Die Inszenierung der heroischen Monarchie: Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung 9783486781076, 9783486781069

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German Pages 470 [488] Year 2014

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Inhalt
Vorwort
Einleitung: Die Inszenierung der mehr oder weniger heroischen Monarchie Zu Rittern und Feldherren, Kriegsherren und Schauspielern
Amadis und andere. Zu den literarischen Leitfiguren “ritterlicher” Eliten des 16.Jahrhunderts
Idealisiertes Rittertum. Herzog Karl der Kühne von Burgund und Kaiser Maximilian I.
Kurfürst im Harnisch. Rittertum und Repräsentation am Hofe Joachims II. von Brandenburg
“Sir Loyal Heart”. The “Heroic” Monarchy of Henry VIII, 1509–1520
François Ier – roi-chevalier vaincu et captif. Ou de l’usage de l’éthique chevaleresque pendant l’année de Pavie, 1525–1526
L’héroïsme impossible des derniers Valois
Philipp II. von Spanien – Ein Ritter?
Elizabeth I, Joseph Campbell, and the Nine Worthies
Heros, Friedensstifter oder Märtyrer? Optionen und Grenzen heroischen Herrschertums in England, ca. 1603–1660
Die wehrhafte Minerva. Beobachtungen zur Selbstdarstellung von Regentinnen im 17.Jahrhundert
Fürstliche Reiterstandbilder in Europa (16.–19.Jahrhundert)
Certamen equestre. Charles XI’s Carousel of 1672
Turnier und Kulturtransfer. Das Carrousel Friedrichs II. von Preußen und die Neudefinition königlicher “Größe” im Zeitalter der Aufklärung.
Between the Courts of Burgundy and Vienna. Models of Military Competence in Dynastic Historiography, c. 1470–1700
Das Erbe des “Wilhelmus”. Ein niederländisches Modell der heroischen Monarchie?
Karl XII. – Der “heroische” Militärmonarch Schwedens
Des Königs Rock und der Rock des Königs. Monarch, Hof und Militär in Frankreich von Ludwig XIV. zu Ludwig XVI.
Die belgische Monarchie und Albert I. Ritterkönig und Friedensfürst?
Militärische Prinzenerziehung und monarchischer Oberbefehl in Preußen 1744–1918
Die Autorinnen und Autoren
Personenregister
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Die Inszenierung der heroischen Monarchie: Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung
 9783486781076, 9783486781069

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Die Inszenierung der heroischen Monarchie

Historische Zeitschrift // Beihefte (Neue Folge)

beiheft 62 herausgegeben von andreas fahrmeir und lothar gall

DOI

10.1515/9783486781076.fm

Martin Wrede (Hrsg.)

Die Inszenierung der heroischen Monarchie Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung

Oldenbourg Verlag München 2014

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

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Dieses Papier ist alterungsbeständig nach din / iso 9706. Gestaltung: Katja v. Ruville, Frankfurt a. M. Satz: Roland Schmid, mediaventa, München Druck und Bindung: Kösel, Krugzell isbn 978-3-486-78106-9 e-isbn 978-3-486-78107-6

Inhalt

Vorwort // Martin Wrede

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Einleitung: Die Inszenierung der mehr oder weniger heroischen Monarchie. Zu Rittern und Feldherren, Kriegsherren und Schauspielern // Martin Wrede Amadis und andere. Zu den literarischen Leitfiguren „ritterlicher“ Eliten des 16. Jahrhunderts // Dietmar Rieger Idealisiertes Rittertum. Herzog Karl der Kühne von Burgund und Kaiser Maximilian I. // Karl-Heinz Spieß Kurfürst im Harnisch. Rittertum und Repräsentation am Hofe Joachims II. von Brandenburg // Mathis Leibetseder „Sir Loyal Heart“. The „Heroic“ Monarchy of Henry VIII, 1509–1520 // Glenn Richardson

_____ 107

François Ier – roi-chevalier vaincu et captif. Ou de l’usage de l’éthique chevaleresque pendant l’année de Pavie, 1525–1526 // Jean-Marie Le Gall

_____ 128

L’héroïsme impossible des derniers Valois // Nicolas Le Roux

_____ 152

Philipp II. von Spanien – Ein Ritter? // Friedrich Edelmayer

_____ 170

Elizabeth I, Joseph Campbell, and the Nine Worthies // Susan Doran

_____ 183

Heros, Friedensstifter oder Märtyrer? Optionen und Grenzen heroischen Herrschertums in England, ca. 1603–1660 // Ronald G. Asch

_____ 198

Die wehrhafte Minerva. Beobachtungen zur Selbstdarstellung von Regentinnen im 17. Jahrhundert // Matthias Schnettger

_____ 216

Fürstliche Reiterstandbilder in Europa (16.–19. Jahrhundert) // Volker Hunecke Certamen equestre. Charles XI’s Carousel of 1672 // Lena Rangström

_____ 236 _____ 266

Turnier und Kulturtransfer. Das Carrousel Friedrichs II. von Preußen und die Neudefinition königlicher „Größe“ im Zeitalter der Aufklärung. // Thomas Biskup

_____ 287

Between the Courts of Burgundy and Vienna. Models of Military Competence in Dynastic Historiography, c. 1470–1700 // Maria Golubeva

_____ 317

Das Erbe des „Wilhelmus“. Ein niederländisches Modell der heroischen Monarchie? // Olaf Mörke

_____ 334

Karl XII. – Der „heroische“ Militärmonarch Schwedens // Joachim Krüger

_____ 358

Des Königs Rock und der Rock des Königs. Monarch, Hof und Militär in Frankreich von Ludwig XIV. zu Ludwig XVI. // Martin Wrede

_____ 382

Die belgische Monarchie und Albert I. Ritterkönig und Friedensfürst? // Gustaaf Janssens

_____ 409

Militärische Prinzenerziehung und monarchischer Oberbefehl in Preußen 1744–1918 // Thomas Stamm-Kuhlmann

_____ 438

Die Autorinnen und Autoren

_____ 468

Personenregister

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Vorwort Der vorliegende Sammelband dokumentiert eine Konferenz, die der Herausgeber im März 2011 im Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Greifswald durchgeführt hat. Das Wissenschaftskolleg hat die Tagung finanziell wie organisatorisch in großzügiger Weise unterstützt und ihr den bestmöglichen Rahmen geboten. Dafür gebührt ihm, gebührt seiner Leitung und seinen Mitarbeitern hier an erster Stelle Dank. Genannt sei ausdrücklich der Wissenschaftliche Geschäftsführer des Hauses, Christian Suhm. Wichtige finanzielle Unterstützung gewährten daneben die Gerda-Henkel-Stiftung, das Institut français d’histoire en Allemagne, sowie – der Universität Greifswald traditionell verbunden – das herzogliche Haus Croÿ. Auch hier ist allen Beteiligten Dank zu sagen, besonders S.D. Herzog Rudolph von Croÿ selbst. Die Drucklegung des Bandes ist ermöglicht worden durch die Aufnahme in die Reihe der Beihefte der Historischen Zeitschrift durch Lothar Gall und Andreas Fahrmeir. Auch ihnen ist hierfür sehr zu danken. An der Druckvorbereitung beteiligt waren, noch in meiner Gießener Zeit, die Hilfskräfte des Lehrstuhls für Geschichte der Frühen Neuzeit der Justus-Liebig-Universität, Max-Philipp Wehn, Oliver Hegedüs und Julia Kollhoff. Ihrem Einsatz verdankt der Band gleichfalls viel. Das Register wurde angefertigt unter Mitarbeit von Marlene Jäger und Maximilian Blatt während meines Gastsemesters am Freiburger „Helden“-SFB. Den Bearbeitern wie auch dem Vorstand des SFB bin ich hierfür sehr verpflichtet. Dank gebührt nicht zuletzt den Autorinnen und Autoren, die sich Konzept und Zumutungen des Herausgebers gestellt haben, sowie Christoph Kampmann für seinen Schlusskomentar, der u. a. in die Einleitung eingeflossen ist. Zwei Beiträge waren nicht realisierbar, doch der Band muss ohne sie bestehen können. Abschließend sei hier noch ein zweites Mal das Alfried-Krupp-Kolleg genannt bzw. die das Kolleg tragende Stiftung. Denn die nun gedruckt vorliegende „Heroische Monarchie“ bildet gleichsam auch ein Ergebnis meines dortigen Forschungsaufenthaltes als Alfried-Krupp-Fellow im Sommersemester 2011. Für die mit dem Fellowship verbundenen Möglichkeiten bin ich Kolleg wie Stiftung dankbar und verbunden. Grenoble, im Sommer 2013

Martin Wrede

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Einleitung: Die Inszenierung der mehr oder weniger heroischen Monarchie Zu Rittern und Feldherren, Kriegsherren und Schauspielern von Martin Wrede

I. Zwei mehr oder weniger heroische Untergänge: Spa 1918 und Alcácer Quibir 1578 Am Anfang soll hier vom Ende die Rede sein bzw. konkret vom Ende der deutschen Monarchie und von den Umtrieben, die im Oktober 1918 stattfanden, im Großen Hauptquartier des deutschen Heeres, um dieses Ende mehr zu begleiten als zu verhindern. Dort, im belgischen Spa, plante man bekanntlich nicht mehr und nicht weniger als den Tod Wilhelms II., des „Obersten Kriegsherrn“. Der Kaiser sollte den Heldentod suchen und auch finden durch einen eigens zu diesem Zweck zu arrangierenden „kleinen Spezialangriff“ an der Westfront. Die Episode ist vielfach diskutiert. 1 Nur so, durch ein „Königsopfer“, sei der monarchische Gedanke in Deutschland wieder zu kräftigen. Dies war tatsächlich das Ende: Nicht das physische Ende Wilhelms II. natürlich, der sich, unter anderem aus religiösen Gründen, dem Plan zum heroischen Untergang verweigerte, aber doch, und dies keineswegs wegen des Kaisers Weigerung, das Ende der deutschen Monarchie und ihrer heroisch stilisierten, militärisch konnotierten Tradition. 2 Dahinter stand der Bankrott des preußisch-deutschen Heerkaisertums, und dieser hatte sich durchaus abgezeichnet. Propagandaaufnahmen eines mit Hindenburg und Ludendorff am Kartentisch die Operationen planenden Kaisers – Wilhelm II. dabei sorgsam in der Mitte arrangiert – wurden weithin als unglaubwürdig angese-

1 Bert Becker, Georg Michaelis. Preußischer Beamter, Reichskanzler, christlicher Reformer 1857–1936. Eine Biographie. Paderborn 2007, 540–549; Stephan Malinowski, Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus. 2.Aufl. Berlin 2004, 232–243. Dort jeweils auch weitere Verweise. Vgl. meine essayistische Skizze: Die heroische Monarchie der Frühen Neuzeit. Ritter, Feldherren, Schauspieler, in: Francia 40, 2013, 77–92. 2 Siehe hierzu den Beitrag von Thomas Stamm-Kuhlmann in diesem Band; ebd.auch zum „Königsopfer“.

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hen, ebenso wie solche, die „unseren Kaiser im Felde“ zeigten, der in Wintermontur die Entbehrungen seiner Soldaten teilte. 3 Man wusste, dass der Kaiser, wie seit jeher, auch auf diesen Aufnahmen nur posierte, dass die Bilder mit der Realität nicht korrespondierten, ja dass sie ihr in drastischer Weise widersprachen. Wil-helm II. war am Ende des Krieges als Person diskreditiert, und mit der Person war es allerdings auch das Amt. Nicht zuletzt das heroische Kapital der Monarchie war verbraucht, die entsprechende Inszenierung gescheitert. Nur das militärisch zweckfreie Selbstopfer des Monarchen schien geeignet, um Dynastie und Monarchie Ansehen erhalten bzw. zurückgewinnen zu können. 4 Die Idee war im Grunde beispiellos. Um in der neueren europäischen Geschichte ein auch nur scheinbar ähnliches Szenario zu finden, den „Fall“ eines Königs, der den Tod auf dem Schlachtfeld wirklich gesucht hätte, muss man weit zurückgehen: Nämlich bis ins Jahr 1578, als im marokkanischen Alcácer Quibir (El-Ksar-el-Kibir) der König von Portugal, Sebastian I., ums Leben kam. Könige, die im Kampf gefallen waren, hatte es in der Frühen Neuzeit natürlich noch öfter und anderwärts gegeben: Ludwig II. von Ungarn 1526 bei Mohács, Gustav Adolf von Schweden 1632 bei Lützen, Karl XII. 1718 vor Frederikshald. Doch waren dies „Unglücksfälle“ gewesen, geschuldet einem königlichfeldherrlichen Berufsrisiko, das quasi selbstverständlich war. Auch andere Monarchen hatten sich solchem Risiko bewusst ausgesetzt, nicht allein, aber eben gerade auch Friedrich der Große, an den die Offiziere im Großen Hauptquartier wohl noch am ehesten dachten – und an dessen Bekundungen, die diversen Unglücke des Siebenjährigen Krieges nicht überleben zu wollen. Freilich hatten sich diese Bekundungen dann gerade nicht in quasi-suizidalem Handeln niedergeschlagen, waren Teil einer den „Tod fürs Vaterland“-Diskurs zitierenden aufgeklärten Herscherinszenierung geblieben. 5 Sebastian von Portugal hingegen, so will es zumindest eine der an das Ereignis geknüpften Erzähltraditionen, hatte den Tod gesucht. Allerdings auch er nicht plan-

3 John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund 1900–1941. München 2008, 1206f. 4 Zu Diskreditierung und Dysfunktionalisierung des Kaisers ebd.1200–1208 u. 1235–1245. 5 Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit. München 2004, 373f., 404f. Grundsätzlich zur Bindung des Königsamtes an Feldherrntum und Kriegsteilnahme siehe Johannes Kunisch, La guerre, c’est moi. Zum Problem der Staatenkonflikte im Zeitalter des Absolutismus, in: ders., Fürst – Gesellschaft – Krieg. Studien zur bellizistischen Disposition des absoluten Fürstenstaates. Köln/Weimar/Wien 1992, 1–41. Zu Friedrichs Todeswunsch und Suizid-Erwägungen bzw. -Deklarationen siehe Florian Kühnel, Kranke Ehre? Adlige Selbsttötung im Übergang zur Moderne. München 2013, 143–170.

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voll, sondern verzweifelt, in der Hitze des verlorenen Gefechts. Der junge König war ritterromantisch bewegt und als Kreuzfahrer nach Marokko gezogen: Mit hehren Motiven also, aber viel zu geringen Ressourcen. Die genannte Schlacht von Alcácer Quibir geriet infolgedessen zum Debakel, und der König, so die Legende, entschloss sich, dieses nicht zu überleben. Es sei, habe er gerufen, „seine königliche Freiheit, sein Leben zu verlieren“. Er wähle „den Ausweg in den Himmel, wenn seine Sünden ihn zuließen“. 6 Die Aussprüche allerdings konnte niemand verbürgen – es existierten im Übrigen auch andere, nüchternere Versionen des Geschehens. 7 Und dass Sebastian dann tatsächlich fiel, konnte niemand bezeugen – oder zumindest fand sich niemand, der das hätte tun wollen. Denn den König nicht verteidigt, sein Ende mit angesehen und selbst überlebt zu haben, um dann hinterher davon zu berichten – dergleichen wäre für jeden aufrechten Caballero eine Schande gewesen. So Luis Cabrera de Córdoba, der Hofhistoriograph Philipps III. von Spanien, 1619. 8 Derlei noble Skrupel mussten die Generalstäbler in Spa nicht mehr haben. Zwischen diesen beiden Untergängen liegen offensichtlich Welten. Sebastian I. fiel als politisch vielleicht törichter, aber habituell sicher den Normen seiner Zeit entsprechender christlicher Ritter, Wilhelm II. lebte und überlebte als Militärschauspieler. Doch die Unterschiede gehen darüber weit hinaus: Natürlich hatte man es 1918 mit einem Herrscher zu tun, der, seit langem erkennbar und diesmal für ihn zum Glück, das heldische Fach nicht ausfüllte. Daneben aber waltete in seiner Umgebung kalte Berechnung und ein gleichfalls recht kühles Pathos bzw. der Glaube an dessen Wirksamkeit – ein Glaube, den freilich der Kaiser selbst nicht unbedingt teilte. Tatsäch6 Zeitnah zum Ereignis vgl. Juan de Baena Parada, Epitome de la vida, y hechos de Don Sebastian dezimo sexto Rey de Portugal […]. Madrid 1592, 118 (Zitate: meine Übers., M. W.). 7 Eine nüchternere, zeitnähere, aber gleichfalls von Ausschmückungen nicht freie Version vom Ende Sebastians vgl. bei André Thevet, Pourtraits et vies des hommes illustres. 2 Vols. Paris 1584, Vol.2, 469–472, hier 472. Der König sei von einem Teil seines Heers feige verlassen worden, habe mit wenigen Getreuen wahre Wunder an Tapferkeit verrichtet, sich jedoch schließlich der Übermacht ergeben müssen bzw. wollen. Die zu diesem Zweck an eine Lanzenspitze gesteckte weiße Fahne sei freilich von den gegnerischen Arabern missverstanden und für ein Signal an andere Teile des portugiesischen Heeres gehalten worden. „Pourtant luy courent ils sus de toutes part, tellement qu’ils le tuerent en la place.“ Der Tod des Königs erscheint also gleichsam als „kulturelles Missverständnis“. – Zusammenstellung verschiedener historiographischer Perspektiven auf die Schlacht bei Lucette Valensi, Fables de la mémoire. La glorieuse bataille des trois rois. Paris 1992. 8 Luis Cabrera de Córdoba, Felipe Secundo, Rey de Espana. Madrid 1619, 999. Vgl. Malyn Newitt, The Portuguese Nobility, and the Rise and Decline of Portuguese Military Power, 1400–1650, in: D. J. B. Trim (Ed.), The Chivalric Ethos and the Development of Military Professionalism. Leiden 2003, 89–116, hier 108f.

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lich stand diese Planung des heroischen Herrschertodes im Grunde näher am Herrschermord als an einem auf den Herrscher bezogenen Heroenkult. Und dass das schließlich gewählte, vom Generalissimus Hindenburg herbeigeführte Alternativszenario des „Übertritts“, d.h. der Flucht Wilhelms II. nach Holland den Monarchen in den Ruch der Feigheit brachte, kam in seinen Auswirkungen einem Attentat gleich, das zumindest politisch nicht minder tödlich war. 9 Wichtiger aber als die genauen Umstände im finalen Scheitern des letzten deutschen Kaisers und der preußischen Militärmonarchie sind freilich die Veränderungen, die jenes heldische Fach, in dem die Monarchen agierten, zwischen 1578 und 1918 ganz grundsätzlich erfuhr und damit auch die Wandlungen der Rolle des Monarchen selbst. Hierum, um Sinn und Sinnentleerung, Grundlegung und Veränderungen dieses 1918 nicht nur, aber gerade in Deutschland an ein unrühmliches Ende gelangten monarchischen Heroenkultes geht es in diesem Band. Das Thema ist dabei ein genuin frühneuzeitliches: Die Frühe Neuzeit zeigte, öffentlichkeitswirksam, den heroischen Monarchen im vollen Glanz seines Ruhmes: Als Ritter, als königlichen Feld- bzw. als Kriegsherrn – über die Unterscheidung wird zu reden sein – oder aber vielmehr, so lässt es sich in mehr als einem Fall interpretieren, als gekrönten Schlachtenbummler, Militärschauspieler, dessen Heldentaten sorgsam inszeniert wurden. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Polen soll hier, soll in diesem Band vermessen werden. Die Fragen lauten dabei: Wieviel und welchen Heroismus brauchte ein frühneuzeitlicher Monarch? Welche Darstellungsformen ließen sich dafür nutzbar machen? Und inwiefern musste dieser Heroismus überhaupt kriegerisch sein? Im Übrigen, wenn es denn um das ritterlich-militärische Moment des monarchischen Heroismus geht: Wieviel ritterlich-heroische Expertise, wieviel individuelles feldherrliches Talent, gar „Genie“ war überhaupt gefordert? Wieviel davon brauchte die Monarchie, wieviel davon vertrug sie aber auch? Gewiss war, wie Johannes Kunisch dies in Bezug auf Friedrich den Großen formuliert hat, Krieg und Eroberung nicht nur nicht aus dem Fürstenbild jener Zeit verbannt, sondern sie konnten geradezu „als Ausdruck höchster [fürstlicher] Lebenserfüllung erscheinen“. 10 Doch die Frage nach dem heroischen Übermaß beim Monarchen ist ebenso

9 Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. München 2007, 361–379. 10 Kunisch, La guerre (wie Anm.5), 29.

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zu stellen wie die nach dem Defizit. Und sie wurde natürlich auch schon von den Zeitgenossen gestellt: „Un roi qui ne sait gouverner que dans la paix ou dans la guerre [… ] n’est qu’à demi roi. […] Un roi entièrement tourné à la guerre voudrait toujours la faire pour étendre sa domination et sa gloire propre: il ruinerait ses peuples. […] Jamais aucun peuple n’a eu un roi conquérant sans avoir beaucoup à souffrir de son ambition. Un conquérant, enivré de sa gloire, ruine presque autant sa nation victorieuse que les nations vaincues.“ 11

Nicht nur in Frankreich und nicht nur in Preußen gab es Könige, die den Krieg zu sehr liebten, und seit dem Ende des 17.Jahrhunderts war es nicht nur Fénelon bewusst, dass der Ruhm eines Königs sein Volk leiden ließ. Die Antworten, die die Frühe Neuzeit selbst gab auf die Fragen nach Art und Ausmaß monarchischen Heroismus, nach seiner Rolle und seinem Stellenwert im Geschäft der Monarchie, konnten daher höchst unterschiedlich ausfallen. Sie reichten von der überbordenden Glorifizierung Ludwigs XIV. bis zum bewussten Nicht-Heroismus seines entfernten Vorgängers Heinrich III., oder etwa, in England, Jakob I. Beiden sind daher auch eigene Beiträge dieses Bandes gewidmet. Doch selbstverständlich, es ist eingangs bereits deutlich gemacht worden, weisen diese an die Monarchie gerichteten Fragen über die Frühe Neuzeit hinaus. Das monarchische Rollenmodell behielt lange – es behält eigentlich bis heute – eine spezifisch militärische Dimension. So ist für die späte Neuzeit besonders die Frage nach dem Verhältnis von heroischer Monarchie und martialischer Nation zu stellen bzw. nach dem Handlungsspielraum eines Monarchen im Zeitalter des Nationalen und zugleich im Zeichen des Konstitutionellen. 12 Auch hier waren die Antworten der Zeit selbst recht unterschiedlich, und unterschiedlich, wie die hier gewählten Beispiele zeigen, war auch ihr Erfolg. Damit sollte klar sein, dass es hier nicht um eine Ruhmesgeschichte kriegerischer Könige geht. Es geht vielmehr um die Herausforderung, die das heroische Moment für Monarchen und Monarchien brachte. Und es geht um die Krisen, die sich damit zwangsläufig einstellten: Um Niederlagen, Fehlbesetzungen, heroische Defizite. Auch daher stehen nicht unbedingt die – zumal in Deutschland oder Frankreich –

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François de Salignac de La Mothe-Fénelon, Les aventures de Télémaque, in: ders., Œuvres. Ed. Jacques Le

Brun. Vol.2. Paris 1997, 67f. 12

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Siehe die Beiträge von Gustaaf Janssens und Thomas Stamm-Kuhlmann in diesem Band.

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einschlägigen „Größen“ des Genres im Mittelpunkt dieses Bandes. Unbedingt mitbedacht werden müssen sie freilich.

II. Die gekrönten Ritter der Renaissance Sebastian I. war in vieler Hinsicht typisch für die gekrönten Ritter der Renaissance: Er begann jung – endete dann allerdings auch jung. Er war orientiert sowohl an literarischen Vorbildern, Amadís und anderen 13, wie auch an denen heldenhafter Ahnen. Sein Bestreben war es, die Macht seiner Krone zu erweitern, noch mehr aber wohl, persönlichen Ruhm zu erwerben, dafür gezielt auch persönlich die Gefahr zu suchen. Getragen wurde dies von einem beträchtlichen religiösen Motivationsüberschuss. 14 Nicht viel anders, aber eben natürlich viel glücklicher, hatte auch Karl V. begonnen und agiert, der in diesem Geiste dann 1535 immerhin Tunis eroberte. Das Ethos des christlichen Ritters war auch für den Kaiser prinzipiell handlungsleitend gewesen – ein wichtiger Teil seines burgundischen, auf Philipp den Guten, den Gründer des Vliesordens, zurückgehenden, von Karl dem Kühnen und Maximilian I. weitergetragenen Erbes. 15 Der Beitrag von Karl-Heinz Spieß zeigt hier die Aufnahme burgundischer Tradition durch den „letzten Ritter“ eindringlich auf. Das Rittertum der Renaissance kam also ohne religiöse Fundierung nicht aus, und für das Rittertum der Könige – oder auch Kurfürsten – galt das in besonderem Maße. Dies demonstriert der Beitrag von Mathis Leibetseder. Heroismus hatte – oder wollte haben – bis auf weiteres immer auch einen sakralen Aspekt, den des Kampfes für Kirche und Glauben. Im konfessionellen Zeitalter galt das dann zwangsläufig in innerchristlicher Rivalität. Den sakralen Aspekt lassen namentlich königliche „Schlachtopfer“ erkennen, und dies in beiden Konfessionen. 16 Der ritterliche König hatte freigiebig zu sein und

13 Siehe den Beitrag von Dietmar Rieger in diesem Band. 14 Jean-François Labourdette, Histoire du Portugal. Paris 2000, 210–217. 15 Hugo Soly (Hrsg.), Karl V. und seine Zeit 1500–1558. Köln 2000. Siehe bes. die Einl. des Hrsg.s ebd.11– 25, hier 23f., sowie den Beitrag von Mia J. Rodríguez-Salgado, Karl V. und die Dynastie, ebd.27–111. Siehe gleichfalls Heinz Duchhardt, Das Tunisunternehmen Karls V. 1535, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37, 1984, 35–72. Siehe auch den Beitrag von Karl-Heinz Spieß in diesem Band. 16 Joël Cornette, Le roi de guerre. Essai sur la souveraineté dans la France du Grand Siècle. 2.Aufl. Paris 2000, 182–184 u. 302–306.

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das hieß, notfalls auch das eigene Leben aufs Spiel zu setzen – allerdings eben nicht leichtfertig. Sich nach tapferem Kampf zu ergeben, war bei Pavia für Franz I. ebensowenig ehrenrührig, wie es das bei Poitiers für Johann II. gewesen war oder für ihre Begleiter. 17 Jean-Marie Le Gall zeigt die Konsequenzen und Optionen, die sich für den Gefangenen von Madrid aus der Niederlage ergaben. Infragestellung ritterlicher Ideale gehörte nicht dazu und musste nicht dazu gehören. Starb aber nun ein Ritter in den Waffen, und war dies kein unzeitiger Tod in frühem Alter, so sah man ihn an als die adäquate Erfüllung einer ruhmreichen Laufbahn. So war es bei den großen „Kapitänen“ der französischen Italienzüge, Bayard, La Palice, La Tremoïlle. 18 Und so verfuhr zumindest die französische Rezeption auch noch mit Gustav Adolf von Schweden. 19 Ein jugendlicher Heldentod ließ sich in angemessener Weise rhetorisch verklären, blieb aber ein Tod zur Unzeit und wurde als solcher beklagt. 20 – Für Könige, die in den Waffen fielen, trat aber eine andere, eine sakrale Dimension hinzu: Das galt sowohl für Ludwig II. von Ungarn 1527 als auch für Sebastian I. von Portugal 1578 und auch noch, in besonderer Form, für Gustav II. Adolf 1632. Diese Königsopfer besaßen neben dem heroischen Aspekt auch den eines Aktes der Buße. Die Herrscher nahmen in ihrem heroischen Tod – für den jeweils „wahren Glauben“ – die Sünden ihrer Länder auf sich. 21 Der Schlachtentod Karls XII. von Schweden scheint allerdings bereits in einen anderen, realpolitischeren Kontext zu gehören. Hier überschatteten wohl die Katastrophe des Imperiums und dann der Kollaps des Regimes den Tod des Königs – der für all dies die Verantwortung trug. Allerdings wäre dies wohl an den Quellen noch einmal zu überprüfen. 22

17

Siehe den Beitrag von Jean-Marie Le Gall in diesem Band. – Allgemein zur Ausbildung einer „ritter-

lichen“ Kapitulation siehe Holger Afflerbach, Die Kunst der Niederlage. Eine Geschichte der Kapitulation. München 2013, 63–91. 18

Cornette, Roi de guerre (wie Anm.16), 297–299 u. 307f.; André Corvisier, La mort du soldat depuis le Mo-

yen Âge, in: Revue historique 99, 1975, 3–30. – Speziell zur Rezeption Bayards siehe Stéphane Gal (Ed.), Bayard. Histoires croisées du chevalier. Grenoble 2007. 19

Cornette, Roi de guerre (wie Anm.16), 183.

20

Martin Wrede, Ohne Furcht und Tadel. Für König und Vaterland. Frühneuzeitlicher Hochadel zwi-

schen Familienehre, Ritterideal und Fürstendienst. Ostfildern 2012, 46–50. 21

Cornette, Roi de guerre (wie Anm.16), 292–303. – Dass die Planer des Spezialangriffs Wilhelms II. ent-

sprechende Gedanken gehegt hätten, lässt sich offenbar nicht feststellen. Vgl. die in Anm.1 genannten Titel. 22

14

Siehe den Beitrag von Joachim Krüger in diesem Band.

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Franz I. von Frankreich, vielleicht der – zumindest in seiner Selbststilisierung – profilierteste roi-chevalier der Epoche – machte jedoch deutlich, dass man es mit dem religiösen Impetus auch nicht übertreiben musste. Er, Nachfolger Ludwigs des Heiligen, Roi Très-Chrétien, verbündete sich zeitweise mit dem Sultan wie mit den nordafrikanischen Barbaresken-Fürsten. 23 Seine Inszenierung beeinträchtigte dies selbstverständlich in keiner Weise. 24 Und auch Karls V. Tunisunternehmen fand ja erst anderthalb Jahrzehnte nach seiner Kaiserwahl statt, besaß zudem ausgeprägt realpolitische Züge. Man könnte also konstatieren, dass auch er das burgundische Erbe und dessen Kreuzzugsauftrag jedenfalls nicht in sebastianischem Übermaß verinnerlicht hatte. Doch auch Herzog Philipp der Gute, der Gründer des Vliesordens, war ja zu seiner Zeit letztlich bereits genauso verfahren. Sein Kreuzzugsprojekt war immer wieder an den Realitäten gescheitert. 25 Insofern könnte man Karls V. „burgundisches Erbe“ gerade in einem realitätsnahen Umgang mit dem glaubensgestützten Rittertum erkennen. Ohnehin hat Werner Paravicini einmal die Frage formuliert, was denn überhaupt „spezifisch burgundisch“ gewesen sei. In letzter Konsequenz blieben wohl, das war zumindest die Meinung der habsburgischen Nachfolger, einerseits die besondere „largesse“, die vom Reichtum des Landes genährte prunkvolle Großzügigkeit von Hof und Herrscher, die „raffinement“ und „splendeur“ erst ermöglichte, andererseits eben, darauf verweist der Beitrag von Maria Golubeva, eine spezifische militärische Kompetenz. 26 Freilich war dabei das „raffinement“ immer auch ein moralisches, das in der Verinnerlichung ritterlicher Ideale lag und dann wiederum in deren – nicht zuletzt festlichem – Sichtbarmachen nach außen. Karl-Heinz Spieß spricht zu Recht von einem „Lebensstil“. 27

23 Robert J. Knecht, Un prince de la Renaissance. François Ier et son royaume. Paris 1998 (engl. Orig. Cambridge 1994), 293f., 297f., 331 u. 486. Text des Bündnisvertrages von 1535 in: Treaties between Turkey and Foreign Powers, 1535–1855. London 1855, 170–174. 24 Knecht, Un prince de la Renaissance (wie Anm.23), 411–474; Anne-Marie Lecoq, François Ier imaginaire. Symbolique et politique à l’aube de la Renaissance française. Paris 1987. 25 Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund. Göttingen 1993, bes. 13–17 u. 119–126. 26 Werner Paravicini, The Court of the Dukes of Burgundy. A Model for Europe?, in: Ronald G. Asch (Ed.), Princes, Patronage and the Nobility. London 1991, 69–102, hier 86; ders., Préface: la fin du mythe bourguignon?, in: ders.u. a. (Eds.), La cour de Bourgogne et l’Europe. Le rayonnement et les limites d’un model culturel. Ostfildern 2013, 9–17, hier 12f.; Wrede, Ohne Furcht und Tadel (wie Anm.20), 252. Siehe auch den Beitrag von Maria Golubeva in diesem Band. 27 Siehe den Beitrag von Karl-Heinz Spieß in diesem Band, hier 70.

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Denn zu dieser prunkvollen, verfeinerten Großzügigkeit gehörte eben auch, dass der Fürst über ein gewisses Maß solcher Verfeinerung verfügte: Das hieß, an Gelehrsamkeit und an Wertschätzung für die Künste. Natürlich war auch das keineswegs exklusiv burgundisch, sondern nur in besonderer Weise ausgeprägt. Franz I., auf seine Art auch ein Erbe der Burgunder, machte sich die auf Johannes von Salisbury zurückgehende Devise explizit zu eigen: Ein ungebildeter König sei nichts anderes als ein gekrönter Esel. Der wirklich ritterliche König musste „prince guerrier“ sein und zugleich „sage chevalier“. 28 Die mittelalterliche Kraftkultur des Adels wurde damit verabschiedet, aber sie ragte natürlich dennoch weit in die Neuzeit hinein. Renaissance-Rittertum oder auch noch Barock-Chevalerie blieben Kulturen des Performativen. Körperlichkeit, körperliche Leistungsfähigkeit, prestance, waren weiterhin wichtige Attribute nicht nur des Adels, sondern auch des Herrschers. 29 Mehr als Karl V. demonstrierten und zelebrierten dies wohl seine beiden Rivalen, Franz I. und auch Heinrich VIII. von England. Glenn Richardson unterstreicht hier gerade dies nachdrücklich. Und natürlich fand sich das Moment auch anderwärts, etwa unter hohen Reichsfürsten, für die Mathis Leibetseders Beitrag steht. 30 Waren hingegen prestance und Ausstrahlung nicht gar so ausgeprägt und eigentlich eher das Gegenteil der Fall, so wich man in den gleichwohl notwendigen Lobpreisungen aus auf die körperliche „Geschicklichkeit“ und auf die Majestät des Blickes. 31 Die Herrscher der Renaissance inszenierten und erprobten sich und ihre Außenwirkung vor allem in der höfischen Festform par excellence, dem Turnier. Das barg freilich Gefahren. Heinrich II. von Frankreich etwa, Sohn und Nachfolger Franz’ I., sagen einschlägige Lebensbeschreibungen gleichfalls körperliche „Schönheit“, gute eindrucksvolle Haltung und also eine wahrhaft königliche Erscheinung

28

Robert J. Knecht, François Ier et le Miroir des princes, in: Ran Halévi (Ed.), Le savoir du prince. Du Moyen

Âge aux Lumières. Paris 2002, 81–110. Vgl. Alain Boureau, Le prince médiéval et la science politique, ebd.25– 50, sowie Lecoq, François Ier (wie Anm.24), 64f. 29

Wrede, Ohne Furcht und Tadel, 318–331.

30

Siehe die Beiträge von Jean-Marie Le Gall, Glenn Richardson und Mathis Leibetseder in diesem Band.

31

Vgl. Étienne Jollet, L’œil du prince. Le regard dans les portraits royaux par Jean et François Clouet, in:

Thomas Gaehtgens/Nicole Hochner (Eds.), L’Image du roi de François Ier à Louis XIV. Paris 2006, 343–358. Zur verbalen Einkleidung der wenig vorteilhaften, „geradezu hässlichen“ Erscheinung (K. O. von Aretin) Leopolds I., dem Ausweichen auf Blick und Geschick siehe Eucharius Gottlieb Rinck, Leopolds des Grossen Römischen Kaysers wunderwürdiges Leben und Thaten [...], 4 Tle. in 2 Bdn. Cölln 1713, Bd. 1, 133. Hierzu auch im Folgenden (Anm.49).

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nach. 32 Doch markiert gerade er natürlich einen Grenzfall. Heinrich starb bekanntlich 1559 nach einem Turnierunfall. Ein sakrales Moment wohnte diesem Ende nicht inne; ein nachhaltig heroisierbares auch nur sehr eingeschränkt. Denn unter dem Eindruck des Ereignisses nahm die schon länger geführte Debatte, ob es einem Monarchen anstehe, sein Leben im Turnier aufs Spiel zu setzen, bald eine eindeutige Richtung. Die Frage wurde verneint, einen Turnierzweikampf mit scharfen Waffen sollte kein König mehr führen, das Turnier als solches sukzessive zum choreographierten Ross- bzw. „Kampfballett“ weiterentwickelt werden. Die carrousels noch des 17. und 18.Jahrhunderts zeigen freilich, wie wichtig diese Darstellungsform für die Inszenierung monarchischer gloire war und blieb. 33 Denn turnierende Könige waren natürlich nicht unbedingt törichte Könige gewesen. Dem Prinzip, dass auch der Monarch bei derlei tendenziell gefährlichen Gelegenheiten mittat, lag ein rationales Prinzip der Herrschaftsstabilisierung zugrunde: Es galt die Souveränität über den Adel zu stützen durch Fraternität mit dem Adel bzw. durch deren Zurschaustellung. Der Gedanke der Gemeinschaft, der Brüderlichkeit, motivierte die Gründung der verschiedenen höfischen Ritterorden, bestimmte ihre soziale Praxis. Und er findet sich ebenso in den Turnieren der höfischen Feste. Der Fürst reihte sich einerseits ein in die Schar seiner Ritter, andererseits beanspruchte er deren Führung. Und idealerweise versuchte er diesen Anspruch auch durch Taten einzulösen. Heinrich II. wurde das freilich zum Verhängnis. 34

III. Nicht-heroische Inszenierungen der Monarchie Es war keineswegs die italienische Niederlage Franz’ I. gewesen und auch nicht unbedingt das tragische Ende Heinrichs II., die die französische Monarchie zum gewagten Experiment jener prononciert nicht-heroischen Inszenierung führte, die

32 Petrus Paschalus, Henrici II Galliarum Regis Eulogium [...]. Éloge de Henri II de France. Paris 1560, 9. Zu Heinrich II. vgl. Ivan Cloulas, Henri II. Paris 1985, 9, 60 u. 236f. 33 Zu den Modifikationen des Turniers im 16. und 17.Jh. siehe Wrede, Ohne Furcht und Tadel (wie Anm.20), 318–371, sowie, speziell zum „Kampfballett“ Martina Neumeyer, Vom Kriegshandwerk zum ritterlichen Theater. Das Turnier im mittelalterlichen Frankreich. Bonn 1998, 475. – Siehe auch die Beiträge von Lena Rangström und Thomas Biskup in diesem Band. 34 Wrede, Ohne Furcht und Tadel (wie Anm.20), 318–322, 354–361 u. 369–371.

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hier Nicolas Le Roux betrachtet. 35 Die Gründe lagen eher in den auf die Reformation folgenden gesellschaftlichen und politischen Krisen, die das Land erschütterten. Doch zumindest trug der königliche Turniertod von 1559 etwas bei zur Verschärfung der Lage: Seine Söhne, die nacheinander den Thron bestiegen, wurden von Turnierübungen gezielt ferngehalten – und also auch von der daraus rührenden Gemeinschaft mit dem Adel. Die aber hätten sie gut gebrauchen können. 36 Besonders König Heinrich III., der 1574 als letzter dieser Söhne den Thron bestieg, war sich der inzwischen von den französischen Religionskriegen bewirkten grundsätzlichen Krise der Monarchie bewusst. Ihre Autorität war im Bürgerkrieg versunken. Aus Sicht Heinrichs III. freilich war das Legitimitätsdefizit der Krone zunächst ein sakrales. Und er versuchte, dies zu heilen durch eine besonders spirituelle, mystische Inszenierung des Königtums. Das heroische Fach, für das er durchaus Voraussetzungen mitbrachte, ließ er bewusst hinter sich. Die daraus rührende Unzufriedenheit ignorierte er. Das Moment der Gemeinschaftsstiftung innerhalb der Elite versuchte er durch die Begründung des Ritterordens vom Heiligen Geist aufzufangen. Das alles misslang. Heinrich III. galt und gilt bis heute als ein unfähiger, weibischer, spirituell verirrter Monarch, der den Reichtum der Krone an seine Gespielen verschenkte und weder mit den katholischen Ultras fertig wurde noch mit den Protestanten. 1589 ermordete ihn ein Dominikanermönch. Sein Nachfolger, der erste Bourbone Heinrich IV., tat dann einiges, um die an den verstorbenen Vetter geheftete „Schwarze Legende“ zu erhalten. 37 Etwas mehr Erfolg hatte an der Spitze der englischen Monarchie König Karl I. Zwar kam auch er bekanntlich nicht mit dem Leben davon, doch blieb immerhin sein Nachruhm intakt. In England hatte sich, davon war bereits die Rede, noch Heinrich VIII. als typischer ritterlicher Renaissance-Monarch inszeniert. Elisabeth I. schrieb diese Linie dann in weiblicher Akzentuierung fort: Sie trat auf als unerreich35

Siehe den Beitrag von Nicolas Le Roux in diesem Band.

36

Laurent Bourquin, Les défis des guerres de Religion, 1559–1610, in: Joël Cornette (Ed.), La Monarchie

entre Renaissance et Révolution, 1515–1792. Paris 2000, 63–134. 37

Nicolas Le Roux, Un régicide au nom de Dieu. L’assassinat d’Henri III, 1er août 1589. Paris 2006, 10 u. 347;

ders., La mort d’un roi, la fin d’une dynastie. Le double assassinat d’Henri III, in: Martin Wrede/Horst Carl (Hrsg.), Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeitlichen Adels in Umbruch und Krise. Mainz 2007, 425– 444. Siehe ferner: Michael Wolfe, The Strange Afterlife of Henri III. Dynastic Distorsions in Early Bourbon France, in: Renaissance Studies 10/4, 1996, 474–489; Denis Richet, Henri III dans l’historiographie et dans la légende, in: Robert Sauzet (Ed.), Henri III et son temps. Paris 1992, 13–20.

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bares weibliches Ideal aller Ritter, „gloriana Regina“ bzw. – wie Susan Doran hier zeigt – als Heldin, auch Glaubensheldin, ganz eigener Art. 38 Das heroische Fach war für Herrscherinnen ein Problem, besonders galt dies für die von Matthias Schnettger angesprochenen Regentinnen, aber eben, auch dies zeigt Schnettger, doch nicht zwangsläufig ein unlösbares: Weiblich konnotierte Eigenschaften ließen sich auch hier ins Heroische wenden bzw. ins Heroisierbare. 39 Maria Theresia von Österreich, natürlich wiederum selbstregierende Herrscherin, lieferte emblematisch, auf dem Preßburger Reichstag 1742, eine „mütterliche“ Variante des elisabethanischen Modells: „Mit Blut und Leben“ wollten die ungarischen Magnaten für sie einstehen. Politisch korrekt (für das ungarische 18.Jahrhundert) wurde die Monarchin zwar als „König“ tituliert, doch dessen Feminisierung war offenkundig gelungen. 40 Elisabeths I. Nachfolger, Jakob VI. von Schottland, der die englische Monarchie eigentlich wieder zum männlichen „Normalmaß“ zurückbrachte, wollte und konnte an die Glorifizierungs- und eben auch Heroisierungsstrategien seiner Vorgängerin jedoch nicht anknüpfen, ebenso wenig an die etwa Heinrichs VIII. Irgendwelche heroische Eignung besaß er nicht, und seine weitentwickelte intellektuelle Überzeugung ließ ihn, so zeigt es Ronald Asch, das monarchische Ideal eher als Friedefürst definieren. 41 Sein Sohn und Nachfolger, Karl I., folgte dieser Linie, präsentierte sich als feinsinniger Aristokrat wie als Symbol von Ordnung, Frieden und Recht. Die Krise und Katastrophe seiner Herrschaft rührte nun zum einen daraus, dass er eine deutlich kriegerischere Politik verfolgte als sein Vater, freilich ohne dazu die Mittel zu haben. Denn die englische Nation mochte von ihm durchaus erwarten, dass er eine glaubensgestützte aggressive Außenpolitik gegenüber Spaniern und Franzosen verfolgte – zu entsprechender „Steuerfreudigkeit“ und Bereitschaft, dem König die notwendigen Machtmittel hierfür auch zur Verfügung zu stellen, führte dies nicht. Er tat dies umso weniger, als Teile der Elite – die nicht ohne Grund so genannte „hotter sort of protestants“ – den König ohnehin kryptokatholischer Neigungen verdächtigte, ihm also eine Rolle als miles Christianus schlechterdings nicht „abnahm“. Der politi38 Kevin Sharpe, Selling the Tudor Monarchy. Authority and Image in Sixteenth-Century England. New Haven, Conn./London 2009, 84, 115, 131 u. bes. 158f. 39 Siehe den Beitrag von Matthias Schnettger in diesem Band. 40 Werner Telesko, Maria Theresia. Ein europäischer Mythos. Wien 2006, 14–17, 47–52, 65f. u.ö. 41 Ronald G. Asch, Jakob I., 1566–1625. König von England und Schottland. Herrscher des Friedens im Zeitalter der Religionskriege. Stuttgart 2005. Siehe auch den Beitrag von Ronald G. Asch in diesem Band.

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sche Konflikt Karls mit dem Parlament hatte so von Anfang an auch eine unbedingt religiöse Dimension. 42 Im Endeffekt führte dies dazu, dass die Definition der Monarchie iure divinum gegen eine Definition als den Landesgesetzen unterworfene Magistratur stand. Eine Magistratur, deren Inhaber nach diesen Landesgesetzen für Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen und dann sogar hinzurichten war. Dabei eignete Karls Ende dann sehr wohl eine Spielart des Heroischen. Auch dies zeigt der Beitrag von Ronald Asch: Der König tauschte, wie es das Titelblatt des „Eikon Basilike“ auswies, die weltliche gegen eine himmlische Krone, wurde, christusgleich, zum heroisch Leidenden. Karl hatte sich nach seiner Niederlage und gegenüber allen als kompromittierend angesehenen Kompromissmöglichkeiten bewusst für diese Rolle entschieden. Und in gewisser Weise gab ihm der Erfolg recht: Er erfuhr eine beachtliche Nachkarriere: Als Märtyrer der Monarchie und als (de facto) Heiliger der anglikanischen Kirche erwarb er Erinnerungskapital, mit dem, nach 1660, die Nachfolger arbeiten konnten – mochten auch sie wiederum nur begrenzt zum Heroischen neigen. 43 Das nicht-heroische Modell, das in Spanien Philipp II. inaugurierte, war sehr viel weniger angreifbar als das englische oder französische. Philipp hatte in seiner Jugend durchaus an Turnieren teilgenommen, in seinen ersten Regierungsjahren war er auf dem nordfranzösischen Kriegsschauplatz präsent gewesen. Der von seinem Vater initiierte Versuch, ihn in Geist und Habitus den burgundischen Niederlanden und dem ritterlichen Erbe seiner Vorfahren anzunähern, war freilich gescheitert. 44 Und Philipp wurde, wie Friedrich Edelmayer betont, nicht zum Ritter, sondern zum Bürokraten. Für die Niederlande ließ sich hierauf keine stabile Herrschaft gründen, der politischen Kultur des Landes war der Monarch zu weit entfremdet. Das spani-

42

Andreas Pečar, Macht der Schrift. Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Refor-

mation und Bürgerkrieg 1534–1642. München 2011, 29–123. Siehe dort auch Verweise in die neuere englische Forschung. Zur „hotter sort …“: Patrick Collinson, The Elizabethan Puritan Movement. Oxford 1967, 27. 43

Martin Wrede, Königsmord – Tyrannentod. Wie man sich der drei Körper des Königs entledigt oder es

zumindest versucht, in: Historisches Jahrbuch 133, 2013, 225–254. 44

Zum Versuch der „Burgundisierung“ Philipps II.: Emily Peters, 1549 Knight’s Game at Binche. Cons-

tructing Philip II’s Ideal Identity in a Ritual of Honour, in: Nederlands kunsthistorisch jaarboek 49, 1998, 11–36; Sylvène Édouard, L’Empire imaginaire de Philippe II. Pouvoir des images et discours du pouvoir sous les Habsbourg d’Espagne au XVIe siècle. Paris 2005, 25–45. Zur Unvereinbarkeit der politischen Kulturen: Perez Zagorin, Rebels and Rulers, 1500–1660. Vol.2. Cambridge 1982, 87–129. Vgl. Wrede, Ohne Furcht und Tadel (wie Anm.20), 354–361.

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sche Weltreich in seiner Gesamtheit ließ sich freilich sehr wohl „bürokratisch“ regieren und vielleicht nur so. 45 Es richteten sich dort bekanntlich auch keine Fragen auf des Königs rechten Glauben. An der Spitze ihrer Armeen hinterließen die spanischen Nachkommen Karls V. aber durchaus eine „Leerstelle“. 46 Etwas anders agierten und präsentierten sich die deutschen Habsburger. Zwar zog Rudolf II. nicht zu Felde, doch nutzte er die propagandistischen Möglichkeiten, die ihm der Lange Türkenkrieg bot. Und die Defizite, die der Kaiser in puncto Wehrhaftigkeit, Tatkraft und deren Darstellung letztlich doch ließ, waren für das Scheitern seiner erratischen Herrschaft wohl nicht ausschlaggebend. 47 Ferdinand II. agierte zwar nicht persönlich als christlicher Ritter, sehr wohl aber als Verteidiger des (katholischen) Glaubens. 48 An kriegerischer Energie im Dienste der guten, d.h. eigenen Sache mangelte es ihm nicht. Und mit Ferdinand III. saß dann nach 1637 wieder ein wenigstens zeitweiliger Feldherr auf dem Thron – immerhin einer der Sieger von Nördlingen. Nach 1648 galt es ihm allerdings nicht unbedingt, diese Rolle zu betonen, sondern zum Kaiser des Westfälischen Friedens zu werden. 49 Und das war zunächst wohl auch die Leitschnur für seinen Sohn und Nachfolger. Leopold I., der, nach Karl Otmar von Aretin, „unmilitärischste Herrscher seiner Epoche“ und möglicherweise auch der unansehnlichste, stellte seine Repräsentationsstrategie zunächst darauf ab, abseits alles Heroischen, Ritterlichen, Militärischen als Garant von Frieden, Ordnung und Recht aufzutreten. Monarchischer, habsburgisch-kaiserlicher Heroismus gerade unter Leopold, so der Beitrag von Maria Golubeva, wirkte essentiell gemeinwohlbezogen bzw. wollte so wahrgenommen werden. Das entsprach durchaus der vorsichtigen, ausgleichenden Politik des Wie-

45 Arndt Brendecke, Imperium und Empirie. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft. Köln 2009. 46 Cornette, Roi de guerre (wie Anm.16), 177. 47 Karl Vocelka, Die politische Propaganda Kaiser Rudolfs II. 1576–1612. Wien 1981; ders., Matthias contra Rudolf. Zur politischen Propaganda in der Zeit des Bruderzwistes, in: Zeitschrift für historische Forschung 10, 1983, 341–351; Zdenek Vybíral, Rivals in their own Land. Mathias’ and Rudolf’s Armies on the Fringe of the „Bruderzwist“, in: Václav Buzek (Hrsg.), Ein Bruderzwist im Hause Habsburg 1608–1611. Ceské Budejovice 2010, 401–415. Siehe auch weitere Beiträge des Bandes. 48 Thomas Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession. Politik und Ordnungsvorstellungen Ferdinands II. im Dreißigjährigen Krieg. Paderborn 2011. Siehe auch den Beitrag von Maria Golubeva in diesem Band. 49 Lothar Höbelt, Ferdinand III. 1608–1657. Friedenskaiser wider Willen. Graz 2008, 63–104, 271–273, 409f.

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ner Hofes in diesen Jahren. Und eine andere als diese ließen einerseits das wieder in Kraft gesetzte Reichssystem, andererseits die höchst beschränkten Kräfte der Erblande auch gar nicht zu. Das hatte schon für Ferdinand III. gegolten. 50 Ein heroisches Defizit entstand daraus nur punktuell und kurzfristig, als der ungarische Adel sich von dem aus seiner Sicht timiden, zu sehr nach Westen orientierten und zu wenig mit der Rückeroberung Ungarns beschäftigten Kaiser abwandte. Dieser Rebellion brach Leopold allerdings rasch und entschlossen das Genick – und zwar im wörtlichen Sinne: Die Rädelsführer wanderten aufs Schafott. Und spätestens nach 1683 hatte dann auch der ungarische Adel genug Gelegenheit zur Profilierung im heldischen Fach. 51 Ebensowenig allerdings, wie heroische Momente in Leopolds Selbststilisierung vor 1683 gänzlich abwesend gewesen waren, nahmen sie nach 1683 überhand. Zwar gab es nun in nicht mehr geringer Zahl Darstellungen des Kaisers als Triumphator über Türken und Franzosen, doch zum empereur-connétable ließ sich Leopold nicht hochschreiben oder -malen. 52 Anders als ein naher französischer Verwandter. Dabei gilt freilich: Mochte Leopold keinerlei Anstalten gemacht haben, zum Feldherrn zu werden: Kriegsherr, bewusster, unbestrittener Inhaber der politischen Autorität über die militärische Gewalt war und blieb er ganz ohne Zweifel. Und diese funktionale bzw. terminologische Aufspaltung lässt sich wohl auch in anderen Fällen beobachten oder anwenden. 53 Im Grunde traf sie auch auf jenen nahen französischen

50

Maria Goloubeva, The Glorification of Emperor Leopold I in Image, Spectacle and Text. Mainz 2000,

85–120; Karl Otmar von Aretin, Das Alte Reich 1648–1806. Bd. 1. Stuttgart 1993, 195f. (Zitat). Siehe auch den Beitrag von Maria Golubeva in diesem Band. 51

István Hiller, Ungarn als Grenzland des christlichen Europa, in: Ronald G. Asch/Martin Wrede (Hrsg.),

Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt. München 2001, 567–576; Martin Wrede, Das Reich und seine Feinde. Politische Feindbilder in der reichspatriotischen Publizistik zwischen Westfälischem Frieden und Siebenjährigem Krieg. Mainz 2004, 127–129. 52

Martin Wrede, Türkenkrieger – Türkensieger. Leopold I. und Ludwig XIV. als Ritter und Retter der

Christenheit, in: Christoph Kampmann u.a. (Hrsg.), Bourbon, Habsburg, Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700. Köln 2008, 149–156. 53

Vgl. Stig Förster/Markus Pöhlmann, Kriegsherren in der Weltgeschichte, in: dies. (Hrsg.), Kriegsherren

der Weltgeschichte. 22 historische Portraits. München 2006, 7–17. „Kriegsherren“ werden hier definiert als Inhaber der politischen und zugleich militärischen Macht. „Fürsten, Regierungschefs und Staatsoberhäupter, die auch oberste militärische Befehlshaber waren und diesen Oberbefehl wenigstens punktuell tatsächlich, und nicht durch mittelbare Instanzen, ausgeübt haben“ (ebd.7). Es wäre möglicherweise sinnvoll, die Definition statt auf die punktuelle eigene Ausübung der militärischen Befehlsgewalt schärfer auf den

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Verwandten Leopolds zu, also Ludwig XIV. Sie deckte sich freilich nur höchst bedingt mit Wegen und Zielen von dessen Selbstinszenierung.

IV. Echte und imaginierte Rois-Connétables Ludwig XIV. stand in einer großen, aber gebrochenen Tradition. Die sakrale ebenso wie die heroische Tradition der französischen Monarchie waren gebrochen durch die Religionskriege. Und gebrochen war natürlich auch die dynastische Tradition durch das Aussterben der Valois 1589. Heinrich IV., der erste Bourbonenkönig, war letztlich ja nichts anderes als ein durch eine ganz unwahrscheinliche Todes- und Ereignisfolge auf den Thron gelangter „Grand“: Ein Magnat unter anderen, allerdings eben mit einem Tropfen königlichen Blutes in den Adern. 54 Er unternahm nun sowohl eine Re-Heroisierung der Monarchie wie auch eine Re-Sakralisierung. Und beide Wege standen im Zeichen des Herkules. Der antike Held avancierte zum Leitmotiv der königlichen Selbstdarstellung. 55 Heinrich und Herkules standen zunächst für ein neostoizistisch inspiriertes Königtum der Tat, das sich sonst besonders im protestantischen Europa findet. Heinrich, dessen Sakralität zunächst ebenso zweifelhaft war wie sein Erbrecht, wollte und musste ein aktiver Herrscher im Vordergrund der Bühne sein, kein entrückter „roi caché“. Und zu diesem Tatkönigtum gehörte zwingend die Kriegführung in eigener Person. Das fiel ihm leicht, denn es entsprach seinem Temperament wie seiner Herkunft. Heinrich war ja weniger Roi-Connétable als vielmehr Parteiführer, der den Thron gewonnen hatte, der erst Feldherr gewesen war und dann König geworden. Und zu seinem Tatkönigtum gehörte dann allerdings auch etwas, was man als „Politics of Promiscuity“ bezeichnet hat, nämlich die mäßig verschlüsselte Darstellung auch seiner sexuellen Potenz. Nicht zuletzt dieser Aspekt von Virilität hatte

Primat der politischen über die militärische Führung zuzuspitzen sowie auf das Treffen strategischer und personeller Grundsatzentscheidungen. 54 Jean-Marie Constant, Henri IV. Roi d’aventure. Paris 2010, 101–173; Edmund H.Dickerman/Anita M. Walker, The Politics of Honour. Henri IV and the Duke of Bouillon, in: French History 14, 2000, 383–407. 55 Edmund H.Dickerman/Anita M. Walker, The Choice of Hercules. Henry IV as a Hero, in: Historical Journal 39, 1996, 315–337; Denis Crouzet, Les fondements idéologiques de la royauté d’Henri IV, in: Jacques Pérot/Pierre Tucoo-Chala (Eds.), Henri IV. Le roi et la reconstruction du royaume. Pau 1990, 165–194.

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Heinrich III. gefehlt. Die Inszenierung des Gegenbildes war weder Zufall noch Nachteil. 56 Grundsätzlich stand eben „Männlichkeit“, gleich welcher Art und Akzentuierung, weder Helden noch Königen schlecht. Die Re-Sakralisierung der französischen Monarchie stand dann nicht im Zeichen Herkules des Helden, sondern Herkules des Dulders. Glaubt man Denis Crouzet, nahm dieser Aspekt der Inszenierung die Ermordung des Königs bereits vorweg und integrierte sie in den neuen Entwurf der Monarchie. Das besitzt insofern eine gewisse Plausibilität, als die Regierungszeit Heinrichs IV. von wiederholten Anschlägen auf das Leben des Königs geprägt war, man also mit dem Ausgang von 1610 jederzeit zu rechnen hatte. 57 Freilich war Herkules auch bei anderen Herrschern und Dynastien in seinen zwei Aspekten überaus beliebt, er stellte also keine wirklich originelle Wahl dar. Der Re-Sakralisierung des französischen Thrones entsprach aber auch der neu angeschobene Kult des Heiligen Ludwig, König Ludwigs IX., von dem jener Tropfen königlichen Blutes stammte, der den Bourbonen die Königswürde eingebracht hatte. Und der Re-Sakralisierung entsprach natürlich eine zunächst noch verhaltene, nach Heinrich IV. dann immer deutlicher gegenreformatorisch geprägte innere Politik. 58 Die Frage, ob von der wiedergewonnenen oder wiederbeanspruchten Sakralität der Bourbonen bei den Untertanen viel „ankam“, muss man wohl eher mit Skepsis beantworten, wie Jens-Ivo Engels gezeigt hat. 59 Daran, dass das heroische Moment „ankam“, kann es demgegenüber wenig Zweifel geben, eindringlich zeigen dies die Reiterdenkmäler der drei älteren Bourbonenkönige. Die Statue Heinrichs IV. auf dem Pariser Pont-Neuf setzte den Maßstab. Ludwig XIV. als allzeit siegreicher, allseits sichtbarer bronzener Reiter markierte dann das ganze Land. 60 Der Erfolg dieser

56

Katherine B. Crawford, The Politics of Promiscuity. Masculinity and Heroic Representation at the Court

of Henry IV, in: French Historical Studies 26, 2003, 225–252. Vgl. Anita M. Walker/Edmund H.Dickerman, The King who would be Man. Henri III, Gender Identity, and the Murders at Blois, 1588, in: Historical Reflections/Réfléxions historiques 24/2, 1998, 253–281. 57

Guido Bruck, Habsburger als ‚Herculier‘, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 50,

1953, 191–198. 58

Eric Nelson, The Jesuits and the Monarchy. Catholic Reform and Political Authority in France, 1590–

1615. Aldershot 2005. 59

Jens-Ivo Engels, Königsbilder. Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen König in der ers-

ten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Bonn 2000, 268. 60

Siehe hierzu Michel Martin, Les monuments équestres de Louis XIV. Une grande entreprise de propa-

gande monarchique. Paris 1986; Volker Hunecke, Europäische Reitermonumente. Ein Ritt durch die Ge-

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bronzenen Performanz heroischer Monarchie kam nicht von ungefähr, er besaß, wie Volker Hunecke illustriert, einige (italienische) Vorläufer und er sollte dann auch noch etliche (gemeineuropäische) Nachfolger finden. Besonders galt solcher Erfolg des heroischen Modells aber in seiner Wirkung auf die Eliten. Blickt man auf Frankreich, so beschäftigte die kriegerische Politik Heinrichs IV., Ludwigs XIII. und vor allem dann Ludwigs XIV. den Adel und befriedigte seine heroischen Impulse. Die Bereitwilligkeit, in der Armee des Königs zu dienen, ist einerseits erklärt worden mit materieller Notwendigkeit, was sicher nicht falsch ist. 61 Doch als alleiniger Grund kann dies nicht gelten: Zu gering war der materielle Gewinn des Dienstes in den Waffen – falls es denn überhaupt einen gab. Und die immateriellen Gründe liegen daneben ja auf der Hand: Die agonale, bellizistische Disposition des Adels wurde bedient und seine zunehmend von der Krone bestimmte Legitimation bestärkt. 62 Schon seit der Renaissance definierte sich der Adel zunehmend durch die ihm zuteil werdenden königlichen „Gnaden“. Blieben sie aus, rebellierte man. 63 Oder jedenfalls tat man das bis zum Ende der Fronde, des letzten französischen Bürgerkrieges, 1653. Nun hatten die Frondeure sich zum Teil entworfen und gegeben als im Leben die Literatur nachahmende Romanhelden. 64 Wer mit Amadís und anderen aufwuchs, mit Rittern und Helden bzw. den Erzählungen von ihnen, der verinnerlichte ihre Werte und Ideale. – Dietmar Riegers Beitrag erinnert an deren umfassende Präsenz. – Nichts anderes taten die Offiziere Ludwigs XIV., nur eben jetzt im Dienste des Königs. Das war auch die attraktivere Option, und zwar umso mehr, als nach 1661 der Störfaktor des allmächtigen Favoriten wegfiel. Der König regierte nun selbst, und er stellte sich auch selbst an die Spitze seiner Armee. Das entsprach seinen Vorstellungen wie auch denen des Adels. Man diente gern unter dem König, oder man gab sich zumindest gern diesen Anschein. 65

schichte Europas von Dante bis Napoleon. Paderborn 2008, sowie den Beitrag von Volker Hunecke in diesem Band. 61 Guy Rowlands, The Dynastic State and the Army under Louis XIV. Royal Service and Private Interest. Cambridge 2002, 153, 266. 62 Hervé Drévillon, L’impôt du sang. Le métier des armes sous Louis XIV. Paris 2005, 217–315. 63 Arlette Jouanna, Le devoir de révolte. La noblesse française et la gestation de l’État moderne, 1559–1661. Paris 1989; Brian Sandberg, Warrior Pursuits. Noble Culture and Civil Conflict in Early Modern France. Baltimore, Md. 2010. 64 Alexander Rubel, Eine Frage der Ehre. Die Fronde im Spannungsfeld von Adelsethos und Literatur, in: Francia 32/2, 2005, 31–58; Drévillon, Impôt du sang (wie Anm.63), 321–351. 65 Ebd.275–296; Gerrit Walther, Protest als schöne Geste, Gehorsam als ‚event‘. Zur Formation des ludo-

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Dies galt im Übrigen keineswegs nur für Frankreich. Ausstrahlung besaßen auch die selbstregierenden, selbst auch an der Spitze ihrer Armeen stehenden Monarchen des karolinischen Schweden, von denen besonders Karl XI. zudem durchaus höfischen Glanz entfaltete – Lena Rangström führt ihn vor Augen. 66 Seine rigide Innenpolitik provozierte freilich auch langfristig wirksame Widerstände. Ausstrahlung hatte die Präsenz Josephs I. – als Römischer König – auf dem Schauplatz des Reichskrieges gegen Frankreich, auch wenn dies Episode blieb. Ausstrahlung besaß aber gerade auch die Herrschaft bzw., richtiger, Amtstätigkeit der Oranier. Auch ihre Selbststilisierung, wie Olaf Mörke zeigt, betonte Tatkraft und Kriegsmacht, brachte dies zudem in Übereinstimmung mit einer spezifisch republikanischen politischen Kultur und Verfassung. Doch das Statthalterhaus der „heroischen Republik“ konnte bekanntlich auch mit duldenden Helden aufwarten: Der Schweiger war ja nicht so sehr Schlachtenlenker gewesen als vielmehr politischer Kopf und dann eben Märtyrer des jungen Staatswesens. Der Platz an der Spitze der Armee jedoch hatte seine besonderen Gefahren, und das waren nicht nur solche für Leib und Leben. Ludwig XIV. etwa, anders als sein Cousin Leopold, besaß Geschmack am Militärischen, aber er war kein Soldat. Und er war auch durchaus kein Feldherr. Er begab sich zu seinen Truppen, weniger, um sie zu führen, als vielmehr, um sie zu „inspirieren“. Er war in die Diskussionen und Entscheidungen seiner Marschälle involviert, aber er übernahm keine operative Verantwortung. Die von ihm „geleiteten“ Belagerungen waren opulente, aber auch sterile Veranstaltungen von vorhersehbarem Ausgang, Schauspiele – nicht Schlachten. 67 Und darin lag für den „Roi de gloire“ kurzfristig ihr besonderer Reiz bzw. Nutzen. Denn anders als etwa zu Zeiten Franz’ I., des Unterlegenen, Gefangenen von Pavia, schloss die alles überbietende Glorifizierung Ludwigs XIV. aus, den „Größten aller Könige“ der Gefahr einer persönlichen Niederlage auszusetzen; konkreter militärischer Erfolg wurde wichtiger als abstrakte ritterliche Haltung. Wobei freilich der Erfolg mit der Person des Monarchen nur mittelbar zu tun hatte. „Der König, der die Franche Comté erobert“, „der König vor Namur“, „der König

vizianischen Absolutismus aus dem Geist der Fronde, in: Lothar Schilling (Hrsg.), Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz. München 2008, 173–189. 66 Siehe den Beitrag von Lena Rangström in diesem Band sowie, zu den innenpolitischen Verwerfungen, den Beitrag von Joachim Krüger, hier 366. 67

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Cornette, Roi de guerre (wie Anm.16), 249–264.

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während des Rheinübergangs“ – all dies war imaginierte Konnetablerie, die umgeschmolzen wurde in die verschiedenen Formen des ludovizianischen Herrscherund Heldenkults: Reiterstatuen auf Königsplätzen, Deckengemälde in Versailles, Ölbilder und Stiche. Vereinigt war alles in einer Galerie der Pariser Invalides. Held war in diesem Verständnis im Grunde nur noch der Herrscher allein. Die übrigen Spieler auf dem Felde, und sei es der Große Condé, der Sieger von Rocroi, waren nicht unbedingt „Pygmäen“ – wie Wilhelm II. dies aus seiner Sicht für eine ihm ähnlich erscheinende Konstellation formulierte (er meinte damit bekanntlich u.a. Bismarck) –, aber doch bloße „reflèts du soleil“, Reflexe der königlichen Sonne. 68 Condé musste seiner bis dahin gepflegten Selbstallegorisierung als neuer Alexander seit den 1660er Jahren zugunsten des Königs entsagen. In den 1670er Jahren reichte der König Alexander dann nach Gebrauch wieder an ihn zurück. Sogar der Begriff wurde reserviert: „Héro“, „héroique“ sollte nur der König sein, alle anderen waren vielleicht noch „sublime“, erhaben. 69 Und „reflèts du soleil“ waren selbst noch die Türkensiege des Kaisers in Ungarn. Ludwig hatte sich zwar nicht daran beteiligt, aber er hatte darauf verzichtet, sie zu verhindern, hatte seine eigenen „gerechten Forderungen“ gegen den Kaiser zurückgestellt. 70 Der König setzte sich in seinen Kampagnen wohl der Gefahr aus, aber er suchte sie nicht um ihrer selbst willen. Unmittelbare Teilnahme am Kampf – für Franz I. selbstverständlich – galt nun als untunlich und auch als unschicklich. In einem Laufgraben oder vor der Flinte eines feindlichen Grenadiers hatte der Allerchristlichste König von Frankreich und Navarra nichts verloren. 71 Die Grundlage der heroischen Inszenierung veränderte sich 1693, als im Alter von 55 Jahren der König seine kämpfenden Truppen für immer verließ. Hierauf zielt

68 Aussagekräftig für die Inszenierung Ludwigs XIV. sind die Devisen des Carrousels von 1662, die (fast ausnahmslos) auf die „Sonne“ – d.h. den König – bezogen waren. Siehe Stéphane Castelluccio, Les carrousels en France du XVIe au XVIIe siècle. Paris 2002, 146–169. Vgl. Peter Burke, Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs. Berlin 1993, 67–90. – John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Aufbau der Persönlichen Monarchie 1888–1900. München 2001, 943. Vgl. auch Michael A. Obst, Einer nur ist Herr im Reiche. Kaiser Wilhelm II. als politischer Redner. Paderborn 2010, 181f. 69 Mark Bannister, Condé in Context. Ideological Change in Seventeenth-Century France. Oxford 2000, 189–191; ders., Crescit ut aspicitur. Condé and the Reinterpretation of Heroism, 1650–1662, in: Keith Cameron (Ed.), Ethics and Politics in Seventeenth-Century France. Essays in Honour of Derek A. Watts. Exeter 1996, 119–128. 70 Wrede, Türkenkrieger, Türkensieger (wie Anm.52), 159f. 71 Cornette, Roi de guerre (wie Anm.16), 154f. u. 313.

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der Beitrag von Martin Wrede. Zurück blieb das heroische Postulat. Den Krieg führte der König fortan aus dem Versailler Kabinett. 72 Seinen Ruhm – da er ihn selber definierte – beeinträchtigte das nicht. Und es bewahrte ihn vor den Niederlagen, die kamen. Die Ausstrahlung des „roi de guerre“, des Kriegsherrn, allerdings reduzierte es sehr wohl. Die virtuelle Präsenz Ludwigs auf dem Schlachtfeld und die virtuelle Gemeinschaft mit der Armee, die etwa der zu diesem Zweck gestiftete Ludwigsorden vermittelte, reichten nicht aus. Die Außenwirkung ließ also nach, auch die unmittelbare Beziehung von König und Kämpfern lockerte sich auf lange Sicht empfindlich. Man hielt an der Fiktion eines Nahverhältnisses zwischen Lehnsherr und Lehnsmann fest, doch an die Stelle des „roi de guerre“ trat die Kriegsbürokratie, und als Bezugspunkt militärischer Loyalität trat neben den König die Nation. Ludwig XVI. mied militärisches Gepränge; als „roi de guerre“ sah er sich und sah man ihn letztlich nicht oder doch zu wenig. Auch dies erklärt den Ausfall der bewaffneten Macht als Stütze des Thrones in der finalen Krise des Ancien Régime 1789. 73 Das war keine geradlinige Entwicklung. In den 1740er Jahren begab Ludwig XV. sich mehrfach zu seinen Truppen auf den Schlachtfeldern des Österreichischen Erbfolgekrieges – nicht ohne kurzfristigen öffentlichen Erfolg. Doch um die Rolle des heroischen Königs dauerhaft und glaubwürdig zu füllen, um so das symbolische Kapital der Monarchie zu wahren, reichte schon dies nicht mehr aus. 74 Die Gründe dafür lassen sich in zwei Richtungen ausmachen: Zum einen in der direkten Konkurrenz mit anderen, rivalisierenden Herrschern bzw. Herrscherbildern. Schon zu Zeiten Ludwigs XIV. war es keine ideale Konstellation gewesen, dass auf der Gegenseite in Gestalt des Oraniers Wilhelms III. ein Monarch stand, der seine Heere tatsächlich selber anführte. Zum anderen veränderte sich die Einschätzung dessen, was Heroismus ausmachte und die Wertschätzung, die man ihm bzw. die man den Helden entgegenbrachte. Mit anderen Worten: Friedrich der Große setzte neue Maßstäbe königlichen Heldentums, und die Aufklärung veränderte den Rahmen des Heldentums überhaupt. „[L]e roi d’Angleterre demeura pendant toute la bataille à pied, devant son bataillon hanovrien, le pied gauche en arrière, l’épée à la main et le bras droit

72

Jean-Philippe Cénat, Le roi stratège. Louis XIV et la direction de la guerre, 1661–1715. Rennes 2010.

73

Siehe den Beitrag von Martin Wrede in diesem Band.

74

Michel Antoine, Louis XV. Paris 1989, 384–387, 427–432; Bernard Hours, Louis XV. Un portrait. Toulouse

2009, 554–559.

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étendu, à peu près dans l’attitude où se trouvent les maîtres d’armes pour pousser la quarte. Il donna des marques de valeur, mais aucun ordre relatif à la bataille.“ 75

So charakterisierte Friedrich der Große das Verhalten und die Haltung seines Onkels, Georgs II. von England, in der Schlacht bei Dettingen, 1743. Die Herablassung war kaum zu überlesen. Beide Monarchen empfanden füreinander bekanntlich nur sehr begrenzte Wertschätzung. Und andere rois-connétables waren dem preußischen König, jedenfalls in seinen eigenen Werken, nicht unbedingt willkommen. Militärisch war der Tag allerdings tatsächlich wenig nachhaltig, sein hauptsächliches Resultat wurde Händels „Dettinger Tedeum“. Politisch brachte der Sieg Georg II. immerhin eine bis dahin ungewohnte Popularität in England. 76 Auch vorher schon war es freilich so gewesen, dass die welfische Dynastie ihr recht geringes Sympathiepotenzial besonders dadurch hatte ausbauen können, dass ihre Repräsentanten darauf verwiesen, wie sie auf den Schlachtfeldern Europas auftraten bzw. aufgetreten seien. Dabei kam sogar noch einmal der religiöse Aspekt des christlichen Ritters zum Tragen, etwa wenn eine Jubelschrift auf Georg II. seine und seines Vaters Kämpfe gegen die zwei Feinde der Christenheit, Türken und Franzosen, hochleben ließ. Ins eigentliche Kampfgetümmel allerdings hatte sich auch die britische Majestät nur in ihrer hannoverschen Jugendzeit gestürzt. Als König verlegte Georg II. sich eher auf die bekannte Rolle des „Inspirators“. Er nahm eine heroische Haltung ein, so wie es Ludwig XIV. getan hatte und ohne dass er mit dieser Haltung unmittelbar etwas bewirkte oder konkrete Taten verband. 77 Nach Ansicht des preußischen Neffen genügte das nicht mehr. Und diese Ansicht setzte sich bis auf weiteres durch. Eine Monarchie, in der der Herrscher „nur Soldat“ war, wie etwa das Schweden Karls XII., war in der Tat und offensichtlich hochgradig gefährdet. Das bonum commune adäquat einzuschätzen, war zumindest diesem königlichen Feldherrn nicht gegeben; hierauf hatte ja bereits die Biographie Voltaires gezielt. 78 Mit der militärischen Niederlage kollabierte das Reich und im Grunde auch die Herrschaftsform. Und ob

75 Friedrich II., König von Preußen, Histoire de mon temps, in: Œuvres de Frédéric le Grand. Hrsg. v. J. D. E. Preuss. Bd. 3. Berlin 1846, 16. 76 Mijndert Bertram, Georg II. König und Kurfürst. Eine Biografie. Göttingen 2004, 45–47 u. 142f. 77 Hannah Smith, Georgian Monarchy. Politics and Culture, 1714–1760. Cambridge 2006, 26f., 106–108, 182–185. 78 Voltaire, Geschichte Karls XII. Übers. v. Theodora von der Mühl. Frankfurt am Main 1978 (franz. Orig. 1731). Siehe dazu den Beitrag von Joachim Krüger in diesem Band.

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für Friedrich den Großen das von ihm oft angeführte „Wohl des Staates“ eine wirkliche Rolle spielte – neben der eigenen „Größe“ – lässt sich durchaus bezweifeln. 79 Jedenfalls überlebte die preußische Monarchie den Bellizismus ihres dritten Herrschers nur denkbar knapp und mit einiger Mühe. Eine Monarchie aber, in der der Monarch „zu wenig Soldat“ war, keine eigene Expertise und persönliche Qualität einbringen bzw. ins Feld führen konnte, bewegte sich ebenfalls auf recht unsicherem Grund. Zu dieser Anschauung sollten jedenfalls einige Beobachter Ludwigs XVI. gelangen. 80 Man ist da im Grunde wieder nahe bei Fénélon. Vielleicht besaßen die Monarchinnen des 18.Jahrhunderts, besaß namentlich Maria Theresia in einer kritischer gewordenen Öffentlichkeit gegenüber den männlichen „Mitbewerbern“ sogar einen strukturellen Vorteil in Bezug auf die glaubwürdige Darstellung monarchischer Tugenden und also auch der Wehrhaftigkeit: Niemand erwartete von der Kaiserin-Königin, dass sie persönlich gegen den „bösen Mann von Sanssouci“ zog. Sie musste und konnte zwar Nähe zur Armee demonstrieren – Philip Mansel bezeichnet sie unumwunden als „military monarch“ –, aber sie brauchte doch keineswegs eigene Expertise oder gar „Genie“ ins Feld zu führen. In Russland könnte zumindest für Katharina die Große ähnliches gegolten haben. 81

V. Andere Helden – verändertes Heldentum Ludwig XIV. hatte noch massiv davon profitiert, dass Wilhelm III. keinen Kult um die eigene Person aufkommen ließ oder gar betrieb. Ludwig XV. hingegen – und auch Georg II. – musste mit dem Schatten leben, den der preußische roi-connétable warf. Ein Schatten, der dann gerade in der französischen Öffentlichkeit noch einmal planvoll verlängert wurde: Der offenkundigen Passivität und Indolenz des eigenen Monarchen ließ sich so das Bild eines Königs entgegenstellen, der Heroismus, Hel-

79

Jürgen Luh, Der Große. Friedrich II. von Preußen. München 2011, 49–76, 93–97; Thomas Biskup, Fried-

richs Größe. Inszenierungen des Preußenkönigs in Fest und Zeremoniell 1740–1815. Frankfurt am Main/ New York 2012, 82–87, 223. Zur Gemeinwohlorientierung heroischer Monarchie vgl. freilich den Beitrag von Maria Golubeva in diesem Band. 80

Siehe den Beitrag von Martin Wrede in diesem Band.

81

Zitat: Philip Mansel, Dressed to Rule. Royal and Court Costume from Louis XIV to Elizabeth II. New Ha-

ven, Conn./London 2005, 26. Siehe ferner etwa Telesko, Maria Theresia (wie Anm.39), 47–52; Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.61), 266f.

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dentum glaubwürdig darstellte bzw. verkörperte – und der dies tat als professioneller Feldherr, der also nicht nur Haltung zeigte, sondern auch Fähigkeit, „Talent“, gar „Génie“. 82 Die aber machten den „Großen Mann“, den „Grand homme“, der Aufklärung. Friedrichs „Größe“ gab das eine neue Qualität, denn Könige gehörten aus aufgeklärter Sicht nur noch in begründeten Ausnahmefällen in diese Kategorie – dann, wenn sie es sich „verdient“ hatten, durch eigene Taten. 83 Wahrscheinlich liegt hier zumindest einer der Gründe dafür, dass sich das Epitheton der „Größe“ bei Ludwig XIV. verlor. Dass Friedrichs Größe demgegenüber eine höchst individuelle war, bestritten auch seine politischen wie publizistischen Gegner nicht. Der Abbé de Véri, einflussreicher Berater des Ministers Maurepas am Hofe Ludwigs XVI., formulierte über den preußischen Monarchen ein Urteil von schneidender Schärfe: „Frédéric II, roi de Prusse, aura de la célébrité dans un genre différent. Philosophe juste et humain dans les écrits qu’il a publiés, sa conduite a toujours eu les effets opposés. Injuste dans les guerres, infidèle dans ses engagements politiques, dur et oppresseur envers ses sujets, il est le souverain de son siècle qui a le plus approché de la tyrannie. Ses talents militaires qui sont sa seule bonne qualité de souverain, en couvrent les vices.“ 84

Zugleich aber räumte er ein, dass diese seine Einschätzung nicht von jedermann geteilt würde, und dass es dafür auch Gründe gebe: „Le jugement que je porte de cet homme sera blâmé par plusieurs de mes contemporains: les écrivains célèbres qu’il a traité sur le ton de l’amitié l’ont loué, les militaires auxquels l’éclat de ses armes paraît la qualité dominante doivent l’admirer. Cet éclat est si propre à faire illusion qu’il jette dans une sorte d’ivresse les peuples mêmes qui le payent de leur sang, de leur richesse et de

82 Stephan Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große. Der Aufstieg Preußens in der öffentlichen Meinung des ‚ancien régime‘. Bonn 1952, 100; Edmond Dziembowski, Un nouveau patriotisme français, 1750– 1770. La France face à la puissance anglaise à l’époque de la guerre de Sept-Ans. Oxford 1998, 427–430; André Zysberg, La monarchie des Lumières, 1715–1786. Paris 2002, 256. Zur Rezeption Friedrichs in Frankreich siehe jetzt auch Bernd Klesmann, Friedrich und Frankreich. Faszination und Skepsis, in: Friederisiko. Friedrich der Große. Die Ausstellung. München 2012, 134–145. 83 David A. Bell, The Cult of the Nation in France. Inventing Nationalism, 1680–1800. 2.Aufl. Harvard 2003, 107–125; Jean-Claude Bonnet, Naissance du Panthéon. Essai sur le culte des grands hommes. Paris 1998, 113–132, sowie allgemein Thomas W. Gaehtgens/Gregor Wedekind (Eds.), Le culte des grands hommes, 1750–1850. Paris 2009. 84 Joseph-Alphonse de Véri, Journal de l’abbé de Véri. Publié avec une préface et des notes par le Baron Jehan de Witte. 2 Vols. Paris 1928–1930, Vol.2, 226.

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leur liberté. L’empire du talent entraîne jusqu’à ceux qui en sont les victimes.“ 85

Unfreiwillig, contre cœur, lässt Véri dabei freilich bereits erkennen, dass die Größe des preußischen Monarchen durchaus nicht allein in seinen militärischen Talenten lag. Sicher war sie von ihnen begründet worden. Doch der Erfolg der „Marke Friedrich“ 86 beruhte entscheidend darauf, dass der Preußenkönig Kriegskunst nicht nur mit politischen Fähigkeiten verband, sondern auch mit literarischen und publizistischen: Thomas Biskups Beitrag in diesem Band erinnert daran und zeigt zudem, wie wichtig für die Außenwirkung des Monarchen sein zuweilen eben auch überaus glanzvoller Hof war. 87 Die (Selbst-)Inszenierung Friedrichs in seinen späteren Jahren verband dann im Übrigen kunstvoll die Rolle des Siegers von Hohenfriedberg und Leuthen mit jener auch des Geschlagenen von Kolin und Kunersdorf. Freilich war er dort dann leidender Held. Und für den alten König, für Entwurf und Repräsentation des „Alten Fritz“, war der Aspekt des Dulders sogar tragend: Bewusst stellte er seinen von den Jahren, der Gram, der Pflicht usw. gebeugten, vernachlässigten Körper zur Schau: Auch dies eine Inszenierung des Heroischen. 88 Sehr deutlich machen jenen Paradigmenwechsel der Anerkennung königlicher Größe, für den Friedrich zumindest mitverantwortlich war, einige Grab- bzw. Denkmalsprojekte des mittleren und dann des späteren 18.Jahrhunderts: Einerseits in Frankreich für Heinrich IV., andererseits dann in Preußen für Friedrich II. selbst: Für den „guten König“ wie den „großen König“ wurden Grabmalsprojekte ersonnen, die sie ideell aus der Dynastie ausgegliederten, um sie so in die Nation einzubetten bzw. in die Gemeinschaft der „Großen Männer“. 89 85

Ebd.227.

86

Frauke Mankartz, Die Marke Friedrich. Der preußische König im zeitgenössischen Bild, in: Friederisiko

(wie Anm.82), 204–221. 87

Siehe auch Biskup, Friedrichs Größe (wie Anm.80), 32–97; Friederisiko. Friedrich der Große. Die Es-

says. München 2012, hier die Beiträge von Thomas Biskup, Claudia Terne und Franziska Windt. 88

Biskup, Friedrichs Größe (wie Anm.80), 29 u. 132f.; Kunisch, Friedrich (wsie Anm.5), 443–456; Ute Fre-

vert, Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen? Göttingen 2012, 70–72, 119–125; Eva Giloi, Monarchy, Myth, and Material Culture in Germany, 1750–1950. Cambridge 2011, 34–41. 89

Siehe hierzu besonders die von Eckart Hellmuth untersuchten Denkmalspläne Friedrich Gillys: Eine

monumentale, tempelartige Grablege sollte als Weihestätte der Nation dienen. Eckart Hellmuth, Die „Wiedergeburt“ Friedrichs des Großen und der „Tod für’s Vaterland“. Zum patriotischen Selbstverständnis in Preußen in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts, in: ders./Reinhart Stauber (Hrsg.), Nationalismus vor dem Nationalismus? Hamburg 1998, 21–52; ders., Ein Denkmal für Friedrich den Großen. Architektur, Politik und Staat in Preußen im ausgehenden 18.Jahrhundert, in: ders.u. a. (Hrsg.), Zeitenwende? Preußen um

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Denn beide Monarchen wurden im 18.Jahrhundert eben nicht mehr als barocke „hommes illustres“ eingeschätzt, sondern, wie bereits gesagt, als „grands hommes“. Und ein „grand homme“ der Aufklärung konnte, ja musste ohne Vorzüge der Geburt auskommen, konnte sich im Zweifel selbst erheben. 90 Und er musste diese Selbsterhebung auch keineswegs mehr zwangsläufig im heldischen Fach leisten. Es war dann freilich ausgerechnet Napoleon, Revolutionsgeneral und Kaiser der Franzosen, der von dieser Verschiebung der Koordinaten profitierte: Die Monarchen als Helden, als individuelle Größen, auch Ludwig XIV. lässt sich letztlich dazu zählen, ermöglichten, legitimierten mit ihm nunmehr den Helden als Monarchen. 91 Dabei veränderte sich auch das Heldentum: Es wurde kurzlebiger, schlaglichtartiger und vor allem „opferreicher“. Der „Tod für’s Vaterland“ gewann an Ausstrahlung, und dies nicht nur in Deutschland bzw. in Preußen. 92 Eckart Hellmuth hat auf die transnationale Ausstrahlung des „Todes des Generals Wolfe auf den Plaines d’Abraham“ hingewiesen bzw. des entsprechenden, höchst patriotischen Gemäldes von Benjamin West von 1776. Es fand nicht nur in Preußen Parallelen, sondern sogar in Frankreich. Wolfes Gegner Montcalm, auch er vor Québec gefallen, wurde zumindest druckgraphisch in der gleichen Weise verewigt. 93 Für den „Sinn“ solcher „Tode für’s Vaterland“ und die Neuakzentuierung des Heroischen ist freilich ein anderer der nicht sehr zahlreichen französischen Militärheroen des Siebenjährigen Krieges bezeichnend: Der Chevalier d’Assas, auch heute

1800. Stuttgart/Bad Cannstatt 1999, 285–319. – Vgl. James A. Leith, Space and Revolution. Projects for Monuments, Squares, and Public Buildings in France, 1789–1799. Montreal 1991, 11 u. 14. 90 Vgl. Bell, Cult of the Nation (wie Anm.83), 117; Dziembowski, Patriotisme (wie Anm.83), 444f. 91 Siehe Biskup, Friedrichs Größe (wie Anm.80), 188–193 u. 205–212, zu Napoleons ideeller Genealogie, die auch Friedrich den Großen umfasste. Dieser Aspekt der Wechselbeziehung zwischen Monarch und Held war bereits im englischen Bürgerkrieg thematisiert worden. Vgl. James D. Garrison, Dryden and the Tradition of Panegyric. Berkeley, Cal./Los Angeles 1975, 115f. – Für diesen Hinweis danke ich Ronald G. Asch. 92 Hans-Martin Blitz, Aus Liebe zum Vaterland. Die deutsche Nation im 18.Jahrhundert. Hamburg 2000, 223–265. 93 Hellmuth, Die „Wiedergeburt“ Friedrichs (wie Anm.90), 44–53. Darstellung des sterbenden Montcalm, in der National Gallery of Canada: http://www.gallery.ca/en/see/collections/artwork.php?mkey=365 (10.1.2013). Die Skizze von François-Louis-Joseph Watteau wird auf 1783 datiert, als Auftraggeber gilt der Directeur général des bâtiments du Roi, de facto Kunstminister, Angiviller. Es sind verschiedene Drucke nachweisbar, etwa im Canadian War Museum: http://www.warmuseum.ca/cwm/education/toolkit/images/battleground/art/19940056–004.jpg (10.1.2013) (Beaverbrook Collection of War Art CWM19940056– 004).

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noch durch Denkmäler und Straßennamen öffentlich präsent. 94 Assas, ein junger Leutnant aus niederem Adel, hatte seinen Ruhm erworben in der Schlacht von Klosterkamp, 1760, durch einen exemplarischen Opfertod, mit dem er die Armee vor der drohenden Niederlage rettete. 95 Diese Konstellation sollte für die Neudefinition militärischen Heldentums bestimmend werden: Eine singuläre, solitäre Tat – ein heroisches, militärisches Ende. Dasjenige Assas’ behielt Ausstrahlung bis in die Dritte Republik, wahrscheinlich sogar darüber hinaus. Und solche Tat, solches Ende waren fortan prinzipiell auch in Reichweite „Namenloser“, sogar Nichtadeliger. Eine action d’éclat konnte auch ein gemeiner Grenadier vollbringen. „Amour de la patrie“ und „héroisme citoyen“ waren die Forderungen der Stunde. 96 André Corvisier hat ausdrücklich die „mort militaire“, den militärischen Tod des Chevalier d’Assas, der einer Logik des Dienstes und des Opfers folgte, der „mort guerrière“, gegenübergestellt, dem kriegerischen Tod, der in den eingangs genannten Fällen – Bayard, La Trémoïlle, La Palice, partiell auch noch Gustav Adolf – die logische Krönung einer langen kriegerischen Laufbahn war. 97 Der kriegerische Tod mochte – akzidentell – auch für einen Monarchen in Frage kommen, der militärische Tod, das Selbstopfer, sicher nicht. Der Monarch verkörperte ja die Sache, um die es ging, war für ihren Bestand unabdingbar – oder doch nur schwerlich ersetzbar. Sein Verlust gab potenziell den denkbar größten Gefahren Raum: Unsicherheit und Unordnung. Der Monarch konnte und durfte sich, seine „geheiligte Person“, also vernünftigerweise gar nicht opfern. Das galt bekanntlich sogar für Napoleon. 98 Erst die Generalstabsplaner in Spa sollten dies anders sehen. Aber da war die Leitidee der „heroischen Monarchie“ offenkundig längst abgelöst von einer anderen, nämlich der der martialischen Nation. 99 Und der Monarch verkörperte deren Sache nicht mehr oder doch nicht mehr zwangsläufig: Für die martialische Nation war der heroische Monarch zwar

94

Daniel Milo, Les noms des rues, in: Pierre Nora (Ed.), Les lieux de mémoire. Vol.2. 2.Aufl. Paris 2003,

1887–1918, hier 1902. 95

Bell, Cult (wie Anm.84), 119.

96

Vgl. Dziembowski, Patriotisme (wie Anm.83), 389.

97

Corvisier, La mort (wie Anm.18), 3.

98

Adam Zamoyski, 1812. Napoleons Feldzug in Russland. München 2012, 552–556 (zur Abreise des Kai-

sers von der Großen Armee, um die politische Stabilität in Paris zu gewährleisten). 99

Jörn Leonhard, Bellizismus und Nation. Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den

Vereinigten Staaten 1750–1914. München 2008; Nikolaus Buschmann, Einkreisung und Waffenbruderschaft. Die öffentliche Deutung von Krieg und Nation in Deutschland 1850–1871. Göttingen 2003. Siehe auch Dieter Langewiesche/Georg Schmidt (Hrsg.), Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reforma-

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hilfreich – dies zeigt das Beispiel des hier von Gustaaf Janssens untersuchten Königs Albert I. in Belgien, des roi-chevalier oder auch roi-soldat 100 – aber er war doch keineswegs unentbehrlich.

VI. Resümee Für die gekrönten Ritter der Renaissance ging es darum, eine heroische Haltung einzunehmen. Sie kamen auch nicht umhin, für deren Beglaubigung persönliche Tapferkeit zu zeigen, aber sie mussten weder einzelne, punktuelle „Heldentaten“ vollbringen noch sich als Feldherrngenies vor allen anderen „Kapitänen“ profilieren. Und natürlich mussten, ja durften sie sich nicht für irgendetwas oder irgendjemanden „opfern“, es sei denn – akzidentell – für den wahren Glauben. Die imaginierte Konnetablerie Ludwigs XIV. entwickelte dieses Modell dann weiter. Der waffentechnische Fortschritt legte mehr Distanz zwischen den Monarchen und den Kampf, hob die Gefahr aber noch nicht auf. Der Monarch wurde als „Inspirator“ und damit auch konkreter Urheber der Siege gefeiert, deren Ruhm nur ihm zu gehören schien. Es zeichneten sich damit freilich schon die Gefahren der Übertreibung ab und der Unglaubwürdigkeit bzw. Lächerlichkeit. Verhalten wurde darum bereits zu Lebzeiten des Sonnenkönigs gegengesteuert, etwa bei Denkmalsprojekten. 101 Außerhalb Frankreichs legten politische Kultur wie konkrete Umstände ähnliches ohnehin weniger nahe. Darüber hinaus aber war mit der Überhöhung der jeweiligen „Großen Könige“ eine manifeste Gefahr für die Zukunft der Monarchie verbunden – innerhalb Frankreichs wie außerhalb: Sowohl Ludwig XIV. wie auch Heinrich IV., in Preußen Friedrich II. warfen Schatten; ihre Nachfolger erschienen im Vergleich recht „klein“. Auch über Peter den Großen und seine Nachfolger bzw. Nachfolgerinnen wäre nachzudenken. Und während in Preußen Vorwürfe und Kritik latent blieben, destabilisierte in Frankreich der Schatten der großen Könige die Herrschaft der letzten Bourbonen recht eindeutig. 102

tion bis zum Ersten Weltkrieg. München 2000, hier bes. die Beiträge von Horst Carl und Nikolaus Buschmann. 100 Laurence Van Ypersele, Le roi Albert. Histoire d’un mythe. Ottignies 1995. 101 Rochelle Ziskin, The Place de Nos Conquêtes and the Unraveling of the Myth of Louis XIV, in: The Art Bulletin 76, 1994, 147–162. 102 Siehe den Beitrag von Martin Wrede in diesem Band sowie Giloi, Monarchy (wie Anm.89), 71–73. –

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Denn die veritablen rois-connétables der Frühen Neuzeit blieben eben Ausnahmeerscheinungen. Ihre Strahlkraft, gewiss, war erheblich, aber sie setzten nicht die Norm. Dabei ist es kein Zufall, dass rois-connétables vorzugsweise im protestantischen Europa zu finden sind: Unter Oraniern, Wasa und Hohenzollern. Einerseits, es gilt besonders für die Letztgenannten, war für die Legitimation dieser Monarchien das sakrale Moment doch vergleichsweise deutlich zurückgetreten und Königtum nur möglich als eines der Tat, andererseits war gerade unter den Erstgenannten seit dem Ende des 16.Jahrhunderts der Monarch bzw. (im Falle der Oranier) der Ersatzmonarch als Führer im Kampf für den wahren Glauben hervorgetreten oder doch dazu stilisiert worden. In England spielte dieses rhetorische Element noch im 18.Jahrhundert eine Rolle. Im Übrigen war natürlich in den Niederlanden, in Schweden wie in Preußen die Staatsbildung aufs Engste verknüpft mit militärischer Machtentfaltung und deren (quasi-)monarchischer Kontrolle. 103 Ausgerechnet die militärische Professionalisierung seit dem ausgehenden 17.Jahrhundert verhinderte dann freilich die Fortschreibung des Roi-Connétable-Modells. Friedrich der Große war dessen letzter (erfolgreicher) Vertreter, schon bei Gustav III. von Schweden oder aber bei Kaiser Joseph II. kam es an seine Grenzen. Die „Kriegswissenschaft“ des 19.Jahrhunderts gab ihm dann keinen Raum mehr. Der „Landesvater“ war als Rolle zugleich leichter zu beherrschen und besser zu verkaufen, war umfassender und glaubwürdiger. Darin hatte der heroisch-militärische Gestus des Monarchen durchaus weiterhin seinen Platz, verbunden mit einer einigermaßen tragfähigen Qualifikation. 104 Die von Thomas Stamm-Kuhlmann untersuchte (nachdrücklich) militäIm nachpetrinischen Russland scheint sich das Problem des Schattens des großen Vorgängers so nicht gestellt zu haben. Peter III. und Paul I. wurden nicht deshalb gestürzt bzw. ermordet, weil sie den Maßstab Peters des Großen verfehlten, sondern weil sie darüber weit hinausgehende Probleme schufen bzw. darstellten. Für die selbstregierenden Nachfolgerinnen galt Peters Maßstab nur bedingt. Katharina die Große konnte sich freilich direkt in seine auch ideelle Nachfolge einschreiben. Siehe Wrede, Königsmord (wie Anm.43), 231–234, Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.61), 264–274, sowie den Beitrag von Volker Hunecke in diesem Band, 254–256. 103 Michael Schaich, Introduction, in: ders. (Ed.), Monarchy and Religion. The Transformation of Royal Culture in Eighteenth-Century Europe. Oxford 2007, 1–40, hier 6, 10 u. 36; Paul Kléber Monod, The Power of Kings. Monarchy and Religion in Europe, 1589–1715. Yale 1999, 48 u. 288–291. – Zur Vorbildfunktion des nahezu königsgleichen Hauses Oranien siehe Horst Lademacher (Hrsg.), Onder den Oranje Boom. Textband: Dynastie in der Republik. München 1999, bes. den Beitrag von Simon Groenveld, Beiderseits der Grenze, ebd.139–156. 104 Siehe den Beitrag von Thomas Stamm-Kuhlmann in diesem Band. – Zum Monarchen als nicht primär militärisch-heroisch definiertem Landesvater vgl. pointiert Engels, Königsbilder (wie Anm.60), 190–192 u.

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rische Prinzenerziehung in Preußen war im 19.Jahrhundert also per se noch kein überständiges Modell. Auch die Monarchen der „späten Neuzeit“ konnten sich weiterhin als Kriegsherren begreifen – die Kaiser Wilhelm I. und Franz Joseph sind möglicherweise sinnvolle Exempel. Freilich galt dies nur soweit, wie Verfassungswandel und Nationalisierung des Politischen dergleichen noch gestatteten. In England war das sehr viel weniger der Fall als auf dem Kontinent; Belgien bietet einen interessanten Grenzfall. 105 Der heroische Gestus durfte dabei vom Kriegsherrn allerdings einerseits nicht übertrieben, andererseits auch nicht offensichtlich dementiert werden. Wilhelm II., um den Anfang dieser Einleitung wieder aufzugreifen, „Oberster Kriegsherr“ dem Namen nach, tat bekanntlich beides. Die mehr oder weniger heroische Monarchie der Frühen Neuzeit hätte wohl auch dies zur Not überstanden. Wäre sie denn eben als Legitimationsprinzip nicht längst abgelöst gewesen, und dies beileibe nicht nur in Deutschland, von dem der martialischen Nation. Für allzu durchschaubare Militärschauspielerei aber, also für offenkundige Fehlbesetzungen der Rolle des heroischen Monarchen, hatte die martialische Nation, hatte ihre Inszenierung und hatte vor allem das Fach des Heroischen keinen Platz mehr. Der vorliegende Band, wie eingangs bereits gesagt, will also keine Galerie der „rois de gloire“ präsentieren. Er will keine Erfolgsgeschichte der heroischen Monarchie der Frühen Neuzeit formulieren, sondern vielmehr eine Problemgeschichte, eine „Geschichte der heroischen Monarchie als Herausforderung des frühneuzeitlichen Königtums“. So die Formulierung von Christoph Kampmann in seinem Schlusskommentar zur Tagung. Diese Herausforderung lag zunächst, im 16.Jahrhundert, in der bewusstseinsprägenden Allgegenwart des ritterlichen Ideals, das in irgendeiner

265, sowie Hubertus Büschel, Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830. Göttingen 2006. Zum zugrundeliegenden Prozess der Neudefinition historischer Größe nicht allein durch Waffentaten siehe Thomas W. Gaehtgens/Gregor Wedekind, Le culte des grands hommes – du panthéon au Walhalla, in: dies. (Eds.), Le culte (wie Anm.84), 1–12. 105 David Cannadine weist darauf hin, dass der britischen Monarchie die Abwendung vom aktiven Eingreifen in Regierungshandeln und damit auch ins Militärische bzw. die entsprechende Darstellung des Rückzugs in die „dignified parts“ (Walter Bagehot) des Königtums erleichtert worden sei durch die langen Regierungen zunächst der Königin Victoria sowie auch der gegenwärtigen Königin, Elisabeth II. Handlungsferne männlicher Monarchen wäre weniger leicht vermittelbar gewesen (wohl auch diesen selbst). David Cannadine, Sixty Years a Queen. Some Historical Reflections on the Reign and the Jubilees of Elizabeth II, in: Paul Moorehouse (Ed.), The Queen. Art and Image. Manchester/New York 2011, 18–29, hier 28f.

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Weise eingelöst werden musste. Sie lagen aber gerade auch in den Entwicklungen, die die Monarchie wie auch das Militärwesen in der Frühen Neuzeit nahmen, etwa im Hinblick auf Zentralisierung und Bürokratisierung von Herrschaft – damit also Ent-Personalisierung –, sie lagen aber auch in den dynastischen Unwägbarkeiten: Weiblichen Herrschern, Kinderlosigkeit von Monarchen. Zur besonderen Herausforderung an das „Ritterliche“ in der heroischen Monarchie wurde aber – natürlich – gerade auch die Konfessionsspaltung, die die gemeinchristliche Grundlage des chevaleresken Ideals zumindest infrage stellte. Die Reaktion des Königtums auf die Herausforderungen lässt sich dahin gehend systematisieren, dass in einer heroisch auftretenden Herrschaft nicht das Idealbild des Rittertums fortgeschrieben, sondern das Heroische transformiert wurde: Die heroische Monarchie ließ sich durchaus nicht auf die Darstellung von Rittertum reduzieren; Könige mussten nicht unbedingt in eigener Person in vorderster Front kämpfen, sie konnten auch in anderer Hinsicht Einsatz, Tatkraft und Entschlossenheit demonstrieren. Oder sie konnten heroisch auftreten, indem sie Märtyrertum darstellten, in Anspielung auf den leidenden Christus: Etwa bei Heinrich III. von Frankreich oder bei Karl I. von England. Zu denken ist auch an Christian IV. von Dänemark. Allerdings war der Erfolg nicht garantiert bzw. ambivalent. 106 Die frühneuzeitliche Monarchie nahm also die heroische Herausforderung an und konnte auch gar nicht anders, denn das heroische Moment war und blieb eben eine zentrale Grundlage des Königtums. Es besaß eine gewisse Variationsbreite, ermöglichte unterschiedliche Darstellungs- wie auch Handlungsoptionen, aber unheroische Darstellung wirkte doch zumeist destabilisierend; antiheroisches Handeln gar wirkte eindeutig, direkt und unmittelbar delegitimierend: Dies zeigte etwa die Flucht Friedrichs V. von der Pfalz oder auch noch die Wilhelms II. 107 Das heroische Moment hielt die Fürstengesellschaft aber auch zusammen, es integrierte sie in Konkurrenz – etwa zwischen Franz I., Heinrich VIII. und Karl V., oder auch zwischen Gustav Adolf und Ferdinand II., selbst noch zwischen Friedrich II. und seinen Geg-

106 Siehe bei Klaus Bußmann/Heinz Schilling (Hrsg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa. Ausstellungskatalog. Münster 1998, 356, zur Christus-Vision Christians IV. von Dänemark. Der alternde, von Niederlagen verfolgte König suchte sich Größe als christusgleich Leidender zuschreiben zu lassen. Vgl. auch ebd.75. Der für diesen Band vorgesehene Beitrag über Christian IV. war nicht realisierbar. 107 Pyta, Hindenburg (wie Anm.9), 361–379; Peter Bilhöfer, „Außer Zweifel ein hoch verständiger Herr und tapferer Kavalier.“ Friedrich V. von der Pfalz. Eine biographische Skizze, in: Peter Wolf u.a. (Hrsg.), Der Winterkönig. Friedrich V. Der letzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz. Augsburg 2003, 19–32, hier 24f.

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nern bzw. Gegnerinnen oder deren Repräsentanten 108: Sie alle teilten die heroischen Werte, achteten einander als deren Träger. Das heroische Moment machte die Konkurrenz erlebbar und (auch jenseits von Schlachtfeldern) austragbar, es integrierte sie in überkonfessioneller wie übernationaler Gemeinschaftsstiftung. Das heroische Grundmuster galt also für alle Herrscher gleichermaßen. Möglichkeiten, es auszugestalten, gab es dann freilich doch unterschiedliche. Beides will dieser Band zeigen.

108 Ferdinand II. wird nach dem Schlachtentod Gustav Adolfs die Bemerkung zugeschrieben, er hätte dem Schwedenkönig die Rückkehr wohl gewünscht, wäre auch mit ihm gegen die Türken gezogen, wenn sich in Deutschland Frieden hätte herstellen lassen. Johann Christian Pfister, Geschichte der Deutschen. Hamburg 1833, 538. Zum von Abneigung, Gegensatz, aber eben auch einigen gemeinsamen Werten geprägten Verhältnis Friedrichs des Großen und Maria Theresias siehe den Essay von Klaus Günzel, Der König und die Kaiserin. Friedrich der Große und Maria Theresia. Düsseldorf 2005, 232–236. – Ein anders gelagertes Beispiel für das integrierende Moment heroisch akzentuierter Monarchie bietet etwa der bereits angesprochene Versuch Napoleons, sich in eine imaginäre Genealogie gekrönter Feldherren einzuschreiben. Siehe dazu Biskup, Friedrichs Größe (Anm.80), 193–225.

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Amadis und andere Zu den literarischen Leitfiguren „ritterlicher“ Eliten des 16.Jahrhunderts von Dietmar Rieger

Die nach wie vor gängigen Charakteristika der als Renaissance etikettierten Epoche täuschen darüber hinweg, wie stark – unterhalb und neben der innovativen humanistischen Geisteselite in den verschiedensten Bereichen der Kultur, auch den sich herausbildenden Wissenschaften und der Literatur – Nachwirkungen und Weiterführungen mittelalterlicher Traditionen waren. Dass dies vor allem für Frankreich (und natürlich auch, aber aus anderen Gründen, für Spanien) gilt, verwundert in Anbetracht seiner jahrhundertlangen kulturellen und kulturproduktiven Ausstrahlung auf Europa gerade nicht. Ein Symptom dieses Sachverhalts ist zweifellos die Prädominanz „ritterromantischer“ 1 Leitbilder der aristokratischen Führungsschichten des 16.Jahrhunderts, die vorwiegend aus mittelalterlicher Dichtung und aus von dieser transportierten und generierten Mythen herrührten: Neue „konkrete“ Leitbilder, die der revitalisierten Antike entstammen oder in ihr zumindest vorgefertigt wurden, bilden sich erst allmählich heraus – Alexander der Große etwa ist – wie übrigens auch Caesar – bereits ein bedeutender exemplarischer Held mittelalterlicher Literatur und vermag überdies schon im Mittelalter nur einen Teilbereich aristokratischen Selbstverständnisses abzudecken – und auch neu konstruierte ‚abstrakte‘ Leitbilder wie der Cortegiano oder, kompensatorisch, der Principe nuovo beginnen erst gegen Mitte des Jahrhunderts ihre bis ins 18.Jahrhundert reichende europäische Karriere.

1 Zur „Ritterromantik“ und „Ritterrenaissance“ des 15. (und 16.) Jahrhunderts vgl. u.a. Klaus Graf, „Ritterromantik“? Renaissance und Kontinuität des Rittertums im Spiegel des literarischen Lebens im 15.Jahrhundert, in: Wolfgang Haubrichs/Hans-Walter Herrmann (Hrsg.), Zwischen Deutschland und Frankreich. Elisabeth von Lothringen, Gräfin von Nassau-Saarbrücken. (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V., 34.) St. Ingbert 2002, 517–532. Vgl. auch die dort verarbeitete und diskutierte Sekundärliteratur.

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I. Was aber stand um 1500, innerhalb der Kontinuität eines jahrhundertealten literarisch-kulturellen Wissens, an illustren weltlichen Leitbildern zur Verfügung, um das aristokratische und insbesondere das königliche Selbstverständnis mit kulturpolitischer, vor allem aber mit außenpolitischer und/oder innenpolitischer Zielrichtung zu modellieren? Im Bereich gouvernementaler und militärischer Vorbildlichkeit ist zunächst natürlich der eben erwähnte, im Mittelalter meist (aber keineswegs immer) zum idealen tugendhaften Lehnsherrn und genialen Kriegsherrn stilisierte Makedonenkönig Alexander zu nennen, der aber charakterologisch zu umstritten und zu einseitig militärisch und machtpolitisch ausgerichtet war, um als jederzeit offen zur Schau getragene Identifikationsfigur zu taugen, und den erst die Epoche Ludwigs XIII. und vor allem Ludwigs XIV. und seiner Expansionspolitik mit einem recht komplexen, teilweise auch widersprüchlichen, in der Panegyrik im Übermaß genutzten, weil vom König bewusst geförderten Alexanderkult wieder gewichtig werden ließen. 2 Auch Caesar, den Jacques Amyot in seiner Plutarch-Übertragung von 1559 seinen Zeitgenossen zusammen mit Alexander dem Großen als Idealbild des Feldherrn und Staatslenkers empfahl 3, konnte sich wegen seines Aufstiegs zur absoluten Macht über die Gräuel des Bürgerkriegs und seines schwankenden Charakters nur schwer vom komplexen Ruf des Diktators und Tyrannen lösen. 4 Auf dem Weg zum Höhepunkt des Absolutismus, auf dem ja tatsächlich, mit der Fronde, ein Bürgerkrieg die entscheidende Wende bringen sollte, konnte und musste der allzu offensiv zur Schau getragene Caesarismus eher kontraproduktiv sein. Was, von Alexander und Caesar abgesehen, im Hinblick auf die mythologische Überhöhung des Herrschers und der von ihm geprägten Epoche blieb, waren aus dem Mittelalter stammende Leitfiguren und -bilder, unter ihnen zunächst in erster 2 Vgl. dazu ausführlich Jürgen Grimm, Alexanderdarstellungen zur Zeit Ludwigs XIV., in: Romanistisches Jahrbuch 23, 1972, 74–102. Grimm zeigt, wie in erster Linie dichterische Alexander-Darstellungen die panegyrischen Texte konterkarieren, indem sie „überwiegend Skepsis, Misstrauen, auch unverhohlene Kritik und Hass“ der Figuration Alexander-Ludwig gegenüber zum Ausdruck bringen (102). 3 Vgl. die parallelisierten Biographien Caesars und Alexanders in „Les vies des hommes illustres grecs et romains, comparées l’une avec l’autre“; vgl. Plutarque, Vies parallèles. Traduit d’Anne-Marie Ozanam. Paris 2001. 4 Für das späte Mittelalter und auch für die Zeit danach vgl. vor allem Joachim Leeker, Die Darstellung Caesars in den romanischen Literaturen des Mittelalters. (Analecta Romanica, 50.) Frankfurt am Main 1986.

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Linie der vor allem in den Chansons de geste mythisierte Karl der Große. 5 Da hatte das Mittelalter gute Vorarbeit geleistet. Doch ähnlich wie im Fall von Alexander dem Großen, den Charlemagne immerhin durch seine kulturelle Vorbildlichkeit zu überragen vermochte, ist auch die Geschichte dieses Leitbilds nicht eingleisig verlaufen, sondern war immer wieder von erheblichen Widersprüchen geprägt. Christlichem Verhalten konträre Untugenden wie Ungerechtigkeit und Habgier, Maßlosigkeit und tyrannisches Gebaren, Neid und Verrat, Zorn und Uneinsichtigkeit, relativieren schon in der Literatur des Mittelalters – etwa in den Epen aus dem Bereich der „Empörergeste“ – gelegentlich die Modelltauglichkeit des Kaisers und zwingen häufig seine Vasallen zur Revolte gegen einen problematischen Herrscher, der die vom Feudaladel gefühlte Gefahr der Wandlung des Königs vom suzerain zum souverain in einer ersten Phase der Zentralisierung exemplifiziert. Diese ansatzweise feudalaristokratische Problematisierung und Entmythisierung Karls und des Karlsmythos wird logischerweise spätestens seit Philippe-Auguste aber in großem Maß abgelöst durch ein relativ einheitliches positives, in der Hauptsache politisch instrumentalisiertes Bild aus monarchischer Perspektive, das vorwiegend zur Legitimierung der Macht des französischen Königs auf dem Weg zum absolutistischen monarchischen Staat und zu deren dynastischer Nobilitierung durch die Konstruktion der Kontinuität des Königtums seit Karl dem Großen, bzw. den Trojanern, eingesetzt wird. Ein umfangreiches – historiographisches, didaktisches, moralisches, aber auch fiktionales 6 Schrifttum legt propagandistisches Zeugnis davon ab. Ein Schisma zwischen dem Kaiserkult in Frankreich und im Heiligen Römischen Reich wird dadurch generiert: Die Verehrung von Charlemagne geht nämlich in Frankreich Hand in Hand mit einer endgültigen und forcierten Französisierung Karls des Großen, der sich nun explizit der französischen Sprache bedient und sich ‚französisch‘ kleidet. Die allenthalben propagierte Herleitung der 5 Vgl. u.a. Franz-Reiner Erkens (Hrsg.), Karl der Große in Renaissance und Moderne. Zur Rezeptionsgeschichte und Instrumentalisierung eines Herrscherbildes. (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. Zeitschrift des Mediävistenverbandes 4/2, 1999.) Berlin 1999; Max Kerner, Karl der Große. Entschleierung eines Mythos. 2.Aufl. Köln 2001, und Isabelle Durand-Le Guern/Bernard Ribémont, Charlemagne. Empereur et mythe d’Occident. Paris 2009. Vgl. auch Dietmar Rieger, Charlemagne und Jeanne la Pucelle. Zwei mittelalterliche Gründungsmythen im europäischen Kontext, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte/Cahiers d’Histoire des Littératures Romanes 35, 2011, 13–29. 6 Auch sehr viele der späteren Chanson de geste-Versionen (vor allem seit der Regierungszeit Ludwigs des Heiligen) unterstreichen dieses uneingeschränkt positive, die Gegenwart der königlichen Zentralgewalt glorifizierende Bild des illustren „Vorfahren“.

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französischen Könige von Charlemagne, die mit diesem verbundene Symbolik, ja die mit einem gefälschten Dokument belegte Herkunft der Königskrone von der Kaiserkrone Karls sollten nicht zuletzt den Anspruch der französischen Könige auf die Kaiserwürde bekräftigen. Vom Ende des 15.Jahrhunderts an verstärken sich auf allen Ebenen indessen wieder die Entmythisierungstendenzen. Die Schwäche, Unentschlossenheit und Passivität Karls in manchen Chansons de geste und ihren spätmittelalterlichen Bearbeitungen setzen sich beispielsweise in literarischen Werken der französischen und italienischen Renaissance fort, aber ohne dass sein Einsatz als mythisches Mittel dynastischer Legitimierung – etwa durch Franz I., aber auch durch Karl V. – obsolet geworden wäre. Vor allem jedoch wird Charlemagne bis zur Französischen Revolution ein Diskussionsgegenstand, der weit über ihn selbst hinausgeht: Es geht insbesondere um die Natur und die Grenzen der Monarchie. Ist Karl ein leuchtendes Beispiel für einen antiabsolutistischen Herrscher, einen aufgeklärten Despoten (so bei Montesquieu) 7 oder nichts anderes als ein grausamer und skrupelloser Usurpator (so vor allem bei Voltaire) 8, der dem aufklärerischen Bild vom finsteren Mittelalter entspricht? Verkörpert er indessen im Gegenteil nicht gar das Ideal, das Frankreich aus den Wirren der Revolution herausführen könnte – ein Ideal, das wenig später den Namen Napoleon tragen wird? 9 Gleichzeitig gerät die Quasi-Heiligkeit Karls mehr und mehr auch dann auf den Prüfstand, wenn seine besondere Nähe zu Gott – trotz seiner Sünden – nicht in Frage gestellt wird. Von Voltaires Diatriben gegen den barbarischen und fanatischen, Religion nur zur Machterweiterung instrumentalisierenden Kaiser wird sich der ‚Heilige‘ Charlemagne aber nicht wirklich erholen, auch wenn das 18.Jahrhundert auf der anderen Seite an Glorifizierungen des tugendhaften und frommen Karl nicht arm ist. 10 Zwar wird die nachrevolutionäre Epoche auch weiterhin das Bild des ‚heiligen‘ Karl, vor allem in der klerikalen Schul-

7 Montesquieu, De l’esprit des lois. Cinquième partie, livre XXXI, chap. 18. 8 Voltaire, Essai sur les mœurs. I, chap. XV–XIX. 9 Vgl. dazu den von Madame de Genlis stammenden Roman „Les Chevaliers du Cygne ou la Cour de Charlemagne“ („Hambourg“ 1795), der bei der Idealisierung Charlemagnes kaum Grenzen kennt; vgl. Dieter Ingenschay, „Kosmische“ Geschichte – lokale Geschichte – nationale Geschichte: Der Wandel in der Aneignung des Schwanritter-Stoffes vom 13. zum 19.Jahrhundert, in: Reinhold R. Grimm (Hrsg.), Mittelalter-Rezeption. Zur Rezeptionsgeschichte der romanischen Literaturen des Mittelalters in der Neuzeit. (Begleitreihe zum GRLMA, 2.) Heidelberg 1991, 141–159. 10 Vgl. dazu Durand-Le Guern/Ribémont, Charlemagne (wie Anm.5), chap. IV.

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erziehung, aufrechterhalten, doch überwiegt die antiklerikale Sicht Voltaires – eine Desakralisierung, die allerdings, im Gefolge Jules Michelets, durch Karls Remythisierung als „grand homme“, ja als eine Art „surhomme“ protorepublikanischer Ausrichtung 11 kompensiert wird. Eine unverkrampfte, autolegitimierende Identifizierung des französischen Königtums des 16.Jahrhunderts mit Charlemagne war also nur sporadisch möglich und erfolgversprechend – vor allem, als es 1519 darum ging, in der Nachfolge von Charles de Valois (1308) der Kandidatur Franz’ I. um die Kaiserkrone Nachdruck zu verleihen: „Jean Thenaud, Symphorien Champier, Charles de Grassaille font de François Ier un nouveau Charlemagne, chargé de restaurer l’empire et de mener à bien la croisade contre tous les infidèles. On sait combien cette idéalisation s’écarte de la réalité“. 12 Aber um Realitätskonformität geht es in diesen Fällen ja eben gerade nicht.

II. Bleibt also das Leitbild des elitären höfischen Ritters, das den Typus des Helden der Chanson de geste schon im Mittelalter durch die Erweiterung von dessen Aktionsfeld auf die Liebe – als Ordnungsmacht seit dem 12.Jahrhundert Zentrum der ständischen Lebenslehre – und die christlich unterfütterte Kodifizierung seines sozialen Verhaltens weitgehend abgelöst hatte. Was hätte also näher gelegen, als König Artus den Vorrang vor allen anderen Rittern zu geben, der ihm im hohen Mittelalter

11

Um Karls Republikanismus zu belegen und ihn an die Ideale der Dritten Republik anzunähern, wird

immer wieder – auch bei Michelet – Notkers Bericht von des Kaisers Besuch in seiner Pfalzschule bemüht. Michelets „remise en scène de l’anecdote légendaire de Notker trouvera par la suite place dans les manuels scolaires de la IIIe République, à titre d’illustration édifiantes des vertus de l’école publique“ ; Durand-Le Guern/Ribémont, Charlemagne (wie Anm.5), 268. 12

Durand-Le Guern/Ribémont, Charlemagne (wie Anm.5), 189. „Champier fait l’éloge de Charlemagne et

de chacun de ses successeurs, et il rejette cavalièrement l’hérésie d’un Charlemagne allemand: ‚fuit enim ipse Gallus, non Germanus, in Gallia genitus, ac natus et nutritus‘“ (Richard Cooper, Les dernières années de Symphorien Champier, in: Bulletin de l’Association d’étude sur l’humanisme, la réforme et la renaissance 47, 1998, 25–50, hier 46). „Grassaille exalted Charlemagne, who furnished an inexhaustible apply of precedents – and legends – of fundamental importance for the king’s business. In particular, Grassaille recalled, it was through Charlemagne that the French king could claim a share in the majesty of empire“ (Donald R. Kelley, Foundations of Modern Historical Scholarship: Language, Law, and History in the French Renaissance. New York 1970, 196f.).

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zukam? Warum dies nicht oder kaum geschah oder geschehen konnte, hat viele Gründe. Die zwei oder drei wichtigsten: Artus, zunächst im anglonormannischen Kulturbereich durch Geoffroy de Monmouth’ „Historia regum Britanniae“ und Waces „Roman de Brut“ modelliert und dann in der „matière de Bretagne“, des höfischen Romans Frankreichs, zum mythischen, enthistorisierten Oberhaupt der idealisierten Artusgesellschaft erhoben, stand im 15.Jahrhundert für Frankreich gleichsam nicht mehr zur Verfügung: Spätestens mit der folgenreichen „Morte d’Arthur“ von Thomas Malory, einer großen, insbesondere auf der französischen Erzähltradition basierenden, 1485 gedruckten Artusritter-Kompilation in Prosa, war Artus von der „kleinen“ Bretagne in die Grande Bretagne zurückgekehrt, aus der die narrative Konstruktion eines ‚ritterlichen‘ Gesellschafts- und Herrschaftsmodell ihn bezogen hatte, ohne ihn aber jemals völlig von der Grande Bretagne zu entfremden. Von den erfolgreichen 21 Büchern von Malorys gewaltiger arthurischer Summa ging die weitere europäische literarische Artus-Rezeption, eigentlich bis heute, aus, die in England bereits seit dem 12.Jahrhundert, aber eben auch danach, in einer mehr historiographischen und chronikalen englischen Artusliteratur eng mit der dynastischen (nicht nur mythischen, sondern auch historischen) Selbstlegitimierung des englischen Königtums und der Propagierung der britischen Einheit aufs Engste verknüpft war. 13 Und sollte Artus – schwer verwundet von Morgain auf die Insel Avalon entrückt – in Erfüllung der Hoffnung der „Bretons“ wiederkehren (Wace), dann natürlich, um wieder seinen legitimen Platz auf dem britischen Königsthron einzunehmen. Der zweite Grund basiert auf der eben jener ritterlichen Ideologie geschuldeten Rolle, die Artus bei Chrétien de Troyes und seinen Nachfolgern zugeordnet wird 14: Artus ist in der französischen Erzähltradition des Mittelalters zwar formal unangefochtenes Zentrum der höfisch-ritterlichen Gemeinschaft, Inkarnation höfischer Werte und Inspirator, Ausgangs- und Zielpunkt ritterlicher Bewährungsabenteuer, doch seinerseits im Wesentlichen passiv – oft muss er aus dem Schlaf geweckt werden –, nur selten eigeninitiativ handelnd, darüber hinaus alles andere als fehlerfrei und tugendfest, häufig geradezu törichte Entscheidungen treffend und falschen 13 Vgl. Dietmar Rieger, Guenièvre: Reine de Logres, dame courtoise, femme adultère. (Les grandes figures du Moyen Âge, 2.) Paris 2009, 61. 14 Vgl. z.B. Erich Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form der frühen Artusund Graldichtung. 2.Aufl. Tübingen 1970, und Beate Schmolke-Hasselmann, Der arthurische Versroman von Chrestien bis Froissart. Zur Geschichte einer Gattung. (Beihefte der Zeitschrift für Romanische Philologie, 177.) Tübingen 1980.

