsse, so Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 38.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

wirklich geeignet sei52. Bei den zunehmenden Gründungen von Aktiengesellschaften, die etwa in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts vorkamen, waren einer sorgfältigen Prüfung nun auch tatsächliche Grenzen gesetzt.

2. Die 1. Aktiennovelle von 1870 und die Gründerjahre Die Aufgabe des Konzessionssystem erfolgte durch die 1. Novelle zum Aktienrecht 187053. Vorausgegangen waren der Novelle verstärkte Forderungen einer Liberalisierung des Aktienrechts. So hatte sich etwa der 8. Deutsche Juristentag für eine Aufgabe des Konzessionssystems ausgesprochen54. Die Neufassung des Art. 208 ADHGB, in dem zuvor die staatliche Genehmigung statuiert war, forderte nun lediglich, daß über die Errichtung der Gesellschaft und den Inhalt der Satzung eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werde55 und die Gesellschaft nach Art. 211 ADHGB eingetragen werden müsse56. In engem Zusammenhang mit der Einführung des Normativsystems standen weitreichende Änderungen in der Organisationsverfassung57. Entscheidend war hier, daß der Aufsichtsrat als obligatorisches Organ statuiert wurde. Zuvor war der Aufsichtsrat lediglich fakultatives Organ bei der Aktiengesellschaft. Damit entstand die obligatorische Dreigliedrigkeit58 der Organe, mit Hauptversammlung (damals noch Generalversammlung), Vorstand und Aufsichtsrat. Die Aufgabenteilung war natürlich noch eine andere. Etwa Wiethölter hält zur Reform 1870 fest, daß darin die „Autonomie der Aktionäre … unangetastet“59 bleibt. Der Gesetzgeber war der Ansicht, daß eine Überwachung des Vorstands dringend nötig sei und wollte, daß der Aufsichtsrat möglichen Machtmißbrauch des Vorstands aufdecke. Dabei sollte durch die Einführung des obligatorischen ____________ 52

Nachweise bei Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 68. Zur Debatte über die Konzessionsfrage auch Rdnr. 73. Vgl. zu den Argumenten auch Hopt, S. 32 f. 53 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 79 ff., Laux, S. 50 ff. sowie List, S. 39. 54 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 79. Zu den maßgeblichen Motiven bei Abschaffung des Konzessionssystems vgl. auch List, S. 60. 55 Laux, S. 51. 56 List, S. 41. 57 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 80. 58 Laux, S. 51. 59 Wiethölter, S. 35.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Aufsichtsrats, vor allem ein „Ersatz für die weggefallene Staatsaufsicht“60 geschaffen werden. Der Gesetzgeber ging allen Anschein nach davon aus, daß eine Aufsicht über den Vorstand lediglich durch die Gesellschafter einer Aktiengesellschaft gerade nicht geleistet werden könne. Der Aufsichtsrat erhielt in der Novelle einige Kompetenzen, etwa ein Recht, in die Handelsbücher Einsicht zu nehmen, ebenso wie die Pflicht, Bilanz und Jahresabschluß zu prüfen61. Für die Aufstellung der Bilanz wurden zudem erstmals einheitliche gesetzliche Regeln geschaffen. Ebenso finden sich hier Vorschriften zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung62. Die Gründung ist zwar in der Novelle 1870 ebenfalls in einigen Einzelheiten geregelt, etwa wird ein Mindestbetrag für Aktien vorgesehen. Darüber hinaus werden Aktiengesellschaften nicht eingetragen, wenn nicht der Nachweis über die Zeichnung des gesamten Kapitals erbracht ist, um nur einige Regelungen herauszugreifen63. Dem Aufsichtsrat wurde jedoch keinerlei Prüfungskompetenz im Gründungsstadium zugewiesen. Diesem Fehlen einer effektiven Gründungsprüfung wird die Schuld für die nachfolgenden Krise gegeben64. In den Jahren 1872/ 1873 kam es zu einer bis dahin beispiellosen Krise der Wirtschaft. Nach der Reichsgründung 187165 entstand eine sprunghafte Zunahme der Unternehmensgründungen. List spricht davon, daß allein in Preußen in der Zeit zwischen 1871 und 1873 840 Aktiengesellschaften gegründet wurden, was das Vierfache der bisher überhaupt existierenden Gesellschaften in dieser Rechtsform betrug66. Unter diesen Gründungen befanden sich aber auch eine Reihe von „Schwindelgründungen“, so daß in der Folgezeit die Zahl der Konkurse anstieg67. Parallel mit den vermehrten Konkursen fiel der Börsenkurs der Gesellschaften in dramatischer Weise68, bis es im Oktober 1873 zu einem völligen Kurseinbruch kam. Dies führte dazu, daß immer mehr Stimmen einen ____________ 60

List, S. 41. Ähnlich auch Mestmäcker, S. 85 und Wiethölter, S. 286. List, S. 42, der auch die konkreten Artikel des ADHGB nennt. 62 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 80; auch List, S. 42. 63 Für weitere Regelungen siehe Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 81. 64 Vgl. List, S. 42. Für weitere Gründe vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 83. 65 Zum Zusammenhang mit dem Ende des deutsch-französischen Krieges vgl. List, S. 44 und Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 83. 66 List, S. 44. 67 List, S. 44 gibt als Anteil der Konkurse bezogen auf die Gesamtzahl der neugegründeten Aktiengesellschaften folgendes an: Vor 1871 lag der Anteil bei 5,4 %, dieser stieg 1871 und 1872 jeweils leicht an, nämlich auf 6,9 % und 7,9 %. 1873 dagegen betrug der Anteil der Konkurse 33,3 %. 68 Laux, S. 52 gibt an, daß der Kurswert von 444 Aktiengesellschaften von 1872 bis zum Oktober 1873 um etwa die Hälfte schrumpfte, nämlich von 4.528 Milliarden Mark auf 2.444 Milliarden Mark. 61

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

„effektiven Anlegerschutz“69 forderten. Die hauptsächliche Ursache für die Vielzahl unsolider Gründungen von Aktiengesellschaften wurde, wie erwähnt, in den ungenügenden Gründungsvorschriften gesehen, die zudem offensichtlich zu Umgehungen der gesetzlichen Regelungen einluden70.

3. Die 2. Aktiennovelle von 1884 In der Folge dieser dramatischen Krise kam es zu Diskussionen in der Literatur und der Gesetzgebung an deren Ende die 2. Aktiennovelle von 1884 stand. Die umfangreiche Diskussion vor allem in der Literatur zu den anstehenden Reformen, die bis zu einem völligen Verbot aller Aktiengesellschaften reichten, können hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden71. Eine große Anzahl der Reformanliegen zielte auf eine Verbesserung im Bereich der Gründungsbestimmungen72. Daneben sollte auch die Stellung des Aufsichtsrats als Kontrollorgan gestärkt werden73. Im Reformgesetz von 1884 ____________ 69

Laux, S. 52. Recht anschauliche Beispiele finden sich bei List, S. 45. Etwa wurden bei Sachgründungen die Güter und Dienstleistungen, die an die Stelle einer Geldeinlage traten, massiv überbewertet. Dadurch konnten die Gründer das Vorhandensein von Eigenkapital vortäuschen. Erleichtert wurde dieses Vorgehen dadurch, daß es keinerlei Überprüfung der Bewertungen gab. Weitere Mängel nennt Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 86. Im Gegensatz war die Ursache für die drastischen Kursrückgänge und Unternehmenskrisen der Unternehmen am Neuen Markt in den vergangenen Jahren anders gelagert. Den Unternehmen wurde im Zusammenhang mit einer gewissen Börseneuphorie 1999/2000 der Börsengang sehr leicht gemacht. Die Bewertungen der Unternehmen im Vorfeld einer Börseneinführung waren häufig zu optimistisch. Es herrschte auch die Ansicht vor, daß die klassischen Bewertungsmethoden wie das Ertragswertverfahren oder das Discounted Cash Flow-Verfahren gerade für Start-up Unternehmen nicht sinnvoll seien, da die Ertragslage und die zukünftigen Zahlungsströme zu ungewiß seien. Daher wurde auf andere Verfahren, die auf den Vergleich mit ähnlichen börsennotierten Unternehmen basierten, zurückgegriffen (etwa Multiplikatorverfahren). Später hat sich dann jedoch nicht selten gezeigt, daß die bloßen „Ideen“ und „Konzepte“, die beim Börsengang den Anlegern verkauft wurden, nicht realisierbar waren oder nicht den gewünschten Erfolg hatten. Neben der allgemeinen schlechteren Entwicklung der Börsen waren dies jedenfalls zum Teil die Gründe für den Kursverfall und zum Teil auch die Insolvenzen der Unternehmen. 71 Vgl. hierzu aber List, S. 46 ff., der etwa neben der Interpellation Laskers 1873 als Ausgangspunkt, die Gutachten von Wieners, Goldschmidt und Behrends für den Verein für Socialpolitik nennt, sowie die radikalen Vorschläge, u.a. auch durch von Ihering, welche die Abschaffung der Aktiengesellschaft wollten. Ausführlich auch Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, passim. 72 Etwa schon bei Lasker später auch in den Vorschlägen des 11. und 15. Deutschen Juristentages, vgl. List, S. 58 ff. 73 Zur Kritik am Aufsichtsrat auch Wiethölter, S. 295 ff. und Mestmäcker, S. 85. 70

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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wurde dies auch umgesetzt. So lag ein Schwerpunkt hier in der umfassenden Neuregelung des Gründungsrechts. Dabei sollte eine Kombination von drei Schutzvorkehrungen Abhilfe gegenüber unsoliden Gründungen schaffen: die Publizität der Gründung, die Autonomie der Vorgesellschaft sowie der Ausbau des Gründungsverfahrens74. Die Publizität der Gründung betraf dabei sowohl eine Erweiterung des Mindestinhalts des Gesellschaftsvertrages wie auch die Auflistung von Gründungsaufwand und Gründervorteilen75. Auch mußten die Gründer namentlich erfaßt werden. Daneben wurde auch die Gründungsprüfung eingeführt, die in jedem Fall durch den Gründungsvorstand und den Gründungsaufsichtsrat zu erfolgen hatte, soweit diese selbst als Gründer auftreten auch durch externe Prüfer, sog. Revisoren76. Ein besonderer Schwerpunkt lag darüber hinaus bei den Sachgründungen, bei denen es zu besonders vielen Täuschungen durch die Überbewertung von Einlagen gekommen war. Zum einen wurde hier eine erweiterte Publizität für die Gegenleistungen eingeführt, welche die Aktionäre erhalten hatten, zum anderen sollte die Prüfung durch Revisoren obligatorisch sein77. Schließlich soll aus dem Gründungsrecht noch die Einführung einer persönlichen Haftung der Gründer für die Erfüllung der Pflichten Erwähnung finden78. Bemerkenswert ist im übrigen, daß die Aktiennovelle 1884 zwar die Kapitalaufbringung regelte, aber noch kein bestimmtes Mindestgrundkapital vorschrieb79. Hinsichtlich der Organisationsverfassung ist die Novelle 1884 einerseits von einer Festigung der Stellung des Aufsichtsrats geprägt, andererseits von einer Stärkung der Funktion der Generalversammlung. Letzterer wurde etwa die zwingende Kompetenz übertragen, die Mitglieder des Aufsichtsrats zu wählen. Auch wurde die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats auf ein Jahr nach der Gründung beschränkt, um so dem Einfluß der Gründer entgegenzuwirken80. Daneben wird der Versammlung der Gesellschafter das Recht zugewiesen, die ____________ 74 So Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 65 ff. Dort auch zu Einzelheiten der Regelung. 75 List, S. 75. 76 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 95. 77 List, S. 78 und Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 73 ff. 78 Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 94. Auch Laux, S. 52. Für weitere Änderungen im Gründungsrecht, etwa hinsichtlich Einzelheiten zur Simultanbargründung, Sukzessivgründung, der Aktienliberierung und ihrer Beseitigung sowie einer formalisierten Staatskontrolle, vgl. im einzelnen Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 68 ff. , 75 ff. , 78 ff., 80 ff. 79 Dazu Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 82 ff. mit weiteren Anmerkungen zu diesem Problem. 80 Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 87.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Satzung und die Höhe des Grundkapitals zu ändern. Auch diese Kompetenzen konnten ihr nicht entzogen werden81. Durch Änderungen im Recht des Aufsichtsrats sollte dessen Unabhängigkeit gestärkt werden, was beispielsweise durch eine Regel über die Inkompatibilität einer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat und in der Geschäftsführung erfolgte82. Neben der Trennung der Organe Vorstand und Aufsichtsrat verfolgte der Gesetzgeber 1884 drei weitere Ziele83: Es ging zum einen um eine Präzisierung der Aufgaben und Funktionen des Aufsichtsrats. Dabei sollte verhindert werden, daß die Arbeit durch die Konkurrenz anderer Organe, etwa eines Verwaltungsrates als weiteres Organ, beeinträchtigt wurde84. Zum zweiten wurden die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Pflichten zur Überwachung der Geschäftsleitung verschärft. So wurde etwa aus dem zuvor bestehenden Informationsrecht des Aufsichtsrats eine Informationspflicht85. Die Überwachungsaufgabe wurde durch eine Organhaftung der Mitglieder des Aufsichtsrats abgesichert. Neben den beiden genannten Reformbestrebungen wurden zum dritten die Individual- und Minderheitenrechte der Aktionäre gestärkt sowie die Vorschriften über die Rechnungslegung erweitert86. Wenn man die beschriebenen Veränderungen der Aktiennovelle 1884 mit den oben beschriebenen Vorschriften mit anlegerschützenden Tendenz vergleicht, wird deutlich, daß gerade diese Reform zahlreiche derartige Regelungen in das Aktienrecht eingeführt hat. Besonders deutlich ist dies etwa für das komplexe Gründungsrecht, das in späteren Reformen – bis auf die Abschaffung von Sukzessivgründungen – nur marginal verändert wurde87. Auch die Bedeutung des Aufsichtsrats als obligatorisches Organ, das ein gewisses Gegengewicht auch zur fehlenden unmittelbaren Kontrolle der Gesellschafter schaffen sollte, ist bereits dort angedeutet gewesen. Dies gilt, auch wenn die Organisationsverfassung im Laufe der folgenden Reformen noch zahlreiche Änderungen erfuhr88. ____________ 81

Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 97. Linz, S. 80; Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 98 und Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 92 f. 83 Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 91. 84 Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 93. 85 Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 94. Insgesamt wird im übrigen gerade die Veränderung der Pflichten als zu wenig weitgehend kritisiert, vgl. List, S: 80 und Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 98. 86 Dazu Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 99 und 100. List, S. 80 ff. und Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 96 ff. 87 Ähnlich auch Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 103. 88 Hommelhoff, in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 103 f. 82

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Die Folgezeit war zunächst durch die Bewährung der aktienrechtlichen Regelungen89 nach der Reform 1884 geprägt, mit lediglich kleineren Veränderungen. Eine allein redaktionelle Neuordnung des Aktienrechts erfolgte durch das HGB vom 10. Mai 1897, das im Zusammenhang mit der Verabschiedung des BGB, das ADHGB ablöste. Zudem wurde im HGB systematisch zuerst die Aktiengesellschaft und dann die KGaA geregelt, was dem wirtschaftlichen Gewicht beider Gesellschaftsformen besser entsprechen sollte90.

4. Reformansätze der Weimarer Zeit bis zum AktG 1937 Die nächste größere Reformbewegung91 fällt in die Zeit der Weimarer Republik, wobei es hier um die „Beseitigung des Mißverhältnisses von kodifiziertem Aktienrecht und praktizierter Aktien(wesen)wirklichkeit“92 ging. Im Hintergrund dieses Anliegens stand dabei vor allem der „Strukturwandel der Wirtschaft“ und der „politische Kampf um die Aktiengesellschaft“93. Der angesprochene Strukturwandel war in erster Linie durch einen Konzentrationsprozeß in der Wirtschaft und die Bildung von Großunternehmen geprägt94. Mit der zunehmenden Konzentration verschoben sich auch die tatsächlichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft. Lagen diese früher bei der Generalversammlung so kamen sie jetzt der Verwaltung der Aktiengesellschaft zu. Augenscheinlich wird dies durch die verbreiteten Verwaltungsaktien, die nach Laux Aktien waren, „die der Verwaltung zur Stützung ihrer Stellung und ihres Einflusses zur Verfügung standen, ohne rechtlich eigene Aktien der Aktiengesellschaft zu sein“95. ____________ 89

Vgl. etwa zur Wirkung der Novelle, List, S. 191 ff. Zu erwähnen ist gerade im Hinblick auf den Anlegerschutz, daß es in Folge der Einbrüche einiger Privatbanken 1891 zum Erlaß des Börsengesetzes vom 22. Juni 1898 kam. In diesem wurde zwar die börsenrechtliche Prospektpflicht und Prospekthaftung eingeführt, der jedoch im Bereich des Aktienrechts nur geringe Wirkung beschieden war. Assmann macht darauf aufmerksam, daß sie nur für diejenigen Aktiengesellschaften galt, die an der Börse eingeführt wurden. Sie „blieb wirkungslos, wenn die Aktien – was die Regel darstellte – bereits gezeichnet waren, bevor der Börseneinführungsprospekt publiziert wurde“. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 111. Zum Hintergrund des BörsG auch Hopt, S. 40 f. 90 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 119, dort in Rdnr. 120 auch zu einigen materiellen Änderungen des Aktienrechts, wie etwa die Erweiterung der obligatorischen Gründungsprüfung durch außenstehende Prüfer. 91 Zur Zeit bis dahin, v.a. auch zu der Bedeutung der Aktiengesellschaft in der Kriegswirtschaft (1914–1918), vgl. statt vieler Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 116–128. 92 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 129. 93 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 129 spricht in erster Linie für den „Strukturwandel der Wirtschaft“ von einem Jahrzehntschlagwort. 94 Ausführliche Angaben dazu bei Laux, S. 124 ff. 95 Laux, S. 131. Dort auch zu weiteren Einzelheiten dieser Aktien.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Bei diesen Verwaltungsaktien handelte es sich häufig um Mehrstimmrechtsaktien96, die dem Inhaber ein mehrfaches Stimmrecht zuwiesen. Verstärkte Bedeutung erlangten diese Aktien in der Zeit der Inflation97. Neben den Mehrstimmrechtsaktien entzündete sich die Kritik insbesondere auch am Depotstimmrecht der Banken. Zudem war man um eine Verbesserung der Kapitalbeschaffung durch die Aktiengesellschaft bemüht. Ebenso wie bei den Diskussionen im Vorfeld der Novelle 1884 ist eine umfassende Auseinandersetzung oder auch nur Darstellung der verschiedenen Strömungen an dieser Stelle98 unmöglich zu leisten, so daß auch hier einige Anmerkungen genügen müssen. In den Diskussionen lassen sich im wesentlichen drei Reformrichtungen99 herauslesen: Die erste hatte die Wiederherstellung der Aktiendemokratie zum Ziel. Den Aktionären selbst sollten die Macht und das Recht zur Bestimmung der Angelegenheiten der Gesellschaft wieder zurückgeben werden. Dafür wurde beispielsweise die Abschaffung von Mehrstimmrechtsaktien gefordert. Aber auch das Depotstimmrecht der Banken sollte nur noch aufgrund besonderer Ermächtigung ausgeübt werden dürfen100. Der zweite Reformansatz stand unter dem Einfluß von Rathenau und seiner Idee des „Unternehmens an sich“. Dieser Ansatz sah den Schutz des Unternehmens losgelöst von der privatrechtlichen Verfügungsgewalt, der im Interesse der Gesamtwirtschaft101 erfolgen sollte. Der dritte Ansatz sah nur geringfügige Änderungen zur bisherigen Rechtslage vor und hatte im wesentlichen das Ziel, die bestehende Vorherrschaft des Vorstands zu festigen102. Am Beginn der Reformansätze stehen der 33. Deutsche Juristentag in Heidelberg (1924) und der 34. Deutsche Juristentag in Köln (1926). In beiden ging es vorrangig um die Frage, wie die Zufuhr von Kapital bei Aktiengesellschaften verbessert werden konnte. Dabei wurde auch eine Anlehnung an das angloamerikanische Rechtssystem in den Raum gestellt. Dies wurde jedoch abgelehnt. Als Grund wurde die letztlich mangelnde Übertragbarkeit ausländischer ____________ 96

Zu dem Begriff der Stimmrechtsaktie bzw. der Mehrstimmrechtsaktie bei Laux, S. 131 mit einem Nachweis zu Brodmann, der beide voneinander abgrenzt. 97 Laux, S. 135 mit zahlreichen weiteren Nachweisen in Fußn. 432. 98 Vgl. ausführlich zu den Diskussionen und Stellungnahmen zur Aktienreform in der Weimarer Zeit, Menke, S. 11–23; Meyer, S. 13–30; Laux, S. 157 ff, Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 129–172 und schließlich Schubert / Hommelhoff, Aktienreform mit umfangreichen Materialien, ebenso wie Schubert. 99 Schubert, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 26. 100 Vgl. hier Schubert, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 26. 101 Vgl. wiederum Schubert, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 26 f. Zu Rathenaus Lehre vom „Unternehmen an sich“ ausführlich Laux, v.a. S. 59–90. 102 Schubert, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 27.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Modelle genannt103. Der Juristentag in Köln setzte daraufhin 1926 eine Kommission ein, die von Hachenburg geleitet wurde, und ihren Abschlußbericht 1928 vorlegen konnte104. Der weitere wesentliche Schritt105 kann in der Beschäftigung des Justizministeriums mit dem Reformprojekt gesehen werden. Im Zentrum dieser Beschäftigung steht ein umfangreicher Fragebogen106, der neun Teile enthielt und mehr als 700 Fragen zu allen Bereichen des Aktienrechts stellte. Die Fragen richten sich an betroffene Gruppen aus Wissenschaft und Praxis. Dabei ist vor allem die Antwort des Deutschen Anwaltsvereins bemerkenswert, die in Form eines Gutachtens durch einen Ausschuß erfolgte, dem maßgebliche Juristen angehörten und der wiederum unter dem Vorsitz Hachenburgs tagte107. Unter Berücksichtigung der Antworten wurde im folgenden von Schlegelberger, Quassowski, Schmölder und Ullmann im Sommer 1930 der „Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien“ veröffentlicht108. Inhaltlich beherrschte den Entwurf die Überzeugung, daß sich das Aktienrecht im Grundsatz bewährt hatte. Vorgeschlagen wurden stärkere Kontrolle und Publizität, um ein Ausgleich für die tatsächliche Verschiebung der Macht zugunsten der Verwaltung zu schaffen, die im übrigen jedoch nicht angetastet werden sollte109. ____________ 103

Vgl. Schubert, S. 13 und Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 140. Zur Forderung der eine Anpassung des deutschen Aktienrechts an das Vorbild des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, auch List, S. 121 ff. 104 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 131. Detaillierter zu dieser Kommission und die von ihr eingesetzten Unterkommissionen, auf die der gesamte Stoff verteilt wurde bei Schubert, S. 14 ff. Dort finden sich auch auf den S. 33–158 die Protokolle der Kommission und auf S. 161–206 der Kommissionsbericht. 105 Daneben gab es noch einen weiteren Ausschuß, der sich mit der Aktienreform befaßte, nämlich der „Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft“, der sog. Enquête-Ausschuß, der jedoch nur wenige Vorschläge zu einer Änderung enthielt, vgl. Schubert, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 28 und Schubert, S. 15. 106 Vgl. Schubert, S. 209–291, wo der Fragebogen abgedruckt ist. Die einzelnen Teile befassen sich mit: Gründung; Kapitalbasis; Organisation der Verwaltung; Generalversammlung und Stimmrecht; Schutz der Aktionäre und des Unternehmens – Maß der Auskunftspflicht und Publizität; Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung sowie Gewinnverteilung; Einwirkung der wirtschaftlichen Konzentration; Aktiengesellschaft und öffentliche Hand; Kommanditgesellschaft auf Aktien. 107 Vgl. Schubert, in: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 29; Schubert, S. 16 ff., mit einem Nachweis weiterer Stellungnahmen. Die dabei erstellten Gutachten und Stellungnahmen der einzelnen Verbände sind überdies bei Schubert, S. 293–739 abgedruckt. 108 Schubert, S. 21 ff. Der Entwurf ist wiederum abgedruckt bei Schubert, S. 845– 929. 109 Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 144; List, S. 148, Schubert, S. 13, 22 und Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 30 zu Einzelheiten.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Schon die bisher geschilderten Arbeiten und Entwürfe zur Aktienreform waren überschattet von der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Lage, die in die Weltwirtschaftskrise mündete. Ausgangspunkt für diese waren die USA. Nachdem dort zunächst die Börsenkurse immense Steigerungen verzeichnen konnten, brach am 25. Oktober 1929, dem sog. „Schwarzen Freitag“ die New Yorker Börse zusammen, wobei ein Tagesverlust von 25 Mrd. Dollar zu verzeichnen war110. In Deutschland zeigten sich die Auswirkungen mit gewisser Verspätung. An spektakulären Zusammenbrüchen sei hier die Übernahme der Frankfurter Versicherung (FAVAG) am 22. August 1929 durch die Allianz Versicherungsgesellschaft genannt. Die Lage der FAVAG war insbesondere durch eine jahrelange Mißwirtschaft der Generaldirektion bedingt111. Es folgten 1930 weitere Unternehmenszusammenbrüche. Einen Höhepunkt erreichte die Krise in Deutschland im Sommer 1931 mit dem Zusammenbruch der Nordwolle und der Darmstädter und Nationalbank (DANAT-Bank), was zur sog. Bankenkrise führte112. Im Zusammenhang damit hatte das Kabinett das Reichsjustizministerium aufgefordert, so bald wie möglich einen Entwurf für eine Verordnung zur Aktienreform vorzulegen113. Dem folgte die Reichsregierung durch eine Teilreform, die in der „Verordnung über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie“ vom 19. September 1931 (sog. Notverordnung), verwirklicht wurde114. Inhaltlich115 regelte die Notverordnung zum einen die Voraussetzungen für den Erwerb eigener Aktien, der gegenüber der früheren Rechtslage eingeschränkt wurde. Des weiteren wurden die Überwachungsrechte des Aufsichtsrats gestärkt und dem Vorstand neue Pflichten auferlegt, die die Überwachung erleichterten. Zu nennen sind hier etwa ein erweitertes Informationsrecht des Aufsichtsrats, aber auch die Schaffung einer Unterrichtungspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat und eine Erweiterung der Berichts- und Rechnungslegungspflichten. Ebenso wie schon in der Reform 1884 wurden zudem die Vorschriften, die sich mit der Haftung der Organen befassen, ergänzt. ____________ 110

V.a. List, S. 154. Ebenso detailliert Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 169. 111 Vgl. List, S. 155. 112 So List, S. 156 und Hopt, S. 44. Ähnlich Meyer, S. 19 und Menke, S. 21, die insbesondere den Zusammenbruch bei Nordwolle für 1930 ansetzen, was letztlich an dieser Stelle ohne Belang ist. 113 Schubert, S. 13, 23. Vgl. dazu und zu den Reaktionen auf die Aufforderung auch Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 9, 31. 114 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 144; List, S. 160; Meyer, S. 21 f. Text abgedruckt bei: Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 833–848. 115 Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 145.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Ein Schwerpunkt der Reform lag sicher bei den Erweiterungen der Pflichtprüfungen der Aktiengesellschaften116. Diese betraf im Gegensatz zu 1884 nicht die Gründungsprüfung, die sich nach Ansicht der Reichsregierung bewährt hatte, sondern die Pflichtprüfung des Jahresabschlusses durch unabhängige Bilanzprüfer117. Auch bei dieser Reform, die durch die wirtschaftliche Krise bedingt war, bezogen sich ein Großteil der geänderten Vorschriften auf Bereiche, denen oben anlegerschützende Tendenz zugesprochen worden ist. Deutlich ist dies für die Vorschriften über den Jahresabschluß, sowie die Verstärkung der Vorschriften zur Überwachung der Geschäftsführung, zum einen durch einen Ausbau der Vorschriften zugunsten des Aufsichtsrat, zum anderen auch durch eine Verstärkung der Kontrolle durch externe Sachverständige. Den nach der Notverordnung noch folgenden Diskussionen und einem Entwurf über die Aktienreform von 1931118 war nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten keine unmittelbare Umsetzung mehr beschieden. Der Entwurf erhielt zwar noch einige Stellungnahmen, und es kam zu einigen Sitzungen eines Arbeitsausschusses, der bis Januar 1933 wiederum unter dem Vorsitz Hachenburgs beriet119. An eine Fortführung war jedoch nicht mehr zu denken. Ende 1933 wurde ein Aktienrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht ins Leben gerufen, um eine Aktienrechtsreform zu erarbeiten, die vom „neuen Zeitgeist“120 geprägt war. Einen Abschluß fanden diese Vorarbeiten im Aktiengesetz 1937. Inhaltlich enthielt das Aktiengesetz 1937 eine Verstärkung der Stellung des Vorstands zu Lasten der Hauptversammlung, die seit dem AktG 1937 auch diesen Namen trug statt bisher „Generalversammlung“121. Dem Vorstand wurde die eigenverantwortliche Leitung der Aktiengesellschaft zugeteilt. Neben der Hauptversammlung verliert auch der Aufsichtsrat an Kompetenzen. Dieser wird jetzt ein reines Überwachungsorgan. Eine Zuweisung weiterer Kompetenzen durch die Satzung, was zuvor noch möglich war, ist nun ausgeschlossen. Die Vorschriften über die Publizität und Rechnungslegung wurden im AktG 1937 wiederum erweitert. Zudem finden sich auch ____________ 116

Ähnlich List, 161 und Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 146. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 146. 118 Siehe zum Text des Entwurfs vom Oktober 1931, Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 849–906 mit den Erläuterungen des Reichsjustizministeriums, Schubert / Hommelhoff, Aktienreform, S. 907–937. 119 Vgl. Schubert, S. 25 und Semler, in: MünchKomm. AktG Einl. Rdnr. 25. 120 Vgl. Nachweise bei Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 150–162, der auch ausführlich die genauen Beratungen nachzeichnet. Für den Spezialaspekt der Rechnungsprüfung auch List, S. 177 ff. 121 Darin kann durchaus die Durchsetzung des Führerprinzips im Aktienrecht gesehen werden, vgl. auch List, S. 183; Hueck, § 20 II, S. 179; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 1 Rdnr. 12. 117

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Vorschriften, welche die Kapitalausstattung und Kapitalbeschaffung der Aktiengesellschaft betreffen. Genannt werden soll hier nur die Heraufsetzung des Grundkapitals auf 500.000 Reichsmark122. Schließlich finden sich im AktG 1937 ausführliche Vorschriften zur Anfechtung und Nichtigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung und Bestimmungen über die Umwandlung123. Insgesamt läßt sich festhalten, daß in zahlreichen Bereichen, sich jedenfalls inhaltlich die Verpflichtung des AktG 1937 an die Reformdiskussionen der Weimarer Zeit zeigt. Dagegen wurde das Gesetz nicht in erster Linie von typisch nationalsozialistischem Gedankengut geprägt124, wenn man von der starken Stellung des Vorstands, in der durchaus das „Führerprinzip“ verwirklicht war, absieht. Wie schon zuvor, betrifft die Reform durch das AktG 1937 insbesondere im Bereich Publizität und Rechnungslegung wiederum Vorschriften, denen jedenfalls auch eine anlegerschützende Tendenz zugewiesen werden kann.

5. Die Aktienreform durch das AktG 1965 Das AktG 1937 galt im wesentlichen in der Bundesrepublik bis zur Aktienreform 1965125. Auch von dieser Reform können unmöglich die einzelnen Schritte und Diskussionsbeiträge insbesondere in der Wissenschaft, aber auch durch die Regierungsentwürfe nachgezeichnet werden126. Gleichwohl zu erwähnen sind einerseits der 39. Deutsche Juristentag 1952 und der 42. Deutsche Juristentag 1957. Letzterer beschäftigte sich in erster Linie mit konzernrechtlichen Fragen127. 1958 wurde in der Folge vom Bundesjustizministerium ein Entwurf eines neuen Aktienrechtes erarbeitet. Neben ausführlichen konzernrechtlichen Vorschriften standen die Kompetenzverteilung der Organe, die ____________ 122

Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 165, dort auch zu weiteren Einzelheiten im Bereich der Kapitalbeschaffung. 123 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 166. 124 So auch Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 168; Semler, in: MünchKomm. AktG Einl. Rdnr. 26; Hueck, § 20 II, S. 179 und List, S. 185. Vgl. auch die Bewertung bei Wiethölter, S. 46 und bei Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG, Vorb. Rdnr. 17. 125 Vgl. dazu v.a. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 172. 126 Siehe hierzu Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 184 ff.; Semler, in: MünchKomm. AktG Einl. Rdnr. 32 ff. und Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG, Vorb. Rdnr. 17 ff. 127 Vgl. zu beiden statt vieler Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 185 und 186.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

545

Finanzierungsmöglichkeiten, wobei vor allem verschiedene Möglichkeiten zur Kapitalerhöhung vorgesehen wurden, und wiederum die Rechnungslegung im Zentrum des Entwurfs128. In Folge des Entwurfs kam es zu einer großen Anzahl von Stellungnahmen aus Wissenschaft und Praxis, die bei der Erarbeitung des Regierungsentwurfs von 1960 berücksichtigt wurden129. Im darauf folgenden parlamentarischen Verfahren und wiederum unter Berücksichtigung der Diskussionsbeiträge, die aufgrund des Regierungsentwurfes ergingen, wurde schließlich das Aktiengesetz am 6. September 1965 neu verkündet130. Die Reform des Aktienrechts 1965 wurde im Gegensatz zu den oben geschilderten früheren Reformen nicht durch konkrete sich manifestierende Mißstände hervorgerufen. Im Zentrum der Reform stand – so Mülbert – die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs, wobei der Gesetzgeber „die Teilnahme der einzelnen Aktionäre am Leben der Gesellschaft aktivieren und die Ausübung ihrer Rechte, insbesondere des Stimmrechts, wirksamer gestalten“131 wollte. Dabei fanden drei Themenbereiche beim AktG 1965 besondere Berücksichtigung132: (1) Die Verstärkung des Einflusses der Aktionäre und der Hauptversammlung, (2) die Verbesserung der Publizität und des diese insofern ergänzenden Auskunftsrechts sowie (3) der Schutz der Minderheitsaktionäre im Konzern. Daneben fand auch § 23 Abs. 5 AktG Eingang in das Aktiengesetz, durch den die grundsätzliche Einordnung der aktienrechtlichen Vorschriften als zwingendes Recht festgeschrieben wurde. Ohne hier auf die Einzelheiten eingehen zu können, ist auch bei diesen Regelungen wiederum an die kapitalmarktlichen Zwecke zu erinnern133. Dies gilt in besonderem Maße für die Publizität und das Auskunftsrecht. Aber auch die Begrenzung der Satzungsautonomie durch § 23 Abs. 5 AktG kann unter dem Blickwinkel des Anlegerschutzes verstanden werden. Insgesamt zeichnet sich das AktG 1965 dadurch aus, daß es, ____________ 128

Im einzelnen Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 193–198. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 198 mit zahlreichen Nachweisen zu den Stellungnahmen. 130 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 208. 131 Regierungsbegründung zum AktG 1965, zitiert nach Mülbert, S. 63. 132 Ähnlich Eckardt, in: Geßler / Hefermehl, AktG, Vorb. Rdnr. 29 und Semler, MünchKomm. AktG Einl. Rdnr. 38 ff. 133 Ausführlich zur Ausrichtung des AktG 1965 gerade vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Gesetzgebers, die Aktiengesellschaft als am Kapitalmarkt finanzierte Gesellschaft auszugestalten, Mülbert, S. 62 ff. Dieser geht auch an mehreren Stellen auf die anlegerschützenden Vorschriften des AktG 1965 ein, etwa S. 78 ff., aber auch im gesamten dritten Teil, in dem er die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen den „Polen Verbandsmitgliedschaft und Kapitalanlegerstellung“ anhand zahlreicher Einzelvorschriften erörtert. Darauf sei hier verwiesen, so daß von weiteren Ausführungen zum Akt 1965 abgesehen wird. 129

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

wie mehrfach erwähnt, die Kapitalsammelfunktion der Aktiengesellschaft in das Zentrum seiner Überlegungen stellt und somit jedenfalls indirekt auch Anlegerschutz mit verwirklichen wollte.

6. Resümee der geschichtlichen Entwicklung Will man die gesamten geschilderten Reformen zusammenfassen, so fällt folgendes auf: Gerade bei der Reform 1884 aber auch in den 30er Jahren, die durch einen zum Teil konkreten Mißbrauch der Rechtsform der Aktiengesellschaft bedingt waren, setzte der Gesetzgeber in erster Linie auf der Ebene des Aktienrechts an134. Dabei wurden Vorschriften, wie etwa die Gründungsvorschriften in der Novelle 1884 oder die zahlreichen Verschärfungen im Bereich der Rechnungslegung und Publizität geschaffen bzw. erweitert, denen jedenfalls auch eine anlegerschützende Tendenz zukommt. Seit dem Übergang vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen waren damit die Reaktionen auf den Mißbrauch der Aktiengesellschaft in Deutschland durch eine zunehmende Verschärfung der Vorschriften und immer kompliziertere aktienrechtliche Regelungen gekennzeichnet. Daraus zeigt sich die Orientierung des Anlegerschutzes insbesondere auf der Ebene des Aktienrechts, wobei das abstrakte Leitbild der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Kreis anonymer Anleger maßgeblich war135. Es wurde nicht danach differenziert, ob eine Aktiengesellschaft tatsächlich sich des öffentlichen Kapitalmarktes bedient, also Anleger hatte, oder personalistisch, kapitalmarktfern war. Um auch für personenbezogene und kapitalmarktferne Unternehmen eine passende Gesellschaftsform zu haben, wurde 1892 die GmbH geschaffen.

II. Geschichtliche Entwicklung in den USA Es wurde bereits oben im Zusammenhang mit den Rechtsquellen des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts darauf hingewiesen, daß der Übergang vom Konzessionssystem zum Normativsystem in den USA bei weitem früher erfolgte als in Deutschland. Selbst wenn man auf den spätesten in der Literatur

____________ 134 Auch wenn noch einmal an das BörsG von 1896 und das Kreditwesengesetz von 1934 erinnert sei, vgl. zu letzterem auch Hopt, S. 45 f. 135 Zur Anzahl der tatsächlich börsennotierten Aktiengesellschaften vgl. oben etwa unter § 1 A. sowie unter § 6 Vorbemerkung vor A.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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genannten Zeitpunkt bei Hamilton136 abstellt, der von 1840 spricht, ist dies immer noch gut 30 Jahre vor einer entsprechenden Entwicklung in Deutschland.

1. Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den US-amerikanischen Einzelstaaten a) Erste gesellschaftsrechtliche Gesetze der Einzelstaaten Die ersten Gesetze, die das System der Normativbestimmungen umsetzten, enthielten noch eine Vielzahl von äußerst strikten Beschränkungen137. Üblich war beispielsweise eine Beschränkung des Stammkapitals nach oben. Dabei variierte in einigen Staaten das zulässige Höchstkapital, je nachdem um welche Art von Gesellschaft es sich handelte138. Neben der Beschränkung des Kapitals waren auch die Zwecke, zu denen eine Gesellschaft gegründet werden durfte, eingeschränkt. Zunächst konnten Gesellschaften nur für solche Zwecke gegründet werden, die typischerweise einen hohen Kapitalbedarf mit sich brachten, wie etwa Transport, Eisenbahn oder Banken. Bis 1875 war es unüblich, als zulässigen Gesellschaftszweck any lawful purpose (jeden rechtmäßigen Zweck) zuzulassen139. Einige Gesellschaftszwecke waren sogar explizit verboten. So durften Gesellschaften nicht selbst Anteile anderer Gesellschaften besitzen und konnten somit keine Holdinggesellschaften sein. Des weiteren gab es zeitliche Begrenzungen für die Tätigkeit der Gesellschaft, die zwischen zehn und 50 Jahren lagen140. Zum Teil mußten auch die Gründer oder die directors einer

____________ 136

Hamilton, S. 13. Henn / Alexander sprechen von dem ersten general incorporation law schon 1785 in North Carolina, gefolgt von Massachusetts 1799 und New York 1811; Cox / Hazen / O’Neal erwähnen das New Yorker Gesetz aus dem Jahre 1811 als erstes Gesetz, das die Gründung nicht mehr von einer staatlichen Genehmigung abhängig macht, § 2.4. Ebenso Hopt, S. 35. 137 Vgl. Chief Justice Brandeis (dissenting opinion), in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 549; 53 S.Ct. 481 (1933) ausführlich zur Geschichte des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts. 138 Brandeis nennt als Beispiele die Gesellschaftsrechte von New York und Massachussetts, 288 U.S. 517, 551 ff. mit ausführlichen Nachweisen in Fußn. 5 ff. Ihm folgend Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 245 (1984) und Lattin, S. 177. 139 So Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 555 (1933) und Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 245 (1984) jeweils mit zahlreichen Nachweisen. Ebenso Lattin, S. 177. 140 Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 555 (1933) und Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 245 (1984).

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Gesellschaft oder beide Einwohner des Gründungsstaats sein. Dies sind nur einige der erwähnten Beschränkungen141. Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich die Einstellung der Staaten und es kam zu einer allgemeinen Deregulierung der Gesellschaftsrechte. Jeder der Staaten versuchte möglichst viele Gründungen von Gesellschaften in seinem Gebiet zu haben, insbesondere um durch dann fällige Steuern und Gebühren sich eine Einnahmequelle zu erschließen.

b) International-privatrechtliche Hintergründe Die erste Deregulierungsphase, der damit verbundene Beginn eines „Wettbewerbs der Rechtssysteme“ sowie die Entwicklung des Gesellschaftsrechts der US-amerikanischen Einzelstaaten bis heute läßt sich nur vor dem Hintergrund des US-amerikanischen internationalen Gesellschaftsrechts verstehen. In diesem Zusammenhang sind zwei Entscheidungen des U.S. Supreme Court von maßgeblicher Bedeutung, die in den Jahren 1839 bzw. 1868 gefällt wurden. In beiden Entscheidungen142 geht es um die Anerkennung von Gesellschaften in einem anderen Staat als dem Gründungsstaat. Ohne eine derartige Anerkennung wäre ein „Wettbewerb der Rechtssysteme“ zwischen den verschiedenen USamerikanischen Einzelstaaten nicht möglich gewesen. Jemand, der eine Gesellschaft gründen will, wird sich nur dann dafür entscheiden, diese nicht in dem Staat zu gründen, in dem er hauptsächlich tätig werden will, wenn sie auch außerhalb der Jurisdiktion anerkannt wird, in der sie gegründet wurde143.

aa) Bank of Augusta v. Earle Eine frühe Entscheidung, in der sich das Problem der Anerkennung einer Gesellschaft in einer anderen Jurisdiktion gestellt hat, war Bank of Augusta v. Earle144, die der U.S. Supreme Court im Jahre 1839 zu entscheiden hatte.

____________ 141

Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 555 (1933) und Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 245 (1984). Dort auch jeweils zu weiteren üblichen Beschränkungen der ersten Jahre und zu Beschränkungen, die sich aus dem case law ergaben. 142 Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. (13 Pet.) 519 (1839); Paul v. Virginia, 75 U.S. 168, 19 L.Ed. 357, 8 Wall. 168 (1868). 143 Dies sieht auch Blackburn, 3 Geo. Mason Independent L. Rev. 1, 11 (1994) als wesentlichen Aspekt für jede Rechtsvereinheitlichung an. 144 Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. (13 Pet.) 519 (1839).

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Die Bank of Augusta war eine Gesellschaft, die nach dem Recht des Staates Georgia gegründet worden war. Joseph B. Earle, ein Bürger des Staates Alabama, hatte einen Wechsel indossiert, der auf den 3. November 1837 in Mobil, Alabama, mit einem Zahlungsziel von 60 Tagen ausgestellt war. Der Wechsel sollte durch die Bank of Augusta diskontiert werden. Nachdem es zu keiner Zahlung kam, klagte die Bank of Augusta, gegen Herrn Earle. Der U.S. Supreme Court wies die Klage ab. Voraussetzung des Anspruches wäre, daß die Bank einen wirksamen Vertrag unter dem Recht des Staates Alabama geschlossen hätte145. Dies setze jedoch voraus, daß sie überhaupt in einem anderen Staat tätig werden dürfe. Die Klägerin selbst hatte sich hierzu darauf berufen, „Bürger“ des Staates Georgia zu sein. Als solcher garantiere ihr Art. IV Sec. 2 und Art. XIV Sec. 1 der Bundesverfassung, daß sie zu allen Rechten und Privilegien in den übrigen Staaten berechtigt sei. Soweit diese Bestimmungen nicht für die Gesellschaft selbst anwendbar seien, müßte jedenfalls auf die Gesellschafter zurückgegriffen werden, die sich auf die Bestimmungen der Bundesverfassung berufen könnten. Der Berichterstatter Chief Justice Taney lehnte diese Ansicht ab. Er erklärte, daß eine Gesellschaft grundsätzlich nur in den Grenzen des Gründungsstaates als existent behandelt werden könne: „It is true that a corporation can have no legal existence out of the boundaries of the sovereignty by which it is created. It exists only in contemplation of law, and by force of the law; and where that law ceases to operate, and is no longer obligatory, the corporation can have no existence. It must dwell in the place of its creation, and cannot migrate to another sovereignty“146. Auch sei es nicht möglich, auf die Gesellschafter als natürliche Personen zurückzugreifen und dadurch indirekt die Gesellschaft selbst anzuerkennen. Wenn auf die natürlichen Personen in dieser Hinsicht durchgegriffen werden könnte, müßten diese andererseits auch für die entsprechenden Verträge voll haften. Anderenfalls würden sie mehr Rechte und Privilegien genießen als die Bürger des eigenen Staates. Eine volle Haftung hätte aber zur Folge, daß aus der corporation eine partnership geworden wäre, in der alle Gesellschafter mit ihrem gesamten Vermögen haften würden147.

____________ 145

Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. (13 Pet.) 519, 522 (1839). Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. (13 Pet.) 519, 588 (1839). 147 Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. (13 Pet.) 519, 586 (1839): „The result of this would be to make a corporation a mere partnership in business, in which each stockholder would be liable to the whole extend to his property for the debts of the corporation“. 146

550

4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

bb) Paul v. Virginia Etwa dreißig Jahre später, im Jahre 1868, hatte der U.S. Supreme Court in Paul v. Virginia148 über ein ähnliches Problem zu entscheiden. Der Staat Virginia hatte 1866 ein Gesetz erlassen, daß Versicherungsgesellschaften, die nach den Gesetzen eines anderen Staates gegründet waren, in Virginia nur tätig werden durften, wenn sie zuvor eine Lizenz erworben hatten. Samuel Paul, ein Bürger des Staates Virginia, wurde für eine Versicherungsgesellschaft, die nach dem Recht von New York gegründet worden war, tätig. Ein Antrag auf Erteilung einer Lizenz wurde abgelehnt. Er ging gleichwohl seiner Tätigkeit nach, ohne eine entsprechende Lizenz zu haben. Daher wurde er zu einer Geldstrafe von $ 50 verurteilt, gegen die er sich durch Klage wandte. Auch in dieser Entscheidung wurde zunächst von Richter Field, der die Entscheidung für den Supreme Court verfaßte, klargestellt, daß eine Gesellschaft selbst nicht „Bürger“ im Sinne der oben angesprochenen Verfassungsbestimmungen sei, und sich daher nicht darauf berufen könne, in allen Staaten die gleichen Rechte und Privilegien zu genießen, wie Bürger des entsprechenden Staates. Der commerce clause in Art. 1 Sec. 8 Satz 3 der Bundesverfassung gelte aber grundsätzlich auch für Gesellschaften. Die Folge sei, daß die Bestimmungen der Einzelstaaten nicht den interstate commerce behindern dürften149. Lediglich im zu entscheidenden Fall könnte sich die Gesellschaft auf diese Klausel nicht berufen. Als Versicherung schließe sie keine Verträge, die als commerce, also Handel, bezeichnet werden könnten150.

____________ 148

Paul v. Virginia, 75 U.S. 168, 19 L.Ed. 357, 8 Wall. 168 (1868). Vgl. Blackburn, 3 Geo. Mason Independent L. Rev. 1, 31 (1994) und zur Beurteilung auch ausführlich Buxbaum / Hopt, S. 36 ff. zum privileges und immunities clause und S. 40 ff. zum commerce clause. Jedenfalls mißverständlich Korner, S. 63. Dieser zitiert die Entscheidung Paul v. Virginia lediglich mit dem Ausspruch „The corporation being the mere creature of local law, can have no existence beyond the limits of sovereignty which created it.“ Er weist aber nicht auf darauf hin, daß dies lediglich darin begründet ist, daß es sich bei der konkreten Gesellschaft um ein Versicherungsunternehmen handelt, daß nicht unter den commerce clause fällt. Zu dieser Differenzierung ausdrücklich Western Union Teleg. Co. v. Kansas ex rel Coleman, 216 U.S. 1, 34 (1910). 150 Paul v. Virginia, 75 U.S. 168, 183 (1868). Unter commerce fallen nur Geschäfte, die Handel oder Tausch (trade or barter) zum Inhalt haben, nicht aber Versicherungen. Anders dann in United States v. South-Eastern Underwriters Association, 322 U.S. 533, insb. 540 ff., 545 (1943). Dort hat der Supreme Court den Begriff des commerce im Sinne des commerce clause weiter gefaßt und auch Versicherungen darunter gezählt. Dagegen wiederum der McCarran-Ferguson Act von 1945, vgl. Buxbaum / Hopt, S. 48 und 143. 149

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Durch diesen Bezug auf den commerce clause war den Einzelstaaten die Kontrolle über fremde Gesellschaften weitgehend entzogen. Sie konnten zwar Regelungen für ihre eigene Gesellschaften aufstellen, nicht aber solche, die Gesellschaften aus anderen Staaten behinderten151. Als Folge der Entscheidung Paul v. Virginia mußten Gesellschaften aus anderen Jurisdiktionen anerkannt werden, wenn sonst der commerce clause beeinträchtigt werden würde152. Um die Frage zu entscheiden, ob eine Anerkennung stattfinden mußte, war ein Blick auf den Gründungsstaat nötig. Dies wurde auch von den Gerichten in späteren Entscheidungen bestätigt. So führte der U.S. Supreme Court in Western Union Teleg. Co. v. Kansas ex rel Coleman153 aus: „[A] corporation of one state, authorized by its charter to engage in lawful commerce among the states, my not be prevented by another state from coming into its limits for all the legitimate purposes of such commerce.“ Wenn dort eine Gesellschaft wirksam gegründet worden war, wäre es ein Verstoß gegen den commerce clause ihr gleichwohl die Anerkennung zu verweigern154.

cc) Ergebnis Eine Gesellschaft, die in einem US-amerikanischen Einzelstaat wirksam gegründet wird, wird in Folge der zitierten Entscheidungen in jedem anderen Einzelstaat anerkannt. Die USA folgt somit der Gründungstheorie. Für die Gründer einer Gesellschaft ist es aus Sicht des internationalen Privatrechts grundsätzlich ohne Belang, ob sie in dem Gründungsstaat auch tatsächlich ihre Geschäfte ausüben wollen. Sie können den Gründungsstaat vielmehr frei wählen. Dabei werden sie für die Gründung ihrer Gesellschaft den Staat bevorzugen, dessen Regeln ihnen am vorteilhaftesten erscheinen155.

____________ 151

Ähnlich Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 243 (1984), sowie Henn / Alexander, S. 26. Ebenso in späteren Entscheidungen ausdrücklich vgl. Western Union Teleg. Co. v. Kansas ex rel Coleman, 216 U.S. 1, 27 (1910) und Pullmann Co. v. Kansas ex rel. Coleman 216 U.S. 56, 62 (1910). 153 216 U.S. 1, 27 (1910). 154 So auch Korner, S. 77 Fußn. 114; Ehrenzweig, S. 415 und Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 549. 155 Vgl. insgesamt zum internationalen Gesellschaftsrecht die Ausführungen unten in § 14 B. 152

552

4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

c) Die erste Deregulierungsphase aa) New Jersey In der bereits angesprochenen ersten Deregulierungsphase spielte New Jersey eine entscheidende Rolle und wurde zur ersten mother of corporation156 bzw. mother of trusts157. New Jersey erließ im Jahre 1846 sein erstes General Corporation Law. Hiernach mußte eine Gesellschaft lediglich bestimmten Normativbestimmungen entsprechen. Eine spezielle Zulassung war hingegen nicht mehr erforderlich. Für eine Übergangszeit bis etwa 1875 gab es in New Jersey ein duales System. Die Gründung einer Gesellschaft gemäß des General Corporation Law war möglich geworden, eine Gründung durch ein Einzelgesetz war aber nicht gesetzlich verboten und wurde weiterhin praktiziert, da die Anforderungen des General Corporation Law – wie bereits allgemein angesprochen – zum Teil relativ hoch waren158. Gegen die Zulassung von Gesellschaften durch Einzelgesetze gab es schon bald eine breite Gegnerschaft, die darin vor allem den gesetzgeberischen Aufwand kritisierte ebenso wie die Gefahr der Korruption. Als Antwort auf die Gegenstimmen wurde 1875 die Verfassung von New Jersey geändert und die Gesellschaftsgründung durch Einzelgesetz ausdrücklich verboten159. Der Sieg der Gegner der Kapitalgesellschaften war aber nur von kurzer Dauer. 1884 kam es zu einem Regierungswechsel in New Jersey. An Stelle des bisherigen republikanischen Gouverneurs Ludlow trat der demokratische Kandidat Abbett160. In seinem Wahlkampf hatte die Steuergesetzgebung eine maßgebliche Rolle gespielt. Kurz nach dem Machtwechsel erfuhr dann auch die Steuergesetzgebung New Jerseys eine Änderung, wobei neben den Steuern für Eisenbahnen auch die Gründungssteuer (franchise tax) für Gesellschaften erhöht wurde. Dill, ein Anwalt aus New York, der auf Gesellschaftsrecht spezialisiert war, hatte einen Plan, wie New Jersey das Steueraufkommen insbesondere durch franchise taxes erhöhen könnte. Er schlug vor, das General Corporation Law zu liberalisieren, also es für die Gründer und das Management attraktiver zu machen, und so die Gesellschaften zu einem Wechsel nach New Jersey zu ____________ 156

So Henn / Alexander, S. 26; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 550. So Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 246 (1984) und Cox / Hazen / O'Neal § 2.4. 158 Vgl. hierzu mit weiteren Einzelheiten Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 246 (1984). 159 Damit folgte New Jersey einer allgemeinen Tendenz. Zuvor waren bereits 18 andere Einzelstaaten denselben Schritt gegangen, vgl. Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 246 f. (1984). 160 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 247 (1984). 157

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

553

bewegen. Folge dieser Maßnahme wäre die Steigerung der Gründungssteuer, womit die finanziellen Probleme New Jerseys gelöst wären161. Dills Plan wurde umgesetzt und es kam zwischen 1888 und 1893 zu zahlreichen Änderungen des General Corporation Laws von New Jersey, die jedesmal eine Liberalisierung zum Inhalt hatten. So wurde etwa 1888 das Verbot aufgehoben, daß eine Gesellschaft keine Anteile einer anderen Gesellschaft erwerben und halten dürfte und 1892 wurde einer Gesellschaft erlaubt, ihr gesamtes Geschäft außerhalb New Jerseys zu betreiben162. 1896 beschloß New Jersey schließlich eine umfassende Revision seines Gesellschaftsrechts, die wiederum hauptsächlich auf den Plänen von Dill beruhte. Eine Einschränkung der zulässigen Gesellschaftszwecke gab es nicht mehr, auch waren beispielsweise nach der Novelle Sacheinlagen für die Gründer möglich, wobei die Beweislast hinsichtlich des Wertes der Einlage für den Gründer günstig ausgestaltet waren163. New Jersey hatte einen durchschlagenden Erfolg. Nachdem im Jahre 1874 nur 38 Gesellschaften in New Jersey gegründet wurden, waren es fünf Jahre später schon 168. 1889 stieg die Zahl auf 685 Gesellschaften und 1899 auf 2.186 Gesellschaften. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man auf die Gesamtsumme des autorisierten Aktienkapitals blickt, das von $ 17 Mio. im Jahre 1878, über $ 172 Mio. in 1889 auf $ 3,3 Mrd. im Jahre 1899 stieg164.

____________ 161 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 247 (1984). Dill hatte zuvor den Plan bereits in New York vorgestellt, ohne auf allzu große Resonanz gestoßen zu sein. Kirk nimmt an, daß die finanziellen Schwierigkeiten von New York bei weitem nicht so drängend waren, wie diejenigen von New Jersey. Vgl. auch Charney, 32 Harv. Int’l L.J. 423, 427 (1991) und Nader / Green / Seligman, S. 43 f. 162 Vgl. im einzelnen wiederum Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 247 (1984). Ebenso Cox / Hazen / O'Neal, § 2.4. 163 Diese Bestimmung ist als Reaktion auf die Entscheidung Libby v. Tobey, 82 Me. 397, 19 A. 904 (1890) des Supreme Judical Court of Maine zu sehen. Das Gericht ließ in dieser Entscheidung zwar Sacheinlagen zu, aber nur soweit der wahre Wert (true value) der Sacheinlage berücksichtigt wurde. Dabei lag die Beweislast bei dem Gesellschafter, der die Sacheinlage anstelle einer Bareinlage erbringen wollte. New Jersey sah als Grenze einer Sacheinlage den Betrug an und veränderte zudem in seinem Gesetz die Beweislast. Dazu und zu weiteren Details des Gesetzes Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 248 (1984). Vgl. auch Cary, 83 Yale L. J. 663, 664 (1974); Cox / Hazen / O'Neal § 2.4.; Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1443 (1992); Nader / Green / Seligman, S. 45. 164 Zu allen diesen Zahlen vgl. Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 249 (1984) m.w.N. und Beispiele dazu, welche Gesellschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts als New Jersey Corporation gegründet waren. Vgl. auch Nader / Green / Seligman, S. 46 und Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 550 Fußn. 19.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

New Jersey war somit der Staat, der erfolgreich den sog. race to the bottom165 begann. Andere Staaten gerieten durch die erfolgreiche Politik New Jerseys in Schwierigkeiten. So kamen viele Gesellschaften, die sich in New Jersey niederließen aus New York, wobei die geographische Lage New Jerseys wohl auch eine Rolle spielte. New York liberalisierte daraufhin 1890 ebenfalls sein Gesellschaftsrecht. So hob es die Bestimmungen über ein Höchstkapital auf und ließ in begrenzter Zahl Gesellschafter zu, die ihrerseits Gesellschaften waren166. Insgesamt konnte New York aber gegenüber New Jersey nicht aufholen. Anschaulich ist in diesem Zusammenhang das Verhalten New Yorks gegenüber der General Electric Company. Im Jahre 1892 gewährte New York der Gesellschaft die Gründung durch ein Einzelfallgesetz, in das die meisten der liberalen Bestimmungen des General Corporation Law von New Jersey aufgenommen war. Grund dafür war, daß New York die Gesellschaft dazu bewegen wollte, in New York zu bleiben und sich nicht in New Jersey niederzulassen, was erhebliche wirtschaftliche Nachteile für New York nach sich gezogen hätte167. Neben New York versuchten auch andere Staaten dem Beispiel von New Jersey zu folgen. So erließen in den folgenden Jahren etwa auch Maine, West Virginia, Arizona und South Dakota liberalisierte General Corporation Codes168.

bb) Delaware Ein weiterer Staat, der den Deregulierungsansatz übernahm, war Delaware. Anfangs war das Gesellschaftsrecht Delawares ebenso restriktiv wie das zahlreicher anderer Staaten. So verlangte die Verfassung Delawares von 1831 etwa, daß für eine Gesellschaftsgründung die Zustimmung von zwei Drittel der Stimmen beider Gesetzgebungsorgane gegeben sein muß. Zudem war ursprünglich die Dauer einer Gesellschaft auf 20 Jahre beschränkt und eine Gründung war nur für spezielle Gesellschaftszwecke zulässig169. ____________ 165 Zu diesem Begriff, der zur Bewertung des allgemeinen Deregulierungswettlauf gebraucht wurde, vgl. unten unter 2. a). 166 Vgl. Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 560 (1933) und Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 250 (1984). 167 Der Gouverneur von New York Flowers führte zu diesem Schritt aus, daß dadurch eine Gesellschaft innerhalb des Staates geblieben ist „which professes to be ready to invest a large amount of capital, and which, without the concessions allowed by its proposed charter, would be incorporated under the laws of New Jersey“. Dazu Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 250 (1984). 168 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 250 (1984); Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 557 ff. (1933) insb. Fußn. 34 und 35. 169 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 250 (1984).

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1875 wurde die Verfassung geändert. Für einige Gesellschaftszwecke, wie religiöse, wohltätige und literarische Zwecke, aber auch zur Herstellung oder Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln170 waren Gesellschaftsgründungen ohne Konzession zulässig171. Eine tatsächliche Veränderung erfolgte jedoch mit der Novelle der Verfassung im Jahre 1897 und in noch stärkerem Maße mit dem Erlaß eines General Corporation Law172 nach dem Vorbild New Jerseys. Die neuen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen erlaubten großen Gesellschaften, daß sie ihre Geschäfte außerhalb von Delaware betreiben durften. Lediglich ein Mitglied der Verwaltung mußte Einwohner von Delaware sein und die Gesellschafterversammlungen konnten in einem anderen Staat abgehalten werden, soweit dies in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen war173. Zu den gesellschaftsrechtlichen Regelungen kam eine Änderung des Steuerrechts hinzu. Hierdurch sollte Delaware für die Gesellschaften noch attraktiver werden als bis dato New Jersey. Sowohl die Gebühr bei der Anmeldung der Gesellschaft lag in Delaware unter derjenigen in New Jersey, als auch bei den jährlichen Gesellschaftssteuern unterbot Delaware New Jersey174. In der Folgezeit novellierte Delaware sein General Corporation Law mehrfach und versuchte jeweils auf die Interessen der Gründer und des Managements besondere Rücksicht zu nehmen. Die Bemühungen Delawares führten auch zu einer Zunahme der Gesellschaftsgründungen, ohne jedoch zunächst New Jersey den Rang abzulaufen175. Erst ab 1913 konnte Delaware die Spitzenstellung New Jerseys übernehmen. Dies lag aber nicht so sehr an der Gesetzgebung in Delaware als vielmehr an derjenigen in New Jersey. Wilson initiierte als Gouverneur von New Jersey eine Kartellgesetzgebung, die als seven sisters in die Geschichte eingegangen ist.

____________ 170

Vgl. im einzelnen Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 250 (1984). Delaware machte damit den Schritt vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen erheblich später als andere US-amerikanische Einzelstaaten. Vgl. dazu schon § 2 C II sowie § 11 B II Vorbemerkung vor 1 zum Übergang vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen in anderen Staaten. 172 Einzelheiten zur Verfassungsänderung 1897 und dem Erlaß des general corporation law bei Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 251 ff. (1984). Kritisch auch Nader / Green / Seligman, S. 50 f. 173 Vgl. dazu und zum Inhalt des general corporation law im einzelnen Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 253 (1984). 174 Siehe dazu Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 253 (1984) und Nader / Green / Seligman, S. 50. 175 Vgl. die Zahlen bei Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 254 f. (1984). 171

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Neben Regelungen, die sich gegen die Errichtung von Monopolen und gegen Wettbewerbsbeschränkungen richteten, wurde darin die Gründung neuer Holdinggesellschaften verboten176. Als Reaktion auf diese Gesetzgebung entschieden sich viele, ihre neuen Gesellschaften nicht in New Jersey zu gründen. Dies kann man auch daran sehen, daß zwischen 1912 und 1914 die Anzahl der Neugründungen von 1.900 auf 1.280 fiel177. Zwar wurden 1917 die Gesetze wegen der drastischen Folgen für die Steuereinnahmen wieder aufgehoben. Dies konnte aber den Siegeszug Delawares nicht mehr verhindern178.

d) Zweite Deregulierungsphase Nach dem zweiten Weltkrieg setzte innerhalb der Einzelstaaten eine zweite Deregulierungsphase ein. Einige Staaten179, allen voran New Jersey und Maryland, wollten ein „zweites Delaware“ werden. Delaware entschloß sich im Gegenzug 1963 zu einer Revision seines Gesellschaftsrechts. Zur Vorbereitung der Revision wurde eine Kommission eingesetzt, die zum einen mit den führenden New Yorker Anwaltssozietäten in Kontakt stand, zum anderen aber – bemerkenswerterweise – vornehmlich die großen Gesellschaften selbst nach ihren Bedürfnissen befragte, darunter etwa Shell und General Food180. Der Entwurf, den die Kommission erarbeitet hatte, wurde von der Gesetzgebung Delawares einstimmig und ohne größere Diskussionen umgesetzt und konnte am 3. Juli 1967 in Kraft treten181.

____________ 176 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 256 (1984) auch zu den Hintergründen dieser Gesetzgebung. Vgl. überdies Romano, S. 43; Cary, 83 Yale L.J. 663, 664 (1974); Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1443 (1992); Cox / Hazen / O'Neal § 2.4.; Nader / Green / Seligman, S. 49; Charney, 32 Harv. Int’l L.J. 423, 427 f. (1991) und Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 559 (1933) Fußn. 37. 177 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 257 (1984). 178 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 258 (1984); Romano, S. 43. 179 Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 258 (1984) und Nader / Green / Seligman, S. 54 sprechen davon, daß etwa 30 Staaten ihre allgemeinen Gesellschaftsgesetze liberalisierten. Vgl. auch Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 551. 180 Nader / Green / Seligman, S. 56. 181 Lattin, S. 176; Nader / Green / Seligman, S. 57, wo sich folgendes anschauliches Zitat eines Kommentators der Revision 1967 findet: „The Commission never expected the legislature to do anything with this law except pass it. One Member of the Commission referred to the legislature as ‘just a bunch of farmers.’ Corroon did attend a caucus of Democratic senators and Canby did attend a caucus of Republican senators. But Corroon was out in fifteen minutes, Canby in three, and neither was asked any questions about the law“.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Der finanzielle Erfolg der Reform trat unmittelbar ein und Delaware konnte seine Vormachtstellung ausbauen182. Auch in der Folgezeit behielt Delaware seine Position unter den amerikanischen Einzelstaaten. Im Jahre 1971 betrugen die Steuereinnahmen, die Delaware durch die Gesellschaften erhielt, 23 % der Gesamtsteuereinnahmen des Staates183. Darüber hinaus waren etwa 1974 in Delaware 52 der größten 100 Gesellschaften und 251 der größten 500 Gesellschaften inkorporiert184. Delaware war auch in der Folgezeit einer der Staaten, der häufig sein Gesellschaftsrecht änderte und an die Bedürfnisse der Praxis anpaßte.

e) Resümee Wenn man die Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den Einzelstaaten zusammenfassen will, ergibt sich folgendes Bild: Nach Übergang zum System der Normativbestimmungen, kam es zu einer Fortsetzung der Deregulierung des Gesellschaftsrechts. Zunächst gelang es New Jersey durch ein im Vergleich mit den sonstigen Einzelstaaten liberales Gesellschaftsrecht eine Vielzahl von Gesellschaften hier zu einer Gründung und Niederlassung zu bewegen. Ab 1913 übernahm Delaware diese Rolle und ist bis heute der Staat, der für die meisten Gesellschaften attraktiv erscheint. Auf der Ebene der Einzelstaaten kam es hier nie zu einer Verschärfung der Bestimmungen, etwa zum Schutz einzelner Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen. Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Staaten führte vielmehr zur Deregulierung und Liberalisierung des Gesellschaftsrechts der Einzelstaaten.

2. Die Beurteilung des Deregulierungsansatzes Als entscheidendes Merkmal der geschichtlichen Entwicklung des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts ist der angesprochene Wettbewerb zwischen den Einzelstaaten zu sehen. Dieser hat das Ziel, möglichst viele Personen zur Gründung einer Gesellschaft im jeweiligen Staat zu bewegen, da dies mit zum ____________ 182

Die New York Times vom 12. Januar 1969 berichtet, daß die Anzahl der Gesellschaftsgründungen von 300 Gesellschaften pro Monat vor der Revision auf 800 pro Monat danach stieg. Vgl. Kirk, 10 J. Corp. L. 233, 258 (1984) und Nader / Green / Seligman, S. 57. 183 So Nader / Green / Seligman, S. 57 und Cary, 83 Yale L. J. 663, 669 (1974). Vgl. auch die Tabelle bei Romano, S. 10, die den Anteil der Gesellschaftssteuern der 50 amerikanischen Einzelstaaten gegenüberstellt, bezogen auf die Jahre 1960, 1970, 1980 und 1990. 184 Dazu Nader / Green / Seligman, S. 57.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Teil erheblichen Steuereinnahmen verbunden ist. Allgemein anerkannt ist, daß Delaware diesen Wettbewerb „gewonnen“ hat und zwar, wie erläutert, mit einem Gesellschaftsrecht, das flexibel ist und weitgehend dispositive Regelungen enthält185. Sehr unterschiedlich wird allerdings von der US-amerikanischen Literatur beurteilt, wie das Ergebnis dieses Wettbewerbs zu bewerten ist186.

a) Race to the bottom In der mehrfach zitierten Entscheidung Liggett v. Lee187 ging es um die Verfassungsmäßigkeit einer Steuer des Bundesstaates Florida. Nach dem Recht Floridas durfte kein Einzelhandelsgeschäft betrieben werden, wenn nicht zuvor eine Lizenzgebühr gezahlt worden war, die danach jährlich fällig wurde. Dabei war die Höhe der Gebühr pro Geschäft abhängig davon, wie viele Geschäfte es von einer bestimmten Kette gab und wo sich die Geschäfte befanden188. Von den Klägern, Gesellschaften aus Florida und aus anderen Einzelstaaten, wurde in dieser Regelung ein Verstoß sowohl gegen die Verfassung Floridas als auch gegen die Bundesverfassung, insbesondere das 14. Amendment und den commerce clause, gesehen.

____________ 185

Ähnlich Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 254 (1977). Nachfolgend sollen nur die beiden grundsätzlich gegensätzlichen Positionen dargestellt werden, obwohl es durchaus auch vermittelnde Ansichten gibt oder solche, deren Ansatz ein wenig von den nachfolgenden abweicht. Vgl. zusammenfassend überdies nur Baysinger / Butler, 10 J. Corp. L. 431, 438 ff. (1985); Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1437 ff. (1992); Alva, 15 Del. J. Corp. L. 885, 890 (1990); Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913, 915 (1982); Brennen, 12 Whittier L. Rev. 299, 306 (1991); Kostel, 79 Va. L. Rev. 2129, 2130 ff. (1993). Aus der neuesten Literatur auch Bebchuk/Cohen / Ferrel, 90 Cal. L. Rev. 1775 ff. (2002); Roe, Harvard Law School Public Law, Research Paper No. 049, http://ssrn.com/abstract_id=354783. Ähnlich auch Romano, Yale Law School, Research Paper # 258, http://ssrn.com/abstract_id=278728. Im Zusammenhang mit den Skandalen um Enron, Worldcom und andere Gesellschaften vgl. auch Bratton, The George Washington University Law School, Public Law and Legal Theory Working Paper No. 035, 2002, http://ssrn.com/abstract_id=301475; Gordon, Columbia Law School, http://ssrn.com/abstract_id=305343; Coffee, Columbial Law School, Working Paper No. 207, http://ssrn.com/abstract_id=325240; Ribstein, Illinois Law and Economics Working Papers Series, Working Paper No. Le02-008, September 2002, http://ssrn.com/abstractid=332681; Cunningham, http://ssrn.com/abstract_id=307978. 187 Liggett v. Lee, 288 U.S. 517 (1933). 188 Vgl. bei Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 528 (1933). Die Gebühr für ein einzelnes Geschäft beträgt $ 5. Bei zwei bis maximal 15 Geschäften, die im gleichen Verwaltungsbezirk sind, muß $ 10 pro Geschäft gezahlt werden, wenn sich Geschäfte in unterschiedlichen Verwaltungsbezirken befinden, muß $ 15 pro Geschäft gezahlt werden. Je mehr Geschäfte vorhanden sind, desto höher ist die fällige Gebühr pro Geschäft. 186

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Die Klage wurde von der ersten Instanz abgewiesen und auch der Supreme Court of Florida wies sie ab. Der U.S. Supreme Court prüfte nur die Verfassungsmäßigkeit der Regelung mit der Bundesverfassung und kam zur Verfassungswidrigkeit189. Richter Brandeis verfaßte eine dissenting opinion, in der er die Ansicht vertrat, daß die Entscheidung des Supreme Court of Florida bestätigt werden sollte. In seinen Ausführungen zeigt sich seine Skepsis gegenüber Gesellschaften insgesamt und insbesondere gegenüber dem Wettbewerb zwischen den verschiedenen Einzelstaaten, der, wie dargestellt, zu einer fortschreitenden Deregulierung führte. Die Einzelstaaten würden in dem Wettbewerb für ihre Gesetze wie für Waren werben190. Dieser Wettbewerb würde aber nicht zu einer Verbesserung der Regelungen führen, sondern im Gegenteil immer nachlässigeren Bestimmungen Vorschub leisten: „The race was one not of diligence but of laxity“191. Diese Bewertung wurde auch von der Literatur geteilt. Professor Cary prägte 1974 in seinem berühmten Artikel „Federalism and Corporate Law“ die Wendung, daß es sich bei dem Wettbewerb zwischen den verschiedenen Staaten um ein race to the bottom192 handele. Cary erkennt zwar an, daß ein Teil der Änderungen, die im Rahmen dieses Wettbewerbs vorgenommen wurden, zu einer Vereinfachung und Flexibilisierung der Regelungen geführt hat und so überflüssige Verfahren abgeschafft wurden193. Ein wesentlicher Anteil der neuen Regelungen habe jedoch zu einer Verwässerung der Rechte der Aktionäre gegenüber der Verwaltung der Gesellschaft geführt194. Diese These belegt er zum einen mit Beispielen aus den Vorschriften des Delaware General Corporation Law195. Zum anderen führt er eine Vielzahl von Entscheidungen sowohl des U.S. Supreme Courts als auch der Gerichte in Delaware an, die dafür sprechen, daß Delaware insbesondere für die Verwaltung der Gesellschaften attraktiv ist, da nur ein Minimalstandard der Pflichten der directors sowohl gegenüber der Gesellschaft selbst wie auch gegenüber den Aktionären besteht196. Weder für ____________ 189

Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 541 (1933). Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 559 (1933). 191 Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 559 (1933). 192 Cary, 83 Yale L. J. 663, 666 (1974). Vgl. auch Cary, 31 Bus. Law. 1105 (1976). 193 Cary, 83 Yale L. J. 663, 666 (1974). 194 Cary, 83 Yale L. J. 663, 666 (1974). Ähnlich sieht dies auch Lattin, S. 176. Dieser beschreibt die Entwicklung der Gesetzgebung vor allem in New Jersey 1896 und Delaware. Die Gesetze seien dabei liberalisiert worden. „By ‘liberal’ is meant the almost total abandonment of protective devices for shareholders and creditors to favor the almost complete control by management over the ‘owners’, that is, the shareholders“. 195 Cary, 83 Yale L. J. 663, 669 f. (1974). 196 Cary, 83 Yale L. J. 663, 672 ff. (1974). Zustimmend Kaplan, 31 Bus. Law. 883, 889 (1976). 190

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

die Gesetzgebung noch für die Gerichte gebe es eine Grenze durch die public policy, also die guten Sitten. „Perhaps there is no public policy left in Delaware corporate law except the objective of raising revenue.“197 Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß das Prozeßrecht in Delaware in Prozessen, die im Zusammenhang mit Gesellschaften stehen, die nach dem Recht Delawares organisiert sind, immer zu einer Zuständigkeit in Delaware führe, was aus dem Grundsatz der quasi in rem jurisdiction198 abgeleitet werde. Dies diene, nach Ansicht von Cary, einzig dem Interesse der Anwaltschaft von Delaware199. Im übrigen ist er der Ansicht, daß Judikative, Legislative und die Anwaltschaft eng zusammenarbeiten würden, was vor allem an der engen personellen Verflechtung der drei Institutionen liegen würde200. Von einer wirklichen Unabhängigkeit insbesondere der Richter könne daher nicht gesprochen werden201. Schon jetzt würde der U.S. Supreme Court den Regelungen Delawares durch die Setzung einheitlicher Standards entgegenwirken. Rechtliche Grundlage für die Entscheidungen des U.S. Supreme Courts sei dabei insbesondere der Securities Exchange Act 1934. Cary’s Vorschlag, um gerade bei größeren Gesellschaften, die Interessen der Aktionäre besser zu schützen, ist der Erlaß eines Federal Corporate Uniformity Act, der für alle Gesellschaften gelten sollte, die ein Vermögen über $ 1 Mio. haben und mehr als 300 Aktionäre. Sein Ziel ist es dabei in einigen Bereichen Mindeststandards aufzustellen, die unabhängig vom Gründungsstaat eingehalten werden müßten und den Anreiz einer Organisation unter dem Recht Delawares schwinden lassen würde202. Eine Kompetenz dazu hätte der Bund – seiner Ansicht nach – für ein solches Gesetz aus dem commerce clause, da der interstate commerce betroffen sei203.

____________ 197

Cary, 83 Yale L. J. 663, 684 (1974). Die Zuständigkeit ist hier kraft einer fingierten Belegenheit eines Rechts oder Rechtsverhältnisses gegeben. Die Klage richtet sich zwar eigentlich gegen den Beklagten persönlich, es besteht jedoch ein Interesse des Beklagten an einem Vermögensgegenstand, das als Basis der Zuständigkeit dient, vgl. Black’s Law Dictionary, S. 866 und Schack, S. 25 und S. 71. 199 Cary, 83 Yale L. J. 663, 688 (1974), der hierzu folgende Aussage von Prof. Bishop zitiert: „Delaware’s general approach to stockholder litigation … is to make it easy to sue the executives of Delaware corporations, no matter where they reside or where the corporation does, so long as the suit is in Delaware Courts, and conducted by Delaware counsel“. 200 Cary, 83 Yale L. J. 663, 690 ff. (1974); Nader / Green / Seligman, S. 60. 201 Vgl. auch Nader / Green / Seligman, S. 60. 202 Dazu Cary, 83 Yale L. J. 663, 701 (1974). 203 Cary, 83 Yale L. J. 663, 703 (1974). 198

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Ähnlich wie Cary bewerten auch eine ganze Anzahl weiterer Wissenschaftler204 die Entwicklung in Delaware negativ. Überwiegend sehen sie in den jeweiligen Neuerungen des Gesellschaftsrechts in Delaware eine Verschlechterung der Regelungen205 und vor allem ein Abbau des Anleger- bzw. Aktionärsschutzes. Die Vorschriften würden fortlaufend zugunsten der Verwaltung und zu Lasten der Aktionäre verändert werden206. Eine effektive Kontrolle der Verwaltung könne dabei nicht mehr stattfinden207. Der Gesetzgeber der Einzelstaaten würde seiner Verantwortung nicht mehr gerecht werden. Bei Delaware zeige sich dies insbesondere darin, daß dort die Umsetzung neuer Deregulierungen besonders schnell vorgenommen werden, wobei zumeist lediglich die Vorschläge der Anwaltschaft, vor allem der New York Bar oder der Gesellschaften selbst einfach zu Gesetzen werden. Jennings meint pointiert, daß Regelungen nur dann für die Gesellschaften noch besser passen würden, wenn ein großes multinationales Unternehmen eine Insel kaufen würde, dort einen souveränen Staat ausrufen und sein eigenes Gesellschaftsrecht erlassen würde208. Selbst wenn andere Staaten versuchen sollten, dem Trend in Delaware entgegenzuwirken, könnten sie ihr Ziel letztlich nicht erreichen. Zwar könnten sie Regelungen schaffen, die in höherem Maß dem Schutz der Anleger und Gläubiger dienten und weniger das Management der Gesellschaft bevorzugten. Die Bemühungen würden dann aber nutzlos, sobald sich die Gesellschaften dafür entscheiden, den Staat zu verlassen und sich mittels einer Neugründung in einem anderen Staat, der Regelungen hat, die managerfreundlicher sind, niederzulassen209. Eine Lösung des dargelegten Problems erscheint zahlreichen Autoren daher nicht auf der Ebene der Einzelstaaten möglich. Vielmehr bedürfe es einer Regelung auf Ebene des Bundes210. ____________ 204 Vgl. Nader / Green / Seligman, v.a. S. 60; Jennings, 31 Bus. Law. 991 (1976); Kaplan, 31 Bus. Law. 883, 889 (1976); Folk, 1966 Duke L.J. 875, 958; Brennen, 12 Whittier L. Rev. 299, 304 (1991); Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1128 (1976). 205 So ging nach Ansicht von Nader / Green / Seligman, S. 50 bereits die Übernahme der Regelungen aus New Jersey mit einer Verschlechterung der Bestimmungen einher. 206 Beispiele bei Nader / Green / Seligman, S. 52 ff. 207 Vgl. auch Jennings, 31 Bus. Law. 991 (1976). 208 Jennings, 31 Bus. Law. 991, 993 (1976). 209 Jennings, 31 Bus. Law. 991, 994 (1976), der die Gesetzgebung von Kalifornien als Beispiel anführt; ähnlich bereits Brandeis, in: Liggett v. Lee, 288 U.S. 517, 557 (1933). 210 Nader / Green / Seligman, S. 62 ff. Ähnlich Jennings, 31 Bus. Law. 991, 1021 (1976): „The only other alternative is that further federalizing our corporation law.“ Jennings legt in seinem Artikel dabei ausführlich dar, daß ein Teil des Weges bereits gegangen sei. Durch den Securities Exchange Act 1934 (insbesondere hebt er dabei die Rule 10b-5 und Sec. 14 lit. a hervor) und die dazu entstandene Rechtsprechung sei zum Teil bereits jetzt ein Gesellschaftsrecht auf der Ebene des Bundes entstanden. Ähnlich

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Auch in den letzten Jahren im Zusammenhang mit den Skandalen um Enron, Worldcom und anderen Gesellschaften in den USA sahen die Befürworter einer bundesrechtlichen Regelung ihre Thesen bestätigt. Coffee211 führt aus, daß zwar gerade der Hintergrund der Vorkommnisse bei Enron auch die spezifische governance Struktur der Gesellschaft gewesen sei, da das Maß an Transaktionen des Managements212 ohne jegliche Überwachung und Kontrolle durchaus ungewöhnlich sei. Zugleich hätte sich aber gezeigt, daß Enron auch symptomatisch sei. Alle typischen gatekeeper, also „Torhüter“, auf die sich die Investoren typischerweise verlassen, hätten versagt. Dies betrifft insbesondere die Abschlußprüfer der Gesellschaft, aber auch die Analysten und andere am Markt professionell Beteiligten. Coffee vertritt die Ansicht, daß die Kräfte des Marktes alleine nicht ausreichen werden, um das Problem des Versagens der gatekeeper zu lösen. Seine Hauptforderung liegt dabei in einem ersten Zugriff in einer Reform der US-amerikanischen Buchführungsgrundsätze US-GAAP. Jedenfalls diese Reform muß durch den Gesetzgeber erfolgen213. Noch weiter gehen Bratton214 und Gordon215, um nur noch zwei weitere Stimmen zu nennen. Beide sehen in den Skandalen insgesamt ein Versagen des Marktes. Die einzige Möglichkeit besteht nach ihrer Meinung darin, daß der Gesetzgeber neue Regelungen schafft, um das Vertrauen der Anleger in die Kapitalmärkte wieder herzustellen216. ____________ Kaplan, 31 Bus. Law. 883, 926 (1976), der im Hinblick auf die Haftung nach Verletzung von Treuepflichten (fiduciary responsibility) ebenfalls dem Bundesrecht und hier der Rule 10b-5 maßgebliche Bedeutung beimißt und Folk, 1966 Duke L.J. 875, 958, der ebenfalls von einem Wachstum des federal corporation law spricht. 211 Coffee, Columbia Law School, Working Paper No. 207, http://ssrn.com/ abstract_id=325240. 212 Coffee, Columbia Law School, Working Paper No. 207, http://ssrn.com/ abstract_id =325240, S. 3 spricht hier etwa davon, daß der CFO der Gesellschaft eine gesonderte Tochtergesellschaft führte, über die sehr riskante Finanz- und Börsentransaktionen abgewickelt wurden. Im übrigen hätten Mitglieder der Verwaltung auch zahlreiche Transaktionen durchführen können, von denen sie vor allem selbst profitiert haben. Beides wäre bei Enron praktisch ohne jegliche Kontrolle möglich gewesen. Zu den Hintergründen der Skandale um Enron vgl. ausführlich Bratton, The George Washington University Law School, Public Law and Legal Theory Working Paper No. 035, 2002, http://ssrn.com/abstract_id=301475, insb. S. 13ff. 213 Coffee, Columbial Law School, Working Paper No. 207, http://ssrn.com/ abstract_id=325240, S. 24. 214 Bratton, The George Washington University Law School, Public Law and Legal Theory Working Paper No. 035, 2002, http://ssrn.com/abstract_id=301475. 215 Gordon, Columbia Law School, http://ssrn.com/abstract_id=305343. 216 Vgl. etwa Bratton, The George Washington University Law School, Public Law and Legal Theory Working Paper No. 035, 2002, http://ssrn.com/abstract_id=301475, insb. S. 54 ff.; Gordon, Columbia Law School, http://ssrn.com/abstract_id=305343, insb. S. 10.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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b) Race to the top Die Ansicht, daß der Wettbewerb zwischen den Einzelstaaten im Gesellschaftsrecht zu einem race to the bottom geführt hat, ist jedoch nicht ohne Widerspruch geblieben. Cary berücksichtigt lediglich das Gesellschaftsrecht als Quelle des Anlegerschutzes. Er bedenkt bei seinen Thesen nicht, daß der Markt selbst dem Verhalten der Manager Grenzen setzen kann217. Gerade diejenigen Autoren218, die dem Markt eine große Rolle einräumen und rechtliche Regeln im Lichte der ökonomischen Analyse des Rechts betrachten, zählen daher zu den Hauptkritikern Carys. Eine der frühen Reaktionen auf den zitierten Aufsatz von Cary stellt ein Artikel von Winter mit dem Titel „State Law, Shareholder Protection, and the Theory of the Corporation“219 dar. Winter ist der Ansicht, daß die Schlußfolgerungen von Cary nicht zwingend sind. Ausgangspunkt ist für ihn, daß auch beim Wettbewerb der Einzelstaaten von einem funktionierenden Markt auszugehen sei. Daher müßte man, seiner Ansicht nach, genau entgegengesetzt argumentieren220: (1) Wenn das Recht Delawares es der Verwaltung tatsächlich erlauben würde, Vorteile auf Kosten der Aktionäre zu erlangen, und andere Staaten dies nicht zulassen, dann müßten die Einnahmen der Gesellschaften, die nach dem Recht Delawares organisiert sind, geringer sein als die vergleichbarer Gesellschaften aus anderen Einzelstaaten. Das gleiche müßte für die Preise der Geschäftsanteile gelten. (2) Gesellschaften, die geringere Einnahmen haben, würden Nachteile haben, wenn sie Fremd- oder Eigenkapital aufnehmen wollen. (3) Wenn Gesellschaften nicht hinreichend Eigenkapital aufnehmen könnten, würden sie auch Nachteile im Markt, der von ihnen angebotenen Produkte haben. Dadurch würde der Preis der Geschäftsanteile weiter sinken und die Gesellschaften werden potentielle Übernahmekandidaten. Die Verwaltung der Gesellschaft würde also, um dies zu vermeiden, ein Interesse daran haben, für den Eigenkapitalmarkt attraktiv zu sein. (4) Wenn Einzelstaaten also für möglichst viele Gesellschaften attraktiv sein wollen, dann werden sie ein Rechtssystem bereitstellen müssen, in dem das Verhältnis von Aktionären und Gesellschaft optimal ausgestaltet ist221. ____________ 217

Darauf weist auch Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1444 (1992) hin. Winter, 6 J. Legal Stud. 251 (1977); Posner, S. 306 f.; Dodd / Leftwich, 53 J. Bus. 259, 281 (1980); Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913 (1982), der auf S. 920 meint: „Delaware’s preeminence, in short, is in all probability attributable to success in a ‘climb to the top’ rather than to victory in a ‘race to the bottom’“. 219 Winter, 6 J. Legal Stud. 251 (1977). 220 Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 256 (1977). 221 Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 256 (1977). 218

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Nach Ansicht von Winter gibt es zwei Märkte, in denen sich die Verwaltung der Gesellschaften bewähren muß. Zunächst nennt er hier den „Markt der Produkte und Dienstleistungen“ (market for products and services)222. Wenn das Management einer Gesellschaft hier nicht erfolgreich agiert, sinken die Gewinnerwartungen der Aktionäre und damit der Preis der Geschäftsanteile. Das Management muß somit danach streben, in diesem Markt erfolgreich zu sein. Daher werden die Handlungen des Managements jedenfalls von diesem Markt gelenkt. Der zweite Markt wird von Winter als „Markt der Verwaltungskontrolle“ (market of management control) bezeichnet. Das Management muß bei seinen Handlungen den Preis der Aktien sowie den Kapitalmarkt insgesamt berücksichtigen. Falls es dies nicht tut und sein Handeln zu einem Preisverfall führt, steigt die Gefahr der Übernahme durch eine andere Gesellschaft. Als Folge einer Übernahme wird aber typischerweise das alte Management vollständig ausgewechselt, was selbstverständlich nicht in dessen Interesse ist. Daher werden alle Entscheidungen auch von diesem zweiten Markt gelenkt und beeinflußt223. Winter zieht daraus die Schlußfolgerung, daß der Wettbewerb der Einzelstaaten also zu einer Optimierung der rechtlichen Regeln auch aus Sicht der Anleger führe. Im Kontrast dazu hätten bundesstaatliche Regeln keine solche Kontrollmöglichkeit, da sie nicht im unmittelbaren Wettbewerb mit anderen Vorschriften stehen. Darüber hinaus hätte ein Rechtssystem mit größeren Restriktionen zwei weitere Nachteile: Die gesellschaftsrechtlichen Regeln, die sich bei einem weitgehend dispositiven Rechtssystem ergeben, sind von den Parteien selbst ausgehandelt und entsprechen daher dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie. An diese Stelle würde ein Rechtssystem mit einer Vielzahl von zwingenden Rechtsvorschriften, staatliche Regulierung setzen, ohne daß es dafür eine Notwendigkeit gebe224. Ein weiterer Nachteil strikter Vorschriften wäre, daß die Transaktionskosten für die Gesellschaften steigen würden. Dieses Steigen der Transaktionskosten führe aber dazu, daß die Gewinne der Aktionäre sinken. Als Beispiel nennt Winter ein striktes Verbot jedes betrügerischen ____________ 222 Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 264 (1977). Vgl. auch Baysinger / Butler, 10 J. Corp. L. 431, 449 (1985). 223 Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 264 ff., 289 (1977). Darüber hinaus können Manager nur dann ihren eigenen Marktwert steigern, wenn sie erfolgreich tätig sind. Zusätzlich werden häufig Manager unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt sein, was einen zusätzlichen Anreiz für ein erfolgversprechendes Management darstellt. Zu den beiden letzten Aspekten vgl. Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913, 919 (1982) und Baysinger / Butler, 10 J. Corp. L. 431, 450, der daher zusätzlich von einem market for managerial services spricht. 224 Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 291 (1977).

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Handelns der Mitglieder der Verwaltung und jeglicher Insidergeschäfte. Die Durchsetzung eines solchen Verbotes könnte zwar im Extremfall dazu führen, daß die Aktionäre keinerlei Nachteile mehr aus den beschriebenen Verhaltensweisen erleiden müßten. Dies wäre jedoch im Ergebnis teuerer als die Inkaufnahme eines gewissen Anteils solcher betrügerischen Verhaltensweisen: „A paradox thus results: maximizing the yield to investors generally may, indeed almost surely will, result in a number of cases of fraud and self-dealing; and eliminating all fraud or self-dealing may decrease the yield to shareholders generally“225. Daher wäre es von einem ökonomischen Standpunkt aus eher wünschenswert keine optimalen Regeln zu haben und ein gewisses Maß an Verstößen in Kauf zu nehmen. Winter kommt somit bei einer genaueren Betrachtung der existierenden Vorschriften zu dem Ergebnis, daß die bestehenden Regeln in den Einzelstaaten mit diesen ökonomischen Grundsätzen übereinstimmen226. Man kann, seiner Ansicht nach also, keineswegs von einem race to the bottom sprechen. Vielmehr führe der Wettbewerb zu einem race to the top. Ähnlich, wie Winter urteilt auch Posner227. Seiner Ansicht nach werden nur wenige Gesellschaften einen Staat bevorzugen, in dem es keinerlei Vorschriften zum Schutz der Anleger und Gläubiger gebe. Zum einen müßte eine solche Gesellschaft nämlich an ihre Gläubiger die höchsten Zinsen zahlen, da das Risiko der Gläubiger hier am höchsten sei. Zum anderen wäre es auch schwierig Eigenkapital aufzunehmen, da die Anleger nicht an solchen Geschäftsanteilen interessiert wären228. Auch Posner kommt daher zum Ergebnis, daß der Wettbewerb zu den besten Regeln geführt haben müßte: „Competition among states to attract corporations for taxing purposes should result in optimal rules of corporate law. A preemptive federal corporation law would carry no similar presumption of optimality“229. An dieser Einschätzung hat sich für die Befürworter eines Vorrangs der Selbstregulierung des Marktes auch durch die Skandale um Enron nichts geändert230. Exemplarisch soll hier die Auffassung von Ribstein231 genauer ausge____________ 225

Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 259 (1977). Winter, 6 J. Legal Stud. 251, 290 (1977). 227 Posner, S. 306 f. 228 Ähnlich Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913, 917 (1982). 229 Posner, S. 307. 230 Vgl. hier etwa Ribstein, Illinois Law and Economics Working Papers Series, Working Paper No. Le02-008, September 2002, http://ssrn.com/abstractid=332681; ähnlich Cunningham, http://ssrn.com / abstract_id=307978. 226

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

führt worden. Ribstein ist auch nach Enron nicht der Ansicht, daß man von einem Versagen des Marktes sprechen könnte. Vielmehr hätte sich bei Enron gezeigt, daß 70 Jahre der Regulierung durch den Securities Act 1933 und den Securities Exchange Act 1934 keinerlei Wirkung gezeigt hätten232. Letztlich seien die Vorkommnisse bei Enron nämlich durchaus einigen Spekulationen im Zusammenhang mit dem Börsencrash 1929 vergleichbar. Auf diese hatte aber die New Deal-Gesetzgebung mit dem Securities Act 1933 und den Securities Exchange Act 1934 gerade reagiert. Im folgenden setzt sich Ribstein im Detail mit den Regelungen des Sarbanes Oxley Act 2002 auseinander, der insbesondere durch neue Vorschriften im Bereich der corporate governance, aber auch erhöhter Anforderungen für Wirtschaftsprüfer vor allem wenn diese als Abschlußprüfer auftreten, eine Reaktion des Bundes auf Enron darstellt233. Ribstein bezweifelt, inwieweit die neuen Regelungen überhaupt erfolgreich sein werden. Unzweifelhaft erscheint ihm dagegen, daß sie mit einer erheblichen Kostensteigerung verbunden sein werden. Dabei hebt er sowohl die agency costs als auch die Informationskosten hervor234. Als Beispiel für gesteigerte Kosten seien hier nur die erhöhten Gebühren für die Wirtschaftsprüfer genannt, die sich aus den neuen Anforderungen ergeben werden. Schließlich werde der Sarbanes Oxley Act das Mißtrauen innerhalb der Gesellschaften steigern. Dies habe aber erhebliche Auswirkungen auf die Produktivität der Gesellschaft. Die Parteien werden weniger bereit sein, sich auf informelle Absprachen zu verlassen und daher mehr Ressourcen auf die regulatorischen und vertraglichen Verfahren allokieren235. Die Quintessenz, die Ribstein zieht, ist, daß es ungewiß ist, ob die vorgeschlagenen Regelungen etwas nutzen, aber sicher, daß sie – aufgrund der Steigerung der Kosten – schaden werden. Daher vertritt er die Ansicht, daß der Markt auf die Mißstände reagieren kann und wird236. Nachdem klar geworden ist, welche Risiken mit einer fehlerhaften Buchführung verbunden sind, hat der Markt ebenso wie der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur Reaktion. Zum einen würden überdies viele Betrugsfälle ____________ 231

Ribstein, Illinois Law and Economics Working Papers Series, Working Paper No. Le02-008, September 2002, http://ssrn.com/abstractid=332681. 232 Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 5 f. 233 Vgl. hier Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 13 ff. Im Anhang des Artikels auf S. 69 ff. findet sich auch eine Zusammenfassung der Einzelregelungen des Sarbanes-Oxley Act 2002. Zum Sarbanes-Oxley Act und der Enron-Krise aus europäischer Sicht vgl. Hopt, European Corporate Governance Institute, Law Working Paper No. 05/2002, November 2002; ssrn.com/abstract_id=356102. 234 Vgl. hier Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 40 ff. 235 Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 46 ff. 236 Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 52 ff.

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vom Markt in der Tat sehr früh entdeckt237. Dies bedeutet aber auch, daß der Markt durchaus effektiv auf Betrug reagieren kann, wenn die entsprechenden Symptome genauer beobachtet werden würden. Zum anderen könnten die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Regelungen von den Wirtschaftsprüfern ebenso wie von den Emittenten auch ohne eine gesonderte Normierung umgesetzt werden238. Dies würden einige Wirtschaftsprüfer bzw. Emittenten freiwillig tun, um ein positives Signal zu setzen und sich von ihren Mitbewerbern abzuheben. Schließlich könnten die Aktionäre selbst (vor allem die institutionellen Investoren) ebenso wie die übernahmerechtlichen Regelungen einen zusätzlichen Schutz gegen Betrug darstellen239. Selbst wenn man eine Regulierung in machen Bereichen bevorzugen würde, würde sich die Frage stellen, auf welcher Ebene eine solche stattfinden sollte. Ribstein spricht sich dafür aus, daß die corporate governance-Regelungen auf der Ebene der Einzelstaaten implementiert werden, um so für einen Wettbewerb der Regelungssysteme zu sorgen. Der Sarbanes Oxley Act enthält eigentlich gesellschaftsrechtliche Regelungen zur corporate governance, die nicht auf die Ebene des Kapitalmarktrechts gehören240. Zusammenfassend gibt Ribstein zwar zu, daß der Markt nicht perfekt ist, er gibt aber zu bedenken, daß auch staatliche Regelungen nicht perfekt sind. Die Kosten für die staatlichen Regelungen seien aber um ein vielfaches höher, als wenn der Markt selbst eine Lösung findet, daher sei die Selbstregulierung des Marktes zu bevorzugen241. Eine etwas andere Akzentuierung der Bewertung der Regeln Delawares hat Romano entwickelt, die den Wettbewerb ebenfalls positiv beurteilt242. Ihrer Ansicht nach liegt ein Hauptgrund der Vormachtstellung Delawares darin, daß die Regeln eine hohes Maß an Vorhersehbarkeit und an Stabilität bieten243. Im ____________ 237

Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 53 ff. Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 59 f. 239 Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 60 ff. 240 Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 63 ff. 241 Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 68 f. 242 Vgl. nur Romano, S. 14 ff. Kostel, 79 Va. L. Rev. 2129, 2130 ff. (1993) ordnet sie nicht in die Gruppe der Vertreter des race to the top ein, sondern spricht hier von einem dritten Lager. Gerade die Aussagen Romanos in ihrem Buch „The Genius of American Corporate Law“, sprechen aber eher dafür, daß sie ganz überwiegend den Wettbewerb als positiv beurteilt und lediglich einen anderen Erklärungsansatz gewählt hat. Vgl. S. 148: „The best available evidence indicates that, for the most part, the race is for the top and not the bottom in the production of corporation law“. 243 Romano, S. 37 ff.; Romano, in: Bebchuk, S. 216, 227 ff.; Romano, 8 Cardozo L. Rev. 709, 719 ff. (1986); Romano, 1 J.L. Econ. & Org. 225 (1985). 238

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

einzelnen führt sie dafür folgende Gründe an: Delaware ist ein sehr kleiner Staat, der einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen aus den Steuern und Gebühren, die von den Gesellschaften gezahlt werden, erhält. Ein solcher Staat wird auf ein Gesellschaftsrecht, das ihm seine Einnahmequelle weiterhin sichert, ein größeres Augenmerk legen, als ein Staat, dessen Einnahmen zu einem so geringen Anteil mit den Gesellschaften zusammenhängen, daß er ohne größere Schwierigkeiten darauf verzichten könnte. Delaware kann es sich jedoch nicht leisten, diese Einnahmen zu verlieren244. Zudem kann der Delaware Corporation Code nur mit einer erstaunlich hohen Mehrheit geändert werden. Eine Änderung muß in beiden Häusern, die für die Gesetzgebung zuständig sind, von zwei Drittel der Abgeordneten befürwortet werden, was weiter zur Stabilität beiträgt245. Des weiteren sei auch unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit zu berücksichtigen, daß die Richter in Delaware im Gesellschaftsrecht über eine hohe Expertise verfügen. Aufgrund der vielen Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten Delawares ist zudem das von den Gerichten entwickelte common law im Bereich des Gesellschaftsrechts hervorragend entwickelt. Da es für viele Bereiche Präzedenzfälle gibt, ist eine Streitentscheidung leichter vorherzusehen, als in einem Staat, dessen Gerichte sich nur selten mit Gesellschaftsrecht beschäftigen246. Sicher spielen daneben auch Interessengruppen eine bedeutende Rolle für die Ausgestaltung des konkreten Gesellschaftsrechts wie etwa die Anwaltschaft 247. Einige Autoren248, zu denen auch die bereits erwähnte Romano gehört, haben versucht, die Frage, ob der Wettbewerb zwischen den Einzelstaaten zu einem race to the bottom oder einem race to the top geführt hat, aufgrund empirischer Untersuchungen zu beantworten. Dabei wird jeweils untersucht, ob die Ankündigung einer Gesellschaft sich in Delaware neu zu gründen einen ____________ 244 Romano, S. 38; Romano, in: Bebchuk, S. 216, 228 f.; Romano, 8 Cardozo L. Rev. 709, 721 f. (1986); Romano, 1 J.L. Econ. & Org. 225, 280 (1985). 245 Romano, S. 41; Romano, in: Bebchuk, S. 216, 229.; Romano, 8 Cardozo L. Rev. 709, 722 (1986). 246 Romano, S. 39 f.; Romano, in: Bebchuk, S. 216, 229; Romano, 8 Cardozo L. Rev. 709, 722 (1986); Romano, 1 J.L. Econ. & Org. 225, 280 f. (1985). Ähnlich Coffee, 8 Cardozo L. Rev. 759, 764 (1986). Kritisch Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913, 942 (1982) unter Berücksichtigung neuer Rechtsprechung des Delaware Supreme Court. 247 Einige Autoren halten diesen Zusammenhang zwischen der Politik und den Interessengruppen als hauptsächlich ausschlaggebend im Wettbewerb der Rechtsordnungen und sind der Ansicht, daß der Einfluß der Steuereinnahmen nur eine untergeordnete Rolle spielt, vgl. etwa Coffee, 8 Cardozo L. Rev. 759, 761 f. und Easterbrook / Fischel, S. 216 f. 248 Dazu Romano, S. 17 Fußn. 7 mit einer Liste der Autoren und Studien; vgl. auch Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913, 920 (1982), vgl. hier auch der Überblick bei Bebchuk / Cohen / Ferrel, 90 Cal. L. Rev. 1775 ff. (2002).

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negativen oder positiven Effekt auf den Preis der Geschäftsanteile hatte. Die Prämissen, von denen die Studien ausgehen, sind, daß die Verwaltung ihre Entscheidung nach Delaware zu gehen unter Berücksichtigung der Kosten und Nutzen trifft, und daß, die Anleger in ihrer Entscheidung, ob sie die Anteile einer bestimmten Gesellschaft behalten bzw. erwerben sollen, ebenfalls ihre Entscheidung auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse treffen249. Unter diesen Prämissen könne die Bewegung des Preises der Geschäftsanteile als Indikator für die Bewertung der Entscheidung der Verwaltung angesehen werden250. Die Ergebnisse dieser Studien sind nicht eindeutig. Einige haben signifikant positive Effekte feststellen können. Keine Studie konnte dagegen einen expliziten negativen Effekt auf die Entscheidung der Verwaltung, nach Delaware zu wechseln, feststellen251. Diese Studien wurden aber durchaus kritisiert252. Ein Kritikpunkt lautet, daß es schwer sei, den exakten Zeitpunkt festzulegen, an dem der Plan eines Wechsels nach Delaware tatsächlich den Anlegern bekannt werde. Zudem wird der Wechsel häufig von anderen Maßnahmen begleitet, beispielsweise der Entscheidung zu einer Umstrukturierung oder einem Börsengang253. Es läßt sich damit durch die Studien nicht bestimmen, welche Ankündigung welchen Effekt hatte. Auch kann es sein, daß es keine Auswirkungen auf den Preis der Anteile gibt, weil die Anleger auch die Regeln des aktuell anwendbaren Gesellschaftsrechts als nicht ausreichend beurteilen. Ein Wechsel nach Delaware wird daher vielleicht nicht als entscheidende Verschlechterung gesehen254. Schließlich werden die Anleger unter Umständen einen Teil der Regeln in Delaware als vorteilhaft beurteilen und einen Teil als nachteilig. Auch vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint es schwierig, Bewegungen des Aktienpreises richtig zu deuten255. Die Frage, welche Bewertung zutreffend ist, ob also der Wettbewerb zwischen den Einzelstaaten zu einem race to the bottom oder doch einem race to the top geführt hat, kann hier letztlich nicht entschieden werden. Auch die genannten empirischen Studien führen zu keinem eindeutigen Bild. Die Be____________ 249

Vgl. zu diesen Prämissen nur Dodd / Leftwich, 53 J. Bus. 259, 260 f. (1980). Romano, S. 17 und Fischel, 76 Nw. U. L. Rev. 913, 920 (1982). 251 Zusammenfassend Romano, S. 18 sowie Übersicht S. 20. 252 Vgl. etwa Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1449 (1992); Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1508 (1989); Fisch, 20 J. Corp. L. 451, 467 ff. (1995). 253 Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1449 (1992), Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1508 (1989); Fisch, 20 J. Corp. L. 451, 458 (1995). 254 Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1449 f. (1992). 255 Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1450 (1992); Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1508 (1989). 250

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

antwortung dieser Frage wird wohl entscheidend davon abhängen, ob man der Ansicht ist, daß der Markt alleine für einen hinreichenden Schutz der Anleger256 oder generell einer schwächeren Partei sorgen kann und in welchem Umfang man zwingende rechtliche Regeln für erforderlich hält, also ein Einschreiten des Staates fordert. Auf diese Frage wird unten im Zusammenhang mit den neueren Ansätzen im deutschen Recht noch einzugehen sein.

3. Die Reaktion des Bundes auf die einzelstaatliche Liberalisierung a) Erste Reaktionsvorschläge für den Bund Wie bereits in der Kritik der einzelstaatlichen Deregulierungsgesetze angeklungen ist, wurde von zahlreichen Stimmen in der Literatur die Schaffung eines Gesellschaftsrechts des Bundes als Lösungsansatz angeführt257. Ein Teil der Autoren schlug dabei vor, ein Gesellschaftsrecht auf Bundesebene zu schaffen, das entweder die gesellschaftsrechtlichen Regelungen insgesamt vorschreibt258 oder zumindest einen Mindeststandard für die Gesellschaften259 darstellt. Diese Idee eines Gesellschaftsrechts auf Ebene des Bundes geht bis in die Zeiten der Verfassungsgebung zurück260. Ernsthaft diskutiert wurde es jedoch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sowohl Roosevelt als auch Taft machten ____________ 256

Auf die Fokussierung auf den Schutz der Anleger bzw. Gesellschafter in dieser Arbeit vgl. schon § 2 A. Zum eindimensionalen Ansatz des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts, daß sich lediglich an den Interessen des shareholder value, also der wirtschaftlichen Interessen der Eigenkapitalgeber ausrichtet, vgl. unten unter § 14 C. und dort v.a. die Aussagen von Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 555. 257 Auf die Modellgesetze etwa der American Bar Association, die von einigen Staaten umgesetzt wurden und auch als eine Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts auf einer überstaatlichen Ebene ansehen könnte, wird nachfolgend nicht eingegangen. 258 Vgl. statt vieler Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1135 (1976); Note, 61 Geo. L.J. 89, 98 (1972) wobei die Verbindlichkeit eines Gesellschaftsrechts auf Bundesebene für bestimmte Gesellschaften vorgeschlagen wird. „Federal incorporation need not and should not preempt totally the states’ role in creating and regulation corporations. Federal chartering should be required only of those corporation whose business is regularly conducted interstate, whose shares are publicly traded, and whose wealth and labor force give them a role in determining national economic policy“. 259 Cary, 83 Yale L.J. 663, 700 f. (1974), der dies für politisch eher durchsetzbar hält. Ebenso Cary, 31 Bus. Law. 1105, 1110 (1976). 260 Ausführlich dazu Loss / Seligman, Fundamentals, S. 22; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 152; Nader / Green / Seligman, S. 66 ff. Vgl. auch Note, 61 Geo. L.J. 123, 124 ff. (1972).

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Vorschläge für ein Bundesgesetz zum Gesellschaftsrecht261. Dabei ließen sich beide durch die Befürchtungen einer zunehmenden Machtkonzentration durch die Schaffung großer trusts in verschiedenen Industriezweigen leiten. Roosevelt betonte ausdrücklich, daß gerade für große Gesellschaften nur der Bund selbst eine adäquate Regelung schaffen könne. Er führt 1905 im Kongreß folgendes aus: „Experience has shown conclusively that it is useless to try to get any adequate regulation and supervision of the great corporation by state action. Such regulation and supervision can only be effectively exercise by a sovereign whose jurisdiction is co-extensive with the field of work of corporations – that is, by the National government“262. Bis zum ersten Weltkrieg wurden etwa 20 Gesetzesentwürfe dazu im Kongreß eingebracht263, von denen sich aber keiner durchsetzen konnte.

b) Kompetenzen für Gesellschaftsrecht Ein Grund für das Scheitern der Gesetzesentwürfe war dabei wohl, daß die Kompetenz des Bundes zur Schaffung eines einheitlichen Gesellschaftsrechts durchaus fraglich ist und von der überwiegenden Meinung im Ergebnis abgelehnt wird. Grundsätzlich hat der amerikanische Bundesgesetzgeber immer nur dann die Kompetenz ein Gesetz zu erlassen, wenn ihm diese Kompetenz durch die Verfassung eigens zuerkannt wird264. Es findet sich in der Verfassung der Vereinigten Staaten keine ausdrückliche Kompetenz für Gesellschaftsrecht bzw. bezüglich der Gründung von Gesellschaften265. Zwar kann eine Kompetenz auch aus einer impliziten Ermächtigung abgeleitet werden, wobei im betreffenden Bereich neben der Kompetenz aus ____________ 261 Vgl. dazu Schwartz, 45 Ohio St. L. J. 545, 547 (1984) m.w.N. in Fußn. 15. Ebenso Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27, 53 (1936) und Schwartz, 31 Bus. Law. 1125 (1976). 262 Zitiert nach Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1126 (1976). 263 Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1126 (1976). 264 Doctrine of enumerated powers oder doctrine of reserved powers, Tribe, S. 298. Dort ausführlich zu den Grenzen der Kompetenz des Bundes. 265 Vgl. dazu McCulloch v. Maryland, 17 U.S. 316, 331 (1817), wo die Kompetenz zur Gründung einer Bank nur über implizite Ermächtigungen (doctrine of implied powers) hergeleitet werden konnte, als Annexkompetenz aus Art. 1 Sec. 8 letzten Satz, in dem die Kompetenz enthalten ist für alle Gesetze, die necessary and proper, also notwendig und geeignet zur Aufgabenerfüllung im übrigen sind. Ebenso Cox / Hazen / O’Neal § 2.11.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Art. 1 Sec. 8 letzter Satz (necessary and proper-clause) insbesondere an den interstate commerce-clause in Art. 1 Sec. 8 Satz 3 zu denken ist266. Dieser Satz wird aber von der herrschenden Meinung267 eng ausgelegt. Die Gründe dafür, daß die Verfassung dem Bundesgesetzgeber keine Kompetenz zuweist, dürften darin liegen, daß zur Zeit des Entwurfes und des Erlasses der Verfassung Ende des 18. Jahrhunderts das Gesellschaftsrecht keine große Bedeutung hatte268. Soweit sich aber keine Kompetenz in der Verfassung des Bundes findet, bedeutet das, nach der doctrine of reserved powers269, daß die Kompetenz für Gesellschaftsrecht jedem Einzelstaat zusteht.

c) Die Weltwirtschaftskrise Im Oktober 1929 kam es zum bereits oben angesprochenen Zusammenbruch der New Yorker Börse und den damit verbunden immensen Verlusten für die Anleger270. In diesem Zusammenhang besann man sich wieder der früheren Diskussionen um eine umfassende Regelung des Handels mit Wertpapieren und Schutzvorschriften gegen Manipulationen des Marktes durch den Bund. Viele waren der Ansicht, daß die Gesetze der Einzelstaaten weitgehend versagt hätten und keinen effektiven Anlegerschutz gewährleisten könn ____________ 266

Note, 61 Geo. L. J. 123 (1972). Zum necessary and proper-clause auf S. 132 ff, zum interstate commerce-clause auf S. 134 ff. 267 Dazu Henn / Alexander S. 39. Ebenso Bungert S. 14; Tribe, S. 305 ff., v.a. S. 306, 308. A.A. Cary, 83 Yale L. J. 663 (1974). Seiner Meinung nach wäre der Anwendungsbereich, des commerce clause, so wie die Gerichte ihn üblicherweise auslegen, breit genug. Dies belegt er mit einigen Beispiele (S. 703 f). Er hält die Idee eines Bundesgesetzes für Gesellschaftsrecht vielmehr für politisch unrealistisch (S. 700). 268 Siehe Merkt, Rdnr. 147; Note, 61 Geo. L.J. 123, 124 ff. (1972); Conard, 71 Mich. L. R. 621, 626; ders. Corporations in Perspective, S. 18. Allerdings nimmt Conard, ebenso wie Cary, 83 Yale L.J. 663 (1974) an, daß politische Gründe eine nicht unbeachtliche Rolle gespielt haben. Er geht davon aus, daß die Gründerväter selbstverständlich der Meinung waren, daß unter den regulation of commerce auch die regulation of the incorporation of commercial enterprises mit enthalten sind, also Vorschriften, welche die Gründung von Gesellschaften betreffen. Dies leitet er aus der Rechtslage in Frankreich ab, die den Gründervätern in weiten Bereichen als Vorbild diente. Im Napoleonischen code de commerce sei beispielsweise ein Kapitel über Gesellschaften enthalten. Bedeutender zum Verständnis dieser Entwicklung sei, seiner Meinung nach, die Tatsache, daß der Kongreß kein Interesse in der Ausübung der Kompetenzen bezüglich des Handels zeigte. 269 Conard, 71 Mich. L. Rev. 621, 626. 270 Vgl. Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 169; Cox / Hazen / O'Neal § 27.9.; Ballantine, S. 874.

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

573

ten271. Nachdem es keine Anzeichen dafür gab, daß diese ihre Regelungen als Reaktion auf die Vorkommnisse umfassend verändern wollten, sollte der Bund selbst tätig werden. Auch hier gab es wiederum Überlegungen, eine Problemlösung im Wege eines Bundesgesetzes zum Gesellschaftsrecht zu suchen272. Der Kongreß entschied sich im Rahmen der sog. new deal-Gesetzgebung allerdings für eine andere Strategie. Er erteilte einem Gesetz mit einem so breiten Anwendungsbereich eine Absage und zog eines vor, das begrenzt am Handel mit Wertpapieren ansetzt273. Sicher spielten hier auch die angesprochenen Bedenken wegen der Kompetenz des Bundes für Gesellschaftsrecht eine Rolle. Im Mai 1933 trat der Securities Act 1933 in Kraft. Der Securities Act 1933 hat aber nur einen begrenzten Anwendungsbereich274, da er nur für den Zeitpunkt des ersten Angebots von Wertpapieren an der Börse eingreift. Um einen etwas weiteren Regelungsbereich abzudecken275, erließ der Kongreß etwa ein Jahr später den Securities Exchange Act 1934, der alle Aspekte des öffentlichen Handels von Wertpapieren erfaßt. Beide Gesetze garantierten keine bestimmten Minimalanforderungen hinsichtlich der Verläßlichkeit der Wertpapiere. Sie sorgen, wie ausgeführt, lediglich für eine umfassende Offenlegung aller für eine Anlageentscheidung relevanter Umstände ergänzt durch ein Verbot betrügerischen Verhaltens276. Diese offenzulegenden Daten sind dabei umfassend und stehen ____________ 271 Vgl. Schwartz, 45 Ohio St. L.J. 545, 547 (1984). Aufschlußreich ist hier die Fallstudie, die anhand der United States Steel Corporation, einer Gesellschaft, die unter dem Recht Delawares organisiert war und eine Holding Gesellschaft darstellte, die Entwicklung der Gesellschaft seit ihrer Gründung darstellt. Besonderes Augenmerk richtet die Studie auch auf die Zeit der Depression. Sie zeigt, daß die Gesellschafter unter dem Recht Delawares massive Nachteile zu erleiden hatten. Danach werden die Handlungen nochmals analysiert, wobei die Geltung insbesondere des Securities Act 1933 und Securities Exchange Act 1934 unterstellt wird, um so die Effizienz dieser Gesetze zu überprüfen, vgl. Note, 37 Col. L. Rev. 785, 936 und 1137 (1937). Skeptisch gegen die Wirksamkeit dagegen Douglas / Bates, 43 Yale L.J. 171 (1933). 272 So auch Schwartz, 45 Ohio St. L.J. 545, 547 (1984) v.a. Fußn. 17. Vgl. dazu auch den Vorschlag des Senators O’Mahoney, der noch 1937 und 1938 ein Gesellschaftsrecht des Bundes maßgeblich unterstützte, dazu Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1126 (1976); Nader / Green / Seligman, S. 69; Henn / Alexander, S. 27; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 551. 273 Vgl. zum Zusammenhang von Weltwirtschaftskrise und der new deal-Gesetzgebung auch Legislation Note, 48 Harv. L. Rev. 107 (1934) und Fanto, 17 Nw. J. Int’l L. & Bus. 119, 138 (1996), der ausdrücklich darauf hinweist, daß beide Gesetze ein Teil der Reaktion des Kongresses auf den Börsenzusammenbruch 1929 waren. 274 Kritisch daher auch Douglas / Bates, 43 Yale L.J. 171 (1933). 275 Zu dieser Begründung Cox / Hazen / O'Neal, § 27.9. 276 Vgl. nur Loss / Seligman, Fundamentals, S. 25 f.; Loss / Seligman, Securities Regulation, S. 171 ff.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

unter der Kontrolle der SEC, so daß der Bund hierbei viel weiter gegangen ist277, als die Einzelstaaten, die zum Teil ebenfalls kapitalmarktrechtliche Regelungen erlassen hatten.

d) Kompetenz für Kapitalmarktrecht Auch im Zusammenhang mit den beiden kapitalmarktrechtlichen Gesetzen stellt sich die Frage nach einer Kompetenz des Bundes zur Regelung dieser Materie. Anders als im Gesellschaftsrecht geht man aber im Bereich des Kapitalmarktrechts davon aus, daß eine Bundeskompetenz besteht. Diese wird aus dem bereits angesprochenen Art. 1 Sec. 8 Satz 3 der Bundesverfassung (interstate commerce) abgeleitet. In Gibbons v. Ogden278, einer frühen Entscheidung zum Begriff des interstate commerce, führte Chief Justice Marshall aus, daß der Kongreß unter dieser Kompetenz alle diejenigen Materien regeln könne, die den Handel zwischen mehr als einem Staat betreffen279. Dies wird aber im Fall des Wertpapierhandels häufig gegeben sein280. Dagegen ist ein Wertpapiermarkt in größerem Umfang, der an den Grenzen der Einzelstaaten Halt macht, nur schwer vorstellbar. Dies zeigt auch der Blick darauf, wie sich der Handel auf die US-amerikanischen Börsen im einzelnen verteilt. So war etwa 1981 die größte Börse der USA die New York Stock Exchange (NYSE) verantwortlich für 80,68 % des gesamten Wertpapierhandels, wobei das Dollarvolumen 84,74 % des an allen Börsen im Handel umgesetzten entsprach281. An zweiter ____________ 277

Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27, 54 (1936). 22 U.S. 1 (1824). 279 Vgl. auf S. 194: Es kommt eine Regelung dann in Betracht, wenn sie sich auf „commerce which concerns more states than one“ bezieht. Tribe weist auf S. 308 f. darauf hin, daß der Supreme Court eine Zeit lang eine restriktivere Auslegung bevorzugt. Allerdings kam das Gericht in der Entscheidung NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U.S. 1 (1936), wieder zum von Chief Justice Marshall gewählten Ansatz zurück, Tribe, S. 309, so daß nur diese Auslegung erwähnt werden braucht. 280 Anzumerken ist, daß der Supreme Court nie über die Verfassungsmäßigkeit der beiden wichtigsten Gesetze dem Securities Act 1933 und dem Securities Exchange Act 1934 zu entscheiden hatte. In der frühen Entscheidung Jones v. SEC, 298 U.S. 1 (1936) war diese zwar vom Kläger bestritten, der Supreme Court beurteilte eine Entscheidung darüber aber als nicht notwendig, da er Klage bereits aus anderem Grund stattgab. In späteren Entscheidungen wurde die Kompetenz wohl als offensichtlich vorhanden angenommen, ebenso Stern, 59 Harv. L. Rev. 883, 926 (1946), da dieses Problem nie mehr diskutiert oder auch nur erwähnt wurde. Durchaus kritisch aber Isaacs, 43 Yale L.J. 218 (1933), der sich ausführlich mit der Auslegung des interstate commerce clause beschäftigt. 281 Zu den Zahlen vgl. Cary / Eisenberg, S. 261 f. 278

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

575

Stelle folgte die American Stock Exchange (Amex) mit einem Anteil von 9,32 % des Handels mit Wertpapieren und 5,41 % des Dollarvolumens. Die restlichen 10 % des Handels und 9,75 % Dollarvolumens verteilte sich auf die „regionalen Börsen“, wobei hier praktisch maximal fünf überhaupt von Bedeutung sind282. Somit konnte der Bund über die Verfassungsbestimmung des zwischenstaatlichen Handels seine kapitalmarktrechtlichen Gesetze erlassen.

e) Reformen in späteren Jahren bis zum Sarbanes Oxley Act 2002 Der nächste Ruf nach einem einheitlichen Gesellschaftsrecht des Bundes wurde in den 70er Jahren laut283. Zum einen wurden die bisherigen Bemühungen als nicht ausreichend angesehen, zum anderen verfolgten zahlreiche Autoren diesmal eine andere Zielsetzung. Die Vorschläge hatten nunmehr soziale Reformen im Blick, da im Zusammenhang mit den Unternehmen eine Vielzahl von sozialen Problemen gesehen wurden, wie die Umweltverschmutzung, unsichere Produkte aber auch Diskriminierungen aufgrund von Rasse oder Geschlecht284. Wiederum reagierte der Bund nicht mit einem einheitlichen Gesellschaftsrecht. Zumindest soweit die Kritik im gesellschafts- bzw. unternehmensrechtlichen Bereich anknüpfte, unternahm er erneut eine umfangreiche Novelle des Kapitalmarktrechts285. Als aktuelles Beispiel kann der schon im Zusammenhang mit der Beurteilung des Deregulierungsansatzes erwähnte Sarbanes Oxley Act 2002 genannt werden. Auf die Skandale durch Enron, Worldcom und andere Gesellschaften reagierte wiederum der Bundesgesetzgeber durch den Erlaß eines Gesetzes, des Sarbanes-Oxley Act 2002. Anknüpfungspunkt für die Regelungen dieses Gesetzes ist die Registrierung bei der SEC und somit wiederum ein kapitalmarktrechtlicher Ansatz. Die einzelnen Vorschriften betreffen aber überwiegend klassische gesellschaftsrechtliche Fragen im Bereich der corporate governance, also der Unternehmensführung und –leitung eines Unternehmens. Große Bedeutung wird der Unabhängigkeit der Mitglieder des board of directors beige____________ 282 Boston Stock Exchange, Cincinnati Stock Exchange, Midwest Stock Exchange, Pacific Stock Exchange und Philadelphia Stock Exchange. 283 Vgl. hierzu etwa Nader / Green / Seligman, v.a. S. 62 ff.; Cary, 83 Yale L.J. 663 (1974) und Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1127 (1976) m.w.N. 284 Ausdrücklich etwa Schwartz, 31 Bus. Law. 1125, 1129 (1976); Nader / Green / Seligman, S. 17 ff. 285 Vgl. Henn / Alexander, S. 34.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

messen. Unabhängig ist ein director dann, wenn er keine wesentliche Beziehung zu dem börsennotierten Unternehmen hat. Dies wird sehr weit verstanden und umfaßt etwa Beziehungen als Gesellschafter oder leitender Angestellter bzw. Organ einer Organisation, die eine Beziehung zu der Gesellschaft unterhält. Zur Unabhängigkeit gehört auch eine „Ausschluß“-Frist von fünf Jahren für frühere Mitarbeiter des Unternehmens oder dessen unabhängigen Abschlußprüfer. Weitere wesentliche Regelungen betreffen die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer und legen Anwälten, die mit bei der SEC registrierten Unternehmen, zusammenarbeiten, zahlreiche Pflichten auf286.

f) Resümee Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß der US-amerikanische Bund eine Gegenreaktion auf Mißstände, die aus dem Gesellschaftsrecht resultieren, nicht auf der Ebene des Gesellschaftsrechts im engeren Sinne ergriffen hat. Ein Grund hierfür liegt darin, daß er mangels Kompetenz keine spezifisch gesellschaftsrechtlichen Regelungen auf Bundesebene schaffen konnte. Er hat mit seinen Reformen vielmehr in einem Teilbereich angesetzt, nämlich beim Handel mit Wertpapieren, also beim Kapitalmarktrecht, und nahm hier die nötigen Korrekturen eines flexiblen Gesellschaftsrechts vor. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es nicht ausreicht, die vom Bund geschaffenen gesetzlichen Regeln alleine zu betrachten. Im Zusammenhang mit dem Securities Act 1933 und dem Securities Exchange Act 1934 hat sich in der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court ein gesellschaftsrechtliches common law auf Bundesebene herangebildet, das auch intensiv auf die Beziehungen zwischen Verwaltung und Gesellschafter ausstrahlt. Coffee sieht darin in der Praxis den von Cary vorgeschlagenen Ansatz verwirklicht, da sich aus den beiden Gesetzen in Zusammenhang mit der Rechtsprechung de-facto gesellschaftsrechtliche Minimumstandards entwickelt haben287. ____________ 286 Vgl. zum Sarbanes-Oxley Act Ribstein, http://ssrn.com/abstractid=332681, S. 69 ff. mit einer Zusammenfassung der Einzelregelungen, sowie aus europäischer Sicht vgl. Hopt, European Corporate Governance Institute, Law Working Paper No. 05/2002, November 2002; ssrn.com/abstract_id=356102. 287 Coffee, 8 Cardozo L. Rev. 759 (1987) mit einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung; ähnlich Jennings, 31 Bus. Law. 991, 1021 (1976); Kaplan, 31 Bus. Law. 883, 926 (1976); Folk, 1966 Duke L.J. 875, 958; Henn / Alexander, S. 39; Hamilton, S. 154. Kritisch aber Romano, in: Panel Response, 8 Cardozo L. Rev. 779 (1987).