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Ratgebern folgend, im Lauf der Tradition immer schwächer und moralisch bedenklicher werdend – seine Ehefrau Guenièvre betrügend, aber selbst zu Unrecht in blinde Eifersucht verfallend, und weit davon entfernt, stets in kluger Abwägung von Recht und Unrecht seine Pflichten als Lehnsherr zu erfüllen. Die jahrhundertelange Tradition der Artusromane und -erzählungen disqualifiziert in entscheidender, irreparabler Weise einen Herrscher, der und dessen Reich, auf einer Utopie gründend, überdies an dieser Utopie scheitert und allenfalls noch nostalgisch erinnert zu werden vermag. Für die französischen Könige gerade des 16.Jahrhunderts hätte die Präferenz für einen solchen Artus im Übrigen bedeutet, im Nachhinein das Königsbild gutzuheißen, das der an einer schwachen Zentralmacht interessierte Feudaladel des 12. und 13.Jahrhunderts in die imaginäre Welt des arthurischen Romans hineinprojiziert hatte. Und einer seiner bedeutendsten Ritter? Natürlich ist das Personal der Tafelrunde auch noch im 16.Jahrhundert literarisch-kulturell präsent – ob nun als nostalgisches Spiel, als historisierende Wiederbelebung einer weitgehend verklärten Vergangenheit, als Eskapismus aus einer sich wandelnden Wirklichkeit, als Versuch einer historischen Selbstverortung oder aus antiquarischem Interesse, im Spannungsfeld zwischen survival und revival. Doch wirkliche Leitbilder dürften sich daraus nicht entwickelt haben. Da der scheiternde Gralsucher Perceval und auch der sich im Lauf der Erzähltradition zu einem regelrechten Frauenhelden degradierende Gauvain, der auch vor Vergewaltigungen nicht zurückschreckt, nicht in Frage kommen konnten, bliebe vielleicht Lancelot, der von Chrétiens „Chevalier de la charrette“ an in der Artusliteratur zu einer Art „überdimensionaler Gestalt, […] zum beherrschenden Modell“ werden und in späteren Bearbeitungen immer wieder als „meilleur chevalier“ bezeichnet wird, den seine Sündhaftigkeit – sein Liebesverhältnis mit Guenièvre – von einer erfolgreichen Gralsuche zwar ausschließt, dem aber immerhin die Ehre zuteil wird, „im Auftrage der Vorsehung den ritterlichen Christusnachfolger Galaad, den Gralfinder und Erlöser zu zeugen“. 15 Doch in dem Maß wie in der arthurischen Erzähltradition die aventurenhafte, mit außergewöhnlichen Heldentaten instrumentierte Suche des höfischen Ritters nach der rechten Liebe ersetzt wird durch die Suche nach dem Erleben des christlichen Gotts, hat gerade Lancelot – der bedingungslos Liebende, der dem absoluten Gehorsam der geliebten 15

Erich Köhler, Vorlesungen zur Geschichte der Französischen Literatur. Mittelalter I. Stuttgart u.a. 1985,

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Dame gegenüber sogar seine Ritterlichkeit zu opfern bereit ist – keine guten Karten mehr. 16 Wird der höfische Ritter seit Chrétiens Perceval-Roman als Sünder begriffen, der nach Erlösung strebt und ist diese das Resultat einer letzten, höchsten, nur als Gnadenakt der Vorsehung mögliche Aventure, dann ist in einem sinnentleerten Diesseits das Rittertum, das von der Iterativität der Aventuren lebt, obsolet geworden und auch dem „meilleur chevalier“ die Daseinsberechtigung entzogen. Der Untergang des Artusreichs wird unvermeidbar. Er vollzieht sich vor allem in den Prosaromanen des 13.Jahrhunderts in tragischen Abgesängen der glanzvollen höfischen Welt, deren Erlösung zugleich ihr Untergang ist. Und dass (nicht nur) im „Prosa-Lancelot-Gral-Roman“ das grausige Geschehen durch die Aufdeckung des Liebesverhältnisses von Lancelot und Guenièvre, also eines essential des Romanrittertums, ausgelöst wird, ist von besonderer Relevanz: Lancelot ist das Ideal nur des weltlichen und sündigen Rittertums, für eine heilsgeschichtliche Aufgabe taugt er nicht, sondern er bedarf selbst der Erlösung. War es am Ende des 15.Jahrhunderts möglich, diese relativ globale Disqualifizierung der partikularen literarisch-höfisch-ritterlichen Heldenwelt rückgängig zu machen? Sicherlich nur in Ansätzen und jedenfalls nicht so, dass einzelne ihrer Protagonisten in die Lage versetzt wurden, über ihre Funktion hinaus, in Ausläufern der höfischen und späthöfischen Romanliteratur ein sozial breiter und vielgestaltiger werdendes Lesepublikum, zu denen auch Karl V., Franz I. und (trotz einiger Dementis) wohl auch Montaigne gehörten, mit kaum variierten und dennoch spannenden Abenteuern zu delektieren, den um legitimierende Leitbilder bemühten spätritterlichen Eliten in sinnvoller Weise zur Verfügung zu stehen, um so etwas wie eine nicht eigentlich nostalgische, eher auf Gegenwart und Zukunft gerichtete „Ritterrenaissance“ zu instrumentieren. Es sei denn, es gelänge, die überkommenen Rittergestalten von ihren, die immensen Veränderungen der militärischen, machtpolitischen und religionsgeschichtlichen Bedingungen widerspiegelnden Makeln zu reinigen und von ihrer in einer Art literarischer Ritterdämmerung endenden Vorgeschichte zu abstrahieren.

16 Vgl. z.B. Lori Walters (Ed.), Lancelot and Guinevere. A Casebook. (Arthurian Characters and Themes, 4.) 2.Aufl. New York 2002.

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III. Dies aber konnte durch die Konstruktion bzw. durch die Entdeckung einer neuen Heldengestalt geschehen, die gleichsam als Summe aller purifizierten Großhelden des höfisch-literarischen Mittelalters wie ein Phönix aus der Asche steigt und mit ihrem Glanz die gleichwohl weiter präsente und als eine Art Kontrastfolie dienende Tradition überstrahlt. Und diese neue Heldengestalt war Amadis de Gaula 17, illegitimer Sohn des Königs Perion (Périon) von Gallien und der britischen Prinzessin Elisena (Élisène), der als Säugling aufs Meer ausgesetzt und vom König von Schottland gerettet und adoptiert wird. Am Hof des Königs Languines verliebt er sich in Oriana (Oriane), die schöne und tugendhafte Tochter des Königs Lisuart von England. Hauptthema des Romans ist die Liebe der beiden – verbunden mit unzähligen ritterlichen Bewährungstaten des Helden, der angetreten ist, im Namen der Ehre seiner Geliebten und beschützt durch die gute Zauberin Urganda (Urgande) 18, das Böse in der Welt zu bekämpfen und den Tugendhaften und Schwachen zu helfen, zuweilen natürlich auch Oriana selbst aus den Klauen von Zauberern, Riesen oder anderen Bösewichten zu befreien, die dann ihrerseits auch ihm beisteht. Sicherlich wird die Liebe, deren Frucht schließlich beider Sohn Esplandian sein wird, immer wieder durch Eifersucht, Missverständnisse und missgünstige Neider auf die Probe gestellt – Oriana verstößt den zu Unrecht der Untreue verdächtigten und darob zu Tode verzweifelten Amadis, der unter einem anderen Namen (Beltenebrós – Beau Ténébreux) in einer Unzahl von Abenteuern, die sich über die ganze Welt – die bekannte und die exotisch-imaginär unbekannte – erstrecken, vergeblich den Liebestod sucht. Doch am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf: Nachdem Amadis den Kaiser von Rom besiegt hat, versöhnen sich die Liebenden und ziehen sich auf die „Insula firme“ zurück, auf der man sich einem Liebes- und Treuetest unterziehen kann – ein offenes Ende, denn die Heldentaten von Amadis, seinem Bruder Galaor, seinen Nachkom-

17

Zum spanischen „Amadis“ vgl. u.a. Juan Manuel Cacho Blegua, Amadís: heroísmo mítico cortesano.

Madrid 1979; Martín de Riquer, Estudios sobre el Amaís de Gaula. Barcelona 1987; Lilia E. Ferrario de Orduna (Ed.), Amadís de Gaula: estudios sobre narrativa caballeresca castellana en la primera mitad del siglo XVI. Kassel 1992. 18

Entsprechend Lancelots Dame du Lac. Auch die Suche nach seiner Herkunft und seinem wahren Na-

men verbindet Amadis mit Lancelot. Vgl. dazu Nicole Cazauran, Amadis de Gaule en 1540: un nouveau „roman de chevalerie“, in: Les „Amadis“ en France. Paris 2000, 21–39, wo auch einige Unterschiede zwischen Amadis und dem Prosa-Lancelot herausgestellt werden.

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men und vielen anderen Amadis ähnlichen Rittern sind – wie die vielen Fortsetzungen zeigen – nicht begrenzbar. Geboren wurde dieser unermesslich edle, starke, außer Oriana gegenüber keusche und überdies letztlich unbesiegbare Amadis aber bekanntlich nicht in Frankreich, sondern wahrscheinlich in Portugal beziehungsweise Spanien. Er kam also, sozusagen unbelastet von der französischen mittelalterlichen Tradition und dennoch in ihrer eindeutigen Nachfolge, von außen, quasi als Reimport – doch nicht auf direktem Weg: Der sicherlich auf älteren Vorstufen beruhende ursprüngliche portugiesische Prosaroman aus dem 14.Jahrhundert, der häufig dem Trobador Vasco de Lobeira oder João de Lobeira oder gar – in spanischer Sprache – dem Infanten Enrique de Castilla y León 19 attribuiert wird, aber nicht erhalten ist, gelangte nämlich, über ebenfalls nicht überlieferte spanische Zwischenstufen, erst in der spanischen Fassung von Garci Rodríguez de Montalvo von 1508 ins übrige Europa: „Los cuatro libros del virtuoso caballero Amadís de Gaula“ (mit zahlreichen Neuauflagen im 16.Jahrhundert) – der einzige Ritterroman, der in Cervantes’ „Don Quijote“ (1605– 1615) dem Autodafé der Bibliothek des hidalgo durch den Dorfpfarrer entgeht, denn – so der an der berühmten Ritterbücherverbrennung des 6. Kapitels des 1. Buchs ebenfalls beteiligte Dorfbarbier: „que también he oído decir que es el mejor de todos libros de este género se han compuesto; y así, como a único en su arte, se debe perdonar“. 20 Nur nebenbei: Die vielen Fortsetzungen der Edition von 1508, die Nachfahren von Amadis in Szene setzen, entgehen der Vernichtung jedoch nicht. Ist das Original noch akzeptabel, so die Kopie nicht mehr und schon gar nicht die burleske lebendige Kopie Don Quijote, der zu seinem Diener einmal sagt: „Desta mesma suerte, Amadís fue el norte, el lucero, el sol de los valienets y enamorados caballeros, a quien

19 Der damit also in das späte 13.Jahrhundert vorverlegt wird. Die zahlreichen Schlachten, an denen er teilnahm, sollen Enrique zu den Schlachtschilderungen des „Amadís de Gaula“ inspiriert haben. Sein langer Aufenthalt am englischen Hof und seine vielen Reisen im übrigen Europa sollen ihm genügend Material für den Roman geliefert haben. Er selbst – Sohn des Königs Fernando III. von Kastilien und León – habe sich im Infanten Brian de Monjaste, Sohn des Königs von Spanien, dargestellt – so die umstrittene These von Margarita Torres Sevilla-Quiñones de León, Enrique de Castilla. Barcelona 2003. 20 Miguel de Cervantes Saavedra, El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha. Madrid 1970, 38. „Man hat mir auch gesagt, dass dies Buch das beste von allen in dieser Gattung sei, und darum könnte man ihm wohl als dem einzigen seiner Gilde vergeben“ (in der Übers. von Ludwig Tieck: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von La Mancha. Mit 363 Illustrationen von Gustave Doré. Wiesbaden 1975, 34).

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debemos de imitar todos aquellos que debajo de la bandera de amor y de la caballería militamos.“ 21 Der „Amadis“ von Montalvo, der im Vorwort seine Kunst der Neubearbeitung, Korrektur und Vervollkommnung fehlerhafter Vorlagen betont – mögliche Fragmente seiner Quellen sind erst 1956 entdeckt worden –, war der Ausgangspunkt der europäischen Amadis-Mode, ja Amadis-Schwemme des 16. und 17.Jahrhunderts. Diese setzt ein mit spanischen Fortsetzungen, zunächst einem fünften Buch von Montalvo selbst, dann im Lauf von etwa vier Jahrzehnten zahlreichen weiteren Fortsetzungen aus der Feder verschiedener Autoren, darunter einige von italienischen und gegen Ende des Jahrhunderts auch deutschen Autoren verfasste Bücher. Weitere Amadis-Romane und -Versionen erweiterten diesen Zyklus, nicht nur in Spanien, sondern beispielsweise auch in Italien. 22 Wirksamer als neue Fortsetzungen wurden in Europa die Übersetzungen der spanischen Amadis-Bücher und die Übersetzungen von deren Übersetzungen, aber auch Seitenstränge, Erweiterungen und Nachahmungen. Am bedeutendsten innerhalb des kaum zu überblickenden Amadis-Komplexes war selbstverständlich die französische – korrigierende, modifizierende, teils kürzende und teils erweiternde, an den Publikumsgeschmack der Zeit adaptierte – Übersetzung der ersten acht Bücher, die Nicolas Herberay des Essarts von 1540 bis 1548 herausbrachte 23 – der erste Bestseller der Moderne in Frankreich und ein ganzes Jahrhundert lang so etwas wie ein romaneskes Hofbrevier. Bis 1581 wurden insgesamt mindestens 21 Bücher in französischer Version verschiedener Übersetzer – die Bücher XV–XXI aus dem Italienischen – publiziert 24, alle mit zahlreichen Neuauflagen. Wie nicht nur die Vorreden des Übersetzers zu den einzelnen Büchern zeigen, waren diese regelrechte literarische Ereignisse in der „bonne compagnie“, die nicht zuletzt auch mit Herberay des Essarts über seine Rittergeschichten kommunizierte. 21

Don Quijote, 142; „Auf gleiche Weise ist Amadis den tapfern und verliebten Rittern zum Kompass,

Leitstern, zur Sonne gesetzt, damit wir ihm alle nachahmen sollen, die wir zu den Fahnen der Liebe und der Ritterschaft geschworen haben“ (Übers. Ludwig Tieck [wie Anm.20], S.132). 22

Bernardo Tasso, Vater von Torquato Tasso, hat mit seinem „Amadigi di Gaula“ von 1560, einem Rit-

terepos in 100 Gesängen, dessen Handlungselemente zum großen Teil auf Montalvos Prosaroman basieren, sogar eine generische und sprachliche Aufwertung des Amadis-Stoffs vorgenommen. 23

Die ersten vier Bücher des französischen „Amadis“ werden im Folgenden zitiert nach: Garci Rodriguez

de Montalvo, Amadis de Gaule. Livres I à IV. Traduit de l’espagnol par Nicolas de Herberay des Essarts. Paris 2008. 24

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Im Jahr 1615 erschienen noch, nach deutschen Fortsetzungen, die Bände XXII–XXV.

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IV. Amadis, der purifizierte Modell-Ritter, konnte und musste wohl deshalb in Spanien geboren werden, weil die Reconquista mit ihren konkreten Aufgaben und permanenten Verpflichtungen die ritterliche Ideologie und das Wertesystem des miles Christianus – Tapferkeit, Treuedienst, Verteidigung der Bedrängten, Kreuzzugsgeist – länger lebendig hielt als anderswo, so dürfte der Siegeszug des Amadis außerhalb Spaniens nicht allein mit dem Bedarf an historisierender Verortung und Rückkoppelung, an archaisierender Glorifizierung einer instabil werdenden Wertewelt oder an Bewahrung tradierter Kultur, sondern sicher auch mit der Läuterung des höfischen Ritters zu begründen sein, die sich in Amadis vollzogen hat: Amadis ist – wie Oriana – ohne Fehl und Tadel, und Schuld an den unzähligen Verwicklungen, aus denen beide sich befreien müssen, ist allein das Böse in der Welt. Folgerichtig und ganz besonders attraktiv für den Siegeszug des Amadis-Romans gerade in Frankreich ist zweifellos auch eine andere Besonderheit: Montalvos rekonstruierte Vorlage 25 ließ – den spätmittelalterlichen arthurischen Prosaromanen entsprechend – noch Missverständnisse, Neid und böse Zufälle obsiegen. Insbesondere ließ sie – ebenfalls diesen Vorbildern gemäß – die Geschichte von Amadis und seiner Rittergesellschaft tragisch enden: Die Protagonisten bringen sich gegenseitig im Zweikampf um, Esplandian tötet im Duell seinen eigenen Vater 26 und Oriana stirbt darob den akuten Liebestod, indem sie sich von einem Turm herabstürzt. Montalvo hat daraus ein Happy Ending gemacht und damit mit der ritterlichen Endzeitstimmung der Artusliteratur des späten Mittelalters gebrochen. Die moralische und soziale Exemplarität des Ritters ist damit in Einklang gebracht mit der Moral des Romanschlusses: Nur das Böse wird bestraft, das Gute jedoch belohnt. Symptomatisch ist, dass das von einem gewissen Juan Díaz verfasste Amadis-Buch VIII („Lisuarte de Grecia“, 1526), welche die einzige spanische Montalvo-Fortsetzung ist, die den Tod von Amadis inszeniert – überdies „nur“ an einer unheilbaren Krankheit und nicht ohne Reue auf sein Leben zurückblickend –, von den folgenden Fortsetzungen in diesem Punkt korrigiert und oft explizit und wortreich kritisiert 27 oder ganz ein-

25 Rekonstruiert anhand von vier Fragmenten aus dem beginnenden 14.Jahrhundert und anderen Verweisen und Anspielungen. 26 Wie beispielsweise Mordred in der „Mort du roi Artu“ seinen Vater Artus im Zweikampf tötet. 27 Herberay des Essarts folgt hierin Montalvo in Buch V.: „ne sçay penser ou telz controuveurs de men-

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fach ignoriert wurde und nicht in die französische Amadis-Tradition Eingang fand. 28 Damit wird aber auch der Blick zurück in die vergangene ritterliche Katastrophe oder gar Apokalypse ersetzt durch den tröstlichen, optimistischen und in diesem Punkt renaissancehaften 29 Blick in eine gerechte und gute Taten dauerhaft belohnende Gegenwart und Zukunft. Den ‚ritterlichen‘ Eliten und diesen nahen Trägerschichten des „Amadis“ in Frankreich 30 musste gerade diese Modernisierung des Alten – bei voller Ausschöpfung des althergebrachten Repertoires der mittelalterlichen Ritterromane –, aber eben mit dem Ziel seiner Bewahrung und Neulegitimierung zupass kommen, wobei diese Modernisierung auch nicht vor den Kampfschilderungen haltmacht: Ohne dass die Bedeutung des einzelnen Ritters grundsätzlich gemindert wird, ist in der Übersetzung des Artillerieoffiziers doch eine deutliche Tendenz zu dessen Einbindung in das hilfreiche Kollektiv eines Heers festzustellen. Dem französischen König seinerseits konnte – auf dem Weg zum Höhepunkt des Absolutismus – die weitgehende Ignorierung von Artus und der spezifischen Artusgesellschaft 31 gefallen: Die mittelalterliche Treue zum Feudalherrn ist tendenziell

songes leur ont inventé une si malheureuse fin […]“ (zit. nach Sylvia Roubaud, „Mort[s] et résurrection[s] d’Amadis“, in: Les „Amadis“ en France [wie Anm.18], 9–19, hier 15). Das Problem der erstaunlichen Langlebigkeit des Helden wird dadurch gelöst, dass die Zauberin Urgande ihren Schützling Amadis (und auch die Seinen) in einem Schloss unterbringt, das den Faktor Zeit nicht kennt und von wo er in weiteren Fortsetzungen immer wieder in das romaneske Geschehen eingreifen kann. Vgl. auch Julia R. Horn, Die Another Day. „Amadis de Gaule“ and the Absence of Heroic Death, in: Bénédicte Facques/Helen Roberts/Hugh Roberts (Eds.), Reading and Writing „The Forbidden“. Essays in French Studies I. Reading 2003, 31–42. 28

Dieses Buch VIII erlebte in Spanien nur eine einzige Auflage. Das erbauliche Ende von Amadis lag dem

Baccalaureus in kanonischem Recht besonders am Herzen. 29

Vgl. dazu Pierre Le Gentil, Pour l’interprétation de l’Amadis, in: Mélanges à la mémoire de Jean Sarrailh.

2 Vols. Paris 1966, Vol.2, 47–54. 30

Dass z.B. humanistische Kreise von den alten Ritterromanen weniger erbaut waren, versteht sich von

selbst. Deren häufige Kritik an diesen „folies“ ist hinlänglich bekannt, ebenso wie diejenige der Vertreter eines „realistischen“ Romans. 31

Vgl. schon die zeitliche Distanzierung, die von der französischen Fassung – Montalvos Original ent-

sprechend – bereits ganz am Anfang, in Kap. 2 von Buch I vorgenommen wird: Élisène muss deshalb ihren illegitimen Sohn auf dem Meer aussetzen, weil sie wegen ihres vorehelichen Fehltritts sonst mit dem Tod bestraft würde. Diese „loi inviolable“, „cette fâcheuse et cruelle coutume dura jusqu’à la venue du vertueux roi Arthur, le meilleur prince qui régna onc en son pays: lequel la révoqua au temps qu’il tua en bataille […] Le Floian. Mais beaucoup d’autres rois furent entre lui et Garinter qui la maintinrent“ (Montalvo, Amadis [wie Anm.23], 27). Einerseits erhält die Amadis-Geschichte dadurch die zeitliche Priorität, andererseits wird dem Arthurischen der zivilisatorische Fortschritt konzediert.

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durch die Verpflichtung des neuen Ritters dem legitimen König gegenüber ersetzt, und – umgekehrt – als König Lisuart gegen den ausdrücklichen Rat seines „Conseil“ den Fehler begeht, Oriane, seine älteste Tochter, zugunsten der jüngeren von der Nachfolge auszuschließen, entgegnet er mit deutlichen Worten: „ce n’est à vous à qui je dois rendre compte de ce que je fais, mais à Dieu seul qui m’a, après lui, constitué souverain en ce pays, pour le gouvernement de celui-ci et du peuple qui y habite“ 32 – symptomatisch für eine Positionierung auch des Erzählers dem Gottesgnadentum gegenüber, die zwar das zeitweilig falsche Verhalten des Königs missbilligt, doch am Prinzip als solchem festhält. Idealisierung und Exotisierung, Moralisierung und Historisierung sind im Übrigen Tendenzen, die sich im Laufe der seriellen Amadis-Mode nur noch verstärkten. Und nicht zu vergessen: Liebe und Galanterie à la Amadis kennen die Komplikationen der höfischen Liebe des Mittelalters à la Lancelot oder Tristan nicht. Es handelt sich um eine „vision de l’amour, composite, certes, au croisement d’idéal chevaleresque, d’idéal courtois, de néo-platonisme et d’inspiration ovidienne: le tout s’exprimant par de très libres conduites amoureuses, aussi bien chez des héros fort entreprenants que chez des héroïnes attachées à modeler elles-mêmes leur destin.“ 33 Dass Amadis und Oriane, wie bereits Amadis’ Eltern Périon und Élisène, relativ früh – lange vor der offiziellen Vermählung vor Gott – zur Sache kommen dürfen, stößt bei keinem ‚ritterlichen‘ Leser und keiner ‚höfischen‘ Mätresse auf Kritik. Religiös fundierte Moral ist zweitrangig. Was den französischen Amadis gerade unter diesem Aspekt so interessant macht, ist nicht von ungefähr die Tatsache, dass es niemand anderer als König Franz I., der „dernier des rois-chevaliers“ 34, war, der Herberay des Essarts, einen seiner Artillerieleutnante, mit der Übersetzung des spanischen Romanzyklus betraute – so des Essarts etwa in der Widmung von Buch V an den König und später in einem Brief an Heinrich II., während er im „Prologue du translateur“, der Charles d’Orléans, dem zweitgeborenen Sohn des Königs, gewidmet ist, seine Lektüren während der Mußezeit, die der Frieden von Nizza (18.Juni 1537) ihm gewährte, zum auslösenden Faktor erhebt. Gehört die Geschichte von der Bekanntschaft Franz’ I. mit dem spanischen Original während seiner Gefangenschaft in Madrid (1525–1526) eher in den

32 Montalvo, Amadis (wie Anm.23), 669. 33 Michel Bideaux, Conclusions, in: Les „Amadis“ en France (wie Anm.18), 201–208, hier 202. 34 Vgl. z.B. Georges Bordonove, Les rois qui ont fait la France. François Ier, le roi-chevalier. Paris 1987, und Sylvie Le Clech, François Ier. Le roi-chevalier (1494–1547). Paris 2000.

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Bereich der Legende 35, so spricht für den königlichen Übersetzungsauftrag einmal das eminent große Interesse des Königs, Mäzens, Büchersammlers, Erfinders des dépôt légal und Dichters für die Literatur seiner Zeit, zum andern die Tatsache, dass nicht nur die Bibliothek von Charles d’Orléans spätmittelalterliche Prosaromane („Lancelot“ und „Tristan“) aufwies, sondern auch in der königlichen Bibliothek von Blois, Keimzelle der Bibliothèque nationale de France, gerade mittelalterliche Artusund Gralromane in großer Zahl vertreten waren. Dass der ausführlich beschriebene Palast von Apolidon auf der „Île Ferme“ 36, der sogar mit zwei Stichen illustriert wird, große Ähnlichkeiten mit dem vom König 1528, kurz nach seiner Rückkehr aus Madrid, begonnenen Château de Madrid im Bois de Boulogne 37 und vor allem dem 1519 begonnenen Schloss von Chambord, dem aufwendigsten Bauprojekt Franz’ I., aufweist, verwundert nicht. Seinem Nachfolger Heinrich II. hat Franz I. seine Vorliebe u.a. für den Amadis-Roman vermacht. Sowohl seiner für ihn so desaströsen Turnierleidenschaft als auch seiner ausgeprägten Passion für die „galanterie“, „jamais paru[e] en France avec tant d’éclat que dans les dernières années du règne de Henri second“ 38, musste die ausgewogene Mischung von Abenteuer- und Liebesleben gemäß sein, wobei gerade die Schilderung des Lebens auf der idealen „Île Ferme“ das Raffinement der aristokratischen Galanterie, Politesse, Soziabilität und Konversation inhaltlich und nicht zuletzt auch sprachlich und ästhetisch besonders zur Geltung bringt. Noch Heinrich IV., in dessen Regierungszeit die alten französischen Ritterromane des späten Mittelalters weiter an rezeptioneller Bedeutung einbüßten und noch mehr als bisher durch sentimentale Liebesromane und am Anfang des 17.Jahrhunderts durch Schäferromane abgelöst wurden, begeisterte sich für den „Amadis“, seine Jugendlektüre – vor dem Einschlafen habe er sich bei Unpässlichkeit häufig von seinem Arzt Du Laurens einige Seiten daraus vorlesen lassen. Seine langjährige Mätresse (ab 1582/83, bis 1587/88), die literarisch gebildete, mit Montaigne befreun35

Vgl. hierzu auch den Beitrag von Jean-Marie Le Gall in diesem Band.

36

Vgl. die „Description de l’iconographie et plan du palais qu’Apolidon avait fait construire en l’Île Fer-

me“ (Montalvo, Amadis [wie Anm.23], 640ff.). 37

Ursprünglich hieß es Château de Boulogne. Die Umbenennung soll in Anspielung auf die Gefangen-

schaft des Königs in Madrid im Volksmund erfolgt sein. In diesem Schloss war Karl V. im Januar 1540 zu Gast – eine Revanche für die Madrider Gefangenschaft? Zur Geschichte und zur Architektur dieses Schlosses vgl. Monique Châtenet, Le château de Madrid au bois de Boulogne. Paris 1987. 38

Beginn der „Princesse de Clèves“ von Madame de Lafayette (Mme de Lafayette, Romans et nouvelles. Ed.

Émile Magne. Paris 1961, 241). In diesem Roman findet sich auch die Schilderung vom tödlichen Turnierunfall Heinrichs II. (355–357).

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dete Diane d’Andoins, begeisterte Amadis-Leserin, gab sich selbst nach einer Protagonistin des Romans den Beinamen Corisande: „La belle Corisande“ wurde sie genannt. Die Amadis-Begeisterung erfasste – wie im 17.Jahrhundert die Schäfermode in der „Astrée“ von Honoré d’Urfé – Adel und Großbürgertum. Ein Symptom dafür war die Publikation vieler „Thrésors d’Amadis de Gaule“ 39, d.h. von Anthologien mit Musterpassagen aus dem „Amadis“, anhand derer die aristokratische Gesellschaft und Zeitgenossen, die sich ihr ebenbürtig dünkten, die Kunst der Konversation, der (nicht nur dichterischen) Rede, der (Liebes-)Korrespondenz und des höfischen Verhaltens und höfischer Repräsentation einstudieren konnten. Der französisierte Romanzyklus wurde zu einer Art „Bréviaire de savoir-vivre, de l’honneur, de la chevalerie“. 40 Von daher auch die große Fortüne des „Amadis“ in bildender Kunst und Oper des 17.Jahrhunderts. Über die bisherigen (auch politisch konnotierten) Merkmale hinaus 41 kann die Passgenauigkeit des Amadis für die Leitbildsuche der ‚ritterlichen‘ Eliten des 16.Jahrhunderts und speziell auch für den französischen König noch weiter belegt werden. Bedeutsam in dieser Hinsicht ist zunächst, dass Herberay des Essarts schon im „Prologue du translateur“ zum ersten Buch – später immer wieder – mit seiner Übersetzung das Ziel der Glorifizierung „Galliens“ („exalter la Gaule“), also der französischen Nation, besonders auch der französischen Monarchie verbindet. Dem dient auch der Verweis auf eine von ihm angeblich gefundene pikardische, also französische Handschrift, von deren Version der spanische „Amadis“ lediglich eine (schlechte) Übersetzung sei. 42 Er habe mit seiner Bearbeitung nichts anderes getan als das französische Original wiederherzustellen, den „Gallier“ Amadis zu repatriieren und in seiner Heimat, „en cette notre France“ 43, wieder bekanntzumachen – eine Behauptung kultureller Restitution, in der die Disqualifizierung der spanischen Vorlage und ihrer Sprache auffällt. Betont der Übersetzer in der Widmung von Buch 39 Vgl. Véronique Benhaïm, Les „Thresors“ d’Amadis, in: Les „Amadis“ en France (wie Anm.18), 157–181. 40 Nach Charles Dédéyan, Le Chevalier berger ou de l’Amadis à l’Astrée. Paris 2002. Vgl. bereits Eugène Baret, De l’Amadis de Gaule et de son influence sur les mœurs et sur la littérature au XVIe et au XVIIe siècle, avec une notice bibliographique. 2.Aufl. Paris 1873, und Edwin B. Place, El Amadis de Montalvo como manual de cortesania en Francia, in: Revista de Filología Española 38, 1954, 151–169. 41 Vgl. u.a. Mireille Huchon, Traduction, translation, exaltation et transmutation dans les Amadis, in: Camenae 3, novembre 2007, http://www.paris-sorbonne.fr/IMG/pdf/4._Article_12_Huchon.pdf. 42 „un vieux livre écrit à la main en langage picard sur lequel j’estime que les Espagnols ont fait leur traduction, non pas du tout suivant le vrai original“ (Montalvo, Amadis [wie Anm.23], 13). 43 Ebd.13.

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VI Analogien der politischen Großlage zur Zeit von Amadis mit der zeitgenössi-

schen, so verwundert nicht, dass bereits sein, an den König gerichtetes, Widmungsgedicht zu Buch II Franz I. zum „seul héritier“ von Amadis’ „prouesse“ und „libéralité“ erklärt. 44 Deutlicher noch im Widmungsgedicht zu Buch IV: Hat der „conquéreur“ Amadis den Kaiser von Rom besiegt, so präfiguriert er den französischen König, dem dieser Erfolg ebenso beschieden sein wird 45 – so formuliert Herberay des Essarts 1543, mitten im vierten französisch-habsburgischen Krieg. Die Analogien zu den kriegerischen Auseinandersetzungen Franz’ I. mit Karl V. und Heinrich VIII. sind permanent spürbar. Die vom Spanier Montalvo Karl V. zugesprochene Großmütigkeit wird bei Herberay des Essarts getilgt – der Kaiser von Rom gelte im Übrigen als „un homme de peu de foi et mal voulu le possible des siens“. 46 Heinrich VIII. wird gelegentlich in der Gestalt von König Lisuart lächerlich gemacht, den Montalvo positiver gezeichnet hatte. Immer wieder werden Amadis und Franz I. analogisiert. In der Widmung von Buch V (für Franz I.), das vor allem Amadis’ Sohn Esplandian zum Helden hat, geht die Amadis-Würde explizit auf den Dauphin über, den späteren Heinrich II., während Franz I. mit Amadis’ Vater Périon, Charles d’Orléans mit Amadis’ Bruder Galaor parallelisiert wird. 47 Auch den zeitgenössischen Lesern entgingen natürlich derartige politische Parallelisierungen insbesondere in von Herberay des Essarts hinzugefügten Passagen nicht.

Eine französische Fassung des Beitrages ist erschienen u. d. T.: De Charlemagne à Amadis. Les héros littéraires modèles des élites ‚chevaleresques‘ françaises du XVIe siècle, in: Cahiers de Recherches Médiévales et Humanistes 22, 2011, 587–600.

44

Ebd.291.

45

„Or ce Gaulois, ce gentil conquéreur, / A figuré l’heur qui vous est promis“ (Montalvo, Amadis [wie

Anm.23], 633). 46

Ebd.672.

47

Der ausführliche Vergleich der Romangestalten mit dem Personal der Zeit um 1543/44, der darüber hi-

naus durch die Erwähnung der Schlachten von Artois und Luxembourg und Carignan weitere Aktualitätssignale erhält, beginnt mit der allgemeinen Feststellung: „il m’a semblé que ce qui est escript du Roy Perion et sa posterité, n’est aultre chose que la figure de vous et de messeigneurs voz enfans“; zit. nach Huchon, Traduction (wie Anm.41), 7.

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Idealisiertes Rittertum Herzog Karl der Kühne von Burgund und Kaiser Maximilian I. von Karl-Heinz Spieß

Dieser Beitrag widmet sich der Frage, ob und wie Karl der Kühne und Maximilian I. sich ihren Zeitgenossen als ideale Ritter präsentierten. Zugleich soll geprüft werden, inwiefern Maximilian I. sich dabei von burgundischen Traditionen beeinflussen ließ. Eine wichtige Voraussetzung für eine breite Akzeptanz des idealen Rittertums war die Verständigung des europäischen Adels darüber, wie sich ein Ritter zu verhalten habe. Von einem Ritter erwartete man zunächst die Bereitschaft zum Kampf, auch zum Zweikampf unter Beachtung von Regeln. Weiterhin sollte ein Ritter nach Ehre streben, sich im Kampf, aber auch bei Turnieren und Festen auszeichnen. Verlangt war zudem die Nächstenliebe, die sich in der Verteidigung von Frauen, Kindern, Witwen und Waisen oder allen Schwachen äußerte. Der ideale Ritter sollte sich auch nicht über seine Standesgenossen erheben, sondern höchstens als primus inter pares agieren. Schließlich oblag ihm der Schutz von Kirche und Christenheit, was den Kampf gegen die Ungläubigen durch einen Kreuzzug einschloss. 1 Dieses Ritterideal war für einen spätmittelalterlichen Adeligen allgegenwärtig. Die Gestalten der höfischen Epen, wie Artus, Iwein, Erec oder Tristan wurden von ihm ebenso als Vorbild empfunden wie Alexander oder Caesar als antike Helden. 2 Die Heldenverehrung manifestierte sich auch in den neuf preux, d.h. Hektor, Alexander dem Großen, Julius Caesar, Josua, David, Judas Makkabäus, Artus, Karl dem Gro-

1 Vgl. Werner Paravicini, Rois et princes chevaliers, Allemagne, XIIe–XVIe siècles, in: Les princes et le pouvoir au Moyen Âge: XXIIIe Congrès de la S.H.M.E.S.Brest, mai 1992. (Société des Historiens Médiévistes de l’Enseignement Supérieur public, 9.) Paris 1993; ders., Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters. (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 32.) München 1994, 4ff. 2 Vgl. Karl-Heinz Spieß, Zum Gebrauch von Literatur im spätmittelalterlichen Adel, in: Ingrid Kasten/ Werner Paravicini/René Pérennec (Hrsg.), Kultureller Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter. Sigmaringen 1998, 85–102, hier 93f.; Paravicini, Rois (wie Anm.1), 22f.; Thomas Menzel, Der Fürst als Feldherr: militärisches Handeln und Selbstdarstellung zwischen 1470 und 1550; dargestellt an ausgewählten Beispielen. Berlin 2003, 29f.; Werner Goez, Renaissance und Rittertum, in: Karl Hauck/Hubert Mordek (Hrsg.), Geschichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter. Köln/Wien 1978, 565–584.

DOI

10.1515/9783486781076.57

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ßen und Gottfried von Bouillon. Ihnen wurden bald noch die neuf preuses, neun weibliche Helden, zur Seite gestellt. 3 Insbesondere die antiken Heroen Hektor, Alexander und Caesar wurden völlig in die Ritteridee integriert und auch als Ritter in spätmittelalterlichen Rüstungen dargestellt. 4 Religiös gewendet war das Ritterideal in der Verehrung der Heiligen St. Georg und St. Mauritius, die stets durch ihre Rüstungen als Ritter erkennbar waren. 5 Auf solche Weise war sicher jeder Adelige von der Allgemeingültigkeit und der Zeitlosigkeit der Ritterideale überzeugt, die ihm mündlich und schriftlich vermittelt wurden. Zusätzlich stand ihm der gerüstete Ritter in materieller Hinsicht ständig vor Augen. Als Kind spielte er mit Ritterfiguren 6, auf dem Reitersiegel war ein hochadeliger Vater in voller Rüstung zu sehen 7, ebenso wie

3 Georg Scheibelreiter, Höfisches Geschichtsverständnis. Neuf Preux und Neuf Preuses als Sinnbilder adeliger Weltsicht, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 114, H.1–2, 2006, 251–288; Ingrid Sedlack, Die Neuf Preuses: Heldinnen des Spätmittelalters. Marburg 1997; Sophie CassagnesBrouquet, Les Neufes Preuses. L’inventation d’un nouveau thème iconographique dans le context de la Guerre de Cent ans, in: Luc Capdevila (Ed.), Le genre face aux mutations. Masculin et feminin du Moyen Âge à nos jours. Rennes 2003, 279–289; vgl. auch Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters. 2.Aufl. Stuttgart 1975, 92, mit dem Hinweis, dass beide Gruppen beim Einzug König Heinrichs VI. von England 1431 in Paris ihm vorausgingen. 4 Vgl. Wolfgang Brassat, Tapisserien und Politik: Funktionen und Rezeption eines repräsentativen Mediums. Berlin 1992; und die Forschungen von Birgit Franke, z.B. dies., Tapisserien, in: Werner Paravicini (Hrsg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe 1. (Residenzenforschung, 15/2.) Ostfildern 2005, 90–92; dies./Barbara Welzel, Bildsozialisationen und Bildpolitik. Die Heldenwelt Karls des Kühnen, in: Klaus Oschema/Rainer C. Schwinges (Hrsg.), Karl der Kühne von Burgund. Fürst zwischen europäischem Adel und der Eidgenossenschaft. Zürich 2010, 81–107, hier 88ff. 5 Vgl. Jörg Kiesewetter, Der heilige Georg als Beschützer und Schlachtenhelfer der Kreuzfahrer und Patron von Ritterorden und Rittergesellschaften. Ein Beitrag zur Militarisierung des Georgsbildes im Mittelalter, in: Lothar Hennig (Hrsg.), St. Georg. Ritterheiliger – Nothelfer – Bamberger Dompatron. Studien und Beiträge zur Ausstellung 20.Juni–31.Oktober 1992. (Schriften des Historischen Museums Bamberg, 25.) Bamberg 1992, 43–53. – Zu Mauritius: Matthias Puhle/Claus-Peter Hasse (Hrsg.), Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation: 962 bis 1806. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters. 29. Ausstellung des Europarates in Magdeburg und Berlin und Landesausstellung Sachsen-Anhalt [im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, 28.August bis 10.Dezember 2006]. Dresden 2006, 335, 578–580. 6 Solche Spielfiguren finden sich auf Abbildungen und als erhaltene Exemplare. Vgl. Susan Marti/TillHolger Borchert/Gabriele Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur. [Katalog zur Ausstellung „Karl der Kühne (1433–1477)“ Historisches Museum, Bern, 25.April–24.August 2008; Bruggemuseum & Groeningemuseum Brügge 27.März – 21.Juli 2009]. Brüssel 2008, 298; und Heinrich Theodor Musper (Hrsg.), Kaiser Maximilians I. Weisskunig. 2 Bde., hier Bd. 2 (Tafelbd.). Stuttgart 1956, Tafel 19. 7 Zu den Reitersiegeln Wilfried Schöntag, Das Reitersiegel als Rechtssymbol und Darstellung ritterlichen Selbstverständnisses. Fahnenlanze, Banner und Schwert auf Reitersiegeln des 12. und 13.Jahrhunderts vor allem südwestdeutscher Adelsfamilien, in: Konrad Krimm/Herwig John (Hrsg.), Bild und Geschichte. Stu-

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in der Grablege des Geschlechts die Vorfahren in einer Rüstung aufgebahrt lagen 8. Bei den Turnieren sah er dann leibhaftige Ritter nach Ruhm und Ehre streben. Dass der gesamte Hof die Ritteridee verinnerlichen sollte, geht aus der Anfertigung von Rüstungen für halbwüchsige Knaben 9, aber auch für Riesen und Zwerge hervor 10. Wie sehr auch die geistliche Welt daran teilhatte, illustriert z.B. die Darstellung der Kurfürsten als Ritter unter Einbeziehung der drei Erzbischöfe in dem berühmten Mainzer Figurenzyklus. 11 Nicht zuletzt hat auch das Patriziat in den Städten ritterliche Verhaltensformen adaptiert, sich um den Ritterschlag bemüht oder selbst Turniere abgehalten. 12 Wollte ein Herrscher den Adel seines Landes auf sich und seine Politik verpflichten, so lag es angesichts der Omnipräsenz der Ritteridee nahe, sich nicht nur als idealer, sondern noch besser als erster und vornehmster Ritter seines Machtbereiches zu präsentieren. Könige und Fürsten vereinnahmten deshalb im 15.Jahrhundert das Ritterideal zunehmend für sich, zumal sie allein die Mittel zur Ausgestaltung der

dien zur politischen Ikonographie. Festschrift Hansmartin Schwarzmaier. Sigmaringen 1997, 79–24; Eberhard Gönner, Reitersiegel in Süddeutschland, in: Wolfgang Schmierer (Hrsg.), Aus südwestdeutscher Geschichte. Festschrift Hans-Martin Maurer. Stuttgart 1994, 151–167; siehe auch Paravicini, Rois (wie Anm.1), 23f. 8 Zu Grabdenkmälern Carola Fey, Hochgrab und Wanddenkmal. Ausdrucksformen adliger Sepulkralkultur im Wandel, in: Werner Rösener (Hrsg.), Adlige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. (Formen der Erinnerung, 8.) Göttingen 2000, 125–144; siehe auch Paravicini, Rois (wie Anm.1), 24. Nur ein beeindruckendes Beispiel dafür stellt das Grabmal von 1467 des Georg II. Truchsess von Waldburg in der Stiftskirche St. Peter in Waldsee dar, abgebildet bei Alexander Freiherr von

Reitzenstein, Rittertum und Ritterschaft. München 1972, 98. 9 Beispielsweise wurden für den jungen Philipp den Schönen solche Stücke angefertigt. Abb.bei Marti/ Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), Tafel 83. 10 Ein beeindruckendes Exemplar eines Harnischs für einen Hofriesen ist Teil der Sammlung des Schlosses Ambras und eine Abbildung eines Zwergenharnischs ist zu sehen bei Alfred Geibig (Hrsg.), Gefährlich und Schön. Eine Auswahl historischer Waffen aus den Beständen der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Überarb. u. erw. Neuaufl. der 1.Aufl. Coburg 2009, 39. 11 Literatur zum Kurfürstenzyklus Andrea Arens, Skulpturen des 13. bis 15.Jahrhunderts im Landesmuseum Mainz. (Museum im Taschenformat, 2.) Mainz 1997, 10–19, mit entsprechenden Abbildungen. Die Verinnerlichung der Ritteridee ist auch anhand der Rüge Karls IV. gegenüber Klerikern zu erkennen, die u.a. Rittersporen tragen; vgl. dazu Michael Hollmann, Das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter: 1306–1476. (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, 64.) Mainz 1988, 88. 12 Hartmut Boockmann (Hrsg.), „Kurzweil viel ohn’ Maß und Ziel“. Alltag und Festtag auf den Augsburger Monatsbildern der Renaissance. München 1994, Tafel Januar–Februar–März; Karl-Heinz Spieß, Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im Spätmittelalter, in: Kurt Andermann/Peter Johanek (Hrsg.), Zwischen Nichtadel und Adel. (Vorträge und Forschungen, 53.) Stuttgart 2001, 1–26.

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prachtvollen höfischen Feste und Turniere besaßen. 13 Die Idealisierung und Monopolisierung des Rittertums durch Karl den Kühnen und Maximilian I. stellt somit kein isoliertes Phänomen dar 14, doch kommt beiden Fürsten angesichts ihrer exponierten politischen und finanziellen Stellung eine besondere Rolle zu. Wenn wir uns jetzt Karl dem Kühnen zuwenden, so kann dies nicht ohne Rückblick auf seinen Vater Philipp den Guten geschehen. Am 10.Januar 1430 hatte Philipp nach dem Vorbild des englischen Hosenbandordens und anderer königlicher Orden den Orden vom Goldenen Vlies begründet. Er vereinigte unter dem Vorsitz des burgundischen Herzogs zunächst 31, dann ab 1516 51 Ordensritter, die sich durch einen untadeligen Ruf und einen besonderen Rang auszeichneten. Das Ordenskapitel als Versammlung aller Mitglieder sollte in regelmäßigen Abständen tagen, wobei nicht nur die Wahl neuer Mitglieder, sondern auch die Überprüfung des Lebenswandels aller Ordensritter unter Einschluss des Herzogs auf der Tagesordnung stand. 15 Letztere Bestimmung ist gerade im Blick auf die Idealität des im Orden versammelten Rittertums von erheblicher Bedeutung. Die in den letzten Jahren veröffentlichten Protokollbücher des Ordens bis 1473 belegen, dass man dieser sogenannten correction viel Zeit und intensive Beratungen gewidmet hat. 16 Außer Karl dem Kühnen wurde auch Maximilian der Sittenrüge der Ordensritter unterzogen. 17 Das eingangs vorgestellte Ritterideal wurde im Orden vom Goldenen Vlies nicht 13

Vgl. Jan-Dirk Müller, Gedechtnus: Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungen zur

Geschichte der älteren deutschen Literatur, 2.) München 1982, 222, 225f.; Werner Paravicini, Kultur (wie Anm.1), 111f. 14

Vgl. jetzt auch die Untersuchung von Barbara Hammes, Ritterlicher Fürst und Ritterschaft. Konkurrie-

rende Vergegenwärtigung ritterlich-höfischer Tradition im Umkreis südwestdeutscher Fürstenhöfe 1350– 1450. Stuttgart 2011. 15

Vgl. Gert Melville, Rituelle Ostentation und pragmatische Inquisition. Zur Institutionalität des Ordens

vom Goldenen Vlies, in: Heinz Duchhardt/Gert Melville (Hrsg.), Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. (Norm und Struktur, 7.) Köln 1997, 215–271; Sonja Dünnebeil, Die Entwicklung des Ordens unter den Burgunderherzögen (1430–1477), in: Kanzlei des Ordens vom Goldenen Vlies (Hrsg.), Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies. Beiträge zum wissenschaftlichen Symposium am 30.11. und 1.12.2006 in Stift Heiligenkreuz. Redigiert v. Leopold Auer/Sonja Dünnebeil/Birgit Charlotte Glaser/Alexander Pachta-Reyhofen. Graz 2007, 13–36; Oschema/Schwinges (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.4), 181. 16

1468 dauerte die „correction“ vier und 1473 drei Tage. Vgl. Sonja Dünnebeil (Hrsg.), Protokollbücher des

Ordens vom Goldenen Vlies. 3 Bde. (Instrumenta, 9, 12 u. 19.) Stuttgart/Ostfildern 2002/2003/2009, hier Bd. 1, 13f., Bd. 2, 21f. und Bd. 3, 13. 17

Karl während der Kapitel zu Brügge 1468 und Valenciennes 1473, Maximilian zu Mecheln 1491. Vgl.

Dünnebeil (Hrsg.), Protokollbücher (wie Anm.16), Bd. 2, 120 u. Bd. 3, 97; Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 5 Bde. München 1971, Bd. 1, 225f.

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Abb.1: Ordenscollane des Ordens vom Goldenen Vlies, 3. Viertel 15.Jh.; Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. WS XIV 263.

nur durch die angestrebte persönliche Integrität der Mitglieder, sondern auch durch die bei aller Wahrung der souveränen Stellung des burgundischen Herzogs vorgeführte Brüderlichkeit und Gleichheit der Ordensritter verwirklicht. Sie waren verpflichtet, sich gegenseitig bei der Verteidigung ihrer Ehre und Rechte zu unterstützen, auch mit Waffengewalt. 18 Symbolischen Ausdruck fand das Ideal des brüderli18 Vgl. den Abdruck der Ordensstatuten bei Dünnebeil (Hrsg.), Protokollbücher (wie Anm. 16), Bd. 1,

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chen Zusammenschlusses in der Gestaltung des Ordenszeichens. Die Kette, an der das Goldene Vlies hängt, besteht aus ineinander verhakten Einzelteilen, die im gegenseitigen Zusammenschluss einander Halt geben müssen, da die Kette sonst auseinanderfiele. 19 Andererseits stellen die Kettenglieder als Schlageisen, die aus einem Feuerstein Funken schlagen, das persönliche Bildzeichen Philipps des Guten in den Vordergrund und betonen so die herausgehobene Rolle des Herzogs 20, der mit dem Orden den Adel der burgundischen Länder an sich binden wollte. Bei der Auswahl neuer Mitglieder sollten diese deshalb in erster Linie dem Orden dienlich sein. 21 Die Loyalität gegenüber dem Souverän stand über allem, weshalb auch die Mitgliedschaft in einem anderen Ritterorden nur in seltenen Ausnahmefällen erlaubt war. 22 Die Ordenskette musste täglich getragen werden. 23 Außerdem präsentierte sich der Orden mit seinen Prunkgewändern öffentlich bei seinen großen Festen. Die Außenwirkung des Ordens über Burgund hinaus wurde erreicht durch die Aufnahme von Mitgliedern europäischer Königshäuser, für die es Ausnahmeregelungen von den Ordensstatuten gab. 24 Da die Verteidigung des Glaubens, wie bereits erwähnt, zur Aufgabe eines idealen Ritters gehörte, spielte auch der Plan eines Kreuzzuges eine wichtige Rolle. Philipp der Gute legte bei dem Fasanenfest zu Lille 1454 sogar das feierliche Gelübde ab, persönlich in einem Zweikampf den türkischen Sultan herauszufordern, und stilisierte sich damit zum heldenhaften Führer der Christenheit. 25

189ff.; und Klaus Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund. Studien zum Spannungsfeld von Emotion und Institution. (Norm und Struktur, 26.) Köln 2006, 341. 19

Siehe Abb.1, entnommen aus Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 189 mit Tafel 3.

20

Ebd.

21

Vgl. Sonja Dünnebeil, Der Orden vom Goldenen Vlies und die Beherrschung des Adels – Karl als Herr

oder Ordensbruder?, in: Oschema/Schwinges (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.4), 171–183, hier 175f. 22

Die Mitgliedschaft in einem anderen Orden war nur dem bzw. einem Souverän erlaubt. Vgl. Dünnebeil

(Hrsg.), Protokollbücher (wie Anm.16), Bd. 1, Ordensstatuten § 2, 193; und Huizinga, Herbst (wie Anm.3), 113. 23

Spätere Ausnahmen führten beispielsweise dazu, dass König Alfons V. von Aragon, 1445 in den Orden

aufgenommen, die Ordenskette nur sonntags zu tragen brauchte. Vgl. Dünnebeil, Entwicklung (wie Anm.15), 21. 24

Vgl. Dünnebeil, Der Orden (wie Anm.21), 175f.

25

Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipps des Guten von Burgund.

(Schriftenreihe der historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 51.) Göttingen 1993, 59–64, zum Fasanenfest vgl. auch Richard Vaughan, Philipp the Good: The Apogee of Burgundy. Woodbridge 2002, 297f.

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Abb.2: Philipp der Gute, Kopie nach Rogier van der Weyden, um 1470; Musea Brugge © Lukas Arts in Flanders vzw, Photo: Hugo Maertens.

Wer sich im 15. und 16.Jahrhundert mit der Kette vom Goldenen Vlies zeigte oder abbilden ließ, konnte sicher sein, dass er von den Zeitgenossen als Mitglied dieses exklusiven Ordens erkannt und als Verkörperung der ritterlichen Ideale angesehen wurde. Schon Philipp der Gute hat diese Wirkung der Ordenskette eingesetzt und sich demonstrativ in ihrem hervorstechenden Schmuck als idealer Ritter abbil-

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den lassen. 26 Zugleich legte er großen Wert darauf, dass sein einziger Sohn und Erbe möglichst frühzeitig in den exklusiven Kreis dieses Ordens Eingang fand. Bereits bei der Taufe wurde Karl zum Ritter erhoben und knapp drei Wochen später als Mitglied in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen. Wie bei anderen Fürstenkindern auch wurden Bildung und körperliches Training von unterschiedlichen Lehrern vermittelt. Die Ausbildung zum Ritter übernahm Jean d’Auxy, der sicher nicht zufällig dem Orden vom Goldenen Vlies angehörte. Mit 19 Jahren wurde Karl 1452 auf dem Feldzug seines Vaters gegen Gent zum Ritter geschlagen, womit er seine Ausbildung formal abgeschlossen hatte. Im selben Jahr absolvierte er auch seinen ersten Turnierkampf und gewann gegen einen der berühmtesten Ritter seiner Zeit den ersten Preis. 27 Nach dem Tod seines Vaters trat Karl 1467 die Herrschaft in Burgund an. Schon zuvor war ein Porträt entstanden, das ihn auch optisch als Nachfolger und idealisierten Ritter präsentierte. Von diesem Porträt gab es mehrere Kopien, die für eine große Breitenwirkung sorgten. 28 Mit dem Regierungsantritt übernahm er die Tapisserien seines Vaters, wie z.B. den Gideonsteppich, der den biblischen Gideon als Folie für einen christlichen Ritter benutzt, der das Heilige Land befreit und als perfekter Herrscher regiert. 29 Er setzte diese und andere Tapisserien, die mit Herkules, Hektor, Alexander oder Caesar seinen Heldenkosmos in Szene setzten, gezielt als Propagandamedien ein, um sich vor der Öffentlichkeit mit diesen Idealgestalten identifizieren zu können. 30 Die Tapisserien stellten schließlich die historischen Personen in Lebensgröße und auf Augenhöhe dar und wirkten deshalb wie Spiegel in die Vergangenheit. Als nunmehriger Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies setzte Karl der Kühne eigene Akzente, die seine Stellung als Herrscher und erster Ritter betonten. So beeinflusste er aktiv die Aufnahme neuer Mitglieder, obwohl deren Wahl eigentlich Sache des gesamten Kapitels war. Weiterhin setzte er den Ausschluss von Ordensrittern durch, die sich gegen ihn aufgelehnt hatten. Er ließ die Ordenskleidung in Aus-

26

Siehe Abb.2, entnommen aus Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 75.

27

Vgl. Klaus Oschema, Das Werden eines zweiten Alexanders? Jugend und Ausbildung Karls des Küh-

nen, in: Oschema/Schwinges (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.4), 55–68, hier 56ff. 28

Vgl. Till-Holger Borchert, Das Bildnis Karl des Kühnen, in: Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne

(wie Anm.6), 72–81, hier 79f. 29

Jeffrey Chipps Smith, Portable Propaganda – Tapestries as Princely Metaphors at the Courts of Philip the

Good and Charles the Bold, in: Art Journal 48/2, 1989, 123–129. 30

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Vgl. Franke/Welzel, Bildsozialisationen (wie Anm. 4), 93ff.

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Abb.3: Karl der Kühne und Hl. Georg, Gerard Loyet, Reliquiar, 1467–1471; Trésor de la Cathédrale Lüttich.

sehen und Qualität verbessern und räumte den Mitgliedern im täglichen Hofzeremoniell einen bevorzugten Platz ein. Der ostentative Prunk der Ordenskapitel von Brügge und Valenciennes 1468 und 1473 ließ den Souverän in hellstem Licht erstrahlen. 31 Die Selbstinszenierung Karls des Kühnen als idealer Ritter soll exemplarisch an der berühmten Votivgabe für Lüttich und an seinem Umgang mit dem Hosenband31 Vgl. Dünnebeil, Der Orden (wie Anm.21), 180; dies. (Hrsg.), Protokollbücher (wie Anm.16), Bd. 3, 17ff.

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orden illustriert werden. Die 53 cm hohe Statuette stellt Karl den Kühnen kniend mit einer Votivgabe für die Kathedrale von Lüttich dar, in der sich die Fingerreliquie des Heiligen Lambertus befindet. Hinter ihm steht der von Karl besonders verehrte Ritterheilige Georg mit einer empfehlenden Geste. Beide Figuren tragen eine goldene Rüstung, wobei Karl zusätzlich mit der Ordenskette des Goldenen Vlieses ausgezeichnet ist. Die Nähe zwischen dem Heiligen Georg, dem Ritter par excellence, und dem Ordensritter Karl wird noch dadurch betont, dass beide dieselben Gesichtszüge aufweisen. Das Kryptoporträt lässt Karl als neuen St. Georg erscheinen. 32 Die Statuette von Lüttich ist die einzige erhaltene von einer bis zu acht Exemplare umfassenden Reihe von Darstellungen des Herzogs in Gold oder Silber, d.h. wie bei den Bildern handelte es sich um serielle Anfertigungen für einen größeren Personenkreis. 33 Karl hat offenbar auch tatsächlich eine goldene Rüstung bei besonderen Gelegenheiten, wie z.B. in Trier 34 getragen. 1467 hatte er zudem eine vergoldete Rüstung von dem Trierer Erzbischof als Geschenk erhalten. 35 Zusammen mit seinem reich geschmückten Mantel bot Karl der Kühne bei seinem Einritt 1473 in Trier einen wahrhaft glanzvollen Anblick. 36 In Trier stellte er auch den englischen Hosenbandorden zur Schau. 37 Für den von

32 Siehe Abb.3, entnommen aus Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), Tafel 48. Ausführlich hierzu Hugo van der Velden, The Donor’s Image: Gerard Loyet and the Votive Portraits of Charles the Bold. Turnhout 2000, 107–153. 33 Vgl. van der Velden, Image (wie Anm.32), 153ff., Appendix I, 305 (Doc. 41), 323f. (Doc. 75). 34 Abb.Karls in goldener Rüstung bei dem Einritt in Trier 1473 in der vor 1483 entstandenen Handschrift „Berner Schilling.“, in: Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 271. Nach Paravicini erschien Karl „in vollem, durch Goldbrokat verkleidetem Harnisch“; ders. Die zwölf „Magnificences“ Karls des Kühnen, in: Gerd Althoff (Hrsg.), Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter. (Vorträge und Forschungen, 51.) Stuttgart 2001, 319–395, hier 351. Wie aus Abrechnungen hervorgeht, waren Teile der Rüstung mit zwei großen Diamanten, 28 Rubinen, zwei sehr großen und 457 normalen Perlen verziert. Vgl. Karl-Heinz Spieß, Der Schatz Karls des Kühnen als Medium der Politik, in: Oschema/ Schwinges (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.4), 283. 35 Vgl. Petra Ehm, Burgund und das Reich. Spätmittelalterliche Außenpolitik am Beispiel Karls des Kühnen (1465–1477). (Pariser Historische Studien, 61.) München 2002, 277. 36 Vgl. Spieß, Schatz (wie Anm.34), 283; Sonja Dünnebeil, Schatz, Repräsentation und Propaganda am Beispiel Burgunds, in: Vom Umgang mit Schätzen, internationaler Kongress in Krems an der Donau 28.– 30.Oktober 2004. (Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Bd. 20.) Wien 2007, 332. In Trier begegneten sich Karl der Kühne und Maximilian. Letzterer kam nach Trier mit seinem Vater und großer Entourage (ungefähr 2500 Pferde) und machte in edler Kleidung und auf einem braunen Pferd reitend, einen stattlichen und älter wirkenden Eindruck. Wiesflecker, Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 4, 97. 37 Vgl. mit Hinweis auf weitere ostentative Präsentationen Paravicini, Magnificences (wie Anm.34), 366.

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Abb.4: Hosenbandorden, Gürtelin, Aquarell auf Pergament; Historisches Museum Basel (Inv. 1916.477).

der Ritteridee durchdrungenen Herzog von Burgund musste die Mitgliedschaft in dem Orden, der als Vorbild für den Orden vom Goldenen Vlies gedient hatte und St. Georg als Schutzheiligen verehrte, ein besonderes Anliegen sein. 1469 wurde er nach intensiven Bemühungen seinerseits zum Mitglied gewählt, wobei dem englischen König im Gegenzug die Mitgliedschaft im Orden vom Goldenen Vlies angetragen worden war. Karl trug häufig das ihm von Edward IV. übersandte Hosenband, ließ sich aber zusätzlich ein juwelengeschmücktes Prachtexemplar des Ordenszeichens anfertigen. 38 Dass er dieses wertvolle Hosenband sogar auf dem Feldzug gegen die Schweizer mit sich führte, wo es dann zur berühmten Burgunderbeute zählte 39, illustriert sein idealisiertes Rittertum noch einmal ausdrücklich. Karls Niederlage und Tod auf dem Schlachtfeld von Nancy, wo nur noch sein ausgeplünderter nackter Leichnam gefunden wurde 40, gab seinem zukünftigen Schwiegersohn Maximilian plötzlich die Gelegenheit, sich in Burgund als ritterlicher Held zu präsentieren. Maximilian hatte eine vorzügliche ritterliche Ausbildung erfahren, die er in seinen späteren Ruhmeswerken, besonders im „Weißkunig“, stark idealisierte. Demzufolge war er nicht nur beim Ritter spielen mit Gleichaltrigen der hervorragende Anführer, sondern glänzte auch im Umgang mit allen möglichen Waf-

38 Vgl. ebd.364ff.; van der Velden, Image (wie Anm.32), 38ff.; Dünnebeil (Hrsg.), Protokollbücher (wie Anm.16), Bd. 2, 25f. 39 Siehe Abb.4, entnommen aus van der Velden, Image (wie Anm.32), 144. Zum Gürtelin Florens Deuchler, Die Burgunderbeute, Inventar der Beutestücke aus den Schlachten von Grandson, Murten und Nancy 1476/1477. Bern 1963, 122f. 40 Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 340f.

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fen. 41 Bereits als Sechsjähriger trug er einen vergoldeten Prunkharnisch mit dem Alter entsprechenden Waffen. 42 Seinen ersten öffentlichen Auftritt in großem Rahmen hatte er mit zwölf Jahren auf dem Regensburger Reichstag von 1471, 1473 nahm er an seinen ersten Turnieren teil und errang erste Preise. 43 Prägend dürfte die Begegnung mit Karl dem Kühnen 1473 in Trier gewesen sein. Das glanzvolle Auftreten Karls kam wohl dem ritterlichen Idealbild in Maximilians Phantasie recht nahe. Der Herzog überreichte ihm als Geschenk eine burgundische Kriegsordnung, für die Maximilian schon bald Verwendung finden sollte. 44 Nach dem Tode Karls rief seine Tochter Maria, die mit Maximilian bereits verlobt worden war, ihren Bräutigam um Hilfe an. Wie im Ritterroman zog er, zu seiner vom Feind bedrängten Braut, zur Unterstützung nach Burgund und erlangte ihr Land nach der Heirat als verdienten Lohn. 45 Beim Einzug in Brüssel setzte er sich wirksam in Szene und ritt an der Spitze von 700 Rittern ein. Während diese aus Trauer um Karl den Kühnen schwarz gekleidet waren, trug Maximilian eine silberne Rüstung, die ihn in den Augen der Betrachter als zweiten Erzengel Michael erscheinen ließ. 46 Nach der Heirat mit Maria von Burgund begeisterte sich Maximilian für die ritterlich-höfische Kultur des erheirateten Landes. 47 1478 wurde er zum Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies gewählt 48, der für ihn nach Meinung von Hermann Wiesflecker die burgundische Idee von Ritterehre, Abenteuer, Ruhm, Glaubenskampf und Weltherrschaft sinnfällig ausdrückte. 49 Maximilian übernahm nicht nur die Bibliothek Karls des Kühnen mit den Beschreibungen ritterlicher Heldenta-

41

Zur Jugend und Ausbildung Maximilians vgl. Heinrich Fichtenau, Der junge Maximilian (1459–1482).

Wien 1959, 5–29; Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 1, 73ff.; Menzel, Fürst (wie Anm.2), 76ff. Zum Weißkunig vgl. Müller, Gedechtnus (wie Anm.13), 130ff., 241ff. 42

Vgl. Wiesflecker, Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 1, 76.

43

Vgl. ebd.83f.; bei Helmut Wolff (Hrsg.), Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. Ältere Rei-

he. Bd. 22, Hälfte 2. Göttingen 1999, findet sich allerdings kein Nachweis für die Anwesenheit Maximilians in Regensburg. 44

Wiesflecker, Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 1, 229.

45

Vgl. ebd.113ff.; Müller, Gedechtnus (wie Anm.13), 134f.; Menzel, Fürst (wie Anm.2), 86f.

46

Vgl. Karl-Heinz Spieß, Unterwegs zu einem fremden Ehemann. Brautfahrt und Ehe in europäischen

Fürstenhäusern des Spätmittelalters, in: Irene Erfen/Karl-Heinz Spieß (Hrsg.), Fremdheit und Reisen im Mittelalter. Stuttgart 1997, 29. 47

68

Menzel, Fürst (wie Anm.2), 87.

48

Ebd.89.

49

Vgl. Wiesflecker, Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 1, 238.

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Abb.5: Maximilian I. zu Pferd 1480, Replik des Originals von Coustain; Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. GG 2374.

ten aus Antike und Mittelalter, sondern auch die exklusiven Tapisserien, die ihm die Helden so eindrücklich als agierende Personen vor Augen führten. 50 Eine frühe Widerspiegelung der neuen Rolle stellt das Porträt dar, das Maximilian beim Einritt in 50 Vgl. ebd.239ff. Vgl. auch zur Verwendung des Gideonsteppichs durch Karl V. bei seiner Abdankung Chipps Smith, Propaganda (wie Anm.29), 127.

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Luxemburg 1480 zeigt. Er und sein Pferd sind in voller Rüstung dargestellt, doch trägt er anstelle eines Helms eine Kappe, an der der österreichische Pfauenstoß befestigt ist. Auf der Satteldecke ist die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies aufgestickt, welche die Wappen der burgundischen Länder umschließt. In der Hand hält er einen Kommandostab, der ihn als Anführer seiner Truppen ausweist. 51 Dass der im Harnisch auf dem Pferd sitzende Maximilian keine Fiktion des Malers, sondern Realität war, belegt ein im selben Jahr nach Burgund gebrachter neuer Reiterharnisch des Erzherzogs, der ein Meisterwerk der Plattnerkunst darstellt. 52 Nach neun wechselvollen Jahren, die von Krieg, Aufständen und dem Tod Marias von Burgund gekennzeichnet waren, kehrte Maximilian 1485 ins Reich zurück, um zum römischen König gewählt zu werden. Sein maßgeblicher Biograph Hermann Wiesflecker lässt ihn an einer Stelle als „völligen Burgunder“ heimkommen 53, an anderer Stelle heißt es methodisch sauberer, der burgundische Lebensstil, der Idee und Wirklichkeit, Mythos und Realismus, Mittelalter und Neuzeit zum unvergleichlichen Bild des Übergangs mischte, habe den empfindsamen Prinzen entscheidend geprägt, doch sei nicht leicht abzuschätzen, wie viel an Maximilian spezifisch burgundisch war, weil die Quellen die letzte Antwort gerade in solchen Fragen verweigern. 54 Dem ist nichts hinzuzufügen. In seinem maßgeblich von ihm bestimmten Ruhmeswerk, das sich vornehmlich aus den Werken Freydal, Teuerdank, Weißkunig, Ehrenpforte und Triumphzug zusammensetzt, hat uns Maximilian jedenfalls seine Sicht auf sein Leben vermittelt. Er sieht sich als der ideale ritterliche Held, der sich im Teuerdank auf Abenteuersuche befindet, im Freydal ein Turnier nach dem anderen besteht und im Weißkunig seine militärischen Auseinandersetzungen als ritterliche Kriegszüge deutet. Ähneln diese Werke einem Ritterroman, so wählte er im Triumphzug und in der Ehrenpforte antike Formen zur Verherrlichung seiner Taten. 55 Ergänzend zum Ruhmeswerk ist 51

Siehe Abb.5, entnommen aus Matthias Müller (Hrsg.), Apelles am Fürstenhof: Facetten der Hofkunst

um 1500 im Alten Reich. [Katalog zur Ausstellung „Apelles am Fürstenhof: Facetten der Hofkunst um 1500 im Alten Reich“ in den Kunstsammlungen der Veste Coburg, 22.August bis 7.November 2010]. Berlin 2010, 122 und zum Bild vgl. Menzel, Fürst (wie Anm.2), 155ff. 52

Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 266f.

53

Wiesflecker, Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 1, 228: „Keiner Umwelt hat er sich so völlig hingegeben

und als völliger Burgunder kehrte er in die Erbländer und ins Reich zurück.“ 54

Ebd.245.

55

Vgl. Müller, Gedechtnus (wie Anm.13), 80ff.; siehe auch Menzel, Fürst (wie Anm.2), 173ff.; Paravicini,

Kultur (wie Anm.1), 111. Zur Ehrenpforte besonders Thomas Ulrich Schauerte, Die Ehrenpforte für Kaiser

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noch auf das von Maximilian selbst entworfene Grabmal zu verweisen, das mit überlebensgroßen Bronzestatuen nicht nur seiner Vorfahren, sondern auch der Rittergestalten König Artus oder Gottfried von Bouillon seinen Heldenkosmos präsentiert. 56 Maximilian wollte seine Inszenierung als idealer Ritter und Herrscher weit verbreitet sehen. Als erstes Propagandamedium sei die traditionelle Porträtmalerei angeführt. Der von Bernhard Strigel stammende Porträttyp, der ihn als römischen König oder Kaiser mit den Insignien Krone, Zepter und Schwert zeigt, vereint die Repräsentation mit der Propagierung des Ritterideals, da Maximilian im Harnisch mit der Kette vom Goldenen Vlies erscheint. Von diesem Bild sind heute nicht weniger als 13 Exemplare bekannt. 57 Während die Porträts der burgundischen Herzöge nur als Tafelbilder oder als Miniaturen in Handschriften verbreitet werden konnten, standen den Herrschern um 1500 mit der gerade entstandenen Medaillenkunst und dem neuen Druckverfahren bislang ungeahnte Möglichkeiten der Bildvervielfältigung zur Verfügung. Maximilian hat diese Medien in solchem Umfang genutzt, dass er als der am meisten im Bild dargestellte Herrscher seiner Zeit gilt. 58 Medaillen hat er selbst als geeignete Geschenke an Gesandte und andere Persönlichkeiten angesehen, um an sich zu erinnern. 59 Maximilian ließ sich aber nicht nur auf den doch nur in relativ geringer Stückzahl hergestellten Medaillen, sondern auch auf den zahlreich im Umlauf befindlichen Gebrauchsmünzen in Rüstung mit den Herrschaftsinsignien darstellen. 60 Noch bedeutsamer ist der Einsatz der Drucktechnik. Von der Ehrenpforte sind bis

Maximilian I. Dürer und Altdorfer im Dienst des Herrschers. (Kunstwissenschaftliche Studien, 95.) München/Berlin 2001. 56 Zum Grabmal Vinzenz Oberhammer, Die Bronzestatuen am Grabmal Maximilians I., in: Katalog Ausstellung Maximilian I. Innsbruck 1969, 107–112; Karl Öttinger, Die Bildhauer Maximilians am Innsbrucker Kaisergrabmal. (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 23.) Nürnberg 1966. 57 Abb.u.a. bei Puhle/Hasse, Heiliges Römisches Reich (wie Anm.5), 537f. Hierzu auch Lucas Burkart/ Valentin Groebner, Bilder, Zeichen, böse Spiegel: Medienwandel und Visualisierung um 1500, in: Helga Nowotny/Martina Weiss (Eds.), Shifting Boundaries of the Real: Making the Invisible Visible. Zürich 2000, 10f.; Menzel, Fürst (wie Anm.2), 161ff. 58 Vgl. Burkart/Groebner, Bilder (wie Anm.57), 15. 59 Vgl. Karl-Heinz Spieß, Materielle Hofkultur und ihre Erinnerungsfunktion im Mittelalter, in: Carola Fey/Steffen Krieb/Werner Rösener (Hrsg.), Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen. (Formen der Erinnerung, 27.) Göttingen 2007, 167–184, hier 183. 60 Vgl. Burkart/Groebner, Bilder (wie Anm.57), 12ff. mit Abb.

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Abb.6: Maximilian I., vor 1508, nach Bernhard Strigel; Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. GG 4403.

zu seinem Tod allein 700 Monumentaldrucke angefertigt worden. 61 Wie groß die Verbreitung des von Albrecht Dürer gestalteten Triumphzugdruckes war, lässt sich leider nicht sagen. 62 Schließlich sei noch auf Tafelbilder und die zahlreichen Holzschnitte mit dem Bild Maximilians I. verwiesen, die ihn zwar nicht immer in Rüs-

72

61

Vgl. ebd.16 und Schauerte, Ehrenpforte (wie Anm.55), 452.

62

Vgl. Burkart/Groebner, Bilder (wie Anm.57), 16.

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tung, dafür aber regelmäßig mit der Ordenskette des Goldenen Vlieses zeigen, die als Sinnbild für ein ideales Rittertum steht. 63 Nebenbei sei bemerkt, dass Maximilian der 1493 von ihm gegründeten St. Georgsbruderschaft beitrat, die den von seinem Vater gestifteten St. Georgsritterorden stützen wollte, der sich speziell dem Kreuzzug gegen die Türken widmen sollte, aber nie wirklich florierte. 64 Eine gewisse Krönung der ritterlichen Stilisierung wäre mit dem allerdings nicht vollendeten Reiterbild in Augsburg erreicht worden. 65 Die Selbstinszenierung Maximilians als Ritter war aber kein hohler Schein. Er bewährte sich als militärischer Führer, der persönlich in den Kampf zog 66, ebenso wie als Turnierkämpfer bei zahlreichen ritterlichen Zweikämpfen. Nach seiner Königswahl 1486 wagte er trotz des väterlichen Verbots ein Gestech mit dem Pfalzgrafen Philipp. 67 Noch mehr Aufsehen erregte sein Zweikampf auf dem Wormser Reichstag von 1495 gegen Claude de Vauldrey, einen der besten und bekanntesten Turnierkämpfer. 68 Da Maximilian den Kampf gewann, war die Stilisierung als ritterlicher Held in seinem Ruhmeswerk aus seiner Sicht nur zu berechtigt. Noch im Alter von 51 Jahren wagte sich der Kaiser in der Öffentlichkeit des Augsburger Reichstages auf das Turnierpferd 69, von dem man nur allzu leicht herabfallen oder sich gar verletzen konnte. Maximilian hat – wie kaum anders zu erwarten – seine Vorstellungen vom Rittertum auch an seinen Sohn Philipp den Schönen und seinen Enkel Karl V. weitergegeben. Ohne auf Details in deren Erziehung und Ausbildung eingehen zu wollen oder zu können 70, sollen Rüstungen und Porträts als Indizien herangezogen werden. 1488/89 entstand ein Knabenharnisch für Philipp den Schönen, ein Luxusobjekt

63 Vgl. ebd.14f.; Menzel, Fürst (wie Anm.2), 164ff.; Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 2008, 355. 64 Vgl. Menzel, Fürst (wie Anm.2), 141f., 176f. mit einer Radierung, die Maximilian mit der Ordenskette des St. Georgsordens zeigt, und Kiesewetter, Der heilige Georg (wie Anm.5), 51. 65 Vgl. Menzel, Fürst (wie Anm.2), 171f. 66 Vgl. ebd.88ff. 67 Vgl. auch Paravicini, Rois (wie Anm.1), 21; Christine Niederkorn, Der Hof Maximilians I. und das höfische Leben. Ein Beitrag zur historischen Kulturgeschichte. Graz 1985, 173ff. 68 Vgl. auch Niederkorn, Der Hof Maximilians (wie Anm.67), 175 ff.; Renate Lotz, Am Hof Kaiser Maximilians I. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Wende vom 15. zum 16.Jahrhundert. Graz 1970, 90ff. 69 Vgl. auch Menzel, Fürst (wie Anm.2), 121. 70 Vgl. hierzu Alfred Kohler, Karl V. 1500–1558. Eine Biografie. München 1999, 49ff.; Menzel, Fürst (wie Anm.2), 208ff.; Jean-Marie Cauchies, Philippe le Beau. Le dernier duc de Bourgogne. Turnhout 2003, 3ff.

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Abb.7: Philipp der Gute, Karl der Kühne, Philipp der Schöne, Karl V. (von links oben nach unten rechts); Musea Brugge © Lukas Arts vzw, Photo: Hugo Maertens; Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. GG 4449, Provenienz Ambraser Sammlung; bpk/Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Photo: Jörg P. Anders; Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. GG 5618.

von höchstem Rang und Preis, das dem Zehnjährigen erlaubte, sich bereits in diesem Alter als Ritter zu fühlen und zu präsentieren. 71 Eine wenig später entstandene Knabenrüstung für Philipp hat auf der Vorderseite das Goldene Vlies eingeätzt und stellt

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Abb.bei Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), Tafel 83.

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ihn damit als Souverän dieses Ordens dar. 72 Philipp war bereits mit drei Jahren zum Ritter geschlagen 73 und hatte schon 1484 als Sechsjähriger von seinem Vater die Funktion des Ordensmeisters übernommen. 74 Im Gegensatz zu Maximilian, der Burgund nur erheiratet hatte, war Philipp als Sohn Marias von Burgund prince naturel des Landes und allein schon durch seinen vom Großvater Philipp dem Guten rührenden Vornamen in die burgundische Nachfolge gestellt. 75 Ein um 1495 entstandenes Porträt illustriert dies auch optisch, denn es stellt sich in die von Philipp dem Guten initiierte Tradition, die Ordenskette vom Goldenen Vlies als einzigen Schmuck hervorzuheben. 76 Maximilian hat auch für seinen Enkel Karl, der nach seinem Großvater Karl dem Kühnen genannt wurde, mehrere Knabenharnische in Auftrag gegeben. 77 Zwischen 1512 und 1515 entstand ein Porträt, das den jugendlichen Karl mit Schwert und Lanze in Rüstung abbildet. Darüber hinaus trägt er die Kette des Ordens vom Goldenen Vlies, dessen Großmeister er nach dem frühen Tod seines Vaters bereits mit sechs Jahren geworden war. 78 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Inszenierung als idealer Ritter eine zentrale Rolle bei dem Selbstverständnis und der Selbstdarstellung von Karl dem Kühnen und Maximilian I. gespielt hat. 79 Ein wirksames Instrument hierfür war der Orden vom Goldenen Vlies, dessen Erfolg Gert Melville darin begründet sieht, dass er „den hochfliegenden Lebensstil der Chevalerie publikumswirksam zu ‚vermarkten‘ in der Lage war“. 80

72 Abb.bei Internetpräsenz des Kunsthistorischen Museums Wien, Inv. HJRK A 109a, Bilddatenbank, http://bilddatenbank.khm.at/viewArtefact?id=371461. 73 Vgl. Cauchies, Philippe Le Beau (wie Anm.70), 7. 74 Ebd.359. 75 Ebd.25f. 76 Abb.bei Internetpräsenz des Kunsthistorischen Museums Wien, Inv. GG 4449, Provenienz Sammlung Ambras, Bildatenbank, http://bilddatenbank.khm.at/viewArtefact?id=2292. 77 Marti/Borchert/Keck (Hrsg.), Karl der Kühne (wie Anm.6), 360; Menzel, Fürst (wie Anm.2), 215. 78 Vgl. Menzel, Fürst (wie Anm.2), 215 (mit Abb.). 79 Besonders Maximilian stilisierte sich auch als Jäger, als Gelehrter, als Humanist etc. Vgl. z.B. Müller, Gedechtnus (wie Anm.13), 238ff.; Wiesflecker, Maximilian I. (wie Anm.17), Bd. 5, 308, 313 und 399ff., 340ff.; Paravicini, Kultur (wie Anm.1), 112. 80 Melville, Rituelle Ostentation (wie Anm.15), 216.

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Kurfürst im Harnisch Rittertum und Repräsentation am Hofe Joachims II. von Brandenburg von Mathis Leibetseder

„Heroische Züge fehlten seinem Wesen und folglich auch seiner Politik“ – so urteilte Reinhold Koser 1913 wie zahlreiche Historiker nach ihm über Kurfürst Joachim II. von Brandenburg (1505–1571). 1 Im Gegensatz dazu betrachteten zeitgenössische Geschichtsschreiber Joachim II. durchaus als ritterlichen Herrscher. So schrieb etwa Franz Hildesheim 1592 über diesen, er habe sich schon als Zwanzigjähriger eifrig in ritterlichen Spielen geübt und stellte ihn mit seinem berühmten Ahnenherrn, dem Kurfürsten Albrecht Achilles, auf eine Stufe. 2 Hildesheim ordnete Kurfürst Joachim II. so in eine dezidiert ritterlich-heroische Traditionslinie brandenburgischer Hohenzollernherrscher ein. Diese sehr unterschiedlichen Beurteilungen nehme ich als Anstoß für meine folgende Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rolle Rittertum und ritterliche Repräsentationsformen für die Selbstdarstellung dieses deutschen Renaissance-Kurfürsten spielten. Methodologisch stellt die Analyse der Selbstdarstellung eines Herrschers, wie der jedes anderen frühneuzeitlichen Akteurs, eine große Herausforderung dar. Um ihre Botschaften zu transportieren bedarf Selbstdarstellung, wie jede Form menschlicher Kommunikation, bestimmter Medien. In der Frühen Neuzeit war die Selbstdarstellung von Herrschern in erster Linie auf die Anwesenheit, Teilhabe und Mitwirkung eines städtisch-höfischen Publikums an Festivitäten und politischen Zeremonien ausgerichtet. In diesem Kommunikationszusammenhang war das wichtigste Medium der Körper des Monarchen, der dementsprechend sorgfältig dekoriert wurde. Mindestens genauso wichtig war aber die Gemeinschaft, die im Zuge der Aufführung zwischen Darstellern und Publikum gestiftet wurde, bestimmte Gesellschaftsbilder transportierte und gesellschaftliche Stratifizierung für alle Anwesenden erfahrbar

1 Reinhold Koser, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Politik. Bd. 1: Geschichte der brandenburgischen Politik bis zum Westfälischen Frieden von 1648. Stuttgart/Berlin 1913, 244. 2 Franz Hildesheim, Publicae commoditati: Vitae Duorum Potentissimorum Principum Joachimi II. Electoris et Joannis Marchionis Brandeb[urgensis] […]. Frankfurt an der Oder 1592, unpag.

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machte. Fürstliche Selbstdarstellung bediente sich also des Mediums der Aufführung und ist damit, um einen Schlüsselbegriff der theoretischen Diskussion der letzten Jahre zu verwenden, hochgradig ‚performant‘. 3 Die ‚diskursive‘ Aneignung der ‚performativen‘ Selbstdarstellung, aber auch die primär ‚diskursive‘ Selbstdarstellung von Herrschern in den verschiedenen Aufzeichnungsmedien ist zu Beginn des Druckzeitalters dagegen vielfach noch durch Zurückhaltung gekennzeichnet. Nur wenige deutsche Fürsten, wie Luthers Landesherr Kurfürst Friedrich der Weise, greifen diese neue Errungenschaft auf, um selbst vor dem Publikum aufzutreten. Gerade wenn es um die Darstellung von Fürsten geht, muss freilich auch danach gefragt werden, wer denn eigentlich der Autor dieser Darstellung war. Grundsätzlich kommen hierfür zumindest drei unterschiedliche Personenkreise infrage: 1. der Fürst selbst als Verfasser von Tagebüchern, Memoiren, Briefen und ähnlichen Quellengattungen (Selbstzeugnissen), aber auch als Autor von Traktaten und Abhandlungen sowie als Aussteller von Urkunden und anderen ‚offiziellen‘ Schreiben; 2. Künstler, Autoren, Gelehrte sowie weltliche und geistliche Amts- oder Würdenträger, welche vom Fürsten selbst, zuweilen aber auch von seinem Verwaltungsapparat beauftragt wurden, die Person des Fürsten zu verherrlichen; 3. derselbe Personenkreis, aber ohne fürstlichen Auftrag. Die causa scribendi (bzw. pingendi usw.) dieser drei Personenkreise kann im Einzelfall selbstverständlich ganz unterschiedlich beschaffen sein und verdient entsprechende Aufmerksamkeit. Daher kann die Frage nach der Selbstdarstellung des Fürsten von der Frage nach dem Kommunikationsgeflecht, in das der Fürst und sein Hof eingebunden waren, kaum getrennt werden.

I. Hof und Turnier in Kurbrandenburg Die Residenzbildung Berlin-Cöllns kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. 4 Eine ständige Hofhaltung an der Spree ist erst seit etwa 1470 greif-

3 Jürgen Matschukat/Steffen Patzold (Hrsg.), Geschichtswissenschaft und „performative turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Köln u.a. 2003. 4 Wolfgang Ribbe, Berlin als brandenburgisch-preußische Residenz und Hauptstadt Preußens und des Reiches, in: Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Handbuch der preußischen Geschichte. Bd. 1: Das 17. und 18.Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens. Berlin/New York 2009, 933–1124, hier 950 u. 953; Winfried Schich, Anlage und Funktion des Schlosses und des Schloßbezirks in Mittelalter und Renaissance, in: Wolfgang Ribbe (Hrsg.), Schloß und Schloßbezirk in der Mitte Berlins. Berlin 2005, 25–45, hier 32.

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bar. 5 Aber schon bevor die Residenzbildung im engeren Sinne begann, spielte das Turnier eine zentrale Rolle bei der Vergesellschaftung von landfremder Dynastie und einheimischem Adel. Johann der Alchimist, Sohn des ersten HohenzollernKurfürsten, suchte durch Turniere den fehdefreudigen Adel an die neue Dynastie zu binden. 6 Umritte ließen Anziehungspunkte für Adel und Klerus in den Regionen entstehen, wobei an den einzelnen Etappen nicht nur Gerichtssitzungen und Audienzen, sondern auch Turniere und Jagden abgehalten wurde. So entstand wohl schon der Nukleus einer Hofgesellschaft, der dann in der zweiten Jahrhunderthälfte erweitert und dauerhaft etabliert wurde. Anlässe für Feierlichkeiten boten dieser sesshaft gewordenen Hofgesellschaft vor allem die zentralen Ereignisse im Lebenszyklus der fürstlichen Familienmitglieder, also Geburten, Taufen, Verlobungen und Eheschließungen. Zentrum der Festivitäten blieben aufwendige, oft mehrtägige Turniere, zu denen in der Regel auch auswärtige Gäste eingeladen wurden. Dementsprechend beförderten die Turniere nicht mehr länger nur die Vergesellschaftung von landfremder Dynastie und einheimischem Adel, sondern auch von Kurhaus und Reichsständen. So war es schon bei der Hochzeit von Albrechts Sohn Johann mit Margarete von Sachsen 1476 nicht ungewöhnlich, dass ein Turnier geplant wurde. 7 Auch bei der Vermählung Joachims I. mit Elisabeth von Dänemark fand 1502 in Stendal ein Turnier statt. 8 Joachim II. folgte also nur dem üblichen Protokoll, als er zur Taufe der Prinzessin Elisabeth Magdalena 1538 ein „ansehnlige Ritterspiel, mit Scharffrennen, Stechen und Thurnieren“ veranstaltete. 9 Als 1545 an der Spree die Doppelhochzeit Johann Georgs und Barbaras von Brandenburg mit Sophia und Georg von Liegnitz gefeiert wurde, war ein solches Fest ohne Stechen noch immer undenkbar. 10 Die Festkultur des 16.Jahrhun-

5 Ribbe, Berlin (wie Anm.4), 961f. 6 Wolfgang Neugebauer, Die Hohenzollern. Bd. 1: Anfänge, Landesstaat und autokratische Monarchie bis 1740. Stuttgart u.a. 1996, 44. 7 Aufgrund von Regenfällen wurde es jedoch zugunsten einer Tanzveranstaltung abgesagt; Felix Priebatsch (Hrsg.), Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles. Bd. 2. (Publicationen aus den Königlich Preußischen Staatsarchiven, 67.) Leipzig 1897, 253–256. 8 Friedrich Wagner, Das Turnier zu Ruppin 1512, in: Hohenzollernjahrbuch 5, 1901, 99–120, hier 105. 9 Mattheus Leudthold, Leich begengniss Predigt Vber dem Betrübten Jedoch Sehligen Todesfall vnd abschiede, der [...] Fürstin [...] Elisabeth Magdalenae, Geborne Marggreffin, aus dem Churfürstlichen Hause Brandenburg, vnd Hertzogin zu Braunschweig vnd Lüneburg etc. Frankfurt an der Oder 1595, 265. 10

Friedrich Holtze (Hrsg.), Die Berolinensien des Peter Hafftiz, in: Schriften des Vereins für die Geschichte

Berlins, 31, 1894, 1–99, hier 45; Carl von Bardeleben, Festlichkeiten am Brandenburgischen Hof zur Zeit des

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derts knüpfte an die des 15.Jahrhunderts also ohne Brüche, aber im veränderten Kontext einer sesshaften Hofgesellschaft an. In ihrem Zentrum stand das Turnier, über dessen Ausgestaltung wir im Einzelfall aus den Quellen allerdings kaum einmal Näheres erfahren. Seltene Ausnahme ist jenes Turnier, das 1512 in Neuruppin stattfand. Georg Schmerlin, seines Zeichens Professor an der Viadrina, widmete ihm eine panegyrische Schrift, aus welcher sich Einzelheiten über Anlass und Ablauf entnehmen lassen. 11 Offiziell gefeiert wurde einmal mehr ein Familienereignis, die Verlobung zwischen Herzog Heinrich von Sachsen und Herzogin Katharina von Mecklenburg. Schmerlin verglich den Gewinner des ersten Preises, Herzog Albrecht VII. von Mecklenburg, in seiner Schrift ob seiner Schönheit mit Nireus, einem der militärischen Führer des Trojanischen Krieges. Auf das Pferd des Kurfürsten, der den zweiten Preis erhielt, münzte er dagegen einige Verse aus der Georgica (III, 76ff.) des Vergil um. 12 Die Initiative zur Verfassung der Schrift ging vermutlich vom Kurfürsten aus, wenngleich der letzte Beweis hierfür fehlt und sie Bischof Dietrich von Lebus gewidmet wurde. 13 Zwar wird die Anwesenheit des siebenjährigen Prinzen bei diesem Turnier von Schmerlin nicht ausdrücklich erwähnt, dennoch lässt sich an seine Schrift die Frage anknüpfen, ob sich die Wertschätzung für das Turnier auch in der Erziehung des Kurprinzen niederschlug.

Kurfürsten Joachims II. in Berlin, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 24, 1907, 61–68 und 90–98, hier 64 und 94; Mathis Leibetseder, Fürstliche Residenz und städtischer Raum. Überlegungen zur Konstituierung von Schlossplätzen im 16. und 17.Jahrhundert am Beispiel der Berliner Stechbahn, in: Zeitschrift für historische Forschung 20, 2010, 167–197, 172ff. 11 Wagner, Das Turnier (wie Anm.8); Publius Vigilantius Arbilla [Pseudonym von Georg Schmerlin,] Bellica Progymnasmata a divo Ioachimo Sa[cri] Ro[mani] Im[perii] Sept[em]vi[ro] Marchione Brandenburgensi & Heinrico Magnopolitano duce Nouirupini celebrate & a P. Vigilantio Latinitati donata. Anno d[omi]ni XII sup. MD. Frankfurt an der Oder 1512 (Das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek kann unter dem Persistent Identifier http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00004297–6 abgerufen werden). Die Urschrift des Johann Schrag, auf die Vigilantius aufbaute, gilt als verschollen. 12 Wagner, Das Turnier (wie Anm.8), 102. 13 Ebd.101 f.

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II. Erziehung zum Ritter Joachims (II.) schulische Ausbildung begann 1512 mit Lesen, Schreiben, Zeichnen und Singen. Später kamen dann zumindest zeitweise Religion und Latein sowie Mathematik, Astrologie, Geschichte, Philosophie und Jurisprudenz hinzu. Weniger ist über die körperliche Ertüchtigung des Kurprinzen bekannt. Wie damals üblich, ruhte sie in den Händen eines Hofmeisters, dessen Identität jedoch nicht eindeutig geklärt ist. 14 Im Fechten wurde Joachim (II.) möglicherweise von Utz Ber unterrichtet, der noch 1542 dem Hofpersonal angehörte. 15 Auch könnte der nachmalige kaiserliche Herold Georg Rixner, der sich um 1518 am brandenburgischen Hof aufhielt, dem Kurprinzen Unterricht erteilt haben. 16 Schon früh wurden die Bemühungen, den Kurprinzen in die Welt des Rittertums einzugliedern, durch den Kaiserhof gefördert. So erteilte Kaiser Maximilian I. am 12.Dezember 1516 dem Innsbrucker Plattner Konrad Seusenhofer brieflich den Auftrag, für den Kurprinzen einen Kürass anzufertigen „mit schraufen, wie wir dich dann mundtlich gelernnt haben, also daz ime solcher kuris drew jar gerecht beleyben muge“. 17 Die bestellte Rüstung, offenbar ein Geschenk des Kaisers an den Sohn des brandenburgischen Kurfürsten, sollte also durch Schrauben so justierbar sein, dass sie mit dem Wachstum des Knaben drei Jahre lang Schritt hielt. Dies deutet darauf hin, dass bereits der Elfjährige an das Tragen von Rüstungen gewöhnt werden sollte. Zugleich zeigt das Beispiel jedoch auch, mit welchen Mitteln der Kaiserhof die ritterliche Kultur an den kurfürstlichen Höfen förderte. Wie damals üblich, wurde der Kurprinz nicht alleine erzogen, sondern zusammen mit gleichaltrigen Prinzen- und Adelssöhnen. Der Kreis von Joachims Mitschülern lässt sich jedoch nur schwer fassen. Es wird vermutet, dass Wichmann, der letz-

14

Infrage kommen namentlich Dietrich von Flans, der beim Turnier von 1512 als Verlobter einer Hof-

jungfrau der Kurfürstin hervorgetreten war und 1521 im kurfürstlichen Gefolge den Wormser Reichstag besuchen sollte, und Arnd von Krummensee; Georg Schuster/Friedrich Wagner, Die Jugend und Erziehung der Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen. Bd. 1: Die Kurfürsten Friedrich I. und II., Albrecht, Johann, Joachim I. und II. (Monumenta Germaniae Paedagogica, 34.) Berlin 1906, 358f. 15

Ebd.507.

16

Nach ebd.507 bezeichnete sich Rixner um 1518 als „gradirter ernholt uff Brandenburgk“. In seinem Be-

richt vom Wahltag 1519 führte Rixner dann erstmals den kaiserlichen Amtsnamen „Jerusalem“. Vgl. Lotte Kurras, Georg Rixner, der Reichsherold „Jerusalem“, in: Mitteilungen des Nürnberger Geschichtsvereins 69, 1982, 342. 17

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Schuster/Wagner, Die Jugend (wie Anm.14), 373.

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te Sohn des mit der Grafschaft Ruppin belehnten Grafen von Lindow, in Cölln an der Spree erzogen wurde. 18 Vielleicht wurde auch ein Sohn Herzog Friedrichs von Holstein, der sich 1516 am Berliner Hof aufhielt, zusammen mit Joachim unterrichtet. 19 Sicher belegt ist hingegen, dass der 1504 geborene Johann IV. von Anhalt-Dessau zwischen 1515 und 1523 am Cöllner Hof erzogen und ausgebildet wurde. Fürst Ernst, Johanns Vater, war 1516 gestorben und hatte neben seiner Witwe, der Fürstin Margarete, drei minderjährige Söhne zurückgelassen. 20 Vormünder waren neben der Fürstin selbst Kurfürst Joachim I. von Brandenburg und dessen Bruder Albrecht sowie Herzog Georg von Sachsen. Grund hierfür waren die engen Beziehungen, die zwischen Anhalt und Brandenburg seit längerem bestanden. 21 Die ersten Jahre der gemeinsamen Erziehung waren noch dem Unterricht gewidmet. Seit 1518 wurden beide Prinzen jedoch mehr und mehr als vollwertige Mitglieder der fürstlichen Familie behandelt. Bereits der vierzehnjährige Joachim (II.) fungierte gelegentlich als Stellvertreter des abwesenden Vaters. 22 Von Johann IV. wissen wir hingegen, dass er, der am 15.September 1520 das 16. Lebensjahr er-

reichte, Vorkehrungen traf, selbst siegeln zu können. Am 17.Oktober 1520 teilte er seiner Mutter brieflich mit, er lasse sich einen ersten Petschaft mit Wappen anfertigen. 23 Und am 4.Januar 1521, fünf Tage vor Joachims sechzehntem Geburtstag, traten beide Prinzen als Zeugen in einer staatspolitisch wichtigen Urkunde auf – auch dies ein sicheres Zeichen dafür, dass die Prinzen mittlerweile als geschäftsfähig gal-

18 Ebd.328. 19 Ebd.328, ohne Angabe des Namens des holsteinischen Prinzen. 20 Wilhelm Hosäus, Art.„Margaretha, Fürstin zu Anhalt“, in: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 20. München/Leipzig 1884, 319–320; Ulla Jablonowski, Der Regierungsantritt der Dessauer Fürsten Johann, Georg und Joachim 1525/1530, in: Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde 15, 2006, 24–59, hier 24ff. 21 So hatte etwa Fürst Georg II. von Anhalt-Köthen (1454–1509), Onkel des Fürsten Johann IV. von Anhalt-Dessau, im Dienste des Kurfürsten Johann von Brandenburg gestanden, war von diesem zum Statthalter des Herzogtums Krossen ernannt worden. Kurfürst Johann von Brandenburg verpfändete Fürst Georg II. die Herrschaft Cottbus-Peitz, die erst Kurfürst Joachim I. wieder auslösen konnte. Siehe hierzu Carl Fried-

rich Pauli, Allgemeine Preußische Staats-Geschichte samt aller dazu gehörigen Königreichs, Churfürstenthums, Herzogthümer, Fürstenthümer, Graf- und Herrschaften aus bewährten Schriftstellern und Urkunden bis auf gegenwärtige Regierung. Bd. 1. Halle 1760, 464; Gerhard Heine, Geschichte des Landes Anhalt und seiner Fürsten. Köthen 1866, 53. 22 Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg. Bd. 3: Die Mark Brandenburg unter Herrschaft der Hohenzollern (1415–1535). 4.Aufl. Berlin 2011, 219. 23 Jablonowski, Der Regierungsantritt (wie Anm.20), 55.

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ten. 24 Auch der schulische Unterricht war zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen abgeschlossen. 25 Was ausstand, war die Eingliederung der Prinzen in die Gesellschaft der Höfe – und zu diesem Zwecke musste gereist werden. Die erste längere Reise des Kurprinzen – ob Johann ihn begleitete ist nicht bekannt – stellte 1518 der Besuch des Reichstags von Augsburg dar. Auf der Anreise nutzte man die Gelegenheit, sich bei den fränkischen Verwandten in Bayreuth und Kulmbach sehen zu lassen. Abstecher führten nach Nürnberg und Ansbach. In Augsburg wurde Joachim (II.) mit der abwesenden Katharina von Spanien vermählt – eine Eheschließung, die durch König Karl I. von Spanien, Maximilians Enkel, den späteren Kaiser Karl V., jedoch nicht bestätigt wurde, also letztlich nur auf dem Papier bestand. 26 Noch in Augsburg feierte das Haus Brandenburg mit großem Aufwand und mehreren Turnieren eine andere Eheschließung, nämlich die Vermählung des Markgrafen Kasimir von Brandenburg, eines Vertrauten des Kaisers, mit Herzogin Susanna von Bayern. Danach zogen die Neuvermählten, und mit ihnen der Kurprinz, über Donauwörth, Wemdingen und Gunzenhausen nach Ansbach, wo einmal mehr ein feierlicher Empfang mit Turnier stattfand. 27 Der vierzehnjährige Kurprinz erhielt also reichlich Gelegenheit, sich mit den Gepflogenheiten des internationalen Hochadels und den personellen Verbindungen seiner Familie vertraut zu machen. Wohl mit noch mehr Aufwand verbunden war jedoch die zweite Reise, auf die der Kurfürst seinen Sohn Joachim (II.) und Johann IV. mitnahm. Ebenfalls mit von der Partie war der achtzehnjährige Herzog Christian III. von Schleswig-Holstein in Begleitung seines Hofmeisters Johann Rantzau. 28 Im kurfürstlichen Gefolge befand sich außerdem Herzog Albrecht VII. von Mecklenburg. Ziel war der Wormser Reichstag. Am 16.Januar 1521 hielt sich die Reisegesellschaft in Wittenberg auf, wo

24

Die Urkunde, in der die Rangordnung der brandenburgischen Städte festgelegt wurde, ist inseriert in

eine Urkunde der Stadt Stendal vom 23.Januar 1521. Siehe Adolph Friedrich Riedel (Hrsg.), Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten. I. Hauptteil, 15. Bd. Berlin 1858, 505ff., Nr.583; Schuster/Wagner, Die Jugend (wie Anm.14), 354. 25

Ebd.346–356.

26

Diese Vermählung war Ausfluss des zähen Ringens um die brandenburgische Kurstimme bei der

Wahl Karls (V.) als Nachfolger Kaiser Maximilians I. Hierzu ausführlich: Koser, Geschichte (wie Anm.1), 205–208.

82

27

Schuster/Wagner, Die Jugend (wie Anm.14), 377–381.

28

Wilhelm Jensen, Art.„Christian III.“, in: Neue Deutsche Biographie. Bd. 3. München 1957, 233f.

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es zu einer Unterredung zwischen dem Kurfürsten und Martin Luther kam. 29 Am 18.Januar gelangte die Reisegesellschaft dann nach Leipzig, am 28.Januar nach Kreuznach, am 1.Februar nach Butzbach, bevor sie am 6.Februar in Worms eintraf, und zwar mit großem Pomp: Schon seit November 1520 hatte Kurfürst Joachim I. den Auftritt in Worms vorbereitet. Damals hatte er seinem Reisegefährten Herzog Albrecht VII. von Mecklenburg brieflich mitgeteilt, er werde eine angemessene „winterrüstung“ und einen Spieß tragen, aber auf besonders repräsentative Teile der Rüstung – genannt werden Federn und Barsen 30 – verzichten. Die Knechte sollten nur „rugk und krebs“, also Rücken- und Brustpanzerung, tragen, daneben einen „haubtharnisch“ (Helm) antun und Arme und Knie mit „armzeug“ und „kniekoff“ (Kniekopf) bewehren. 31 Etwas stärker hervorstechen sollten dagegen die „junkern“ – damit könnten die beiden Prinzen gemeint gewesen sein –, die zusätzlich „beinharnisch“, „armzeig“ und „federn auf den hutten“ haben sollten. Die Reisegesellschaft plante also, nach den Regeln der Kunst gerüstet in Worms einzuziehen und gerade die jungen Herren angemessen zu präsentieren. Auch an akustische Untermalung war gedacht, denn der Kurfürst bat den mecklenburgischen Herzog um einen „klaretter“ (Trompeter) und einen „zinkenblesser“ (Zinkbläser). Eine andere Quelle berichtet, der Tross habe schließlich 300 Reisige und 530 Pferde umfasst. 32 Rang und Stand der kurfürstlichen Reisegesellschaft wurden also ostentativ zur Schau gestellt und für alle Anwesenden erfahrbar gemacht. Dies galt nicht zuletzt für die mitreisenden Prinzen, die durch die Ausstaffierung mit Hut und Feder besonders hervorgehoben wurden. Der Aufwand lohnte gewiss, denn Reichstage waren eine internationale Bühne, zumal wenn es sich um den ersten nach der Wahl eines neuen Kaisers handelte und alle Welt dorthin strömte, um sich Lehen und Privilegien bestätigen zu lassen. „80 fursten, 130 graffe, 15 trefflicher bottschaft von königen und herren frembder lan29 Zu den Kontakten des Kurfürsten und Kurprinzen zu Luther im Jahre 1521 siehe auch Wilhelm Ernst Winterhager, Kurbrandenburg als Zentrum des frühen Kampfes gegen Luther. Die Entwicklung der frühen Jahre und ein Quellenfund aus dem März 1518, in: Wichmann Jahrbuch des Diözesangeschichtsvereins Berlin 33/34, 1994/95, 113–140, hier 117ff. 30 Nach Ulrich Goebel/Oskar Reichmann (Hrsg.), Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Bd. 3. Berlin 2001, 26, ein Teil der Prunkrüstung des Ritters. 31 Adolf Wrede (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten unter Karl V. (Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, 2.) 2.Aufl. Göttingen 1962, 130 (Kurfürst Joachim I. von Brandenburg an Herzog Albrecht VII. von Mecklenburg, 16.11.1520). 32 Zur Reisegesellschaft und Route siehe Wrede (Bearb.), Reichstagsakten (wie Anm.31), 788 Anm.1.

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den, viel reichstätt und ein unzehlig, merklich, gross volk von rittern, edelleuten und reisigen, auch trefflicher kauffleut und händler aus Hispanien, aus Niderland, aus Italia und Deutschen landen“ 33, hatten sich einem zeitgenössischen Beobachter zufolge in der Reichsstadt eingefunden. Täglich wurden Turniere ausgetragen, der Kaiser ritt selbst auf die Bahn und ließ seine Pferde, die prächtigsten von allen, „die schönste[n] sprüng[e]“ 34 vollführen. Der Aufenthalt in Worms stellte also eine hervorragende Gelegenheit dar, die beiden Prinzen den politischen Spitzen der Reichs vorzustellen. Zeremonieller Höhepunkt des Aufenthaltes war die Erneuerung der kaiserlichen Lehen durch Kaiser Karl V. Kurfürst Joachim I. nutzte die Lehnserneuerung am 16.Februar zur prachtvollen Selbstdarstellung vor den Augen des staunenden Publikums: „Marggraf Joachim [I. von Brandenburg]“, so unser Gewährsmann, „het am allerersten sein lehen empfangen und merklich geprengt hat; bin ich hart dabei gestanden, gesehen und gehört, dess ich mein tag nie erfahren hab. Es ist der marggraff in grossen ehren gehalten vom keiser, er hat auch ein grossen kosten.“ 35 Am Ende der feierlichen Lehnserneuerung erfolgte der Ritterschlag für die anwesenden Reichsfürsten 36, eine kaiserliche Massenpromotion 37 also, die den ritterlichen Zuschnitt des gesamten Zeremoniells unterstrich. Ein paar Tage später empfing auch Johann IV. von Anhalt-Dessau die Erneuerung der kaiserlichen Lehen seines Hauses. Joachim I. von Brandenburg selbst hatte ihm dazu geraten, denn er „kunt es nymmer besser thun“. 38 Die Lehnserneuerung vergegenwärtigte aber nicht nur die Idee der Reichsverfassung als Lehnsverband mit dem Kaiser als Haupt und den Landesherren als ritterlichen Vasallen, sondern war auch eine performative Selbstdarstellung der politischen Eliten des Reiches, deren Vollzug für die Beteiligten ein Zugewinn an Ehre bedeutete. Beide Prinzen blieben weitere vier Wochen in Worms, bevor sie die Rückreise antraten. So berichtete Johann, dass sie am Mitfastentag 1521 (10.März) ohne den Kur-

33

Ebd.815, Nr.153 (Dietrich von Butzbach an einen Ungenannten, 7.3.1720).

34

Ebd.816, Nr.153.

35

Ebd.815, Nr.153.

36

Ebd.765, Nr.112.

37

Joachim Bumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 8.Aufl. München

1997, 334–341. 38

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt [künftig: LHASA], Abteilung Dessau, Z 6 Anhaltinisches Gesamt-

archiv, Neue Sachordnung, Fürst Johann IV. Nr.2, 21r (Johann IV. von Anhalt-Dessau an seine Mutter Margarete, Cölln/Spree, 1521). Hierzu: Jablonowski, Der Regierungsantritt (wie Anm.11), 26.

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fürsten aus Worms abreisten. 39 Am 28.März waren die jungen Herren bereits wieder in Wittenberg, wo sie Luthers Gründonnerstagspredigt hörten. 40 Ereignisreiche Wochen lagen hinter ihnen: Sie hatten sich in Worms aller Welt präsentiert und sich mit anderen Reichsständen bekannt gemacht. Was lag näher, als das Heranwachsen der beiden Prinzen auch zur Selbstdarstellung in diskursiven Medien zu nutzen?

III. Kronprinz im Harnisch Tatsächlich existiert in der Sammlung des Jagdschlosses Grunewald ein Doppelporträt (Abb.1 und 2), das Kurprinz Joachim (II.) von Brandenburg und Prinz Johann IV. von Anhalt-Dessau in Dreiviertelansicht in voller Rüstung darstellt. Joachim (II.) trägt einen Küriss nach der Art der Kostümharnische, wobei herausgetriebene Querwulste an den geschlossenen Armzeugen die Tracht der Landsknechte nachahmen. 41 Während Joachim mit einer Streitaxt bewehrt ist, und somit für ein Fußturnier gerüstet scheint, hält Johann IV. ein Kurzschwert. Die Ausstattung der beiden jungen Herren stimmt auffällig mit jener überein, die Kurfürst Joachim I. in seinem Brief an Herzog Albrecht VII. von Mecklenburg für die „Junker“ vorgesehen hatte: Rüstung, Armzeug und Beinharnisch, Hut und – zumindest bei Joachim (II.) – auch Feder. Die heraldisch höherstehende rechte Seite des Doppelporträts ist Kurprinz Joachim (II.) vorbehalten, während Prinz Johann IV. mit der heraldisch niedrigeren, linken Porträthälfte vorlieb nehmen muss. Auch sonst wurde auf den kleinen Unterschied geachtet: Man hat gelegentlich angemerkt, Johanns Rüstung sei „weniger aufwendig“ 42, ja das ganze Gemälde sei „ge-

39 LHASA, Abteilung Dessau, Z 6 Anhaltinisches Gesamtarchiv, Neue Sachordnung, Fürst Johann IV. Nr.2, 24r (Johann IV. von Anhalt-Dessau an seine Mutter Margarete, Langensalza, 20.März 1521). 40 Wrede (Bearb.), Reichstagsakten (wie Anm.31), 823 Anm.1; Martin Luther, Eyn Sermon von der wirdigen empfahung des heyligenn waren Leychnamß Christi, gethann am gründornstag zu Wittembergk, yn kegenwertigkeyt des Durchleuchtigsten Hochgebornn Fursten und Marggraff zu Brandenburgk dem Jungern. Wittenberg 1521 (nachgewiesen in Arrey von Dommer [Bearb.], Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek, 1516–1523. Leipzig 1888, 110, Nr.211). 41 Ein vergleichbarer Küriss findet sich in der Sammlung des Deutschen Historischen Museums, Berlin, Inv. W 2327, AD 2997; Gerhard Quaas (Hrsg.), Eisenkleider. Plattnerarbeiten aus drei Jahrhunderten aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums. Berlin 1992, 85, Nr.89. 42 Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern. Kirche, Hof und Stadtkultur. Eine

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ringer in der Durchführung“ 43. Vermutlich gehen jedoch beide Harnische auf tatsächlich existierende Arbeiten zurück, die mal Augsburger, mal Nürnberger Werkstätten

zugeschrieben

werden. 44

Durch

lateinische

Inschriften,

die

in

Zeilenumbruch und Satz an antike Vorbilder denken lassen, werden die Dargestellten eindeutig identifiziert. 45 Betrachtet man dieses Doppelporträt im Kontext des Œuvres der Cranachwerkstatt, so wird deutlich, dass es sich nur um eine Auftragsarbeit gehandelt haben kann. Diese Werkstatt verwendet ritterliche Attribute wie Rüstungen, Helme und Hellebarden nämlich fast ausschließlich in Heiligen- und Historiengemälden – die Heiligen Georg und Achatius werden genauso im Harnisch dargestellt wie etwa die Soldaten zu Golgatha, insbesondere aber auch jegliches Personal, das Gewalt ausübt –, aber nur äußerst selten für Fürstenporträts. Neben dem vorliegenden Doppelporträt sind nur zwei Gemälde Lucas Cranachs d. J. bekannt, welche Fürsten in voller

Ausstellung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Kooperation mit der Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien. Hrsg. v. d. Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Evangelische Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien. Berlin/ München 2010, 167, Nr.I.10 [künftig zitiert als Cranach-Katalog]. 43 Max J. Friedländer/Jakob Rosenberg (Hrsg.), Die Gemälde von Lucas Cranach. Berlin 1932, Ndr. Basel/ Stuttgart 1979, 99 Nr.143. 44

Helmut Börsch-Supan (Bearb.), 450 Jahre Jagdschloss Grunewald 1542–1992. Bd. 2: Aus der Gemälde-

Sammlung. Berlin 1992, 14; Cranach-Katalog (wie Anm.42), 166, Nr.I.9. 45

Die Inschriften haben in der kunsthistorischen Literatur für die größte Verwirrung gesorgt. Schon

Friedländer/Rosenberg (Hrsg.), Die Gemälde (wie Anm.43), 99, Nr.143 spekulierten 1932, dass die „ohne Gefühl für die Komposition hineingesetzte Schrift [...] sicher nicht von Cranachs Hand [ist]“. Dem schloss sich 1964 Helmut Börsch-Supan (Bearb.), Die Gemälde im Jagdschloß Grunewald. Berlin 1964, 43, Nr.44 an: „Die Inschrift ist nachträglich hinzugefügt und fehlerhaft, denn Joachim von Brandenburg war 1520 15 Jahre alt.“ Eine auf der Tafel vorhandene, in rot geschriebene „12“ betrachtet Börsch-Supan als Altersangabe des 1521 zwölfjährigen Prinzen Joachim von Anhalt-Dessau, des jüngeren Bruders von Johann IV. Offen bleibt jedoch, weshalb die Beschriftung erst später aufgetragen worden sein sollte und weshalb man dann Joachim (II.) von Brandenburg für den Porträtierten hielt. Auch bleiben die genannten Autoren eine Erklärung dafür schuldig, weshalb der jüngere Bruder auf der heraldisch höherstehenden Porträthälfte präsentiert wurde. Bei den Porträts, welche die Brüder Johann IV., Georg III. und Joachim von Anhalt 1532 anlässlich ihrer Regierungsübernahme bei Cranach in Auftrag gaben, nahm der Erstgeborene Johann selbstverständlich die höherrangige heraldisch rechte, die beiden jüngeren Brüder dagegen die linke Seite ein; siehe Jablonowski, Der Regierungsantritt (wie Anm.20, 36 und Abb.25. Die Schlussfolgerungen von Friedländer/ Rosenberg bzw. Börsch-Supan erscheinen daher wenig begründet. Im Cranach-Katalog (wie Anm.42), 166f., Nr.I.9 und I.10 wird daher zu Recht davon ausgegangen, dass das Porträt Joachim (II.) von Brandenburg darstellt.

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Abb.1 u. 2: Doppelporträt Joachim II. und Johann von Anhalt, Lucas Cranach d. Ä., 1520/21; Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, GK I 10809 und GK I 30029.

Rüstung darstellen. 46 Überhaupt verbreitet sich der Bildnistypus des Fürsten im Harnisch in den deutschen Territorien des Heiligen Römischen Reichs erst in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts. 47 Das Doppelporträt der beiden Prinzen in Rüstung steht im Werk Lucas Cranach d. Ä. also singulär da, was wiederum auf einen spezifischen Wunsch des Auftraggebers schließen lässt. 48 Was den Entstehungszeitpunkt der Gemälde betrifft, so sind die Inschriften widersprüchlich. Ihnen zufolge sind beide Prinzen 1520 als sechzehnjährige darge-

46 Erzherzog Ferdinand von Österreich gab 1578 für seine Sammlung auf Schloss Ambras vier Porträts zweier Kontrahenten des Schmalkaldischen Kriegs in Auftrag. Sie zeigen Kurfürst Johann Friedrich I. und Herzog Moritz von Sachsen jeweils in zivilem Ornat und in den Rüstungen, die sie in der Schlacht bei Mühlberg am 24.April 1547 getragen hatten. Zudem wurde Johann Friedrich mit der Narbe gezeigt, die er bei Mühlberg empfangen hatte. Die verwendete Bildformel mit dem Helm, der auf einem Brüstungsstreifen abgelegt ist, geht auf Tizian zurück. Vgl. Werner Schade, Die Malerfamilie Cranach. Dresden 1974, 105. 47 Börsch-Supan (Bearb.), 450 Jahre Grunewald (wie Anm.44), 14. 48 Ebd.14; Cranach-Katalog (wie Anm.42), 167, Nr.I.9.

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stellt. Während Johann IV. von Anhalt-Dessau das sechzehnte Lebensjahr bereits am 15.September 1520 erreicht hatte, konnte Joachim (II.) seinen Geburtstag erst am 9.Januar 1521 feiern. Möglicherweise schien es dem Auftraggeber nicht angemessen, Kurprinz Joachim gegenüber dem rangmäßig niedriger stehenden Prinzen Johann IV. als jünger und somit als genealogisch-erbrechtlich nachgeordnet erscheinen zu lassen. Der feine Unterschied, der bei Anordnung und Ausführung der Porträts peinlich genau beachtet worden war, sollte durch das Altersverhältnis nicht unterlaufen werden. Letztlich sind es solche Details, die vermuten lassen, dass die Gemälde vom brandenburgischen und nicht vom anhaltischen Hof in Auftrag gegeben wurden. Der Entstehungszeitraum lässt sich folglich auf die Zeitspanne zwischen Herbst 1520 und Frühjahr 1521 eingrenzen. In diesem Zeitraum sind nur zwei Aufenthalte der Prinzen in Wittenberg belegt (und keiner Cranachs in Cölln an der Spree), nämlich auf dem Weg zum Wormser Reichstag und von dort zurück. So hätte der Aufenthalt am 16.Januar 1521 die Gelegenheit geboten, sich in der Werkstatt Lucas Cranachs mit den für den Auftritt in Worms bestimmten Rüstungen zu zeigen und die notwendigen Vorstudien anfertigen zu lassen. Am 28.März könnten die Prinzen die Tafeln bereits in Empfang genommen haben. Ein schriftlicher Beleg für diese These fehlt jedoch. 49 Wie dem auch sei, das Doppelporträt kann mit dem Erwachsenwerden beider Prinzen in Verbindung gebracht werden. Mit Erreichen des sechzehnten Lebensjahrs war ihre schulische Ausbildung weitgehend abgeschlossen, sie galten als geschäftsfähig und lernten auf dem Wormser Reichstag ihre Standesgenossen im Reich kennen. Im selben Jahr noch nahmen beide Prinzen erstmals selbst an einem Turnier teil. Es handelte sich um jenes, das am Martinstag zur Verlobung von Joachims Schwester Anna mit Herzog Albrecht VII. von Mecklenburg ausgelobt wurde. Der Kurprinz bat seinen Schwager in spe, als sein „rustmeyster“ 50 zu fungieren. Prinz Johann IV. ließ dagegen Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen „umb Daß stech pfert, daß er zu wormß gestochen hat“, bitten. 51 49

Eine detaillierte Chronologie für Cranachs Leben findet sich bei Schade, Malerfamilie (wie Anm.46).

Belege für den Aufenthaltsort Cranachs Anfang 1521 fehlen demnach (siehe ebd.410), jedoch hält er sich das ganze Jahr 1520 über bis zum April 1521 wohl in erster Linie in Wittenberg auf. 50

Schuster/Wagner, Die Jugend (wie Anm.14), 373.

51

LHASA, Abteilung Dessau, Z 6 Anhaltinisches Gesamtarchiv, Neue Sachordnung, Fürst Johann IV.

Nr.2, 8v (Johann IV. von Anhalt-Dessau an seine Mutter Margarete, Cölln/Spree, 17.Oktober 1521). Aus die-

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Cranach lieferte also ein durchaus vielschichtiges Doppelporträt der heranwachsenden Prinzen, ihrer Einführung in die ritterliche Kultur des Hochadels, aber auch des gesellschaftlichen Abstands zwischen zwei politisch und freundschaftlich miteinander verbundenen Höfen. Es ist gut denkbar, dass die kleinformatigen Tafeln als Gabe für Fürstin Margarete von Anhalt-Dessau konzipiert waren, die Mutter des anhaltischen Prinzen, um auf diese Weise das Erreichte und die Verbundenheit der beiden Häuser zu dokumentieren. 52 Die Bezüge der Doppelporträts zu ritterlichen Werten bleiben freilich recht allgemein. Allenfalls mag man in dem Marien-Medaillon, mit dem Joachim (II.) geschmückt ist, eine Hommage an das Ideal des christlichen Ritters erkennen, während das zweite Medaillon, welches das Antlitz einer Dame im Halbprofil zeigt, Motive des Frauendienstes oder Minnekrieges anklingen lässt. Bezüge zu antiken und mittelalterlichen Beispielen bewehrten Heldentums sucht man aber vergeblich. Auch die Narbe, das verlorene Auge oder die lädierte Nase als Zeichen für geschlagene Schlachten und bestandene Turniere, jene typischen Ausprägungen des ‚Körpergedächtnisses‘, die Ruhm- und Ehrerwerb dokumentieren, sind nicht vorhanden. Dies ist freilich auf die Jugendlichkeit des dargestellten Kurprinzen zurückzuführen, der eigene Verdienste noch nicht aufzuweisen hatte. Sein blinkender Harnisch ist eher Versprechen bevorstehender als Ausweis vollbrachter Taten.

IV. Repräsentation des erwachsenen Kurprinzen Als die osmanischen Truppen unter Sultan Süleyman I. 1532 gegen Wien vorrückten, war die Zeit reif, sich im Kampf gegen die Ungläubigen auf dem Schlachtfeld zu bewähren. Ein solches Engagement für Papst, Kaiser und Reich und gegen die Feinde des christlichen Glaubens gehörte zu jenen Traditionen, denen sich die Hohenzollern seit mehr als einem Jahrhundert verbunden fühlten. Hierfür einige Beispiele: 1396 nahmen die Burggrafen Johann III. und Friedrich VI. von Nürnberg an

sem Brief geht auch der Martinstag als Datum für das Turnier hervor. Der Ehekontrakt wurde wenige Tage darauf, am 13.November (Mittwoch nach Martini), in Cölln an der Spree aufgesetzt; vgl. Georg Christian Lisch, Anna, geborne Markgräfin von Brandenburg, Gemahlin des Herzogs Albrecht von Mecklenburg, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 22, 1857, 3–100, hier 7. 52 Jedenfalls sind beide Porträts im 19.Jahrhundert im Besitz des Gotischen Hauses in Wörlitz nachgewiesen; siehe Börsch-Supan (Bearb.), Die Gemälde (wie Anm.45), 42f., Nr.43 und 44.

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einem Türkenkrieg teil, wobei Johann III. die Gelegenheit fand, König Sigismund von Ungarn, dem späteren Kaiser, das Leben zu retten. 53 1431 zog Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg als Hauptmann der Reichstruppen gegen die Hussiten ins Feld. 54

Auch Kurfürst Albrecht Achilles war zur Stelle, als Papst Pius II. – der Humanist Enea Silvio Piccolomini – 1459 einen Kongress nach Mantua einberief, um für einen geplanten Kreuzzug zu werben. An diese Tradition knüpfte Kurprinz Joachim (II.) an, als er im Juli 1532 zum Hauptmann des niedersächsischen Kreises bestellt wurde. Joachim (II.) ließ er es sich nicht nehmen, Luther und Melanchthon, mit denen er bereits sporadisch im Austausch stand 55, von seinen Plänen zu unterrichten. Luther gratulierte dem Kurprinzen mit einem Schreiben vom 3. August, wünschte ihm, Gott möge ihm und seinen Mitstreitern im Kampf „ein freidiges Herz“ 56 verleihen, damit sie „mit Förchte gegen Gott und mit Trauen auf sein bloße Gnade“ 57 stritten und nicht denselben Fehler begingen wie seine Gegner, nämlich die Waffen zu ihrem Gott zu erklärten. Mit König David sollten sie singen „Ich will mich auf mein Schwerdt nit verlassen; und abermal: Herr du bist, der den Küngen Sieg giebt; und abermal: Jene verlassen sich auf Roß und Wagen, wir aber denken an den Namen des Herrn, unsers Gotts.“ 58 Auch der jugendliche David hätte sich nicht auf seine Waffen, sondern auf Gott verlassen, als er Goliath schlug. Und wie dessen Kampf gegen Goliath sei auch der Krieg gegen die Osmanen dadurch gerechtfertigt, dass diese Gott lästerten. 59 Joachim (II.) sollte im Kampf „ja nicht suchen Ehre, Ruhm, Land, Güther [etc.], sondern allein die Ehre Gottes und seines Namens, darzu den Schutz der armen Christen und Unterthanen. Denn Gott soll und will allein die Ehre haben. Wir als die Sünder und Unwirdige sind eitel Schand und Unehrn, ja auch des Todes wert.“ 60 Luther schwor den brandenburgischen Kurprinzen also auf ein christliches

53

Neugebauer, Die Hohenzollern, Bd. 1 (wie Anm.6), 32f.

54

Ebd.44.

55

So holte der Kurprinz bei Luther und Melanchthon etwa Gutachten ein, ob er das Sakrament unter

einer Gestalt nehmen könne. Siehe [Martin Luther,] D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, [4. Abt.]: Briefwechsel. Bd. 6: 1531–1533- Weimar 1935, 302, Nr.1931.