§ 11 Deutscher und US-amerikanischer Ansatz im Vergleich

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Ingesamt hat sich somit bei einer Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung in den USA bestätigt und vor allem erklärt, was im Länderbericht zum US-amerikanischen Recht deutlich geworden ist. Der Schutz der Anleger erfolgt durch das Zusammenspiel von Gesellschafts- und Kapitalmarkt. Für die Höhe des Schutzniveaus ist die Börsennotierung (also das Vorliegen eines public offerings i.S.d. Securities Act 1933 bzw. eine Registrierungspflicht bei der SEC nach dem Securities Exchange Act 1934) von entscheidender Bedeutung,. Die Begründung für diese Entwicklung ist einerseits in der föderalistischen Struktur der USA und einer Bevorzugung der Gründungstheorie im internationalen Gesellschaftsrecht zu sehen. Andererseits hat die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf den Bund und die Einzelstaaten, eine maßgebliche Rolle gespielt für die Verortung bestimmter Vorschriften im Kapitalmarktrecht und nicht im Gesellschaftsrecht.

III. Gegenüberstellung der geschichtlichen Entwicklungen in Deutschland und den USA Zusammenfassend ist folgendes festzuhalten: Die geschichtlichen Ausgangsbedingungen in Deutschland und in den USA sind vergleichbar. In beiden Staaten erfolgte, wenn auch zeitlich versetzt, im Laufe des 19. Jahrhunderts im Gesellschaftsrecht der Übergang vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen. Auch die Weltwirtschaftskrise, die ihren Anfang 1929 nahm, hatte in beiden Staaten Auswirkungen auf Gesellschaften und Börsen, was zu einer Reaktion der Staaten auf Mißstände führte. Der jeweils gewählte Ansatz unterscheidet sich aber erheblich. In Deutschland stellt sich die Geschichte des Kapitalgesellschaftsrechts, insbesondere des Aktienrechts als eine fortschreitende Verschärfung der gesetzlichen aktienrechtlichen Regelungen dar. Auf jeden Mißstand, der sich etwa hinsichtlich des Schutzes des anlegenden Publikums zeigte, folgte eine Reaktion, die eine Novelle des Aktienrechts beinhaltete und das Aktienrecht fortschreitend komplizierter und komplexer machte. Dabei bildete für die Aktiengesellschaft in zunehmendem Maße die Publikumsgesellschaft das Leitbild, die einen weit gestreuten Anlegerkreis hat und deren Anteile typischerweise an der Börse gehandelt werden. Für personenbezogene, kapitalmarktferne Unternehmen, die keinen Zugang zum öffentlichen Kapitalmarkt haben, wurde 1892 mit der GmbH eine zweite Kapitalgesellschaft geschaffen288.

____________ 288

Hueck, § 34 I, S. 323.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Gerade die ausschließliche Orientierung des Aktienrechts am Publikumsunternehmen, vernachlässigt die tatsächlichen Gegebenheiten, da „nicht einmal die Mehrzahl der Aktiengesellschaften in den Kreis der Großgesellschaften einzubeziehen“289 ist. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des Aktienrechts keine Rücksicht genommen, ob eine tatsächlich eine Publikumsgesellschaft vorliegt. Nachdem die Aktiengesellschaft nach der Vorstellung des Gesetzgebers ohnehin an der Börse notiert ist, wurden anlegerschützende Vorschriften zumeist auf der Ebene des Aktienrechts entwickelt, gesondertes Kapitalmarktrecht gewann lange Zeit keine maßgebliche Bedeutung. Die Rechtsentwicklung in den USA ist durch ihre föderale Struktur entscheidend beeinflußt. Nachdem zunächst in den Einzelstaaten, welche die Kompetenz im Gesellschaftsrecht haben, Gesetze mit einer Vielzahl von regulatorischen Bestimmungen vorherrschten, kam es bald zu einer Liberalisierung des Gesellschaftsrechts. Diese Liberalisierungswelle führte zunächst New Jersey, dann Delaware an, wobei auch die anderen Einzelstaaten ihr Gesellschaftsrecht zunehmend anpaßten. Dieser Wettlauf zwischen den Staaten führte dazu, daß auf der Ebene des Rechts der Einzelstaaten schon bald Gesetze vorherrschten, die hauptsächlich dispositive Regeln beinhalteten und darüber hinaus unabhängig von der Größe und Struktur der Gesellschaft galten. Auf Mißstände, etwa nach der Weltwirtschaftskrise, reagierten nicht die Einzelstaaten, sondern der Bund. Dieser wurde aber aufgrund zweifelhafter Gesetzgebungskompetenzen nicht im Bereich des Gesellschaftsrechts tätig, sondern schuf Bestimmungen, die am Handel von Wertpapieren ansetzten und die, wie im Länderbericht zum US-amerikanischen Recht erläutert, typischerweise für Gesellschaften einschlägig sind, die börsennotiert sind und einen weit gestreuten Kreis von Anlegern haben. Diese Überlagerung des Gesellschafts- und des Kapitalmarktrechts führt dazu, daß schützende Bestimmungen nur dort gelten, wo tatsächlich der Kapitalmarkt in Anspruch genommen wird und damit ein Bedarf für Anlegerschutz besteht. Für die Vorschriften nicht börsennotierter Gesellschaften, für die zumeist die bundesrechtlichen Regeln lediglich von geringer Bedeutung sind, bleibt es beim flexiblen Gesellschaftsrecht der Einzelstaaten.

____________ 289

Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 325.

§ 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht

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§ 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht Das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht ist traditionell von einem starken Dualismus der Rechtformen geprägt. Dabei steht die Aktiengesellschaft, die als Leitbild die börsennotierte Publikumsgesellschaft mit einem weiten Anlegerkreis hat, der GmbH, die als Gesellschaftsform für personenbezogene, kapitalmarktferne Unternehmen geschaffen ist, gegenüber. Die strikte Trennung der beiden Idealtypen verstärkte sich durch eine fortschreitende Verschärfung und zunehmende Komplexität des Aktienrechts1. Ziel vieler aktienrechtlicher Reformen war es, den Aktionär, der zugleich Anleger ist, besser zu schützen. Die Folge der Komplexität des Aktienrechts und des geringen Spielraums für privatautonome Gestaltung war, daß sich – vor allem bis 1994 – nur wenige Unternehmen für die Aktiengesellschaft als Gesellschaftsform entschieden hatten2. Es ist davon auszugehen, daß Unternehmen vielfach in der Rechtsform der GmbH verblieben sind, weil sie vor der Komplexität und der Regelungsdichte des Aktienrechts zurückschreckten, obwohl für sie die Rechtsform der Aktiengesellschaft inzwischen geeigneter gewesen wäre3. Das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ stellt eine Trendwende dar. Dieses Gesetz führte erstmals im Aktienrecht eine Differenzierung der Regeln und damit des Schutzniveaus ein, die an materiellen Kriterien orientiert ist. Es wird also nicht allein auf die Gesellschaftsform abgestellt, wie sie nach der Konzeption des Gesetzgebers sein soll, sondern auch auf die rechtstatsächlichen Gegebenheiten. Durch die Einführung einer Zwischenform – der „Kleinen AG“ – kann ein flexibleres System geschaffen werden. Das Ziel ist es Unternehmen in einem ersten Schritt an die Rechtsform Aktiengesellschaft heranzuführen, ohne ihnen – mangels Kapitalmarktbezogenheit – diesen Schritt übermäßig zu erschweren. Diese Unternehmen können dann in einem zweiten Schritt sich des öffentlichen Kapitalmarkts bedienen und unterfallen erst dann allen Vorschriften im Aktien- und Kapitalmarktrecht, ____________ 1 So etwa Hueck, § 34 I, S. 322 f. Vgl. dazu auch die Ausführungen in § 11 B I, wo sich eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts findet. Daraus wird deutlich, daß seit den Anfängen des Aktienrechts im ADHGB von 1861 bis zum heutigen Tage, die Reformen die aktienrechtlichen Regelungen komplizierter und strikter gemacht haben. Damit wurde der Spielraum für privatautonome Gestaltung durch die Gesellschafter immer mehr eingeschränkt. 2 Vgl. dazu die Zahlen, die bereits in § 1 der Arbeit genannt wurden. So gab es Anfang 1995, und somit kurz nach Erlaß des Gesetzes über die Kleine AG, etwa 650.000 GmbH und nur etwa 3.600 Aktiengesellschaften, vgl. Hansen, GmbHR 1995, 507; Hansen, AG-Report 1995, R 272. 3 Siehe dazu statt vieler Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 15 ff. Diese sprechen davon, daß „Unternehmen ... aus rechtlichen Gründen von der Aktiengesellschaft ferngehalten“ werden.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

die zum Schutz der Anleger erforderlich sind. Das wichtigste materielle Kriterium, das der Gesetzgeber in der Reform 1994 verwendet hat, ist kapitalmarktbezogen und knüpft daran an, ob die Aktien einer Gesellschaft tatsächlich an der Börse, bzw. an einem organisierten Markt notiert sind. So kann darauf abgestellt werden, ob Gesellschafter wirklich Schutz benötigen (idealtypisch bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft) oder ob sie selbst für ihre Interessen sorgen können (idealtypisch bei einer nicht börsennotierten personalistischen Gesellschaft). Diese neue Weichenstellung des Gesetzgebers wird deutlich, wenn man einen Vergleich zur Rechtslage in den USA zieht. Zum einen spielt auch dort die Differenzierung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen anhand materieller Kriterien eine wichtige Rolle, was im § 8 dieser Arbeit bei der Unterscheidung zwischen close corporation und publicly held corporation gezeigt wurde. Noch größere Bedeutung kommt aber der Frage nach der Kapitalmarktnähe oder ferne einer Gesellschaft außerhalb des Gesellschaftsrechts zu, nämlich im Kapitalmarktrecht. Die Geltung bzw. Nichtgeltung kapitalmarktrechtlicher Regelungen führt zur eigentlich entscheidenden rechtlichen Differenzierung zwischen beiden Gesellschaftstypen in den USA4. Auch im deutschen Recht sind neuere Entwicklungen zu verzeichnen, welche die These unterstützen, daß auch hier die Frage der Börsennotierung einer Gesellschaft für das rechtliche Regime, dem sie unterfällt, immer größere Bedeutung erlangt. Dieser für das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ zentraler Gedanke soll nachfolgend anhand neuerer Entwicklungen im Gesellschaftsrecht (unter A.) und im Kapitalmarktrecht (unter B.) jedenfalls überblicksartig gezeigt werden. An diesem Ort kann unmöglich auf die gesamten Entwicklungen im Gesellschafts- und vor allem Kapitalmarktrecht eingegangen werden. Für das Ziel dieses Kapitels, nämlich das Auseinanderdriften des Regelungsregimes für börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften zu zeigen, soll es genügen, auf die Trends in den neuen Gesetzen hinzuweisen. Im Gesellschaftsrecht spielt die Frage der Börsennotierung im „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) vom 27. April 19985 eine wesentliche Rolle (dazu unter A I und II). Daneben ist im Hinblick auf neuere gesellschaftsrechtliche Entwicklungen auf die corporate ____________ 4 5

So ausführlich im 3. Teil v.a. im § 9 und § 10 und zusammenfassend in § 11 A. BGBl. I 1998, 786.

§ 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht

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governance-Debatte in Deutschland einzugehen. Diese ist durch das „Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität“ (TransPuG) vom 19. Juli 20026 und die Verkündung des Deutschen Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom 7. November 2002) vom 14. November 20027 für börsennotierte Unternehmen von unmittelbarer Relevanz geworden. Dargestellt werden diese neueren Entwicklungen im deutschen Gesellschaftsrecht, um zu zeigen, daß die Änderungen durch das „Gesetz für die Kleine AG“ kein Einzelfall geblieben sind und sich die dort angefangene Entwicklung einer Differenzierung des Aktienrechts anhand materieller Kriterien in der Folgezeit fortgesetzt hat. In Teil B wird das Augenmerk auf die Entwicklung des Kapitalmarktrechts in Deutschland gelegt, die gerade auch unter Einfluß des europäischen Rechts in den letzten Jahren stattgefunden hat. Die Ausprägung eines wirklichen Kapitalmarktrechts, die man ebenfalls seit 1994 beginnend mit dem Wertpapierhandelsgesetzes im Rahmen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes verzeichnen kann, unterstützt die These einer Zweiteilung des rechtlichen Regime für Kapitalgesellschaften, die sich nicht an der Rechtsform, sondern an der Kapitalmarktnähe orientiert.

A. Neue Entwicklungen im Gesellschaftsrecht I. Das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (KonTraG) Das KonTraG hat die im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ eingeleitete Trendwende fortgesetzt. Auch das KonTraG führt eine Reihe von Regelungen für Aktiengesellschaften ein, bei denen danach differenziert wird, ob diese für alle Aktiengesellschaften gelten sollen oder nur für solche, die weitere materielle Kriterien erfüllen. In der Reform 1994 hat der Gesetzgeber die gesonderten Regelungen noch an eine Vielzahl materieller Kriterien geknüpft8. Zwar sollten jedes Mal besondere Regelungen für die personalistische kapitalmarktferne Gesellschaft, die als Gegenbild zur Publikumsgesellschaft mit weitem Anlegerkreis zu sehen ist, geschaffen werden. Der Gesetzgeber hatte sich aber noch nicht dafür entschie____________ 6

BGBl. I 2002, 2681. Elektronischer Bundesanzeiger vom 26. November 2002. Die letzte Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex stammt vom 12. Juni 2006, Elektronischer Bundesanzeiger vom 24. Juli 2006. 8 Vgl. dazu oben unter § 6 B. II. zu den verschiedenen gesetzlichen Einordnungskriterien für die „Kleine AG“. 7

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

den, alle Vorschriften an einem einzigen Kriterium auszurichten. Im KonTraG9 nun ist die Idee fortgeführt, unterschiedliche Vorschriften für unterschiedliche Typen von Aktiengesellschaften zu schaffen. Entscheidend ist hier nur noch ein einziges Kriterium, nämlich die Börsennotierung bzw. die fehlende Börsennotierung der entsprechenden Aktiengesellschaft. Nachfolgend wird zunächst unter 1. auf die Vorschriften im Aktiengesetz und im Handelsgesetzbuch eingegangen, die seit dem KonTraG an das Kriterium der Börsennotierung anknüpfen, das in § 3 Abs. 2 AktG erstmals im Aktienrecht definiert wurde. Dadurch wird deutlich, wie sich das Recht der „Kleinen AG“ und der börsennotierten Aktiengesellschaft nach der Novelle 1994 weiterentwickelt hat. Unter 2. wird gezeigt, inwieweit das KonTraG insgesamt eine starke Kapitalmarktorientierung aufweist und damit der Kapitalmarktnähe bzw. Kapitalmarktferne einer Gesellschaft entscheidende Bedeutung für das Regelungsregime einräumt.

1. Vorschriften für „börsennotierte“ Aktiengesellschaften a) Änderungen im Aktiengesetz für börsennotierte Aktiengesellschaften Nach dem KonTraG unterscheidet das Aktienrecht zwischen der Publikumsgesellschaft, deren Anteile an der Börse gehandelt werden, und der typischerweise mittelständischen Aktiengesellschaft, deren Anteile nicht börsennotiert sind. In § 3 Abs. 2 AktG definiert der Gesetzgeber, was unter einer „börsennotierten“ Gesellschaft zu verstehen ist10. Neben der Änderung des § 58 Abs. 2 AktG und des § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG, die eine Anpassung des Wortlauts an die neue Vorschrift des § 3 Abs. 2 AktG enthält, wurde die „kapitalmarktorientierte Trennlinie in unserem Aktienrecht“, wie der Gesetzgeber selbst betont11, fortgeführt. Im Gesetzestext wurden ausdrücklich besondere Vorschriften für börsennotierte Gesellschaften in den §§ 110 Abs. 3, 124 Abs. 3, 134 Abs. 1 Satz 1, 171 Abs. 2 Satz 2 und 328 Abs. 3 AktG eingeführt. ____________ 9 Auf den Zusammenhang zwischen dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ und dem KonTraG im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an der Börse zugelassen sind, und kapitalmarktfernen Aktiengesellschaften ausdrücklich BT-Drucks. 13/9712, Begr. zu § 3 Abs. 2 AktG, S. 12. Ebenso Claussen, DB 1998, 177. 10 Auf die genaue Begriffsbestimmung wurde bereits oben in § 6 B. II. 2. a) bb) eingegangen. 11 BT-Drucks. 13/9712, S. 12.

§ 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht

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Im einzelnen geht es in diesem Vorschriften um folgende Regelungsbereiche:

aa) § 110 Abs. 3 AktG Der Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft muß nach § 110 Abs. 3 AktG zweimal im Kalenderhalbjahr zusammentreten. Bei einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft bleibt es dagegen bei einer Sitzungsfrequenz von einmal im Kalenderhalbjahr. Diese Unterscheidung der Sitzungsfrequenz wird vom Gesetzgeber mit der bereits angesprochenen12 besonderen Funktion des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, die einen breiten Kreis von Anlegern hat, begründet. Bei einer solchen Gesellschaft, die vom Gesetzgeber des KonTraG mit einer börsennotierten Gesellschaft gleichgesetzt wurde, befassen sich die Anleger selbst kaum mit der Überwachung des Vorstands, so daß hier dem Aufsichtsrat diese Aufgabe besonders obliegt. Bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft kann die Regelung flexibler sein, da davon auszugehen ist, daß bei der Aktiengesellschaft in mittelständischen Unternehmen häufig die Geschäftsführung in den Händen der Anteilseigner selbst liegt13. Daher stellt sich hier das Problem des „Auseinanderfallens von Eigentum und Kontrolle“14 in geringere Weise und ein Eingreifen des Gesetzgeber zur Vermeidung von Interessenkonflikten ist nicht im gleichen Maße erforderlich, wie bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Im übrigen soll der Aufsichtsrat nach dem KonTraG zwar auch hier einmal im Kalendervierteljahr zusammentreten15, zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr sind aber nur für die börsennotierte Gesellschaft obligatorisch16. ____________ 12 Vgl. dazu oben unter § 5 B. II. 1. c) cc) und § 11 B. I. 2. zu den geschichtlichen Hintergründen der Stärkung der Stellung des Aufsichtsrats. 13 So ausdrücklich BT-Drucks. 13/9712, S. 16. 14 Zu dem Schlagwort von „separation of ownership and control“ bereits Berle / Means, S. 69 ff. 15 Diese „Soll-Vorschrift“ hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen gilt auch für die nicht börsennotierte Gesellschaft, daß der Gesetzgeber eine häufigere Frequenz für empfehlenswert hält. Zum anderen sollen die beiden Sitzungen des Aufsichtsrats einer börsennotierten Gesellschaft jeweils in unterschiedlichen Kalendervierteljahren stattfinden, um so durch Sitzungen in regelmäßigen Abständen, eine kontinuierlichere Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat möglich zu machen. 16 Das TransPuG hat § 110 Abs. 3 AktG erneut geändert. In der neuen Fassung ist die unterschiedliche Behandlung von börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften aufrecht erhalten geblieben. Es gilt allerdings nach § 110 Abs. 3 Satz 1 AktG nun generell, daß der Aufsichtsrat zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten muß. Bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft wird dem Aufsichtsrat eine größere Autonomie eingeräumt. Nach § 110 Abs. 3 Satz 2 AktG i.d.F. des TransPuG kann der Auf-

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

bb) § 124 Abs. 3 AktG Nach § 124 Abs. 3 AktG muß bei einer börsennotierten Gesellschaft bei einem Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern erhöhten Informationspflichten Rechnung getragen werden. Bei allen Gesellschaften soll durch die Angabe des ausgeübten Berufs statt nur des erlernten Berufs eine bessere Einschätzung der Arbeitsbelastung des Aufsichtsratskandidaten ermöglicht werden (§ 124 Abs. 3 Satz 3 AktG). Bei börsennotierten Gesellschaften müssen nach § 125 Abs. 1 Satz 2 AktG zusätzlich Angaben zur Mitgliedschaft der Kandidaten in den Aufsichtsräten anderen Gesellschaften gemacht werden, so daß die Aktionäre neben der individuellen Belastungssituation auch die Gefahr von Interessenkonflikten besser einschätzen können17. Ergänzend sieht § 285 Nr. 10 HGB i.d.F. des KonTraG vor, daß sowohl der ausgeübte Beruf der Aufsichtsratsmitglieder als auch bei börsennotierten Gesellschaften die sonstigen Mandate in Aufsichtsräten zu Pflichtangaben des Anhangs gehören.

cc) § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG Das KonTraG wollte dem Grundsatz one share, one vote18 insgesamt stärker Rechnung tragen. Neben der vollständigen Abschaffung von Mehrfachstimmrechten durch die Streichung von § 12 Abs. 2 Satz 2 AktG (mit einer Übergangsregelung in § 5 Abs. 1 EGAktG), wurden auch die Höchststimmrechte abgeschafft (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG)19. Der Gesetzgeber hat in beiden Regelungen einen Widerspruch in der Korrelation zwischen Stimmrecht und Eigentum gesehen20. Die Erwartung, daß sich Stimmrecht und Eigentum entsprechen, besteht aber vor allem im öffentlichen Kapitalmarkt.

____________ sichtsrat einer solchen Gesellschaft beschließen, nur eine Sitzung im Kalenderhalbjahr abzuhalten. 17 Tätigkeiten in vergleichbaren in- oder ausländischen Kontrollorganen sollen beigefügt werden. Diese Soll-Vorschrift wurde vom Gesetzgeber wegen der zu erwartenden nicht unerheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber einer Muß-Vorschrift bevorzugt, vgl. BT-Drucks. 13/9712, S. 17. Vgl. auch Seibert, in: Reform, S. 1, 11, der hervorhebt, daß durch eine bloße Soll-Vorschrift anfechtungsrelevanter Rechtsunsicherheit vorgebeugt wird und Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 857 auch zum Referentenentwurf, der noch die Veröffentlichung der Angaben vorsah. Jetzt müssen die Angaben lediglich den Wahlvorschlägen beigefügt werden. 18 Dazu Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 854. 19 Vgl. auch Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 854 f. und Claussen, DB 1998, 177, 178 f. und 181. 20 BT-Drucks. 13/9712, S. 20.

§ 12 Neue Entwicklungen im deutschen Recht

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Durch Höchststimmrechte sollten überdies insbesondere (feindliche) Übernahmen erschwert werden. Zudem wurden sie auch als ein Schutzinstrument für Kleinaktionäre vor nachteiligen Einflüssen von Großaktionären gesehen21. Gerade bei börsennotierten Gesellschaften schätzt der Gesetzgeber aber Übernahmen nicht generell als negativ für die Gesellschaft ein. Darüber hinaus seien durch den Übernahmekodex der Börsensachverständigen bzw. das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (WpÜG)22 sowie die Insiderregeln (§§ 12–14 WpHG) bei börsennotierten Gesellschaften andere Schutzmechanismen geschaffen worden23. Solche Gründe, die insbesondere aus dem Kapitalmarktrecht resultieren, hat der Gesetzgeber aber nicht für geschlossene Gesellschaften gesehen, für diese weder das WpÜG noch die Insiderregeln gelten24. Daher bleiben bei nicht börsennotierten Gesellschaften Höchststimmrechte auch nach dem KonTraG weiterhin zulässig (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG). Ausdrücklich hervorgehoben sei hier noch einmal der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz: Der Gesetzgeber überprüft, ob eine Regelung für börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften in gleicher Weise relevant und vor allem nötig ist. Nachdem er bei den börsennotierten Gesellschaften durch das öffentliche Übernahmerecht und die Regelung zum Verbot von Insidergeschäften im Kapitalmarktrecht einen anderen Schutzmechanismus sieht, regiert er mit einem Abbau des aktienrechtlichen Schutzes durch Mehrfachstimmrechte. Bei nicht börsennotierten Gesellschaft bleiben Mehrfachstimmrechte möglich, da die kapitalmarktrechtlichen Schutzvorschriften nicht eingreifen sollen und zudem diese Entscheidung der Satzungsautonomie der Aktionäre unterfallen soll. ____________ 21

Vgl. jeweils BT-Drucks. 13/9712, S. 20. BGBl. I 2001, 3822. 23 BT-Drucks. 13/9712, S. 20. Vgl. auch Seibert, in: Reform, S. 1, 17, der bei der Abschaffung der Höchststimmrechte bei börsennotierten Gesellschaften vom Überwiegen der „Kapitalmarktsicht“ spricht. 24 Das WpÜG ist auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, anwendbar (§ 1 i.V.m. § 2 WpÜG). Insiderpapiere sind in § 12 Abs. 1 Satz 1 WpHG definiert als Wertpapiere, die entweder an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind, oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den geregelten Markt oder Freiverkehr steht gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 WpHG). 22

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

dd) § 171 Abs. 1 AktG Der Aufsichtsrat ist nach § 171 Abs. 1 AktG für die Überprüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags über den Bilanzgewinn zuständig. Nach dem KonTraG kommt hierzu zusätzlich die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG). Das Ergebnis der Prüfung ist vom Aufsichtsrat in einem schriftlichen Bericht zusammenzufassen und an die Hauptversammlung weiterzuleiten (§ 171 Abs. 2 Satz 1 AktG). Den Inhalt des Berichts konkretisiert § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG. Bei börsennotierten Gesellschaften muß ein solcher Bericht nach § 171 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 AktG ausführlicher sein. Zusätzlich muß nämlich angegeben werden, welche Ausschüsse des Aufsichtsrats gebildet worden sind sowie die Anzahl der Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber ausdrücklich deshalb nicht auf kapitalmarktferne Aktiengesellschaften ausgedehnt, da er hier von einer besseren Kommunikation zwischen Aufsichtsrat und Eigentümer ausgeht und daher geringere Formalien vorschreiben wollte25. Überdies wird häufig der Aufsichtsrat vor allem von nicht börsennotierten Gesellschaften lediglich aus drei Personen bestehen, so daß jedenfalls die Bestimmungen zu den Ausschüsse ohnehin leer laufen würden.

ee) § 328 Abs. 3 AktG Schließlich enthält § 328 Abs. 3 AktG eine weitere aktienrechtliche Regelung, die nur börsennotierte Gesellschaften betrifft. Soweit eine wechselseitige Beteiligung i.S.d. § 19 AktG vorliegt, wenn also zwei Kapitalgesellschaften jeweils eine Kapitalbeteiligung von mehr als 25 % aneinander halten, führt dies bei einer börsennotierten Gesellschaft zu einer Stimmrechtsbeschränkung. Insgesamt werden solche Beteiligungen als problematisch gesehen, weil hier „jedes Unternehmen mittelbar an sich selbst beteiligt ist“26. § 328 Abs. 3 AktG korreliert insoweit mit §§ 71 ff. AktG, insbesondere mit § 71 b AktG, der bestimmt, daß der Gesellschaft aus eigenen Aktien keine Rechte zustehen. In beiden Fällen würde sich anderenfalls die Verwaltung, jedenfalls teilweise, selbst kontrollieren. Da gerade bei börsennotierten Gesellschaften häufig nur eine geringe Anzahl von Gesellschaftern bei der Hauptversammlung anwesend ist, wird das Problem des Einflusses der Verwaltung als besonders schwerwiegend angesehen. Der Gesetzgeber hat somit auch bei § 328 Abs. 3 AktG ____________ 25

BT-Drucks. 13/9712, S. 22 f. BT-Drucks. 13/9712, S. 25. Dies wird auch mit dem Stichwort „Kapitalverwässerung“ bezeichnet. 26

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auf besondere kapitalmarktbezogene Unterschiede bei börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften durch unterschiedliche Regelungen reagiert.

2. Änderungen im HGB für börsennotierte Aktiengesellschaften Auch ein Teil der Änderungen im Handelsgesetzbuch, die durch das KonTraG vorgenommen wurden, gelten lediglich für börsennotierte Gesellschaften27. Neben dem bereits erwähnten § 285 Nr. 10 HGB, trifft auch § 285 Nr. 11 HGB eine Regelung nur für börsennotierte Gesellschaften. Generell müssen alle Gesellschaften den Name und Sitz anderer Unternehmen im Anhang angeben, von denen die Kapitalgesellschaft mindestens 5 % der Anteile hält. Von diesen Gesellschaften muß zusätzlich die Höhe des Anteils am Kapital, des Eigenkapitals und des Ergebnisses des letzten Geschäftsjahres dieser Unternehmen angegeben werden. Börsennotierte Kapitalgesellschaften müssen darüber hinaus alle Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften als Pflichtangabe in den Anhang aufnehmen, soweit diese 5 % des Stimmrechts überschreiten. Ein börsennotiertes Mutterunternehmen muß nach § 297 Abs. 1 Satz 2 HGB des weiteren den Konzernanhang um eine Kapitalflußrechnung und eine Segmentberichterstattung erweitern. Dies stellt eine Anpassung an die international üblichen Bilanzierungsregeln dar28. Einige Regelungen im HGB werden auf Aktiengesellschaften beschränkt, deren Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben sind29. Bei solchen Gesell____________ 27

Das HGB selbst definiert nicht ausdrücklich, wann eine börsennotierte Gesellschaft vorliegt. Auch ist nicht ohne weiteres auf die Definition in § 3 Abs. 2 AktG zurückzugreifen. § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB, der, wie erläutert, indirekt eine Definition der „börsennotierten“ Gesellschaft enthält, galt bei Inkrafttreten des KonTraG in der Fassung des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes. Danach führte eine Zulassung am amtlichen Markt oder im geregelten Markt zum Vorliegen einer „großen Kapitalgesellschaft“ i.S.d. HGB. Mit dem KapCoRiLiG vom 24. Februar 2000 wurde § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB, wie erwähnt, erneut novelliert und definiert die fraglichen Marktsegmente durch einen Verweis auf § 2 Abs. 5 WpHG. Die vom Gesetzgeber bereits im KonTraG angestrebte Harmonisierung zwischen dem Gesellschaftsrecht und dem Kapitalmarktrecht wurde somit fortgeführt, vgl. auch BT-Drucks. 13/9712, S. 12 zum Ziel des KonTraG. 28 Vgl. Forster, AG 1999, 193, 195. 29 Möllers, AG 1999, 433, 435 nennt überdies § 289 Abs. 1 HGB, der gemäß § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB, für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 2 und 3 HGB gilt. Möllers sieht darin indirekt auch eine Regelung, die zwischen börsen-

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

schaften bestehen bei der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts erweiterte Pflichten des Abschlußprüfers. Nach § 91 Abs. 2 AktG, der durch das KonTraG neu eingefügt wurde, ist der Vorstand jeder Aktiengesellschaft – unabhängig davon, ob deren Anteile an der Börse notiert sind – verpflichtet, durch die Schaffung eines Überwachungssystems für ein angemessenes Risikomanagement und eine angemessene interne Revision zu sorgen30. Ein solches System hat den Zweck, den „Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh“ zu erkennen. Jedoch hat der Gesetzgeber vorgesehen, daß die Verpflichtung des Vorstands in Art und Ausmaß im einzelnen von dem konkreten Unternehmen abhängig ist, insbesondere von dessen „Größe, Branche, Struktur [und] dem Kapitalmarktzugang“31. Dies hat er durch die korrespondierende Erweiterung der Prüfungspflichten des Abschlußprüfers in § 317 Abs. 4 HGB bei Aktiengesellschaften, deren Anteile amtlich notiert sind, und der damit verbundenen Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat unterstützt. Zwei weitere Bestimmungen, die die Prüfungspflicht des Abschlußprüfers bei Aktiengesellschaften, die Aktien in amtlicher Notierung ausgegeben haben, ebenfalls erweitern, sind die §§ 319 Abs. 3 Nr. 6 und 323 Abs. 2 Satz 1 HGB. § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB schließt eine Person als Abschlußprüfer aus, wenn sie in den zehn vorangegangenen Geschäftsjahren den Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB in mehr als sechs Fällen erteilt hat. Das Gesetz sieht dann einen Prüferwechsel vor, um die Unabhängigkeit des Prüfers besser gewährleisten zu können32. Auch hier begründet der Gesetzgeber wiederum die Einschränkung auf große Aktiengesellschaften damit, daß nur bei diesen der Kapitalanlegerschutz eine solche Maßnahme erfordert33. Mit der selben Begründung34 wird in § 323 Abs. 2 Satz 2 HGB die Haftung des Abschlußprüfers bei der Prüfung einer Aktiengesellschaft, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben hat, auf 8 Mio. DM bzw. nach der Euroumstellung auf € 4 Mio. beschränkt, wogegen im übrigen eine Beschränkung auf 2 Mio. DM bzw. nach der Euroumstellung auf € 1 Mio. gilt. ____________ notierten und sonstigen Aktiengesellschaften unterscheidet, da börsennotierte Aktiengesellschaft nach § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB immer als große gelten. 30 Vgl. dazu auch Forster, AG 1999, 193, 195; Hommelhoff / Mattheus, AG 1998, 249, 251 und Seibert, in: Reform, S. 1, 9 f. 31 BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 32 Vgl. Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 860. Im übrigen ist nur die Person des Prüfers ausgeschlossen. Ein Wechsel der Prüfungsgesellschaft insgesamt ist nicht erforderlich, da der Gesetzgeber durch die notwendige Einarbeitung einer neuen Prüfungsgesellschaft, um die Qualität der Prüfung fürchtet, BT-Drucks. 13/9712, S. 28. 33 BT-Drucks. 13/9712, S. 28. 34 BT-Drucks. 13/9712, S. 29.

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3. Kapitalmarktorientierung des KonTraG insgesamt In der Begründung zahlreicher weiterer Vorschriften, die nachfolgend zumindest exemplarisch angesprochen werden, sieht der Gesetzgeber eine differenzierte Beurteilung verschiedener Typen von Aktiengesellschaften vor und fühlt sich dem allgemeinen Ziel der Deregulierung verpflichtet. Er betont zudem die Bedeutung des Kapitalmarktes und des Kapitalmarktrechts für das Aktienrecht, was an einigen Beispielen gezeigt werden soll35. Schon in der allgemeinen Begründung des Gesetzes stellt der Gesetzgeber ausdrücklich darauf ab, daß gerade bei börsennotierten Aktiengesellschaften in zunehmendem Maße Kontrolle nicht nur durch die verschiedenen Organe der Aktiengesellschaft ausgeübt werden, sondern daß die Kapitalmärkte selbst Kontrollfunktion erfüllen würden und auf verschiedene Entwicklungen zwischen Gründung und Liquidation einer Gesellschaft zum Teil einschneidend reagieren36. Durch die Internationalisierung der Kapitalmärkte wandele sich das Gesellschaftsrecht vor allem für börsennotierte Gesellschaften erheblich. Dies gelte gerade wenn man dabei an Publikumsgesellschaften denke, die sich an internationalen Kapitalmärkten finanzieren37. Für das Aktienrecht sollen weitere Regulierungen nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich vermieden werden. Vielmehr wird der „Selbstorganisation der Unternehmen“ und der „Kontrolle durch vorhandene Überwachungsebenen“ der Vorzug gegeben. Hierbei sind, wie der Gesetzgeber ausdrücklich ausführt, „die unterschiedlichen Bedürfnisse und Gegebenheiten der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen ... und insbesondere [ist] jeweils zu prüfen ..., ob eine Differenzierung zwischen kapitalmarktorientierten Gesellschaften und börsenfernen Gesellschaften vorzunehmen ist“ (Hervorhebung durch die Verfasserin)38.

____________ 35 Auf alle Änderungen durch das KonTraG sowie weitere Einzelheiten kann und soll hier nicht eingegangen werden. Hinzuweisen sei noch kurz auf die Neufassung des § 10 Abs. 5 AktG. Es wurde bereits angesprochen, daß das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ die Möglichkeit des Ausschlusses der Einzelverbriefung vorsah. Durch § 10 Abs. 5 AktG i.d.F. des KonTraG kann die Verbriefung der Mitgliedschaftsrechte vollständig abgeschafft werden. Vgl. zu den übrigen Regelungen die umfangreiche Literatur, so etwa die Übersichtsartikel von Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853 ff.; Claussen, DB 1998, 177 ff.; Seibert, in: Reform, S. 1 ff.; Hommelhoff / Mattheus, AG 1998, 249 ff. um nur einige zu nennen. 36 BT-Drucks. 13/9712, S. 11. 37 BT-Drucks. 13/9712, S. 11. 38 BT-Drucks. 13/9712, S. 11.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Die Orientierung am Kapitalmarkt fällt etwa bei §§ 71, 71d AktG auf, die den Eigenerwerb der Aktien erleichtern sollen. Dabei weist der Gesetzgeber39 darauf hin, daß der Eigenerwerb u.a. „zur Belebung des Börsenhandels“ und „zur Steigerung der Akzeptanz der Aktie als Anlageform“ dienen könne. Damit werde die Attraktivität des deutschen Finanzplatzes insgesamt gefördert. Der Erwerb der Aktien kann dabei etwa eine geplante Einziehung von Aktien vorbereiten, wenn das Eigenkapital des Unternehmens zu hoch ist40, zur Bedienung von Aktienoptionsplänen dienen oder die Aktie als „Akquisitionswährung“ bei Unternehmenszusammenschlüssen einsetzbar machen. Erforderlich ist hier lediglich eine Ermächtigung durch einen Beschluß der Hauptversammlung, der etwa im Falle des Erwerbs nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG 18 Monate lang gültig ist. Das Gesetz legt die zulässigen Zwecke nicht selbst abschließend fest, diese ergeben sich vielmehr aus einer Negativumschreibung in § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 AktG. Danach ist der Handel mit eigenen Aktien ausdrücklich für unzulässig erklärt41. Im übrigen dürfte, so der Gesetzgeber, eine Kurspflege für eine richtige Bewertung der Anteile auch unnötig sein, da auf „einem funktionierenden Kapitalmarkt … der Markt die richtige Unternehmensbewertung“42 lieferte. Für die hier interessierende These ist dabei folgendes besonders aufschlußreich: Der Gesetzgeber setzt sich in der Begründung ausdrücklich mit der Frage auseinander, ob die Möglichkeit des Rückkaufs der Aktien durch die Gesellschaft auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt sein sollte. Er mißt die konkrete Regelung also an einer durchs Kapitalmarkt geprägten Überlegung. Die Frage verneint er aber mit dem Hinweis auf § 33 GmbHG und der Bedeutung des Aktienrückkaufs beim Generationswechsel43. Auch bei der Frage, ob in Zukunft die Zahl der Aufsichtsratsmandate von bisher zehn auf fünf herabgesetzt werden sollte, wie von einem Teil der Literatur44 und dem Bundesrat45 gefordert, rekurriert der Gesetzgeber auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft. Die Anforderungen an ein Aufsichtsratsmitglied im Hinblick auf Zeit und Qualifikation seien dabei von verschiedenen Faktoren, wie etwa Größe, Komplexität der Unternehmens____________ 39

BT-Drucks. 13/9712, S. 13. BT-Drucks. 13/9712, S. 13. 41 Zu Einzelheiten der neuen Regelung siehe BT-Drucks. 13/9712, S. 13–15; Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 860; Claussen, DB 1998, 177, 179 f.; Seibert, in: Reform, S. 1, 19 f. 42 BT-Drucks. 13/9712, S. 13. 43 BT-Drucks. 13/9712, S. 14. 44 Etwa Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 302; Adams, AG Sonderheft 1997, 9; Baums, AG Sonderheft 1997, 26 f. 45 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/9712, S. 32, 34. 40

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struktur und Kapitalmarktnähe abhängig46. Eine allgemeine Absenkung empfehle sich daher nicht. Durch die bereits erwähnten verstärkten Informationsund Offenlegungspflichten und damit die erhöhte Transparenz gegenüber den Aktionären in §§ 124 Abs. 3 Satz 3, 125 Abs. 1 Satz 3 und 127 Satz 3 AktG sollten die Aktionäre selbst entscheiden, ob sie der Ansicht sind, daß jemand im Hinblick auf die übrige Arbeitsbelastung als tauglicher Kandidat für den Aufsichtsrat in Frage kommt. An Stelle weiterer Regulierung hat sich der Gesetzgeber also hier für Offenlegung und Selbstverantwortlichkeit der Aktionäre entschieden. Lediglich beim Amt des Vorsitzenden des Aufsichtsrats findet nach § 100 Abs. 2 AktG nun eine doppelte Anrechnung statt, wobei der Gesetzgeber darauf hinweist, daß im Einzelfall diese Aufgabe gerade bei börsennotierten Gesellschaften auch eine hauptberufliche Tätigkeit erfordern könne47. Auch bei den Aktienoptionsplänen nach §§ 192, 193 AktG stützt der Gesetzgeber die Neuregelung auf die Bedürfnisse der Kapitalmärkte. Nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG a.F. konnten bedingte Kapitalerhöhungen nur zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer vorgesehen werden. Durch die Neuregelung ist es nun zudem möglich, den Mitgliedern der Geschäftsführung reine Bezugsrechte im Rahmen von Aktienoptionsplänen zukommen zu lassen48. Die Notwendigkeit einer solchen Regelung sah der Gesetzgeber darin, daß die Ausübung einer Option eines Vorstands vom Markt als zukünftige Ertragserwartung beurteilt wird. Zudem werde dadurch auch das Vertrauen der Finanzmärkte in die Motivation des Managements gestärkt49. Gerade bei jungen innovativen Unternehmen könnten solche Vergütungsmodelle überdies zur Gewinnung des geeigneten Führungspersonals beitragen ohne zu hohe feststehende Gehaltskosten zu haben50.

____________ 46

BT-Drucks. 13/9712, S. 15 f. BT-Drucks. 13/9712, S. 16. 48 Vgl. dazu auch Seibert, in: Reform, S. 1, 21 f.; Lingemann / Wasmann, BB 1998, 853, 861; Claussen, DB 1998, 177, 185 f. 49 BT-Drucks. 13/9712, S. 23. 50 BT-Drucks. 13/9712, S. 23. 47

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

II. Das „Transparenz- und Publizitätsgesetz“ (TransPuG) und die Debatte um corporate governance Schon seit einigen Jahren gibt es eine relativ breit51 geführten corporate governance-Debatte52. In diesem Umfeld ist in Deutschland bereits das KonTraG zu sehen. Durch das „Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität“ (Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG) vom 19. Juli 200253 erhielt diese Debatte und die Bestrebungen zur Verbesserung einer corporate governance der deutschen Unternehmen insbesondere durch die Einführung des § 161 AktG (Entsprechenserklärung) eine maßgebliche Bedeutung für börsennotierte Gesellschaften. Nachfolgend soll zunächst auf den Begriff corporate governance eingegangen werden (unter 1.). Unter 2. soll knapp der soziologische Hintergrund der Debatte gezeigt werden. Daraus geht auch hervor, warum diese Diskussion im Zusammenhang mit der Differenzierung der rechtlichen Regelungen für börsennotierte Gesellschaften einerseits und nicht börsennotierte Gesellschaften andererseits zu sehen ist, womit der Bezug zum Thema dieser Arbeit hergestellt ist. Abschließend behandelt 3. den Deutschen Corporate Governance Kodex und das TransPuG. Dabei wird besonderes Gewicht auf die Vorschrift des § 161 AktG gelegt.

1. Begriff der corporate governance Den Begriff corporate governance läßt sich im Deutschen etwa mit „angemessener Unternehmensorganisation“54 übertragen. Inhaltlich geht es bei der Diskussion zur corporate governance um die Frage, wie „eine verantwortliche, ____________ 51

Vgl. hier etwa die Untersuchung des Rates der OECD zur corporate governance, vgl. Seibert, AG 1999, 337 und die Grundsätze in AG 1999, 340 ff.; zusammenfassend auch bei OECD Principles of Corporate Governance – Questions & Answers, Frage 5, http://www.oecd.org/dag/governance/Q&As.html.; „Grundsatzkommission Corporate Governance“, dazu Schneider / Strenger, AG 2000, 106, 108 sowie http://www.corgov. de. Zur Diskussion auf europäischer Ebene dient das European Corporate Governance Network. Vgl. überdies hinsichtlich einer internationalen Komponente die Übersicht der corporate governance-Projekte weltweit auf der Homepage des European Corporate Governance Network, http://www.ecgn.ulb.ac.be/ecgn / codes.htm und auf der Homepage der Weltbank, http://www.worldbank.org/html/fpd / privatesector/cg/codes.htm. 52 Vgl. ausdrücklich Schneider / Strenger, AG 2000, 106, 108; Hommelhoff / Mattheus, AG 1998, 249, 250; Seibert, AG 1999, 337, 339. 53 BGBl. I 2002, 2681. 54 So Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Corporate Governance, S. 1.

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auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensleitung und -kontrolle“55 organisiert werden kann. Im einzelnen sollen angemessene Standards zur Allokation der Rechte und Verantwortlichkeiten zwischen den verschiedenen Beteiligten innerhalb einer Gesellschaft festgelegt werden. Zu diesen Beteiligten gehören in erster Linie die Mitglieder von Vorstand, Aufsichtsrat und die Anteilseigner, daneben aber auch die Arbeitnehmer, Gläubiger und andere Parteien, die in rechtlichen Beziehungen zur Gesellschaft stehen56. Die Diskussion über corporate governance wird international geführt. Unterschiedlich sind jedoch die Schwerpunkte, die in den verschiedenen Ländern gesetzt werden. In Deutschland wird etwa häufig diskutiert, welchen Einfluß die Aktionäre auf unternehmensleitende Entscheidungen haben sollen57. Ein Dauerthema betrifft die Stellung und Aufgaben des Aufsichtsrats, was auch im Zusammenhang mit dem KonTraG eine Rolle gespielt hat. Dabei geht es vor allem um eine Verbesserung der Überwachung der Geschäftsführung58. Auch in den USA steht im Zentrum die Frage, wer die Verantwortung in einer Gesellschaft innehält, wer also die Management-Entscheidungen trifft und an wessen Interesse diese Entscheidungen orientiert sein müssen59. Ein Schwerpunkt der aktuellen Debatte liegt dabei auf der Begrenzung der Gehälter der Organmitglieder, aber auch auf der Bedeutung der institutionellen Anleger60. ____________ 55 Schneider/Strenger, AG 2000, 106. Diese weisen auch darauf hin, daß der Begriff kein Rechtsbegriff ist. Vielmehr ist es ein „international angewendeter Begriff mit zahlreichen Ausprägungen“. Gewisse Unschärfen hinsichtlich der Reichweite sind daher unumgänglich. Ähnlich auch die OECD Prinzipien, die wie folgt definieren: „Corporate Governance is the system by which business corporations are directed and controlled.“ vgl. OECD Principles of Corporate Governance – Questions & Answers; Frage 1, http://www.oecd.org/dag/governance/Q&As.html. Weitere Definitionen etwa bei Lo, 1 Ind. J. Global Legal Stud. 219, 220 (1993); Hess, in: Corporate Governance, S. 9, 10; Schwartz, 45 Ohio St. L.J. 545 (1984). Vgl. auch Berrar, S. 24 zur Schwierigkeit einer Definition oder Übertragung des Begriffs ins Deutsche, sowie Peltzer, S. 30 und von Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Vorbem. Rdnr. 1. 56 So Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Corporate Governance, S. 1; OECD Principles of Corporate Governance – Questions & Answers, Frage 1, http://www. oecd.org / dag/governance/Q&As.html; Lo, 1 Ind. J. Global Legal Stud. 219, 220 (1993). 57 Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Corporate Governance, S. 1, 5. 58 Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Corporate Governance, S. 1, 7 f. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß der Artikel noch vor dem KonTraG verfaßt wurde, in dem einige dort angesprochenen Themen aufgegriffen und umgesetzt wurden. 59 Schwartz, 45 Ohio St. L.J. 545 (1984). 60 Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: Corporate Governance, S. 1, 6; Karmel, 57 Brook. L. Rev. 55, 56 (1991). Vgl. ausführlich auch Hess, in: Corporate Governance, S. 9, 14 ff. Zur Frage des Einflusses der institutionellen Anleger auch Romano, 93 Col. L. Rev. 795 (1993).

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

2. Soziologischer Hintergrund der corporate governance-Debatte Die Diskussion um corporate governance ist vor folgendem Hintergrund zu sehen61: Ein klassischer „Unternehmer“ gründet sein Unternehmen, er übt darüber hinaus die Kontrolle aus und finanziert es. Solange diese Funktionen von einer Person oder einer kleinen überschaubaren Gruppe von Personen, die eng miteinander verbunden sind, ausgeübt werden, treten Probleme der corporate governance nicht auf. Bereits bei der Gründung wird der Unternehmer versuchen, sein Unternehmen bzw. seine Gesellschaft so einzurichten, daß er seine Interessen optimal verfolgen kann. Da er auch weiterhin das Unternehmen kontrolliert, kann er diesen Interessen bei jeder geschäftlichen Transaktion Rechnung tragen. Er hat es überdies in der Hand, sein finanzielles Engagement so zu lenken, wie es ihm am sinnvollsten erscheint. Zusammen mit der Kontrolle hat er auch die gesamte Verantwortung für das Unternehmen. In ähnlicher Weise gilt das soeben Dargelegte nicht nur bei einem einzelnen Unternehmer, sondern auch bei einer kleinen Gruppe von Unternehmern, die zum Ergebnis gekommen sind, daß sie ihre Interessen gemeinsam effektiver verfolgen können als alleine. Auch bei Gesellschaften, die somit personenbezogen organisiert sind, fallen die beschriebenen Funktionen zusammen. Die Gründer betreiben auch später das Unternehmen, eine leichte Übertragbarkeit der Anteile ist nicht angestrebt (oder sogar ausgeschlossen). Eine Einheit von Kontrolle und finanziellem Engagement ist gegeben. Entweder wird diese Einheit durch die personale Verflechtung zwischen Gesellschaftern und den Geschäftsführern verwirklicht oder äußert sich zumindest im starken Einfluß der Gesellschafter auf die Auswahl und gegebenenfalls das tägliche Handeln der Geschäftsführer, etwa mittels Weisungsrechten. Probleme der corporate governance treten aber dann auf, wenn die verschiedenen Funktionen (Eigentum einerseits und Kontrolle andererseits) voneinander getrennt werden und auf unterschiedliche Personengruppen verteilt werden62. Durch die Verteilung können Interessenkonflikte entstehen, die es durch ein System der Unternehmensführung und -kontrolle zu lösen gilt.

____________ 61

Zu den grundlegenden Problemen und Zielsetzungen eines corporate governance Systems auch Berrar, S. 26 ff., der v.a. auf die Unterschiede des shareholder-Ansatzes und stakeholder-Ansatzes, also den Interessenkonflikt: Aktionäre vs. andere Interessengruppen, wie Gläubiger und Arbeitnehmer, sowie die Unterscheidung zwischen agencyTheorie und stewardship-Theorie eingeht. 62 Vgl. Becht, aus: Preliminary Report, Vol. 1, S. 15. Kritisch Butler / Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 23 (1990); Baysinger / Butler, 10 J. Corp. L. 431, 435 f. (1985) und Werner, 81 Col. L. Rev. 1611, 1623 ff. (1981).

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Zu dem Problem der Trennung von Eigentum und Kontrolle wurden in der Literatur zahlreiche Studien verfaßt63, wobei derjenigen von Berle und Means aus dem Jahre 1932 der meiste Einfluß beschieden war64. Berle und Means vertreten hier grundsätzlich drei Positionen: Zunächst sind sie der Auffassung, daß im Laufe der Zeit das Maß der Konzentration der ökonomischen Macht fortwährend zunahm, d.h. die Gesellschaften selbst wurden im Laufe der Geschichte immer größer und konnten in sich eine immer größere Machtfülle vereinen. Zugleich mit der Zunahme der Machtkonzentration wurde die Eigentümerstellung auf viele Personen verteilt65. Diese Streuung des Eigentums kann vor allem bei Kapitalgesellschaften gegeben sein. Einher geht damit die Trennung von Eigentum und Kontrolle. Die Eigentümer sind nicht in der Lage, das Unternehmen selbst zu leiten. Daher delegieren sie die Macht auf eine kleine Gruppe von Managern, welche die Strategien der Gesellschaft formulieren. Die Eigentümer selbst verlieren dadurch die Macht66. Häufig haben sie weder die Fähigkeit noch den Anreiz zu kontrollieren, ob die Manager die Gesellschaft in ihrem Interesse leiten. Es gibt somit zunächst keine Möglichkeit, die Verwaltung der Gesellschaft davon abzuhalten, ihre Macht zu mißbrauchen67. In der Diskussion um corporate governance geht es nun zunächst darum, den Eigentümern einen gewissen Einfluß auf die Gesellschaft weiterhin zu erhalten oder wieder einzuräumen. Dies geschieht etwa dadurch, daß gewährleistet wird, daß alle das gleiche Stimmrecht haben und über dieses auch die Möglichkeit der Mitwirkung an unternehmerischen Entscheidungen, soweit es um grundlegende Entscheidungen geht68. Nachdem die Gesellschafter selbst, wie erwähnt, die Handlungen der Geschäftsführung nicht mehr überwachen ____________ 63

Ein Überblick findet sich bei Becht, aus: Preliminary Report, Vol. 1, S. 16 f. Vgl. dazu Berle / Means: „The Modern Corporation and Private Property“. 65 Dazu schon Berle / Means, S. 2 ff., wo die Macht einer Gesellschaft etwa am Beispiel der American Telephone and Telegraph Company (heute AT&T) beschreiben wird, die im Jahre 1930 ein Vermögen von über $ 5 Mrd., 454.000 Arbeitnehmer beschäftigte und 567.594 Aktionäre hatte. Ebenso Berle/Means, S. 10 ff. und S. 47 ff. 66 So auch Karmel, 57 Brook. L. Rev. 55, 92 (1991), die darauf hinweist, daß der Machtverlust der Anteilseigner in den USA durch die Abstimmung über Stimmrechtsvollmachten (proxies) noch virulenter wird. Berle/Means, S. 3 sehen in dem Anleger nur noch einen Empfänger eines Einkommens aus dem Kapital und nicht mehr einen Unternehmer und beschreiben dies wie folgt: “The property owner who invests in a modern corporation so far surrenders his wealth to those in control of corporation that he has exchanged the position of independent owner for one in which he may become merely recipient of the wages of the capital”. 67 Berle / Means, S. 6 unter Hinweis auf die divergierenden Interessen von Eigentümer und Verwaltung. Ausführlicher dazu Berle / Means, S. 119 ff. 68 Vgl. etwa OECD-Grundsätze der Corporate Governance unter I. Aktionärsrechte und unter II. Gleichbehandlung der Aktionäre, OECD, AG 1999, 340, 342 f. 64

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

können und wollen, ist es darüber hinaus entscheidend, einem Organ der Gesellschaft diese Aufgabe zuzuweisen und zugleich sicherzustellen, daß es diese Aufgabe auch ausüben kann. Damit stehen etwa die Diskussionen um den Aufsichtsrat nach deutschem Recht im Zusammenhang. In den USA schreiben corporate governance-Grundsätze zum Teil vor, daß dem board of directors auch unabhängige Mitglieder angehören, damit das Management sich nicht selbst überwacht69. Gerade im Hinblick auf die ökonomische Macht, die in den Gesellschaften konzentriert ist, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die Verwaltung der Gesellschaft nur den Interessen der Anteilseigner verpflichtet ist, oder ob auch die Interessen weiterer Personengruppen, die mit der Gesellschaft in Beziehung stehen, zu berücksichtigen sind. Dabei geht es um das Thema, ob die Gesellschaft auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung trägt70. Wie bereits in den Diskussionen der Unternehmensrechtskommission deutlich wurde71, stellt sich auch diese Frage nur für Unternehmen, die eine bestimmte Größe erreicht haben. Eine besondere Rolle spielt darüber hinaus das Konzept von Transparenz und Offenlegung in der corporate governance-Diskussion. Unabhängig davon, ob die Eigentümer die Kontrolle über die Geschäftsführung ihrer Gesellschaft ausüben wollen, werden sie dazu häufig gar nicht in der Lage sein, da ihnen die nötigen Informationen nicht zur Verfügung stehen. Ein wesentlicher Punkt gerade in den USA ist es daher, den Anteilseignern über das Kapitalmarktrecht, ____________ 69 Hess, in: Corporate Governance, S. 9, 11; Karmel, 57 Brook. L. Rev. 55, 59 (1991). Vgl. auch OECD-Grundsätze der Corporate Governance unter V. Pflichten des Aufsichtsrats, OECD, AG 1999, 340, 343 f. Dort wird unter dem Gliederungspunkt E hervorgehoben, daß der Aufsichtsrat sich ein vom Vorstand unabhängiges Urteil über Fragen der Geschäftsführung bilden soll. Dies soll in einem einstufigen Board durch die Übertragung bestimmter Aufgaben auf eine „hinreichend große Zahl von nicht der Geschäftsleitung angehörenden Board-Mitglieder“ erfolgen. 70 Um diese Frage ging es in der Debatte, die zwischen Berle und Dodd etwa ab den Jahren 1931/32 geführt wurden. Berle sprach sich hier dafür aus, daß das Verhältnis zwischen Anteilseigner und Management einer Trust-Beziehung entspricht. Die Verwaltung sei daher einzig dem Interesse der Anteilseigner verpflichtet, vgl. Berle, 44 Harv. L. Rev. 1049 (1931), ebenso Berle, 45 Harv. L. Rev. 1365 (1932) als Replik auf Dodd. Dodd dagegen sieht in der Gesellschaft eine „ökonomische Institution“ (economic institution), die auch soziale Verantwortung hat. Daher muß die Verwaltung bei ihren Entscheidungen auch die Interessen anderer Personengruppen, etwa der Arbeitnehmer berücksichtigen, vgl. Dodd, 45 Harv. L. Rev. 1145, 1148 (1932). Zusammenfassend zur der Debatte auch Weiner, 64 Col. L. Rev. 1458 (1964) und Karmel, 57 Brook. L. Rev. 55, 57 ff. (1991). 71 Näheres dazu oben unter § 6 A. II.