90

56

Ebd.344, Zeile 19.

57

Ebd.344, Zeile 35f.

58

Ebd.344, Zeile 22–25.

59

Ebd.345, Zeile 43–48.

60

Ebd.345, Zeile 49–53.

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Rittertum ein, dem es nicht um den Erwerb von Ruhm, Ehre oder Besitz ging, sondern allein um Gottes Wille, Gnade und Ehre. Der ebenfalls in den August 1532 zu datierende Brief Melanchthons 61 hebt dagegen weniger auf das christliche Rittertum und die innere Haltung der Krieger ab als auf die Grausamkeit der Osmanen. Dieses Reich führe Kriege nicht, wie andere Könige und Völker, nämlich auf eine Art und Weise, wie es Gesetz, Moral und Religion geböten. Vielmehr stecke diese Nation voller Unfrömmigkeit, Grausamkeit und bösartiger Lüste, weshalb es Gottes Wille sei, diese wilden Männer wie Diebe zurückzuschlagen und zu vernichten. Auch Melanchthon empfiehlt dem Kurprinzen König David als Exempel für seine innere Haltung, indem er ihm Psalm 37,5 ans Herz legt. 62 Neben dem christlichen Rittertum ist es also vor allem das Exempel des alttestamentlichen König David, das Luther und Melanchthon dem Kurprinzen nahebringen. Es sollte dessen (Selbst-)Darstellung zumindest in den diskursiven Medien nachhaltig prägen. Schon im Mittelalter galt der rex et propheta König David als Musterkönig 63 mit heilsgeschichtlichem Platz. Er wurde als typus Christi gesehen, verkörperte mithin all das, was Christus mit dem neuen Bund erfüllen sollte. Während der Renaissance entdeckten dann auch italienische und deutsche Städte den biblischen König, und zwar als Symbol der Verteidigung kommunaler Freiheiten. 64 Insofern nimmt es nicht Wunder, dass Luther gleich anderen Reformatoren gerne auf dieses weit verbreitete Vorbild zurückgriff. 65 Die Vita des Hirtenjungen, der durch Tapferkeit und Tugendhaftigkeit zum König der Juden aufsteigt, aber im Laufe seines späteren Lebens auch moralischen Anfechtungen ausgesetzt ist, bot zahlreiche Anknüpfungspunkte und Aktualisierungsmöglichkeiten. Luther nutzte in seinem Brief den bekannten Kampf Davids gegen Goliath als Exempel für den Kampf der

61 Abgedruckt in: Carl Gottlieb Bretscheider (Hrsg.), Corpus Reformatorium. Bd. 4. Halle 1837, Sp.822f., Nr.2496. Die Datierung Bretscheiders auf das Jahr 1542 wurde bereits durch Luther, Briefwechsel, Bd. 6 (wie Anm.55), 343, Nr.1950 auf August 1532 korrigiert. 62 Bretschneider (Hrsg.), Corpus Reformatorium, Bd. 4 (wie Anm.61), Nr.2496. Melanchthon zitiert verkürzt: „Revela Domino viam tuam, et ipse faciet“ („Befiehl dem Herrn deine Wege und er wird es wohl machen“). 63 Bumke, Höfische Kultur (wie Anm.37), 386. 64 Francesco Benigno, Mirrors of Revolution. Conflict and Political Identity in Early Modern Europe. (Late Medieval and Early Modern Studies, 16.) Turnhout 2010, 164. 65 Edward A. Gosselin, The King’s Progress to Jerusalem. Some Interpretations of David during the Reformation Period and their Patristic Background. (Humana Civilitas, 2.) Malibu 1976, 67–73.

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Christen gegen die vordringenden osmanischen Truppen – für einen Kampf, der seines Erachtens nur durch den Glauben gewonnen werden konnte. Die Schreiben Luthers und Melanchthons waren keine Privatschreiben, sondern Humanistenbriefe, die für ein breiteres Publikum bestimmt waren. Dies zeigt schon die Tatsache, dass neben dem Kurprinzen stets auch die anderen am Feldzug beteiligten Fürsten summarisch angesprochen wurden. Es erscheint folgerichtig, dass beide Briefe noch in demselben Jahr in der Nürnberger Offizin Johann vom Bergs und Ulrich Neubers im Druck erschienen. 66 Eine Verbindung zwischen dieser Offizin und dem Berliner Hof lässt sich aber nicht nachweisen. Ganz auszuschließen ist eine Auftraggeberschaft jedoch nicht – selbst dann nicht, wenn man bedenkt, dass sie den religionspolitischen Auffassungen des Kurfürsten zuwider lief. Wie der Fall des in der Stadt Brandenburg geborenen Dichters Georg Sabinus zeigt, besaß Joachim (II.) durchaus eigene Handlungsspielräume. Ein Dankschreiben Luthers an den Kurprinzen beweist, dass Sabinus, der mit Melanchthon und einer Reihe neulateinischer Dichter befreundet war, die Gunst des Kurprinzen, ja vermutlich sogar dessen finanzielle Unterstützung genoss. 67 So dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass ausgerechnet dieser Sabinus 1532 die siegreiche Rückkehr des Kurprinzen in einer Schrift verherrlichte – wenngleich offenbleiben muss, ob er dies auf dessen Geheiß tat oder nicht. 68

66

Martin Luther/Philip Melanchthon, Zwen trostbrieve, geschriben an den Durchleuchtigen und hochge-

bornen Fürsten und Herrn Herrn Joachim Churfürsten und Marckgraven zu Brandenburg [etc.] vom Türcken zuge. Nürnberg 1532. 67

Luther, Briefwechsel, Bd. 6 (wie Anm.55), 412f., Nr.1990. Sabinus wurde vom Kurfürsten später auch

mit diplomatischen Gesandtschaften an den polnischen Königshof betraut; siehe Iselin Gundermann, Kurfürst Joachim II. von Brandenburg und Herzog Albrecht von Preußen, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 41, 1990, 141–164, hier 157–160. 68

Georg Sabinus/Ulrich von Hutten, Descriptio reditvs illvstris principis ac domini D. Ioachimi II. Marchi-

onis Brandenburgensis [etc.] depulsis Turcis Anno M. D. XXXII/Panegyricus de illvstrissimo principe ac domino d. Alberto Electore Card. Archiepiscopo Moguntino [etc.]. o.O. [1532]. – Dass Kurfürst Joachim II. durchaus gewillt war, die öffentliche Darstellung des Hauses Brandenburg zu steuern, zeigen Versuche, Luther von der Publikation eines gegen seinen Bruder Kardinal Albrecht, den Bischof von Magdeburg, abzubringen; vgl. Gundermann, Kurfürst Joachim II. (wie Anm.67), 151–154.

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V. Repräsentation und Rittertum zwischen 1542 und 1571 Mit dem Tod Joachims I. gingen die Regierungsgeschäfte 1535 auf dessen Söhne Joachim II. und Johann über, die ihre Herrschaftsbereiche jedoch rasch gegeneinander abgrenzten. Markgraf Johann, der als Hans von Küstrin in die Geschichtsbücher einging, führte fortan die Neumark und einige angrenzende Ämter wirtschaftlich solide, wohingegen die Regierung der übrigen Landesteile und die Repräsentation der Kurwürde bei Joachim als älterem Geschwisterteil lag. Beide Söhne öffneten sich bald nach dem Tod des Vaters der Kirchenreform – Johann zuerst, Allerheiligen 1539 dann auch Joachim. In den folgenden Jahren schlug der Kurfürst eine „kompromißkatholische ‚via media‘“ 69 ein und führte in seinem Herrschaftsgebiet eine moderate Form der Kirchenerneuerung durch. Der Bruch mit dem Kaiser und den katholischen Reichsständen blieb aus, ebenso der Wechsel zu den lutherischen Reichsständen. 70 Vielmehr bemühte sich Joachim II. immer wieder, zwischen den konfessionellen Lagern zu vermitteln, was ihm zumindest für einige Jahre ein gewisses politisches Gewicht auf Reichsebene sicherte. Erst 1563 bekannte sich Joachim II. in einem am 19.April 1563 im Cöllner Dom verkündeten Glaubensbekenntnis zu den Grundlagen der lutherischen Lehre und ordnete zwei Jahre später ein jährliches Reformationsgedenkfest an. 71 Mit seinem Schritt entfernte sich der Kurfürst zwar vom Wunsch seines Vaters, näherte sich aber der kurmärkischen Kirche und Bevölkerung wieder an, denn längst hatte die Reformation in Brandenburg Fuß gefasst. 72 Innerhalb des Klerus gab es freilich jene, die dem Landesherrn nicht folgten – insbesondere die Bischöfe von Havelberg und Lebus –, aber auch jene, die, wie Matthias von Jagow, Bischof von Brandenburg, den Kurfürsten unterstützten, oder andere, welche fanden, der Kurfürst reinige die Kirche nicht konsequent genug. 69 Manfred Rudersdorf/Anton Schindling, Die Reformation in Kurbrandenburg, in: Wichmann Jahrbuch des Diözesangeschichtsvereins Berlin 34/35, 1994/95, 141–157, hier 142. 70 Hans-Ulrich Delius, Die Reformation in Berlin, in: Günter Wirth (Hrsg.), Beiträge zur Berliner Kirchengeschichte. Berlin 1987, 23–43, hier insbes. 36. 71 Rudersdorf/Schindling, Die Reformation in Kurbrandenburg (wie Anm.69), 147; Iselin Gundermann, Kirchenregiment und Verkündigung im Jahrhundert der Reformation (1517–1598), in: Gerd Heinrich (Hrsg.), Tausend Jahre Kirche in Berlin-Brandenburg. Berlin 1999, 147–242, hier 201ff. 72 Delius, Die Reformation in Berlin (wie Anm.70), 24–28. Gegenüber seinem Schwiegervater, dem König von Polen, begründete Joachim seinen Schritt mit dem Wunsch seiner Untertanen nach religiöser Veränderung und Erneuerung; vgl. Koser, Geschichte (wie Anm.1), 233f.

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Einer, der zu dieser Gruppe zählte, war Georg Buchholzer, Propst des Archidiakonats Berlin. 73 So beschwerte er sich 1539 bei Luther, dass er bei Prozessionen, in der Kreuzwoche und am Markustag weiterhin Chorkappe und -rock tragen müsse. Außerdem wurde die sonntägliche Aspersionsprozession nach wie vor mit mehreren Umgängen begangen und auch die Hostie mitgeführt. Luther zeigte sich von den Beschwerden Buchholzers jedoch wenig beeindruckt und riet ihm, auch drei Chorkappen und -röcke anzulegen oder sieben Umgänge mitzumachen statt einem, wenn dies den Wünschen des Kurfürsten entspräche. Wenn Joachim „lust darzu“ verspüre, „möge jre Churfürstliche Gnad [vor der Prozession] vorher springen und tantzen mit Harpffen, Paucken, Zimbeln und Schellen, Wie David vor der Lade des HERREN that, da die inn die Stadt Jerusalem gebracht ward“. 74 Er selbst sei damit „sehr wohl zufrieden, denn solche stück, wenn nur Abusus dauon bleibet, geben und nemen dem Evangelio gar nichts, doch das nur nicht eine not zur Seligkeit, und das Gewissen damit zu verbinden, darauf gemacht werde“. 75 Einmal mehr wurde also eine Parallele zwischen dem Verhalten des Kurfürsten und dem alttestamentlichen König gezogen. Das König-David-Motiv wurde auch auf zwei der vier Exemplum-Tafeln aufgegriffen, welche die Cranach-Werkstatt zwischen 1540 und 1545 für die Ausstattung eines erst kürzlich fertiggestellten Flügels des Residenzschlosses an der Spree angefertigt hatte. In diesem Zusammenhang steht vermutlich eine Reise Lucas Cranachs d. Ä. 1541 nach Berlin, die durch eine Briefstelle indirekt belegt ist. 76 Die vier Tafeln zeigen das Urteil des Paris, das Urteil des Kambyses sowie Davids Sieg über Goliath und Bathseba beim Bade. Eine Tafel griff also jenes Motiv auf, das Luther 1532 in seinem Brief als Exempel für Joachims Teilnahme am Krieg gegen Sultan Süleyman I. gewählt hatte. Nach I. Samuel 17 besiegte der Hirtenjunge David den übermächtigen Krieger Goliath, der von Cranach als Ritter in schimmernder Rüstung dargestellt wird, mit einer Steinschleuder (Abb.3). Indem David Goliath überwand, verhalf er Israel zum Sieg über die Philister. Auf Cranachs Tafel ist Goliath bereits zu Boden ge-

73

Zu Buchholzer: Gundermann, Kirchenregiment (wie Anm.71), 197f. u. 202; Delius, Die Reformation in

Berlin (wie Anm.70), 31; Cranach-Katalog (wie Anm.42), 291f. 74

[Martin Luther,] D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. [4. Abt.]: Briefwechsel. Bd. 8:

1537–1539. Weimar 1938, 625, Nr.3421. 75

Ebd.625f., Nr.3421. Siehe hierzu auch Delius, Reformation in Berlin (wie Anm.70), 34, und Gunder-

mann, Kirchenregiment (wie Anm.71), 168. 76

94

Cranach-Katalog (wie Anm.42), 201, Nr. III.20–23.

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Abb.3: David und Goliath, Lucas Cranach d. Ä., ca. 1541; Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, GK I 1187.

streckt, Schild und Spieß liegen neben ihm auf der Erde. David hat seine Wurfschlinge ebenfalls fallengelassen, einen Fuß auf die Hüfte des gepanzerten Gegners gestellt und hebt gerade dazu an, diesem mit einem Spieß den Todesstoß zu versetzen. Im Gegensatz zu Goliath ist David selbst nur mit einem leichten roten Gewand mit goldenem Überwurf bekleidet. Im Hintergrund hält sich inmitten einer zerklüfteten Felslandschaft – eine Reminiszenz an die fränkischen Stammlande der Hohenzol-

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lern – das übermächtige Heer der Philister zum Angriff bereit. Deren Übermacht verdeutlicht ein Wald aufgerichteter Piken. Da dies das einzige Mal ist, dass dieses Sujet im Werk des Wittenberger Künstlers aufgegriffen wurde 77, muss wiederum von einem speziellen Wunsch des Auftraggebers ausgegangen werden. Diese Vermutung lenkt die Aufmerksamkeit einmal mehr auf Joachims Beteiligung an den Kriegen gegen das Osmanische Reich. Im März 1542, also zehn Jahre nach seinem ersten Einsatz, wurde dem brandenburgischen Kurfürsten auf dem Reichstag von Speyer die oberste Feldhauptmannschaft für einen erneuten Feldzug gegen das Osmanische Reich übertragen. Dass die Wahl ausgerechnet auf Joachim II. fiel, hing mit dessen vermittelnder Rolle zwischen Protestanten und Katholiken zusammen. Nur wenige andere Kandidaten hätten, wie Joachim, die Aussicht gehabt, die Zustimmung der konkurrierenden Lager zu erhalten. 78 Auch dieses Mal wandte sich Joachim vor seinem Aufbruch an Luther und Melanchthon, und bat sie, für den Erfolg der ganzen Unternehmung zu beten. Die Antwort der beiden Reformatoren erreichte Joachim Anfang Juni 1542 im Feldlager vor Wien 79, fiel aber weniger euphorisch aus, als der Kurfürst es sich erhofft haben mochte. Gerade Luther beklagte vor allem die Sündigkeit des christlichen Abendlandes, versprach aber „ungeacht, das viel loses gesind Im hauffen mit unter gemengt ist“, für Joachim und seine Truppen zu beten. 80 Schließlich könne man nicht dem Osmanischen Reich Glück wünschen, wenngleich man nicht ausschließen könne, dass Gott seine Feinde gewähren ließe, um sein Volk zu bestrafen. Von König David war dagegen keine Rede. Etwas optimistischer klang Melanchthons Brief, der Joachim „festen Trost und Muth wider die teuflische, grausame und unzüchtige türkische Nation“ wünschte. 81 Zwar wies auch er auf den strafenden Charakter dieses Krieges hin, war sich aber dennoch sicher, „daß wir in Gottes Hut und Gnaden sind, darum tröstet uns dennoch Gott, daß auf diese letzte Zeit für uns streiten werde der große Kriegsmann, der Sohn Gottes; wie Daniel meldet. Und wie ich alle Umstände ansehe, so ist es diese Zeit, davon Da-

77

Ebd.202, Nr. III.22.

78

Hermann Traut, Kurfürst Joachim II. von Brandenburg und der Türkenfeldzug vom Jahre 1542. Gum-

mersbach 1892, 33f.; Koser, Geschichte (wie Anm.1), 236. 79

[Martin Luther,] D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. [4. Abt.:] Briefwechsel. Bd. 10:

1542– 1544. Weimar 1947, 66, Nr.3753.

96

80

Ebd.67, Nr.3753.

81

Bretschneider (Hrsg.), Corpus Reformatorum, Bd. 4 (wie Anm.61), Sp.822, Nr.2495.

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niel redet. Er sagt auch, es solle durch ein kleines Volk Hülfe geschehen.“ 82 So bemühte auch Melanchthon König David diesmal nicht, rief aber aus anderen biblischen Quellen den Topos des Mindermächtigen auf, der zu helfen vermag. So sehr sich Joachim II. bemühte, dies zu verhindern, endete der Feldzug von 1542 propagandistisch wie militärisch in einem kompletten Misserfolg. Zwar kursierten die Schreiben Luthers und Melanchthons in gelehrten Kreisen 83, zum Druck waren sie aber ungeeignet. Hinzu kam, dass Joachim für den Krieg weder Mühe noch Kosten gescheut hatte, nach dem militärischen Scheitern aber nichts als Hohn und Spott erntete. Ein Plan, die Hauptschuld an dem militärischen Desaster durch einen gedruckten Bericht zu widerlegen, gelangte nicht zur Ausführung. 84 Stattdessen wurden Mitte der Vierzigerjahre die beiden ‚Trostbriefe‘ des Jahres 1532 noch einmal neu aufgelegt. Der Misserfolg von 1542 gehört zu den Wendepunkten von Joachims Regierungszeit. Als Feldherr gescheitert, benötigte man den Kurfürsten mit Beginn des Schmalkaldischen Krieges auch nicht mehr als Vermittler zwischen Protestanten und Katholiken. 85 Joachim hielt weiterhin zur kaiserlichen Seite. Am 24.April 1547 ergab sich Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, der Führer des Schmalkaldischen Bundes, bei der Schlacht von Mühlberg den kaiserlichen Truppen. Einem bereits gefällten Todesurteil entging er jedoch knapp durch Unterzeichnung der Wittenberger Kapitulation am 19.Mai 1547. Noch vor der Unterzeichnung der Wittenberger Kapitulation wandte sich Buchholzer mit einem Schreiben an Kurfürst Joachim II., worin er diesen aufforderte, sich für den gefangenen Standesgenossen einzusetzen. In diesem Zusammenhang wurde wiederum das König-David-Exempel bemüht. Joachim sollte um seinen Gegner trauern und klagen wie David um König Saul und dessen Sohn Jonathan oder um seinen eigenen Sohn Absalom, der als Aufrührer erwürgt worden war. Schadenfreude über das Ungemach fremder Völker, so Buchholzer, dürfe Joachim nicht empfinden, selbst dann nicht, wenn diese es verdient hätten. Dies gelte auch im Falle der „armen Sachsen“. Deshalb, bekannte der Propst, „betrübe ich mich sehr hart, dem exempel Davids, Jeremiae und Christi nach, das[s] ich sol[l] erleben, das[s] soche blutvergiessen im land zu Sachssen sol[l] geschehen, do

82 Ebd.822, Nr.2495. 83 Ebd.66, Nr.3753. 84 Ebd.271–273, Nr.3853. 85 Koser, Geschichte (wie Anm.1), 237

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das liebe wort Jhesu Christi am ersten erstanden und in Deutschland gekomen“. 86 Die Schrift erschien noch im selben Jahr im Druck. Eine Auftraggeberschaft des Hofes ist in diesem Fall jedoch auszuschließen. Vielmehr war Buchholzers Brief Zeichen der wachsenden Entfremdung zwischen dem Berliner Propst und seinem Kurfürsten. Indem Buchholzer das König-David-Motiv zur Ermahnung Joachims aufgriff, unterlief er die Selbstdarstellung des Hofes, die den Kurfürsten in der Nachfolge des biblischen Musterkönigs zeigte. Im Rahmen der diskursiven Selbstdarstellung Joachims spielte das ritterliche Moment nach der Zäsur von 1542/46 zunächst keine Rolle mehr. Zwei weitere Porträts des Hohenzollernfürsten sind bekannt – eines von Lucas Cranach d. J., ein zweites von Giovanni Battista Perini. Es handelt sich um zeittypische Dreiviertelansichten, die den Kurfürsten mit kostbaren Stoffen und Pelzen bekleidet und mit Ringen und Ketten reich geschmückt zeigen, jedoch ohne jede Anknüpfung an das Rittertum und ritterliche Werte. Ein selbstbewusstes Herrscherporträt in Rüstung, wie Tizians siegreicher Kaiser Karl vor Mühlberg, gibt es von Kurfürst Joachim nicht. Die Darstellung des gravitätisch in sich ruhenden Friedensfürsten, das charakteristisch für die Cranach-Werkstatt ist, bestimmte nun auch das Bild Joachims II. Die performative Seite der Hofkultur lebte jedoch nach wie vor von Reminiszenzen ans europäische Rittertum, zumal vom Turnier, das weiterhin im Mittelpunkt aller kurfürstlichen Festivitäten stand. Vermutlich hatten Ritterspiele sogar Konjunktur, weshalb wohl erst jetzt, am Ende der Vierzigerjahre, der Schlossplatz in Cölln an der Spree zur Stechbahn ausgebaut wurde. 87 Erst im letzten Lebens- und Regierungsjahrzehnt Joachims rückten performative und diskursive Selbstdarstellung wieder stärker zusammen. Das zeigt beispielhaft eine Rüstung, die Kurfürst Joachim II. 1560 bei dem damals berühmten Plattner Peter von Speyer im sächsischen Annaberg bestellte (Abb.4). 88 Sämtliche Rüstungstei86

Georg Buchholzer, Ein Prophetische Buspredigt für die jenigen, So den erkanten vnd bekanten Chris-

tum mit dem Antichrist vnd seinem hauffen verfolget haben, oder noch verfolgen. [Magdeburg] 1551, unpag. 87

Leibetseder, Fürstliche Residenz (wie Anm.10), 173.

88

Dieser Bestellung war die Vermählung der Markgräfin Hedwig von Brandenburg mit Herzog Julius

von Braunschweig am 25.2.1560 vorausgegangen, bei der mehrere Fürsten mit Rüstungen des Annaberger Meisters aufgetreten waren. Wenige Wochen später, am 15.März, wurde die Bestellung von Kurfürst August von Sachsen bestätigt. Edgar von Ubisch, Eine Rüstung des Kurfürsten Joachim II. Hektor (1505–1571), in: Hohenzollernjahrbuch 6, 1899, 92–103, hier 92. Der Harnisch Joachims II. befindet sich heute nach Quaas (Hrsg.), Eisenkleider (wie Anm.41), 6, im Staatlichen Historischen Museum in Moskau.

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Abb.4: Rüstung für Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, Peter von Speyer, 1560; Edgar von Ubisch, Eine Rüstung des Kurfürsten Joachim II. Hektor (1505–1571), in: Hohenzollernjahrbuch 6, 1899, 93.

Abb.5: Medaillon Kurfürst Joachims II. von Brandenburg, Hans Schenck oder Scheußlich, 1560; Staatliche Museen Berlin, Münzkabinett KMK 18200405.

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le waren mit aufwendigen, geätzten Streifen verziert, die ganz unterschiedliche Motive aufwiesen, darunter auch David und Goliath und auf dem Bruststück das kurbrandenburgische Wappen. 89 Möglicherweise ist es diese Rüstung, mit der Hans Schenck oder Scheußlich den Kurfürsten auf einem 1560 geschaffenen Medaillon zeigt (Abb.5). 90 Darauf trägt Joachim über der Rüstung eine Feldbinde, auf dem Kopf eine Sturmhaube, die mit einem ovalen Samson-Medaillon geschmückt ist – eine Referenz an den ob seiner Stärke vielgerühmten biblischen Helden, der, gleich David, als typus Christi galt. Das durch einen Vollbart gezierte Gesicht des Kurfürsten wirkt freilich gravitätisch. Der Blick scheint fest auf den Kurstab geheftet, den Joachim in seiner linken Hand balanciert. Der Stab ist vorbildgetreu gestaltet, was ein Indiz dafür ist, dass der Bildhauer Zugang zum Objekt selbst gehabt haben könnte. Ein unmittelbarer Bezug dieser Arbeit zu einem bestimmten Anlass konnte bislang jedoch nicht erwiesen werden. Eines der letzten großen Ereignisse der Regierungszeit des Kurfürsten Joachim war die Mitbelehnung mit dem Herzogtum Preußen, der jahrelange zähe Verhandlungen mit dem polnischen Königshof vorausgegangen waren. Der Erfolg wurde im September 1569 aufwendig gefeiert. In einer prunkvollen Prozession ließ der Kurfürst Kelche und Patene um die Doppelstadt Berlin-Cölln herumtragen, zusammen mit einer Tafel und einer weißen Fahne, die mit dem schwarzen preußischen Adler geschmückt waren, und dem goldenen Kurschwert. Joachim selbst begleitete die Prozession auf einem „goldfarbenen Gaul“ 91, einem Geschenk des verstorbenen Herzogs Albrecht von Preußen. Nach der Messe im Dom nahm der Kurfürst dann auf einem hohen Lehnstuhl Platz, das Kurschwert in der Hand haltend, während Lampert Diestelmeier, der Kanzler des Kurfürsten, eine einstündige Rede über die Belehnung hielt. Am Ende der Feierlichkeiten schlug Joachim all jene zu Rittern, die an der Durchsetzung des Ziels mitgewirkt hatten. 92 Gerade durch diese Massenpromo89

Ubisch, Eine Rüstung (wie Anm.88), 96.

90

Ebd.; Cranach-Katalog (wie Anm.42), 205, Nr. III.27. Nach älteren Abbildungen (siehe Quaas [Hrsg.], Ei-

senkleider (wie Anm.41), 6) weist dieser Harnisch zwar gewisse Ähnlichkeiten zu dem erwähnten Medaillon auf – insbesondere die Ätzungen auf dem Brustpanzer –, zweifelsfrei als dieser identifizieren lässt er sich indes nicht. Zu Hans Schenck oder Scheußlich siehe Andreas Cante, Der Bildhauer und Medailleur Hans Schenck oder Scheußlich. Ein Künstler der Renaissance in Zeiten der Reformation. Phil. Diss. (masch.) Freie Universität Berlin 2004. 91

Peter Hafftiz, Microcronicon Marchicum [...], in: Riedel, Codex Diplomaticus Brandenburgensis. 4.

Hauptteil: Bd. 1. Berlin 1862, 127, zit. nach. Gundermann, Kurfürst Joachim II. (wie Anm.67), 162. 92

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Gundermann, Kurfürst Joachim II. (wie Anm.67), 162; ders., Kirchenregiment (wie Anm.71), 203f.

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Abb.6: Kurschwert für Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, Simone de Martino, angefertigt 1460, umgearbeitet ca. 1540; Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, HM 6460.

tion wurde das einigende Band zwischen monarchischem Herrscher und politischer Elite erneuert und bekräftigt. Es war nicht zuletzt das Kurschwert, das die Verbindung zum heroischen Erbe der brandenburgischen Hohenzollern verkörperte (Abb.6). Es handelte sich dabei um jenes geweihte Schwert, das Papst Pius II. am 6.Januar 1460 auf dem Fürstenkongress von Mantua dem Kurfürsten Albrecht Achilles überreicht hatte. 93 Zwar hatte Joachim II. um 1540 die päpstlichen Insignien des Schwerts durch brandenburgische Wappenzeichen ersetzen lassen 94, den sakralen Nimbus der Waffe aber erhal93 Zur Tradition der päpstlichen Schwertweihe zu Weihnachten sowie zur Verleihung eines geweihten Schwertes an Albrecht Achilles siehe Julius Lessing, Die Schwerter des preußischen Krontresors, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen 16, 1895, 103–137, hier 128. 94 Lessing, Die Schwerter (wie Anm.93), 134f.

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Abb.7: Frantz Friedrich, Kurfürst Joachim II. von Brandenburg, 1570, Staatliche Museen Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. Nr.336–85.

ten: Eine an Makkabäer II 15,16 angelehnte Inschrift zeichnete das Schwert nach wie vor als Glaubenswaffe aus. 95 Die Mitbelehnung wurde allerdings nicht nur zur performativen, sondern auch zur diskursiven Selbstdarstellung genutzt, wobei lediglich der Kurfürst und sein Anspruch auf das Herzogtum dargestellt wurden. Frantz Friedrich, der den Kurfürsten 1570 anlässlich der Mitbelehnung in Kupfer stach (Abb.7), orientierte sich dabei ganz offensichtlich an Schencks Medaillon. 96 Es ist dieselbe Rüstung, mit der Joachim angetan ist. Auch das Gesicht ist ähnlich gezeichnet, wenngleich die markante Sturmhaube auf dem Kopf fehlt. Der Kurstab ist von der linken in die rechte Hand

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95

Ebd.109 u. 131.

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Cranach-Katalog (wie Anm.42), 175, Nr.I.24.

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gewandert und lehnt nun lässig an der Schulter, was weniger artifiziell als die Vorlage wirkt. In der linken oberen Ecke des Blattes erkennt man das brandenburgische Staatswappen mit dem Kurstab im Herzschild, gemehrt um den preußischen Adler mit einem ‚S‘ für den polnischen König Sigismund. Gegenüberliegend ist das dänische Königswappen dargestellt, das auf die Mutter des Kurfürsten verweist. Ein Brüstungsfeld mit einer Inschrift beschreibt Joachim als Reichserzkämmerer und Kurfürsten sowie als Herrscher Preußens, Stettins und Pommerns, der Kassuben und Wenden („Wandtalorum“). Das repräsentative, mit einer Abmessung von 15,5 x 11,5 cm aber nicht allzu große Blatt kündete so vom erweiterten Herrschaftsbereich des Kurfürsten. Es war dazu angetan, den Kurfürsten dem Publikum als ritterlichen Monarchen darzustellen. Das Exempel des Königs David wurde dagegen erst wieder am Lebensende des Kurfürsten verwendet, nämlich in jener Leichenpredigt, die Johannes Garcaeus 1571 zum Tode des Kurfürsten verfasste. Garcaeus bekleidete seit 1561 das Amt des Pastors und Superintendenten in der Neustadt Brandenburg, zählte also zur klerikalen Elite im Umfeld Joachims. Eine direkte Auftraggeberschaft durch Joachim II. oder den Hof lässt sich auch in diesem Fall jedoch nicht nachweisen. Garcaeus’ Trauerpredigt, die 1571 in Wittenberg erschien, kommt als Auslegung der Psalmen des „Königlichen Propheten Davids“ daher. Im Vordergrund steht jedoch nicht David als Held oder Herrscher, sondern als demütiger Sünder, der den Schutz Gottes erfleht und nach dem rechten Weg zu Gott sucht. Ständische Werte werden zugunsten der Frage nach der richtigen christlichen Grundeinstellung zurückgestellt und daher nur ausnahmsweise greifbar. So habe der Prophet etwa dafür gebetet, Gott möge verhindern, „das[s] seine Feinde uber i[h]n frolocken und triumphiren oder die ware Religion lestern und schenden“. Deshalb „sollen wir auch bitten, er wolle uns gnediglich regieren und erhalten in einem heiligen leben, Christlicher Ritterschaft, das[s] wir unsern Feinden nicht zum spot werden“. Zu den Tugenden dieser christlichen Ritterschaft zählt neben Gottvertrauen vor allem die Bereitschaft, sich Gottes Willen zu fügen, auch wenn dies „durch Wasser und Fewr [gehen] und allerley Creutz ausstehen“ hieße. Außerdem sollte der christliche Ritter sich damit begnügen, die Vergebung der Sünden und Schutz vor der Gewalt des Teufels zu erlangen, aus weltlichen Gütern dagegen keinen Abgott machen. 97 Wohl möglich, dass durch diese Worte des branden-

97 Johannes Garcaeus, Eine christliche und kurtze vermanung, gehalten in der churfürstlichen Stadt Bran-

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burgischen Superintendenten das persönliche Fazit des Kurfürsten über seine von großen Ambitionen und starken Rückschlägen geprägte Regierungszeit durchschimmert. Wie dem auch sei, die Leichenpredigt war symptomatisch für den Gebrauch des König-David-Motivs im Umkreis des Kurfürsten. Ein letztes Mal wurde der alttestamentliche Musterkönig als Rollenvorbild für Joachim bemüht.

VII. Resümee und Ausblick Die Darstellung als Ritter spielte für Kurfürst Joachim II. von Brandenburg sowohl auf der performativen als auch auf der diskursiven Ebene eine zentrale Rolle. Der Repräsentationsbetrieb am brandenburgischen Hof in Cölln an der Spree war stark geprägt von Reminiszenzen an die heroische Vergangenheit des europäischen Adels, welcher in biblischen Helden, besonders im alttestamentlichen Musterkönig David, sein Vorbild sah. Es ist das Beispiel dieses rex et propheta, das am Hofe Joachims immer wieder bemüht wurde, und zwar in der protestantischen Auslegung eines auf Gott allein vertrauenden Herrschers. Und es waren Luther und Melanchthon, die Joachim II. diese Figur anlässlich des Feldzugs von 1532 als erste vor Augen hielten, ehe dann auch protestantische Kleriker im Umfeld des Kurfürsten auf dieses Exempel zurückgriffen. Es gibt Indizien dafür, dass der alttestamentliche König auch vom Kurfürsten selbst für sich beansprucht wurde. So stellen zwei von vier Exemplum-Tafeln, die Lucas Cranach d. Ä. für das kurfürstliche Schloss in Cölln an der Spree schuf, Episoden aus dem Leben des biblischen Königs dar. Ein Harnisch, den Joachim 1560 bei dem sächsischen Plattner Peter von Speyer d. Ä. bestellte, zeigt neben andern Motiven ebenfalls David und Goliath, und eine Leichenpredigt, die Johannes Garcaeus beim Tod Joachims verfasste, handelte ausführlich über die Frömmigkeit des prophetischen Königs. Neben der außerordentlichen Popularität dieser Figur in der Fürstenspiegelliteratur trug hierzu gewiss bei, dass die Vita des biblischen Herrschers zahlreiche Momente bot, in denen sich auch ein frühneuzeitlicher Kurfürst wie Joachim II. spiegeln und wiedererkennen konnte. Die Identifikation des Kurfürsten mit dem alttestamentlichen König hatte jedoch

denburg, zu einer Leichpredigt, unserm lieben Landesvater und gnedigsten Herrn […] Marggraff Joachim dieses Namens des andern […]. Wittemberg 1571., unpag. (Blatt Diii).

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ihre Grenzen. So verzichtet Joachim darauf, sich als ‚neuen David‘ inszenieren zu lassen. David war lediglich ein Exempel, dem es nachzuleben galt, eine Orientierungshilfe für die eigene Lebensführung. Diese Zurückhaltung hing womöglich auch damit zusammen, dass eine Ineinssetzung des brandenburgischen Kurfürsten mit dem verehrten biblischen Propheten und König als unangemessen empfunden worden wäre. So lag die Faszination dieses Exempels nicht zuletzt darin beschlossen, dass es ein höheres Prinzip – die Kraft des Glaubens – verkörperte, dem es zu folgen galt. Dieses Anknüpfen an heroische Motive wurzelte in der performativen Kultur ritterlicher Kampfspiele, in Turnier und Jagd. Turniere erlebten im 15. und 16.Jahrhundert eine regelrechte Spätblüte, die, von den italienischen Höfen ausgehend, nicht zuletzt zu einer Verfeinerung der Rüstkunst führte. Kunstvoll gearbeitete Rüstungen waren jedoch nicht in erster Linie zur Ausstellung in Schlössern oder Rüstkammern gedacht, sondern für die standesgemäße Selbstdarstellung ihrer Träger bei fürstlichen Familienfeiern, Zeremonien und Zusammenkünften bestimmt. Die römisch-deutschen Kaiser und Könige, Maximilian I. und Karl V. allen voran, förderten die Turnierkultur an den Höfen des Reiches auf unterschiedlichste Weise und kleideten politische Zeremonien wie die feierliche Neubelehnung von Reichsständen auf dem Wormser Reichstag 1521 in ritterliche Formen, wodurch das Ideal des Heiligen Römischen Reiches als Lehnsverband befestigt wurde. Aber auch Kurfürsten wie Joachim II. von Brandenburg und sein Vater sowie die mit ihnen verbundenen Höfe verstanden es, solche Zeremonie zur Darstellung eigener Macht und Herrlichkeit zu nutzen und standesgemäß ‚zu prängen‘. Diese Art der performativen Selbstdarstellung mittels Turnieren und politischer Zeremonien vermittelte sich freilich in erster Linie dem anwesenden Publikum – einem Publikum, das aufgrund der Tatsache, dass solche Aufführungen meistens im städtischen Raum stattfanden, tendenziell standesübergreifend war. Eine weitere Verbreitung konnte die Mär performativer Ereignisse freilich nur erlangen, wenn sie in diskursiven Aufzeichnungsmedien festgehalten und dadurch jenseits räumlicher und zeitlicher Grenzen verfügbar gemacht wurden. Mit dem Buchdruck waren die Voraussetzungen dafür zwar geschaffen worden, sowohl Joachim I. als auch Joachim II. von Brandenburg bedienten sich ihrer aber nur mit äußerster Zurückhaltung. Bei keinem der im Druck erschienenen Texte und Bilder, die hier diskutiert wurden, konnte eine Auftraggeberschaft des Hofes mit letzter Gewissheit nachgewiesen werden. Eine diskursive Selbstinszenierung der brandenburgischen Kurfürsten im engeren Sinn vor einer breiteren ‚Öffentlichkeit‘ fand also nicht statt. Hatte

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sich schon sein Vater – etwa bei der Bekämpfung Luthers 98 – stets auf informelle Kanäle verlassen, verstand es anscheinend auch Joachim II., die Gelehrten in seinem Umfeld zu animieren, in seinem Sinne publizistisch tätig zu werden. Lediglich das Medium des gemalten und gedruckten Bildes nutzte er phasenweise, um sich selbst als Kurfürst im Harnisch zu präsentieren.

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So wäre die Parteinahme der Universität Frankfurt an der Oder gegen Luther 1518 ohne Billigung des

kurfürstlichen Hofes gewiss nicht denkbar gewesen; Winterhager, Kurbrandenburg als Zentrum (wie Anm.29), 125.

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„Sir Loyal Heart“ The „Heroic“ Monarchy of Henry VIII, 1509–1520 by Glenn Richardson

One of the most striking images of King Henry VIII of England comes from the parchment record of the Great Tournament of Westminster, held on 12th and 13th February 1511 to celebrate the birth on January 1st that year of the king’s heir, Prince Henry. On the second day of the tournament Henry appeared as „Sir Loyal Heart“, a paragon of chivalric masculine virtue. Although disguised as a knight errant, there was no doubt in the spectators’ minds as to who the king was and it is clear from contemporary sources that Henry’s performance was carefully choreographed to focus attention on his physical strength and paramilitary prowess as a model of aristocratic manliness. This is the way in which the king of England was represented for the next twenty years. This chapter examines the origins and key features of this presentation in the early years of Henry VIII’s reign to 1520. It looks at ceremony and entertainments, Henry’s participation in his first war in 1513 and the diplomacy of the period.

I. Tournaments and Banquets So far as may be judged, Henry’s boyhood heroes were the three greatest English victors of the Hundred Years’ War; his ancestors Edward III, Edward the Black Prince and Henry V. His formal education began as early as his fourth year with Henry VII’s court poet, John Skelton, who taught him Latin and with whom the young prince also read chivalric romances and historical chronicles. From 1502 under his later tutors, John Holt, William Hone and Giles Duwes, Henry learnt the elements at least of the fashionable „studia humanitatis“, particularly grammar and history. He developed his skills in Latin, in French and in music that would serve him well throughout his life. 1

1 David Carlson, Royal Tutors in the Reign of Henry VII, in: Sixteenth Century Journal 22/2, 1991, 253–79;

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10.1515/9783486781076.107

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Henry VIII’s physical and sporting prowess as a young man had impressed observers at his father’s court and was expressed primarily in the demanding paramilitary sports of hunting, the tournament and archery. Although he took part in various tournament competitions, such as running-at-the ring, Henry did not joust in the full sense of mounted one to one combat with a lance running along a barrier or „tilt“ until after he became king. This was because after the death in 1502 of Henry’s older brother, Arthur, his father, Henry VII, was determined to protect his heir as far as possible from potentially disabling and even fatal injury from jousting. In 1510, accompanied by one of his earliest favourites, William Compton, the disguised 18 year-old king jousted for the first time and apparently distinguished himself in the fighting, receiving great praise from the onlookers. According to Edward Hall’s description of the event, it was only when Compton sustained a serious injury and was „likely to die“, that Henry’s presence was suddenly revealed. As he puts it, when Compton was hurt: „One personne there was, that knew the kyng, and cried, god save the king, with that, all the people wer astonished, and then the kyng discovered himself, to the grete comforte of all the people. 2

Had Compton not been injured would the king’s presence at the joust have gone unnoticed? Perhaps. Henry and his council were apparently still very much in awe of his late father’s ban on his jousting. Yet Hall’s careful emphasis on Henry’s skills in the competition suggests that he would have duly won and then been dramatically revealed to take his prize. Henry’s appearance as „Sir Loyal Heart“ the following year made even more explicit the claim for him as the incarnation of the chivalrous knight. Other roles he adopted in these early years included that of Yvain, the knight who protected the fountain of the Lady Laudine, from Chretien de Troyes’s tale „The Knight of the Lion“. In these instances of paramilitary games, or at least in Hall’s careful accounts of them, the purpose of the king’s disguise and then his eventual revelation is to emphasize first, his personal participation in them and second, to lend force to the description of the king’s skills. Hall wishes to show that the recognition of Henry as

David Starkey, Henry – Virtuous Prince. London 2008, 67–73, 118–35, 172–83. On a suggested role in Henry’s education of Margaret Beaufort, see John J. Scarisbrick, Henry VIII. London 1968, 6. 2 Edward Hall, The Union of the Two Noble and Illustre Famelies of York and Lancastre. London 1809, 513.

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a champion jouster depended not upon his royal status, but proceeded from his own inherent virtu or skill and elan as a young nobleman and a knight. Sydney Anglo has recently emphasized the close connection between the increasingly ritualized and elaborate style of the tournament and the complexity of styles of court dance during the early sixteenth century. 3 Tudor court dance entertainment was a development of the medieval tradition of „mummery“ or „mumming“ in which disguised performers danced together among themselves in front of an audience. Known as „disguisings“, they incorporated „pageants“, also sometimes called „pageant cars“, usually in the shapes of a ship, a castle or a mountain, which conveyed dancers into and out of the hall. Themes from chivalric lore or classical mythology would be acted out by the participants. Disguisings, featuring exactly these elements, were a prominent feature of Henry VIII’s own coronation celebrations in June 1509 and thereafter, as in the tournaments, their vital force derived from the king’s personal participation in them. In February 1511, at the celebrations for the birth of his son, King Henry danced at the banquet in the White Hall at Westminster on the evening of the 12th as „Sir Loyal Heart“, the same character in which he had distinguished himself as a jouster that afternoon. This was a deliberate evocation of the triumphs of the day, bringing the tournament field, as it were, into the hall. It was not a unique episode. Quite a few of the evening entertainments at Henry’s court featured mock combats. A good example is that held for the French ambassadors at Hampton Court in 1518: „In the myddes of this bankett ther was tornying at the barriers (evyn in the Chamber) with lusty gentilmen in gorgeous complett harnoys on foote. Than was therethe lyke on horssebake/ And after all this there was the moste goodlyest disguising or interlude made in Latten and Frenche“ 4

Henry VIII wished to be known as a master of both forms of exercise and entertainment. In a further echo of tournament practice, the king’s participation in masques was always carefully choreographed to focus maximum attention on his presence, both disguised and then at the moment of dramatic self-revelation. The following description from Hall’s account of the Westminster 1511 pageant is typical:

3 Sydney Anglo, The Barriers: From Combat to Dance (Almost), in: Dance Research 25/2, 2007, 91–106. 4 George Cavendish, The Life and Death of Cardinal Wolsey, in: Richard Sylvester/David Harding (Eds.), Two Early Tudor Lives. New Haven, Conn./London 1962, 70.

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„And in the moste of this pastyme, when all personnes Were most attentyve to beholde the daunsyng, the king was sodenly gone unknowen to the moste parte of the people there, oneles it were of the Queen and certayne other. Within a littel while after his departing, the trompettes at thende of the Hall began to blow.“ 5

A pageant car in the shape of a garden of pleasure was wheeled in. Within the garden was an arbor in which sat six ladies (including the king’s sister Mary) whose rich satin costumes were adorned with letters and with HK devices of gold. Six men, the principal jousters at the tournament and all identified by their names, led by „Coeur Loyal“, and adorned with HK devices of fine gold, entered the hall. The men then took the ladies and the two groups descended from the garden and danced together. Visored and apparently anonymous, the king and his partners brought the evening’s entertainment to a conclusion. Henry was finally revealed at the end when he invited the ladies, gentlewomen and foreign ambassadors present to take the gold letters from his clothing as valuable souvenirs. In fact, he ended up more „revealed“ than he had bargained for. Seeing their cue, other courtiers and „the common people“ there ran to him and stripped the king and his companions of their rich cloth and its gold letters such that Henry was left standing only in his „doublet and hosen“. The king’s guard had to restore order but eventually the whole episode was turned by Henry into a demonstration of his munificence: „All these hurtes were turned to laughyng and game, and thought that, all that was taken away was but for honor, and larges: and so this triumphe ended with myrthe and gladnes.“ 6

Thus Henry reinforced his role not only as the lordly patron of the festivities but also the principal player in the masque. Sadly, and significantly for English history, the „mirth and gladness“ turned to sorrow when, barely ten days later, the infant prince died on 23 February. Once the formal dances were concluded at such banquets and the pageant cars were removed, a „void“ or refreshment was served followed by more informal dancing that continued sometimes for a short time and sometimes, apparently, for hours afterwards and in which Henry was an enthusiastic participant. In September 1513, Paulo da Laude, the Mantuan ambassador with Henry during his visit to Lille repor-

5 Hall, The Union (note 2), 518. 6 Ibid. 519.

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ted to his master that at a banquet to welcome him to the town given by the emperor Maximilian and his daughter, Margaret of Savoy, the king danced with Margaret „from the time the banquet finished until nearly day, in his shirt and without shoes“. 7 Dancing without his doublet was the Tudor equivalent of being stripped to the waist; the king’s physique could not have been more overtly displayed without breaking the bounds of propriety. The same ambassador reported that a few days later, the king broke off a discussion with him, „as he was in a hurry to go and dine and dance afterwards. In this he does wonders and leaps like a stag“. 8 At a banquet on 18 September the ambassador reported the king as having spent „almost the whole night in dancing with the damsels“. Henry also contributed music to these occasions with his scores for formal dances. These were usually the basse-dance and the pavane, and several of Henry’s settings for each survive. 9 In October, in celebration of the conquest of Tournai from France, another banquet was held. The same ambassador wrote that he had seen Henry dance „magnificently in the French style, in his doublet and play the virginals and the flute in company most creditably, affording great pleasure to all those present“. 10

II. Warrior Prince against France Henry’s celebratory dancing over his conquests in 1513 reminds us that from the outset of his reign the English king had made no secret of his bellicose ambitions against France. Yet it took four years before he finally had the opportunity to renew the Hundred Years’ War and left the tournament lists and the banqueting hall for a real war against France. In 1512 Henry joined Pope Julius II’s Holy League against

7 Paulo de Laude, Milanese Ambassador to the Emperor Maximilian I to Massimiliano Sforza, Duke of Milan, Lille, 13 September 1513; Allen B. Hinds (Ed.), Calendar of State Papers and Manuscripts in the Archives and Collections of Milan 1385–1618. London 1912, 654 (hereafter: CSP Milan; all citations are to document numbers not pages). 8 Ibid. 9 Margaret McGowan, Dance in the Renaissance, European Fashion, French Obsession. New Haven, Conn. 2008, 94–98. At the centre of the masque or disguising was formal dancing, usually the „pavane“ often followed by the „galliard“; a pairing brought from France to England and danced so frequently there as to be identified by contemporaries as the „double dance of France“. See also John Stevens, Music and Poetry in the Early Tudor Court. Cambridge 1979. 10 Paulo de Laude to Massimiliano Sforza, Tournai, 11 October 1513, CSP Milan, 669.

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Louis XII of France in alliance with Ferdinand of Spain and the Holy Roman Emperor, Maximilian. He began planning an invasion that would finally take place in the summer of 1513. During 1512 the English court and nation prepared for a war in which the source of inspiration for the nobility and commoners alike was the king’s personal participation and much energy was devoted to presenting and defining his role. Henry’s view of himself and his war aims were conveyed broadly in printed propaganda and, more intimately, in court entertainments. For the wider English public, the king’s printer, Richard Pynson produced a series of publications which made a strong link between Henry’s religious orthodoxy (compared to that of the schismatic Louis), his dynastic inheritance of France and his capability as a knightly warrior. For an educated audience, Pynson published James Whytstons’ „De Justicia et santitate belli per Julium pontificem secondum in scismaticos“. This tract argued that, since Henry was technically king of France already and since Louis XII had proven himself a tyrant, the English king acted rightly to remove a schismatic usurper from his throne. Henry’s attack on France was therefore justified in divine and natural law. 11 „The gardyner’s passetaunce touching the outrage of Fraunce“ was a more populist version of Whytstons’s scholarly tract. It presents a metaphorical battle between heraldic flowers representing the kings of Europe. F. B. Williams suggested that the author was the poet Alexander Barclay and that its likely purpose was to convince reluctant subsidy payers and some pacifist clergy of the justice of the war. 12 This may be so, but the work must also surely have been intended to inspire many of the gentry and lower nobility who were being called upon to participate in the war. The narrative again emphasises the link between morality and dynasty. The virtuous and sweet-smelling English rose is preferred by God (and presumably the reader) to the proud and malodorous lily. The rose grows in the garden of the world alongside the pomegranate, symbol of Castile, Spain and, by extension, the Holy Roman Empire which „to recouvre Fraunce is the direct moyen“ 13. The work’s jingoistic tone would have directly appealed to popular prejudice against foreigners, especially the 11

London 1512. Short Title Catalogue [STC] 25585; On this and for the following discussion see Pamela

A. Neville, Richard Pynson, King’s Printer, 1506–1529. Printing and Propaganda in Early Tudor England. Unpublished PhD dissertation, London University 1999, 108–109. 12

Printed by Richard Pynson, London 1512, STC 11562.5, Westminster Abbey Library CE; Franklin B. Wil-

liams (Ed.), The gardeyner’s passetaunce. London 1985, 20. 13

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Ibid. (the Westminster text), fo. A vr.

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French, which was particularly strong in the south-east. Against the background of a century of conflict and with piracy in the Channel endemic, Frenchmen were caricatured as cowards, braggarts and dishonest traders. 14 A somewhat more elevated presentation of Henry’s moral worthiness and his dynastic inheritance was made in 1513 when Pynson published, at Henry’s command, a new edition of John Lydgate’s translation of Guido delle Colonne’s „Historye, sege, and destruction of Troye“. First presented to the victor of Agincourt, the book’s dedicatory verses praise Henry V for possessing the two supreme qualities of kingship, success in war and just rule in peace. Henry is the „prince of knighthood“ whose bravery in the service of the church demonstrates his fitness to rule, bearing Caesar’s sword and sceptre. 15 Appearing when it did, the translation identified Henry VIII with his ancestor and evoked England’s historical destiny as the inspiration for the war about to begin. Taken together, all these tracts demonstrate that royal propagandists, presumably with Henry’s approval, attempted to enthuse his gentry with the justice of a war prompted both by religious and dynastic imperatives. Both were seen as co-extensive and were presented as such to Henry’s subjects. Whatever Henry actually thought about the merits of Julius II’s arguments against Louis XII, in 1513 he believed himself entitled, and ready, to pursue the historical English claim on the French throne. By the time Henry VIII. embarked upon his first war, therefore, his personal style of leadership was firmly established. It centred on presenting himself as a particularly impressive incarnation of the ideal ruler. Namely a physically and morally courageous warrior surrounded by a group of talented and committed comrades and anointed by God to serve his Church. This magnificent idea had been presented to at least some of the English population more widely and was now to be presented directly to the princes of Europe in a war on a grand scale in the old tradition of the Hundred Years’ War – or so Henry hoped. Even more than in broad public propaganda, this belief was communicated directly to the king’s immediate circle of subjects and friends, those who would share command on the field with him in the coming campaign. Sydney Anglo has rightly

14 Hall, The Union (note 2), 520. Hall’s francophobia is typical. He asserts that in 1511 the king himself was cheated by the French and Lombards at his court who gambled with them, „but when he perceived their craft, he exchuyd their compaignie and let them go“. 15 The hystore, sege and dstrucyon of Troye. Translated by John Lydgate (1420). Printed by Richard Pynson. London 1513, STC 5579.

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warned of the dangers in over-emphasizing the political significance of royal entertainments and too-easily detecting complex propaganda in the symbolism of court spectacle. The Tudors did use these events to convey messages about themselves but rather more sporadically and to much smaller audiences than has sometimes been supposed. 16 The symbols repeatedly deployed in court entertainments were simply the recognised badges of Henry’s family: roses, the portcullis, „HK“ intertwined with lovers’ knots, pomegranates, castles and the like. It was the dynasty itself that was celebrated and in general it is hard to see an overt message of Henry’s continental ambitions. There is one entertainment, however, in which the symbolism deployed is strikingly unique and a political message is evident. It has not thus far been properly discussed in its immediate context. This is the pageant of Twelfth Night 1513 and its theme is Henry’s heroic leadership in the attack on France. Henry held Christmas 1512 at Greenwich and on Twelfth Night the customary final banquet and masque of the celebratory season was held. A pageant car shaped like a hill called „the rich Mount“ was drawn into the hall of the palace: „The Mount was set full of riche flowers of silke, and especially full of Broomes slippes full of coddes, the braunches wer grene Sattin dnd the flowers flat Gold of Damaske, which signified Plantagenet.“ 17

On top of the hill was a large beacon or light of some kind and „round aboute the Bekon sat the king and five other“. Six women appeared out of the mountain with „French hoodes on their heddes and thei daunced alone“, that is, as a group. „Then the lordes of the Mount tooke the ladies and daunced together“ before the ladies reentered the mountain and it was drawn off. 18 Couples dancing together in the masque in the Italian manner were still relatively new at the English court. By explaining the significance of the symbolism, which itself is unusual, Hall’s account supported by Richard Gibson’s Revels Accounts make clear that this particular pageant did have didactic intent. This is the only pageant before 1513 in which the symbols vary from the standard ones outlined above. Henry appears already occupying the symbolically festooned „riche mounte“ of the Tudor/Plantagenet patrimony of England 16

Sydney Anglo, Images of Tudor Kingship. London 1992.

17

Hall, The Union (note 2), 535; The National Archives [TNA], E36/217 fos. 170–85, esp. fo. 170: Richard

Gibson’s Revels Accounts specify that the hill was „plantyd with broome to sygnefe platagenet with rossys red and whyte“. They also state that „from the foote of the sayd riche mounte was growing flower delyces“. 18

Ibid., cf. TNA E36/217 fo. 170: „a burning bekyn wheche lytyd all the place“; fo. 178 the five other men

were Thomas Bourchier, Sir Henry Guildford, Charles Brandon, Edward Neville, and Thomas Cheyne.

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and, by extension, France. The beacon symbolises Henry’s knightly masculine authority and kingly righteousness showing the way. He is accompanied by his warrior band of brothers including his alter-ego Charles Brandon. The women, dressed in French fashion, represent the spoils of France presented for the taking. While the tone of the pageant remains light-hearted and romantic as befits the occasion, the message is clear. Henry’s dynastic claim on the French crown is just and his presence in the coming war will ensure victory. The pageant was well calculated to inspire the exclusive audience with the legality of the cause, the opportunities it presented and the promise of success under Henry’s heroic leadership. The campaign for France began the following spring. Henry very much enjoyed his first invasion of France. He also took it extremely seriously. Henry very carefully presented himself as a knight as well as king, observing the code of chivalry meticulously. He landed in Calais in June dressed in a fine suit of battle armour worn under a mantle of cloth of gold embroidered with a red English cross of St George. On his hat he wore a brooch with a picture of Saint George. The first thing he did was to go St. Nicholas’s Church where he offered and then began preparations for the campaign. In May 1513 Richard Pynson published reformed military regulations. Tight discipline, good camp hygiene and the correct handling of prisoners, especially noble ones, were the main tenets of the reformed military code. 19 The effect of these regulations was evident to the Mantuan ambassador who observed the English army during the king’s siege of the city of Tournai, an imperial enclave in French territory: „one marvellous circumstance about the king’s camp; they have no women, or so few that they do not appear, and there is practically no gaming among the English, except they play with the king, who plays high and enriches those who play with him. Enough, I hear that the absence of women and gaming among the English is chiefly due to the orders of the Council of England and of the king.“ 20

In the context of late medieval warfare, this discipline and Henry’s personal lib19 Hall, The Union (note 2), 539f.; John S.Brewer (Ed.), Letters and Papers, Foreign and Domestic of the Reign of Henry VIII, 1509–1547. 21 Vols. and Addenda. London 1862–1932, Vol.I i, 2391 (hereafter cited as LP; all citations are to document numbers not pages); John Taylor’s diary of the war. Translated from British

Library [BL], Cotton MS Cleopatra C V fos. 641ff. 20 Paulo da Laude to Massamilio Sforza, Lille, 18 September 1513, CSP Milan, 657.

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erality with an evidently wide circle of fellow soldiers was exceptional. This careful mix of largesse towards and tight control of, his army emphasizes the importance of Henry’s charisma as war-leader and his conscious intention that he should not only be an exemplary military commander but should be seen to be one as well. Henry met his ally the emperor Maximilian on two occasions where the Habsburg sovereign showed him every honour. On 11 August Maximilian visited the royal camp before Thérouanne, where „the noble men of the kynges campe were gorgeously apparelled“. Henry’s vast tents were dressed as richly as possible and his private apartments were in a portable wooden house according to one German observer. Henry was accompanied by his foot guards and his nine henchmen who casually tossed to the emperor’s guard, silver bells plucked from their horses’ trappings. 21 At all times the king, aided by his nobles, sought to impress Maximilian with his wealth, liberality and commitment. He expected to be treated as an equal. In return, Maximilian flattered Henry’s pretensions as a young warrior paying him every courtesy and treating him as the real leader of their joint enterprise in France. The 1513 campaign did not culminate in another Agincourt, but Henry did conquer the town of Thérouanne and the city of Tournai, the sieges of which were both conducted according to the rules of honourable engagement. His forces also won the only recognised battle of the campaign, a cavalry skirmish known as the Battle of Spurs on 16 August 1513 during the English siege of the town of Thérouanne. The details of the battle have been exhaustively examined elsewhere. Historians have noted, quite rightly, that it was only a small cavalry skirmish during the English siege which was elevated to the status of a great victory in the absence of anything greater during the campaign. 22 Yet Henry’s pride in it becomes a little more explicable when the battle is seen in the way Henry saw it. It is clear that, on the basis of intelligence received on 15 August, Henry believed that the French were about to attempt to relieve the siege. He reviewed his lines as a result, moving the middle ward of the army which he commanded to protect the south of the town, from where any French attack was expected. Early in the morning of the following day he was informed that a scouting party had encountered a French column of cavalry heading

21

Hall, The Union (note 2), 544.

22

Charles G. Cruickshank, Army Royal. Henry VIII’s Invasion of France 1513. Oxford 1969; Steven. J. Gunn,

The French Wars of Henry VIII, in: Jeremy Black (Ed.), The Origins of War in Early Modern Europe. Edinburgh 1987, 36–40.

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towards the town. Henry and at least some of his commanders thought this was the advance guard of a number of much larger forces which were known to be assembling further afield. His first command, „I will this daye that my felde be made and sett up in as royall wise as maye bee, and all my rychte tentes sett up“ on the south side of the city is especially revealing of his motives and attitudes in war. 23 It has been mocked by historians as an inexplicable gesture of royal egomania, but it is clear that Henry believed he was about to face a force of at least 7,000 men in his first open battle in France and wanted to be seen to be ready and willing to engage the French. He consulted his ally the emperor on the disposition of artillery and infantry of the middle ward. He was persuaded to stay with this force and not ride with the cavalry. He issued the order to „sette forward and to avaunce his banner in the name of GOD and St George“ – the classic English battle cry.

What turned the prospective set-piece battle which the king anticipated into a cavalry skirmish was improvisation when it was realised that the French force was much smaller than at first thought and not in battle array. The English cavalry engaged the French about a mile forward of Henry. Unprepared for battle, spurring their horses, the French fled in the headlong retreat after which the encounter was named. Only later did some of Henry’s prestigious French prisoners, particularly the Chevalier Bayard, reveal that all they had been commanded to do was to drop some meat off at the walls of Thérouanne in an effort to re-victual it. He assured Henry that had the French really been thinking of raising the siege they would surely have come rather better equipped – with infantry and artillery. Henry’s subsequent boasts about the importance of the battle did indeed try to capitalise on a lucky break that he had little to do with securing, but should also be seen as him making the most out of the situation in which he probably felt cheated out of the full-scale battle for which he felt ready. His order to set up his tents as magnificently as possible should be seen, not as a theatrical distraction, but as a clue to the king’s attitude. In any case, the upshot of all this was capitulation of Thérouanne which was a notable achievement. From here, Henry went on to conquer the much larger and more prestigious city of Tournai. At least one French writer also thought the skirmish significant enough to warrant comment. Guillaume Crétin composed the descriptively titled

23 Hall, The Union (note 2), 549–50; Cruikshank, Army Royal (note 22), 113.

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poem „Invective“ „sur l’erreur pusillanime et lâcheté des gens d’armes de France à la journee des Eperons“, castigating his fellow countrymen for their cowardice. 24 Although France was not conquered, Henry had done enough in the campaign of 1513 to appear a credible warrior-king on the international stage. As we have seen, Henry met Margaret of Savoy after making a formal entry to Lille, „with as much pomp as ever he did at Westminster with his crown on“. When he entered the conquered city of Tournai on 2 October he was escorted by his henchmen riding horses trapped with the symbols of his dominions just as they had been at his coronation in 1509. After hearing Te Deum sung, he knighted several of his esquires. He drove the point home at a tournament held at Tournai from 18 October when he appeared in the lists wearing the symbols of his Lancastrian inheritance. His accoutrements included a „base and a trapper of purple velvet bothe set full of S.S.of fyne bullion and the lord Lisle [Charles Brandon] in thesame suyte“. 25 During the following two years, Henry saw himself abandoned by his two allies and so reversed the axis of international politics by allying with his erstwhile enemy Louis XII, an alliance sealed by the marriage of his sister Mary, who became the first and only English-born Queen of France. Henry and his new principal advisor, Thomas Wolsey, had had to cope with the consequences of Louis’s sudden death in January 1515 and the accession of a new and dangerous rival in the person of Francis I. Younger than Henry and just as ambitious, within nine months of his accession Francis had conquered the duchy of Milan, eclipsing anything Henry had achieved in 1513 and announcing himself as the new incarnation of youthful European royal masculinity. 26 During 1516–17 Henry sought in vain to isolate Francis diplomatically while using every means at his disposal attract attention to himself as personally and politically superior to him. This included extravagant displays of his own horsemanship and prowess in the tournament, of his dancing skills and even of his legs, to which Venetian ambassadors were famously treated when they arrived at the English court from France in the spring of 1515. He received the delegation at Richmond on 23 April 1515, the feast day of St George, dressed in the robes of a knight of the Order of the Garter, surrounded by his fellow knights. The ambassadors accompanied

118

24

Georges Ascoli, La Grande Bretagne devant l’opinion française. Paris 1927, 53.

25

Hall, The Union (note 2), 566.

26

Robert J. Knecht, Renaissance Warrior and Patron. The Reign of Francis I. Cambridge 1994, 62–104.

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the king to Mass and afterwards he dined with them in a hall dressed with „a display of gold plate, of most immense value, as well as a great quantity of silver“. The ambassadors participated in an al fresco meal on May Day. Henry met them again and questioned them closely about Francis’ appearance and physique. Delighted to hear them describe the French king’s legs as „spare“, Henry opened his doublet and placing a hand on his thigh said „Look here! And have I also not got a good calf to my leg“. At the tournament later the same day Henry apparently so bestrode his horse that one of the ambassadors reported that „in truth he looked like St George in person on its back“. 27 These gestures and the behind the scenes plotting were prompted by Henry’s fierce determination that he should retain the reputation as Europe’s brightest, if no longer its youngest, sovereign. So far as may be judged, these demonstrations got the desired reaction. Lengthy descriptions of him as „in every respect a most accomplished prince“ and the like were sent back to Venice – and to France. Yet, behind all this bravado and showmanship which has become part of the legend of Henry VIII, lay the king’s gnawing anxiety that the new French monarch would isolate him once more in Europe. That the ambassadors understood this, and who the real audience was for this display, is clear from their description of the May Day 1515 jousts when they reported that the king jousted strenuously: „more particularly on account of Pasqualigo (who is returning to France today), the he may be able to tell King Francis what he has seen in England, and especially with regard to his Majesty’s own prowess.“ 28

After a number of unsuccessful attempts to organise alliances, Henry’s opportunity to gain some sense of control over Francis I eventually came in 1518 with Pope Leo X’s announced plans for a Universal Peace and a League between Christian nations as a prelude to a crusade against the Ottoman Turks. Cardinal Wolsey’s quick intelligence saw that Henry’s de facto leadership of the whole enterprise could catapult him back to centre stage in European affairs and displace Francis from the triumphant position he had enjoyed since Marignano.

27 Four Years at the court of Henry VIII. Selection of despatches written by the Venetian ambassador Sebastian Giustinian 1515 to 1519. Translated by Rawdon Brown. 2 Vols. London 1854, Vol.1, 79, 81, 91. 28 Ibid. 76, 79–81, see also 84–87.

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III. Universal Peace In September and October 1518, Henry hosted an international meeting in London to put into action the pope’s plan under what became known as the Treaty of Universal Peace or the Treaty of London. The French were prominent among the embassies he received and he impressed its members with his personal adornment and generosity. The ceremonial highlight of the French embassy was the Mass on 3 October at which Henry swore to a new Anglo-French alliance pursuant to the Universal Peace. The royal secretary Richard Pace delivered an oration on that subject. Entitled „Oratio Richardi Pacei in pace nuperime composita…“, it was immediately printed by the king’s printer Richard Pynson. 29 By December 1518 the Latin text and an anonymous French translation had been printed in Paris by Jean Gourmount. 30 The oration has conventionally been read as Wolsey’s attempt to inspire both Henry VIII and Francis I with the Christian humanist ideal of glorious and virtuous peace. 31

There is, however, another way of looking at the oration. Richard Pace praises Henry as a ruler who loves peace but who is not afraid of war. 32 Pace expatiates on the horrors of war and then lauds Henry as the instigator and Wolsey as the designer of the Treaty of London. Henry is an expert tactician and a brave warrior, yet he prefers peace with his Christian brother-kings. In so doing he has provided the means for an effective opposition to the Turks. Other princes, chiefly Francis, also recognise Henry’s qualities and seek to join the League. 33 Yet the most striking feature of the oration is that while ostensibly commending Henry for relinquishing war, Pace praises him for being a successful knight and warrior. Far from being embarrassed by Henry’s bellicose nature, he recalls „how gloriously and marvellously“ the king conducted himself in the war of 1513. The king’s masculine virtues of bravery and skill are

29

Richard Pace, Oratio Richardii Pacei in pace nuperrime composita. London 1518. Translated from the

Latin by D. A. Russell, in: Joycelyne G. Russell (Ed.), Peacemaking in the Renaissance. London 1986, 234– 241; STC 19081A; BL, Printed Books Catalogue, no. 33. b. 39. 30

Anonymous, Oration Nuptiale de Messire Richard Pace. Printed by Jean Gourmont. Paris 1519; BL, Print-

ed Books Catalogue, G. 6119 (2). 31

Russell (Ed.), Peacemaking in the Renaissance (note 29), 234–241. See also Cathy Curtis, „Pace, Richard

(1483?–1536)“, in: Oxford Dictionary of National Biography. Oxford 2004, http://www.oxforddnb.com/ view/article/21065 (accessed 16 May 2012).

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32

Pace, Oratio Richardii (note 29), fol.A ii v = Russell (Ed.), Peacemaking (note 29), 235.

33

Ibid. fols A iv r – B I r = Russell (Ed.), Peacemaking (note 29), 236–239.

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evidenced in his physical body; nature has fashioned Henry as a consummate general: „He who looks closely upon you cannot but see that the beauty of your splendid body, the incomparable aptness and compactness of your limbs, all breathe war: you are tall, brave, active, powerful, and so strong that you leave far behind all who seek to display their bodily strength in earnest or in play.“ 34

Highlighting Henry’s masculine and military power obviously renders his decision to opt for peace with France the more impressive. However, the oration is not even first and foremost about peace; it is about what makes true kingship. For Pace, Henry’s faithfulness is expressed in his masculine strength; he is equally honourable whether at peace or at war. Both options are open to him and the only reciprocal faithfulness from Francis will secure Henry’s friendship and thus avoid war and enable the Universal Peace to work. For, as he says towards the end of his oration, there are three things being sworn to at the Mass. They are: „To the Treaty, that it shall be entered into in holiness; to faith, that is shall be sincere and inviolable; to peace that it shall be perpetual – that is, not only shall all war be removed, but suspicion of any war shall be totally taken away.“ 35

IV. The Return of Tournai That Henry’s status as a successful warrior against France was not mere rhetoric but something the English wished to have the French actively acknowledge, was demonstrated in the way the city of Tournai was returned to them pursuant to the treaty of 1518. Francis I had expressed a wish to buy the city back from Henry immediately after his accession but it was not until the two kings had concluded an alliance between them that Henry agreed to sell it to him for 600,000 French crowns, to be paid in six-monthly instalments. 36 Francis agreed to provide hostages to be held un-

34 Ibid. fol.A vi r = Russell (Ed.), Peacemaking (note 29), 238. Pace also refers to Henry’s tactical planning and impregnability of his camp, both less than subtle allusions to the sieges of Tournai and Thérouanne, and, by extension, to the Battle of the Spurs. 35 Ibid. fo. Bii v = Russell (Ed.), Peacemaking (note 29), 240. 36 BL, Cotton MS Caligula D VII, fols 9–17 [LP, II ii, 4304]; Thomas Rymer (Ed.), Foedera, Litterae, Conventiones etc. 20 Vols. London 1727–1735, Vol.13, 609 [LP II ii, 4293, 4304].

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til the full sum had been paid. Problems arose with these arrangements almost from the outset. Henry expected six hostages, but Francis initially offered only four and downplayed their significance as hostages. In January 1519 Henry heard reports that the hostages Francis proposed to send him were: „Not of hes [Francis’s] chamer afor nhow but only the wone and all so that thay war not parssonagges that the frynche kyng did favar grettle.“ 37

Henry immediately refused to accept them. The importance of the French court office of gentilhomme de la chambre, created by Francis I for some of his closest companions, had recently been impressed upon Henry. A number of these gentilshommes had been included in the French delegation to England in 1518. They had quickly been singled out by Henry for particular and distinguishing favour. The office became the model for the English court office of „Gentlemen of the King’s Privy Chamber“. Knowing, therefore, the high status these French courtiers enjoyed, Henry could not accept men who were less valuable to Francis than his own young companions were to him. Wolsey immediately ordered the English ambassadors in France to obtain the best hostages possible. He explained why this was so important: „For to this point all other princes take special regard; Whereupon, and [i.e. not] only, dependeth the surety of the conventions, but also the stopping of the dishonourable bruits which, by the acceptation of insufficient hostages might be spread all over; which is more to the pondered than the importance of Tournay or any other thing thereupon depending.“ 38

Here is the language of masculine honour as form of precise exchange which rapidly characterised all dealings between these two kings. Wolsey’s extraordinary statement foregrounds the personal status of the king and makes his credibility as an honourable nobleman a matter of greater significance than his acquisition, or ceding, of conquered territory. Moreover, the „any other thing thereupon depending“ to which Wolsey referred was the recently signed Treaty of London and consequently the universal peace upon which his hopes for Henry rested. Wolsey’s remarks seem to be either unwarranted hyperbole, quite surprising in carefully drafted ambassadorial instructions, or a clear indication that, as Peter Gwyn argued, Wolsey really

37

Suffolk to Henry, undated but early 1519; BL, Cotton MS Titus B I, fo.388 [LP, III i, 14].

38

Wolsey to Bishop West, 12 and 14 January 1519, in: John Strype (Ed.), Ecclesiastical Memorials Relating

to Religion and the Reformation of it etc. 3 Vols. London 1822, Vol.1, Part i, 32–34; BL, Cotton MS Caligula E I fos. 209, 211 [LP, III i, 15, 24].

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did regard the maintenance of the king’s honour as a king and warrior as central to Henry’s success in international affairs. 39 Wolsey encouraged Henry’s view that the sale of Tournai and his holding French hostages constituted Francis’s public acknowledgement of Henry’s commanding status. The opportunity to purchase the city was the reward for this acknowledgement. Eventually Francis I agreed to send eight hostages, the first of a total of about 21 young men who stayed at the English court for short periods between 1519 and 1521. Many of them were gentilshommes de la chambre to Francis. 40 The return of Tournai to France then proceeded in February 1519 and the English were particularly determined that the procedures and ritual for the handover were to reflect on Henry as a victorious general in war and a magnanimous prince in peace. Not surprisingly, the French, who were paying good money for the city, resisted any attempt to acknowledge its return as any sort of act of generosity on Henry’s part. On Thursday 8 February the English commissioners for the return acknowledge the receipt of 26, 315 livres, 30 sous tournois, the first instalment of payment from Gaspard de Coligny, seigneur de Châtillon who was commissioned to receive the city. 41 He was a marshal of France, one of its leading military officers, and came to Tournai with a large retinue of 2,100 men at arms. When requested to show his commission to Charles Somerset, the earl of Worcester, the chief English representative, he refused. He was told by Sir Edward Belknap that Worcester must see the document for proof that: „You by your indenture [to the instructions] sealed with your seal of armes shall confesse that you receive the citie as a gift and not rendered as a right to the kyng your Master or els be you sure that the citiee shall not be delivered.“ 42

The English maintained their position in the face of Châtillon’s heated response. He eventually complied but was, according to Hall, „wondrous wroth that he was not better believed“. Later that day he again tried to assert the honour of Francis by making a triumphant entry to the city, as the representative of a victorious king. Bishop Nicholas West, the third of the English commissioners, objected strongly

39 Peter Gwyn, The King’s Cardinal. London 1992, 93–94, 98–103. 40 Glenn Richardson, Entertainments for the French Ambassadors at the Court of Henry VIII, in: Renaissance Studies 9/4, 1995, 405–415. 41 Henry VIII’s Letters Patent surrendering Tournai, dated London 20 January 1519; TNA, PRO 31/8/137, fo. 105 [LP, III i, 29]. See P. Marichal (Ed.), Catalogue des actes de François Ier. 10 Vols., Paris 1887–1910, Vol.1, 905, 931; Vol.5, 17, 204, 17, 031 for Francis’s instructions to receive the city. 42 Hall, The Union (note 2), 596f.

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that „it shuld not stand with the kyng my maisters honor to suffer eny man to entre [...] in such man[ner] or wise like a conqueyror“. 43 The herald Clarenceux King of Arms was sent to remind Châtillon that: „The cite was neither yelded nor gotten, but delyvred for confedercaion of marriage, and therefore thei should not entre with banners displayed.“ 44

Once again Châtillon was forced to back down and the transfer was eventually completed. 45 Tensions over the hostages and other issues continued throughout 1519 not least because in the summer both kings competed unsuccessfully against each other and against Charles of Spain to succeed Maximilian as the Holy Roman Emperor. 46 They were well entertained and accompanied Henry during his progress through Essex and Kent in the summer of 1519, one of the most elaborate Henry had yet made. Queen Katherine entertained her husband and his entourage at the manor of Havering-in-the Bower and in September the king showed off his first major piece of architectural patronage to the French hostages. This was the „costly mancion“ of Beaulieu or Newhall in Essex. There he gave his guests a fine banquet followed by a masque. Conscious of the opportunity to show off his masculine prowess before the courtiers of his great rival, Henry danced enthusiastically in the company of four of the French hostages. On this occasion two groups of masquers danced in front of the ladies of the court. The first, a group of older men, danced in white beards made of silver but, as Hall reports, they „danced with the Ladies sadly“, that is rather seriously „and communed not with the ladies after the fashion of Maskers“. A second group of twelve younger men, including the king and the four Frenchmen, then followed, dancing in costumes of yellow satin and green and, in contrast to the former group:

43

West to Wolsey, Tournai, 12 February 1519; BL, Cotton MS Caligula D VII, fo. 94 [LP, III i, 74].

44

Ibid; Hall, The Union (note 2), 596.

45

TNA SP1/18, fos. 25–39; Charles. G. Cruickshank, The English Occupation of Tournai 1513–1519. Oxford

1971, 254–260. The fortress of Mortagne, under the stewardship of the Flemish seigneur de Ligne, was also returned. 46

Pace to Wolsey dated 1 and 2 March 1519; TNA, SP1/18 fos. 50–2 [LP, III i, 103, 104]; Giustinian to the

Venetian Signory, 26 February 1519; Rawdon Brown (Ed.), Calendar of State Papers and Manuscripts Relating to English Affairs, Existing in the Archives and Collections of Venice etc. 9 Vols. London 1864–1898, Vol.2, 1168.

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„every Masker toke a ladie and daunsed; and when they had daunsed and commoned a great while their visors were taken of, and then the ladies knew them.“ 47

Once more the king distributed gifts at the end; not, this time, gold letters ripped from his clothing, but „many brooches and proper giftes“, given to the ladies. While at Newhall, Hall reports that Henry „did shote, hunte and ronne daily with the hostages to their grete joye“. 48 His generous treatment of them expressed his own honour and he knew that his guests were themselves honour-bound to make a good report of him to their sovereign at their return to France. Political difficulties notwithstanding, according to Edward Hall the French hostages in England „moved, stirred required the kyng to passe the sea and to mete with the French kyng their Master“. 49 This, Henry was committed to do by the Treaty of London and when he finally did so in June 1520 the message delivered to the French over Tournai was repeated by Henry and the entire English entourage on a grand scale at the most spectacular international meeting of the 16th century – The Field of Cloth of Gold. Contrary to popular belief, this event was not a peace conference as such, nor a celebration of peace for its own sake in any modern sense. It was a tournament at which Henry and Francis personally inaugurated their alliance agreed under the 1518 Treaty of London. The formal protocols for the event provided that every visit, every entertainment, every gift, and every compliment made by one monarch to the other was to be matched in kind and value. Wolsey had to enable both monarchs to indulge what was something of an illusion, but a very important illusion, namely, that each met the other on his own terms. Each could then celebrate the possibility of peace between them as a token of his own political and personal superiority over the other and a warning to the other not to upset the status quo. The two kings met on the evening of 7 June 1520. There was no overall theme or allegorical setting for the tournament itself which began two days later, but the detailed descriptions of the event by Edward Hall and the Venetian ambassadors indicate that, as was customary, the participants wore a complex array of colourful costumes. Henry’s proclaimed his personal valour, bearing, ancestry, rank and ambitions. On the first of the four days on which he jousted, his garments and horse’s

47 Hall, The Union (note 2), 599. 48 Ibid. 597–599. See also SP1/19 fos. 5–6 for Richard Gibson’s accounts for the New Hall masque. 49 Ibid. 569.

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bard were of russet velvet decorated with „water work“ or waves made of damask gold. These decorations were interpreted by Hall and others as signifying mastery over the waters of the Narrow Sea. On Wednesday 13 June, Henry’s clothes were embroidered with lozenged eglantine flowers of gold. The eglantine is the native rose of England and according to Hall it was: „swete plesant and grene if it be kyndely and friendly handled, and [but] if it be rudely delt with it will pricke and he that will pull up the whole tree by the top, his handes will be hurte.“ 50

On Saturday 16 June Henry wore a garment, the border of which was decorated with the phrase „God willing, my realm and I […]“ 51, left pointedly unfinished. A full review of the many banquets and festivities on this occasion lies beyond the scope of this chapter, but they concluded on Sunday 24 June when Henry left Guines for Ardes and a final banquet, disguised, and in the company of 40 maskers in four companies. The first masker of the first company is not named by Hall, but it was presumably Henry himself, who was dressed as Hercules – complete with a club covered with green damask and a lion’s pelt made of cloth of gold of damask and ears of flat gold. 52 In Renaissance art, Hercules was principally a figure of masculinity in its prime. He was cast as an assertion of the superiority of the active life over the contemplative and was particularly associated with noble action. Hercules was also of course a demi-god and therefore above even the most heroic of mortals. 53 Hercules led in the Nine Worthies; Hector, Alexander, Julius Caesar; David, Joshua and Judas Macabeus, together with Charlemagne, King Arthur and Godfrey de Bouillon. By 1520 these figures were recognised representations of heroic chivalry throughout sixteenth-century Europe. They had preceded King Henry VI in his triumphal entry to Paris in 1431. Caxton wrote of them in his Morte Darthur in 1485 and in 1520 Lucas van Leyden produced a series of engravings of the nine. 54 It is reasonably clear, without need of elaborate over-analysis, that the deployment of these

50

Ibid 613.

51

Richardson, Entertainments for the French Ambassadors (note 40).

52

Hall, The Union (note 2), 618–620; Glenn Richardson, The Field of Cloth of Gold. London 2013, 107–140.

53

Edmund Dickerman/Anita Walker, The Choice of Hercules: Henry IV as Hero, in: The Historical Journal

39/2, 1996, 315–337, 317. 54

John L. Nevinson, A Show of the Nine Worthies, in: Shakespeare Quarterly 14/2, 1963, 103–107. In 1608

the London scrivener Thomas Trevelyon included illustrations of the Nine Worthies in his commonplace book.

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well-known figures of soldierly courage and generalship at the concluding masque was intended to authenticate the meeting’s overtly chivalric nature and to compliment the ancient heritage of England and France as Christian nations led by chivalric warrior-kings.

V. Conclusion Henry VIII’s natural talent for demanding physical activity as a young man was, from the outset of his reign, exploited quite self-consciously by the king to impress those around him as the ideal incarnation of aristocratic manhood. He habitually drew attention to his own athleticism. His audiences were his own close companions, the lesser courtiers and the crowds of the population who sometimes watched him joust and, perhaps most important of all, the ambassadors of his fellow princes. The king was constantly on show in his early years. On the tournament field, in the banqueting hall and in battle, the king’s strenuous participation in activities that required both strength and dexterity achieved its apparent aim. In the context of his competitive relations with Francis I. in particular, but not exclusively, the king and his advisors, his armorers, his artists, musicians and revels masters, were alert to new forms of presenting him as a paragon of masculine virtue. The younger Henry VIII of the first twenty years of his reign thus has an important place in the history of the presentation of the monarch’s face and physique as a source of both wonder and reassurance to the subject. In the years leading up to the break with Rome, this remained the dominant mode of presenting the king. Thereafter, however, as Henry aged and as his regime implemented the royal supremacy, his heroic status was articulated in the new language and imagery of biblical kingship. His masculinity was, if anything emphasised even further as he acquired that great bulk for which he is now famous. This solidity Holbein handled so masterfully in creating in 1537 what has virtually become Henry VIII’s trademark; the mural of the king in the Privy Chamber in the palace of Whitehall.

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François Ier – roi-chevalier vaincu et captif Ou de l’usage de l’éthique chevaleresque pendant l’année de Pavie, 1525–1526 par Jean-Marie Le Gall

Il y a en apparence un paradoxe, sinon une provocation à évoquer la figure du roi chevalier à partir de l’épisode de la défaite de Pavie, où le souverain fut vaincu entre autre par un féodal rebelle, Charles de Bourbon, puis capturé, tandis qu’une grande partie de la chevalerie française était décimée. Cette défaite qui installa la pax hispanica sur l’Italie et amorça le dégagement français de la péninsule fut rétrospectivement présentée comme la mort de la chevalerie française tandis que triomphait la puissance de l’infanterie de piquiers des tercios espagnols. 1 Pourtant, en 1532, dans son grand roman chevaleresque, „Roland furieux“ dont le succès sera européen, l’Arioste évoque la défaite française qui lui permet tout à la fois d’expliquer que „le lys ne prendra jamais en Italie“, et de vanter la vaillance du souverain. Honneur au vaincu, en quelque sorte. Le succès n’est pas en effet le critère ultime de la chevalerie, même si celui qui perd souvent ne gagne pas une réputation de chevalier. Mais en ce début du XVIe siècle où la chevalerie désigne l’élite nobiliaire qui fait la guerre, le résultat des combats sert à jauger le grand capitaine, plus que le chevalier. Celui-ci se distingue avant tout par ses qualités individuelles, sa vaillance, son courage et ses prouesses. Rien alors d’incompatible entre la défaite ou l’échec et l’héroïcisation chevaleresque. Au contraire, même. „La chanson de Roland“ décrit un vaillant chevalier qui perd la vie, certes en repoussant l’ennemi, ce qui n’est pas le cas de François Ier en 1525 qui garde la vie et l’honneur mais perd la bataille et devient captif du vainqueur. Mais, l’un comme l’autre, par la perte de l’existence ou de la liberté sont des figures de l’échec et en même temps de l’héroïcité. Comme les héros de l’Antiquité ou comme

1 Sur la chevalerie, on renvoie aux travaux et notamment à la stimulante synthèse de Jean Flori, La chevalerie. s.l. 1998. Voir aussi Sydney Painter, French Chivalry Ideas and Practices in Medieval France. Baltimore, Md. 1994. À propos de Pavie voir Hervé Drévillon, Batailles. Scènes de guerre de la Table ronde aux tranchées. Paris 2007, 75–94.

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le Christ vaincu par la mort avant de ressusciter, le chevalier vaincu est une figure ambiguë où l’adjectif n’altère pas le substantif mais le conforte. L’échec sublime l’essence chevaleresque. En même temps, tout praticien des sciences sociales ne peut qu’être méfiant devant l’essentialisation d’un groupe social qui est avant tout une construction sociale. Notre propos n’est donc pas de montrer que la défaite n’a pas altéré l’image chevaleresque du monarque, mais comment elle a servi à la construire, refusant ainsi le livre anachronique, même si épique, de Giono qui oppose un François Ier chevalier à un Charles Quint bourgeois cauteleux, allemand et machiavélique. Dans ce livre qui suinte le nationalisme revanchard, publié dans une collection qui peut alimenter le grand roman national Giono envisage la chevalerie comme une essence et non comme une des postures discursives que le vainqueur et le vaincu vont alternativement adopter. Comme l’a souligné Denis Crouzet, la culture chevaleresque revivifiée par les humanistes est à comprendre comme un jeu d’une grande plasticité visant à permettre l’adaptation du chevalier à la fortune et à la préservation de son honneur. 2 En outre, Pavie ne fut pas seulement une journée. Ce fut une année, marquée par des tentatives infructueuses d’assaut de la ville, suivies d’un siège, puis enfin une bataille où le roi fut capturé et soumis à plusieurs mois de captivité. Dans toutes ces épreuves et succès qui sont aussi essentiels pour la monarchie espagnole que pour celle du très chrétien, se décline la figure de l’honneur chevaleresque. Ainsi lorsque conscient de ne pouvoir remporter la ville par assaut, François Ier se résout à l’assiéger, car il ne convient pas qu’un roi de France renonce à une ville qu’il a convoitée. Il y va de son honneur. 3 Depuis la guerre de Troie, il n’y a pas de plus grand exploit pour un héros que de conquérir une cité. Cependant, ici, nous évoquerons principalement la séquence qui commence le jour de la bataille et s’achève au retour du souverain en France. Afin de montrer que l’éthique chevaleresque n’est pas qu’une praxis de la bataille ou un habitus qui régit le rapport aux femmes, mais aussi une posture adoptée dans les relations diplomatiques pour se justifier ou accuser l’adversaire.

2 Denis Crouzet, Charles de Bourbon, connétable de France. Paris 2003. 3 Sébastien Moreau, La prinse et délivrance du roy, venue de la Royne, seur aisnée de l’empereur et recouvrement des Enfants de France, in: Archives curieuses de l’histoire de France, 1ère série, t. 2. Paris 1835, 278.

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I. Le chevalier loué Bien des récits de la bataille, qu’ils soient le fait de partisans du roi ou d’adversaires vantent son attitude héroïque. Le roi s’est battu, à cheval, puis son destrier abattu, à pied. Le chevalier ne déroge pas en descendant de cheval. Ce n’est pas la première fois. Le 9 novembre 1524 lors d’un assaut contre Pavie, il avait participé à l’engagement des fantassins avec d’autres gentilshommes pour „dando ardire a suo soldati“. 4 Lors de la bataille, il a aussi été blessé, preuve de sa résistance. Durant tout le combat, il est reconnaissable à son habit selon Brantôme alors que Bourbon, figure du traître, est revêtu d’un habit qui le dissimule. 5 Ceci étant, dans la furieuse mêlée, le roi ressemble probablement à n’importe quel chevalier. Oznaya rapporte que les trois soldats qui lui ont pris successivement des gages pour le protéger contre les fantassins qui veulent exécuter l’homme à terre ne l’identifient pas d’emblée comme le roi. Pescara a en effet interdit tant que la bataille ne serait pas achevée de faire des prisonniers, de prendre des chevaux et des joyaux et a ordonné de tuer les cavaliers pour terroriser l’adversaire. Il faut terroriser et éviter que les ressorts de l’économie de la rançon ne perturbe la dynamique de la bataille. 6 Certains chevaliers le paient de leur vie, comme La Palisse qui s’est rendu contre rançon à un capitaine, mais qui est tué par un arquebusier. 7 Le champ de bataille voit s’affronter outre des armées, des nations et des armes qui n’obéissent pas à la même éthique et qui n’appartiennent pas aux mêmes strates sociales. Monsieur de la Mothe, gentilhomme français de l’entourage du connétable de Bourbon est le premier qui reconnaît le roi et qui comprend que la troupe ne sait pas qu’elle est en face de lui. L’apprenant, tous les soldats cherchent alors chercher à s’emparer des effets, non d’un chevalier mais d’un monarque, qui sont autant de reliques. Vaincu par le nombre, le souverain s’est en effet rendu et a eu la vie sauve dans l’honneur comme il l’écrira à sa mère. L’honneur n’est pas dans la recherche de la mort mais dans la défense de la vie, même s’il n’est pas écarté qu’un chevalier préfère 4 Marino Sanudo, I Diarii di Marino Sanuto dal 1496 al 1532. Éd. par R. Fulin et al. T.37. Venise 1893, col. 175, 220. 5 Brantôme, Œuvres complètes. Éd. par Ludovic Lalanne. T.3: Grands Capitaines François. Paris 1867, 140. 6 Juan de Oznaya, Batalla de Pavia, y prision del rey di Francia Francisco I, in: Colección de documentos inéditos para a historia de España [CODOIN]. T.38. Madrid 1861, 289–403, 566. 7 Ibid. 382.

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la mort au déshonneur. Mais nul n’a fait le reproche à François Ier d’avoir préféré la vie car il s’est bien battu. Le chanoine parisien Guillaume Crétin qui mourut en novembre 1525 a chanté dans des vers alors restés manuscrits la vaillance d’un souverain qui fut „pris non en lasche fuyant mais comme un preux“, un nouveau Roland ou un nouvel Hector. 8 Mais l’hommage vient aussi de ses adversaires. Dans „La bataille faicte par dela les monts“ et parue à Anvers en 1525, donc dans les domaines du vainqueur, il est écrit: „le roi de France se defendoit merveilleusement et fist tout son devoir“ avant d’énumérer la liste, tant de fois diffusée et recopiée, des chevaliers morts à Pavie, tous gens titrés et biens nés. L’allemand Georg Frundsberg dans sa lettre à Ferdinand dit que le roi a combattu avec ardeur. Les vainqueurs ont respecté la bravoure du vaincu et lui ont évité l’entrée humiliante dans la ville qu’il avait tant de fois menacée de mettre à sac. 9 Le commandant espagnol, le marquis de Pescara, selon Giovio aurait même pris le deuil de la défaite du Français. Plus tard, Brantôme dira que les Espagnols ont finalement mieux parlé du roi que les Français. 10 Dans la „Vita del marchese di Pescara“, l’Italien Paolo Giovio vante la constance dont le monarque a fait preuve dans le siège puis dans le combat ce qui contraste avec l’inconstance ordinaire des Français qui, selon un ethnotype alors largement répandu, savent briller mais pas endurer. 11 Il a sur les conseils de Bonnivet refusé d’abandonner le siège, malgré les avis contraire. Le jour de la bataille, il s’est battu avec „l’onorata virtu della cavalleria“ exposée à la merci des „fantacini ignobili“. 12 Giovio ajoute même que François Ier aurait voulu mourir. Un ami de Machiavel, Francesco Vettori va plus loin en estimant qu’un capitaine qui organise bien la bataille, qui se bat avec intelligence et vaillance n’est pas à blâmer même si il échoue. C’est toujours plus louable que de rester dans son lit, allusion à peine voilée à l’absence de Charles Quint en Italie pour cause, entre autre, de maladie. 13

8 Guillaume Crétin, L’apparition du mareschal sans reproche feu messire Jacques de Chabannes, in: id., Œuvres poétiques. Éd. par Kathleen Chesney. Paris 1932, 178. 9 Narrazione del pavese Martino Verri, testimonio oculare dei fatti accudati in Pavia e suoi dintorni dal 1525 a 1528 […], in: Il Comune dei Corpi Santi di Pavia a Ca’ de’ Tedioli […]. Éd. par Carlo dell’Acqua. Pavie 1877, 145–208, 165. 10 Brantôme, Grands Capitaines (note 5), t. 3, 140. 11 Angelo Cerri, La battaglia di Pavia, del 24 Febbraio nella storia, nella litteratura e nell’ arte, universitè e cultura, in: Storia di Pavia. T.3: Dal libero comune alla fine del principato independente, 1024–1535, pt. 2. Milan 1990, 96. 12 Ibid. 99. 13 Francesco Vettori, Scritti storici e politici. Bari 1972, 215.

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Dans ce flot d’éloges, seuls des auteurs enclins à défendre l’honneur de Bourbon ont diminué l’honneur du monarque pour mieux exalter celui du connétable. 14 Le chroniqueur bourguignon Macquereau, un bourgeois de Mons, Jehan Bocquet et l’Espagnol Oznaya viennent jeter un doute en affirmant que le roi a cherché à fuir vers les Suisses mais ne pouvant les rejoindre est revenu combattre. Sous la plume de Jehan Bocquet qui accuse en outre le roi d’avoir abandonné La Trémoïlle, c’est un manque d’honneur. Mais chercher à se sauver est-il toujours un reproche? Comme dit un acteur de la bataille, Monluc, dans ses Commentaires, „il n’y a pas moins d’honneur de faire une belle retraite qu’aller au combat“. 15 Toutefois, cette retraite fait débat car un autre participant de la bataille, Florange avoue que jamais le roi ne chercha à se retirer. 16 Il est probable que cette accusation entendait répondre à celle que la propagande royale avait diffusé suite à la fuite de Bourbon hors de Provence en septembre 1524, après l’échec de Marseille. 17 Il avait préféré la fuite au combat. Vaillant chevalier, François Ier ne fut donc que victime de l’infortune. Ce thème est largement partagé et répandu par Guillaume Crétin, par l’Arioste ou par Giovio qui dans sa vie de François Ier comme dans celle de Pescara défend l’idée que la fortune a été injuste envers les vertus du roi. Son infortune est indigne de sa personne. La même idée se trouve partagée par un bourgeois de Sens dans sa chronique. Cette invocation de la roue de la fortune est une manière de concilier l’héroïsme princier et la déroute en évitant d’évoquer la responsabilité royale dans celle-ci. Voilà qui dispense le monarque d’une autocritique à laquelle il est peu enclin. Il n’aimait pas qu’on lui rappelle les fautes commises durant cette campagne, comme s’il était un chevalier irréprochable. 18 Il préférait selon Oznaya accuser les arquebusiers espagnols d’avoir décimé la chevalerie française avec leurs armes peu chevaleresques. Et peu importe si nombre de piétons espagnols sont des hidalgos et que les piques ont fait plus de victimes que les lentes arquebuses. Le roi a aussi épousé la posture du chevalier abandonné et trahi par les siens afin de mieux apparaître comme celui qui a le monopole de la gloire, avec les morts comme La Palisse ou La Trémoille. Rien n’est pourtant moins vrai. Un témoin, Oznaya 14

Crouzet, Charles de Bourbon (note 2), 502–503.

15

Blaise de Monluc, Commentaires, 1521–1576. Éd. crit. établie par Paul Courteault. Paris 1964, 39.

16

Robert de La Marck, sieur de Florange, Mémoires du maréchal de Florange, dit le jeune adventureux. Éd.

par Robert Goubaux/P.-André Lemoisne. T.2. Paris 1924, 232.

132

17

Crouzet, Charles de Bourbon (note 2), 503, 508.

18

Brantôme, Grands Capitaines (note 5), t. 3, 154.

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écrit: „Quand la nouvelle de la capture du roi se répandit parmi la troupe nombre de chevaliers français qui se trouvaient déjà hors de portée des Espagnols retroussèrent chemin volontairement pour se constituer prisonniers, promettant de fortes rançons aux Espagnols et affirmant que Dieu jamais ne pourrait permettre qu’ils rentrent en France sains et saufs alors que le roi restait prisonnier.“ 19 Et pourtant, la rumeur d’une défection de chevaliers fuyards se propage. Le monarque lui même alimente cette idée dans les poésies écrites en captivité. 20 Non content d’accuser la flotte française de ne s’être pas emparée de Sicile, les chefs de son conseil d’avoir transformé sa félicité en infélicité, Bonnivet de lui avoir désobéi et Albany de n’être pas rentré assez vite de la diversion napolitaine, le roi s’en prend au départ des Suisses non payés avant la bataille, et plus encore à ceux qui lors de celle-ci ont „délaissé honneur et vertus“, abandonnant „honneur, pays, amys et leur roy“. Celui-ci au contraire a préféré le risque de la mort et de la prison à la fuite honteuse. Le monarque vaincu n’est pas seul à accuser la lâcheté des siens. Monluc qui était à Pavie écrit dans ses Commentaires que certains „firent mal leur devoir, même en présence du roi“. 21 Un autre acteur de l’évènement, Florange avoue que „si tous ceulx qui estoient avec lui eussent faict comme luy, ses besoignes se fussent mieulx portées“. 22 A Paris, le chanoine Guillaume Cretin, qui meurt en novembre 1525 a le temps, dans des vers demeurés alors manuscrits, de fustiger les prisonniers qui ne se sont pas assez battus et ceux qui, plutôt que d’affronter la mort sur le champ de bataille, l’ont trouvé en se noyant dans le Tessin. Le roi vaincu et captif est donc comme un reproche vivant adressé à la chevalerie française, au traître par excellence qu’est Bourbon mais aussi au duc d’Alençon, qui, véritable Grouchy de cette affaire, serait mort de remords quelques semaines après la capture de son royal beau-frère. Quelques années plus tard, Guillaume Postel répandra même l’idée saugrenue qu’Alençon aurait tenté de se suicider mais qu’il s’était retiré en ermite en Italie comme pour expier son abandon du roi. 23 Mais la chevalerie n’est pas seule en cause. Du Bellay rappelle que les Grisons ont quitté le camp pour aller secourir Chiavenne assailli par un allié de

19 Oznaya, Batalla de Pavia (note 6), 394. 20 Ces poésies sont éditées. François Ier, Œuvres poétiques. Éd. crit. établie par June E. Kane. Genève 1984. 21 Monluc, Commentaires (note 15), 44 22 Florange, Mémoires (note 16), 213. 23 Guillaume Postel, Paralipomènes de la vie de François Ier. Éd. par François Secret. Milan 1989.

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Charles Quint. 24 Et il accuse les Suisses de ne s’être battus à la différence des lansquenets. Dans le Gargantua, au chapitre 37 Rabelais répandra cette dénonciation des „fuyards de Pavye“ qui ont abandonné leur prince alors qu’il est „plus honorable mourir vertueusement bataillant que vivre fuyant villenement“. Dolet va encore plus loin dans son commentaire de la langue latine de 1536. „Rex gallus ad Ticinensem agrum in hostius manus proditione venit.“ 25 Le roi est tombé aux mains de l’ennemi par trahison. Un bourgeois de Marseille, Valbelle accuse les nobles d’avoir trahi le roi par fidélité à Bourbon! Il dénonce aussi son conseil, et les Suisses de sorte que seul le roi a droit à des louages pour s’être montré aussi digne qu’Olivier ou Roland. 26 Cette analogie entre ces preux chevaliers des chansons de geste ou romans de chevalerie et le roi défait se retrouve sous la plume de Guillaume Crétin ou de Moreau qui affirme que François Ier „feist acte de vray Rollant“. 27 Relatant les tribulations du captif, Moreau rapporte qu’à Valence où le roi a été magnifiquement reçu, les femmes se pâment devant lui et les hommes ne se lassent pas de se raconter les exploits de ce nouveau Roland. Un roi qui s’est battu en chevalier reste un roi et un chevalier, loué par les hommes, désiré par les femmes, malgré son échec. On voit comment toute une opération de monopolisation de la gloire chevaleresque par le monarque suppose l’humiliation symbolique des aristocrates et autres gentilshommes. Il serait cependant excessif d’opposer un roi chevalier à une noblesse déloyale. Nombre de lettres ou de récits présentant la bataille dressent la liste des vaillants chevaliers trépassés ou blessés au champ d’honneur. Ainsi un bourgeois de Sens énumère dans sa chronique certains morts insignes de Pavie en soulignant „qu’ils ont acquis gloire et renommée immortelle“. 28 Faut-il penser que la mort des vaincus souligne la trahison de ceux qui ont survécu? L’affaire de Pavie vient en fait jeter une ombre sur l’image traditionnelle d’une noblesse fidèle à son roi, comme elle l’a montrée en ne s’associant pas à la „trahison“ de Bourbon. Evoquant celle ci, Du

24

Guillaume et Martin Du Bellay, Mémoires. Éd. par V.-L. Bourrilly. T.1: Mémoires de Messire Martin Du

Bellay, 1513–1525. Paris 1908, 349, 354. 25

Etienne Dolet, Commentariorum linguae latinae tomus primus. Lyon 1536, fol.4v.

26

Honorat de Valbelle, Histoire journalière, 1598–1539. Éd. par V.-L. Bourrilly et al. Aix-en-Provence 1985,

146–147. 27

Sébastien Moreau de Villefranche, Histoire de la prinse et délivrance du roy, venue de la royne et recou-

vrement des enfants de France, in: L. Cimber/F. Danjou (Eds.), Archives curieuses de l’histoire de France. Série 1, t. 2. Paris 1835, 251–451, 283. 28

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Cronique du roy François premier de ce nom. Éd. par Georges Guiffrey. Paris 1860.

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Bellay n’affirme-t-il pas que „le naturel du Français est de n’abandonner jamais son prince“. 29 Enfin, l’Arioste accusera l’argent des soldes d’avoir été détourné par des ministres malhonnêtes donnant l’impression au roi qu’il avait plus d’hommes qu’en réalité. 30 Cette prévarication prendra quelques années plus tard le visage du grand argentier, Semblançay pendu à Montfaucon. 31 Cette héroïcité chevaleresque de François Ier, rehaussée par les défections, trahisons et lâchetés, suffit-elle cependant à estomper toute mise en cause de sa responsabilité dans la déroute? Rien n’est moins sûr. Le chanoine parisien et grand rhétoriqueur Guillaume Crétin tout en louant la vaillance du monarque n’en dresse pas moins un réquisitoire contre la politique royale d’expansion hors des frontières naturelles du royaume qualifiée de „cornarderie“ vu qu’entre ,,Lombardie et France y a murs seurs“. Outre que c’est péché par excès de présomption et de bravoure, c’est attenter à l’ordre naturel de passer les monts: ,,nostre mère nature a mys contrepoinct des Alpes pour closture et limites à point“. 32 Le roi aurait négligé de protéger le pays en s’engageant en Italie. Il faut que les Français cessent de transgresser leurs limites estiment aussi bien le Parisien Guillaume Crétin que le Provençal Honorat de Valbelle. Cette distinction entre le sort du royaume et celui du souverain vient aussi sous la plume de Juan Luis Vives dans une lettre à Henri VIII du 17 mars 1525, où l’humaniste estime qu’il ne faut pas châtier le peuple de France pour les décisions aventureuses de son roi. 33 Le souverain a eu le soucis de sa gloire chevaleresque plus que du bien commun. Ses qualités de chevalier ont peut-être aussi nui à ses fonctions royales. Florange reproche à François Ier de s’être plus souvent comporté en simple capitaine que comme roi. 34 François Ier, voyant les échecs répétés des assauts contre Pavie en novembre a pris la résolution de faire le siège de la ville. Après coup, Brantôme rappellera que La Trémoille ou Trivulze avaient conseillé au roi de quitter le siège mais que Bonni-

29 Du Bellay, Mémoires (note 24), 317. 30 Arioste, Roland Furieux. Éd. bilingue par André Rochon. T.3. Paris 2000, 321. 31 Valbelle, Histoire journalière (note 26), 271–272. 32 Claude Thiry, L’honneur et l’empire à propos des poèmes de langue française sur la bataille de Pavie, in: Mélanges à la mémoire de Franco Simone. France et Italie dans la culture européenne. T.1. Genève 1980, 297–324, esp. 297, 321. Voir aussi Crétin, L’apparition (note 8), 161–165. 33 Juan Luis Vivès, Obras políticas y pacifistas. Éd. par Francisco Calero. Madrid 1999, 77–79. 34 Florange, Mémoires (note 16), 186.

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vet avait déclaré qu’il ne pouvait décamper sans perdre la face. 35 Les chimères chevaleresques et un honneur orgueilleux auraient annihilé toute lucidité et toute prudence chez le roi. Dans une lettre à son épouse du 27 novembre 1524, le comte de la Somaglia rapporte l’entretien qu’il a eu avec François Ier pour savoir s ‘il fallait qu’il regagne mettre Milan en défense alors qu’arrivent les lansquenets allemands au service de l’empereur. Pour affirmer sa détermination, le roi lui aurait alors déclaré qu’il préférait mourir ou perdre son royaume que d’abandonner Pavie. 36 L’honneur chevaleresque l’aveugle au point de lui faire oublier son devoir de monarque. Le 10 janvier 1525, il propose à Pescara et à Lannoy de venir avec le nombre de soldats qu’ils pourront réunir et s’engage à les rejoindre avec les mêmes effectifs pour faire ,,la giornata“. Le vaincu abandonnera l’Italie au vainqueur. Loin de relever du romanesque, ce combat ordalique entend démontrer la bonne foi d’un monarque qui vient de conclure un traité avec le pape où il s’engage à défendre la chrétienté et notamment la Hongrie contre le turc. 37 En refusant la rencontre, les impériaux montrent qu’ils sont des couards qui n’ont pas le sens de l’intérêt de la chrétienté. Le comportement chevaleresque du roi n’est cependant pas si irrationnel ni imprudent. Il sait faire preuve de patience en hésitant selon les circonstances entre l’assaut, le siège, voire les pratiques pour obtenir Pavie. 38 Début décembre, devant l’échec des assauts meurtriers et persuadé que les assiégés manquent de vivre et d’argent et vont se rendre bientôt, il s‘adresse aux fantassins afin de calmer leur empressement à vouloir se battre pour faire du butin, au risque de tout gâcher: „Si je ne regrette pas la dépense de vous payer, ne regrettez pas davantage d’attendre car je veux avoir Pavie sans laisser aucun d’entre vous mourir.“ 39 Lorsqu’en janvier les impériaux se dirigent vers Pavie, le roi hésite entre donner bataille ou les attendre à Pavie et se résout à ce choix ne voulant pas mettre son armée ,,in mano de la fortuna“. 40 Il ne redoute pas la bataille mais attend qu’on vienne la lui donner car il ne veut perdre

35

Brantôme, Grands Capitaines (note 5), t. 2, 375–376.

36

„Mi disse che piu presto deliberava de morire et perder il reame di Franzia che lassar l’impresa de Pa-

via.“ I diarii di Marino Sanuto (note 4), t. 37, col. 272. Voir aussi ibid. col. 339. 37

Ibid. col. 422, 435, 462.

38

Sur les pratiques, voir ibid. col. 250, 311, 323, 327, 394. Le roi est cependant réticent à accepter une red-

dition sous condition. Ibid. col. 359, 363, 372. 39

„Se a me non inscresce la spesa di pagarvi non incresca anco ad voi di aspectare perche voglio avec Pa-

via senza lassar morir alcuno di voi.“ Ibid. col. 298. 40

136

Ibid. col. 470, 477, 480.

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l’occasion de la victoire. 41 Le 2 février, un observateur constate de nouveau que les Espagnols veulent tenter la fortune par une bataille mais que le roi attend, car il veut être assuré de la victoire et ne veut hasarder son armée dans une fausse fortune: „Ma el re si aspecta volendo la vittoria certa di non fare experientia dil suo exercito et commettersi alla fallace fortuna.“ 42 Alors que les Impériaux viennent de faire une première entrée dans le parc de Pavie le 4 février, le duc d’Urbino qui dirige l’armée vénitienne trouve merveilleux cette patience des Français à refuser la bataille, alors qu’ils sont ordinairement de natura focosi. 43 L’adversaire de François Ier, le vice-roi de Naples, Lannoy est pleinement conscient que le monarque ne cherche pas l’affrontement direct mais l’épuisement financier de l’armée impériale comme il le confie dans une lettre à la gouvernante des Pays Bas du 21 février 1525: „Par faulte d’argent nous serons forcé nous rompre sans qu’il nous combatte.“ 44 Conscient de ses forces et de ses moyens, François Ier a su se montrer patient et la bataille lui a été imposée plus qu’il ne l’a engagée à la légère. Il n’est pas un chevalier fougueux et irresponsable par souci du beau geste. A-t-il fait alors de mauvais choix tactiques lorsqu’elle éclate? Du Bellay lui reprochera d’avoir lancé la gendarmerie trop tôt. 45 Un dernier reproche, politique lui, est enfin adressé à ce roi chevalier. André de Vivonne grand sénéchal du Poitou et grand-père de Brantôme reprochera directement à François Ier de n’avoir pas su gagner le coeur de sa noblesse en ayant une dilection trop partiale pour Bonnivet. L’échec de Pavie serait la conséquence du règne d’un favori. Par une prédilection trop exclusive envers l’amiral, le souverain aurait en quelque sorte manqué à son devoir de roi justicier tenu d’appliquer une équitable justice distributive entre ses nobles. 46 Malgré la capture et la défaite, nul ne doute du comportement chevaleresque du roi. Mais sa mise en exergue, qui est un moyen de souligner les manquements de certains à l’éthique du service chevaleresque envers leur suzerain, n’empêche cependant pas une critique de la responsabilité d’un homme qui s’est conduit en chevalier, plus qu’en capitaine et surtout plus qu’en souverain devant protéger son peuple contre la menace étrangère et devant se communiquer équitablement à sa noblesse. 41 Ibid. col. 491, 497. 42 Ibid. col. 523. 43 Ibid. col. 535. 44 Léon Halkin/Georges Dansaert, Charles de Lannoy. Vice-roi de Naples. Bruxelles 1934, 262. 45 Du Bellay, Mémoires (note 24), 355 46 Brantôme, Grands Capitaines (note 5), t. 3, 154.

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II. Le chevalier bafoué ou éprouvé On aurait tort de limiter l’investigation de la figure du souverain chevalier au champ de bataille. Cet habitus et cette rhétorique s’expriment dans d’autres circonstances. Tout au long de cette année de Pavie, la stratégie discursive et la posture de François Ier consistent à montrer que son vainqueur et geôlier manque à ses obligations chevaleresques envers lui. La chevalerie est invoquée contre la raison d’état et une politique de l’intérêt conduite par des juristes comme Gattinara. Cette posture de chevalier outragé est endossée pour faire pression sur Charles Quint. Une guerre de signes est engagée. La guerre chevaleresque nourrit une économie de la rançon. Les mois durant lesquels les deux armées se sont fait face ont été émaillés d’escarmouches à l’occasion desquelles des chevaliers ont été capturés de part et d’autre et mis à rançon. François Ier n’entend pas être traité autrement que n’importe quel chevalier. Il demande à être mis à rançon, même élevée vu son rang, et comme les souverains ses aïeux tel Jean II le Bon. 47 C’est un signe d’honorabilité car les simples soldats, comme Monluc, ne sont pas mis à rançon. „Le roi chevalier ne peut pas ne pas être rançonné […] la finance est la conséquence logique de la vaillance“ comme l’écrit Philippe Hamon. 48 Mais dès le 27 mars, dans sa lettre au vice roi de Naples, Lannoy, Charles Quint interdit la mise à rançon du roi de France, du roi de Navarre, de Montmorency et du comte de Saint Pol. 49 Ce refus est une offense pour le chevalier François Ier. Mais ce dernier est aussi un roi et c’est cette qualité et cette fonction que considère Charles Quint. Un monarque, fut il adoubé par Bayard, n’est pas un chevalier ordinaire. C’est un prisonnier politique. Il n’est donc pas question d’échanger la liberté contre de l’argent, ni même d’échange de prisonniers. L’enjeu de la victoire c’est l’honneur de Charles Quint, qu’il place dans la restitution de la Bourgogne, cet héritage patrimonial qui désigne sa maison et où il a manifesté en 1522 le désir d’être inhumé, si malheur survenait, au côté de ses ancêtres, à la chartreuse de Champmol. La personnalité de Charles Quint s’est construite sur le lignage, l’héritage, „habité tout entier par la mémoire des pères“, celui de son bisaïeul Charles le Téméraire dont il porte le nom. 50 47 Florange, Mémoires (note 16), 254. 48 Philippe Hamon, L’honneur, l’argent et la Bourgogne. La rançon de François Ier, in: Revue française d’histoire des idées politiques 1, 1995, 9–38. 49 Halkin/Dansaert, Charles de Lannoy (note 44), 268. 50 Pierre Chaunu/Michèle Escamilla, Charles Quint. Paris 2000, 19.

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C’est comme héritier des ducs de Bourgogne qu’il entend profiter de la victoire en Lombardie. Or la France et son souverain ne veulent entendre parler de restitution territoriale et voilà pourquoi on se garde d’évoquer avant la signature du traité de Madrid la prison de saint Louis ou de Jean II le Bon qui avaient dû céder des territoires. Mais il est manifeste que la posture de chevalier mis à rançon a été adoptée par François Ier afin de chercher à esquiver les conséquences et les revendications politiques sur un souverain tombé aux mains de son adversaire. Mais la posture chevaleresque a aussi été un moyen de minimiser le caractère infâmant et humiliant de la prison, un ressort psychologique pour permettre au très chrétien d’endurer une situation désagréable. Elle n’est tout d’abord pas perçue comme une punition car c’est par la défaite que Dieu a puni le roi. Ensuite, le déshonneur, François Ier le dit dans ses poésies, aurait été dans la fuite, non dans l’acceptation de la prison. Enfin le roi ne cessera de dire qu’il préfère mourir en captivité plutôt que d’accepter une libération déshonorante impliquant l’aliénation du domaine royal. Ainsi dès mars 1525, il informe le parlement de Paris que sa libération n’interviendra pas au détriment du royaume et qu’il est „eureulx pour la lyberté de son pays toute sa vye desmeurer en pryson“. 51 Après la mort frôlée, la captivité compose l’image d’une royauté sacrificielle, dans une imitatio christi. Il va même jusqu’à préparer un acte d’abdication provisoire permettant le couronnement de son fils, au mépris de l’indisponibilité de la couronne. 52 Ce projet est une étape de plus dans l’anéantissement sacrificiel. Incarnation de la nation, au point de porter un prénom qui l’identifie à son peuple libre, François Ier se désincarne en abdiquant pour permettre l’incarnation du royaume dans son fils. Et pour le vainqueur, la prison n’est pas une peine mais un moyen de coercition sur le vaincu qui est un captif de guerre assigné à résidence. L’abdication est toutefois un signal adressé à Charles Quint. En s’anéantissant comme roi, le chevalier prisonnier prive le vainqueur du prix de sa prise. En n’étant plus roi, le prisonnier politique perd de son intérêt diplomatique. Pas plus que défaite et honneur ne sont antagoniques, prison et honneur ne sont incompatibles. Il faut donc s’interroger sur la place que l’expérience carcérale peut avoir dans l’éthos chevaleresque.

51 Aimé Champollion-Figeac, Captivité de François Ier. Paris 1847, 160. 52 Edit portant que le dauphin prendra la qualité de roi, et sera oint et couronné, in: Recueil des anciennes lois françaises […]. Ed. par François-André Isambert et al. T.12. Paris 1828, 237–244.

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La prison peut certes être perçue et présentée comme une offense car elle témoigne d’une défiance. La parole donnée par un chevalier n’est-elle pas une meilleure prison? Certains, souvent acquis à la cause du vaincu, préconisent à Charles Quint de libérer François Ier pour s’en faire un éternel obligé, dans une sorte de don agressif, qui contraint le bénéficiaire par sa générosité même comme l’a analysé Marcel Mauss. Dans sa première lettre à l’empereur François Ier lui demande d’en faire son ami et non un prisonnier inutile et désespéré. Le vainqueur peut par sa magnanimité faire du vaincu son esclave. 53 Il espère que l’empereur lui fera plus „honneur que honte“. En octobre 1525, après avoir frôlé la mort, il déclare encore à Charles Quint ne pas mériter une longue prison étant „prisonnier de bonne guerre“. 54 Jean Lascaris ambassadeur du pape envoyé auprès de Charles Quint ne tient pas un autre discours. L’empereur doit libérer le roi, plutôt que de le tenir captif alors que dans le même temps, il honore un traître, Bourbon. Lascaris estime que Charles Quint doit libérer François Ier et partir avec lui en croisade. 55 Mais Charles Quint n’accepta pas davantage cette libération sur parole que la proposition de rançon. Il réclame imperturbablement la Bourgogne en échange de la liberté. Devant ce traitement, le roi s’est parfois laissé aller à la déréliction. Apprenant les conditions de l’empereur, il aurait selon Oznaya cherché à se suicider et Pescara lui aurait retiré son arme. Charles Quint est conscient de cette situation et fait tout pour atténuer l’épreuve qu’il inflige au vaillant vaincu. Dès le 27 mars 1525, il demande à Lannoy, le gardien du roi, d’éviter qu’il ne soit empoisonné et d’user de libéralité et de grandeur à son égard. 56 Partout où le captif est mené, son accueil est quasi triomphal, comme à Valence. Ferrante Gonzague qui est à la cour de l’empereur relate que François Ier est reçu comme un roi par le duc de l’Infantado, Hurtado de Mendoza à Guadalajara. 57 Mais le souverain captif trouve aussi dans la tradition chevaleresque les ressorts pour surmonter cette épreuve en chevalier. Il écrit des poèmes, imitant Charles d’Orléans, le modèle du chevalier poète captif. D’autres gentilshommes ont aussi profité de la captivité pour taquiner la muse comme Jacques Stuart auteur du Kingis Quair 53

Papiers d’état du cardinal de Granvelle […]. Éd. par Charles Weiss. T.1. Paris 1941, 267.

54

Champollion-Figeac, Captivité (note 51), 384.

55

Voir le discours de Lascaris dans François de Belleforest, Harangues militaires et concions des princes, ca-

pitaines et ambassadeurs […]. Paris 1588, 547–549.

140

56

Halkin/Dansaert, Charles de Lannoy (note 44), 267–268.

57

Raffaele Tamalio, Ferrante Gonzaga alla corte spagnola di Carlo V. Mantoue 1991, 267.

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ou Thomas III marquis de Saluces (1394–1396) auteur d’un Chevalier errant. Les vers de François Ier expriment une lamentation cathartique. „Tu sais bien qu’en grand adversité/ le recorder donne commodité.“ Il y chante sa déréliction qu’il nomme son „triste penser“. La veine courtoise n’y est pas absente puisque ces vers sont adressés à une dame à qui il recommande de se marier car il a perdu l’espérance de la revoir. Affecté par la maladie, découragé par les revendications léonines de l’empereur, sa poésie dit son sentiment d’être délaissé et en vient souvent à désirer la mort. „J’ay la mort jointe avec ma naissance“. Dans un autre poème le roi écrit; „je supply par grande humilité la mort venir à ma calamité“. Mais cette déréliction alterne avec des phases d’enthousiasme où le prisonnier espère revoir celle qu’il aime, s’estime content si l’amour de sa dame lui est promis et gardé. Et peut ainsi écrire: „le corps vainc, le cœur reste vainqueur“. L’espérance de l’amour rend le malheur impuissant. „Toy seule est la cause de mon heur/ parquoy je tiens impuissant le malheur.“ Dans un autre poème, où il rappelle sa foi donnée à la dame, il espère qu’elle ne la donnera à un autre. „Car pour tout l’an, je compte les semaines, le jour pour moy, la minute pour l’heure en tel état je demeure le tien amy qui attend le reveoir“. L’amour courtois et le loisir lettré permettent d’endurer la captivité. Cette tradition chevaleresque est en outre vivifiée par le discours humaniste sur la fortune. 58 Dans une lettre au vaincu, l’Aretin l’invite à ne pas se désoler sur son infortune mais à rester constant et confiant. Quels mérites sont les plus à louer: ceux du vaincu ou du vainqueur? „Chi meriti piu lode, il vinto o il vincitore?“ 59 Le roi vaincra par la prudence celui qui l’a vaincu par la force. Un haut cœur doit supporter le malheur. On voit que la captivité a été pensée au niveau de l’éthique chevaleresque: soit pour inviter l’empereur à ne pas recourir à cette solution peu glorieuse et lui préférer la parole du vaincu libéré et obligé: soit pour permettre à François Ier de surmonter dans l’honneur cette épreuve douloureuse. Mais comme le refus de la rançon, la prison a été aussi mise à profit par la diplomatie française pour souligner le manque d’esprit chevaleresque du vainqueur. Vaincu physiquement et tactiquement, François Ier s’emploie à vaincre moralement son geôlier. Après 1526, se développe en effet l’idée que le monarque a été mal traité à Madrid. 58 Florence Buttay-Jutier, Fortuna. Usages politiques d’une allégorie morale à la Renaissance. Paris 2008. 59 Pietro Aretino, Lettere. Éd. par Paolo Procaccioli. T.1. Rome 1997, 51–53.

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La captivité imposée a été utilisée comme une remontrance au vainqueur. Charles Quint est accusé par Brantôme d’avoir sans cesse différé la rencontre avec François Ier qu’il a tenu pour „comme un prisonnier de guerre“ ainsi que le voulait Gattinara et non comme un égal avec qui il aurait pu s’arranger à l’amiable comme le suggérait Pescara ou Lannoy. „Les conseils de gens de guerre vallent bien autant et apportent autant d’honneur, pour estre tous chevaleresques, que ceux des robes longues.“ 60 Ces mauvaises manières resteront durablement dans la mémoire collective. En 1655 encore, un voyageur français en Espagne Antoine de Brunel parle de „mauvais traitement“ tandis qu’un historien tourangeau Jean de Maan parle de „prison sévère“ – „custodia dura“. 61 Les avanies subies en prison sont en fait exploitées pour expliquer que le traité de Madrid a été extorqué sous la contrainte et se trouve donc être nul et non avenu. Aussi dès 1528, Charles Quint entend réfuter cet argument en niant avoir traité François Ier comme „prisonnier ny ennemi mais comme seigneur naturel du royaume où il est captif“. Le roi était „en sa liberté“. 62 C’est cette version que retiendra finalement l’auteur de l’article François Ier de l’„Encyclopédie“ en affirmant que le Valois vécut à Madrid comme un monarque entouré de ses sujets. L’image du chevalier bafoué est composée pour instruire un procès contre Charles Quint auprès des chancelleries, des cours, des habitants des villes et devant l’histoire. Mais l’empereur réagit en saisissant à son tour le moyen d’accuser François Ier d’être un chevalier déloyal.

III. Le chevalier déloyal Une grande partie de l’équivoque chevaleresque de François Ier découle de la foi donnée. Cette notion engage à ne pas fuir, ou si l’on est libéré pour accomplir une mission de se tenir à disposition de celui à qui on donné sa parole, y compris pour revenir en captivité. Tout le problème est que François Ier n’entend pas que sa foi l’ait engagé sur tout ce que souhaite l’empereur. Veuf depuis juillet 1524, François Ier ne peut, comme jadis Charles d’Orléans en-

60

Brantôme, Grands Capitaines (note 5), t. 3, 157.

61

Antoine de Brunel, Voyage d’Espagne, curieux, historique et politique. Fait en l’année 1655. Paris 1666,

136; Jean de Maan, Sancta et metropolitana ecclesia Turonensis. Tours 1667, 190. 62

142

Papiers d’état de Granvelle (note 53), t. 1, 326.

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vers Bonne d’Armagnac, chanter son amour pour son épouse. Cependant, le cœur d’un chevalier n’est jamais solitaire et il écrit des poèmes à une dame qui est la confidente de sa „fortune tant dure“. Or il n’affirme n’avoir donné sa foy qu’à elle. „Nul ne peut se vanter de l’avoir“. On pourrait admettre qu’il faille distinguer la foi donnée à une femme et celle donnée sur le champ de bataille. Il n’en demeure pas moins qu’en cette année, le roi s’est aussi progressivement résolu à épouser Eléonore. Florange affirme aussi, mais rétrospectivement, que le vaincu n’a donné sa foi à personne même s’il s’est rendu à Lannoy. 63 Dans le Roland furieux, de 1532, l’Arioste affirme que „le roi ne se rend pas et ne s’avoue vaincu“. 64 Mais la plupart des chroniqueurs ou témoins, comme Oznaya, Macquereau, Moreau et Brantôme, le roi s’est rendu à Lannoy pour ne pas avoir à se rendre à Bourbon. Et c’est sur Lannoy que Charles Quint va s’appuyer pour obtenir du roi qu’il s’engage aussitôt libéré à faire exécuter le traité de Madrid, ou à revenir en prison. La foi remise sur le champ de bataille est comme confondue avec celle qui vise à l’application du traité puisqu’elle est reçue par la même personne. Voilà pourquoi aux yeux de l’empereur tout manquement de François Ier a sa foi donnée au vainqueur est un acte déloyal. Une première raison de suspicion découle des tentatives de fuite du roi. Certains chevaliers comme Saint-Pol ont fui sans payer rançon. 65 Henri de Navarre s’enfuit en janvier 1526 en soudoyant ses geôliers. 66 Charles Quint se doute que certains vont chercher à libérer le roi, notamment ses alliés italiens, de Ferrare ou de Venise. 67 Du Bellay rapporte que Saint Pol et Vaudemont complotent dans la péninsule pour le délivrer. 68 Aussi le 20 mai, l’empereur demande à Lannoy de surveiller les entrevues du roi avec les envoyés venus de France ou d’ailleurs. 69 Pour Florange, Lannoy a décidé de transférer le captif vers Naples afin de l’éloigner de ses possibles libérateurs, Gènes, Florence, Sienne, Venise, Pise, Lucques et même des Suisses. Le frère de

63 Florange, Mémoires (note 16), 232–233. 64 Arioste, Roland Furieux (note 30), 321. 65 Brantôme, Œuvres complètes (note 5), t. 3, 303. 66 Gonzalo Hernández Oviedo, Relación de lo sucedido en la prision del rey de Francia, in: CODOIN. T.8. Madrid 1861, 404–530, 432. 67 Robert Macquereau, Histoire générale de l’Europe depuis la naissance de Charles Quint jusqu’en 1527. Louvain 1765, 241. 68 Du Bellay, Mémoires (note 24), t. 2, 7. 69 Halkin/Dansaert, Charles de Lannoy (note 44), 282.

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Charles Quint, Ferdinand réclame que alors le roi soit conduit en Allemagne. 70 On sait que François Ier fut finalement acheminé en Espagne, par Lannoy et avec son assentiment. Le captif et son geôlier ne voient nullement dans ce départ loin de l’Italie une punition, mais l’espérance d’une rencontre entre le vaincu et le vainqueur, entre deux rois-chevaliers, qui aplanira tous les différents. 71 Mais le roi n’est pas forcément étranger à ces tentatives de libération-évasion. Macquereau l’accuse ainsi d’avoir encouragé Lannoy à le conduire en Espagne, non pas pour rencontrer Charles Quint en personne et régler en chevalier leur différent, mais afin de s’exposer „à la bonne fortune de mer“. Il aurait prévenu secrètement la régente afin qu’elle mobilise la flotte lors de sa traversée. 72 En fait, les galères françaises ont été mises à disposition du vainqueur pour embarquer des troupes espagnoles afin d’assurer le transfert du vaincu vers l’Espagne et le protéger des barbaresques. Le roi passe le 21 juin au large de Sainte Marguerite (Lérins) avec 20 galères françaises en noire car il est veuf accompagné de 15 galères génoises ou espagnoles. 73 En revanche, un projet plus avéré de fuite est démasqué à Madrid. Dans une lettre du 9 décembre 1525, Castiglione écrit au cardinal Schomberg que Montmorency a cherché à délivrer le monarque. 74 Un proche du roi, Le Champion, humilié par un autre gentilhomme sans obtenir réparation de François Ier a alors adressé un rapport à l’empereur décrivant un projet d’évasion assez avancé, organisé par Montmorency, Marguerite d’Alençon, alors venue en Espagne et le négociateur Babou. 75 On déguiserait le roi en esclave noir pour l’exfiltrer. Mais la foi est aussi associée à la signature du traité de Madrid. Dans son autobiographie, Gattinara souligne que l’échec répété des négociations entre lui et Georges de Selve et Tournon ou entre Charles Quint et Marguerite d’Alençon ont conduit l’empereur à charger celui qui a reçu la parole du vaincu sur le champ de bataille, le vice roi de négocier avec François Ier. 76 Certes Gattinara aime charger Lannoy de bien

70

Die Korrespondenz Ferdinands I. Vol. 1: Die Familienkorrespondenz bis 1526. Éd. par Wilhelm Bauer.

Wien 1912, 291. 71

Champollion-Figeac, Captivité (note 51), 231–233, 262.

72

Macquereau, Histoire générale (note 67), 242.

73

Valbelle, Histoire journalière (note 26), 147.

74

Baldassare Castiglione, Lettere del conte Baldassar Castiglione […]. T.2. Padua 1769, 5.

75

Voir le texte publié par Charles Paillard, Documents relatifs aux projets d’évasion de François Ier, in: Re-

vue historique 8, 1878, 297–367. 76

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Mercurino Arborio Gattinara, Autobiografia. Éd. par Giancarlo Boccotti. Rome 1991, 120.

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des échecs de la politique impériale en 1525–1526. Mais de fait, le 16 décembre 1525, Charles Quint a donné pouvoir à Lannoy pour qu’il reçoive le serment de François Ier. Dans ce juramento de caballero qui est conservé aux archives du ministère des affaires étrangères espagnoles, le roi donne sa foi à l’empereur en la personne de Lannoy de restituer la Bourgogne dans les six semaines consécutives à sa libération ou de revenir dans les quatre mois se constituer „prisonnier de guerre“. 77 François Ier a fait savoir que sa libération était essentielle pour obtenir en France la ratification du traité par les Etats et les parlements, et nul ne doute que Charles Quint a dû être sensible à cette réalité institutionnelle qui reflète peut être moins celle de la France que celle de la monarchie composite espagnole, où cortès dans la péninsule et Etats aux Pays Bas lui sont familiers. Si dans les quatre mois, le traité n’est pas ratifié, François Ier reviendra se constituer prisonnier. 78 En mars 1526, Lannoy sera envoyé en France rappeler au roi son serment et obtenir en outre le renouvellement des paroles de présent prononcées envers Eléonore avec qui il s’est fiancé le 20 janvier 1526. 79 Or en 1528, Charles Quint adresse un cartel de défi au roi de France lui reprochant d’avoir manqué à sa parole. Dans la réponse prononcée publiquement devant la cour et adressée à Charles Quint le 28 mars, François Ier dira n’avoir jamais donné sa foi à l’empereur car il était prisonnier. Or „tout homme gardé ne peut avoir obligation de foy“. 80 La prison annule la foi. A la déclaration de guerre lancée par François Ier en janvier 1528 Charles Quint répond qu’il trouve scandaleux que „son prisonnier de juste guerre ayant sa foy“ ose le défier. 81 Et Charles Quint estime que les otages laissés par François Ier en gage de la restitution de la Bourgogne, à savoir ses propres fils, ne peuvent être libérés contre rançon car il s’agit „d’observation de foy et promesse de roi“. 82 François Ier ne peut espérer récupérer par la guerre ou par rançon ses enfants qui ne sont que les gages garantissant sa promesse de rendre la Bourgogne ou de revenir en prison. Dans son autobiographie Gattinara rappelle que Jean II le Bon était revenu se constituer prisonnier faute de pouvoir faire appliquer le traité de Brétigny. 83 La situation est à ses yeux similaire. Le chancelier de l’empereur s’oppose à

77 Tratados internacionales de Espana. Carlos Quinto. Éd. par Pasquale Marino. T.3/3. Madrid 1986, 172. 78 Halkin/Dansaert, Charles de Lannoy (note 44), 289. 79 Oviedo, Relacion (note 66), 439. 80 Moreau, Histoire de la prinse (note 27), 356. 81 Papiers d’état de Granvelle (note 53), t. 1, 315. 82 Ibid. 328. 83 Gattinara, Autobiografia (note 76), 136.

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toute négociation avec les Français tant que le roi n’aura pas tenu ses engagements ou ne sera pas revenu se constituer prisonnier. Ne le faisant, Gattinara le juriste estime que le roi de France dévoile „l’intrinsèque fausseté de son âme“: il est parjure, insouciant de son salut, de son honneur, de sa gloire, traitre à sa parole. 84 L’empereur a-t-il cru que François Ier tiendrait ses promesses? Qu’il serait tenu par ses engagements chevaleresques, la notion de „foi“ étant plus souvent évoquée que celle de „serment“? Convaincu de la duplicité royale, l’Italien Gattinara a refusé selon Castiglione de ratifier l’accord et a même proposé sa démission. 85 Dans son autobiographie il rappelle qu’il n’a jamais cru à la parole donnée, vu la légèreté et la versatilité coutumières des Français. Il veut une libération après restitution de la Bourgogne 86, car à ses yeux, sitôt libre, le roi pensera moins à honorer sa parole qu’à se venger. Or la politique proposée par Lannoy vise à libérer pour restituer et repose sur la parole donnée. C’est le choix que fait l’empereur, par calcul politique, plus que par naïveté. Car en cette fin d’année 1525 la situation est dans l’impasse. Charles Quint ne veut pas renoncer à la Bourgogne et François Ier dit préférer mourir en prison que de rendre cette province. Il a préparé un acte d’abdication et a frôlé la mort en septembre. Sa mort serait une remontrance au vainqueur. Son trépas à Madrid annulerait pour l’empereur le fruit de sa victoire et ternirait à jamais sa renommée. Or la trêve avec la France prend fin en janvier 1526 et le royaume des lys a su retourner à son avantage l’alliance anglaise et se trouve sur le point de conclure une ligue en Italie. La guerre risque de recommencer et l’empereur n’est pas dans une très bonne situation pour la faire. La morale chevaleresque n’est elle alors pas invoquée pour sortir la tête haute d’une impasse diplomatique? Charles Quint a préféré croire à la sincérité de la parole du roi pour débloquer la situation. Et François Ier a feint d’accepter ce qu’il sait ne pas pouvoir ni vouloir tenir car il a besoin de revenir en France pour des raisons que nous ne développeront pas ici. Charles Quint ne peut pas ignorer qu’un traité léonin sous la contrainte est nul. Son ambassadeur, Louis de Praet lui a déconseillé le 14 novembre de persister à réclamer qu’un autre prisonnier de Pavie, le roi de Navarre renonce à ses droits sur la Navarre que la couronne d’Aragon a en grande partie incorporée depuis 1512: „Toujours il sera notoire, quelle aura este faicte sous contraincte.“ 87 La si-

146

84

Ibid. 137–138.

85

Castiglione, Lettere di negozi (note 74), 30.

86

Gattinara, Autobiografia (note 76), 122.

87

Correspondenz Kaiser Karls V. Éd. par Karl Lanz.T. 1. Leipzig 1844, 185.

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tuation de la Bourgogne n’est pas différente, sinon que l’empereur ne la possède pas et n’est en mesure de la reconquérir militairement. Or Castiglione sait par une confidence du confesseur de l’empereur que dans l’entrevue en tête à tête que Charles et François ont eu, l’empereur a dit au roi que s’il avait à manquer en quelque chose, qu’il ne se moque pas du mariage de sa soeur, ce qui serait une injure: „Lo pregava che se avea a mancargli in cosa alcuna non lo burlasse nel caso di sua sorella.“ 88 François Ier est invité à ne pas offenser les règles de la courtoisie. Mais l’empereur n’est pas dupe sur la réalisation des clauses territoriales du traité de Madrid, même s’il feindra ensuite d’avoir été trahi tandis que Castiglione mesurera la baisse du crédit de Lannoy qui a été l’artisan d’une politique de paix avec la France fondée sur la foi donnée par le roi. 89 Il n’en demeure pas moins que l’empereur a ainsi placé François Ier dans la situation de se parjurer ou d’honorer sa parole. A sa tante, Marguerite de Savoie, gouvernante des Pays Bas, Charles écrit qu’il a considéré son honneur et le bien universel plus que son intérêt et son bien particuliers en signant cette paix. „A moy ne tiendra quelles [i.e. les clauses de la paix] ne se executent.“ 90 Certains ont alors essayé d’expliquer le défaut de François Ier à sa parole; il n’a ni rendu la Bourgogne ni n’est revenu se constituer prisonnier. A commencer par lui même qui invoque auprès de Lannoy la responsabilité de son conseil. Dans une lettre du 24 juin 1526, écrite à Grenade, par Castiglione, celui-ci rapporte que François Ier s’excuse de ne pouvoir restituer la Bourgogne car il ne peut „induire ses peuples à l’accepter“. 91 Et le monarque de proposer de l’argent en échange de la Bourgogne. Sans cesse le roi chevalier aura recherché l’échange pécuniaire plutôt que l’échange de terres. Macquereau relate aussi que c’est le conseil qui a forcé le souverain à ne pas tenir ce qu’il avait promis. 92 Brantôme impute aussi aux états et assemblées la responsabilité d’avoir empêcher le roi de tenir sa parole. 93 Son honneur est ainsi sauf. A ces excuses qui protègent l’honneur chevaleresque en rappelant la réalité des institutions avec qui le roi doit compter, il faut ajouter celles de nature juridique. Le roi n’a pas prêté serment ni donné sa foi librement car il était en situation de contrainte. Dès le 16 août, il a fait une protestation déclarant que s’il était amené pour retrouver 88 Castiglione, Lettere (note 74), 32. 89 Ibid. 38. 90 Correspondenz Kaiser Karls V. (note 87), t. 1, 191. 91 Castiglione, Lettere (note 74), 54. 92 Macquereau, Histoire générale (note 67), 268. 93 Brantôme, Grands Capitaines (note 5), 156.

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la liberté à restituer la Bourgogne, cette promesse serait nulle car contrainte. Il a déclaré à Pescara, Lannoy, Leyva, Moncada et Alarcon, „chevaliers d’honneur et qui en pourront réspondre, qu’il récupèrerait par la force ce qui lui a été extorqué par la force“. 94 Et le 14 janvier, alors que le traité de Madrid est en voie de conclusion, il réitère ses protestations devant les négociateurs français, Selve, Tournon, Montmorency, La Barre en les obligeant à tenir secret ce qu’il va déclarer. A la clause qui l’oblige à se constituer dans les quatre mois prisonnier s’il n’est parvenu à obtenir la restitution de la Bourgogne, il déclare qu’il n’en fera rien car „un prince chevalier“ ne „peut être poursuivi de sa foi s’il est en prison“ car il ne „peut répondre de sa foi“ que si elle „est franche quite pure et nue“. Il se contentera de ce qu’un vaincu doit à son vainqueur, une rançon et des otages garantissant son paiement. 95 Un canoniste célèbre du XVe siècle, Panormitanus considère en effet „que le prisonnier qui a été relâché sous serment de revenir dans la prison est tenu de revenir même s’il y a danger de mort pourvu que la mort et la prison ne soit contre la justice“. 96 Or c’est bien sur la justice de cette situation que l’équivoque se cristallise. Passons ici sur le fait que la couronne considère que la Bourgogne est légitimement du domaine royal puisque la coutume veut qu’un apanage tombé en quenouille, avec Marie de Bourgogne lui revienne. Soulignons plutôt que le roi a laissé une contrepartie à sa liberté, des otages, et donc que sa foi n’est pas en jeu. Dans le chapitre 6 du 5eme livre de la République, Jean Bodin rappellera que le monarque avait laissé en otage ses fils et n’avait donc à revenir à Madrid. Enfin le Florentin Francesco Vettori va plus loin dans l’apologie quasi chevaleresque de cette soi disant violation de la parole donnée. Le roi a accompli l’acte le plus généreux réalisé depuis plus d’un siècle. „François Ier savait que s’il n’était pas libéré, sa patrie allait au précipice et à la destruction. Il a eu raison de permettre ce qu’il savait ne pas tenir pour pouvoir être en situation de défendre sa patrie.“ 97 La défense de la patrie l’emporte sur l’honneur personnel mais en même temps cet acte politique plein de duplicité machiavélique est paré chez Vettori d’une générosité courageuse, quasi chevaleresque.

94

Première protestation de François Ier au sujet des négociations de Madrid, 16 août 1525, in: Ordonnan-

ces des Rois de France. Règne de François Ier. Ed. établie par Emile Bourgeois/P. Marischal/P.-M. Bondois. T.4. Paris 1933, 91. 95

Protestation contre le traité de Madrid, 14 janvier 1526, ibid. 176.

96

Cité par un franciscain dans: Les Lunete confessorum, alias bursa marie, du R. P. Gilbert Nicolas […] [cir-

ca 1494]. Éd. et trad. par Elizabeth Donzel. Thèse de doctorat, Paris 3 (2011), 536. 97

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Vettori, Scritti (note 13), 223.

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Malgré ces apologies du comportement royal, l’absence d’application du traité de Madrid joint au non retour du roi en prison accréditent auprès de la propagande espagnole l’image d’un souverain français manquant à ses obligations chevaleresques. Lannoy attend à la frontière espagnole avec la reine Eléonore; le mariage de celle-ci sera consommé le jour où elle entrera en France avec les fils du roi si la Bourgogne est restituée ou lorsque le monarque reviendra se constituer prisonnier et la retrouver en Espagne. 98 Envoyé en France rappeler au roi ses obligations, Lannoy qui a reçu la reddition du vaincu sur le champ de bataille n’obtient qu’un refus, demande alors à Charles Quint de retourner en Italie et déclare avec amertume: „Plut à Dieu que ne m’en fusse jamais mêlé.“ 99 Quelques années plus tard dans son „Dialogo de Mercurio y Caron“, Alfonso de Valdès présente François Ier comme un homme „infâme“ pour n’avoir tenu sa promesse de revenir en prison. 100 Dans ses mémoires, Gonzalo Fernandez de Oviedo consacre un chapitre sur los reyes perjuros où figure en bonne place François Ier. Et le chroniqueur espagnol d’extrapoler en disant que les Français sont par nature déloyaux, et qu’il faut se garder de traiter avec la France sans prendre de sérieuses précautions. „Non se contracte con Francia sin tomar prenda segura.“ 101 Comme si celles qui avaient été alors retenues étaient insuffisantes. Mais la déloyauté de François Ier ne s’arrête pas là. Peu après la défaite de Pavie, Ferdinand informe l’empereur, son frère que l’on a trouvé des lettres dans les bagages du roi de France qui atteste qu’il est en contact avec les rebelles hérétiques d’Allemagne. 102 Le chevalier chrétien pactise avec le luthéranisme. Mieux encore, l’année de Pavie a été l’occasion de prendre langue avec Soliman le Magnifique, qui menace alors l’empire et la Hongrie. L’appel au Turc pour régler les différents entre chrétiens est alors fréquent mais cause de scandale. 103 Qui ici a pris l’initiative des contacts? Difficile de le savoir. Mais dès janvier 1525, alors que François Ier semble devoir soumettre l’Italie à son joug arrive au camp du roi, à Pavie, un émissaire du Turc. Selon un vieux lieu commun de la culture chevaleresque, Turcs et Francs, c’est à dire la chevalerie croisée, descendraient des Troyens. Voilà pourquoi le sultan n’a de considéra-

98 Correspondenz Kaiser Karls V. (note 87), 198. 99 Ibid. 211. 100 Manuel Fernandez Alvarez, La España del emperador Carlos V. Madrid 1966, 315. 101 Gonzalo Hernandez de Oviedo y Valdés, Las Memorias. Éd. par J.-B Avalle Arce. 2 Vols. Chapel Hill, N. C. 1974, Vol.1, 285. 102 Korrespondenz Ferdinands I. (note 70), Vol. 1, 274. 103 Giovanni Ricci, Appello al Turco I confini infranti del Rinascimento. Rome 2011.

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tion que pour le roi de France selon Florange. 104 François Ier accepte l’aide mais à condition qu’il s’agisse de troupes légères chrétiennes. Durant la captivité, des émissaires français sont envoyés vers le sultan afin d’obtenir son aide pour libérer le vaincu. Sauf Guillaume Postel qui estime que „le Christ a voulu faire naitre à l’occasion de la captivité du roi“, un lien entre les Turcs et la France qui va déboucher sur leur conversion, cette alliance attente durablement en France comme à l’étranger à l’image du roi chrétien, miles christi. 105 L’imaginaire chevaleresque a été largement christianisé par l’imaginaire de la croisade. Pavie inaugure la rupture de cette association comme le montrent certains poèmes de grands rhétoriqueurs sur la bataille. 106 Nombre de catholiques en France et en Europe sont choqués par cette alliance contre nature que la monarchie s’efforce de justifier par une casuistique embarrassée. 107 Les tentatives de fuite, la non application du traité de Madrid et les contacts avec le Turc amorcés en 1525 permettent aux adversaires du vaincu de construire la réputation d’un roi chevalier déloyal. On comprend que devant le pape Paul III en 1534, Charles Quint ait rappelé cette alliance avec le Turc et le peu de cas que le souverain français faisait de sa parole, avant de le défier, une troisième fois en duel, auquel le Très chrétien s’est de nouveau soustrait. 108 Ce n’est pas tant la défaite de François Ier sur le champ de bataille qui a altéré son image chevaleresque que la provisoire victoire diplomatique sur Charles Quint, qu’est le traité de Madrid. *** Selon le bourgeois provençal, Honoré de Valbelle, l’affaire de Pavie a rapporté peu d’honneur et de profit au roi de France, a mis en danger le royaume et a montré qu’entre les princes il n’y avait que duperie. On pourrait y voir la confirmation que le

104 Florange, Mémoires (note 11), 206. Sur ce vieux lieu commun sur la parenté chevaleresque entre Turcs et Francs voir Flori, Chevalerie (note 1), 108. Ce thème sera repris par la sœur de François Ier, Marguerite de Navarre pour justifier l’alliance avec la sublime porte. Voir Correspondance des nonces en France, Capodiferro, Dandino et Guidiccione, 1541–1546. Éd. par J. Lestocquoy. Rome 1963, 24. Voir aussi Michael John Heath Crusading Commonplaces: La Noue, Lucinge and Rhetoric against the Turks. Genève 1986. 105 Postel, Paralipomènes (note 23), 59. 106 Thiry, L’honneur (note 32), 301. 107 Voir Lucien Verdun Saulnier, Le soliloque français, œuvre inédite de Jean Lucas de la Fons. Une apologie de l’alliance turque inspirée par Marguerite de Navarre, in: Mélanges d’histoire littéraire de la Renaissance offerts à Henri Chamard. Paris 1951, 210–224; Géraud Poumarède, Justifier l’injustifiable: l’alliance turque au miroir de la chrétienté XVII–XVIII, in: Revue d’histoire diplomatique 111, 1997, 216–246. 108 Voir le texte dans Salvador de Madariaga, Charles Quint. Paris 1969, 144.

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temps de la chevalerie a laissé place non seulement sur le champ de bataille à des armes ignobles, mais aussi dans les relations d’Etat à une logique de l’intérêt et de la raison d’Etat qui n’a que faire des chimères chevaleresques des princes chrétiens. Confirmerait cette idée le geste vengeur de Murat récupérant à Madrid l’épée de François Ier et effaçant l’humiliation dans une action qui abolit la rupture entre la Monarchie et la Révolution et qui établit une sorte de fraternité éternelle des soldats français. Nous avons voulu montrer que les pratiques militaires et diplomatiques à l’œuvre en cette année dramatique ne font pas fi de l’idéologie chevaleresque mais qu’elles sont formées et informées par toute une intertextualité de discours, romanesques ou non. Qu’il est également vain et anachronique de vouloir distribuer au vaincu les bons points de chevalerie et au vainqueur les mauvais points. Certes, les armées sont alors composées de nations, qui comme les Italiens se répartissent dans les deux camps, mais la guerre n’oppose pas des nations ni des états nations dont la souveraineté fonderait la légitimation de leurs intérêts et serait seule juge de leur justesse. Au contraire, la bataille de Pavie survient dans le cadre d’une guerre discriminatoire, pour employer une distinction de Carl Schmitt, où chacun est persuadé qu’il est seul à poursuivre une juste guerre et une juste paix. La bataille désigne le bien et le mal, elle distingue le vrai et le faux. La capture du roi, le jour anniversaire de l’empereur a été une ordalie où la providence divine a conforté la justesse de la cause impériale. Dans ce contexte de guerre discriminatoire, le vainqueur et le vaincu inscrivent leur négociation dans l’horizon de la recherche d’une juste paix mais aussi du respect des usages chevaleresques partagés par les élites nobiliaires européennes. Le jeu diplomatique comme la guerre s’insèrent dans la riche matière chevaleresque. En appréhendant ces normes en situation d’énonciation et d’application, nous avons dévoilé leurs usages politiques à l’heure de l’affirmation d’une diplomatie permanente. Entre d’une part le discours juridique de la souveraineté et de raison d’Etat qui instituera plus tard un jus publicum europaeum et le jus in bello et d’autre part celui des théologiens sur le jus ad bellum, il y a aussi place dans la négociation pour l’éthique chevaleresque que chacun mobilise pour se justifier ou embarrasser l’adversaire, afin d’être toujours en mesure d’apparaître comme celui qui a l’honneur pour soi.

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L’héroïsme impossible des derniers Valois par Nicolas Le Roux

Le héros est celui qui change le monde en affrontant des épreuves qui révèlent sa valeur. Ses actions sont des „événements“, au sens fort du terme, en ce sens qu’ils provoquent une coupure irrémédiable dans la chaîne du temps. On ne peut revenir en arrière. Pour la noblesse du XVIe siècle, l’héroïsme tendait à se confondre avec l’action d’éclat réalisée à l’occasion d’une guerre juste. Il s’agissait de manifester sa vertu et d’éprouver son courage. Un compagnon d’armes de François Ier, Robert III de La Marck, sieur de Florange, a noté dans ses Mémoires que „la guerre […] est le plus noble exercisse que peult avoir ung prince ou ung gentilz homme, mais que soit à bonne querelle“. 1 Cette idée était tellement imprimée dans l’esprit des rois de France, que Charles VIII, Louis XII, François Ier et Henri II ont tous participé à des campagnes militaires, parfois au péril de leur vie. Le souverain se considérait en effet comme un homme d’honneur soumis aux mêmes impératifs de réputation et de prestige que les autres gentilshommes. C’est ce qui l’amenait à combattre pour les héritages qu’il estimait avoir reçus de ses ancêtres. Charles VIII s’embarqua ainsi dans l’aventure napolitaine en 1494, non pour conquérir par la force un royaume étranger, mais pour être reconnu comme le détenteur légitime d’une couronne qui lui revenait par héritage. La protection du domaine royal s’imposait par ailleurs comme un devoir sacré. Le souverain était vu comme l’époux de la République, statut que symbolisait l’anneau qui lui était remis à l’occasion du sacre. Quand son territoire était menacé, il devait le défendre, comme un père de famille protège sa maison. Les conceptions de l’héroïsme monarchique ont-elles évolué à la Renaissance? Après avoir présenté les expressions de l’imaginaire chevaleresque à travers le comportement des souverains, de la fin XVe siècle au milieu du XVIe siècle, nous analyserons les mutations qui se produisirent dans le contexte des guerres de Religion. Le royaume était désormais gouverné par des enfants, et non plus par des rois chevaliers. Charles IX fut ainsi présenté comme un roi pieux et juste. L’héroïsme guerrier

1 Robert de La Marck, sieur de Florange, Mémoires du maréchal de Florange, dit le Jeune Adventureux. Éd. par Robert Goubaux/P.-André Lemoisne. 2 Vols. Paris 1913–1924, Vol.1, 172.

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était réservé à son frère Henri. Quand ce dernier parvint au pouvoir, en 1574, il chercha moins à manifester sa puissance à travers une participation personnelle aux actions militaires qu’à façonner sa propre personne comme un modèle de domination des passions. On assista ainsi à la formation d’un modèle d’héroïsme dévot et sacrificiel qui s’est révélé inefficace politiquement, et c’est pourquoi, à l’époque de la Ligue, le roi a cherché de nouveau à apparaître comme un monarque armé du „glaive de justice“. Responsable devant Dieu de l’ordre de son royaume, le nouveau héros royal agissait par „nécessité d’État“.

I. Victor triumphator semper augustus Charles VIII a été élevé dans l’atmosphère des récits chevaleresques et des prophéties joachimites. On le décrivait comme un prince destiné à des exploits exceptionnels, accomplissant le voyage de Terre Sainte et restaurant l’unité chrétienne. À partir de 1494, il s’intitula roi de Jérusalem, et il envisagea véritablement de s’embarquer pour l’Orient après avoir conquis le royaume de Naples. À la veille de se mettre en campagne, il ne craignait pas de déclarer qu’il entreprenait ce voyage „pour aller plus avant et faire quelque grant service à Dieu, à l’Église et à l’exaltacion de la foy catholique“. 2 Charles VIII faisait preuve d’un intérêt manifeste pour les combats. Ainsi, lorsque les Français entrèrent dans le royaume de Naples, en 1495, ils attaquèrent la bourgade de Monte San Giovanni, et c’est le souverain en personne qui prit la direction du siège. Après une violente canonnade une partie de la muraille s’effondra, et la ferocia des assaillants, pour employer une expression de Francesco Guicciardini, eut raison de la résistance de la garnison. Les 800 défenseurs furent exterminés. Ce spectacle satisfit visiblement le monarque qui déclara avoir vu „le plus bel esbat du monde“. 3 Quelques mois plus tard, lors de la bataille de Fornoue, le roi se trouvait de nouveau à la tête de ses troupes, et il se tenait prêt à affronter des adversaires qui n’avaient aucun respect pour le caractère sacré de sa personne. La guerre de la Renaissance était particulièrement violente, et cette époque a peut-être même connu une sorte de

2 Charles VIII à Ludovic le More, Les Montils-lès-Tours, 8 février 1494. Lettres de Charles VIII, roi de France. Éd. par Paul Pélicier. 5 Vols. Paris 1898–1905, Vol.4, 11. 3 Charles VIII au duc de Bourbon, Veroli, 11 février 1495; Lettres de Charles VIII (note 2), Vol.4, 169.

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„brutalisation“ des comportements belliqueux. 4 Les Vénitiens avaient interdit à leurs troupes de faire des prisonniers, et ils avaient même mis à prix la personne du roi, morte ou vive, pour 100000 ducats. 5 Le jour de la bataille, le souverain remplit ses obligations de prince chevalier en adoubant plusieurs gentilshommes, puis il se lança fougueusement dans la mêlée. Emporté par son élan, il manqua d’être surpris par les cavaliers mantouans. Guicciardini assure qu’il pria alors saint Denis et saint Martin de le protéger, et que, ragaillardi par cet acte de dévotion, „il commença à combattre avec un courage qui surpassait ses propres forces et sa complexion“. 6 Peu après la bataille, Charles écrivit qu’il avait réussi à résister à ses ennemis grâce „à l’aide de Dieu et de Nostre Dame“. 7 Philippe de Commynes rappelle de son côté les paroles de Savonarole: „[…] et estoit bien vraye la prophecie de frere Jheronime que Dieu le conduisoit par la main“. 8 Et si Dieu avait permis cette victoire, c’est parce que le prince combattait avec justice pour son honneur. Charles VIII lui-même déclara que, grâce à Dieu, il avait repoussé l’ennemi à son „honneur et prouffit“, alors que ses ennemis l’avaient attaqué pour lui „faire deshonneur et dommaige“. 9 C’est aussi l’honneur qui obligeait le roi à rendre au marquis de Mantoue, son adversaire, les chevaux que celui-ci avait perdus dans la bataille. 10 La défense de l’honneur a motivé les entreprises de Louis XII, le successeur de Charles VIII. Celui-ci combattit d’abord pour satisfaire son honneur de seigneur: il entendait conquérir le duché de Milan, dont il se considérait comme l’héritier légitime parce que sa grand-mère était la sœur de Filippo Maria Visconti, qui régnait avant que les Sforza ne prennent le pouvoir. À en croire le chroniqueur Jean d’Auton, la conquête du Milanais, lancée en 1499, a enthousiasmé les gentilshommes français. Le roi se forgeait une stature royale en offrant à sa noblesse le moyen d’accomplir les exploits belliqueux qui lui permettait de conquérir de magnifiques „titres d’hon-

4 Jean-Louis Fournel, „Brutalisation“ de la guerre et barbarie, in: id./Jean-Claude Zancarini, La Grammaire de la République. Langages de la politique chez Francesco Guicciardini (1483–1540). Genève 2009, 375– 406. 5 Yvonne Labande-Mailfert, Charles VIII, le vouloir et la destine. Paris 1986, 353 et 358. 6 Francesco Guicciardini, Histoire d’Italie (1492–1534). Éd. par Jean-Louis Fournel/Jean-Caude Zancarini. 2 Vols. Paris 1996, Vol.1, 150. 7 Charles VIII à la duchesse de Bourbonnais, „Croia“, 12 juillet 1495; Lettres de Charles VIII (note 2), Vol.4, 275–276. 8 Philippe de Commynes, Mémoires. Éd. par J. Blanchard. 2 Vols. Genève 2007, Vol.1, 639. 9 Charles VIII au préfet de Rome, Turin, 29 août 1495; Lettres de Charles VIII (note 2), Vol.4, 275–276. 10

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Charles VIII au marquis de Mantoue, Asti, 24 juillet 1495; ibid. 232.

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neur“. D’Auton n’hésite pas à présenter „Loys le Triumphant“ comme „un preux Hannibal“ qui aurait à plusieurs reprises passé les Alpes pour réaliser ses conquêtes. 11 Si le roi ne participa pas en personne aux campagnes de 1499 et de 1500, il se fit acclamer en triomphateur lors de ses entrées à Milan le 6 octobre 1499 et à Gênes le 22 août 1502. À l’occasion de ces cérémonies, il apparaissait sous un dais tenu par des notables, et se livrait ensuite au toucher des écrouelles. Lors de l’entrée génoise, il se laissa approcher par la foule au cours de ses déplacements et des banquets. Après la révolte de Gênes, en 1507, il prit lui-même la tête de l’armée pour manifester sa puissance de roi justicier. Là encore, cette campagne aurait suscité l’enthousiasme de la noblesse, et une foule de jeunes gentilshommes auraient rejoint l’armée en espérant „qu’il y eust là mortelle bataille et honneur à acquérir“. 12 L’honneur du suzerain et l’honneur de la noblesse se confondaient. Louis se trouva de nouveau à la tête de ses troupes deux ans plus tard à la bataille d’Agnadel, contre les Vénitiens. Il se montrait particulièrement peu clément quand ses troupes prenaient d’assaut des forteresses ennemies, et faisait systématiquement pendre les paysans indociles. Suite à ces victoires, le roi pouvait apparaître en empereur romain. Louis XII fut ainsi reçu de manière particulièrement fastueuse par la municipalité milanaise le 1er juillet 1509. C’est à l’occasion de cette entrée qu’on utilisa pour la première fois des formes triomphales à l’antique. Au cours des années précédentes, on avait déjà fondu des médailles à Tours et à Lyon, selon la mode italienne, présentant le souverain comme un Victor triumphator semper augustus, voire un Caesare altero. 13 À Milan, on érigea plusieurs arcs de triomphe, le plus grand s’élevant devant le château, sur lesquels on pouvait admirer les principaux épisodes de la campagne. Plus spectaculaire encore, plusieurs chars à l’antique aux couleurs du roi (rouge et or) défilèrent „selon l’ancienne coustume des Romains“, comme l’a noté un témoin très impressionné. 14 Sur l’un d’entre eux étaient représentées les villes prises à l’ennemi, avec un coq picorant les yeux d’un lion de San Marco! 15 Un autre était chargé de trophées: drape11 Jean d’Auton, Chroniques de Louis XII. Éd. par R. Maulde de La Clavière. 4 Vols. Paris 1889–1893, Vol.1, 7. 12 Ibid. Vol.4, 164. 13 Nicole Hochner, Le trône vacant du roi Louis XII. Significations politiques de la mise en scène royale en Milanais, in: Philippe Contamine/Jean Guillaume (Dir.), Louis XII en Milanais. Paris 2003, 227–244, voir 232; Robert W. Scheller, Ensigns of Authority: French Royal Symbolism in the Age of Louis XII, in: Simiolus 13/2, 1983, 75–141. 14 Florange, Mémoires (note 1), Vol.1, 40. 15 Marino Sanudo, I Diarii di Marino Sanuto dal 1496 al 1532. Éd. par R. Fulin et al. 58 Vols. Venise 1879– 1903, Vol.8, col. 500.

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aux, armes, cuirasses. Le roi lui-même fut invité à trôner sur un char triomphal tiré par quatre chevaux caparaçonnés de blanc, qui portait les allégories de trois Vertus, sans doute la Victoire, la Renommée et la Justice, qui ne furent pas toutes identifiées par les spectateurs. 16 Mais le souverain refusa de monter sur ce „siège de victoire“, et il poursuivit son chemin à cheval, sous un dais de drap d’or. De crainte d’apparaître comme un tyran, il entendait conserver la figure d’un homme de modestie, conscient que les honneurs étaient réservés au „Roy du ciel“, comme le rapporte Jean Marot dans son poème intitulé „Le Voyage de Venise“. 17 Mais il s’agissait peut-être aussi de se placer dans les pas de Francesco Sforza qui, un demi-siècle plus tôt, avait décliné une invitation de ce type. En tout cas, la nouvelle circula rapidement: le roi avait refusé le triomphe! 18 D’une conception nouvelle qui rompait avec les entrées traditionnelles, le triomphe milanais impressionna beaucoup. Cependant, les images impériales n’étaient pas encore destinées à être mobilisées à l’intérieur du royaume de France, où le souverain restait célébré comme un roi chevalier, pieux et juste. Néanmoins, au cours des décennies suivantes, les références gréco-latines furent progressivement incorporées à l’idéologie monarchique, et François Ier comme Henri II allaient être assimilés aux héros et aux divinités antiques. Repu de fêtes et de combats, Louis XII prit le chemin de la France, non sans avoir fait savoir aux consuls de Lyon qu’il interdisait qu’on lui offre une entrée élaborée. Deux ans plus tôt, les Lyonnais avaient décoré leur ville aux couleurs du souverain et érigé des échafauds portant des personnifications des vertus. 19 Conformément à la volonté du monarque, c’est une réception discrète qui fut organisée le 25 août 1509. La municipalité fut avertie que le souverain pourrait être „ennuyé et fatigué“ par une entrée trop riche. Preuve du caractère exceptionnellement modeste de cette réception, les consuls notèrent dans leurs registres que cela était la volonté expresse du monarque. 20 Les rues n’étaient pas pavoisées, mais on avait néanmoins recouvert de sable les pavés. François Ier reprit à son compte les prétentions italiennes de ses successeurs. Son 16

Robert W. Scheller, L’union des princes: Louis XII, his allies and the Venetian campaign 1509, in: Simio-

lus 27/4, 1999, 195–242, voir 238.

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17

Nicole Hochner, Louis XII. Les dérèglements de l’image royale (1498–1515). Seyssel 2006, 123.

18

Sanudo, Diarii (note 15), Vol.8, col. 500.

19

Georges Guigue, Entrée de Louis XII à Lyon le 17 juillet 1507. Lyon 1885.

20

Archives Municipales de Lyon, BB 27, fol.341 v°–342 (délibérations consulaires, 25 août 1509).

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règne s’ouvrit sur une campagne qui constituait une sorte de sacre militaire. Comme Charles VIII à Fornoue, le jeune souverain paya de sa personne à Marignan. Au combat, le monarque se considérait au sein de sa noblesse comme un primus inter pares, qui devait prouver sa vertu. Dans la lettre célèbre qu’il écrivit à sa mère à l’issue du combat, François Ier déclara que „tout bien débattu, depuis deux mille ans ça n’a point été vu si fière ni si cruelle bataille“. 21 Les combattants avaient ainsi le sentiment de faire l’histoire, voire de réaliser des exploits dignes des héros antiques. Le maréchal Trivulzio, vétéran de multiples campagnes, aurait ainsi déclaré qu’il venait d’assister à „une bataille non pas d’hommes, mais de géants“. 22 Comme l’a montré Philippe Hamon, la Renaissance a connu une exaltation nouvelle de la personne du souverain, qu’il s’agisse de sa personne morale ou de sa personne physique: „L’identification entre roi régnant et monarchie, voire entre roi et couronne progresse: dans tous les domaines, le corps physique du roi est mis en avant“. 23 L’image du roi se répandait, et le prince était représenté désormais sous des traits héroïques, à la mode antique. C’est surtout à partir de François Ier que la dimension surnaturelle de la puissance royale fut exaltée. 24 Prince christique, héros chevaleresque, demi-dieu surhumain, le vainqueur de Marignan incarnait parfaitement les valeurs aristocratiques de son temps. La Renaissance a exalté la figure du monarque combattant. Sous la plume de Machiavel, le prince n’est d’ailleurs plus un modèle de piété et de justice, mais un combattant prêt à tout pour conserver ses possessions et vaincre ses ennemis: „Un prince ne doit donc avoir d’autre objet ni d’autre pensée, et ne doit rien choisir d’autre pour art, hormis la guerre, et les ordres et la discipline de celle-ci; car c’est le seul art qui convienne à celui qui commande […]. Il ne doit jamais, de ce fait, détourner sa pensée de l’exercice de la guerre, et dans la paix il doit s’y exercer plus que dans la guerre.“ 25 21 Lettre de François Ier à la duchesse d’Angoulême sur la bataille de Marignan, écrite du camp de SainteBrigide, le vendredi 14 septembre 1515, in: Nouvelle collection des mémoires pour servir à l’histoire de France. Éd. par Joseph-François Michaud/Jean-Joseph-François Poujoulat, 1ère série, t. 5. Paris 1838, 596. 22 Guicciardini, Histoire d’Italie (note 6), Vol.2, 59. 23 Philippe Hamon, Une monarchie de la Renaissance? 1515–1559, in: Joël Cornette (Dir.), La Monarchie entre Renaissance et Révolution, 1515–1792. Paris 2000, 13–62, voir 19. 24 Anne-Marie Lecoq, François Ier imaginaire. Symbolique et politique à l’aube de la Renaissance française. Paris 1987. 25 Machiavel, Le Prince. Éd. par Jean-Louis Fourne/Jean-Caude Zancarini. Paris 2000, 131–133. Sur la place de la guerre dans „Le Prince“, voir notamment: Alfredo Bonadeo, Machiavelli on War and Conquest, in: Il Pensiero Politico 7/3, 1974, 334–361; Michael Mallett, The Theory and Practice of Warfare in Machiavelli’s

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Le roi doit donc savoir manier les armes, endurcir son corps par l’exercice, connaître l’histoire des grands capitaines et se familiariser avec la géographie de ses États. Telles sont les qualités nécessaires pour se tenir prêt à affronter la fortune et maintenir son rang. Le Florentin rêvait sans doute d’un régime républicain équilibré, fondé sur l’exemple romain, mais il n’en était pas moins fasciné par les grands hommes capables de s’adapter aux mutations du temps et de tirer partie des mutations de la fortune. Le prince devait être un „virtuose“, un homme possédant la virtù, cette force virile lui permettant d’adapter ses actions au mouvement incessant du monde et de s’imposer dans la bataille. Le fils de François Ier, Henri II, fut célébré à son tour non seulement comme un conquérant victorieux, mais aussi comme un roi de paix capable d’imposer l’obéissance à ses sujets par la force de son éloquence, comme le signifiait la statue de l’Hercule gaulois figurant sur l’un des arcs de triomphe érigés à l’occasion de l’entrée triomphale à Paris en 1549. 26 Le modèle offert au souverain était celui de l’Hercule gaulois, un demi-dieu dénudé ayant renoncé à la violence pour obtenir l’obéissance de ses sujets par la douceur de son éloquence. Cela n’empêcha pas le roi de prendre la tête de ses armées en 1552, lors de la campagne d’Austrasie, mais il ne participa pas en personne aux combats, délaissant au duc de Guise le soin de défendre Metz contre les armées impériales. La leçon du désastre de Pavie avait été retenue. La disparition subite du roi, dix ans plus tard, a constitué un tournant majeur. Henri II mourut en effet après avoir reçu un éclat de lance dans l’œil à l’occasion d’une joute organisée à Paris le 30 juin 1559. C’en était fini désormais des combats chevaleresques à la cour. On se contenterait désormais de carrousels et de jeux d’adresse.

II. Pietate et Iustitia L’avènement de jeunes garçons, François II en 1559, puis Charles IX en 1560, mit fin brutalement au système d’identification qui permettait à la noblesse de reconnaît Republic, in: Gisela Bock/Quentin Skinner/Maurizio Viroli (Eds.), Machiavelli and Republicanism. Cambridge 1990, 173–180; Barbara Spackman, Politics on the Warpath: Machiavelli’s Art of War, in: Albert Russell Ascoli/Victoria Kahn (Eds.), Machiavelli and the Discourse of Literature. Ithaca, N. Y. 1993, 179–194. 26 Voir Lawrence M. Bryant, The King and the City in the Parisian Royal Entry Ceremony: Politics, Ritual and Art in the Renaissance. Genève 1986; id., Ritual, Ceremony and the Changing Monarchy in France, 1350–1789. Aldershot 2010.

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re dans le souverain une sorte d’image idéale d’elle-même. Il était difficile de voir chez ces jeunes gens des modèles chevaleresques. Alors que les rois de la Renaissance exprimaient des qualités plus conquérantes dans leurs devise – le porc épic de Louis XII qui frappe „De près comme de loin“ (cominus et eminus), la salamandre de François

Ier qui se nourrit au bon feu et éteint le mauvais (nutrisco et extinguo), et le croissant d’Henri II qui promet d’„emplir tout le cercle“ (donec totum impleat orbem) –, on allait désormais exalter la capacité du souverain à régner „par la piété et la justice“, comme l’indiquait la devise choisie par le chancelier Michel de L’Hospital à l’avènement de Charles IX: Pietate et Iustitia. L’honneur du roi reposait désormais non plus sur son aptitude à braver la mort dans le combat, mais à gouverner avec sagesse et raison, dans le respect des commandements de Dieu. Si l’héroïsme n’était plus chez le roi, il pouvait en revanche se trouver chez d’autres princes. Le duc de Guise, du côté catholique; le prince de Condé, du côté protestant. Agir en bon justicier, tel était l’idéal sans cesse rappelé aux souverains. Le pouvoir du prince reposait sur le principe du regimen animarum, l’art de conduire les âmes. Pour bien gouverner, il fallait d’abord fournir un modèle moral et religieux à l’ensemble des sujets, à commencer par la noblesse. Tous les Miroirs du prince ont repris cette idée, de l’„Institution du prince chrétien“ d’Érasme (1516), à l’„Institution du prince“ de Guillaume Budé (1547), en passant par la „Grant monarchie de France“ de Claude de Seyssel (1519). Pour autant, Charles IX ne négligeait pas les exercices du corps. À défaut de prendre la tête de ses armées, il s’épuisait dans d’interminables chasses qui étaient pour lui une façon de prouver son aptitude à combattre les forces du mal. Cet exercice permettait d’exprimer la violence constitutive de l’identité nobiliaire, et les bêtes sauvages pouvaient apparaître comme une forme incarnée des passions dévastatrices que le prince avait le devoir de combattre. 27 Cependant, le jeune souverain ne craignait pas de faire savoir qu’il entendait régner comme un „roi absolu“, c’est-à-dire en étant obéi de tous ses sujets. Il a fait usage de cette expression à plusieurs reprises au lendemain de la Saint-Barthélemy. Il a d’abord justifié la mise à mort de l’amiral de Coligny en affirmant que le chef militaire du parti huguenot avait acquis une telle puissance que lui-même ne pouvait plus se dire „roy absolut“ 28, et quelques mois plus tard, au moment du siège de La Rochelle, il fit part à son frère, Henri, de sa vo27 Denis Crouzet, La Nuit de la Saint-Barthélemy. Un rêve perdu de la Renaissance. Paris 1994. 28 Charles IX à Schomberg, 13 septembre 1572. Bibliothèque nationale de France [BnF], Manuscrits Fran-

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lonté d’être de régner en „roy absolu“: „C’est le couronnement de l’œuvre, l’establissement certain et entier de mon autorité et d’un repos perpetuel en mon royaume, et la perfection de tout ce que vous avez si bien et heureusement acheminé pour me tirer de la subgection en laquelle j’ay jusques icy esté reduit, et me fere regner roy absolu en cedit royaume, comme ont faict mes predecesseurs.“ 29 Ces mots lui étaient peut-être inspirés par sa mère, Catherine de Médicis, qui était en effet particulièrement soucieuse de voir ses fils obéis „absolument“. 30 Le cas de Charles IX est particulier car, à partir de novembre 1567, c’est son frère cadet, Henri, qui prit la tête des armées royales, alors qu’il n’avait que seize ans. Le duc d’Anjou a en effet été nommé lieutenant général en 1567, après la mort du connétable de Montmorency. Ce jeune prince participa aux campagnes de 1569, et il était présent lors des batailles de Jarnac (13 mars), La Roche-l’Abeille (25 juin) et Moncontour (3 octobre), face aux huguenots commandés par Condé puis par Coligny. A défaut de s’imposer comme un véritable stratège, le prince a supporté la vie rude des camps. Il mettait lui-même les troupes en ordre de bataille, et n’hésitait pas à marcher sur l’ennemi à la tête de ses troupes, comme il ne manquait pas de le faire savoir à son frère Charles IX. 31 Le sentiment d’avoir un rôle exemplaire à tenir était bien ancré dans l’esprit d’Henri. Il proclama ainsi qu’il comptait être le premier à se mettre en campagne „pour monstrer le chemyn et servir d’exemple aux autres à une si saincte et urgente necessité“. 32 À l’issue de la bataille de Jarnac, le jeune prince se sentait certainement animé par une forme d’exaltation, et il ne doutait pas que ses armes avaient été guidées par Dieu. 33 La disparition de Condé lui apparaissait certainement comme le juste châtiment d’un criminel de lèse-majesté qui avait osé non seulement désobéir à son souverain légitime, mais même le menacer. Sa mort avait un caractère providentiel, comme il le déclara à sa mère, faisant référence à „la grande et heureuse vicçais [Ms Fr] 3951, fol.151 v° (cité par Arlette Jouanna, Histoire et dictionnaire des guerres de Religion. Paris 1998, 199). 29 Charles IX à Henri, 3 avril 1573; BnF, Ms Fr 15557, fol.103. 30

Dans un avis rédigé en janvier 1577, elle rappela ainsi à Henri III qu’il était „en l’aage de commander

absolument“; Lettres de Catherine de Médicis. Éd. par Hector de La Ferrière et al. 12 Vols. Paris 1880–1943, Vol.5, 231. 31

Henri à Charles IX, La Souterraine, 5 juin 1569; Lettres de Henri III, roi de France. Éd. par Michel

François et al. 6 Vols. Paris 1959–2006, Vol.1, 105–107.

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32

Henri à Jacques d’Humières, Amboise, 11 août 1569; ibid. Vol 1, 115.

33

Henri au duc d’Urbino, Jarnac, 13 mars 1569; ibid. Vol.1, 87–88.

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toire que Dieu vous a donnée et de la mort du prince de Condé“. 34 À Charles IX, Henri déclarait que la victoire témoignait de la protection que Dieu lui avait accordé: „[…] par où il est aysé à congnoistre que Dieu est protecteur de son Eglise et de la justice de vostre cause et qu’il vous a reservé assez de gens de bien en vostre Royaulme pour abaisser l’orgueil de voz ennemis et réduire voz subiectz rebelles en vostre obeisance.“ 35 Les victoires de Jarnac et de Moncontour ont permis au duc d’Anjou de se construire un capital symbolique de chevalier catholique exemplaire. La grande défaite huguenote de Moncontour apparut d’ailleurs aux contemporains comme une sorte de miracle, car les forces de l’amiral de Coligny se sont débandées totalement à l’issue d’un engagement pourtant très bref. 36 Ronsard a célébré ainsi les succès du prince en mettant l’accent sur ce caractère d’harmonie collective fondée autour de sa personne: „Il a guidant ses guerriers, De Lauriers Orné son front et sa bande: Et Capitaine parfait, Sa main fait, Ce qu’aux autres il commande.“ 37

Après la Saint-Barthélemy, Henri d’Anjou prit la tête des troupes chargées d’investir la place protestante de La Rochelle. Présent au camp de Nieul à partir de la mi-février 1573, il prenait son commandement à cœur, participant au conseil de guerre chaque matin à l’aube, et organisant les tours de garde dans les tranchées. 38 Le 14 juin 1573, Henri n’hésita pas à se tenir à découvert devant l’une des portes de la ville pour négocier avec les assiégés. Sur le chemin du retour, il essuya des tirs d’arquebuse qui blessèrent deux gentilshommes de sa suite. Un occasionnel publié à l’issue du siège assure qu’une balle lui déchira la fraise et que l’autre lui glissa sur la main. 39 Un autre 34 Henri à Catherine de Médicis, Segonzac, 17 mars 1569; ibid. Vol.1, 89. 35 Henri à Charles IX, Segonzac, 17 mars 1569; ibid. Vol.1, 90. 36 Denis Généroux, Journal historique de Denis Généroux notaire à Parthenay (1567–1576). Éd. par B. Le Dain. Niort 1865, 58. 37 Ronsard, Hymne du roy Henry IIIe, roy de France, pour la victoire de Moncontour, vers 25–30, in: id., Œuvres complètes. Éd. par J. Céard/D. Ménager/M. Simonin. 2 Vols. Paris 1993–1994, Vol.2, 512–515. 38 BnF Ms Fr 15557, fol.3–4 („L’ordre que monseigneur a resolu estre tenu à la garde des tranchées par les princes et seigneurs qui s’y doyvent trouver par tour“, 1er mars 1573). 39 Discours et recueil du siege de La Rochelle en l’année 1573. Lyon: J. Saugrin 1573, fol.10 v°.

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récit assure que le prince se trouva pris sous le tir de deux canons alors qu’il inspectait les retranchements avec son frère, François, et le roi de Navarre, et qu’il fut touché à la tête, à la main gauche et à la cuisse. 40 La présence des princes royaux au camp inquiétait beaucoup. Jean de Saint-Sulpice, qui assumait le rôle de gouverneur de la personne du duc d’Alençon, le frère cadet de Charles IX et d’Henri d’Anjou, se montrait ainsi très soucieux de la sécurité de son protégé, alors âgé de dix-sept ans. Parlant des tranchées et du fossé, où le duc se rendait, il notait que „ce ne sont point lieux de fils de roi“. 41 Le siège de La Rochelle a constitué un moment d’autant plus décisif pour Henri III qu’il a été un échec. Néanmoins, c’est grâce à sa réputation de soldat qu’Henri fut choisi comme roi par les magnats polonais et lituaniens. Ils avaient en effet besoin d’un monarque capable de les défendre d’une part contre le moscovite Ivan le Terrible, et d’autre part contre les Turcs. C’est d’ailleurs comme un chef de guerre exemplaire qu’Henri fut fêté lors de son accession au trône de Pologne. Dans la chronique qu’il publia au lendemain de l’élection d’Henri III, Blaise de Vigenère célèbre ainsi le „très magnanime et invincible courage“ du jeune homme et les „biensfaicts envers la Republique chrestienne“ dont il était l’auteur. 42

III. Manet ultima coelo Alors qu’il était apparu comme le bras armé de son frère Charles IX, Henri ne prit plus la tête de ses armées quand il devint roi de France. L’héroïsme n’était désormais plus de mise. Comme il n’avait pas d’héritier direct, il était bien trop dangereux pour la stabilité de l’État que le souverain risque sa vie à la tête de ses armées. Le monarque avait le sentiment qu’il concentrait en sa personne les péchés de ses sujets. Il devait combattre non plus des ennemis humains, mais vaincre les passions et les vices qui déplaisaient à Dieu. Henri entendait faire de sa personne un lieu de conjugaison des forces contraires qui animaient les âmes de ses sujets. Le corps du prince s’imposait

40

Filippo Cavriana, Histoire du siège de La Rochelle en 1573. La Rochelle 1856, 141–143.

41

Jean de Saint-Sulpice à sa femme, 1er mai 1573. Guerres de Religion dans le Sud-Ouest de la France et

principalement dans le Quercy, d’après les papiers des seigneurs de Saint-Sulpice de 1561 à 1590. Éd. par Edmond Cabié. Albi 1906, col. 223. 42

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Blaise de Vigenère, Les Chroniques et Annales de Poloigne. Paris: J. Richer 1573, „Epistre“.

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en effet comme une Imago Mundi concentrant les forces, les vertus et les vices des hommes. Henri a été marqué par l’imaginaire pénitentiel auquel l’a initié Emond Auger (1530–1591). 43 Ce jésuite a prêché le Carême à la cour en 1568, à la demande du cardinal de Lorraine. Le futur Henri III a dû être très impressionné par le religieux, puisqu’il lui a demandé de l’accompagner lors de ses campagnes contre les huguenots. C’est à ce moment qu’Auger composa un petit traité dédié au roi, dans lequel il invitait les princes catholiques à réaliser la „bonne guerre“ contre les hérétiques. 44 Il y soutenait que la religion constitue le „cyment“ de l’État, et qu’il n’est donc pas possible de transiger avec les hérétiques. 45 Auger faisait par ailleurs l’apologie de la puissance monarchique, et il assurait que, dans la monarchie française, „toutes choses se gouvernent au clin d’œil d’un seul Roy“. 46 Le jour de la bataille de Jarnac, Henri se confessa auprès du Père Auger avant de communier lors de la messe que celui-ci célébra devant les chefs de l’armée royale. Le jésuite aida ensuite le duc à mettre son armure, et il se tint à ses côtés durant la rencontre. 47 Auger quitta l’armée après la bataille de Moncontour, mais Henri put l’entendre de nouveau lorsqu’il revint à la cour pour prêcher le Carême de 1571. Il réclama de nouveau son assistance spirituelle lors du siège de La Rochelle, et à son retour de Pologne, il le retrouva à Lyon en septembre 1574. Auger a probablement été consulté lors de la fondation de l’ordre du SaintEsprit, en décembre 1578, et Henri III fit de nouveau appel à lui en 1583, quand il décida d’instituer la compagnie des pénitents blancs de l’Annonciation Notre-Dame, Auger se chargeant d’ailleurs d’en rédiger les statuts. 48 Les pénitents blancs arborai-

43 Paul Deslandres, Le Père Emond Auger, confesseur de Henri III (1530–1591), in: Revue des études historiques 104, 1937, 28–38; A. Lynn Martin, Henry III and the Jesuit Politicians. Genève 1973; id., The Jesuit Mind: The Mentality of an Elite in Early Modern Europe. Ithaca, N. Y./Londons 1988; id., Emond Auger, in: The Oxford Encyclopedia of the Reformation. Oxford 1995. Voir aussi Harro Höpfl, Jesuit Political Though: The Society of Jesus and the State, c. 1540–1630. Cambridge 2004. 44 Emond Auger, Le Pédagogue d’armes, pour instruire un prince chrétien à bien entreprendre et heureusement achever une bonne guerre, pour estre victorieux de tous les ennemis de son Estat et de l’Église catholique. Paris: J. Nivelle 1568, 9 v°. 45 Ibid. 15. 46 Ibid. 119. 47 Henri Fouqueray, Histoire de la compagnie de Jésus en France, des origines à la suppression (1528– 1762). 5 Vols. Paris 1910–1925, Vol.1, 624 et 661–662 (lettre d’Auger, Jarnac, 14 mars 1569). 48 Edmond Auger, Les Statuts de la Congrégation des pénitens de l’Annonciation de Nostre Dame. Paris: J. Mettayer 1583.

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ent la discipline à la ceinture, mais ils n’en faisaient pas usage en public. L’instrument devait leur rappeler les souffrances du Christ. Il semble cependant que certains membres de la compagnie aient pratiqué cet exercice en secret. Cette troupe réalisa plusieurs processions spectaculaires dans les rues de la capitale, et elle accompagna également le souverain dans ses pèlerinages aux grands sanctuaires mariaux de Notre-Dame de Cléry, près d’Orléans, et de Chartres, en 1584. Auger jouait désormais un rôle de directeur de conscience auprès du souverain. Il rédigea d’ailleurs un long discours sur la pénitence, par lequel il appelait les catholiques à la conversion. L’ouvrage était adressé à Henri III, auquel le jésuite déclarait que chez „chaque homme privé, l’ame et le corps s’entrecommandent et s’entreservent à tour pour fortifier leur commun estre“. 49 A ses yeux, il ne faisait aucun doute que les sphères civile et spirituelle devaient se conjoindre, et que la stabilité de l’État royal dépendait de l’étroite association de la police et de la religion. Il rappelait que „le Prince doit conspirer avec le gouvernement des consciences, si que et la police, et la religion s’entre-asseurantes, éternisent, si faire se peut, l’estat entire“. S’inspirant du livre des Proverbes, il reconnaissait aussi que „les cœurs des Rois sont en la main de Dieu, et de lui descend leur sagesse“ (Prov 21, 1), et que „comme la hauteur du Ciel, et la profondité de la terre, nous est incogneue, aussi sont les cœurs des Rois“ (Prov 25, 3). Il se félicitait que le roi ait décidé de quitter régulièrement les distractions de la cour pour se retirer „à part avec Dieu“. Pour Auger, comme pour nombre d’autres ecclésiastiques, et certainement pour une partie non négligeable de la population, le souverain devait apparaître comme un être exemplaire, pratiquant les vertus chrétiennes à leur plus haut degré. Auger prônait un „mespris du monde“ absolu fondé sur la vertu de tempérance, et il préconisait tout particulièrement la modestie dans l’apparence vestimentaire. 50 Henri III suivit cet enseignement à partir du début des années 1580, renonçant à ses pourpoints chatoyants pour se vêtir de noir. Le jésuite présentait aussi le sac du pénitent, sans couture à l’image de la tunique du Christ, comme l’habit qui plaît le mieux à Dieu. Il encourageait par ailleurs l’usage de la discipline auquel saint Louis, le modèle du roi chrétien, avait eu recours secrètement chaque vendredi. 51 De cette façon, le 49 Emond Auger, Metanoeologie. Sur le suget de l’archicongregation des penitens de l’Annonciation de nostre Dame, et de toutes telles autres dévotieuses assemblées en l’Église sainte. Paris: J. Mettayer 1584, „Epistre“. 50 Ibid. 161 et suiv. 51 Ibid. 176.

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chrétien apprend à mourir au monde et à purifier son corps des „passions brutales et désirs qui salissent et tachent la beauté et pureté de nos ames“. 52 À partir de l’été de 1584, le roi commença à se retirer régulièrement dans l’oratoire de Vincennes, et au moment de la crise ligueuse du printemps suivant il établit une nouvelle compagnie, la compagnie des Confrères de la Mort. Les statuts de cette nouvelle association pénitentielle, rédigés le 10 mai 1585, stipulaient que les vingt et uns confrères choisis par le roi, parmi lesquels figuraient deux prêtres, devraient se réunir au Louvre chaque vendredi, vers vingt et une heures, pour célébrer l’office de la Passion. Leur habit serait une robe d’étamine noire tombant à terre, avec de larges manches et un capuchon pointu rabattu bas sur le visage durant le service. Le service serait célébré comme il l’était à la congrégation des pénitents de Paris. Il y aurait deux choristes pour chanter les psaumes, le confrère sacristain aurait la charge d’allumer et d’éteindre le luminaire de la chapelle. On célébrerait l’office de la Passion, puis la litanie de la Passion, un confrère prêtre ferait ensuite l’exhortation et la prière à la Vierge, et à la fin du service, on éteindrait le luminaire en récitant un Pater, un Ave et le Credo. On réciterait ensuite le Miserere et le De Profundis, „durant tous lesquelz deux pseaumes se pourra prendre la discipline par chacun des confreres, à quoy toute ladicte compaignie est exhortée de si disposer pour matter la chair“. 53 La discipline se donnerait alors dans le noir, à genoux. En cas de faute, le confrère fautif paierait une amende d’un teston et resterait une demie heure à genoux devant l’autel, sans carreau sous les genoux. Le roi manifestait par ailleurs une dévotion eucharistique qui surprenait nombre de ses contemporains. Alors que la plupart des courtisans ne communiaient qu’à Pâques, comme l’immense majorité des catholiques, Henri III commença à communier plus fréquemment à partir de 1582, souvent après avoir effectué une retraite. En 1585, année de la crise ligueuse, il alla jusqu’à communier trois fois au cours d’une semaine passée à l’oratoire de Vincennes, ce qui ne manqua pas de stupéfier les observateurs. 54 La confession et la communion, d’une part, les mortifications, d’autre part,

52 Ibid. 178. 53 BnF, Ms Fr 3963 fol.1 v° („Livre des status de la compaignie des confreres de la Mort“). Sur l’usage de la discipline, voir Patrick Vandermeersch, La Chair de la Passion. Une histoire de foi: la flagellation. Paris 2002. 54 René de Lucinge, Lettres sur les débuts de la Ligue, 1585. Éd. par A. Dufour. Genève 1964, 191 (dépêche du 20 septembre 1585).

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étaient destinées à purifier l’âme du monarque en travaillant sur sa conscience et en disciplinant son corps. Ces pratiques visaient non seulement à faire du souverain un chrétien exemplaire, mais également à apaiser le courroux divin. Depuis son avènement, Henri avait conscience que la naissance d’un héritier était indispensable à l’établissement de son autorité sur un royaume pacifié. C’est dans son corps même que le monarque se sentait marqué par la colère divine. Comme Auger avait dû le lui répéter régulièrement, le souverain se sentait convaincu d’entretenir une relation particulière avec le Tout-Puissant, voire d’incarner une figure de médiateur entre ses sujets et Dieu. Cette tentative de captation des mystères sacrés parut d’ailleurs inacceptable à nombre de catholiques, sans parler des protestants. C’est de sa relation privilégiée avec le Seigneur que le monarque tenait la conviction que ses actions ne pouvaient être soumis à la critique ou au commentaire de la part de ses sujets. Nouveau Salomon, il se voyait comme un être de raison et de sagesse, et comme un législateur et un juge apte à faire régner une justice parfaitement équitable dans son royaume. C’est pourquoi son militantisme religieux ne le poussait pas à prôner la violence contre les huguenots. Il est possible que le spectre de la Saint-Barthélemy, dont il avait été l’un des acteurs majeurs, l’ait hanté, ou du moins qu’il ait pris conscience, à l’issue des massacres, que l’extermination des réformés n’était ni possible ni souhaitable. Ainsi, quand il céda aux exigences des ligueurs, en juillet 1585, en révoquant ses édits de tolérance, il souligna bien que cette décision ne devait pas s’accompagner de violences à l’égard des huguenots. Ceux-ci avaient six mois pour se convertir ou pour quitter le royaume. Les représentations du monarque témoignent de l’évolution de sa sensibilité. Les portraits en pourpoint noir, avec le col blanc rabattu à l’italienne, le cordon bleu céleste du Saint-Esprit et le petit bonnet à aigrette, s’imposent au début des années 1580. Il semble que ce modèle iconographique ait été établi par Jean Decourt († 1585), qui a succédé François Clouet comme peintre du roi en 1572. Un portrait du monarque, gravé en 1581, a été intégré à un paysage allégorique réalisé pour orner la traduction des „Décades“ de Tite-Live fournie par Blaise de Vigenère en 1583. 55 Le palmier et l’olivier signifient la victoire et la paix. Le triangle divin entouré de la couronne d’épines abritant le mot „coelo“ fait allusion à la Passion, la troisième couronne, celle qui attend le roi au ciel, est assimilée à la couronne d’épines. Il est possible 55

Isabelle Oger-Haquet, Les Portraits d’Henri III, roi de France et de Pologne (1574–1589). La figure, la fonc-

tion, le sacré. 2 Vols. Thèse de doctorat, Université Paris-X 2010, Vol.1, 267 et suiv.

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de voir dans le mystique Guillaume Postel (1510–1581), l’un des grands diffuseurs du prophétisme joachimite, l’inspirateur de cette iconographie qui célébrait le roi comme le souverain du troisième Âge, celui de l’Esprit. Reclus au prieuré de Saint-Martin-des-Champs, Postel ne parut à la cour d’Henri III, mais son disciple Guy Le Fèvre de La Boderie a pu diffuser ses conceptions, de même que Blaise de Vigenère.

IV. Le glaive de puissance Cependant, Henri III s’imaginait toujours comme un roi de guerre brandissant le glaive que Dieu lui avait confié pour exercer la justice. C’est ainsi qu’il apparaît sur les vitraux commandés pour Notre-Dame de Cléry, une église dévastée par les huguenots en 1562 qui abritait le tombeau de Louis XI. Sur une belle verrière, réalisée sans doute vers 1583 par François Porcher, le roi est figuré en armure, l’épée au poing, au milieu des quatre évangélistes, à l’emplacement où la figure du Christ est habituellement visible. Il était un nouveau Christ armé charger de rendre une justice souveraine. Ce n’est pas avant 1587 que le roi ne décida de prendre la tête d’une armée. Il quitta Paris le 12 septembre pour rejoindre les forces assemblées à Gien. Le lendemain, une procession solennelle était organisée dans la capitale pour prier Dieu de lui accorder la victoire. La guerre fut loin de se dérouler comme on l’avait espéré. Le beau-frère du roi, le duc de Joyeuse, trouva la mort lors de la bataille de Coutras, le 20 octobre, et son armée fut entièrement défaite par le roi de Navarre. Henri III pouvait interpréter l’événement comme un signe de la Providence: Dieu n’avait pas permis que l’héritier légitime de la couronne fût vaincu. En revanche, après avoir laissé les mercenaires allemands traverser le territoire de son gouvernement, le duc de Guise parvint à les défaire une première fois à Vimory, près de Montargis, dans la nuit du 26 au 27 octobre, et une seconde fois à Auneau, en Beauce, le 24 novembre. Pour sa part, le roi négocia pacifiquement le retrait des autres forces étrangères, qu’il fit raccompagner aux frontières par Épernon. Le duc de Guise dénonça aussitôt cet accommodement comme un artifice destiné à protéger les hérétiques. Épernon fut naturellement accusé de cette politique de connivence avec les étrangers. 56 Sans

56 Archivo General de Simancas, K 1565 (microfilm aux Archives Nationales de France), n° 144 (articles

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avoir pris le risque d’affronter lui-même les forces protestantes, Henri III n’en fit pas moins une entrée triomphale à Paris le 23 décembre 1587, espérant récupérer à son profit le prestige militaire du duc de Guise. Il se rendit directement à Notre-Dame pour entendre le Te Deum chanté pour rendre grâce à Dieu de la victoire. Le gouverneur de Paris, Villequier, avait été chargé de veiller à ce que le peuple crie „Vive le Roi !“ au passage du cortège. 57 Mais les Parisiens n’étaient pas dupes. Leur héros était le duc de Guise. Un an plus tard, le roi faisait assassiner le duc et son frère le cardinal. Il fallait désormais justifier ce coup de force. Dans le mémoire qu’il confia au légat Morosini, alors chargé de négocier un accommodement avec le duc de Mayenne, Henri III souligne bien qu’il n’a jamais eu la volonté de ruiner ou d’exterminer la maison de Lorraine, et que la mort des Guise s’explique par la „necessité d’Estat“. 58 Quelques années plus tôt, dans son „Amiable accusation et charitable excuse des maus et evenemens de la France“, Pierre de Dampmartin parlait déjà des „secrettes necessités de l’Estat“ à propos de la Saint-Barthélemy. 59 Le roi reprend à son compte le concept de „nécessité“, déjà très présent chez Catherine de Médicis, en lui donnant un sens très précis: il ne s’agit pas seulement de réagir vertueusement aux impératifs du moment en se comportant selon la „nécessité du temps“ ou la „nécessité des affaires“, mais aussi de défendre à tout prix un intérêt supérieur de la chose publique qui trouve sa réalisation dans le concept transcendant d’État. Dans un autre document, le roi va plus loin encore quand il parle de „fait d’Estat“ à propos des raisons l’ayant poussé à se débarrasser des Guise. 60 Le geste du prince n’a plus à être légitimé par l’idée de nécessité: il s’élève d’une façon absolue au-dessus des justifications. 61 Henri III s’est approprié la sphère de l’action dissimulée et de la violence en retournant leurs propres armes contre ses adversaires. Contrairement à ses ennemis, il ne se voulait pas animé par la passion, la haine, ou la vengeance, mais par une raison

de la capitulation faite par le duc d’Épernon avec le prince de Conti, chef et conducteur de l’armée étrangère, et le duc de Bouillon) et n° 138, 140 et 155 (Guise à Mendoza, 11, 15 et 30 décembre 1587). 57

BnF, Ms Fr 3302, fol.55 (mémoire touchant l’entrée du roi à Paris revenant de la guerre).

58

BnF, Ms Fr 3977, fol.146 (articles accordés par Henri III pour parvenir à un accord des troubles, qui sont

baillés au sieur de Lenoncourt pour apporter au duc de Lorraine, 15 mars 1589). 59

Denis Crouzet, Le Haut Cœur de Catherine de Médicis. Une raison politique aux temps de la Saint-

Barthélemy. Paris 2005, 542. 60

BnF, Ms Nouvelles Acquisitions Françaises 6982 (Brienne 11), fol.8 („Mémoire baillé par le roi au sieur

de Maisse, allant de sa part trouver le duc de Ferrare“, Tours, 13 mars 1589). 61

Pour l’analyse du travail de justification mené par le roi, voir Nicolas Le Roux, Un régicide au nom de

Dieu. L’assassinat d’Henri III (1er août 1589). Paris 2006.

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transcendante à laquelle ses sujets ne pouvaient avoir accès. Roi de vérité et de lumière, le souverain a démasqué un tyran en puissance qui caressait l’ambition, sous des déguisements hypocrites, de s’emparer de la couronne. À l’instar de Phébus, il a su terrasser le serpent Python qui menaçait son royaume. 62 Le monarque se disait toujours animé par l’idéal de réforme qu’il avait essayé de faire appliquer avant la reprise des troubles. Il réaffirmait que son premier devoir était de réformer le royaume et de défendre la religion catholique. Il rappelait que Dieu lui avait donné „le glaive de puissance“ pour la sûreté des bons et le châtiment des méchants. Aussi la Providence le préserverait-elle de ses ennemis, et notamment du duc de Mayenne qui n’hésiterait pas, il en avait la certitude, à attenter à sa vie pour usurper la couronne. 63 Il ne craignait plus de recommander à ses officiers d’exercer une justice exemplaire à l’égard des rebelles pour frapper ses sujets de terreur. 64 Mais il promettait aussi le pardon et l’oubli aux repentis. L’entreprise pénitentielle d’Henri III s’est avérée une impasse politique. En se dépouillant des attributs de la majesté et en meurtrissant son corps, le dernier Valois devenait une sorte de roi nu. Or, plus que jamais, la souveraineté royale avait besoin d’être ancrée dans la sphère civile et investie d’une dignité éclatante. Le corps du prince n’était pas une simple enveloppe charnelle dont le monarque pouvait se dépouiller pour purifier son âme. Les Français n’entendaient pas être gouvernés par un religieux, mais être protégés par un souverain certes pieux, mais également viril et juste. Le sacre faisait certainement de lui un être à part, voué à accomplir une tâche exceptionnelle, mais il ne faisait pas pour autant de lui un clerc. Dans le cas du prince, le corps et l’âme ne pouvaient être séparés, et car il était un être pleinement humain qui avait le devoir de concevoir un héritier pour pérenniser sa dynastie et assurer la stabilité institutionnelle du royaume. Il fallut attendre les succès militaires d’Henri IV pour que le prince puisse être de nouveau célébré comme un héros triomphateur. Le Béarnais payait de sa personne sur les champs de bataille, et l’on fit de lui un nouveau Persée secourant la FranceAndromède, ou un Hercule victorieux de l’hydre ligueuse. Le souverain était un demi-dieu viril et protecteur, non un pénitent.

62 Le Paradis contre l’Enfer de Blois. s.l. 1589; Responce à la complainte qu’un Ligueur a fait sur la mort des Guisars freres. s.l. 1589, fol.13. 63 BnF, Ms Fr 3413, fol.74 v°3–75 (mandement de la gendarmerie, Blois, 6 février 1589, imprimé). 64 BnF, Ms Fr 4898, fol.7 (lettres closes d’Henri III à Bothéon, Blois, 29 janvier 1589).

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Philipp II. von Spanien – Ein Ritter? von Friedrich Edelmayer

1674 schrieb Marco Bravo de la Serna († 1679), der damals gerade Bischof von Chiapas in Mexico geworden war, in seinem in Madrid in jenem Jahr erschienenen Buch „Espejo de la juventud, moral, político y christiano“ den berühmt gewordenen Satz „Monarquía sin letras, Imperio sin luz“ – „Eine Monarchie ohne Schriftlichkeit ist ein Imperium ohne Licht.“ 1 Der Satz scheint wie geschaffen, die Regierungszeit Philipps II. von Spanien (1527–1598) zu beschreiben, eines Monarchen, dessen Herrschaft wie die keines seiner Vorgänger oder Zeitgenossen durch Federkiel und Papier geprägt war. 2 Dagegen zeigt die zwischen 1551 und 1564 von den beiden Mailänder Bildhauern Leone (1509?–1590) und Pompeo Leoni (1533?–1608) gegossene Bronzestatue, die heute im Madrider Pradomuseum ausgestellt ist 3, den künftigen König im Alter von 24 Jahren, gekleidet mit einem Prunkharnisch, in der linken Hand einen Kommandostab, in der rechten ein Schwert. Vater und Sohn Leoni stellten hier einen selbstbewussten Fürsten der Renaissance dar, der mit allen Zeichen der kriegerischen Herrschaft ausgestattet ist. Auf einem Ölgemälde von Tizian (1490?–1576), das 1551 entstand und heute ebenfalls im Prado gezeigt wird 4, bildete der berühmte Venezianer den 24-jährigen Kronprinzen ebenfalls in einem Prunkharnisch mit einem Schwert in der linken Hand ab. Die rechte Hand ruht auf einem Helm. Das Schwert ist möglicherweise jenes, das ihm der päpstliche Nuntius am 2. Juni 1549 im Rahmen eines öffentlichen Hochamtes in Brüssel überreicht und das Papst Paul III. (1468–1549) aus dem Haus der Farnese am Weihnachtsabend des Vorjahres

1 Zitiert nach Antonio Castillo Gómez, Entre la pluma y la pared. Una historia social de la escritura en los Siglos de Oro. (Akal Universitaria, Vol.248.) Madrid 2006, 7. 2 Zu Philipp II. sind zahlreiche Biographien erschienen, von denen hier nur die neuesten angeführt werden sollen, die alle weiteren relevanten Werke ohnedies zitieren: Geoffrey Parker, Felipe II: la biografía definitiva. Barcelona 2010; Friedrich Edelmayer, Philipp II. Biographie eines Weltherrschers. Stuttgart 2009; nur bedingt gewinnbringend zu lesen ist die Neuerscheinung von Markus Reinbold, Philipp II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf. (Persönlichkeit und Geschichte, Bd. 168.) Gleichen 2009. 3 http://www.museodelprado.es/coleccion/galeria-on-line/galeria-on-line/obra/felipe-ii-2 (12.06.2012). 4 http://www.museodelprado.es/coleccion/galeria-on-line/galeria-on-line/obra/felipe-ii (12.06.2012).

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DOI

10.1515/9783486781076.170

geweiht hatte. Philipp II. sollte diese Auszeichnung erhalten, weil ihn das Kirchenoberhaupt als katholischen Prinzen, als treuen Gefolgsmann der Römischen Kirche und als Verteidiger des „wahren“ Christentums auszeichnen wollte. 5 Martialisch ließ sich Philipp II. später zwar auch noch zeigen, beispielsweise 1557 vom niederländischen Maler Anthonis Moor (1519–1575), der ihn ebenfalls mit einem Prunkharnisch, Kommandostab und Schwert versah – das Bild befindet sich heute im Klosterpalast von San Lorenzo el Real de El Escorial 6 –, oder von Alonso Sánchez Coello (1531?–1590) auf einem Gemälde aus dem Jahr 1566 im Kunsthistorischen Museum in Wien 7, doch im Laufe der Jahre wurde Philipp II. immer öfter in schwarzer, strenger spanischer Hoftracht präsentiert, als einzigen Schmuck die Kette des Ordens vom Goldenen Vlies tragend. So bildete ihn beispielsweise Sofonisba Anguissola (1535?–1625) auf einem Bild im Prado ab 8, aber auch Sánchez Coello 1568 auf einem weiteren Gemälde im Wiener Kunsthistorischen Museum. 9 Offizielle Gemälde, die den König in Rüstung zeigen, sollten während der letzten dreißig Jahre seines Lebens nicht mehr entstehen. Fast scheint es, als hätte er im Laufe seines Lebens Abstand genommen von seiner martialischen ritterlichen Jugend und wäre erst später zu jenem Bürokraten geworden, als der er in der Historiographie immer wieder beschrieben wird. 10 Auf den folgenden Seiten soll daher diskutiert werden, ob Philipp II. sich einem wie immer gearteten „ritterlichen Erbe“ verbunden fühlte oder tatsächlich nur jener moderne neuzeitliche Bürokrat war, der seinem Nachfolger ein Erbe hinterließ, das nicht nur weite Territorien auf sämtlichen damals bekannten Kontinenten umfasste, sondern auch abertausende Blätter an beschriebenem Papier, wohlgeordnet und behütet im burgähnlichen Archiv von Simancas in der Nähe von Valladolid in Altkastilien.

5 Juan Christóval Calvete de Estrella, El felicíssimo viaje del muy alto y muy poderoso Príncipe Don Phelippe. Ed. Paloma Cuenca. Madrid 2001, 148–150. 6 Abbildung u.a. bei Santiago Arroyo Esteban/Elena Vázquez Dueñas, Imagen de regia majestad: Carlos V y Felipe II en las Fuentes impresas de la Biblioteca Histórica „Marqués de Valdecilla“, in: Pecia Complutense 8/15, 2011, 27–59, hier 49, Abb.17; online verfügbar unter: http://www.ucm.es/BUCM/pecia/doc17648.pdf (12.06.2012). 7 http://bilddatenbank.khm.at/viewArtefact?id=2303 (12.06.2012). 8 http://www.museodelprado.es/enciclopedia/enciclopedia-on-line/voz/anguisciola-sofonisba/ (12.06.2012). 9 http://bilddatenbank.khm.at/viewArtefact?id=2304 (12.06.2012). 10 Beispielsweise von José Antonio Escudero, Felipe II. El Rey en el despacho. Madrid 2002.

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In seiner frühen Jugend wurde Philipp II. tatsächlich auf eine ritterliche Art erzogen. Das hing nicht zuletzt mit Kaiser Karl V. (1500–1558) zusammen, seinem Vater, der sich ritterlichen Idealen durchaus verbunden fühlte. Der triumphierende Feldherr und Kaiser zu Pferde, wie ihn Tizian 1548 nach der Schlacht bei Mühlberg im Schmalkaldischen Krieg darstellte, mag hier als illustratives Beispiel genügen. 11 Von Philipp II. sind dagegen wenige zeitgenössische Reiterporträts bekannt, wie beispielsweise sein Einzug in Mantua 1549, heute in der Alten Pinakothek in München 12, gemalt um 1580 von Jacopo Tintoretto (1518–1594). Das Bild entstand aber nicht im Auftrag von Philipp II., sondern in jenem von Guglielmo Gonzaga (1538– 1587), dem Herzog von Mantua. Und das berühmte Bild von Peter Paul Rubens (1577–1640), das den triumphierenden Philipp II. zu Pferde zeigt und sich ebenfalls im Pradomuseum von Madrid befindet, entstand erst um 1630. 13 Ohne jeden Zweifel fühlte sich Philipp II. schon als junger Heranwachsender zu einer der klassischen ritterlichen, oder, besser gesagt, zu einer der adligen Tugenden besonders hingezogen, nämlich zur Jagd. So wurde 1540 seinem kaiserlichen Vater mitgeteilt, der Sohn gehe nach dem Studium zwei Mal die Woche auf die Pirsch. Während eines kurzen Universitätsaufenthaltes in Alcalá de Henares in jenem Jahr erlegte er angeblich an einem Tag neun Hasen, eine Woche später vier Milane. 14 Seine Jagdleidenschaft nahm Formen an, die Karl V. schließlich bewogen, die Zahl der Tiere zu limitieren, die der Thronfolger pro Woche erlegen durfte. 15 Die Jagd machte dem damals Dreizehnjährigen also Spaß, und das sollte sich auch in seinem weiteren Leben nicht mehr ändern. Immer wieder finden sich in den Quellen Hinweise auf die Jagdleidenschaft des Königs. Im April 1587 ereilte ihn beispielsweise die Nachricht vom Überfall der spanischen Flotte im Hafen von Cádiz durch englische Schiffe unter dem Kommando von Francis Drake (1540–1596), als sich der König auf

11

http://www.museodelprado.es/coleccion/galeria-on-line/galeria-on-line/obra/el-emperador-carlos-v-

a-caballo-en-muehlberg/ (12.06.2012). 12

http://www.artothek.de/artothek/images/incDetailView.cfm?imgNo=3953&EXCLUDEAGEN-

CIES=0&KEYWORD1=Tintoretto&AGENCY=0&SEARCHWITHIN=false&LANGUAGE=2&QUERY=Tinto-

retto%20&ISDISTRIBUTED=0¤tPage=1 (12.06.2012). 13

http://www.museodelprado.es/coleccion/galeria-on-line/galeria-on-line/obra/felipe-ii-a-caballo/

(12.06.2012). 14

Henry Kamen, Felipe de España. Madrid 1997, 5. Das Buch erschien gleichzeitig auch auf Englisch un-

ter dem Titel: Philip of Spain. New Haven, Conn./London 1997. 15

172

Parker, Felipe II (wie Anm.2), 51.

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der Fuchsjagd in Aranjuez befand. 16 Noch 1596 und 1597, als er schon so schwer von der Gicht gezeichnet war, dass sein Umfeld bereits mehrfach mit seinem baldigen Tod gerechnet hatte, ließ er sich in Aranjuez und El Escorial in einem speziell für ihn angefertigten Stuhl auf die Jagd tragen. 17 Und er wollte auch immer genau wissen, wie viele Tiere in den Jagdgebieten seiner Paläste während seiner Abwesenheit erlegt wurden, beispielsweise in El Pardo im Norden von Madrid. 18 Mit seiner Jagdleidenschaft erinnert Philipp II. durchaus an einen seiner „ritterlichen“ Vorfahren, nämlich an seinen Urgroßvater, den Kaiser Maximilian I. (1459–1519), der keine Kosten und Mühen gescheut hatte, besonders in Tirol die wild lebende Fauna nachhaltig zu dezimieren. 19 Turniere, ein weiteres Steckenpferd von Maximilian I. und Karl V., scheinen Philipp II. dagegen relativ wenig interessiert zu haben, obwohl er während seiner Jugend sowohl in deren mitteleuropäische Formen eingeführt wurde als auch in die juegos de cañas, eine iberische Version des adligen Wettkampfes, und angeblich auch ganz passabel diese Kunst erlernte. Nach Geoffrey Parker nahm er das erste Mal 1544, also mit 17 Jahren, an einem Turnier teil, und zwar in voller Rüstung. In jenem Jahr brach er auch eine Lanze. Im Juni partizipierte er auf dem Fluss Pisuerga nahe von Valladolid an einem Turnier, das auf einer der Episoden des „Amadís de Gaula“ basierte. Allerdings wurde das Boot so sehr mit gerüsteten Rittern überladen, dass es sank. Das Turnier musste also abgebrochen werden. Bei einem weiteren Versuch, zwei Jahre später die Abenteuer des Amadís auf einer Insel in der Nähe von Guadalajara nachzustellen, verletzte sich der Prinz während des Kampfes an beiden Beinen und musste danach einige Zeit am Stock gehen. 20 Als er zwischen dem Spätherbst 1548 und dem Frühling 1551 durch das Heilige Römische Reich reiste, um seine künftigen niederländischen Territorien kennenzulernen, wohnte er sehr oft Turnieren bei, vor allem nach seiner Ankunft in Brüssel

16 Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 253. 17 Ebd.266. 18 Ebd.133. 19 Dazu erschien erst kürzlich ein sehr kritischer und lesenswerter Artikel von Robert Büchner, Schattenseiten der höfischen Jagd: Maximilians übertriebene Wildhege und schonungslose Greifvogelvernichtung, in: Heinz Noflatscher/Michael A. Chisholm/Bertrand Schnerb (Hrsg.), Maximilian I. 1459–1519. Wahrnehmung – Übersetzungen – Gender. (Innsbrucker Historische Studien, Bd. 27.) Innsbruck 2011, 411–439. 20 Parker, Felipe II (wie Anm.2), 77.

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Ende Mai 1549. Auch bei seinem Zug durch die niederländischen Provinzen, bei dem vor allem die Festlichkeiten zu erwähnen sind, die seine Tante Maria von Ungarn (1505–1558) ihm zu Ehren in Binche im August 1549 ausrichten ließ und die ganz klar vom Stoff des „Amadís“ inspiriert waren 21, nahm er teil. Turniere geritten wurden auch am Augsburger Reichstag von 1550/51, auf dem der Kronprinz monatelang verweilte. Philipp II. sah bei diesen zwar zu, doch kämpfte er immer seltener mit. Als er es einmal doch tat, machte er keine gute Figur und brach keine einzige Lanze. Die mitteleuropäische Form des Turniers zog ihn wohl nicht sehr an, auch wenn sich bis heute seine prächtige Turnierrüstung für Reiter und Pferd in der Armería Real von Madrid erhalten hat. 22 Doch auch bei den spanischen juegos de cañas nahm er immer seltener persönlich teil, auch wenn er sie häufig veranstalten ließ, beispielsweise bei den Feiern im Rahmen seiner dritten Verehelichung mit Isabella von Valois (1545–1568) in Guadalajara am 31.Januar und 1.Februar 1560. 23 Damals saß Philipp II. möglicherweise noch der Schreck über den Tod seines Schwiegervaters Heinrich II. von Frankreich (1519– 1559) im Vorjahr im Rahmen der Hochzeitszeremonien per procuratorem in Paris im Nacken. Während der ausschweifenden Feierlichkeiten, bei denen auch der junge Friede zwischen der französischen und der spanischen Monarchie ausgiebig zelebriert werden sollte, war am 20. Juni Heinrich II. im Turnier gegen Gabriel de Lorges, Graf von Montgomery (1530–1574), geritten. Dessen Lanze war beim Aufprall auf der Rüstung des Königs so unglücklich gebrochen, dass ein Splitter durch das Helmvisier in dessen Auge eingedrungen war und ihn so schwer verletzt hatte, dass er einige Tage später qualvoll starb. 24 Auch den Stierkämpfen, die bei den Hochzeitsfeiern in Guadalajara veranstaltet wurden, wohnte er nur als Zuschauer bei. Die immer häufiger zu beobachtende Zurückhaltung des Monarchen, an den adligen Wettkämpfen aktiv teilzunehmen, hing aber nicht nur mit seinem zunehmenden Alter oder mit den beginnenden Gichtanfällen zusammen, die ihn den Rest seines Lebens immer häufiger quälen

21

Calvete de Estrella, El felicíssimo viaje (wie Anm.5), 314–353.

22

http://bib.cervantesvirtual.com/historia/monarquia/verfoto.formato?foto=graf/retratos/

s_7108_0276_xxii1.jpg&pie1=Armadura+de+torneo+de+Felipe+II.+Armer%EDa+Real,+Madrid (12.06.2012). 23

Reisetagebuch des Bartlme Khevenhüller, 1549–1562, Kärntner Landesarchiv Klagenfurt, Archiv Khe-

venhüller, Handschrift Nr.1, fol.56v–57r. 24

174

Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 95f.

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sollten, sondern auch mit dem Problem der dynastischen Kontinuität. Nach dem Tod Karls V. 1558 wurde Philipp II. immer vorsichtiger im Zusammenhang mit seinem eigenen Leben. Denn er hatte damals nur einen einzigen Sohn, Carlos (1545– 1568), der noch zu jung gewesen wäre, um die Herrschaft anzutreten, ganz abgesehen davon, dass beim Kronprinzen ohnedies bald Anzeichen psychischer Probleme zu erkennen waren. 25 Die Angst, ohne zurechnungsfähigen Thronfolger aus der Welt zu scheiden, bewirkte mehrere Aktionen Philipps II., die nur in diesem Zusammenhang zu verstehen sind. Zu nennen sind hier erst einmal die Aufenthalte seiner Neffen, der Erzherzöge Rudolf, des späteren Kaisers Rudolf II. (1552–1612), und Ernst (1553–1595) ab 1564 am spanischen Hof. Als diese 1571 zurück ins Heilige Römische Reich reisten, erlaubte der König dies nur, weil in der Zwischenzeit deren jüngere Brüder in Madrid eingetroffen waren, die Erzherzöge Albrecht (1559–1621), der später Vizekönig von Portugal, danach Regent der Niederlande werden sollte, und Wenzel (1561– 1578), der bald in Madrid verstarb. Philipp II. wollte seine Nachfolge gesichert sehen, denn Isabella von Valois gebar ihm nur Töchter, die zwar in Kastilien Nachfolgerechte gehabt hätten, nicht aber in den Ländern der Krone von Aragón. Der Zwang, ein männliches Kind zu gebären, brachte die junge Königin mit 22 Jahren auch schon ins Grab. Nach mindestens einer Fehlgeburt und der Geburt von Isabella Clara Eugenia (1566–1633) und Catalina Michaela (1567–1597) starb sie 1568 an den Folgen einer weiteren Fehlgeburt. 26 Erst die vierte Ehefrau Philipps II., Anna von Österreich (1549–1580), die Tochter seiner Schwester Maria (1528–1603), gebar ihm vier Söhne, von denen allerdings nur der spätere König Philipp III. (1578–1621) das Erwachsenenalter erreichen sollte. Als die dynastische Kontinuität endgültig gesichert zu sein schien, war der König allerdings schon zu alt und krank, um noch Turniere zu reiten. Die Angst, seine Länder ohne eine gesicherte Erbfolge zu verlassen, bewirkte eine weitere Aktion, die den niederländischen Konflikt beträchtlich eskalieren sollte. Denn statt 1567 selbst in die rebellischen Niederlande zu reisen, um möglicherweise noch persönlich die dortigen Probleme zu lösen, schickte der Monarch Fernando Ál-

25 Vgl. ebd.159–169. 26 Ebd.170.

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varez de Toledo y Pimentel, dritter Herzog von Alba (1507–1582). 27 Dessen rücksichtslose Politik trug mit dazu bei, dass sich die nördlichen Provinzen der Niederlande 1581 von Philipp II. lossagen sollten. 28 Die Angst, in einem bewaffneten Konflikt sein Leben zu verlieren, zeigte sich auch 1570 im Laufe des Aufstandes der Morisken von Granada. Für den Februar jenes Jahres hatte der König wegen des granadinischen Krieges eine Versammlung der kastilischen Cortes einberufen, die allerdings nicht in Granada tagen sollte, sondern im benachbarten, aber weitaus sichereren Córdoba. 29 Und nach dem Tod des letzten portugiesischen Königs aus dem Haus Avis zog Philipp II. auch nicht gleich nach Lissabon, um den Thron für sich zu reklamieren, sondern wartete während des Herbstes 1580 an der portugiesischen Grenze im estremenischen Badajoz, bis der Duque de Alba den portugiesischen Widerstand gegen eine Regierung des habsburgischen Königs niedergewalzt hatte. 30 Nach dem eben Geschilderten ist es nicht weiter verwunderlich, dass Philipp II. auch als Feldherr keine Meriten aufzuweisen hat. 1542, es tobte gerade wieder einmal ein spanisch-französischer Krieg, ermöglichte Karl V. dem fünfzehnjährigen Prinzen den Hauch einer ersten militärischen Erfahrung. Unter der Aufsicht des Duque de Alba besichtigte er die Front in Katalonien. Da sich die Franzosen allerdings gerade zurückzogen, kam es zu keiner Schlacht. 31 Alba hätte es auch nicht wagen dürfen, das Leben des Thronfolgers nur im Entferntesten in Gefahr zu bringen. Die militärischen Unternehmungen waren denn auch nicht so wichtig wie die Tatsache, dass sich damals ein enges Vertrauensverhältnis zwischen dem Prinzen und dem um zwanzig Jahre älteren Militär entwickelte, das bis zum Tod Albas anhalten sollte. Auch im letzten spanisch-französischen Krieg, den Philipp II. von seinem Vater geerbt hatte, stand er nicht an der Front. Doch sollte die Schlacht von Saint-Quentin, an der er zwar nicht persönlich teilnahm, aber in deren Nähe er sich aufhielt, der

27

Zu diesem vgl. die Biographien von William S.Maltby, El Gran Duque de Alba. Un siglo de España y de

Europa, 1507–1582. (Colección Casa de Alba, Vol.18.) 2.Aufl. Vilaür, Girona 2007, engl. Erstausgabe 1983; Henry Kamen, El Gran Duque de Alba. Soldado de la España imperial. Madrid 2004; Manuel Fernández Álvarez, El duque de Hierro. Fernando Álvarez de Toledo, III duque de Alba. Pozuelo de Alarcón 2007. 28

Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 232f.

29

Ebd.192.

30

Ebd.241f.

31

Manuel Fernández Álvarez, Felipe II y su tiempo. Madrid 1998, 660, mit zahlreichen Neuauflagen in den

Folgejahren.

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erste große Sieg seit Jahren über die Franzosen sein. Diese Schlacht wurde von den vereinten niederländischen, spanischen und englischen Truppen am 10. August 1557, dem Tag des Heiligen Laurentius, siegreich geschlagen. Zum Dank beschloss Philipp II., zu Ehren dieses Heiligen einen Klosterpalast zu errichten, San Lorenzo el Real de El Escorial im Norden von Madrid am Fuß der Sierra de Guadarrama. In einem der prunkvoll ausgestatteten Räume des Palastes, der Sala de Batallas, der Schlachtenhalle, wurden die Ereignisse von Saint-Quentin besonders prominent dargestellt. 32 An späteren militärischen Ereignissen nahm Philipp II. nie mehr persönlich teil, ganz im Gegenteil zu seinem Vater, der viele der Feldzüge während seiner Regierungszeit selbst befehligt hatte. Vielmehr zog er es vor, die Ausführung militärischer Unternehmungen seinen bewährten Feldherren zu überlassen. Doch verfolgte er die Kriegshandlungen genau von seinem Schreibtisch aus und war in alle Planungen persönlich involviert. Das lässt sich anhand aller bedeutender militärischer Unternehmungen darstellen, die während der Regierungszeit des Königs vorkamen. So kämpften die Truppen, die im September 1564 den Peñón de Vélez de la Gomera an der marokkanischen Nordküste eroberten – der Felsen gehört bis heute zu Spanien –, unter dem Oberbefehl von García Álvarez de Toledo, Marqués de Villafranca del Bierzo (1514–1577). An Bord der Flotte befanden sich mehr als 13000 Soldaten, darunter auch 3000 Landsknechte aus Tirol und dem Bodenseeraum unter dem Kommando des Jakob Hannibal von Hohenems (1530–1587), einem jener Söldnerführer aus dem Heiligen Römischen Reich, der später im Dienste Philipps II. auch gegen die aufständischen Niederländer kämpfen sollte. 33 Den in der gesamten Christenheit so sehr gefeierten Sieg über die Osmanen in der Seeschlacht von Lepanto errang am 7. Oktober 1571 Juan de Austria (1547–1578), der Halbbruder Philipps II. 34 Die kriegerischen Unternehmungen in Portugal 1580 32 Jonathan Brown, La Sala de Batallas de El Escorial: La obra de arte como artefacto cultural. (Acta Salmanticensia, Biblioteca de Arte, Vol.21.) Salamanca 1998, 24–31. 33 Luis Cabrera de Córdoba, Historia de Felipe II, Rey de España. Ed. José Martínez Millán/Carlos Javier de Carlos Morales. 3 Vols. Salamanca 1998, Vol.1, 294–298; Friedrich Edelmayer, Söldner und Pensionäre. Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich. (Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder / Estudios sobre Historia y Cultura de los Países Ibéricos e Iberoamericanos, Bd. 7.) Wien/München 2002, 179. 34 Onoratio Caetani, La battaglia di Lepanto (1571). (Il mare, Vol.13.) Palermo 1995; Fernand Braudel, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Frankfurt am Main 1990, Bd. 3, 257–282, deutsche Übersetzung der 4.Auflage von 1979.

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und 1581 kommandierte, wie schon erwähnt, der Duque de Alba, das Debakel der gegen England ausgesandten Armada, 1588, befehligte Alonso Pérez de Guzmán, siebter Herzog von Medina Sidonia (1550–1615). 35 Und diese Aufzählung ließe sich noch problemlos verlängern, wenn wir beispielsweise an den niederländischen Krieg denken oder an die Seeschlacht von Vila Franca im Süden der Azoreninsel São Miguel im Juli 1582 im Rahmen des portugiesischen Thronfolgekrieges, die die spanischen Einheiten unter ihrem Kommandanten Álvaro de Bazán, Marqués de Santa Cruz (1526–1588), gewannen. 36 Für wie wichtig Philipp II. die Ereignisse auf den Azoren betrachtete, zeigt sich einmal mehr im Palast des El Escorial, wo die Geschehnisse von 1582 und 1583 – die siegreiche Seeschlacht bei der Azoreninsel Terçeira – in der Sala de Batallas bildlich verewigt sind. 37 Besonders der Sieg von 1582 lag Philipp II. am Herzen, war er doch am Tag der Heiligen Anna, also am 26. Juli, errungen worden. Der König war überzeugt davon, dass nicht nur die Heilige auf seiner Seite stand, sondern, natürlich, Gott selbst, den die verstorbene Königin Anna persönlich gebeten haben musste, die spanische Sache zu unterstützen. 38 Philipp II. war, das machte er auch seinem Neffen, König Sebastian von Portugal (1554–1578), in einem persönlichen Gespräch im Dezember 1576 im Wallfahrtsort Guadalupe in der Estremadura unmissverständlich klar, entschieden dagegen, dass ein Monarch persönlich sein Leben auf dem Schlachtfeld gefährden sollte, und schon gar nicht dann, wenn er keinen regierungsfähigen Nachfolger gezeugt hatte. 39 König Sebastian, der sehr wohl von den Heldentaten des Amadís de Gaula beeinflusst war, und davon träumte, die verloren geglaubte Glorie des portugiesischen Weltreiches wieder herstellen zu können, schlug die Ratschläge seines Onkels in den Wind, verlor sein Leben im August 1578 auf dem Schlachtfeld von al-Qasr al-Kabir (Alcácer-Quibir, Alcazarquivir) südlich von Tanger in Marokko und machte damit den Weg frei für die Anerkennung Philipps II. als König von Portugal in der Ständeversammlung von Tomar 1581. 40 Der jugendliche, ritterliche Leichtsinn des kinderlosen Königs hatte den Weg frei gemacht für die Regierung eines abwägen-

35

Vgl. Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 250–258.

36

Ebd.242f.

37

Brown, La Sala de Batallas (wie Anm.32), 44–47.

38

Ebd.49.

39

Sehr plastisch wurde dies zuletzt beschrieben von Ruth MacKay, The Baker Who Pretended to Be King

of Portugal. Chicago, Ill./London 2012, 12–16. 40

178

Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 235–250.

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den, bedächtigen, aber modernen Monarchen, der damals schon eindeutig davon überzeugt schien, dass am Schreibtisch mehr zu gewinnen sei als auf den Schlachtfeldern. Von mittelalterlichen ritterlichen Idealen entfernte sich Philipp II. auch in einem anderen Zusammenhang, nämlich beim Orden vom Goldenen Vlies, einer der Zierden des spätmittelalterlichen Rittertums. Karl V. hatte 1531 in Tournai im niederländischen Hennegau ein Kapitel des Ordens abgehalten, dessen Oberhaupt er als Herzog von Burgund war. Der Kaiser hatte damals nicht alle in der Zwischenzeit frei gewordenen Collanen des Ordens vergeben, sondern beabsichtigte, einige erst später an verdiente Personen zu übertragen. So verlieh er dann 1533 dem sechsjährigen Prinzen Philipp in Barcelona die Mitgliedschaft im Orden. 41 Ab dem Herbst 1555 erlebte Brüssel sukzessive mehrere prunkvolle Akte, in denen der kranke Kaiser seine Reiche an seinen Sohn abtrat. Zuerst übergab er aber am 22. Oktober die Führung des Ordens vom Goldenen Vlies an Philipp II. Am 25. Oktober versammelten sich schließlich die niederländischen Generalstaaten, um der Übergabe der Herrschaft über die niederländischen Provinzen beizuwohnen. Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies waren auch niederländische Hochadlige wie Graf Lamoral von Egmont (1522–1568), Philipp von Montmorency, Graf von Horn (1526–1568), oder Prinz Wilhelm von Oranien (1533–1584) 42, die die Proteste gegen die Herrschaft Philipps II. in den Niederlanden anführten. Als im Sommer 1567 der Duque de Alba in die rebellischen Provinzen kam, um dort wieder die Herrschaftsgewalt seines Monarchen lückenlos durchzusetzen, schuf er auch einen Ausnahmegerichtshof, den sogenannten Rat der Unruhen, dem als erste prominente Opfer Egmont und Horn nach ihrer Verhaftung am 9. September 1567 übergeben wurden. Als Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies hätten sie das Recht auf einen Gerichtsstand vor ihren Ordensbrüdern gehabt. Dies ignorierte Alba im Auftrag Philipps II. vollkommen, wobei besonders erwähnenswert erscheint, dass sowohl Alba als auch Egmont ebenso wie Kaiser Maximilian II. (1527–1576) am 15. Ja-

41 Fray Prudencio de Sandoval, Historia de la vida y hechos del emperador Carlos V, máximo, fortísimo, Rey Católico de España y de las Indias, Islas y Tierra firme del mar Océano. Ed. Carlos Seco Serrano. (Biblioteca de Autores españoles, Vol.80–82.) Madrid 1955–1956, Vol.2, 430; vgl. auch José Luis Gonzalo SánchezMolero, El aprendizaje cortesano de Felipe II (1527–1546). La formación de un príncipe del Renacimiento. Madrid 1999. 42 Zu diesem zuletzt Olaf Mörke, Wilhelm von Oranien (1533–1584). Fürst und „Vater“ der Republik. Stuttgart 2007.

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nuar 1546 beim 21. Ordenskapitel in Utrecht gemeinsam von Karl V. in den Orden aufgenommen worden waren. 43 Die beiden Grafen wurden wegen Aufruhrs und Hochverrats angeklagt. Trotz der Fürsprache des Kaisers 44 und manch anderer Persönlichkeiten ließ sie Philipp II. am 6.Juni 1568 in Brüssel hinrichten. Dieser Justizmord an den verdienten Vasallen ihres Königs stellte ohne jeden Zweifel jenes Moment dar, das das Ansehen Philipps II. nicht nur in den Niederlanden, sondern auch im Heiligen Römischen Reich und in vielen anderen Teilen Europas unwiderruflich schädigte. 45 Die bisher beschriebenen Ereignisse haben hinlänglich illustriert, dass sich Philipp II. im Laufe seines Lebens immer mehr von ritterlichen Idealen entfernte. Immer häufiger wandte er sich seinen geliebten Büchern ebenso zu wie den wohl noch mehr geschätzten Regierungsakten. Bücher sammelte schon der junge Kronprinz. Wie Geoffrey Parker erst jüngst ausführlich dargestellt hat, waren 25 Prozent der Bücher, die zwischen 1535 und 1545 von ihm angekauft wurden, historische Werke der klassischen Antike ebenso wie zeitgenössische, 15 Prozent seiner Bücher hatten einen theologischen Inhalt. Die restlichen seiner Werke stammten aus allen damals bekannten Wissenschaftsdisziplinen. 46 Zum Medium des Buches fühlte sich Philipp II. zeit seines Lebens immer mehr hingezogen, wie auch die Bibliothek im Klosterpalast des El Escorial zeigt. Gerade diese Bibliothek verdient eine besondere Beachtung, ließ Philipp II. dort doch bis zu 14000 Bände 47 an Büchern und Manuskripten zusammentragen und schuf so, sieht man von den päpstlichen Sammlungen ab, die wahrscheinlich größte Bibliothek des 16.Jahrhunderts, in der alle Bereiche der Wissenschaften jener Zeit vertreten waren. 48 Geleitet und auch katalogisiert wurde die Bibliothek bis 1584 von Benito Arias Montano (1527–1598) 49, einem der wich43 Vgl. Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies. Beiträge zum wissenschaftlichen Symposium am 30.November und 1.Dezember 2006 in Stift Heiligenkreuz. Graz/Stuttgart 2007, 166. 44 Victor Bibl (Hrsg.), Die Korrespondenz Maximilians II. Bd. 2: Familienkorrespondenz 1566 August 9 – 1567 Dezember 27. (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 16.) Wien 1921, 243f. und 255. 45 Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 218f. 46 Parker, Felipe II (wie Anm.2), 61. 47 Jesús Sáenz de Miera (Ed.), El Pasatiempos de Jehan Lhermite. Memorias de un Gentilhombre Flamenco en la corte de Felipe II y Felipe III. Madrid 2005, 321f. 48 Vgl. José Luis Gonzalo Sánchez-Molero, La „Librería rica“ de Felipe II. Estudio histórico y catalogación. (Colección del Instituto Escurialense de Investigaciones Históricas y Artísticas, Vol.10.) San Lorenzo del Escorial 1998. 49 Carlos Sánchez Rodríguez, Perfil de un humanista. Benito Arias Montano (1527–1598). Huelva 1996,

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tigsten polyglotten Humanisten der Iberischen Halbinsel, der den König auch beim Ankauf hebräischer, arabischer, lateinischer und griechischer Manuskripte beriet. Doch selbst persische, osmanische, armenische, chinesische und japanische Handschriften finden sich in der Bibliothek, ganz zu schweigen von den Werken in den iberischen Sprachen. 50 Wie es erst kürzlich Fernando Bouza so treffend ausgedrückt hat, wollte Philipp II. im El Escorial das gesamte Wissen des Universums zusammentragen und somit auch konservieren. 51 Im 16.Jahrhundert gibt es außerdem keinen Monarchen, dessen Regierungstätigkeit so genau beschrieben werden kann wie jene Philipps II. Das hängt mit einer anderen seiner Besonderheiten zusammen, seinem ungeheuren Interesse für alle auch noch so unbedeutenden Vorkommnisse selbst in den entlegenen Winkeln seiner Königreiche. Zwar unterstützten den Monarchen bei seiner Regierungstätigkeit insgesamt 14 Ratsgremien, doch delegierte Philipp II. keine Entscheidungen, sondern entschied immer selbst. Die Ratsgremien erzeugten wahre Berge an Papieren, die der König alle las. Auf tausenden von Aktenstücken kritzelte er mit seiner schwer lesbaren Handschrift seine Entscheidungen hin, bat um weitere Informationen und erledigte mit eiserner Disziplin ein ungeheures Arbeitspensum, auch dann, wenn ihm oft vor Müdigkeit die Augen zufielen. Oft las er selbst beim Essen, beim Spaziergang oder, wie in Aranjuez, bei Bootsfahrten auf dem Tajo. 52 Die ihm so wichtigen Papiere ließ Philipp II. nach deren Erledigung aufbewahren. 53 Die Akten hatten geordnet archiviert zu werden, um jederzeit wieder auffindbar zu sein. Als Aufbewahrungsort dafür diente die Burg von Simancas in der Nähe von Valladolid, die unter Philipp II. zum funktionalen Archivgebäude umgestaltet wurde. 54 Simancas ist damit das einzige Archiv der Welt, das permanent seit dem

129–136; vgl. auch Vicente Bécares Botas, Arias Montano y Plantino. El libro flamenco en la España de Felipe II. (Humanistas españoles, Vol.19.) León 1999. 50 Fernando Bouza/Fernando Checa (Eds.), El Escorial. Biografía de una época. IV centenario del monasterio de El Escorial. Madrid 1986. 51 „Sobre firmes fundamentos antiguos y medievales, el retrato del monarca moderno con libros cristaliza en modelos de incontrovertibles perfiles, como [...] el de la confesional utopía de un saber universal que rodea a Felipe II en el Escorial.“ Fernando Bouza, La biblioteca de la reina Margarita de Austria, in: Estudis. Revista de Historia Moderna 37, 2011, 43–72, hier 43f. 52 Vgl. Antonio-Miguel Bernal, España, proyecto inacabado. Costes/beneficios del Imperio. Madrid 2005. 53 Dieser Abschnitt stammt aus Edelmayer, Philipp II. (wie Anm.2), 143f. 54 Francisco Javier Álvarez Pinedo/José Luis Rodríguez de Diego, Los archivos españoles: Simancas. Barcelona 1993.

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16.Jahrhundert am gleichen Ort im gleichen Gebäude existiert. Begründet worden war das Archiv zwar schon unter Karl V., doch Philipp II. ließ nicht nur die modernen, auf die Bedürfnisse des Archivs abgestimmten Räume errichten, sondern in seinem Auftrag wurde 1588 auch die erste umfassende Archivordnung Europas publiziert, die nicht nur die Aufbewahrung und Katalogisierung, sondern auch die Restaurierung der Papiere bis ins kleinste Detail regelte. 55

* Aufgrund all des Gesagten ist Philipp II. nur sehr schwer unter dem Begriff eines frühneuzeitlichen „Ritters“ einzuordnen, obwohl ihm die ritterlichen Tugenden keineswegs fremd waren. Philipp II. ist viel eher als der Archetyp des modernen Bürokraten zu bezeichnen, der seine ausgedehnten Besitzungen äußerst effizient regierte und seine Großmachtpolitik zielstrebig verfolgte. Nicht umsonst gilt die spanische Monarchie unter ihm als das erste lückenlos bürokratisierte System der Neuzeit, das wegen der Silberlieferungen aus der Neuen Welt auch über die nötigen Ressourcen verfügte, dem Rest des Globus häufig seinen Willen aufzuzwingen.

55

José Luis Rodríguez de Diego (Ed.), Instrucción para el gobierno del Archivo de Simancas (año 1588).

2.Aufl. Madrid 1998.

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Elizabeth I, Joseph Campbell, and the Nine Worthies by Susan Doran

The starting point of this essay is the archetype of the hero that appears in Joseph Campbell’s „The Hero with a Thousand Faces“, a classic and influential study of myths and legends first published in 1949. The archetypal hero, explains Campbell, begins life as a personage of exceptional gifts who often suffers from some „symbolical deficiency“ 1, which might include rejection as the youngest or despised child. What makes him or her a hero is the journey undertaken which follows essentially an archetypal pattern: the hero is called, albeit sometimes unwillingly, to an adventure in which he/she encounters dangers and trials that are overcome with supernatural aid, result in a personal transformation, and end in a triumphant return. „The familiar life horizon has been outgrown; the old concepts, ideals, and emotional patterns no longer fit; the time for the passing of a threshold is at hand.“ 2 Furthermore, the hero returns with what Campbell calls a „boon“, spiritual gifts that regenerate a tribe, nation or humanity in general. 3 In contemporaries’ telling of her early life, Queen Elizabeth I followed such a heroic journey. Her „symbolical deficiency“ was embodied in her sex and (though rarely mentioned by Protestants during her reign) her bastardy; and of course she was the last in precedence of Henry VIII’s three children. Like all Campbell’s archetypal heroes, she was said to possess exceptional gifts: her much-vaunted facility with languages as well as the virtuous qualities associated with Protestant piety. As for the journey itself, from the time that she was a small child until the age of twenty-five, Elizabeth was drawn unwillingly along a path that was filled with dangers and obstacles. The execution of her mother Anne Boleyn, her own consequent bastardization in the statute of 1536, her restoration to the succession though retention of the slur of bastardy in 1544, her association with Lord Thomas Seymour who was exe-

1 Joseph Campbell, The Hero with a Thousand Faces. New York 1949 (reprint London 1993), 37. 2 Ibid. 51. 3 Ibid. 30–37.

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10.1515/9783486781076.183

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cuted for treason in 1549, the attempt of Edward VI in 1553 to divert the succession from his half-sisters to his cousin Lady Jane Grey, and finally the reign of her Catholic sibling Mary I, all plunged the young princess into a world of political intrigue where she underwent trials to preserve her honour and life. Furthermore, heir to her anti-papal father and Protestant brother, Elizabeth was initiated into the spiritual vocation that was later to define her rule. Using Campbell’s terminology, these events of her childhood and adolescence, were „moments of departure“ 4 when the princess was called to a life of royal and divine service. In all Elizabethan accounts of the Queen’s early years, her greatest trial came during the reign of her sister Mary. First imprisoned in the Tower and later under house arrest in Woodstock and Hatfield, Elizabeth was in peril of her life. For a while it appeared that she might be put on trial and executed for involvement in Sir Thomas Wyatt’s rebellion of January 1554; afterwards, she was said to be the subject of underhand assassination attempts instigated by her arch-enemy Stephen Gardiner, bishop of Winchester. In the words of the martyrologist John Foxe, „what feare, what trouble of minde, and what daunger of death was she [then] brought vnto?“ 5 Yet, Elizabeth came through these trials unscathed and triumphant for, like all archetypal heroes, she could depend on supernatural aid as well as her own fortitude and ingenuity. Firm in her faith, she was rescued by God’s providence and acceded to the English throne in November 1558. Again in the words of Foxe: „the mighty protection of our mercyfull God .... hath exalted and erected [her] out of thral, to liberty, out of daunger to peace and rule, from dread to dignity, from misery to maiesty, from mourning to ruling, briefly, of a prisoner hath made her a Prince, and hath placed her in her throne royal.“ 6

Elizabeth’s personal transformation was finally effected through the coronation ceremonial, especially the sacred rite of anointing, which metamorphosed the rightful heir into divine ruler. 7 Meanwhile, the „boon“ the new Queen brought to England was the True Gospel and the consequent divine blessings of peace and prosperity. As Thomas Brice’s 1559 doggerel ballad explained: „That goddes trew word shall placed be The hungrie soules, for to sustaine

4 Ibid. 49–58. 5 John Foxe, Actes and monuments of these latter and perilous days. London 1563, 2288. 6 Ibid. 1732. 7 Alice Hunt, The Drama of Coronation. Medieval Ceremony in Early Modern England. Cambridge 2008.

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That perfite loue, and vnitie Shalbe set in, their seate agayne That no more good men, shalbe put to deth Seing God hath sent, Elizabeth.“ 8

God’s favour had returned, thereby ending the cruel burnings of Protestants, the disastrous war against France, and the devastating famines and epidemics that had scourged England under Mary. As shown in one of the coronation pageants of January 1559, Elizabeth’s accession restored the tree of commonwealth that had withered during the previous reign. 9 Although there were some truths in this narrative – Elizabeth was imprisoned in the Tower and placed under house arrest for much of Mary’s reign – the story acquired its mythic quality and Elizabeth her heroic status in the telling. And the telling came very early in the reign. John Aylmer’s 1559 justification of female rule, in answer to John Knox, included an account of Elizabeth’s miraculous preservation under Mary in order to demonstrate that Elizabeth’s accession was part of God’s providential design. 10 Foxe’s 1563 edition of the Acts and Monuments then gave the story a wider and fuller public airing. His text told at length of „The troubles of lady Elizabeth in quene maries tyme“, while the book opened with a historiated C showing Elizabeth sitting in majesty after her trials and bringing to England the „boon“ of true religion, internal peace and prosperity, the reward for destroying papal power. Foxe’s account was later incorporated in the 1587 edition of Holinshed’s Chronicle whose title page to the third volume visually presented Elizabeth as the heir to Old Testament figures who had undergone their own heroic journeys and brought God’s truth to their nation – Moses and David – as well as to early English kings. 11 This construction of Elizabeth as an archetypal hero was modelled on scriptural precedents and designed to fashion her into one of God’s elect champions. Many writers and preachers chose to portray her as figures from the Hebrew Bible, such as

8 Thomas Brice, A compendiou[s regi]ster in metre contei[ning the] names, and pacient suffry[ngs of the] membres of Iesus Christ [...]. London 1559, sig. Dvv. 9 Anon., The passage of our most drad Soueraigne Lady Quene Elyzabeth through the citie of London to westminster the daye before her coronacion. London 1559, sig. Ciiiv. 10 John Aylmer, An harborowe for faithfull and trewe subjects. London 1559. 11 Foxe, Actes and monuments (note 5), title page; Raphael Holinshed, The Chronicles of England, Scotland and Ireland. London 1587, 1322.

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King David or Moses, who had themselves followed Campbell’s heroic path. 12 Such a fashioning was popular throughout Elizabeth’s reign, not least because it enhanced her providential status, thereby giving legitimacy to her exercise of political power both as a woman and a Protestant. With many Catholics – including the family of Mary Queen of Scots – denying Elizabeth’s right to the English succession, not to mention Knox’s ill-timed attack on female rule in 1558, the story of Elizabeth’s „heroic journey“ provided valuable propaganda for English Protestants at the beginning of the reign. Later on, a function of the story was to re-emphasise the Queen’s legitimate title to the throne despite the 1570 papal bull of deposition and Catholic attempts to oust her through rebellion, conspiracy and invasion. For this reason, foreign guests were encouraged to visit the lodge at Woodstock where Elizabeth had been imprisoned as a princess to see for themselves the poem which she had inscribed with a diamond on a windowpane. 13 When Elizabeth herself visited Woodstock on her 1592 progress, Thomas Churchyard celebrated the place as „[t]his seat nay sure this shrine That thousands now doth praise: That did preserve, by power divine, The Phoenix of our daies.“ 14

That he only needed to allude to Elizabeth’s imprisonment to his readers without spelling out any details is testimony to the familiarity of the story within England. Many of Elizabeth’s subjects would have encountered it not only in Foxe and Holinshed but also in sermons and prayers, especially those preached or recited on Accession Day. On 17 November, the anniversary of her accession, preachers usually made reference to Elizabeth’s early tribulations by using for their texts the biblical narratives of King David and other Biblical heroes who had triumphed over adversity and come through similar trials thanks to divine aid. To take but one example, Isaac 12

Susan Doran, Elizabeth I an Old Testament King, in: Anna Whitlock/Alice Hunt (Eds.), Tudor Queen-

ship. Basingstoke 2010, 95–110. 13

Clare Williams (Ed.), Thomas Platter’s Travels in England, 1599. London 1937, 220–21 and G. W. Groos

(Ed.), The Diary of Baron Waldstein. London 1981, 117, 119. A third foreign visitor, Paul Hentzner, copied the poem on September 13, 1598. A corrupt version of his transcription was published in: Itinerarivm Germaniae, Galliae; Angliae; Italiae; scriptum a Paulo Hentznero, JC. Nuremberg 1612, sig. S4v–T1. For the prayer, see Leah S.Marcus/Janel Mueller/Mary Beth Rose (Eds.), Elizabeth I. Collected Works. Chicago 2000, 45f. 14

Thomas Churchyarde, A handeful of gladsome verses given to the Queenes Maiesty at Woodstocke this

prograce. Oxford 1592, sig. C1.

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Colfe told his listeners (and readers) to turn to Foxe’s Acts and Monuments for the details of how Mary’s councillors attempted to deprive Elizabeth of the Crown and her head: „Only therefore this I say […] that never did Saule and his coherents seeke more waies to destroy David, they they sought to destroy her: neither was David at any time in more daunger of death being persecuted by Saul, nor Peter in greater peril of beheading being fast bound in the prison by Herod [...]. Nor Jonas in greater danger of death being already devoured into the Whale’s belly swimming in the midst of the sea [...] then she was being in the hands of her enemies.“ 15

Then having told in greater length of David’s miraculous advancement to the throne, Colfe concluded „And no lesse merveilous“ was Elizabeth’s accession which „is the Lords doing, and not mans“. 16 Elizabeth, too, did not neglect to remind her subjects of her ordeals. In her own prayers of thanksgiving that she allowed to be publicised in print, she dwelt on God’s protection of her from the „various snares of enemies“ and „His secret wisdome [...] to raise me up out of the dust and mire of persecution, to lift me up out of the pit and dungeon, and to set me the chiefe of the Princes of this land.“ 17 In her speeches too, she would draw attention to her earlier trials to win the sympathy vote or to justify unpopular policies. Thus her unwillingness to name a successor was defended partly by reminding listeners of the perils she had experienced as Mary’s heir. 18 However, in addition to the archetypal form of heroism found in the Bible, Elizabeth’s cultural inheritance included another heroic type which came from the pages of history and literature. These heroes were seen in simpler terms, namely as men of action, „men of metal“, whose claim to fame was the extraordinary fortitude they showed when taking up arms in the cause of their personal honour, the Christian religion or communal justice. 19 Coined in English 1387, the word hero is thought to come from the Greek (heros), meaning warrior. In the early fourteenth century, this 15 Isaac Colfe, A sermon preached on the Queenes Day, beeing the 17 of Nouember 1587 at the towne of Lidd in Kent. London 1588, sigs. B2r&v, B5–6. 16 Ibid. 17 Marcus/Mueller/Rose (Eds.), Elizabeth I (note 13), 141, 154f. 18 Ibid. 99. 19 Quote from George Abbot, An exposition vpon the prophet Ionah Contained in certaine sermons, preached in S.Maries church in Oxford. London 1600, 363. See also Mary Beth Rose, Gender and Heroism in Early Modern English Literature. Chicago 2001.