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wie ausführlich erläutert72, Informationen zugänglich zu machen, so daß sie wenigstens in der Lage wären, sich zu informieren, falls sie dies möchten73. Diese Trennung von Eigentum und Kontrolle und die damit in Zusammenhang stehenden Probleme stellen sich nun klassischer Weise bei den börsennotierten Unternehmen, da diese über Anleger verfügen, deren hauptsächliches Interesse einer möglichst gewinnbringenden „Verzinsung“ ihres angelegten Kapitals gilt. Bei einem breit gestreuten Anlegerkreis einer börsennotierten Gesellschaft, sind überdies die Einflußmöglichkeiten des einzelnen über das Stimmrecht begrenzt, was sich auch häufig in der geringen Präsenz der Anleger bei Hauptversammlung niederschlägt. Die Diskussion über corporate governance wird daher hauptsächlich auf börsennotierte Unternehmen konzentriert74; bei personenbezogenen, kapitalmarktfernen Gesellschaften dagegen besteht, wie dargelegt, das grundlegende Problem der Trennung von Eigentümerstellung und Kontrolle nicht, so daß der Ansatzpunkt für die corporate governanceDebatte nicht gegeben ist. Daraus ergibt sich, daß bei einer zunehmenden Ausrichtung des deutschen Gesellschaftsrechts an den corporate governance-Grundsätzen, die Differenzierung nach börsennotierten und kapitalmarktfernen Gesellschaften im deutschen Gesellschaftsrecht noch an Bedeutung zunimmt.

3. Das „Transparenz- und Publizitätsgesetz“ (TransPuG), insbesondere die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, und der Deutsche Corporate Governance Kodex Durch den Erlaß des „Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität“ (Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG) vom 19. Juli 200275 erhielt die corporate governance-Debatte unmittelbare Bedeutung für das deutsche Aktienrecht. Das TransPuG verfolgt eine zweifache Zielsetzung: Zum einen erfolgte dadurch eine weitere Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zum anderen wurden die Empfehlungen der ____________ 72

Vgl. zum Prinzip der disclosure etwa oben unter § 9 E. I. und § 11 A. II. 2. Vgl. Fanto, 17 Nw. J. Int’l L. & Bus. 119, 134 ff. (1996). Ebenso auch OECDGrundsätze der Corporate Governance unter IV. Offenlegung und Transparenz, OECD, AG 1999, 340, 341. 74 Vgl. Schneider / Strenger, AG 2000, 106, 108; Seibert, AG 1999, 337, 338; OECD, AG 1999, 340, 341; Feddersen / Hommelhoff / Schneider, in: Corporate Governance, S. 1. 75 BGBl. I 2002, 2681. 73

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Regierungskommission „Corporate Governance“ vom 10. Juli 2001 umgesetzt76. Nachfolgend wird unter a) kurz auf die Arbeit der Regierungskommission „Corporate Governance“ eingegangen, welche die maßgeblichen Vorarbeiten für den Deutschen Corporate Governance Kodex und das Transparenz- und Publizitätsgesetz gemacht haben. Unter b) wird knapp auf den Inhalt und vor allem die Reichweite des Deutschen Corporate Governance Kodex eingegangen, der die für deutsche (börsennotierte) Unternehmen maßgeblichen Standards guter Unternehmenskontrolle festschreiben will. Abschließend wird unter c) auf das TransPuG eingegangen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf § 161 AktG, der Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften verpflichtet, jährlich zu erklären, inwieweit sie den Empfehlungen des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ entsprechen und wo sie davon abweichen.

a) Der Weg zum „Deutschen Corporate Governance Kodex“ und dem Transparenz- und Publizitätsgesetz Die Bundesregierung hat Ende Mai 2000 die Regierungskommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ unter der Leitung von Herrn Prof. Theodor Baums eingesetzt. Diese Kommission sollte sich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Falles „Holzmann“, mit den Defiziten des deutschen Systems der Unternehmensführung und -kontrolle befassen77. Darüber hinaus war es die Aufgabe der Kommission Vorschläge für die Modernisierung des rechtlichen Regelwerkes auch auf der Basis des sich „durch Globalisierung und Internationalisierung der Kapitalmärkte ... vollziehenden Wandels unserer Unternehmens- und Marktstrukturen“78 zu unterbreiten. Im Hinblick auf die Erarbeitung eines Corporate Governance Kodex konnte die Kommission auf die Arbeiten von zwei voneinander unabhängigen Gruppen zurückgreifen. Zum einen hat die Grundsatzkommission Corporate Governance unter der Leitung von Prof. Theodor Baums im Jahre 1999/2000 Corporate Governance-Grundsätze („Code of Best Practice“) für börsennotierte Gesellschaften entwickelt, der im Januar 2000 vorgelegt wurde79. Zum anderen hat ____________ 76

Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/8769. Vgl. zum Hintergrund auch Lutter, in: Hommelhoff / Hopt / von Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 737, 740. 78 Bericht der Corporate Governance Kommission, S. 3. 79 Schneider / Strenger, AG 2000, 106, 108 mit den Corporate GovernanceGrundsätzen auf S. 109 ff. 77

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der Berliner Initiativkreis parallel den „German Code of Corporate Governance (GCCG)“ erarbeitet, der im Juni 2000 vorgelegt wurde80. Die Regierungskommission hat etwa ein Jahr an ihrem Bericht gearbeitet. Der Abschlußbericht wurde im Juli 2001 vorgelegt. Die Empfehlungen darin lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Zum einen sind Empfehlungen enthalten, die sich an eine Kodex-Kommission für Deutschland richten, die einen Deutschen Corporate Governance Kodex ausarbeiten sollte, zum anderen sind darin Empfehlungen enthalten, die unmittelbar an den Gesetzgeber gerichtet sind81. In beiden Fällen ist die Bundesregierung den Vorschlägen zügig nachgekommen: Hinsichtlich der Ausarbeitung eines Deutschen Corporate Governance Kodex wurde bereits im August 2001 die sogenannte Kodex-Kommission unter der Leitung von Herrn Dr. Gerhard Cromme eingesetzt. Die KodexKommission legte schon im Dezember 2001 einen im weiteren Beratungsverlauf nur noch geringfügig veränderten Diskussionsentwurf eines Deutschen Corporate Governance Kodexes vor. Verabschiedet wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex im Februar 2002 und wurde der Bundesministerin für Justiz Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin am 26. Februar 2002 übergeben82. Auch die Empfehlungen, welche die Regierungskommission an den Gesetzgeber richtete, wurden von diesem berücksichtigt. Das Bundesministerium für Justiz erarbeitete bis Ende November 2001 ein internes Diskussionspapier zu einem Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität. Vom 6. Februar 2002 stammt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der am 8. Februar 2002, dem Bundesrat übersendet wurde. Das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität wurde am 19. Juli 2002 vom Bundespräsidenten unterzeichnet und ist am 26. Juli 2002 in Kraft getreten83.

____________ 80

Peltzer / von Werder, AG 2001, 1 mit dem German Code of Corporate Governance auf S. 6 ff. 81 So ausdrücklich BT-Drucks. 14/8769, S. 10. 82 Corporate Governance Kodex, NZG 2002, 273 ff. Vgl. auch die Bekanntmachung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ vom 14. November 2002, elektronischer BAnz. vom 26. November 2002 und zuletzt „Deutschen Corporate Governance Kodex“ vom 12. Juni 2006, Elektronischer Bundesanzeiger vom 24. Juli 2006. 83 BGBl. I 2002, 2681.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

b) Inhalt und Reichweite des Deutschen Corporate Governance Kodex Der Deutsche Corporate Governance Kodex hat aufgrund seiner Rechtsqualität eine besondere Stellung im deutschen Aktien- und Kapitalmarktrecht. Wie bereits unter a) erwähnt, ist der Kodex weder ein formelles noch ein materielles Gesetz. Er wurde nicht von einem Parlament in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Er ist aber auch kein Gesetz im materiellen Sinn, da er nicht von einem Träger öffentlicher Gewalt stammt und selbst keine Rechtsfolgen herbeiführen kann. Der Kodex kann also die Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften nicht zu Handlungen oder Unterlassungen verpflichten, soweit sich diese nicht bereits aus anderen gesetzlichen Regelungen ergeben84. Der Deutsche Corporate Governance Kodex gliedert sich in sechs Abschnitte zu den folgenden Themen: „Aktionäre und Hauptversammlung“, „Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat“, „Vorstand“, „Aufsichtsrat“, „Transparenz“ und „Rechnungslegung und Abschlußprüfung“. Hinsichtlich der Aussagen und Regelungen im Deutschen Corporate Governance Kodex sind unterschiedliche Kategorien zu unterscheiden: Zum Teil faßt der Deutsche Corporate Governance Kodex nur die wesentlichen geltenden Vorschriften für börsennotierte Aktiengesellschaften zusammen. Dabei wird auf Pflichten aus dem Aktiengesetz, daneben aber auch dem HGB, dem WpHG und den Mitbestimmungsgesetzen eingegangen. Insoweit möchte der Kodex vor allem Transparenz schaffen. „Der Kodex soll das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen“85. Neben diesen bloßen Beschreibungen enthält der Kodex „Empfehlungen“. Diese sind durch die Verwendung des Wortes „soll“ im Kodex gekennzeichnet und stellen international und national anerkannte Verhaltensstandards dar86. Die Gesellschaften können zwar von diesen Verhaltensstandards abweichen, sollen dies dann aber gegenüber dem Kapitalmarkt offenlegen (vgl. dazu § 161 AktG, Entsprechenserklärung unter c). Zwischen den beschreibenden Teilen und den „Empfehlungen“ stehen die „Anregungen“. Diese sind im Kodex durch die Worte „sollte“ oder „kann“ gekennzeichnet. Von diesen Anregungen kann eine Gesellschaft abweichen, ohne dies offenlegen zu müssen. Diese Anregungen beschreiben Verhal____________ 84

Vgl. zur genauen rechtlichen Qualifizierung des Deutschen Corporate Governance Kodex sowie zu weitere potentiellen Auswirkungen des Kodexes auf das materielle Recht insbesondere Seibt, AG 2002, 249, 250; Ulmer, ZHR 166 (2002), 151, 158 ff. und Bachmann, WM 2002, 2137 ff., sowie Hüffer, AktG, § 161 Rdnr. 3. 85 Bekanntmachung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ (in der Fassung vom 12. Juni 2006), elektronischer BAnz. vom 24. Juli 2006, S. 2. 86 Seibt, AG 2002, 249, 250.

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tensweisen, die heute noch nicht zur allgemein akzeptierten best practice gehören. Es ist aber durchaus möglich, daß Anregungen im Zuge der Weiterentwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex zu Empfehlungen werden können87. Auf den Inhalt der Empfehlungen und Anregungen im einzelnen soll hier nicht weiter eingegangen werden88. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit sind vorrangig die Zielsetzung und Reichweite des Deutschen Corporate Governance Kodex von Interesse. Der Deutsche Corporate Governance Kodex richtet sich in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften89. Dies ist vor dem oben geschilderten Hintergrund zur corporate governance-Debatte90 nur konsequent. Die Ausrichtung des Kodex auf den Kapitalmarkt wird exemplarisch an folgendem Zitat aus der Präambel deutlich: Der Kodex „will das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung börsennotierter Aktiengesellschaften fördern“. Der Hauptanknüpfungspunkt für den Kodex ist damit nicht verbandsrechtlich, sondern kapitalmarktrechtlich. Durch die Ausrichtung auf „börsennotierte Aktiengesellschaften“ zieht damit der Kodex wiederum die Trennlinie für besondere Regelungen bzw. Standards nicht zwischen den verschiedenen Rechtsformen „Aktiengesellschaft“ und „GmbH“, sondern zwischen den börsennotierten Gesellschaften einerseits und den personalistischen, kapitalmarktfernen Gesellschaften (Kleine AG und GmbH) andererseits und führt damit den durch das „Gesetz für die Kleine AG“ eingeschlagenen Weg weiter fort.

c) Das Transparenz- und Publizitätsgesetz unter besonderer Berücksichtigung des § 161 AktG Es wurde bereits darauf hingewiesen [unter b)], daß der Deutsche Corporate Governance Kodex nicht selbst ein Gesetz darstellt und daher die Gesellschaf____________ 87

Vgl. Regierungsentwurf zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 21. Eine Reihe von Veröffentlichungen befassen sich inhaltlich mit dem „Deutschen Corporate Governance Kodex“. Hervorzuheben sind hier etwa Ringleb / Kremer / Lutter / von Werder, die einen Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex verfaßt haben; weitere monographische Darstellungen etwa von Pfitzner / Oser und Hucke / Ammann; zu Aufsätzen zum „Deutschen Corporate Governance Kodex“ statt vieler von Werder, DB 2002, 801 ff.; Claussen / Bröcker, DB 2002, 1199, 1201 ff.; Schüppen, DB 2002, 1117; Seibt, AG 2003, 465 ff. sowie Schiessl, AG 2002, 593 ff. 89 Bekanntmachung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ vom 30. Juni 2003, elektronischer BAnz. vom 4. Juli 2003, S. 1. 90 Vgl. dazu oben unter 2. „Soziologischer Hintergrund der Debatte“. 88

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

ten nicht selbst verpflichten kann. Dies gilt auch für die in der Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex angesprochene Verpflichtung börsennotierter Gesellschaften zu erklären, wenn sie von Empfehlungen des Kodex abweichen. Eine Verpflichtung zu einer solchen Entsprechungserklärung konnte nur gesetzlich statuiert werden91. Nachfolgend soll unter aa) auf die Vorschriften des TransPuG eingegangen werden, die den Deutschen Corporate Governance Kodex flankieren, wobei besondere Bedeutung hier dem mehrfach erwähnten § 161 AktG zukommt. Unter bb) soll wenigstens knapp gezeigt werden, daß sich das TransPuG insgesamt an der Kapitalmarktnähe einer Aktiengesellschaft orientiert.

aa) Flankierung des Deutschen Corporate Governance Kodex durch das TransPuG, insbesondere durch § 161 AktG Zur Flankierung des Deutschen Corporate Governance Kodex wurden im TransPuG insgesamt vier Ergänzungen des AktG und des HGB vorgenommen: § 161 AktG sowie §§ 285 Nr. 16, 314 Abs. 1 Nr. 8 und § 325 Abs. 1 HGB.

(1) § 161 AktG, Entsprechenserklärung Die größte Bedeutung kommt dabei § 161 AktG zu. Diese Vorschrift verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich zu erklären, daß den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird und welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Nach § 161 Satz 2 AktG ist die Erklärung den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen. Ziel der Erklärung ist die Erhöhung der Transparenz für die Anleger und den Kapitalmarkt. Vorstand und Aufsichtsrat sind nicht verpflichtet sich an die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex zu halten. Sie können vielmehr auch von sämtlichen Empfehlungen abweichen, müssen dies aber gegenüber dem Kapitalmarkt offenlegen. Nach Ansicht des Gesetzgebers führt dieses Ineinandergreifen zwischen – nicht verbindlichem – Kodex und Entsprechenserklärung nach § 161 AktG zu einer Deregulierung und Flexibilisierung des Rechts. Der Gesetzgeber könnte nämlich durchaus einzelne Em____________ 91

S. 10.

So auch ausdrücklich Regierungsentwurf zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769,

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pfehlungen des Kodex aufgreifen und die Gesellschaft zu einem entsprechenden Handeln verpflichten. Als Beispiel, das in der Praxis besonders umstrittenen ist, soll hier nur die Empfehlung zur Offenlegung der individualisierten Vorstandsvergütung in 4.2.4. des Deutschen Corporate Governance Kodex genannt werden. § 285 Nr. 9 lit. a HGB enthält die Verpflichtung im Anhang des Jahresabschlusses die Gesamtbezüge der Organe offenzulegen. Die Empfehlung des 4.2.4. des Deutschen Corporate Governance Kodex, die Vergütung für den Vorstand aufgeteilt nach Fixbetrag, erfolgsbezogener Komponente und Komponente mit langfristiger Anreizwirkung auszuweisen und diese Angaben individualisiert zu machen, hätte sofort ohne weiteres in § 285 Nr. 9 lit. a HGB ergänzt werden können und wäre damit für alle Kapitalgesellschaften verpflichtet geworden. Dies wäre aber im Zeichen einer Deregulierung kontraproduktiv gewesen. Mit dem Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3. August 200592 hat sich der Gesetzgeber schließlich doch entschieden, die Offenlegung durch das Gesetz zu fordern. Der Deregulierung wird insofern Rechnung getragen, daß die Hauptversammlung gemäß § 286 Abs. 5 HGB entscheiden kann, daß eine individuelle Offenlegung unterbleiben kann. Ein solcher Beschluß kann höchstens für fünf Jahre gefaßt werden und bedarf mindestens einer Mehrheit von drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals. Der Gesetzgeber hat hier – und in den anderen Fällen der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex – es für ausreichend erachtet, für eine hinreichende Information des Kapitalmarkts zu sorgen. Die Gesellschaften sollen selbst entscheiden, ob sie sich an Empfehlungen des Kodex halten, die Anleger sollen sich durch die Offenlegung nach § 161 AktG selbst ein Bild darüber verschaffen können, inwieweit eine börsennotierte Gesellschaft der best practice folgt. Davon kann dann entweder ein Anleger seine individuelle Anlageentscheidung abhängig machen oder der Kapitalmarkt berücksichtigt das Maß an Einhaltung der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Bewertung des Unternehmens und damit im Preis der Aktie. Die Sicherstellung der Offenlegung der Erklärung gegenüber den Aktionären und der Öffentlichkeit wird durch die weiteren Änderungen im HGB, auf die sogleich unter (2) und (3) eingegangen wird, noch unterstützt. Auf weitere Einzelheiten des § 161 AktG sowie Konsequenzen einer Nichtbefolgung soll nicht weiter eingegangen werden, da diese für die vorliegende

____________ 92

BGBl. I 2005, 2267.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Arbeit ohne Belang sind. Es wird insoweit auf die einschlägige Literatur verwiesen93.

(2) § 285 Nr. 16 HGB und § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB, Zugänglichmachung der Entsprechenserklärung § 285 HGB wurde um Nr. 16 ergänzt. Dieser enthält die Verpflichtung im Anhang zum Jahresabschluß auf die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG einzugehen. Dabei muß jedoch nicht der Inhalt der nach § 161 AktG vorgeschriebenen Erklärung wiedergegeben werden. Dieser ist nicht Gegenstand des Anhangs und wird auch nicht von der Abschlußprüfung umfaßt94. Es ist im Anhang nur anzugeben, daß die vorgeschriebene Erklärung abgegeben worden ist, und daß sie den Aktionären zugänglich gemacht wurde. Wenn dies nicht erfolgt ist, hat der Abschlußprüfer seinen Bestätigungsvermerk nach § 322 Abs. 4 HGB einzuschränken95. Ebenso wie § 285 HGB wurde auch § 314 HGB, der den Konzernabschluß regelt, in Nr. 8 ergänzt. Wie beim Einzelabschluß muß auch im Anhang zum Konzernabschluß darauf eingegangen werden, daß für jedes in den Konzernabschluß einbezogene börsennotierte Unternehmen die nach § 161 AktG vorgeschriebene Erklärung abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht wurde.

(3) § 325 HGB, Einreichung der Entsprechenserklärung mit dem Jahresabschluß Nach § 325 Abs. 1 HGB müssen die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften den Jahresabschluß unverzüglich nach seiner Vorlage an die Gesellschafter, jedoch spätestens vor Ablauf des zwölften Monats des dem Abschlußstichtag nachfolgenden Geschäftsjahres mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über die Versagung zum Handelsregister des Sitzes der Kapitalgesellschaft einreichen. § 325 Abs. 1 HGB wurde durch das TransPuG ____________ 93

Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 161 Rdnr. 6 ff.; Seibt, AG 2002, 249, 251 ff.; Knigge, WM 2002, 1729, 1734; Ihrig / Wagner, BB 2002, 2509 ff.; Pfitzner / Oser / Wader, DB 2002, 1120, 1121 f.; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1271 ff.; Lutter, ZHR 166 (2002), 523 ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 151, 165 ff und Bachmann, WM 2002, 2137, 2138 ff. jeweils v.a. zu möglichen Konsequenzen einer Negativerklärung. 94 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 25. 95 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 25.

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insoweit ergänzt, daß zu den mit dem Jahresabschluß einzureichenden Unterlagen auch die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG gehört.

bb) Kapitalmarktorientierung des TransPuG insgesamt An dieser Stelle soll und kann nicht auf die gesamten Änderungen eingegangen werden, die durch das TransPuG eingeführt wurden96. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist aber neben § 161 AktG (und den ihn begleitenden Änderungen im HGB) noch ein weiterer Aspekt interessant, nämlich die Kapitalmarktorientierung des TransPuG insgesamt. Bereits im Zusammenhang mit dem KonTraG wurde gezeigt (oben unter 2.), wie weit dieses Reformgesetz insgesamt dem Kapitalmarkt und der differenzierten Beurteilung verschiedener Typen von Aktiengesellschaften verpflichtet ist. Etwas ähnliches gilt auch für das TransPuG. Zum einen gibt es neben dem § 161 AktG weitere Regelungen, die explizit zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften unterscheiden. So wurde etwa § 110 Abs. 3 AktG neu gefaßt. Nach dem TransPuG gilt grundsätzlich für alle Gesellschaften, daß der Aufsichtsrat zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten muß97. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften kann der Aufsichtsrat aber beschließen, daß nur eine Sitzung im Kalenderhalbjahr abzuhalten ist. Dadurch soll bei nicht börsennotierten Gesellschaften eine flexiblere Gestaltungsmöglichkeit gegeben werden98. Des weiteren wurde durch das TransPuG § 404 AktG geändert. Nach der alten Regelung konnte die Verletzung der Geheimhaltungspflicht (vor allem für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) bei Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats oder Abwicklern sowie beim Prüfer oder Gehilfen des Prüfers mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft werden. Diese Strafandrohung wurde für börsennotierte Gesellschaften um ein weiteres Jahr, auf insgesamt zwei Jahre im Grundtatbestand (Absatz 1) und bei Handeln gegen Entgelt ____________ 96

Vgl. insoweit die Literatur zum TransPuG, wobei die folgenden Veröffentlichungen exemplarisch genannt werden sollen: Seibert, NZG 2002, 608 ff.; Knigge, WM 2002, 1729 ff; Hucke / Ammann, DStR 2002, 689 ff.; Ihrig / Wagner, BB 2002, 789 ff.; Wagner, NZG 2002, 57 ff.; Müller, NZG 2002, 752 ff.; Peltzer, NZG 2002, 593 ff.; Götz, NZG 2002, 599 ff.; Schüppen, ZIP 2002, 1269 ff. 97 Nach dem KonTraG galt die Pflicht für zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr nur für börsennotierte Gesellschaften, für nicht börsennotierte Gesellschaften war nur eine Sitzung im Kalenderhalbjahr verpflichtend, vgl. dazu oben unter I. 1. a) aa). 98 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 16.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht (Absatz 2) auf drei Jahre angehoben. Begründet hat der Gesetzgeber die Ausweitung der Strafbarkeit bei börsennotierten Gesellschaften damit, daß hier typischerweise eine besondere wirtschaftliche Tragweite des Vergehens gegeben ist, sowie daß durch den Mangel an Vertraulichkeit das deutsche Corporate-Goveranance-System als Ganzes in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wird99. Neben diesen Vorschriften ist eine Erleichterung bei § 33 AktG zu nennen. Wie bereits oben unter § 5 II. 1. b) beschrieben, wird bei der Aktiengesellschaft besonderen Wert auf die Gründungsprüfung nach § 33 AktG gelegt. Zur Prüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat nach § 33 Abs. 1 AktG kommt in Fällen einer qualifizierten Gründung nach § 33 Abs. 2 AktG eine externe Gründungsprüfung. Zu diesen Fällen gehört nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AktG u.a., daß ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört bzw. nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 AktG, daß bei der Gründung Aktien für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder Aufsichtsrats übernommen wurden. Hintergrund einer Prüfung durch einen externen Prüfer ist hier, daß Vorstand und Aufsichtsrat in derartigen Fällen ein eigenes Interesse an der Gründung haben und daher gegebenenfalls die Prüfung nach § 33 Abs.1 AktG nicht unabhängig genug durchführen100. Durch die Neufassung des § 33 Abs. 3 AktG kann der beurkundende Notar nun in Fällen der § 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG die Prüfung im Auftrag der Gründer vornehmen. Dadurch soll eine unnötige finanzielle Belastung für gründungswillige Unternehmen, die in der Bestellung eines Gründungsprüfers besteht, vermieden werden. Ob der Notar den Auftrag zur Prüfung annimmt, kann er selbst entscheiden. Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift weist die Regierungsbegründung ausdrücklich darauf hin, daß die vorgeschlagene Regelung zu den „Erleichterungen für kleine, nicht börsennotierte Gesellschaften“ gehört101. Eine weitere Vorschrift in dessen Zusammenhang die Regierungsbegründung des TransPuG auf die besonderen Bedürfnisse nicht börsennotierter Gesellschaften eingeht, ist § 118 Abs. 2 AktG. Nach § 118 Abs. 2 Satz 2 AktG sollen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung teilnehmen. Der neu eingefügte Satz 2 sieht vor, daß die Satzung jedoch bestimmte Fälle vorsehen kann, in denen die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Wege der Bild- oder Tonübertragung erfolgen darf. Die Regierungsbegründung nennt als Beispiele Fälle, in denen ein Aufsichtsratsmitglied im Ausland lebt. Darüber hinaus führt die Begründung an, daß „solche Aus____________ 99

Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 25. Vgl. dazu schon die Ausführungen oben unter § 5 II. 1. b). 101 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 25. 100

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nahmen [typischerweise] nur bei nicht börsennotierten Gesellschaften sinnvoll und praktikabel sind. Während es bei einer börsennotierten Gesellschaft jedenfalls derzeit kaum vorstellbar ist, daß ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied nur über einen Monitor zugeschaltet ist, ist dies bei nicht börsennotierten Gesellschaften sehr wohl denkbar“ 102 Schließlich wurde der Anwendungsbereich des § 317 Abs. 4 HGB ausgedehnt. Nach dem KonTraG (vgl. oben I. 2.) mußte nur der Abschlußprüfer bei Aktiengesellschaften, deren Anteile amtlich notiert sind, überprüfen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen (Überwachungssystem für ein angemessenes Risikomanagement) in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllt. Diese Überprüfung in der Abschlußprüfung wird auf alle börsennotierten Aktiengesellschaften ausgeweitet. An den in diesem Abschnitt gezeigten Beispielen wird deutlich, daß auch das TransPuG die Differenzierung der Regelungen, die an die Börsennotierung und damit – idealtypisch – das Schutzbedürfnis der Aktionäre anknüpft, weiter fortentwickelt hat. Neben den erwähnten Vorschriften nimmt die Regierungsbegründung an zahlreichen weiteren Stellen auf die Bedeutung des Kapitalmarkts bezug. Es wird mehrfach darauf hingewiesen, daß die Neuregelungen im TransPuG „insbesondere zum Schutz der auf dem Kapitalmarkt investierenden Anleger maßvoll erweiterte Publizitätsanforderungen an kapitalmarktorientierte Unternehmen stellen“ 103.

III. Resümee Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß der Gesetzgeber beim KonTraG und auch beim TransPuG den Zusammenhang zwischen den Finanzmärkten und dem Kapitalmarktrecht sowie dem Gesellschaftsrecht mehrfach ausdrücklich berücksichtigt hat. Dabei wird in beiden Gesetzen und im Deutschen Corporate Governance Kodex der bereits im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ angedeutete Gedanke einer Differenzierung der Regelungsdichte nach der konkreten Struktur der Aktiengesellschaft, vor allem orientiert an der Frage der Nähe oder Ferne zum Kapitalmarkt das entscheidende Kriterium. Der Gesetzgeber hat somit im KonTraG und im TransPuG den bereits in der Novelle 1994 angedeuteten Gedanken fortgeführt und ausgebaut. Er ist damit von der Aktiengesellschaft, die ____________ 102 103

Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 19. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/8769, S. 10.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

lediglich am Leitbild der Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Kreis von Aktionären orientiert ist, abgerückt. Zugleich fand durch das KonTraG eine Koordinierung der Definition der „börsennotierten Gesellschaft“ zwischen dem Aktienrecht und anderen Gesetzen statt104. Auch dies wurde im TransPuG fortgesetzt. Daneben ist im Zusammenhang der Differenzierung von Regelungen abhängig von der Börsennotierung auf das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (WpÜG)105, das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, hinzuweisen. Dieses gilt nach § 1, 2 Abs. 3 WpÜG nur im Hinblick auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Es ist überdies zu erwarten, daß gerade im Zusammenhang mit der weiteren Umsetzung des 10-Punkte-Programm der Bundesregierung zur Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, dieser Ansatz weiter verfolgt wird. Dieses Programm wurde am 28. August 2002 von der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und Bundeswirtschaftsminister Werner Müller vorgelegt. Am 25. Februar 2003 wurde dann von der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und dem Bundesfinanzminister Hans Eichel ein konkretisierter Maßnahmekatalog zur Stärkung des Anlegerschutzes und des Vertrauens in die Aktienmärkte vorgelegt. Dieser beruht auf dem 10-PunkteProgramm. Auch in diesem Maßnahmekatalog wird die starke Verknüpfung des Gesellschaftsrechts und des Kapitalmarktrechts deutlich. Einzelne Punkte des Programms wurden bereits umgesetzt bzw. es liegen Gesetzesentwürfe vor. Hinzuweisen ist hier etwa auf das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005106 sowie das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahrens vom 16. August 2005107. Auch das Bilanzreformgesetz vom 4. Dezember 2004108 und das Bilanzkontrollgesetz vom 15. Dezember 2004109 dienen dazu, einzelne Punkte des Programms umzusetzen, um nur einige Beispiele zu nennen. ____________ 104

So ausdrücklich BT-Drucks. 13/9712, S. 12. Ebenso Seibert, in: Reform, S. 1, 5. BGBl. I 2001, 3822. 106 BGBl. I 2005, 2802. 107 BGBl. I 2005, 2437. 108 „Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlußprüfung“ (Bilanzreformgesetz – BilReG) – BGBl. I 2004, 3166. 109 „Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen“ (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) – BGBl. I 2004, 3408. 105

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Es ist somit im Hinblick auf die zukünftige Gesetzgebung durchaus zu erwarten, daß die bereits in den bisherigen Gesetzen begonnene Differenzierung im Aktienrecht zwischen börsennotierter und kapitalmarktferner Gesellschaft und die Verflechtung zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht weiter vertieft wird110.

B. Neue Entwicklungen im Kapitalmarktrecht Ein weiterer Bereich, in dem die Unterscheidung zwischen börsennotierten Gesellschaften und nicht börsennotierten Gesellschaften von herausragender Bedeutung ist, stellt das Kapitalmarktrecht dar. Regelungen in diesem Rechtsgebiet wuchsen auch in Deutschland in den vergangenen Jahren beständig an. Ebenso nahmen hier die Diskussionen über das Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht zu111.

I. Traditionelle Ausgangslage im Kapitalmarktrecht Im 3. Teil dieser Arbeit zum US-amerikanisches Recht wurde bereits ausführlich auf das US-amerikanische Kapitalmarktrecht in Form des Securities Act 1933 und des Securities Exchange Act 1934 und auf dessen Bedeutung eingegangen. Die Geltung bzw. Nichtgeltung der kapitalmarktrechtlichen Vorschriften führt dort maßgeblich zu einer unterschiedlichen Behandlung von Gesellschaften, die an der Börse notiert sind, die also ein public offering abgegeben haben, und solchen, deren Anteile nicht mittels eines public offering angeboten werden. Auch die eben112 angedeutete Diskussion über corporate governance wird in den USA vor allem auf der Ebene des Kapitalmarktrechts geführt. In Deutschland dagegen spielte das Kapitalmarktrecht als gesonderte Regelungsmaterie lange keine Rolle. Zwar stellte sich auch in Deutschland mit dem vermehrten Aufkommen von Aktiengesellschaften, die ihre Geschäftsanteile über die Börse handelten, die Frage nach dem Schutz derjenigen Personen, die diese erwarben. Der Gesetzgeber reagierte aber, wie bereits im historischen Teil ____________ 110

Ähnlich Pressemitteilung Nr. 321/00 des Bundespresseamtes vom 21. Juni 2000, http://www.bundesregierung.de/dokumente/Pressemitteilung/ix_11871.html, worin zumindest davon gesprochen wird, daß wie schon im KonTraG überdies die Anforderungen des Kapitalmarktes verstärkt berücksichtigt werden sollen. 111 Vgl. nur Kübler, SZW 1995, 223; Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1090 ff.; Schwark, Anlegerschutz und Möllers, ZGR 1997, 334 ff. 112 Unter A. II.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

dargestellt, etwa auf die Gründungsschwindel in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts vornehmlich durch eine Verschärfung des Aktienrechts. Daneben schuf er 1896 ein Börsengesetz, das jedoch nur begrenzte Bedeutung erlangte113. Durch den eingeschränkten Blickwinkel des Gesetzgebers wurde kein umfassendes Kapitalmarktrecht geschaffen, das allgemein den Markt regelt, auf dem Kapitalanlagen welcher Art auch immer angeboten und nachgefragt werden114. Der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz war „rechtsform- und institutionenbezogen“115, also auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft und die Institution der Börse116 beschränkt. Im Gegensatz dazu wurde erläutert, daß das US-amerikanische Kapitalmarktrecht jede Art von Wertpapieren (securities)117 betrifft, unabhängig von der Rechtsform des Emittenten. Das Eingreifen der Vorschriften setzt hier lediglich ein public offering118 voraus, ohne daß auf das Angebot an einer bestimmten Institution abzustellen wäre. Die Folge dieses rechtsform- und institutionenbezogenen Ansatzes war das Auftreten von Anlageformen, die außerhalb der Regelungen fielen, also nicht von Aktiengesellschaften stammten bzw. nicht am organisierten Kapitalmarkt gehandelt wurden119. So entwickelten sich vor allem die GmbH & Co. KG, die körperschaftlich organisiert war und eine Vielzahl in der Praxis weitgehend rechtlose Kommanditisten hatte. Des weiteren sind die Investmentgesellschaften zu nennen, die inländische oder ausländische Investmentanteile handeln. Es entstand dadurch ein neuer Markt, der sog. „graue“ Kapitalmarkt, der seinen Namen von der Undurchsichtigkeit der Anlageobjekte erhielt120. Der Gesetzgeber, ebenso wie die Rechtsprechung, reagierte auf die jeweiligen Mißstände durch Einzelmaßnahmen121, ohne daß zunächst ein Gesamtkonzept ____________ 113 Dazu bereits oben in § 11 Fußn. 77. Vgl. auch Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 111 und 413 ff. 114 Vgl. dazu Claussen, § 9 Rdnr. 1a; Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 354; Assmann, in: 40 Jahre, S. 251, 252; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431; Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1091. 115 Vgl. Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 1; Assmann, in 40 Jahre, S. 251, 255 und 266. Vgl. zu dieser Konzeption des Kapitalmarktrechts auch Claussen, § 9 Rdnr. 1b. 116 Zum Börsenrecht als Recht der Handelsveranstaltung Börse vgl. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 394. 117 Zum Begriff siehe oben unter § 9 B. 118 Zu den Voraussetzungen eines public offering siehe oben unter § 9 C. III. 1. a). 119 Ähnlich Zimmer, S. 36. 120 Vgl. nur Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 5. 121 Hinsichtlich der Investmentgesellschaften ist das „Gesetz über Kapitalanlagen“ (KAGG) von 1957 (BGBl. I 1957, 378) zu nennen, das 1969 durch die Einführung einer Prospektpflicht wesentlich geändert wurde (BGBl. I 1969, 922). Für Auslandsinvestmentanteile ist das „Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über

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entwickelt wurde. Dabei konnte das fehlende Kapitalmarktrecht lediglich teilweise von der Rechtsprechung „durch die Fortbildung des Gesellschaftsund Zivilrechts ‘substituiert’“ werden122. In den 70er Jahren wurde in der Literatur123 der Blick auf das Kapitalmarktrecht als Regelungsgebiet gelenkt. Hopt etwa hat in mehreren Veröffentlichungen124 das bestehende Aktien- und Börsenrecht im Hinblick auf kapitalmarktrechtliche Vorschriften untersucht. Unter Kapitalmarktrecht versteht er die „Gesamtheit der Grundsätze und Normen…, die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und Umlauf von Unternehmensbeteiligungen und verbrieften bzw. öffentlich registrierten Geldforderungstiteln – kurz fungiblen Kapitalmarktpapieren – befassen, um den Individualschutz der Kapitalanleger und den Funktionenschutz von Kapitalmarkt und Wirtschaft zu gewährleisten“125. Er wählt bewußt einen von der Rechtsform des Emittenten ebenso wie von der Institution „Börse“ unabhängigen Ansatz und stellt das Kapitalmarktrecht neben das Aktien- und Börsenrecht als Teil des „Handelsrechts im weiteren Sinne“126. Diesem Ansatz ist zuzustimmen, da er die eben angesprochenen Lücken, die durch einen rechtsform- und institutionenbezogenen Ansatz entstehen, verhindert. Im übrigen hat auch die weitere Entwicklung, die in den nächsten Absätzen beschrieben wird und mit einem zunehmend von den Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft geprägten Kapitalmarktrecht zusammenhängt, den Ansatz von Hopt bestätigt.

____________ die Besteuerung der Erträge ausländischer Investmentanteile“ (AuslInvestmG) von 1969 (BGBl. I 1969, 986) zu erwähnen. Sowohl das KAGG als auch aus AuslInvestG wurden durch das Investmentgesetz und das Investmentsteuergesetz ab dem 1. Januar 2004 abgelöst (BGBl. I 2003, 2676). Im Bereich der Publikumspersonengesellschaften ist auf die umfangreiche Rechtsprechung hinzuweisen, die ein ans Aktienrecht angenähertes Sonderrecht entwickelt hat unter Hinweis auf den Charakter der Gesellschaft als „Massengesellschaft“ (zuerst in BGH, NJW 1973, 1604), vgl. dazu insgesamt Zimmer, S. 36; Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 4 ff.; Assmann, in 40 Jahre, S. 251, 257 ff.; Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1101 ff. und Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 398 ff. und 404 ff. 122 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 420 und Assmann, in 40 Jahre, S. 251, 259. Ähnlich Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1089 und 1111. 123 Eine frühere Veröffentlichung stellt Kohl / Kübler / Walz / Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1, 12 ff. dar. 124 Zu nennen sind hier etwa die Beiträge in ZHR 140 (1976), 201 ff., ZHR 141 (1977), 389 ff., das Buch „Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken“ (1976), Gutachten zum 51. Deutschen Juristentag 1976 und WM 1985, 793, 795. 125 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431. 126 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Hopt sah in den deutschen Regeln einige kapitalmarktrechtliche Ansätze, so vor allem bei aktienrechtlichen Normen, welche die Aktienausgabe betreffen127 oder die Publizität regeln128. Auch in der Gründerhaftung nach § 47 Nr. 3 AktG betont er einen klaren Bezug zu Publikum und Kapitalmarkt129. Im Börsenrecht nennt er als kapitalmarktrechtliche Materie etwa die börsenrechtliche Publizität sowie die Prospekthaftung nach §§ 45 – 49 BörsG (jetzt: §§ 44 – 48 BörsG)130. Gerade vor dem Hintergrund des Rechtsvergleichs mit dem Kapitalmarktrecht in den USA, Belgien und Frankreich, betrachtet er diese deutschen Regelungen lediglich als Ansätze im Kapitalmarktrecht, die aber – etwa durch das Fehlen eines Insiderrechts – bedeutende Schutzlücken aufweisen131. Er schlägt überdies eine ausführliche Regelung der Berufspflichten und der Berufshaftung der Kreditinstitute und der Emittenten vor, sowie eine einheitliche und umfassende Prospekthaftung132. Aus seiner oben erwähnten Definition wird die doppelte Zielsetzung des Kapitalmarktrechts deutlich133: Zum einen soll das Kapitalmarktrecht Individualschutz vermitteln, also den Schutz des einzelnen Anlegers, der am Markt Wertpapiere erwirbt, gewährleistet134. Dieser war auch für die aktienrechtliche Gesetzgebung, wie im geschichtlichen Abriß erwähnt, zum Teil für die Ausgestaltung gesellschaftsrechtlicher Regelungen leitend. Neben dieser eher sozialpolitischen Zielsetzung tritt der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als wirtschaftspolitisches Regelungsziel135.

____________ 127 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 391. Hopt nennt hier vor allem das Verbot der Unterparieemission in § 9 Abs. 1 AktG und das Verbot der Ausgabe von Aktien und Zwischenscheinen vor Eintragung nach § 41 Abs. 4 AktG. 128 Beispiele sind der Bericht der Gründungsprüfer in § 34 Abs. 3 AktG und die Bekanntmachung nach § 40 AktG, vgl. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 391 f. 129 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 392. 130 Vgl. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 395 f. 131 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 397 und 432. Rechtsvergleichende Ansätze auch bei Hopt, WM 1985, 793, 795 ff. 132 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 433 ff. 133 Vgl. auch Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 364, Claussen, § 9 Rdnr. 1a und Zimmer, S. 40 ff.; Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1091 ff. 134 Zu den einzelnen Risiken, denen der Anleger dabei ausgesetzt ist, vgl. Hopt, S. 289 ff. Zusammenfassend auch bei Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 367 ff. und Zimmer, S. 40 ff. 135 Im allgemeinen wird die Funktionsfähigkeit an drei Effizienzfaktoren gemessen: institutionelle Effizienz, operationale Effizienz und vor allem die allokative Effizienz. Zu diesem Modell statt vieler Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 357 ff.; Assmann, in: 40 Jahre, S. 251, 263 f.; Zimmer, S. 42 f.

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II. Frühe kapitalmarktrechtliche Gesetze Die Aktivität des Gesetzgebers war zu Beginn vorwiegend fremdbestimmt, da die Änderungen hin zu einem Kapitalmarktrecht zunächst durch die Europäische Union initiiert waren136. Zu nennen ist hier etwa das Börsenzulassungsgesetz vom 16. Dezember 1986137, welches das Börsengesetz sowie die Börsenzulassungsverordnung änderte. Durch dieses wurde die Börsenzulassungsrichtlinie vom 5. März 1979138, die Börsenzulassungsprospektrichtlinie vom 17. März 1980139 und Richtlinie über Halbjahresberichte vom 15. Februar 1982140 umgesetzt141. Ende der 80er Jahre tritt neben diese nationale Gesetzgebung, die durch die Europäischen Gemeinschaften hervorgerufen ist, auch der Wille des Gesetzgeber den „Finanzplatz Deutschland“ zu stärken142. In diesem Lichte ist zunächst das „Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes“ vom 11. Juli 1989143 zu sehen. Ziel dieses Gesetzes, das umfangreiche Änderungen mit sich brachte, war zum einen wiederum die Umsetzung einer Richtlinie, nämlich der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Änderung der Börsenzulassungsprospektrichtlinie vom 22. Juni 1987 (87/345/EWG)144. Daneben sollte aber nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich auch die „Stärkung des Finanzplatzes Deutschland“ angestrebt werden, um dadurch das „Börsengesetz an die sich aus der weiteren Verflechtung der internationalen Finanzmärkte ergebenden Erfordernisse“145 anzupassen.

____________ 136

Vgl. Groß, Vorb. BörsG Rdnr. 1 und Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 8. Zu den europarechtlichen Hintergründen auch Weber, NJW 1994, 2840, der den sog. „Segré-Bericht“ von 1966 als Fundament eines europäischen Kapitalmarktintegrationskonzepts sieht. Zur Rechtsgrundlage des europäischen Kapitalmarktrechts vgl. Claussen, § 9 Rdnr. 11. 137 BGBl. I 1986, 2478. 138 ABl. EG Nr. L 66 vom 16. März 1979, S. 21 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 532 ff. 139 ABl. EG Nr. L 100 vom 17. April 1980, S. 1 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 552 ff. 140 ABl. EG Nr. L 48 vom 20. Februar 1982, S. 26 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 581 ff. 141 Vgl. dazu bereits unter § 6 A. III. 2. b) bb). 142 Weber, NJW 1994, 2894 f. spricht hier von einer „erstaunliche[n] Wende“ 1988/89. Zu den Hintergründen auch v. Rosen, ZKW 1989, 658; Ernst, WM 1990, 461 und Assmann, AG 1994, 196, 199. 143 BGBl. I 1989, 1412. 144 ABl. EG Nr. L 185 v. 4. Juli 1987, S. 81 ff. 145 BT-Drucks. 11/4177, S. 1.

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Besondere Bedeutung kommt zudem dem Verkaufsprospektgesetz vom 13. Dezember 1990146 zu. Diese Gesetz dient zur Umsetzung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. April 1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (89/298/EWG), sog. „Verkaufsprospektrichtlinie“ oder „Emissionsprospektrichtlinie“147. Es sah nach § 1 VerkProspG eine Prospektpflicht für grundsätzlich148 alle Wertpapiere vor, die erstmals im Inland öffentlich angeboten werden und bisher nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Durch das Gesetz wird zunächst eine Lücke im System des „Anlegerschutzes durch Information“149 im Primärmarkt geschlossen. Bisher schrieben die §§ 795, 808a BGB vor, daß das Inverkehrbringen von inländischen Inhaberschuldverschreibungen und von inländischen Orderschuldverschreibungen, in denen jeweils die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, der staatlichen Genehmigung bedarf. An Stelle dieser Konzessionspflicht trat mit dem VerkProspG die Publizität. Der Gesetzgeber vertritt also die Ansicht, daß er nicht mehr durch seine Genehmigung die Werthaltigkeit eines Papiers beurteile, sondern daß diese Beurteilung nun den Anlegern selbst obliege, und er nur dafür sorgt, daß ihnen die nötigen Informationen zur Verfügung stehen. Neben diesem Schritt von einem paternalistischen Anlegerschutz zu einem selbstverantwortlichen Schutz durch Information, stellt das VerkProspG auch einen ersten Ansatz einer nicht mehr rechtsform- und institutionsbezogenen, sondern marktbezogenen Regelung des Kapitalmarktrechts dar150.

III. Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 26. Juli 1994 Eine Fortführung des zuvor beschriebenen Ansatzes findet sich im Wertpapierhandelsgesetz. Dieses ist Teil des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes ____________ 146

„Gesetz über Wertpapier-Verkaufsprospekte und zur Änderung von Vorschriften über Wertpapiere“, BGBl. I 1990, 2749. Vgl. zur Entstehung des Verkaufsprospektgesetzes Groß, Vorb. VerkProspG Rdnr. 2. und Hamann, in: Schäfer, VerkProspG, Vor § 1 Rdnr. 1 ff. 147 ABl. EG Nr. L 124 v. 5. Mai 1989, S. 8 ff; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 610 ff. 148 Ausnahmen enthielten die §§ 2–4 VerkProspG. 149 So Groß, § 1 VerkProspG Rdnr. 2; Hamann, in: Schäfer, VerkProspG, Vor § 1 Rdnr. 1 ff. 150 Dazu auch ausführlicher Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 9. Zum Anwendungsbereich des VerkProspG vgl. die umfangreichen Erläuterungen bei Groß, § 1 VerkProspG Rdnr. 5 ff. und Hamann, in: Schäfer, VerkProspG, § 1 Rdnr. 1 ff.

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vom 26. Juli 1994151 und entstand damit beinahe zeitgleich mit dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“. Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz dient wiederum der Umsetzung zweier europäischer Richtlinien, nämlich der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Dezember 1988 über die beim Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (88/627/EWG), sog. „Transparenzrichtlinie“152 und der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. April 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäften (89/592/EWG), sog. „Insiderrichtlinie“153. Zudem wird durch die gesetzliche Regelung zum Teil zugleich die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (93/22/EWG), sog. „Wertpapierdienstleistungsrichtlinie“154 vorgenommen155. Wie schon im VerkProspG hat der Gesetzgeber auch hier Regelungen für den Kapitalmarkt als solchen getroffen, ohne diese auf eine bestimmte Anlageart oder auf die Anlageformen eines in bestimmter Rechtsform organisierten Emittenten zu beschränken. Diesem marktbezogenen Ansatz trägt etwa die Statuierung einer Kapitalmarktaufsicht Rechnung, ebenso wie die Einführung von Verhaltenspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die kapitalmarkt- und kundenbezogen sind156. Im übrigen folgen sowohl der deutsche Gesetzgeber als auch der EG-Richtliniengeber dem erwähnten kapitalmarktrechtlichen Ansatz. Beide nehmen sie ausdrücklich auf die beiden Ziele des Kapitalmarktrechts Bezug, den individuellen Anlegerschutz und den Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte157. Entsprechend emphatisch wurde das Gesetz von der Literatur gelobt und als Einleitung „einer neuen Ära in der ____________ 151

„Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften“, BGBl. I 1994, 1749. Vgl. dazu aus der Literatur statt vieler Hopt, WM-Festgabe für Thorwald Hellner vom 9. Mai 1994, 29; Weber, NJW 1994, 2849 und Claussen, AG 1995, 163, 165. 152 ABl. EG Nr. L 348 v. 17. Dezember 1988, S. 62 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 589 ff. 153 ABl. EG Nr. L 334 v. 18. November 1989, S. 30 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 601 ff. 154 ABl. EG Nr. L 141 v. 11. Juni 1993, S. 27 ff.; auch abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 459 ff. 155 So Weber, NJW 1994, 2849, 2857; Groß, Vorb. BörsG, Rdnr. 3 und Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 13. Dort in den Rdnr. 12 ff. auch ausführlich zu Entstehung, Anwendung und Weiterentwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes. 156 Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 14. 157 Vgl. schon Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der WertpapierVerkaufsprospektgesetzes, BT-Drucks. 11/6340, S. 1 ff. ebenso wie Begründung zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, BR-Drucks. 793/93, S. 100 ff.

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rechtlichen Ordnung des deutschen Kapitalmarkts“158 angesehen. Hopt betrachtet das WpHG als das wichtigste börsen- und kapitalmarktrechtliche Gesetz seit Erlaß des BörsG vom 22. Juni 1896 und sieht darin „die Chance, im internationalen Wettbewerb einen großen Sprung nach vorwärts für den Finanzplatz und damit zugleich für den Standort Deutschland zu tun“159.

IV. Die Entwicklung seit dem dritten Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 1998 Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 1998160 baute den beschriebenen Ansatz aus. Das Ziel war es, den organisierten Kapitalmarkt effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Dies sollte insbesondere durch eine „Integration von Meldepflichten unterschiedlicher gesetzlicher Provenienz sowie durch Liberalisierungen und Deregulierungen für in- und ausländische Marktteilnehmer“161 erfolgen. Erwähnt werden soll hier nur die Harmonisierung der einzelnen Meldepflichten, die bei der Veränderung bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften nach §§ 21 ff. WpHG und §§ 20, 21 AktG entstehen. Damit wollte der Gesetzgeber zur engeren Verflechtung beider Materien beitragen. Nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz trat am 1. Juli 2002 das Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002162 in Kraft. Durch dieses Gesetz wurde das gesamte Börsengesetz neu verkündet. Im einzelnen gab es dabei Änderungen bei den Marktsegmenten und Zulassungsregelungen. Von besonderer Bedeutung ist hier, daß die Möglichkeit geschaffen wurde, im amtlichen Markt sowie im geregelten Markt Marktsegmente mit abgestuften Zulassungsfolgepflichten zu schaffen. Dem ist die Frankfurter Wertpapierbörse durch die Neufassung der Börsenordnung vom 1. Januar 2003 nachgekommen, in dem sowohl im amtlichen Markt als auch geregelten Markt ein „General Standard“ geschaffen wurde, in dem die gesetzlichen Mindestanforderungen gelten, und einen „Prime Standard“, der zusätzliche Zulassungsfolgepflichten vorsieht und dadurch sich den internationalen Transparenzanforderungen an____________ 158 So Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 1. Ähnlich Weber, NJW 1994, 2849. Kritisch dagegen Claussen, AG 1995, 163, 167. 159 Hopt, WM-Festgabe für Thorwald Hellner vom 9. Mai 1994, 29. 160 „Gesetz zur weiteren Förderung des Finanzplatzes Deutschland“, BGBl. I 1998, 529. 161 Assmann / Schneider, WpHG, Einl. Rdnr. 39. 162 „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland“ (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, 2010.

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passen möchte. Von großer Bedeutung ist daneben die Einführung der §§ 37 b und 37 c WpHG, die eine eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Haftung gegenüber Anlegern im Falle von falschen Ad-hoc Mitteilungen nach § 15 WpHG schaffen. Mit der Schaffung dieser Vorschriften wurde eine Kehrtwende gegenüber den Vorstellungen des Gesetzgebers des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes von 1994 vorgenommen, mit dem die Ad-hoc Publizität eingeführt wurde. Seinerzeit wurde § 15 Abs. 6 WpHG nach ausführlichen Ausschußberatungen aufgenommen, um gerade klarzustellen, daß an unterlassene und fehlerhafte Ad-hoc Publizität keine zivilrechtliche Haftung anknüpfen soll. Des weiteren wurden im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz die bisherigen §§ 50–70 BörsG aufgenommen, die die Börsentermingeschäfte geregelt hatten. Die „Finanztermingeschäfte“ sind danach in den §§ 37d–37g WpHG geregelt. Weitere Regelungen, die wesentlich sind, sind eine Klarstellung im Zusammenhang mit Ad-hoc Mitteilungen sowie die Einführung einer Meldepflicht für sog. „Directors Dealings“, also Geschäfte von Organen eines Emittenten in Aktien dieses Emittenten, und die Einführung des § 20a WpHG (Verbot der Kurs- und Marktmanipulation). Des weiteren soll in der Reihe von kapitalmarktrechtlichen Gesetzen das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 29. Oktober 2004163 genannt werden. Zum einen ist auch dieses Gesetz vor dem Hintergrund des bereits erwähnten Maßnahmekatalogs zur Stärkung des Anlegerschutzes und des Vertrauens in die Aktienmärkte zu sehen. Durch das Gesetz wurde die Marktmißbrauchsrichtlinie vom 28. Januar 2003164 umgesetzt. Zudem wurde eine Prospektpflicht für nicht in Wertpapieren verbrieften Anlageformen des „Grauen Kapitalmarktes“ eingeführt und die Regelung zur Zusammensetzung des Börsenrates flexibilisiert. Bei der Umsetzung der Marktmißbrauchsrichtlinie sind vor allem weitreichenden Änderungen im Zusammenhang mit den Insidervorschriften (§§ 12–14 WpHG) und den Vorschriften zur Ad-hoc Publizität (§ 15 WpHG) sowie der neu eingeführten Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG) zu nennen. Zudem wurden auch die Vorschriften zu „Directors Dealings“ in § 15a WpHG und zum Verbot der Kurs- und Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG geändert und zum Teil verschärft. Schließlich ist am 1. Juli 2005 das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren ____________ 163 „Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes“ (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, 2630. 164 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation, ABl. vom 12. April 2003, L96/16.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG“ (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) in Kraft getreten165, das eine weitere Vereinheitlichung der Prospekte in Europa anstrebt. Durch das im Prospektrichtlinien-Umsetzungsgesetz enthaltene „Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist“ (Wertpapierprospektgesetz – WpPG) wurden weite Teile des Verkaufsprospektgesetzes, die Verkaufsprospektverordnung und Teile der Börsenzulassungsverordnung ersetzt .Auf der Ebene des deutschen Rechts ist also insgesamt eine erhebliche Vermehrung und Vertiefung eines spezifischen Kapitalmarktrechts zu verzeichnen. Ähnlich wie in den USA fordert das Kapitalmarktrecht heute eine weitgehende Offenlegung von Informationen bei einem öffentlichen Angebot oder der Zulassung von Wertpapieren an einem organisierten Markt. Auch Zulassungsfolgepflichten insbesondere aus der Börsenzulassungsverordnung und dem WpHG treffen börsennotierte Unternehmen. Auch in Zukunft ist zu erwarten, daß im Kapitalmarktrecht neue Regelungen hinzutreten werden. So liegt etwa die sog. „Transparenzrichtlinie“ vom 15. Dezember 2004166 vor, die Anforderungen für die Veröffentlichung regelmäßiger und laufender Informationen über Emittenten festlegt, deren Wertpapiere bereits zum Handel an einem in einem Mitgliedstaat gelegenen oder dort betriebenen geregelten Markt zugelassen sind. Diese Richtlinie muß von den Mitgliedstaaten bis zum 20. Januar 2007 umgesetzt sein. Auch im Bereich der allgemeinen Haftung für Kapitalmarktkommunikation hat das Bundesfinanzministerium im Oktober 2004 einen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz – KapInHaG) vorgelegt. Auch wenn dieser – auf Grund von zahlreicher Kritik – zunächst zurückgezogen wurden, wäre es nicht überraschend, wenn der Gesetzgeber auf diesem Gebiet in der nächsten Zeit tätig werden würde. Durch eine Zunahme kapitalmarktrechtlicher Vorschriften entwickeln sich die Regeln für börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften auseinander. Für erste tritt das Kapitalmarktrecht zum Gesellschaftsrecht hinzu, für letztere verbleibt es allein bei den Bestimmungen des Gesellschaftsrechts. Damit tritt eine ähnliche Situation ein, wie sie bereits für die USA geschildert wurde. Wie erwähnt, ist diese Differenzierung auch durch die europäische Gesetzgebung maßgeblich beeinflußt, da auch mittels der gemeinschaftsrecht____________ 165 166

BGBl. I 2005, 1698. ABl. EG Nr. L 390 v. 31. Dezember 2004, S. 38 ff.

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lichen Richtlinien zu kapitalmarktrechtlichen Fragen sich eine Trennung der Vorschriften börsennotierter und nicht börsennotierter Gesellschaften ergibt167. Im Gegensatz zum Gesellschaftsrecht, wo die Verabschiedung von Richtlinien oder Verordnungen teilweise auf erhebliche Widerstände stößt – die langjährigen Diskussionen um die sog. „Strukturrichtlinie“168 oder um die Schaffung einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea)169 sollen hier nur als Beispiel dienen –, scheint es im Kapitalmarktrecht leichter zu sein, sich auf gemeinsame Standards zu einigen170. Die Kapitalmärkte öffnen sich zusehends. Sowohl die modernen Kommunikationstechniken als auch die Einführung des Euro tragen zu der ohnehin schon vorhandenen hohen Mobilität des Kapitals171 bei. Anschaulich wird diese Notwendigkeit vereinheitlichter Regelungen auch angesichts der im Sommer 2000 geplanten sowie im Frühjahr 2005 wieder diskutierten – aber bislang gescheiterten – Fusion der Frankfurter Börse und der Londoner Börse. Eine solche Börsenfusion hätte die Frage des anwendbaren Kapitalmarktrechts virulent werden lassen. Unabhängig davon, ist auch in Zukunft mit einer Zunahme der Regelungen im Kapitalmarktrecht zu rechnen, die von Europa initiiert sind.