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form of heroism was given expression in the construction of the „The Nine Worthies“, exemplars of the chivalric code who had won fame for their martial exploits in pursuit of honour, religion or justice. Three of the Worthies were Old Testament figures and, as already mentioned, Elizabeth was frequently associated with them; the other six were considered historical. One triad comprised Christian knights (including King Arthur) and the final three were Hector of Troy, Alexander the Great and Julius Caesar, warriors of the Classical period. 20 Medieval and early-modern monarchs embraced the martial ideals these figures exemplified and regularly included references to some or all them in their iconography. But, although, Richard Mulcaster claimed that Elizabeth had „the presidencie over nyne men, the paragons of virtue“, as a woman, she could not be so easily identified with two triads – the pagan warriors and Christian knights – of this military elite. 21 King Arthur was a case in point. Because Henry VII had appropriated King Arthur as his patrilineal ancestor, Elizabeth too could claim descent from the chivalric British King and a number of contemporary genealogies in manuscript placed her in a direct line from Arthur. 22 Although, unlike her father and grandfather, Elizabeth rarely exploited this relationship, others of her court did. In 1587, in his „Worthiness of Wales“, Thomas Churchyard wrote of the Queen’s descent „from Arthurs rase and lyne“ and „so noble a progenie“, while Maurice Kyffin in his „Blessednes of Brytaine“ mentioned Arthur as „The Imperiall Stock, from whence your Queene hath sprong“. 23 John Dee, using the precedent of Arthur’s conquests, conversion of pagans and expulsion of heretics from England, argued that Elizabeth had the right and duty to conquer Ireland, convert Catholics and expel recusants from her realm. 24

20 In addition to David, the Old Testament triad consisted of Joshua, the leader who conquered the Holy Land after the Egyptian exile and Judas Maccabeus, the warrior who led the fight against the Seleucids. The other Christian knights were Charlemagne and Godfrey de Bouillon, the conqueror of the Kingdom of Jerusalem. Jacques de Longuyon first wrote of them in his romance „Les voeux du Paon“ (ca. 1312). See also Richard Lloyd, A brief discourse of the Nine Worthies. London 1584. 21 Richard Mulcaster, Positions Concerning the Raising Up of Children. London 1581, 173–174. Indeed Mulcaster went on to compare her to the Nine Muses, superior to them in her intelligence, eloquence and musicality. 22 For example, BL Stowe 572, fol.54. 23 Thomas Churchyard, The worthiness of Wales. London 1587, sig. D4; Maurice Kyffin, The blessednes of Brytaine, or a celebration of the Queenes holyday. London 1588, sig. B4; Harvey Carson Grumbine (Ed.), The Misfortunes of Arthur by Thomas Hughes and others. Berlin 1900, 112–113, 120, 190. 24 Charles Bowie Millican, Spenser and the Table Round: A Study in the Contemporaneous Background for Spenser’s Use of the Arthurian Legend. Cambridge, Mass. 1932, 42–44, 46–48.

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Court tournaments and entertainments also drew on Arthurian imagery, most famously during the Kenilworth progress in 1575 and at the third earl of Cumberland’s Accession Day tilt of 1591. However, on neither occasion did Elizabeth appear in the persona of the chivalric King; rather she was presented as the bel dame who inspired him and other knights to perform valiant deeds. At Kenilworth, the figure of the Lady of the Lake treated the Warwickshire castle as Camelot and consequently cast its owner the earl of Leicester, and not Elizabeth, as Arthur’s heir. Indeed, after the Lady offered the Lake to the Queen, Elizabeth answered acerbically: „we had thought indeed the Lake had been oours, and doo you call it yourz noow?“ In a later pageant performed during her stay at Kenilworth, George Gascoigne’s original script had intended to portray Leicester as the military figure (Arthur) who rescued the Lady of the Lake from captivity by Sir Bruse (another character from Malory’s „Le Morte d’Arthur“) while the Queen powerlessly looked on. 25 Similarly, in the 1591 tournament, it was Cumberland who claimed an Arthurian lineage: In an address to the Queen, in which he requested her patronage for his privateering ventures, Cumberland named his Westmorland seat „Pendragon Castle“, dubbed his ship the „Red Dragon“, and narrated an allegorical story in which Merlin foretold his expedition against Habsburg Spain. 26 Most famously, Edmund Spenser drew on Arthurian legend in „The Faerie Queene“ but again Elizabeth was portrayed as „Gloriana“ who sent off the „Red Crosse Knight“, the allegorical representation of Arthur or St George, on his quest after the dragon, Errour. 27 So even though Elizabeth’s court was often imagined as Camelot, the Queen did not usually play the part of a chivalric Arthurian hero. The same can be said about her role in the Order of the Garter ceremonies which combined the Arthurian myth with the cult of St George, another much admired heroic figure, even if not actually one of the Nine Worthies. Elizabeth was central to the ceremonial proceedings, but for the most part her persona was not identifiable with either of the two chivalric heroes. The rare exception was when zealous Protes-

25 Robert Laneham, A letter whearin part of the entertainment vntoo the Queenz Maiesty at Killingwoorth Castl in Warwik sheer in this soomerz progress 1575 is signified [...]. London 1575, 10, 53. The script actually performed allowed Elizabeth’s sovereign presence to liberate the prisoner miraculously. 26 G. C. Williamson, George, 3rd Earl of Cumberland. Cambridge 1920, 108–110; Gabriel Heaton, Writing and Reading Royal Entertainments. From George Gascoigne to Ben Jonson. Oxford 2010, 77–78. 27 First edition: London 1590–1596, see Book III.

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tants transformed St George into the prefiguration of Christ delivering sinful souls from the Devil. Then „her most excellent Maiesty by aduancing the pure doctrine of CHRIST IESVS in all truth and sincerity, hath (as an instrument appointed by diuine prouidence) bene vsed to performe the part of a valiant champion, deliuering an infinite number out of the diuels power, wherunto they were tied with the forcible chaines of darkenesse.“ 28

Otherwise, during the Garter celebrations Elizabeth was the bel dame, who inspired her chivalric knights, or else the virgin princess whose life needed protection from the dragon of the Anti-Christ. In tournaments too, Elizabeth’s courtiers were the ones who dressed up as heroes, men who would carry out feats of valour for her cause, in her name and for her glory, while she watched their proceedings and rewarded her champions. The pageants and masques that preceded the tilts – such as „The Four Foster Children of Desire“ produced for a tournament held in May 1581 – reinforced this image of Elizabeth as the bel dame and of her courtiers as her chivalric knights. However, as the reign progressed and Elizabeth came to be transformed into the Virgin Queen, she was celebrated in court and Garter ceremonies as a more majestic, even heroic, figure. In George Peele’s 1593 poem, „The honour of the garter“, Elizabeth was not only the Virgin Queen but the Empress of England, presiding in the Garter procession over past and present knights (including the Nine Worthies and various English warrior kings): „Under the glorious spreading wings of Fame, I sawe a Virgin Queene, attyrde in white [...]. Upon her head, under an imperiall crowne: She was the Soueraigne of the Knights she led. Her face me thought I knewe: as if the same, The same great Empresse that we here enioy, Had clymed the clowdes, and been in person there.“ 29

These kinds of fictions allowed the Queen to be the focus of the Garter ceremonials and courtly tournaments even though as a woman she could not participate as a knight or in the persona of King Arthur. They also performed what Richard McCoy

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28

Gerard de Malynes, Saint George for England, allegorically described. London 1601, sigs. A2v–A3.

29

George Peele, The honour of the garter. London 1593, sig. C3.

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has described as a „chivalric compromise“ in which the male nobility could enact their submission to a female monarch but would be permitted to celebrate their exalted status, demonstrate their honour, offer their service, and request her patronage. 30 When it came to the heroes of Classical Antiquity, unlike the majority of medieval and early-modern monarchs, Elizabeth rarely fashioned herself or was portrayed by others as an Alexander, Caesar, or Hector. Nor did she appear in the guise of other Classical warriors, but, instead she preferred to be associated with mythological Classical goddesses in masques and paintings. 31 Her gender unquestionably provides one explanation, for it is noticeable that on James I’s accession in 1603 he was greeted with a flurry of allusions to Caesar and Alexander. 32 Furthermore, on the rare occasions when Elizabeth was associated with Caesar or Augustus the point of comparison was not their martial prowess but rather the attribute of clemency traditionally associated with women: So, for example, John Lyly claimed the Queen’s clemency resembled that of Caesar while George Whetstone declared that „her Maiesties clemency compared with Iulius Caesar, that would not heare the accusation of his enimies: with Augustus, who gaue life to Cinna that sought his life.“ 33 Elizabeth’s gender, however, does not tell the whole story. After all, Elizabeth could have incorporated the warrior queens of Antiquity into her iconography. Although Tomyris, Zenobia, Artemesia and the like had been considered transgressive figures during the medieval period, they were enjoying something of a heroic reputation during the second half of the sixteenth century. One of the pageants devised for Mary I for her entry into London, the day before her coronation in 1553, drew a

30 Richard McCoy, The Rites of Knighthood. The Literature and Politics of Elizabethan Chivalry. Berkeley, Cal./Los Angeles/London 1989, 86, 18, 62. 31 Susan Doran, Juno versus Diana: The Treatment of Elizabeth’s Marriage in Plays and Entertainments, in: Historical Journal 38, 1995, 257–274, and id., Virginity, Divinity and Power: The Portraits of Elizabeth I, in: id./Thomas S.Freeman (Eds.), The Myth of Elizabeth I. Basingstoke 2003, 171–191. 32 See, for example, William Muggins, Londons mourning garment. London 1603, sigs. Bv, C3, D2v; Anthony Nixon, Elizaes memoriall. King Iames his arriuall. And Romes downefall. London 1603, sig. C4–D; Andrew Willet, Ecclesia triumphans […]. London 1603; Anon., Englands wedding garment or a preparation to King Kames his Royall Coronation. London 1603, sig. B2v. 33 John Lyly, Euphues and his England. London 1580, 119; George Whetstone, The English mirror. London, 1586, 133.

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parallel between the new queen and Tomyris who had both decapitated their enemies, while Catherine de Medici came to model herself on Artemisia. 34 However, Classical heroes – both male and female – were not deemed appropriate personae for Elizabeth, mainly because they were at odds with the general strategy of presenting the Queen as a „a prince of Peace“. 35 Especially during the earlier decades of the reign, propagandists and Elizabeth herself were committed to projecting this image as part of their overall mission to contrast Elizabeth favourably with her Catholic half-sister whose misdeeds included the unnecessary war in France that had resulted in military humiliation, the loss of Calais and heavy taxation. 36 As Isaac Colfe later announced, „Mary left it [England] in warre, Elizabeth hath governed it in peace: Mary left it in debt, Elizabeth hath discharged it: Mary left it in pouertie, Elizabeth hath enriched it; Mary left it weake, Elizabeth hath strengthened it [...].“ 37 Peace, moreover, was presented not only as a virtuous policy decision of the Queen, but as the gift of God and thus a sign of divine favour and approval for the Protestant regime established on Mary’s death. In these circumstances, the martial qualities of Classical heroes had to be eschewed. In their place, Elizabeth was consistently portrayed as someone who „wholy setteth her subiectes in peace“ and her rule as „peaceable and prosperous“. 38 To take two visual images of the late 1560s and early 1570s: in the allegorical painting „Elizabeth I and the three Goddesses“, attributed to Hans Eworth, the Queen, is shown making a wise judgement that would prevent England succumbing to a second Trojan War. 39 In the „The Family of Henry VIII“, attributed

34 Sydney Anglo, Spectacle, Pageantry, and Early Tudor Policy. 2nd ed. Oxford 1997, 320–321; Sheila Ffolliott, Catherine de’ Medici as Artemisia. Figuring the Powerful Widow, in: Margaret Ferguson/Maureen Quilligan/Nanca Vicker (Eds.), Rewriting the Renaissance. The Discourses of Sexual Difference in Early Modern Europe. Chicago 1986, 227–241. 35 Elizabeth is referred to as a prince of peace in B. G., The ioyfull receyuing of the Queenes most excellent Maiestie into hir Highnesse citie of Norwich [...]. London [1578], sig. Eii. See also William P. Haugaard, Elizabeth Tudor’s Book of Devotions. A Neglected Clue to the Queen’s Life and Character, in: Sixteenth Century Journal 12, 1981, 79–106, see 95–96, 100. 36

Susan Doran, A „Sharp Rod“ of Chastisement. Mary I through Protestant Eyes during the Reign of Eliz-

abeth I, in: id./Thomas S.Freeman (Eds.), Mary Tudor. Old and New Perspectives. Basingstoke 2011, 21–36, esp. 21f. 37

Colfe, A sermon (note 15), sig. B8 r&v.

38

Robert Robinson, A learned and true assertion of the original, life, actes, and death of [...] Prince Arthure,

King of great Brittaine. [London 1582], sig. B; Holinshed, Chronicles (note 11), 1161, 1170. 39

She is also depicted as the superior to Juno, Pallas, and Venus in majesty, wisdom, and beauty respec-

tively.

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to Lucas de Heere, Elizabeth stands as the antithesis of the bellicose qualities associated with the god Mars, Mary and her husband Philip II of Spain and accompanies the feminine personifications of peace and prosperity. When Elizabeth did go to war (as in 1560 in Scotland, 1563 in France, and after 1585 against Spain), her call to arms was justified as a necessary response to the aggression of her enemies in the interests of her subjects, quite unlike Mary’s earlier catastrophic and „néedlesse warre against France“ at the behest of her husband. 40 Furthermore, those who promoted war against the Catholic powers preferred to present Elizabeth as a Biblical hero (whether Deborah, David or Joshua) fighting against idolatry, rather than as a Classical hero fighting for glory or the expansion of an empire. This was true even after the Spanish invasion of England in 1588. Occasionally Elizabeth was represented in passing as a male Classical hero, as in a sonnet celebrating England’s triumph over the Armada where her armed forces were called „Caesar’s band“. 41 At times she was then identified with historical and mythological female warriors, such as when James Aske compared her at Tilbury camp with Zenobia (for her scholarship and martial prowess), Dido of Carthage (for the love she bore her men), Boudicea (for defending liberty against a foreign threat) and an unnamed „Amazonian Queene“. 42 Nonetheless, explicit and sustained comparisons with warrior queens, generals and emperors are extremely rare. 43 As perhaps to be expected, in sermons and prayers Elizabeth continued to be depicted as an Old Testament figure, particularly King David who had overcome the idolatrous Philistines 44; while in post-Armada secular texts and portraits she was more commonly represented as a generic empress than any specific Classical hero. In this way her power could be asserted alongside her desire for peace.

40 Holinshed, Chronicles (note 11), 1151. 41 Anon., A sonnet of triumph to England. London 1588. 42 James Aske, Elizabetha triumphans. London 1588, 23–25. For an earlier reference to Elizabeth as surpassing Zenobia see also Christopher Ocland, Anglorum praelia. London 1582, sig. Aiiii. 43 A funeral oration for Elizabeth provides the lengthiest, most explicit and flattering comparison with Alexander: Richard Niccols, Expicedium [sic]. A funeral oration, vpon the death of the late deceased Princesse of famous memorye, Elizabeth [...]. London 1603, sig. A3v. Otherwise, Alexander usually provided a warning for the queen, as his empire descended into civil war for want of a secure heir. For Caesar, see the „wild man’s“ speech in: The speeches and honorable entertainment giuen to the Queenes Maiestie in progresse, at Cowdrey in Sussex. London 1591, 7. 44 Doran, Elizabeth I an Old Testament King (note 12).

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Ill. 1: George Gower, Queen Elizabeth I (The Armada Portrait), c. 1588 (?), (c) National Portrait Gallery, London.

Repeatedly Elizabeth is addressed as „the admirable Empresse of the world“, while her imperial status is visually affirmed in both the celebrated Armada portraits and William Rogers’ copper engraving „Eliza Triumphans“, both of which

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were produced in the wake of the 1588 naval victory. 45 In the former portrait, Elizabeth fills the canvas in the heroic mould of a Francis I or Henry VIII and her maritime strength can be seen both in the naval victory depicted in the background and the ship’s prow to her left. At the same time the iconography is imperial: the Classical columns framing the windows, the closed imperial crown and her hand resting on the Spanish empire on the globe. In Rogers’s print, Elizabeth is crowned as a victorious empress by two women each wearing Classical robes and seated on an obelisk. 46 Her sovereignty is intact (she clasps the orb and wears the imperial crown) and her naval triumph is shown in the background. But, at the same time she is also portrayed as a woman of peace. In neither representation does she wear a breastplate or military helmet but instead she impresses with the magnificence of her richly embroidered gown and jewels. In the Rogers’s engraving, moreover, she holds an olive branch rather than a sword. In printed texts as well, the theme of Elizabeth as a peacemaker continued to be an important aspect of her post-Armada image. Maurice Kyffin lauded Elizabeth for the benefits of her „Peacefull Rule“ in his „Blesseedness of England“ published in 1588. In the finale of the play, „The Tragedy of Locrine“, written about 1591, the character Ate (the goddess of revenge) claimed that Elizabeth had ruled „[i]n quiet Peace and sweet Felicity“ for the previous thirty-eight years. 47 Despite all evidence to the contrary, Ludowicke Lloyd in his „Triplicitie of Triumphs“ of 1591 maintained that Elizabeth’s days were „without blood, which neither Romanes, Grecians, Perseans could neuer boast of, for their triumphes were bloody“, and he also gave verbal expression to her visual representation in Rogers’s engraving: „With Oliues dect, with Palme attyr’d, with Laurell crown’d is she, With Myrtle branch triumphant like, a prince of Peace to be.“ 48

45 E. L., Romes monarchie, entituled the globe of renowmed glorie […]. s.l. 1596, sig. A3v. She is addressed as or referred to as an empress in a variety of texts. See, for example: Thomas Churchyard, A musicall consort of heauenly harmonie. London 1995, sig. A; Anthony Copley, Wits fittes and fancies. London 1595, 180; William Covell, Polimanteia. London 1595, sig. Qv; Sir John Davies, Nosce teipsum. London 1599, sig. A3v and 15; The first book of the preservation of King Henry VII. London 1599, sig. D2. 46 Frances A. Yates suggests the three crowns might stand for imperial power, but they might stand for the three kingdoms under her rule (Astraea. The Imperial Theme in the Sixteenth Century. London 1975, 58). 47 The tragedy of Locrine, the eldest son of King Brutus by Shakespear. London [1734], 58. 48 Lodowick Lloyd, The triplicitie of triumphes. London 1591, sig. Dv.

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The same year, during the final day’s entertainment of her visit to Elvetham, Elizabeth was represented as Venus who caused peace by subduing Mars whose „eyes are blessed stares/Inducing peace subduing warres“. 49 Finally, at the end of the decade, Sir John Davies celebrated Elizabeth as the goddess Astraea, who had ushered in a Golden Age of peace, harmony, justice and prosperity into England: „Blasts are mild, and Seas are calme, Every medow flowes with Balme.“ 50

When it came down to it, the heroes of the past were either insufficiently apt or too problematic to draw worthwhile close analogies with Elizabeth. Alexander and Caesar’s victories were on land, Elizabeth’s at sea; Caesar was the lover of Cleopatra, while Elizabeth was the Virgin Queen; Hector was killed by the Greeks, and Zenobia captured by the Romans; neither encouraging precedents. Additionally, Rome and Macedon were more readily associated with the expansionist empire of Spain than England; all were empires based on conquest and oppression, whereas England was ruled – so the propaganda went – by a peace-loving, just and godly queen who sought no territorial conquests. 51 As one song in her praise expressed it: as the Queen of Muses, Elizabeth was rewarded with „a glorious crown“ made of columbine and eglantine rather than with „such a golden crown as haughty Caesar wears“. 52 But, perhaps most important of all, the Armada victory was attributed not to Elizabeth’s exceptional fortitude or military leadership but to God’s „wonderful deliverance“. 53 Winds and waves, „prest to fight“ by God, had „Devourd the devourer to his smart/ And made his Ships a praie vnto the sand“, explained a ballad written the same year 54; or in the words of an inscription on one of the commemorative Armada med-

49

Curtis Breight, Realpolitik and Elizabethan Ceremony. The Earl of Hertford’s Entertainment of Eliza-

beth at Elvetham, 1591, in: Renaissance Quarterly 45, 1992, 20–48, esp. 33. 50

Sir John Davies, Hymnes of Astraea: in acrosticke verse. London 1599, sig. Aiii.

51

D. F. R. de M., An answer to the untruthes, published and printed in Spaine, in glorie of their supposed

victorie atchieued against our English Navie, and the Right Honorable Charles Lord Howard, Lord high Admiral of England, &c. Sir Francis Drake, and the rest of the nobles and gentlemen, captaines, and soldiers of our said navie. London 1589, sig. Cv. Rome too had a history of persecuting Christians and was the site of the Papacy. 52

Hyder E. Rollins (Ed.), England’s Helicon. A Collection of Lyrical and Pastoral Poems Published in 1600.

Cambridge, Mass. 1935, 30. 53

Oliver Pigg, Meditations concerning praiers to Almightie God, for the saftie of England, when the Span-

iards were come into the narrow seas.August 1588. London 1589, sig. A4v. 54

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Théodore de Bèze, Ad serenissimam Elizabetham Angliae Reginam. London 1588.

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als: Flavit Jehovah et Dissipati Sunt – „Jehovah blew with His wind and they were scattered“. 55 So God not Elizabeth, nor even her admirals and sailors, had scuttled the Spanish ships and saved England from invasion. Whether true or not does not matter, Elizabeth as a martial hero did not only fit ill with her gender and her accustomed role as a peace-maker; the role also fitted ill with the providential understanding of recent history that had been drilled into the English nation’s sense of itself and understanding of its Queen. Thomas Churchyard referred to Elizabeth in passing as a Caesar, but he underlined that it was God not her martial prowess that preserved her from her enemies: „Nor forraine force nor warres Nor proude attempts shall feare For God that guides sun moone and stars Shall saue you eury where.“ 56

Elizabeth’s admirals, similarly, did not receive the plaudits that some thought they deserved for their service in 1588 because the naval victory was the work of God. 57 No wonder then that poets and painters preferred to place Elizabeth amidst the pagan goddesses rather than amongst the Nine Worthies, or that her most enduring heroic representation was as God’s providential ruler who had taken an archetypal journey from the trials of her youth to the triumph of her accession, her restoration of the Protestant Church, her foiling of Catholic plots and finally to her apotheosis as the Virgin Queen.

55 See also, Robert Greene, The Spanish masquerade. London 1589, sig. B4.. 56 Churchyarde, Gladsome verses (note 14), sig. C2. 57 This view was expressed in D. F. R. de M., An answer to the untruthes (note 51), sig. A2[v], D2. The author here praised Lord Admiral Howard and Francis Drake as a Scipio and Francis Drake as greater than Caesar, Scipio, Hector, Achilles and more besides.

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Heros, Friedensstifter oder Märtyrer? Optionen und Grenzen heroischen Herrschertums in England, ca. 1603–1660 von Ronald G. Asch

Wenn man auf die Monarchen der frühen Neuzeit blickt, könnte man den Eindruck haben, dass fast alle oder doch die meisten von ihnen gewissermaßen schon von Amts wegen Helden waren oder sich zumindest als Helden oder Heldinnen von ihren Hofmalern und -dichtern darstellen ließen, auch wenn von religionssoziologischer Seite zum Teil betont worden ist, dass die Rolle des Herrschers und die des Helden strukturell nur schwer vereinbar seien. 1 Ob ihnen dieser Gestus des Heroischen oder zumindest der imitatio heroica, der vor allem im Zeitalter des Barock immer mehr zur theatralischen Inszenierung wurde, wirklich abgenommen wurde, war eine andere Frage. Martin Distelkamp hat in seiner Studie zum Barockheroismus konstatiert, dass der monarchische Staat, indem er die wirkliche Heldenrolle mit allen Implikationen tendenziell dem Monarchen vorbehielt, die Bedeutung der heroischen Lebenshaltung generell veränderte. „Die Hauptaufgabe des Helden liegt nicht in der Aktion, sondern in der Repräsentation. Ja das heroische Handeln gewinnt Größe nicht primär aus seiner Effektivität, sondern als Bild übergreifender Verfasstheit. In diesem Sinne wandelt sich die heroische Figur vom Tugendvorbild zum Instrument der Sozialdisziplinierung. […] [D]iese politische Beständigkeit der heroischen Figur beschert ihr einerseits einen Schwund an Selbständigkeit und zieht andererseits einen Ausbau ihrer rhetorischen Ausstattung nach sich, womit überhaupt Stilfragen zum entscheidenden Parameter der heroischen Erscheinung werden können.“ 2

1 Dazu unten Anm.7 und 14 mit Bezug auf Henri Hubert. – Dieser Aufsatz entstand im Rahmen des SFB 948 „Helden, Heroisierungen, Heroismen“. 2 Martin Distelkamp, Barockheroismus. Konzeptionen „politischer“ Größe in Literatur und Traktatistik des 17.Jahrhunderts. Tübingen 2002, 95, mit Bezug auf die Umdeutung des Heroischen bei François de La Noue im späten 16.Jahrhundert.

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DOI

10.1515/9783486781076.198

Der heroische Gestus wurde jedenfalls im Falle des Monarchen im Barock leicht zum bloßen Decorum, zur Tugendattitüde mit einem strukturellen Glaubwürdigkeitsdefizit. 3 Das galt selbst für einen Herrscher wie Ludwig XIV. In England haben wir den vielleicht doch besonderen Fall vor uns, dass die Herrscher des Hauses Stuart zwischen 1603 und 1688 gar nicht erst versuchten, primär als kriegerische Helden im landläufigen Sinne zu erscheinen. Jakob I. stilisierte sich als humanistischer Gelehrter, als Psalmendichter und rex pacificus. 4 Karl I. waren zwar heroisch-kriegerische Ambitionen nicht fremd, aber er fand nach einigen fehlgeschlagenen Experimenten stattdessen zu seiner Paraderolle als Märtyrer für Kirche und Krone. Karl II., der nach einer verlorenen Schlacht in seiner Jugend sein Leben dadurch gerettet hatte, dass er sich in den Zweigen einer Eiche versteckte, trat nach 1660 eher als gelangweilter und durch und durch zynischer Lebemann mit hohem Frauenverbrauch auf. Und sein Bruder Jakob II., der immerhin in seiner Jugend kein schlechter Soldat gewesen war, wandte sich in späteren Lebensjahren im Exil zunehmend einer leidenschaftlichen, wenn nicht gar bigotten Frömmigkeit zu, die ihr Zentrum im permanenten Nachdenken über den Tod und die eigenen Sünden fand: Auch er kein klassisches Beispiel für einen heroischen Monarchen – mag auch die Lebensweise des Abtes von La Trappe, de Rancé, den Jakob II. bewunderte, durchaus etwas Heroisches gehabt haben. 5 Erst mit Wilhelm III. treffen wir in England nach 1688 wieder auf einen Monarchen, der nicht nur ein wirklicher roi connétable war, sondern der sich auch wirksam und glaubwürdig heroisieren ließ. 6 Warum englische Monarchen nach 1603 die Rolle des Helden eher vermieden oder gar meiden mussten, darauf wird zurückzukommen sein.

3 Ebd.403f. und 418. Vgl. Thomas Kirchner, Der epische Held. Historienmalerei und Kunstpolitik im Frankreich des 17.Jahrhunderts. München 2001. 4 Malcolm Smuts, The Making of Rex Pacificus. James VI and I in an Age of Religious War, in: Daniel Fischlin/Mark Fortier (Eds.), Royal Subjects. Essays on the Writings of James VI and I. Detroit 2002, 371– 388. 5 Edward Corp, A Court in Exile. The Stuarts in France, 1689–1718. Cambridge 2004, 238–246. Generell zur Haltung der späteren Stuarts vgl. Ronald G. Asch, Die Stuarts. München 2011, 72–100. 6 Tony Claydon, William III and the Godly Revolution. Cambridge 1996.

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I. Aber wenden wir uns zunächst der Frage zu, warum Gesellschaften oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen sich in gegebenen historischen Situationen durch die Verehrung von heroischen Figuren, aber auch durch die diskursive Auseinandersetzung über die Bedeutung dieser Figuren ihrer eigenen Identität versichern. Wie von soziologischer Seite betont worden ist, bedürfen Institutionen, also Handlungsmuster, Normen und soziale Ordnungen mit festgefügten Rollen der symbolischen Verkörperung, um stabil zu bleiben. Diese symbolische Verkörperung können sie in zeichenhaften Handlungen und Riten finden – ein bevorzugter Gegenstand der kulturgeschichtlichen Forschung der letzten 15 Jahre –, aber eben auch in symbolischen Ausdrucksformen, die stärker an eine Person gebunden sind. Offenbar können die Werte und Normen einer Gesellschaft respektive einer politischen und sozialen Ordnung in einer Heldentat oder dem Lebensentwurf einer heroischen Figur, respektive jenen Taten und jener Biographie, die einer solchen Figur zugeschrieben werden, einen besonders prägnanten, wenn auch oft nicht von Widersprüchen freien symbolischen Ausdruck finden. Heldentaten sind dabei – in der Formulierung des Dresdner Soziologen Karl-Siegbert Rehberg – mehr als bloße „Repräsentanz-Zeichen“, sie sind Real-Symbole, in denen die Ordnung, auf die verwiesen wird, selbst auf geheimnisvolle Weise präsent ist. Solche „Präsenz-Symbole“ sind, um Rehberg noch einmal zu zitieren, besonders wichtig für die Visualisierung von „Herrschaft, für Ungleichheitssysteme, also Statuslagen und hierarchisierte Lebenswelten, für Persönlichkeits- und Habitusentwürfe, für die fürchterliche Suggestionskraft des Krieges.“ 7 Heldenfiguren gehören gewissermaßen zur „Großen Symbolik“ einer Gesell-

7 Karl-Siegbert Rehberg, Institutionen, Kognitionen und Symbole. Institutionen als symbolische Verkörperungen. Kultursoziologische Anmerkungen zu einem handlungstheoretischen Forschungsprogramm, in: Andrea Maurer/Michael Schmid (Hrsg.), Neuer Institutionalismus. Zur soziologischen Erklärung von Organisation, Moral und Vertrauen. 2.Aufl. Frankfurt am Main 2002, 39–56, hier 47f.; ders., Weltrepräsentanz und Verkörperung. Institutionelle Analyse und Symboltheorien. Eine Einführung in systematischer Absicht, in: Gert Melville (Hrsg.), Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigung kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart. Köln u.a. 2001, 3–49, hier 29ff. u. 33ff. Vgl. auch Birte Langbein, Die instrumentelle und die symbolische Dimension der Institutionen bei Arnold Gehlen, in: Gerhard Göhler (Hrsg.), Institution – Macht – Repräsentation. Wofür politische Institutionen stehen und wie sie wirken. Baden-Baden 1997, 143–180. Schon der Soziologe Henri Hubert hatte Helden als Figuren gesehen, die abstrakten Kollektiven eine „personalité reelle“ verliehen. Siehe Henri Hubert, Le Culte des héros et ses

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schaft, mit deren Hilfe diese sich ihrer Identität und ihres Werthorizontes versichert. 8 Oft handelt es sich um „Kollektivsymbole“, die mit historischen Mythen verbunden sind und die lebensweltlicher Erfahrung eine höhere Bedeutung verleihen. 9 Kollektivsymbole dieser Art sind nicht selten eine Antwort auf Krisensituationen, die sich in ihnen widerspiegeln. Dabei sind gerade in Heldenfiguren in besonderer Weise Widersprüche „aufgehoben“, d.h. in einer paradoxen Weise stehen sie gleichzeitig „für einen punktuellen Widerspruch und den Prozess seiner Harmonisierung“ 10. In besonders ausgeprägter Weise kann es der Heldenfigur gelingen, die „Dissonanzen des Gegensätzlichen in ästhetische Konsonanzen umzuformen“. 11 Rein begrifflich lässt sich diese Wirkung nie ganz fassen; es ließe sich sogar sagen, dass der Verweis auf das Auftreten des Heros darauf abzielt, „Begriff und Argument das Recht zu entziehen“, was auch für andere Kollektivsymbole gilt. Wie andere auf normative Ordnungen verweisende Symbole verleihen Heldentat und Heldenfigur „dem argumentativ nicht Mitteilbaren, dem diskursiv nicht Ausdrückbaren eine eigene Sprache“. 12 Gerade hierin liegt die besondere Kraft von Heldenfiguren, die mit einem appellativen Charakter ihrer Erscheinung einhergeht. Gilt das für die symbolische Bedeutung von Heldentaten und Heldenfiguren im Allgemeinen, so gilt es in besonderer Weise für den Herrscher als Helden. Er ist trotz aller Tendenz von Fürsten und Königen zur heroischen Selbstinszenierung fast stets eine widersprüchliche Erscheinung: Denn er verkörpert einerseits eine festgefügte religiös legitimierte Ordnung, die auf der Tradition beruht, und andererseits beansprucht er eine Ausnahmeerscheinung zu sein, die zu dieser Ordnung fast notwendigerweise in einem Spannungsverhältnis steht; in diesem Sinne markieren Helden-

conditions sociales [préface], in: Stefan Czarnowski, Saint Patrick, héros national de l’Irlande. Paris 1919, I– XCIV, hier XXXIII. Vgl. unten Anm.14.

8 Rudolf Schlögl, Symbole in der Kommunikation. Zur Einführung, in: ders./Bernhard Giesen/Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften. Konstanz 2004, 9–40, hier 26, mit der Feststellung: „Die Große Symbolik ist hingegen die der Identitätsbildung in Gesellschaften und Gruppen. Sie hilft, die Kluft zwischen den beschränkten Erfahrungswelten interaktiver Kommunikationszusammenhänge und der auf größere Reichweite hin angelegten sozialen Interaktion zu überbrücken.“ 9 Hans-Georg Soeffner, Symbolische Formung. Eine Soziologie des Symbols und des Rituals. Göttingen 2010, 37. 10 Ebd.37. 11 Ebd.36. 12 Ebd.38.

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figuren Grenzen, überschreiten sie aber auch, sie sind liminale Gestalten. 13 Der französische Soziologe Henri Hubert, ein Schüler von Durkheim und Weggefährte von Marcel Mauss, hat das Spannungsverhältnis zwischen dem Königtum und der Rolle des Helden besonders nachdrücklich hervorgehoben, indem er darauf hinwies, dass die Legitimation des Königtums eine göttliche sei, während der Held eher eine Erscheinung menschlichen Rechts und eine die Gesellschaft repräsentierende Gestalt sei: „Le héros n’est pas de droit divin: il est de droit humain: il émane de la société qui se réclame de lui.“ 14 Der Held sei im Normalfall eher der „champion“ des Königs, der für ihn kämpfende Stellvertreter, und nicht der König selbst. Erst mit der absoluten Monarchie okkupiert der Monarch die Rolle des Helden für sich; für ein autonomes aristokratisches Heldentum ist nun kaum noch ein Platz. 15 Wird die Selbstinszenierung des Herrschers freilich unter solchen Bedingungen allzu offensichtlich unglaubwürdig, dann wird die Bühne frei für andere Gestalten, die die Rolle des Retters oder opferbereiten heroischen Kämpfers für sich beanspruchen, insbesondere ehrgeizige Adlige oder Heerführer, die damit die Autorität des Monarchen gefährden können. Die Serie subversiver Helden dieser Art reicht gewissermaßen vom zweiten Earl of Essex in England in den 1590er Jahren über den Großen Condé in der Fronde bis zu Ludendorff und Hindenburg im frühen 20.Jahrhundert. Man könnte sogar an das Verhältnis Bismarcks zu Wilhelm II. denken. Im Folgenden soll diese nicht ungefährliche Dialektik mit Blick auf England verdeutlicht werden. Dabei wird sich der Blick zunächst kurz auf Elisabeth I. richten, um dann die Regierungszeit der beiden ersten Stuartkönige, Jakob I. und Karl I., näher zu betrachten.

13

Zu dieser Funktion der Helden siehe etwa Anett Kollmann, Gepanzerte Empfindsamkeit. Helden in

Frauengestalt um 1800. Heidelberg 2004, 18: „Grenzüberschreitung ist das Metier des Helden.“ Vgl. ebd.21: „Heldenentwürfe sind der Ort, wo diese Transgressivität oder Liminalität des exponierten Subjekts und seiner Gemeinschaft verhandelt und entschieden wird.“ 14

Hubert, Le Culte des héros (wie Anm.7), XXVII; vgl. Pierre Boudrot, Le héros fondateur, in: Hypothèses

2001/1, 167–180, 177. 15

Hubert, Le Culte des héros (wie Anm.7), S. XXVI, zum „champion du roi“, und Boudrot, Héros (wie

Anm.14), 178, der feststellt: „[…] avec Louis XIV, les deux figures ne peuvent plus coexister: le héros, à la fois issu de la société et extérieur à elle en raison de sa supériorité, est par nature autonome du pouvoir et porte à la contestation de l’autorité: seul le roi pet tenir place de héros.“ Zum Spannungsverhältnis zwischen dem Monarchen und dem heroischen Habitus des Adels siehe auch Joël Cornette, La tente de Darius, in: Henry Mechoulan/Joël Cornette (Eds.), L’État classique, 1652–1715. Regards sur la pensée politique de la France dans le second XVIIe siècle. Paris 1996, 9–42.

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II. Elisabeth I. war als Frau und als unverheiratete Herrscherin in mehr als einer Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Dazu kam der Umstand, dass ihre Thronfolge umstritten war – aus katholischer Sicht war sie nicht die legitime Nachkommin Heinrichs VIII. und daher gar nicht berechtigt zu herrschen. Wenn ihr Heldentum im Kampf gegen ihre Gegner so stark betont wurde, dann hatte das offensichtlich auch den Zweck, diese Defizite zu kompensieren. Jedenfalls gilt die Selbstdarstellung Elisabeths als bemerkenswert erfolgreich. Um die jungfräuliche Königin entstand geradezu ein Kult, der Elemente einer Renaissance des Rittertums mit sublimierter Erotik verband und in zahlreichen Gedichten und Maskenspielen ebenso seinen Ausdruck fand wie in den jährlichen Turnieren am Tag der Thronbesteigung. Die Königin selbst ließ sich als Deborah, Judith und Susannah feiern 16, konnte aber auch durchaus betonen wie 1588 bei Tilbury, dass sie selbst den Mut und die Tatkraft eines männlichen Königs wie ihres Vaters besitze, „the Heart and stomach of a king and of a King of England too“. 17 In Predigten zu Ehren der Königin oder solchen, in denen sie ermahnt wurde, ihrer Rolle als gottesfürchtige Herrscherin gerecht zu werden, dominieren sogar die Passagen, die die Königin mit männlichen Figuren aus dem Alten Testament vergleichen, besonders mit David und Salomon, nicht mit Heldinnen. 18 Elisabeth erschien hier vor allem als Glaubensheldin und Kämpferin in einem heiligen, von der Vorsehung gelenkten Krieg. Mit diesen Konstruktionen, und es waren hier in der Tat Konstruktionen, spielte Elisabeth bereitwillig, ließ sich aber selten ganz und vorbehaltlos auf sie ein, was freilich etwa in Kreisen der strengen Puritaner dann auch zu einer wachsenden Unzufriedenheit mit dieser religiös eher

16 Kevin Sharpe, Selling the Tudor Monarchy. Authority and Image in Sixteenth-Century England. New Haven 2009, 354; siehe auch Helen Hackett, Virgin Mother, Maiden Queen. Elizabeth I and the Cult of the Virgin Mary. Basingstoke 1995, und Louis Montrose, The Subject of Elizabeth. Authority, Gender, and Representation. Chicago 2006, sowie in diesem Band den Beitrag von Susan Doran. 17 Elisabeth I. von England, Queen Elizabeth’s Armada Speech to the Troops at Tilbury, August 9, 1588, in: Leah S.Marcus/Janel Mueller/Mary Beth Rose (Eds.), Elizabeth I. Collected Works. Chicago 2000, 326. 18 Peter E. McCullough, Out of Egypt. Richard Fletcher’s Sermon before Elizabeth I after the Execution of Mary Queen of Scots, in: Julia M. Walker (Ed.), Dissing Elizabeth. Negative Representations of Gloriana. Durham 1998, 118–149, hier 139f.

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lauen Herrscherin führte. 19 Dass Elisabeth eine Frau war, bot ihr jedenfalls auch Chancen, denn sie konnte auf diese Weise zum Mittelpunkt einer von heroischen Idealen inspirierten Gefolgschaft werden, ohne selbst auf dem Schlachtfeld ihre kriegerischen Ambitionen unter Beweis stellen zu müssen. Niemand erwartete von einer Königin, dass sie selbst in den Krieg zog. Seelenstärke, Mut und persönliches Charisma reichten durchaus, um den Anspruch auf die Rolle einer Heldin zu begründen. In einer so günstigen Position befand sich Jakob VI. von Schottland, der 1603 das Erbe Elisabeths in England antrat, nicht. Jakob sah sich vor 1603 in Schottland mit einem kriegerischen Adel konfrontiert, der durch eine Kultur der Gewalt geprägt war. Anders als seine Vorgänger auf dem schottischen Thron, von denen in den letzten rund 150 bis 200 Jahren kaum einer eines friedlichen, natürlichen Todes gestorben war, trat Jakob allerdings in der Regel nicht als heroischer Kämpfer auf, sondern eher als Gelehrter und Theologe, bisweilen auch als Dichter auf dem Königsthron. Das war ein deutlicher Gegenentwurf zum herrschenden Adelsideal, aber auch auf subtilere Weise zum Leitbild des gottesfürchtigen Streiters für den rechten Glauben, wie es Genf und Rom auf je unterschiedliche Weise beide propagierten. 20 Es gab allerdings in Schottland selbst und in den frühen englischen Jahren auch Untertöne anderer Art, denn zu den Identifikationsfiguren des Herrschers gehörte auch Konstantin der Große, der sich durchaus als heroischer Streiter und, wenn es sein musste, auch als Zuchtmeister über einen aufsässigen Klerus darstellen ließ. Diese konstantinischen Assoziationen traten aber in späteren Jahren eher zurück. 21 Durch eine bewusst friedfertige, unheroische Haltung versuchte Jakob VI. und I. eher, den konfessionellen Radikalismus und ebenso den Gewalthabitus der schottischen Aristokratie zu desavouieren und zu unterlaufen. In gewisser Hinsicht könnte man ihn mit Heinrich III. von Frankreich vergleichen, der ja ebenfalls aus Worten 19

Thomas S.Freeman, Providence and Prescription. The Account of Elizabeth in Foxe’s „book of Martyrs“,

in: Susan Doran/Thomas S.Freeman (Eds.), The Myth of Elizabeth. Basingstoke 2003, 27–55. 20

Zur Biographie des Königs und der Hofkultur siehe Alan Stewart, The Cradle King. A Life of James VI

and I. London 2004; Michael Lynch, Court Ceremony and Ritual during the Personal Reign of James VI, in: Julian Goodare/Michael Lynch (Eds.), The Reign of James VI. East Linton 2000, 71–92; Linda Levy Peck (Ed.), The Mental World of the Jacobean Court. Cambridge 1991; Ronald G. Asch, Jakob I. (1566–1625). König von England und Schottland. Stuttgart 2005. 21

James Doelman, King James I and the Religious Culture of England. Cambridge 2000, 80–83; Lori A. Fer-

rell, Government by Polemic. James I, the King’s Preachers and the Rhetorics of Conformity, 1603–1625. Stanford, Cal. 1998, 136f., 116–125.

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Taten werden lassen wollte. 22 Wie Heinrich sah sich Jakob dann auch in späteren Jahren mit dem Vorwurf konfrontiert, kein wahrhaft männlicher Herrscher zu sein, zumal er um sich Favoriten versammelte, zu denen er deutlich homoerotisch gefärbte Freundschaften unterhielt. 23 Ein König, der sich vor allem als Friedensfürst, also gerade nicht als kriegerischer Held verstand, konnte leicht mit dem Problem eines strukturellen Heroismus-Defizits konfrontiert werden, wenn man das so formulieren will, denn in der politischen Führungsschicht, aber auch in der Bevölkerung insgesamt lebten die alten Feindbilder weiter – das päpstliche Rom und das katholische Spanien vor allem, die durch salomonische Weisheit und die prophetengleiche Schriftauslegung des Königs vielleicht doch nicht ganz zu bändigen waren.

III. Unter diesem Umständen konnte es ein Vorteil, aber auch eine Gefahr sein, wenn der Monarch von Verwandten und Gefolgsleuten umgeben war, die das verkörperten, was er für seine Person ablehnte – einen kämpferisch-heroischen Habitus: Sie konnten gewissermaßen eine komplementäre Rolle spielen, die seine eigene ergänzte. Am stärksten galt das wohl für den 1612 in jungen Jahren verstorbenen Thronfolger, den Prinzen Henry, den ältesten Sohn des Königs. Er ließ sich um 1610 bei Turnieren und in Maskenspielen als Erbe der Ideale des nun freilich konfessionell überformten mittelalterlichen Rittertums feiern, das schon in der elisabethanischen Zeit eine bemerkenswerte Renaissance erlebt hatte. 24 Eine Anlehnung an die Selbstdarstellung Heinrichs IV. von Frankreich, des klassischen roi connétable der Zeit, dessen Rolle als Schutzherr der europäischen Protestanten ja 1610 gerade frei geworden war, mag auch eine Rolle gespielt haben. 25 22 Michael Wintroub, Words, Deeds and a Womanly King, in: French Historical Studies 28, 2005, 387–413. Vgl. in diesem Band den Beitrag von Nicolas Le Roux. 23 Alastair Bellany, The Politics of Court Scandal in Early Modern England. News Culture and the Overbury Affair, 1603–1660. Cambridge 2002, 241–258. 24 Gilles Bertheau, Prince Henry as Chapman’s „Absolute Man“, in: Timothy Wilks (Ed.), Prince Henry Revived. Image and Exemplarity in Early Modern England. Southampton 2007, 134–145; vgl. Roy Strong, Henry, Prince of Wales and England’s Lost Renaissance. London 1986. 25 Ich danke Kerstin Weiand (Marburg) für wichtige Hinweise zu diesem Problem und für die Möglichkeit in ihr Manuskript „Vom ‚Roi de Guerre‘ zum ‚Warrior King‘. Überlegungen zu einem politischen Kulturtransfer im Medium der Memorialkultur“ Einsicht zu nehmen.

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Die Leitfigur des ritterlichen Helden spielte auch in Werken der höfischen Kunst und Dichtung, die im Umkreis des Thronfolgers entstanden, eine erhebliche Rolle. In einem 1610 von Ben Jonson entworfenen Maskenspiel – „Prince Henry’s Barriers“ oder „The Lady of the Lake“ – wurde die Welt des König Artus und seiner Ritter beschworen. Allerdings ließ Ben Jonson den Zauberer Merlin auch betonen, dass der König, also Jakob I., selbst der wahre Herkules sei, denn der größte Sieg sei der über sich selbst oder, wie Martin Butler, der Interpret dieses Maskenspiels, es formuliert hat, „true Herculean virtue, said Merlin, was not physical fighting but the secret heroics inside James’s breast“. 26 Dies war eine bemerkenswerte Psychologisierung und Sublimierung des Heroischen, die aber vielleicht nicht jeden Zuschauer überzeugt haben wird. Längerfristig hätte die heroisch-kriegerische Selbstinszenierung des Thronfolgers für den König zur Gefahr werden können, aber Prinz Henry starb wie gesagt in jungen Jahren. In gewisser Weise wurde Henrys Schwester Elisabeth, die 1613 den Kurfürsten von der Pfalz heiratete, Erbin dieser heroisch-ritterlichen Tradition, die bis in den Dreißigjährigen Krieg hineinreichen sollte und nach 1618 als gefährliches Gegenbild zur Appeasement-Politik ihres Vaters wirkte. 27 Allerdings auch der nach 1616 rasch zu einer fast monopolartigen Machtstellung aufsteigende Favorit des Königs, der jugendliche Marquess und Duke of Buckingham, der seit 1618 auch die höchste militärische Kommandostelle des Lord Admiral innehatte, versuchte sich gegen Ende der Regierungszeit Jakobs I., besonders nach dem Scheitern des Ausgleichs mit Spanien 1623, eine kriegerische Pose zu eigen zu machen. Den Höhepunkt erreichte diese Selbstinszenierung zwar erst nach dem Tode Jakobs I. 1625, aber erste Ansätze waren schon vorher zu erkennen. Auch in Buckinghams Fall wird freilich erkennbar: Helden mögen konstruiert sein, aber solche Konstruktionen sind immer in einem kulturellen Umfeld angesiedelt, das der Glaubwürdigkeit von heroischen Tugendzuschreibungen Grenzen setzt. Der Herzog von Buckingham trat ab 1624 zunehmend als Feldherr und Krieger auf. Ein großes Reiterporträt von Rubens, dessen Entwurf aus dem Jahre 1625

26

Martin Butler, The Stuart Court Masque and Political Culture. Cambridge 2008, 183. Zur Psychologi-

sierung des Heroischen siehe auch Stephen Orgel, The Example of Hercules, in: Walther Killy (Hrsg.), Mythographie der frühen Neuzeit. Wiesbaden 1984, 25–47, bes. 30f. 27

Thomas Cogswell, The Blessed Revolution. English Politics and the Coming of War, 1621–1624. Cam-

bridge 1989, 95–98.

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stammte, stellte Buckingham als Feldherr und Admiral – die Flotte war im Hintergrund zu sehen – dar, der Gestus war nahezu königlich oder imperial. 28 Als Buckingham 1627 vom Krieg gegen Spanien auf einen Feldzug gegen Frankreich umschwenkte, berief sich seine Kriegspropaganda ausdrücklich auf das Vorbild des Hundertjährigen Krieges und der Schlacht von Agincourt. 29 Allerdings blieben die militärischen Erfolge aus. Dass Buckingham das Projekt eines militärischen Sieges, ob nun gegen Spanien oder gegen Frankreich, dennoch mit Leidenschaft, ja mit Fanatismus weiter verfolgte, mag, wie Alastair Bellany gemeint hat, auch der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass er zum Gefangenen seiner eigenen Rolle wurde. Wenn er wirklich begonnen hatte, sich selber mit den Augen eines Rubens zu sehen (der ihn in großer heroischer Pose mehr als einmal gemalt hatte), dann war es allerdings fast unmöglich, einen erfolglosen Waffengang einfach abzubrechen, um zur Tagesordnung überzugehen – zumal das in der Öffentlichkeit sein Renommee endgültig zerstört hätte. 30 Die Selbstdarstellung des Favoriten war allerdings schon zuvor in das Kreuzfeuer der Kritik geraten. Man warf Buckingham vor, dass er zugleich Höfling und Krieger sein wolle, und in der Tat betonen die Bilder von Rubens nicht nur die heroische Größe des Feldherren, sondern immer auch die Eleganz und die perfekte Körper- und Selbstbeherrschung des Höflings, eine Rollenkombination, die nicht jeden überzeugte. 31 Ja, die Kunstwerke eines Rubens mochten jetzt als Versuch erscheinen, Politik und Kriegführung durch bloße gemalte Träume zu ersetzen. Buckingham selbst war ein Mann, der eine Zeit lang ganz England wie ein Magier verzaubert hatte, es bedurfte des Dolches des Attentäters, eines „stout Machabee“, „to disinchaunt our land / from Magique thralldome“ 32, wie es in einem politischen Gedicht hieß.

28 Alastair Bellany, „Naught But Illusion?“ Buckingham’s Painted Selves, in: Kevin Sharpe/Steven N. Zwicker (Eds.), Writing Lives. Biography and Textuality, Identity and Representation in Early Modern England. Oxford 2008, 127–160. Zu Buckingham auch Thomas Cogswell, The People’s Love. The Duke of Buckingham and Popularity, in: ders./Richard Cust/Peter Lake (Eds.), Politics, Religion and Popularity in Early Stuart Britain. Essays in Honour of Conrad Russell. Cambridge 2002, 211–234. 29 Cogswell, The People’s Love (wie Anm.28), 226f. 30 Thomas Cogswell/Peter Lake, Buckingham does the Globe. Henry VIII and the Politics of Popularity in the 1620s, in: Shakespeare Quarterly 60, 2009, 253–278, hier 278. 31 Bellany, Buckingham’s Painted Selves (wie Anm.28), 156. In einem Libel hieß es: „Stay, stay at court then, and at Tenny play, / Measure French Galliards out, or Kil-a-gray / Venus Pavillions doe befitt thee best“ (ebd., nach einem Libel von Richard James, British Library, Sloane 826, fol.191f.). 32 Bellany, Buckingham’s Painted Selves (wie Anm.28), 158. Vgl. zu Buckinghams Reputation und Nach-

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Und so wurde Buckingham Ende 1628 ermordet von einem Offizier, der vielen nun seinerseits als Held und Tyrannenmörder galt – gerade der missglückte Versuch des Favoriten, sich als kriegerischer Heros zu inszenieren, hatte diese Reaktion provoziert.

IV. Die Ermordung Buckinghams markierte für England auch das Ende einer kriegerischen Außenpolitik. Nach Friedensschlüssen mit Frankreich und Spanien wandte sich Karl I. rasch wieder der Friedenspolitik seines Vaters zu. Die konsequent betriebene Aufrüstung der englischen Flotte – finanziert mit den Einkünften aus dem Schiffsgeld – sollte England dennoch die Möglichkeit verschaffen, im Kampf zwischen Spanien und seinen Gegnern das Zünglein an der Waage zu spielen. Dass diese Rechnung nicht aufging, war vor allem der Tatsache geschuldet, dass Spanien seit Ende der 1630er Jahre kaum noch dazu in der Lage war, einen offensiven Krieg zu führen, sondern allenfalls noch seine Besitzungen in Flandern und Brabant mit mäßigem Erfolg verteidigen konnte. Dennoch präsentierte sich Karl I. nie primär oder gar ausschließlich in der Gestalt des Friedensfürsten wie sein Vater – die Darstellungen des Königs sowohl in der bildenden Kunst wie in den Maskenspielen betonten vielmehr durchaus den Mut, die Tatkraft und das ritterliche Heldentum des Königs, aber eben in einer stark sublimierten Form – die heroische Pose war aus der Realität des Schlachtfeldes oder der inszenierten Realität des Turnierplatzes in ein arkadisches oder zumindest mythisches Utopia verlegt worden. 33 Überdies können wir einen Prozess der Psychologisierung des Heroischen beobachten. Der heroische Habitus verband sich mit einer Verinnerlichung heldenhafter Tugenden, die ihren Ausdruck nicht mehr notwendigerweise im Krieg finden mussten. 34 Zur eigentli-

leben ders., „The Enigma of the World.“ Memorializing and Remembering George Villiers, First Duke of Buckingham in the Aftermath of Assassination, c. 1628–1642, in: Martin Wrede/Horst Carl (Hrsg.), Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeitlichen Adels in Umbruch und Krise. Mainz 2007, 27–52. 33

Einen Überblick bietet Kevin Sharpe, Image Wars. Promoting Kings and Commonwealths in England,

1603–1660. New Haven, Conn. 2010, 135–276. 34

John Peacock, The Image of Charles I as a Roman Emperor, in: Ian Atherton/Julie Sanders (Eds.), The

1630s. Interdisciplinary Essays on Culture and Politics in the Caroline Era. Manchester 2006, 50–73, hier

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chen Identifikationsfigur des Monarchen wurde der Heilige Georg, der Schutzpatron des Hosenbandordens, der unter Karl eine neue Bedeutung als königstreuer Adelsbund, aber auch als Zentrum einer quasi religiösen Verehrung der Monarchie erhielt. Dass Georg als Drachentöter auch eine Königstochter errettet hatte, passte recht gut zu dem romantisierten Bild ehelicher Liebe, das offizielle Darstellungen und Porträts von der Beziehung zwischen Karl I. und Henrietta Maria nach 1629 zeichneten. 35 Jedenfalls konnten sich Heldentum und Erotik in der Darstellung des Königs durchaus verbinden – wie überhaupt die Männlichkeitsentwürfe, die Darstellungen und Konstruktionen von Heldentum transportieren, sich natürlich zu allen Zeiten an bestimmten wirklichen oder vermuteten weiblichen Erwartungen oder, wenn man so will, den vorherrschenden Weiblichkeitskonzeptionen orientieren und diese komplementär ergänzen. In der höfischen Welt mit ihrer allgegenwärtigen Erotik war dies natürlich besonders stark ausgeprägt und am Hofe Karls I., an dem das Ideal einer keuschen ehelichen Liebe eine zentrale Rolle spielte und sich das Bild der Königs und der Königin auch in der Hofkultur stets gegenüberstanden, galt dies sicherlich besonders stark. 36 Karls Ambitionen, als königlicher Ritter und wahrer Held zu erscheinen, fanden ihren Ausdruck auch im Maskenspiel „Coelum Britannicum“ von 1634. In der Schlussszene erscheint der König umgeben von 14 „ancient heroes“, wie sie genannt wurden, ein neuer Artus in seiner Tafelrunde, aber auch ein antiker Heros, der zu den Sternen erhoben wird und die Unsterblichkeit erlangt. 37 All dies mag auf den ersten Blick wie unverbindliche höfische Rhetorik wir-

55, über „van Dyck’s portrayal of Charles as an unsual kind of neo-Roman emperor, a hero of the inner life rather than a stern warlord“. Vgl. Claudia Blümle, Souveränität im Bild. Anthonis van Dycks Reiterporträt Karls I., in: Horst Bredekamp/Pablo Schneider (Hrsg.), Visuelle Argumentationen. Die Mysterien der Repräsentation und die Berechenbarkeit der Welt. München 2006, 79–102. 35 Sharpe, Image Wars (wie Anm.33), 242f. Vgl. Richard Cust, Charles I. A Political Life. Harlow 2005, 161; zu dem bekannten Bild von Rubens, das Karl I. als St. Georg zeigte. Vgl. auch Peter Heylyn, The Historie of the Most Famous Saint and Souldier of Christ Iesus, St. George of Cappadocia. London 1633. 36 Im „sexualized heroism“ des Königs, wie er etwa im Maskenspiel „Love’s Triumph through Callipolis“ erschien, kann man, wenn man Martin Butler folgt, durchaus einen Gegenentwurf zu den von spielerisch erotischen Elementen sorgfältig gereinigten Männlichkeitsidealen des strikten Calvinismus und des Puritanismus sehen; siehe Butler, Masque (wie Anm.26), 293. Vgl. zur Rolle Henrietta Marias am Hof und dem Kult der ehelichen Lieben auch Caroline Hibbard, Henrietta Maria in the 1630s. Perspectives on the Role of Consort Queens in Ancien Régime Courts, in: Ian Atherton/Julie Sanders (Eds.), The 1630s. Interdisciplinary Essays on Culture and Politics in the Caroline Era. Manchester 2006, 92–110; und Erica Veevers, Images of Love and Religion. Queen Henrietta Maria and Court Entertainments. Cambridge 1989. 37 J. S.A. Adamson, Chivalry and Political Culture in Caroline England, in: Kevin Sharpe/Peter Lake

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ken, wichtig ist aber ein weiterer Punkt, den Butler hervorgehoben hat, dass dieses heroische Leitbild, wie es die Maskenspiele entwarfen, durch eine Kombination aus „imperial ambition, pious aspiration and erotic longing“ geprägt war. 38 Gerade die Kombination aus heroischer Männlichkeit, Machtstreben, konfessionell eher vage (jedenfalls sicher nicht strikt calvinistisch) definierter Religiosität und Erotik, die auf eine gewisse, allerdings anders kalibrierte Weise noch die Selbstdarstellung des Königs in „Eikon Basilike“ 1649 auszeichnen sollte, musste für strenge Calvinisten irritierend, wenn nicht gar skandalös erscheinen – so, wie es Milton 1649 skandalös erschien, dass der König eines seiner Gebete in „Eikon Basilike“, seiner autobiographischen confessio vor der Hinrichtung, einem Werk der erotisch gefärbten Schäferdichtung, Sir Philip Sidneys „Arcadia“, entlehnt hatte. 39

V. Die Darstellung des Königs auch im Bürgerkrieg und noch in der Niederlage behielt generell ein theatralisches Element. Aus der Sicht der Gegner, wie Milton, war die Selbstinszenierung des Königs im Tode, wie sie in „Eikon Basilike“ ihren Ausdruck fand, eine Art Maskenspiel, eine Aufführung, der der wirkliche Ernst fehlte und die Anklang am ehesten bei einem „image doting rabble“ finden konnte, der die Inszenierung heroisch-frommer Leidensbereitschaft nicht von der Sache selbst unterscheiden konnte. 40 Für Milton und viele Parlamentarier gehörte zum wahren

(Eds.), Culture and Politics in Early Stuart England. Basingstoke 1994, 161–198, hier 174; vgl. Butler, Masque (wie Anm.26), 315. 38

Butler, Masque (wie Anm.26), 315: „With his combination of imperial ambition, pious aspiration and

erotic longing, Charles was Red Cross Knight in modern guise.“ Dies bezieht sich auf das Maskenspiel „The Faerie Queen“.Vgl. auch ebd.314: „Crucially, in a masque in which Charles played the glorious lover, Pleasure was the anti-type to his heroically empowering eroticism.“ 39

Stephen N. Zwicker, Lines of Authority, Politics and English Literary Culture, 1649–1689. Ithaca, N. Y.

1993, 55f.; Sharon Achinstein, Milton and King Charles, in: Thomas N. Corns (Ed.), The Royal Image. Representations of Charles I. Cambridge 1999, 141–161. 40

Lois Potter, Secret Rites and Secret Writing. Royalist Literature 1641–1660. Cambridge 1989, 182f.; vgl.

Blair Worden, Literature and Politics in Cromwellian England: John Milton, Andrew Marvell, Marchamont Nedham. Oxford 2007, 176. Vgl. John Milton, Eikonoklastes, in: ders., The Complete Prose Works. Vol.3: 1648–1649. Ed. by Merritt Y. Hughes. New Haven, Conn. 1962, 335–601, hier 553: „it is not hard for any man, who hath a bible in his hands, to borrow good words and holy sayings in abundance. But to make them his own, is a work of grace onely from above.“ Vgl. ebd.601, 362.

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Heldentum – namentlich dann, wenn es eine religiöse Konnotation hatte –, die ungeschminkte Aufrichtigkeit als ein entscheidendes Element dazu. Ein Glaubenskrieger, der nicht aus tiefer innerer Überzeugung kämpfte – wie es etwa Cromwell, der große Heros der radikalen Parlamentarier, zu tun schien – war kaum vorstellbar. In der höfischen Kultur war Aufrichtigkeit kein Kriterium gewesen; sowohl der höfische Adlige als auch der Monarch selbst fanden bestimmte tradierte Rollenmuster vor und übernahmen sie; bestimmte Gesten und bestimmte Worte hatten eine performative Qualität, machten den, der sie vollzog oder nachsprach, eben zum Helden oder zumindest zum würdigen Ebenbild von Helden. In diesem Sinne spielte der König den heroischen Ritter oder Helden nach antikem Muster; entscheidend war die Qualität der Selbstinszenierung, nicht so sehr die innere Gesinnung. Entsprechend unterschiedlich waren auch die Leitbilder heroischen soldatischen Verhaltens auf royalistischer und parlamentarischer Seite im Bürgerkrieg. Für die Royalisten stand eine sehr individuelle aristokratische Ehre oft im Vordergrund – und der Eklat, den ein militärisches Bravourstück hervorrief. Der Royalismus verband sich mit einem Leitbild der persönlichen Tapferkeit, in dem das heroische Verhalten oft auch durch den Regelbruch und die Verletzung von Normen manifest wurde und jedenfalls gegenüber der Sache, für die man offiziell kämpfte, sich nur allzu leicht verselbständigte. 41 Transgression auch im Sexuellen und Heroismus gingen hier eine enge Verbindung ein, auch wenn dafür der König gerade kein unmittelbares Vorbild bot. Panegyrische Schriften von royalistischer Seite versuchten überdies ein Bild militärischen Heldentums zu schaffen, das auch von der kontinentaleuropäischen Adelskultur inspiriert war. Die heroische Leistung sollte dabei besonders im Fall katholischer Offiziere die mangelnde konfessionelle Anpassung kompensieren. 42 Soweit der König selbst für diese heroische Selbstinszenierung doch als Vorbild diente, war auch in seinem Fall auffällig, dass anders als etwa bei Elisabeth I. und den Führern der parlamentarischen Seite sein Heroismus keine eindeutig konfessionellen Konnotationen hatte, es sei denn, man würde die carolinische religion royale als die be-

41 Ian Roy, Royalist Reputations. The Cavalier Ideal and the Reality, in: Jason McElligott/David L. Smith (Eds.), Royalists and Royalism during the English Civil Wars. Cambridge 2007, 89–111. 42 Siehe etwa von katholischer Seite Edward Walsingham, Alter Britanniae Heros or the Life of the most honorouble Knight, Sir Henry Gage […] epitomiz’d. Oxford 1645; ders., Britannicae Virtutis Imago or the Effigies of True Fortitude expressed […] in the actions […] of Major-General Smith. Oxford 164; sowie ders., Hector Britannicus. The Life of Sir John Digby. Ed. by Georges Bernard. London 1910.

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stimmende Konfession ansehen. 43 Das sollte sich erst gegen Ende seines Lebens ändern, als er, wenn auch vielleicht nicht ganz freiwillig, in die Rolle des Märtyrers der Church of England hineinwuchs. Der König selbst, der als Heerführer nicht immer überzeugt hatte, fand seine größte Rolle während des Prozesses, den das Parlament gegen ihn führte, und in seinem Tod. „Eikon Basilike“ mag auch eine Kampfschrift anglikanischer Geistlicher gewesen sein, mit der sie Karl II. auf einen Kurs festlegen wollten, der ihm einen Kompromiss mit den Presbyterianern und anderen radikalen Calvinisten oder gar den radikalen Sekten unmöglich machte. Vor allem aber gelang es dieser Schrift, das Leiden des gescheiterten Königs selbst zu einer heroischen Tat umzudeuten, zu einer Tat, mit der er seine Gegner noch in der Niederlage überwand, weil er zuvor sich selbst überwunden hatte. 44 Indem der König sich in sein Leiden fügte, es wie eine Dornenkrone annahm, wurde er durch seine Standhaftigkeit und Seelengröße zum wahren Helden. Damit wurde er auch endgültig zur Symbolfigur für den Royalismus schlechthin. Denn während des Bürgerkrieges war es doch letztlich unklar geblieben, wofür die Royalisten eigentlich kämpften. Stritten sie für die Wiederherstellung der Verfassungsverhältnisse der Jahre vor 1640 oder für ein Königtum, das weitgehend ohne Parlament auskommen konnte? Stritten sie für eine protestantische Kirche mit reformiertem Glaubensbekenntnis und pragmatisch begründeter Episkopalverfassung unter königlicher, ja vielleicht sogar königlich-parlamentarischer Kontrolle, oder eher für eine Kirche, die Genf genauso fern stand wie Rom, die von Bischöfen iure divino und nicht von Laien gelenkt wurde, und die womöglich auch gegenüber Katholiken tolerant war, nicht aber gegenüber den Sekten? Diese Widersprüche waren während des Krieges nie gelöst worden, am Ende hatten die Royalisten vor allem für die Person des Königs gekämpft. 45 Sein Tod und seine

43

Zur Darstellung Karls während des Bürgerkrieges siehe Sharpe, Image Wars (wie Anm.33), 339–348.

44

Sean Kelsey, The King’s Book. Eikon Basilike and the English Revolution, in: Nicholas Tyacke (Ed.), The

English Revolution, c. 1540–1720. Politics, Religion and Communities. Manchester 2007, 150–169; Andrew Lacey, The Cult of King Charles the Martyr. Woodbridge 2003; und ders., „Charles I and Christ the Second“. The Creation of a Political Martyr, in: Thomas S.Freeman/Thomas F. Mayer (Eds.), Martyrs and Martyrdom in England, c. 1400–1700. Woodbridge 2007, 203–220; auch Thomas S. Freeman, „Imitatio Christi with a Vengeance“. The Politicisation of Martyrdom in Early-Modern England, in: ebd.35–78. 45

David Scott, Rethinking Royalist Politics, 1642–9, in: John Adamson (Ed.), The English Civil War. Con-

flict and Contexts. Basingstoke 2009, 36–60, und Anthony Milton, Anglicanism and Royalism in the 1640s, in: ebd.61–68; ders., „Vailing his Crown“. Royalist Criticism of Charles I’s Kingship in the 1650s, in: Jason McElligott/David L. Smith (Eds.), Royalists and Royalism during the Interregnum. Manchester 2010, 88– 105.

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heroische Standhaftigkeit und Opferbereitschaft wurden nun zum Symbol für ihre Sache, in der Heldentat des Märtyrertodes waren die Widersprüche aufgehoben. Allerdings sah es auf der republikanischen Seite nicht ganz anders aus, obwohl hier an sich abstrakte Prinzipien wie die Herrschaft des Rechtes, der reine protestantische Glaube, die Autorität des Parlaments und die Freiheit der Untertanen stärker im Vordergrund standen. Als es aber nach dem Tod des Königs einen neuen Staat zu schaffen galt, fehlte dieser Republik, wie Kevin Sharpe jüngst noch einmal gegen Sean Kelsey hervorgehoben hat, jedoch lange Zeit eine wirklich überzeugende bildliche Selbstdarstellung, und dies wohl nicht nur deshalb, weil sich abstrakte Institutionen weniger leicht visualisieren lassen als die Herrschaft einer Dynastie. 46 Erst mit der Erhebung Cromwells zum Lord Protector fand die Republik auch zu einer überzeugenden Bildersprache, die nun allerdings sehr stark auf das Staatsoberhaupt selbst konzentriert war. Im Falle Cromwells stand das militärische Heldentum – die gegen alle Wahrscheinlichkeit mit Gottes Hilfe und im alleinigen Vertrauen auf ihn errungenen Siege – stark im Vordergrund der öffentlichen Darstellung; anders ließ sich seine Herrschaft gar nicht legitimieren. Aber dieses Heldentum war letztlich eingeordnet in einen heilsgeschichtlichen, ja eschatologischen Kontext. Cromwell hatte seine Siege errungen gegen die „Hure Babylon“ und ihre Diener, nicht einfach nur gegen politische Gegner. 47 Was hingegen bei Cromwell trotz der vielen nicht zu übersehenden Anklänge an die monarchische Selbstdarstellung der Jahre vor 1640 doch weitgehend fehlte, das waren die Bezüge zur Welt der Ritterromane oder der antiken Mythologie oder auch der Heiligenlegenden. Karl I. hatte sich als ein neuer Heiliger Georg, als König Artus oder als ein Theseus, der gegen Minotauren kämpfte, gesehen – Cromwells Welt war hingegen die der Bibel und vor allem auch die des Alten Testaments und seiner Gottesstreiter. Karl I. wurde im Tode ein Stück weit zum Ebenbild Christi, so wie schon zuvor Zeremoniell und Hofkultur den sakralen Charakter der Monarchie betont hatten. Eine solche Bildersprache hätte Cromwell nie gewählt, er war vielmehr das auserwählte Werkzeug Gottes, aber auch einer Republik der Heiligen, die freilich nie wahrhaft Realität wurde. Sein Heldentum bestand 46 Sharpe, Image Wars (wie Anm.33), 391–403; vgl. ders., „An image doting rabble“. The Failure of Republican Culture in Seventeenth-Century England, in: ders. (Ed.), Remapping Early Modern England. The Culture of Seventeenth-Century Politics. Cambridge 2000, 223–265, gegen Sean Kelsey, Inventing a Republic. The Political Culture of the English Commonwealth, 1649–1653. Stanford, Cal. 1997. 47 Dazu Laura Lunger Knoppers, Constructing Cromwell. Ceremony, Portrait, and Print, 1645–1661. Cambridge 2000, 31–68.

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gerade darin, dass er für eine Sache kämpfte und sich in ihren Dienst stellte. 48 Für Männer wie Cromwell oder Milton war es Blasphemie, wenn Herrscher als imago dei in terra erscheinen wollten, denn Gott ließ sich nicht visualisieren, auch nicht in dieser indirekten Form. Cromwell ließ sich oft – wenn auch, wie man zugeben muss, keineswegs durchgehend, denn es setzte sich in seiner Darstellung zwischen 1650 und 1658 niemals ein einheitlicher Bildtypus durch 49 – auf eigenen Wunsch in schmuckloser, eben wahrhaft puritanischer und zugleich römisch-republikanischer Einfachheit, „Warts and all“, darstellen, und so war auch eines seiner letzten Porträts von Edward Mascall gestaltet. 50 Diese Einfachheit war ein Zeichen seiner Aufrichtigkeit und Frömmigkeit und vielleicht auch seines republikanischen Bürgergeistes – klassische Porträts römischer Magistrate waren ähnlich gestaltet worden. Alles dies wurde damit zwar zur Inszenierung, unterschied sich aber deutlich von der idealisierten Darstellung des Königs vor 1649. Das heroische Charisma, das Cromwell für sich beanspruchte, ließ sich jedoch auf keinen Nachfolger übertragen, obwohl oder weil bis 1658 auf einer nichtdiskursiven Ebene der providentielle Heroismus des Lord Protector die inneren Konflikte der Republik sistiert hatte. Mit dem Tode ihres Helden verlor die Republik auch das Symbol, das ihr Legitimität verliehen hatte. 51

VI. Einen langen Schatten warf die Selbstdarstellung Cromwells dennoch auf die späteren Stuarts, die im Vergleich zu dem gottesfürchtigen Schlachtensieger keine besonders gute Figur machten. In ähnlicher, wenn auch nicht ganz so ausgeprägter Form hatten Jakob I. und Karl I. im Schatten Elisabeths I., aber auch ausländischer Herrscher, namentlich Heinrichs IV. und Gustav Adolfs, gestanden. Gemessen an dieser Konkurrenz konnte ihre Selbstdarstellung entweder als defizitär oder als zu

48

Ebd.61.

49

Ebd.88.

50

Sharpe, Image Wars (wie Anm.33), 493–511, bes. 498–501, zu Edward Mascalls Porträt des Herrschers

von 1657; vgl. Knoppers, Cromwell (wie Anm.47), 130f. 51

Vgl. Blair Worden, Providence and Politics in Cromwellian England, in: Past and Present 109, 1985, 55–

99. Vgl. demgegenüber zur Konstellation in der niederländischen Republik den Beitrag von Olaf Mörke in diesem Band.

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wenig glaubwürdig erscheinen. Problematisch war dieses Heroismus-Defizit auch im Verhältnis der Herrscher zu den adligen Eliten ihrer Königreiche. Englische Adlige einschließlich der Angehörigen der gentry mochten zwar auch nach 1603 mehr Kriegserfahrung haben als die ältere Geschichtsschreibung oft gemeint hat, aber immerhin war England selbst nach 1604 in keine längere militärische Auseinandersetzung mehr involviert, obwohl es zu zwei kurzen und wenig rühmlichen Waffengängen mit Spanien und Frankreich nach 1625 kam. 52 Ganz anders aber war das Bild in Schottland, denn Schotten stellten während des Dreißigjährigen Krieges zeitweilig deutlich über 20 Prozent der Soldaten und Offiziere der schwedischen Armee; in Dänemark sah es zwischen 1625 und 1629 nicht sehr viel anders aus. Dieser Militäradel konnte nur mit Skepsis auf einen Monarchen wie Karl I. blicken, der sich zwar als römischer Imperator inszenieren ließ, aber doch offenbar alles andere als ein entschlossener Kämpfer für den wahren Glauben war, wie Gustav Adolf. 53 Mut und Entschlusskraft, die Karl dann in den 1640er Jahren im Kampf gegen die eigenen Untertanen bewies, konnten das kaum kompensieren. Allerdings gab es im 17.Jahrhundert ausreichend viele Monarchen in Europa, denen man die Rolle des Helden abnahm, obwohl sie nie wirklich mit dem Schwert in der Hand auf einem Schlachtfeld kämpften – wie Ludwig XIV., der allenfalls Belagerungen besichtigte oder offiziell leitete. Es war das Unglück Karls I., dass seine heroische Pose in der Praxis auf die Probe gestellt wurde und er am Ende genötigt war, seine Rolle zu der des – allerdings auf seine Weise auch heroischen – Märtyrers umzudefinieren.

52 Zu diesen Fragen siehe Roger B. Manning, Swordsmen. The Martial Ethos in the Three Kingdoms. Oxford 2003; ders., An Apprenticeship in Arms. The Origins of the British Army, 1585–1702. Oxford 2006; sowie für Irland, allerdings für eine andere Epoche, Rory Rapple, Martial Power and Elizabethan Political Culture. Military Men in England and Ireland, 1558–1594. Cambridge 2009. 53 Steve Murdoch, Britain, Denmark-Norway and the House of Stuart, 1603–1660. A Diplomatic and Military Analysis. East Linton 2003, 219; Alexia Grosjean, Scotland. Sweden’s Closest Ally?, in: Steve Murdoch (Ed.), Scotland and the Thirty Years’ War 1618–1648. Leiden 2001, 143–172; Allan I. Macinnes, The British Revolution, 1629–1660. Basingstoke 2005, 53.

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Die wehrhafte Minerva Beobachtungen zur Selbstdarstellung von Regentinnen im 17.Jahrhundert von Matthias Schnettger

„Es fühlt ein Weib auch Geist und Muth, Volk, Thron und Gränzen zu beschützen; Doch nicht der Unterthanen Blut Aus blinder Ehrsucht zu verspritzen. Wo zeigt man einen Heldensaal, Da nicht der Schönen Gnadenstral Der Wahrheit in die Augen leuchtet? Allein wo zeigt man uns ein Weib, Das, Nero gleich, zum Zeitvertreib, Mit Bürgerblut den Purpur feuchtet? […] Am besten kann ein Heldenweib So Lieb als Furcht zu Wächtern wehlen: Das Schwerdt beherrscht der Barbarn Leib; Und Gnad und Huld der Bürger Seelen.“

So Johann Simon Buchka, Mitglied der „Deutschen Gesellschaft“ zu Leipzig, in der Ode „Das Lob der Regentinnen“, 1731 verfasst zu Ehren der russischen Zarin Anna. 1 Er vertrat hier die Auffassung, dass Frauen sehr wohl das Herrscheramt ausfüllen könnten; weibliche Herrschaft sei üblicherweise milde, könne aber durchaus auch wehrhaft sein. Damit brachte er Vorstellungen zum Ausdruck, die die Repräsentation vieler Herrscherinnen in der Frühen Neuzeit prägten. Weibliche Herrschaft entsprach in der Frühen Neuzeit nicht der Norm, sie war aber auch nicht so selten, wie das eine Forschung suggerierte, die sozusagen Frankreich als monarchisches Musterland und das dort seit dem Spätmittelalter geltende Salische Recht, das nicht nur die Nachfolge einer Frau auf dem Thron, sondern auch die Vermittlung von Erbfolgerechten durch Frauen kategorisch ausschloss, als Norm darstellte. 2 Tat-

1 Johann Simon Buchka, Das Lob der Regentinnen, In einer Ode abgefaßt […]. In: Zwo Schriften, welche in der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, auf das Jahr 1731 die Preise der Poesie und der Beredsamkeit erhalten haben. Leipzig [1731], 31–57, hier 36f. 2 Vgl. Éliane Viennot, La France, les femmes et le pouvoir. Vol.1: L’invention de la loi salique (Ve–XVIe siècle). Paris 2006.

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sächlich aber war Frankreich in dieser Hinsicht im europäischen Vergleich die große Ausnahme. Kraft eigenen Erbrechts regierende Herrscherinnen gab es in Spätmittelalter und Früher Neuzeit beispielsweise in Kastilien, Neapel, England, Schottland, den skandinavischen Reichen und Russland. Noch wesentlich häufiger trat der Fall ein, dass eine Mutter für einen unmündigen männlichen Herrscher die Regentschaft führte. Eben die Regentschaft als die am weitesten verbreitete Form weiblicher Herrschaft in der Frühen Neuzeit soll im folgenden Beitrag im Zentrum stehen und auf die besonderen Erfordernisse und Möglichkeiten ihrer Repräsentation hin untersucht werden. Dies wird in drei Schritten geschehen. Zunächst werden einige Grundbedingungen weiblicher Regentschaften skizziert und anschließend zwei Fallbeispiele aus der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts vorgestellt. Um Möglichkeiten, Herausforderungen und Grenzen der Repräsentation prägnant herauszuarbeiten, stehen zwei Fürstinnen im Zentrum dieses Aufsatzes, deren Regentschaften ausgesprochen dramatisch verliefen, die zudem offenbar Gefallen an der Herrschaft fanden und diese nicht aus den Händen geben wollten. Auch wenn die beiden Regentinnen schon unter diesem Gesichtspunkt eher untypisch waren, soll abschließend versucht werden, einige allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen.

I. Weibliche Regentschaften in der Frühen Neuzeit – Grundlagen, Chancen, Risiken Regentschaften für minderjährige Fürsten waren in der Frühen Neuzeit weit verbreitet. 3 Im Zeitalter der Erbmonarchie besaß das durch Gottes Gnade verliehene

3 Aus der Fülle einschlägiger Publikationen der letzten Jahre zu frühneuzeitlichen Fürstinnen und Regentinnen seien nur einige mit einem europäischen Blick genannt: Maria Teresa Guerra Medici, Donne di governo nell’Europa moderna. (Ius nostrum, 32.) Rom 2005; Isabelle Poutrin/Marie-Kathrine Schaub (Eds.), Femmes et pouvoir politique. Les princesses d’Europe, XVe–XVIIIe siècle. Rosny-sous-Bois 2007; Katrin Keller (Hrsg.), Gynäkokratie. Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: zeitenblicke 8, 2009, Nr.2, URL: http://www.zeitenblicke.de/2009/2/ (04.03.2011); Franca Varallo (Ed.), In assenza del Re. Le reggenti dal XIV al XVII secolo (Piemonte ed Europa). (Biblioteca dell’ Archivum Romanum, 354.) Florenz 2008; darin insbes. den Beitrag von Robert C. J. M. M. d’A. Oresko, Princesses in Power and European Dynasticism: Marie-Christine of France and Navarre and Maria Giovanna Battista of Savoy-Genevois-Nemour, the Last Regents of the House of Savoy in their International Context, 393–434; zu den französischen Regentinnen und Regenten auch Catherine Crawford, Perilous Performances. Gender and Regency in Early Modern France. Cambridge, Mass.u. a. 2004.

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Erbrecht einen so hohen Rang, dass ihm um (fast) jeden Preis Geltung verschafft werden musste. Da war es prinzipiell gleichgültig, ob nur wenige Jahre bis zur Volljährigkeit überbrückt werden mussten oder ob der Thronfolger beim Tod seines Vorgängers noch in den Windeln lag oder im Extremfall noch nicht einmal geboren war. 4 Es musste also eine Zwischenregierung eingerichtet werden, welche im Namen des minderjährigen Fürsten die Geschäfte führte und Sorge trug, dass ihm sein Erbe unversehrt erhalten blieb. Eine solche Zwischenregierung oder Regentschaft konnte unterschiedlich aussehen. Es konnte mehrköpfige Regentschaftsräte geben oder einen einzigen Regenten bzw. eine einzige Regentin. Welche Lösung gefunden wurde, hing von mehreren Voraussetzungen ab: Möglicherweise gab es hausrechtliche Normen, oder der verstorbene Fürst hatte testamentarisch eine Regelung getroffen. Im Heiligen Römischen Reich spielten auch das Reichs(lehns)recht und die Verfügungsgewalt des kaiserlichen Oberlehnsherrn eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nicht selten beanspruchten auch die Stände Mitsprache bei der Einrichtung der Regentschaft. Nicht zuletzt aber kam es darauf an, wer im Ernstfall seine Ansprüche auf die Regentschaft tatsächlich durchsetzen konnte. Meistens wurden nahe Verwandte des minderjährigen Fürsten zur Regentschaft berufen. Hierfür kamen grundsätzlich auch Männer infrage, die prinzipiell alle Anforderungen an einen regierenden Fürsten selbst erfüllen konnten – und womöglich, wenn es den minderjährigen Thronerben nicht gegeben hätte, selbst auf den Thron gelangt wären. Und hier lag ein zentrales Problem: Konnte man sicher sein, dass ein solcher Regent nicht seine eigenen Interessen verfolgte? Selbst wenn man nicht von dem Extremfall einer Beseitigung des Kindkönigs ausging, bestand stets die Gefahr, dass ein männlicher Regent auf Kosten des nominellen Throninhabers die Interessen des eigenen Familienzweigs begünstigte. 5 Demgegenüber hatte die Fürstinmutter keine eigenen Thronansprüche, sondern

4 Ein Beispiel für einen beim Tode des Vaters noch ungeborenen Thronerben ist der Sohn Kaiser Albrechts II. Ladislaus Postumus (1440–1457). 5 Bezeichnenderweise ernannte Ludwig XIV. zwar seinen Neffen Philipp von Orléans als nächsten (legitimen) Verwandten zum Regenten für seinen Urenkel Ludwig XV., bemühte sich aber, dessen Kompetenzen zu beschneiden. Allerdings gelang es Herzog Philipp nach dem Tod des alten Königs, diese restriktiven Verfügungen durch das Pariser Parlement für ungültig erklären zu lassen. Vgl. Alexandre Dupilet, La régence absolue. Philippe d’Orléans et la polysynodie (1715–1718). Seyssel 2011, 79–122; Crawford, Performances (wie Anm.3), 137–176.

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ihr Interesse bestand darin, dass das eigene Kind die Nachfolge unbeeinträchtigt antrat. Auch aufgrund der ihr zugesprochenen fürsorglichen Gefühle wurde allgemein die Mutter als ‚natürliche‘ Regentin betrachtet 6, denn von ihr konnten eher als von männlichen Verwandten unbedingte Loyalität gegenüber dem nominellen Herrscher und die reibungslose Übergabe der Regierungsgewalt in dessen Hände erwartet werden, wenn der Zeitpunkt gekommen war – allerdings entsprach die Realität diesem Ideal nicht immer, wie noch zu zeigen sein wird. Schließlich galten Fürstinnen aufgrund ihrer Herkunft prinzipiell durchaus als zur Herrschaft befähigt, wenn auch in geringerem Maße als ihre männlichen Standesgenossen. Im Vergleich mit der Regierung eines Fürsten, der kraft eigenen Erbrechts herrschte, war die Position einer Regentin (ebenso wie die eines Regenten) in verschiedener Hinsicht de jure schwächer. Sie war nicht Inhaberin der Souveränität, sondern übte eine Statthalterschaft aus, bis der eigentliche Landesherr in der Lage sei, selbst die Regierungsgewalt zu übernehmen. Von daher besaß sie nur eine abgeleitete Legitimität. Anders als bei einem lebenslänglich herrschenden Erbmonarchen war überdies das voraussichtliche Ende ihrer Regierung absehbar. Damit bestand die Gefahr, dass eine Regentin gegen Ende ihrer Amtszeit einen Autoritätsverlust erlitt, zumal wenn sich abzeichnete, dass der junge Fürst einen anderen Regierungskurs verfolgen würde als seine Vormünderin. Zudem war es unabdingbar, die alleinige Kontrolle über den minderjährigen Fürsten als den eigentlichen Souverän zu behaupten. Denn andernfalls konnte es geschehen, dass konkurrierende Herrschaftsträger die Autorität der Regentin untergruben. Gerade weil eine Regentschaft eine Art Statthalterschaft war, konnte leicht der Vorwurf erhoben werden, die Regentin komme der Verpflichtung nicht nach, das anvertraute Gut unversehrt zu bewahren. Bei der Fürstinmutter lag dieser Vorwurf oft geradezu in der Luft, wenn sie von Geburt Ausländerin war. Derartige Verdächtigungen gab es etwa im Fall Annas von Österreich, da Frankreich während ihrer gesamten Regentschaft (1643–1651) im Krieg mit ihrem Heimatland Spanien stand. Kriege waren auch deswegen heikel für eine Regentin, weil sie nicht selbst in den Kampf ziehen konnte, sondern militärische Macht in jedem Fall delegieren musste, ohne sich der Loyalität der Heerführer immer sicher sein zu können – so wie

6 Vgl. Fanny Cosandey, De la loi salique à la régence, le parcours singulier du pouvoir des reines, in: Varallo (Ed.), In assenza (wie Anm.3), 183–197, hier 193, die allerdings die Beeinträchtigungen der Handlungsspielräume der Regentin meines Erachtens unterbewertet.

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dies Anna von Österreich mit dem „großen Condé“ erleben musste. 7 Daher lag es für eine Regentin nahe, keine außenpolitischen Abenteuer zu suchen und auch innenpolitische Konflikte nach Möglichkeit zu umgehen. Zugleich musste sie aber den Eindruck von Schwäche vermeiden, um potentielle Gegner nicht zu ermutigen.

II. Maria de’ Medici, Regentin von Frankreich Kaum eine Regentin und ihre Selbstdarstellung dürfte bekannter sein als die Marias de’ Medici – zum einen wegen des dramatischen Verlaufs ihrer Regentschaft, die mit ihrer gewaltsamen Entmachtung durch ihren Sohn endete 8, zum anderen, weil sie ihre Regierung durch einen der bedeutendsten Künstler ihrer Zeit, Peter Paul Rubens, in Szene setzen ließ. Die 21 großformatigen Bilder, die ursprünglich für ihren Witwensitz, das Palais du Luxembourg, gemalt wurden und heute im Louvre hängen, halten Stationen des Lebens und der Regentschaft Marias de’ Medici fest. Sie stammen aus den Jahren zwischen 1622 und 1625, einer Zeit, als Maria von ihrem Sohn Ludwig XIII. aus der Regentschaft gedrängt worden war, sich unterdessen aber mit ihm versöhnt hatte und erneut einen beherrschenden Einfluss am französischen Hof anstrebte. 9 Der Rubens-Zyklus stellt einen besonders ausgefeilten Ver7 Vgl. Christian Kühner, Hochadlige Außenverflechtung zwischen Fürstendienst und Hochverrat. Der Grand Condé als europaweit tätiger Akteur, in: Hillard von Thiessen/Christian Windler (Hrsg.), Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. (Externa, 1.) Köln/ Weimar/Wien 2010, 63–77. Es gab aber auch sehr erfolgreiche Kriegsherrinnen unter den Regentinnen, wie etwa ihre Zeitgenossin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel, die in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges und in den Westfälischen Friedensverhandlungen beachtliche Erfolge für ihr Territorium zu erzielen vermochte. Vgl. Fritz Wolff, Die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf dem Westfälischen Friedenskongress 1648, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 49, 1999, 111–125. – Und bekanntlich endete letztlich auch der Krieg gegen ihren Bruder Philipp IV., den Anna von Österreich von ihrem Mann „geerbt“ hatte, 1659 im Pyrenäenfrieden mit einem Sieg Frankreichs. 8 Vgl. im Überblick Crawford, Performances (wie Anm.3), 59–97. 9 Ein Teil der Vorskizzen findet sich in der Münchner Alten Pinakothek. Zum Medici-Zyklus vgl. Jacques Thuillier, La Galerie de Marie de Médicis: Peinture, poétique et politique, in: Mina Gregori (Ed.), Rubens e Firenze. Florenz 1983, 249–266; Ronald Forsyth Millen/Robert Erich Wolf, Heroic Deeds and Mystic Figures. A New Reading of Rubens’ „Life of Maria de’ Medici“. Princeton, N. J. 1989, 3–21; Matthias Waschek, Le cycle Médicis comme discours panégyrique, in: Françoise Graziani/Francesco Solinas (Eds.), Le „siècle“ de Marie de Médicis. Actes du séminaire de la Chaire Rhétorique et Société en Europe (XVIe–XVIIe siècles) du Collège de France sous la direction de Marc Fumaroli de l’Académie française. Alessandria 2003, 125–136; Jacques Fourcart, La double chance de Rubens. Peintre d’une reine et peinture d’une galerie, in: Paola Bassani Pacht

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such dar, die Regentschaft Marias nachträglich zu legitimieren, zu verherrlichen und zugleich das Zerwürfnis mit ihrem Sohn so umzuinterpretieren, dass es ihrer erneuten Partizipation an der Regierung nicht im Wege stand. Im Folgenden sollen einzelne Bilder herausgegriffen und diese in Beziehung zu ausgewählten anderen Bild- und Textquellen gestellt werden, denn die Repräsentation Marias erschöpfte sich nicht in diesem Zyklus und anderen ‚Spitzenprodukten‘, sondern schloss leicht zu vervielfältigende und zu distribuierende Kleinformate wie Kupferstiche und Münzen sowie die Musik und die darstellenden Künste mit ein. 10 Ein zentrales Anliegen der Selbstdarstellung Marias de’ Medici war die Betonung der Legitimität ihrer Regentschaft: Nicht nur ihre Krönung in Saint-Denis ist in dem Rubens-Zyklus festgehalten, sondern auch die Übertragung der Regentschaft durch ihren Gemahl Heinrich IV., unmittelbar vor seiner Ermordung durch den katholischen Fanatiker Ravaillac, und, zusammen mit der Apotheose Heinrichs, die Übernahme der Regentschaft. Durch die großformatige Darstellung der Krönung in Saint-Denis, der Grablege der französischen Könige, in Anwesenheit des Königs, des Dauphins und der Eliten des Reichs wurde – der Lex Salica zum Trotz – Maria de’ Medici durch einen sakralen Akt in die herrschende Dynastie aufgenommen und in besonderer Weise zur Übernahme der Regentschaft legitimiert 11, die ihr vom König ausdrücklich übertragen wurde. 12 Dass die Regentschaft sich eigentlich nur auf die Zeit der Abwesenheit Heinrichs während seines geplanten Feldzugs an den Niederrhein beziehen sollte, wird nicht thematisiert. Bei der Übernahme der Regentschaft erscheint Maria de’ Medici als ruhender Pol, als trauernde Witwe, die es keineswegs zur Regentschaft drängt, welche ihr aber von Göttern und Heroen angetragen wird. Die Großen des Reichs suchen Zuflucht an ihrem Thron, und die Personifikation Frankreichs übergibt ihr den Reichsapfel als Zeichen der Herrschaft. Neben der Rolle der Königinwitwe wird auch die der Königinmutter in Szene gesetzt, denn der junge

u.a. (Eds.), Marie de Médicis. Un gouvernement par les arts. Paris 2003, 224–248; Geraldine Anne Johnson, Pictures fit for a Queen. Peter Paul Rubens and the Marie de’ Medici Cycle, in: Norma Broude (Ed.), Reclaiming Female Agency. Feminist Art History after Postmodernism. Berkeley, Cal. 2005, 447–469. 10 Vgl. Sara Mamone, Firenze e Parigi – due capitali dello spettacolo per una regina. Maria de’ Medici. Cinisello Balsamo 1987, 171–192; Bassani Pacht u .a. (Eds.), Marie de Médicis (wie Anm.9). 11 Vgl. Forsyth Millen/Wolf, Deeds (wie Anm.9), 107–120. 12 Vgl. ebd.96–106; Barbara Gaethgens, Macht-Wechsel oder die Übergabe der Regentschaft, in: Bettina Baumgärtel/Silvia Neysters (Bearb.), Die Galerie der starken Frauen. Die Heldin in der französischen und italienischen Kunst des 17.Jahrhunderts. (Ausstellungskatalog.) München 1995, 64–78, bes. 71–74.

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Ludwig XIII. erscheint sowohl bei der Krönungsszene als auch bei der Übergabe der Regentschaft. Aus dieser doppelten Beziehung zum alten und zum neuen König schöpfte die Regentschaft Marias ihre Legitimation, wobei in den genannten Bildern des Rubens-Zyklus die Nachfolge Heinrichs noch stärker betont wird. Als ein weiteres Bild des Rubens-Zyklus, das den Beginn und die Legitimität der Regentschaft thematisiert, kann der Rat der olympischen Götter betrachtet werden. Hier wird die Regentschaft Marias als gottgewollt dargestellt und als Fortsetzung der Regierungsgrundsätze Heinrichs IV. 13 Der enge Bezug zum verstorbenen Gemahl war insbesondere in den ersten Jahren der Regentschaft wichtig, als Maria de’ Medici sich mehrfach als Artemisia inszenieren ließ, jene Königin von Halikarnassos, die nach dem Tod ihres Brudergemahls Mausolos aus Liebe dessen in Wasser aufgelöste Asche getrunken haben soll, um ihm ein lebendes Grab zu sein. 14 Konkretisiert wurde der Anspruch, die Politik Heinrichs IV. fortzusetzen, im Rubens-Zyklus durch das Gemälde, das Maria als Eroberin Jülichs (1610) hoch zu Ross, wenngleich im Damensitz, im Gewand einer Amazone darstellt. 15 Damit wurde nicht nur die Fortsetzung der Politik Heinrichs IV. im jülich-klevischen Erbfolgestreit reklamiert, sondern die Regentin, soweit für eine Frau möglich, in die Tradition der „heroischen Monarchie“ gestellt. Auch eine Herrscherin musste bei Bedarf wehrhaft sein. Kennzeichnend für die Regentschaft Marias war aber ihre Friedenspolitik, insbesondere die Bemühungen um einen Ausgleich mit Spanien, der in der habsburgischbourbonischen Doppelhochzeit Ludwigs XIII. und ihrer ältesten Tochter Elisabeth mit der Infantin Anna und dem Infanten Philipp (IV.) von Spanien seinen Höhepunkt und sichtbarsten Ausdruck fand. Der Rubens-Zyklus hält den Austausch der Bräute fest. 16 Der spanisch-französische Ausgleich spielte eine herausragende Rolle in der Repräsentation Marias de’ Medici. 17 So wurde auch in einem Gemälde von Valerio Marucelli, das ursprünglich im Thronsaal des Palais du Luxembourg hing, der

13

Vgl. Forsyth Millen/Wolf, Deeds (wie Anm.9), 138–154.

14

Vgl. Yann Rodier, Marie de Médicis et les représentations symboliques d’une reine de paix ou le „faire

voir, faire croire“ de la régence (1610–1617), in: Europa Moderna 2, 2011, 63–88, hier 64f. Weiter ArtemisiaDarstellungen in Baumgärtel/Neysters (Hrsg.), Galerie (wie Anm.12), 206–209. 15

222

Vgl. Forsyth Millen/Wolf, Deeds (wie Anm.9), 155–159.

16

Vgl. ebd.160–163.

17

Vgl. Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 70–72.

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Austausch der königlichen Bräute am Grenzfluss Bidassoa festgehalten. 18 Mehrfach wurde die spanisch-französische Aussöhnung als gottgewolltes Werk verherrlicht. 19 Eine Übersteigerung des Anspruchs Marias nicht nur als Friedensstifterin, sondern sogar als Beherrscherin Frankreichs und Spaniens bedeutet ein Kupferstich François de la Portes von 1616. 20 Ein weiteres Gemälde des Rubens-Zyklus stellt die Segnungen der Regentschaft Marias de’ Medici dar: Die Königin ist als Justitia, königliche Auctoritas oder Astraea 21 dargestellt, sitzt „in Majestate“ auf dem Thron und nimmt mit dem durch Waage und Main de Justice verkörperten höchstrichterlichen Amt eine der königlichen Aufgaben par excellence wahr. Damit beansprucht sie eine königsgleiche Stellung, die durch den Globus, auf dem ihre Hand ruht, unterstrichen wird. Die Ausübung der Justiz durch Maria wird auch in anderen Darstellungen, wie einem Stich von Thomas de Leu aus den Anfängen der Regentschaft, thematisiert. 22 In dem Rubens-Gemälde steht ihr Minerva zur Seite; Früchte und Blumen symbolisieren die Wohlfahrt Frankreichs. 23 Ähnliche Wohltaten werden häufig auch den Regierungen männlicher Fürsten zugesprochen, aber in der Repräsentation von Fürstinnen im Allgemeinen und Marias de’ Medici im Besonderen waren Frieden, Ruhe und Wohlstand insgesamt doch wichtiger. Das kommt auch in der Wahl der antiken Göttinnen zum Ausdruck, mit denen sie sich identifizieren ließ. Neben der dominierenden, im Rubens-Zyklus wie ein Alter Ego Marias erscheinenden Weisheitsgöttin Minerva spielen die Muttergöttinnen Juno und Kybele eine bedeutende Rolle. Letztere boten sich nicht nur aus naheliegenden Gründen an, um das Verhältnis der Kö18 Vgl. Marie-Noëlle Baudouin-Matuszek, Du Palais du Louvre au Palais du Luxembourg, in: dies. (Ed.), Marie de Médicis et le Palais du Luxembourg. Paris 1991, 171–223, hier 214; Elisabeth Oy-Marra, Repräsentation als Selbstbehauptung: Das dynastische Selbstverständnis der Maria de’ Medici am Beispiel der Ausstattung ihres Audienzzimmers im Palais du Luxembourg, in: zeitenblicke 8, Nr.2, [30.06.2009], URL: http:// www.zeitenblicke.de/2009/2/oy-marra/index_html, URN: urn:nbn:de:0009–9-19697 (17.10.2011). 19 Jean Le Clerc, Mariage du Roy Très-Chrestien Louys XIII avec M. Anne d’Autriche et de M. Philippe d’Espagne avec M. Elisabeth de France, 1612. O. O. 1615. Vgl. Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 72 mit Abb.9 und 10. 20 Vgl. Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 74, 87. 21 So Bettina Baumgärtel, Zum Bilderstreit um die Frau im 17.Jahrhundert. Inszenierungen französischer Regentinnen, in: Querelles 2, 1997, 147–182, hier 155. 22 Vgl. Bassani Pacht u.a. (Eds.), Marie de Médicis (wie Anm.9), 224f. Zur Bedeutung des Sitzens „in Majestate“ vgl. Barbara Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches. München 2008, 55–64. Vgl. auch Baumgärtel, Bilderstreit (wie Anm.21), 154f. 23 Vgl. Forsyth Millen/Wolf, Deeds (wie Anm.9), S.164–168.

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niginmutter zu ihrem Sohn widerzuspiegeln, sondern konnten auch die Landesmutter repräsentieren, der Frankreich seine Wohlfahrt verdankte. Pallas-Minerva aber war nicht nur die Weisheitsgöttin und die Patronin von Künsten und Wissenschaft, sondern auch eine Kriegsgöttin und konnte zugleich als „Minerva Custos“, als Schutzgöttin von Sohn und Reich, figurieren. 24 Die Mutterrolle Marias de’ Medici wurde immer wieder thematisiert, so in dem Kupferstich „La régence de la Royne et son prudent gouvernement du Roy et enfants de France“ (1613). Einerseits ist hier die Bedeutung der Regentin gegenüber dem Kindkönig deutlich hervorgehoben – sie sitzt als einzige, und zwar unter einem Baldachin. Zugleich aber wird durch die anwesenden Minister und Adligen verdeutlicht, dass sie die Regentschaft in Harmonie mit den Großen Frankreichs führte 25 – ein besonderes Anliegen insofern, als dieser Konsens, wie die zahlreichen Rebellionen von Hochadligen zeigen, eben nicht bestand. 26 Nicht ausführlich behandelt werden im Rubens-Zyklus die Frömmigkeit und die Wohltätigkeit Marias, die zum traditionellen Aufgabenfeld einer Fürstin – nicht nur einer Regentin – gehörten und die in der Repräsentation Marias durchaus eine Rolle spielten. 27 Gerade die Frömmigkeit Marias taucht als Seitenthema ihrer Repräsentation immer wieder auf, beispielsweise in Kupferstichen, die die spanisch-französische Doppelhochzeit als gottgewolltes Werk verherrlichen. 28 Ein Gemälde des Rubens-Zyklus interpretiert die offizielle Übergabe der Herrschaft an Ludwig XIII. 1614, als er mit 14 Jahren nach den Gesetzen des Königreichs das regierungsfähige Alter erreichte. In dem Gemälde hält Ludwig XIII. zwar das Steuer des französischen Staatsschiffs in der Hand, blickt aber vertrauensvoll auf seine Mutter, die in der Tat 1614 gar nicht daran dachte, die Leitung der Regierung aus

24

Vgl. ebd.passim; Mamone, Firenze (wie Anm.10), 171–192; Bassani Pacht u.a. (Eds.), Marie de Médicis

(wie Anm.9), 164f., 248–250, 253 u.ö.; und bes. Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 65–70, mit Abb.1– 8. Auch Anspielungen auf Venus finden sich, so im Zusammenhang mit der Organisation von Ritterspielen zu Ehren des ermordeten Heinrich IV.-Adonis auf der Place Royale 1612. Vgl. Marzia Cerrai, I giochi dell’epica e i giochi della corte. L’„Adone“ di Marino e le feste di Maria de’ Medici, in: Varallo (Ed.), In assenza (wie Anm 3), 269–279. 25

Abbildung: Bassani Pacht u.a. (Ed.), Marie de Médicis (wie Anm.9), 227.

26

Vgl. Klaus Malettke, Die Bourbonen. Bd.1: Von Heinrich IV. bis Ludwig XIV. 1589–1715. Stuttgart 2008,

69–71. 27

Vgl. Jean-François Dubost, Reine, régente, reine mère, in: Bassani Pacht u.a. (Eds.), Marie de Médicis (wie

Anm.9), 100–157, hier 140–145; Nicolas Sainte-Fare Garnot, L’action caritative, in : ebd.158–169. 28

224

Le Clerc, Mariage (wie Anm.19). Vgl. Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 72 mit Abb.9 und 10.

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der Hand zu geben, sondern den Vorsitz im Staatsrat behielt. Hier wird das Ideal einer harmonischen, gemeinsamen Regierung von Mutter und Sohn propagiert – wie es Maria de’ Medici in den 1620er Jahren vorschwebte. Als Lenkerin des Staatsschiffs ließ sich Maria de’ Medici unter Anspielung auf die Argonautensage mehrfach darstellen. 29 1617 entmachtete Ludwig XIII. nicht nur seine Mutter, sondern ließ auch ihren Favoriten Concino Concini ermorden und dessen Frau Eleonora Galigai, Hofdame und Ziehschwester Marias, zum Tode verurteilen und hinrichten. Dass diese Ereignisse im Rubens-Zyklus nicht ausdrücklich thematisiert wurden, versteht sich von selbst. Vielmehr war für Maria de’ Medici wichtig zu betonen, dass sie ihrem Sohn eine loyale Statthalterin gewesen sei, und die Verantwortung für das Zerwürfnis von sich zu weisen. Ausdrückliche Kritik am König verbot sich dagegen. Gelöst wurde dieses Problem in der folgenden Weise: In den Gemälden, die den Konflikt zwischen Mutter und Sohn behandeln, erscheinen die beiden niemals als direkte Gegner. Ludwig XIII. taucht erst wieder in den Bildern auf, die die Versöhnung von Mutter und Sohn zum Gegenstand haben. Das erste dieser Bilder, das 1622 in einer Liste unter der Bezeichnung „Die vollständige Aussöhnung mit dem Sohn nach dem Tod des Konnetables“ auftaucht, wälzt ziemlich unverblümt alle Schuld für das Zerwürfnis auf den 1621 verstorbenen Favoriten des Königs, Charles d’Albert, Herzog de Luynes, ab 30, und „Die Zeit enthüllt die Wahrheit“ macht deutlich, dass es bloße Verleumdungen gewesen seien, die Sohn und Mutter entfremdet hätten. 31 Am Ende des Rubens-Zyklus stand ein Porträt der Königin als triumphierende Minerva (Minerva victrix), mit einer Statuette der Victoria in der einen Hand und in der anderen das Zepter Frankreichs führend. Jüngere kunsthistorische Forschungen sprechen dafür, dass die traditionelle Interpretation als Bellona unzutreffend ist, die auch angesichts der beherrschenden Rolle, die das Friedensthema in dem Zyklus spielt, kaum zu überzeugen vermag. 32 Dass Maria auf diesem, wohlgemerkt in den 1620er Jahren ausgeführten Gemälde das Zepter hält, bezeugt einmal mehr ihren

29 Vgl. Forsyth Millen/Wolf, Deeds (wie Anm.9), 169–173; Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 77–80. In der Interpretation, dass sich Maria de’ Medici durch diese Darstellungen von der Königin zum König aufgeschwungen habe, vermag ich Rodier allerdings nicht zu folgen. 30 Vgl. Forsyth Millen/Wolf, Deeds (wie Anm.9), 205–219. 31 Vgl. ebd.220–223. 32 Vgl. ebd.224–232. Dafür, dass Bellona in der Repräsentation Marias de’ Medici eine wichtige Rolle gespielt habe, plädiert dagegen Rodier, Marie de Médicis (wie Anm.14), 75–77.

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ausgeprägten Machtanspruch. Bekanntlich versuchte sie in den 1620er Jahren erneut, diesen Anspruch in die Realität umzusetzen, und geriet darüber in Konflikt mit ihrem ehemaligen Protégé Kardinal de Richelieu – ein Konflikt, der am berühmten „Tag der Düpierten“ mit ihrer endgültigen Entmachtung und in letzter Konsequenz mit ihrem Tod im Kölner Exil endete (1642). 33

III. Cristina di Francia, die erste „Madama Reale“, Regentin von Savoyen Die zweitälteste Tochter Marias de’ Medici Marie Christine de France (1606– 1663) 34, in Italien bekannt als Cristina di Francia, wurde 1619 mit dreizehn Jahren in Paris dem savoyischen Thronfolger Vittorio Amedeo angetraut. Als ihr Mann 1637 starb, beanspruchte sie die Regentschaft zunächst für ihren ältesten überlebenden Sohn Francesco Giacinto, nach dessen Tod (1638) sodann für ihren letzten Sohn Carlo Emanuele II. Angefochten wurde ihre Regentschaft von den beiden Brüdern ihres Mannes, Maurizio und Tommaso di Savoia, den nächsten Anwärtern auf die Thronfolge. 1638 kam es zu einem vierjährigen Bürgerkrieg, der Cristina zeitweise zwang, mit ihren Kindern die Hauptstadt Turin zu verlassen und über die Alpen zu flüchten. Der Familienstreit hatte auch eine außenpolitische Komponente: Seit den Verträgen von Cherasco und der erzwungenen Abtretung der in bedrohlicher Nähe Turins gelegenen Festung Pinerolo (1631) stand Savoyen unter starkem französischen Einfluss. Somit war der Vorwurf, die Regentin liefere das Land den Interessen Frank-

33

Vgl. Malettke, Die Bourbonen (wie Anm.26), Bd. 1, 116–121.

34

Zum Leben und zur Regentschaft Cristinas vgl. neben dem veralteten, aber monumentalen und wegen

seiner Detailfülle immer noch nützlichen Standardwerk von Gaudenzio Claretta, Storia della reggenza di Cristina di Francia duchessa di Savoia. 3 Vols. Turin 1868–1869, Giulia Datta de Albertis, Cristina di Francia. Madama Reale. Turin 1943; Giuliana Brugnelli Biraghi/Maria Bianca Denoyé Pollone, Chrestienne di Francia, Duchessa di Savoia, Prima Madama Reale. Cavallermaggiore 1991; Renata Stoisa Comoglio, La prima Madama Reale. La vita di Cristina di Francia duchessa di Savoia e regina di Cipro 1606–1663. Turin 2003; Simonetta Ronco, Madama Cristina. Cristina di Borbone, duchessa di Savoia. Turin 2005; Varallo (Ed.), In assenza (wie Anm.3), darin insbes. die Beiträge zur Historiographiegeschichte von Claudio Rosso, Le due Cristine: Madama Reale fra agiografia e leggenda nera, 367–392, und Alessia Porpiglia, L’immagine storiografica di Cristina di Francia dall’Ottocento ad oggi, 559–579. Eine im strengen Sinne wissenschaftliche, moderne Biographie Cristinas ist aber immer noch ein Desiderat.

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reichs aus, schnell bei der Hand. Tatsächlich wurde Cristina in dem Bürgerkrieg von den Truppen ihres Bruders Ludwig XIII. unterstützt, während ihre Schwäger, Söhne der spanischen Infantin Catalina Micaela, die Hilfe des katholischen Königs suchten. 35 Es gab aber für Cristina Grenzen bei der Anlehnung an ihr Heimatland: Der bei einem Treffen in Grenoble von Ludwig XIII. und Richelieu erhobenen Forderung, Frankreich die Festung Mommegliano zu übergeben und den jungen Herzog am französischen Hof erziehen zu lassen, widersetzte sie sich entschieden. Entgelten musste dies ihr Favorit Filippo d’Aglié, der 1640 auf Weisung Richelieus von französischen Truppen gefangen genommen wurde. 36 Dennoch: Nicht zuletzt dank der französischen Hilfe setzte sich Cristina gegen ihre Schwäger durch. 1642 schloss sie mit ihnen Frieden, der durch die Ehe Maurizios mit ihrer ältesten Tochter Ludovica Cristina besiegelt wurde. Von nun an behauptete Cristina die Regentschaft unangefochten und behielt über die Volljährigkeit Carlo Emanueles II. (1648) hinaus bis zu ihrem Tod am 27.Dezember 1663 die Zügel der Regierung in der Hand, ohne dass ihr Sohn dagegen aufbegehrt hätte. Weitaus mehr als ihre Mutter, die immerhin offiziell durch ihren Mann mit der Regentschaft betraut worden war, hatte Cristina mit der zweifelhaften Legitimität ihrer Regentschaft zu kämpfen. Es existierte im strengen Sinne kein Testament, das sie zur alleinigen Regentin berufen hätte, lediglich eine in ihrer Authentizität umstrittene Willensäußerung des agonierenden Herzogs. Gravierender als die bei plötzlichen Todesfällen immer wieder auftretenden Vergiftungsgerüchte waren die offenbar frühzeitig kursierenden Vermutungen, die Kinder Cristinas seien nicht vom Herzog gezeugt worden. Besonders heikel wurde dieser Vorwurf, als nach dem Tod Francesco Giacintos dessen Bruder Carlo Emanuele nachfolgte, denn dieser wurde von bösen Stimmen zum Sohn des Favoriten Filippo d’Aglié erklärt. 37

35 Ihre französische Herkunft und die Anlehnung an ihr Heimatland wurden Madama Reale durch die nationalistische Historiographie des 19.Jahrhunderts angekreidet. Kennzeichnend etwa das Urteil von Amedeo Peyron, Notizie di servire alla storia della reggenza di Cristina di Francia Duchessa di Savoia, in: Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino, Serie II: Scienze morali storiche e filologiche 24, 1868, 1–145, hier 100: „la reggenza di Cristina fu un ignobile vassallaggio verso Francia“. Beeinträchtigt wurde das Ansehen Cristinas auch dadurch, dass 1831 mit Carlo Alberto von Savoyen-Carignan die Nachfahren eben des von ihr bekämpften Prinzen Tommaso zur Regierung in Savoyen-Sardinien und später in Italien gelangten. 36 Zeitweise favorisierte Frankreich nach der Aussöhnung mit den Prinzen sogar Tommaso von Savoyen-Carignan. Vgl. Mercedes Viale Ferrero, Feste delle Madame Reali di Savoia. Turin 1965, 17f. 37 Vgl. Rosso, Cristine (wie Anm.34), 380–386, ausgehend von der allerdings auf 1667 datierten „Relation

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Nicht nur in den fragilen Anfängen ihrer Regentschaft suchte Cristina eine besondere Autorität aus ihrer Herkunft abzuleiten. Anders als ihre Mutter entstammte sie einer königlichen Dynastie, und so kam ihr eine nicht unwichtige Rolle in den Bestrebungen zu, dem Haus Savoyen eine königsgleiche Stellung zu sichern – seit 1632 führte ihr Mann den Titel eines Königs von Zypern. 38 Sie nannte sich Königin von Zypern und beharrte auf der Anrede „Madama Reale“, wohl auch, um mit ihren Schwestern, den Königinnen von Spanien und England, gleichzuziehen. Dementsprechend prachtvoll war ihre Hofhaltung, und sie gestaltete den bisher von Spanien beeinflussten Turiner Hof nachhaltig nach französischem Vorbild um. 39 Virtuos nutzte sie alle Möglichkeiten der Repräsentation, die ihr aus ihrer Heimat vertraut waren. 40 Wie bei Maria de’ Medici spielte vor allem am Anfang der Regentschaft, aber auch später noch das Artemisia-Motiv eine wichtige Rolle. 41 So ist bekannt, dass es in ihrer „Camera di parata“ im Palazzo Madama einen Zyklus zum Leben der Königin Artemisia gab. 42 Ebenso betonte Cristina von Anfang an ihre Herkunft und ihre Stel-

de la Cour de Savoye, ou les amours de Madame Royale“. Rosso erörtert die Frage, ob man von einer allgemeinen Unbeliebtheit Madama Reales ausgehen müsse, und führt hierfür weitere Zeugnisse an (387, 390). Vgl. auch Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 15f. Auch Oresko, Princesses (wie Anm.3), 405, geht zumindest davon aus, dass Aglié schon zu Lebzeiten Vittorio Amedeos I. der Liebhaber Cristinas gewesen sei. 38 Vgl. hierzu Robert Oresko, The House of Savoy in Search for a Royal Crown in the Seventeenth Century, in: ders./G. C. Gibbs/Hamish M. Scott (Eds.), Royal and Republican Sovereignty in Early Modern Europe. Essays in Memory of Ragnhild Hatton. Cambridge 1997, 272–350. 39

Vgl. Daniela Frigo, L’affermazione della sovranità: famiglia e corte dei Savoia tra Cinque e Settecento,

in: Cesare Mozzarelli (Ed.), „Famiglia“ del principe e famiglia aristocratica. Rom 1988, 277–332, hier 301– 303. 40

Zahlreiche Angaben zur Förderung und Belohnung von ihr ergebenen Künstlern, aber auch zur Be-

strafung von Parteigängern ihrer Gegner finden sich in Alessandro Baudi di Vesme, L’arte negli stati sabaudi ai tempi di Carlo Emanuele I, di Vittorio Amedeo I e della reggenza di Cristina di Francia. (Atti della Società Piemontese di Archeologia e Belle Arti, 14/1.) Mailand/Rom 1932, z.B. 65–71 (zu Isidoro Bianchi), 81 (zu Vittorio Bombarchi), 92–95 (zu Pellegrino Brocardo). 41

Beispielsweise ließ sich Cristina in einer Trauerinschrift als „nova Artemisia“ bezeichnen. Vgl. Clelia

Arnaldi di Balme/Franca Varallo (Eds.), Feste barocche. Cerimonie e spettacoli alla corte dei Savoia tra Cinque e Settecento. (Ausstellungskatalog.) Cinisella Balsamon 2009, 88–90. 42

Aufgrund der späteren Umgestaltungen sind im Palazzo Madama, dem alten Kastell und bevorzugten

Wohnsitz Cristinas di Francia in Turin, kaum Reste der von ihr in Auftrag gegebenen Ausstattung und Dekoration erhalten. Einiges aber ist aus erhaltenen schriftlichen Zeugnissen oder Abbildungen zu rekonstruieren. Siehe Valeriano Castiglione, La regina Cristina di Svezia a Torino nel 1656. A cura di Maria Luisa Doglio. Alessandria 2010, 47. Zum Palazzo Madama und den Baumaßnahmen Cristinas vgl. Luigi Mallé, Palazzo Madama in Torino. Vol.1: Storia bi millenaria di un edificio. Turin 1970, 103–127.

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lung, wenn sie sich bald nach der Übernahme der Regentschaft „in Majestate“ unter einem Baldachin auf dem Thron sitzend und in einem Gewand mit den französischen Lilien porträtieren ließ. 43 Wie ihre Mutter ließ Cristina di Francia auch zahlreiche Medaillen mit Doppelporträts mit ihrem Sohn anfertigen. Anders als Maria de’ Medici erschien sie jedoch an vorderer Stelle und rückte ihren Sohn damit auch optisch in den Hintergrund. 44 Die meisten erhaltenen Zeugnisse der Repräsentation Cristinas stammen aus der Zeit nach dem Bürgerkrieg, als ihre Handlungsspielräume auch in dieser Beziehung gewachsen waren. Es lassen sich in der Repräsentation Madama Reales viele Parallelen zu der ihrer Mutter erkennen: Eintracht, Weisheit und Gerechtigkeit spielen eine prominente Rolle. Gerade die Einheit und den wiederhergestellten Frieden in der Dynastie galt es nach den Wirren des Bürgerkriegs zu betonen. Besonders aussagekräftig ist ein allegorischer Triumphbogen, der Cristina in Witwentracht mit dem kleinen Herzog im Zentrum zeigt, ihr zur Seite die beiden bis vor kurzem gegnerischen Schwäger und in den Seitenbögen zu Pferde die beiden Vorgängerherzöge Carlo Emanuele I. und Vittorio Amedeo I., Schwiegervater und Ehemann Cristinas. Nicht nur die Darstellung ließ keinen Zweifel an ihrer beherrschenden Stellung, sondern auch die Inschrift betonte die Bedeutung der „magna mater“, die in eine zentrale Position innerhalb des Herrscherhauses gerückt war. 45 Eine, wenn man so will, weibliche Besonderheit in der Repräsentation Madama Reales war die Blumensprache, die zumal in ihrem vor den Toren Turins gelegenen Landsitz Valentino dominierte. Nicht nur die französische Lilie als Hinweis auf die königliche Herkunft Cristinas war omnipräsent. Im Schlafzimmer der Herzogin fand man die Rose als Symbol des Königreichs Zypern, und Madama Reale selbst ließ sich als Flora darstellen, eine Anspielung wiederum auf ihre Herkunft, zugleich aber auf die Blüte des Landes unter ihrer Regentschaft. 46 In der Repräsentation Madama Reales kam Frömmigkeit und Religion eine hervorragende Bedeutung zu. Besonders enge Beziehungen unterhielt sie zu den Unbe-

43 Vgl. Arnaldi di Balme/Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41), 86. 44 Siehe Abb.1 bei Oresko, Princesses (wie Anm.3), mit den dazugehörigen Erläuterungen. 45 Vgl. Arnaldi di Balme/Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41), 93f. S.auch den Triumphbogen anlässlich des Einzugs Cristinas und der Prinzessin Ludovica in Cuneo 1643, ebd.92f. Vertreten ist aber auch die Personifikation Frankreichs als Hinweis auf die vornehme Abstammung der Regentin. 46 Vgl. Andreina Griseri, Il diamante. La Villa di Madame Reale Cristina di Francia. Turin 1988; Stoisa Comoglio, Madama Reale (wie Anm.34), 114f.

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schuhten Karmelitinnen, deren Turiner Konvent sie 1650 gegründet hatte und in deren Habit sie sich auch beisetzen ließ. 47 Außerdem ließ sie sich mehrfach als Heilige Theresia von Avila, die diesem Orden angehörte, abbilden, ferner als Heilige Katharina von Siena und Heilige Christine. 48 Dieser Akzent auf der religiösen Komponente der Repräsentation war nicht exklusiv weiblich, bediente aber doch die besonderen Erwartungen an eine Fürstin. In der Repräsentation der Herzogin spielten die höfischen Feste eine bedeutende Rolle, die, weniger kostspielig als große Bauwerke, doch geeignet waren, den Ruhm der Regentin über Savoyen und Italien hinaus zu verbreiten. Cristina hatte aus ihrer Heimat das höfische Ballett mitgebracht, und mit Ausnahme der ersten Regentschaftsjahre, als sich Feiern angesichts der Hoftrauer verboten, fanden alljährlich an Cristinas Geburtstag (10.Februar), der praktischerweise meist in die Hochphase des Karnevals fiel, aufwändige Aufführungen statt – und zwar schon ab 1640, mitten im Bürgerkrieg also. 49 Konzipiert wurden die Ballette zumeist vom Favoriten Filippo d’Aglié. 50 Besonders deutlich wurde das Lob Cristinas und des durch sie wiederhergestellten Friedens 1644 im Ballett „La Fenice ritrovata“ gesungen, denn sie war jener Phönix, der sich aus der Asche des Unfriedens erhob und der Welt und den Menschen neues Glück brachte. 51 1645, als der Geburtstag Cristinas im Schloss von Rivoli gefeiert wurde, fand das 47

Vgl. Castiglione, Cristina di Svezia (wie Anm.41), 54.

48

Vgl. Baudi di Vesme, L’arte (wie Anm.40), 516–518 (bezogen auf die durch Filiberto Torretta, genannt

Narciso, angefertigten Porträts). 49

Vgl. Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36); Griseri, Diamante (wie Anm.46), 267–291; Clelia Arnaldi di

Balme, Le feste di corte a Torino tra spazi reali e itinerari simbolici, in: dies./Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41) 27–40, hier 27. Eine chronologische Auflistung der Aufführungen ebd.173–175. Gedruckte Libretti oder Festberichte scheint es allerdings zu den Geburtstagsaufführungen nicht gegeben zu haben. Die Texte sind nur handschriftlich überliefert. Vgl. Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36) 36. 50

Nur in einem Fall machte Aglié seine Urheberschaft öffentlich, nämlich bei dem Ballett „Il Gridelino“,

in dem die Lieblingsfarbe der Herzogin („gris de lis“) auf galante Weise verherrlicht wurde (1653). Vgl. Arnaldi di Balme/Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41), 103f.; Brugnelli Biraghi/Denoyé Pollone, Chrestienne (wie Anm.34), 160–162; Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 28–33, 50f., Tafel XIV. 51

Auch der kleine Herzog Carlo Emanuele hatte als aufgehende Sonne („sole nascente“) seinen Auftritt.

Vgl. Brugnelli Biraghi/Denoyé Pollone, Chrestienne (wie Anm.34), 125f.; Arnaldi di Balle/Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41), 95. Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 40–42, hält zwar das galante Element bei dieser Aufführung für wichtiger als die Verherrlichung der Dynastie; schon mit Blick auf die genannten Elemente ist dieser Aspekt jedoch nicht zu vernachlässigen. Siehe auch ebd.Tafel III–IV. Hier auch eine Angabe zu den Kosten: 3870,19 Lire, eine von Viale Ferrero als „respektabel“ eingestufte Summe, die aber deutlich unter den Beträgen für die folgenden Turiner Aufführungen gelegen habe.

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Themenbankett „Dono del Re del Alpi a Madama Reale“ statt – der König der Alpen war selbstverständlich Carlo Emanuele II.: Er legte seiner Mutter als Dank für ihre weise Regentschaft symbolisch seine Herrschaftsgebiete zu Füßen. Im Falle Savoyens wurde die Cristina zu verdankende Erhaltung des Landes für kundige Augen besonders nachdrücklich zur Geltung gebracht, denn das Herzogtum wurde nicht etwa durch seine Hauptstadt Chambéry repräsentiert, sondern durch Mommeglia, eben jene Festung, die Cristina an Frankreich abzutreten sich geweigert hatte. 52 Wie gesagt, behielt Cristina über die Volljährigkeit ihres Sohnes die Zügel der Regierung in der Hand, sodass sie weiterhin als eine dem Herzog mindestens gleichgewichtige, zweite Spitze des Turiner Hofes figurierte 53 und immer noch in der Repräsentation des Herrscherhauses eine bedeutende Rolle spielte. Die aufwändigen Feiern anlässlich ihres Geburtstags wurden fortgesetzt. Noch 1657 wurde in dem Ballett „La Primavera trionfante“ die immerhin 51jährige Herzoginmutter als Bild des ewigen Frühlings („immagine di eterna primavera“) verherrlicht. 54 In jenen späten Jahren gewann in der Repräsentation Madama Reales das Amazonenelement auffällig an Bedeutung. Sie ließ sich von Charles Dauphin zweimal zu Pferd malen, einmal als Minerva und einmal als Amazone 55, und im Karneval 1659 kam das Karussell „Les Amazones“ zur Aufführung. Dabei handelte es sich um eine Travestie – die Amazonen wurden von Männern dargestellt –, aber die sich natürlich auf Cristina beziehende Schlussaussage, dass es Frauen gebe, welche es verdienten, den Männern zu befehlen, unterstrich deren Herrschaftsanspruch mit Nachdruck. 56 Das Motto Cristinas lautete „Plus de fermeté que d’éclat“, verbunden mit dem Sinnbild des Diamanten. 57 Im Jahr 1659 veröffentlichte der Turiner Ex-Jesuit, Literat

52 Zum „Dono del Re del Alpi“ vgl. Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 43, Tafel V–VI; Brugnelli Biraghi/ Denoyé Pollone, Chrestienne (wie Anm.34), 126f. 53 Als solche erscheint sie auch bei Castiglione, Cristina di Svezia (wie Anm.41), 22, 27 u.ö. 54 Vgl. Arnaldi di Balle/Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41), 106; Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 54, Tafel XVII–XIX.

55 Vgl. Enrico Castelnuovo (Ed.), La reggia di Venaria e i Savoia. Arte, magnificenza e storia di una corte europea. Ausstellungskatalog. 2 Vols. Turin u.a. 2007, hier Vol.2: Catalogo, 113f., 116. 56 Vgl. Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 53f. Weitere Porträts adliger Frauen bei Baumgärtel/Neysters (Bearb.), Galerie (wie Anm.12), 112f. (Anne Marie Louise d‘Orléans und Olympia Mancini). Diese Porträts stammen etwa aus derselben Zeit wie die Amazonendarstellung Madama Reales. Die Zunahme des Amazonenelements bei Madama Reale könnte also auch im Zeitgeschmack begründet liegen. 57 Vgl. Viale Ferrero, Feste (wie Anm.36), 17.

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und Historiker Emanuele Tesauro 58 einen Panegirico academico über das Motto der Herzoginmutter. 59 Und auch hier wird Cristina überwiegend mit männlichen Eigenschaften gezeichnet. Ihr, der „Palade Alpina“, wird mehrfach eine, so wörtlich, „Virtù Heroica“ zuerkannt 60, und sie wird ausdrücklich als Virago charakterisiert. 61 Zurückgeführt wird ihre außerordentliche „fortezza“ auf ihre Abstammung vom Haus Bourbon und insbesondere von Heinrich IV. Bemerkenswert ist der Angriff, den Tesauro gegen das Salische Recht führt, das gegen das Naturrecht die „Viragini“ von der Erbfolge ausgeschlossen habe, obwohl sie doch der königlichen Tugenden durchaus teilhaft seien. 62 In der Folge referiert Tesauro das Leben und die Regentschaft Christinas, wobei er stets ihre Tugenden, insbesondere die dem Diamanten gleiche Festigkeit, betont. Auf ihre Weiblichkeit wird zumal in ihrer Eigenschaft als Witwe, Mutter und Regentin Bezug genommen: Sie habe zwar nicht wie Artemisia die Asche ihres Gemahls getrunken, aber seinen Geist im Herzen bewahrt, so dass die glücklichen Mündel Mutter und Vater in ihr gefunden hätten. Ihre Regentschaft wird als treu und großzügig charakterisiert. 63 Auch den Tod des Sohnes Francesco Giacinto habe sie heldenhaft erduldet: Sie habe zwar geweint, aber so wie die leidenden Helden bei Homer. 64 Sie habe zugleich zwei Persönlichkeiten in sich vereint: die männliche der großherzigen Vormünderin und die weibliche der zärtlichsten Mutter. 65 Unter den 58 Zu Emanuele Tesauro, seinen Panegirici und seinen Beziehungen zum Prinzen Tommaso vgl. Valeria Merola, Emanuele Tesauro e il principe Tommaso. Il panegirico „L’Heroe“, in: Elisabetta Menetti/Carlo Varotti (Eds.), La letteratura e la storia. Atti del IX Congresso Nazionale dell’ADI, Bologna/Rimini 21–24 settembre 2005. Bologna 2007, Vol.1, 613–626. 59 Emanuele Tesauro, Il Diamante. Panegirico academico […] sopra la divisa della Regale Altezza di Madama Cristina di Francia, Duchessa di Savoia, Reina di Cipri, in: ders., Panegirici dedicati alla Regale Altezza di Madama Cristina di Francia, Duchessa di Savoia, Reina di Cipri, Gloria del nostro Secolo. Turin 1659, 1– 126. 60 Ebd.7. Später oft im Plural. 61 „[…] questa gran Viragine“. Ebd.14. 62 „Multipicossi questa Virtù heroica nelle belliciosa linea di Borbone, di cui anco le Donne con ferocia virile nelle turbulenze del Regno chiaramente mostrarono che intra loro l’Heroica Virtù non serba la legge Salica: onde fece gran torto al dritto di Natura il dritto delle Genti escludendo dalla succession del regno quelle Viragini, che dalle Regali Virtù non sono escluse“. Ebd.15. 63 „Non bevè come la Reina di Caria le ceneri del Marito, ma ne ritenne in petto lo Spirito, […] e’ fortunati Pupilli trovarono nella Madre ancora il Padre.“ – „una fedele & generosa Reggenza“. Ebd.49. 64 „[…] pianse come gli Héroi dolenti apresso Homero, che senza ribella alla Virtù pagan tributo alla Natura“. Ebd.58. 65 „[…] egli è ben vero, che sicom’ella sosteneva ad un tempo duo personaggi diversi; l’un Virile di magnanima Tutrice; l’altro Feminile di tenerissima Madre“. Ebd.68.

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Mauern von Turin habe Cristina das ganze spanische Reich zum Einsturz gebracht. 66 Nach dem biographischen Überblick fasst Tesauro die Eigenschaften der „alpinen Amazone“ zusammen 67, nachdem er einige ihrer Vorlieben und Leistungen, wie die Jagd und die Förderung der Karmelitinnen en passant erwähnt hat: Sie besitze die königlichen Tugenden („Regie Virtù“) der Frömmigkeit, politischen Klugheit, Gerechtigkeit und Milde, Treue sowie Großzügigkeit. 68 Als eine besondere Leistung betrachtet er auch die heroische Erziehung der Nachkommen („heroica education della prole“), denn Cristina könne sich nicht nur rühmen, dem Prinzen ein Königreich bewahrt zu haben, sondern, noch mehr, einen Prinzen zur Herrschaft erzogen zu haben. 69 – Kurz: Sie vereine alle königlichen Tugenden der berühmten Frauen. 70 Noch bei den Trauerfeierlichkeiten nach ihrem Tod am 27.Dezember 1663 wurde die beherrschende Stellung Madama Reales im Herzogshaus deutlich. In dem Bericht über den Doppelkatafalk zu Ehren der alten Herzogin und ihrer wenige Wochen später verstorbenen Schwiegertochter Francesca Maddalena von Orléans dominierte eindeutig Cristina, deren Herrscherqualitäten, moralische Tugenden und Kunstpatronage hervorgehoben wurden. 71 Auch in den Leichenreden in Turin und in der Provinz wurde sie als fromme Fürstin, Schützerin der Künste und Wissenschaften („Pallade della Francia“) und als eine friedliebende Souveränin („sovrana pacifica“) gezeichnet, die den Krieg nur gezwungenermaßen auf sich genommen habe. Auch die einträchtige Doppelherrschaft mit dem Sohn wurde ausdrücklich gelobt. 72 Bis zu ihrem Ende und darüber hinaus wurde also ein Bild Cristinas gezeich66 „[…] crollò CRISTINA sotto à Torino tutta la Monarchia della Spagna“. Ebd.82. Im Zusammenhang mit den Kriegen wird Cristina an einer Stelle mit den Ungarnkönig und Türkenkrieger Matthias Corvinus verglichen. Ebd.76. 67 „[…] nostra Amazone Alpina“. Ebd.93–95 (Zitat 93). 68 Ebd.100–117. 69 „Ben può dunque meritamente vantar CRISTINA, dell’haver conservato un Regno al Principe; ma l’è maggior gloria l’haver educato un Principe al Regno“. Ebd.118. 70 Ebd.3. „Anzi come il finissimo Diamante oscura i men fini, così tutte le Regie Virtù delle Donne Illustri sino à qui celebrate, à petto à quelle di CRISTINA saranno per auanti eclissato dentro il Silentio.“ Vgl. auch die Zusammenfassung ihrer guten Eigenschaften ebd.123–125. 71 Vgl. Arnaldi di Balle/Varallo (Eds.), Feste (wie Anm.41), 110f. 72 Vgl. Rosso, Cristine (wie Anm.34), 372–379. Auch in zwei Berichten über ihren Tod wurde die Frömmigkeit Cristinas, ferner ihre Großzügigkeit gegenüber ihren „familiari“ hervorgehoben, was aber auch mit den Verfassern, einem Jesuiten und einem Höfling, zusammenhing. Vgl. Lorenzo Gilardi, La morte di Cristina di Francia in due brevi memorie inedite, in: Studie piemontesi 29, 1999, 207–217.

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net, das sie als Muster einer Fürstin präsentierte, die nicht nur ihre ‚normalen‘ Aufgaben erfüllt, sondern sich im Bedarfsfall wehrhaft wie ein Mann erwiesen habe.

IV. Schluss Der Beitrag hat zu zeigen versucht, wie zwei Regentinnen des 17.Jahrhunderts den besonderen Herausforderungen an die Repräsentation weiblicher, befristeter und nicht selten in Frage gestellter Herrschaft zu begegnen suchten. Von den eingesetzten Medien und der Art ihrer Nutzung her zeigten sie sich dabei auf der Höhe ihrer Zeit. Von den Inhalten her ergaben sich jedoch Schwerpunkte, die sich von der Repräsentation männlicher, kraft eigenen Rechts regierender Fürsten zumindest tendenziell unterschieden: Eine zentrale Rolle spielte die Legitimität der Regentschaft. Es empfahl sich, die eigene Person und die eigene Herrschaft in eine größtmögliche Nähe zu dem verstorbenen Fürsten zu rücken, wie dies besonders in dem Artemisia-Mythos deutlich wurde. Ebenso wichtig war es, die enge Beziehung zu dem Kindkönig zu betonen. Auch bei besonders machtbewussten Fürstinnen wie den beiden in diesem Beitrag vorgestellten dominierten ‚weibliche‘ Eigenschaften die Repräsentation: Sie ließen sich als friedliebend und nach der Eintracht strebend, weise, mütterlich und fromm darstellen und griffen dazu unter anderem auf die antike Göttinnenwelt und Mythologie, aber natürlich auch auf christliche Elemente zurück. Zugleich bestand aber die Notwendigkeit, die eigene Wehrhaftigkeit und Berufung zum Herrscheramt in Szene zu setzen. Denn es gab zwar namhafte Befürworter weiblicher Herrschaft, wie Mario Equicola 73 und Torquato Tasso 74 oder die erstmals 1647 in Paris erschienene und häufig wiederaufgelegte „Galerie des femmes fortes“ des Pierre Le Moyne. Insgesamt dominierten in der Querelle des Femmes nicht zuletzt dank des starken Einflusses Bodins im 17.Jahrhundert aber die kritischen Stimmen. 75 Eine Strategie, diesem grundlegenden Zweifel an der Legitimität der eigenen Herrschaft zu begegnen, war es, sich in die Tradition von Frauen zu stellen, die erfolgreich

73

De mulieribus. O. O. o.J.

74

Discorso della virtù feminile e donnesca. Vendig 1582.

75

Vgl. Elisabetta Graziosi, Dame, principesse, sovrane. Modelli e prescrizioni dal Cinque al Settecento, in:

Varallo (Ed.), In assenza (wie Anm.3), 537–558.

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‚männliche‘ Aufgabenfelder besetzt hatten. Besonders bot sich hier Pallas-Minerva als Urbild einer Göttin an, die weiblich konnotierte Eigenschaften mit einer geradezu ‚männlichen‘ Wehrhaftigkeit vereinte. 76 Diese Adaption männlicher Eigenschaften konnte jedoch nur eine Komponente der Repräsentation einer Fürstin sein. In erster Linie hatte sie die Erwartungen an eine Witwe und Mutter zu bedienen, da sich nur aus diesen Rollen ihre Berechtigung zur Herrschaft ableitete. 77

76 Andere Heldinnen, die weder Göttinnen noch Königinnen waren, deren Tugend nicht über jeden Zweifel erhaben war oder denen womöglich ein widerständiges Potential eignete, kamen für die Repräsentation einer Regentin weniger in Betracht. Zum Spektrum der „starken Frauen“ vgl. Baumgärtel/Neysters (Bearb.), Galerie (wie Anm.12), bes. 224–348. 77 Vgl. Baumgärtel, Bilderstreit (wie Anm.21), 153. Anders als Baumgärtel sehe ich im Rückgriff auf Amazonen und Pallas-Minerva aber doch die Aneignung männlicher Eigenschaften als eine, aber eben sekundäre Komponente der Repräsentation von Regentinnen.

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Fürstliche Reiterstandbilder in Europa (16.–19.Jahrhundert) von Volker Hunecke

I. Protagonist der folgenden Ausführungen ist die freistehende, lebensgroße bzw. die häufiger überlebensgroße eherne Reiterstatue noch lebender oder unlängst verstorbener souveräner Fürsten der Neuzeit, deren Archetyp der kapitolinische Marc Aurel in Rom bildet. Der Brauch, Personen dadurch zu erhöhen, dass man sie zu Pferd darstellt, ist seit ältesten Zeiten in vielen Kulturen anzutreffen; doch ging die Griechen und Römern vertraute Technik, Reiter und Ross (über-)lebensgroß im Bronzehohlguss abzubilden, mit dem Römischen Reich unter und wurde erst im Italien der Frührenaissance wiederentdeckt. Wer durch Europa reisend seinen Blick überhaupt auf die vielerorts anzutreffenden Reiterstandbilder lenkt, wird – neben den in vielerlei Gestalt und Stoff dargestellten Heiligen Georg und Martin – in den meisten Fällen auf dem Rücken des Pferdes einen Herrscher oder Feldherrn erblicken. Seinen Ursprung hat das moderne Reiterdenkmal indes nicht in dem Europa der Monarchien, sondern in den Stadtrepubliken Ober- und Mittelitaliens, in denen, beginnend mit dem 13./14.Jahrhundert, die Sitte aufkam, verdiente Beamte, insbesondere die von den Kommunen besoldeten Militärunternehmer, durch ein Reiterbild zu ehren – meist im Zusammenhang mit ihrem Grab. Diese Gedächtnis- und Ehrenbilder waren zunächst gewöhnlich in Stein oder Marmor gehauen, in Holz geschnitzt oder gar nur gemalt. Indes genügten mit der Zeit weder den Auftraggebern noch den Künstlern diese Materialien, und im Zuge der Wiedererweckung des Altertums wagten es dann Bildhauer, Reiterstatuen nach dem Vorbild des Marc Aurel zu formen und zu gießen. Die ersten, die um die Mitte des Quattrocento diesen kühnen Schritt taten, waren allesamt Florentiner Künstler: Donatello, der in Padua mit dem Denkmal des in venezianischen Diensten stehenden Kondottiere Gattamelata die Inkunabel der neuzeitlichen Reiterstatue schuf, sowie Antonio di Cristoforo und Niccolò Baroncelli, die zur selben Zeit in Ferrara die Reiterstatue des Markgrafen Niccolò III. d’Este gossen, die ihren Platz auf einem hohen Bogen im Herzen der

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10.1515/9783486781076.236

Stadt fand. Eine Inschrift an dem Denkmal rühmt den Markgrafen, dem kriegsgeplagten Italien dreimal den Frieden geschenkt zu haben; dies war ihm vergönnt, weil er zeit seiner langen Herrschaft (1393–1441) unentwegt auch militärisch-diplomatisch aktiv und mehrfach Oberbefehlshaber (Capitano generale) der Heere auswärtiger Mächte gewesen war. Die ihm von seinem Sohn und Nachfolger Leonello gestiftete Reiterstatue galt also dem Feldherrn und klugen Politiker, der sein von mächtigen Nachbarn stets bedrängtes kleines Staatsschiff heil durch alle widrigen Klippen gesteuert, ihm die Unabhängigkeit bewahrt und so den Grund für die kulturelle Blüte Ferraras im weiteren Verlauf des 15. und im 16.Jahrhundert gelegt hat. Hätten nicht von antimonarchischem Furor beseelte Vandalen sich 1796 an dem markgräflichen Reiterdenkmal vergriffen und es niedergestürzt, besäßen wir in ihm das früheste, und für lange Zeit einzige, fürstliche des modernen Europa. 1 Derweilen fehlte es nicht an Bestrebungen, den in Ferrara und Padua aufgepflanzten ehernen Reitern weitere hinzuzufügen. Doch nur in einem einzigen Fall war diese Absicht von Erfolg gekrönt – in Gestalt der Reiterstatue, die der Florentiner Andrea del Verrocchio für Bartolomeo Colleoni, einen weiteren venezianischen Kondottiere, schuf und die 1496 auf dem Campo Santi Giovanni e Paolo in Venedig enthüllt wurde. Der naheliegende Gedanke, nicht bloß Feldherrn, sondern auch Fürsten durch ein derartiges Denkmal zu ehren, war der Zeit durchaus nicht fremd, fand aber außerhalb Ferraras zunächst keine Verwirklichung. Dem zwanzigjährigen Bemühen zweier anderer Florentiner Künstler, Leonardo da Vinci und Antonio del Pollaiuolo, dem Mailänder Herzog Francesco Sforza ein Reiterdenkmal von gigantischen Ausmaßen zu setzen, bereiteten die Wirren der 1494 ausbrechenden Italienischen Kriege ein Ende; gleichfalls diesem Ereignis fielen analoge Pläne für den Ferrareser Herzog Ercole I. (ein Sohn des Markgrafen Niccolò), für seinen Mantuaner Kollegen Francesco Gonzaga sowie für die Kondottieren Gentil Virginio Orsini und Gian Giacomo Trivulzio zum Opfer. Für des letzteren Grabmal hatte man sich erneut an Leonardo da Vinci gewandt, der in einem ersten Entwurf, genauso wie einst für das Sforza-Grabmal, den Reiter auf einem steigenden Pferd darzustellen gedachte. Auch wenn diese Absicht sowohl an den widrigen politischen Verhältnissen

1 Charles M. Rosenberg, The Este Monuments and Urban Development in Renaissance Ferrara. Cambridge 1997; Volker Hunecke, Europäische Reitermonumente. Ein Ritt durch die Geschichte Europas von Dante bis Napoleon. Paderborn 2008, Kap. II; Raphael Beuing, Reiterbilder der Frührenaissance. Monument und Memoria. Münster 2010, 133ff.

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wie an künstlerischen Bedenken und technischen Schwierigkeiten scheiterte, hatte Leonardo damit die Gestaltungsmöglichkeiten des Reitermonuments um eine wichtige Alternative erweitert. Der wie der Kaiser Mark Aurel auf schreitendem oder trabendem Pferd dargestellte Herrscher blieb zwar auch in Zukunft der Normaltypus des auf größtmögliche Majestät bedachten fürstlichen Reiterdenkmals, doch daneben sollte in späterer Zeit das schon der Antike vertraute, durch Darstellungen auf Münzen und Basreliefs überlieferte Denkmal des Fürsten auf steigendem oder springendem Pferd eine zwar nur selten gewählte, ästhetisch aber höchst anspruchsvolle Variante bilden. 2 Im Cinquecento mehrten sich die Pläne, den großen Herrschern der Zeit eine eherne Reiterstatue zu setzen, führten aber in keinem Fall zu einem erfolgreichen Ende. In ihren Anfängen blieben derartige Pläne für Kaiser Maximilian sowie für seinen Enkel Karl V. stecken, wohingegen zu dem Denkmal für Karls französischen Gegenspieler Franz I. um 1530 immerhin das Pferd gegossen wurde (durch den Florentiner Bildhauer Giovanni Francesco Rustici); genauso weit sollte eine Generation später die Reiterstatue für Franzens Sohn gedeihen, die dessen Witwe Katharina de’ Medici für ihren im Zweikampf tödlich verunglückten Gatten Heinrich II. sich von Michelangelo erhoffte (der die Ausführung des Auftrags allerdings seinem Schüler Daniele da Volterra überließ). Die beiden reiterlosen Bronzepferde sollten nach vielen Jahren des Vergessens wieder auftauchen und das eine einen Konnetabel von Frankreich und das andere den französischen König Ludwig XIII. tragen. 3 So endete das 16.Jahrhundert, ohne dass einem einzigen europäischen König die Ehre einer Reiterstatue à la Marc Aurel zuteil geworden wäre.

2 Dietrich Erben, Bartolomeo Colleoni. Die künstlerische Repräsentation eines Condottiere im Quattrocento. Sigmaringen 1996; Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), Kap. II–III; Walter Liedtke, The Royal Horse and Rider. Painting, Sculpture and Horsemanship 1500–1800. New York 1989. 3 Dietrich Erben, Die Krise des Reiterdenkmals und das Wachstum der Staatsgewalt im 16.Jahrhundert, in: Joachim Poeschke u.a. (Hrsg.), Praemium virtutis III. Reiterstandbilder von der Antike bis zum Klassizismus. Münster 2008, 269–292; Claudia Echinger-Maurach, Michelangelos und Daniele da Volterras Reiterdenkmal für König Heinrich II. von Frankreich, in: ebd.235–267; Martina Minning, Giovan Francesco Rustici (1475–1554). Untersuchungen zu Leben und Werk des Florentiner Bildhauers. Münster 2010, Kap. XIV.

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II. Das erste fürstliche Reitermonument der Neuzeit hervorzubringen, war kein anderer Ort mehr prädestiniert als Florenz – sowohl durch sein künstlerisches Potential wie politisch. In der Stadt, von der seit über einem Jahrhundert alle wichtigen Impulse zur Schaffung eherner Reiterstatuen ausgegangen waren, wirkte seit der Mitte des 16.Jahrhunderts Giambologna, Hofbildhauer der Medici und führender Bronzebildner seiner Zeit, der bereits 1563 von sich aus den Gedanken, eine derartige Statue zu gießen, vorgebracht hatte. Dass man ihm ein so anspruchsvolles Werk zutraute, lehrt die französische Königin-Witwe Katharina de’ Medici, die wenige Zeit später den Künstler bedrängte, das unvollendet gebliebene Reitermonument für ihren toten Gatten zu vollenden; Herzog Cosimo I. lehnte es jedoch ab, ihn für eine solche Arbeit freizugeben, um ihn statt dessen für sich selbst arbeiten zu lassen. Mit dieser auch in späteren Jahren hin und wieder aufgegriffenen Absicht ernst zu machen, war Cosimos jüngerem Sohn und zweiten Nachfolger Ferdinando vorbehalten, der unmittelbar nach seiner Thronbesteigung im Oktober 1587 dem aus Flandern gebürtigen, doch seit einem Menschenalter italianisierten Giambologna den Auftrag erteilte, für seinen Vater eine Reiterstatue zu gießen, „die in allen drei Dimensionen um das Drittel einer Elle größer sein sollte als der Marc Aurel in Rom.“ 4 Auslöser für diesen seit geraumer Zeit in der Luft liegenden Plan war wohl die Absicht des Sohns, durch die Stiftung eines solchen Denkmals Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seiner Thronfolge entgegenzuwirken. Über diesen kontingenten Anlass hinaus gab es eine tiefe innere Berechtigung, gerade Cosimo, seit 1569 Großherzog der Toskana, mit einem an das Denkmal des römischen Kaisers anknüpfenden Monument zu ehren. Denn er, der mit bloß achtzehn Jahren zum Herzog von Florenz Erhobene war es, der während seiner langen Regierungszeit (1537–1574) den im Innern aufgewühlten, seit Generationen zwischen republikanischen und monarchischen Velleitäten oszillierenden Florentiner Stadtstaat in den territorial arrondierten, im Innern und nach außen dauerhaft gefestigten toskanischen Regionalstaat transformiert hat – in den frühesten frühmodernen Staat Europas überhaupt. Die von Cosimo begründete herzogliche Linie des Hauses Medici etablierte sich unter ihm als eine der führenden Dynastien Europas und er, der ‚neue Fürst‘, bildete die vollkommenste Verkörpe-

4 Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), 153.

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rung des von Jean Bodin damals in der Staatstheorie entworfenen absoluten Fürsten. Um den Untertanen einen solchen Herrscher, seine Autorität, Verdienste und Tugenden, plastisch und dauerhaft vor Augen zu führen, und um den Anspruch der Medici auf einen Platz unter den ersten Fürstenhäusern Europas zu manifestieren, war kaum ein sinnfälligeres Mittel denkbar als die Ehrung durch eine Reiterstatue all’antica. Der Reiter von Giambolognas 1594 enthülltem Denkmal (Abb.1) ist die personifizierte Majestät schlechthin und der ihm beigegebene mächtige bastone symbolisiert seine doppelte Befehlsgewalt als oberster Kriegsherr wie als Regent seines Landes. Den Sockel unter dem Pferd schmücken drei gleichfalls eherne Basreliefs, die herausragende Etappen von Cosimos Karriere zum Inhalt haben: seine Wahl zum Herzog, die Eroberung der Republik Siena (wodurch sich das Florentiner Herrschaftsgebiet um mindestens ein Drittel vergrößerte) sowie die gegen Ende und als Krönung seiner Herrschaft erfolgte Erhebung zum Großherzog durch den Papst. Wem die Erstgeburt unter den Reitermonumenten absolutistischer Fürsten zu verdanken ist, besagt die Inschrift an der Stirnseite des Denkmalsockels: „Cosimo de’ Medici, dem ersten Großherzog der Toskana, dem frommen, glücksgesegneten, unbesiegten, gerechten, milden, dem Urheber heiliger Ritterschaft und des Friedens in der Toskana, dem Vater und besten Fürsten errichtete [dieses Denkmal] sein Sohn Ferdinando der dritte Großherzog im Jahre 1594“. 5 Von diesem Moment an kam es für mehr als zwei Jahrhunderte einem Pleonasmus gleich, von einem fürstlichen Reitermonument zu sprechen, da dessen eherne Version bis weit in das 19.Jahrhundert so gut wie ausschließlich souveränen Fürsten vorbehalten blieb. 6 Großherzog Ferdinando, der Stifter des ersten fürstlichen Reitermonuments, wurde, kaum dass dieses enthüllt war, zum Stifter eines zweiten, seines eigenen, das 1608, im Jahr vor seinem Tod, gleichfalls im Herzen von Florenz aufgerichtet wurde. Ferdinando war überdies Initiator und Geburtshelfer eines dritten und vierten derartigen Denkmals. Das eine, für Heinrich IV. von Frankreich, fand

5 Ulrich Keller, Reitermonumente absolutistischer Fürsten. Staatstheoretische Voraussetzungen und politische Funktionen. München/Zürich 1971, 1–21; Dietrich Erben, Die Reiterdenkmäler der Medici in Florenz und ihre politische Bedeutung, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 40, 1996, 287–360; Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), Kap. IV.1. 6 Die, soweit ich sehe, einzige Ausnahme bildet das Denkmal des Konnetabel Henri de Montmorency, der am Ende der Regierungszeit Heinrichs IV. den Bildhauer Hubert Le Sueur beauftragte, das einst für König Franz I. gegossene und seinem Vater Anne de Montmorency geschenkte reiterlose Pferd um seine eigene Reiterfigur zu ergänzen und vor seinem Schloss in Chantilly aufzustellen.

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1614 nach beschwerlicher Reise Aufstellung auf dem Pont-Neuf in Paris, das andere, für den spanischen König Philipp III. bestimmte, drei Jahre später in den königlichen Gärten von Madrid. Mit so üppigen Geschenken beabsichtigten Ferdinando sowie sein Sohn und Nachfolger Cosimo II. diplomatische Allianzen zu befestigen und weckten dadurch den Appetit anderer, gleichfalls in den Besitz einer so kostbaren Statue zu gelangen. Wenn Florenz eine Zeitlang Monopolist in der Fertigung großer eherner Reiterstatuen blieb, lag das daran, dass bei Giambolognas Tod (1608) ein ihm künstlerisch ebenbürtiger und technisch nicht weniger versierter Nachfolger in der Person seines langjährigen Schülers und Gehilfen Pietro Tacca bereitstand, die Werkstatt des Meisters zu übernehmen und dessen Werk fortzusetzen. Tacca hatte bereits an den Sockelreliefs für das Cosimo-Denkmal und an demjenigen für Ferdinando mitgewirkt und erklärte sich nach Giambolognas Tod bereit, die beiden noch unfertigen Reiterstatuen für Heinrich IV. und Philipp III. zu vollenden. Seine Meisterschaft in dieser Kunst sprach sich überall in Europa herum, so dass an Großherzog Cosimo II. die Bitte herangetragen wurde, seinen Hofbildhauer gleichfalls Reiterstatuen für Herzog Carlo Emanuele von Savoyen sowie den englischen König gießen zu lassen, wofür ihn sein Arbeitgeber jedoch nicht freigab. 7 Als aber 1634 der Hof von Madrid, der mächtigste seiner Zeit, in Florenz nachsuchte, Tacca eine Reiterstatue König Philipps IV. fertigen zu lassen, mochte man dort aus politischen Rücksichten diesen Wunsch nicht ablehnen und eröffnete dadurch in der Gestaltung von Reiterstatuen ein neues Kapitel. Auch das neue Pferd sollte, wie Tacca zunächst plante, sich ebenso wie die vier vorausgegangenen im Schritt oder leichten Trab bewegen, in seiner Gangart also dem kanonischen Vorbild des antiken Marc Aurel folgen. Der Bildhauer hatte ein Jahr später bereits das große Modell mit einem Pferd im Schritt („di passeggio“) so weit vollendet, dass es Zeit war, in Madrid ein Bildnis des Königs anzufordern, um danach den Kopf des Reiters zu formen, als er durch einen an ihn gerichteten Brief von Olivares, dem Ersten Minister des Königs, belehrt wurde, dass dieser kein schreitendes Pferd wünsche, sondern ein galoppierendes, springendes, kurbettierendes: „sopra tutto li ricordi che il Cavallo stia in atto di galoppare, e che si alzi tanto da terra

7 Franca Falletti (Ed.), Pietro Tacca. Carrara, la Toscana, le grandi corti europei. (Ausstellungskatalog.) Carrara 2007.

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Abb.1: Giambologna, Großherzog Cosimo I. de’ Medici, 1594; Florenz, Piazza della Signoria, Foto Markus Hilbig, TU Berlin.

con piedi, che apparisca piuttosto che salti, e faccia corvette.“ 8 Olivares, der seit Jahren den Plan verfolgte, Spanien zu seiner vormaligen Höhe unter Philipp II. zurück-

8 Olivares an Tacca, 20.September 1636, zit. nach Carl Justi, Die Reiterstatue Philipps IV. in Madrid von Pietro Tacca, in: Zeitschrift für Bildende Kunst 18, 1883, 305–315 u. 387–400, hier 315.

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zuführen, ließ kein Mittel unversucht, seinen König und dessen Hof groß, mächtig und glänzend erscheinen zu lassen. Eines der vielen diesem Ziel dienenden Mittel war die in rasender Eile erfolgte Errichtung eines weitläufigen, überaus prächtig ausgestatteten Palastes, des Buen Retiro, in dessen Gärten die Reiterstatue des Königs in der Pose des siegesgewissen Herausforderers aller inneren und äußeren Gegner Platz finden sollte. Diese politische Botschaft schien dem Minister am besten in einem Denkmal des Königs auf steigendem Pferd zum Ausdruck zu kommen, und in dem nunmehr sechzigjährigen Tacca fand er den Künstler, der in wenigen Jahren dieser Vision den adäquaten skulpturalen Ausdruck zu geben verstand (Abb.2). 9 Taccas revolutionäre Statue, die 1642, zwei Jahre nach dem Tod ihres Schöpfers, im Buen Retiro-Park Aufstellung fand, steht in einem vielfältigen Kontext. Zunächst ist sie in Konkurrenz zu sehen zu den Reiterstandbildern, die gleichzeitig auch die leitenden Minister der Könige von Frankreich und England ihren Herren errichteten: Richelieu für Ludwig XIII. auf der Pariser Place Royale (seit der Revolution Place des Vosges) und der Kanzler Richard Weston für Karl I. im eigenen Park bei London. Mit der jeweils zweiten Reiterstatue für einen König von Spanien und von Frankreich sowie einer ersten für einen englischen König (der sich in gehörigem Abstand zwei für seinen Sohn und Nachfolger Karl II. anschließen sollten) war ein wichtiger Schritt getan, mit einer Reiterstatue nicht nur den jeweils dargestellten Fürsten zu ehren, sondern zugleich die Dynastie, der er angehörte. Am offensichtlichsten liegt dieser Umstand zutage für Frankreich, wo der neuen Dynastie der Bourbonen eine ebenso lange Dynastie königlicher Reiterstatuen entsprach, der erst die Revolution ein ebenso abruptes Ende setzte wie ihrem lebenden Repräsentanten. Den drei Reiterstandbildern für die beiden Stuartkönige folgten ein halbes Dutzend für den ersten und einzigen Oranier auf dem englischen Thron und noch viel zahlreichere für die vier Georgen aus dem Haus Hannover – die meisten von ihnen allerdings nicht in Bronze gegossen, sondern in dem einfacher zu formenden und preiswerteren Blei. Dass Reiterdenkmäler zur Dynastiebildung neigten, gilt, obgleich auf den ersten Blick nicht so leicht zu erkennen, auch für Spanien. Für Philipps IV. Sohn Karl II., mit dem der spanische Zweig der Habsburger erlöschen sollte, plante dessen zeitweiliger Günstling Valenzuela eine Reiterstatue „en mobimiento de Corbeta“ 10, die neben der aus dem Buen Retiro-Park dorthin versetzten Statue seines Vaters auf dem 9 Justi, Die Reiterstatue Philipps IV. (wie Anm.8), 305–315 u. 387–400. 10 Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), 188.

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Abb.2: Pietro Tacca, Philipp IV. von Spanien, 1642; Madrid, einst im Park des Buen Retiro, heute auf der Plaza de Oriente, in: Justi, Die Reiterstatue Philipps IV. (wie Anm.8).

Giebel des Alcázar aufgestellt werden sollte. Dieser Plan zerschlug sich mit dem baldigen Sturz des Günstlings, doch Karl II. sollte noch zu Lebzeiten zu einer Reiterstatue kommen – und zwar in Messina, das sich gegen die spanische Krone aufgelehnt hatte. Als Zeichen ihres Sieges über die untreue Stadt ließ sie vor der dortigen Kathe-

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drale ein Reiterdenkmal aufrichten, das den kaum regierungsfähigen König auf kurbettierendem Pferd in stolzer Siegerpose darstellte (es wurde 1848 zerstört). Auch Karls Nachfolger, der Bourbone Philipp V., sollte nicht ohne ein Reiterdenkmal bleiben. Ein erstes für ihn erhob sich bis 1707 für kurze Zeit in der Hauptstadt seines (zeitweiligen) Nebenkönigreichs Neapel. Ihm in seiner eigentlichen Hauptstadt Madrid ein Reiterdenkmal zu setzen, machte sich sein Sohn Karl III. zur Pflicht, der dafür 1778 einen Wettbewerb ausschrieb. Von den fünf eingereichten Modellen hat sich dasjenige des Bildhauers Juan Pascual de Mena erhalten, das mehr als zwei Jahrhunderte später als Modell diente, nicht für Vater Philipp, sondern, indem man den Kopf des einen gegen den des anderen austauschte, für dessen in der Geschichte Spaniens ungleich wichtigeren Sohn Karl III. ein überlebensgroßes Reiterbild in Bronze zu gießen. Aufstellung fand es 1993 auf hohem Piedestal auf der Madrider Puerta del Sol und ist inzwischen weltbekannt, weil zu seinen Füßen sich die jugendlichen Protestierer zu versammeln pflegten, um Arbeit und „Democracia Real Ya!“ zu fordern. 11 Von Karl III., der uns zu gegebener Zeit erneut begegnen wird, noch einmal zurück zu Taccas kurbettierendem Philipp IV. Durch dieses Denkmal fühlte Frankreich sich in der Weise herausgefordert, dass sein leitender Minister, Kardinal Mazarin, für eine Weile erwog, als Zeichen des durch den Pyrenäenfrieden besiegelten Triumphs über Spanien ein Denkmal in Rom zu errichten, auf dessen sich aufbäumendem Pferd Ludwig XIV. in derselben Siegerpose Platz nehmen sollte wie der von ihm überwundene Gegner auf Taccas Pferd. Zwar scheiterte dieser Plan am Einspruch des Papstes, doch die Idee, den fürstlichen Reiter auf kurbettierendem Pferd darzustellen, lebte nicht nur in der Kleinplastik und Malerei fort, sondern auch in der Monumentalplastik: so in Berninis marmorner Reitergruppe Ludwigs XIV., in der Reiterstatue Augusts des Starken in Dresden und in Falconets Ehernem Reiter in Petersburg, der Jacques-Louis David zu dem wohl berühmtesten Reitergemälde aller Zeiten inspirierte – zu seinem Napoleon Bonaparte, der die Alpen überschreitet. So wenig wie die fürstlichen Reiterstatuen des 19.Jahrhunderts insgesamt sind diejenigen unter ihnen zu zählen, deren Reiter die Figur der Courbette ausführt.

11 Lorenzo Pérez de Domingo, El escultor Juan Pascual de Mena en Madrid. Madrid 2007, 102–105 u. 386f.; Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), 188ff.

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III. Mit dem Aufstieg des ludovizianischen Frankreich zur hegemonialen Macht in Europa ging allmählich auch der florentinisch-italienische Primat in der Fabrikation eherner Reiterstatuen auf den Nachbarn im Norden über. Der Schöpfer der Reiterstatue für Karl I. von England (1633), Hubert Le Sueur, war zwar gebürtiger Franzose, hatte aber, wie es scheint, eine Zeitlang in Giambolognas Florentiner Werkstatt gearbeitet und danach in derjenigen des Pierre de Franqueville, als dieser auf dem Pont-Neuf den Sockel für die in Florenz gegossene Statue Heinrichs IV. mit plastischem Schmuck versah. Die Gelegenheit, um seine Kenntnis eherner Reiterstatuen zu vertiefen, bot Le Sueur schließlich der Auftrag, die von dem Florentiner Rustici einst für Franz I. gegossene, doch unvollendet gebliebene Statue um den fehlenden Reiter in Gestalt des Konnetabel Henri de Montmorency zu ergänzen. 12 Diese erste englische Reiterstatue, die den Bürgerkrieg im Verborgenen überlebte und 1675 nahe der Stätte von Karls Hinrichtung bei Charing Cross aufgestellt wurde, ist also bis zu einem gewissen Grad ein Ableger der italienischen ehernen Reiter und Quelle der Inspiration für viele der ihr nachfolgenden in England und Irland. Italienisches Halbblut war, wie schon angedeutet, auch noch Richelieus 1639 eingeweihtes Reitermonument für Ludwig XIII.; doch fortan bedurfte Frankreich (wenn man von dem Sonderfall des Berninischen Ludwig XIV. in Marmor absieht) nicht länger italienischer Unterstützung, um seinen Königen eine eherne Reiterstatue widmen zu können. Mit der von Colbert eingeleiteten staatlichen Kunstförderung wurde Frankreich auf diesem Gebiet nicht nur autark, sondern nunmehr waren es französische Bildhauer, die nach Norden und Osten ausschwärmten, um ferne Residenzen mit dem neuartigen fürstlichen Statussymbol einer Reiterstatue auszustatten. In dieser Absicht begab sich Abraham César Lamoureux nach Kopenhagen, um das Denkmal für Christian V. (in Blei) zu gießen (1688); den Plan seiner Kollegen Bernard Foucquet d. Ä. und Sébastien Le Clerc, in Stockholm ein gleiches für König Karl XI. zu tun, durchkreuzte der Ausbruch des Großen Nordischen Kriegs. Während dieser tobte, mühten sich in Dresden zwei weitere französische Bildhauer, François Coudray und Jean-Joseph Vinache, vergeblich ab, das von jenem heiß ge-

12

Siehe oben Anm.3 und 6 sowie Geneviève Bresc-Bautier, L’activité parisienne d’Hubert Le Sueur sculp-

teur du roi (connu de 1596 à 1658), in: Bulletin de la Société de l’histoire de l’art français 1985, Paris 1987, 35–54.

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wünschte Reiterdenkmal Augusts des Starken zustande zu bringen, was schließlich, nach dem Tod des Königs, dem Kanonenschmied Ludwig Wiedemann gelang. Im ausgehenden 18.Jahrhundert waren es dann erneut französische Künstler, Jacques Saly und Étienne-Maurice Falconet, die in Kopenhagen (für Friedrich V.) und Petersburg (für Peter den Großen) zwei der meistbewunderten Reiterstatuen aller Zeiten schufen, und ein dritter, Pierre-Hubert L’Archevêque, entwarf in Stockholm erstmals ein fürstliches Reiterdenkmal als geschichtliches Erinnerungsmal und zwar für den im Dreißigjährigen Krieg gefallenen Gustav II. Adolf. Ihr Größtes leisteten die französischen Bildhauer des Grand Siècle indes in ihrem eigenen Land. Nachdem die von Colbert 1667 bei Bernini in Auftrag gegebene Reiterstatue des Sonnenkönigs auf die entschiedene Ablehnung dessen gestoßen war, dessen Apotheose sie versinnbildlichen sollte, hatten die französischen Künstler freie Bahn, ihr Können als Bildner einer königlichen Reiterstatue unter Beweis zu stellen. Gelegenheit hierzu bot sich reichlich, als 1685/86 mindestens elf Städte und Provinzen nahezu gleichzeitig den Beschluss fassten, Ludwig dem Großen ihre Dankbarkeit und Ergebenheit durch die Setzung einer Reiterstatue zu bezeugen. Dieser von höchster Stelle suggerierten und gelenkten Initiative ließ die Stadt Paris als erste Taten folgen und betraute mit dieser Aufgabe den Hofbildhauer François Girardon, dessen 1692 in einem Stück gegossene Kolossalstatue sieben Jahre später eingeweiht wurde. Ihr folgte 1713 Martin Desjardins’ Statue für Lyon, und in dem Jahrzehnt nach des Königs Tod waren es drei weitere für Montpellier, Dijon und Nantes (letztere wurde aber später in Rennes aufgestellt). Auch wenn von den ursprünglich geplanten nur die Hälfte jemals vollendet wurde, verlieh die 1685 gestartete Denkmalkampagne dem, was ein Jahrhundert zuvor eher zufällig und unkoordiniert begonnen hatte, den Rang einer „grande entreprise de propagande monarchique“. 13 Die Gemeinderäte und Ständeversammlungen, die um die Gunst, dem König eine Reiterstatue setzen zu dürfen, geworben hatten, durften zwar für deren Unkosten aufkommen (für die nicht allzu großen Statuen wenigstens zweihunderttausend Livres), aber nichts selbst entscheiden – weder den Ort ihrer Aufstellung, noch die ausführenden Künstler, noch Größe und Gestalt der Statue. All dies und noch vieles andere zu entscheiden, oblag dem „premier architecte du roi“, Jules Hardouin-Mansart, und das hatte zur Folge, dass, abgesehen von ihrer Größe, alle fünf 13 Michel Martin, Les monuments équestres de Louis XIV. Une grande entreprise de propagande monarchique. Paris 1986.

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ausgeführten Reiterstatuen ein recht einheitliches Erscheinungsbild boten. In der Gangart des Pferdes, in dem Verzicht auf Sattel und Steigbügel sowie in der „römischen“ Gewandung des königlichen Reiters folgten alle dem Vorbild des Marc Aurel. Die Kühnheit, auf den seit der Wiedergeburt der ehernen Reiterstatue in der Renaissance obligatorischen bastone zu verzichten, seinem Monarchen keinen bâton als Insignie seiner Herrschaft in die Hand zu drücken und auch in diesem vielsagenden Detail dem römischen Kaiser zu folgen, erlaubte sich allein Girardon und fand darin erst wieder in Falconets Ehernem Reiter Nachahmung (Abb.3). Von den Reiterstandbildern der französischen Könige hat kein einziges die Revolution überlebt; doch die Erinnerung an sie lebt fort in Gestalt der unzerstörbaren, eigens für sie geschaffenen Places Royales. Um die Reiterstatuen ihrer Großherzoge würdig zu platzieren, genügten den Florentinern die innerstädtischen, in ihren Dimensionen mittelalterlichen Plätze. Die Statuen für die beiden spanischen Philippe fanden eine unaufwendige Bleibe in den königlichen Gärten, diejenige Karls I. zunächst im Park seines Kanzlers. Um ihren aus Florenz importierten Henri Quatre seinen Untertanen nahezubringen, versahen die Pariser die Neue Brücke über die Seine mit einer geräumigen Plattform, um das Denkmal aufzunehmen. 14 Für seinen Sohn und Nachfolger stand ein wahrhaft königlicher Platz, der erste dieses Namens, bereit, der aber noch nicht in der Absicht, einem Königsdenkmal Quartier zu bieten, zu Beginn des Jahrhunderts im Marais angelegt worden war. Wohin aber sollte man mit den alle ihre Vorgänger an Größe weit überragenden Reitermonumenten für den Sonnenkönig? Für sie, die zwischen acht und vierzehn, in Paris gar siebzehn Meter aufragten, waren keine ihrer Größe entsprechenden Plätze vorhanden, sondern mussten eigens geschaffen werden. Die königlichen Monumente bedurften königlicher Plätze, die durch ihre Weite und die Gestalt der sie rahmenden Bebauung mit ihnen harmonierten. So bescherte Girardons Werk den Parisern die (später so genannte) Place Vendôme und Desjardins’ Louis le Grand, „le plus remarquable de tous les monuments élevés à la gloire du roi“ 15, den Lyonern die weitläufige Place Belle-

14

Die Brückenlösung wählten später die Berliner für Schlüters Großen Kurfürsten und die Dubliner für

Georg I., während in Dresden eine Zeitlang erwogen wurde, August den Starken auf den Mittelpfeiler der neuen Elbbrücke zu setzen. 15

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Martin, Les monuments équestres (wie Anm.13), 155.

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Abb.3: François Girardon, Reduktion der zerstörten Reiterstatue Ludwigs XIV., um 1696/1700; Paris, Musée du Louvre, Département des sculptures.

cour. Die Place Royale, Frankreichs originellster Beitrag zu den fürstlichen Reitermonumenten, sollte Schule machen und im folgenden Jahrhundert zahlreichen Städten des In- und Auslands zugleich mit ihren Königsdenkmälern wahrhaft königli-

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che Plätze bescheren – so, um wenigstens einige zu nennen, Bordeaux, Kopenhagen und Lissabon. 16 Eine so umfassende und kostspielige, zentral gelenkte Reiterdenkmalkampagne wie die 1685 für Ludwig XIV. initiierte konnte oder wollte sich kein anderes Land leisten, auch Frankreich nicht nach seinem Tod. Auf jeweils fünf Reiterstatuen brachten es im 18.Jahrhundert gleichfalls die englischen Könige Wilhelm III. und Georg I., die aber, wie es scheint, in keinem Fall auf einen Wink der Krone zurückgingen, sondern sich der Initiative einzelner Städte, Korporationen und hochgestellter Personen verdankten und überdies durchweg bescheiden dimensioniert und nicht selten bloße Repliken in Blei waren. 17 Dagegen waren es in Berlin, Dresden und Düsseldorf die dort regierenden Kurfürsten bzw. Könige, die, vom französischen Vorbild angesteckt und miteinander wetteifernd, ihren Residenzen, und damit dem Reich, Anfang des 18.Jahrhunderts die ersten und für lange Zeit einzigen Reiterstandbilder bescherten. Unter seinem Kurfürsten Max II. Emanuel hätte damals gewiss auch München ein solches erhalten, wenn diesem Fürsten nicht sein übermäßiger Ehrgeiz zum Verhängnis gereicht hätte. Gefeit gegen den reiterlichen Denkmalkult erwies sich dagegen Frankreichs hauptsächlicher Antagonist, das Haus Österreich, das es vorzog, Kaiser Leopold in weniger heroischer, in weniger sich selbst verherrlichender Pose seinen Untertanen vorzustellen. 18

IV. Auch im weiteren Verlauf des 18.Jahrhunderts fuhr man fort, diesem und jenem Herrscher ein Reiterdenkmal zu errichten, doch geschah dies zumeist in anderer Absicht und in einem anderen Geist als während der Hochblüte des Absolutismus. Nicht so sehr der Verherrlichung der Person, sondern der durch sie verkörperten Tugenden galten die Reitermonumente der Aufklärung. Errichtet wurden sie, um die

16

Andreas Köstler, Place Royale. Metamorphosen einer kritischen Form des Absolutismus. München

2003; Richard L. Cleary, The Place Royale and Urban Design in the Ancien Régime. Cambridge 1999. 17

Charlotte Chastel-Rousseau, Originals or Replicas? Royal Equestrian Monuments in Eighteenth-Cen-

tury Great Britain and Ireland, in: dies. (Ed.), Reading the Royal Monument in Eighteenth-Century Europe. Farnham 2011, 153–172. 18

Hendrik Ziegler, Der Sonnenkönig und seine Feinde. Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik. Pe-

tersberg 2010, 127–132.

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Friedensliebe des Fürsten zu preisen, seine Beförderung der Künste und Wissenschaften, sein Wirken für die Wohlfahrt seiner Untertanen, kurz für alles, was als Fortschritt im Sinne der Aufklärung galt. Viel hiervon ist auch in den episch langen Inschriften zu finden, die an höchster Stelle verfasst und mit allerhöchster Genehmigung an Girardons Pariser Reiterdenkmal angebracht wurden. Dort wurde Ludwig XIV. indes auch für Taten gerühmt, die den Nachgeborenen nicht gerade als Ruhmestitel galten – wie die Revokation des Toleranzedikts seines Großvaters, die Unterdrückung der „Partei der Häretiker“ (sc. der Reformierten), die detaillierte Schilderung seiner Kriegstaten: „Die Feinde hat er zu Wasser und zu Lande in dreißig Schlachten in die Flucht geschlagen. Dreihundertundfünfzig befestigte Städte nahm er ein. Holland durchzog er siegreich in einem Sommer“ – usw., usw. 19 Unter seinem Urenkel und Nachfolger Ludwig XV. wurden dagegen Zweifel laut, ob zu ihm, dem um das Wohlergehen seiner Untertanen besorgten Fürsten, überhaupt ein Reiterstandbild passe. „Zu ihm würde besser ein Fußstandbild passen [...]; und dies um so mehr, als seine Friedensliebe ebenso viel Bewunderung verdient wie seine militärischen Heldentaten, und weil eine Reiterstatue eigentlich einen Eroberer darstellt.“ 20 Um dem guten Landesvater zu huldigen, fassten folglich elf Städte den Beschluss, Ludwig XV. ein Fußstandbild (mit zugehöriger Place Royale) zu errichten, von denen allerdings nur vier vollendet wurden. Um keinen Zweifel am Sinn dieser Denkmäler aufkommen zu lassen, gab man ihnen allegorische, die Douceur du Gouvernement und die Félicité du Peuple symbolisierende Figuren bei und Inschriften wie „Den Unbesiegten besiegt allein seine Friedensliebe“. Als 1748 der Aachener Friede dem Österreichischen Erbfolgekrieg ein Ende setzte, glaubten die Stadtväter von Paris der allgemeinen Erleichterung und Freude über dieses Ereignis am besten Ausdruck zu verleihen, indem sie für den roi-pacificateur die Errichtung eines Reiterstandbilds beschlossen. Den mit diesem Werk betrauten Bildhauer Edmé Bouchardon verpflichteten sie indes ausdrücklich: „Die Figur des Königs bringt durch ihre Haltung mehr den Friedenstifter zum Ausdruck als den Eroberer“, und dass der Sockelschmuck die „vertus bienfaisantes“ des Königs zum Inhalt haben solle. 21 Die-

19 Ebd.288–290. 20 Zit. nach Cleary, Place Royale (wie Anm.16), 279. Dort auch zum Folgenden. 21 Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), 239.

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Abb.4: Louis-Claude Vassé, Reduktion der zerstörten Reiterstatue Ludwigs XV. von Edme Bouchardon, 1772; Paris, Musée du Louvre, Département des sculptures.

sem Auftrag gemäß symbolisierte von den vier den Sockel flankierenden TugendKaryatiden eine den königlichen Amour de la Paix, und selten ist ein weniger kriegerisch anmutendes Reitermonument geschaffen worden als das Pariser für Ludwig XV., das bis zu seiner Zerstörung in der Revolution die Stelle inmitten der (später

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so genannten) Place de la Concorde einnahm, an der sich seit der Julimonarchie der Obelisk erhebt (Abb.4). 22 Mit dem herrscherlich-militärisch-heroischen Gebaren der älteren Reitermonumente wurde im 18.Jahrhundert auch andernorts bewusst gebrochen. Etwa dadurch, dass man sie mit Vorbedacht auf Plätzen errichtete, deren umgebende Gebäude dem Handel und Gewerbe, der Schiffahrt und dem Schiffsbau, dem wirtschaftlichen und zivilisatorischen Fortschritt, also eminent praktischen Zwecken dienten. So geschah es mit den Reiterstandbildern für die Könige Wilhelm III. in Bristol, Ludwig XV. in Bordeaux, Joseph I. in Lissabon und Zar Peter den Großen in Petersburg. Ebenso wie Bouchardon seinen Louis XV ließ sein Bildhauerkollege JacquesFrançois-Joseph Saly den Dänenkönig Friedrich V. (reg. 1746–1766) den bâton gesenkt halten, um ihn durch diese Geste ausdrücken zu lassen, dass ihm (in Salys Worten) „weniger an seiner Herrschergewalt liege als an der Liebe zu seinen Untertanen“. Womit er sich deren Liebe und das von den „Socii negotiationis asiaticae“ gestiftete Denkmal verdient hatte, besagen vier die Längsseiten des Sockels schmückende Inschriftenmedaillons, die keine der vom König zum Wohl seiner Untertanen gewirkte (oder ihm zugeschriebene) Tat auslassen: von der Sorge für die Sicherheit des lukrativen Kolonialhandels bis zur Pflege der alten Sprachen und der Erforschung des Orients durch die Entsendung gelehrter Männer dorthin. In der Tradition der dem aufgeklärten Monarchen huldigenden Reiterstandbilder steht auch noch dasjenige, das Friedrich Heinrich Füger und Franz Anton Zauner im Auftrag Kaiser Franz’ II. (I.) zwischen 1795 und 1807 für dessen kaiserlichen Onkel Joseph II. auf dem nach diesem benannten Platz an der Wiener Hofburg schufen. Den Hauptschmuck des Sockels bilden zwei großformatige Basreliefs, welche die Verdienste des ohne bâton dargestellten Kaisers als Schirmherr des Handels und Förderer der Landwirtschaft beinhalten, während die sechzehn Medaillons auf den Kettenpostamenten um das Denkmal an Begebenheiten erinnern wie die Errichtung einer Hochschule in Lemberg, des Armeninstituts, der chirurgischen Akademie, der Taubstummenanstalt, die Religionstoleranz usw. 23 22 Daniel Rabreau, Le Cheval de la Paix ou la Monture du Bien-Aimé. Propos sur le chef-d’œuvre animalier d’Edme Bouchardon, in: Daniel Roche (Ed.), Les Écuries royales du XVIe au XVIIIe siècle. Paris 1998, 287–301; ders., Statues of Louis XV: Illustrating the Monarch’s Character in Public Squares whilst Renewing Urban Art, in: Chastel-Rousseau (Ed.), Reading the Royal Monument (wie Anm.17), 39–54; Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), Kap. VI.1. 23 Emma Salling, La statue équestre, in: Amalienborg. Bearb. v. Viggo Sten Møller. Kopenhagen 1973, 77–

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Seine höchste Vollendung, gewissermaßen seine Apotheose, fand das aufklärerische Reitermonument in dem Denkmal, das Zarin Katharina II. gewollt hat, um sich der Welt als rechtmäßige Erbin Zar Peters I. darzustellen, wie die lakonische Inschrift an dem Sockel verkündet: „Petro Primo / Catharina Secunda / MDCCLXXXII“ (Abb.5). Den Thron hatte sie 1762 unter recht bedenklichen Umständen bestiegen, die sie dadurch vergessen zu machen suchte, dass sie sich der Welt als Fortsetzerin des petrinischen Reformwerks und als Inkarnation aufgeklärten Regierungshandelns präsentierte. In diesem Sinn bot sie kaum sechs Wochen nach ihrem Staatsstreich dem in Frankreich von der Zensur geplagten Denis Diderot an, die „Encyclopédie“ in Riga zu publizieren und seinen finanziellen Verlegenheiten durch den Kauf seiner (ihm bis zum Tod verbleibenden) Bibliothek abzuhelfen. Diderot war es dann auch, der 1766 den Kontakt zwischen Katharina und dem ihm befreundeten Bildhauer Étienne-Maurice Falconet herstellte; für ihn entschied sich die Zarin nicht zuletzt wegen seiner Nähe zu den philosophes und weil er ihren eigenen Vorstellungen von dem zu schaffenden Denkmal am nächsten zu stehen schien. Seine Kenntnis des in dem Reiterstandbild zu verewigenden Zaren schöpfte Falconet aus Voltaires „Histoire de l’empire de Russie sous Pierre le Grand“ (1759/63), dessen glorifizierende Sichtweise des großen „Veränderers Rußlands“ er sich vorbehaltlos zu eigen machte. Kaum in Petersburg angelangt, skizzierte der Bildhauer in einem Brief an Diderot den ihm für das Denkmal vorschwebenden concetto: Im Einklang mit Voltaire wolle er Peter den Großen weder als großen Feldherrn noch als Eroberer, der er sicherlich auch war, darstellen, sondern als „Gründer, Gesetzgeber und Wohltäter seines Landes“. „Der Bildhauer“, fährt er in seinem Brief fort, „der sich der großen Verdienste des Herrschers um seine Völker bewusst ist, hat dessen Bild so darzustellen, dass die Erinnerung an seine Tugenden sowie die ihm dargebrachte Hochachtung und Dankbarkeit sozusagen an einem einzigen Sammelplatz zusammentreffen.“ Für Peter den Großen, dessen Eigenschaften in ihm selbst dargestellt werden sollen („lui même son sujet et son attribut“), heißt das: „Mein Zar hat kein Zepter in der Hand; er breitet seine wohltätige Rechte über das Land, das er durchreitet. Er steigt zur Spitze des Felsens auf, der ihm als Sockel dient – das ist das Symbol der von ihm bezwungenen Schwierigkeiten. So ist diese väterliche Hand, dieser Ritt auf dem steilen Felsen das Sujet, das ich Peter dem Großen gegeben habe. Natur und Men-

99, hier 84; Richard Bösel/Selma Krasa, Monumente. Wiener Denkmäler vom Klassizismus zur Secession. Wien 1994, 26–29.

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Abb: 5: Étienne-Maurice Falconet, Zar Peter der Große, 1782; St. Petersburg, Senatsplatz, Foto Jan-Philipp Pomplun, Berlin.

schen haben ihm die abschreckendsten Schwierigkeiten entgegengestellt. Kraft der Hartnäckigkeit seines Genius hat er sie überwunden und rasch all das Gute geschaffen, das keiner wollte.“ 24 Um seine philosophisch überhöhte Reiterfigur auf ihrem „emblematischen Felsen“ zu verwirklichen, hat Falconet mit seiner Gehilfin Marie-Anne Collot zwölf Jahre in Petersburg geweilt und in dieser Zeit ein Werk geschaffen, das künstlerisch, technisch und von der Tiefe seines concetto her kaum noch zu überbieten war.

24 Falconet an Diderot, Petersburg, 26.Februar 1767, in: Denis Diderot, Correspondance. Vol.7. Ed. par Georges Roth. Paris 1962, 32f. (ab „Mein Zar ...“ nach der Übersetzung von D. J. Arkin, in: Geschichte der russischen Kunst. Bd. 6. Dresden 1976, 160); zu dem Denkmal insgesamt siehe Alexander M. Schenker, The Bronze Horseman. Falconet’s Monument to Peter the Great. New Haven, Conn./London 2003, und Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), Kap. VI.3.

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V. Mit dem Ehernen Reiter, wie Puschkin das Denkmal genannt hat, schien das fürstliche Reiterstandbild seinen Gegenstand erschöpft zu haben. Politisch durchaus konsequent handelten die französischen Revolutionäre, wenn sie, bloß zehn Jahre nach der Einweihung des Falconet’schen Denkmals, begannen, nicht nur die lebenden Monarchen von ihren Thronen zu stoßen, sondern auch deren eherne Abbilder von ihren Sockeln. Mit der prinzipiellen Infragestellung der monarchischen Souveränität durch die Amerikanische und die Französische Revolution hatte das Reitermonument als ein – seit nunmehr zwei Jahrhunderten – exklusiv fürstliches Denkmal seine raison d’être eingebüßt. In den Tagen nach der Zweiten Revolution vom 10.August 1792 stürzten die Sansculotten alle vier Pariser Bourbonenreiterstatuen nieder, und dasselbe Los ereilte in Bälde alle königlichen und „feudalen“ Denkmäler im ganzen Land. Den französischen waren die amerikanischen Revolutionäre vorausgegangen, die am 9.Juli 1776 die New Yorker Reiterstatue Georgs III., von dem sie sich wenige Tage zuvor in einer feierlichen Erklärung losgesagt hatten, niederrissen, um aus ihrem Blei Kugeln für ihren Krieg gegen diesen König zu gießen. 25 Ein genuin republikanisch-antimonarchischer Impetus beseelte auch die italienischen Jakobiner, die 1796 in Pavia den Regisole, damals neben dem römischen Marc Aurel die einzige antike Reiterstatue, zerstörten und in Ferrara diejenige des Markgrafen Niccolò III., die früheste nachantike für einen Fürsten überhaupt. Ebenso wie die New Yorker verfuhren die Iren nach Ausrufung der Republik mit den in Dublin bereits zu deren Lebzeiten aufgerichteten Reiterdenkmälern für die englischen Könige Wilhelm III., Georg I. und Georg II. 26 Auch andernorts und zu anderen Zeiten stürzten nach einem Sieg der Republik über die Monarchie fürstliche Reiterstatuen von ihren Sockeln: so 1870 in Frankreich diejenigen Napoleons III. in Bordeaux und Marseille sowie die seines gleichnamigen Onkels in Lyon und Grenoble; 1931 zerschellte in Madrid auf dem Pflaster der Plaza Mayor der im 19.Jahrhundert dorthin versetzte Philipp III. aus der Werkstatt von Giambologna und Tacca, der allerdings, ebenso wie die Reiterstatuen für Napoleon I., schon bald wiederhergestellt wurde.

25

Arthur S.Marks, The Statue of King George III in New York and the Iconology of Regicide, in: American

Art Journal 13/3, 1981, 61–82. 26

Philip McEvansoneya, Royal Monuments and Civic Ritual in Eighteenth-Century Dublin, in: Chastel-

Rousseau (Ed.), Reading the Royal Monument (wie Anm.17), 173–194.

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Wie die Erwähnung der napoleonischen Reiterstatuen andeutet, bedeutete der Feldzug der Revolution gegen die königlichen Reiterstatuen keineswegs das Ende dieses Denkmaltypus überhaupt. Die Amerikanische Revolution leitete lediglich seine Entfürstung ein. Bereits im Mai 1783, nach dem (faktischen) Ende des Unabhängigkeitskriegs, beschloss der Kongress, den Sieger in diesem Krieg, George Washington, durch ein ehernes Reiterstandbild zu ehren und dieses durch den besten Pariser Künstler ausführen zu lassen. Dieser Beschluss blieb zwar ebenso folgenlos wie ein ähnlicher von 1822, doch nach der Mitte des 19.Jahrhunderts begannen in den Vereinigten Staaten die Reiterdenkmäler zu Ehren ihres ersten Präsidenten und anderer republikanischer Helden sich zu häufen; wenig später begannen auch die Städte der neuen lateinamerikanischen Republiken sich mit Reiterstatuen ihrer Freiheitshelden und Gründer zu füllen – allen voran für Simón Bolívar und José de San Martín. 27 Wie die Projekte eines Reiterstandbilds für Washington (wohl unbewusst) an die republikanischen Wurzeln dieses Denkmaltypus im italienischen Spätmittelalter anknüpften, so hatten die auf dem Pariser Pont d’Iéna geplanten Reiterstatuen zu Ehren der im Kampf gefallenen napoleonischen Generale d’Hautpoul und Saint-Hilaire ihr Vorbild in den Feldherrndenkmälern der Renaissance. Dagegen lehnte Napoleon es strikt ab, ihm ein – durch die Revolution geächtetes – Reitermonument auf dem Gebiet des Empire zu errichten (wie es die Pariser nach Austerlitz für ihn beabsichtigten), ließ es aber zu, dass sein von ihm gerade zum König von Neapel erhobener Bruder Joseph eine in dessen Hauptstadt aufzustellende eherne Reiterstatue des Kaisers bei Antonio Canova in Auftrag gab. Das Werk war bei Napoleons Sturz noch unvollendet und konnte daher unter der restaurierten Bourbonendynastie zu einem Denkmal für König Karl III., den Vater des ab 1815 erneut in Neapel regierenden Ferdinands I., umgewidmet werden. Da die 1819 gegossene Statue sich auf dem riesigen Halbrund vor dem Palazzo Reale verloren ausgenommen hätte, fügte man ihr ein gleichartiges Denkmal Ferdinands hinzu. Bis 1829, dem Jahr ihrer Aufstellung, hatten auch die französischen Bourbonenkönige Sorge getragen, in Paris die demolierten Reiterdenkmäler ihrer Vorfahren zu erneuern – für 27 David Bindman, King of the New Republic: Houdon’s Equestrian Monument to George Washington, in: Chastel-Rousseau (Ed.), Reading the Royal Monument (wie Anm.17), 119–129; Philipp Fehl, Thomas Appleton of Livorno and Canova’s Statue of George Washington, in: Antje Kosegarten/Peter Tigler (Hrsg.), Festschrift Ulrich Middeldorf. Berlin 1968, 523–552, hier 537f.; Frances Davis Whittemore, George Washington in Sculpture. Boston, Mass. 1933; Rafael Pineda, Las estatuas de Simón Bolívar en el mundo. Caracas 1983.

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Heinrich IV., Ludwig XIII. und Ludwig XIV.; das Pferd des zur Zeit der Julirevolution noch unvollendeten Denkmals für den damals wenig geliebten Ludwig XV. sollte einige Jahre später im Schlosshof von Versailles aufgestellt werden und die Reiterfigur des Sonnenkönigs tragen. 28 Die erneut auf die Throne ihrer Vorfahren gelangten Könige mochten sich einbilden, die monarchische Souveränität wiederhergestellt und ihr durch die Wiederaufrichtung der von der Revolution zerstörten Königsdenkmäler sichtbaren Ausdruck verliehen zu haben. Dieser Wahn währte indes nur kurz und wurde in den Revolutionen von 1830 und 1848 ein für alle Mal begraben. Was jedoch alle politischen Umwälzungen überlebte, war das fürstliche Reiterstandbild, das als Schibboleth absolutistischer Fürstenherrschaft zuerst Ende des 16.Jahrhunderts in Florenz in Erscheinung getreten war. Während diese Form von Herrschaft im Verlauf des 19.Jahrhunderts nahezu überall zu Ende ging, passte sich die solche Herrschaft symbolisierende Reiterstatue den neuen politischen Verhältnissen an und gab ihren Status als exklusives Fürstendenkmal auf. Fortan ehrte man, wie bereits in der Antike und im kommunalen Italien, auch republikanische und militärische Helden mit einer Reiterstatue. Die meisten wurden indes weiterhin Fürsten gewidmet, aber nicht um wie früher deren einzigartige Machtstellung herauszustreichen, sondern um sie, wie vorzugsweise in Italien und Deutschland, als Vollender der nationalen Einheit zu feiern, oder um sie, wie im Königreich der Niederlande, in den skandinavischen Ländern oder in England bereits seit der Glorreichen Revolution, als konstitutionelle Monarchen zu ehren. Wenn auch der solcher Ehrung abholde Napoleon I. posthum zu einem guten halben Dutzend eherner Reiterstatuen kam, hatte er diese seinem Neffen Napoleon III. zu verdanken, der wähnte, durch die Berufung auf die Herrschaft seines großen Onkels seine eigene legitimieren zu können. 29

28

Johannes Myssok, Der vertauschte Reiter. Zum Standbild Napoleons für Neapel und seinem Schicksal,

in: Poeschke u.a. (Hrsg.), Praemium virtutis III (wie Anm.3), 293–324; Guillaume de Bertier de Sauvigny, La Restauration. Nouvelles statues royales, in: Geneviève Bresc-Bautier/Xavier Dectot (Eds.), Art ou politique? Arcs, statues et colonnes de Paris. Paris 1999, 106–109. 29

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Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), Epilog.

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VI. Mit der Weckung des geschichtlichen Sinns im 19.Jahrhundert und der Besinnung auf die Vergangenheit des eigenen Landes entstand überdies ein neuer Typus von Reiterdenkmal – das historische, das längst verstorbenen, zu Helden der nationalen Geschichte verklärten Personen errichtet wurde. Der erste auf solche Weise geehrte Fürst scheint, wie bereits erwähnt, König Gustav II. Adolf († 1632) gewesen zu sein, dessen Reiterstatue 1779 gegossen, allerdings erst 1796 in Stockholm eingeweiht wurde – passenderweise mit seinem Kanzler Oxenstierna und einer Allegorie der Geschichte zu seinen Füßen. Über hundert Jahre nach seinem Tod ehrte man auf diese Weise 1807 in London König Wilhelm III. ein weiteres Mal mit einem derartigen Denkmal. Vom zweiten Drittel des Jahrhunderts an kamen dann in rascher Folge die Reiterdenkmäler für Herzog Emanuele Filiberto († 1580) in Turin, für den Statthalter Wilhelm von Oranien († 1584) in Den Haag, für Kurfürst Maximilian I. († 1651) in München sowie für zahlreiche Helden der mittelalterlichen und alten Geschichte hinzu – so für den Anführer des ersten Kreuzzugs Gottfried von Bouillon († 1100) in Brüssel, für den Feldhauptmann Rudolf von Erlach († 1360) in seiner Geburtsstadt Bern, für die englischen Könige Wilhelm den Eroberer († 1087) in dessen Geburtsstadt Falaise und für Richard Löwenherz († 1199) in London, für Friedrich Barbarossa in Goslar, für Karl den Großen vor Notre-Dame in Paris, für Vercingetorix in Clermont-Ferrand sowie für viele weitere. 30 Wie diese Beispiele zu verstehen geben, lud das geschichtssüchtige 19. Jahrhundert dem Reiterstandbild, ohne dessen ursprüngliche Funktion als fürstliches Ehrenmal außer Kraft zu setzen, eine neue Bestimmung auf: der gegenwärtigen Generation die großen Gestalten der eigenen Geschichte in Erinnerung zu rufen und darin zu befestigen. Unter den für erinnerungswürdig gehaltenen Gestalten rangierten die Fürsten vergangener Jahrhunderte wie selbstverständlich an erster Stelle; ihren Platz hoch zu Ross auf hohem Sockel konnten ihnen aber auch Personen ein-

30 Johan Cederlund, Two Royal Monuments in Stockholm, in: Chastel-Rousseau (Ed.), Reading the Royal Monument (wie Anm.17), 107–118; Wolfgang Vomm, Zur kunsthistorischen Stellung von Thorvaldsens Reiterstandbild für Kurfürst Maximilian I. in München, in: Bertel Thorvaldsen. Untersuchungen zu seinem Werk und zur Kunst seiner Zeit. Köln 1977, 419–447; ders., Reiterstandbilder des 19. und frühen 20.Jahrhunderts in Deutschland. Zum Verständnis und zur Pflege eines traditionellen herrscherlichen Denkmaltypus im Historismus. 2 Bde. Bergisch Gladbach 1979, Bd. 1, 228ff.

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Abb: 6. Oreste Calzolari, Viktor Emanuel II. und Garibaldi, 1906; Fiesole, Piazza Mino da Fiesole, Foto Markus Hilbig, TU Berlin.

fachen Standes streitig machen, wenn sie die nationalen Sehnsüchte der Gegenwart würdiger zu verkörpern schienen als ihre fürstlichen Zeitgenossen. Zu einer solchen nationalen Identifikationsfigur stieg Jeanne d’Arc auf, der unter der Dritten Republik mehr Reiterstatuen (und Fußstandbilder) gesetzt wurden als jemals zuvor

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einem französischen Herrscher. Was dieses einfache Mädchen aus dem Volk den Franzosen, das bedeutete den Italienern der Kämpfer für ihre nationale Einigung Giuseppe Garibaldi, dem es beschieden war, annähernd ebenso häufig wie sein König Viktor Emanuel II. in einem Reiterstandbild verewigt zu werden – und einmal sogar gemeinsam mit ihm (Abb.6). 31 Die den großen geschichtlichen Akteuren sowie den Kriegshelden der Gegenwart (Wellington, Erzherzog Carl usw.) gewidmeten Reiterstatuen mochten beträchtlich zur Vermehrung dieses Denkmaltypus im Zeitalter der Volkssouveränität beigetragen haben, doch noch immer blieben die fürstlichen Reiterdenkmäler weit in der Überzahl. Auf sie trifft das von Arno J. Mayer beschriebene Phänomen der „Beharrung des Ancien Regime“ in ganz besonderem Maße zu. 32 Mochte die Fürstenmacht zwischen den 48er Revolutionen und dem Ersten Weltkrieg auch noch so große Einbußen erlitten haben, wer davon unberührt blieb, war das am Formenkanon des Absolutismus orientierte fürstliche Reitermonument. Ein in dieser Hinsicht besonders krasses Beispiel bieten Preußen und das Deutsche Kaiserreich. Während unter den zahlreichen Pariser Reiterstatuen die fürstlichen im Verlauf des 19. und 20.Jahrhunderts – trotz Restauration, Julimonarchie und Second Empire – klar in die Minderheit gerieten und unter den Wiener Denkmälern die feldherrlichen die monarchischen weit übertrafen, erlangten die fürstlichen Reitermonumente in der preußisch-deutschen Hauptstadt (sowie im übrigen Reich) eine überwältigende Dominanz. Seit der Einweihung von Andreas Schlüters Großem Kurfürsten (1703) vergingen nahezu anderthalb Jahrhunderte, bis Preußen mit denjenigen für Friedrich den Großen in Breslau (1847) und Berlin (1851) ein zweites und drittes Reiterdenkmal erhielt. In den beiden Jahrzehnten bis zur Reichseinigung kamen dann vier weitere hinzu: zwei für Friedrich Wilhelm III. in Königsberg (1851) und Breslau (1861) sowie je eines für seine Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. und König Wilhelm I. auf der Eisenbahnbrücke über den Rhein in Köln (1867/68). 33 Dieser gemächliche Rhythmus ihrer Vermehrung setzte sich bis zum Dreikaiserjahr 1888

31 Michel Winock, Jeanne d’Arc, in: Pierre Nora (Ed.), Les lieux de mémoire, III: Les France. Vol.3. Paris 1992, 674–733; Gerd Krumeich, Jeanne d’Arc in der Geschichte. Historiographie – Politik – Kultur. Sigmaringen 1989; Giovanna Massobrio, L’Italia per Garibaldi. Mailand 1982. 32 Arno J. Mayer, The Persistence of the Old Regime: Europe to the Great War. New York 1981; im Titel der deutschen Übersetzung „Adelsmacht und Bürgertum“ (1984) ist Mayers Hauptthese nur mit Mühe wiederzuerkennen. 33 Diese und die folgenden Angaben nach Vomm, Reiterstandbilder (wie Anm.30), Bd. 2 (Katalog).

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fort: nochmals zwei Denkmäler für Friedrich Wilhelm III. im Berliner Lustgarten und auf dem Kölner Heumarkt sowie für deren Stifter Friedrich Wilhelm IV. auf der Freitreppe der Berliner Nationalgalerie. Ähnlich zurückhaltend verhielt man sich in den anderen Staaten des Deutschen Bundes bzw. Reiches: Hier ging Hannover mit einer Reiterstatue für seinen ersten ,eigenen‘ König Ernst August vor dem Bahnhof (1861) voran, gefolgt von München mit einem Denkmal für König Ludwig I. auf dem Odeonsplatz (1862), von Braunschweig für zwei seiner in den Befreiungskriegen gefallenen Herzoge (1874); im Jahr danach wurden dann Herzog Carl August in Weimar und König Wilhelm I. in Stuttgart mit Reiterstatuen geehrt und Letzterer erneut 1884 mit einer solchen auf Kosten des Künstlers selbst. Wenige Zeit nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. ereignete sich dann etwas ebenso Seltsames wie Einzigartiges: Als ob sie sich untereinander verabredet hätten, stifteten binnen zwei Jahrzehnten (1892–1911) mehr als ein halbes Hundert deutscher Städte dem verstorbenen Einiger ihres Reiches ein Reiterstandbild. Urheber dieser Kampagne, die eine Fortsetzung in den rund zehn Reiterdenkmälern für Wilhelms Sohn, Kaiser Friedrich III., fand, waren in der Regel die Untertanen: Bürger, Städte, Kreise, Provinzen und, im Fall des Nationaldenkmals vor dem Berliner Schloss, das ganze Reich oder, in den Worten Wolfgang Vomms, das „monarchistische Besitzbürgertum“ 34, dem gleichfalls die meisten der rund zwanzig Reiterstatuen zu verdanken sind, die damals Fürsten der nichtpreußischen Staaten gesetzt wurden. Bürger als Stifter fürstlicher Reiterdenkmäler hatte es auch schon in älteren Zeiten gegeben: so in Piacenza, dessen Einwohner zu Beginn des 17.Jahrhunderts ihrem Herzog Ranuccio und seinem Vater Alessandro Farnese vor ihrem Rathaus zwei Reiterstatuen gesetzt hatten in der (vergeblichen) Hoffnung, ihn durch diese Geste von der angedrohten Verlegung seiner Residenz nach Parma abhalten zu können; bürgerlicher Initiative und vor allem bürgerlichem Geld sind im Wesentlichen auch die im 18.Jahrhundert errichteten königlichen Reiterstatuen in Bristol, Bordeaux, Kopenhagen und Lissabon zu verdanken. 35 Doch dass ein ganzes Volk sich hinreißen ließ, der Symbolfigur seiner nationalen Einigung durch Aberdutzende mehr oder minder gleichförmiger Reiterstatuen zu huldigen, war und blieb einzigartig, und ihre Inflation in wilhelminischer Zeit hat in erheblichem Maß zur ideellen und künstlerischen Entwertung einer Denkmalform beitragen, die seit der Spätrenais-

262

34

Ebd.Bd.1, 235.

35

Keller, Reitermonumente (wie Anm.4), Kap. II; Hunecke, Reitermonumente (wie Anm.1), Kap. VI.2.

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sance als die anspruchvollste und vollkommenste für einen Fürsten gegolten hatte. Ursachen für den vielfach beklagten künstlerischen Niedergang des Reiterstandbilds seit der Französischen Revolution sind einerseits der technische Fortschritt, der den Guss von Großbronzen, einst eine ein halbes Künstlerleben okkupierende Großtat, in die Nähe eines fast beliebig reproduzierbaren handwerklichen Vorgangs rückte, und andererseits der Umstand, dass die Majestät, die das Reiterbild eines Fürsten von Gottes Gnaden ausstrahlen sollte, eigentlich nicht ins Zeitalter der konstitutionellen Monarchien passte. 36 Zu ihnen passten dagegen sehr wohl die Plätze, die man im Zeitalter des Fortschritts von Industrie und Bildung für sie passend fand: nämlich vor Bahnhöfen, auf den Pylonen von Eisenbahnbrücken, vor Museen, Universitäten, Opernhäusern und anderen nützlichen Einrichtungen. 37 Die schleichende Entfürstung bzw. Verbürgerlichung des monarchischen Reiterdenkmals ist auch an seinen Sockeln abzulesen. Einen Rückschritt gegenüber dem Wiener Josephsdenkmal mit seinen die zivilen Tugenden des Herrschers preisenden Reliefs bedeutet der Sockel von Rauchs 1851 enthülltem Reiterdenkmal für Friedrich den Großen Unter den Linden, der noch weitgehend von seinen Offizieren okkupiert ist, während die unter dem Schwanz des Pferdes untergebrachten zivilen Staatsbeamten und Geistesgrößen entschieden in der Minderheit bleiben. An dem eine Generation später (1878) eingeweihten Denkmal seines übernächsten Nachfolgers, Friedrich Wilhelm III., auf dem Kölner Heumarkt sind dagegen unter den sechzehn vollplastischen Sockelfiguren die Generale der Freiheitskriege als Eckfiguren zwar hervorgehoben, aber die Militärs bleiben zahlenmäßig hinter den Staatsmännern und Gelehrten zurück. Unter den annähernd fünfzig auf den Relieftafeln dargestellten Personen findet man keinen einzigen Militär, sondern allein prominente Vertreter aus Künsten und Wissenschaften, Baukunst, Handel und Industrie. Noch einen Schritt weiter in Richtung Entmilitarisierung geht das Reiterdenkmal für seinen Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. vor der Berliner Nationalgalerie (1886), dessen Sockelfiguren den Allegorien der Religion, Kunst, Geschichte und Philosophie gewidmet sind. Eine ganze Enzyklopädie der schönen und nützlichen Künste und Wissenschaften um-

36 Otto Grossmann, Das Reiterbild in Malerei und Plastik. Berlin 1931, 104f.; H.W. Janson, The Equestrian Monument from Cangrande della Scala to Peter the Great, in: Archibald R. Lewis (Eds.), Aspects of the Renaissance. Austin/London 1967, 84. 37 Vomm, Reiterstandbilder (wie Anm.30), Bd. 1, 307ff. u. 456ff.

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fasst schließlich der Sockelschmuck zu dem wenige Jahre später (1889) eingeweihten Denkmal für den sächsischen König und Danteübersetzer Johann I. vor der Semperoper in Dresden. 38

VII. Den Bemühungen, das fürstliche Reiterdenkmal durch eine dem bürgerlichen Zeitalter angemessene Ausschmückung seiner Sockel in dasselbe hinüberzuretten, setzten die Kriege und Revolutionen des 20.Jahrhunderts ein Ende. Infolge des Ersten Weltkriegs erlebte das Reiterdenkmal eine letzte Blüte in Gestalt zahlreicher den Feldherrn der Siegermächte und den Gefallenen beider Seiten gewidmete Denkmäler; selbst noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dem einen und anderen europäischen Monarchen weiterhin Reiterdenkmäler gesetzt – so dem volkstümlichen König Christian X. von Dänemark (reg. 1912–1947) nach seinem Tod gleich drei oder jüngst noch aus Anlass ihres Goldenen Thronjubiläums Königin Elisabeth II. im Schlosspark von Windsor; doch als ein genuin fürstliches hatte das Reiterdenkmal endgültig seine Daseinsberechtigung eingebüßt. In den meisten Ländern beließ man sie, sofern sie dem modernen Verkehr nicht allzu sehr im Weg standen, einfach dort, wo sie einmal aufgepflanzt worden waren. Ein Bildersturm wie in der Französischen Revolution und im Irland der Republik blieb ihnen – bis auf wenige Ausnahmen – erspart. In Deutschland, wo sie geradezu verstörend zahlreich waren, schlug den meisten die Todesstunde nicht 1918 mit der Ausrufung der Republik, sondern im Zweiten Weltkrieg, als sie, um dem Metallhunger der Rüstungsindustrie abzuhelfen, reihenweise eingeschmolzen und Opfer der Bomben wurden. 39 Einer politisch motivierten damnatio memoriae fiel nach dem Krieg das Begas’sche Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. auf der Berliner Schlossfreiheit zum Opfer, ebenso einige weniger bekannte fürstliche Reiterstatuen in Dresden, Weimar und anderen Orten im östlichen Teil Deutschlands. Aus Respekt vor dem Dargestellten oder dem Künstler begnügte man sich hingegen, Christian Daniel Rauchs Friedrich

38

Ebd.Bd. 1, 151ff., 286ff., 292, 296ff.; Ein Denkmal für den König. Das Reiterstandbild Friedrich II. Unter

den Linden in Berlin. Berlin 2001, 86–111; Ralf Beines u.a. (Hrsg.), Köln: Das Reiterdenkmal für König Friedrich Wilhelm III. von Preußen auf dem Heumarkt. Köln 2004, 324–445. 39

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Vomm, Reiterstandbilder (wie Anm.30), Bd. 2 (Katalog), passim.

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den Großen Unter den Linden eine Zeitlang den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen, um ihn schließlich 1980 (fast) am selben Ort wieder aufzurichten. Wie diesem Fürstendenkmal ist es auch manchen anderen nie besser ergangen als in jüngster Zeit. Nachdem sie als politische Symbole ausgedient hatten, begannen sie verstärkt das Interesse von Denkmalpflegern, geschichtsbewußten Zeitgenossen und Nostalgikern der tempi passati auf sich zu ziehen. Von dieser Hinwendung zu den durch Krieg und den Zahn der Zeit malträtierten Zeugen der Vergangenheit profitierten auch die ehernen fürstlichen Reiter, die – wie Rauchs Friedrich bereits zweimal seit der Wende oder Adolf Donndorfs Carl August in Weimar – zu verwöhnten Klienten der Restauratoren wurden. Selbst Reiterdenkmäler, die im Krieg und nicht weniger danach schwerste Schäden erlitten hatten, wurden an manchen Orten zu neuem Leben erweckt – wie Gustav Blaesers Friedrich Wilhelm III. auf dem Kölner Heumarkt oder die beiden herzoglichen Reiter, die einst vor dem (im Krieg zerstörten) Braunschweiger Residenzschloss gestanden hatten. Obwohl in der Öffentlichkeit heftig umstritten, ist selbst der Kaiser Wilhelm vom Deutschen Eck in Koblenz 1993 (am Sedanstag!) wiederauferstanden, und dies könnte demnächst auch dem in der Nachkriegszeit eingeschmolzenen Großherzog Carl Alexander, einem Enkel Carl Augusts, in Weimar widerfahren. 40 Auch diese erst jüngst renovierten und rekonstruierten, zur letzten Generation fürstlicher Reiterstatuen gehörenden Exemplare werden im Lauf der Zeit ebenso viel Patina ansetzen wie die unterm Faschismus ex novo geschaffenen Surrogate für den antiken Regisole in Pavia und den Markgrafen Niccolò III. d’Este in Ferrara, das – bis zu seiner Zerstörung im Gefolge der Französischen Revolution – früheste eherne Reiterstandbild eines Fürsten im neuzeitlichen Europa überhaupt. 41

40 Ein Denkmal für den König (wie Anm.38); Beines u.a. (Hrsg.), Köln: Das Reiterdenkmal für König Friedrich Wilhelm III. (wie Anm.38); Vor-Reiter Weimars. Die Großherzöge Carl August und Carl Alexander im Denkmal. Jena 2003; Die Braunschweiger Reiterstandbilder. Dokumentation ihrer Restaurierung 1992–1994. Braunschweig 2003; Klaus Weschenfelder (Hrsg.), „Ein Bild von Erz und Stein“. Kaiser Wilhelm am Deutschen Eck und die Nationaldenkmäler. (Ausstellungskatalog.) Koblenz 1997. 41 Beuing, Reiterbilder der Frührenaissance (wie Anm.1), 138; Saverio Lomartire, La statua del Regisole di Pavia e la sua fortuna tra Medioevo e Rinascimento, in: Poeschke u.a. (Hrsg.), Praemium virtutis III (wie Anm.3), 31–74.

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Certamen equestre Charles XI’s Carousel of 1672 by Lena Rangström

On 18 December 1672, the seventeen-year-old Charles XI was declared of age at a ceremony in the State Hall of the old castle of the Three Crowns in Stockholm. His succession to the throne was celebrated with three days of festivities in the wintry and snowy capital. Hopes and dreams were played out during the festival with the capital city of Europe’s new great power as their stage. Royal sentiment was running high among the citizens. Stockholm was decorated and illuminated for the occasion. Temporary festival edifices were put up in various parts of the city. Triumphal arches, adorned with spruce fronds were to be seen near the castle and in front of the town hall. The populace were regaled with wine gushing from a pair of leonine masks on either side of a female figure – Felicitas Publica – personifying the happiness and prosperity expected to accompany the enlightened rule of the new monarch. The Felicitas figure was positioned in the centre of a spruce-decorated transparency displaying the king’s monogram and the words Vivat Vivat to the numerous onlookers. A salute fired from the medieval keep of the castle was answered by the guns that had been distributed all over the city, the ships’ cannons of the fleet riding at anchor beneath the castle and the muskets of the cavalry and infantry (Ill. 1). The very climax of the celebrations, however, was the carousel which took place at the Rännarbanan, the tilt yard, and at the Hötorget, the marketplace. 1

1 The description of the festivities at the occasion of Charles XI’s succession to the throne is principally taken from: David Klöcker Ehrenstrahl, Certamen equestre caeteraque solemnia celebrata Holmiae Svecorum anno M.DC.LXXII. Mense Decembri cum Serenissimus & Potentissimus Principes ac dominus Carolus XI. Aviti Regni Regimen omnium cum applausu capesseret./ Das grosse Carrosel und prächtige Ring-Rännen [...]. Stockholm [1685]. This publication comprises 16 pages with Ehrenstrahl’s text together with 62 illustrations of copperprints, made by G. C. Eimmart in Nuremberg after Ehrenstrahl’s drawings. This festival book has also been digitized by Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, and can be located at . Ehrenstrahl’s complete text, in German with a translation into English, is published by Lena Rangström, Certamen Equestre. The Carousel for the Accession of Karl XI in 1672, in: J. R. Mulryne/Helen Watanabe-O’Kelly/Margaret Shewring (Eds.), Europa Triumphans. Court and Civic Festivals in Early Modern Europe. 2 Vols. London 2003, Vol.2, 292–322. One can

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DOI

10.1515/9783486781076.266

I. Carousels Carousels, also known as the running at the ring, were a kind of equestrian competition which seventeenth century theorists, such as Claude-François Menestrier, the paramount French authority on these matters, liked to think of as a revival of equestrian games of the ancient Greeks and Romans. 2 During the seventeenth century these elaborate theatrical games and competitions gradually superseded the tournaments formerly held on such occasions as royal weddings, christenings and coronations or the conclusion of a peace treaty or a political alliance. It was after the accidental death of King Henry II at a tournament in Paris in 1559 that the courts increasingly turned to the less hazardous routines of the carousel. One of the consequences of this tragedy that caused a sensation throughout Europe was that Henry VIII was not allowed to combat in tournaments during his youth. 3 The competitive elements of the carousels, like those of the tournaments, were frequently given a literary, narrative setting of ingeniously allegorical elements, composed by court scholars and poets. The different variants of equestrian festivity during the Renaissance and Baroque eras retained the three most important components of the medieval tournament: its warlike, sporting and courtly festive aspects. 4 The importance attached to the court festivals is reflected in the abundance of literature printed for the purpose of their perpetuation. By the mid-sixteenth century these depictions of festivities had become a literary genre in their own right, and from the seventeenth century onwards no court festivity worthy the name would remain unaccompanied by a publication – ranging from modest programmes to lavishly illustrated books. 5 The word carrosel/carousel made its first festive appearance in the Swedish language on the occasion of the accession of Charles XI to the throne.

also find a description of the festivities in Stockholm 1672 in: Theatrum Europaeum. Vol.11. Frankfurt am Main 1682, 109–111. See also Lena Rangström, Karl XI’s karusell 1672. Stockholm 1995. 2 Claude-François Menestrier, Traité des Tournois, Joustes, Carrousels et autres spectacles publics. Lyon 1669. 3 See about this and about tournaments in general in: Lena Rangström, Riddarlek och Tornerspel. Tournaments and the Dream of Chivalry. (Exhibition in the Royal Armoury.) Stockholm 1992. 4 See Helen Watanabe-O’Kelly, Triumphall Shews. Tournaments at German Speaking Courts in their European Context, 1560–1730. Berlin 1992. 5 Roy Strong, Art and Power. Renaissance Festivals 1450–1650. Woodbridge 1984, 21–22.

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The names used before for such games included ringränning (running at the ring), upptåg (pageant) and tornering (tournament). In Menestrier’s „Traité des Tournois, Jutes, Carrousels […]“ he highlights three considerations to be borne in mind when arranging carousels: „order“, „variety“, and „magnificence“. 6 The carousels most often had a literary, allegorical content provided by the court poets and scholars. The real competitive sporting events were usually the runnings at the ring – in which the rider had to strike a ring suspended between two pillars with his lance, running at the head – in which a Moor’s or Turk’s head had to be hit with a javelin or pistol, and finally tilting at the quintain – in which the horseman rode at a figure, again often a Turk or black, constructed so as to deal the horseman a blow with its saber if the lance missed its mark. 7 The swedish chivalric games derived inspiration from abroad. In the days of Gustavus Adolphus and Queen Christina, reference was made to a number of printed illustrated accounts of Aufzüge (pageants) at the ducal court of Stuttgart in the 1610s. Gustavus Adolphus introduced ancient swedish heroes and götisk (gothic/ geatish) champions into his chivalric games. These competitions were permeated by patriotism and a romanticization of the ancient past. The ballets and chivalric games of Christina’s reign served as a continuing expression of Sweden’s national selfesteem, with greater emphasis than ever placed on theatrical, dramatic effect.

II. The Rännarbanan Carousel of 19th December 1672 Charles XI’s carousel in 1672 was amply documented by the court painter, David Klöcker Ehrenstrahl, who had been commanded by the king to immortalize the occasion in a sequence of engravings published under the title of Certamen Equestre. This publication also includes a narrative text by the artist. Still more can be learned about this carousel from the programme written for it by the Secretary to the Chancery, Erik Lindschöld. There also exist a number of reports, written by the foreign ambassadors present at the event. 8

6 Menestrier, Traité des Tournois (note 2), 46f. 7 See Rangström, Karl XI’s karusell (note 1). 8 Erik Lindschöld, Le Carrosel eller Dhen Prächtige Ringränning hwilken Den Durchleuchtigste och Stormächtigste Konungh och herre, konung CARL den Ellofte […] uthi Stockholms Stadh den 19 Decembris

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Four different teams – quadrilles – took part in Charles XI’s carousel, which consisted of one single event: the running at the ring. The knights, among whom the higher echelons of the aristocracy were represented in great numbers, were dressed up to represent various nations. The young king himself, as le Chevalier de la Gloire, rode at the head of the ancient Geats, but he was clad in Roman armour, à la romaine, and the Geatish champions in his quadrille carried Roman insignia and standards. The second quadrille consisted of the Turks, the third of the Poles and the fourth finally, of an assemblage of the other powerful states of Europe. The knights appeared under pseudonyms or noms de guerre. Each quadrille had a motto in the form of an emblem that was painted on a shield carried by a page in the quadrille procession to the tiltyard. The four competing nations defended different theses, formulated in letters of challenge, socalled cartels. In a nutshell the idea was that the countries of Europe, led by the King of Sweden, should join together in fighting the hereditary foe of Christendom – the brutal Turk. The spectacle, in other words, took the form of a modern crusade in which the virtues of chivalry would prove themselves capable of thoroughly defeating the Ottoman threat (Ill. 2, 3, 4, 5, 6).

III. The Procession to Rännarbanan The participants in the carousel gathered at the Royal Castle of Tre Kronor (Three Crowns) at one o’clock on 19 December. From there the stately procession made its way towards Rännarbanan, the tiltyard, at Hötorget. The route taken by the procession was lined by spectators. From Ehrenstrahl’s engravings and list of participants we can gather that about 560 people took part, a hundred or so of them on horseback. About another 80 horses were led in the procession. The magnificent costumes and horse equipements were an impressive sight. Charles XI – Le Chevalier de la Gloire – and his Geatish champions wore gilded and silver-plated armour in Roman style. The accessories also included fasces, Roman brass horns and Roman insignia, displaying the Roman eagle, Minerva and Caesar. The second quadrilles, wearing full-length oriental kaftans, were armed with Turkish quivers, bows, sabers and maces which showed their nationality. The Polish quadrille wore fur-edged headgear and long Po-

Anno 1672. Stockholm 1672. This programme consists of 16 folio pages. It constitutes an explication and „cartel“ to the carousel.

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lish coats, and their horses were adorned with eagle’s wings. The other European powers, finally, were dressed in resplendent and costly embroidered costumes in modern cut. Thus the procession conformed with the basic principles laid down by Menestrier: order, variety, and magnificence. At Rännarbanan itself, the riders made their triumphant entry through an triumphal arch in antique style put up for the occasion. 9

IV. The Riding School and the Competition At the time the Rännarbanan tiltyard at Hötorget had been constructed under the reign of Gustavus Adolphus, it was used as an outdoor arena. In 1668 a riding school designed by the court architect Nicodemus Tessin the elder was built and officially opened during the celebrations of Charles XI’s thirteenth birthday. The building had been intensively renovated and enlarged before the carousel of 1672 to create sufficient space for all the guests and to embellish its appearance. Ehrenstrahl’s engraving shows that the tiltyard was constructed like a theater. Double galleries had been put up along the sides. At the back there were two boxes, one for the royal family and their entourage where the king’s mother, the dowager Queen Hedvig Eleonora, sat with her ladies in waiting, and the other for the judges. The walls were decorated with elaborately arranged garlands of spruce. The premises were illuminated by several thousand candles in about a hundred chandeliers and pyramids at the lists. A ceiling of plaited spruce twigs that had been especially designed for that purpose enabled the smoke from the candles to escape out of view. The audience consisted of noblemen and -women as well as of foreign envoys (Ill. 7). 10 The competition began with a tucket – a fanfare of drums and trumpets – while the participants were proceding round the course. The actual competition was scaled down to one single event, tilting at the ring. This however, was conducted with great pomp. According to the reports by the foreign envoys the greatest prize, the Zierdanken, was won by the king himself, who was noted for his horsemanship. In addition to this information, the King of France also received a weather report from the Swedish capital. His minister writes that winter had set in earlier than 9 Rangström, Karl XI’s karusell (note 1), 24–32. 10

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Ibid. 32–39.

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usual and that several spectators had left the arena before the six hour long display had ended, because of the cold, feeling „fort incommodé“. 11 The illustrations which have come down to us from this carousel thanks to Ehrenstral’s engravings, are very trustworthy – because their accuracy is confirmed by another source, namely parts of the armour and other equipment used on the occasion and now preserved in the collection of the Royal Armoury in Stockholm. These surviving garments are unique. Nothing comparable has survived elsewhere, part of the reason being that theatrical costumes of this kind were for the most part made of perishable materials like textile, papier-mâché or plaster of Paris. The armour à la romaine which Charles XI’s used at the carousel, as well as the accoutrements for his horse are made of more durable material, namely gilded brass. The Roman standards carried in his quadrille consisted of gilded carved wood (Ill. 8).

V. The Artists and Craftsmen On the strength of accounts and receipts, three artists can be connected with Charles XI’s carousel: the court architect Nicodemus Tessin, the elder, the court painter David Klöcker Ehrenstrahl, a native from Hamburg, and the court sculptor Nicolaes Millich, who was called to Stockholm from Antwerp in 1669. Tessin was the one who provided the festive decorations for Rännarbanan and the city. Ehrenstrahl supervised the production of the carousel participants’ equipment. He was also the one who countersigned the bills for everything made by Millich. The accounts refer to Roman habits complete with leather casques and the three Roman insignia. Millich also provided moulds for the confectioner Jurgen den Cock, who created a Suecia image, a Janus-faced head and portraits of various kings of Sweden for the banquet. Millich also collaborated with the silversmith Hans Clerck, who added sword hilts and lion heads to models supplied by him. Probably it was Clerck who made the knight’s armours, after the models of Roman habits mentioned in Millich’s accounts. The accounts also tell us that the tailor Tolle Ballie made the Roman garments worn by the king and other quadrille members. Large quantities of ponsou (poppy-co11 Report by french envoy Rousseau de Chamoy to minister Marquis de Pomponne (1672); Archives des affaires étrangères, Paris, Correspondance politique, Suède 41.

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lour) and coleur de feu velvet were withdrawn from the storehouses of the royal wardrobe, together with silver and fold brocade, isabelline-coloured silk, taft roial and elk skin for Roman skirts. For the roman buskins Jacob Schwarzkopf the shoemaker was engaged. In his accounts, the king’s weisse Stibbel are entered at nearly twice the value of those worn by the other knights. The wardrobe accounts also give the name of a painter, Carl Höyer, who among other things painted casques and shields. The surviving Roman silk standard was doubtless painted by him as well. Daniel Balliet the plume-maker put the finishing touches to the costumes designed for the night and the horses. For the king’s helmet he used „ten fine ,cloeur de feu‘ feathers“ and „two ditto ,panaches‘ with double feathers“. Both red and white feathers were used for the horse decorations. Lastly the accounts mention the carpenter Lucas Meijlandt, who made the king’s carousel lance. Several lances are recorded from 1668 onwards. The surviving one which is carved and fret-sawn was delivered a couple of days before the carousel. The records show that, while putting in some advance practice for the carousel, the king broke his lance, and a new one had to be made in a hurry. Meijlandt had been the royal carpenter since Queen Christina’s time. It was him, for example, who had made the triumphal arch erected in Stockholm for her coronation. It is tempting to assume that he was also commissioned in 1672 to make the triumphal arch which, according to Ehrenstrahl’s narrative, was put up at the entrance to Rännarbanan. 12

VI. Some Conceivable Artistic Prototypes Tessin, Ehrenstrahl and Millich were all familiar with the art of classical antiquity. During their tours abroad they had visited Rome and had had the opportunity of studying the armour, weapons and field insignia of ancient Rome as depicted on surviving triumphal reliefs. Another copious source for the study of Roman accessories were Mantegna’s magnificent cartoons depicting The Triumph of Caesar from the 1480s. Looking at the existing Roman insigna carried by the king’s knights, it is clear that Ehrenstrahl was closely familiar with Mantegna’s depiction. Various reproduc-

12

Riksarkivet/The Swedish State Archives: Kammararkivet, Likvidationer 1620–80 (Ehrenstrahl,

Nr.61–62); Kungliga biblioteket/The Royal Library, Stockholm: Eichhornska samlingen (Bildhuggare) J 15:3; Slottsarkivet/The Palace Archives: Reviderade Kledkammarräkenskapar 1672, B: 58.

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tions of Mantegnas work, e.g. by Rubens, made this a gold mine for subsequent artists in their appropriation of classical history. Mantegna has all the ingredients: trumpeters, standard-bearers, captives in chains, trophy-bearers and so on (Ill. 9). Another source of inspiration may have been Rubens’ festive decorations for the entry of Cardinal Infant Ferdinand into Antwerp, which was published in 1642 as the „Pompa Introitus Ferdinandi“. 13 This contained a wealth of ideas for anyone wishing to study triumphal arches, ancient costume and other equipment. There was a copy of it at the Swedish court. At the time of the carousel, the sculptor Nicolaes Millich, who provided the Roman standards and the models for the armour, was also busy carving a series of marble busts representing old Geatish monarchs for Drottningholm Palace. These were based on Emanuele Tesauro’s „Del regno d’Italia“, an illustrated work published in 1664 and describing kings of ancient Italy. Millich clearly gained further information from that book. There is no mistaking in the similarity of design of armour and helmets. 14

VI. French Influence with Political Overtones The most obvious, and most widely noted prototype for Charles XI’s carousel is the one which Louis XIV arranged in Paris ten years earlier, 1662, to celebrate the birth of his son, le Dauphin. The French carousel lasted for two days and involved about twice as many participants as that in Stockholm. Although in France five quadrilles took part instead of the four of the Swedish carousel, the quadrilles again represented different nationalities. And Louis XIV, like Charles XI, assumed the role of Le Chevalier de la Gloire, riding at the head of the Roman quadrille wearing an antique-style embroidered coat encrusted with diamonds. All the costumes were extravagant, yet the design and content of the carousel itself were quite simple. However, like later on in Stockholm, Louis XIV’s carousel began with a magnificent procession of the participants through the streets of the capital. It was immortalized in a sumptuous work published by Charles Perrault in 1670, illustrated by Israël Silvestre. The convenors of the Swedish festivities may, thus, have culled ideas from Per-

13 On this event and its staging see John Rupert Martin, The Decorations for the Pompa Introitus Ferdinandi. London 1972. 14 Rangström, Karl XI’s karusell (note 1), 65–71.

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rault’s publication, as well as from Menestrier’s manual on the subject, published in 1669 (Ill. 10). 15

VII. French and Swedish Versions of the Sun God Apollo In Erik Lindschöld, Secretry to the Marshal of the Realm, the Royal Court in Stockholm was an acknowledged authority on French Court festivities. He had lived in Paris for several years during the 1660s and had witnessed the emergence both of the absolute French monarchy and of the image of Le Roi Soleil. The analogy between the monarch and the sun was an ancient device, but in France it took on a distinctive appearance and the sun was adopted as official royal emblem. At the age of 15, Louis XIV had appeared in a court ballet as the sun god Apollo. For Charles XI’s fifteenth birthday in 1670, Erik Lindschöld wrote an adulatory poem in which Charles XI in similar fashion was acclaimed as the Apollo or Phoebus of the North. 16 There is a portrait, by Ehrenstrahl, showing the young king in his costume of Apollo which he wore for the ballet. Parts of that costume were used again for the carousel two years later. The Roman gilded skirt of brass straps is the same, while the corselet, short-sleeved gown and buskins were replacements. The boy-king must have grown out of his Apollo costume during the intervening two years, which would account for these particular parts being re-ordered from the various craftsmen (Ill. 11, 12). 17

VIII. A Present with a String Attached French influence in Sweden was very strong at the time of Charles XI’s carousel. The Italian diplomat Lorenzo Magalotti characterized the Court of Stockholm as a brillant French colony. French fashion was evident in everything from garden de-

15

Ibid. 72–79. On the 1662 carousel within the french tradition see Martin Wrede, Code, Konzept und

Konjunkturen des Rittertums in der französischen Hofkultur des 17.Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 33, 2007, 350–374.

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16

Lindschöld, Ehre-och Lyckönsknings Rijm Til (note 8).

17

Rangström, Karl XI’s karusell (note 1), 74–77.

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sign, coaches and costumes to personal behavior which Magalotti describes as urbane and polite. 18 There were close diplomatic links between Sweden and France at the time. France was anxious to ally Sweden to her policy of isolating Holland. Negotiations were in progress during 1672, and on occasion of his accession the King of Sweden was presented twelve Spanish and Arab horses, all equipped with splendid embroidered saddles and caparisons, a magnificent diplomatic present, by Louis XIV. Each set of equipment included a pair of pistols and a hunting gun made by the foremost French gunsmiths of the time. This was a very befitting gift. Charles XI was well known for his love of horses and riding. He was a shy young man, but Magalotti writes that „on horseback he is a completely different person and in every inch a King“. 19 Ehrenstrahl immortalized the horses in a series of full-scale portraits, and large parts of the horse equipment are still existent in the Royal Armoury. 20

IX. Classical Ideals and National Tendencies in Sweden 1. The Roman Tradition Because of the equipment used and through the theme of the victory of virtue and glory the 1672 carousel is more than an expression of the Roman, classical ideal or just a repetition or imitation of the Parisian carousel of 1662. Sweden was now one of the great powers in Europe, and the Roman ideal had prevailed there throughout the seventeenth century, both in education and in the homes of the aristocracy. Architects and painters made frequent use of the arsenal of literary and aesthetic symbols which ancient history provided. The ceilings and murals of castles and palaces were crowded with the characters of classical mythology and with allegorical figures dressed up à l’antique. Poets paid tribute to Gustavus Adolphus as a Roman Augustus whose pursuit of peace, as in the case of Emperor Augustus himself, also extended to foreign lands. Earlier still, in 1651, Erik XIV had posed as a triumphant Roman victor, when, following his coronation in Uppsala, he rode into Stockholm

18 Lorenzo Magalotti, Sverige under år 1674. Ed. Carl Magnus Stenbock. Stockholm 1912 (reprint Stockholm 1986). 19 Ibid. 10–11. 20 Rangström, Karl XI’s karusell (note 1), 76–79.

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through a triumphal arch. At Queen Christina’s coronation in 1650, material for the festive pageantry was taken from ancient mythology. The Queen was depicted, in antique-style armour, as the equal of Minerva and Athena. Quite possibly she appeared thus appareled at one of the court’s many costume festivities. It is at the court of Christina that the Chevalier de la Gloire appears on Swedish soil for the first time, namely in 1654, with Charles X leading Les Chevaliers de la Gloire in a tilting of the ring arranged in honour of the abdicating Queen. During Christina’s reign, the nobility had themselves portrayed wearing Roman costumes and during the reign of Charles X and Charles XI this fashion continued. 21 2. Gothicism and the Romance of Chivalry It is not only the Roman tradition which makes itself felt in Charles XI’s carousel. In fact we have a merger of two classical traditions. The king, it is true, appeared in Roman armour, but it was the ancient and glorious Geats that he and his knights represented. The „Age of Greatness“ was also a great period of national historical research. The ancient Geatish past provided themes of political propaganda and selfglorification. 22 Much of the material for the Geatish world of ideas came from Johannes Magnus’s brilliantly imaginative depictions of the kings of the ancient Swedes and Geats. They were now transformed from crude barbarians to refined humanists subscribing to the ideals of virtue and honour. In the woodcut illustrations of the history they are portrayed as Roman generals. 23 Swedish seventeenth-century historians devoted much intellectual effort to prove that the cradle of civilization had been located in Sweden. In „Atlantica“, the great manifesto by Olof Rudbeck 24, Sweden is made the original homeland of the gods and the learning and science of antiquity. Greece and Rome were dethroned. Sweden was identified with the submerged island of the Hyperboreans, a people who lived on an island in the northern ocean and worshipped Apollo. Through a stroke of imaginative genius, Rudbeck now identified the Hyperboreans’ temple of Apollo with the old pagan temple of Uppsala. So

21

Ibid. 80–85.

22

On Gothicism see Kurt Johannesson, The Renaissance of the Goths in Sixteenth-Century Sweden. Jo-

hannes and Olaus Magnus as Politicians and Historians. Berkeley, Cal. u.a. 1991; Inken Schmidt-Voges, De antiqua claritate et clara antiquitate Gothorum. Gothizismus als Identitätsmodell im frühneuzeitlichen Schweden. Frankfurt am Main 2004.

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23

Johannes and Olaus Magnus, Historia de gentibus septentrionalibus. Rom 1555.

24

Olaus Rudbeck, Atlantica. Svenska originaltexten. Ed. Axel Nelson. 5 Vols. Stockholm 1937–50.

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the appearance of Charles XI as Apollo in his 1670 birthday ballet can also be linked with Sweden’s naturalization of the Hyperboreans. 25 Gustavus Adolphus introduced the ancient Geats as a component of pageantry. This happened at his coronation tournament of 1617, when the king himself took the part of the mythical ancient King Berik – founder of the Geatish/Gothic realms across the Baltic. The Geatish champions in Gustavus Adolphus’s quadrille are endowed, like Roman heroes, with the qualities of courtly chivalry. In hastiludes during the reign of Christina, cartels could still be issued in the name of the Geatish forebears. Costumes from one such pageant are still extant at Skokloster Castle. They are made of silk in the national colours blue and yellow, but are all in classical alla romana style. Charles XI’s accession carousel in 1672 expresses thoughts already manifest in the Gothicism earlier in the century. The king and his knights appear as the heirs of Gustavus Adolphus’s chivalrous champions. 26

X. The Purpose of the Carousel What was the reason for spending such vast sums of money on a lavish display like Charles XI’s carousel? What was the purpose of the opulent ceremonial attending his accession? Was there a message, and if so, who sent it and who was meant to receive it? As Roy Strong has shown in his standard work on Renaissance festivities 27, these occasions were not just entertainments. Even if political messages are by no means the first association that comes to mind at the sight of these brilliant, sumptuous spectacles, that is exactly what they were all about. They were intended in the words of Menestrier, to be read as contemporary allegories of state. In his Fabrication of Louis XIV the British cultural historian Peter Burke has described the effective propaganda machinery behind the making of a glorious king. 28 Familiar heroes of history and mythology were enlisted in creating that image. Media such as architecture, painting, sculpture, ritual, ceremony and court festivities were utilized for and charged with political messages. Reproducible media were especially effec-

25 Rangström, Karl XI’s karusell (note 1), 85–89. 26 Ibid. 86f. 27 Strong, Art and Power (note 5). 28 Peter Burke, The Fabrication of Louis XIV. London 1992, 151–178.

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tive. These included the printed word and pictures. Burke maintains that there were above all three target groups. Firstly, a high-ranking native audience, secondly the courts of foreign states and thirdly, posterity. Does this also apply to the Sweden of Charles XI and to the particular manifestation accompanying his accession to the throne? In Ehrenstrahl’s Certamen Equestre, the initiative for the carousel is said to have come from the king personally, as a means of giving his people something to feast their eyes on. For the benefit of those who were not present, and for succeeding generations, these „solemnities“ were to be recorded in engravings. Thus, he had in mind both the contemporary world and posterity. Burke’s theory of a high-ranking domestic target group is also confirmed by Ehrenstrahl. When he writes that the carousel was intended to encourage chivalrous virtues, it is the aristocracy, high and low, that he is referring to. The image of Charles XI conveyed by the content of the carousel was admirably suited for consumption by the other royal courts of Europe. From the very first day of his reign, the successor to the throne is portrayed as a peace-loving, strong monarch under whose direction all countries will be united against any evil. The message was conveyed to its intended foreign addressees by the foreign envoys resident in Stockholm. Ehrenstrahl’s publication, like other literature of its kind, was intended for foreign courts and for both foreign and native posterity. It was printed in German, with the title page and captions in Latin. There was no real hurry involved: It was not until 1685 that the book finally came off the press 29.

XI. Concluding Remarks Peter Burke finds a number of European courts imitating the French methods of royalist propaganda. Charles XI, by reproducing Louis’ Parisian carousel, is claimed to have been one of the first of them. What I tried to show is that the background to Charles XI’s carousel was more complicated. At first sight, the two carousels are strikingly similar: quadrilles representing nations, monarchs appearing in Roman costume under the name of Le Chevalier de la Gloire, the transformation of the original carousel to straightforward competi-

29

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See note 1.

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tive event, and the magnificent impression made by the large numbers of participants in lavish costumes. In these carousels, everything was clearly spelt out. They had none of the hidden allegorical messages expressed in previous and other contemporary Renaissance and Baroque pageants. When Charles XI and Louis XIV, both at the beginning of their reigns, rode through the streets of Stockholm and Paris, there could be no doubt that the scepter had been grasped by an august, victorious, enlightened and heroic monarch. Charles XI, as we have now seen, had a native tradition to fall back on when manifesting his accession in the grandiose carousel. Running at the ring with rival national quadrilles, Roman heroes and Chevaliers de la Gloire was nothing new. But the political situation in Sweden in 1672 made it sound politics to highlight the Franco-Swedish alliance through an outward display of similarity between the equestrian representation of the two monarchs. It is clear that French expertise was also drawn upon through the consultation of Menestrier’s manual. The introduction of the very word carousel, carrosel, is also a Francophile gesture. But Charles XI is not just a pale imitation of the King of France. He acts with great self-awareness and almost provocative grandezza. It is under the command of the king of Sweden that all good forces in Europe will rally in the fight against evil. Le Roi Soleil had his match in Charles XI. The Apollo of the North could refer to his country’s proud tradition and historical research, whereby Sweden had been designated the very cradle of human history. In both Sweden and France, pageants of more ingenious content and design had been staged earlier, but it is the carousels of Charles XI and Louis XIV which, in the effective propaganda writings of Ehrenstrahl and Perrault, have gone down in history as the most magnificent of all.

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Ill. 1: Illuminated festival architecture at Stortorget in 1672. The Felicitá sculpture was carved by Nicolaes Millich; Ehrenstrahl, Certamen Equestre.

Ill. 2: Charles XI, as Le Chevalier de la Gloire, represented the ancient Geats in the first quadrille, wearing armour à la romaine and escorted by lictors carrying fasces, 19 December 1672; Ehrenstrahl, Certamen Equestre.

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Ill. 3: Horn-blower in the Geats’ quadrille; Ehrenstrahl, Certamen Equestre.

Ill. 4: Turkish drummers and trumpeters of the second quadrille; Ehrenstrahl, Certamen Equestre.

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Ill. 5: The Poles of the third quadrille were led by Count Bengt Oxenstierna; Ehrenstrahl, Certamen Equestre.

Ill. 6: The fourth quadrille, representing the other powers of Europe, were dressed after the fashion of the time; Ehrenstrahl, Certamen Equestre.

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Ill. 7: The riding school at Rännarbanan. Charles XI is depicted running at the ring; Ehrenstrahl, Certamen Equestre

Ill. 8: Charles XI’s surviving carousel equipment à la romaine; photo: G. Schmidt, The Royal Armoury, Stockholm.

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Ill. 9: Engraving after Mantegna’s Triumph of Caesar, Andrea Andreani 1599; The Royal Library, Stockholm.

Ill. 10: Louis XIV as Le Chevalier de la Gloire in Roman costume at the Paris carousel of 1662, from Perraults Courses de testes et de bague…, Paris 1670; The Royal Library, Stockholm.

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Ill. 11: The fifteen year-old Charles XI as Apollo at his birthday celebrations in 1670, oil on canvas, David Klöcker Ehrenstrahl; Nationalmuseum Stockholm.

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Ill. 12: Charles XI’s gilded brass armour, probably made by the silversmith Hans Clerck after a design by Nicolaes Millich; photo: G. Schmidt, The Royal Armoury, Stockholm.

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Turnier und Kulturtransfer Das Carrousel Friedrichs II. von Preußen und die Neudefinition königlicher „Größe“ im Zeitalter der Aufklärung. von Thomas Biskup

König Friedrich II. von Preußen hat bereits im 18.Jahrhundert eine ganze Reihe von Beinamen erhalten – „roi-philosophe“ und „roi-connétable“, der „Große“, „der Einzige“, und gar Preußens „Heiliger“. 1 Es ist bezeichnend für den Wandel von Herrschervorstellungen um 1800, dass Friedrich kurz nach seinem Tod von einem protestantischen Theologen „heiliggesprochen“ wurde, während die in der Frühen Neuzeit so häufige Präsentation des protestantischen Herrschers als Vorkämpfer des eigenen Glaubens in den Friedrichbildern ganz fehlt. Dies ist nicht nur auf die religiöse Pluralität der brandenburg-preußischen Kompositmonarchie oder die offen zur Schau gestellte Distanz Friedrichs II. zu Religion und Kirche zurückzuführen. Denn diesen zum Trotz schien der miles christianus noch während des Siebenjährigen Krieges in der protestantisch geprägten Panegyrik von Friedrichs britischen Verbündeten ebenso auf wie in den Predigten preußischer Pastoren, die ihren Landesherrn in das Gewand eines alttestamentarischen Königs kleideten und als von Gott beschützter heiliger Krieger seine Feinde in die Flucht schlagen ließen. Die ein Vierteljahrhundert später auf Friedrich gehaltenen Trauerpredigten hingegen priesen den Verstorbenen als einen pflichtbewussten, gerechten und gütigen Landesvater, der sich für das Wohl aller bis hinunter zum rangniedrigsten Untertanen eingesetzt habe. 2 Dem

1 Karl Wilhelm Ramler nannte Friedrich bereits in seiner 1763 erstmals veröffentlichten „Ode auf die Wiederkunft des Königs“ den „Einzigen“. Nach 1786 verfasste der Halberstädter Theologe Gottlieb Nathanael Fischer eine „Mein Heiliger“ betitelte Apotheose Friedrichs. Beide Gedichte sind abgedruckt in: Erduin Julius Koch, Odeum Friedrichs des Grossen. Berlin, Nauck 1793, 11f., 77–80. Andreas Pečar, Friedrich der Große als Roi Philosophe, in: Friedrich300 – Colloquien, Friedrich der Große: Politik und Kulturtransfer im europäischen Kontext: URL: . Zu Friedrichs Selbststilisierung nunmehr: Jürgen Luh, Der Große: Friedrich II. von Preußen. Berlin 2011, bes. Kap. 1, 9–112. 2 Eckhart Hellmuth, The Funerals of the Prussian Kings in the Eighteenth Century, in: Michael Schaich (Ed.), Monarchy and Religion. The Transformation of Royal Culture in Eighteenth-Century Europe. Oxford 2007, 451–472, hier 467f.

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neuen, von der Gnade Gottes abgelösten Tugendbegriff der protestantischen Theologie folgend, wurde Friedrich selbst in den Predigten weniger als protestantischer König denn als Verkörperung einer allgemeinmenschlichen „Tugend“ präsentiert. Ebenso wenig wie als christlicher König erscheint Friedrich am Ende des 18.Jahrhunderts als roi-chevalier, obwohl er in seiner Jugend selbst noch den „edlen Ritter“ Prinz Eugen von Savoyen als herausragendes Beispiel des Ruhmes und der Größe besungen hatte. 3 Die Konjunkturen der noch während Friedrichs Regierungszeit abklingenden Bezüge auf Christentum und Ritterlichkeit deuten an, dass im Verlauf des siècle des lumières auch Vorstellungen herrscherlicher Größe transformiert wurden. Die in Deutschland bereits zu Lebzeiten des Königs einsetzende Friedrichverehrung hat ihn von anderen, früheren „Großen“ der Geschichte abzusetzen und als (preußisches wie deutsches) Nationalsymbol in Dienst zu nehmen gesucht. 4 Einher ging damit der Versuch, die vielfältig schillernde Figur des frankophonen, atheistischen und von seiner Gattin getrennt lebenden Herrschers mit deutsch-bürgerlichen Werten wie Sparsamkeit, deutscher Kultur, protestantischem Glauben und „geordnetem“ Eheleben zu vereinbaren. Dadurch wurde das bis heute wirkmächtige, bis zur Karikatur verzerrte Bild des „Alten Fritz“ gezeichnet. Bereits bevor der Wirtschaftshistoriker Wilhelm Roscher in seiner bekannten Absolutismus-Typologie Friedrich zum Repräsentanten des „aufgeklärten Absolutismus“ machte und ihn so in ausgeprägten Gegensatz zum „höfischen Absolutismus“ eines Ludwig XIV. setzte, wurde die vermeintlich protobürgerliche Lebensweise Friedrichs herausgehoben, der ohne großen Hofstaat und Zeremoniell ausgekommen sei und nur Zerstreuung im Spiel mit Hunden und Flöte gefunden habe. 5 Tatsächlich legte auch

3 Friedrich II. von Preußen, Ode de la gloire, in: Johann David Erdmann Preuß (Hrsg.), Œuvres de Frédéric le Grand. Bd. 11. Berlin 1849, 98–101. Zum englischen Friedrichbild des 18.Jahrhunderts immer noch: Manfred Schlenke, England und das friderizianische Preussen, 1740–1763. Ein Beitrag zum Verhältnis von Politik und öffentlicher Meinung im England des 18.Jahrhunderts. Freiburg im Breisgau/München 1963. Zu den preußischen Kriegspredigten: Hans-Martin Blitz, Aus Liebe zum Vaterland. Die deutsche Nation im 18.Jahrhundert. Hamburg 2000, 171–186, sowie weiterhin: Curt Horn, Die patriotische Predigt zur Zeit Friedrichs des Großen, in: Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte 19, 1924, 78–128. 4 Peter-Michael Hahn, Friedrich der Große und die deutsche Nation. Geschichte als politisches Argument. Stuttgart 2008, 53–65. 5 Wilhelm Roscher, Geschichte der National-Oekonomik in Deutschland. München 1874, 380f. Zur Genese neuer Friedrichbilder in den noch vor 1800 erschienenen Anekdotensammlungen und den Stichen Chodowieckis: Eckhart Hellmuth, Die „Wiedergeburt“ Friedrichs des Großen und der „Tod fürs Vaterland“. Zum patriotischen Selbstverständnis in Preußen in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts, in: ders./Reinhard

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Friedrich selbst Wert darauf, sich von früheren Modellen herrscherlicher Größe abzusetzen. Er verspottete die Herrscher des Mittelalters ebenso wie jene Renaissancefürsten, die sich selbst mit Alexander dem Großen verglichen, aber nur über kleine deutsche Fürstentümer herrschten. Den „Pomp“ und „eitlen Glanz frivoler und unnützer Zeremonien“ kritisierte er selbst bei Mitgliedern seines eigenen Hauses. 6 Freilich dürfen derartige ironische Äußerungen des Königs nicht einfach als Ausdruck einer konsistenten, vermeintlich aus jeder Äußerung ablesbaren Programmatik fürstlichen Handelns gewertet werden, sondern müssen in ihrem jeweiligen, häufig von literarisch-konversationellen Genrekonventionen geprägten Kontext betrachtet werden. Friedrichs Distanzierung von Panegyrik und herrscherlichem Aufwand ist zumeist in Gegensatz etwa zu seiner ausgedehnten Bautätigkeit gesehen worden, worin dann einer jener vermeintlichen Widersprüche aufscheine, wie sie ja auch sonst für diesen Monarchen charakteristisch seien. Allerdings ist es angezeigt, mit scheinbar einleuchtenden, in der Forschung lange dominierenden Gegensatzpaaren wie Aufklärung versus Hof oder Öffentlichkeit versus absolute Monarchie, die einen vermeintlich klaren Weg in die Moderne nachzuzeichnen erlauben, vorsichtig umzugehen. Daher ist auch Zurückhaltung dabei angebracht, in der höfisch-dynastischen Praxis Friedrichs II. (aber auch des 18.Jahrhunderts überhaupt) „Widersprüche“ zu diagnostizieren, die sich erst aus diesen Kategorisierungen ergeben. 7 Denn auch der vermeintlich so informelle Friedrich suchte seinen eigenen Rang in Relation zu anderen Herrschern wie zu seiner Umgebung in Preußen selbst stets aufs Neue zu bestätigen. Innerhalb von Dynastie und Militär wird dies deutlich in

Stauber (Hrsg.), Nationalismus vor dem Nationalismus? (Aufklärung. Interdisziplinäre Halbjahresschrift zur Erforschung des 18.Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte, 10/2.) Hamburg 1998, 23–54. 6 Aus zahlreichen Beispielen seien hier nur genannt: Friedrich II. von Preußen, Mémoires pour servir a l’histoire de la maison de Brandebourg, in: Johann David Erdmann Preuß (Hrsg.), Œuvres de Frédéric le Grand. Bd. 1. Berlin 1846, 125, 225; ders., Das Politische Testament von 1752, in: Friedrich von Oppeln-Bronikowski (Hrsg.), Friedrich der Große. Die politischen Testamente. München 1936, 21–114, hier 50; Reinhold Koser/Hans Droysen (Hrsg.), Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Voltaire. Bd. 2. Osnabrück 1965 (Reprint der Ausgabe 1909), 10. Zu Friedrichs Mittelalterverachtung im Kontext seiner Antikenverehrung: Ullrich Sachse, Cäsar in Sanssouci. Die Politik Friedrichs des Großen und die Antike. München 2008, 47–54. 7 Theodor Schieders Friedrichbiographie von 1983 trägt sogar den Untertitel „Ein Königtum der Widersprüche“; ähnlich aber auch durchaus Kunisch in seiner Biographie von 2004. Theodor Schieder, Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Berlin 1983; Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit. München 2004.