§ 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes Das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ wollte nach der Zielsetzung des Gesetzgebers einen Beitrag zur allgemeinen Deregulierung des komplexen deutschen Aktienrechts leisten. Wie der Länderbericht zum deutschen Recht gezeigt hat, sind im Rahmen dieses ____________ 167

Hahn, DB 1994, 1659, 1661. Abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 176 ff. 169 Umgesetzt wurde das Statut über die Europäische Aktiengesellschaft durch die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294 vom 10. November 2001, S. 1 ff. und die Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. L 294 vom 10. November 2001, S. 22 ff. Diesem Vorhaben ging eine Diskussion von über 30 Jahre voraus. 170 Ebenso Kübler, SZW 1995, 223, 227, der die großen gesellschaftsrechtlichen Harmonisierungsvorhaben „stagnieren“ sieht und dagegen bei der Angleichung des Kapitalmarktrechts „beeindruckende Fortschritte“ bemerkt. Ähnlich Möllers, ZGR 1997, 334, 335 f. 171 Vgl. Groß, Vorb. BörsG Rdnr. 1 zu den Hintergründen der europäischen Rechtsetzung im Bereich des Kapitalmarktrechts. Bei Rdnr. 7 auch zu den Folgen der EuroEinführung. Zu den Anforderungen an ein europäisches Kapitalmarktrecht auch Claussen, § 9 Rdnr. 12 ff. 168

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Gesetzes nicht so sehr die Einzeländerungen bemerkenswert, als vielmehr der grundsätzlich neue Ansatz durch die Differenzierung der Vorschriften anhand materieller Kriterien und ein damit einhergehendes unterschiedliches Maß an Flexibilität einerseits bzw. Schutz andererseits. Die größte Bedeutung hat bei diesen vom Gesetzgeber verwendeten Kriterien dasjenige, das auf die Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes abstellt. Das unterschiedliche Schutzniveau bei aktienrechtlichen und GmbHrechtlichen Vorschriften ist zu einem guten Teil dadurch bedingt, daß die Aktiengesellschaft als Leitbild die börsennotierte Publikumsgesellschaft hat, bei der die gesellschaftsrechtlichen Regelungen neben dem Gläubigerschutz auch dem Anlegerschutz Rechnung tragen müssen. Im historischen Abschnitt wurde gezeigt, daß auf Gefahren für Anleger in Deutschland im wesentlichen durch eine Veränderung des Aktienrechts reagiert wurde, wogegen in den USA der Anlegerschutz weitgehend auf die Ebene des Kapitalmarktrechts verlagert ist. In der neueren Rechtsentwicklung Deutschlands bildet sich jedoch maßgeblich unter dem Einfluß der europäischen Rechtsvereinheitlichung ebenfalls ein eigenständiges Kapitalmarktrecht aus. Auch hat der Gesetzgeber selbst im Aktienrecht, nämlich im KonTraG und im TransPuG weitere Regelungen von der Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes abhängig gemacht. Es ist durchaus zu erwarten, das durch weitere Änderungen des AktG diese neue Richtung weiterverfolgt und vertieft werden dürfte1. Nachfolgend soll auf die Vorteile (unter A.) sowie auf die Nachteile (unter B.) eingegangen werden, die sich aus der Neuorientierung des Gesetzes ergeben können. Dabei soll auch die bisherige Umsetzung der gesetzgeberischen Idee kritisch beleuchtet werden.

A. Vorteile des vom Gesetzgeber verwendeten Ansatzes Die Vorteile des neuen Ansatzes lassen sich mit vier Schlagworten umschreiben: Zunächst wird dadurch die in den vergangenen Jahren fortwährend größer gewordene Kluft zwischen Aktienrecht und Aktienrealität überbrückt (unter I.). Der zweite Topos kann mit dem Begriff „Stärkung der Privatautonomie im Gesellschaftsrecht“ umschrieben werden (unter II.). Daneben liegt ein Vorteil des neuen Weges in der Möglichkeit einer besseren Koordinierung von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht (unter III.). Schließlich ist der Ansatz auch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Bestreben des Gesetzgebers zur Deregulierung zu sehen (unter IV.). ____________ 1

Vgl. dazu auch schon § 12 dieser Arbeit.

§ 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes

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I. Annäherung von Aktienrecht und Aktienrealität Das Aktienrecht, wie es sich in Deutschland in den vergangenen knapp 150 Jahren entwickelt hat, ist, wie mehrfach erwähnt, durch einen hohen Grad an Komplexität und „Perfektionismus“2 gekennzeichnet. Diese Charakterisierung hängt, wie gezeigt, damit zusammen, auf welche Weise der deutsche Gesetzgeber auf Krisen reagiert hat, die vor allem den öffentlichen Kapitalmarkt betroffen haben. Sowohl nach dem Gründungsschwindel in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts als auch nach der Weltwirtschaftskrise in den 20er bzw. 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hat er eine Abhilfe im Rahmen des Aktienrechts geschaffen. Dies war – von der Konzeption des Gesetzgebers gesehen – auch konsequent. Die Aktiengesellschaft war als Kapitalsammelbecken gedacht, das sich am öffentlichen Kapitalmarkt mit Eigenkapital versorgt und dort auf Kapitalanleger trifft, die an unternehmerischem Handeln nicht interessiert sind. Diese Ausrichtung der Aktiengesellschaft wurde in der Aktienreform 1965 vom Gesetzgeber explizit genannt3. Zu dieser gesetzgeberischen Konzeption steht und stand jedoch – jedenfalls zum Teil – die Wirklichkeit im Widerspruch. Dies wird auch mit dem Schlagwort „Krise der Aktiengesellschaft“4 angedeutet. Diese Krise läßt sich an verschiedenen statistischen Daten ablesen, die zum Teil bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erwähnt wurden. So hat etwa die zahlenmäßige Verbreitung der Aktiengesellschaft als Unternehmensform von 1950 bis etwa in die 80er Jahre kontinuierlich abgenommen. Dies gilt auch für die börsennotierten Aktiengesellschaften. Danach stiegen die Zahlen wiederum leicht an5. Im Gegensatz dazu haben die Unternehmen, die in der Rechtsform der GmbH organisiert sind, stetig zugenommen. Im Vergleich geht man etwa 1995 von um die 3.600 Aktiengesellschaften aus, denen ca. 650.000 GmbH gegenüberstehen6. Der Anteil der börsennotierten Gesellschaften dürfte dabei etwa ein Viertel der Aktiengesellschaften betragen. Parallel mit der relativ geringen zahlenmäßige Verbreitung der Aktiengesellschaft gehen zwei andere Phänomene einher: Zum einen ist die Ausstattung mit Eigenkapital bei den deutschen Unternehmen ____________ 2

So in der Begründung zum Gesetzesentwurf der Novelle 1994, BT-Drucks. 12/6721, S. 1 und der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7848, S. 1. 3 Vgl. etwa Mülbert, S. 65 m.w.N. Ebenso Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 292 f. 4 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 291 ff. 5 Vgl. dazu im einzelnen Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 295, Tabelle 1. Die Zahlen wurden bereits oben angesprochen. 6 Vgl. Hansen, GmbHR 1995, 507 sowie Hansen, AG-Report 1995, R 272. Ähnlich auch Kübler, AG 1994, 141.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

insgesamt und bei den Unternehmen in der Rechtsform der GmbH in besonderem Maße unzureichend, wie sich vor allem im internationalen Vergleich zeigt7. Zum anderen spielt die Aktie als Anlageinstrument in Deutschland traditionell eine nur untergeordnete Rolle. Beide Phänomene stehen dabei durchaus in Wechselwirkung zueinander. Die geringe Verbreitung der Aktie hängt jedenfalls auch mit der geringen Marktbreite im Bezug auf Aktienanlagen, also auf der Angebotsseite, zusammen. Die Angebotsseite ist aber maßgeblich von der Zahl der börsennotierten Gesellschaften abhängig. Andererseits kann auch die geringe Nachfrage seitens der Anleger als ein Grund für die Entscheidung zahlreicher Unternehmen gesehen werden, in der Rechtsform der GmbH zu verbleiben und sich somit auch gegen eine Aufnahme von Eigenkapital über den öffentlichen Kapitalmarkt zu entscheiden. An den hier genannten Zahlen fällt zweierlei auf: Zum einen ist die geringe Verbreitung der Aktiengesellschaft vor der Reform 1994 insgesamt bemerkenswert. Im Zusammenhang mit der vorgestellten Konzeption des Gesetzgebers, wie er sie bis zur Reform 1994 verfolgte, ist aber auch festzuhalten, daß die börsennotierten Aktiengesellschaften mit einer weit verstreuten Anlegerstruktur, die dann tatsächlich die Funktion eines „Kapitalsammelbeckens“ haben8 in der Praxis nicht die Regel darstellten. Damit werden durch die aktienrechtlichen Vorschriften nach dem bisherigen Modell auch die Aktionäre in den Gesellschaften „geschützt“, die nicht des Schutzes bedürfen, weil die Gesellschaft nicht an der Börse notiert und im ganzen eher personalistisch strukturiert ist. Zusätzlich werden gegebenenfalls Gesellschaften, die in der Rechtsform der GmbH organisiert sind, davon abgehalten, einen Rechtsformwechsel in die Aktiengesellschaft vorzunehmen. Sie müßten dann sofort die strikten aktienrechtlichen Regeln, die häufig durch den Anlegerschutz motiviert sind, erfüllen, obwohl sich an der Struktur der Gesellschafter zunächst nichts geändert hat. Bis zu einem Börsengang, der vielleicht in einem zweiten Schritt zeitlich versetzt geplant ist, sind überhaupt keine „Anleger“ vorhanden, die den Schutz des Aktienrechts bedürften. Ein System, welches die anlegerschützenden Vorschriften und somit das Schutzniveau konkret an der tatsächlichen Inanspruchnahme des öffentlichen ____________ 7

Siehe dazu schon oben in § 1 B. Vgl. auch Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 299. 8 Dies hängt nicht nur von der Frage der Börsennotierung ab, sondern auch davon, wie viele Gesellschafter die jeweiligen Aktiengesellschaften haben. Auch ein börsennotiertes Unternehmen kann von einem Großaktionär dominiert werden und insgesamt nur eine geringe Anzahl von Aktionären haben, vgl. zu den Unternehmen, die zu den Publikumsgesellschaften zu rechnen sind, Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 306, Tabelle 7.

§ 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes

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Kapitalmarktes orientiert, ist hier flexibler und vermeidet die geschilderten Nachteile. Gesellschaften mit einer personalistischen Struktur, die nicht börsennotiert sind, werden nicht mit den Anforderungen an Publikumsgesellschaften konfrontiert. Der Anlegerschutz greift erst dann ein, wenn tatsächlich Anleger vorhanden sind, wenn also die Anteile an der Börse gehandelt werden. Ein solches System läßt sich auf zweifache Weise erreichen: Eine Möglichkeit hat der Blick in die USA aufgezeigt. Das corporation law ist weitgehend flexibel, so daß die Gesellschafter die konkreten Regeln den Bedürfnissen, etwa einer personalistischen Gesellschaft, anpassen können. Anlegerschutz wird hingegen über das securities law dann vermittelt, wenn ein public offering vorliegt, wenn also die Anteile tatsächlich über den öffentlichen Kapitalmarkt angeboten werden. Der vom Gesetzgeber nun im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ angedeutete Ansatz, der im KonTraG und TransPuG weiter ausgebaut wurde, stellt die zweite Möglichkeit dar. Die Frage der Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes spielt danach schon innerhalb des Gesellschaftsrechts eine Rolle und bestimmt, welche aktienrechtlichen Vorschriften auf eine Gesellschaft anwendbar sind. Vom Standpunkt des materiellen Rechts erscheinen beide Möglichkeiten gleichwertig. Sowohl durch eine Trennung in verschiedene Rechtsgebiete, nämlich Gesellschaftsrecht einerseits und Kapitalmarktrecht andererseits, als auch durch die Einführung einer unterschiedlichen Behandlung der Gesellschaften innerhalb des Gesellschaftsrechts in Abhängigkeit von der Nähe zum Kapitalmarkt, kann das beschriebene Ziel erreicht werden. In beiden Fällen werden nur in einer solchen Gesellschaft Anleger geschützt, in der tatsächlich passive Kapitalanleger vorhanden sind. Ein aus dem Blickwinkel des Anlegerschutzes unnötig hohes Schutzniveau der aktienrechtlichen Vorschriften kann so verhindert werden und belastet personalistische Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft nicht mehr.

II. Stärkung der Privatautonomie Der zweite Vorteil des neuen Ansatzes steht im Zusammenhang mit der Grundkonzeption der Gesellschaft als Korporation, wie sie vor allem in den USA in neuerer Zeit häufig zugrundegelegt wird. Das Gesellschaftsrecht geht als Teil des besonderen Schuldrechts vom Grundsatz der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie aus. Eine Einschränkung der Vertragsfreiheit bedarf – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – der Rechtfertigung etwa durch den Schutz der Interessen Dritter oder auch durch den Schutz der schwächeren Vertragspartei.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

In den USA wird seit einigen Jahren eine Diskussion darüber geführt, welches Maß an zwingendem Recht notwendig ist, und wie viele Regelungen der vertraglichen Freiheit und damit dispositiven Normen überlassen bleiben (sog. corporate freedom-Debatte). Diese Diskussion steht in enger Beziehung zu der bereits angesprochenen Frage der Bewertung des Deregulierungswettbewerbs zwischen den US-amerikanischen Einzelstaaten9. Diejenigen Autoren, welche die Vorherrschaft Delawares als race to the top beurteilen, begründen dies damit, daß Gesellschaftsrecht ohnehin weitgehend aus dispositiven Regeln bestehen soll. Der Wettbewerb habe aber dazu geführt, daß die gesellschaftsrechtlichen Regeln auf der Ebene der Einzelstaaten zumeist abdingbar sind10. Dagegen stehen diejenigen Autoren, die zwingende Regeln in verschiedenen Bereichen für nötig halten, der dargestellten Entwicklung eher skeptisch gegenüber. Sie zweifeln daran, ob ein hinreichendes Maß an zwingendem Recht gewährleistet werden kann, wenn die Einzelstaaten für möglichst viele Gründer und Manager attraktiv sein wollen. Hinter der Befürwortung eines Höchstmaßes an dispositiven Regeln steht folgende Überlegung: Eine Gesellschaft wird von diesen Autoren als nexus of contracts gesehen, also als bloßes Vertragsgebilde bzw. „Netzwerk von Verträgen“11. Zum Teil sind die Beziehungen der verschiedenen Parteien in ausdrücklichen Verträgen geregelt (explicit contracts). Dies gilt etwa für die Anstellungsverträge mit Mitgliedern der Verwaltung oder aber auch im Hinblick auf den Gründungsvertrag12. Neben diesen ausformulierten Vereinbarungen stehen sog. implied contracts, also impliziten Verträge bzw. „Erwartungen, die sich als stillschweigende Vereinbarungen, wenn nicht interpretieren, so doch konstruieren lassen“13. Solche implizite Vereinbarungen können beispielsweise in den allgemeinen Haftungsbeschränkungen gesehen werden. Wenn sich die Beschränkung der Haftung auf das Kapital der Gesellschaft oder einen bestimmten Gesellschafterbeitrag nicht aus dem Gesellschaftsrecht selbst ergeben würde, könnten die Gesellschafter in jedem Vertrag mit den Gläubigern eine ____________ 9

Zu diesem Zusammenhang Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1496 ff. (1992). Vgl. auch Procaccia, ZGR 1990, 169 ff. 10 Vgl. hier etwa Easterbrook / Fischel, 89 Col. L. Rev. 1416 ff. (1989); Romano, 89 Col. L. Rev. 1599 ff. (1989); auch Procaccia, ZGR 1990, 169, insb. 191 ff. Kritisch Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1486 (1989); Kornhauser, 89 Col. L. Rev. 1449, 1451 (1989). 11 So auch Kübler, AG 1994, 141, 143; Fama / Jensen, 26 J. Law & Econ. 301, 302 (1983). 12 Easterbrook / Fischel, S. 16; ebenso Easterbrook / Fischel, 89 Col L. Rev. 1416, 1429 (1989). 13 Kübler, AG 1994, 141, 143. Fama / Jensen, 26 J. Law & Econ. 301, 302 (1983) sprechen hier von unwritten contracts.

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solche Beschränkung vereinbaren. Andererseits würde dann der Gläubiger sich wiederum absichern, daß auch tatsächlich seine Forderung erfüllt wird. Wenn zu dieser Absicherung nicht die persönliche Haftung der Gesellschafter dient, wird er bestimmte Anforderungen an die Kapitalisierung der Gesellschaft stellen. Er könnte etwa verlangen, daß als Dividende nur der Gewinn ausgeschüttet wird, das Kapital im übrigen aber seinem Zugriff erhalten bleibt. Alternativ würde er sich ein höheres Risiko durch einen höheren Preis (etwa bei einem Kredit durch höhere Zinsen) vergüten lassen14. Das Gesellschaftsrecht hat hier die Aufgabe, einen Standardvertrag (standard contract) bereit zu stellen15. Das Gesetz soll – nach diesem Verständnis – in erster Linie den Vertragsschluß erleichtern und unterstützen, im Grundsatz muß aber jeder Vertragspartner selbst seine Interessen wahren16. Zusammenfassend kann man also danach drei Funktionen des Gesellschaftsrechts festhalten: (1) Bei der Bereitstellung eines Standardvertrages durch das Gesellschaftsrecht steht zunächst die Vermeidung von Transaktionskosten im Vordergrund, wozu etwa die Informationskosten gehören (sog. agency costs). Es wäre zwar theoretisch möglich, in jeder einzelnen Beziehung solche Bedingungen, wie oben beschrieben, gesondert auszuhandeln. Dies wäre aber für die Parteien mit großem Aufwand verbunden. Sie müßten sich etwa die Informationen verschaffen, die nötig sind, um sich in die richtige Verhandlungsposition zu bringen. Aber auch durch die Verhandlungen selbst würden Kosten entstehen17. (2) Daneben berücksichtigt das Gesellschaftsrecht sog. externe Effekte18. Durch das Handeln der Gesellschaft werden nicht nur die Personen berührt, die an dem Abschluß der Verträge tatsächlich beteiligt sind bzw. beteiligt sein können. Beispielsweise können sich Gläubiger, deren Forderungen nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen, nicht durch entsprechende Zusatzvereinbarungen gegen das Insolvenzrisiko der Gesellschaft absichern19. (3) Schließlich kann auch der Schutz einer strukturell schwächeren Partei gesetzliche Regelungen erforderlich machen, die einen solchen Schutz gewähren. Ähnlich sind auch die Situationen zu bewerten, in denen zwar die Partei eventuell die Ver____________ 14

Vgl. zu diesen Überlegungen Posner, S. 292 ff. Posner, S. 294, der auch die enge Verbindung zwischen Gesellschaftsrecht und dem allgemeinen Vertragsrecht hervorhebt. 16 Vgl. auch Bebchuk, 89 Col. L. Rev. 1395, 1397 (1989). 17 Vgl. hierzu auch Kübler, AG 1994, 141, 143. 18 Dazu Kübler, AG 1994, 141, 144; Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1435, 1485 ff. (1992); kritisch aber Easterbrook / Fischel, S. 22 ff.; Easterbrook / Fischel, 89 Col L. Rev. 1416, 1436 ff. (1989). 19 Vgl. die Beispiele bei Kübler, AG 1994, 141, 144, der vor allem die Risiken aus gefährlichen Produkten oder solche auf dem Gebiet des Umweltschutzes anspricht. Zu diesem Problem auch Posner, S. 295. 15

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handlungsmacht hätte, eine Vereinbarung mit einem bestimmten Inhalt zu treffen, aber die Situation sich von vornherein nicht hinreichend konkretisieren läßt. Kübler20 nennt hier „Verteilungskonflikte zwischen Verwaltung und (Klein-)Aktionären sowie zwischen herrschender Mehrheit und Minderheitsaktionären“ als typische Konstellationen. Hier könne etwa das Gebot der Fairneß weder in Vertrag noch in Satzung sinnvoll geregelt werden. Dies sei aber auch nicht zwingend erforderlich, da Vereinbarungen, die der Fairneß und Gerechtigkeit grob widersprechen, von der Rechtsordnung keinen Schutz verdienen und von der Privatautonomie nicht gedeckt seien. Im einzelnen gehören in diesen Bereich etwa die Treuepflichten, die hinreichend flexibel auf die jeweils auftretenden Problemsituationen im Zusammenhang mit dem Gebot der Fairneß reagieren könnten. Über die Reichweite der Vertragsfreiheit im Gesellschaftsrecht herrscht in den USA Streit. Umstritten ist hier vor allem, ob das beschriebene Modell des nexus of contracts auch bei Publikumskapitalgesellschaften herangezogen werden kann. Der Grund für die Skepsis ist, daß hier die Verhandlungsposition einzelner Anleger sehr ungünstig sein kann und im Extremfall eine Verhandlung gänzlich ausgeschlossen ist21. Dem entgegnen Vertreter einer ökonomischen Vertragstheorie, daß eine tatsächliche Verhandlung keine Voraussetzung des Modells sei, da der Kapitalmarkt selbst für optimale Bedingungen sorge22. Diese Fragen können hier nicht abschließend entschieden werden und sind für die Behandlung der personalistischen Gesellschaften letztlich auch nicht von Bedeutung. Wenn man den Ansatz der Diskussion auf das deutsche Gesellschaftsrecht überträgt, gilt folgendes: Auch im deutschen Recht stellt grundsätzlich die Vertragsfreiheit den Ausgangspunkt des Gesellschaftsrechts dar. Bei den Personengesellschaften, aber auch bei der GmbH, geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Parteien selbst am besten ihre Interessen wahren können, daher sind die Regeln weitgehend dispositiv23. Nur im Aktienrecht ist dies anders. § 23 Abs. 5 AktG kehrt das eigentlich im Schuldrecht bestehende Verhältnis zwischen zwingendem und dispositivem Recht um. Für diese Satzungsstrenge lassen sich vor allem zwei Argumente anführen: Zum einen kann das hohe Maß an zwingenden Normen als Schutz für die Anleger angesehen werden. Diese haben, wenn sie Anteile an einer Gesellschaft erwerben, nicht die Möglichkeit, die für ____________ 20

Kübler, AG 1994, 141, 144. Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1471 (1989). 22 Vgl. etwa Winter, 89 Col. L. Rev. 1526, 1527 (1989). 23 Vgl. zum Zusammenhang von Vertragsfreiheit und Verfassungsrecht May, S. 20 ff. 21

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sie günstigen Bedingungen auszuhandeln. Dazu fehlt ihnen die richtige Verhandlungsposition. Überdies haben sie auch nicht die nötigen Informationen. Zum anderen erfordert auch der Handel von Anteilen am öffentlichen Kapitalmarkt eine gewisse Standardisierung24, dem § 23 Abs. 5 AktG ebenfalls dient. Ohne diese Standardisierung müßten die Anleger gegebenenfalls hohe Kosten auf sich nehmen, um die Bedingungen für das konkrete Wertpapier in Erfahrung zu bringen, das sie erwerben wollen. Daraus ergibt sich, daß die Satzungsstrenge des Aktienrechts durch die Funktion, die der Gesetzgeber für die Aktiengesellschaft vorgesehen hat, bestimmt ist25. Wenn man nun vom vorher beschriebenen Ansatz der Gesellschaft als nexus of contracts ausgeht, kann dies gewissermaßen zu einer „Umkehr der Beweislast“ für den Gesetzgeber führen. Kübler meint vor diesem Hintergrund, daß die „Intervention des Rechts in den Bereich privatautonomer Normsetzung … nicht der Regel-, sondern der Ausnahmefall [ist]; nicht die Abschaffung der zwingenden Vorschriften, sondern ihre Einführung oder Beibehaltung bedarf der Rechtfertigung“26. Die Differenzierung innerhalb des Gesellschaftsrechts nach materiellen Kriterien, vor allem anhand der Börsennotierung kann dazu führen, daß sich die Satzungsstrenge besser rechtfertigen läßt. Vor dem Hintergrund der Gesellschaft als nexus of contracts, würde auch im Aktienrecht die Vertragsfreiheit der Ausgangspunkt sein. Einschränkungen dieser Freiheit bedürfen einer Rechtfertigung. Die tatsächliche Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes kann hier zwingende Regeln rechtfertigen, da die Anleger selbst nicht in der Lage sind, ihre Interessen hinreichend wahrzunehmen. Ein Grund dafür kann etwa in Informationsdefiziten liegen27. Dies gilt aber nicht für personalistisch strukturierte Gesellschaften, in denen die Gesellschafter selbst ihre Interessen wahrnehmen können. Die Grenze zwischen beiden Gesellschaftstypen verläuft, wie oben anhand der Zahlen dargelegt, nicht an der Grenze der Rechtsformen. ____________ 24

Insofern kann man tatsächlich sagen, daß die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Preis ist, um sich „kostengünstig am Markt refinanzieren zu können“, wie dies Möllers, AG 1999, 433, 442 ausdrückt. 25 Ähnlich auch May, S. 64, der ausführt, der Gesetzgeber habe sich „bei der Ausgestaltung des § 23 Abs. 5 AktG erkennbar von dem idealtypischen Erscheinungsbild der Aktiengesellschaft als Publikums-AG leiten lassen“. Vgl. zur corporate freedom-debate im Bezug auf das deutsche Recht auch Procaccia, ZGR 1990, 169, 190 ff. 26 Kübler, AG 1994, 141, 144. 27 So auch Eisenberg, 89 Col. L. Rev. 1461, 1478 (1989). Kritisch aber Winter, 89 Col. L. Rev. 1526 (1989). Im übrigen könnte man auch darüber diskutieren, ob durch weitgehende Offenlegungsvorschriften nicht das Informationsdefizit beseitigt werden könnte, so daß der Schutz der Anleger nicht (nur) über zwingendes Recht erfolgen müßte.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Etwa drei Viertel der Aktiengesellschaften nimmt nicht den öffentlichen Kapitalmarkt in Anspruch, so daß hier eine Rechtfertigung für die weitgehende Satzungsstrenge nur in der Verwendung der Rechtsform selbst liegen könnte, die jedenfalls potentiell die Finanzierung am Markt ermöglicht. Vor dem Hintergrund der Gesellschaft als Vertragsgebilde, in dem der Grundsatz der Privatautonomie herrscht, läßt sich aber durchaus vertreten, daß die Verwendung der Rechtsform als einzige Rechtfertigung nicht ausreicht. Eine Differenzierung innerhalb der Aktiengesellschaft danach, ob tatsächlich eine Finanzierung über den öffentlichen Kapitalmarkt stattfindet, und eine damit verbundene Differenzierung hinsichtlich der Vertragsfreiheit, würde somit eher der angesprochenen Beweislastumkehr beim Verhältnis zwischen zwingendem und dispositivem Recht entsprechen. Ausgangspunkt wäre in jedem Fall die Privatautonomie, die nur aus den genannten Gründen bei Inanspruchnahme des Kapitalmarktes eingeschränkt wäre. Konsequenter Weise spricht dies dafür die Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG auf börsennotierte Gesellschaften zu beschränken.

III. Erleichterte Koordinierung zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Ein weiterer Vorteil des neuen Ansatzes ist im Zusammenhang mit dem – auch durch den gemeinschaftsrechtlichen Einfluß – wachsenden Kapitalmarktrecht zu sehen. Es wurde bereits im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt, daß in den vergangenen Jahren das Kapitalmarktrecht erheblich zugenommen hat. Dabei spielen im sich entwickelnden deutschen Kapitalmarktrecht Offenlegungspflichten eine bedeutende Rolle, etwa bei der Zulassung von Wertpapieren an der Börse, aber auch durch Veröffentlichungspflichten im laufenden Geschäft und im WpÜG im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen. Traditionell verfolgte Deutschland einen anderen Weg im Anlegerschutz. Anleger wurden nämlich durch gesellschaftsinterne Regelungen selbst geschützt, was auch die Rigidität und den „Perfektionismus“ des Aktienrechts begründet. Wenn nun das komplizierte Aktienrecht durch ein stetig wachsendes Kapitalmarktrecht überlagert wird, das zum Teil sicher durch das weit entwickelte US-amerikanische securities law beeinflußt ist – man denke etwa an die SEC einerseits und das durch das WpHG geschaffene Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (jetzt: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) andererseits –, kann es zwischen beiden Rechtsgebieten zu Friktionen kommen28. ____________ 28 Als Beispiel für solche Friktionen können die Meldepflichten nach §§ 21 ff. AktG einerseits und nach §§ 21 und 22 WpHG andererseits genannt werden. Zwar

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Gerade das US-amerikanische securities law hat sich, wie ausführlich dargelegt, als Reaktion auf ein flexibles Gesellschaftsrecht der Einzelstaaten entwickelt, das durch viel Spielraum in der Ausgestaltung der vertraglichen Bedingungen charakterisiert ist. Eben weil das Gesellschaftsrecht nur wenig Schutz für Anleger bereithielt und auch die Einzelstaaten nicht zum Aufbau eines höheren Schutzniveaus bereit waren, greift der Bund mit seinen kapitalmarktrechtlichen Regelungen ein. In Deutschland trifft nun Kapitalmarktrecht, das traditionell in den USA als Ausgleich zu laxem Gesellschaftsrecht gedacht war, auf ein äußerst komplexes Aktienrecht, das sich den Anlegerschutz selbst zu einem Ziel gesetzt hat. Wenn auf diese unterschiedliche Ausgangslage nicht reagiert wird, werden die rechtlichen Regelungen für die börsennotierten Gesellschaften übermäßig kompliziert, da auf beiden Ebenen – dem Gesellschaftsrecht und dem Kapitalmarktrecht – zum Teil die gleichen Zwecke mit unterschiedlichen Mitteln verfolgt werden29. Ein Gesellschaftsrecht, das nun dem neuen Ansatz entsprechend, auf die tatsächliche Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes abstellt, kann in viel besserer Weise auf das neu entstehende und wachsende Kapitalmarktrecht reagieren. Soweit es um Regeln geht, die nur für kapitalmarktferne Aktiengesellschaften gelten, müssen kapitalmarktrechtliche Regelungen nicht bedacht werden. Der Gesetzgeber kann seine Regelungen ganz an den Bedürfnissen einer (noch) personalistischen Gesellschaft orientieren, die lediglich gegebenenfalls für die Zukunft einen Börsengang plant. Für Gesellschaften, deren Anteile bereits jetzt an der Börse notiert sind, ermöglicht die Differenzierung ein genaueres Abstimmen der aktienrechtlichen Regeln auf die Normen des Kapitalmarktrechts. Ein Aktienrecht, das seine Vorschriften nach der Frage der tatsächlichen Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes differenziert, läßt sich somit leichter mit dem stetig wachsenden Kapitalmarktrecht harmonisieren, so daß Friktionen eher vermieden werden können. Im anderen Fall besteht die Gefahr, daß die Rechtsform der Aktiengesellschaft und vor allem der Börsengang, der eine bessere Eigenkapitalausstattung ermöglicht, durch ein traditionell hohes Regelungsniveau auf der Ebene des Gesellschaftsrecht und ein im Entstehen begriffenes hohes Regelungsniveau auf der Ebene des Kapitalmarktrechts, noch mehr an Attraktivität verliert. ____________ erfolgte im Dritten Finanzmarktförderungsgesetz eine Harmonisierung, die mit der Abgrenzung verbundenen Probleme sind aber nicht völlig gelöst. 29 Ähnlich Claussen, in: Reform, S. 297, 315, wenn auch mit etwas anderen Folgerungen.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

IV. Allgemeine Deregulierung Die Änderungen durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“, aber auch durch das KonTraG und TransPuG, waren nach dem Willen des Gesetzgebers durch den Gedanken der allgemeinen Deregulierung geprägt. Der Gesetzgeber wollte nicht nur für die kapitalmarktferne Aktiengesellschaft erleichterte Regelungen schaffen, sondern auch das Aktienrecht insgesamt deregulieren, das im Laufe der Geschichte äußerst kompliziert geworden ist. Diese allgemeine Deregulierung ebenso wie die Deregulierung speziell für die kleine Aktiengesellschaft muß aber auch vor dem Hintergrund des europäischen Wirtschaftsverkehrs gesehen werden, was hier nur angedeutet werden soll30. Diese führt nämlich dazu, daß das deutsche Aktienrecht „wettbewerbsfähiger“ wird. Es wurde bereits im Abschnitt über die historischen Hintergründe der Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den US-amerikanischen Einzelstaaten der Wettbewerb zwischen diesen Staaten angesprochen, der je nach Beurteilung durch die Rechtsprechung und Literatur zu einem race to the bottom oder einem race to the top geführt hat. Zu den genauen Voraussetzungen, die gegeben sein müßten, daß ein solcher Wettbewerb auch in Europa bevorstehen könnte, wird nachfolgend im europarechtlichen Ausblick eingegangen. An dieser Stelle genügt es zu erwähnen, daß für einen solchen Wettbewerb das deutsche Aktienrecht hinreichend „wettbewerbsfähig“ gemacht werden müßte. Das eben angesprochene Wachsen des Kapitalmarktrechts führt zu einer teilweisen Verlagerung anlegerschützender Vorschriften auf diese Ebene. Dies ermöglicht eine allgemeine Deregulierung des Aktienrechts und somit rechtliche Regelungen, die nicht nur innerhalb Deutschlands für die Unternehmer attraktiver sein werden, sondern auch ein Aktienrecht, das für einen Wettbewerb mit den Gesellschaftsrechten anderen europäischer Mitgliedstaaten oder überhaupt anderer Staaten besser vorbereitet ist.

B. Nachteile des vom Gesetzgeber verwendeten Ansatzes Bei den Nachteilen oder Bedenken, die gegen den vom Gesetzgeber im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ neu verwendeten Ansatz vorgebracht werden, sind zwei Arten von Argumenten zu unterscheiden: Zum einen werden gerade in der Literatur einige grundsätzliche Argumente gegen diese Zweiteilung des Aktienrechts und der damit einher____________ 30

Vgl. hier die Ausführungen im nachfolgenden § 14 A.

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gehenden Differenzierung aktienrechtlicher Regeln anhand materieller Kriterien, insbesondere aufgrund der Börsennotierung, diskutiert (unter I.). Daneben lassen sich aber auch Argumente anführen, die zwar den Ansatz an sich unberührt lassen, aber an der bisherigen konkreten Umsetzung im Aktienrecht anknüpfen (unter II.).

I. Grundsätzliche Argumente gegen den gesetzgeberischen Ansatz 1. Satzungsfreiheit zu Lasten Dritter Im Hintergrund des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ steht, wie erwähnt, die allgemeine Deregulierung des Aktienrechts und in besonderer Weise die Deregulierung für die börsenferne Aktiengesellschaft. Gerade die Erleichterungen für die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft wurden – in den vorangegangenen Abschnitten – damit begründet, daß hier die Bedürfnisse des Anlegerschutzes zwingendes Recht nicht erforderlich machen. Man könnte dieser Argumentation vorwerfen, daß diese Deregulierung zu einseitig auf den Schutz der Anleger ausgerichtet sei. Zwingendes Recht kann aber, wie auch im Zusammenhang mit der sog. corporate freedom-Debatte erwähnt, auch dazu dienen, Dritte vor externen Effekten gesellschaftsrechtlicher Regelungen zu schützen31. So hat auch Spindler die Frage aufgeworfen, ob nicht ein solcher Ansatz der allgemeinen Deregulierung des Aktienrechts „Satzungsfreiheit zu Lasten Dritter“32 gewähren würde. Dabei denkt er insbesondere an den Gläubigerschutz und den Schutz der Arbeitnehmer. Sicherlich ist es die Aufgabe gerade des Kapitalgesellschaftsrechts, dem Gläubigerschutz zu dienen. Traditionell verfolgen die Vorschriften über die Aufbringung und die Erhaltung des Stammkapitals eben diesen Zweck33. Dabei ist im Aktienrecht die Summe des Eigenkapitals höher als im GmbH-Recht. Ebenso besteht eine strengere Bindung des Kapitals, wenn es einmal der Gesellschaft zur Verfügung steht. Auf beide Aspekte wurde im Zusammenhang ____________ 31

Vgl. dazu oben unter A. II. Spindler, AG 1998, 53, 71. 33 Daneben dient das Erfordernis eines Mindestkapitals auch dem Anlegerschutz. Neben verschiedenen anderen Risiken ist das Risiko der Substanzerhaltung ein Anlegerrisiko. Diesem wird durch die Bestimmungen über Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals entgegengewirkt, vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 44. 32

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

mit der Gegenüberstellung des Regelungsgefüges für GmbH und Aktiengesellschaft in § 5 hingewiesen. Auch andere gesellschaftsrechtliche Regelungen haben den Gläubigerschutz zumindest als Nebenzweck. Gleichwohl ist es aus zwei Gründen nicht schlüssig, Deregulierung im Aktienrecht mit dem Hinweis auf den notwendigen Gläubigerschutz generell abzulehnen: Zunächst läßt sich festhalten, daß zwischen dem Aktienrecht und dem GmbH-Recht auch in diesem Bereich ein unterschiedliches Schutzniveau besteht34. Eine Deregulierung des Aktienrechts, die nicht weiter geht als Regelungen des GmbHG kann jedoch kaum mit einem Hinweis auf die Bedürfnisse des Gläubigerschutzes per se abgelehnt werden. Diese Bedürfnisse bestehen in gleicher Weise auch im Recht der GmbH. Zwar ergibt sich bei der aktuellen Rechtslage für die Gläubiger einer Aktiengesellschaft mehr Schutz als für diejenigen einer GmbH. Dieses höhere Maß an Gläubigerschutz ist aber nicht zwingend für alle Zeiten festgeschrieben. Des weiteren ist zu bedenken, daß es neben dem Gesellschaftsrecht auch andere Mechanismen zum Schutz der Gläubiger gibt, die zusätzlich zu berücksichtigen sind. Gerade der Blick auf das Recht der USA zeigt, daß ein bestimmtes Grundkapital verbunden mit Regeln zur Aufbringung und Erhaltung dieses Kapitals keineswegs unverzichtbar ist. Dort hat das Stammkapital im Laufe der Geschichte seine Funktion immer mehr eingebüßt. Heute fordern viele US-amerikanische Einzelstaaten nur mehr ein symbolisches Stammkapital35. Spindler weist darauf hin, daß es in der Folge in der US-amerikanischen Literatur Stimmen gibt, welche die Idee des Gläubigerschutzes durch Maßnahmen zur Sicherung des Kapitals als „perverse amusement“36 ansehen. Auch mit Blick auf das deutsche Recht fällt zumindest auf, daß die Mindestbeträge für das Stammkapital einer GmbH und für das Grundkapital einer Aktiengesellschaft seit langem37 nicht mehr erhöht wurden. Es läßt sich durchaus die Frage stellen, ob ein Grundkapital von nur € 50.000 oder gar ein Stammkapital von lediglich € 25.000 tatsächlich noch wesentlich zum Schutz der Gläubiger beitragen kann. Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter ____________ 34 Siehe dazu schon oben etwa unter § 5 A. II. 1. a) und b) zum Gründungsrecht und unter § 5 B. II. 1. a) zur Finanzverfassung. 35 Vgl. Spindler, AG 1998, 53, 71. Auch Merkt, Rdnr. 135. 36 So Black / Kraakman, 109 Harv. L. Rev. 1911, 1931 Fußn. 42 (1996). Spindler, AG 1998, 53, 71. 37 Im Aktienrecht wurde durch das AktG 1937 der Mindestnennbetrag auf 500.000 Reichsmark erhöht. Mit der Währungsumstellung von Reichsmark auf DM nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Mindestnennbetrag auf 100.000 DM festgesetzt, der Betrag, der noch heute geltendes Recht ist, vgl. etwa Brändel, in: Großkomm. AktG § 7 Rdnr. 2 f.

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haben darauf hingewiesen, daß die aktuellen Mindestbeträge schon „inflationsbedingt längst nicht mehr den Intentionen des Gesetzgebers“38 entsprechen. Daher fordern sie in ihrem Drei-Stufen-Modell eine Anhebung des Grundkapitals jedenfalls für die zweite Stufe, also die „Offene Aktiengesellschaft“, auf 500.000 DM und die dritte Stufe, die große Aktiengesellschaft, auf 2,5 Mio. DM. Dem ist der Gesetzgeber, wie erwähnt, nicht gefolgt. Dies könnte durchaus als Reaktion auf die Diskussionen über die Funktion des Grundkapitals insgesamt39 gesehen werden. Zu bedenken ist, daß sich vertragliche Gläubiger bei geringer Kapitalausstattung auch anders schützen können, etwa dadurch, daß sie weitere persönliche oder dingliche Sicherungen für ihre Forderungen verlangen. Daneben läßt sich Gläubigerschutz auch mit den Mitteln anderer Rechtsgebiete erreichen. Gläubiger, deren Forderungen aus dem Deliktsrecht resultieren, können durch Modifikationen eben dieses geschützt werden40. Daneben kann auch eine Pflicht zur Versicherung bestimmter Risiken gerade im deliktischen Bereich indirekt dem Gläubigerschutz dienen. Schließlich ist zu bedenken, daß es im Gläubigerschutz immer auch darum geht, was im sog. worst case passiert, also bei Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz einer Gesellschaft. Hier kann zusätzlich ein entsprechend ausgestaltetes Insolvenzrecht41 dazu führen, daß rechtsformspezifische Gläubigerschutzmechanismen einer jedenfalls teilweisen Deregulierung zugänglich sind. Die zweite Gruppe außenstehender Personen, deren Schutz zwingendes Gesellschaftsrecht nötig machen kann, sind die Arbeitnehmer. Die Interessen der Arbeitnehmer werden im deutschen Gesellschaftsrecht vor allem durch die Unternehmensmitbestimmung gewahrt. Änderungen des Aktienrechts, die etwa den Aufsichtsrat als solchen dispositiv werden lassen, würden damit auch die Arbeitnehmermitbestimmung beeinträchtigen, da sich diese im Aufsichtsrat verwirklicht. Ähnliche Bedenken könnten bestehen, wenn Aufgaben des Aufsichtsrats etwa auf die Hauptversammlung verlagert werden oder wenn Aufgaben, die bisher dem Vorstand zustehen, bei denen aber eine Beteiligung des Aufsichtsrats vorgeschrieben ist, auf die Hauptversammlung übertragen werden.

____________ 38

Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 44. Vgl. etwa Spindler, AG 1998, 53, 71. Dazu auch Schneider, AG 1998, 373 ff.; Lutter, AG 1998, 375 ff.; Niederleithinger, AG 1998, 377 ff.; Schuster, AG 1998, 379 ff. 40 So Spindler, AG 1998, 53, 71. 41 Darauf weist auch Spindler, AG 1998, 53, 71 hin. 39

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Allerdings lassen sich auch hier wiederum zwei Argumente dagegen vorbringen, daß Arbeitnehmerinteressen einer Deregulierung des Aktienrechts zwingend entgegenstehen: Zum einen ist die Wahrung von Arbeitnehmerinteressen keine Frage der Rechtsform. Vielmehr ist hier die Struktur des Unternehmens und die Anzahl der Arbeitnehmer von Bedeutung, so daß es keinen zwingenden Grund gibt, von der Rechtsform einer bestimmten Kapitalgesellschaft auf ein bestimmtes Maß an Mitbestimmung zu schließen. Wenn man davon ausgeht, daß die Mitbestimmung mit dem Grad der Anonymität der Verwaltung zusammenhängt, bzw. damit wie weit die Gesellschaft vom personalisierten Führungsstil der Personengesellschaften entfernt ist42, könnte man lediglich dann bei der Aktiengesellschaft auf ein Mehr an Mitbestimmung schließen, wenn man sich nur an dem Leitbild der Aktiengesellschaft nach der Reform 1965 orientiert. Wenn die Aktiengesellschaft auf dieses Leitbild als Publikumsgesellschaft mit weit gestreutem Gesellschafterkreis reduziert wird, würde dies in jedem Fall die Mitbestimmung rechtfertigen, da diese Gesellschaftsform dann immer erheblich vom Führungsstil einer Personengesellschaft entfernt ist. Dies widerspricht aber den tatsächlichen Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft. Auch hat der Gesetzgeber in der Reform 1994 selbst nicht mehr unbedingt an diesem Leitbild festgehalten. Durch die Einführung einer Differenzierung anhand materieller Kriterien wird von ihm selbst zwischen der großen Aktiengesellschaft und der personalistischen „Kleinen AG“ unterschieden. Konsequenterweise hat er die Mitbestimmungsregeln für die Aktiengesellschaft denen der GmbH angepaßt, so daß bei neu gegründeten Gesellschaften eine Mitbestimmung erst ab 500 Arbeitnehmern eingreift, unabhängig von der Rechtsform. Die Mitbestimmung an sich stünde damit einer Deregulierung des Aktienrechts nicht grundsätzlich im Wege. Auch hier wird man argumentieren können, daß, solange der Standard der GmbH nicht unterschritten ist, die Interessen der Arbeitnehmer nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sind. Überdies könnte man wiederum eine Wahrung der Arbeitnehmerinteressen außerhalb des Gesellschaftsrechts diskutieren. Spindler verweist auf die Regelungen zum Europäischen Betriebsrat, die ausnehmend flexibel sind, und für das deutsche Recht fruchtbar gemacht werden könnten43. Mitbestimmungsregelungen können hier durch Vereinbarungen erreicht werden, zum Beispiel durch die „Ausdehnung der §§ 106 ff. BetrVG im Sinne einer unternehmerischen Mitbestimmung oder

____________ 42

So schon oben im Zusammenhang mit den Fragen der Mitbestimmung, vgl. § 5 B. I. 1. a) aa). 43 Spindler, AG 1998, 53, 72.

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durch die Zulassung freiwilliger, unternehmensbezogener Mitbestimmungsregeln“44. Zusammenfassend läßt sich also zum Vorwurf, daß die Rechte Dritter, etwa der Gläubiger oder der Arbeitnehmer, einer Deregulierung im Aktienrecht entgegenstehen, folgendes vorbringen: Zwar wird nach der aktuellen Gesetzeslage auf die Interessen beider Gruppen im Aktienrecht in höherem Maße Rücksicht genommen, als dies im Recht der GmbH der Fall ist. Jedoch rechtfertigt die Rechtsform der Aktiengesellschaft selbst nicht das Erfordernis eines höheren Schutzes als er bei der GmbH besteht. Deregulierungen des Aktienrechts, die nicht unter das Maß der GmbH gehen, können nicht zwingende Erfordernisse des Schutzes Dritter entgegengehalten werden. Zudem sollte man sich sowohl im Gläubigerschutz als auch im Bereich der Arbeitnehmerinteressen über Lösungen außerhalb des Gesellschaftsrechts Gedanken machen, die gegebenenfalls anhand anderer Kriterien abgestuft sind als nach der Rechtsform. Dadurch könnte eine einseitige rechtsformspezifische Benachteiligung der Aktiengesellschaft, die nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt ist, vermieden werden, ohne daß der Schutz der Gläubiger oder der Arbeitnehmer insgesamt darunter leiden müßte. Zudem hätte diese Methode auch den Vorteil, daß sie auch auf ausländische Gesellschaften Anwendung finden würde, unabhängig von der Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts45.

2. Notwendigkeit einer „Kleinen AG“ als weitere Rechtsform neben der GmbH Es wurden im Länderbericht zum deutschen Recht die neu eingeführten Bestimmungen für die „Kleine AG“ sowohl mit denen der klassischen Aktiengesellschaft als auch mit den Regelungen des GmbHG in Beziehung gesetzt. Daraus ergab sich, daß zum jetzigen Zeitpunkt die Vereinfachungen für die „Kleine AG“ nicht sonderlich weit gehen, so daß man sich die Frage stellen muß, ob aufgrund der erreichten Erleichterungen überhaupt von einer eigenen Gesellschaftsform der „Kleinen AG“ gesprochen werden kann. An dieser Stelle geht es um eine Bewertung des vom Gesetzgeber gewählten grundsätzlichen Ansatzes, der zu einer Differenzierung anhand materieller Kriterien, vor allem der Börsennotierung, innerhalb des Aktienrechts führt. Bei einer kleinen Aktiengesellschaft, die sich selbst nicht des öffentlichen Kapitalmarktes bedient, erlaubt das Fehlen von Anlegerschutzaspekten im Grundsatz ____________ 44 45

Spindler, AG 1998, 53, 72. Vgl. dazu unter § 14.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

eine weitgehende Deregulierung der rechtlichen Regelung, die bis hin zu einer Angleichung an die Vorschriften für die GmbH gehen könnten. Die Tatsache, daß auch die „Kleine AG“ kraft Rechtsform die abstrakte Möglichkeit des Kapitalmarktzugangs hat, rechtfertigt noch kein höheres Schutzniveau46. Dieser Gedanke einer Angleichung an die Regelung der GmbH zu Ende gedacht, kann zu der Kritik führen, daß für eine Aktiengesellschaft, die der GmbH weit angenähert ist, kein Raum und keine Notwendigkeit besteht47. Der einzige Unterschied läge noch darin, daß bei der Aktiengesellschaft die angesprochene Möglichkeit des Kapitalmarktzugangs bestünde, wogegen eine GmbH vor einem Börsengang erst in eine Aktiengesellschaft formgewechselt werden müßte. Die Unternehmer brauchen aber nur eine Kapitalgesellschaftsform für personalistische Gesellschaften. Ein Nebeneinander zwischen GmbH und „Kleiner AG“ führe dann nur zu einer weiteren unnötigen Verkomplizierung des deutschen Gesellschaftsrechts. Zudem bestünde die Gefahr, daß entweder eine „Kleine AG“ vom Markt nicht angenommen würde, und somit überflüssig wäre, oder daß sie die Rechtsform der GmbH, die sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreut, verdrängen könnte48. Man könnte also die Frage stellen, ob man eine „Kleine AG“ als börsenferne Gesellschaft neben der GmbH überhaupt benötigt und welche Unterscheidungs____________ 46

Zukünftigen Kapitalanleger werden im Rahmen eines Börsengangs durch die weitreichenden Prospektpflichten geschützt. Im übrigen müßte die Gesellschaft, falls tatsächlich vermehrt Vorschriften an die Börsennotierung anknüpfen würden, ihre Satzungsbestimmungen entsprechend anpassen. Auch die Gesellschafter einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft, die nun an die Börse gehen soll, bedürfen keines erhöhten Schutzes. Bei einem Börsengang wird häufig eine Kapitalerhöhung erforderlich sein, wenn neue Aktien zugelassen werden sollen. Damit ist aber ohnehin ein Beschluß der Hauptversammlung notwendig. Auch ohne eine Kapitalerhöhung, wenn nur Aktien von Altaktionären an der Börse zugelassen werden, fordert die h.M. einen Hauptversammlungsbeschluß, vgl. dazu nur Marsch-Barner, in: Handbuch börsennotierte AG, § 31 Rdnr. 37 m.w.N. Die Gesellschafter können sich noch weiter durch eine Vereinbarung von höheren Mehrheiten in der Satzung oder in gesonderten Gesellschaftervereinbarungen schützen. 47 So bietet etwa Japan den kleinen und mittleren Unternehmen zwei verschiedene Gesellschaftsformen an. Dabei steht neben einer der GmbH vergleichbaren Gesellschaft auch eine personalistisch geprägte Aktiengesellschaft. Karjala, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 119, 137, kritisiert diesen japanischen Rechtsformdualismus und sieht als einzige Erklärung eines Nebeneinanders von GmbH und personalistischen Aktiengesellschaft eine „langjährige Tradition und die praktische Schwierigkeit, dies nun noch zu ändern“. 48 So sieht etwa Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 21 durchaus die Gefahr, daß die „Kleine AG“ zu Lasten der GmbH attraktiver werden würde. Er gibt aber auch zu bedenken, daß bei der aktuellen zahlenmäßigen Verteilung sicher mit keiner Gefährdung der GmbH zu rechnen wäre. Ähnlich Hommelhoff, AG 1995, 529, 537.

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kriterien beider Rechtsformen auch nach einer weiteren Deregulierungen erhalten bleiben. Die erste Frage muß indes anders gestellt werden. Von der Notwendigkeit einer weiteren Gesellschaftsform muß nämlich deren Nützlichkeit unterschieden werden49. Von einer solchen Nützlichkeit der „Kleinen AG“ ist aber auszugehen. Es wurde bereits erwähnt, daß es zahlreichen Unternehmen schwerfällt, von der GmbH, die ein hohes Maß an Freiheit bedeutet, sofort in die klassische Aktiengesellschaft zu wechseln, deren Vorschriften von den Bedürfnissen der Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes geprägt sind. Die „Kleine AG“ könnte als Zwischenform zwischen der GmbH und der klassischen Aktiengesellschaft angesehen werden, die zwar in einigen Bereichen noch einen Teil der Flexibilität der GmbH bewahrt, in anderen Bereichen aber schon den Vorschriften der klassischen Aktiengesellschaft angenähert ist50. Sie würde dann ihre Aufgabe in der „Vorlaufzeit“ als „noch nicht“ am Kapitalmarkt orientierte Kapitalgesellschaft finden und den „Transformationsprozeß des Überschreitens der Kapitalmarktschwelle ins Auge fassen“51. Die Frage nach der Notwendigkeit des Nebeneinanders von GmbH und „Kleiner AG“ kann somit nur dann zu Recht gestellt werden, wenn man die Abschaffung des deutschen Rechtsformendualismus überhaupt zur Diskussion stellt. Hommelhoff52 etwa sieht in verschiedenen Ansätzen der Gesetzgebung einen gewissen Trend zur Einheitskapitalgesellschaft. Als Beispiele nennt er etwa das Mitbestimmungsrecht, das die mitbestimmte GmbH hinsichtlich der ____________ 49

Zu diesem Topos im Zusammenhang von GmbH und „Kleiner AG“ auch Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 19. 50 Der Einwand Claussens, AG 1995, 163, 171, daß eine solche Übergangsform nicht nötig ist, ist jedenfalls nicht zwingend. Insbesondere führt wohl der Einwand, daß „in den USA … der Übergang von der closed corporation auf die an der NASDAQ notierte public corporation in drei Monaten möglich“ ist, nicht weiter. Es wird zwar nicht deutlich, was Claussen mit der closed corporation meint. Anzumerken ist aber, daß die USA vom System der Einheitsgesellschaft ausgeht. Wenn eine Gesellschaft nicht als statutory close corporation organisiert ist, sind vom Gesellschaftsrecht her für einen Börsengang kaum Änderungen nötig; die Gesellschaft muß dann lediglich die Anforderungen des Kapitalmarktrechts erfüllen. Diese Situation ist nicht vergleichbar mit dem deutschen Rechtformdualismus von Aktiengesellschaft und GmbH, bei dem eine Gesellschaft, die an die Börse möchte und zuvor eine GmbH war, sich sowohl auf das sehr komplizierte Aktienrecht einstellen muß, als auch die zusätzlichen Anforderungen erfüllen, die eine Börsennotierung mit sich bringt. 51 Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 20. Ähnlich Hommelhoff, AG 1995, 529, 532 f., der hier von einem „Modell der zwei Schritte“ spricht. 52 Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 50.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

Organisationsprinzipien an die Aktiengesellschaft angepaßt hat53. Noch evidenter wird dies im Hinblick auf das Bilanzrichtlinien-Gesetz. Dieses hat jedenfalls für die Rechnungslegung die Rechtsformunterschiede aufgegeben. Zum einen war diese Aufgabe in der EG-Richtlinie angelegt, zum anderen hat aber auch der deutsche Gesetzgeber durch die Begünstigung der kleinen und mittleren Aktiengesellschaft dieser Entwicklung weiteren Vorschub geleistet, ohne daß er dazu europarechtlich verpflichtet gewesen wäre. Hommelhoff bewertet dies kritisch und sieht in dem Trend eine „Fehlentwicklung“54. Roth dagegen ist der Ansicht, daß die eigentliche Trennlinie im Gesellschaftsrecht zwischen der Kapitalmarktgesellschaft und der nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaft verläuft55. Nur bei dieser Differenzierung bestehen für den ersten Typ einer Gesellschaft besondere Interessen, deren Schutz bestimmte zwingende Vorschriften notwendig macht. Unterhalb der Schwelle des Kapitalmarktrechts sieht er vom theoretischen Konzept gesehen keine Notwendigkeit für einen Rechtsformdualismus und hält ein Einheitsrecht für ausreichend56. Auf Deutschland bezogen, kann dies aber nicht den Umsturz aller bisherigen Entwicklungen bedeuten, wie auch Roth eingesteht57. Der historisch gewachsene Dualismus des Kapitalgesellschaftsrechts ist eine Gegebenheit, die den Ausgangspunkt bilden muß. Es gilt hier nur die als wesentlich erkannte Unterscheidung zwischen kapitalmarktnaher und kapitalmarktferner Gesellschaft weiter zu führen. Eben dies ist die Zielsetzung für die „Kleine AG“. Neben der Frage nach Notwendigkeit oder Nützlichkeit der „Kleinen AG“ muß der Gesetzgeber bei weiteren Deregulierungen langfristig tatsächlich die Unterscheidbarkeit von GmbH und „Kleiner AG“ bedenken. Ein wesentliches Charakteristikum der Aktiengesellschaft wird die höhere Fungibilität der Anteile der Aktiengesellschaft bleiben müssen. Diese ist unentbehrlich für die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, den öffentlichen Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen. Zwar ist denkbar, daß Gesellschafter personalistischer Aktiengesellschaften von sich aus etwa durch eine Vinkulierung der Anteile eine Einschränkung dieser Übertragbarkeit vornehmen. Der Gesetzgeber sollte aber diese Unterscheidung zwischen Aktiengesellschaft und GmbH beibehalten. Das diese Unterscheidung nicht zwingend ist, zeigen die Überlegungen im Vorfeld des „Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Akti____________ 53 54 55 56 57

Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 51. Hommelhoff, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 50. Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 23. Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 23. Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 24.

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enrechts“ im Zusammenhang mit einer möglichen Börsenzulassung der GmbH, die auf eine Abschaffung der Notwendigkeit der notariellen Form der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen hinausliefen58. Daneben sollte als Wesensunterschied beider Gesellschaften die unterschiedliche Organstruktur beibehalten werden. Solange der Gesetzgeber bei der börsennotierten Aktiengesellschaft weiterhin das Aufsichtsratsmodell dem anglo-amerikanischen board-Modell vorzieht, sollte dieser Unterschied auch bei der „Kleinen AG“ erhalten bleiben. Zwar hat der Aufsichtsrat im deutschen Recht auch die Aufgabe, dem Anlegerschutz zu dienen, was bei einer personalistischen Aktiengesellschaft nicht notwendig wäre. Die Hauptversammlung wäre hier gegebenenfalls selbst in der Lage die Tätigkeit des Vorstands zu überwachen. Diese Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat stellt – trotz der Diskussionen um diesen – zusätzlich eine „Seriositätsgewähr“59 dar. Eine Abschaffung des Aufsichtsrats könnte hier einen Einbruch des Vertrauens in diese Rechtsform zur Folge haben. Zudem könnte die „Kleine AG“ ihrer Funktion als Übergangsform wohl dann nicht mehr nachkommen, wenn sie von der Notwendigkeit eines Aufsichtsrats, der zur Grundstruktur der aktienrechtlichen Verfassung gehört60, abweichen würde. Ähnlich ist die Unabhängigkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft und das damit verbundene fehlende Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber dem geschäftsführenden Organ zu beurteilen. Für eine börsennotierte Gesellschaft hatte diese Weisungsunabhängigkeit durchaus eine wesentliche Funktion, da sonst ein Mehrheitsgesellschafter einseitig seine Interessen gegen diejenigen des kapitalanlegenden Publikums durchsetzen könnte. Nachdem dies für die Gesellschafter im Gegensatz zum GmbH-Recht eine erhebliche Umgewöhnung darstellt, ist es angezeigt, diese Unabhängigkeit in der „Kleinen AG“ als Wesensmerkmal beizubehalten. Der Einfluß der Gesellschafter etwa durch die Möglichkeit der Abberufung des Vorstands ist ohnehin in einer Gesellschaft mit nur wenigen Gesellschaftern ein ganz anderer als bei einer Publikumsgesellschaft61. Nach der hier vertretenen Auffassung ist somit nicht davon auszugehen, daß die Konkurrenz der „Kleinen AG“ zur GmbH grundsätzlich gegen die „Kleine AG“ und damit gegen den vom Gesetzgeber gewählten Ansatz spricht. Bei ____________ 58 Siehe bereits oben. Im übrigen Roth, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch , S. 17. 59 Hommelhoff, AG 1995, 529, 536. 60 Ähnlich Hommelhoff, AG 1995, 529, 536 und Chmielewicz, in: FS Potthoff, S. 164, 172. 61 Vgl. auch Chmielewicz, in: FS Potthoff, S. 164, 173.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

künftigen Deregulierungen muß aber das Verhältnis zwischen beiden Gesellschaftsformen im Auge behalten werden. Zudem ist es nötig, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Aktiengesellschaft und GmbH festzulegen, die auch nach fortgeführten Vereinfachungen des Aktienrechts im Sinne des neuen Ansatzes als Wesensunterschied zwischen GmbH und „Kleiner AG“ erhalten bleiben sollten.

3. Typik des Gesellschaftsrechts Der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz wird, in erster Linie von Claussen62, aus systematischen Gründen kritisiert. Der Gesetzgeber differenziert zwischen der kapitalmarktfernen Aktiengesellschaft einerseits und der börsennotierten Aktiengesellschaft andererseits. Zu letzterer gehörten nach § 3 Abs. 2 AktG in der Fassung des EG-Einlagensicherungsgesetzes auch diejenigen Gesellschaften, deren Anteile im Marktsegment des Neuen Marktes gehandelt werden. Durch die erleichterten Vorschriften will der Gesetzgeber die Aktiengesellschaft als Rechtsform fördern und dadurch den Unternehmern den Wechsel in die Aktiengesellschaft als solche erleichtern. Nachdem die Erleichterungen jedoch nur den kapitalmarktfernen Gesellschaften zugunsten kommt, wird dadurch in der Praxis vom Gesetzgeber die Nichtbörsen-AG gefördert. Dagegen spricht sich Claussen63 aus. Seiner Ansicht nach bedarf die „kleine Börsen-AG“ der gesetzgeberischen Förderung. Damit meint er diejenigen Gesellschaften, deren Anteile am Neuen Markt notiert sind. Die Förderung der kapitalmarktfernen Aktiengesellschaft lehnt er dagegen ab, da „sie eine rechtsformatypische, dem Leitbild der AG widersprechende Gestaltung … [ist] und deshalb beiseite stehen“64 soll. Claussen geht hier vom mehrfach erwähnten Leitbild der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft mit einem weit gestreuten Anlegerkreis aus, wie es der Gesetzgeber insbesondere im AktG 1965 entwickelt hat. Seinem Argument vom „Widerspruch zum Leitbild der Aktiengesellschaft“ ist aber entgegenzutreten. Die Aktiengesellschaft entsprach rechtstatsächlich schon seit langem nicht diesem Idealbild des AktG 1965. Der Blick auf die in der Einleitung der Arbeit (§ 1 A.) angesprochenen statistischen Daten65 über die ____________ 62

Claussen, DB 1998, 177, 178, auch Claussen, AG 1995, 163, 172; Claussen, in: Reform, S. 297, 311 f. und Claussen, AG 1996, 481, 493. 63 Claussen, DB 1998, 177, 178; Claussen, AG 1996, 481, 493. 64 Claussen, DB 1998, 177, 178. Ähnlich Claussen, in: Reform, S. 297, 312. 65 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 295, Tabelle 1.