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der periodisch immer wieder erfolgenden zeremoniellen Abwertung seiner Geschwister wie auch herausragender Offiziere, ebenso in der von ihm genau kontrollierten Abfolge und Ausgestaltung der Hoffeste bis hin zu den Sitzordnungen der Hofdamen im Theater. Bei seinen Zusammentreffen mit rangniederen auswärtigen Fürstlichkeiten verfuhr Friedrich bei Handgewährung wie Tischordnung genauestens nach den Regeln des Zeremoniells. Dem Markgrafen von Bayreuth gegenüber wusste Friedrich den königlichen Vorrang seines Hauses auch am Bayreuther Hof selbst durchzusetzen, an dem seine Schwester Wilhelmine stets den ranghöchsten Platz vor ihrem Gemahl erhielt. 8 Auch zeitgenössische Diplomaten wussten Friedrichs vermeintliche Informalität entsprechend zu werten. So wies der britische Gesandte in Berlin, Sir Andrew Mitchell, im Jahre 1766 Londoner Vorgesetzte darauf hin, Friedrichs gelegentliche Ironisierungen von Aufwand und Präzedenz nicht für bare Münze zu nehmen, denn sobald es um seine eigene Stellung gehe, nehme er diese Kategorien sehr ernst. Er wolle nie jemandem nachstehen, sondern sei geprägt von „vanity, and a desire on every occasion to have the lead, or, at least, to seem to have it. [...] The nomination of an ambassador to Russia, who is only to call upon him en passant, may make him jealous of the preference given to that Court, for, though upon some occasions he laughs at all formalities, yet no man is more tenacious of them in whatever he thinks touches his rank, dignity, and consideration.“ 9

Tatsächlich geht eine Historiographie fehl, die etwa aus Friedrichs Weigerung, Malern Porträt zu sitzen oder die Genehmigung zur Errichtung von ihm gewidmeten Denkmälern zu erteilen, schließt, der Beiname „der Große“ sei dem allzu Bescheidenen nur von einer bewundernden Öffentlichkeit fast gegen dessen Willen verliehen worden. 10 Allerdings wäre es nun genauso falsch, Friedrichs häufig in beißen-

8 Gerade Friedrichs Brüder wie der militärisch erfolgreiche Heinrich hatten unter diesen demonstrativen Bestätigungen der Hierarchie zu leiden. Vgl. Chester Easum, Prinz Heinrich von Preußen: Bruder Friedrichs des Grossen. Göttingen 1958, 346–348. 1754 befahl der König die Einhaltung der höfischen Rangordnung im Französischen Theater: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (künftig: GStA PK), Rep. 36, Nr.829, C, „Liste“. Zur Hierarchiewahrung gegenüber den Bayreuther Verwandten: Historische Nachricht von denen Lustbarkeiten, welche der König, bei Gelegenheit der Ankunft J. Königlichen Hoheit und des Durchlauchtigsten Marggrafens von Brandenburg-Bayreuth, im Monate August, 1750, zu Potsdam, zu Charlottenburg und zu Berlin angestellet hat. Berlin 1750, 5f. 9 Andrew Bisset (Ed.), Memoirs and Papers of Sir Andrew Mitchell, K.B. London 1850, 363f. 10

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Dies streicht besonders deutlich heraus: Luh, Der Große (wie Anm.1), 9f.

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den Spott gekleidete Distanz zu Hof und Zeremoniell zu ignorieren und den Schluss zu ziehen, seine Ironie sei gleichsam „nur Scherz“ und „nicht so gemeint“ gewesen, etwa im Sinne von: „Eigentlich“ war Friedrich ein höfischer absolutistischer Herrscher wie andere auch, er setzte sich nur verbal von ihnen ab. Das war nun ganz offensichtlich auch nicht der Fall. Vielmehr scheint das Verhältnis von Ironie und höfischem Aufwand bei Friedrich II. komplexer zu sein. Die von Friedrich eröffnete ironische Spannung verweist somit auf die sehr spezifische Position, die der roiphilosophe im Gefüge von höfischer Öffentlichkeit und der république des lettres einzunehmen trachtete. Näher bestimmen lässt sich diese anhand des Carrousels, das Friedrich 1750 anlässlich des Besuchs des Markgrafen und der Markgräfin von Bayreuth (Friedrichs „Lieblingsschwester“ Wilhelmine) in Berlin veranstalten ließ. Damit ist eine jener Turniertraditionen benannt, die im Allgemeinen nicht mit Friedrich II. in Verbindung gebracht werden. Deutlich wird hier, wie sich der roi-connétable über die Aneignung höfisch-ritterlicher Traditionen eine Stellung in der höfischen Öffentlichkeit und einen Platz in der Geschichte zu sichern suchte, für welche er dem von ihm initiierten französisch-preußischen Kulturtransfer eine eben so große Bedeutung wie seinem militärischen Erfolg zuschrieb.

I. Friedrichs Turnier Am 8.August 1750 traf das Bayreuther Markgrafenpaar in Potsdam ein, wo es vom König, seinen Brüdern, dem Bruder der Königin und anderen hochgestellten Mitgliedern der Hofgesellschaft willkommen geheißen wurde. Es folgte eine einmonatige Reihe von Feierlichkeiten, die sich über die gesamte Berlin-Potsdamer Schlösserlandschaft erstreckte. 11 Der König hatte den genauen Ablauf sämtlicher Ereignisse eigenhändig festgelegt, und zwar von der Reihenfolge der Opernaufführungen und Bälle bis hin zum letzten Intermezzo. Den Höhepunkt bildeten am 24. und 25.August ein Manöver der Berliner Infanterieregimenter auf dem Tempelhofer Feld und das Carrousel genannte Reitturnier im Berliner Lustgarten. 12 Kurz nach 11 Der bis ins Detail reichende Gestaltungswille Friedrichs bei den Vorbereitungen zu diesem und den anderen „Familientreffen“ am Hofe Friedrichs wird in den Akten deutlich: GStA PK, I. HA Rep. 36, Nr.827– 852. 12 Lange Zeit die einzige Publikation zu diesem Turnier war der Aufsatz von Lena Rangström, The Berlin Carousel of 1750, in: Livrustkammaren. Journal of the Royal Armoury 1993, 89–120.

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dem mit dem Aachener Frieden beendeten, insgesamt acht Jahre langen Österreichischen Erbfolgekrieg bot diese Festfolge erstmals die Gelegenheit, die seit 1740 fertiggestellten Um- und Neubauten der Schlösser Charlottenburg, Sanssouci und Potsdam sowie ihre Ausstattung (Carrara-Marmor, Gold, Möbel, vor allem das goldene Tafelservice), die neue Oper in Berlin, das neue französische Theater, die Hofkapelle und die 1744 wiedergegründete Berliner Akademie dem europäischen Publikum ausführlich zu präsentieren. Gezeigt wurde so, wie eine offizielle Festbeschreibung formulierte, dass „dieser Monarch, wenn er der tapferste und weiseste unter den Königen war, zu gleicher Zeit der prächtigste wurde“ 13. Die Verbindung von Pracht und Macht ist hier entscheidend, denn auch nach den jüngsten Friedensschlüssen von 1745 und 1748 blieb die machtpolitische Position Preußens ungesichert. Mit dem Friedensschluss von Dresden 1745 zwischen Preußen und Österreich und dem weit umfassenderen Frieden von Aachen 1748 war zwar jener Österreichische Erbfolgekrieg beendet worden, den Friedrich bekanntlich selbst mit seinem Einmarsch in Schlesien ausgelöst hatte. Der Rang des misstrauisch beäugten Aufsteigers Preußen, das sich dem wiedererstarkenden Österreich bald nahezu allein gegenübergestellt sah, blieb jedoch weiterhin strittig. 14Am Berliner Carrousel vom 25.August nahmen bis auf den König die prominentesten Mitglieder des Hofes persönlich teil. Das Carrousel, ein öffentliches Ritterspiel, in dem die Teilnehmer Ringrennen, Lanzenbrechen und andere Reitübungen vorführen, ist die aufwändigste Form höfischer Festlichkeit. Im Reiten kamen der Literatur der Zeit zufolge die Führungsfähigkeiten eines Adligen zum Ausdruck: Die Beherrschung eines Pferdes wurde als Bestätigung der Herrschaftsbefähigung gesehen, und umgekehrt konnten Fehler als entsprechender Mangel gewertet werden. 15 Friedrich verzichtete auf die eigene Teilnahme und beobachtete das Carrousel von seiner auch architektonisch herausgehobenen Position aus. Dies ist wohl nicht nur auf seinen Mangel an Reittalent zurückzuführen; vielmehr tritt Friedrich hier in die Tradition seines Vaters Friedrich Wilhelm I. ein, der ebenfalls Schlittenrennen und ähnliche höfische Festlichkeiten nur beoachtet, nicht jedoch an ihnen teilgenommen hatte. Die Durchführung eines Car13

Historische Nachricht (wie Anm.8), 3.

14

Hamish M. Scott, The Birth of a Great Power System, 1740–1815. Harlow 2006, 68–70.

15

Elaine Walker, „The Author of their Skill“. Human and Equine Understanding in the Duke of New-

castle’s „New Method“, in: Peter Edwards/Karl A.E. Enenkel/Elspeth Graham (Eds.), The Horse as Cultural Icon. The Real and Symbolic Horse in the Early Modern Period. (Intersections. Interdisciplinary Studies in Early Modern Culture, 18.) Leiden 2008, 327–350.

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rousels erforderte eine enorme Anzahl an Teilnehmern und Pferden sowie ein hohes Maß an Choreographie – die Berliner Teilnehmer übten einen Monat lang ununterbrochen unter reger Beobachtung der Bevölkerung; die Generalprobe fand laut „Vossischer Zeitung“ „in Gegenwart einer unzähligen Menge Menschen“ statt. 16 Das Carrousel stellte somit ein rares Ereignis im höfischen Festkalender dar. Im Gegensatz zu anderen Festen hatte es keinen wiederkehrenden Charakter, sondern wurde nur bei außerordentlichen Anlässen aufgeführt, häufig nur ein- oder zweimal während einer jahrzehntelangen Regierung. In den Jahrzehnten um 1750 waren Carrousels noch seltener geworden. Zwischen 1730 und 1748, also in der Epoche der Polnischen und der Österreichischen Erbfolgekriege, hatte es in Europa überhaupt keine ressourcenintensiven Turniere mehr gegeben, da die hierfür benötigten adligen Reiter und ihre Pferde im Krieg gebunden waren. Die letzte Blütephase des Carrousels, die Helen Watanabe-O’Kelly für die 1720er Jahre konstatiert, lag in eben jenem Friedensjahrzehnt, das von Kongressdiplomatie und nicht von Kriegen gekennzeichnet war. 17 Zusätzlich zum generell aufwendigen Charakter dieses Zeremonielltypus aber setzte Friedrich sein Carrousel noch in einen besonderen ikonographischen Rahmen. In diesem Fall gab es vier sogenannte Quadrillen, also aus Mitgliedern der Hofgesellschaft bestehende Reitergruppen, die als Römer, Karthager, Griechen und Perser kostümiert waren. Hier werden also die militärisch erfolgreichsten Völker der Antike zitiert, die in absteigender Seniorität von den Brüdern Friedrichs angeführt wurden, nämlich den Prinzen August Wilhelm, Heinrich und Ferdinand sowie von Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt. Ebenso wichtig wie das Reiten mit der Lanze, dem Wurfspieß und dem Schwert war allerdings der Einzug der adligen Teilnehmer und Zuschauer, der ja erst die Vorführung der kostbaren Equipagen, Ausstattungen und Musiker erlaubte. Bezeichnenderweise nimmt denn auch die Beschreibung des Einzugs im offiziellen Festbericht, dessen Schwerpunktsetzung hier ganz der Zeremoniellliteratur entspricht, über 90 Prozent des Textumfangs ein. Neben Gold und Silber wurden die Kostüme von den Farben rot und blau dominiert, in

16 Berlinische privilegirte Zeitung. Berlin, Voss, Nr.102, 25.August 1750. 17 Helen Watanabe-O’Kelly, Triumphall Shews. Tournaments at German-speaking Courts in their European Context 1560–1730. Berlin 1992, 135. Zum Dresdner Turnier von 1719: Cornelia Jochner, Planetenfeste, kulturelles Gedächtnis und die Öffnung der Stadt. (Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 24.) Marburg 1997, 249–270.

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denen auch die Uniformen der Armee gehalten waren. Der „römische“ Adler, den die Reiter der ersten Quadrille tragen (August Wilhelm trägt sogar einen „großen Adler von Diamanten“ auf der Brust), wird heraldisch gedoppelt als Wappentier der Brandenburger und Preußen. Er ist zugleich auch auf den Flaggen und Standarten jener Militäreinheiten zu sehen, die einen Kordon um den Festplatz bilden und die am Vortag das Manöver bei Tempelhof abgehalten hatten, und er wird bei der gleichzeitigen Illumination der benachbarten Häuser und Paläste in Kombination mit der Königskrone auch in Feuer vorgestellt. Der Berliner Lustgarten war zu einem verschwenderisch ausgestatteten Festplatz umgebaut worden und erstrahlte gegen Abend, wie der offizielle Festbericht hervorhebt, im Licht von nicht weniger als 30000 Lampen: „Der Bau an dem Chore des Königes und der Königinnen war nach Corinthischer Ordnung mit Marmor-Pfeilern und Säulen ausgezieret, deren Füße und Gesimse golden waren. Dieser Bau endigte sich in einem gekrönten Fronton, in welchem man des Königes Namen sahe. Das Chor war austapezirt und der Himmel war von Carmesin-Sammet und eben so mit goldenen Galonen und Franzen besezt, wie die Decke, welche über der Wand der Ballustrage hing.“

Die Kostüme der Teilnehmer waren, wie der in deutscher und französischer Sprache verfasste offizielle Festbericht betont, an „Glanz“, „Pomp“ und „Pracht“ nicht zu übertreffen: Es gab Purpur und Samt, Tiger- und Marderfell, Silbergaze und Drap d’Argent, Brokat und Atlas, Diamentenbesatz, Perlen und Rubinen, Silberzeug und Silber- und Goldstickereien. Noch die Sporen der Pferde bestanden dem Festbericht zufolge aus mit Diamanten besetztem Silber. 18 Turniere hatten bis ins 17.Jahrhundert immer wieder auf dem Platz vor dem Berliner Schloss (der dementsprechend „Stechbahn“ hieß) stattgefunden, das Carrousel war jedoch das erste dieser Art in Preußen überhaupt. Es stellte somit eine ganz neue Akzentsetzung Friedrichs dar, der 1728 in Dresden selbst das „Carrousel der Sieben Planeten“ erlebt hatte. Dieses wiederum hatte wesentliche Elemente des Dresdner Carrousels von 1719 wiederaufgenommen, dem Friedrichs vormaliger Zeremonienmeister Pöllnitz, der auch nach seinem Ausscheiden 1744 weiterhin zum engeren Kreis des Königs gehörte, als junger Mann beigewohnt hatte. Pöllnitz war als Herausgeber der „Historisch-Genealogischen Nachrichten“, die ausführlich über die Berlin-Potsdamer Festlichkeiten berichteten, und möglicher Mitautor der offiziel-

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Alle Zitate aus: Historische Nachricht (wie Anm.8), 6–8.

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len Festschrift nun daran beteiligt, der höfischen Öffentlichkeit Friedrichs Turnier anzuzeigen. 19 Jenes Dresdner Fest von 1719 galt noch Jahrzehnte später als ein Höhepunkt höfischer Festkultur. Zusammen mit dem Münchner Carrousel von 1722 war es die letzte echte Carrousel-Neuschöpfung im Heiligen Römischen Reich gewesen. Diese beiden Feste hatten um 1720 genau jene Hochzeitsverbindungen der beiden Töchter Kaiser Josephs I. (mit dem sächsischen Kurprinzen Friedrich August bzw. dem Bayern Karl Albrecht) zelebriert, aus denen die Häuser Wettin und Wittelsbach nach 1740 ihre Erbansprüche gegenüber den Habsburgern ableiteten. Durchzusetzen versucht hatten Sachsen und Bayern ihre Forderungen im Österreichischen Erbfolgekrieg, nach dessen Ende nun Friedrich der Große sein eigenes Carrousel veranstaltete. Auffällig ist hier nun, dass sich Friedrich gerade von den im Reich entwickelten Carrousel-Traditionen, welche die Höfe von Dresden, Wien und München vorangetrieben hatten, absetzt. München und Wien hatten in Anlehnung an italienische Vorbilder das Modell der „Turnieroper“ entwickelt, in der der Wettbewerbscharakter ganz hinter der musikalischen Choreographie zurückstand. Der Dresdner Hof Augusts „des Starken“ hingegen hatte sich besonders durch seine stets von einem allegorischen Thema gerahmten „Götteraufzüge“ einen Namen gemacht, bei denen etwa die Maitresse des Kurfürsten-Königs, Aurora von Königsmarck, auf einem Prunkwagen eben als „Aurora“ zur Schau gestellt wurde. 20 Im Vergleich zu diesen streng durchchoreographierten Veranstaltungen war das Berliner Carrousel von 1750 reduziert, es bestand nur aus den Kernelementen Einzug und Wettkampf. Friedrich orientierte sich somit nicht an seinen reichspolitischen Rivalen Dresden,

19 Die Lustbarkeiten und Ritterspiele am Preußischen Hofe bey Anwesenheit des Marckgrafens von Bayreuth, in: Neue Historisch=Genealogische Nachrichten von den Vornehmsten Begebenheiten, welche sich an den Europäischen Höfen zutragen, worinn zugleich vieler Stands=Personen Lebens=Beschreibungen vorkommen. Bd. 7. Leipzig 1751, 744–764. Die Autorschaft der Historischen Nachricht (wie Anm.8) bzw. ihrer französischen Ausgabe Journal Historique Des Fêtes, Que Le Roi A Données A Potsdam, A Charlottenbourg Et A Berlin – A L’Occasion De L’Arrivée De Leurs Altesses Roiale et Serenissime de Brandebourg-Bareuth, Au Mois D’Aout 1750. Berlin 1750, ist trotz vermeintlich eindeutiger Angaben in den Bibliothekskatalogen unklar. Wahrscheinlich ist eine Gemeinschaftsproduktion von Pöllnitz und Formey, die Beteiligung des damaligen Konrektors des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster, Johann Jakob Wippel, kann nicht erwiesen werden. Johann David Erdmann Preuß, Avertissement de l’Editeur, in: ders. (Hrsg.), Œuvres de Frédéric le Grand. Bd. 27. Berlin 1856, III Anm.D; Max Baumgart, Die Literatur des In- und Auslandes über Friedrich den Großen. Berlin 1886, 14. 20 Claudia Schnitzer, Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstattung von Verkleidungsdivertissements an deutschen Höfen der Frühen Neuzeit. Tübingen 1999, 4.

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München und Wien, sondern an den Turnieren Ludwigs XIV., die dieser nach dem erfolgreichen Friedensschluss mit Spanien 1662 und 1664 veranstaltet hatte. 21 Auch Ludwig hatte damals auf die Zurschaustellung von Maitressen und Gemahlinnen verzichtet, ebenso wie auf jene spektakulären Maschinenbauten, mit denen Dresden zu beeindrucken suchte. Vielmehr hatte sich Ludwig als militärisch erfolgreicher junger König präsentiert, der nach seiner Heirat gerade die Thronfolge sichergestellt hatte – hier bildeten die Regentschaftsregime während seiner eigenen wie der Kindheit seines Vaters die Negativfolie. Mit der konsequent verfolgten gloire hatte Ludwig zudem ein neuartiges kriegslegitimierendes Argument entwickelt, das sich merklich von den Habsburgern unterschied. Die Einteilung der Quadrillen und die Abfolge der Wettbewerbe in Paris wurden in Berlin fast genauso wiederholt, und Perraults Beschreibung des Pariser Carrousels wird zum Teil wörtlich im offiziellen Festbericht von 1750, dem Journal historique, wiedergegeben. Bereits Karl XI. von Schweden hatte sich bei seinem Stockholmer Turnier von 1672 an diesem französischen Modell orientiert, und der entsprechende Festbericht von Klöcker von Ehrenstrahl lag auch in Friedrichs Bibliothek. 22 Damit wendete sich der Preußenkönig demonstrativ von den im Reich entwickelten Turniertraditionen ab und verwies nach Frankreich, das zugleich Bündnispartner wie kulturelles Modell war. Die politische Konstellation des Sommers 1750 wird hier zeremoniell gespiegelt, denn die Höfe von Wien und Hannover-London verfolgten damals mit der Unterstützung Sachsens den Plan, den erst neun Jahre alten Erzherzog Joseph (den späteren Joseph II.) zum Römischen König wählen zu lassen. Damit sollte frühzeitig die Nachfolge des erst fünf Jahre zuvor gewählten Kaisers Franz I. Stephan im Sinne des Hauses Habsburg-Lothringen und seiner Verbündeten geregelt werden. Friedrich, der als Gegenleistung für die habsburgische Anerkennung seiner schlesischen Eroberung Franz Stephan seine Kurstimme gegeben hatte, widersetzte sich diesem weiteren Anstieg habsburgischen Einflusses energisch. 23 Für ihn blieb das 1741 mit Frankreich geschlossene Bündnis bis zum Vorabend des

21

Martin Wrede, Code, Konzept und Konjunkturen des Rittertums in der französischen Hofkultur des

17.Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 33, 2007, 350–374. 22

Dazu bereits Rangström, Berlin Carousel (wie Anm.12), 106–109. Vgl. den Beitrag von Lena Rangström

in diesem Band. 23

Reed Browning, The Duke of Newcastle and the Imperial Election Plan, 1749–1754, in: Journal of British

Studies 7, 1967–1968, 24–47; Volker Press, Friedrich der Große als Reichspolitiker, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Friedrich der Große, Franken und das Reich. Köln/Wien 1986, 25–56, hier 34f. Zur Reichspolitik

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Siebenjährigen Krieges der Eckstein seiner Außenpolitik. Frankreich war für ihn kulturell wie politisch die führende Macht in Europa, „das mächtigste Königreich Europas“, wie er im Testament von 1752 hervorhob, das nur eines neuen Richelieu oder Fleury bedürfe, um wieder aufzusteigen. Als mit Voltaire und Baculard d’Arnaud 1750 fast gleichzeitig zwei prominente französische Literaten in Friedrichs Dienst traten, befanden sich die diplomatischen wie kulturellen Beziehungen auf einem Höhepunkt, der auch auf Friedrichs Gespür für die Feinheiten diplomatischer Reziprozität verweist: Die Entsendung des ins Pariser Exil geflüchteten Jakobiten Tyrconnell als französischer Geschäftsträger in Berlin beantwortete Friedrich mit der Entsendung „seines“ Jakobiten George Keith, des früheren Earl Marischal von Schottland. 24 Das Ergebnis des Turnier-„Wettkampfs“ vom 25.August kann Friedrich kaum überrascht haben: Den ersten Preis erhielt der Thronfolger August Wilhelm, gefolgt vom zweitältesten Bruder des Königs, Prinz Heinrich, sowie von Herzog Ferdinand von Braunschweig, dem Bruder der Königin Elisabeth Christine und damit Schwager des Königs. Der letzte Preis ging an Reitergeneral von Zieten – die Preise wurden also strikt nach dynastischer Seniorität vergeben, und alle Preisträger waren Generäle der preußischen Armee. Auch die Preisrichter waren mit Generalfeldmarschall James Keith (dem Bruder des Gesandten am französischen Hof), Generalleutnant Graf von Hacke, Generalleutnant von Schwerin und Kriegsminister von Arnim allesamt hohe Militärs. Damit war das Berliner Carrousel eindeutig als „militärisch“ gekennzeichnet: Es ging hier um militärische, reiterisch-ritterliche Performanz, freilich in ranggemäß würdiger und prächtiger Gestalt. Die nächste Generation von Hohenzollernprinzen bewies hier ihre individuellen Fertigkeiten sowie die Stärke der Dynastie insgesamt. Frauen, die in Kursachsen noch im 17. und frühen 18.Jahrhundert auch an den Reiterturnieren teilgenommen hatten, wurden von Friedrich ausgeschlossen. Er betonte somit den männlich-ritterlichen Übungscharakter des Reitturniers, das die adlig-chevalereske Fortsetzung jener militärischen Übungen darstellte, die am Vortag das „Fußvolk“ mit der ebenfalls von Hof und Diplomaten beobachteten, ähnlich prunkvoll inszenierten Revue der Infanterieregimenter auf

Georgs II. nach dem Aachener Frieden: Brendan Simms, Three Victories and a Defeat. The Rise and Fall of the First British Empire, 1714–1783. London 2007, 355–383. 24 Sven Externbrink, Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich. Deutschlandbild und Diplomatie Frankreichs im Siebenjährigen Krieg. Berlin 2006, 154.

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dem Tempelhofer Feld begonnen hatte. 25 Gerade die preußische Kavallerie wurde unter Friedrich systematisch zu einer schlagkräftigen Waffe weiterentwickelt, und am entscheidenden preußischen Sieg bei Hohenfriedberg hatte das Dragonerregiment Ansbach-Bayreuth entscheidenden Anteil. Hierin ließe sich eine doppelte Referenz an die Bayreuther Gäste wie an die Waffengattung als solche sehen. Diese militärischen Bezüge heißen jedoch nicht, dass das Militär höfischen Prunk ersetzte, wie in Darstellungen zur preußischen Geschichte immer wieder zu lesen ist – vielmehr wurde Militär in den Festablauf integriert, in dem verschiedene Elemente von Fest und Kampf zusammengeführt wurden: Architektur und Tafel, Oper, Theater und Feuerwerk. Friedrich stellte sich hier also nicht einfach als prunkvoll feiernder Fürst, sondern als roi connétable dar, der nun seine Elitereiter inspizierte, so wie er am Tag zuvor das Manöver seiner Infanterie begutachtet hatte. Denn anders als die Militärmanöver des 19. und 20.Jahrhunderts waren die Revuen der preußischen Armee des 18.Jahrhunderts keine Gefechtsübungen im engeren Sinne, die etwa das Zusammengreifen unterschiedlicher Einheiten für den Kriegsfall probten. Vielmehr waren die immer in Residenznähe vor einem großen Publikum einheimischer und auswärtiger Gäste abgehaltenen Revuen stets auf den Schauwert hin inszeniert, der in der möglichst eindrücklichen Vorführung komplizierter Bewegungen von gleichförmig ausgerüsteten und einheitlich gedrillten Einheiten lag. 26 Im Fall von Friedrichs Carrousel fällt gerade der Vergleich mit den Turnieraufzügen und Manövern der sächsischen Kurfürsten und polnischen Könige ins Auge, denn während des Friedensjahrzehnts vor dem Siebenjährigen Krieg blieb der Dresdner Hof in Sachen Kunst- und Musikpatronage für Friedrich das herausragende Vorbild und der wichtigste Konkurrent im Reich. Friedrich schätzte den sächsischen Hofkomponisten Johann Adolph Hasse sehr und ließ seine Opern mehrfach aufführen, wie er auch Dresdner Opernlibretti von seinen eigenen Komponisten wie Carl Heinrich Graun neu interpretieren ließ. 27 Diese Kombination von Aneignung und Abstoßung Dresdner Themen tritt auch im Turnier hervor, für das zumindest ein Teilnehmer sogar sein Kostüm aus dem Fundus des Dresdner Opernhauses beschaffte. August der Starke hatte 25

Lustbarkeiten und Ritterspiele (wie Anm.19), 751f., 757f.

26

Jürgen Luh, Kriegskunst in Europa 1650–1800. Köln/Weimar/Wien 2004, 194–207. Helen Watanabe-

O’Kelly stellt hingegen für die sächsischen Carrousels zwischen 1695 und 1728 eine Depolitisierungsthese auf und kontrastiert sie mit militärischen Manövern wie jenem, zu dem August der Starke 1730 den preußischen König und Kronprinzen einlud. Watanabe-O’Kelly, Triumphall Shews (wie Anm.17), 136. 27

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Sabine Henze-Döhring, Friedrich der Große: Musiker und Monarch. München 2012, 62 u. passim.

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1730 in einem Feldlager, bei dem er seine Armee Friedrich Wilhelm I. vorführte, noch das Fest-Carrousel klar vom Militär-Manöver geschieden. Friedrich, der dieses Manöver in seinen Mémoires als „ein theatralisches Schauspiel [eher als] als ein echtes Sinnbild des Krieges“ kritisierte, führte hingegen beide Elemente in einer unmittelbar verknüpften Folge von „militärischen Lustbarkeiten“ zusammen. 28 Angesichts von Friedrichs bekannter Skepsis gegenüber der Wirksamkeit des Völkerrechts, dem das diplomatische Zeremoniell eng verbunden war, ist es somit nur ein scheinbares Paradoxon, dass Friedrich für seinen großen dynastisch-höfischen Auftritt nach dem Aachener „Waffenstillstand“ auf das Carrousel verfiel, das in den Randbereichen des Zeremoniells angesiedelt war. Die Zeremonielltheoretiker Lünig und Rohr klassifizierten es als rechtlich irrelevantes divertissement und suchten es damit als „unnütz“ aus dem an innerstaatliche Legitimität und Völkerrecht gekoppelten Zeremoniell auszusondern. 29 Genau diese Außenseiterposition machte das Carrousel für Friedrich attraktiv: Er umging das stets mit den Fallstricken von Präzedenzfällen verbundene diplomatische Zeremoniell, um sich mit einem éclat in einem völkerrechtlich garantiert unverbindlichen Zeremoniellbereich als „großer“ König in der Nachfolge Ludwigs XIV. darstellen zu können. Diese Positionierung kommt auch in Friedrichs Differenzierung zwischen ungewünschter „Zeremonie“ und „Fest“ zum Ausdruck, die er einige Monate zuvor in einem Brief an seine Schwester Wilhelmine erwähnt hatte. 30 Gerade als purer éclat war also das Carrousel für Friedrich als Herrscher und – in seiner Sicht – damit auch für den preußischen Staat in höchstem Maße nützlich.

28 „Les connaisseurs jugèrent que ce camp était plutôt un spectacle théâtral, qu’un emblème véritable de la guerre.“ Friedrich II., Mémoires (wie Anm.6), 184. 29 Johann Christian Lünig, Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-Platz Aller Ceremonien, Welche bey Päbst- und Käyser-, auch Königlichen Wahlen und Crönungen [...] Ingleichen bey Grosser Herren und dero Gesandten Einholungen [...] beobachtet werden. Bd. 2. Leipzig 1720, 1164–1215 („Vom Ceremoniel bey allerhand Exercitiis, nemlich Turnieren, Carrouselen, oder Ring=Rennen, Roß und andern Balletten, Stier=Gefechten, Schlitten=Fahrten, Scheiben=Schiessen, u.“); Julius Bernhard von Rohr, Einleitung zur Ceremoniell-Wissenschafft der grossen Herren. Hrsg. v. Monika Schlechte. Leipzig 1990 (zuerst Berlin 1733), 769–784, teilt sein Kapitel „Von Carousellen/Ringrennen und Roß-Balletten“ dem letzten Teil seiner Zeremoniellschau, den „hochfürstlichen Divertissements“ zu. 30 „Je voudrais au moins vous reçevoir une fois dans ma vie comme y étant préparé, sans cérémonie cependant, vous ne les aimez pas, et je les déteste, mais en témoignant mon contentement par des fêtes qui ne pourront que vous divertir sans vous embarrasser“, Friedrich II. an Wilhelmine von Bayreuth, 2.Mai 1750, in: Johann David Erdmann Preuß (Hrsg.), Œuvres de Frédéric le Grand. Bd. 17. Berlin 1856, 221.

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Die Feiern von 1750 ergänzten sich daher mit den bereits 1745 anlässlich des Dresdner Friedens organisierten Feierlichkeiten, indem sie diese um die Dimension der „Pracht“ und der „schönen Künste“ erweiterten. Bereits nach dem Frieden von Dresden 1745 hatte Friedrich der monde seinen Anspruch auf eine herausragende Stellung unter den Herrschern Europas demonstrativ vor Augen geführt. Bei seiner Thronbesteigung hatte er noch auf aufwendige Einholungen in die von ihm besuchten Städte verzichtet. Seine Rückkehr aus dem Krieg im Dezember 1745 wurde hingegen mit einem von der offiziellen Festbeschreibung als „triumphal“ bezeichneten Einzug gefeiert, in dem erstmals die Bezeichnung „Friedrich der Große“ benutzt wurde. 31 Während der Einzugsfeierlichkeiten pries ein Schulchor den König noch etwas vage mit einem sämtliche gängigen lateinischen Herrscherbeinamen aufzählenden „Vivat, vivat Fridericus Rex, Victor, Augustus, Magnus, Felix, Pater Patriae“. Die Bürgermilizkompanie der Kaufleute hingegen begrüßte den König bereits vor der Stadt mit einem „Vivat Friderich der Große“, das dann auch in den offiziellen Festbericht aufgenommen wurde. 32 Der König wehrte die Feiern und seinen neuen Beinamen keineswegs ab, sondern kommentierte sie mündlich „gnädig“ und fuhr am Abend gemeinsam mit der Königin und anderen Mitgliedern seines Hauses durch die Straßen der Stadt, deren Häuser festlich beleuchtet und mit zumeist lateinischen Inschriften dekoriert waren. Im Gefolge der borussischen Legende des 19.Jahrhunderts haben Historiker bis in die Gegenwart diese Feiern als Beleg dafür angeführt, dass die Bezeichnung „der Große“ nicht vom König ausging, sondern von dankbaren und bewundernden Untertanen an ihn herangetragen wurde. 33 Diese Sichtweise verkennt freilich den Charakter frühneuzeitlicher Einzüge wie Publikationsmechanismen, denn die Feiern und die in ihnen inszenierten zentralen Botschaften wurden von den Beteiligten stets im Vorfeld ausgehandelt. Es erscheint als undenkbar, dass der erste prominente Friedensauftritt des dritten Preußenkönigs nach der Besiegelung seiner schlesischen Eroberung nicht genau abgestimmt war, vor allem, da er mit den Begriffen „Triumph“ und „Größe“ das von Friedrich selbst immer wieder thematisierte Leitthema seiner Regierung betraf. Die preußische Staatszeitung ebenso wie die bei31

Dies betont bereits Schieder, Friedrich der Große (wie Anm.7), 470f.

32

Beschreibung des Triumphirenden Einzuges welchen Seine Königliche Majestät von Preussen Fried-

rich der Grosse am 28. Dec. 1745 in Dero Residentz-Stadt Berlin gehalten haben. Nebst den an selbigem Tage und am Friedens-Feste angestellten Illuminationen wie auch einer Nachricht von den öffentlichen Freudens-Bezeugungen der Stadt Potsdam. Berlin 1746. 33

300

So auch Schieder, Friedrich der Große (wie Anm.7), 470–472.

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den Jubelbände, die den Einzug und die auf Friedrichs Siege komponierten Gedichte priesen, wurden vom Verlag Haude und Spener herausgegeben, der als Hausverlag der preußischen Monarchie für die offiziellen Verlautbarungen des Königs zuständig war und in dessen Zeitung Friedrich selbst unter Pseudonym Artikel veröffentlichte. 34 Die von Friedrich 1740 verfügte Lockerung der Zensur, von der gerade die Haudeund Spenersche Buchhandlung profitiert hatte, war bereits während des Krieges 1743 wieder zurückgenommen worden. 35 So erscheinen die Feiern des Dresdner Friedens als der erste Versuch, Friedrich mit Mitteln des „Ceremoniels der großen Herren“ als einen „Großen“ zu etablieren, und die Historiographie hat hier insofern zu Recht den Beginn der öffentlichen Geschichte von Friedrichs „Größe“ lokalisiert. Dieser historiographische Rück-Blick birgt jedoch die Gefahr einer Verzerrung: Denn der Friede von Dresden war kein allgemeiner Friedensschluss und beendete keinesfalls den Österreichischen Erbfolgekrieg, sondern markierte nur das Ausscheiden Preußens aus den Feindseligkeiten. Die Aufmerksamkeit der anderen Höfe lag denn auch 1745 nicht auf den Berliner Friedensfeiern, sondern auf den weitergehenden militärischen Operationen und politischen Verhandlungen. Erst der umfassende Aachener Friedensschluss von 1748 bot Friedrich die Gelegenheit, in einem weiteren zeremoniellen Anlauf vor dem europäischen Publikum seine „Größe“ zu inszenieren.

II. „Größe“ im Zeitalter der Aufklärung: Friedrich als Agent des Kulturtransfers In den Feierlichkeiten vom Sommer 1750 werden Wertvorstellungen artikuliert, die über die rangregulativen Mechanismen des Zeremoniells in der höfischen Öf34 Sammlung einiger auserlesener Gedichte, welche auf die von Sr. Königl. Majestät von Preußen erfochtenen Siege sind verfertiget worden. Berlin 1746; Rudolf Schmidt, Deutsche Buchhändler – Deutsche Buchdrucker. Beiträge zu einer Firmengeschichte des deutschen Buchgewerbes. Bd.3. Berlin/Eberswalde 1905, 389–395. 35 Ulrike Schömig, Politik und Öffentlichkeit in Preußen: Entwicklung der Zensur- und Pressepolitik zwischen 1740 und 1819. Phil. Diss. Würzburg, 1989, 129f. Die enge Zusammenarbeit von Hof, Zensurbehörden und Verlegern in Preußen betont in Anlehnung an neuere Forschungsergebnisse zur französischen Zensur auch Edoardo Tortarolo, Censorship and the Conception of the Public in Late Eighteenth-Century Germany. Or, are Censorship and Public Opinion Mutually Exclusive?, in: Dario Castiglione/Lesley Sharpe (Eds.), Shifting the Boundaries. Transformations of the Languages of Public and Private in the Eighteenth Century. Exeter 1995, 131–150.

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fentlichkeit hinausreichen. Die von Friedrich immer wieder auch in dieser Koppelung genutzten Begriffe „Ruhm und Reputation“ sind dabei zentral für sein Verständnis von herrscherlicher „Würde“ und historischer „Größe“, die im 18.Jahrhundert über die Diskussion von Ruhm und Verdienst zugemessen wurde. „Ruhm und Reputation“ nannte Friedrich in genau dieser Wortkombination, aber auch in Varianten wie se faire un nom und honneur seit seinem Regierungsantritt in Denkschriften und in seiner Korrespondenz mit Ministern und Generälen immer wieder als zentrales Movens seiner Politik. Sie waren unmittelbar mit dem éclat verknüpft, den er bereits 1740 mit dem Einmarsch in Schlesien gesucht hatte. 36 Noch im Juli 1786 hob der französische Gesandte Graf d’Esterno Friedrichs „amour de la célébrité“ hervor. 37 Auswärtige Beobachter, darunter die Gesandten, verbanden dies direkt mit der Vorliebe des roi-connétable für Militär und Eroberung: „Unter den Hauptneigungen, so man an dem Könige wahrnimmt, stehet billig die Ruhmbegierde obenan. Sein vornehmster Wunsch scheint darin zu bestehen, daß sein Name groß und bei der Nachwelt unsterblich und verewiget werde. [...] Der bei ihm eingewurzelte Wahn, daß die höchste Ehre eines Regenten in Erweiterung der Grenzen seiner Botmäßigkeit bestehe, bewegt ihn, wo nicht alles, doch wenigstens sein vornehmstes Dichten und Trachten nur hierauf zu richten.“ 38

Mit „Ruhm und Reputation“ stellte sich Friedrich II. außerhalb der Maßstäbe des europäischen Zeremoniells und verwies auf die Geschichte als letztgültig über historische Größe entscheidende Instanz. Die Geschichtsschreibung ist für Friedrich nicht nur die „Schule der Fürsten“, die Friedrich in didaktischer Absicht immer wieder gegenüber seinen präsumtiven Nachfolgern hervorhebt. Sie ist auch der Ort, in dem Unsterblichkeit und Ruhm produziert werden. Um seinen Platz in der Historie zu sichern, warb er mit Voltaire den führenden Vertreter der französischen Aufklärungshistorie an und verfasste selbst bereits wenige Jahre nach Regierungsantritt

36

Kunisch, Friedrich der Große (wie Anm.7), 167–171, 209, 219. Dazu nunmehr ausführlich: Luh, Der

Große (wie Anm.1), 9–113. 37

Zitiert in: Gustav Berthold Volz, Ein österreichischer Bericht über den Hof Friedrichs des Großen, in: Ho-

henzollern-Jahrbuch 11, 1907, 270–274, hier 271. 38

Denkschrift des hannoverschen Gesandten vom 9.März 1742 („Einige Anmerkungen über den Cha-

rakter und die Gemütsbeschaffenheit verschiedener an dem preußischen Hofe sich enthaltenden Personen, aus eigener Erfahrung entworfen“), zit. in: Gustav Berthold Volz (Hrsg.), Friedrich der Große im Spiegel seiner Zeit. Bd. 1. Berlin 1926, 177–206, hier 183.

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die „Mémoires pour servir à l’histoire de la maison de Brandebourg“, die im Umfeld der Feierlichkeiten von 1750 redigiert und Anfang 1751 publiziert wurden. 39 Voltaire hatte seit Friedrichs Kronprinzenzeit mit ihm korrespondiert und ihm bereits 1737 erstmals jene historische „Größe“ souffliert, die in der Folge dann tatsächlich zum beherrschenden Ziel Friedrichs wurde. Gleich nach der Eroberung Schlesiens 1742 wollte der Preußenkönig Voltaire als Historiograph des Krieges gewinnen, und als Hofpropagandist des französischen Königs war Voltaire in den 1740er Jahren wieder verstärkt hervorgetreten, etwa mit seinem vielfach gepriesenen Gedicht auf den französischen Sieg bei Fontenoy (1745), das er Ludwig XV. gewidmet hatte. Es gelang Friedrich nach längerer Werbephase (und nach dem Tod von Voltaires Geliebter und Koautorin Mme. Du Châtelet), Voltaire im Juli 1750 nach Potsdam zu holen und genau während der Berliner Carrousel-Tage um den 25.August mit ihm eine Art Vertrag über einen längeren Aufenthalt zu schließen, dem zufolge Voltaire zum Kammerherrn mit einem außerordentlich hohen Gehalt ernannt wurde. 40 Der wichtigste Multiplikator für Friedrichs éclat war also nicht ein Zeremonienmeister wie der für Friedrich I. tätige Johann von Besser, sondern vielmehr Voltaire, dessen Eintreffen und Ernennung er genau mit dem Höhepunkt seiner Feierlichkeiten synchronisierte. Voltaire korrespondierte in einem ununterbrochenen Strom von Briefen nach Paris im Wissen, dass deren Inhalt in den dortigen Literatenzirkeln verbreitet und debattiert wurde. Beim Carrousel vom 25.August erwies sich Voltaire tatsächlich als eine Hauptattraktion, wie der italienische Beobachter Alessandro Collini berichtete: „L’assemblée était nombreuse et brillante […] Peu de tems avant l’arrivée du roi, il s’éleva tout à coup, parmi les spectateurs, un murmure d’admiration: Voltaire! Voltaire!“ 41 Die Anwesenheit des französischen Starliteraten erhöhte den éclat de la cérémonie ungemein. Hatte bei den Pariser Feierlichkeiten von 1664 Molière als Autor und Schau-

39 Michael Rohrschneider, Friedrich der Große als Historiograph des Hauses Brandenburg: Rechtfertigungstendenzen in den „Mémoires pour servir à l’histoire de la maison de Brandebourg“, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte NF.17, 2007, 97–121. 40 Christiane Mervaud, Voltaire et Frédéric II. Une dramaturgie des lumières. Oxford 1985, 175–187; André Magnan, Dossier Voltaire en Prusse (1750–1753). Oxford 1986. 41 Alexandre [Alessandro] Collini, Mon séjour auprès de Voltaire et lettres inedites que m’écrivait cet home célèbre jusqu’à la dernière année de sa vie. Paris 1807, 20–22, hier 21. Collini lernte Voltaire in Berlin kennen und wurde daraufhin sein Sekretär; seine Jahrzehnte später verfasste Erinnerung an das Carrousel ist in diesem biographischen Zusammenhang zu sehen.

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spieler mitgewirkt, so hieß Friedrichs Molière Voltaire und wurde von den Berliner Medien entsprechend in den Vordergrund gestellt: Auf das „Friedrichs des Großen würdige“ Carrousel und Prinzessin Amalie, die den Siegern die Preise überreichte, verfasste Voltaire ein kleines Gedicht, das – ohne sein Wissen und sogar zu seinem Ärger – sogleich in den Festberichten sowie in der Zeitung abgedruckt wurde. 42 Das Carrousel erschien Voltaire als Ausdruck einer Verpflanzung französischer Kultur in die Ebene Brandenburgs: „Il n’y a pas moyen de tenir au carrouzel que je viens de voir. C’étoit à la fois le carrouzel de Louis 14, et la fête des lanternes de la Chine. […] Pas la moindre confusion, nul bruit, tout le monde assis à l’aise, et attentive en silence comme à Paris à une scène touchante de ces tragedies que je ne verray plus. […] On ne peut pas se faire une juste idée de la beauté, de la singularité de ce spectacle, let tout terminé par un soupé à dix tables, et par un bal. C’est le pays des fees. Voylà ce que fait un seul homme. Ses cinq victoires et la paix de Dresde étoient un bel ornement à ce spectacle.“ 43

Voltaire lag mit seinem Bezug auf das ludovizische Frankreich viel mehr auf der Linie Friedrichs als der Italiener Collini. Dieser assoziierte das Carrousel mit den Turnieren Karls des Großen, dessen Hof er als Ausdruck besonderer bravoure et galanterie ansah. Collini nahm hier zwar nur Voltaires eigene Verteidigung Karls auf, dem der philosophe im Gegensatz zu anderen mittelalterlichen Herrschern immerhin einige positive Eigenschaften zugestand; diese Differenzierung jedoch spielte für Friedrich keine Rolle. 44 In die Turniertradition des seiner Meinung nach generell durch reli-

42

Voltaire an Claude Etienne Darget, 26.August 1750: „Le carrousel était digne de Frédéric le grand: je

croyais être dans le pays des fees.“ Theodore Besterman (Ed.), Les Œuvres complètes de Voltaire. Vol.95. Genf 1970, 329. Zu Voltaires Vierzeiler „Impromptu sur un carrousel donné par le roi de Prusse, et où présidait la Princesse Amélie“ Nicholas Cronk (Ed.), Les Œuvres complètes de Voltaire. Vol.32A. Oxford 2006, 423– 425, und Mervaud, Voltaire et Frédéric II. (wie Anm.40), 178. 43

Voltaire an Argental, 28.August 1750. Besterman (Ed.), Œuvres complètes (wie Anm.42), Vol.95, 330f.

Ganz ähnlich betont auch die Haude- und Spenersche Zeitung die „vollkommenste Ordnung, und größte Pracht“ des Carrousels, Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr.103. Berlin 27.August 1750. 44

Zu Friedrichs eindimensionalem Bild mittelalterlicher Herrscher, das auch Karl den Großen nicht

aussparte: Sachse, Cäsar (wie Anm.6), 51f. Collini hingegen schrieb: „Ces décorations riches et élégantes, la musique guerrière, l’armure et l’adresse des chevaliers, transportaient mon imagination à ces tems anciens où la bravoure et la galanterie présidaient aux tournois des preux de la cour de Charlemagne“, Collini, Mon sejour (wie Anm.41), 22. – Zu den „Konjunkturen“ Karls des Großen in der Frühen Neuzeit vgl. auch den Beitrag von Dietmar Rieger in diesem Band.

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giösen Fanatismus und Aberglauben gekennzeichneten Mittelalters wollte sich Friedrich nicht stellen, sondern sein Carrousel vielmehr als Ausdruck der Überwindung kultureller Rückständigkeit gewertet wissen. In der Korrespondenz mit den Pariser philosophes, deren Urteil Friedrich eine maßgebende Funktion für seine spätere Stellung in der Geschichte zubilligte, interpretierte Voltaire das Turnier als Ausdruck einer weitergehenden zivilisatorischen Leistung des Königs, die für ihn nur in einem Akt des Kulturtransfers liegen konnte. In einem Brief an Madame Denis schreibt er bereits im Juli 1750 von Potsdam als dem „Sitz der Legionen und der Schöngeister, der Lust und des Ruhmes, der Pracht und des Geschmackes“ – während zu Friedrich Wilhelms I. Zeiten nur das Militär geherrscht habe. 45 Kriterium für Voltaire sind dabei nicht allein die Planung, Organisation und Durchführung der Festlichkeiten, sondern auch die Partizipation des Publikums, dessen in mehreren Briefen betonte Ordnung, Ruhe und Aufmerksamkeit als Zeichen des Zivilisationssprunges gewertet wurden, der dank Friedrichs Bemühungen nun das ganze gebildete Preußen erfasse. Wenige Monate nach dem Carrousel publizierte Voltaire sein „Siècle de Louis XIV“. Darin erscheint das Grand Siècle als Höhepunkt der Geschichte, die Voltaire in Abwendung von einer älteren Dynastie- und Kriegsgeschichte nicht nur als Folge militärischer Konflikte und Eroberungen sah. Vielmehr sei die Geschichte seit der griechisch-römischen Antike in vier Schritten fortgeschritten, indem unter den Regentschaften des Perikles, des Augustus, der Medici und eben Ludwigs XIV. durch das Zusammenwirken von Völkern und bedeutenden Herrschern neue Kulturstufen erreicht worden seien. In diesen weiten geschichtlichen Kontext wurde nun auch das friderizianische Preußen eingefügt. Den Bezug auf Ludwig XIV. und die topische Verbindung von Macht und Pracht hatte Voltaire bereits vor dem Carrousel in Briefen an den Marquis de Thibouville und den Comte d’Argental geäußert, in denen er die Verbindung von militärischen Trommeln und „Apollos Leier“ lobt: „Leben damit nicht die glänzenden Zeiten Ludwigs XIV. an den Ufern der Spree wieder auf?“ 46 Apoll als Beschützer der Künste wurde in dieser Zeit von Friedrich wie

45 „Il y a des légions et des beaux esprits, du plaisir et de la gloire, de la magnificence et du goût“, Voltaire an Marie Louise Denis, 24.Juli 1750, in: Besterman (Ed.), Œuvres complètes (wie Anm.42), 307. Die Motivverknüpfung von Militär und Kultur ist auch in anderen Briefen Voltaires vom Sommer 1750 fassbar, etwa vom ebenfalls am 24.Juli abgefassten Brief an Argental, 24.Juli 1750. Ebd.304f. 46 Voltaire an Argental, 7.August 1750, in: Besterman, Œuvres complètes (wie Anm.42), Vol.95, 311. Ähn-

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seinem Umfeld immer wieder thematisiert, so auch von den Berliner Zeitungen wie vom französischen Dichter Baculard d’Arnaud, der kurz vor Voltaire in Potsdam angelangt war und den preußischen König als „Frédéric-Apollon“ anrief. „Apoll“ steht hier für Friedrichs eigene literarische Werke wie für seine Patronage von Kunst, Musik und Literatur. In seiner zur Zirkulation in den Pariser Zirkeln bestimmten Korrespondenz fixierte Voltaire den Bezug vom ludovizischen Frankreich zum friderizianischen Preußen, der in der Feststellung gipfelte, der Preußenkönig habe den Sonnenkönig übertroffen: „Federic le grand es plus grand que Louis 14.“ 47 Diese zivilisatorische Leistung war für die „Größe“ Friedrichs entscheidend, denn er wollte nicht nur in seiner Rolle als roi-connétable erinnert werden; dieser blieb im Zeitalter der Aufklärung die Erinnerung an reine Eroberer-Monarchen wie Alexander den Großen oder Karl XII. von Schweden eingelegt, die in der Geschichtsschreibung der Aufklärung zunehmend kritisch als machtgierige Zerstörer eher denn als Beiträger zum Wohle der Menschheit gewertet wurden. Der Abbé de Mably kritisierte denn auch Ludwig XIV., indem er die von diesem verwendete Alexanderikonographie ins Negative wendete. Auch Friedrich kritisierte den „maßlosen Ehrgeiz“, mit dem Fürsten wie Karl XII. ihren Staaten und „ihrer eigenen Sache“ schweren Schaden zugefügt hätten; in Krisensituationen etwa des Siebenjährigen Krieges stand in seinen wiederholten Auseinandersetzungen mit dem Schwedenkönig daher immer auch die Frage nach dem eigenen Scheitern im Vordergrund. Voltaires Historiographie unterschied in einer feingestuften Hierarchie der Größe zwischen verschiedenen Stufen historischer Bedeutsamkeit, die auch Frauen von Elisabeth I. von England bis zu Mme. Du Châtelet berücksichtigt: Neben dem wirkmächtigen, aber nicht an einem moralischen Maßstab zu messenden „Helden“ (héros) gibt es den noch selteneren grand homme an der Spitze der Pyramide, der sich im Gegensatz zu ersterem durch moralische Verantwortung und zivilisatorische Tätigkeit auszeichne. 48

lich von der „lire d’Apollon“ schreibt Voltaire in einem Brief an Thibouville vom 1.August 1750, in: ebd.309. 47 Voltaire an Argental, 28.August 1750, in: ebd.330f., hier 331. Die Vossische Zeitung zitiert einen Brief Voltaires, der Friedrich als „prêtre d’Apollon“ preist. Berlinische privilegirte Zeitung. Berlin, Voss, Nr.101, 22.August 1750. 48

Síofra Pierse, Voltaire Historiographer: Narrative Paradigms. Oxford 2008, 162–165. Zu Mablys Kritik

am „Despotismus“ Ludwigs XIV.: Johnson Kent Wright, A Classical Republican in Eighteenth-Century France: the Political Thought of Mably. Stanford 1997. Zu Karl XII. siehe den Beitrag von Joachim Krüger in diesem Band.

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Veröffentlicht wurde Voltaires wichtigstes Geschichtswerk 1751 in Berlin, nahezu gleichzeitig mit Friedrichs eigenen – und von Voltaire redigierten – „Mémoires pour servir à l’histoire de la maison de Brandebourg“. So wie nach dem 1660 beendeten Krieg Ludwigs XIV. gegen Spanien die in Friedrichs wie Voltaires Sicht glanzvollste Epoche französischer Kultur begann, so sollte auch das Berliner Carrousel von 1750 („digne en tout de celuy de Louis 14“) den Beginn eines apollinischen Zeitalters einläuten: „Qui auroit dit il y a vingt ans que Berlin deviendroit l’azile des arts, de la magnificence et do goust? Il ne faut qu’un homme pour changer la triste Sparte en la brillante Athenes.“ 49 Das Carrousel von 1750 diente Friedrich also nicht nur dazu, seine neue politische Stellung als Bezwinger des Hauses Habsburg zeremoniell zu befestigen; es sollte ihn auch in eine Reihe mit jenen Monarchen stellen, die von der aufgeklärten Historiographie als Maßstab echter herrscherlicher Größe eingeführt wurden. Die Hofforschung der letzten Jahre hat zu Recht betont, dass die deutschen Höfe nicht – wie es noch die deutschtümelnde Historiographie des 19. und 20.Jahrhunderts kritisch vermerkte – einseitig auf das Vorbild Ludwigs XIV. fixiert waren. Vielmehr rezipierten die Höfe des Alten Reiches eine enorme Pluralität italienischer, nord- und mitteleuropäischer Traditionen, die sie eigenständig weiterentwickelten. Gerade der vermeintlich so prunkfeindliche Friedrich jedoch war es, der sich explizit in eine Reihe mit dem Sonnenkönig stellte. Das Carrousel ist Teil dieses Unternehmens, aus dem Kreis der deutschen Reichsfürsten herauszutreten, sich zugleich vom Haus Habsburg zu distanzieren und stattdessen in jene Reihe großer, militärisch erfolgreicher wie zivilisationsprägender Monarchen einzutreten, die Voltaire in der Antike mit Marc Aurel und Trajan beginnen ließ und mit Ludwig XIV. bis an die Schwelle des 18.Jahrhunderts fortführte. Mit dem Carrousel wählte Friedrich also die aufwendigste Form des Zeremoniells, um über die durch Zeremoniell konstituierte Ranghierarchie hinauszuweisen.

49 Voltaire an Thibouville, 1.August 1750, in: Besterman (Ed.), Œuvres complètes (wie Anm.42), Vol.95, 309.

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III. Den eigenen Ruhm in die Geschichte einschreiben: Friedrichs Mémoires Friedrich verließ sich bei der historischen Einordnung seiner Leistungen nicht auf Voltaire, sondern strebte in der Nachfolge Cäsars an, sich auch durch eigene historische Werke in die Geschichte einzuschreiben. Voltaire war gerade nicht als Historiograph der Leistungen Friedrichs nach Potsdam geholt worden, sondern als Redakteur jener Geschichte, die Friedrich selbst zu verfassen gedachte. Friedrich war nicht nur sein eigener Hofmarschall, sein eigener Minister und sein eigener Zeremonienmeister. Um ganz sicher zu gehen, war er auch sein eigener Historiker. Voltaire hingegen sollte als Historiograph Ludwigs XIV. jenen historischen Rahmen aufspannen, in dem Friedrichs Werk erst seine Signifikanz gewann. Wie so häufig im 18.Jahrhundert können allerdings auch in Friedrichs Werken Autorschaft und Zuarbeit nicht eindeutig getrennt werden, so dass sich bei den um 1750 erschienenen Texten Friedrichs von einer „Werkgemeinschaft“ Friedrichs und Voltaires sprechen lässt. 50 Voltaires kulturhistorischer Ansatz überzeugte Friedrich, denn ausgerechnet der roi-connétable begnügte sich nicht mit einer Kriegsgeschichte. Bereits im „Antimachiavell“ hatte Friedrich den Künsten eine zentrale Rolle für den Herrscherruhm zugeschrieben und hier bereits drei der später von Voltaire in seine Vier-WeltalterTheorie integrierten Perioden aufgeführt, nämlich die Regierungen des Perikles, des Augustus und Ludwigs XIV., die alle „einen Großteil ihrer Reputation“ den von ihnen protegierten Dichtern verdankten. 51 Kurz nach dem europäischen Friedens-

50

Dazu und zu Voltaires Vorbildrolle in Stil und Komposition: Volker Wittenauer, Im Dienste der Macht:

Kultur und Sprache am Hof der Hohenzollern. Vom Großen Kurfürst bis zu Wilhelm II. Paderborn 2007, 121–128. Die Bedeutung der französischen Sprache für Friedrich arbeitet aus sprachwissenschaftlicher Sicht sorgsam auf: Corina Petersilka, Die Zweisprachigkeit Friedrichs des Großen. Tübingen 2005, bes. 73– 82, 122–178. 51

„Rien n’illustre plus un règne que les arts qui fleurissent sous son abri. Le siècle de Péricles est aussi

fameux par les grand génies quie vivaient à Athènes que par les bataille que les Athéniens donnèrent alors. Celuis d’August es mieux connu par Cicéron, Ovide, Horace, Virgile, etc., que par les proscriptions de ce cruel empereur, qui doit, après tout, une grande partie de sa réputation à la lyre de Horace. Celui de Louis XIV es plus célèbre par les Corneille, les Racine, les Molière, les Boileau, les Des Cartes, les Les Brun, les Girardon que par ce passage du Rhin tant exagéré, par les sièges où Louis se trouva en personne.“ Friedrich II. von Preußen, Antimachiavel, ou examen du prince de Machiavel, in: Johann David Erdmann Preuß (Hrsg.), Œuvres de Frédéric le Grand. Bd. 8. Berlin 1848, 65–184, hier 155f.

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schluss war Friedrich bereits Anfang 1750 mit einer dreibändigen Ausgabe der „Oeuvres du philosophe de Sanssouci“ als Schriftsteller aufgetreten, die auch eine erste Version von Friedrichs „Mémoires“ enthielt, welche dann eben nach Voltaires Redaktion 1750/51 neu aufgelegt wurden. Der erste Teil der „Mémoires“ stellt einen chronologischen Abriss dar, während der zweite eine kulturgeschichtliche Betrachtung im Sinne Voltaires bietet. Die politisch brisanten Kapitel über Friedrich Wilhelm I. und aktuelle Erwerbungen, Finanzen und Militär waren darin allerdings (noch) nicht enthalten und sollten zusammen mit den anderen, später dann getrennt publizierten, Geschichtswerken über seine eigene Zeit ein großes zusammenhängendes Geschichtswerk bilden, eine „Histoire de Brandebourg“. 52 Zu seinem historischen Leitprinzip erhob Friedrich, auch hier in der Nachfolge Voltaires, die „Wahrheit“, denn sie gehöre „so zum Wesen der Geschichte [...] wie zum menschlichen Leibe die Seele“. Dementsprechend will Friedrich sich nicht durch Panegyriken gelobt sehen, sondern durch auf historischer Wahrheit begründetes Urteil: „Lobpreisen lag mir fern, ich wollte Geschichte schreiben!“ 53 Damit adaptierte Friedrich allerdings nicht nur ein aufklärerisches, vermeintlich „modernes“ Prinzip. Vielmehr rekurriert Friedrich hier auch auf jene Theorie des Ruhms, die in einer reichen Traktatliteratur seit dem 17.Jahrhundert „Ruhm“ als die ins Öffentliche gewendete „Ehre“ einer Person definiert. Ruhmbegierde wird dabei durchaus positiv als „vernünftig“ bewertet, da sie – so Zedlers „Universal-Lexicon“ – Ansporn sei, „Gott und der Welt desto besser zu dienen“. Dies unterscheide sie auch vom schädlichen „Ehrgeiz“, der darauf gerichtet sei, mehr Ehre zu erwerben als es gebührte. Entscheidend war, dass der Ruhm „wohlgegründet“ war. Es galt, „äusserlichen Glantz und falschen Schimmer“ zu vermeiden, denn sonst schlage die Reputation

52 Bogdan Krieger, Friedrich der Große und seine Bücher. Berlin 1914, 85. Christopher Clark, „Le roi historien“ zu Füßen von Clio, in: Gregor Vogt-Spira/Bernd Sösemann (Hrsg.), Friedrich der Große in Europa: Geschichte einer wechselvollen Beziehung. Bd. 1. Stuttgart 2012, 159–177. Für die Publikationsgeschichte der Werke Friedrichs ingesamt wichtig: Gerhard Knoll, D’Argens als Herausgeber von Friedrichs Dichtungen. Von den „Œuvres du Philosophe de Sans-Souci“ zu den „Poésies diverses“, in: Hans-Ulrich Seifert/JeanLoup Seban (Hrsg.), Der Marquis d’Argens. Wiesbaden 2004, 57–75. 53 Friedrich II., Mémoires (wie Anm.6), XLVIII. So kritisiert Friedrich, Teissier habe mit seinem 1705 vorgelegten „Abrégé de l’histoire des électeurs de Brandebourg“ (1705) und den „Vies des électeurs de Brandebourg, traduit du Latin de Jean Cernitius“ (1705) „statt einer geschichtlichen Darstellung einen Panegyrikus“ vorgelegt.

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„zu einem Spott und Verachtung“ aus. 54 Mit anderen Worten: Erst das rechte Verhältnis von Leistung und öffentlicher Anerkennung konstituierte überhaupt „Ruhm“. Zugleich zeigen die im „Zedler“ angedeuteten möglichen Konsequenzen, dass das Streben nach Ruhm nicht ungefährlich war und dass die öffentliche Inszenierung von „Größe“ das Risiko eines völligen Ansehensverlusts in sich trug. Dieses Thema nahm Friedrich in seiner „Epistel über die Falschheit“ auf, die er wie die „Ode über den Ruhm“ 1750 auch noch einmal für die Neupublikation der „Oeuvres“ umarbeitete und die den Großen Kurfürsten als das leuchtende Beispiel wahrer herrscherlicher Größe („groß im Frieden wie im Schoß der Siege“) gegen eine „falsche“ Größe in Stellung brachte. 55 Die meisten Autoren des 17. und 18.Jahrhunderts stimmten darin überein, dass gloire nur aufgrund umfassender Tugenden erworben werden könne. Der Vorrang des Adels wurde durch die vermeintlich größere vertu der Adligen begründet, aber ob diese besondere Tugend nun vererblich sei oder nicht, wurde kontrovers diskutiert. Für den „Zedler“ ebenso wie für die „Encyclopédie“ konnte Tugend nicht mehr geblütsgebunden sein, sondern musste von einer „Person ingemein erworben“ werden. Damit unterschied sich Ruhm von Titel und Rang grundsätzlich, die vererbbar waren. Dieser Position schloss sich Friedrich an und erhob damit eine individuelle Kategorie zum Leitmotiv seines Handelns. Anders als Rang also sind Reputation und Ruhm nicht rechtlich fassbar, ja können dem Recht, das nur Titel, Rang und Vertrag kennt, sogar zuwiderlaufen. Friedrich war sich der Bedeutung der Dynastie für sein eigenes Ansehen bewusst. Aber er folgerte daraus nicht, dass alle ihre Repräsentan-

54

Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Hal-

le 1732–1754, Bd. 31, 667 und Bd. 32, 1594–1596. Vgl. auch Louis de Sacy, Traité de la gloire. Paris 1715. 55

Friedrich II., Gloire (wie Anm.2), und ders., Discours sur la fausseté, in: ebd.91–97, hier 97. Auf das Ver-

hältnis von Ruhm und Verdienst geht bereits Sacy ein: Sacy, Traité (wie Anm.54), 50, 271. Vgl. auch Martin Wrede/Horst Carl, Einleitung: Adel zwischen Schande und Ehre, Tradition und Traditionsbruch, Erinnerung und Vergessen, in: dies. (Hrsg.), Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeitlichen Adels in Umbruch und Krise. Mainz 2007, 1–26, hier 2. Der langjährige französische Gesandte Valory schrieb über Friedrichs Definition von „Ehre“: „Ein tugendhafter und aufgeklärter Mann ist für ihn ein Idealbegriff, und nach seiner Meinung werden die dümmsten Leute mit Vorliebe als Ehrenmänner bezeichnet.“ Hier gibt Valory genau jene „klassische“ Definition von Ehre wieder, wie sie seit der Antike immer wieder formuliert worden und seit dem 17.Jahrhundert auch von Racine, Corneille und Molière aktualisiert worden ist. Valorys „Observations sur le caractère du roi de Prusse“ werden zitiert in: Volz (Hrsg.), Friedrich der Große im Spiegel seiner Zeit (wie Anm. 38), 258–261, hier 258.

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ten gleich würdig erscheinen müssen. Vielmehr kritisierte er in seinen Werken anhand eines konsequent durchgehaltenen Tugend- und Ruhmbegriffs seiner Meinung nach defizitäre Herrscher harsch. Hier nimmt er eine eigene Positionierung innerhalb der adligen Memorial- und Historienliteratur ein, die (etwa im Fall der Häuser Wittelsbach, Condé und Fürstenberg) als Gattung gerade auf die „Glättung“ der Narrative und die Marginalisierung problematischer Figuren zielte. 56 Gerade durch die Kritik an ausgewählten Vertretern seiner eigenen Dynastie konnte der roiphilosophe jedoch auch seine Distanz zum eigenen Haus und damit seine Verpflichtung zur historischen „Wahrheit“ erweisen. Wie in Friedrichs Bemerkungen zu seinem Großvater besonders deutlich wird, inszeniert sich der dritte Preußenkönig in seinen „Mémoires“ als Vollender dessen, was seine drei Vorgänger seit der Katastrophenzeit des Dreißigjährigen Krieges nur begonnen hatten: „C’était une amorce que Frédéric III jetait à toute sa postérité, et par laquelle il semblait lui dire: Je vous ai acquis un titre, rendez-vous-en digne; j’ai jeté les fondements de votre grandeur, c’est à vous d’achever l’ouvrage.“ 57 Diese Aufforderung sah Friedrich II. bei allen seinen Vorfahren: Der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm hatte, nachdem er die wirtschaftlichen Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges beseitigen musste, nicht mehr die Kraft zu jener zivilisatorischen Hebung Brandenburgs aufbringen können, die nun Friedrich II. in aufgeklärter Manier leistete. Friedrich I. hatte nur den Königstitel erworben, der erst von seinen beiden Nachfolgern machtpolitisch unterfüttert wurde. Friedrich Wilhelm I. hatte sich nur auf den innenpolitischen Ausbau des Landes konzentriert und jene Stabilisierung seines Ranges auf der europäischen Bühne vernachlässigt, die erst Friedrich II. mit der Eroberung Schlesiens wie der Hebung von Hof und Kultur gelang. Mit Alleinregierung und Feldherrnrolle, Kaiserkritik und Bündniswechseln, Rangbewusstsein und Kulturpatronage stellte Friedrich seine eigene Regierung also in eine Reihe dynastischer Traditionen. Die Vollendung des begonnenen dynastischen Werkes erhöhte denn auch das Ansehen des Hauses Brandenburg insgesamt, wie Friedrich seinem Bruder gegenüber betonte. Zugleich aber trat Friedrich über

56 Johannes Arndt, Max Emanuel, Kurfürst von Bayern – oder Graf von Wittelsbach? Exil und Ächtung eines Barockfürsten in der bayerischen Historiographie, in: Wrede/Carl (Hrsg.), Schande und Ehre (wie Anm.55), 65–80; Esteban Mauerer, Die „Egoniden“ zwischen Frankreich und dem Kaiser: Zum Umgang mit abweichendem politischem Verhalten im Haus Fürstenberg im 17. und 18.Jahrhundert, in: ebd.81–96. 57 Friedrich II., Mémoires (wie Anm.6), 119.

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diese Traditionslinien hinaus, indem er Preußen zu einer ganz neuen Höhe auf einer Ebene der Geschichte führte, auf der seine in der Provinz blühende Dynastie bis dahin nicht vorgekommen war. Der über Voltaires Geschichtswerk wie Friedrichs eigene Kommentare in den „Mémoires“ etablierte Bezug auf das Grand Siècle schloss dabei die – nach Meinung des Königs – von der allgemeinen Geschichtsschreibung isolierte brandenburg-preußische Geschichte an jene der großen Kulturnationen an; erst damit schließlich konnte Friedrich seinen Rang in der Geschichte der Menschheit erlangen. Hier stellte Friedrich als sein eigener Hofhistoriograph auch gleich die „richtige“ Einordnung seiner Leistungen sicher. Wichtig war diese eigene historiographische Leistung nicht zuletzt deshalb, weil Friedrichs Geschichtsbild sich in einem wesentlichen Punkt von dem Voltaires unterschied: Voltaire bezog seine Vier-Weltalter-Lehre auf die Vergangenheit und sah das gegenwärtige siècle des philosophes als ein neues, durch den Kampf gegen Aberglauben gekennzeichnetes Zeitalter eigenen Charakters, während Friedrich in Anlehnung an Ludwig XIV. nun auch für Preußen ein als klassisches Blütezeitalter imaginiertes grand siècle beginnen lassen wollte. 58

IV. Fazit: Friedrichs Größe und Kulturtransfer Die Feierlichkeiten von 1750 stellten alle in Preußen gesehenen Feste der vergangenen Jahrzehnte in den Schatten. Sie waren die aufwändigsten höfischen Festlichkeiten zwischen dem Beginn des 18.Jahrhunderts und der im Zeichen der „Romantik“ erfolgenden Wiederaufnahme „ritterlicher“ Feste durch Friedrich Wilhelm IV. im 19.Jahrhundert. Weder in den verbleibenden Jahren vor dem Siebenjährigen Krieg noch nach 1763 wurde wieder ein ähnlicher Aufwand betrieben. 1750 trat der noch junge König auf der Bühne der europäischen Öffentlichkeit auf. Die Konstellation von 1750 blieb einmalig, da Friedrich parallel zur militärischen Eroberung und Sicherung Schlesiens jahrelang auf das Zusammentreffen von höfischer Pracht und literarischem Glanz hingearbeitet hatte. Die Abreise Voltaires 1753 war nur ein Zeichen, dass die von Friedrich erstrebte literarisch-politische Zweckgemeinschaft nur

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Die Unterschiede der Geschichtsauffassungen Voltaires und Friedrichs arbeitet sorgsam heraus: Clau-

dia Schröder, „Siècle de Frédéric II“ und „Zeitalter der Aufklärung“: Epochenbegriffe im geschichtlichen Selbstverständnis der Aufklärung. Berlin 2002, 22–76.

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zeitweilig aufrechtzuerhalten war. Aber auch nach 1763 musste der Rang der preußischen Monarchie immer wieder bestätigt werden, so gleich nach dem Friedensschluss mit der groß herausgestellten Osmanischen Gesandtschaft nach Berlin, die durch den éclat des bis in die Exotik des Orientalischen hin ausgereizten Zeremoniells die im Krieg militärisch bestätigte Gleichwertigkeit der Hohenzollern mit dem Haus Habsburg auch zeremoniell bestätigen sollte. 59 Friedrich II. erkannte wohl klarer als sein Großvater, der überhaupt erst einmal den Königstitel erringen musste, dass jenseits der rangregulativen Funktion des Zeremoniells die „Würde“ eines preußischen Königs immer auch anhand anderer Aspekte gemessen wurde. Die allgemeine Anerkennung seines Ranges durch die europäische Fürstengesellschaft war in Friedrichs Sicht eine notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende Bedingung dafür. Für Friedrich zentral war hier eben jene Verbindung von Macht und Pracht, die Preußen bei seinen Nachbarn formidable machte, wie es Pöllnitz mit Bezug auf das Carrousel in den „Historisch-Genealogischen Nachrichten“ nennt. 60 Damit wies Friedrich, der in seiner Kronprinzenzeit einen Intensivkurs in Kameralistik durchlaufen hatte, über die durch zeremonielle Rangordnungen strukturierte höfische Öffentlichkeit hinaus. Mit der im Carrousel und seiner Medialisierung omnipräsenten Kombination von „Pracht und Macht“ etablierte er auch im Fest einen neuen „Macht“-Begriff, wie er in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts in den quantifizierenden und kommentierenden Blicken der Aufklärung ausformuliert wurde: Die Statistik, mit deren Hilfe sich die demographischen, ökonomischen und militärischen Ressourcen eines Staates genau ablesen ließen, wurde zu einem zentralen Instrument der Staatswissenschaften und relativierte so auch die zeremoniell regulierte Rangordnung. Seit den 50er Jahren des 18.Jahrhunderts entwickelten Justi und Bielfeld jene „Staatenkunde“ mit, die die relative Stärke der Staaten anhand quantitativer demographischer und ökonomischer Daten maß. 61 Damit verwies der

59 Gustav Berthold Volz, Eine türkische Gesandtschaft am Hofe Friedrichs des Großen im Winter 1763/64, in: Hohenzollern-Jahrbuch 11, 1907, 17–54. 60 Lustbarkeiten und Ritterspiele am Preußischen Hofe (wie Anm.19), 27. 61 Zum neuen Machtbegriff des späten 18.Jahrhunderts und der Rolle der über quantitative Berechnungen vorgehenden „Staatenkunde“: Hamish M. Scott, The Emergence of the Eastern Powers, 1756–1775. Cambridge 2001, 8–10, hier 8. Immer noch wichtig: Harm Klueting, Die Lehre von der Macht der Staaten. Das außenpolitische Machtproblem in der „politischen Wissenschaft“ und in der praktischen Politik im 18. Jahrhundert. Berlin 1986.

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„Macht“-Begriff auf die innere Stärke und Verfassung eines Staates und nicht auf die vertraglich-völkerrechtlich abgesicherte Position seines Herrschers. Friedrichs Minister Hertzberg deklinierte diesen neuen „Macht“-Begriff 1782 explizit in seinen „Réflexions sur la force des Etats“ für Preußen durch. 62 Er setzte in den Jahrzehnten nach dem Siebenjährigen Krieg dann auch terminologisch klar die „Großmächte“ von den minderen Staaten ab und deklarierte die Vorherrschaft der ersteren über den Kontinent als „Pentarchie“. Gekoppelt blieben „Macht“ und „Ruhm“ jedoch auch weiterhin. Nicht nur der „Zedler“ wies darauf hin, dass Ansehen eine auch im politischen Geschäft einsetzbare Münze war: „Eine wohlgegründete Reputation“ habe „einen grossen Nachdruck, bey hohen und geringern, in Kriegs- und FriedensGeschäfften, dieselben glücklich und wohl auszuführen.“ 63 In der „Encyclopédie d’Yverdon“ erscheint die gloire als wichtiger Bestandteil der puissance eines Staates: „La gloire d’une nation tient intimement à sa puissance; elles en fait une partie très considérable. C’est ce brillant avantage qui lui attire la considération des autres peuples, qui la rend respectable à ses voisins.“ 64 Der Ruhm eines Landes befestigt also den „Respekt“ der Nachbarn und trägt so zur „Macht“ bei. Dies jedoch funktioniert nur, wenn die gloire selbst auf den Leistungen eines Landes (und das kann im 18.Jahrhundert immer noch bedeuten: eines Herrschers) „wohlgegründet“ ist. In der von Friedrich erstrebten gloire treffen sich also adliger Ehrbegriff und moderner Machtbegriff. Schauplatz von Friedrichs „Reputation“ konnte jedoch letztlich nicht mehr nur die vom Zeremoniell bestimmte höfische Öffentlichkeit – und schon gar nicht die feine Rangregulierung des Alten Reiches – sein, sondern nur die Geschichte mit ihrer von Voltaire beschriebenen Reihung der bedeutenden Monarchen aller Epochen. Die Beziehung zu Frankreich war hier mehrfach zentral: Friedrich hatte mit seiner Inszenierung nicht nur die politischen Entscheidungsträger und ihre Berater an den europäischen Höfen im Blick, sondern vor allem die Pariser Salons, zu denen er

62

Ewald Friedrich Graf von Hertzberg, Réflexions sur la force des Etats. (Huit dissertations que M. le comte

de Hertzberg, Ministre d’État […] a lues dans les assemblées publiques de l’Académie Royale des sciences et belles-lettres de Berlin, tenues pour l’anniversaire du roi Frédéric II dans les années 1780–1787, 4.) Berlin 1787. 63

Zedler, Grosses Universal-Lexicon (wie Anm.54), Bd. 31, 667.

64

Artikel „Gloire d’une nation“, in: Encyclopédie ou dictionnaire universel raisonné des connoissances

humaines. Vol.5. Yverdon 1777, 70.

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auch mit seiner Kunstpolitik in Kontakt trat. Die philosophes schätzte er als Schiedsrichter des Geschmacks ein, und von ihrem über Generationen wirksamen Urteilsspruch war er überzeugt. Was „wert ist, behalten zu werden“, werde seiner Meinung nach nicht von der Reichshistorie festgelegt, sondern von der Literatur der Aufklärung. Die traditionelle Staaten- und Dynastiegeschichte, die angeblich nur „Prozesse, Verhandlungen, Verträge und Friedenstraktate“ aufführe, sei vielleicht gerade einmal für einen „Regensburger Pedant“ vom Reichstag interessant. „J’avertis tous ces gens-là que ce n’est pas pour eux que j’écris.“ 65 Dementsprechend schrieb Friedrich eine explizit aufgeklärte Kulturgeschichte, in der er sich die Kategorien eines bestimmten Stranges der französischen Aufklärungshistorie zu eigen machte. Nicht der antiludovizische Abbé de Mably, sondern Voltaire, der Hagiograph des Grand Siècle, bestimmte seine Sicht auf die Geschichte. Friedrichs Übertragung der ludovizischen Festtradition erscheint so als Akt zivilisatorischen Kulturtransfers, der das militärisch erfolgreiche, aber kulturell rückständige Preußen an Frankreich heranführen sollte. Auch hier wiederum stellte sich Friedrich in eine historische Tradition, die bis auf den von ihm als Feldherr wie Schriftsteller geschätzten Cäsar zurückgeht: Denn auch dieser hatte nach Sicht der französischen Aufklärung den tapfer kämpfenden, aber kulturell rückständigen Galliern jene römische Kultur gebracht, die den Germanen versagt blieb, und so die Grundlage für das militärisch wie kulturell überlegene Frankreich späterer Jahrhunderte gelegt. Friedrich knüpfte hier an, indem er mit 1800-jähriger Verspätung dafür sorgte, dass die romanische Kultur ihren Weg über den Rhein fand. In diesem Akt kultureller Übersetzung lokalisierte Friedrich einen wichtigen Bestandteil seiner historischen Bedeutung. Damit aber band er seine „Größe“ auch dauerhaft an die Normen der französischen Klassik. Erst mit dieser Koppelung von herrscherlicher Größe an kulturellen Transfer wird die Schärfe erklärbar, mit der Friedrich noch 1781 in der Schrift „De la littérature allemande“ das Aufkommen eines neuen kulturellen Paradigmas attackierte. Seine Kritik am Zustand der deutschen Literatur war verbunden mit der von vielen Zeitgenossen als demütigend empfundenen Empfehlung, noch im Zeitalter Herders, Schillers und Goethes die Kultur in Deutschland mittels Übersetzungen aus dem Französischen zu heben. 66 Ebenso weigerte er sich,

65 Friedrich II., Mémoires (wie Anm.6), Discours préliminaire, XLIX. Dort auch der „pédant de Ratisbonne“. 66 Timothy C. W. Blanning, Frederick the Great and German Culture, in: Robert Oresko/G. C. Gibbs/H.M.

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1784 den von einem Berliner Gymnasialprofessor besorgten Erstdruck des wiederaufgefundenen und sogleich zu einem Zentraltext des frühen deutschen Nationalismus avancierten Nibelungenliedes zu subskribieren, obwohl ihm die Ausgabe gewidmet war. Vielmehr ließ Friedrich den Herausgeber wissen, ein derartiges Machwerk werde er in seiner Bibliothek nicht dulden. 67 Friedrich musste besonders übel aufstoßen, dass das Nibelungenlied von an Klopstock und Herder orientierten Literaten als einzigartiges Zeugnis „deutscher Kultur“ gewertet und als Beleg für deren angeblich bis in germanische Zeiten zurückreichende autochthone Größe zitiert wurde. Im Licht von Friedrichs Selbststilisierung erscheinen seine späten Polemiken also weniger als ein besonders dreister Fall von kultureller Ignoranz, sondern vielmehr als Rückzugsgefecht eines Monarchen, der am Ende seines Lebens seinen Platz in der Geschichte bedroht sah. Denn wenn die französische Literatur ihre Gültigkeit als Barometer kultureller Höhe verlor, konnte Friedrichs Patronage von (und Teilhabe an) ebendieser Kultur ihm auch nicht mehr jene historische Größe verschaffen, die er ihr selbst zumaß. Es lag außerhalb seines Blickfeldes, dass seine „Größe“ von Zeitgenossen längst in anderen Kategorien gemessen wurde.

Scott (Eds.), Royal and Republican Sovereignty in Early Modern Europe. Essays in Memory of Ragnhild Hatton. Cambridge 1997, 527–550. Neuerdings zusammenfassend: Riccardo Morello, Der Feind der deutschen Sprache: Über Friedrichs Essay „De la literature allemande“, in: Vogt-Spira/Sösemann (Hrsg.), Friedrich der Große in Europa (wie Anm.52), Bd. 1, 152–158. Immer noch nützlich: Horst Steinmetz (Hrsg.), Friedrich II., König von Preußen, und die deutsche Literatur des 18.Jahrhunderts. Texte und Dokumente. Stuttgart 1985. 67 Gerhard Knoll, Friedrich der Große und die „vaterländischen Altertümer“, in: Brunhilde Wehinger (Hrsg.), Geist und Macht. Friedrich der Große im Kontext der europäischen Kulturgeschichte. Berlin 2009, 91–95, hier 94.

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Between the Courts of Burgundy and Vienna Models of Military Competence in Dynastic Historiography, c. 1470–1700 by Maria Golubeva

When the official historiographer of the court of Burgundy, Jean Molinet, begins his description of the battle of Guinegate in 1479, he speaks of the military actions of Maximilian of Austria, but describes them in exactly the same terms he previously used about the Valois dukes of Burgundy. Molinet speaks of Maximilian’s „ardant amour et bon zèle qu’il avoit au bien des pays et au salut de la chose publique“. 1 Maximilian’s personal rule, first as regent for his son in the Netherlands, then as King of the Romans and finally as Emperor, is a key period during which some of the political ideas generated in the Burgundian Netherlands were transmitted to the next generations of the dynasty. Among those ideas was a specific understanding of military success of the ruler. The paper describes and analyses the changing model of military competence in the official histories of the Valois of Burgundy and the Habsburgs from the late fifteenth to the early eighteenth century. Taking into account that the period is long, the paper presents only a general outline, not a detailed analysis which I hope to provide elsewhere. The main question is: Which approaches to the military aspects of statecraft were viewed as successful by Burgundian and Habsburg court historians, and how did the understanding of military competence as part of statecraft change during the years between c. 1470 and c. 1700? Given the distinct military slant of elite cultures in all territories concerned during the whole period in question, one may safely assume that proof of prudent and effective military leadership was required by the audiences for which court historians were producing their works. However, the relationship between the model of military competence and the key notions of common good and religion was changing over time. It is those changes that will be discussed here.

1 Jean Molinet, Chroniques. Ed. par Georges Doutrepont et Omer Jodogne. 3 Vols. Bruxelles 1935–1937, Vol.1, 235.

DOI

10.1515/9783486781076.317

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The sources on which this analysis relies are either official histories written for the dynasty or the memoirs of important figures connected to the court and creating their own narratives of military and political events.

I. The Burgundian Model of Princely Military Competence The story begins in the Burgundian Netherlands around 1470, when a very welldefined model of military competence can be identified in the works of court historians. Despite its external manifestations, this model is less connected to chivalric mythology than to the institutional ideology of the ducal government. 2 In recent decades, historians in Belgium and the Netherlands have analysed the intellectual content of Burgundian political ideology, particularly its institutional and secular nature. As Arjo Vanderjagt puts it, in the Burgundian Netherlands, „the state is secular in the first place and in practice, because in contrast to the spiritual civitas Dei it is primarily material and not at all concerned with the internal religious qualities which men might have.“ 3 Hence, the absence of references to the Church as a vehicle of good government, and the insistence on that role being performed by the prince. This has direct relevance for the way military success or failure was treated by dynastic historians. The very nature of the policy process in the Burgundian state called for some kind of operational ideology or at least a common political discourse, in order to make possible the communication between regional elites and the ducal government. 4 According to Jan Dumolyn, such discourse was grounded in the widespread medieval topos of the common good 5 and was shared in equal measure by the ducal offi-

2 On the ideology of government in the Burgundian Netherlands, see Jan Dumolyn, Justice, Equity and Common Good. The State Ideology of the Councillors of the Burgundian Dukes, in: D’Arcy J. D. Boulton/ Jan R. Veenstra (Eds.), The Ideology of Burgundy. Leiden/Boston 2006, 1–20. 3 Arjo J. Vanderjagt, Qui sa vertu anoblist. The Concepts of Noblesse and Chose Publique in Burgundian Political Thought. Groningen 1981, 68. 4 Jan Dumolyn, Nobles, Patricians and Officers: The Making of a Regional Political Elite in Late Medieval Flanders, in: Journal of Social History 40, 2006, 431–452. 5 On the notion of common good in the later medieval period, see Winfried Eberhard, „Gemeiner Nutzen“ als oppositionelle Leitvorstellung im Spätmittelalter, in: Manfred Gerwing/Godehard Ruppert (Hrsg.), Renovatio et Reformatio. Wider das Bild vom „finsteren“ Mittelalter. Münster 1985, 195–214.

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cials and by the burghers of Flemish cities. 6 The works of Burgundian court historiography of that period shared the same discursive framework, heavily emphasising the objective of maintaining the bien publique. Broadly speaking, maintaining peace was central to the traditional functions of the prince, especially in the context of protecting his lands and upholding justice. In the texts generated in court milieus, the ability to maintain peace acquires, as could be expected, a distinctly military twist. This, however, does not amount to the claim that all kinds of militant behaviour on behalf of the rulers and their officers is presented in official or quasi-official histories as good, or conducive to the common good. Virtually all authors of chronicles written at the court of the dukes of Burgundy and the rulers of the Netherlands between roughly 1468 and 1500 display some understanding of and interest in military matters. Epithets referring to military competence (such as adonné a la guerre) are frequent, but their meaning could be equivocal. For Molinet, a cleric whose descriptions of military matters probably relied substantially on the accounts of others, Charles the Bold is „du tout adonné à la guerre“, and that is a good thing 7, but when Molinet describes the people of Neuss, whom he calls arrogant and quarrelsome, he uses the same epithet: the city is „hutineuse, arrogante, et adonnée à la guerre“. 8 Moreover, historians promoting the positive image on the dynasty on the whole could be very critical of overtly militant behaviour of specific rulers, which was the case with Charles the Bold. Even Olivier de La Marche, who was generally fond of both his late master and scenes of combat, felt the need to justify Charles’s passion for war. In his view, the duke had a good reason to like war: if he wanted to conquer or take over his neighbours’ lands, it was only for his zeal in the service of the Christian faith, and because he would never consent to be anyone’s subject. La Marche was not the only court historian to pay lip service to the connection between military zeal on the one hand and piety on the other hand: Molinet did so too, in his second Prologue. 9 Neither of the two returned again to religious motivation of Burgundian military policy, except in reference to the siege of Neuss, only because it was undertaken on behalf of a prince of the Church. 10 6 Jan Dumolyn, Privileges and Novelties: the Political Discourse of the Flemish Cities and Rural Districts in their Negotiations with the Dukes of Burgundy (1348–1506), in: Urban History 35, 2008, 5–23. 7 Molinet, Chroniques (note 1), Vol.1, 43. 8 Ibid. 32f. 9 Ibid. Vol.2, 589. 10 Ibid. Vol.1, 29.

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Military success or failure per se, on the other hand, is given permanent attention. Despite being probably the least martial of Burgundian court historians, Molinet provides ample examples of how seriously military competence could be taken. 11 The nitty-gritty of war, embellished now and then with allegorical language, is always present in his text, as for example when discussing the successful use of artillery by Charles the Bold at Neuss and the duke’s ability to transform the physical environment to fit his policy. Molinet admires the great change of local topography (diverting the course of rivers) which the duke instigated. 12 Successful recruitment of military troops is another aspect of military competence to which Molinet draws his readers’ attention. On the whole, throughout most of his description of the siege of Neuss and of other military campaigns, with the exception of Charles’s last Swiss campaign, Molinet maintains a remarkable optimism about the duke’s military success. The same enthusiasm is later transferred to the person of Maximilian of Austria, whose victory at the battle of Guinegate Molinet describes in great detail. Military competence in Burgundian court histories is not limited to princes. Molinet makes much of the courage of ducal captains but also of some commoners who distinguished themselves in defending the towns and fortresses assailed by the French after the death of Charles the Bold. 13 It is important to see the emphasis on military competence in discursive relation to the topos of good government constructed by the dynastic historians. The connection between the two is especially evident in the representation of episodes of military violence treated as disruptions of peace. While war was commonly viewed as a natural function of the noble estate and of the princes, normative literature such as the „Book of the Body Politic“ by Christine de Pisan (an influential source of ideas in the Burgundian courtly milieu) made a sharp distinction between military courage necessary for the protection of lands and subjects on the one hand and the abuse of force and excessive violence on the other hand. 14 In line with this distinction, Burgundian court historians, too, made it clear when they deemed an act of war unnecessary or too violent. The critique of excessive aggression as a sign of the prince’s in-

11

On Molinet see Jean Devaux, Jean Molinet, indiciaire bourguignon. Paris 1996; Michael Zingel, Frank-

reich, das Reich, und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie. Sigmaringen 1995, 164–168. 12

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Molinet, Chroniques (note 1), Vol.1, 60.

13

Ibid. 209.

14

Christine de Pisan, The Book of the Body Politic. Ed. by Kate Langdon Forhan. Cambridge 1994, 16f.

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competence is particularly evident in the last part of the chronicle of George Chastelain. In Chastelain’s view, Charles the Bold’s uncontrollable pride and hatred directed against his enemies makes him take actions that might easily provoke the destruction of the wellbeing of lands and people entrusted to him by God. 15 The beginning of Molinet’s chronicle is also a narrative of the difficult relationship between the most bellicose Valois duke and the chose publique. Molinet is careful to point out that Charles is not guided by mere thirst for glory. 16 This is not surprising: thirst for glory was frowned upon by the normative literature promoting notions of inner nobility – such as the humanist version of Lucian’s „Dialogues of the Dead“ known at the court of Burgundy. 17 As the siege of Neuss progresses without result and the number of enemies alienated by the duke increases, it becomes increasingly difficult for Molinet to justify Burgundy’s position in Germany. In a passage which, according to some scholars, was added much later (after Charles’s death and the dynastic alliance with the Habsburgs) 18, Molinet ventures to be critical of Charles’s military confrontation with the emperor. The critique becomes only more vocal regarding the following disasters. The mass executions of Swiss prisoners at Granson provoke Molinet’s regrets, voiced in almost as strong terms as the critique of Charles’s opponents. 19 Describing Charles’s attitude on the eve of Nancy, Molinet does nothing to reduce the impression of an irate, melancholy leader who does not heed the advice of wellmeaning courtiers. 20

15 Jean-Claude Delclos, Le témoignage de Georges Chastellain, historiographe de Philippe le Bon et de Charles le Téméraire. Genève 1980, 198–201. 16 Molinet, Chroniques (note 1), Vol.1, 43: „filz de Mars, alors et du tout adonné à la guerre, estoit très joyeux d’ avoir trouvé son passe tempz, plus pour excerciter son ost en durté yvernale et en la querele de son alyé que pour ambition de propre gloire.“ 17 Vanderjagt, Qui sa vertu anoblist (note 3). 18 Zingel, Frankreich, das Reich, und Burgund (note 11), 176. Doutrepont et Jodogne’s edition of Molinet’s „Chronique“ indicates that the more critical sentences in this passage are not present in the manuscript in the Bibliotheque Nationale in Paris. This may indicate they were added to other manuscripts of the same chronicle (that remained in the Netherlands) after Charles’s demise and the union with the Habsburgs. 19 Molinet, Chroniques (note 1), Vol.1, 138f. The expressions used are „doloreux exploit“, „cruelle et pitoyable extermination“, „trop inhumainement les avoit traittéz“. Descriptions of innumerable bodies hanging on the trees left by Wilwolt von Schaumberg, a bitter opponent of Charles, are not dissimilar to those given by his court chronicler. See Werner Paravicini, „Folie raisonnainte.“ Charles le Téméraire, duc de Bourgogne, 1433–1477, in: Susan Marti/Till-Holger Borchert/Gabriele Keck (Eds.), Charles le Téméraire. Faste et déclin de la cour de Bourgogne. (Exhibition catalogue.) Bern/Bruxelles 2008, 38–49, esp. 45. 20 Molinet, Chroniques (note 1), Vol.1, 164.

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However, as soon as Charles is dead, his military actions are again presented in a different light. Molinet employs a simple strategy to show that the duke was, after all, a true and competent protector of the common good, and ultimately a successful one. Several proofs of his competence are offered to the potential reader of the „Chroniques“. Charles’s fame that „resounded across lands and countries and reached the infidels“ is presented as the strongest proof. Since his victories were bound to remain imprinted on the memory of humanity, he was to be remembered specifically as „le vray et hardy champion de la chose publique“ who sacrificed his person for „acquiring for us one day the blessed reign of peace“. 21 Charles’s bellicose actions, presented before as inhuman and incompetent, are now redeemed and inserted as an instance of self-sacrifice into the narrative of bien publique. In all of these episodes, Burgundian historians treat military competence as they treat other aspects of political competence – that is, fairly separately from any reference to Christian piety. Even Olivier de La Marche’s praise for the crusading ambitions of Philip the Good adhere to the same tradition: the defence of faith is presented as a predominantly external physical activity, much like the preservation of peace. It takes resources and potentially exposes the prince and his goods and subjects to danger – however, it has little to do with internal piety, and no proofs of the latter are required.

II. Maximilian and the Transformation of the Burgundian Model The culture of Burgundian-Netherlandish political institutions did not change overnight after 1477, but the prestige of Burgundian court culture and its influence on the new ruler, Maximilian of Austria, in the long run led to a remarkable re-interpretation of the Burgundian notions of political competence. Austrian historians have been enthusiastic in putting forward the claim that much of „Maximilian’s propaganda“ was inspired by Maximilian’s Burgundian experience. 22 Hermann

21

Ibid. 208.

22

On the ‚propaganda‘ of Maximilian I, see especially Georg Wagner, Maximilian I. und die politische

Propaganda, in: Maximilian I. (Exhibition catalogue.) Innsbruck 1969, 33–45; Manfred Hollegger, Erwachen vnd aufsten als ein starcker stryter. Zu Formen und Inhalt der Propaganda Maximilians I., in: Karel Hruza

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Wiesflecker insisted that Maximilian’s universal imperial claims, his ‚militarism‘ and his court historiography, marked by a striving for world domination, were all results of the „Burgundian experience“ („burgundische Erlebnis“). 23 However, very little attention has been given so far to the way in which Maximilian’s representation distorted the model of political competence which had been developed in the Burgundian Netherlands, undermining the aspect of that model which insisted on the institutional and negotiable nature of politics. Instead, Maximilian’s representation, especially his representation in the German lands, emphasised sheer military force. Wiesflecker seems to suggest simply that the court historiography and Publizistik of the Burgundian Netherlands had served as the model for Maximilian’s literary patronage and dynastic propaganda. 24 The fact that no outstanding works of historiography, similar to those of Chastelain or Molinet, were produced as a result, is explained by Wiesflecker simply by the mediocre talents of chronicle writers employed by Maximilian. 25 However, a reader of Chastelain and Molinet would easily notice that there are some prominent features in Burgundian court historiography that historical works produced in Germany under Maximilian’s patronage never shared. Two such features are particularly worth mentioning here: the critical distance that Burgundian court historiographers in the last quarter of the fifteenth century maintained towards the actions of their princes, and the relative separation of the genre of prose history from elements of literary fiction. Both of these features are relevant for understanding the difference between Maximilian’s representation in the Netherlands and his representation in the works of his German court. 26 While Chastelain and occasionally even Molinet had inserted critical passages in their chronicles or at least had indicated that not all the actions of Charles the Bold deserved glorification, such striving for critical distance can hardly be discovered in (Hrsg.), Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit, 11.–16.Jahrhundert. Wien 2002, 223–234. Not touching on the origins but also engaging with the notion of Maximilian’s propaganda: Christina Lutter, An das Volk von Venedig! Propaganda Maximilians I. in Venedig, in: Hruza (Hrsg.), Propaganda (note 22), 235– 253. 23 Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. 5 Bde. Wien/München 1971–1986, Bd., 228f., 232f., 243–47, Bd. 5, 411f. 24 Ibid. Bd. 5, 321 and 452f. 25 Ibid. 321. 26 On the political communication aspects of texts produced at Maximilian’s court, see Georg Wagner, Maximilian I. (note 22), 33ff.; Manfred Hollegger, Erwachen vnd aufsten (note 22).

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the works of court historiography glorifying Maximilian I. Grünpeck’s Latin histories of Maximilian’s deeds offer little in the way of critique of the ruler’s actions. The more fictionalised German biographies „Theuerdank“, and „Weisskunig“ show even less tendency towards critical distance. 27 These examples show that Burgundian influence on Maximilian’s literary and historiographical representation was limited, and Maximilian’s literary „apparatus“ did not share some of the basic norms of Burgundian court historiography. It seems that Maximilian’s encounter with Burgundian literary culture did not include the more recent works of court historiography, or if it did, that encounter left little trace in his own literary programme of self-promotion. 28 If the works of Grünpeck and Molinet can be at least tentatively placed within the same genre, this cannot be said of the later fictional histories of Maximilian. In them, fictional characters enact before the readers’ eyes ideal models of princely government, without an admixture of limitations presented by real military circumstances, political institutions and the negotiable nature of politics. Military competence plays a crucial role in the self-representation of Maximilian in „Weisskunig“. In the chapters dedicated to the young king’s education, the acquisition of military skills is described in great detail. Before the young king sets out to marry the orphaned queen of Fewreysen („Firesteel“, an allegorical name for Burgundy), his father sends him away to acquire military experience in battle. 29 This proves to be a useful lesson: most of the remaining chapters of the „Weisskunig“ describe the protagonist’s wars with various foreign and domestic enemies. Military success is so central to a ruler’s competence in the „Weisskunig“ that other virtues that were considered to have intrinsic value per se in medieval mirrors of princes, are advocated for their instrumental value for the achievement of military success. The moral value of traditional virtues, such as kindness, in the „Weisskunig“ is less important than its usefulness for obtaining military victories. When the old king sees his son distributing all his money among his followers, he mildly reprimands him, saying that every king should be kind, but not quite so kind. To which the young 27

A profound analysis of all three from the point of view of literary and cultural history can be found in

Jan-Dirk Müller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. Munich 1982. 28

On Maximilian’s publishing plan developed in cooperation with Treitzsaurwein, see Gerhard Benecke,

Maximilian I. An Analytical Biography. London/Boston 1982, 16–23. 29

„Aus der ursach, wann du kumest, in Regirung der kunigin landt, das du dich destpas, gegen deinen

veindten wissest zuschicken.“ [Maximilian I/Marx Treitsaurwein,] Der Weiß Kunig. Vienna 1775, 120.

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White King answers: „I wish not to be a king of money, but a king of [my] people.“ 30 As in matters of relations with the subjects, also in war the keeping of secrets is an important element of competence as described in the „Weisskunig“. Those who cannot keep a secret in war, are inviting trouble: see the story of the count of Fürstenberg, whose plans of military attack become known to the Swiss, with the consequence that they attack him first and kill him. 31 If the Burgundian historians tended to explain, how certain actions of the rulers and their officers lead to the public good, in the „Weisskunig“, by contrast, the essence of government is located in the rulers’ military success and honour per se. When the White King goes forth to rule, his interaction with other political actors is reduced to the dichotomy of loyal followers and enemies. There is no mention of institutional partners with whom political compromise can or has to be negotiated. In Molinet’s version of Maximilian’s wars in the Netherlands, the relationship with the Estates General and with the cities is complex and the smooth communication with these institutions is as important as military victories. In Maximilian’s German historiography, the interaction with rebellious subjects is more or less limited to military clashes and suppression, followed by executions of the particularly stubborn trouble-makers. The dichotomy of the White King and the Black Company (this heraldic term is used in the „Weisskunig“ for the Ghenters, who constituted the main opposition to Maximilian’s regency in 1487–88) reflects the way in which the conflict of interests in the Netherlands is represented in the fictional autobiography. Instead of a series of conflicts and compromises of overwhelming political complexity, reflected by Molinet when describing the same events 32, the wars in the Netherlands are described in the „Weisskunig“ as a series of battles between the White King and his wicked enemies. Maximilian is presented as a fully accomplished prince, competent in both the military and the political field, but the field itself becomes a fiction.

30 „Ich wirdt nit werden, ain kunig des gelts, sonder ich wil werden, ein kunig des volcks“. Ibid. 31 Ibid. 269f. 32 Molinet, Chroniques (note 1), esp. Vol.1, 582, 592.

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III. The Rise of the Confessional Model and its Impact on the Choice between War and Peace At the time when Maximilian and his circle were praising the accomplishments of the White King, the model of political competence they strove to promote was about to come under severe criticism. This time, it was not the ruler’s behaviour that provoked dissatisfaction, but the Burgundian model of statesmanship itself. The most notable text in which the initial roots of critique can be traced is the „Institutio principis Christiani“. Firstly, the Erasmian prince is admonished to internalise the expressions of piety that his predecessors were allowed to maintain as external functions. Secondly, he is called to reject the models of princely glory based on the example of conquerors. 33 Calling for a total remodelling of the notions of a prince’s Christian devotion, Erasmus evokes the military and religious aspects of the Burgundian model and condemns it: „Do not think you have acquitted yourself well in the eyes of Christ, merely because you send a fleet against the Turks“. 34 This may be a direct allusion to Philip the Good sending a marine expedition to the Black Sea, an example Erasmus admonished his descendants not to follow. What was considered a necessary qualification for a humble subject or a good monk, but not for a prince, Erasmus proposed as a necessary qualification for the prince too. The examples of pagan rulers of the classical age, whose virtù Renaissance humanists and their allies in Burgundy had wished to follow 35, suddenly became inappropriate. 36 The dynastic history provided negative rather than positive examples for Erasmus. It is certain that while the young Charles V, the supposed addressee, paid little attention to the ideas of „Institutio“, many of the future influential figures of Habsburg politics took heed of its ideas. Among those were Charles’s younger brother Ferdinand (the future Ferdinand I) and his chancellor Mercurino of Gatti-

33

Wilhelm Ribhegge, Erasmus von Rotterdam und der burgundische Hof, in: Chantal Grell/Werner

Paravicini/Jürgen Voss (Eds.), Les princes et l’histoire du XIVe au XVIIIe siècle. Actes du colloque organisé par l’Université de Versailles-Saint-Quentin et l’Institut Historique Allemand (Paris/Versailles, 13–16 mars 1996). Bonn 1998, 373–401. 34

Desiderius Erasmus, The Education of a Christian Prince (1516). Transl. by Lester K. Born. New York

1963, 153f. 35

On the influence of the renaissance idea of political virtues on the court of Burgundy, see Vanderjagt,

Qui sa vertu anoblist (note 3). 36

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Ribhegge, Erasmus von Rotterdam und der burgundische Hof (note 33), 381.

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nara. 37 It is Gattinara’s vision of politics and war, as revealed in his memoirs, that best demonstrates the transformation of the Erasmian model of Christian political competence into a confessional model. Gattinara’s autobiography has not usually been treated by researchers as a work of historiography but much more as evidence of the political creeds that informed the politics of Charles V. Nothing should disqualify it, however, from being considered a work of historiography. After all, La Marche had also been a ducal officer and not an official historian. For Gattinara the political field, including war, was subservient to religion and the Church as an institution. To quote Gattinara, „the Almighty himself had put also war and peace in the emperor’s hand – probably not in order that he should put so many signs of grace given him by God to wrong use, but in order that he […] could apply himself to the fostering and propagation of Christian religion […] so that he could direct his victorious hosts and conquering arms and banners against the enemies of the true Faith, the pagan Turks, against false Christians and heretics“. 38 Victories are no longer a sign of competence or virtù, they are an instrument to ensure the confessional purity of the territories conquered. The ultimate purpose of this, according to Gattinara, is unequivocal – „to make the Throne of Peter even stronger“. If for Molinet, c. 1477, the way to accommodate the cruelty of war, perpetrated by his lord, was to insert that war into the standard reference frame of the preservation of the bien publique (defined as peace, justice and prosperity), for Gattinara, c. 1527, the way to justify the excesses of war is through his own and his prince’s recourse to faith and piety. This goes to show that the political ideal of the dynasty at the time of Gattinara differs fundamentally from that fifty years earlier. The new model of political competence presented by Gattinara took root rather quickly. The change that occurred in the dynastic ideology of the Habsburgs (and of other European monarchies) during the sixteenth century and culminated in the first half of the seventeenth century, was the ideologically grounded rejection of compromise with heretics, including compromise in war. It is true that some recent studies have shown that in reality, the monarchs themselves were, perhaps, not

37 On Gattinara, see John Headley, The Emperor and His Chancellor. A Study of the Imperial Chancellery under Gattinara. Cambridge 1983. 38 Der Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz. Die Autobiographie Mercurino Gattinaras aus dem Lateinischen übersetzt. Bearb. v. Ilse Kodek. Münster 2004, 198–199.

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among those who rejected compromise in practice 39, but ideologues, including dynastic historians, did reject it. A hundred years after Gattinara, no other author better exemplifies the rejection of compromise and the emphasis on the central role of Catholic piety in the running of military affairs than the Louvain professor and official imperial historiographer Nicolaus Vernulaeus. 40 The military doctrine of the Habsburgs during the period was arguably still influenced by the scholasticism of Bellarmine, for whom peace and restoration of the public order were the only legitimate goals for which a virtuous prince could enter war. 41 Not surprisingly, religious wars especially were presented as the preservation of the status quo, the „old peaceful order of things“ („alte Ruhestand“) of which Austrian political documents issued by imperial authorities during the Thirty Years’ War sometimes speak. 42 The source of the dynasty’s prosperity, according to Vernulaeus, is neither the famous marriage policy nor military prowess, but adherence to the divine cult in its right form. Ferdinand II is represented as the ideal prince, and Vernulaeus particularly praises him when he rejects compromise and chooses to continue war even when there is a possibility of peace, but peace dangerous to the faith. A good example is the episode in a later compendium of the works of Vernulaeus, „Phosphorus austriacus“, in which Ferdinand II reacts to the news that Wallenstein may be negotiating a peace with the „sectarians“ behind his back: „Cum Walstenius Fritlandiae dux, cum sectariis in Silesia de pace non bona fide, ut rumor increbuerat, ageret, procumbens in genua Caesar; Si ea pax perniciosa, inquit, Ecclesiae futura est, tu Deus, tu Dei mater, illam impedite.“ 43 According to Vernulaeus, peace, when dangerous to the Church’s position, is of no value at all for a competent Catholic prince, and is to be

39

Christoph Kampmann, Peace Impossible? The Holy Roman Empire and the European State System in

the 17th Century, in: Olaf Asbach/Peter Schröder (Eds.), War, the State and International Law in Seventeenth-Century Europe. London 2010, 197–211. 40

Nicolaus Vernulaeus (Vernulz, 1583–1649), was a university professor at Leuven. He began as a teach-

er of rhetoric and eloquence at university colleges in the Southern Netherlands and succeeded Erycius Puteanus as Professor of History and Politics at the Collegium Trilingue in Leuven. See Veronika Oberparleiter, Nicolaus Vernulaeus’s Representation of the House of Habsburg (Unpublished paper from the conference „The Mistress-Court of Mighty Europe“. University of Bangor 2006). 41

Robert Bireley, The Counter-Reformation Prince. Anti-Machiavellianism or Catholic Statecraft in Early

Modern Europe. London 1990, 40.

328

42

Maria Goloubeva, The Glorification of Emperor Leopold I in Image, Spectacle and Text. Mainz 2000, 89.

43

Nicolaus Vernulaeus, Phosphori Austriaci de Gente Austriaca libri tres. Louvain 1665, 364.

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rejected. 44 The security of subjects and the need to restore everyday activities such as commerce that sometimes appeared in the texts of official historians in the Burgundian Netherlands, were of no significance in pro-Habsburg histories of the time of the Thirty Years’ War. The confessional model of military competence has reached its peak, and piety has supplanted other reasons for war and peace. To sum up, the confessional model of military and political competence was superimposed upon the late medieval secular model and, in the case of the Habsburgs, almost entirely eclipsed it.

IV. The Return of the Secular Model of Political and Military Comptence In the middle of the seventeenth century, with the arrival of Franz Christoph von Khevenhüller as dynastic historiographer, the genre of „pragmatic history“ dulled the sharpness of confessional polemic. 45 Indirectly Khevenhüller’s work signals a step towards a new approach in Habsburg historiography: by creating a more „grounded“ and legalist narrative, the confessional message becomes less immediate. In the second half of the century, this tendency was to be taken further by Galeazzo Gualdo Priorato, court historian to Emperor Leopold I. Priorato’s impact on the official history of the Habsburgs in the middle of the seventeenth century consists in returning dynastic history to a vision of politics in which secular constellations of interests play a greater role than considerations of spiritual salvation. This can be seen particularly in the way Priorato treats the behaviour of princes and other leading political figures during war. War, for Priorato, is a matter of political expediency. His narration of the life of Ferdinand III begins with the words: „The Austrian emperors sustained great wars almost constantly. The mightier they became, with their hereditary realms and vast provinces, the more

44 On the striving for peace and the rejection of „dishonourable“ peace in the Habsburg policies during the Thirty Years’ War, see Kampmann, Peace Impossible? (note 39). 45 Franz Christoph Khevenhüller, Frantz Christoph Khevenhillers, | Des Ersten zu Aichelberg [...] | Annales | Ferdinandei | Oder | Wahrhaffte | Beschreibung, | Kaeysers Ferdinandi | Des Andern, | Mildesten Gedaechtniß, Geburth, Aufferziehung und bißhero in Krieg und | Friedens-Zeiten vollbrachten Thaten, gefuehrten Kriegen, und vollzogenen hochwichtigen Geschaefften. Leipzig 1724.

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they awoke the envy and fear in other potentates of Europe“. 46 Not a word of the religious motives of wars until much later in the story. Priorato’s claim, formulated in several publications, postulates that those who do not know the art of war cannot describe war. He sees himself as a competent military officer who happens to write history, not as a historian. Military competence happened to be the thing of which he considered himself an expert. Of all Priorato’s works, two – „Il Guerriero prudente, e politico“ 47 and „Vite et azioni di personaggi militari, e politici“ 48 – seem to provide the best summary of his own assessment of what it takes to be competent in war. In fact, Priorato was somewhat unfit to be a proper Habsburg historian – he believed that individuals, not families, could achieve greatness, and he used to praise Protestant generals as much as Catholic ones in his earlier works. Nevertheless, he took up the Habsburg historical commissions and settled in Vienna. In serving Leopold I as the official historian Priorato faced the difficulty of writing for an emperor who never himself ventured out into the field. Therefore Priorato’s assertion of the military competence of the Habsburgs and Leopold I in particular rests mainly on evaluations of the choice of commanders and on the condemnation of the incompetent military behaviour of the emperor’s Hungarian subjects. One of the central features in his narrative of incompetence of Hungarian military leaders is his critique of their thirst for glory. To give a favourable light to the emperor’s policies in Hungary, Priorato portrays the Hungarian noble elite as unreasonable, incompetent and generally malicious. This impression is constructed largely through the description of military actions. According to Priorato, „there was none among the Hungarian nationals at that moment“ with military experience to speak of, „who would have commanded a siege, or assault on a fortress, or led the troops in a field battle“. „And if some of them had excelled in isolated successful acts of valour, those resulted in increasing the glory of their names, but were of little advantage to Christendom, or to their fatherland“. 49 Priorato willingly dwells on the image of Leopold’s Hungarian subjects as precocious warriors lacking expertise, driven by desire for

330

46

Galeazzo Gualdo Priorato, Historia di Ferdinando Terzo Imperatore. Vienna 1672, 1.

47

Id., Il Guerriero prudente, e politico. Venice 1640.

48

Id., Vite et azioni di personaggi militari, e politici. Augsburg 1658.

49

Id., Continuatione della Historia di Leopoldo Cesare. Wien 1676, 8.

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personal glory and negligent of public good. 50 At the same time he does not hesitate to call the Turks good politicians, who can make the most of their military advantage – unlike the Hungarians. 51 The emperor’s military competence is constructed by describing his prudent choice of military figures: officers appointed by Leopold to rule over Hungary in his name are commended by Priorato for proper military experience. The career of the successful candidate, Ampringen, including his previous involvement in war against the Ottomans, is described as proof of his competence. 52 Priorato’s Habsburg histories present a model of military competence divorced from the precepts of moral theology, which shaped most of the official discourse in the Habsburg domains in the seventeenth century. The model of political competence that Robert Bireley has termed „Catholic statecraft“ was developed to perfection by the early-seventeenth-century apologists of the dynasty. 53 It was, however, becoming untenable outside the Hereditary Lands towards the end of the seventeenth century. The reasons for that were many, and they deserve a separate detailed study. The most obvious reason for the decline of the confessional model of statecraft was probably the need to maintain alliances with Protestant powers inside and outside the Empire, both in the wars with the Ottoman Porte and in the ever-renewed conflict with Louis XIV. If Priorato managed to restore secular political discourse to Habsburg history by enhancing the reference frame of civic humanism, another notable historian of the reign of Leopold I, Gottlieb Eucharius Rinck, came from a vastly different tradition. Rinck was a Protestant and a student of the major German political theorist of his time, Christian Thomasius. 54 However loftily Rinck praises the traditional Habsburg upbringing of his hero, based on

50 Ibid. 23f. Count Peter Zrinyi is described as „invaghito, e insperanzato dalla fama“ after his victories against the Turks. 51 Ibid. 44: „The Turks, who are good politicians [buoni politici], having considered the quality of those rebels, could not believe it other than mad that the Hungarians, in their bestiality, rebelled against their Christian prince, from whom they could hope for advancement in war and peace, and wanted to subject themselves to the Turks“ (my translation, M. G.). 52 Gualdo Priorato, Continuatione (note 49), 140f. 53 Bireley, The Counter-Reformation Prince (note 41). 54 A number of recent works re-interpret the doctrines of Christian Thomasius in view of the current developments in the history of political philosophy and even in literary theory. See especially Martin Kühnel, Das politische Denken von Christian Thomasius. Berlin 2001, and Herbert Jaumann/Manfred Beetz (Hrsg.), Thomasius im literarischen Feld. Neue Beiträge zur Erforschung seines Werkes im historischen Kontext. Tübingen 2003.

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the dynastic handbook, „Princeps in Compendio“ 55, a crucial difference exists between the model of political competence represented by the Habsburg handbook on government and the model that Rinck himself constructs. Rinck’s vision of successful government is firmly grounded in the separation of piety (seen as a desirable quality) and religious confessionalism. This is reflected also in the way Rinck treats the military affairs of Leopold’s reign, including the suppression of rebellious Hungarian subjects. To be sure, as a true student of Thomasius, Rinck does not disapprove of military suppression of religious differences by the prince, once these differences begin to disrupt peace. What he dislikes, is excessive and violent action. In Rinck’s words, the violence of military suppression in Hungary was not the emperor’s fault, but that of bad generals and religious zealots: „How can one then blame the emperor for those excesses, which should be ascribed to the harshness of General Caraffa, and not to his own commands? This minister, together with the Cardinal Collonitsch, have carried out this reform in such a horrible form; the last did it out of zeal for religion, the first out of zeal for the treasury, and for his own purse.“ 56 While piety may lead to military victory (unlike Priorato, Rinck proposes that it is so), confessionalism – and selfish generals – can only bring harm. What matters, is not the triumph of a particular confession through military activities, but common good, for Rinck primarily – the common good of the Holy Roman Empire, much less that of Habsburg domains such as Hungary.

V. Conclusions To sum up the developments described in this paper, I propose two main conclusions: 1) The models of military competence were adjusted according to the development of political institutions and the accompanying ideal models of statecraft. For example, the ability to deal with complex constellations of political interests inside the community and to strike compromises, described by Molinet when dealing with

55

On „Princeps in compendio“, see Franz Bosbach, Princeps in compendio, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Das

Herrscherbild im 17.Jahrhundert. Münster 1991, 79–114. 56

Gottlieb Eucharius Rinck, Leopolds des Grossen […] wunderwürdiges Leben und Thaten. 2 Bde. 3.Aufl.

Leipzig 1713, Bd. 1, 81.

332

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the wars of Maximilian I in the Netherlands, is no longer on the list of requisite qualifications for a Habsburg ruler waging war in the seventeenth century, as witnessed by the history of the Hungarian rebellion by Gualdo Priorato. 2) The relationship between the narrative of the ruler’s military policy and the notion of common good was very important for the Burgundian court historians but became less so for the authors of Maximilian’s histories and was supplemented by the relationship between military policy and true religion in the sixteenth century. After the end of the Thirty Years’ war, the connection between military competence and common good was largely resuscitated, and the confessional understanding of military competence of rulers declined.

This article contains some arguments from the author’s monograph: Models of Political Competence. The Evolution of Political Norms in the Works of Burgundian and Habsburg Court Historians, c. 1470–1700. Leiden 2013.

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Das Erbe des „Wilhelmus“ Ein niederländisches Modell der heroischen Monarchie? von Olaf Mörke

Die Tagung widmet sich der „heroischen Monarchie“. Sie fragt nach Formen und Wandlungen der ritterlich-heroischen Selbststilisierung der europäischen Monarchie zwischen dem 16. und dem 18.Jahrhundert. Der miles christianus, der ritterliche Glaubenskämpfer, und der roi-chevalier, der ritterliche König französisch-burgundischer Provenienz, markieren in diesem Kontext zunächst die hoch- und spätmittelalterliche Tradition eines seine normativen Grundlagen aus dem Rittertum schöpfenden Herrscherbildes. Angesichts sich seitdem wandelnder politischer und militärischer Anforderungen an den fürstlichen Herrscher – die in der Frühneuzeitforschung intensiv diskutierten Leitkategorien „frühmoderne Staatsbildung“ und military revolution können zur Kennzeichnung diesbezüglicher Transformationsprozesse noch immer dienen – sind während der interessierenden Epoche Anpassungen in der monarchisch-herrscherlichen Selbst- und Fremdstilisierung in Form und Inhalt erwartbar. 1 Diesen Anpassungen spürt die Tagung nach. Mit der Figur des roi-connétable, dem König als militärischem Führer, als – selbstredend – siegreichem Feldherrn, werde, so Martin Wrede in seiner den Vortragenden vorab zur Orientierung vorgelegten Tagungsskizze, seit dem späten 17.Jahrhundert ein neues Leitmotiv für das Bild des Monarchen gesetzt. Mit dieser Feststellung geht die Aufforderung einher, auszuloten, in welcher Beziehung die das Herrscherbild konturierenden Motive des miles christianus, des roi-chevalier und des roi-connétable zueinander standen, wie und ob Altes und Neues sich aufeinander bezogen, wie 1 Die Spannweite dieses Transformationsprozesses wird deutlich bei: Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 1999, passim (Kapitel I: Monarchie und Staatsgewalt, 31–124). Auf die bei aller Wandlungsfähigkeit grundsätzliche Bedeutung der Verbindung von Sakralität und Legalität für die Persistenz des Monarchischen verweist Reinhard auf S.93: „Die Monarchie hat das Ausrinnen der Transzendenz aus dem Bewußtsein der europäischen Eliten bezeichnenderweise nicht überlebt.“ – Den bis in die Mitte des 17.Jahrhunderts offenen Konflikt zwischen ständischer Einbindung des fürstlichen Herrschers und Konzentration der Herrschaft in der Hand des Monarchen betont als Epochenmerkmal: Luise Schorn-Schütte, Konfessionskriege und europäische Expansion. Europa 1500–1648. München 2010, 28.

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10.1515/9783486781076.334

und ob der Begriff der „heroischen Monarchie“ die „ritterlichen Prägungen monarchischer Selbstdarstellung in der Frühen Neuzeit sinnvoll verklammert“. 2

I. Es mag zunächst befremden, dass jener Aufforderung an einem Beispiel nachgegangen wird, dessen territoriale Basis keine Monarchie, sondern eine Republik gewesen ist: die der sieben Vereinigten Provinzen der Niederlande. Bei näherem Hinsehen indes sollte deutlich werden, dass jenes Beispiel trotzdem oder gerade deshalb von Interesse ist, weil die republikanische Verfasstheit jenen sieben Provinzen nicht in die Wiege gelegt worden war. In einer langandauernden, erbitterten militärischen Auseinandersetzung lösten sie sich seit den 1570er Jahren schrittweise aus dem Verband der unter spanischhabsburgischer Herrschaft stehenden Territorien der vormals burgundischen Niederlande. 1581 taten sie mit der durch das „Plakkaat van Verlatinge“ vollzogenen Absetzung Philipps II. von Spanien als Landesherrn den verfassungsrechtlich entscheidenden Schritt zur Eigenstaatlichkeit, die schließlich auch von Spanien de facto 1609 mit dem Schluss eines zwölfjährigen Waffenstillstandes und de jure 1648 mit einem Friedensvertrag anerkannt wurde. 3 Zur Ausformung einer genuin republikanischen Politiktheorie, so die inzwischen allgemeine Forschungsmeinung, sei es in der Republik erst ab der Mitte des 17.Jahrhunderts gekommen. 4 Deren dauerhafte praktische Wirksamkeit ist jedoch zu Recht bezweifelt worden. Modelle, die um das Problem der Beziehung zwischen Ständen und der aus burgundisch-habsburgischer Zeit überkommenen quasi-monarchischen Institution des Statthalters, um eine spe-

2 Dies die von Martin Wrede in der Tagungsskizze gewählte Formulierung. Vgl. die Einleitung des Herausgebers. 3 Zur Verlaufs- und Strukturgeschichte jener Auseinandersetzung, deren Bewertung zwischen „Freiheitskampf“ und „Bürgerkrieg“ oszilliert, noch immer an Klarheit im Überblick beispielhaft: Simon Groenveld u.a., De kogel door de kerk? De opstand in de Nederlanden 1559–1609. Zutphen 1983; ders./H.L. Ph. Leeuwenberg, De bruid in de schuit. De consolidatie van de Republiek 1609–1650. Zutphen 1985. 4 Prägnant: Heinz Schilling, Der libertär-radikale Republikanismus der holländischen Regenten. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen Radikalismus in der frühen Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft 10, 1984, 498–533. Im Überblick: Olaf Mörke, „Stadtholder“ oder „Staetholder“? Die Funktion des Hauses Oranien und seines Hofes in der politischen Kultur der Republik der Vereinigten Niederlande im 17.Jahrhundert. Münster 1997, 402–419.