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Verbreitung der Aktiengesellschaft insgesamt und der börsennotierten Aktiengesellschaft im besonderen zeigt, daß in den 50er Jahren der Anteil der börsennotierten Aktiengesellschaften lediglich bei einem Viertel lag und bis zum Jahre 1990 sogar auf ein Fünftel absank. Damit widersprechen seit Jahren die rechtstatsächlichen Gegebenheiten und damit ein Großteil der deutschen Aktiengesellschaften dem vom Gesetzgeber aufgestellten Leitbild. Es gibt keinen Grund, warum der Gesetzgeber nicht dieses „Leitbild“ verändern kann66 und an dessen Stelle – den Anforderungen des Anlegerschutzes entsprechend – zwischen der großen Aktiengesellschaft, die börsennotiert ist und der Idee der Rechtsform im AktG 1965 entspricht, und der „Kleinen AG“, die sich nicht des öffentlichen Kapitalmarktes bedient, differenzieren könnte. Der Gesetzgeber könnte an einer solchen Änderung oder Angleichung eines gesetzlichen Leitbildes an die Rechtstatsachen, die einem instrumentalen Verständnis des Rechts67 entsprechen würde, nur dann gehindert sein, wenn diese Veränderung dem „Typus der Aktiengesellschaft“ widersprechen würde. Zusätzlich müßte man im Typusbegriff eine Schranke auch gesetzgeberischer Tätigkeit sehen. Diese „institutionelle Betrachtungsweise“68 des Rechts würde bedeuten, daß der Gesetzgeber selbst an die von ihm „gesetzten Ordnungsstrukturen im Gesellschaftsrecht gebunden ist und er dieses Rechtsgebiet nur systemkonform entwickeln darf“69. Die Typuslehre wurde in der Diskussion, um die Bewertung der neuen gesetzgeberischen Konzeption, kaum herangezogen, um daraus eine Kritik abzuleiten, wenn man nicht den erwähnten Einwand Claussens über die Systemwidrigkeit der börsenfernen Aktiengesellschaft als einen derartigen Einwand ansehen möchte70. Im Kontext des Typusbegriffes hat sich Reuter im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Handels von GmbH-Anteilen an der Börse geäußert. Er lehnt ____________ 66 Anders Claussen, AG 1996, 481, 494, welcher der Ansicht ist, daß das ursprüngliche Konzept der Aktiengesellschaft auch „demokratisches Gedankengut reflektiert“, da sich jeder Bürger an jeder Aktiengesellschaft durch Anteilserwerb beteiligen kann. 67 Vgl. hier nur Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 221 Fußn. 24 mit zahlreichen Nachweisen zum „instrumentalen Rechtsverständnis“. 68 Hier geht es darum, daß sich die Rechtsordnung nicht an Wirklichkeiten anpaßt, sondern vielmehr, daß die Rechtsordnung das wirtschaftliche Leben prägt. Vgl. auch hier Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 221 Fußn. 25 wiederum mit zahlreichen Nachweisen, der auch auf die traditionelle Begründung des institutionellen Rechtsdenkens bei Savigny und Windscheid hinweist. 69 So Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 219. 70 Dafür spricht auch die Aussage von Claussen, AG 1995, 163, 171.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

diese Gestaltung ab und möchte nicht das wirtschaftlich relevante Recht „nur dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte“ anpassen71. Vielmehr bekennt er sich zu einem institutionellen Verständnis des Gesellschaftsrechts und fordert, daß die jeweiligen vom Gesetzgeber entwickelten Modelle systemverträglich sind, also das Ordnungssystem fördern72. Daneben haben sich vor allem Großfeld und Lenfers zum Typusbegriff, jedoch im Zusammenhang mit dem Bilanzrichtliniengesetz, geäußert73. Sie kritisieren die weitgehende Gleichbehandlung der GmbH und Aktiengesellschaft im Bilanzrecht. Die von ihnen dargestellten strukturellen Unterschiede, die vor allem in den Bereichen der Übertragbarkeit der Anteile, der unterschiedlichen emotionalen Bindung der Mitglieder an die Gesellschaft, der Gesellschafterrechte, des Verhältnisses von dispositivem und zwingendem Recht und der Gründungskontrolle gesehen werden, führen zu einer wesentlichen „andersartigen Typik“74 beider Gesellschaftsformen. Eine Mißachtung der Typenunterschiede hätte in der Geschichte bisher immer zu Mißerfolgen geführt75, daher sprechen sie sich für einen „Institutionenschutz“ aus, der für sie „Freiheitsschutz“ bedeutet und plädieren eindringlich für Typenklarheit und Typenwahrheit76. Claussen selbst, der im Zusammenhang mit der „Kleinen AG“ von der Systemwidrigkeit dieser Rechtsform spricht, hat gegenüber Reuter sowie Großfeld und Lenfers überzeugend ausgeführt, daß die Typik den Gesetzgeber letztlich nicht binden kann. Die Typik ebenso wie das institutionelle Rechtsdenken führt zu einem einseitigen Beharren auf historisch gewachsenen Strukturen und schränkt damit die Privatautonomie des einzelnen um der Übereinstimmung mit dem bestehenden Ordnungsgefüge willen ein. In der durch das Grundgesetz geprägten Wirtschaftsordnung sind aber im Gegenteil die normativen Vorgaben an den individuellen Grundfreiheiten des einzelnen auszurichten77. Eines der wesentlichsten Grundrechte in diesem Zusammenhang ist die Privatautonomie als Ausfluß der Handlungsfreiheit. Der Gesetzgeber sei somit entsprechend der grundgesetzlichen Ordnung lediglich an die Grundrechte gebunden und müsse auch im Gesellschaftsrecht seinen sich aus diesen ergebenen Schutzpflichten ____________ 71

Reuter, in: FS Stimpel, S. 645, 650. Vgl. Reuter, in: FS Stimpel, S. 645, 651. Zu diesem Ansatz Reuters auch Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 220 und K .Schmidt, JZ 1984, 771, 780. 73 Großfeld / Lenfers, DB 1988, 2009. 74 Großfeld / Lenfers, DB 1988, 2009, 2011. 75 Großfeld / Lenfers, DB 1988, 2009, 2011. Sie nennen hier u.a. § 54 BGB aus dem Recht des nicht rechtsfähigen Vereins und das Recht der Publikumskommanditgesellschaft als Beispiel. 76 Großfeld / Lenfers, DB 1988, 2009, 2013. 77 So auch Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 222, der von der Wirtschaftsordnung der ordo-liberalen Schule spricht. 72

§ 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes

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genügen. Der Einwand eine Deregulierung sei systemwidrig könne nicht durchgreifen, wenn es um die Einführung eines neuen systematischen Begriffes geht. Typengerechtigkeit sei bei Änderungen durch den Gesetzgeber nur dann berührt, wenn ein Verstoß gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten vorläge78. In diesem Sinne wird sich Claussen selbst entgegenhalten lassen müssen, daß die Systemwidrigkeit keinen zulässigen Einwand darstellt. Dies gilt zumindest, wenn man davon ausgeht, daß hinter dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ eine neue Konzeption des Gesetzgebers steht; es ihm also dabei um die Einführung einer neuen systematischen Weichenstellung geht. Neben dieser Konzeption der börsenfernen Aktiengesellschaft kritisiert Claussen, daß die Nichtgewährung von Deregulierungen an börsennotierte Aktiengesellschaften systematisch in das Börsenrecht gehören würde, nicht aber in das AktG79. Auch dieses Argument erscheint nicht zwingend. Das deutsche Aktienrecht ist gerade dadurch geprägt, daß anlegerschützende Vorschriften im Gesellschaftsrecht selbst zu finden waren und nicht, wie in anderen Ländern lediglich im Börsen- bzw. Kapitalmarktrecht. Der Grund dafür war, daß die Aktiengesellschaft als „börsennotierte Gesellschaft“ konzipiert war, so daß der Gesetzgeber davon ausging, daß jede Schutzvorschrift im AktG unmittelbar den dort typischerweise vorhandenen Anlegern dienen würde. Wenn der Gesetzgeber dieses Leitbild der Aktiengesellschaft aufweicht und zwischen der kapitalmarktfernen und der kapitalmarktnahen Gesellschaft unterscheidet, ist es konsequent, daß er dies innerhalb des Gesellschaftsrechts tut, soweit hier die Strukturprinzipien der Gesellschaft betroffen sind und sich die Notierung der Anteile unmittelbar. Das deutsche Börsenrecht enthielt traditionell nur Regeln, die nicht nur mit der Notierung der Anteile unmittelbar beschäftigten, nicht dagegen Regeln, die dazu keinen unmittelbaren Bezug hatten. Anders ist dies in den USA. Wie im Länderbericht zum US-amerikanischen Recht dargelegt, ist im Gegensatz dazu die dort entscheidende Differenzierung gerade nicht diejenige zwischen der publicly held corporation und der close corporation im Gesellschaftsrecht. Letztere steht als gesonderte Rechtsform nur in einem Teil der Staaten überhaupt zur Verfügung und hat dort keine große Praxisrelevanz erlangt. Die wesentliche Unterscheidung liegt vielmehr in der Geltung bzw. Nichtgeltung des securities law, da in den USA historisch dort der Anlegerschutz verortet war. Dabei wird diese Zweiteilung durchaus von einigen Stimmen in der US-amerikanischen Literatur kritisch beurteilt, da sie ____________ 78 79

Ebenso Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 223; K. Schmidt, § 5 III, S. 126. Claussen, AG 1995, 163, 171.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

als künstlich empfunden wird und für die Bestimmung der rechtlichen Regelungen in vielen Fragen eine Berücksichtigung des Gesellschafts- und des Kapitalmarktrechts notwendig ist80. Die von Claussen vorgeschlagene Aufnahme der Regeln für börsennotierte Aktiengesellschaften in das Börsengesetz, ist also aus dem Blickwinkel des deutschen Rechts nicht zwingend, eher würde dieser Vorschlag eine Angleichung an das US-amerikanische Recht darstellen, wo diese Zweiteilung aber nicht nur positiv beurteilt wird. Zudem würde dies den historisch gewachsenen Strukturen des deutschen Aktien- und Börsenrechts widersprechen.

II. Kritik an der bisherigen Umsetzung des gesetzgeberischen Ansatzes Als Kritik gegen die bisherige Umsetzung des gesetzgeberischen Ansatzes lassen sich hauptsächlich drei Aspekte vorbringen: Zunächst geht es um die Frage der Abgrenzung zwischen kapitalmarktorientierter und kapitalmarktferner Aktiengesellschaft, was erhebliche Schwierigkeiten aufgeworfen hat (unter 1.). Unter 2. folgt eine kritische Auseinandersetzung mit der konkreten vom Gesetzgeber verwendeten Regelungstechnik, da er die Vorschriften über die „Kleine AG“ nicht gesondert zusammengefaßt hat, sondern sie im gesamten AktG nach systematischen Gründen verstreut hat. Schließlich geht es unter 3. um Kritik gegen die konkrete Reichweite des bisherigen Ansatzes.

1. Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen kapitalmarktorientierter und kapitalmarktferner Aktiengesellschaft Nach der jetzt geltenden Konzeption des Gesetzgebers wird als „börsennotierte Gesellschaft“ gemäß § 3 Abs. 2 AktG in der Fassung des EG-Einlagensicherungsgesetzes jede Gesellschaft behandelt, deren Aktien an einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannter Stelle geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und dem Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Wie bereits zuvor erläutert, werden dadurch nach dem Willen des Gesetzgebers die Marktsegmente des amtlichen Marktes und des geregelten Marktes erfaßt. Daneben wurden, solange es den Neuen Markt gab, auch Gesellschaften betroffen, die am Neue Markt notiert waren, da auch hier zunächst eine förmliche Zulassung der Aktien am geregelten Markt vorausgesetzt war.

____________ 80

So Merkt, Rdnr. 196.

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Diese Fassung des § 3 Abs. 2 AktG, der zwar Ausdruck des neuen gesetzgeberischen Ansatzes ist, aber erst durch das KonTraG eingefügt wurde, wurde, wie erwähnt81, kurze Zeit darauf einmal geändert. Zu dieser Ausgangsfassung der Vorschrift wurde gerade von einem Teil der Literatur vertreten, daß der Handel am Neuen Markt nicht als Börsennotierung anzusehen sei, was auch der Wortlaut nahelegte82. Noch unklarer war der Begriff der Börsennotierung in der ursprünglichen Fassung nach dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“. Hier war überhaupt keine gesonderte Definition im Gesetz vorhanden. Dies führte dazu, daß in der Literatur umstritten war, wie der Begriff des „Handels an der Börse“ auszulegen sei83. Zwar ist in der jetzigen Fassung de lege lata geklärt, bei welchem Marktsegment die Grenze zwischen der großen Aktiengesellschaft und der „Kleinen AG“, für welche die Deregulierungen gelten, liegt. De lege ferenda stellt sich die Frage aber weiterhin. Zum einen könnte man hier eine eher strenge Auffassung vertreten, nach der jede Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes dazu führt, daß die Anteile der Gesellschaft börsennotiert sind und sie die vom Gesetzgeber für die „Kleine AG“ vorgesehenen Vorteile nicht mehr genießen kann84. Systematisch wäre diese Ansicht konsequent. Die Erleichterungen im Aktiengesetz für die „Kleine AG“ hängen damit zusammen, daß es sich hier um eine „private Gesellschaft“ handelt, die typischerweise einen geschlossenen Gesellschafterkreis hat und den öffentlichen Kapitalmarkt tatsächlich nicht in Anspruch nimmt. Insbesondere sind bei ihr keine Anleger im eigentlichen Sinne vorhanden, denen es lediglich um eine Kapitalanlage geht, die aber unternehmerisch nicht interessiert sind und weder willens noch in der Lage sind, auf vertragliche Weise hinreichend für die Wahrung ihrer Interessen zu sorgen. Ein so verstandener Anlegerschutz wäre grundsätzlich auch im Marktsegment des Freiverkehrs angebracht. Die Anleger sind sich zwar des größeren Risikos bewußt und ein einfacher Kleinanleger wird sicher eher selten im Freiverkehr Anteile erwerben. Bei denjenigen Aktiengesellschaften, deren Anteile im Freiverkehr gehandelt werden, kann aber nicht mehr ohne weiteres davon gespro____________ 81

Vgl. oben in § 6 B. II. 2. a) cc). Vgl. oben in § 6 B. II. 2. a) bb). 83 Einerseits Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14 b, der auch den Handel im Freiverkehr für eine Börsennotierung genügen läßt; andererseits Ammon / Görlitz, S. 64, 83; Beyer, AG 1996, R 48 f.; Bösert, DStR 1994, 1423, 1426; Priester, BB 1996, 333, 334 Fußn. 23.; Claussen, AG 1995, 163, 171; Seibert / Köster / Kiem, Rdnr. 168 zu § 130 AktG, für die nur eine Notierung im amtlichen Markt und im geregelten Markt zu einer Börsennotierung führt. 84 So auch Hüffer, AktG § 130 Rdnr. 14b. 82

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

chen werden, daß es sich bei ihnen um personalistisch strukturierte Gesellschaften handelt, die eher mit einer GmbH vergleichbar sind als mit der Publikumsaktiengesellschaft. Daher ist es zu rechtfertigen, sie den Vorschriften der börsennotierten Aktiengesellschaft zu unterwerfen. Zu bedenken ist jedoch, daß eine Einbeziehung einer Gesellschaft in den Freiverkehr nicht nur von bzw. mit Willen der Gesellschaft beantragt werden kann, die Gesellschaft hätte es somit nicht mehr in der Hand, ob sie von den erleichterten Vorschriften Gebrauch machen kann. Die völlig entgegengesetzte Auffassung wird etwa von Claussen85 vertreten. Er plädiert dafür, daß nur eine Notierung im amtlichen Markt und im geregelten Markt zu einer „Börsennotierung“ im Sinne des AktG führen sollte. Dabei sieht er in der Gleichstellung verschiedener Märkte in § 3 Abs. 2 AktG eine Irreführung des Anlegers. Zweifellos gibt es in den drei bestehenden Marktsegmenten, also dem amtlichen Markt, dem geregelten Markt und dem Freiverkehr große Unterschiede hinsichtlich der Chancen und Risiken, welche die dort gehandelten Papiere in sich tragen86. Dies galt auch für den Neuen Markt87. Dies spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Voraussetzungen wider, die für einen Notierung bzw. einen Handel im jeweiligen Marktsegment erfüllt werden müssen. Claussen sieht es nun als „systemwidrig und destruktiv“88 an, daß diese unterschiedlichen Profile, die sich – seiner Ansicht nach – auch im börsenrechtlichen Anlegerschutz niedergeschlagen haben, im AktG keine Berücksichtigung finden und glaubt, daß durch die vorgenommene rechtliche Gleichstellung beim Anleger der Eindruck erweckt werde, es bestehe kein Unterschied zwischen Aktiengesellschaften etwa des Neuen Marktes zu großen etablierten Aktiengesellschaften89. Es ist jedoch fraglich, ob dieser Anschein durch § 3 Abs. 2 AktG tatsächlich erweckt wird. Zum einen muß jeder Anleger wissen, daß es verschiedene Marktsegmente gibt, in denen sich ein unterschiedliches Maß an Chancen und Risiken verwirklicht. Dies ist unabhängig von den aktienrechtlichen Regeln. Zum anderen klingt die Argumentation von Claussen so, als ob der Einordnung als „börsennotierte Gesellschaft“ im AktG eine Art Seriositätsgewähr innewoh____________ 85

Claussen, § 9 Rdnr. 48c; Claussen, DB 1998, 177, 178; Claussen, AG 1995, 163, 172; Claussen, in: Reform, 297, 308 ff. 86 So auch Claussen, § 9 Rdnr. 48c.; Claussen, in: Reform, S. 297, 310. 87 Technisch stellte der Neue Markt kein eigenes Marktsegment dar. Vielmehr war er nur ein Handelssegment, das im Marktsegment Freiverkehr eingerichtet war, vgl. dazu oben § 6 A. III. 2. b) aa). 88 Claussen, § 9 Rdnr. 48c. 89 Ähnlich Claussen, in: Reform, 297, 309, wo er kritisiert, daß ungleiche Rechtspersonen gleich behandelt werden.

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nen würde, so daß die Anleger durch die Gleichstellung dazu verführt werden könnten, zu glauben, die Anteile aller Gesellschaften seien gleich sicher90. Die Qualifizierung als „börsennotierte Gesellschaft“ führt aber genau zum gegenteiligen Schluß. Durch die Einordnung müssen von einer Aktiengesellschaft im Aktienrecht höhere Anlegerschutzstandards eingehalten werden. Sie bedeutet zugleich aber auch, daß überhaupt Anlegerschutz nötig ist. Daher hätte man auch vertreten können, daß die Miteinbeziehung der Gesellschaften, deren Anteile am Neuen Markt gehandelt werden, unter die „börsennotierten Gesellschaften“ den Anlegern erst deutlich macht, daß überhaupt Anlegerschutzrisiken bestehen. Eine Einordnung solcher Gesellschaften bei den nicht börsennotierten Gesellschaften könnte dagegen den Anleger zur Annahme verleiten, ein aktienrechtlicher Anlegerschutz sei nicht nötig. Claussen argumentiert dagegen, daß für die Anteile, die im Neuen Markt gehandelt werden, tatsächlich ein aktienrechtlicher Anlegerschutz nicht erforderlich sei, da hier bereits auf anderem Wege Anlegerschutz vermittelt werde, nämlich über eine weitgehende Gesellschaftspublizität, erhöhte Transparenz und die Figur des Betreuers91. Nachdem er, wie oben erwähnt, der Ansicht ist, daß die kapitalmarktferne Aktiengesellschaft eine Fehlentwicklung darstellt, wollte er, auch um Notierungen am Neuen Markt zu fördern, die bisherigen und wohl auch noch weitere Deregulierungen dieser Aktiengesellschaft vorbehalten. Auf seine grundsätzlichen Argumente gegen die kapitalmarktferne Aktiengesellschaft wurde im übrigen bereits eingegangen. Wenn man an der „Kleinen AG“ grundsätzlich festhält, scheint ihre Gleichstellung mit einer Gesellschaft, deren Anteile am Neuen Markt gehandelt werden, jedenfalls nicht angezeigt92. Das Maß anlegerschützender Normen in den rechtlichen Regelungen zum Neuen Markt kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Letztlich hat sich diese Frage auch durch die Abschaffung des Neuen Markt erledigt. Sicher ist es auch vom Blickwinkel eines kapitalmarktorientierten Aktienrechts konsequent, Anlegerschutz, der bereits im Kapitalmarktrecht gewährt wird, nicht mehr zusätzlich über das Gesellschaftsrecht zu vermitteln. Jedoch kann dies nicht zur von Claussen angestrebten Gleichstellung führen. Nach der gegenwärtigen Konzeption geht es bei der kapitalmarktorientierten Differenzierung um eine Ungleichbehandlung der privaten Aktiengesellschaft, ____________ 90

Claussen, § 9 Rdnr. 48c. Claussen, DB 1998, 177, 178. Ähnlich Claussen, AG 1995, 163, 172. 92 Hinsichtlich der Frage des tatsächlichen Kapitalmarktzugangs gehören auch die Aktiengesellschaften, deren Anteile im amtlichen Handel notiert sind, und die, deren Anteile am Neuen Markt gehandelt werden, zur gleichen Vergleichsgruppe, so daß man nicht mit Claussen sagen kann, daß „ungleiche Rechtspersonen gleich“ behandelt werden, vgl. Claussen, in: Reform, S. 297, 309. 91

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

die keine Anleger im eigentlichen Sinne hat, und der Aktiengesellschaft, deren Anteile von Personen nachgefragt werden, die lediglich an einer Kapitalanlage interessiert sind. Ein solcher Personenkreis findet sich aber sowohl im amtlichen Markt und im geregelten Markt, als auch früher im Neuen Markt. Der Vorschlag von Claussen wäre daher mit der neu eingeführten Differenzierung danach, ob überhaupt Anleger vorhanden sind oder nicht, nicht systemgerecht. Auch ist Claussen nicht zuzugeben, daß die Differenzierung im Gesellschaftsrecht zum neuen System des Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht in Widerspruch stehen würde93. Wie bereits oben im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktrecht dargestellt wurde, ergänzen sich im Gegenteil durch das neue Konzept das Gesellschafts- und das Kapitalmarktrecht gegenseitig. Wenn man den Gedanken Claussens von der Förderung bestimmter Marktsegmente überhaupt tatsächlich realisieren möchte und so auch auf die verschiedenen Marktsegmente innerhalb des Gesellschaftsrechts eingehen möchte, wäre es angezeigt, eine weitere Differenzierung einzuführen. Wie bereits in dem von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter vorgeschlagenen DreiStufen-Modell, wäre neben der „Privaten Aktiengesellschaft“, die in keinem Marktsegment gehandelt wird94 und der Publikumsaktiengesellschaft, die jedenfalls auch im amtlichen Markt notiert sein kann95, ein weitere Aktiengesellschaftsform zu schaffen, die zwischen beiden steht und deren Anteile, wie die Autoren vorsehen, höchstens im geregelten Markt96 (oder nach dem Konzept Claussens im Neuen Markt gehandelt werden durfte). Wenn man eine Förderung eines bestimmten Marktsegments für zweckmäßig erachtet, würde es eine solche Zwischenform ermöglichen, einerseits auf den bereits in den entsprechenden kapitalmarktrechtlichen Regeln verwirklichten Anlegerschutz Rücksicht zu nehmen, wie Claussen vorschlägt, andererseits aber die aktienrechtlichen Regeln damit abzustimmen. Ein weiterer Vorschlag in diese Richtung findet sich bei Hommelhoff97. Er schlägt hierzu etwa vor, eine sog. „AnlegerAG“ zu schaffen. Diese würde auf die Risiko-Differenzierung im Börsenrecht Rücksicht nehmen. Einerseits könnte bei dieser Form die „aktienrechtliche Satzungsstrenge durch eine Vielzahl von Wahlrechten“98 aufgeweicht werden. Andererseits sieht er aber nicht ____________ 93

Claussen, in: Reform, S. 297, 310. Vgl. Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 36 f., welche die Private Aktiengesellschaft als Gesellschaft ohne Kapitalmarktzugang konzipiert haben. 95 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 38. 96 Albach / Corte / Friedewald / Lutter / Richter, S. 37 f. 97 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 213. 98 Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 214. 94

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die Verlagerung jeglichen Anlegerschutzes auf die Ebene des Kapitalmarktrechtes vor. So will er etwa die Nennbeträge der Aktien dieser „AnlegerAG“ auf einen Betrag von 500 DM oder gar 1.000 DM heraufsetzen, um die „schutzbedürftigen Wertpapier-Sparer“99 zu warnen. Eine solche Form erscheint gegenüber dem Vorschlag Claussens aus Gründen des Anlegerschutzes vorzugswürdig. Eine vermittelnde Auffassung in der Frage der Abgrenzung zwischen „Kleiner AG“ und klassischer Aktiengesellschaft wird vom Gesetzgeber selbst vertreten. Börsennotiert sind hier auch die Aktien, die im geregelten Markt (und früher auch im Neuen Markt) gehandelt werden, nur ein Handel im Freiverkehr führt nicht zum Verlust der Erleichterungen. Gegen diesen Ansatz spricht, daß sich das Außerachtlassen der im Freiverkehr gehandelten Aktien jedenfalls nicht ohne weiteres mit einem reinen kapitalmarktrechtlichen Ansatz verträgt. Auch der Freiverkehr ist als Marktsegment der Börse für Anleger zugänglich, so daß auch hier eigentlich gesellschaftsrechtlicher Anlegerschutz geboten wäre. Lediglich praktische Erwägungen rechtfertigen, daß ein Handel in diesem Segment vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt wird. Seit der Einführung des geregelten Marktes im Jahre 1986 hat der Freiverkehr in hohem Maße an Bedeutung verloren100. Gerade nach dem Erlaß des WpHG mit seinen §§ 31 ff. über eine angemessene Anlageberatung, bestehen in diesem Segment, etwa nach Ansicht Claussens101, kaum mehr Marktchancen. Man kann das Außerachtlassen des Freiverkehrs für die Frage der Börsennotierung durch den Gesetzgeber damit am ehesten durch die geringe praktische Bedeutung dieses Marktsegments begründen, die eine Einbeziehung überflüssig gemacht hat.

2. Regelungstechnik Der Gesetzgeber hat seinen neuen Ansatz durch im Aktiengesetz verstreute Einzelvorschriften verwirklicht, wie bereits aus dem zweiten Teil der Arbeit, dem Länderbericht zum deutschen Recht ersichtlich ist. Gesetzlicher Ausgangspunkt ist somit die klassische Aktiengesellschaft geblieben, die Regelungen für die „Kleine AG“ wurden zumeist in Sondervorschriften gekleidet. Gegen diese gesetzgeberische Methode einer Deregulierung, die von der Satzungsstrenge der klassischen Aktiengesellschaft her gedacht ist, gibt es ein ____________ 99 100 101

Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 214. Vgl. Claussen, AG 1995, 163, 171. Claussen, AG 1995, 163, 171.

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4. Teil: Vergleich und Schlußfolgerung

grundsätzliches dogmatisches Gegenargument, das von Lutter102 vorgebracht wurde. Er führt hierzu folgendes aus: „Das Konzept, das Recht der börsennotierten Gesellschaften zum Recht der nicht börsennotierten hin ‘abzuschmelzen’, ist von der Satzungsstrenge und damit von der Unfreiheit her gedacht. Auf diese Weise wird Gestaltungsfreiheit in jedem einzelnen Punkt begründungsbedürftig“103. Wegen dieser Umkehrung der Prinzipien der Vertragsautonomie und der Satzungsstrenge bestünde die Gefahr, daß der Gesetzgeber in den Regelungen für die börsenferne Aktiengesellschaft nicht so weit geht, wie es eigentlich möglich wäre. Der Gesetzgeber ist im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ von der Deregulierung als Prinzip ausgegangen, wie schon im Titel des Gesetzes ersichtlich ist. Die eben beschriebene Methode hat aber zur Folge, daß das Regelungssystem für die „Kleine AG“ noch komplizierter ist, als es das für die Aktiengesellschaften ohnehin ist. Zwar sind einige Vorschriften erleichtert worden, es genügt aber für den Rechtsanwender, der sich dieser deregulierten – und damit gegenüber der großen AG vereinfachten – Rechtsform bedienen will, nicht, wenn er nur die Besonderheiten für die „Kleine AG“ beherrscht. Vielmehr muß er das gesamte Aktienrecht der klassischen Aktiengesellschaft kennen, um auf dieser Grundlage die Erleichterungen für die kleinen Aktiengesellschaft zu erkennen und anwenden zu können104. Dies führt dazu, daß die Novelle für die „Kleine AG“ eine erschwerte Handhabung mit sich bringt, so daß eine vermehrte Beratung der Unternehmen nötig werden wird. Dies führt wiederum zu erhöhten Kosten für die Unternehmen, was dem Regelungsziel des Gesetzes zuwiderläuft. Bei weiteren gesetzgeberischen Änderungen, die das begonnene Konzept fortführen, wird dieses Problem noch virulenter werden. Je mehr Vorschriften dereguliert und damit für die „Kleine AG“ vereinfacht werden, desto mehr Regelungen muß der mittelständische Unternehmer, der seinen Betrieb in einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft organisiert hat, kennen. Damit würde der Gesetzgeber durch die Novellierungen genau das Gegenteil von dem erreichen, was er anstrebt105. Um eine leichte Handhabbarkeit zu gewährleisten, müßte der Gesetzgeber zu radikalen Änderungen kommen106. Im Vergleich mit dem GmbH-Recht müßten die für das Aktienrecht unbedingt notwendigen ____________ 102

Lutter, GmbHR 1990, 377, 379. Lutter, GmbHR 1990, 377, 379. So auch Hommelhoff, AG 1995, 529, 532, der hier vom „Substaktions-“ oder „Abschmelzungskonzept“ spricht. 104 Ähnlich Hommelhoff, AG 1995, 529, 530. 105 Hommelhoff, AG 1995, 529, 530. 106 Hommelhoff, AG 1995, 529, 532 fordert ein „radikales Umdenken“ des Gesetzgebers. 103

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Regelungen bestimmt werden, die dazu dienen, um die „Kleine AG“ als gegenüber der GmbH selbständige Rechtsform zu definieren. Diese Regelungen müßte der Gesetzgeber in einem ersten Teil des AktG zusammenfassen. In einem zweiten Schritt (und einem weiteren Abschnitt des Gesetzes) müßten die Normen festgelegt werden, die eine börsennotierte Aktiengesellschaft darüber hinaus beachten muß. Dabei wäre es erforderlich die aktienrechtlichen Bestimmungen, die Anlegerschutz beinhalten, mit dem spätestens seit dem WpHG bestehenden Kapitalmarktrecht in Einklang zu bringen, um die bereits angesprochene Überregulierung durch eine Überlagerung von aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Regelungen abzubauen. Der Nachteil dieses Vorschlags ist, daß er einen völligen Umbau des deutschen Aktienrechts notwendig machen würde, was einen hohen gesetzgeberischen Aufwand mit sich bringt und eine schlüssige und durchdachte Umsetzung des dargelegten Gesamtkonzepts erfordert. Von der Regelungstechnik her gedacht, wäre dies aber am konsequentesten und würde zu einer größeren Benutzerfreundlichkeit des Aktienrechts führen.

3. Konkrete Reichweite des bisherigen Ansatzes Der letzte Kritikpunkt an der bisherigen Umsetzung des gesetzgeberischen Ansatzes ist schon mehrfach angeklungen. Der Gesetzgeber hat bislang sowohl durch das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ als auch durch das KonTraG und TransPuG nur wenige Schritte in Richtung des beschriebenen Ansatzes gemacht. Dieser Ansatz kennt eine Zweiteilung des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts, deren entscheidende Trennlinie nicht mehr zwischen den beiden Rechtsformen GmbH und Aktiengesellschaft verläuft, sondern zwischen den börsennotierten Gesellschaften einerseits und den kapitalmarktfernen Gesellschaften andererseits. In der bisherigen Umsetzung stellt die „Kleine AG“, wie erwähnt, keine Unterform der Aktiengesellschaft dar, die hinreichend weit an die GmbH angenähert ist, um für diese eine wirkliche Konkurrenz bei mittelständischen Unternehmen zu werden107. Die Differenzierung der Vorschriften für die „Kleine AG“ und die klassische Aktiengesellschaft müssen noch weiter entwickelt werden. Neben der Änderung einzelner Vorschriften, spielt dabei eine grundsätzliche Weichenstellung eine entscheidende Rolle.

____________ 107

Hommelhoff, AG 1995, 529, 532; ähnlich auch Schaber, GmbHR 1995, R 1.

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Wie oben108 ausgeführt, ist das Recht der Aktiengesellschaft durch Satzungsstrenge beherrscht. § 23 Abs. 5 AktG kehrt das eigentlich im Schuldrecht bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis um. Die Tatsache, daß die Vertragsfreiheit für die Gestaltung der Einzelregelung nur die Ausnahme im Aktienrecht darstellt, kann durch die Notwendigkeit der Standardisierung im Zusammenhang mit der Börsenfähigkeit einerseits und dem Schutz der anonymen Anleger andererseits gesehen werden, die hinsichtlich einzelner sie gegebenenfalls benachteiligenden Regelungen nicht vor dem Erwerb eines Geschäftsanteils gesondert mit den bisherigen Gesellschaftern verhandeln können. Beide Argumente können jedoch nur bei einer Gesellschaft herangezogen werden, die sich tatsächlich des öffentlichen Kapitalmarktes bedient. Bei einer personalistischen Gesellschaft wird durch die Satzungsstrenge die Vertragsfreiheit der Gesellschafter ohne zwingenden Grund eingeschränkt. Die Novelle 1994 hat, wie im Länderbericht zum deutschen Recht dargelegt, in untergeordneten Bereichen durch die Änderung einzelner Regelungen, etwa in § 10 Abs. 5 AktG und in § 58 Abs. 2 AktG, an die Stelle der Satzungsstrenge den Aktiengesellschaften eine größere Satzungsfreiheit zugebilligt. Bei § 58 Abs. 2 AktG wurde diese Freiheit zunächst nur der nicht-börsennotierten Aktiengesellschaft gewährt. Bei § 10 Abs. 5 AktG hat sich der Gesetzgeber dafür ausgesprochen auf eine Differenzierung zwischen börsennotierten Aktiengesellschaften und „Kleiner AG“ zu verzichten, da die Einzelverbriefung der Gesellschaftsanteile angesichts des Effekten-Giroverkehrs insgesamt an Bedeutung verloren hat109. Diese Ansätze – zu Ende gedacht – müßten letztlich zu einer Aufhebung des § 23 Abs. 5 AktG führen, der die aktienrechtliche Satzungsstrenge normiert. Ebenso wie der vorangegangene Vorschlag des Umbaus des Aktienrechts von der „Kleinen AG“ her, würde auch diese Änderung weitreichende Überlegungen im einzelnen voraussetzen und einen hohen gesetzgeberischen Aufwand mit sich bringen. Wiederum wäre es notwendig, die gesamten Normierungen des Aktienrechts daraufhin zu überprüfen, ob sie im einzelnen für die „Kleine AG“ wirklich Regelungen enthalten, die zwingend sein müssen. Mit einer Änderung des § 23 Abs. 5 AktG für die nicht börsennotierte Gesellschaft, müßten dann gegebenenfalls Änderungen einer Reihe von Einzelvorschriften einhergehen, die weiterhin zwingendes Recht sein sollen, wie eventuell die Beibehaltung des Aufsichtsrats und der Mitbestimmung oder die Weisungsunabhängigkeit des Vorstands einer Aktiengesellschaft gegenüber dem Auf____________ 108

Vgl. hierzu oben unter § 5 B. II. 1. d). So BT-Drucks. 12/6721, S. 6, wo der Gesetzgeber sich mit der Notwendigkeit unterschiedlicher Regelungen für die beiden Formen der Aktiengesellschaften ausdrücklich auseinandersetzt. 109

§ 13 Bewertung des neuen deutschen Ansatzes

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sichtsrat und der Hauptversammlung110. Der entscheidende Vorteil solcher Änderungen wäre aber, daß bei der „Kleinen AG“ wiederum die Vertragsfreiheit der Parteien der Ausgangspunkt jeder gesetzlicher Regelung sein würde, was gerade auch im Zusammenhang mit der angesprochenen corporate freedom-Debatte und deren Hintergründe zu begrüßen wäre.

____________ 110 Vgl. hierzu bereits unter I. 2. Vgl. zur Bedeutung der Trennung von Eigentum und Kontrolle, die sich gerade in dem Organ Aufsichtsrat, aber auch im fehlenden Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber dem Management zeigt, etwa für eine vorweggenommene Erbfolge in mittelständischen Unternehmen, C. Schmidt / Müller-Eising / Gayk, ZIP 1993, 1830, 1831 f.

5. Teil

Ausblick § 14 Europarechtliche Perspektiven In mehrfacher Hinsicht kann das Thema dieser Arbeit, die Differenzierung zwischen personenbezogenen und kapitalmarktorientierten Gesellschaften anhand materieller insbesondere kapitalmarktabhängiger Kriterien, vor dem Hintergrund des Europarechts gesehen werden. Eine dieser europarechtlichen Perspektiven ist bereits angeklungen und hängt mit dem unmittelbaren Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Gesellschaftsrecht1 sowie das nationale Kapitalmarktrecht2 zusammen. Beides sind Rechtsgebiete, die in erheblichem Umfang durch das Europarecht beeinflußt und überformt worden sind. Dies zeigt sich darin, daß zum einen einige der in dieser Arbeit bereits behandelten gesellschafts- oder kapitalmarktrechtlichen Regelungen auf europarechtlichen Normen, vor allem auf Richtlinien beruhen. Diese wurden im zweiten Teil dieser Arbeit im Zusammenhang mit den Einzelbestimmungen, die durch das Gesetz über die „Kleine AG“ in das Aktienrecht eingefügt wurden, im einzelnen behandelt. Zum anderen kann man bei der europäischen Rechtsvereinheitlichung einen Schwerpunkt auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts feststellen. ____________ 1

Zum europäischen Gesellschaftsrecht vgl. nur Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 13 ff. mit einer Aufzählung aller Richtlinien und Verordnungen auf dem Gebiet des materiellen Gesellschaftsrechts, ausführlich auch Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 101 ff.; Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 ff. und Hopt, ZIP 1998, 96, 97 ff. Als letzte Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts sei die Einigung über die Europäische Aktiengesellschaft nach 30 Jahren genannt. Am 8. Oktober 2001 wurde die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294 vom 10. November 2001, S. 1 ff. und die Richtlinie 2001/86/EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. L 294 vom 10. November 2001, S. 22 ff. erlassen. Die Verordnung trat nach deren Art. 70 am 8. Oktober 2004 in Kraft, für die Richtlinie besteht nach deren Art. 14 Abs. 1 eine Umsetzungsfrist bis zum nämlichen Tag. Ins deutsche Recht wurde in Ausführung der Verordnung und in Umsetzung der Richtlinie das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22. Dezember 2004, BGBl. I 2004, 3675 erlassen, das am 29. Dezember 2004 in Kraft getreten ist. Zu den Hintergründen und Vorarbeiten vgl. statt vieler Hopt, a.a.O, 100 ff. 2 Zum europäischen Kapitalmarktrecht statt vieler ausführlich Ekkenga, S. 396 ff. und Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 75 ff. und S. 528 ff. mit den relevanten Richtlinien.

§ 14 Europarechtliche Perspektive

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Dieses hat in den letzten Jahren immer stärkere Relevanz erlangt. Durch eine Weiterentwicklung des Kapitalmarktrechts auf europäischer Ebene gewinnt die rechtliche Differenzierung zwischen börsennotierten und kapitalmarktfernen Gesellschaften an Bedeutung. Für börsennotierte Gesellschaften ergeben sich Anforderungen in zunehmendem Maße auch aus dem Kapitalmarktrecht, welches das Gesellschaftsrecht überlagert. Dies kann eine im Gesellschaftsrecht angelegte Differenzierung zwischen beiden Gesellschaftstypen unterstützen3. Eine weiterer Aspekt durch den das Europarecht auf das innerstaatliche Gesellschaftsrecht Einfluß nimmt, soll in diesem Paragraphen angesprochen werden: Der Gesetzgeber hat sich im Entwurf zum „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ u.a., wie der Name des Gesetzes sagt, allgemein die Deregulierung des Aktienrechts zum Ziel gesetzt. Er sah die besondere Strenge des Aktienrechts als ein Problem für die Verbreitung dieser Rechtsform an4. Daher hielt er Vereinfachungen für angezeigt. In diesem Zusammenhang ist die Differenzierung aufgrund materieller Kriterien bedeutsam. Aus Gründen des Anlegerschutzes ist dabei besonders die Frage der Börsennotierung hervorzuheben. Dieses Kriterium wurde auch im KonTraG und im TransPuG weiter ausgebaut5. Die Deregulierung und die Orientierung der Schutzvorschriften an materiellen Kriterien erweist sich auch dann als wesentlich, wenn man das „Gesellschaftsrecht in Zeiten der Globalisierung“ betrachtet. Diese hat nämlich „für das Gesellschaftsrecht den Wettbewerb der Rechtssysteme zur Folge“6. In einem solchen Wettbewerb sind zwei Aspekte zu bedenken: Zum einen spielt es hier eine Rolle, wie „wettbewerbsfähig“ die Mitbewerber sind, d.h. ob die Gesellschaftsrechte anderer Staaten für die Gesellschaften attraktiver erscheinen als das deutsche Recht, insbesondere das Recht der Aktiengesellschaften (unter A.). Zum zweiten müssen die Rahmenbedingungen dafür vorhanden sein, daß einzelne Staaten tatsächlich in Wettbewerb miteinander treten. Dies hängt maßgeblich vom Internationalen Privatrecht, genauer dem Internationalen Gesellschaftsrecht ab (unter B.). Schließlich kann es – trotz der gegebenen Wettbewerbsfähigkeit der anderen Staaten und auch bei Vorliegen der Rahmenbedingungen im Internationalen Privatrecht – andere Gründe ____________ 3 A.A. Claussen, in: Reform, S. 297, 310. Er sieht das Kapitalmarktrecht als „Anlegerschutzrecht“ und ist der Ansicht, daß diese Einordnung durch die Differenzierung im „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ in ein „Zwielicht gestellt“ werde. Kritisch hierzu schon oben in § 13 B. II. 1. 4 BT-Drucks. 12/6721, S. 5. 5 Siehe dazu oben unter § 12 A. I. und II. 3. 6 So Claussen, in: Reform, S. 297, 299.

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5. Teil: Ausblick

geben, die einem „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ in Europa entgegenstehen könnten. Darauf wird unter C. eingegangen.

A. Wettbewerbsfähigkeit anderer Staaten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts Auf die Frage, wie wettbewerbsfähig die „Mitbewerber“ Deutschlands, also andere Staaten innerhalb und außerhalb Europas sind, kann hier unmöglich im Detail eingegangen werden. Dies würde zunächst eine genaue Analyse des Gesellschaftsrechts dieser Staaten voraussetzen, da sich grundsätzlich nicht pauschal sagen läßt, ob das Gesellschaftsrecht eines Staates für Unternehmen attraktiver ist als das eines anderen Staates. Neben dem Gesellschaftsrecht spielen darüber hinaus auch steuerrechtliche Regelungen eine bedeutende Rolle, ebenso wie eventuell gesamtwirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die gegeben sein müssen, damit ein Unternehmen sich für die Inkorporation in einem bestimmten Staat entscheidet.

I. Differenzierung anhand materieller Kriterien als Wettbewerbsvorteil Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des zweiten Teils dieser Arbeit zum deutschen Recht und des dritten Teils dieser Arbeit zum US-amerikanischen Recht kann folgende grundsätzliche Ausrichtung als Basis für eine kursorische Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit anderer Staaten im Gesellschaftsrecht angesehen werden: Ein Gesellschaftsrecht, das nicht von einem starren Rechtsformdualismus ausgeht, sondern das die maßgeblichen rechtlichen Regeln an materielle Kriterien anknüpft – wobei die Börsennotierung als Kriterium unter Anlegerschutzgesichtspunkten die größte Rolle spielt – wird potentiell genauer auf die Unterschiede zwischen einer Publikumsgesellschaft und einer personalistischen Gesellschaft eingehen können. Die materiellen Kriterien nehmen auf die tatsächliche Struktur der Gesellschaft Rücksicht und nicht lediglich auf das gesetzgeberische Leitbild, das von den rechtstatsächlichen Gegebenheiten durchaus erheblich abweichen kann. Zudem ermöglicht gerade ein System, das auf die Nähe einer Gesellschaft zum Kapitalmarkt abstellt, eine Begrenzung des Anlegerschutzes auf die Gesellschaften, die tatsächlich anonyme Anleger haben. Nicht börsennotierte Gesellschaften werden hingegen nicht unnötig belastet. Dadurch wird ein Gesellschaftsrecht attraktiv für Unternehmen, gerade in der Phase vor dem Börsengang. Soweit sie nämlich nicht börsennotiert sind,

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müssen sie keinen – im Hinblick auf ihre tatsächliche Gesellschaftsstruktur – überflüssigen Schutzmechanismen entsprechen. Auch für Gesellschaften, die an der Börse notiert sind, kann ein solcher Ansatz von Vorteil sein. Es ist hier zu erwarten, daß die Regeln für börsennotierte Unternehmen aufgrund der Differenzierung innerhalb des Gesellschaftsrechts besser auf die Anforderungen des Kapitalmarktrechts abgestimmt sind.

II. Verbreitung eines materiellen Ansatzes in anderen Staaten Die angesprochene Idee, daß man für die Differenzierung zwischen den Rechtsformen auf ein materielles Kriterium abstellt, um so ein unterschiedliches Maß an Anlegerschutz zu verwirklichen, wird, wie angesprochen, im Recht der USA bevorzugt. Daneben trifft dies aber auch für zahlreiche andere Länder zu. Traditionell gehören dazu Länder, die im weitesten Sinne zum anglo-amerikanischen Rechtskreis zählen und letztlich vom englischen Recht beeinflußt sind. Ein solches System gibt es außer in den USA etwa in Kanada7 oder Australien8. Aber auch Staaten außerhalb dieses Rechtskreises etwa in Kontinentaleuropa haben sich für dieses System entschieden oder es gibt zumindest Diskussionen über seine Einführung.

1. Österreich und die Schweiz Die Rechtsordnungen in Österreich und der Schweiz weisen sicher die größte Verwandtschaft zur deutschen Rechtsordnung auf; dies gilt jedenfalls grundsätzlich auch für das Gesellschaftsrecht. Daher ist es von besonderem Interesse, daß es sowohl in Österreich9 als auch in der Schweiz10 mit Deutschland vergleichbare Diskussionen gibt, die sich mit einer Sonderbehandlung der personalistischen Aktiengesellschaft beschäftigen. Dabei werden ähnliche Ansatzpunkte wie in Deutschland herangezogen.

____________ 7

Vgl. nur Cheffins, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 182, 187 und Pouliot/Sennecke / Quack, in: Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, S. 374, 388. 8 Fritzemeyer, in: Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, S. 26, 30 f. 9 Vgl. hier nur Doralt, AG 1995, 538; Nowotny, in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 86, 96 und ausführlich Prebil, der v.a. die Übertragbarkeit des „Drei-Stufen-Modells“ aus Österreich untersucht, insb. S. 54 ff. 10 Statt vieler Druey, AG 1995, 545; Nobel, in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 99.

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In Österreich spielt das von Albach, Corte, Friedewald, Lutter und Richter entwickelte und hier mehrfach erwähnte11 „Drei-Stufen-Modell“ eine gewichtige Rolle. Auch der österreichische Gesetzgeber hat sich mit dem Vorhaben einer „Kleinen AG“ beschäftigt. Bereits 1987 und 1990 wurde im Koalitionsabkommen der damaligen Regierungsparteien zwischen SPÖ und ÖVP die Einführung einer „Kleinen AG“ vorgesehen12. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt. Auch in der österreichischen Diskussion in der Literatur wird eine Differenzierung der Regelungen danach, ob der öffentliche Kapitalmarkt in Anspruch genommen wird oder nicht, de lege ferenda als das letztlich ausschlaggebende Moment betrachtet. Doralt bemerkt dazu, daß in Österreich Rechtslage und Realität der Unternehmensorganisationen für die Aktiengesellschaft auseinanderfallen. Im Rechtstatsächlichen dominieren nicht die Gesellschaften, die Publikumsgesellschaften sind, sondern vielmehr die Gesellschaften, die als Konzerntochtergesellschaft, private Einpersonengesellschaft oder Familiengesellschaft lediglich einen kleinen Kreis von Gesellschaftern haben13. Somit ist die Ausgangslage in Österreich dieselbe wie in Deutschland, da auch hier ein Auseinanderfallen von Realität und gesetzgeberischer Konzeption registriert werden kann. Zugunsten der Idee einer „Kleinen AG“ in Österreich wird überdies betont, daß durch diese Gesellschaftsform eine Heranführung der Unternehmen an den Kapitalmarkt stattfinden könnte. Es wird somit für die Unternehmen leichter, den Gang zur Börse in zwei Schritten zu machen14. Der erste Schritt ist die Umwandlung in die Aktiengesellschaft. Erst in einem zweiten Schritt wird dann der Börsengang in Betracht gezogen. Ein weiterer Gedanke, den Doralt anführt, wurde auch im Rahmen dieser Arbeit bereits entwickelt. Die besondere Satzungsstrenge des Aktienrechts kann – seiner Ansicht nach – nicht entscheidend durch die Belange des Gläubigerschutzes gerechtfertigt werden. Ein Grund für zwingende Normen kann allein im Schutz der Kleinaktionäre gesehen werden, für die eine Investition ihres Geldes in eine Aktie lediglich eine Anlageform unter vielen darstellt15. Wenn aber derartige Anleger mangels einer Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarkts überhaupt nicht vorhanden sind, rechtfertigt es dies, auch im Aktienrecht ein höheres Maß an Gestaltungsfreiheit zuzulassen als nach gegenwärtiger Rechtslage.

____________ 11 12

Vgl. oben v.a. § 4 IV., § 5 D. II. 2. und § 6 A. I. 4. Doralt, AG 1995, 538, 539; Nowotny, in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 86,

96. 13 14 15

Doralt, AG 1995, 538, 541. Doralt, AG 1995, 538, 542. Vgl. Doralt, AG 1995, 538, 543.

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In der Schweiz finden sich rechtstatsächlich eine große Zahl personalistischer Aktiengesellschaften. Nobel bezeichnet daher die „kleine Schweiz“ als „Land der kleinen AG“16. Obwohl auch die Schweiz seit 1936 die Gesellschaftsform der GmbH kennt, bevorzugen zahlreiche kleine Unternehmen weiterhin die Aktiengesellschaft17. Dies liegt zum einen daran, daß das schweizerische Recht bei der GmbH in Art. 802 Obligationenrecht eine Solidarhaftung aller Gesellschafter für die Aufbringung des Grundkapitals kennt. Darüber hinaus gibt es keine Möglichkeit aus der Gesellschaft auszutreten. Die Übertragbarkeit der GmbH-Geschäftsanteile ist zusätzlich durch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit von 75 % erheblich erschwert18. Als weitere Nachteile werden die fehlende Anonymität der GmbH angeführt, da die Namen der Gesellschafter und ihrer Kapitalanteile im Handelsregister zu veröffentlichen sind und die Vermutung der Geschäftsführung durch die Gesellschafter gilt19. Nachdem das Aktienrecht somit von Unternehmen genutzt wird, die sich tatsächlich stark unterscheiden, gibt es auch in der Schweiz in der Gesetzgebung Diskussionen darüber, ob eine Spaltung des Aktienrechts angezeigt erscheint20. Bisher führten die angestellten Überlegungen aber zu keiner Änderung der rechtlichen Regelungen21.

2. Frankreich Im Gegensatz zu Österreich und der Schweiz hat der französische Gesetzgeber sogar früher als der deutschen Gesetzgeber eine Form der Aktiengesellschaft geschaffen, die sich des öffentlichen Kapitalmarktes nicht bedienen darf, deren Gesellschafter aber dafür ein hohes Maß an Vertragsfreiheit genießen. Der französische Gesetzgeber hat nämlich 1994, etwa ein halbes Jahr bevor der deutsche Gesetzgeber das Gesetz über die „Kleine AG“ erlassen hat, die ____________ 16 17

Nobel, in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 99. Vgl. auch Druey, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 107,

108 f. 18 Dazu jeweils Druey, AG 1995, 545, 546 m.w.N. Zu den Nachteilen der GmbH, die ein „Importprodukt“ aus Deutschland darstellt, ausführlich auch Nobel, in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 99, 102 ff. und Druey, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 107, 109. 19 Vgl. Druey, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 107, 109. 20 Vgl. Nobel, in: Reformbedarf im Aktienrecht, S. 99, 100 und Druey, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 107, 116. 21 Vgl. hier Druey, AG 1995, 545, 546. Dort auch zu den Mitteln der Rechtsprechung und Literatur durch die Auslegung der aktienrechtlichen Vorschriften auf die tatsächliche Ausgestaltung der Gesellschaft einzugehen.

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Société par Actions Simplifiée (SAS) geschaffen22. Diese Rechtsform stand zunächst vorwiegend für Holdinggesellschaften und Unternehmenszusammenschlüsse zur Verfügung23. 1999 wurde das entsprechende Gesetz geändert, so daß die SAS jetzt auch für kleine und mittlere Unternehmen interessant geworden ist24. Die SAS zeichnet sich – wie angedeutet – dadurch aus, daß sie den Vertragsparteien ein großes Maß an Vertragsfreiheit einräumt25. Als Preis für diese Vertragsfreiheit bleibt der SAS die Möglichkeit des Börsengangs verschlossen26. Auf Einzelheiten dieser Rechtsform wurde in der Literatur vielfach eingegangen, insbesondere wurde dabei auch mehrfach ein Vergleich mit der „Kleinen AG“ nach deutschem Recht unternommen. Vor allem die Arbeit von Schnurr widmet sich rechtsvergleichend der deutschen „Kleinen AG“ einerseits und der französischen SAS andererseits, so daß an dieser Stelle eine Vertiefung unterbleiben kann und der Verweis auf diese Veröffentlichungen genügen muß27.

3. England England verfolgt, wie bereits erwähnt, traditionell im Gesellschaftsrecht einen Ansatz, der nicht durch einen scharfen Rechtsformdualismus geprägt ist, sondern im Gegensatz dazu auf ein grundsätzlich einheitliches Gesellschaftskonzept ausgerichtet ist, in dem über das anwendbare Recht nach materiellen Kriterien entschieden wird. Hier ist eine neuere Entwicklung bemerkenswert. Innerhalb des materiellen Ansatzes wird nämlich nur noch auf die Börsennotierung als einziges Kriterium abgestellt. England verwendete seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wie auch einige US-amerikanische Bundesstaaten, für die Differenzierung zwischen private ____________ 22

Dazu Guyon, ZGR 1994, 551, 554 mit dem Gesetzestext i.d.F. vom 3. Januar 1994, S. 565 ff.; Schnurr, S. 125; Hommelhoff, AG 1995, 1529, 533 ff.; Hartmann, WM 2000, 1530; Kandler / Seseke, AG 1994, 447. 23 So noch Schnurr, S. 125. 24 So auch Hartmann, WM 2000, 1530, 1531. 25 Ausführlich hier Guyon, ZGR 1994, 551, 554 ff. und Hommelhoff, AG 1995, 1529, 533. 26 Hartmann, WM 2000, 1530, 1531; Schnurr, S. 125; Guyon, ZGR 1994, 551, 554. 27 Guyon, ZGR 1994, 551; Hommelhoff, AG 1995, 529, 533 ff.; Kandler / Seseke, AG 1994, 447 ff; Schnurr, insb. S. 124 ff. wenn auch jeweils noch zur Rechtslage vor der Reform 1999; Hartmann, WM 2000, 1530, 1532 f. zur SAS nach der Reform 1999. Ein knapper Hinweis auf den Zusammenhang von SAS und „Kleiner AG“ findet sich auch bei Lutter, in: FS Vieregge, S. 602, 604.

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company und public company, materielle Kriterien. Bis zum Companies Act 1980 wurde hierbei noch auf drei Kriterien abgestellt: (1) die Beschränkung der Übertragbarkeit der Anteile, (2) die Beschränkung der Anzahl der Gesellschafter auf 50 Personen und (3) der Ausschluß einer öffentlichen Emission der Aktien28. An Stelle dieser Trias ist nun nur noch das Verbot der öffentlichen Emission der Anteile als wesentliches Unterscheidungsmerkmal aufrechterhalten worden (vgl. Sec. 81 Companies Act 1985)29. Das bedeutet, daß in England letztlich nur noch die Frage der Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes darüber entscheidet, welches Recht auf eine konkrete Gesellschaft angewendet wird.

4. Staaten an den Grenzen Europas Am Ende sollen noch zwei Staaten an den Grenzen Europas genannt werden, die in Reformen des Gesellschaftsrechts der letzten Jahre sich ebenfalls dafür entschieden haben, im Gesellschaftsrecht einen materiellen Ansatz, der die anwendbaren Normen am tatsächlichen Schutzbedürfnis der Anleger orientiert, zu verfolgen oder weiterzuverfolgen.

a) Rußland Das erste Land, das hier Erwähnung finden soll, ist Rußland. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des kommunistischen Systems stand Rußland, wie viele andere osteuropäische Staaten vor dem Problem, sein Recht umfassend zu ändern und so an marktwirtschaftliche Gegebenheiten anzupassen30. Dabei wurden die Erfahrungen verschiedener ausländischer Rechtsordnungen herangezogen, ohne daß eine Bindung an einen bestimmten Rechtskreis a priori vorgegeben gewesen wäre31. Rußland hat in seinem Bürgerlichen Gesetzbuch (russ. BGB), das am 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, ebenso wie im Gesetz über Aktiengesellschaften (russ. AktG), das ein Jahr später in Kraft getreten ist, zwei unterschiedliche Typen der Aktiengesellschaft geschaffen: die offene und die geschlossene Akti____________ 28

Birds, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 138, 142. Birds, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 138, 146. 30 Vgl. etwa dazu die Aussage von Greenspan, in: Blumenfeld, 30 Int’l Law. 477 Fußn. 10 (1996). 31 Sehr anschaulich hier Schröder, Jahrbuch für Ostrecht, Bd. 36 (1996), S. 9, 14 für den Einfluß der ausländischen Berater auf das russische Recht. 29

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5. Teil: Ausblick

engesellschaft. Nach Art. 97 Abs. 2 russ. BGB wird die geschlossene Aktiengesellschaft als Gesellschaft definiert, deren Anteile nur an die Gründer oder an einen von vornherein bestimmten Personenkreis veräußert werden dürfen. Der freie Handel der Anteile ist bei dieser Gesellschaftsform verboten. Art. 7 Abs. 3 russ. AktG fordert, daß bei einer geschlossenen Aktiengesellschaft überdies den übrigen Aktionären ein Vorkaufsrecht für die Anteile eingeräumt wird. Schließlich ist auch die Anzahl der Aktionäre auf 50 beschränkt32. Hinsichtlich des grundsätzlichen gesetzgeberischen Ansatzes ebenso wie der gewählten Kriterien im einzelnen besteht also eine Nähe zu den oben beschriebenen33 Gesellschaftsrechten der US-amerikanischen Einzelstaaten bzw. zum Ansatz des anglo-amerikanischen Rechtskreises insgesamt. Zu erwähnen ist aber, daß Rußland neben der Aktiengesellschaft auch die GmbH kennt. Dabei sind die Differenzierungen zwischen beiden Gesellschaftsformen und vor allem das praktische Bedürfnis dafür noch unklar34. Bemerkenswert erscheint, daß sich Rußland für ein System, das innerhalb des Aktienrechts differenziert, entschieden hat. In Anbetracht dessen, daß der Reform zahlreiche – auch rechtsvergleichende – Diskussionen vorausgegangen sind, könnte dies durchaus dafür sprechen, daß ein solches gegenüber einem starren Rechtsformdualismus vorzugswürdig erscheint.

b) Israel Das zweite Land an den Grenzen Europas, das hier angesprochen werden soll, ist Israel. Dort zeigte sich in der jüngsten Reform eine ähnliche Entwicklung wie in England. Israel soll hier vor allem deswegen genannt werden, da das Recht Israels in besonderer Weise als Wettbewerber auch in einem europäischen Wettbewerb der Rechtsordnungen auftreten könnte. Israel ist ein Land, ____________ 32 Vgl. hierzu im einzelnen Rivinius, ROW 1996, 15, 17; Spies, ROW 1996, 130; Lenga, WiRO 1996, 131; Müller/Barthomolmy/Müller, RIW Beilage 1 1996, 4 f.; Hohloch, in: Die neue Kodifikation in Rußland, S. 39, 58 f.; Micheler, WiRO 1996, 81, 82; Bauer, WiRO 1995, 97, 98. 33 Vgl. v.a. oben in § 8. 34 Rivinius, ROW 1996, 15, 17; zu diesem Problem auch Klemm, S. 131 ff., der von Systemwidrigkeit spricht. Zu erwähnen ist jedoch, daß etwa auch in Japan eine Reform des Gesellschaftsrechts dazu führte, daß Sondervorschriften für die personalistische Aktiengesellschaft eingeführt wurden. Das japanische Gesellschaftsrecht kennt ebenso wie das deutsche Recht einen Rechtsformdualismus zwischen Aktiengesellschaft und GmbH. Dieser wurde durch eine Differenzierung innerhalb des Aktienrechts erweitert und überlagert, vgl. dazu Karjala, in: System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 119, 120.

§ 14 Europarechtliche Perspektive

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das einerseits praktisch keine Bodenschätze hat, aber andererseits eine hochentwickelte Wirtschaft besitzt. Es wäre durchaus denkbar, daß – unter der Voraussetzung, daß auch die übrigen Rahmenbedingungen gegeben sind – das Gesellschaftsrecht dieses Landes gewissermaßen zum Exportartikel werden könnte. Bis zur angesprochenen Reform war das Kapitalgesellschaftsrecht in der Companies Ordinance geregelt, die noch aus der britischen Mandatszeit stammte. Diese differenzierte zwischen der private company und der public company anhand ähnlicher Kriterien, wie das damals geltende englische Recht. In einer Reform des israelischen Gesellschaftsrechts durch das Companies Law 5759-1999, das von der Knesseth, dem israelischen Parlament, am 19. April 1999 verabschiedet wurde und am 1. Februar 2000 in Kraft getreten ist, fand eine Neuorientierung in der Abgrenzung beider Gesellschaftsformen statt35. § 1 Companies Law definiert die public company nur noch anhand eines Kriteriums, als Gesellschaft, deren Anteile börsennotiert sind oder die jedenfalls der Öffentlichkeit mittels eines Prospekts, der dem Securities Law 5728-1968 unterliegt, angeboten wurden36. Dieser Bezug auf das securities law spielt dabei nicht nur für die Definition der Gesellschaft eine Rolle. Auch für die Regelungen der public company im einzelnen wird zum Teil ausdrücklich auf das Securities Law 5728-1968 Bezug genommen. Dies gilt etwa hinsichtlich der Sachund Finanzberichte, die eine Gesellschaft regelmäßig abgeben muß. Die §§ 142, 171 lit. a Companies Law verweisen dazu im wesentlichen auf die Anforderungen des Securities Law 5728-1968. Das Companies Law selbst enthält insofern vorrangig Vorschriften für die private company37. Dadurch zeigt sich, daß diese Reform durchaus zu einem weiteren Auseinanderdriften des Rechts führen könnte, in dem für börsennotierte Gesellschaften die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften eine erhebliche Bedeutung haben, die private company dagegen nur das Gesellschaftsrecht berücksichtigen muß.

5. Resümee Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die Neuorientierung im Aktienrecht nicht eine auf Deutschland begrenzte Entwicklung darstellt. Wenn man die Differenzierung des Gesellschaftsrechts nach materiellen Kriterien und vorrangig nach der Frage der Börsennotierung als entscheidend für die Attrakti____________ 35 36 37

Assan/Theiß, RIW 2000, 525; Assan/Theiß, NZG 2001, 49. Assan/Theiß, RIW 2000, 525; Assan/Theiß, NZG 2001, 49, 50. Vgl. Assan/Theiß, RIW 2000, 525, 530.

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5. Teil: Ausblick

vität des Gesellschaftsrechts ansieht, läßt sich bei der hier vorgenommen kursorischen Betrachtung folgendes festhalten: Es gibt zahlreiche Staaten innerhalb Europas und an den Grenzen Europas die diese grundsätzliche Voraussetzung erfüllen oder sie gerade durch eine Reform in den letzten Jahren eingeführt oder weiterentwickelt haben. Diese kann man – wenn man von der oben genannten These ausgeht – durchaus potentiell als ernstzunehmende Wettbewerber in einem als Folge der Globalisierung zu erwartenden „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ ansehen.

B. Rahmenbedingungen des Internationalen Privatrechts Neben der „Wettbewerbsfähigkeit der Mitbewerber“ hängt es maßgeblich von den Regelungen des Internationalen Privatrechts ab, ob überhaupt die rechtlichen Rahmenbedingungen für einem „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ gegeben sind. Diese Rechtsmaterie kam entscheidend durch die „Centros“-Entscheidung des EuGH 1999 sowie deren Folgeentscheidungen „Überseering“ von 2002 und „Inspire Art“ von 2003 in Bewegung38.

I. Sitztheorie zur Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts Das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht ist nicht kodifiziert, sondern beruht auf Regelungen, die von der Rechtsprechung in der Auseinandersetzung mit der Literatur entwickelt worden sind39. Zur Bestimmung der maßgeblichen Anknüpfungspunkte müssen verschiedene Aspekte unterschieden werden: Zunächst kann man erwägen, ob die Frage der Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts von der Gesellschaftsform abhängen soll, also etwa davon, ob es sich bei der entsprechenden Gesellschaft um eine juristische Person oder eine Gesamthandsgesellschaft handelt bzw. ob das Recht für eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft zu bestimmen ist. Im deutschen Recht wird überwiegend die kollisionsrechtliche Gleichbehandlung aller Gesellschaften befürwortet, unabhängig davon, ob es sich um Kapital- oder Personengesellschaften handelt (sog. Einheitslehre im ____________ 38 Vgl. dazu auch statt vieler Bayer, AG 2004, 534; ders., BB 2003, 2357 ff.; ders., BB 2004, 1 ff.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 ff. 39 Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 528; Palandt-Heldrich, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 1; Kropholler, § 55 I, S. 487; Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 4.

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Bezug auf die gesellschaftsrechtlichen Kollisionsnormen)40. Die zweite Frage ist, ob alle gesellschaftsrechtlichen Beziehungen nach einem einheitlichen Standard angeknüpft werden sollen. Auch hier herrscht die Meinung vor, daß der Verband als einheitliches Rechtsgebilde nicht aufgespaltet werden darf und somit alle gesellschaftsrechtlichen Fragen nach dem gleichen Recht beurteilt werden sollen (sog. Einheitslehre im Bezug auf das Gesellschaftsstatut)41. Heftig umstritten ist hingegen eine weitere Frage, die sich mit der Bestimmung des Anknüpfungspunktes im engeren Sinne befaßt und hier im weiteren behandelt werden soll. Ein einheitlicher Anknüpfungspunkt kann grundsätzlich in zweierlei Hinsicht42 bestimmt werden: (1) Traditionell hatte sich die überwiegende Ansicht in der deutschen Rechtsprechung und der Literatur für die sog. Sitztheorie ausgesprochen43. Danach ist auf eine Gesellschaft das Recht desjenigen Staates anwendbar, in dem sie ihren effektiven Verwaltungssitz (siège social) hat44. Die Sitztheorie gilt auch in anderen kontinental-europäischen Staaten, wie etwa in Frankreich und in Belgien45. (2) Die Gegenansicht, die von Teilen der Literatur bevorzugt wird, vertritt die sog. Gründungstheorie. Nach dieser Theorie ist für die Entscheidung des anwendbaren Rechts lediglich maßgeblich, nach dem Recht welchen Staates eine Gesellschaft gegründet ____________ 40 Vgl. Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 533; Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 191 ff. m.w.N. 41 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 533; Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 16. 42 Allgemein werden heute nur noch die Sitztheorie und die Gründungstheorie diskutiert. Erwähnenswert ist gegebenenfalls die im Völkerrecht angesiedelte Kontrolltheorie sowie die Theorien, die sich als Modifikationen v.a. der Gründungstheorie darstellen. Nachfolgend beschränken sich die Ausführungen auf die Sitz- und die Gründungstheorie, vgl. ähnlich Kropholler, § 55 I, S. 486; Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 535; Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 7, 258 ff.; Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 18, 26 ff. Weitere in Betracht kommende Anknüpfungspunkte spricht auch Fikentscher, MDR 1957, 71, 72 an, der zusätzlich staatliche Verleihung, statuarischen Sitz, Nationalität der Gründer oder Mitglieder, Parteiwille und lex contractus nennt. 43 Dies gilt jedenfalls vor den EuGH-Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“. 44 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 533; Kegel/Schurig, § 17 II, S. 502; Kropholler, § 55 I , S. 488 ff.; Palandt-Heldrich, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2; Großfeld / König, IPRax 1991, 380; Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 20, 26 ff.; Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 264, 312 ff. jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen zum Streitstand. 45 Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 312. Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43, 44 zählt hier folgende Länder auf, die die Sitztheorie vertreten: Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Griechenland, Österreich und Portugal. Ähnlich Forsthoff, EuR 2000, 167, 169.

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wurde46. Die Gründungstheorie herrscht im anglo-amerikanischen Rechtskreis vor. Darüber hinaus gilt sie etwa in der Schweiz, in den Niederlanden, in Italien und Japan47. Im einzelnen werden diese grundsätzlich verschiedenen Theorien in Deutschland in vielfachen Modifikationen vertreten, auf die hier nur hingewiesen werden kann48.

1. Die Sitztheorie Im Grundsatz geht die Sitztheorie davon aus, daß derjenige Staat am meisten von einer Gesellschaft betroffen ist und mit ihr die engsten Verbindungen hat, in dem sich ihr effektiver Verwaltungssitz befindet und damit ihr „Lebenszentrum“, wie sich Assmann ausdrückt49. Im Mittelpunkt steht damit ein objektives Merkmal. Ein Vorteil dieser Theorie ist es, daß es hier zu einer einheitlichen Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts kommt, die einen Rückgriff etwa auf den ordre public oder auf Sonderanknüpfungen zumeist überflüssig macht. Auch entspricht diese Theorie weitgehend dem „Kontrollbedürfnis“50 des Staates, in dem die Gesellschaft ansässig ist. Der Staat kann verhindern, daß sich Gesellschaften in seinem Gebiet niederlassen, die nicht von dem von ihm für richtig befundenen Gesellschaftsrecht regiert werden. Jedoch hat diese Theorie auch Nachteile: Zunächst kann die Bestimmung des Sitzes der Gesellschaft zu Unsicherheiten führen. Es kommt nämlich nicht auf den Verwaltungssitz der Gesellschaft an, den diese im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung festgelegt hat, sondern darauf, wo sich die Verwaltung der Gesellschaft tatsächlich befindet. Dieser Ort wird definiert als der „Tätigkeitsort der Gesellschaftsführung und der dazu berufenen Verwaltungsorgane“. Es wird mit anderen Worten danach gefragt, wo „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv und nach außen erkennbar in lau____________ 46

Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 534. Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 266. Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43, 44 f. nennt hier: Dänemark, Schweden, Irland, die Niederlande und die Vereinigten Königreiche. Ähnlich Forsthoff, EuR 2000, 167, 169, der noch Spanien erwähnt. 48 Zu nennen ist hier vor allem die „eingeschränkte Gründungstheorie“ von Behrens, die „Überlagerungstheorie“ von Sandrock, die „Differerenzierungstheorie“ von Graßmann, die Entscheidung nach Fallgruppen nach Wiedemann und die „Kombinationstheorie“ von Zimmer. Vgl. im einzelnen Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 546 ff.; Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 287 ff.; Kegel/Schurig, § 17 II, S. 503; Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 34 ff. und in den Rdnr. 62 ff. zu den Nachteilen der neueren Theorien. 49 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 536. Ähnlich zur Interessenlage auch Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 313. 50 So Kropholler, § 55 I , S. 492. 47

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fende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“51. Die einzelnen Merkmale werden nach der lex fori konkretisiert. Neben den generellen Unsicherheiten, die bei der Bestimmung dieses Ortes bestehen können, weist etwa Borges darauf hin, daß besondere Schwierigkeiten bei sog. „Kleinstunternehmen“ auftreten, bei denen die Geschäftstätigkeit nur gering ausgeprägt ist und die Personen, die für die Geschäftsführung zuständig sind, nur gelegentlich zusammenkommen52. Eine andere Fallgruppe, für die generell eine Bestimmung des Verwaltungssitzes an ihre Grenzen stoßen kann, stellen transnationale Unternehmen dar, die in mehreren Staaten eine umfassende Geschäftstätigkeit haben und deren Geschäftsführung auf mehrere Staaten verteilt ist53. Dem Argument der Unsicherheit bei der Bestimmung des Sitzes wird in der Praxis dadurch entgegengetreten, daß von der Rechtsprechung und Literatur Beweiserleichterungen angenommen werden54. Ein weiterer Nachteil der Sitztheorie, gerade im Hinblick auf eine zunehmende Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft, stellen die Hindernisse bei der Sitzverlegung einer Gesellschaft dar. Jede Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes führt zu einem Statutenwechsel55. Es ändert sich also das auf die Gesellschaft anwendbare Recht. Da aber die Gesellschaft nach dem Recht des früheren Staates organisiert ist, kann dies leicht den Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge haben, was durch eine kostenintensive Umgründung im neuen Sitzstaat zu vermeiden ist. Insgesamt kann man zusammenfassen, daß die Sitztheorie auf Gesellschaften ausgerichtet ist, die vorwiegend in einem einzigen Staat auftreten und weder transnational organisiert sind noch innerhalb ihrer Lebenszeit eine Sitzverlegung planen.

____________ 51 Sog. Sandrock’sche Formel. Zu dieser Definition mit zahlreichen Nachweisen Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 552. Aus der Rechtsprechung ist v.a. auf BGHZ 97, 269, 272 hinzuweisen. Vgl. insgesamt auch Palandt-Heldrich, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2; Kropholler, § 55 I , S. 489; Kegel/Schurig, § 17 II, S. 504; Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 316 und Borges, RIW 2000, 167, 170. 52 Borges, RIW 2000, 167, 171. 53 Borges, RIW 2000, 167, 171. Zu diesem Einwand auch Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 541 und Zimmer, ZHR 164 (2000), 23, 24 f., der als Beispiel die DaimlerChrysler AG nennt, deren Vorstandsmitglieder – auch aufgrund des Einsatzes moderner Kommunikationsmittel – in New York zusammenkommen, während die laufenden Geschäfte von Stuttgart und Auburn Hills (US-Bundesstaat Michigan) ausgeführt werden. 54 Ausführlich dazu bei Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 324 ff. 55 Kropholler, § 55 I , S. 489.

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5. Teil: Ausblick

2. Die Gründungstheorie Die Gründungstheorie ist insgesamt flexibler als die Sitztheorie. Eine Verlegung des tatsächlichen Sitzes, der häufig in einer Verlagerung der Geschäftstätigkeit zu sehen ist, führt zu keinem Statutenwechsel. Damit fördert die Gründungstheorie den Fortbestand der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft56. Auch kann sie eher auf den Willen der Gründer eingehen und knüpft daher an ein subjektives Moment an. Den Gründern ist es so im Grundsatz möglich, sich für ihre Gesellschaft den Staat als gesellschaftsrechtliches Regime auszuwählen, der ihren Bedürfnissen am besten entspricht. Diese Wahl ist zunächst57 unabhängig davon, wo ihre hauptsächliche geschäftliche Tätigkeit ausgeführt werden soll. Die Gründungstheorie führt somit indirekt zu einer Wahlfreiheit des anwendbaren Rechts durch die freie Wahl des Gründungsstaates. Ein weiterer Vorteil der Gründungstheorie liegt in der größeren Rechtssicherheit58. Der Gründungsstaat läßt sich durch einen einfachen Blick in die Gründungsunterlagen bzw. den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung klären. Somit ist die Ermittlung des Personalstatus eindeutiger. Schließlich wird angeführt, daß die Gründungstheorie der juristischen Logik eher entspricht. Eine Gesellschaft ist nicht aus sich heraus rechtsfähig. Vielmehr wird ihr die Rechtsfähigkeit vom Gründungsstaat durch eine gesonderte Konzession oder durch die Erfüllung von Normativbestimmungen verliehen. Danach ist es aber folgerichtig auch später für die Fragen der Rechtsfähigkeit an den Staat anzuknüpfen, der ihr zur Rechtsfähigkeit verholfen hat, also an den Gründungsstaat59. In der beschriebenen Wahlfreiheit der Gründer liegt zugleich der Nachteil der Gründungstheorie60. Diese können sich für einen Staat entscheiden, der außenstehenden Personen, also etwa den Gläubigern und Arbeitnehmern, einen nur geringen Schutz vermittelt. Damit können sie innerstaatliche Ordnungsvorschriften, wie etwa die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland, um____________ 56

Kropholler, § 55 I , S. 492. Einschränkungen gibt es etwa durch das Erfordernis des genuine link, der eine Mindestverbindung zwischen der Gesellschaft und dem Gründungsort fordert, vgl. dazu Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 250 ff. 58 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 543; Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 267. 59 Dazu bereits Fikentscher, MDR 1957, 71, 72. Zu diesem Argument auch Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 268 mit Nachweisen zu den Vertretern. Dagegen bringt Kindler vor, daß es bei der Bestimmung des Anknüpfungspunktes eher um eine rechtspolitische Entscheidung denn um Rechtslogik geht. 60 Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 52. 57

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gehen. Indirekt fördert die Gründungstheorie das Entstehen von Scheinauslandsgesellschaften, sog. „Briefkastenfirmen“61. Wenn der Staat, in dem die Gesellschaft hauptsächlich tätig wird, dies nicht hinnehmen möchte, muß er entweder Sonderanknüpfungen heranziehen, welche eine einheitliche Anknüpfung und ein einheitliches Gesellschaftsstatut in Frage stellen, oder er greift durch den ordre public-Einwand in das ausländische Regelungsregime ein. Auch so kommt es zu Friktionen und Rechtsunsicherheit, die überdies für das Unternehmen wesentlich weniger steuerbar sind als die Bestimmung des Verwaltungssitzes, die bei der Sitztheorie zu Unsicherheiten führt62.

3. Sitztheorie und Gründungstheorie im „Wettbewerb der Rechtssysteme“ Im Zusammenhang mit dem „Wettbewerb der Rechtssysteme“ sind beide Theorien wie folgt zu beurteilen: Es wurde bereits erwähnt63, daß die Bevorzugung der Gründungstheorie in den US-amerikanischen Einzelstaaten eine Grundvoraussetzung für den dargestellten Wettbewerb war. Nur die Möglichkeit, das anwendbare Gesellschaftsrecht weitgehend unabhängig von der tatsächlichen Geschäftstätigkeit zu wählen, kann dazu führen, daß die Gründer den Staat mit dem – aus ihrer Sicht – attraktivsten Gesellschaftsrecht bevorzugen. Die Sitztheorie, die in Deutschland – jedenfalls bis zu den EuGHEntscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ – vorherrschte, wirkt dagegen einem solchen Wettbewerb entgegen. Eine Gesellschaft muß in dem Staat, dessen Recht auf sie anwendbar ist, auch ihren effektiven Verwaltungssitz haben. Dies erscheint ohne jede Geschäftstätigkeit kaum möglich. Eine Mindestvoraussetzung für einen Wettbewerb der Rechtssysteme ist es somit jedenfalls, daß sich das Gesellschaftsstatut nach der Gründungstheorie bestimmt64. ____________ 61 Sehr kritisch hier auch Kegel/Schurig, § 17 II, S. 502 ff. Vgl. auch Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 267 und 269. Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 53 zitiert eine Bemerkung von Wolff, die den Gründern unlautere Motive unterstellt, wenn sie ihre Gesellschaft dem Recht eines anderen Staates unterstellen wollen. So führte Wolff aus: „The reasons why promoters who do business in their own state prefer to subject their corporation to a different law are not always very reputable“. 62 So Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 543 und Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 55 ff. 63 Vgl. oben unter § 11 B. II. 1. b). 64 So auch Merkt, 59 RabelsZ (1995), 545, 560 ff., der in der weiten Verbreitung der Sitztheorie in den europäischen Staaten einen Hinderungsgrund für einen Wettbewerb der Gesetzgeber im Gesellschaftsrecht in Europa sieht.

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5. Teil: Ausblick

II. Europarechtliche Vereinbarkeit der Sitztheorie Die Sitztheorie wurde in Deutschland gerade in den 90er Jahren vermehrt kritisiert. Dabei bezog sich die Kritik weniger auf die Vor- und Nachteile der Sitz- bzw. Gründungstheorie an sich, wie noch in den 60er und 70er Jahren65, sondern vielmehr auf die Möglichkeiten der Sitzverlegung innerhalb der Europäischen Union und den damit verbundenen europarechtlichen Implikationen für das Internationale Gesellschaftsrecht. Wie angesprochen, führt die Verlegung des Verwaltungssitzes66 nach der Sitztheorie zu einem Statutenwechsel. Eine identitätswahrende Sitzverlegung ist nur möglich, wenn sowohl das materielle Gesellschaftsrecht des Staates, aus dem die Gesellschaft wegzieht, als auch das materielle Gesellschaftsrecht des Staates, in den die Gesellschaft zuzieht, den Fortbestand der Gesellschaft nicht ausschließen67. Dies bedeutet, daß das Gesellschaftsrecht des Wegzugsstaates die Gesellschaft nicht zur Auflösung zwingen darf, indem ihr Wegzug als Auflösungstatbestand gesehen wird, und das Gesellschaftsrecht des Zuzugsstaates keine Neugründung verlangen darf. Das deutsche Recht sieht in einer Sitzverlegung aus Deutschland heraus einen zwingenden Grund zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft68. Bei einer Sitzverlegung aus dem Ausland nach Deutschland ist stets eine Neugründung erforderlich. Eine Anerkennung aufgrund des autonomen Kollisionsrechts wird versagt69. Damit bleibt es für Deutschland bei einem Fortbestand der Gesellschaft im Falle einer Sitzverlegung nur, wenn die Anerkennung etwa ____________ 65

Vgl. Zimmer, S. 197. Zimmer, S. 198 ff. unterscheidet hier die gleichzeitige Verlegung von Satzungsund Verwaltungssitz, die seiner Ansicht nach von Sitztheorie und Gründungstheorie gleich behandelt wird und die alleinige Verlegung des Verwaltungssitzes, welche die nachfolgend beschriebenen Probleme aufwirft. 67 Assmann, in: Großkomm. AktG Einl. Rdnr. 554; Kropholler, § 55 I , S. 490; Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43, 46. Auch Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 389 und Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 606 betonen die Notwendigkeit des Zusammenwirkens von neuem und altem Recht. Dort in den Rdnrn. 390 ff. auch zu den verschiedenen Fallgestaltungen. 68 Kropholler, § 55 I, S. 489; Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 634 und Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 41. Dies gilt jedenfalls nach der Rechtsprechung des BayObLG ausdrücklich auch nach den EuGH-Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, vgl. BayObLG, NJW-RR 2004, 836 ff. zustimmend etwa Weller, DStR 2004, 1218 ff. 69 So Zimmer, S. 201 und Großfeld, in: Staudinger, EGBGB/IPR, IntGesR, Rdnr. 642 f.; vgl. auch Kropholler, § 55 I , S. 490 und Großfeld / König, IPRax 1991, 380, 381, die eine analoge Anwendung der Vorschriften über die formwechselnde Umwandlung (§§ 190 ff. UmwG) genügen lassen und keine Neugründung fordern. 66

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durch einen Freundschaftsvertrag geregelt ist. Zu nennen sind beispielsweise der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA geschlossene Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 und der Niederlassungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien vom 23. April 197070. Im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit in den Art. 43, 48 EG wurde von einem Teil der Literatur71 etwa ab Mitte der 80er Jahre vertreten, daß die Sitztheorie einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstelle, da sie die identitätswahrende Sitzverlegung innerhalb der Europäischen Union verhindere. Der andere Teil der Literatur sah dagegen keinen solchen Verstoß72. Eines der Hauptargumente73 für diese Gegenmeinung war, daß Art. 48 EG, der hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit die Gleichstellung aller „nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben mit natürlichen Personen ..., die Angehörige der Mitgliedstaaten sind“, keine unmittelbare Wirkung für die Gesellschaften entfalte, sondern bloße Programmsätze enthalte. Art. 44 Abs. 2 lit. g EG gebe Rat und Kommission die Kompetenz, gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zu koordinieren, um einen einheitlichen Schutz zu gewährleisten. Erst nach einer solchen Koordinierung könnte die Freizügigkeit voll verwirklicht werden und erst dann könnten sich die Gesellschaften unmittelbar auf sie berufen. Dem ist entgegen zu halten, daß diese Ansicht Art. 48 EG und Art. 43 EG somit unterschiedlich auslegt. Dies widerspricht jedoch dem Wortlaut und dem Sinn beider ____________ 70 Zimmer, S. 200 f. Dazu auch ausführlich Steiger, RIW 1999,. 169, 170. Zur Ableitung von Kollisionsnormen aus diesen Verträgen ablehnend Kegel / Schurig, § 17 II, S. 515. Für weitere Abkommen mit kollisionsrechtlichen Folgen vgl. Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 239. Dort in den Rdnrn. 241 ff. auch ausführlich zur Frage der Anerkennung von Gesellschaften im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr. 71 Zum Streitstand Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 358. Vgl. im einzelnen etwa Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 42; Kruse, EWS 1998, 444, 445; Deville, RIW 1986, 298 f.; ausführlich zu den gemeinschaftsrechtlichen Fragestellungen Forsthoff, EuR 2000, 167 ff.; Sandrock, BB 1999, 1337, der der Ansicht ist, daß die Sitztheorie „Rechtsgeschichte“ ist, da sie einen Verstoß gegen Art. 48 EG darstellt; ähnlich Niessen, AG 1986, 116; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 342 ff.; Schümann, EuZW 1994, 269, 272 ff.; Bungert, AG 1995, 489, 496 und Blaurock, ZEuP 1998, 460, 482. 72 Palandt-Heldrich, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2; Kindler, RIW 2000, 649 ff.; Kindler, NJW 2999, 1993 ff.; Ebke, JZ 1999, 656, 660; Großfeld, IPRax 1986, 145 f. und 351 ff.; Ebke, ZGR 1987, 245, 249 ff.; Ebenroth, JZ 1988, 18, 24; StaudingerGroßfeld, IntGesR, Rdnr. 124, Sonnenberger, ZVglRWiss 1996, 3, 19 und aus der Rechtsprechung statt vieler OLG Hamm, RIW 1997, 874; OLG Düsseldorf, JZ 2000, 203 mit Anmerkung von Ebke, JZ 2000, 203 ff. und OLG Brandenburg ZIP 2000, 1616. 73 Vgl. hier Zimmer, S. 202, an den sich die nachfolgende Darstellung anlehnt.

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5. Teil: Ausblick

Vorschriften, da beide als Einheit zu sehen sind74. Inzwischen wurde auch die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 48 EG durch die Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich bestätigt75. Das zweite Argument mit dem ein Verstoß der Sitztheorie gegen Art. 48 EG abgelehnt wird, ist, daß dessen gesellschaftskollisionsrechtliche Relevanz bestritten wird. Art. 48 EG beziehe sich nach seinem Wortlaut auf „nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben“. Somit werden also die verschiedenen möglichen Anknüpfungspunkte aufgezählt und einander gleichgestellt. Daher lasse sich aus dem Gemeinschaftsrecht selbst nicht die Bevorzugung der Gründungstheorie vor der Sitztheorie ablesen. Die verschiedenen Theorien stünden sich vielmehr neutral gegenüber. Im übrigen werde durch Art. 48 EG auch nicht die Anerkennung von Gesellschaften gefordert, sondern vielmehr vorausgesetzt76. Das Gesellschaftskollisionsrecht bzw. die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften sei dagegen in Art. 293 Spiegelstrich 3 EG angesprochen. Diese Vorschrift sehe die Möglichkeit eines Übereinkommens über die Anerkennung von Gesellschaften vor. Zu dem Abschluß eines solchen Übereinkommens ist es bisher nicht gekommen77. Jedoch ist die vorangehende Argumentation nicht zwingend. Auch wenn Art. 293 EG die Möglichkeit einer speziellen Regelung vorsieht, ist damit noch nicht die Relevanz des Art. 48 EG in dieser Frage ausgeschlossen. Die angesprochene Aufzählung in Art. 48 EG kann auch so gedeutet werden, daß schon der satzungsmäßige Sitz in der Gemeinschaft genügt, um die Freizügigkeit in Anspruch zu nehmen78. Dies ist aber mit der Sitztheorie nicht möglich, da eine Inanspruchnahme der Freizügigkeit – also die Verlegung des Sitzes – regelmäßig zur Auflösung der Gesellschaft führt. Der EuGH hat sich wiederholt mit Fragen aus dem Rechtskreis der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften und deren kollisionsrechtlichen Behandlung beschäftigt79. Zu nennen sind hier insgesamt vier Entscheidungen: die Ent____________ 74

So Deville, RIW 1986, 298, 299. Vgl. EuGH, NJW 1987, 571 – „Segers“; EuGH, NJW 1989, 2186 – „Daily Mail“ sowie zustimmend etwa Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 367 m.w.N. 76 Zimmer, S. 203. 77 Hierzu auch Zimmer, S. 203 Fußn. 29. Vgl. zu einem Richtlinienvorentwurf vom 22. April 1997, der sich mit der Verlegung des Gesellschaftssitzes innerhalb der EU befaßt, Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43, 51 f. 78 Deville, RIW 1986, 298, 299. 79 Zu den Urteilen im einzelnen Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 359 ff. 75

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scheidung „Daily Mail“ aus dem Jahre 1988 (unter 1.), die „Centros“-Entscheidung aus dem Jahre 1999 (unter 2.), die „Überseering“-Entscheidung aus dem Jahre 2002 (unter 3.) und die „Inspire Art“-Entscheidung aus dem Jahre 2003 (unter 4.). Ein abschließender Abschnitt (unter 5.) befaßt sich mit den Folgen der Entscheidungen aus den letzten Jahren, die in der Literatur äußerst heftig diskutiert werden.

1. Die „Daily Mail“-Entscheidung des EuGH Der EuGH hat sich mit Fragen der Sitzverlegung in seinem Urteil vom 27. September 1988 – Rs. 81/8780, der Entscheidung „Daily Mail“, auseinandergesetzt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gesellschaft Daily Mail and General Trust PLC, die nach englischem Gesellschaftsrecht organisiert war, wollte ihren Sitz aus Großbritannien in die Niederlande verlegen. Nach englischem Gesellschaftsrecht ist eine Sitzverlegung unter Wahrung der Rechtspersönlichkeit und der Eigenschaft als Gesellschaft englischen Rechts möglich. Das Steuerrecht verlangt aber, daß für die Aufgabe des steuerlichen Sitzes der Gesellschaft die Zustimmung der englischen Steuerbehörden eingeholt werden muß. Eine solche Zustimmung hat die Gesellschaft beantragt, sie wurde aber von dem Finanzministerium abgelehnt. Hintergrund der Verlegung war nämlich, daß die Gesellschaft einen Teil ihres Vermögens verkaufen wollte, ohne daß dies steuerrechtliche Konsequenzen haben sollte. In Großbritannien wäre die geplante Veräußerung ein steuerbarer Vorgang gewesen, nicht dagegen in den Niederlanden. Im Rechtsstreit vor dem High Court of Justice, Queen’s Bench Division, berief sich die Gesellschaft als Klägerin auf Art. 52, 58 E(W)G, die jetzigen Art. 43, 48 EG, und argumentierte, daß sich aus der Niederlassungsfreiheit das Recht der Sitzverlegung ableiten lasse und somit das Zustimmungserfordernis als Eingriff in diese Grundfreiheit europarechtswidrig sei. Dem widersprach Großbritannien mit dem Hinweis, daß man aus dem Vertrag kein allgemeines Recht zur Sitzverlegung ableiten könne. Die entsprechenden Fragen wurden dem EuGH vorgelegt. Der EuGH schloß sich im Grundsatz der Ansicht Großbritanniens an. Zwar sei die Niederlassungsfreiheit eine grundlegende Bestimmung des Gemeinschaftsrechts und ein vollständiges Verbot in einen anderen Mitgliedstaat „umzuziehen“ würde sicher für ein Unternehmen einen schwerwiegenden Eingriff in diese Freiheit darstellen. Ein Unternehmen könne aber auch durch die Grün____________ 80

EuGH, IPRax 1989, 381 = NJW 1989, 2186.

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5. Teil: Ausblick

dung von Zweigniederlassungen, Tochtergesellschaften oder Agenturen in anderen Mitgliedstaaten von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen. Lediglich eine Verlegung des Sitzes unter Wahrung der Rechtspersönlichkeit als Gesellschaft des englischen Rechts werde durch die entsprechende Steuervorschrift beeinträchtigt. Dies sei aber zulässig, da „Gesellschaften aufgrund einer Rechtsordnung, beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts aufgrund einer nationalen Rechtsordnung, gegründet [werden]. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, haben sie keine Realität“81. Im übrigen würden in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verschiedene Theorien zur Bestimmung des auf die Gesellschaften maßgeblichen Rechts vertreten. Die Verlegung des Verwaltungssitzes könne sogar die Liquidation der Gesellschaft bedeuten. Nach Art. 52 E(W)G-V (jetzt: 43 EG) seien alle unterschiedlichen Anknüpfungspunkte grundsätzlich gleichwertig, ein allgemeines Recht zur Sitzverlegung lasse sich somit aus der Niederlassungsfreiheit nicht ableiten. Der EuGH führt aus, daß „die Artikel 52 und 58 EWG-Vertrag [jetzt: Art. 43, 48 EG, die Verfasserin] beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet ist und in diesem ihren satzungsmäßigen Sitz hat, nicht das Recht gewähren, den Sitz ihrer Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen“82. In der zitierten Aussage war indirekt die Frage der Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit durch den EuGH bejaht worden. Durch diese Entscheidung über steuerliche Wegzugsschranken war zugleich eine Aussage über eine Beschränkung der Verlegung des Sitzes durch das Internationale Privatrecht ebenso wie über Zuzugsschranken generell getroffen83. Die Entscheidung wurde jedoch häufig so ausgelegt, daß die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Angleichung der materiellen Gesellschaftsrechtsordnungen schwindet. Vor allem Großfeld sah daher in der Sitztheorie eine „Theorie auf Zeit“84.

____________ 81

EuGH, IPRax 1989, 381, 382. Vgl. EuGH, IPRax 1989, 381, 382. 83 So auch Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 363. 84 So Großfeld, AG 1987, 261, 263; Großfeld / König, IPRax 1991, 380; Großfeld/König, RIW 1992, 432, 435. Zustimmend auch Zimmer, S. 205 f. m.w.N. Ähnlich Sonnenberger, ZVglRWiss 1996, 3, 21, der ausführt, daß mit der „fortschreitenden Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte der EG-Mitgliedstaaten ... innerhalb der EG die rechtspolitische Rechtfertigung der Sitztheorie zwangsläufig schwächer“ wird. 82

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2. Die „Centros“-Entscheidung des EuGH Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 9. März 1999, Rs. C-212/97, der sog. „Centros“-Entscheidung85, erneut Gelegenheit, zu einer Frage des Internationalen Gesellschaftsrechts Stellung zu nehmen. Auch in dieser Entscheidung ging es um eine in England und Wales eingetragene Gesellschaft, eine private limited company, die Centros Ltd. Diese Gesellschaft wurde von einem Ehepaar gegründet. Beide Ehepartner waren dänische Staatsangehörige und auch in Dänemark ansässig. Sie wollten keine Geschäftstätigkeit in Großbritannien aufnehmen. Bei der Gründung der Centros Ltd. ging es ihnen lediglich darum die englische Gesellschaftsform zu nutzen, die nur ein ausgesprochen geringes Mindestkapital von 100 englischen Pfund vorsieht. Überdies mußte dieses Kapital nicht einmal tatsächlich eingezahlt werden, um eine Haftungsbeschränkung zu erlangen. Das Ehepaar beantragte nun die Eintragung einer Zweigniederlassung dieser Gesellschaft bei der dänischen Zentralverwaltung, was grundsätzlich von § 117 des dänischen GmbH-Gesetzes gestattet ist. Die Zentralverwaltung lehnte jedoch die Eintragung ab. Die Eheleute hätten nämlich eine Gesellschaft nach englischem Recht nur deshalb gewählt, um das nach dänischem Recht vorgeschriebene Mindestkapital von 200.000 dänischen Kronen zu umgehen. Nachdem eine Geschäftstätigkeit in Großbritannien nicht geplant sei, gehe es in Wahrheit nicht um eine Zweigniederlassung in Dänemark, sondern um einen Hauptgeschäftssitz. Die Centros Ltd. erhob gegen diese Entscheidung Klage und argumentierte damit, daß sie als in Großbritannien rechtmäßig gegründete Gesellschaft nach Art. 43, 48 EG das Recht habe, eine Zweigniederlassung zu errichten. Durch die Entscheidung der Zentralverwaltung werde ihre Niederlassungsfreiheit verletzt. Ob eine Geschäftstätigkeit in Großbritannien vorliege, sei für die Niederlassungsfreiheit ohne Bedeutung. Die Zentralverwaltung dagegen berief sich darauf, daß Art. 43, 48 EG nicht berührt seien, da es um eine Umgehung des im nationalen Recht vorgeschriebenen Mindestkapitalerfordernisses gehe. Das zuständige dänische Gericht legte die Frage dem EuGH vor. Der EuGH entschied zugunsten der Gesellschaft. Es gehe hier um die Errichtung einer Zweigniederlassung, was unter das Gemeinschaftsrecht falle und von Art. 43, 48 EG erfaßt sei. Sowohl der Umstand, daß die Eheleute in Großbritannien nicht geschäftlich tätig werden wollten, als auch ihr Wunsch, die Mindestkapitalerfordernisse des dänischen Rechts zu vermeiden, ändere nichts daran, daß die Niederlassungsfreiheit berührt sei. Durch die Weigerung der Zentralverwaltung würden die Eheleute an der Wahrnehmung dieser Grundfrei____________ 85

EuGH, DNotZ 1999, 593.

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5. Teil: Ausblick

heit gehindert werden. Zwar erkenne auch der EuGH an, daß ein mißbräuchlicher Gebrauch der Grundfreiheiten nicht zulässig sei. Nachdem die Anforderung eines Mindestkapitals aber eine Vorschrift sei, die das Gesellschaftsrecht, nicht aber die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit berühre, liege hier keine mißbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit vor. Das dänische Ehepaar mache nämlich genau von seinem Recht, das ihm durch den EG-Vertrag zugestanden ist, Gebrauch, indem es in einem Mitgliedstaat eine Niederlassung gründe und in einem anderen daraufhin eine Zweigniederlassung. Für ein mißbräuchliches Verhalten genüge es noch nicht, daß die Gesellschaft im Staat der Hauptniederlassung keine Tätigkeit entfalte. Dies hatte der EuGH bereits in dem Urteil „Segers“ aus dem Jahre 198686 entschieden87. Der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit sei im übrigen auch nicht nach Art. 46 EG gerechtfertigt. Die dänischen Gläubiger wären ebenso gefährdet, wenn die Gesellschaft in Großbritannien auch geschäftlich tätig geworden wäre, so daß die Maßnahme schon nicht geeignet sei, um dänische Gläubiger zu schützen. Ausdrücklich weist der EuGH darauf hin, daß die Gläubiger durchaus anderweitige Schutzmöglichkeiten haben, da sie sich etwa entsprechende Sicherheiten einräumen lassen könnten88. Im übrigen führt der EuGH aus, daß den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gewährt werde, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Betrügereien zu verhindern oder zu verfolgen. Dies spezifiziert er jedoch nicht genauer89. Die „Centros“-Entscheidung des EuGH ist von Literatur und Rechtsprechung, nicht nur in Deutschland sehr kontrovers aufgenommen worden. Darauf wird unter 5. eingegangen90.

3. Die „Überseering“-Entscheidung des EuGH Schon kurze Zeit nach der „Centros“-Entscheidung konnte sich der EuGH wiederum zu Fragen des internationalen Gesellschaftsrechts äußern, nämlich in seiner Entscheidung vom 5. November 2002, Rs. C-2008/00, der „Überseering“-Entscheidung91. ____________ 86

EuGH, NJW 1987, 571, 572. EuGH, DNotZ 1999, 593, 598 m.w.N. 88 EuGH, DNotZ 1999, 593, 599. 89 EuGH, DNotZ 1999, 593, 599. 90 Die Literatur zur „Centros“-Entscheidung ist Legion. Vgl. zu ausführlichen Literaturhinweisen Palandt-Heldrich, Anh zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2. Vgl. zu einer Würdigung unten unter 5. 91 EuGH, IPRax 2003, 65 ff. 87

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In dieser Entscheidung ging es um eine Gesellschaft niederländischen Rechts, der Überseering B.V., die in das Handelsregister von Amsterdam und Haarlem eingetragen war. Diese Gesellschaft erwarb in Deutschland ein Grundstück, das von ihr gewerblich genutzt wurde. Mit Generalübernehmervertrag vom 27. November 1992 beauftragte die Überseering B.V. die Nordic Construction Company Baumanagement GmbH, eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, mit der Ausführung von Bauarbeiten. Die Leistungen wurden erbracht, die Überseering B.V. machte aber Mängel geltend. Im Dezember 1994 wurden sämtliche Gesellschaftsanteile der Überseering B.V. von zwei in Düsseldorf wohnhaften deutschen Staatsangehörigen erworben und auf diese übertragen. Nachdem es zwischen den Vertragsparteien außergerichtlich zu keiner Klärung des Streits gekommen war und die Nordic Construction Company Baumanagement GmbH den Mängeln nicht abhalf, verklagte die Überseering B.V. ihre Vertragspartnerin auf Zahlung von 1.163.657,77 DM zuzüglich Zinsen als Kostenersatz für die Beseitigung der behaupteten Mängel sowie der Folgeschäden. Die Klage blieb sowohl vor dem Landgericht Düsseldorf als auch vor dem OLG Düsseldorf ohne Erfolg. Das OLG Düsseldorf argumentierte dabei, daß durch den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile von deutschen Staatsangehörigen, die in Deutschland wohnhaft waren, die Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hätte. Nach der Sitztheorie sei die Gesellschaft wegen der Sitzverlegung nicht rechtsfähig und somit in einem Prozeß auch nicht parteifähig92 Mit Beschluß vom 30. März 2000 legte der siebte Senat des BGH (Baurechtssenat) dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vor, ob die Sitztheorie im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit stehe und ob Art. 43, 48 EG einen Übergang zur Gründungstheorie gebieten93. Der BGH macht in seinem Beschluß klar, daß er weiterhin die Sitztheorie für richtig erachte. Zum einen sei er der Meinung, daß die Rechtsverhältnisse einheitlich angeknüpft werden sollten, so daß Lösungsansätze, die verschiedene Bereiche unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstellen, ausscheiden. Eine einheitliche Anknüpfung an das Recht des Gründungsstaates hätte zur Folge, daß im Ergebnis für die Gründer hinsichtlich des anwendbaren Gesellschaftsrechts Wahlfreiheit herrschen würde. Dadurch könnten aber die Interessen dritter ____________ 92

OLG Düsseldorf, JZ 2000, 203. BGH, DB 2000, 1114. Im übrigen hat auch das AG Heidelberg am 3. März 2000 die Frage dem EuGH vorgelegt, ZIP 2000, 1617. Der EuGH hat die Vorlage mit Beschluß vom 10. Juli 2001 als unzulässig zurückgewiesen, mit der Begründung, daß das AG Heidelberg im vorliegenden Fall als Handelsregister handelte und damit als Behörde und nicht als Gericht i.S.d. Art. 234 EG, NZG 2001, 1027. 93

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5. Teil: Ausblick

Personen gefährdet werden, wobei vor allem die Gläubiger aber auch die Minderheitsgesellschafter oder die Arbeitnehmer betroffen wären, und somit die Interessen des Sitzstaates insgesamt. Der BGH sieht zusammengefaßt in einem Übergang zur Gründungstheorie eine Gefahr. Er führt dazu aus: „Es ist zu befürchten, daß sich im dergestalt eröffneten ‘Wettbewerb der Rechtsordnungen’ gerade die Rechtsordnung mit dem schwächsten Schutz dritter Interessen durchsetzen würde (‘race to the bottom’)“. Zum Problem der Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EG, rekurriert der BGH auf die „Daily Mail“-Entscheidung und die „Centros“-Entscheidung, um dann auf das strittige Verhältnis beider Entscheidungen hinzuweisen. Nachdem der BGH dieses Verhältnis als entscheidungserheblich betrachtete, legte er die entsprechenden Fragen dem EuGH zur Entscheidung vor. Nachdem der Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in seinen Schlußanträgen vom 4. Dezember 200194 der Beantwortung der Frage, ob die Sitztheorie mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, ausgewichen ist, hat der EuGH die Frage jedenfalls im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit ausländischer Gesellschaft klar beantwortet. Zunächst führte der EuGH aus, daß die „Daily Mail“-Entscheidung, die von der Beklagtem im Ausgangsverfahren sowie von der deutschen, der italienischen und der spanischen Regierung zur Rechtfertigung der Entscheidung angeführt wurde, einen anderen Fall betroffen hätte. Dort wäre es um eine Gesellschaft gegangen, die aus dem Staat, in dem sie gegründet ist, wegziehen wollte. In diesem Zusammenhang habe der EuGH anerkannt, daß eine Gesellschaft „jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, keine Realität hat“95. Der EuGH habe darin weiterhin festgestellt, daß sich die Möglichkeit des Wegzugs nach nationalem Recht beurteilt und ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, einer nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes aus seinem Hoheitsgebiet aufzuerlegen96. Im vorliegenden Fall gehe es aber um den Zuzugs einer in einem Mitgliedstaat wirksam gegründeten Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat. Diese Frage sei in „Daily Mail“ nicht behandelt. Die Ausgangssituation sei hier, daß das niederländische Recht nicht davon ausgehe, daß durch den Erwerb der Geschäftsanteile durch deutsche Staatsangehörige ein Verlust der Rechtsper____________ 94 95 96

EuGH GA, ZIP 2002, 75 ff. EuGH, IPRax 2003, 65, 71. EuGH, IPRax 2003, 65, 72.

§ 14 Europarechtliche Perspektive

679

sönlichkeit der Gesellschaft eingetreten ist. Wenn das deutsche Recht der Gesellschaft keine Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit zubillige und dadurch letztlich fordere, daß die Gesellschaft in Deutschland neu zu gründen sei, wäre dies eine Negierung der Niederlassungsfreiheit97. Die Weigerung eines Staates die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft anzuerkennen, die nach ausländischem Recht wirksam gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, weil sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in sein Hoheitsgebiet verlegt habe, ist eine mit Art. 43 und 48 EG nicht vereinbare Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Zwar lasse sich nicht ausschließen, daß zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer oder auch des Fiskus unter bestimmten Umständen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten. Keine Rechtfertigung könne es aber dafür geben, „daß eine Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit abgesprochen wird. Eine solche Maßnahme kommt nämlich der Negierung der den Gesellschaften in den Art. 43 EG und 48 EG zuerkannten Niederlassungsfreiheit gleich“ 98. Auf der Basis dieses EuGH-Urteils hat der BGH in seiner Entscheidung vom 13. März 200399 das Berufungsurteil des OLG Düsseldorfs aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das ursprüngliche Urteil, das auf die Sitztheorie gestützt sei, sei mit der in Art. 43 und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar. Ausdrücklich wies der VII. Senat eine Entscheidung des II. Senats (Gesellschaftsrechtssenat) vom 1. Juli 2002 zurück. Dieser ist im Falle einer Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes nach Deutschland davon ausgegangen, daß die ausländische Gesellschaft nach deutschem Recht jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft sei und damit vor den deutschen Gerichten aktiv und passiv rechtsfähig100. Auch die Behandlung als Personengesellschaft würde die Niederlassungsfreiheit der ausländischen Kapitalgesellschaft beeinträchtigen, „weil sie damit in eine andere Gesellschaftsform mit besonderen Risiken, wie zum Beispiel Haftungsrisiken, gedrängt“ werde101. Daraus folgert der VII. Senat des BGH, ____________ 97 98 99 100 101

EuGH, IPRax 2003, 65, 72. EuGH, IPRax 2003, 65, 72. BGH, NJW 2003, 1461. BGH, IPRax 2003, 62 ff. BGH, NJW 2003, 1461.

680

5. Teil: Ausblick

daß die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht beurteilt werden müsse, nach dem sie gegründet worden ist.

4. Die „Inspire Art“-Entscheidung des EuGH Nicht einmal ein Jahr nach der „Überseering“-Entscheidung führte der EuGH durch seine Entscheidung vom 30. September 2003, Rs. C-167/01, der „Inspire Art“-Entscheidung102, seine Rechtsprechung zum Internationalen Gesellschaftsrecht fort. In dieser Entscheidung geht es um die Gesellschaft Inspire Art Ltd. Diese Gesellschaft wurde als Gesellschaft englischen Rechts am 28. Juli 2000 mit Sitz in Folkestone (Großbritannien) gegründet. Der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft lebt in den Niederlanden. Die Gesellschaft nahm am 17. August 2000 ihre Geschäfte auf und hat eine Zweigniederlassung in Amsterdam. Diese Zweigniederlassung ist im Handelsregister der Handelskammer Amsterdam eingetragen. Die Handelskammer machte nun geltend, daß es sich bei der Gesellschaft um eine sog. „formal ausländische Gesellschaft“ nach Art. 1 des niederländischen Gesetzes über formal ausländische Gesellschaften (Wet op de formeel biutenlandse vennootschap – WFBV) vom 17. Dezember 1997 handele. Eine „formal ausländische Gesellschaft“ ist danach definiert als eine nach einem anderen als dem niederländischen Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausübt und daneben zu dem Staat, in dem sie gegründet wurde, keine tatsächlichen Bindungen mehr hat. Nach Art. 2 WFBV muß eine „formal ausländische Gesellschaft“ mit einem entsprechenden Zusatz eingetragen werden. Art. 3–5 WFBV erlegt solchen Gesellschaften weitere Pflichten auf, die etwa das Mindestkapital sowie die Erstellung, Gestaltung und Offenlegung von Jahresabschlüssen betreffen. Die Handelskammer verlangt nun, daß auch bei der Inspire Art Ltd. ein entsprechender Zusatz ins Handelsregister eingetragen werde. Die Inspire Art Ltd. gibt an, daß die Voraussetzungen des Art. 1 WFBV in ihrem Fall nicht erfüllt sein. Hilfsweise beruft sie sich darauf, daß das WFBV gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG verstoße. Das Kantongerecht Amsterdam bejahte, daß Inspire Art Ltd. eine „formal ausländische Gesellschaft“ nach Art. 1 WFBV sei. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des WFBV bzw. der Folgepflichten aus Art. 2–5 WFBV mit dem Gemeinschaftsrecht setzte es das Verfahren aus und legte die Frage dem EuGH vor. ____________ 102

EuGH, IPRax 2004, 46 ff.

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Der EuGH stellte zunächst fest, daß eine Reihe der Verpflichtungen, die das WFBV aufstellt auf EU-Richtlinien, insbesondere der Elften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Offenlegung von Zweigniederlassungen vom 21. Dezember 1989 (89/666/EWG), die sog. „Zweigniederlassungsrichtlinie“ beruhen. Insoweit liege keine Behinderung der Niederlassungsfreiheit vor. Soweit die Offenlegungspflichten aber über diese Richtlinie hinausgingen, seien sie jedenfalls mit der Richtlinie unvereinbar. Ziel der Zweigniederlassungsrichtlinie war es die Offenlegung für Zweigniederlassungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Daher ist diese abschließend. Die Mitgliedstaaten können keine weitergehenden Offenlegungspflichten vorsehen103. Die anderen Verpflichtungen des WFBV maß der EuGH an der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG und Art. 48 EG. Zunächst hat der EuGH darauf hingewiesen, daß er bereits in der „Centros“-Entscheidung darauf eingegangen ist, daß es ohne Belang ist, daß eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet wird und die Geschäftstätigkeit ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte. Ein Mißbrauch liege auch dann nicht vor, wenn dadurch die Vorschriften eines strengeren Gesellschaftsrechts „umgangen“ werden sollen104. Das WFBV führe dazu, daß Vorschriften des niederländischen Rechts über das Mindestkapital oder der Haftung des Geschäftsführers zwingend auf ausländische Gesellschaften angewendet werden. Darin läge aber eine Behinderung der im EG-Vertrag anerkannten Niederlassungsfreiheit, so daß das WFBV die Art. 43 EG und 48 EG verletze. Auch in der „Inspire Art“-Entscheidung setzt sich der EuGH mit dem Vorliegen von Rechtfertigungsgründen auseinander. Die niederländische Regierung berief sich auf den Gläubigerschutz, die Bekämpfung einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit, die Erhaltung der Wirksamkeit von Steuerkontrollen und die Lauterkeit des Handelsverkehrs als zwingende Gründe des Allgemeinwohls. Wie schon in der „Centros“-Entscheidung und in der „Überseering“-Entscheidung lehnte der EuGH das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen für den konkreten Fall ab. Der Gläubigerschutz sei kein zwingender Grund des Allgemeinwohls, weil die Gesellschaft Inspire Art Ltd. im Rechtsverkehr als Gesellschaft englischen Rechts auftrete. Ein potentieller Gläubiger müßte darüber unterrichtet sein, daß diese Gesellschaft anderen Rechtsvorschriften unterliege wie niederländische Gesellschaften. Im übrigen könne er sich auf bestimmte gemeinschaftsrechtliche Schutzregelungen der ____________ 103 104

EuGH, IPRax 2004, 46, 51. EuGH, IPRax 2004, 46, 53.

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5. Teil: Ausblick

Vierten und Elften Richtlinie berufen105. Wie schon in Centros betonte der EuGH, daß auch von einem Mißbrauch nicht ausgegangen werden könne. Wenn der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates eine Gesellschaft gründe und in einem anderen Mitgliedstaat tätig wäre, übe er lediglich die Niederlassungsfreiheit aus. Auch die Kriterien der Erhaltung der Wirksamkeit von Steuerkontrollen und der Lauterkeit des Handelsverkehrs könnten im konkreten Fall die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen. Weder die Handelskammer noch die niederländische Regierung hätten dargetan, inwieweit die Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung erfüllt sein. Insgesamt stellt der EuGH damit fest, daß das WFBV zum Teil gegen die Zweigniederlassungsrichtlinie verstoße und zum Teil die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG und Art. 48 EG in nicht gerechtfertigter Weise einschränke.

5. Zusammenfassende Würdigung der „Centros“-Entscheidung, der „Überseering“-Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung des EuGH Die EuGH-Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ sind in der Literatur und Rechtsprechung in Deutschland sehr kontrovers aufgenommen worden. Die Literatur dazu ist Legion106. An dieser Stelle kann unmöglich eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Positionen im einzelnen vorgenommen werden, so daß eine Beschränkung auf grundsätzliche Aspekte erfolgen muß.

a) Reaktionen nach der „Centros“-Entscheidung In ihrer rechtlichen Reichweite war die „Centros“-Entscheidung am umstrittensten. Die Rechtsprechung in Deutschland hatte auch nach der „Centros“-Entscheidung des EuGH ganz überwiegend107 die Auffassung vertreten, daß die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG durch die Sitztheorie nicht verletzt werde. So hat etwa das OLG Düsseldorf im Urteil vom 10. September 1998 – ____________ 105

EuGH, IPRax 2004, 46, 55. Vgl. statt vieler die ausführlichen Literaturhinweise bei Palandt-Heldrich, Anh zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 6–9. 107 Unklar ist etwa die Position des LG München I, RIW 1999, 146, 147. 106

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5 U 1/98, der Vorinstanz zur „Überseering-Entscheidung“, wie erwähnt, – die Klage einer niederländischen Gesellschaft, die vor einem deutschen Gericht klagen wollte, als unzulässig abgewiesen, da sie als Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in der Deutschland nach der Sitztheorie nicht rechtsfähig und somit in einem Prozeß auch nicht parteifähig sei108. Ebenso entschied das OLG Brandenburg in einem Urteil vom 31. Mai 2000109 über die Klage einer irischen Handelsgesellschaft. Das Gericht verneinte die Parteifähigkeit. Auch die „Centros“-Entscheidung ändere daran nichts, da die Vorlagefrage eine wirksam gegründete ausländische Gesellschaft betraf, woran es, nach der Sitztheorie des deutschen Rechts hier fehle. In dem Beschluß des OLG Hamm vom 1. Februar 2001 – 15 W 390/00110 und dem Beschluß des OLG Düsseldorf vom 26. März 2001 – 3 Wx 88/01111 ging es jeweils um die Sitzverlegung einer in Deutschland gegründeten GmbH nach England (OLG Hamm) bzw. in die Niederlande (OLG Düsseldorf). Beide Gerichte gingen davon aus, daß diese Sitzverlegung zur Auflösung der Gesellschaft führt und deshalb in das Handelsregister nicht eingetragen werden kann. Die „Centros“-Enscheidung gebiete hier keine abweichende Beurteilung112. Anders entschied dies indes der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) in seinem Beschluß vom 15. Juli 1999 – 6 Ob 123/99b113. Dieser sah in der Entscheidung des EuGH eine Kehrtwende in der Beurteilung der Sitztheorie und folgerte daher, daß die auch in Österreich vertretene Sitztheorie mit der im EG-Vertrag eingeräumten Niederlassungsfreiheit im Widerspruch stehe114. Er ging hier aber irrtümlich davon aus, daß Dänemark ebenso wie Österreich die Sitztheorie vertritt. Der OGH sah in seiner Entscheidung die in Art. 48 EG aufgezählten Anknüpfungspunkte als gleichwertig an. Zugleich habe aber die Niederlassungsfreiheit das Ziel allen Gesellschaften zugute zu kommen, die den Sitz nicht notwendigerweise im Gründungsstaat haben115. Die Nichtanerkennung der Rechtspersönlichkeit einer nach Gründungstheorie errichteten Gesellschaft in einem Staat, der die Sitztheorie vertritt, müßte somit der Niederlassungsfreiheit widersprechen. Der EuGH gewähre Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates rechtswirksam gegründet seien, die Möglichkeit auch dann Zweigniederlassungen zu errichten, wenn sie im ____________ 108 109 110 111 112 113 114 115

OLG Düsseldorf, JZ 2000, 203. OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616. OLG Hamm, ZIP 2001, 791. OLG Düsseldorf, WM 2002, 1008. OLG Düsseldorf, WM 2002, 1008, 1009 und OLG Hamm, ZIP 2001, 791, 792. Österr. OGH, JZ 2000, 199. Österr. OGH, JZ 2000, 199. Österr. OGH, JZ 2000, 199, 200.

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5. Teil: Ausblick

Gründungsstaat nur den satzungsmäßigen Sitz haben, dort jedoch nicht geschäftlich tätig werden wollen. Dies sei aber bei der Sitztheorie nicht möglich, da danach der tatsächliche Hauptverwaltungssitz maßgeblich sei, unabhängig davon, welcher Sitz in der Satzung stehe. Bemerkenswert erscheint, daß der OGH die Frage über die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Wie erwähnt, setzt das österreichische Gericht voraus, daß Dänemark ebenso wie Österreich die Sitztheorie vertritt, und lehnt die Vorlage daher wegen der „völligen Vergleichbarkeit“ beider Fälle ab116. Die Literatur in Deutschland hat die „Centros“-Entscheidung kontrovers beurteilt. Einige Stimmen in der Literatur folgerten bereits aus der „Centros“Entscheidung die europarechtliche Unvereinbarkeit der Sitztheorie117. Dabei stützen sie sich maßgeblich auf Aussagen des EuGH, wie die folgende: „Ein Mitgliedstaat, der die Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft verweigert, die in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, rechtmäßig errichtet worden ist, aber keine Geschäftstätigkeit entfaltet, verstößt gegen Art. 52 und 58 EGV [jetzt: Art. 43 und 48 EG], wenn die Zweigniederlassung es der Gesellschaft ermöglichen soll, ihre gesamte Geschäftstätigkeit in dem Staat auszuüben, in dem diese Zweigniederlassung errichtet wird, ohne dort eine Gesellschaft zu errichten und damit das dortige Recht über die Errichtung von Gesellschaften zu umgehen, das höhere Anforderungen an die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals stellt“118. Wenn man vor dieser Aussage die Folgen der Sitztheorie bedenkt, kann man durchaus aufgrund des Leitsatzes zur europarechtlichen Unvereinbarkeit der Sitztheorie kommen. Die Sitztheorie führt nämlich genau dazu, daß eine Gesellschaft über die Zweigniederlassung nicht ihre gesamte Geschäftstätigkeit abwickeln kann. Hierin wäre eine Sitzverlegung zu sehen, die jedenfalls in Deutschland zu einer Auflösung der Gesellschaft führen würde. Im übrigen wird von diesen Vertretern gefolgert, daß die Aussage des EuGH auch nicht lediglich die sekundäre Niederlassungsfreiheit betreffe, also das Recht Niederlassungen zu gründen, sondern auch unmittelbar auf die primäre Niederlassungsfreiheit durchschlage, die es allen Gesellschaften ermöglicht, sich überall in der europäischen Gemeinschaft nieder____________ 116

Österr. OGH, JZ 2000, 199, 201. Freitag, EuZW 1999, 267, 268. Vgl. auch Neye, EWiR Art. 52 EGV 1/99, 259; Leible, NZG 1999, 300, 301 f.; Meilicke, DB 1999, 627 f.; Sedemund / Hausmann, BB 1999, 810 und Gruber, NJ 1999, 476. Ähnlich Geyrhalter, EWS 1999, 201, 203 und Roth, ZIP 1999, 861, 867. Unter ausführlicher Auseinandersetzung mit Art. 48, 43 EG auch Forsthoff, EuR 2000, 167, 181. 118 EuGH, DNotZ 1999, 593 f. Auf diesen Leitsatz stützt sich maßgeblich Freitag, EuZW 1999, 267. Ähnlich Neye, EWiR Art. 52 EGV 1/99, 259, 260 und Sedemund / Hausmann, BB 1999, 810. 117

§ 14 Europarechtliche Perspektive

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zulassen119. Der EuGH erwähnt zudem in der „Centros“-Entscheidung mit keinem Wort die „Daily Mail“-Entscheidung. Dies wird als „beredtes Schweigen“120 gesehen, das eine implizite Abkehr von der Entscheidung „Daily Mail“ und deren Aussagen darstellen soll121. Der vorbeschriebenen Ansicht ist jedenfalls zuzugeben, daß durch die fehlende Erwähnung der Vorgängerentscheidung zumindest auf den ersten Blick unklar ist, in welchem Verhältnis beide Entscheidungen zueinander stehen122. Wenn man allerdings die Entscheidung „Centros“ genau betrachtet, erschließt sich, daß der EuGH in der Sache nicht von seinen Aussagen in „Daily Mail“ abgerückt ist. Die Entscheidung trifft nämlich überhaupt keine Aussage darüber, ob die Sitztheorie immer noch mit dem Europarecht vereinbar ist. Zum einen geht es hierin nicht um die identitätswahrende Sitzverlegung einer Gesellschaft innerhalb der Europäischen Union, sondern um die bloße Gründung einer Zweigniederlassung. Wichtiger ist aber, daß sowohl England als auch Dänemark die Gründungstheorie vertreten123. Dies wurde vom österreichischen OGH falsch beurteilt. Die Ausgangslage in der Entscheidung war also, daß nach dänischem Internationalen Gesellschaftsrecht eine wirksam gegründete Gesellschaft vorlag. Die dänischen Behörden wollten aber die Zweigniederlassung gleichwohl nicht eintragen und beriefen sich hierzu auf den Einwand des Rechtsmißbrauchs. Die Vorfrage einer wirksamen Gründung der Gesellschaft war dagegen nicht Vorlagefrage beim EuGH124. Der EuGH hatte lediglich festgestellt, daß ein Mitgliedstaat einer wirksam gegründeten Gesellschaft keine Hindernisse in den Weg stellen darf. In diesem Urteil war somit nur die sekundäre Niederlassungsfreiheit betroffen, also die Freiheit, Zweigniederlassungen zu gründen125. Wenn man den Sachverhalt aber nach Deutschland überträgt, würde es aus Sicht der Sitztheorie bereits an einer wirksam gegründeten Gesellschaft fehlen. Die Gründung einer Zweigniederlassung, um am Ort dieser Niederlassung die ____________ 119

Freitag, EuZW 1999, 267, 269. So Puszkajler, IPRax 2000, 79. 121 Freitag, EuZW 1999, 267, 269. 122 Mäsch, JZ 2000, 201, 202. 123 Vgl. auch; Mäsch, JZ 2000, 201; Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43, 45. Dies wurde von Freitag, EuZW 1999, 267 auch gesehen, ohne daß er jedoch die nötigen Konsequenzen daraus gezogen hat. Keine Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslage auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts dagegen bei Sedemund / Hausmann, BB 1999, 810, der fälschlich annimmt, Dänemark folge der Gründungstheorie. Ohne jede Aussage dazu Neye, EWiR Art. 52 EGV 1/99, 259 und Gruber, NJ 1999, 476. 124 Palandt-Heldrich, Anh zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2. 125 So auch Mäsch, JZ 2000, 201. Ähnlich Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43, 49. 120

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5. Teil: Ausblick

gesamte Geschäftstätigkeit auszuüben, würde als Verlagerung des effektiven Verwaltungssitzes interpretiert werden, was zu einem Statutenwechsel führt, der für das deutsche Recht mit einem Verlust der Rechtsfähigkeit einhergeht. Die Frage des Mißbrauchs würde sich somit überhaupt nicht mehr stellen126. Für eine unmittelbare Übertragung der Aussagen auf die primäre Niederlassungsfreiheit finden sich jedoch im Urteil keine hinreichenden Anhaltspunkte. Nach der „Centros“-Entscheidung war somit zunächst einmal davon auszugehen, daß sich bei zutreffender Interpretation durch die Entscheidung unmittelbar für die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit nichts geändert hatte127. Dies änderte sich jedoch mit der „Überseering“-Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung in den folgenden Jahren.

b) Reaktionen nach der „Überseering“-Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung Bei den Reaktionen auf die „Überseering“-Entscheidung und die „Inspire Art“-Entscheidung“ des EuGH sind mehrere Aspekte zu unterscheiden. Soweit es um die Behandlung ausländischer Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geht, die ihren effektiven Sitz nach Deutschland verlegt haben, wird ganz überwiegend davon ausgegangen, daß die Sitztheorie aufgegeben werden muß [dazu unter aa)]. Weitaus umstrittener ist aber, ob für die Sitztheorie im deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht überhaupt weiterhin Raum verbleibt. Zum einen wird die sachliche Reichweite der Aufgabe der Sitztheorie diskutiert [dazu unter bb)], zum anderen die räumliche Reichweite [dazu unter cc)].

aa) Aufgabe der „Sitztheorie“ für Zuzugsfälle nach Deutschland Die unmittelbare Reaktion des BGH (VII. Senat) auf die „Überseering“-Entscheidung des EuGH wurde bereits oben128 im Zusammenhang mit der „Überseering“-Entscheidung selbst erläutert. Ebenso wie der BGH hat auch die unterinstanzliche Rechtsprechung in Deutschland überwiegend gefolgert, daß ____________ 126

Ähnlich Mäsch, JZ 2000, 201. So auch Kindler, in: MünchKomm BGB, IntGesR Rdnr. 368 und 371, der in der „Centros“-Entscheidung eine mittelbare Bestätigung des Standpunkts aus „Daily Mail“ sieht. Zimmer, ZHR 164 (2000), 23, 33 betont, daß es in der „Centros“-Entscheidung nur um die sekundäre Niederlassungsfreiheit gehe. Ähnlich Hoor, NZG 1999, 984, 986, der ebenfalls folgert, daß die „Centros“-Entscheidung nicht zu einer Abkehr von der Sitztheorie zwingt. 128 Unter 3. 127

§ 14 Europarechtliche Perspektive

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die Sitztheorie aufgegeben werden muß, soweit es um die Beurteilung einer im EU-Ausland wirksam gegründeten Gesellschaft geht, die ihren effektiven Sitz nach Deutschland verlegt hat („Zuzugsfälle“)129. Die Literatur hat vor allem die „Überseering“-Entscheidung als maßgebliche Leitentscheidung des internationalen Gesellschaftsrechts gesehen. Paefgen sieht in der Entscheidung einen „Gezeitenwechsel im deutschen und europäischen Gesellschaftskollisionsrecht“130. Roth spricht von einem „Meilenstein in der Entwicklung nicht nur der Niederlassungsfreiheit, sondern auch und vor allem des Internationalen Gesellschaftsrechts in der Gemeinschaft“131. Der Ausspruch der Unvereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit wurde dabei überwiegend begrüßt132. Schulz und Sester133 führen aus, daß bislang die Sitztheorie häufig als „automatische Sanktion“ für eine verfehlte Rechtswahl der Gründer eingesetzt wurde. Dagegen habe der EuGH klargestellt, daß es innerhalb von Europa keine „verfehlten Rechtsordnungen“ gebe. „Die Niederlassungsfreiheit und der Respekt der einzelnen mitgliedschaftlichen Rechtsordnungen voreinander gebiete es, die Rechtsordnungen der anderen Partner in der EU als gleichwertig anzuerkennen“ 134.

____________ 129

So ausdrücklich etwa KG, ZIP 2003, 2297 für die Eintragung einer Zweigniederlassung ins Handelsregister, wenn sich der tatsächliche Verwaltungssitz allein am Ort der Zweigniederlassung befindet sowie BayObLG, NZG 2002, 290 im Hinblick auf die Grundbuchfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft, die ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat. Abweichend dagegen LG Frankenthal, BB 2003, 542 mit der EG-rechtlich nicht haltbaren Begründung, daß die „Normen des europäischen Rechts nicht dazu mißbraucht werden [dürfen], die deutschen Gründungsvorschriften zu umgehen“ mit ablehnender Besprechung von Leible / Hoffmann, BB 2003, 543 ff. 130 Paefgen, WM 2003, 561. 131 Roth, IPRax 2003, 117, 119. Ähnlich Behrens, EuZW 2002, 737, der der Ansicht ist, daß das Urteil „einen Meilenstein auf dem Weg zu einer Befreiung der Unternehmen von den Fesseln des nationalen Kollisionsrechts“ darstellt. 132 So etwa Schulz / Sester, EWS 2002, 545; Paefgen, WM 2003, 561, 568; Von Halen, WM 2003, 571, 573; Roth, IPRax 2003, 117, 119; Forsthoff, DB 2002, 2471, 2472; Lutter, BB 2003, 7, 9; Heidenheim, NZG 2002, 1141, 1143; Spindler / Berner, RIW 2003, 949 ff.; Altmeppen, NJW 2004, 97 ff.; Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 159 ff.; Behrens, EuZW 2002, 737, bereits für die Aufgabe der Sitztheorie nach den Schlußanträgen des Generalanwalts Sandrock, BB 2002, 1601 ff., kritisch zur EuGHEntscheidung Kindler, NJW 2003, 1073; zu der Beurteilung des Urteils von verschiedenen Seiten auch Rehberg, IPRax 2003, 175 im Tagungsbericht zu einem Symposium zur „Überseering“-Entscheidung. 133 Schulz / Sester, EWS 2002, 545. 134 Schulz / Sester, EWS 2002, 545, 550.

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5. Teil: Ausblick

Kritischer ist dagegen Kindler135. Unter Berufung auf die BGH-Entscheidung vom 1. Juli 2002 begründet er, daß Deutschland gerade kein Staat sei, der beim Zuzug einer Gesellschaft dieser die Rechts- und Parteifähigkeit abspreche. Eine derartige Gesellschaft behalte die Rechts- und Parteifähigkeit, auch wenn sich dies nach der Sitzverlegung aus dem deutschen Recht ergebe. Über andere Fragen des deutschen Sachrechts habe der EuGH nicht zu befinden136. Nach Ansicht von Kindler sei das Gründungsstatut nur dann maßgeblich, wenn mit einem Statutenwechsel automatisch der Verlust der Rechtsund Parteifähigkeit einhergehen. Dies sei aber nach deutschem Recht nicht der Fall. Es ist durchaus fraglich, ob der BGH die Frage der Rechtsfähigkeit und damit Parteifähigkeit einer nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft dem EuGH hätte vorlegen müssen bzw. ob er seine Vorlage nicht hätte zurückziehen können137. Der siebte Senat des BGH hätte die konkrete entscheidungserhebliche Frage ähnlich wie kurz danach der zweite Senat des BGH unter Hinweis auf die Rechts- und damit Parteifähigkeit der Überseering B.V. als rechtsfähige Personengesellschaft lösen können. Die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit war nicht entscheidungserheblich. Gleichwohl geht Kindler wohl zu weit, wenn er annimmt, daß auch nach der Entscheidung des EuGH weiterhin ein Festhalten an der Sitztheorie möglich wäre. Der EuGH führt folgendes aus: „Überseering, die in den Niederlanden wirksam gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, genießt aufgrund der Art. 43 EG und Art. 48 EG das Recht als Gesellschaft niederländischen Rechts in Deutschland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). Wenn es Art. 43 und 48 EG aber gebieten, daß die Gesellschaft als „Gesellschaft niederländischen Rechts“ anerkannt werden muß, spricht sich der EuGH eindeutig gegen die Zulässigkeit eines Statutenwechsel bei einem Zuzug aus. Eine ausländische Gesellschaft kann daher, nach der „Überseering“-Entscheidung nicht mehr als deutsche Personengesellschaft anerkannt werden138.

____________ 135

Kindler, NJW 2003, 1073. Kindler, NJW 2003, 1073, 1076. 137 Für letztere Ansicht sprechen sich etwa Lutter, BB 2003, 7, 8 und Knapp, DNotZ 2003, 85, 89 aus. 138 Ausführlich zu dieser Frage Zimmer, BB 2003, 1 ff., der der hier vertretenen Auffassung zustimmt; ähnlich Lutter, BB 2003, 7, 9; Kersting, NZG 2003, 9; Geyrhalter / Gänßler, NZG 2003, 409, 410; Schanze / Jüttner, AG 2003, 30, 32 f.; Knapp, DNotZ 2003, 85, 89; Roth, IPRax 2002, 117, 123. 136

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bb) Streit um die sachliche Reichweite der Aufgabe der Sitztheorie Unklar ist bei der „Überseering“-Entscheidung ebenso wie bei „Inspire Art“Entscheidung geblieben, welche Reichweite diese Entscheidungen in sachlicher Hinsicht haben. Zum einen geht es um die Frage, ob aus den Entscheidungen entnommen werden kann, daß auch der Wegzug einer Gesellschaft gemeinschaftsrechtlich ohne zwingende Auflösung möglich sein müsse [dazu unter (1)]. Zum anderen ist unklar, wieweit das innerstaatliche Recht unter Berufung auf zwingende Grenzen des Gemeinwohls die Niederlassungsfreiheit einschränken dürfe [dazu unter (2)].

(1) Wegzug einer Gesellschaft im Lichte des Gemeinschaftsrechts Über den Wegzug einer deutschen GmbH hatten die deutschen Gerichte nach der „Überseering“-Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung des EuGH bereits zu entscheiden. Zu nennen ist hier vorrangig der Beschluß des BayObLG vom 11.2.2004 – 3 Z BR 175/03139. Darin ist das BayObLG zum Ergebnis gekommen, daß die EuGH-Rechtsprechung nicht für die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer in Deutschland gegründeten GmbH ins Ausland gelte. Maßgeblich sei für diese Frage nicht das Internationale Gesellschaftsrecht, sondern vielmehr das deutsche Sachrecht. Aus § 4a GmbHG folge aber, daß eine GmbH einen Sitz im Inland haben müsse140. Offengelassen hat das BayObLG die Frage, ob ein Gesellschafterbeschluß über eine Sitzverlegung einer GmbH ins Ausland als Auflösungsbeschluß zu werten ist und entsprechend § 241 Nr. 3 AktG als nichtig anzusehen sei. Jedenfalls sei die Sitzverlegung nicht in das Handelsregister einzutragen141. Auch die Rechtsprechung des EuGH gebiete keine andere Beurteilung. Der EuGH habe in seiner neuen Rechtsprechung seine frühere „Daily Mail“-Entscheidung nicht aufgehoben, sondern indirekt bestätigt, so daß eine Beschränkung des Wegzugs weiterhin zulässig seien. Zuzustimmen ist dem BayObLG soweit dieses die Entscheidung des EuGH auslegt. Der EuGH hat in der „Überseering“-Entscheidung bestätigt, daß „ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, einer nach seiner Ordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen ____________ 139 140 141

BayObLG, DStR 2004, 1224. BayObLG, DStR 2004, 1224, 1225. BayObLG, DStR 2004, 1224, 1226.

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5. Teil: Ausblick

Verwaltungssitzes aus seinem Hoheitsgebiet aufzuerlegen, damit sie die ihr nach dem Recht dieses Staates zuerkannte Rechtspersönlichkeit beibehalten kann“142. Anders wird man den EuGH schwerlich verstehen können143. Ohne daß an dieser Stelle, die Frage nach der Behandlung von Wegzugsfällen abschließend beurteilt werden soll, wird man mit Lutter darauf hinweisen müssen, daß das Verbot einer „Auswanderung“ von deutschen Gesellschaften letztlich unseren Gesellschaften im europäischen Wettbewerb schaden wird und daher – de lege ferenda – zu überdenken ist144.

(2) Grenzen der Niederlassungsfreiheit wegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls In der „Überseering“-Entscheidung hat sich die deutsche Regierung hilfsweise darauf berufen, daß zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliege, diese Beschränkung aber ohne Diskriminierung angewendet werde, durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei und in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehe. Auch wenn der EuGH im konkreten Fall diese Rechtfertigung nicht als gegeben ansah, hat er doch anerkannt, daß es sich nicht ausschließen lasse, daß „zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer oder auch des Fiskus, unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können“145. In der Literatur wurde in Folge der „Überseering“-Entscheidung diskutiert, wie solche „zwingenden Gründe des Allgemeinwohls“ beschaffen sein müssen, um konkret eine Einschränkung zu rechtfertigen. Im folgenden wird auf den Gläubigerschutz [unter (a)] und die Arbeitnehmermitbestimmung [unter (b)] als wichtigste potentielle Rechtfertigungsgründe eingegangen. Es wird dabei skiz____________ 142

EuGH, IPRax 2003, 65, 71 f. Ähnlich auch Binz / Mayer, GmbHR 2003, 249, 255; Kallmeyer, DB 2002, 2521, 2522; Roth, IPRax 2002, 117, 121; Horn, NJW 2004, 893, 897 und Van Halen, WM 2003, 571, 574, die jeweils die unterschiedliche Behandlung von Zuzugs- und Wegzugsfällen kritisieren und z.T. auch die Berufung des EuGH auf fehlende Kompetenzen zur Regelung der Wegzugsfälle als nicht überzeugend ansehen. Anders offensichtlich Schulz / Sester, EWS 2002, 545, 550, ohne sich mit den Aussagen der „Überseering“Entscheidung insoweit auseinander zu setzen. Zweifelnd wie der EuGH wirkliche gesellschaftsrechtliche Zuzugsschranken beurteilen würde Behrens, IPRax 2003, 193, 205; ähnlich Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 159, 175 ff. 144 Lutter, BB 2003, 7, 10. 145 EuGH, IPRax 2003, 65, 73. 143

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ziert, wie eine Regelung beschaffen sein könnte, damit sie den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen könnte146. Eine andere Frage, die hier nicht behandelt wird, ist, welche Regelungen man rechtspolitisch für opportun betrachtet. Ebenso wenig werden andere mögliche Rechtfertigungsgründe, wie etwa Interessen des Fiskus oder Interessen der Minderheitsgesellschafter angesprochen. Soweit es um Interessen des Fiskus geht, wird es sich meist um steuerrechtliche Vorschriften handeln. Diese im Rahmen dieser Arbeit zu behandeln würde sicher zu weit gehen. Die Interessen der Minderheitsgesellschafter werden in der Praxis in aller Regel eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen. Hierzu hat schon Knobbe-Keuk147 1990 darauf hingewiesen, daß die Tatsache, daß die Minderheitsgesellschafter Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft seien, auf einer privatautonomen Entscheidung beruht. Eine Sonderanknüpfung aus Gründen des Schutzes der Minderheitsgesellschafter würde eine solche privatautonome Entscheidung mißachten. Zudem fallen gerade in den Bereich der Innenbeziehung auch eine Anzahl von angeglichenen Rechtsmaterien148.

(a) Gläubigerschutz als Rechtfertigung Den Gläubigerschutz als „zwingenden Grund des Allgemeinwohls“ hat der EuGH sowohl in der „Centros“-Entscheidung, als auch in der „Überseering“Entscheidung und der „Inspire Art“-Entscheidung abgelehnt. In der „Inspire Art“-Entscheidung hat er ausgeführt, daß die Frage, ob die Vorschriften über ein Mindestkapital überhaupt für die Gläubiger einen geeigneten Schutzmechanismus darstellen, dahingestellt bleiben kann. In jedem Fall seien potentielle Gläubiger durch die Firmierung der Gesellschaft hinreichend darüber unterrichtet, daß es sich um einen Gesellschaft ausländischen Rechts handele. Dann müßten die Gläubiger aber auch damit rechnen, daß die Gesell____________ 146

Hinzuweisen ist darauf, daß viele Stimmen in der Literatur generell eine Rechtfertigung im Hinblick auf zwingende Gründe des Allgemeinwohls ausschließen, so wohl Schulz / Sester, EWS 2002, 545, 551.; Binz / Mayer, GmbHR 2003, 249, 256 f.; anders Van Halen, WM 2003, 571, 577, der für die Mindestkapitalvorschriften und die Arbeitnehmermitbestimmung eine Rechtfertigung sieht. Vgl. zu dieser Frage auch Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325–345 ff.; Geyrhalter / Gänßler, NZG 2003, 409, 411; Forsthoff, DB 2002, 2471, 2477; Horn, NJW 2004, 893, 898 ff.; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 ff.; Spindler / Berner, RIW 2004, 7, 10 ff.; Altmeppen, NJW 2004, 97, 100 ff.; Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 159, 180 ff. 147 ZHR 154 (1990), 325, 346. Ihr zustimmend Schulz / Sester, EWS 2002, 545, 551. Ähnlich Paefgen, DB 2003, 487, 489. 148 Vgl. dazu auch Paefgen, DB 2003, 487, 489 m.w.N.

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5. Teil: Ausblick

schaft anderen Rechtsvorschriften unterliege, als inländische Gesellschaften149. Schon in der „Centros“-Entscheidung hatte der EuGH überdies darauf hingewiesen, daß sich die Gläubiger auf bestimmte gemeinschaftsrechtliche Schutzregelungen der Vierten und Elften Richtlinie berufen und verlassen könnten150. Der Einwand des EuGH, daß die Gläubiger durch die Firmierung in ausreichender Weise darüber informiert sind, daß es sich um eine ausländische Gesellschaft handele, die anderen Rechtsvorschriften unterliege, ist nicht in jedem Fall überzeugend. Zwar ist es dem EuGH zuzugestehen, daß vertragliche Gläubiger durch die Firmierung „gewarnt“ werden. Doch – mit Roth151 – ist darauf hinzuweisen, daß die Firmierung das Informationsproblem noch nicht löst, da von einem Gläubiger nicht erwartet werden kann, daß er die Schutzmechanismen aller gemeinschaftsrechtlichen Gesellschaftsrechte kennt. Er wird also vor dem Vertragsabschluß Rechtsrat zum ausländischen Recht einholen müssen, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist und nicht in jedem Fall einfach zu erlangen sein wird152. Zudem besteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Absicherung der Forderungen eines Gläubigers nicht, wenn es sich um Gläubiger aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, etwa aus Deliktsrecht handelt. Daher erscheint es nicht ausgeschlossen, daß auch unter Verweis auf den Gläubigerschutz eine gesonderte Regelung, die einen Ausgleich für ein gegebenenfalls geringes ausländisches Grundkapital darstellt, nicht per se unzulässig wäre. Es müßte sich aber um eine Regelung handeln, die sich auf alle ausländischen Gesellschaften bezieht, unabhängig davon, wo sie ihren effektiven Verwaltungssitz haben, da sich die gleichen Probleme bei Gesellschaften ausländischen Rechts stellen, die auch in ihrem Heimatland erhebliche Geschäftstätigkeit haben. Noch vorteilhafter wäre es, Regelungen unabhängig davon, ob es sich um eine ausländische oder inländische Gesellschaft handelt, eingreifen zu lassen. Zudem könnte auch eine erweiterte Anwendung von Vorschriften zum Haftungsdurchgriff oder der Vorschriften über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen eine Abhilfe schaffen153. Eine andere Möglichkeit – außerhalb ____________ 149

EuGH, IPRax 2004, 46, 55. EuGH, IPRax 2004, 46, 55 sowie in der „Centros“-Entscheidung, EuGH, NJW 1999, 2027, 2029. 151 Roth, IPRax 2002, 117, 124. Von dem Informationsproblem spricht auch Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1619. 152 Ähnlich Roth, IPRax 2002, 117, 124. 153 Van Halen, WM 2003, 571, 577 sieht einen Lösungsweg in der Anwendung einer unbeschränkten, proratarischen Innenhaftung der Gesellschafter wie bei der Vor-GmbH. Ähnlich Paefgen, DB 2003, 487, 491; Schanze / Jüttner, AG 2003, 30, 34 f.; Altmeppen, NJW 2004, 97, 101 ff.; kritischer wohl Zimmer, BB 2003, 1, 4; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 ff. und Spindler / Berner, RIW 2004, 7, 11. Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 150

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des Gesellschaftsrechts – wäre die Einführung bestimmter Versicherungspflichten zur Absicherung von Gläubigern aus gesetzlichen Schuldverhältnissen.

(b) Mitbestimmung als Rechtfertigung Auch die Unternehmensmitbestimmung könnte als Rechtfertigung einer Einschränkung der Niederlassungsfreiheit angeführt werden. Bislang wählt die deutsche Mitbestimmung einen rechtsformspezifischen Regelungsansatz und kommt daher nur bei Gesellschaften zur Anwendung, die deutschem Recht unterliegen. Es ist aber durchaus denkbar, diesen Ansatz so zu verändern, daß die mitbestimmungsrechtlichen Regelungen auf alle Gesellschaften Anwendung finden, die eine bestimmte Schwelle (z.B. mehr als 500 Arbeitnehmer in Deutschland) überschreiten. Zuzugeben ist, daß diese Einführung der Mitbestimmung auch bei ausländischen Gesellschaften zu Schwierigkeiten führen kann, wenn diese Gesellschaften keinen dem Aufsichtsrat entsprechendes Organ haben154. Zum einen ist aber zu bedenken, daß eine deutsche GmbH im Regelfall ebenfalls keinen Aufsichtsrat hat. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG und § 6 MitbestG ordnen aber an, daß eine GmbH, die der Mitbestimmung unterliegt, einen Aufsichtsrat bilden muß, und verweisen für die Bestimmungen über den Aufsichtsrat partiell ins Aktienrecht. Auch dies wäre – unter einer gegebenenfalls notwendigen ipr-rechtlichen Angleichung – durchaus auch für ausländische Gesellschaften denkbar155. Zum anderen gibt es nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Europäische Gesellschaft ohnehin die Situation, daß ggf. deutsche monistisch organisierte Gesellschaften bzw. Gesellschaften mit Sitz im Ausland der deutschen Mitbestimmung unterliegen. Dafür enthält das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) vom 22. Dezember 2004156 nähere Einzelheiten. Im Grundsatz geht das Gesetz von einer Verhandlungslösung aus, um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu gewährleisten. In den §§ 22–33 SEBG sind aber auch Regelungen für eine SE-Betriebsrat vorgesehen, die dann Anwendung finden, wenn die Parteien dies vereinbaren bzw. ____________ 159, 181 ff. sehen eine Möglichkeit, nur in Mißbrauchs- oder Betrugskonstellationen Abhilfe zu schaffen. Vgl. eine Entscheidung, in der der BGH eine Handelndenhaftung bei einer englischen Ltd. prüft, im Ergebnis aber verneint, BGH, NJW 2005, 1648 mit einer Besprechung Eidenmüller, NJW 2005, 1618 ff. 154 Roth, IPRax 2002, 117, 125 und Van Halen, WM 2003, 571, 577. 155 Ähnlich Roth, IPRax 2002, 117, 125 mit weiteren Hinweisen, der allerdings auch die Probleme eines solchen „Aufpfropfen“ deutscher Mitbestimmung anspricht. Kritisch auch Paefgen, DB 2003, 487, 491 f. 156 BGBl. I 2004, 3686.

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die Verhandlung in der im Gesetz vorgesehenen Zeit zu keiner Vereinbarung kommen. Eine vergleichbare Regelung, wie sie im SE-Beteiligungsgesetz für Europäische Gesellschaften vorgesehen ist, wäre im Grundsatz durchaus generell für ausländische Gesellschaften denkbar, wenn sie eine festgelegte Schwellenwert an Arbeitnehmern überschreiten157. Rechtspolitisch bestünde allerdings die Gefahr, daß ausländische Gesellschaften die Arbeitsplätze aus Deutschland abziehen, um unter die Schwellenwerte zu fallen und damit die deutsche Mitbestimmung zu vermeiden.

cc) Räumliche Reichweite der Aufgabe der Sitztheorie Umstritten ist des weiteren, ob die Sitztheorie auch außerhalb der räumlichen Reichweite der EuGH-Entscheidungen aufgegeben werden soll. Die „Überseering“-Entscheidung ebenso wie die „Inspire Art“-Entscheidung gelten unmittelbar lediglich im Hinblick auf die anderen EU-Staaten. Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 28. Mai 2003 – 23 U 35/02158 ausgesprochen, daß die Grundsätze der „Überseering“-Entscheidung des EuGH zur Anerkennung ausländischer Gesellschaften auch auf eine in einem EWRStaat wirksam gegründete Gesellschaft übertragbar ist. Im konkreten Fall ging es um eine Gesellschaft aus Liechtenstein. Diese Entscheidung wurde durch den BGH in seinem Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 372/03159 bestätigt. Hinzuweisen ist darauf, daß es gemeinschaftsrechtlich unmittelbar nur geboten ist, die Sitztheorie im Hinblick auf andere EU-Staaten aufzugeben. Für außereuropäische Gesellschaften kann das deutsche Recht durchaus weiterhin die Sitztheorie anwenden. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Spaltung des Internationalen Privatrechts je nachdem, ob es sich um europäische Gesellschaft (also EU und ggf. EWR) oder außer-EU-rechtliche Gesellschaften handelt, wirklich ein rechtspolitisch gewünschtes Ergebnis darstellt. Wenn man für den Schutz der Gläubiger und der Arbeitnehmer innerhalb der EU nach anderen Ansätzen und Lösungswegen sucht, würde es sich anbieten, diese auch auf andere ausländische Gesellschaften anzuwenden. Ansonsten würde das Internationale Privatrecht sowie das nationale Recht unnötig verkompliziert. Letztlich kann hier diese Frage nicht ausführlich diskutiert oder gar abschließend entschieden werden. Die Rechtsprechung und die Literatur werden sich – ____________ 157 158 159

Ähnlich wohl Schanze / Jüttner, AG 2003, 30, 35 f. OLG Frankfurt, IPRax 2004, 56. BGH, NJW 2005, 3351 ff.

§ 14 Europarechtliche Perspektive

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gerade auch im Hinblick auf außerhalb des EWR liegenden Staaten – in der Zukunft weiterhin damit beschäftigen müssen160.

C. „Race to the bottom“ als Gefahr in Europa? Der BGH sieht in seinem Vorlagebeschluß vom 30. März 2000 in einem Übergang von der Sitztheorie zur Gründungstheorie eine Gefahr für Europa. Ein solcher Schritt würde zu einem Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen führen, der vom BGH mit dem Schlagwort race to the bottom bezeichnet wird. Darin wird auch die Bewertung eines solchen Wettbewerbs deutlich. Auch bei Autoren, die sich die Frage stellen, ob eine Rechtsvereinheitlichung oder der Wettbewerb der Rechtsordnungen in Europa vorzugswürdig erscheint, herrschte lange die Überzeugung vor, daß das „Wettbewerbsprinzip … kein sachgerechter Maßstab für den Gesetzgeber“ sei und daß daher in Europa der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen verhindert werden müsse161. In dem Abschnitt über die geschichtliche Entwicklung des Gesellschaftsrechts in den USA wurde auf die dort geführte entsprechende Diskussion bereits hingewiesen. In neuerer Zeit wird, wie bereits erwähnt, gerade von Autoren, die das Gesellschaftsrecht vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachten, ein Wettbewerb zwischen den Gesetzgebern, sei es in den US-amerikanischen Einzelstaaten oder in Europa, durchaus nicht mehr als ein race to the bottom sondern eher als ein race to the top betrachtet162. Unabhängig von der Bewertung eines solchen Wettbewerbs ist umstritten, ob der Übergang von Sitztheorie zur Gründungstheorie in Europa wirklich zu einem solchen Wettlauf führen würde. Sowohl von deutschen Autoren als auch von US-amerikanischen Autoren wird zumindest bezweifelt, ob man die USDiskussionen in toto auf die Europäische Union163 übertragen kann.

____________ 160 Vgl. zu dieser Frage Binz / Mayer, GmbHR 1993, 249, 256, die diese Frage noch als offen ansehen; ähnlich Horn, NJW 2004, 893, 897; Spindler / Berner, RIW 2003, 949, 956. Paefgen, WM 2003, 561, 570, der sich für eine vollständige Aufgabe der „Sitztheorie“ ausspricht. Ähnlich Forsthoff, DB 2002, 2471, 2476; Schanze / Jüttner, AG 2003, 30, 36; Behrens, IPRax 2003, 193, 205 f. 161 So etwa Ebenroth, JZ 1988, 18, 24, vgl. auch Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 546; Timmermanns, RabelsZ 48 (1984), 1, 14 jeweils m.w.N. Kritisch zur Gründungstheorie Wiedemann, S. 783. 162 Vgl. dazu oben unter § 11 B. II. 2. b). 163 So ausdrücklich Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478, 489. Angesprochen ist dieses Thema etwa auch bei Ebke, JZ 2000, 203, 204;, Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 159, 185 f.; Schulz / Sester, EWS 2002, 545, 550.

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5. Teil: Ausblick

Einer der Autoren, der sich ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, ist Merkt164 einerseits, der die Situation vom Blickwinkel des deutschen und europäischen Rechts beschreibt, und Romano165 andererseits, die ebenfalls die europäische Rechtslage betrachtet, dies aber vor dem Hintergrund des USamerikanischen Rechts tut. Beide sind der Ansicht, daß eine Übertragung der Lage in den USA auf die Europäische Union ausscheidet. Dafür ziehen sie ähnliche Argumente heran. Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die USA in ihrem Gesellschaftsrecht einen eindimensionalen Ansatz verfolgt, bei dem die gesamten Aktivitäten auf das wirtschaftliche Interesse der Eigenkapitalgeber ausgerichtet sind. Dagegen spielt die Berücksichtigung der Interessen anderer Personengruppen, wie etwa der Gläubiger aber auch der Arbeitnehmer, keine Rolle166. Der Wettbewerb der Einzelstaaten kann sich daher eindeutig darauf beschränken, den Interessen der Anteilseigner zu dienen. Anders ist dagegen die Situation in den europäischen Ländern, in denen ein mehrdimensionaler Ansatz verfolgt wird167. Die rechtlichen Regeln sind nicht nur an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet, sondern auch an denen der Arbeitnehmer, was sich an der Mitbestimmung – in Form der unternehmerischen Mitbestimmung und der betrieblichen Mitbestimmung – zeigt, die gerade im deutschen Recht eine große Rolle spielt168. Soweit nun ein Staat auch weiterhin diese Mehrdimensionalität beibehalten will, wird er überhaupt nicht in den Wettbewerb mit eintreten, da dies eine Orientierung ausschließlich an den Aktionärsinteressen voraussetzt. Eine solche einseitige Orientierung ist aber zumeist politisch nicht durchsetzbar169. Die Mehrdimensionalität hat als weitere Folge, daß sich keine eindeutige Aussage darüber treffen läßt, welches Recht insgesamt die durchlässigeren Vorschriften hat. Als Beispiel nennt Merkt Großbritannien, in dem zwar eine schwach ausgeprägte Mitbestimmung vorhanden ist, aber dafür sehr weitge____________ 164

Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545. Romano, S. 128 ff. 166 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 555 führt die Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. aus dem Jahre 1919 an, in dem der Supreme Court es dem Management verwehrt hat, andere Interesse als diejenigen der Aktionäre zu berücksichtigen. 167 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 557. 168 Deutlich wird dieser Gegensatz auch an der Aussage Romanos, S. 130. Sie beschreibt die Mitbestimmungsregeln in Deutschland und den Niederlanden. Um diese zu bewerten, stellt sie die Frage, ob sie dazu dienen können, den shareholder value zu vermehren. Dies lehnt sie ab, da sonst – ihrer Meinung nach – US-amerikanische Staaten die Bestimmung aufgenommen haben. Interessant ist, daß sie die Frage nach einer anderen Rechtfertigung der Bestimmungen überhaupt nicht stellt. 169 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 558. 165

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hende Aktionärsrechte. In Deutschland ist dagegen die Situation eher umgekehrt170. Darüber hinaus unterscheidet sich das Steuersystem in Europa und in den USA signifikant. Für einen Staat wie Delaware ist es deswegen so attraktiv möglichst viele Unternehmen für eine Inkorporation anzuziehen, da ein erheblicher Anteil der Einnahmen des Staates aus den Gesellschaftssteuern stammt. Merkt gibt nun zu bedenken, daß die Steuereinnahmen, die in europäischen Staaten im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht vereinnahmt werden, eine zu vernachlässigende Größe darstellen, die zumeist lediglich die Verwaltungskosten decken. Auch fehlen periodische Steuern, wie diese die sog. franchise taxes darstellen, vollständig. Nur in einem Teil der Staaten wird überhaupt eine Kapitalverkehrssteuer erhoben, die hier als Börsenumsatzsteuer oder Gesellschaftssteuer in gewisser Weise den US-amerikanischen Gesellschaftssteuern vergleichbar wäre. Überdies unterscheidet sich die Rolle, welche die Eigenfinanzierung der Gesellschaft im Gegensatz zur Fremdfinanzierung in den USA und in europäischen Staaten einnimmt, erheblich. Gesellschaften, die wie etwa in Deutschland, eine geringe Eigenkapitalquote aufweisen und so in hohem Maße Bedarf an Fremdkapital haben, werden Vorschriften, die zum Schutz der Gläubiger dienen, in ganz anderer Weise einschätzen als Gesellschaften, die eine starke Eigenfinanzierung bevorzugen. Gegebenenfalls ermöglicht ihnen nämlich erst das Vorhandensein solcher Schutzmechanismen, daß sie überhaupt in der Lage sind, das nötige Kapital für ihr Geschäft beschaffen zu können. Dagegen werden US-amerikanischen Gesellschaften, die durch die höhere Eigenkapitalquote eher von den Aktionären abhängen, dazu tendieren, die Erträge dieser Gruppe zu vermehren, wogegen die Fremdkapitalfinanzierung und die damit zusammenhängenden Bedürfnisse eher vernachlässigt werden. Auch spielt der öffentliche Kapitalmarkt in zahlreichen europäischen Ländern, einschließlich in Deutschland, eine weitaus geringere Rolle als in den USA. Dies liegt etwa auch an den traditionell unterschiedlichen Systemen der Altersversorgung171. Auch aus diesen Gründen wird es für die Gesellschaften in Europa schwieriger, sich ausschließlich oder auch nur vorwiegend an den Bedürfnissen des öffentlichen Kapitalmarktes auszurichten. Selbst wenn nun durch die Rechtsprechung des EuGH im Internationalen Gesellschaftsrecht durch den Übergang zur Gründungstheorie eine weitere ____________ 170

Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 559. Ähnlich auch Romano, S. 132. Dieser Hinweis findet sich auch bei Romano, S. 131. Es bleibt abzuwarten, ob eine Veränderung durch die sog. „Riester-Rente“ eintritt, durch die der Wertpapiermarkt auch für die Altersversorgung in Deutschland erheblich an Bedeutung gewonnen hat. 171

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5. Teil: Ausblick

Voraussetzung für einen Wettbewerb geschaffen wurde, ist es, wenn man Merkt172 und Romano173 folgt, doch fraglich, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Wettbewerb zwischen den europäischen Staaten gegeben sind. Doch auch wenn man einen Wettbewerb annimmt, ist nicht sicher, ob er wirklich als race to the bottom zu bezeichnen wäre, wie der BGH in seinem Vorlagebeschluß an den EuGH befürchtet, oder eher als race to the top174.

D. Resümee Unabhängig von solchen Erwägungen sollte das Ziel der Deregulierung aber für den deutschen Gesetzgeber erstrebenswert sein, da es auch für die Aktiengesellschaften innerhalb von Deutschland von großem Vorteil sein kann. Dieses Ziel der Deregulierung kann durch gesellschaftsrechtliche Vorschriften erreicht werden, die sich nicht an Leitideen bestimmter Rechtsformen orientieren, die so nicht mehr (oder noch nie) mit der Rechtswirklichkeit übereingestimmt haben, sondern daran, ob im Einzelfall tatsächlich ein Bedürfnis für die Vorschriften besteht. Zu einer Bestimmung eines solchen Bedürfnisses können gerade im Hinblick auf den Anlegerschutz materielle Kriterien und vor allem die Frage der Börsennotierung der Gesellschaft dienen. So werden einerseits die Gesellschafter nicht unnötig in ihrer Vertragsfreiheit beschränkt. Andererseits setzt der Schutz des Rechts dort ein, wo dieser aus Gründen des Anlegerschutzes erforderlich ist. Bei aller gebotenen Vorsicht, die bei der Übertragung von Modellen aus anderen Rechtssystemen beachtet werden muß, scheint doch der Weg, den der deutsche Gesetzgeber in dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ beschritten hat, ein Weg zu sein, der in die Richtung des US-amerikanischen Verständnisses von gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Regeln führt. Gerade im Hinblick auf die sich immer weiter entwickelnden Vorschriften des Kapitalmarktrechts in Deutschland ist dies ein richtiger Ansatz, um einer zunehmenden Überregulierung des deutschen Rechts durch ein komplexes Aktienrecht und ein immer strikter werdendes Kapitalmarktrecht entgegenzuwirken. Die weiteren gesetzgeberischen Reformen müssen einerseits auf der Ebene unterhalb der tatsächlichen Inanspruchnahme des Kapitalmarkts hin zu einem flexiblen Gesellschaftsrecht gehen und andererseits zu Regeln, die bei Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, für einen effektiven Anlegerschutz sorgen. Wo genau der Gesetzgeber diese ____________ 172 173 174

Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 560 ff. Romano, S. 132. Vgl. zu den Argumenten § 11 B. II. 2. b).

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Regeln verortet, ob im Gesellschaftsrecht oder einem gesonderten Kapitalmarktrecht ist dabei irrelevant, ebenso wie das konkrete Mittel, das er zum Schutz heranzieht. So kann der deutsche Gesetzgeber das Aktienrecht für die Unternehmen attraktiver machen, ohne auf gebotenen Schutz verzichten zu müssen und dafür sorgen, daß die Aktiengesellschaft nicht „außer Dienst gestellt ist“. Überdies wird sich das Aktienrecht eher im Zuge zunehmender Globalisierung einem Wettbewerb stellen können, ohne von vornherein praktisch chancenlos zu sein.

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Sachregister Accredited Investors 432, 435, 453, 458 Aktiengesellschaft  Anonymität der Aktionäre 136, 191, 232, 240  börsennotierte Gesellschaft 185, 222, 233, 242, 258, 299, 311, 316, 522, 580, 592, 600, 608, 609, 615, 621, 639, 640, 644, 652, 655  Finanzverfassung 248–263  Gründungsvorschriften 60, 96–158, 268, 269, 524, 536  Kritik an der Rechtsform 59–63, 267– 269  Leitbild 67, 160, 181, 185, 236, 272, 311, 326, 517, 526, 546, 577, 579, 608, 620, 634, 640, 656  nicht börsennotierte Gesellschaft 183, 222, 230, 241, 274, 529, 580, 582, 583, 592, 605, 609, 623, 631, 647  Organisationsverfassung 60, 158–248, 270, 534, 537  Verbreitung 49–52, 621, 641 Aktiengesetz 1937 97, 147, 186, 539– 544 Aktiennovelle von 1870 534–536 Aktiennovelle von 1884 536–539, 540, 542, 546 Aktienreform 1965 51, 67, 103, 151, 272, 521, 544–546, 621, 634, 640, 641 Alabama 358, 499, 549 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 532–534 Amsted Indus. Inc. v. Pollak Industries 364

Amtlicher Markt 184, 222, 282, 300, 314, 315, 317, 616, 644 AnlegerAG 90, 648 Anlegerschutz 54, 87, 90, 151, 315, 456, 476, 483, 515, 522, 525, 529, 531, 536, 545, 572, 578, 614, 615, 620, 622, 628, 639, 643, 645, 651, 656, 657, 698 Antifraud-Vorschriften 392, 393, 396, 398, 399, 403, 455, 462, 485, 489, 491 Anzahl der Arbeitnehmer 69, 162, 282, 293, 296, 312–313, 323, 634 Aquionics Acceptance Corporation v. Kollar 404 Arizona 345, 499, 554 Aufbringung des Grundkapitals 105, 110, 113, 125, 134, 150–151, 259, 307, 524, 530, 535, 631, 659 Aufsichtsrat 60, 88, 134, 144, 158–174, 177, 181, 217, 234, 240, 245, 269, 284, 292, 313, 523, 529, 534, 536, 542, 583, 586, 591, 596, 600, 602, 605, 633, 639, 693  Bericht des Aufsichtsrats 586  erster Aufsichtsrat 151, 167–174, 243, 305, 522  Sitzungsfrequenz 583, 605  Vorsitzender des Aufsichtsrats 222, 591  Wahl der Aufsichtsratsmitglieder 584  Zahl der Aufsichtsratsmandate 590 Ausfallhaftung (§ 24 GmbHG) 105, 117, 122, 124, 154, 307

740

Sachregister

Bank of Augusta v. Earle 548 Bareinlage 107, 110, 257, 319, 553 Barth v. Barth 365 Begrenzte Anzahl an Gesellschaftern 276, 280, 282, 285, 289, 306, 308– 311, 321, 343, 344, 346, 348, 353, 356, 358, 359, 360, 361, 363, 370, 380, 526, 554, 661, 662 Benintendi v. Kenton Hotel 505, 508, 509 Berichtspflicht nach § 13 Sec. Ex. Act 476–478 Bezugsrechtsausschluß 209, 256–258, 262, 271, 319 Bilanzsumme 282, 293, 296, 323, 325 Bildung von Rücklagen 175, 182 Blount v. Taft 500 Board of Trade of the City of Chicago v. SEC 470 Börsenpreis 123, 257, 319 Brooks v. Willcuts 364 Busch v. Carpenter 441, 442 Campbell v. Degenther 425 Case Law 72, 330, 332, 383  in engen Verhältnissen 74  in weiten Verhältnissen 74–75 Centros-Entscheidung 669, 675–676, 681, 682, 691 Chapman v. Dunn 439 Clark v. Dodge 331, 508, 509 Close Corporation 71, 327, 329–388, 393, 467, 473, 488, 491, 497, 503, 508, 514, 517, 526, 580, 643  Anzahl der Close Corporation 379 Close Corporation-Definition 341–377  Common Law-Definition 362–371  Delaware-Definition 348–355  Formeller Ansatz 342–346, 377  Formell-materieller Ansatz 346–359, 377  Materieller Ansatz 359–362, 377

Close Corporation-Gesetzgebung 329– 362, 378, 381, 514, 527  Diversified Strategy 336–341  Integrated Statutes 337–338, 341  Non-Integrated Statutes 338–341  Unified Strategy 335–336, 339 Close Corporation-Klausel 342, 355, 357, 359, 371, 375 Closed Corporation 328 Closely Held Corporation 327 Common Law 72, 74, 352, 353, 354, 371, 374, 413, 414, 502, 568, 576  Golden Rule 414  Literal Rule 414  Mischief Rule 414  Präjudizienbindung 73–74, 376 Connecticut 423, 499 Cook v. Avien, Inc. 422 Corporate Freedom 624, 631, 653 Corporate Governance 566, 575, 592– 597, 601, 609 Crosby v. Beam 366 Daily Mail-Entscheidung 673–674, 678, 685, 689 Deadlock 334, 367, 375, 385 Delaware 70, 337, 348, 373, 385, 448, 554–556, 557, 558, 560, 567, 578, 624, 697 Deregulierung 155, 270, 271, 273, 305, 316, 548, 552, 556, 559, 589, 602, 616, 630-635, 636, 638, 643, 645, 647, 649, 655, 698 Deutscher Corporate Governance Kodex 581, 597–601, 602, 603, 607 Disclosure-Prinzip 391, 401, 427, 468– 490, 491, 515, 530 Dissolution 336, 360, 367 District of Columbia 353, 490 Donahue v. Rodd Electrotype Co. 369– 371

Sachregister Drei-Stufen-Modell 59, 89, 156, 243, 263, 267, 281–283, 303, 321, 323, 633, 648, 654 Drittes Finanzmarktförderungsgesetz 301, 616 Dupuy v. Dupuy 403 Effektiver Verwaltungssitz 666, 669, 670, 674, 677, 684, 692 Eigenkapital 49, 52, 58, 63, 81, 85, 93, 296, 299, 413, 436, 488, 563, 587, 621 Eigenkapitalausstattung 52–58, 63, 68, 81, 85, 92, 164, 629 Einberufung der Hauptversammlung 61, 188, 196, 203, 239, 243, 268, 309, 310, 324  durch eingeschriebenen Brief 188– 202, 242, 246, 264, 268, 309, 324 Einlagenrückgewähr 86, 249 Einpersonengesellschaft 97, 110, 129, 134, 155, 203, 224, 247, 306–308, 658 Einpersonen-GmbH-Richtlinie 129, 137, 143 Einpersonengründung 96–145, 155, 268, 306  Mitteilungspflichten 126–145, 307  Sicherung der Einlagepflicht 106–126  Sicherungsbestellung bei Kapitalerhöhung 115–117  Wegfall der Sicherungspflicht 119– 121 Einpersonenvorgesellschaft 101 Einzelverbriefung, Ausschluss der 226– 231, 242, 245, 267, 652 England 73, 75, 347, 371, 414, 533, 660, 662, 675, 683, 685 Enron 562, 565, 575 Entsprechenserklärung 592, 597, 602– 604 Erhaltung des Grundkapitals 249, 259, 524, 530, 535, 631

741

Estate of Schroer v. Stamco Supply, Inc. 328, 366 Familiengesellschaft 162, 274, 276, 312, 322, 658 Feststellung des Gesellschaftsvertrages 100, 153 Feststellung des Jahresabschlusses 177, 180, 236, 259 Florida 334, 337, 339, 397, 497, 499, 558 Formular 8-K 477 Formular 10-K 476, 477, 480 Formular 10-Q 476, 477 Formular S-K 477, 480 Franchise Tax 552, 697 Franklin Savings Bank of New York v. Levy 402 Frankreich 68, 612, 659, 661 Frederiksen v. Poloway 398 Freiverkehr 85, 89, 184, 222, 276, 282, 300, 314, 317, 323, 645, 649

Galler v. Galler 331, 363–365, 370, 375, 378, 503 Genußrechte 82–84 Georgia 344, 427, 499, 549 Geregelter Markt 86, 89, 184, 222, 282, 301, 302, 314, 315, 317, 318, 320, 323 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts  Bewertung der Änderungen 149–158, 231–248, 258–266, 263–271, 619  Gesamtwirtschaftlicher Hintergrund 63–66  Gesetzgebungsgeschichte 91–95 Gewinnthesaurierung 174–187, 314 Gibbons v. Ogden 574 Gläubigerschutz 127, 151, 262, 518, 523, 620, 631, 633, 658, 681, 691

742

Sachregister

GmbH  Gesellschaftsstruktur 134, 235  Gründung 152  Handel von GmbH-Anteilen an der Börse 54, 85–88, 92  Notwendigkeit der Kleinen AG neben der GmbH 635–640  Publizität der Identität der Gesellschafter 127  Verbreitung 50, 621 GmbHaA 85, 87, 91 Gray v. Harris Land and Cattle Co. 368 Gründerhaftung (§ 46 AktG) 98, 103, 110, 113, 120, 124, 522 Gründungsbericht 145, 152 Gründungsprüfer 145, 152, 157, 268, 524, 606, 612 Gründungsprüfung 146, 148, 151, 305, 535, 537, 606 Gründungstheorie 448, 551, 577, 665, 666, 668, 672, 683, 685, 695 Grynberg v. Burke 351 Hagshenas v. Gaylord 374–377 Hauptversammlung 61, 144, 172, 174– 226, 229, 235, 246, 254, 259, 264, 268, 309, 310, 323, 523, 533, 534, 543, 545, 586, 597, 600, 603, 606, 633, 639  im Ausland 207, 215–217, 226  notarielle Niederschrift 61, 144, 208, 213–226, 247, 264, 268, 313 Hill York Corp. v. American International Franchise 423 Höchststimmrechte 584 Howey-Test 397, 399, 400 Identität von Eigentum und Kontrolle 276, 280, 288, 322, 366, 370 Illinois 331, 356, 363, 374, 376, 378, 394, 428, 442, 503

In re Klaus 330 Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes 68, 90, 276, 277, 280, 282, 286, 299, 324, 346, 349, 353, 357, 359, 365, 370, 378, 436, 496, 515, 521, 527, 577, 589, 601, 609, 623, 658, 661, 663 Indiana 339, 365 Inspire Art-Entscheidung 664, 680–682, 681, 682, 686, 689, 691, 694 Integrated Disclosure System 411, 474, 480–481 Integration verschiedener Angebote 437, 445, 450, 460, 463, 481 Interstate Commerce 389, 402–405, 412, 437, 443, 466, 488, 550, 560, 572, 574 Intrastate Offerings 436–450, 455  § 3 lit. a Nr. 11 Sec. Act 394, 401, 436–444, 445, 446, 448, 450, 455  Come to the Rest 441, 448  Doing Business within the State 438, 446  Issue Concept 437, 445  Limitations on Resales 448  Resident within the State 440, 447  Rule 147 444–450 Investment Intent 429, 432, 441, 448 Israel 662 Kalifornien 70, 338, 356, 379, 380 Kansas 352 Kapitalerhöhung 53, 115, 126, 149, 155, 176, 209, 251, 256, 307, 319, 545 Kerbs v. Fall River Industries 404 Kleine AG 67, 88–91, 263, 270, 272– 326, 601, 635, 637, 644, 649 KonTraG 185, 222, 230, 316, 581–591, 592, 605, 608, 620, 623, 630, 645, 651, 655 Konzessionssystem 75, 533, 546, 577 Krise der Aktiengesellschaft 49, 621

Sachregister

Landreth Timber Co. v. Landreth 399 Liggett v. Lee 558 Livens v. William D. Witter, Inc. 424 Long Park, Inc. v. Trenton-New Brunswick Theatres 504, 505, 508, 510, 511, 512 M.S.C.C.S. siehe Model Statutory Close Corporation Supplement Maine 339, 360, 499, 554 Manson v. Curtis 505, 506–507, 508 Maryland 342, 385, 429, 556 McQuade v. Stoneham 505, 507, 510 Mehrfachstimmrechte 584 Meriola v. Exergen Corporation 370, 378 Michigan 335, 439 Milnarik v. M-S Commodities 428 Minnesota 335, 372 Mississippi 499 Missouri 344 Mitbestimmung 62, 94, 159–167, 236, 240, 245, 268, 291–292, 307, 312, 322, 324, 634, 652, 690, 693 Model Statutory Close Corporation Supplement 337, 338, 340, 342, 344 Montana 344, 366, 368 Morris v. Hussong Dyeing Mach. Co. 354 Namentliche Bekanntheit der Aktionäre 190, 202, 247, 309–310, 322 National Securities Exchange 340, 366, 469, 470, 473, 480, 488, 491, 496, 501, 517 Nebraska 499 Nettoumsatzerlöse siehe Umsatz Neuer Markt 301, 314, 317, 319, 644 Nevada 353, 355 New Hampshire 437, 499 New Jersey 335, 354, 499, 552–554, 555, 557, 578

743

New York 70, 75, 332, 333, 339, 499, 503, 552, 554, 556 Niederlassungsfreiheit 671, 673, 675, 678, 680, 687, 690, 693 Nixon v. Blackwell 373, 376 Normativbestimmungen 546, 547, 552, 557, 577, 668 North Carolina 75, 333, 339, 497, 500 Ohio 328, 340, 366, 500 Oregon 499 Österreich 216, 657, 683 OTC-Markt 366, 471, 473, 488, 491, 496, 517

P aul v. Virginia 550 Pennsylvania 357, 361, 425 Privatautonomie 217, 342, 518, 525, 526, 531, 564, 623, 642 Private Placement 413–435, 445  § 4 Nr. 2 Sec. Act 346, 348, 353, 357, 413–432, 433, 441, 444, 445, 450, 455, 467, 488  Anzahl der angebotenen Anteile und Größe des Angebots 426  Anzahl der Angebotsempfänger 418  Art und Weise des Angebots 425  Fehlen der Umverteilung 429  Informationszugang 422  Qualifikation der Angebotsempfänger 420  Securities Release No. 285 418, 426  Rule 506 348, 357, 419, 432–435, 453, 454, 458 Prospektpflicht nach § 5 Sec. Act 391, 407–411, 429, 436, 449, 456, 458, 466, 483, 488  Post-Effective Period 409  Pre-Filing Period 408  Waiting Period 409

744

Sachregister

Public Corporation siehe Publicly Held Corporation Public Offering 346, 348, 353, 357, 358, 359, 361, 377, 413–432, 433 436, 444, 482, 488, 491, 515, 528, 577, 609, 610, 623 Publicly Held Corporation 71, 330, 335, 360, 468, 473, 478, 489, 491, 496, 500, 517, 526, 580, 643 R.M.B.C.A. siehe Revised Model Business Corporation Act Race to the Bottom 554, 558–562, 563, 565, 630, 678, 695–698 Race to the Top 563–570, 624, 630, 695 Ralston Purina-Test 416, 424 Rechnungslegung 261, 293–302 Rechtsformdualismus 68, 273, 325, 521, 525, 531, 638, 656, 660 Registrierungspflicht nach § 12 Sec. Ex. Act 474–476 Regulation D 357, 425, 432, 436, 453, 454–461, 462, 464 Revised Model Business Corporation Act 338, 493–502, 514, 529 Risikomanagement 588, 607 Rubin v. United States 406 Rußland 661 S Corporation 352, 356, 358, 380 Sacheinlage 107, 110, 124, 149, 169, 170, 172, 209, 257, 553 Safe Harbor-Vorschrift 348, 433, 435, 436, 445, 447, 453, 461, 464 Sale 405–407, 412 Santa Fe Industries, Inc. v. Green 482 Sarbanes Oxley Act 566, 567, 575 Satzungsstrenge 60, 90, 237, 239, 271, 525, 545, 626, 648, 649,652, 658 Schweiz 49, 88, 216, 277, 657, 659, 666 SEC v. Addison 405

SEC v. Hillsborough Investment Corporation 437, 443 SEC v. Ralston Purina Co. 416–417, 418, 421, 424, 425, 427 SEC v. W.J. Howey Co. 396 Securities Act 1933 346, 353, 357, 359, 370, 377, 389, 391, 393, 398, 401, 402, 407, 412, 417, 432, 436, 452, 456, 462, 467, 472, 474, 480, 482, 488, 491, 501, 515, 528, 530, 566, 573, 576, 609 Securities Exchange Act 1934 389, 392, 393, 398, 457, 459, 462, 468, 471, 476, 480, 482, 488, 491, 496, 498, 501, 516, 528, 530, 560, 566, 573, 576, 609 Security 389, 393–401, 402, 405, 436, 489  Stock 393, 489  Economic Reality Approach 396– 401  Literal Approach 395–396  Sale of Business Doctrine 396– 399, 490 Shareholders’ Agreement 331, 336, 337, 339, 492–513, 514, 518, 529 Shields Development Company v. Shields 350 Sitztheorie 664–667, 669, 670, 671, 674, 677, 679, 682, 686, 689, 695 Small Business Issuer 476, 477, 488 Small Offerings 436, 450–465, 467  Regulation A 436, 452, 456, 459, 461–465, 467  Emissionsvolumen 463  Mögliche Emittenten 462  Registrierung 464  Test the Waters 465  Rule 504 455–458, 459  Rule 505 458–460 Sonderbeschluß 251–256 Sophistication 419, 420, 428, 434

Sachregister South Carolina 334, 342, 345 Statutes 72, 75, 330, 341, 362, 371, 379, 473, 498, 503, 511 Strohmanngründung 98, 104, 117, 122 Sundberg v. Lampert Lumber Co. 372

Tcherepnin v. Knight 394 Texas 342, 379, 405 Thisted v. Tower Management Corp. 366–368 TransPuG 185, 241, 267, 524, 581, 592, 597–607, 620, 623, 630, 651, 655 Trennung von Eigentum und Kontrolle 595, 653 Treuepflicht 195, 233, 277, 369, 370, 372, 373, 375, 378, 626 Typik des Gesellschaftsrechts 275, 640– 644 Überseering-Entscheidung 664, 676– 680, 682, 683, 686, 688, 689, 694 Übertragungsbeschränkung 277, 279, 330, 336, 346, 349, 353, 354, 356, 358, 359, 368, 370, 377, 526, 594 Umsatz 282, 291, 293, 297, 323, 325 United Housing Foundation, Inc. v. Forman 395, 400, 401 United States v. Custer Channel Wing Corporation 422, 424, 429 Unternehmensrechtskommission 283– 290 Utah 441, 499

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Verlegung des Verwaltungssitzes 667, 670, 672, 678, 683, 688, 689 Vermont 359 Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 320, 616 Vollversammlung 203–213, 223, 242, 247, 264, 310–311, 322, 325 Vorgesellschaft 101, 119, 537 Vorstand 134, 146, 176, 181, 187, 197, 218, 234, 241, 313, 523, 534, 538, 543, 583, 588, 600, 602, 633 Washington 499 Wechselseitige Beteiligung 586 Weisungsrecht der Gesellschafter 60, 65, 134, 180, 639 Weltwirtschaftskrise 542, 572, 577, 578, 621 Weprin v. Peterson 427 Western Union Teleg. Co. v. Kansas ex rel Coleman 551 Wettbewerb der Rechtssysteme 332, 548, 559, 567, 624, 630, 655, 663, 669, 678, 695 Wisconsin 344, 379 Worldcom 562, 575 Wyoming 344

Zion v. Kurtz 511 Zweites Finanzmarktförderungsgesetz 229, 320, 581, 614–616, 617