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zifische Variante der monarchia mixta, kreisten, besaßen vor und nach 1650 in der politischen Praxis die wohl größere Wirkmächtigkeit. 5 Die Republik ging gleichsam notgedrungen aus einer Auseinandersetzung um die rechte Gestalt der Monarchie hervor, die mit der Intensivierung der Debatte um die Wahrung der Ständerechte seit den 1560er Jahren in den Niederlanden an Fahrt gewonnen hatte. Für die zunächst hochadlige und sich dann rasch verbreiternde Opposition gegen die Politik Philipps II., der mit seinen Versuchen einer Fokussierung politischer Institutionen und Prozesse auf den fürstlichen Herrscher durchaus im Trend der Zeit lag, bildete der Rekurs auf das die Stände im Machtdiskurs begünstigende Privilegiengeflecht des Spätmittelalters einen zentralen argumentativen Bezugspunkt. Die Konfrontation eskalierte bis zu dem Punkt, an dem man Philipp II. im „Plakkaat van Verlatinge“ 1581 die Gefolgschaft aufkündigte, weil er zum Tyrannen, dem Gegenteil des gerechten Monarchen, mutiert sei. 6 Man wollte mit diesem Schritt die Tyrannis, nicht die Monarchie beseitigen! Im Gegenteil, es ging im „Plakkaat“ um ihre Rehabilitation im Rahmen einer monarchia mixta, deren politische Gewichtsverteilung freilich von den maßgeblichen Kräften der Opposition gegen Philipp extrem ständegünstig interpretiert wurde. Die europaweite Suche nach einem Fürsten für das neue Gemeinwesen scheiterte, weil potentielle Anwärter sich entweder auf diese ständische Einhegung nicht einlassen wollten, oder aber, wie Wilhelm von Oranien 1584, eines gewaltsamen Todes starben. Oranien hatte 1582 grundsätzlich das Angebot akzeptiert, mit der erblichen Grafenwürde von Holland den fürstlichen Part in einer solcherart wiederbelebten monarchia mixta zu übernehmen. In längeren Verhandlungen waren die Stände und er schließlich zu einer Übereinkunft gekommen, die jedoch bis zu Wilhelms Ermordung nicht rechtskräftig geworden war. 7 Er brachte die Voraussetzungen dafür mit,

5 Zur Gewichtung des Einflusses der republikanischen Theorien z.B. der Gebrüder De la Court und Spinozas: Murk van der Bijl, Pieter de la Court en de politieke werkelijkheid, in: H.W. Blom/W. Wildenberg (Eds.), Pieter de la Court in zijn tijd. Aspecten van een veelzijdig publicist. Amsterdam 1986, 65–91; E. O. G. Haitsma Mulier, The Myth of Venice and Dutch Republican Thought in the Seventeenth Century. Assen 1980, 209–215. 6 M. E. H.N. Mout (Ed.), Plakkaat van Verlatinge 1581. Facsimile-uitgave, inleiding, transcriptie, en vertaling in heedendags Nederlands. ’s-Gravenhage 1979, 94. Zur politiktheoretischen Einordnung die Ausführungen von Mout, ebd.20–46. 7 Ausführlich zu den diesbezüglichen Vorgängen: Horst Lademacher, Die Stellung des Prinzen von Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572 bis 1584. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der Niederlande. Bonn 1958, 157–169.

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dass das Experiment einer extrem ständeorientierten Monarchie hätte gelingen können. Zum einen entstammte er als deutscher Reichsfürst einem politischen Milieu, in dem das Aushandeln unterschiedlicher Interessen konstitutiver Bestandteil der Politikgestaltung war. Zum anderen hatte er dies in den Niederlanden selbst lange genug eingeübt. Zum dritten aber war es ihm und seinen Propagandisten zu Lebzeiten gelungen, seiner Stilisierung zur fürstlich-patriarchalen Heroengestalt, die gleichsam pars pro toto für den Kampf um das politische Normensystem gegen einen als tyrannisch erachteten Herrscher stand, zu breiter Akzeptanz zu verhelfen. 8 Für ihn und für seine Nachfahren, die als Statthalter die Geschicke des Landes an zentraler Position bis zum Ende der Republik 1795 mitbestimmen sollten, gedieh jene Stilisierung zur Heroengestalt zu einem Kernelement politischer Einflussnahme durch Propaganda. Um deren Gestalt und Inhalt und um die Frage, ob und wie das Beobachtete zum Konzept der „heroischen Monarchie“ in Beziehung steht, kreisen die folgenden Überlegungen. Ich gehe dabei im Wesentlichen chronologisch vor, beginne mit dem 1584 ermordeten Wilhelm I. und gehe dann auf seine Nachfolger bis zum 1702 verstorbenen Wilhelm III., seit 1672 Statthalter in den Niederlanden und seit 1689 englischer König, ein. Mit Wilhelm I. schrieb sich ein Muster patriarchal-fürstlicher Selbst- und Fremddarstellung in die politische Kultur der niederländischen Republik ein, das unter Wilhelm III. nach 1672 seinen elaborierten Höhepunkt erreichen sollte.

II. In der Phase, in der sich der Konflikt zwischen Philipp II. und der ständischen Opposition endgültig militarisierte und zu einem offenen Krieg auswuchs, den manche als niederländischen Bürgerkrieg, manche als Befreiungskrieg der Niederländer gegen die spanische Herrschaft bezeichnen, entstand um 1570 in der unmittelbaren Umgebung Oraniens ein schnell populär werdendes Lied, das seit 1932 die offizielle Nationalhymne des Königreiches der Niederlande ist, der Wilhelmus. Wilhelms erster, in seinem Exil in Dillenburg, dem deutschen Geburtsort und Stammsitz seiner Familie, geplanter konventionell militärischer Feldzug gegen die Truppen des 8 Dies ist eines der Hauptargumente meiner Biographie Oraniens: Olaf Mörke, Wilhelm von Oranien (1533–1584). Fürst und „Vater“ der Republik. Stuttgart 2007, passim.

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Herzogs von Alba, des neuen Generalstatthalters Philipps II. für die Niederlande, war 1568 gründlich gescheitert. Es kam nunmehr für Oranien darauf an, das Heft des Handelns nicht aus der Hand zu verlieren und seine ganz und gar nicht gefestigte Rolle als Führer der Oppositionskräfte zu profilieren. In einer Reihe von Pamphleten, die in jenem Jahr von Dillenburg aus lanciert worden waren, rechtfertigte Wilhelm sein Handeln als Verteidigung des von seinen egoistischen Beratern hinters Licht geführten Königs und der konstitutionellen Basis der niederländischen monarchia mixta. In der im September 1568 veröffentlichten „Waerschouwinghe des Princen van Orangien aende inghesetenen ende ondersaten van den Nederlanden“ überschritt er mit dem Plädoyer für die militärische Handlungsopposition gegen Alba eine vorher sorgsam beachtete Grenzlinie. 9 Solcherart normative Grenzüberschreitung hatte Konsequenzen. Wilhelm und sein Beraterstab mussten von nun an ihr besonderes Augenmerk auf eine – fast schon im Wortsinn – hieb- und stichfeste argumentative Untermauerung des offenen militärischen Widerstandshandelns richten. Im Wilhelmus-Lied findet sich denn auch in eingängiger Versform das Ensemble der dementsprechend von Wilhelm verkörperten Werte und Tugenden. 10 Die markante erste Strophe setzt ein Signal: „Wilhelmus van Nassouwe Ben ick van Duytschen bloet, Den Vaderlant ghetrouwe Blijf ik tot inden doet: Een Prince van Oraengien

9 W. P. C. Knuttel, Catalogus van de Pamfletten-verzameling berustende in de Koninklijke Bibliotheek. ’sGravenhage 1889–1920, Nr.168; Zum Inhalt erhellend: Martin van Gelderen, De Nederlandse Opstand (1555–1610): van ‚vrijheden‘ naar ‚oude vrijheid‘ en de ‚vrijheid der conscientien‘, in: E. O. G. Haitsma Mulier/W. R. E. Velema (Eds.), Vrijheid. Een geschiedenis van de vijftiende tot de twintigste eeuw. Amsterdam 1999, 28–33. 10

Zu Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Wilhelmus maßgeblich: Eberhard Nehlsen, Wilhelmus

von Nassauen. Studien zur Rezeption eines niederländischen Liedes im deutschsprachigen Raum vom 16. bis zum 20.Jahrhundert. Münster 1993. – Text des Wilhelmus in: Anton van Duinkerken/P. J. G. Huincks (Eds.), Dichters om Oranje. Oranje-poëzie van Willem de Zwijger tot heden. Baarn 1946. Ich übersetze die folgend zitierten ersten und sechsten Strophe: Wilhelmus von Nassaue / Bin ich von deutschem Blut, / Dem Vaterland getreue / Bleib ich bis in den Tod: / Ein Fürst von Oranien / Bin ich frei unverwehrt, / Den König von Hispanien / hab ich allzeit geehrt. [...] Mein Schild und mein Vertrauen / Seid ihr, oh Gott, mein Herr, / Auf Euch so will ich bauen / Verlasst mich nimmermehr: / Dass ich wohl fromm mag bleiben, / Euer Diener zu aller Stund’, / Die Tyrannei vertreiben / Die mir mein Herz verwundt.

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Ben ick vrij onverveert, Den Coninck van Hispaengien Heb ik altijt gheert.“

Gleich zu Beginn findet sich der Verweis auf die nassauische Herkunft Wilhelms von Oranien. Immer wieder spielt in den insgesamt 15 Strophen die Tradition des Hauses Oranien-Nassau, bis hin zum von 1292 bis 1298 regierenden deutschen König Adolf von Nassau, eine tragende Rolle. Mit dem Bezug auf einen leibhaftigen König in seinen Reihen setzte der Autor des Liedes das reichsunmittelbare Grafenhaus der Nassauer in den Kontext einer royalen Herkunft, die Wilhelm über den Kreis des niederländischen Hochadels hinaus auf die Ebene der großen europäischen Herrscherfamilien führte. Der Eindruck, es könne sich bei ihm um einen eigene Machtinteressen verfolgenden Parvenü handeln, durfte erst gar nicht aufkommen. Wilhelms Erhebung zum souveränen Fürsten des bei Avignon gelegenen Miniterritoriums Orange, das er elfjährig erbte und das ihn persönlich in den Kreis der europäischen Herrscher führte, wird ebenso erwähnt wie seine Position in den Niederlanden, wo er seit 1559 als Statthalter in den Provinzen Holland, Seeland und Utrecht auf die Wahrung der Privilegien der autochthonen Politikeliten gegenüber dem fernen Herrscher, dem spanischen König, bedacht war. Der Gesamttext des Wilhelmus deutet einen für den vorliegenden Problemkontext interessanten Spannungsbogen an. Mit der Ehrerbietung gegenüber dem Herrscher, dem „Coninck van Hispaengien“, aus dessen Hand er, Wilhelm, Ämter und Würden erhalten hatte, und der Treue gegenüber dem „Vaderlant“ wird einerseits auf die Verpflichtung des Vasallen gegenüber seinem Herrn, andererseits auf die verpflichtende Bindung an die patria angespielt. Entgegen einer älteren patria-Auffassung, welche eng an die Gefolgschaft gegenüber dem Monarchen gebunden war, löst sich der Gebrauch von „Vaderlant“ hier von der Bindung an den König ab. 11 Er gewinnt gegenüber dieser Bindung an Autonomie, ja wendet sich geradezu gegen sie. Die normativ verpflichtende Bindung des Handelns an das sich vom Herrscher gleichsam emanzipierende „Vaderlant“ markiert etwas Neues. 12 Ein traditionelles und ein neues politisches Konzept stritten miteinander. Dem Dichter des Liedes, das 11 Caspar Hirschi sieht den Patria-Diskurs im spätmittelalterlichen Westeuropa in enger Verbindung zur Königsherrschaft. Er deutet ihn nachgerade als Instrument „monarchischer Elitendisziplinierung“. Caspar Hirschi, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Göttingen 2005, bes., 80, 84f. 12 Siehe auch: Karin Tilmans, De ontwikkeling van een vaderland-begrip in de laat-middeleeuwse en

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in propagandistischer Absicht im Umfeld Oraniens entstanden war, war dieser Widerspruch bewusst. Denn die Ehrerbietung gegenüber dem König ist Sache der Vergangenheit: „heb ik altijt gheert“ (hab’ ich allzeit geehrt, Hervorhebung O.M.). Durch seine Mutation zum Tyrannen hat der Herrscher den Anspruch auf Ehrerweis verwirkt. Die Zukunft – „tot inden doet“ (bis in den Tod) – gehört der Treue gegenüber dem Vaterland. Sie fordert die Wendung gegen den König notwendig ein! Ich zitiere eine weitere Strophe, nämlich die sechste: „Mijn Schilt ende betrouwen Sijt ghy, o Godt mijn Heer, Op u soo will ick bouwen Verlaat my nemmermeer: Dat ick doch vroom mach blijven, U dienaer taller stondt, Die Tyranny verdrijven Die my mijn hert doorwont.“

Es findet sich in diesen Versen die Verbindung eines traditionellen Topos adligherrscherlichen Selbstverständnisses in Gestalt der Verpflichtung auf Gott, auf dessen Schutz man baut und in dessen Dienst man sich stellt, mit einem in der Politiktheorie des späteren 16.Jahrhunderts höchst aktuellen Bezug auf das aktive Widerstandsrecht gegen die „Tyranny“, dessen praktische Inanspruchnahme vielerorts in Europa vor allem von (hoch-)adligen Ständevertretern getragen wurde. Die Vieldeutigkeit des Adjektivs „vroom“ in der ganzen Spannbreite von gottesfürchtig bis tapfer verklammert dabei die Gottesfurcht des mittelalterlichen miles christianus mit dem Mut des auf das „Vaderlant“ fokussierten Kämpfers gegen die Tyrannei. Die Stilisierung Wilhelms von Oranien sucht, ähnlich dem Muster der ersten Strophe, die Verwurzelung in der – noch immer gültigen – normativen Tradition des Gottesbezuges, weist also gewissermaßen in der politischen Theorieentwicklung chronologisch zurück. Gleichzeitig ist sie aber auch zukunftsgerichtet, indem mit der Verpflichtung auf den Kampf gegen die Tyrannei die Perspektive auf ein letztlich säkulares Freiheitsverständnis eröffnet wird. Angesichts der antiken und mittelalterlichen Wurzeln der Debatte um das Recht auf Widerstand spielt natürlich auch hier das Legitimationsmuster des Anciennitätsbezuges eine Rolle. Gleichwohlnahm diese Debatte in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts im europäischen Povroeg-moderne geschiedsschrijving van de Nederlanden, in: N. F. C. van Sas (Ed.), Vaderland. Een geschiedenis van de vijftiende eeuw tot 1940. Amsterdam 1999, bes. 49–51.

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litikdiskurs so an Fahrt auf, dass sie argumentativ wie praktisch wirkungsgeschichtlich eine neue Qualität gewann. 13 Jene Janusköpfigkeit im Selbst- und Fremdverständnis des Oraniers, der Wilhelmus dokumentiert meines Erachtens beides, ist typisch. 1556 war der Dreiundzwanzigjährige in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen worden. Die Verankerung in einem kulturellen Milieu, in dem ritterliche Selbststilisierung im Rahmen der burgundisch-habsburgischen Hofgesellschaft zum habituellen Kern gehörte, wurde in einem rituellen Akt offensichtlich. Dass sich kurz vorher – im Oktober 1555 – der gichtgeplagte Karl V., der miles christianus und Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies, bei der Zeremonie seiner Abdankung im Brüsseler Schloss mit einer Hand auf die Schulter Wilhelms von Oranien gestützt hatte, unterstreicht diese Verankerung symbolträchtig. 14

III. Wie im Wilhelmus-Lied angedeutet, wurde schon während der frühen Phase des niederländischen Aufstandes seitens oranischer Propagandisten mit dem Vaderlant – der patria – eine normative Komponente ins Spiel gebracht, welche den Loyalitätsbezug auf den Herrscher hintanstellt. Bereits 1571 nannte der 1558 aus den Niederlanden nach Duisburg emigrierte humanistische Gelehrte Hendrik Geldorp in einem lateinischen Pamphlet Wilhelm pater patriae und feierte ihn als gottgesandten Gegenpol zur spanischen Tyrannis. 15 Immer wieder tauchte in den Folgejahren – explizit und implizit – der pater patriae als politischer Kampfbegriff auf. Mit ihm unterstrich das Lager Oraniens, dass einzig sein Patron dazu legitimiert sei, im Namen aller Niederländer zu sprechen und zu handeln. Der Fürst als Vatergestalt war ja nun keineswegs eine den Niederlanden und Oranien vorbehaltene Argumentationsfigur. Seit Erasmus von Rotterdam bildete sie ein

13 Mit weitgespanntem Überblick zum Widerstandsdiskurs: Reinhard, Staatsgewalt (wie Anm.1), 226– 235. 14 Zu dieser Szene: Rob van Roosbroeck, Willem de Zwijger, Graaf van Nassau, Prins van Oranje. Den Haag/ Antwerpen 1974, 63f. 15 Knuttel, Catalogus (wie Anm.9), Nr.189: „Belgicae liberandae ab Hispanis Hypodeixis [...]“. Zu Geldorp: Robert Fruin, Nederland in 1571 betrokken in de politiek der groote mogendheden. (Verspreide geschriften, 2.) ’s-Gravenhage 1900, 170–174.

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wesentliches Element der Fürstenpanegyrik. „Was den Vatertitel besonders attraktiv gemacht haben dürfte, war sein schichten- und ständeübergreifendes Konnotationspotential.“ 16 Aber hier – in der bald im Entstehen begriffenen Republik – gewann sie eine andere Qualität, da der pater die patria und das, was dieser fromme, sehr viel weniger autonom definieren konnte, als das im Fürstenstaat der Fall war. In der niederländischen Republik teilten sich die Oranier den Normendiskurs nämlich mit den ständischen Autoritäten. Mehr noch, sie waren rechtlich gesehen lediglich deren Juniorpartner, die darauf bedacht sein mussten, sich aus dem Normenrahmen der Republik nicht zu weit zu entfernen. So mussten Wilhelm von Oranien und vor allem seine Nachfolger unter den Bedingungen einer stabilisierten Macht der Stände den Normenkonsens mit ihnen wahren, um den eigenen politischen Einfluss zu sichern. Dass die Abschaffung der Statthalterschaft – und damit der Verlust der institutionellen Basis des oranischen Einflusses – durchaus eine realistische Option der Stände war, zeigte sich 1650, als diese nach dem frühen Tod Wilhelms II. von Oranien für zweiundzwanzig Jahre greifen sollte, und 1702, als nach Wilhelms III. Ableben die Statthalterschaft gar bis 1747 ruhte. Das Patriarchale bot sich als erfolgversprechender Kern der oranischen Selbstdarstellung an. Schon früh wurde es auch von den ständischen Autoritäten übernommen. Höfisch-fürstliche und ständische Normensprache begegneten sich in der Orientierung auf den Vader des Vaderlands. 1584 war Wilhelm Opfer eines Attentats geworden. Nach langer Vorplanung wurde 1623 sein Grabmonument in der Nieuwe Kerk zu Delft vollendet. 17 Die Generalstände, nicht das Haus Oranien, zeichneten für die Planung des Bauwerks und seines Bildprogramms verantwortlich. Beide Seiten, die Stände und das Haus Oranien, trafen sich hier auf der Basis einer gemeinsamen politischen Botschaft. Vier allegorische Frauenfiguren bilden die tragenden Säulen des Monuments: libertas (Freiheit), justitia (Gerechtigkeit), religio (Religion) und fortitudo (Tatkraft, Tapferkeit). Sie markieren einen überdeckten Raum, in dem sich zwei Skulpturen Wilhelms befinden: in der Mitte als Verstorbener liegend mit einem Hündchen als Sym-

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Peter Münch, Die „Obrigkeit im Vaterstand“. Zu Definition und Kritik des „Landesvaters“ während der

Frühen Neuzeit, in: Elger Blühm u.a. (Hrsg.), Hof, Staat und Gesellschaft in der Literatur des 17.Jahrhunderts. Amsterdam 1982, 15–40, Zitat 24. 17

Zum Programm des Grabmals: Els Jimkes-Verkade, De ikonologie van het grafmonument van Willem I,

prins van Oranje, in: I. V. T.Spaander/R.-A. Leeuw (Eds.), De stad Delft. Cultuur en maatschappij van 1572 tot 1667. Delft 1981, 214–227, Abb.Nr.276–299. Mörke, „Stadtholder“ (wie Anm.5), 284–287.

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bol der Treue der Republik zu seinen Füßen, an der Vorderseite als Lebender in Feldherrnpose. Man bettete Wilhelm in ein Ensemble staatsvergegenwärtigender Symbole ein. Er wurde zur Metapher eines politischen Systems, als dessen vornehmste Norm man die libertas hervorhob. Höchst offiziell machten die Stände ihn mit diesem repräsentativen Kunstwerk jetzt zum Vader des Vaderlands. Ein Schritt, den vorher schon die panegyrisch-propagandistische Gelegenheitsdichtung gegangen war. Die lateinische Grabinschrift erwähnt ausdrücklich den pater patriae. Auch Wilhelms Sohn und Nachfolger im Statthalteramt, Moritz von Oranien, findet sich als Erbe der väterlichen Tugenden und der Rolle des pater patriae in die Grabinschrift integriert. 18 Mit dem Prachtgrab schrieben die ständischen Initiatoren Wilhelm und seine Nachfolger aus dem Haus Oranien dauerhaft als bestimmendes Element in die öffentliche Selbstdarstellung der Republik ein. Man griff auf Elemente von Fürstengräbern der Renaissance zurück, welche die durch Tugendhaftigkeit fundierten Taten des Verstorbenen, seine praktische Lebensleistung feiern. Das Programm von drei der tragenden Säulen, nämlich justitia, religio und fortitudo, steht in diesem Kontext. Neu ist freilich die an prominentester Stelle, nämlich rechts von der Figur des lebenden Wilhelm, stehende, den Freiheitshut tragende libertas. Wilhelm wird zum Beschützer dieser republikanischen Zentralnorm erhoben. Die Grabinschrift sorgt freilich dafür, dass dem Betrachter klar ist, was die Bauherren mit Freiheit meinen, nämlich das souveräne Regiment der Stände. Heißt es dort doch, „ordinvm avspiciis, Hispaniae tyrannidem propvlit“, er, Wilhelm, habe auf Geheiß der Stände die spanische Tyrannei vertrieben. 19 Nicht der souveräne Fürst ist im Bild- und Textprogramm des Grabmals das handlungsbestimmende Subjekt, wie das noch im Wilhelmus-Lied der Fall gewesen ist. Vielmehr unterwirft sich der pater patriae uneigennützig einer höheren Sache, der libertas, in deren Auftrag er handelt. Er wird zum väterlichen Diener einer gleichsam höheren, wenn auch letztlich säkularen Idee. Das in der libertas gipfelnde Normen-

18 „D.O.M. / et / aeternae memoriae / GVILIELMI NASSOVII, / svpremi Aravsionensium Principis. / patr. patr. [pater patriae, O. M.] qvi Belgii fortvnis svas posthabvit, / et svorum: / validissimos exercitvs aere plvrimvm privato, / bis conscripsit, bis indvxit. / ordinum avspiciis, Hispaniae tyrannidem propvlit / verae religionis cvltvm, avitas patriae leges, / revocavit. restitvit: / ipsam denique libertatem tantvm non assertam /MAVRITIO PRINCIPI, / paternae virtvtis heredi filio, / stabiliendam reliqvit. [...].“ Grabinschrift zitiert nach Jimkes-Verkade, De ikonologie (wie Anm.17), 217. 19 Jimkes-Verkade, De ikonologie (wie Anm.17).

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programm weist interessante politische Flexibilisierungsmomente auf. Einerseits konnten die Stände diese libertas für sich reklamieren. Andererseits nahm Wilhelm als Fürst die Rolle des Dieners, der Sache der libertas aus eigener Einsicht und Entscheidung, an. Der Bestattete war keine abhängige Kreatur der Stände! Das normative Konzept des pater patriae erwies sich mithin als höchst anpassungsfähig. Fürstlicher Tugendkatalog und die Anforderungen an einen der maßgeblichen Funktionsträger der niederländischen Republik ließen sich unschwer miteinander vereinbaren. Im Grabmal für Wilhelm von Oranien fand beides zusammen. Und noch etwas: die republikanisch-ständisch veranlasste Grabinschrift enthält ein dynastisches Element. Wilhelm habe die libertas „MAVRITIO PRINCIPI, paternae virtvtis heredi filio, stabiliendam reliqvit“, Fürst Moritz, dem Sohn und Erben väterlicher Tugenden, zu festigen überlassen. 20 Ganz deutlich wird hier der autonome Willensakt des Fürsten hervorgehoben, sein Geschlecht in den Dienst jener libertas zu stellen. Ich springe ein wenig in der Zeit, um zu zeigen, dass dieses schon so bald nach der politischen Konsolidierung der Republik artikulierte dynastische Element natürlich den politischen Interessen des Hauses Oranien entgegenkam und in der Zukunft nur zu gerne in seiner Repräsentation aufgenommen werden sollte. Auf Statthalter Moritz, der dieses Amt von 1584 bis zu seinem Tod 1625 bekleidete, folgte ein weiterer Sohn Wilhelms, Moritz’ Halbbruder Friedrich Heinrich, der von 1625 bis 1647 Statthalter sein sollte. In einem der von Friedrich Heinrich initiierten Schlossbauten, dem Landhaus Huis ten Bosch bei Den Haag, ließ Friedrich Heinrich den zentralen Festsaal, den Oranjezaal, aufwendig mit Darstellungen dekorieren, welche seinen Lebens- und damit seinen Leistungsweg nachzeichnen. Eine dieser Darstellungen bezieht sich auf einen ständischen Rechtsakt, die „Acte van Survivance“. 1631 hatten nämlich die holländischen und seeländischen Stände beschlossen, den fünfjährigen Sohn Friedrich Heinrichs, Wilhelm II., als dessen Nachfolger zu bestimmen. Das Gemälde zeigt die allegorische Figur der Hollandia mit dem Freiheitshut, die dem Kind Wilhelm ein Dokument reicht, welches sein Recht auf die Nachfolge im Amt seines Vaters verbrieft. Neben dem Vater steht Minerva und übergibt diesem ihren kristallenen Schild, ein Symbol ihrer Weisheit und ihrer wehrhaft-praktischen Klugheit. 21

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Hanna Peter-Raupp, Die Ikonographie des Oranjezaal. Hildesheim/New York 1980, 86.

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Wie schon im Darstellungsprogramm des Grabmals für Wilhelm I., so wird auch hier mit der Beziehung von fürstlichem Vater und Ständen in subtiler Weise gespielt. Es ist in dem Bild zu Recht ein Indiz für die Präsentation des Statthalteramtes als erbliche Position eines souveränen Fürsten gesehen worden. 22 Der Auftrag für die Statthalterschaft erfolgt zwar, so gibt das Bild zu verstehen, durch Hollandia, die ständische Macht. Die Zentralfiguren des Gemäldes jedoch sind der kleine Wilhelm II. und Minerva, die sich agierend ihm und seinem Vater zuwendet. Minerva und Friedrich Heinrich werden „in einer für die Fürstenallegorie typischen ‚pädagogischen Situation‘ dargestellt“. 23 Man trägt den Ständen Rechnung. Gleichwohl liegt die Hauptverantwortung für den kleinen Prinzen, auf dessen Schultern dereinst der Schutz des Staates lasten werde, bei dem Vater und der göttlichen Patronin. Deren Zusammenspiel – Minerva und Friedrich Heinrich blicken sich an – bestimmt letztlich die Geschicke nicht nur des Kindes, sondern mit ihm auch die der libertas des republikanischen Gemeinwesens.

IV. Und Minerva als Göttin der Weisheit, auch der militärischen Weisheit, Strategie und Taktik der Kriegsführung, und der gerüstete, mit einem Feldherrnstab versehene Friedrich Heinrich verweisen auf eine wesentliche Komponente der repräsentativen Darstellung des Amtsverständnisses des Statthalters. Das Militärische griff zunehmend Raum! Zur Aufgabe eines pater patriae gehört nun einmal der Schutz des Staates und der durch ihn verkörperten Werte. Angesichts der im 17.Jahrhundert nahezu permanenten wirklichen oder vermeintlichen Bedrohung der niederländischen Republik von außen, zunächst von Spanien, dann durch Frankreich und/oder England, manifestierte sich diese Schutzfunktion trefflich im Sinn einer militärisch aufgeladenen Heroisierung der Vatergestalt. In der Repräsentation der statthalterlichen Rolle kam bei Moritz und Friedrich Heinrich von Oranien die militärische Komponente deutlich stärker zum Tragen als bei ihrem Vater Wilhelm. Typisch wurde für beide die

22 Bram Kempers, Vermogend en toch matig. Vijf eeuwen kunst van Oranje, in: Kees Bruin/Kitty Verrips (Eds.), Door het volk gedragen. Koningschap en samenleving. Groningen 1989, 81. 23 Peter-Raupp, Ikonographie (wie Anm.21), 87.

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Abb.1: Michiel Jansz. van Mierevelt, Porträt von Moritz von Oranien (ca. 1613–1620); Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. SK-A-255.

Darstellung im Prunkharnisch, versehen mit den Insignien ihrer militärischen Gewalt. Ein Porträtgemälde Moritz’ von Michiel van Mierevelt illustriert dies beispielhaft. Die Militarisierung der Rolle des pater patriae schlug sich auch in dem ihm

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Abb.2: Pauwels van Hillegaert, Friedrich Heinrich von Oranien und Graf Ernst Casimir von Nassau bei der Belagerung von ’s-Hertogenbosch 1629; Amsterdamm, Rijksmuseum Inv. SK-A-607.

schon zu Lebzeiten zugedachten Beinamen Friedrich Heinrichs nieder. Man nannte ihn wegen seiner Erfolge bei der Belagerung von durch spanisch-niederländische Truppen besetzten Städten den Stedendwinger, den Städtebezwinger. Prächtig gestaltete Gemälde zeigen ihn in konkret benennbaren militärischen Aktionen. Der aktuelle Wirklichkeitsbezug dokumentierte gewissermaßen die pflichtgemäße Erfüllung des Schutzauftrages. Das Heroische wurde nicht nur abstrakt eingefordert, sondern praktisch gelebt. Nur die erfüllte Erwartung belegte, dass der Statthalter seiner Aufgabe gewachsen und in die Fußstapfen seiner Vorväter, insbesondere Wilhelms I., getreten war. Erblichkeit einer Rolle, hier der des Statthalters, war das eine. Bezüglich des Heroischen konnte zwar die Aufgabe, es zu verkörpern, vererbt werden. Erworben wurde das Prädikat des Heros freilich erst im gelebten Vollzug! Dies war das andere, das erst die Sinnhaftigkeit dieser Erblichkeit bewies. So war die Belagerung und Eroberung der brabantischen Stadt ’s-Hertogenbosch 1629 im Kampf um die südlich der großen Flüsse gelegenen niederländischen Gebiete von strategisch besonderer Bedeutung. Mehrmals hielt sie der Schlachtenmaler Pauwels van Hillegaert in den frühen 1630ern in der Absicht fest, die Bewährung

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Friedrich Heinrichs in der Feldherrnrolle zu unterstreichen. Eines der Gemälde, das Friedrich Heinrich in gebieterischer Pose mit Kommandostab und ihm zur Seite den friesischen Statthalter Graf Ernst Casimir von Nassau zeigt, dokumentiert dies eindrücklich. Joost van den Vondel, einer der wichtigsten niederländischen Dichter des 17.Jahrhunderts, feierte Friedrich Heinrichs Heldentaten in einem über 600 Verszeilen langen Gedicht. Dessen Titel hebt auch die Bedeutung der Eroberung ’s-Hertogenboschs hervor: „Zegesang ter eere van Frederick Hendrick, Boschdwinger, Wezelwinner, Prince van Oranje“. 24 Angesichts der Länge des Werkes kann ich hier nur andeuten, wie Vondel die Geschichte Friedrich Heinrichs aufbereitet hat. Vielfach sucht der Text den Bezug zu den antiken Helden, sei es Achill, sei es Alexander, sei es Perseus. Das Vaterland und die Erringung der Freiheit als Ziel des Krieges werden beschworen. Er verweist auf die gleichsam erbcharismatische Dimension der oranischen Freiheitshelden. Ebenso auf die besondere Protektion, die Gott Friedrich Heinrich angedeihen lasse: „God will prins FREDRICK HENRICK spaeren“, ihn schützen, heißt es in Vers 519. Mit der Eroberung von ’s-Hertogenbosch sei die Befreiungsmission, die mit Wilhelm von Oranien begonnen habe, erfüllt. So formulieren es die Verse 560 bis 569: „Hier is, hier is het oorlooghsende. Prins Welhelm heeft den grond geheyt, [...] Maer FREDRICK heeft het werk volwrocht, En d’opperoverwinnings kroone Geset voor Christenrijk ten toone Op ’t spits der vryheyd, ’t oorloghs wit“. 25

Die Heroisierung des militärischen Praktikers, der, unter Gottes Schutz und Förderung stehend, mit seinen Erfolgen die Freiheit des Gemeinwesens sichert, war gleichermaßen ein Kern der Selbst- wie der Fremdstilisierung Friedrich Heinrichs. Er trieb die Heroisierung seiner selbst freilich noch weiter, so dass sich die Wertigkeit in der Beziehung von Heros und Freiheit zu verschieben anschickte.

24

Zitiert nach van Duinkerken/Huincks (Eds.), Dichters om Oranje (wie Anm.10). Übersetzung des Titels:

Segensgesang zu Ehren von Friedrich Heinrich, Bezwinger von ’s-Hertogenbosch, Gewinner von Wesel, Fürst von Oranien. 25

„Hier ist es nun, das Ende des Krieges. Fürst Wilhelm hat dafür den Grund gelegt, [...] FRIEDRICH aber

hat das Werk vollendet. Und die für das Christenreich höchstgewonnene Krone wird an die Spitze der Freiheit gesetzt, das ist das Ziel des Krieges“ (Übersetzung O. M.).

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Zum Beleg dessen komme ich wieder auf den Oranjezaal in Huis ten Bosch zurück, wo mit dem Gemälde zur „Acte van Survivance“ an der Nordwand des Raumes noch längst nicht der panegyrische Gipfel erreicht worden war. Die Ostwand des Saales – der Bezug zur symbolisch aufgeladenen Ostung in der christlichen Sakralarchitektur dürfte nicht von ungefähr kommen – bildet den dramatischen Höhepunkt des Bilderzyklus mit dem Gemälde Der Triumph Friedrich Heinrichs von Jacob Jordaens. 26 Das Statthalterbild mutiert an diesem Ort vollends zum Herrscherbild, die Stände sind programmatisch verschwunden. Jordaens hat in dem Werk herrscherliches Charisma, nicht nur die praktische Leistung des Feldherrn, als Schlüsselkomponente der politisch-sozialen Bedeutung Friedrich Heinrichs herausgearbeitet. Als Triumphator auf dem Siegeswagen ist er es, der mit seiner individuellen Leistung für Frieden und Wohlstand des Landes sorgt. Er steht im Zentrum des politischen Systems der Republik. Er verkörpert es vielleicht sogar alleine, denn ein Hinweis auf die Stände, auf deren Präsenz in der Oranierpanegyrik sonst meist geachtet wird, fehlt auf der weiten Flur dieses monumentalen Bildes. Gleichwohl bleibt Friedrich Heinrich bei aller Hervorhebung Mensch. Er wird als Heros und Liebling der Götter dargestellt, nicht als Gottgestalt selbst. Zum Phöbus Apoll, wie wenige Jahre später Ludwig XIV. in Versailles, hat Friedrich Heinrich es nicht gebracht und sich wohl auch davor gehütet, in den entsprechenden Verdacht zu kommen. Libertas und fortitudo gehörten seit Wilhelm I. in der Oranierpanegyrik zusammen. Wenn bei Friedrich Heinrich von Oranien der Stedendwinger neben den pater patriae rückte, ja ihn zu überstrahlen schien, so deutet sich hier eine deutliche Akzentverschiebung hin zur fortitudo als individueller Qualität des Feldherrnfürsten an. Auch das Triumphgemälde im Oranjezaal hebt meines Erachtens auf eine nunmehr freilich umfassende, das Militärische einschließende, jedoch im Assoziationsrahmen über den Feldherrn hinausgehende fortitudo ab. Es wird die Gesamtleistung nachgerade herrscherlicher Tatkraft – fortitudo eben – gewürdigt. Die republikanische libertas mag dabei weiter vom Betrachter mitgedacht werden können, wenn man das Gesamtprogramm des Oranjezaal einbezieht. Sie muss es aber nicht. Das Bild vom politischen Normengefüge Friedrich Heinrichs ist indes von Eindeutigkeit weit entfernt. Die Stände dergestalt aus dem Blickfeld verschwinden zu

26 Dazu ausführlich Peter-Raupp, Ikonographie (wie Anm.21), 130–170.

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lassen, wie es Jordaens tat, blieb in Bezug auf Friedrich Heinrich eine, freilich für das Spektrum der oranischen Repräsentation bezeichnende, Ausnahme. Im quasi-offiziellen Bericht über seinen Tod zeichnete sein Hofprediger Goethals 1647 wieder ganz das Bild vom dienenden Vater. 27 Auf dem Sterbebett habe der Statthalter die Vertreter der Stände empfangen und seine offiziellen Abschiedsworte gesprochen: „Ik ben der Heren Staten Dienaer“. Indem er sich als „Diener der Herren Stände“ bezeichnete, wurde er ganz seiner konstitutionellen Rolle als Statthalter gerecht. Dem folgte, so der Bericht, allerdings sogleich die patriarchale Geste: „Ende sijne handen ende armen uytstreckende heeft als een Vader des Vaderlandts sijnen laetsten seghen gehgeven over den Staet deser Landen aen de persoonen van de selfs hooghste Regeringe.“ 28 Friedrich Heinrich verlieh mit diesem Akt der erbcharismatisch-patriarchalen Rolle des Hauses Oranien Gestalt und erkannte zugleich die Autorität der Stände an. Die beiden Elemente seines Selbstverständnisses, Fürst und gleichzeitig Diener der Stände – und damit auch des niederländisch-republikanischen Freiheitsverständnisses – zu sein, standen in diesem letzten öffentlich-politischen Akt nicht im Widerspruch zueinander. Die patriarchale Geste des segnenden Vaters zeigt gleichwohl, dass er sich selbst als denjenigen sah, in dessen wohlwollender Hand die Geschicke des Landes lagen. Die militärische Rolle des Stedendwinger unterstreicht nur noch einmal die herausragende Bedeutung des Feldherrn, ohne dessen Leistung die patria und seine libertas dem bösen spanischen Feind zum Fraß vorgeworfen worden wären. Sie steht keineswegs im Widerspruch zu dem segnenden alten Mann, der friedlich in seinem Bett starb. Vielmehr artikuliert sich in der Betonung dieser militärischen Rolle eine besondere Ausformung des Patriarchalen. Das oben erwähnte Lobgedicht Vondels bringt dies meines Erachtens auf den Punkt. Das Kriegsende, het oorlooghsende, und damit die Freiheit des Landes, seine Wohlfahrt in Frieden, setzt die kriegerische Heldentat gegen die äußere Bedrohung argumentativ gleichsam voraus. 29 1647 kann der zum Sterben sich anschickende Stedendwinger auf eine erfüllte Mission – wenig

27

Dazu Mörke, „Stadtholder“ (wie Anm.5), 270–272. Der Bericht von Goethals: Het Godtsalich Overlyden,

Van [...] Frederick Hendrick, Prince van Orange, Grave van Nassau etc. Beschreven Door Johannes Goethals, Predicant tot Delft, Leiden 1647 (Knuttel, Catalogus [wie Anm.9], Nr.5570). 28

„Ich bin der Diener der Herren Stände [...] Und seine Hände und Arme ausstreckend, hat er als Vater

des Vaterlandes seinen letzten Segen für das Land und dessen höchste Regierung gegeben“ (Übersetzung O. M.). Goethals, Het Godtsalich Overlyden (wie Anm.27), 98f. 29

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Siehe Mörke, Übersetzung (wie Anm.25).

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später sollte in Münster der Friedensvertrag mit Spanien geschlossen werden – zurückblicken und huldvoll die Ständevertreter segnen. Ich ziehe nach der Behandlung Friedrich Heinrichs eine kurze Bilanz: die libertas, verstanden als ständische Freiheit, wurde von der Propaganda aus dem unmittelbaren höfischen Umfeld des Statthalters kaum explizit erwähnt. Ebenso wenig freilich schloss man sie explizit aus dem Normenhorizont aus. Die vom Prädikanten Goethals geschilderte Segnungsszene lässt sie stillschweigend mitdenken, sind doch die Gesegneten die Protagonisten eben jenes Freiheitsverständnisses. Im Triumphgemälde von Jordaens hingegen hat die ständische Freiheit keinen ikonologisch greifbaren Platz. In diesem Umfeld stand eindeutig der militärische Führer, der Held, als besondere Ausformung des pater patriae im Vordergrund. Auch der Fremdstilisierung Oraniens durch die ständische Umwelt war der militärische Held durchaus präsent. Bei Friedrich Heinrichs Vater Wilhelm von Oranien stand er in enger Beziehung zur Freiheit als dem höchsten zu schützenden Gut. Das zitierte Gedicht Vondels zeigt, dass der explizite Bezug zur vryheyd in der Panegyrik auch zur Zeit Friedrich Heinrichs noch nicht verschwunden war. Heroismus war für die ständische Welt sehr viel weniger als für das Haus Oranien eine sich selbst genügende Qualität. Dass die Stände der Provinzen – abgesehen von denen Frieslands, wo die Statthalterwürde bei einer anderen Linie des Hauses Nassau lag – nach dem Tod des jungen Wilhelm II., der 1647 seinem Vater im Statthalteramt nachgefolgt war, von 1650 bis 1672 von der Besetzung des Statthalterpostens absahen, lag nicht zuletzt an der Verselbständigung des Heroischen und der Vernachlässigung des ständischen Freiheitsverständnisses durch Wilhelm. Er war dabei, sich auf eine militärische Auseinandersetzung mit Amsterdam, der politischen Bastion der Ständefreiheit, einzulassen, als ihn, vierundzwanzig Jahre alt, 1650 ein plötzlicher Krankheitstod ereilte. Jost van den Vondel, der seinen Vater noch gefeiert hatte, verglich ihn in einem im Auftrag des Amsterdamer Magistrates verfassten Gedicht noch im gleichen Jahr mit einem anderen Gefallenen, der zu hoch hinaus wollte: „Dus storte Oranje, als Faeton, / Die ’s vaders spoor niet volgen kon.“ 30

30 „So stürzte Oranien, wie Phaeton, / der des Vaters Pfad nicht folgen konnte“ (Übersetzung O. M.). Zit. nach: J. J. Poelhekke, Vondel en Oranje. Zutphen 1979, 15.

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V. Werfen wir zum Abschluss einen Blick auf Wilhelm III., der 1672 nach einer 22 Jahre dauernden statthalterlosen Zeit angesichts größter äußerer Bedrohung der Republik durch das ludovizianische Frankreich von den Ständen Hollands und Seelands, 1674/75 dann auch Utrechts, Overijssels und Gelderlands, in die Ämter seiner Vorväter zunächst als Generalkapitän, militärischer Oberbefehlshaber, und kurz darauf als Statthalter zurückgeholt wurde. Joannes Vollenhove, reformierter Geistlicher und Dichter, seit 1665 Prädikant in Den Haag, veröffentlichte 1672 anlässlich Wilhelms Ernennung zum Generalkapitän ein Lobgedicht, durch das sich als roter Faden das Freiheitsmotiv zog. 31 Die letzte Strophe sei als Quintessenz zitiert: „Ons dierste schat, de vryheit dezer landen, Blyf door uw zorg in volle kracht bewaart; En pyl aan pyl verbonden, door geen zwart, Noch fors gewelt, maar zachte Oranje banden.“ 32

Wieder setzte ein Mann, der Wilhelm politisch nahestand, aber nicht zum Hofkreis gehörte, die Freiheit in den Mittelpunkt des politischen Wertsystems. Wilhelm, gerade einmal 22 Jahre alt, bewahrt diesen Schatz der Freiheit durch seine zorg, die patriarchale Fürsorge. Das Gedicht steht also ganz in der uns bereits bekannten Pater-patriae-Tradition. Aber wieder taucht ein neues Element auf. Meines Wissens wird hier erstmalig in der Oranierpanegyrik die Sonnenmetapher bemüht. Vollenhove wünscht sich nämlich für die Zukunft des Fürsten, dass auf ihn „als op een zon, die ryst, alle ogen zien / Van Neêrlant niet alleen, maar gansch Europe“. 33 Ein Individuum als aufgehende Sonne, auf die alle in Europa sehen! Ein politischer Kosmos wird eröffnet, der über das Pater-patriae-Profil hinauszugehen droht. Der Statthalter wird ganz eindeutig zum im Wortsinn strahlenden Helden.

31

Joannes Vollenhove, D’Oranjeboom, herlevende in den Doorluchtigsten Vorst en Here Willem Hendrik

van Oranje en Nassau, enz., toen Z.H.het opperste gebiedt over d’ oorlogsmacht der V.[erenigde] N.[ederlanden] wiert opgedragen, in: van Duinkerken/Huincks (Eds.), Dichters om Oranje (wie Anm.10), 153–156. 32

„Unser teuerster Schatz, die Freiheit dieser Landen / bleibt durch Eure Fürsorge in voller Stärke be-

wahrt / Und Pfeil an Pfeil verbunden, durch kein Schwert / noch durch rohe Gewalt, sondern durch zarte Oranje Banden“ (Übersetzung O. M.). 33

... dass auf ihn „wie auf eine Sonne, die aufgeht, alle Augen gerichtet sind / Nicht allein der Niederlan-

de, sondern ganz Europas“ (Übersetzung O. M.).

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Abb.3: Romeyn de Hooghe, Ruiterportret prins Willem III, 1672; Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. RP-P-09.77.109.

Das ist natürlich ein Element, das die Propaganda aus dem engsten Umfeld des Oraniers freudig aufnahm. Romeyn de Hooghe, als Kupferstecher der Bildpropagandist Wilhelms III. schlechthin, veröffentlichte 1672 ein Reiterporträt Wilhelms als Statthalter, Generalkapitän und Generaladmiral. 34 Der militärische Charakter des Bildes ist evident. Eine Schlachtenszene im Hintergrund, Soldaten links und rechts der Hauptfigur, Wilhelm selbst mit Kommandostab auf einem sich aufbäumenden Schimmel lassen keinen Zweifel. Evident ist auch die Tradition, in die Wilhelm gesetzt werden soll. Seine Vorgänger schweben ihm geharnischt zur Seite, von seinem Urgroßvater Wilhelm I. bis zu seinem jung verstorbenen, politisch gelinde gesagt, unglücklich operierenden Vater Wil-

34 Zu De Hooghe als Oranierpropagandist: Derk Persant Snoep, Praal en Propaganda. Triumfalia in de Noordelijke Nederlanden in de 16de en 17de eeuw. Alphen aan den Rijn 1975, 101–128.

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Abb.4: Romeyn de Hooghe, Orangien Wonderspiegel, 1672; British Museum © Trustees of the British Museum.

helm II. Der neue Held krönt die Reihe seiner heroischen Ahnen. Von Freiheit keine Rede. Sie fehlt auch in einem anderen bekannten Stich von 1672, ebenfalls aus der Feder De Hooghes. Man beachte den Titel: „Orangien Wonderspiegel. Vertoonende Willem Hendrik de III Prince van Orangie. Eerst Versmaet, Gehoont, Gedruckt daer na Geacht, Geert, Verheven, door Godts Genaede tot onse Herstelling en Welvaren. Amen.“ 35 Miniaturbilder an den Rändern des Blattes vergegenwärtigen den Lebenslauf des Gefeierten von seiner Taufe bis zur Erhebung in seine Ämter. Die den Stationen des Erwachsenen gewidmeten Szenen zur Rechten und Linken Wilhelms III. zeigen seine krie-

35

„Der Oranier-Wunderspiegel, darstellend Wilhelm Heinrich III., Fürst von Oranien, erst verschmäht,

verhöhnt und unterdrückt, danach geachtet, geehrt und erhoben durch Gottes Gnade zur Wiederherstellung unserer Wohlfahrt. Amen“ (Übersetzung O. M.).

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gerischen Erfolge. Hier wird das Militärische geradezu zur Lebensbestimmung eines Mannes, der sein Amt von Gottes Gnade empfangen habe, um des Landes Wohlfahrt wiederherzustellen. Die Freiheit blieb bei De Hooghe auf der Strecke. Der pater patriae hatte sich vollends zum militärischen Helden und Führer gewandelt. Als Wilhelm sich in den späten 1680er Jahren an den Ausbau seines Jagdschlosses Het Loo bei Apeldoorn machte, ließ er natürlich auch einen Garten mit Fontänen anlegen. Dazu gehörte ein Herkules-Brunnen. 36 Herkules – der Heros schlechthin! Aber die Herkulesstatue in der Fontäne von Het Loo ist, anders als bei den Herkulesdarstellungen, die sich an Wilhelms englischem Hof finden, ein „Baby-Herkules“. 37 War dies ein Akt der Bescheidenheit angesichts der Tatsache, dass er ja in den Niederlanden nur Statthalter, in England jedoch König war? Oder ist es gar eine Steigerung des Heldischen, zeigt das der Sage entsprechend Schlangen würgende Herkuleskind doch, zu welchen Leistungen bereits der Knabe Wilhelm fähig gewesen ist, der sich trotz größter Schwierigkeiten – „Versmaet, Gehoont, Gedruckt“, wie es im „Orangien Wonderspiegel“ heißt – durchgesetzt hat, um sein Vaterland zu retten? 38 Ich lasse die Antwort auf diese Frage offen! Angesichts dessen, dass das Herkulesmotiv in den niederländischen Schlössern Wilhelms III. – außer Het Loo ließ er noch das Jagdschloss Soestdijk bei Utrecht bauen – mit dem genannten Beispiel an anscheinend untergeordneter Stelle zu finden ist, mag die Bescheidenheitsinterpretation greifen. 39 Angesichts des zu Gebote stehenden Arsenals an heroisierender Panegyrik, die ihm in den Niederlanden weitgehend unumstritten zuteil wurde, mag der spielerische Umgang mit dem Herkulischen jedoch auch Ausdruck des Selbstbe-

36 Eine Kupferstichdarstellung des Herkulesbrunnens aus der Zeit um 1700 findet sich bei: Erik de Jong, For Profit and Ornament. The Function and Meaning of Dutch Garden Art in the Period of William and Mary 1650–1702, in: John Dixon Hunt (Ed.), The Dutch Garden in the Seventeenth Century. Dumbarton Oaks 1990, 36. 37 Zum Herkulesbrunnen in Het Loo u.a.: K. H.D. Haley, William III as Builder of Het Loo, in: Hunt (Ed.), The Dutch Garden (wie Anm.36), 3–11, hier bes. 8. Zur Funktion des Herkulesmotivs bei Wilhelm III. als König von England: Stephen Bartow Baxter, William III as Hercules. The Political Implications of Court Culture, in: Lois G. Schwoerer (Ed.), The Revolution of 1688–1689. Changing Perspectives. Cambridge 1992, 95–106. Siehe auch: Robert P. Maccubin/Martha Hamilton-Phillips (Eds.), The Age of William III and Mary II. Power, Politics, and Patronage (1688–1702). Williamsburg 1989, hier Einleitung, 8–10. 38 Der klassischen Erzählung nach erwürgt das Wiegenkind Herkules zwei Schlangen, die ihm von der neidischen Göttin Juno gesandt worden waren. 39 Stefan van Raaij/Paul Spies, In het gevolg van William & Mary. Huizen en tuinen uit hun tijd. Amsterdam 1988, 69f.

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wusstseins eines Mannes gewesen sein, der sich selbst nicht über Gebühr feiern musste, weil das andere, wie etwa De Hooghe, für ihn taten. Dessen Heroisierung des Oranierfürsten konnte, ungeachtet seiner Nähe zu Wilhelm, als Ausdruck von Volkes Stimme, mithin als Akt der Fremddarstellung und nicht als oranisches Eigenlob gesehen werden.

VI. Ich komme zum Schluss! Die Eingangsfrage, ob der Begriff der ‚heroischen Monarchie‘ auch im Fall der niederländisch-republikanischen Politikkultur analytisch sinnvoll sei, wurde schon zu Beginn prinzipiell bejaht. Die Befunde bestätigen dies. In der Selbst- und Fremddarstellung Wilhelms I. von Oranien und seiner ‚Erben‘, die ihm im 17.Jahrhundert in seinem Amt als Statthalter und erbcharismatisch als patres patriae nachfolgten, spielte das Bild vom heroischen Fürsten eine zentrale Rolle. Der miles christianus schwang noch immer dort mit, wo es im Abwehrkampf gegen Spanien um den Schutz des wahren Glaubens ging, der gewissermaßen zum Verfassungsauftrag der Statthalter gehörte. Überformt wurde die Rolle des Glaubensschützers jedoch von Beginn an durch den Rekurs auf das normative Konzept des pater patriae als Schutzherrn der Kollektivwerte der Republik, vor allem der libertas. In der Wertigkeit der libertas offenbarten sich freilich deutliche Nuancierungen. Sie blieb zwar in der ständischen Fremdstilisierung Oraniens dauerhaft von Bedeutung. Aber sie wurde durch die Oranier und ihre Propagandisten zugunsten der Tugend fürstlicher fortitudo allmählich in den Hintergrund gedrängt, gleichwohl nicht ausgeschaltet. Die herausgehobene Heroengestalt war offensichtlich nicht an monarchische Staatlichkeit gebunden! Die Trias der normgeladenen Begriffe libertas, pater patriae und fortitudo erwies sich über die gut hundert Jahre unseres Betrachtungszeitraumes als stabil, nicht jedoch die Konstellation der Einzelkomponenten zueinander. Die oranischen Statthalter des 17.Jahrhunderts traten das „Erbe des Wilhelmus“, derjenigen Verhaltensmaßstäbe, die das panegyrisch-propagandistische Lied um 1570 dem Oranier zugeschrieben hatte, zwar an, die Erbmasse jedoch veränderten sie. Zu dieser Erbmasse gehörten einerseits die beschworene Treue des Vasallen gegenüber dem legitimen Fürsten, andererseits die verpflichtende Bindung an die patria und – daraus resultierend – die Verpflichtung zum Kampf gegen die Tyrannei

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oder positiv gewendet: für die libertas. Mit der Verlagerung der oranischen Selbstdarstellung auf die fortitudo wurde eine sich im Lauf der Zeit verstärkende Propagierung heroisierter politischer Individualgewalt in die politische Kultur der Republik eingebracht. Sie wurde im Kräftespiel der Republik akzeptiert, solange das heroische Individuum in der Lage war, den Nachweis zu führen, dass sein Tun der Erhaltung des republikanischen Gemeinwesens diene. Angesichts chronischer militärischer Bedrohungsszenarien war dieser Nachweis unschwer möglich. Die Oranier waren freilich nicht die einzigen Heroen, die sich die Republik leistete, weil offensichtlich Bedarf dafür bestand. Seehelden wie den Admiralen Tromp und De Ruyter wurde im 17.Jahrhundert eine öffentliche Verehrung zuteil, die sie gewissermaßen zum bürgerlichen Äquivalent der oranischen Fürstenheroen werden ließ. 40 Es gab auch eine heroische Republik!

Der vorstehende Beitrag ist eine inhaltlich deutlich erweiterte, dem Vortragsstil jedoch weitgehend folgende Fassung meines anlässlich der Tagung gehaltenen öffentlichen Abendvortrages.

40 Siehe etwa in vergleichender Perspektive: Olaf Mörke, Die Annäherung im Tod. Begräbnisse für fürstliche Statthalter und bürgerliche Militärs in der niederländischen Republik des 17.Jahrhunderts, in: Mark Hengerer (Hrsg.), Macht und Memoria. Begräbniskultur europäischer Oberschichten in der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2005, 187–206.

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Karl XII. – Der „heroische“ Militärmonarch Schwedens von Joachim Krüger

I. Einleitende Bemerkungen Karl XII. gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten, aber auch zu den umstrittensten Monarchen des schwedischen Königreichs. Sein der Nachwelt überliefertes Bild ist äußerst ambivalent. Es reicht von tiefer Verehrung bis hin zu abgrundtiefer Verdammung. Diese gegensätzlichen Wahrnehmungen und Wertungen werden treffend in der ersten Kapitelüberschrift in Jan Lindegrens Aufsatz „Karl XII.“ wiedergeben, Hjälte och bödel, übersetzt in „Held und Henker“. 1 Lindegren gibt darin einen umfassenden Überblick über die Karl XII.-Bilder, die seit der ersten, 1731 von Voltaire herausgegebenen Karl-XII.-Biographie die Historiographie bevölkern. 2 Allen Auffassungen gemein ist die Einschätzung, dass Karl XII. eine große, bedeutende Rolle in der schwedischen Geschichte und der Geschichte des Ostseeraums zugebilligt werden muss. Die verschiedenen Blickweisen resultieren aus der unterschiedlichen Bewertung seiner Handlungsweisen und Entscheidungen. Seine Bewunderer betonen seine unübertroffene militärische Führung, sein Gespür für taktische und strategische Vorteile und Besonderheiten, seinen Wagemut und seine persönliche Tapferkeit, die er schließlich mit dem Leben bezahlen musste. Man sieht in ihm einen der größten schwedischen Helden. Seine Kritiker monieren, dass Karl XII. jede notwendige Eigenschaft für eine gute Führung vermissen ließ, und 1 Jan Lindegren, Karl XII, in: Anders Florén/Stellan Dalgren/Jan Lindegren (Eds.), Kungar och Krigare. Tre essäer om Karl X Gustav, Karl XI och Karl XII. Stockholm 1992, 149–225, hier 151. 2 An dieser Stelle wird nur auf eine Auswahl verschiedener schwedisch- und deutschsprachiger Biographien Karls XII. verwiesen: Bengt Liljegren, Karl XII. En biografi. Lund 2000; Sverker Oredsson, Karl XII, in: ders. (Ed.), Tsar Peter och kung Karl. Två härskare och deras folk. Stockholm 1998, 35–74; Ragnhild Marie Hatton, Karl XII och Sverige. Köping 1985; Frans G. Bengtsson, Karl XII:s levnad till uttåget ur Sachsen. Stockholm 1954; ders., Karl XII:s levnad. Från Altranstädt till Fredrikshald. Stockholm 1954; ders., Karl XII. Stuttgart 1957; August B. Quennerstedt, Ur Carl XII:s lefnad. 2 Vols. Lund 1916; Jörg-Peter Findeisen, Karl XII. von Schweden. Ein König, der zum Mythos wurde. Berlin 1992; Otto Haintz, König Karl XII. von Schweden. 3 Bde. Berlin 1936–1958.

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dass er nichts anderes gewesen sei als ein „pathologischer Kriegsverrückter“. In seine Verantwortung sei die größte nationale Katastrophe gefallen, die Schweden jemals getroffen habe. Deshalb bezeichnete ihn beispielsweise August Strindberg als Sveriges bödel, „Schwedens Henker“. 3 Nach dem Tod Karls XII. im November 1718 begann man sich schon relativ früh literarisch und historiographisch mit seiner Person zu befassen, die allgemein für ein großes Aufsehen in Europa gesorgt hatte. Bereits 1723 veröffentlichte der aus Frankreich stammende hugenottische Finanzier des Königs, Aubrey de La Motraye, ein Tagebuch in englischer Sprache über seine Reisen durch Europa und Asien. Breiten Raum nehmen darin die Schilderungen ein, die Karls XII. Aufenthalt in der Türkei sowie dessen ersten Norwegenfeldzug im Jahre 1716 behandeln. 1727 folgte eine französischsprachige Ausgabe. 4 Viele der oft kolportierten Anekdoten und recht schillernden Berichte über Karls XII. Aufenthalt und Erlebnisse im Orient gehen auf diesen Bericht zurück. 1731 verfasste kein geringerer als Voltaire seine „Histoire de Charles XII.“ 5 Damit begann auch schon die kontroverse Diskussion über die Wertung des toten Königs, denn nur ein Jahr später fühlte sich La Motraye, als Bewunderer des Königs, zu einer kritischen Gegendarstellung verpflichtet. 6 Als schwedische Antwort auf Voltaires Geschichte Karls XII. gab der frühere Feldgeistliche und Beichtvater Karls XII., Jöran Andersson Nordberg, 1740 eine zweibändige Abhandlung über den Monarchen heraus, auf die im Folgenden noch einzugehen sein wird. 7

3 August Strindberg, Sveriges förstörare, in: ders., Samlade skrifter. Vol.53: Tal till Svenska Nationen samt andra tidningsartiklar 1910–1912. Stockholm 1919, 53–57, hier 57; siehe auch Lindegren, Karl XII (wie Anm.1), 151; Sverker Oredsson, Karl XII och det svenska stormaktsväldets fall i historieskrivning och tradition, in: ders. (Ed.), Tsar Peter och kung Karl (wie Anm.2), 275–306. 4 Dieser Arbeit zugrunde liegt die schwedische Übersetzung Hugo Hultenbergs: S.Bring/K. B. Wiklund (Eds.), Seigneur A. de la Motrayes Resor 1711–1725. Urval och översättning av Hugo Hultenberg. Stockholm 1918. 5 Einschlägige Übersetzungsausgaben: Voltaire, Geschichte Karls XII. Übers. v. Theodora von der Mühl. Frankfurt am Main 1978; ders., Carl XII:s historia. Tolkning, inledning och kommentar av Gunnar von Proschwitz. Stockholm 1997. 6 Aubrey de la Motraye, Remarques historiques et critiques sur l’Histoire de Charles XII, roy de Suède par M. Voltaire, pour servir de supplément à cet ouvrage. London 1732. 7 Jöran Andersson Nordberg, Konung Carl den XII:s historia. 2 Vols. Stockholm 1740; deutsche Ausgabe: Jöran Anderson Nordberg, Leben Carl des Zwölften, Königs in Schweden. 3 Bde. Hamburg 1745–1751.

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/ KARL XII . – DER „ HEROISCHE “ MILITÄRMONARCH SCHWEDENS

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II. Biographischer Abriss Wer war nun Karl XII.? Geboren wurde er am 17.Juni 1682(jul.) im Schloss Tre Kronor in Stockholm. Er fiel am 30.November 1718(jul.) bei der Belagerung der norwegischen Grenzfestung Frederiksten bei Frederikshald, wobei bis heute ungeklärt ist, ob er einer feindlichen Kugel oder aber einem Schuss aus den eigenen Reihen zum Opfer fiel. 8 Karl war der einzig überlebende Sohn König Karls XI. von Schweden (*1655, †1697) und der Ulrika Eleonora von Dänemark (*1656, †1693). Von seinen sechs Geschwistern überlebten nur seine ältere Schwester Hedwig Sofia, spätere Herzogin von Schleswig-Holstein-Gottorf und Ulrika Eleonora, die ihm auf den schwedischen Thron nachfolgte. Zu Hedwig Sofia pflegte er ein besonders enges Verhältnis. Nach dem Tode des Vaters wurde Karl im Alter von nur 15 Jahren am 9.November 1697(jul.) für mündig erklärt, am 14.Dezember(jul.) folgte die Krönung in Stockholm. 9 Was Karl XII. von seinen Vorgängern und auch Nachfolgern unterschied, war, dass er als Thronfolger einer absoluten Monarchie geboren und erzogen wurde. 10 Die Durchsetzung des Absolutismus in Schweden hatte sich als ein längerer Prozess gestaltet. Nach dem unglücklichen Ausgang des schwedisch-brandenburgischen Krieges setzte Karl XI. mit Hilfe des Reichstages am 9.Dezember 1680 die Bestätigung des Gottesgnadentums durch. Zwei Jahre später, 1682, wurde die Gesetzgebung an den König gebunden. Ein Reichstag im Dezember 1693 bestätigte die enväldet, die alleinige Gewalt des Königs als absoluter Herrscher. 11 Das dürfte Karls XII. Selbstbild und Selbstbewusstsein stark geprägt haben. Sein Lehrer Andreas Nordenhielm 12 wandte u.a. Übungen in Dialogform als pädagogisches Mittel an. Viele die-

8 Ausführlich dazu Helmut Burmeister, Friedrich von Hessen in Schweden, in: ders. (Hrsg.), Friedrich, König von Schweden, Landgraf von Hessen-Kassel. Studien zu Leben und Wirken eines umstrittenen Fürsten (1676–1751). Hofgeismar 2003, 73–155, hier 90–97; Rolf Uppström, Mysteriet Karl XII:s död. Göteborg 1995. 9 Sven Grauers, Art.„Karl XII“, in: Svenskt Biografiskt Lexikon. Vol.20. Stockholm 1975, 655–675. 10

Peter Ericsson, Stora nordiska kriget förklarat. Karl XII och det ideologiska tilltalet. (Acta Universitatis

Upsaliensis, 202.) Uppsala 2002, 61–63. 11

Jerker Rosén (Ed.), Svensk Historia. Vol.1: Tiden före 1718. 4.Aufl. Lund 1978, 513–519. Zum schwe-

disch-brandenburgischen Krieg, der in der skandinavischen Historiographie die Bezeichnung „Schonischer Krieg“ trägt, siehe Robert Frost, The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe 1558–1721. Harlow 2000, 208–223; Finn Askaard/Arne Stade (Eds.), Kampen om Skåne. Kopenhagen 1983. 12

Anders Winroth, Art.„Noordenhielm“, in: Svenskt Biografiskt Lexikon. Bd. 27. Stockholm 1991, 140–

141.

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ser Übungen sind erhalten. Diese endeten immer damit, dass Nordenhielm seine Niederlage gegenüber dem jungen Prinzen eingestand. Es handelte sich beileibe nicht immer um einfache Fragen, sondern um dem jeweiligen Alter angepasste Diskussionen philosophischen, theologischen und politischen Inhalts. Aber der junge Prinz machte die Erfahrung, dass er immer Recht bekam. Sein Lehrer Nordenhielm hatte so wesentlichen Anteil an der Ausprägung absolutistischer Ideen und Überzeugungen bei dem heranwachsenden Karl XII. Geformt wurden allerdings auch Charakterzüge wie Wahrheitsliebe, ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und ein besonderes Ehrgefühl. 13 Entsprechend reagierte Karl XII. anlässlich seiner Regierungsübernahme. Verschiedene Kreise des schwedischen Adels hatten gehofft, dass der junge König im Gegenzug dafür, dass die Stände zugestimmt hatten, ihn mit 15 ½ Jahren für mündig zu erklären und die Regierung übernehmen zu lassen, die sogenannten Reduktionen seines Vaters, das Einziehen von Adelsland, teilweise zurücknehmen würde. Eine entsprechende Supplikation wurde vom Adel eingereicht. Karl jedoch fand es ungehörig, an den Prinzipien der Reduktion, dem Lebenswerk seines Vaters, etwas zu ändern. Die königliche Resolution vom 10.Dezember(jul.) 1697 beendete ein für alle Mal alle diesbezüglichen Hoffnungen. 14 Gleichzeitig traf Karl den Entschluss, in allen Staatsangelegenheiten selbst die Entscheidung zu fällen. Der König ernannte zwei Kanzleibeamte, die Staatssekretäre Carl Piper 15 und Tomas Polus 16, zu Etatsräten mit der Aufgabe, ihn in innen- und außenpolitischen Angelegenheiten zu beraten. 17 Beide waren nichtadliger Herkunft. Karl XII. war nie verheiratet, er pflegte auch keinerlei Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, was zu allerhand Spekulationen über seine sexuellen Neigungen geführt hat. Nach seinem Tod folgte ihm unter Umgehung des Erbanspruchs des Sohnes seiner älteren Schwester, Herzog Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf, seine jüngere Schwester Ulrika Eleonora auf den Thron, die 1719 gekrönt wur-

13 Liljegren, Karl XII (wie Anm.2), 26–27; Ernst Carlson, Die eigenhändigen Briefe Karls XII. Berlin 1894, XIX, 435–450.

14 Grauers, Karl XII (wie Anm.9), 658. 15 Gustaf Jonasson, Art.„Piper, Carl“, in: Svenskt Biografiskt Lexikon. Bd. 29. Stockholm 1991, 325–328. 16 Ders., Art.„Polus, Thomas“, in: ebd.396–398. 17 Ders., Karl XII och hans rådgivare. Den utrikespolitiska maktkampen i Sverige 1697–1702. Uppsala 1960.

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de. 18 Dies bedeutete zugleich das frühe Ende des schwedischen Absolutismus. Es folgte die sogenannte „Freiheitszeit“, eine ständische Herrschaft, in der sich ein Protoparteiensystem herausbildete. 19 Erst mit dem 1772 durchgeführten Staatsstreich Gustavs III. folgte eine Phase des aufgeklärten Spätabsolutismus. 20

III. Das Selbstbild Karls XII. Versucht man sich der Person Karls XII. zu nähern, steht man vor einem großen Problem. 21 Es gibt keinerlei Quellen, die Einblicke in sein Inneres geben, die erklären, was er dachte, welche Motive hinter seinen Beschlüssen und Entscheidungen lagen. Es ist unmöglich, darüber gesicherte Auskünfte zu geben. 22 Fragmentarische Tagebuchaufzeichnungen liegen nur aus seiner Kindheit vor, kurze Notizen aus den Jahren 1690 und 1692. 23 Weitere Memoiren oder selbstbiographische Aufzeichnungen fehlen. Lediglich eine Reihe von Briefen, die der Monarch an seine Schwestern, an verschiedene Offiziere und Diplomaten verfasst hat, lassen noch einige wenige Rückschlüsse zu. 24 Umso mehr Berichte gibt es über den schwedischen König. Einerseits handelt es sich dabei um Tagebuchaufzeichnungen von Personen, die direkt mit ihm in Berührung gekommen sind, wie etwa das bereits erwähnte Reisetagebuch Aubrey de La Motrayes. Dazu kommen Tagebücher schwedischer Offiziere, Augenzeugenberichte, Briefe von Offizieren und Soldaten sowie Berichte von Diplomaten. 25 18

Burmeister, Friedrich von Hessen (wie Anm.8), 97–107.

19

Dazu umfassend Michael Roberts, Frihetstiden. Sverige 1719–1772. Falun 1995; Veronika Jäger, Schwe-

dens einzigartige Geschichte im 18.Jahrhundert. Die sog. „Freiheitszeit“ 1719–1772, in: Burmeister (Hrsg.), Friedrich, König von Schweden (wie Anm.8), 165–190. 20

Erik Lönnroth, Svenska Akademien 200 år. Gustav III spälad av honom själv. (Svenska Akademiens

handlingar från 1986, 1.) Stockholm 1986. 21

Sven Grauers, Karl XII:s personlighet. Försök till en analys, in: Karolinska Förbundets Årsbok 1969, 7–

34, hier 18–25. 22

Liljegren, Karl XII (wie Anm.2), 403f.

23

Die fragmentarischen Tagebuchaufzeichnungen Karls XII. von 1690 und 1692 sind abgedruckt bei:

Oswald Kuylenstierna, Karl XII. Hans öden och hans personlighet. 2.Aufl. Stockholm 1925, 27–35. 24

Ernst Carlson (Ed.), Konung Karl XII:s egenhändiga bref. Stockholm 1893; deutsche Ausgabe: Carlson,

Die eigenhändigen Briefe (wie Anm.13). 25

Einen Überblick über verschiedene, in Auszügen abgedruckte Augenzeugenberichte über Karl XII.

bietet folgende Publikation: Hans Villius (Ed.), Ögonvittnen Karl XII. 2.Aufl. Falun 1993; Beispiele für Be-

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Eine wichtige, aber nicht unumstrittene Rolle spielt die 1740 erschiene Chronik Jöran Andersson Nordbergs. 26 Der 1677 geborene Nordberg wurde 1703 Feldgeistlicher in der Armee Karls XII. Als solcher nahm er teil an den verschiedenen Feldzügen bis hin zur großen Niederlage von Poltava im Sommer 1709. Dort geriet er in russische Gefangenschaft. Über verschiedene Stationen kam er schließlich nach Moskau, wo er 1710 ein Feldkonsistorium einrichten konnte. 27 1715 wurde er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs entlassen. Er begab sich nach Stockholm, wo er ab August 1715 seinen Dienst am schwedischen Hof verrichtete. 1716 wurde er nach Schonen berufen, wo er im Hauptquartier des Königs als Feldgeistlicher fungierte. 28 In den Jahren 1716/17 war er der Beichtvater des schwedischen Monarchen, er nahm als solcher auch am ersten Norwegenfeldzug mit teil. Seit 1731 war er damit beauftragt, eine Chronik Karls XII. zu verfassen. Nordberg ärgerte sich vor allem über das Bild, das ausländische Darstellungen von dem Monarchen zeichneten. Besonders Voltaires „Histoire de Charles XII“ weckte seinen Unwillen, weshalb er sich entschloss, das Bild Karls XII. ,geradezurücken‘. Als dessen Beichtvater hatte er als einer von ganz wenigen Menschen einen persönlichen Zugang zum ansonsten sehr verschlossenen König besessen. Allerdings verfasste er seine Erinnerungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung und mit dem erklärten Ziel der Ehrenrettung Karls.

IV. Der Große Nordische Krieg Das Ereignis, das Karl XII. prägte, das den Mythos um seine Person schuf und an dem die Frage sich klärt, ob und wie er als ein „heroischer Monarch“ gelten kann, ist

richte schwedischer Offiziere sind: Carl Hallendorf (Ed.), Karl XII i Ukraina. En Karolins berättelse. Stockholm 1915; Samuel E. Bring (Ed.), Gustaf Adlerfelt, Karl XII:s krigföretag 1700–1706. Stockholm 1919; als wichtige Quellensammlung sei verwiesen auf August Quennerstedt (Ed.), Karolinska krigares dagböcker jämte andra samtida skrifter. 12 Vols. Lund 1901–1918. 26 Ingrid Marie von Post, Art.„Nordberg, Jöran Andersson“, in: Svenskt biografiskt Lexikon (wie Anm.12), Bd. 27, 161–165. 27 Zum Thema der Kriegsgefangenen in Schweden und Russland sei auf den kürzlich erschienen Sammelband hingewiesen: Lena Jonson/Tamara Torstendahl Salytjeva (Eds.), Poltava. Krigsfångar och kulturutbyte. Stockholm 2009. 28 Zum Aufenthalt Karls XII. in Schonen siehe Bengt Liljegren, Karl XII i Lund. När Sverige styrdes från Skåne. Lund 1999.

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der Große Nordische Krieg von 1700 bis 1721. Es soll daher an dieser Stelle ein kurzer Überblick gegeben werden. 29 Die Ursachen des Großen Nordischen Krieges sind äußerst vielfältig und reichen zum Teil bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück. Entsprechend kontrovers werden die Gründe diskutiert. Als eine wichtige Ursache, die zum Ausbruch des Krieges führte, gilt die sogenannte Gottorfer Frage, ein Problem, das bis in das 19.Jahrhundert hinein für Irritationen auf nationaler und internationaler Ebene sorgte und letztlich erst in den dänisch-deutschen Kriegen 1849–1852 und 1864 gelöst wurde. 30 Der dänische Konglomeratstaat mit den dazugehörigen Herzogtümern Schleswig und Holstein wurden von zwei, zeitweilig auch drei Linien der Dynastie der Oldenburger regiert. 31 Die Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf waren für den Schleswiger Landesteil Vasallen der dänischen Könige, mit denen man sich 1533 auf eine gemeinsame Außenpolitik geeinigt hatte. Durch den 1625 erfolgten Kriegseintritt des dänischen Königs Christian IV. in den Dreißigjährigen Krieg kam es zu einem Bruch dieser gemeinsamen Politik. 32 Aufgrund des militärisch wenig glücklichen Agierens des dänischen Königs war Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf bestrebt, sein Territorium für neutral zu erklären. Vor allem der schwedische Feldzug von 1643–1645 gegen Dänemark vertiefte die Kluft zwischen dem

29

Die Literatur zum Großen Nordischen Krieg ist vor allem in der schwedischen Historiographie

äußerst umfangreich, genannt seien hier nur einige der aktuellsten Werke: Olle Larsson, Stormaktens sista krig. Sverige och Stora Nordiska Kriget 1700–1721. Lund 2009; Peter Ullgren, Det Stora Nordiska Kriget 1700–1721. En berättelse om stormakten Sveriges fall. Stockholm 2008; als aktuelle wichtige dänische Darstellung sei verwiesen auf Knud J. V. Jespersen, Danmark og Europa 1648–1720, in: Carsten Due-Nielsen/Ole Feldbæk/Nikolaj Petersen (Eds.), Dansk udenrigspolitiks historie. Vol.2: Revanche og Neutralitet 1648– 1814. Kopenhagen 2002, 10–199, hier 173–194; siehe auch Frost, The Northern Wars (wie Anm.11), 226– 300. 30

Ulrich Lange (Hrsg.), Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2.Aufl.

Neumünster 2003, 247–266. 31

Troels Dahlrup, Christian IVs udenrigspolitik set i lyset af de første oldenborgeres dynastipolitik, in:

Svend Ellehøj (Ed.), Christian IVs Verden. Kopenhagen 1988, 41–63; Eckart Opitz, Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse. Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700 bis 1721, in: Bernd Wegner (Hrsg.), Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatskonflikten. (Krieg in der Geschichte, 4.) Paderborn u.a. 2000, 89–107, hier 90–92; Gerd Steinwascher, Die Oldenburger. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Stuttgart 2011, 35–56. 32

Leo Tandrup, Når to trættes, så ler den tredje. Christian IVs og rigsrådets forhold til Det tyske Rige og

især Sverige, in: Ellehøj (Ed.), Christian IVs Verden (wie Anm.31), 64–97, hier 82–86.

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Königreich und dem Herzogtum, denn das Letztere schloss 1644 einen Neutralitätsvertrag mit Schweden. Es war nicht zu übersehen, dass im Verlauf des 17.Jahrhunderts die Gottorfer Herzöge nach einer von Dänemark unabhängigen Stellung strebten, und Schweden wie auch Frankreich unterstützten dies. Der u.a. durch Heiratsverbindungen demonstrierte schwedische Einfluss auf Gottorf wurde von Dänemark zunehmend als Bedrohung empfunden, da das Gebiet eine schwedische Aufmarschbasis im Rücken Dänemarks darstellte. Die dänischen Könige Friedrich III. und Christian V. versuchten in den Kriegen in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts wiederholt, die Gottorfer Herzöge in den Status der Abhängigkeit von Dänemark zurückzudrängen. Sie scheiterten damit jedoch aufgrund der politischen Lage in Europa und mussten die Souveränität des Herzogtums anerkennen. 33 Am Ende des 17.Jahrhunderts spitzte sich die Situation zu. Der junge schwedische König Karl XII. ernannte 1698 Herzog Friedrich IV. von Schleswig-HolsteinGottorf zum Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen im Reich, was von Christian V. bzw. von dem seit 1699 regierenden Friedrich IV. als Affront aufgefasst wurde. 34 Weitere Ursachen des Großen Nordischen Krieges sind in der Expansion Schwedens im Ostseeraum zu suchen. 1617 musste Russland im Frieden von Stolbova Ingermanland und Käxholms län an Schweden abtreten, womit es seine Ostseezugänge verlor. Schweden kontrollierte dadurch den russischen Ostseehandel. Eng damit verbunden war die Eroberung Livlands durch Gustav II. Adolf, was die Stellung Schwedens im Russlandhandel zementierte. 35 Durch den Erwerb Livlands wurden aber vor allem polnische Interessen berührt. Für den Ausbruch des Krieges ist Livland insofern bedeutsam, da das Gebiet nach 1680 von den Reduktionen, der Einziehung früher verliehener Güter durch die schwedische Krone, betroffen war. 36 Ein bekannter livländischer Adliger, Johann

33 Knud J. V. Jespersen, Danmark og Europa (wie Anm.29), 107–110, 126–132. 34 Opitz, Vielerlei Ursachen (wie Anm.31), 95; Joachim Krüger, Wolgast in der Asche. Ausgewählte Quellen zur Lustration der Stadt in der Dänenzeit. (Publikationen des Lehrstuhls für Nordische Geschichte, 8.) Greifswald 2007, 12. 35 Zum schwedischen Russlandhandel siehe folgende Quellenpublikation: A. Attman u.a. (Eds.), Ekonomiska förbindelser mellan Sverige och Ryssland under 1600-talet. Dokument ur svenska arkiv. Stockholm 1978. 36 Zu den Reduktionen siehe Arne Munthe, Studier i drottning Kristinas och reduktionens historia. (Skrifter utgivna av Svenska Riksarkivet, 2.) Stockholm 1971, 305–315.

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Reinhold von Patkul, protestierte gegen die Beschneidung des Grundbesitzes auf den livländischen Gütern. 37 Von den Schweden wurde er deshalb verurteilt. Patkul konnte jedoch fliehen und reiste 1698 nach Polen. Dort sicherte er dem gerade inthronisierten polnischen König August II. zu, dass im Falle eines polnischen Angriffs auf das schwedische Livland der dortige Adel den polnischen König unterstützen würde. 38 Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, besser bekannt als August der Starke, hatte sich 1697 zum König von Polen wählen lassen. Handstreichartig war es ihm gelungen, sich vor seinem Rivalen, dem Prinzen Conti, als August II. krönen zu lassen. 39 Damit war er der Verfassung nach tatsächlich polnischer König, seine Stellung in der „Adelsrepublik“ war jedoch alles andere als gefestigt. Für ihn lag es nahe, innenpolitische Probleme durch außenpolitische Erfolge zu kaschieren. Und so rückte das von Schweden eroberte Livland in den Blick der Politik Augusts. Die Situation schien günstig, denn Karl XI. von Schweden war im Jahre 1697 gestorben. Sein Nachfolger Karl XII. war noch minderjährig, und so glaubte man, mit dem politisch unerfahrenen schwedischen Thronfolger ein leichtes Spiel zu haben. Die verschiedenen Interessen der drei Reiche Dänemark, Russland und Polen-Sachsen trafen sich in der gemeinsamen Feindschaft gegenüber Schweden. Seit Juni 1698 verhandelten Christian V. von Dänemark-Norwegen und Zar Peter I. über ein gegen Schweden gerichtetes Bündnis. Im August des Folgejahres kam schließlich ein Bündnis zustande, das auch nach dem (fast gleichzeitigen) Tode Christians Bestand hatte. Kurze Zeit später, am 11.November 1699 wurde ein Bündnis zwischen Sachsen und Russland geschlossen. Damit hatte sich eine Dreierkoalition gebildet, die intensive Kriegsvorbereitungen betrieb. Man einigte sich darauf, dass die gegen Schweden gerichteten Operationen Polen-Sachsens und Dänemarks annähernd gleichzeitig beginnen sollten. Zar Peter I. war noch in Kämpfe mit der Türkei verwickelt, deshalb war mit einem verzögerten Kriegseintritt Russlands zu rechnen. Die Allianz war unter äußerster Geheimhaltung zustande gekommen.

37

Yella Erdmann, Der livländische Staatsmann Johann Reinhold von Patkul. Ein abenteuerliches Leben

zwischen Peter dem Großen, August dem Starken und Karl XII. von Schweden. Berlin 1970; Reinhard Wittram, Patkul und der Ausbruch des Nordischen Krieges. (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 1.) Göttingen 1952. 38

Erich Hassinger, Brandenburg-Preußen, Schweden und Rußland 1700–1713. (Veröffentlichungen des

Osteuropa-Institutes München, 2.) München 1953, 37; Opitz, Vielerlei Ursachen (wie Anm.31), 92f. 39

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Reiner Groß, Geschichte Sachsens. 3. erw.Aufl. Leipzig 2007, 126–131.

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Schweden wurde zusätzlich getäuscht, da kurz vor Kriegsbeginn August II. Schweden im Falle eines Krieges mit Dänemark seine Neutralität zusicherte. Das Zarenreich wurde in Stockholm ebenfalls als neutral eingestuft. Der Große Nordische Krieg begann am 11.Februar 1700 mit dem Einfall sächsischer Truppen in Livland. Geplant war eine handstreichartige Eroberung Rigas, die jedoch scheiterte. Auf die Nachricht des sächsisch-polnischen Angriffs hin setzte auch Friedrich IV. von Dänemark seine Truppen in Bewegung. Einen Monat später, am 11.März 1700, griff die dänische Armee das mit Schweden verbündete Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf an. 40 Am 19.August 1700 folgte die russische Kriegserklärung. Die schwedische Reaktion verzögerte sich etwas. Aufgrund des Indelningsverk (Einteilungswerk) genannten Aushebungssystems dauerte es eine gewisse Zeit, bis das schwedische Heer gesammelt war. 41 Dann aber schlug Karl XII. zurück, und zwar in einer Form, mit der niemand gerechnet und die niemand für möglich gehalten hatte. Sie schuf die Grundlage für den Mythos vom schwedischen Kriegerkönig. Karls Ziel war die dänische Residenzstadt Kopenhagen. Unterstützung erhielt er durch die englischen und holländischen Kriegsflotten, denn noch im Januar 1700 hatte Bengt Oxenstierna ein Verteidigungsbündnis zwischen Schweden und den beiden Seemächten vermittelt. Am 25.Juli 1700 landete Karl XII. an der Spitze seiner Armee auf der dänischen Hauptinsel Seeland. Kopenhagen wurde landseitig eingeschlossen, worauf Dänemark gezwungen war zu kapitulieren. Friedrich IV. unterzeichnete am 18.August den von den Seemächten vermittelten Frieden von Travendal/Traventhal, in dem er die Souveränität Schleswig-Holstein-Gottorfs anerkennen musste. Außerdem schied Dänemark aus der antischwedischen Koalition aus. Karl XII. wollte den Krieg gegen Dänemark zwar fortführen. Damit stieß er jedoch auf den Widerstand der Engländer und Holländer, die an einem Status quo interessiert waren und einer weiteren Schwächung Dänemarks entgegentraten. 42 Karl musste sich dem Druck der Seemächte beugen und den Frieden von Travendal akzeptieren. 43 40 Henning Due-Nielsen, Frederik 4. Tordenskiolds konge. Kopenhagen 2001, 82–89. 41 Lars Ericson, Svenska knektar. Indelta soldater, ryttare och båtsmän i krig och fred. Lund 1995, 27–39. 42 Opitz, Vielerlei Ursachen (wie Anm.31), 96. 43 Zu den Umständen des Friedens von Travendal siehe H.W. Harbou/A. P. Tuxen/C. L. With, Kong Frederik IVs første kamp om Sønderjylland. Krigen 1700. (Bidrag til Den Store Nordiske Krigs Historie, 1.) Kopenhagen 1899, 459–467.

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Der König wandte sich nun dem nächsten Gegner zu. Das war jedoch nicht, wie man vermuten könnte, August der Starke, sondern der russische Zar. Nachdem der Sturm auf Riga gescheitert war und sich der livländische Adel nicht, wie von Patkul in Aussicht gestellt, erhoben hatte, zog August sein Heer vorläufig zurück. Das räumte Karl XII. die Möglichkeit ein, einzeln gegen seine Gegner vorzugehen. Am 20.November 1700 brachte er einem weit überlegenen russischen Heer bei Narwa eine empfindliche Niederlage bei. Hatte bereits die überraschende Reaktion gegen Dänemark für Aufsehen gesorgt, war es gerade der Sieg von Narwa, der Karl XII. zum Helden stilisierte. In der Folge umwarben ihn die Herrscher Europas, um Schweden in dem sich abzeichnenden Spanischen Erbfolgekrieg für die eine oder die andere Seite zu gewinnen. 44 Darauf ließ sich der schwedische König jedoch nicht ein. Er focht seinen eigenen Krieg aus. Weitere aufsehenerregende Siege folgten: am 9.Juli 1701 an der Düna über sächsische und russische Truppen, ebenfalls am 9.Juli 1702 bei Klissow über August den Starken, es folgten die Einnahme Warschaus und die 1704 erzwungene Wahl Stanisław Leszczynskis als polnischer Gegenkönig zu August dem Starken. Karl XII. verfügte allerdings auch über sehr fähige Generäle, die teils mit ihm zusammen, teils getrennt operierten und ebenfalls große Erfolge für sich verbuchen konnten, z.B. Carl Gustav Rehnskiöld, der 1706 die letzte sächsische Feldarmee bei Fraustadt vernichtend schlug 45, und Magnus Stenbock 46, der, nachdem der Zenit der Macht Schwedens schon überschritten war, noch vielbeachtete Erfolge für sich verbuchen konnte, etwa in der Schlacht bei Helsingborg am 28.Februar 1710 und bei Gadebusch am 20.Dezember 1712. 47 Der Sieg bei Fraustadt führte jedoch zunächst zur Besetzung Kursachsens. Und dort feierte Karl XII. einen seiner größten Erfolge.

44

Zum Spanischen Erbfolgekrieg siehe Stefan Smid, Der Spanische Erbfolgekrieg. Geschichte eines ver-

gessenen Weltkriegs (1701–1714). Köln/Weimar/Wien 2011; Friedrich Edelmayer/Virginia León Sanz/José Ignacio Ruiz Rodriguez (Hrsg.), Hispania – Austria III. Der Spanische Erbfolgekrieg. La Guerra de Succesión española. (Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder, 13.) Wien 2008. 45

Oskar Sjöström, Fraustadt 1706. Ett fält färgat rött. Lund 2008; Haik Th. Porada/Detlev Schnell, Ein Erin-

nerungsort für den schwedischen Sieg bei Fraustadt 1706. Carl Gustav Rehnskiölds Schloss Griebenow, in: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte 87, 2008, 33–57. 46

Zu Magnus Stenbock siehe die kürzlich erschiene Biographie von Ingvar Eriksson, Karolinen Magnus

Stenbock. Stockholm 2007. 47

Zu beiden Schlachten und ihren Folgen siehe die ausführlichen Darstellungen in A. P. Tuxen/C. L.

With-Seidelin/A. L. Hansen, Felttogene i Skaane 1709–1710. (Bidrag til den Store Nordiske Krigs Historie, 2.)

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Er nahm sein Quartier nicht in der sächsischen Residenz in Dresden, sondern in Altranstädt bei Leipzig, wo am 14.September 1706 die Gesandten Augusts des Starken dessen Verzichtserklärung auf die polnische Krone unterzeichneten. 48 Auf die weiteren Ereignisse braucht an dieser Stelle nicht weiter eingegangen zu werden. Karl XII. fasste den Beschluss, den letzten seiner drei Gegner niederzuwerfen, und so begann 1708 der Marsch durch Polen in Richtung Russland. 49 Bekanntermaßen endete der Feldzug mit der vernichtenden Niederlage bei Poltava in der Ukraine im Sommer 1709, ein Ereignis, das aus der Retrospektive als der Wendepunkt des Krieges erscheint, was für die Zeitgenossen als solcher allerdings nicht unbedingt erkennbar war. 50 Denn Schweden wurde nach wie vor als ein gefährlicher Gegner eingestuft, wozu die erwähnten Erfolge General Stenbocks maßgeblich mit beitrugen. Außerdem gelang es Karl XII., die Türkei zum Eintritt in den Krieg zu bewegen, und ein türkisches Heer vermochte es, die Armee Zar Peters I. im Juli 1711

Kopenhagen 1903, 418–456; A. P. Tuxen/C. L. With-Seidelin, De nordiske Allieredes Kamp med Magnus Stenbock 1712–1713. (Bidrag til den Store Nordiske Krigs Historie, 4.) Kopenhagen 1910, 172–204. 48 Zu den verschiedenen Verhandlungen in Altranstädt siehe u.a. Ernst Carlson, Der Vertrag zwischen Karl XII. von Schweden und Kaiser Joseph I. zu Altranstädt 1707. Stockholm 1907; Norbert Conrads, Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707–1709. (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands, 8.) Köln 1971, 1–19. 49 In der Literatur ist oft die Frage gestellt worden, warum Karl XII. auf die anscheinend wahnwitzige Idee kam, mit seiner Armee nach Russland zu marschieren. Dies wird oft vor dem Hintergrund des gescheiterten deutschen Feldzugs im Zweiten Weltkrieg und des Marschs Napoleons, der zwar 1812 Moskau einnehmen konnte, sich dann aber unter ungeheuren Verlusten zurückziehen musste, diskutiert, so z.B. von Findeisen, Karl XII. (wie Anm.2), 91. Dabei wird oft übersehen, dass während der Regierungszeit des schwedischen Königs Karl IX. (1600–1611) ein schwedisches Heer unter Jakob Pontusson De la Gardie 1610 Moskau eingenommen hat. Die Schweden unterstützten in Moskau einen Kandidaten auf den Zarenthron namens Vasilij, der allerdings nach kurzer Zeit wieder abgesetzt wurde. Auf dem Rückweg erlitt die schwedische Armee eine Niederlage im Kampf mit einer polnischen Reiterarmee. Dass eine schwedische Armee den weiten Weg bis zur russischen Hauptstadt bewältigt hatte, dürfte Karl XII. bewusst gewesen sein. Sein Heer zählte zu den modernsten und schlagkräftigsten in Europa überhaupt. Insofern ist seine Entscheidung eigentlich nicht weiter verwunderlich, zumal er aufgrund seines Erfolgs von Narva die russische Armee, die inzwischen reorganisiert worden war, unterschätzte. Zu dem schwedischen Feldzug 1610 nach Moskau siehe Rosén, Svensk Historia (wie Anm.11), Vol.1, 350; zur Zeit der russischen Wirren („Smuta“) siehe Frost, The Northern Wars (wie Anm.11), 81–88; Chester S.L. Dunning, Russia’s First Civil War. The Time of Troubles and the Founding of the Romanov Dynasty. University Park, Pa. 2001, 409–421. 50 Zu Poltava mit weiterführender Literatur siehe Peter Englund, Poltava. Berättelsen om en armés undergång. Stockholm 1988; ders. (Ed.), Minnet av Poltava. Ögonvittnesskildringar från Karl XII:s ryska fälttåg. Stockholm 1998; Frost, The Northern Wars (wie Anm.11), 288–294. Zu Ereignissen im Vorfeld der Schlacht siehe Pavel Konovaltjuk/Einar Lyth, Vägen till Poltava. Slaget vid Lesnaja 1708. Borgå 2009.

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am Fluss Pruth einzuschließen. Und nur der zögerlichen Verhandlungsweise des türkischen Oberbefehlshabers war es zu verdanken, dass der russische Zar mitsamt seinem Heer unbeschadet von dannen ziehen konnte. 51 Karl hielt sich bis 1714 in der Türkei auf. Anschließend folgte sein legendenumwobener vierzehntägiger Ritt bis Stralsund, der Verlust der letzten schwedischen Provinz im Ostseeraum, Schwedisch-Pommern, der Kriegseintritt Preußens und Hannovers gegen Schweden, die beiden Norwegenfeldzüge 1716 und 1718, von denen der Letztere mit dem Tod des Königs endete.

V. Kriegerkönig und heroischer Monarch Wenden wir uns jetzt der Frage zu: War Karl XII. ein Held oder heroischer Monarch? Es wurde eingangs auf den Mangel an Selbstzeugnissen hingewiesen, was die Beantwortung der Frage erschwert, wie sich der schwedische König selbst gesehen hat. Trotzdem sind Aussagen in einem gewissen Maß aufgrund verschiedenster Berichte und überlieferter Handlungen möglich. Karl wuchs in einem Umfeld auf, das von einer Atmosphäre der ständigen Kriegsbereitschaft geprägt war. Allen war klar, dass Dänemark früher oder später Revanche für die großen Landverluste in Dänemark und Norwegen nehmen würde. Sein Vater, Karl XI., zog aus dem für Schweden ungünstig verlaufenden Schonischen Krieg die Lehre, dass Schweden ständig bereit sein müsse, einem dänischen Angriff begegnen zu können. 52 Aufgrund der wechselnden europäischen Bündnisse und der damit einhergehenden Gefahr, in die daraus resultierenden Konflikte mit hineingezogen zu werden, war Karl XI. bemüht, das Königreich Schweden zu einem wirtschaftlich und militärisch weitestgehend unabhängigen Staat zu machen. Unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen baute er ein äußerst effektives Heerwesen auf, das in Europa seinesgleichen suchte, das oben bereits genannte Indelningsverket. 53 Hierbei handelt es sich um die speziell schwedische Variante eines stehenden Heeres, basierend auf der Rekrutierung der eigenen Bevölkerung.

51

Ausführlich dazu Eric Tenberg, Från Poltava till Bender. En studie i Karl XII:s turkiska Politik 1709–

1713. Lund 1953, 119–148.

370

52

Göran Rystad, Vägen till fred, in: Askaard/Stade (Eds.), Kampen om Skåne (wie Anm.11), 399–420.

53

Ders., Karl XI. En biografi. Lund 2003, 244f.

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Das war an für sich nichts grundlegend Neues, bereits im 16.Jahrhundert griff Gustav I. Vasa auf einheimische Bauernsoldaten zurück. Gustav II. Adolf stützte sich bei seiner berühmten Landung auf Usedom 1630 gleichfalls auf ein überwiegend schwedisch-finnisches Heer, das im Laufe des Krieges jedoch immer stärker mit geworbenen Söldnertruppen aufgefüllt wurde. Unter Karl XI. wurde das System des Indelningsverket lediglich modernisiert. Finanzielle Grundlage dafür war die ab 1680 in großem Stil durchgeführte Reduktion, die Einziehung verpfändeter Krongüter. 54 Das neue Rekrutierungssystem beruhte auf Absprachen zwischen dem König und den einzelnen Landschaften. Die Landschaften wurden von Ausschreibungen verschont. Dafür mussten sie sich verpflichten, eine gewisse Anzahl an Soldaten zu unterhalten. Die Bauern wurden in rotar (Rotten) zu jeweils zwei bis fünf Bauern eingeteilt. Jede rote musste einen Soldaten mit einem Hof und einem Stück Acker unterhalten und sich an der Finanzierung der Uniformen und übrigen Ausrüstung beteiligen, die bei einem Bauern in der sogenannten rotekista verwahrt werden sollte. Der Soldat bekam einen kleinen Hof zur Bewirtschaftung, jährlich ein Schwein sowie Saatgut. Er versorgte sich weitgehend selbst bzw. arbeitete auf den umliegenden Bauernhöfen, wo er mit Naturalien und Geld versorgt wurde. Nur wenn er zum Manöver einrücken oder in den Krieg ziehen musste, erhielt er einen festen Sold. In dieser Zeit versorgten die zu seiner rote gehörenden Bauern den Hof. Wenn ein Soldat starb oder dienstuntauglich wurde, oblag es der rote, innerhalb von drei Monaten einen Ersatz zu stellen. Für im Krieg gefallene Soldaten wurde den Rotten eine längere Frist eingeräumt. Auf diese Weise wurden 22 Infanterieregimenter von jeweils 1200 Mann geschaffen. Jedes Regiment bestand aus acht Kompanien zu jeweils 150 Mann. Die Anzahl der Höfe, die in das Rottensystem integriert wurden, beruhte auf der Größe der Höfe und der finanziellen Stärke. Die Abgaben, welche die Höfe zu leisten hatten, waren ebenfalls der Größe und Leistungsfähigkeit angepasst. 55 Für den Aufbau der Kavallerie wurden spezielle Steuer- und Kronbauern ver-

54 Munthe, Studier (wie Anm.36), 135–150; Rystad, Karl XI (wie Anm.53), 181–188; Ericson, Svenskar knektar (wie Anm.41), 27–30; zum Verhältnis von Reduktionen und Indelningsverket unter Karl XI. siehe Werner Buchholz, Vom Adelsregiment zum Absolutismus. Finanzwirtschaft und Herrschaft in Schweden im 17.Jahrhundert, in: Peter Rauscher/Andrea Serles/Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Das „Blut des Staatskörpers“. Forschungen zur Finanzgeschichte der Frühen Neuzeit. (Historische Zeitschrift, Beihefte [Neue Folge], Bd. 56.) München 2012, 129–181, hier 160–177. 55 Rystad, Karl XI (wie Anm.53), 244, 246.

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pflichtet, um sowohl Mannschaften wie auch Offiziere zu unterhalten. Die Offiziere bekamen Wohnstellen zugewiesen, was im Übrigen auch für die Offiziere der Fußtruppen galt. In dieses System wurden auch adlige Standespersonen und vermögende Bauern mit einbezogen, sogenannte rusthållare. Diese mussten sich verpflichten, Reiter mit Pferd und Ausrüstung zu stellen. Im Gegenzug wurden sie von Steuern befreit und nicht in das rote-System mit einbezogen. Die Kavallerieregimenter bestanden aus acht Kompanien. Auf jede Kompanie kamen 125 rusthållare. Manchmal, aber nicht immer, bekamen die Reiter ein eigenes kleines Haus. Sonst stand der Reiter in einem Knechtsverhältnis zum rusthållare und bekam einen gewissen Lohn von diesem ausbezahlt. Die Offiziere bekamen wie die Reiter einen festen Lohn, der von einer bestimmten Anzahl von Höfen erwirtschaftet werden musste. Als Wohnungen wurden ihnen Kronhöfe zugewiesen, die im Gebiet der Regimenter lagen. Die Offiziere hatten die Höfe zu bewirtschaften und sollten gleichzeitig ein Auge auf die Soldaten haben. Die Wohnhäuser der Offiziere waren standardisiert. Sie beruhten auf einem Entwurf eines einfachen Herrenhofes, der von dem berühmten Fortifikationsoffizier und späteren Generalgouverneur von Livland, Erik Dahlbergh, entworfen worden war. 56 Ein wichtiger Punkt beim Aufbau der schwedischen Armee, der dazu führte, dass diese unerhört leistungsfähig war, war die systematische und einheitliche Ausbildung. Die Übungen wurden jeden Monat kompanieweise durchgeführt. Einmal pro Jahr, in der Regel im September, wurden die vollständigen Regimenter für Manöver versammelt. Diese konnten mitunter mehrere Wochen dauern. Viele Musterungen nahm Karl XI. persönlich vor. 57 Der junge Prinz Karl begleitete seinen Vater oft dabei, wenn dieser dem Exerzieren beiwohnte, Truppen musterte oder selbst Manöver leitete. Karls Interesse an allem Militärischen wurde durch den Vater in besonderem Maße gefördert. Nach dem Tod der Mutter (1693) nahm der Einfluss des Vaters noch zu, den der junge Kronprinz wegen seines Mutes, seines Pflichtbewusstseins und Fleißes und seinem Unwillen gegenüber Luxus und höfischem Gehabe bewunderte. 58 Karl XI. sorgte also 56

Ebd.245. Zu Erik Jönsson Dahlbergh siehe Ernst Ericsson, Art.„Dahlbergh, Erik Jönsson“, in: Svenskt

Biografiskt Lexikon. Bd. 9. Stockholm 1931, 616–630; Inga von Corswant-Naumburg, Greve Erik Dahlbergh: kungligt råd, fältmarskalk och generalguvernör. Visby 2008; Börje Magnusson, Att illustrera fäderneslandet: en studie i Erik Dahlberghs verksamhet som tecknare. (Acta Universitatis Upsaliensis, 10.) Uppsala 1986.

372

57

Rystad, Karl XI (wie Anm.53), 248–250.

58

Grauers, Karl XII (wie Anm.9), 657.

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dafür, dass sein Sohn eine gründliche militärische Ausbildung erhielt. Als Lehrer bestimmte er den Fortifikationsoffizier Karl Magnus Stuart, der trotz seines Fachgebiets ein Anhänger einer offensiven Kriegführung unter Ausnutzung des Überraschungsmoments war, etwas, das für die späteren Feldzüge Karls XII. kennzeichnend wurde. Der junge Thronfolger dürfte davon geträumt haben, bedeutende Leistungen zu vollbringen. So berichtet der englische Diplomat John Robinson, der Anfang der 80er Jahre des 17.Jahrhunderts nach Stockholm kam und sich lange Jahre am schwedischen Hof aufhielt, dass die Gedanken des Prinzen darum kreisten, „große Dinge“ zu verrichten. 59 Dabei spielte sicherlich auch der Gothizismus eine nicht unwesentliche Rolle, jene populäre und in Schweden identitätsstiftende Geistesströmung, die in den Schweden die direkten Nachfahren der alten Goten sah. Seit dem 16.Jahrhundert versuchten schwedische Gelehrte in zahlreichen Abhandlungen die Richtigkeit dieser Behauptung nachzuweisen. Bei einigen der schwedischen Könige wie z.B. bei Gustav II. Adolf stießen diese Ideen auf einen fruchtbaren Boden. Gustav ließ sich im Anschluss an seine Krönung 1617 als der sagenumwobene Gotenkönig Berik feiern. Und in seiner Abschiedsrede vor dem Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg 1630 bezog er sich ebenfalls auf die Goten. 60 Auch Karl XI. ließ sich verschiedentlich als gotischer Triumphator und Verkörperung gotischer Tugenden darstellen. Karls XI. und Karls XII. Hofprediger, Simon Isogæus, diskutierte in seinem Werk Carla Seger-Skiöld verschiedene ethische und rechtliche Fragen der Kriegführung auf der Grundlage der Bibel, antiker Philosophen und verschiedener Staatstheoretiker, die mit Beispielen aus der schwedischen Geschichte illustriert wurden. Isogæus betonte die große Freiheit und Selbstständigkeit Schwedens, die Reinheit der schwedischen Sprache, die Orientierung an den Sitten, Gebräuchen und Gesetzen der Vorväter bis hin zu den alten Goten. Diese gelte es zu verteidigen. 61 Karl XII. dürfte in dem Bewusstsein aufgewachsen sein, dass das schwedische Königreich als Nachfolgereich der Goten anzusehen sei und folglich die Schweden als eines der ältesten Kulturvölker der Welt zu gelten hätten.

59 Ebd.657. 60 Ausführlich zum Gothizismus siehe Inken Schmidt-Voges, De antiqua claritate et clara antiquitate Gothorum. Gothizismus als Identitätsmodell im frühneuzeitlichen Schweden. (Imaginatio Borealis, 4.) Frankfurt am Main 2004, 266–279. 61 Ebd.331–335.

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Zunächst jedoch regte sich nach dem am 5.April 1697 erfolgten Tode Karls XI. ein aktiveres Hofleben als in den Jahren davor. Zwar wurde das Schloss Tre Kronor im Mai desselben Jahres von einer Brandkatastrophe heimgesucht. 62 Trotzdem ließ der junge Monarch nach Abschluss der Trauerfeierlichkeiten höfische Vergnügungen, wie Theater und Maskenbälle, ausrichten. Der Ausbruch des Großen Nordischen Krieges im Frühjahr 1700 setzte dieser Entwicklung jedoch ein rasches Ende und ließ ganz andere, dem Wesen Karls XI. entsprechende Züge im Königtum Karls XII. hervortreten: Militärethos und Soldatenhabitus. 63 Karl XII. war u.a. bestrebt, seinem berühmten Vorgänger Gustav II. Adolf (1594– 1632), dem Schöpfer der schwedischen Machtstellung in Europa, nachzueifern, der in seiner religiösen und politischen Unterweisung eine große Rolle gespielt hatte. Seine Verehrung gegenüber dem toten Heldenkönig zeigte sich deutlich im Jahre 1706 während seines Aufenthalts in Sachsen. Karl verschmähte es, in der sächsischen Residenzstadt und Metropole Dresden zu residieren. Stattdessen wählte er den Ort auf sächsischem Boden, der dem alten Schlachtfeld von Lützen, auf dem Gustav II. Adolf 1632 den Tod gefunden hatte, am nächsten lag, das Schloss von Altranstädt. 64 Karl bezog am 14./24.September 1706 eben dort sein Quartier. Nur einen Tag später unternahm er einen ausgiebigen Ritt nach Lützen. Er traf dort mit zwei alten Einwohnern zusammen, deren Väter in jungen Jahren Zeitzeugen der Schlacht gewesen waren. Mit seiner Eskorte suchte er die verschiedenen Schauplätze des Schlachtfeldes auf und soll sehr enthusiastisch auf seine Begleitung gewirkt haben. John Robinson berichtet auch, dass der junge Kronprinz von seinem Auftreten her eher einem Soldaten denn einem höfischen Mann gleichen wollte, trotz seiner feinen Manieren. Karl trug einfache Kleider und schlief gerne auf einer Bank oder zu ebener Erde. 65 Von Karls XII. erstem schwedischen Biographen, Jöran Nordberg, ist eine Beschreibung überliefert, welche die Beobachtungen Robinsons unterstützt:

62

Rystad, Karl XI (wie Anm.53), 369–371.

63

Wilhelm Ernst Winterhager, Der Hof als Leitmodell für die Gesellschaft: Schweden – ein Sonderfall?, in:

Klaus Malettke/Chantal Grell/Petra Holz (Hrsg.), Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18.Jahrhundert). Société de cour et courtisans dans l’Europe de l’époque moderne (XVe–XVIIIe siècle). Münster 2001, 421–438, hier 432. 64

Liljegren, Karl XII (wie Anm.2), 147; Sven Grauers, Med Karl XII i Polen och Sachsen år 1706, in: Karo-

linska Förbundets Årsbok 1967, 59–80, hier 69–75. 65

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Grauers, Karl XII (wie Anm.9), 658.

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„Wie er im tausend siebenhunderten Jahre aus Schweden reisete, brauchte er eine Peruke; indem sein Kopf, von Kindheit an, dazu gewöhnt war, und weil ihm die Hare nicht sonderlich stark gewachsen waren. Allein bey der Ueberfahrt nach Pernau, legte er die Peruke gänzlich ab. Die Hare wurden kurz geschnitten, die der König in die Höhe kämmete. Dieses stund ihm ungemein wol an; insonderheit, nachdem der Kammerdiener unvermekt das Halstuch mit Puder bestreuete, wenn er die Hare hier und da vom Schweisse und von Ausdünstungen reine machen sollte […]. Seine Kleidung war schlecht und recht. Der Rock oben und unten war von feinem blauen Tuche, mit kleinen Aufschlägen, und vergoldeten Knöpfen. Unter den aufgeschlagenen Vordertheilen des Rocks, sahe ein Theil einer strohgelben Weste und der Beinkleider von gleicher Farbe, und auch mit vergoldeten Knöpfen, hervor. Den Hals zierte ein schwarzer Flortuch, und seine Handschuhe von Hirschfelle, hatten so starke Stulpen von Elendshaut, daß sie die Arme meist bis an den Ellbogen bedeckten. Das Degengehänge von Hirschleder prangete nicht mit dem geringsten Zierrathe, oder mit einigen Stickwerke; sondern nur mit einem großen Degen, dessen meßingenes Gefäß verguldet war. Die steifen Stiefeln waren mit einem Par großen eisernen Spornen versehen. Es ist bey dieser Kleidung des Königs merkwürdig, daß er, von tausend siebenhunderten Jahre an, niemals einiges Pelzwerk oder Fell von Thieren noch weniger einiges Futterhemde, Leib- oder Brustlatz, am wenigsten jemals einen Harnisch getragen. Es kam auch kein Muff oder dergleichen an seinen Händen, so grimmig auch die Kälte war. Nur brauchte er hier und da in Polen, zur Winterzeit, eine Otterfellen Mutze.“ 66

Diese Beschreibung deckt sich mit den allermeisten Gemälden Karls XII., die nach 1700 entstanden sind. Während des Aufenthalts in Altranstädt saß der schwedische König Modell für den schwedischen Portraitmaler Johan David Swartz. Das typische Fürstenportrait dieser Zeit war eine halb- oder ganzfigurige Darstellung eines prachtvoll gekleideten Mannes in natürlicher Größe. 67 Der Herrscher trägt Perücke und die Symbole seiner Macht, z.B. Krone oder Szepter. Gern dienen als Hintergrund auch prachtvolle Schlösser oder Szenen aus dem ritualisierten Hofleben. In dieser Art entstanden 1697 anlässlich der Krönung Karls XII. mehrere Herrscherportraits, gemalt vom schwedischen Hofmaler David Klöcker Ehrenstrahl, die den Kö-

66 Nordberg, Leben Carls des Zwölften Königs in Schweden (wie Anm.7) , Bd. 2, 755f.; siehe auch Villius, Ögonvittnen (wie Anm.25), 120f.; Kuylenstierna, Karl XII (wie Anm.23), 195f. 67 Liljegren, Karl XII (wie Anm.2), 146f.

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Abb.1: Unbekannter Maler, König Karl XII. von Schweden, zeitgenössische Kopie nach Johann Heinrich Wedekind (1674–1736), 1719, Öl auf Leinwand; Staatliches Museum Schwerin (Schloss Güstrow), Foto A. Bötefür.

nig mit Perücke und in kostbarer Kleidung mit Hermelinmantel, ganz- oder halbfigurig zeigen. 68 68

Siehe u.a. Katalog över Statens porträttsamling på Gripsholm. Vol.1: Porträtt före 1809. Stockholm

1951, Nr.1382, in kostbarer Rüstung Nr.2264.

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Mit dem Ausbruch des Großen Nordischen Krieges im Jahre 1700 änderte sich die Art Karls XII., sich portraitieren zu lassen, drastisch. Der König wollte nun realistisch wiedergegeben werden. Dass er keine Perücke mehr trug, war zu berücksichtigen. Karl ließ sich fast ausschließlich mit seinem blauen Uniformrock, Stiefeln und Stulpenhandschuhen abbilden. Typische Beispiele dafür sind das in Altranstädt entstandene Gemälde von Johan David Swartz 69 oder das erst 1719 vollendete Portrait Johann Heinrich Wedekinds Karl XII. 1715 in Ystad. Dafür, dass Karl XII. sich in dieser Form abbilden ließ, gibt es eine Reihe von Gründen. Dass er in der Uniform eines schwedischen Soldaten und nicht mit den Attributen des Herrschers gemalt wurde, unterstreicht nach Meinung einiger Historiker, dass er in erster Linie Militär war und sich als solcher gesehen hat. Der schmucklose Degen war eine Waffe, ein gefürchteter Gebrauchsgegenstand, kein Schmuck. Dass Karl XII. seinen Degen im Kampf zu gebrauchen wusste, dafür gibt es vielfache Belege. 70 Weiterhin verdeutlichten die Bilder, die den König in der schmucklosen Uniform zeigen, dass er das Los seiner Soldaten teilte, nicht nur während der Kämpfe, sondern auch während der langen Märsche und des Lagerlebens. Die Portraits eines Johan David Swartz, eines David von Krafft oder eines Johann Heinrich Wedekind können als ein Ausdruck der Identifikation des Königs mit seiner Armee gesehen werden. 71 Auch im Bereich der Numismatik findet der aufmerksame Betrachter die gleiche Symbolik wieder, allerdings etwas zeitversetzt. Hier vollzog sich der Übergang vom perückengeschmückten Herrscherportrait zum strengen Bildnis des Soldaten mit dem aufwärts gekämmten Haar in den Jahren zwischen 1706 und 1708, also zeitlich parallel zu Karls XII. Hofhaltung in Altranstädt und dem Aufbruch des bis dahin siegreichen schwedischen Heeres nach Polen und Russland. 72

69 Kopien des Gemäldes von Johan David Swartz und von David von Krafft in: Katalog över Statens porträttsamling (wie Anm.68), Nrn. 1244, 1267. 70 Etwa 1714 während der sogenannten Kabalik von Bender, wo türkische Soldaten versuchten, Karl XII. mit seinem Gefolge gefangen zu nehmen und der König mehrere Gegner niederstreckte. Vgl. Bring/Wiklund/Hultenberg, Motrayes resor (wie Anm.4), 48f. 71 Liljegren, Karl XII (wie Anm.2), 146f. 72 Bertel Tingström, Svensk numismatisk uppslagsbok. Mynt i ord och bild 1521–1962. Stockholm 1963, 161–166; J. F. H.Oldenburg, Beskrifning öfver J. F. H.Oldenburgs samling af svenska, svenska besittningarnas och Landtgrefven Fredriks (Konung Fredrik I) hessiska Mynt. Stockholm 1883, 251–260; Lars O. Lagerqvist, Sveriges och dess forna Besittningars Guldmynt och Riksdaler från Gustav I till Carl XVI Gustav. Sam-

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Militärethos und Soldatenhabitus bestimmten fortan das Bild des schwedischen Königs und seiner Umgebung. Als Karl XII. zwischen 1706 und 1707 in Altranstädt Hof hielt, machte er allein durch die Kontrastwirkung auf das zeitgenössische Europa einen ungeheuren Eindruck. Er wirkte wie das vollendete Gegenbild zu perückengeschmückten Herrschern wie Friedrich August I. von Sachsen oder dem preußischen König Friedrich I. mit ihrer höfischen Repräsentation, aber auch als Gegenbild zu einigen seiner Generäle und übrigen Offiziere, z.B. Carl Gustav Rehnskiöld, dem Sieger von Fraustadt. 73 Vor allem Karls XII. vierzehntägiger Gewaltritt von Demotika in der Türkei quer durch Europa nach Stralsund (27.Oktober – 10./11.November 1714) vermittelte dann endgültig das Bild einer ganz anderen, spartanischasketischen Majestät, die ihre Würde gerade aus der Unabhängigkeit von aller äußeren Pracht bezog. 74 Der Gegensatz zur Repräsentation vieler anderer europäischer Fürsten zeigte sich jedoch nicht nur in der Person Karls XII., sondern auch in seinem Offizierskorps und in der Zusammensetzung seines Hofstaates. Gewiss gab es eine Reihe von schwedischen Adligen, deren hohe Geburt ihre Karriere befördert hatte, die sich an der europäischen Mode orientierten und dem repräsentativen barocken Lebensstil nacheiferten. Aber schon unter Karl XI. hatte die Tendenz eingesetzt, dass das Kriterium hoher Geburt nicht zwingend zu einem zivilen oder militärischen Aufstieg führte. 75 Vor allem unter Karl XII. zählten Verdienst und Leistung, was Menschen niederer Schichten ungeahnte Möglichkeiten eröffnete. Wilhelm Ernst Winterhager bezeichnete kürzlich die Durchsetzung dieses Prinzips für die Zusammensetzung des Hofstaates des schwedischen Monarchen als eine Art „soziale Revolution“. Gleichzeitig erreichte die Militarisierung des schwedischen Hofes ihren absoluten Gip-

ling Julius Hagander – Goldmünzen und Reichstaler Schwedens und seiner früheren Besitzungen von Gustav I. bis Carl XVI. Gustav. Sammlung Julius Hagander. Bern/Stockholm 1996, 419–427. 73 Berichte sowohl schwedischer als auch ausländischer Offiziere und Gesandter über das Äußere Karls XII. sind abgedruckt in Kuylenstierna, Karl XII (wie Anm.23), 185–195; Winterhager, Der Hof (wie Anm.63), 432; zu Rehnskiöld siehe Sjöström, Fraustadt 1706 (wie Anm.45), 168f.; Porada/Schnell, Ein Erinnerungsort (wie Anm.45), 38–53. 74

Winterhager, Der Hof (wie Anm.63), 433; zu dem berühmten Ritt Karls XII. siehe ausführlich Liljegren,

Karl XII. (wie Anm.2), 250–255. 75

Bekannte Beispiele sind die erwähnten Räte Eric Piper und Thomas Polus sowie Erik Jönsson Dahl-

berg, der, aus einfachsten Verhältnissen stammend, bis hin zum General und Gouverneur von Livland aufstieg.

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fel. 76 Die militärisch geprägte Umformung des preußischen Hofes seit 1713 unter König Friedrich Wilhelm I. dürfte in Vielem ihr Vorbild am schwedischen Hof Karls XI. und vor allem Karls XII. gefunden haben. 77

VI. Krieg oder Frieden? Bleibt die Frage zu klären: War Karl XII. tatsächlich ein „pathologischer Kriegsverrückter“, als den ihn August Strindberg bezeichnet hat, führte er „Krieg um des Krieges willen“, wie Jörg-Peter Findeisen es formulierte? 78 Es ist richtig, dass Karl eine Reihe von günstigen Friedensangeboten seitens Polens und Russlands ausschlug. Sven Grauers machte jedoch darauf aufmerksam, dass der Krieg Schweden aufgezwungen worden war. Karl XII. sah sich vermutlich im Recht, sein Land zu verteidigen und dessen Status zu erhalten. Seine militärischen Operationen in Dänemark, Norwegen, Polen, Sachsen und Russland zielten, soviel weiß man, nie darauf ab, Land zu erobern. Die Friedensschlüsse mit Dänemark, Polen und Sachsen enthalten keinerlei Paragraphen, die Landabtretungen betreffen. Falsch ist auch, zu behaupten, dass er stur alle Friedensangebote ablehnte. Karl XII. führte verschiedentlich Verhandlungen mit seinen Gegnern. Und während seiner letzten Regierungsjahre war er auch zu Opfern bereit. Allerdings forderte er jedes Mal bindende Garantien für Übereinkünfte, und wenn er solche nicht erhielt, ließ er die Verhandlungen scheitern. 79 Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass Karl XII. die eigenen Möglichkeiten überschätzte, einen ihm genehmen Frieden zu erzwingen. Karl gilt als Exponent der schwedischen Großmachtsidee. Als solcher sah er sich gezwungen, mit aller Kraft Schwedens Stellung zu verteidigen. Andernfalls musste diese zusammenbrechen, wie es mit dem Ende des Großen Nordischen Krieges ja auch geschehen

76 Winterhager, Der Hof (wie Anm.63), 433. 77 Zum preußischen Hof siehe Wolfgang Neugebauer, Vom höfischen Absolutismus zum fallweisen Prunk. Kontinuitäten und Quantitäten in der Geschichte des preußischen Hofes im 18.Jahrhundert in: Malettke/Grell/Holz (Hrsg.), Hofgesellschaft und Höflinge (wie Anm.63), 113–124, hier 117–121. 78 Strindberg, Sveriges förstörare (wie Anm.3), 54f.; siehe auch Lindegren, Karl XII. (wie Anm.1), 151; Findeisen, Karl XII. (wie Anm.2), 72. 79 Grauers, Karl XII (wie Anm.9), 659.

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ist. 80 Dafür war er bereit, jedes Opfer zu bringen. Und das brachte es mit sich, dass er den Leiden der Soldaten und zivilen Bevölkerung im eigenen und in den gegnerischen Ländern relativ gefühllos gegenüberstand, wobei allerdings auch wieder darauf hingewiesen werden muss, dass Karl das Kriegs- und Lagerleben seiner Soldaten in jeglicher Form teilte, ganz im Gegensatz zu vielen seiner Generäle und vor allem im Gegensatz zu den gegnerischen Herrschern. Der Unterhalt der Mannschaften stand ständig im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. 81 Das führte zu beispielloser Loyalität der schwedischen Soldaten gegenüber ihrem König. Bei der Behandlung der gegnerischen Soldaten und der Zivilbevölkerung sind deutliche Unterschiede zu bemerken. Beim Einmarsch in Sachsen erließ Karl XII. den Befehl an alle seine Soldaten, dass die dortige Bevölkerung möglichst schonend zu behandeln sei. Die schwedische Armee verhielt sich dort auch sehr diszipliniert. Ganz anders sah es in Polen und Russland aus. Dort wurden zahlreiche Gräueltaten an der polnischen und ukrainischen Bevölkerung verübt. Der König selbst ließ im August 1703 als Vergeltung für einen Partisanenüberfall die Stadt Nieszawa niederbrennen und alle Einwohner aufhängen. 82 Und während sächsische und dänische Kriegsgefangene den Umständen entsprechend gut behandelt wurden, wurden russische Soldaten, die sich ergeben hatten, kurzerhand erschossen. So ließ Carl Gustav Rehnskiöld nach der Schlacht von Fraustadt ca. 500 gefangene Russen umbringen, was Karl in einem Brief an seinen General ausdrücklich guthieß. 83 Aus dem Blickwinkel der Erhaltung der Großmachtstellung Schwedens weist Karls XII. Polenpolitik jedoch durchaus nachvollziehbare Züge auf. Unter einer neuen Leitung konnte Polen ein wertvoller Bündnispartner für Schweden im Kampf gegen Russland werden. Dazu musste aber die Verbindung zwischen Polen und Sachsen unterbrochen werden. Aber obwohl Karl Letzteres durchsetzen konnte, räumte sein langer Krieg in Polen Zar Peter I. Möglichkeiten ein, sein Heer zu reorganisieren und neu aufzustellen. Eine so widersprüchliche Person wie Karl XII. wird in der historischen Betrach-

80

Michael Roberts, Sverige som Stormakt 1560–1718. Uppkomst och sönderfall. Stockholm 1980, 137–

146. 81

Grauers, Karl XII:s personligheit (wie Anm.21), 13f.

82

Carlson, Die eigenhändigen Briefe (wie Anm.13), XXXIII–XXXVIII, hierzu bes. auch die Briefe an Carl

Gustav Rehnskiöld, 229–280. 83

Ebd.277f.; Sjöström, Fraustadt 1706 (wie Anm.45), 270; Porada/Schnell, Ein Erinnerungsort (wie

Anm.45), 46.

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tung immer polarisieren. Je nach Herkunft und historischer Schule, nach militäroder sozialhistorischen Fragestellungen wird man ihn unterschiedlich gewichten. Der Mangel an persönlichen Quellen des umstrittenen Königs trägt wenig dazu bei, die in dieser Person vereinten Widersprüche aufzulösen. Wie schwer es auch immer sein mag, sich einer Person wie Karl XII. anzunähern, eines scheint klar zu sein: Seit dem Beginn seiner Feldzüge im Jahre 1700 ließ er sich als Soldat darstellen, er lebte wie ein Soldat, handelte als solcher und dachte vermutlich auch als solcher. Damit steht er in starkem Kontrast zu den übrigen gekrönten Häuptern seiner Zeit. Wenn überhaupt ein Monarch die Bezeichnung „Soldatenkönig“ verdient, so trifft sie ohne Zweifel auf Karl XII. von Schweden zu, ob man ihn nun zum Helden und „Heroen“ stilisiert oder ihn mit Strindberg als Zerstörer und Henker Schwedens bezeichnet. 84

84 Strindberg, Sveriges förstörare (wie Anm.3), 53, 57.

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Des Königs Rock und der Rock des Königs Monarch, Hof und Militär in Frankreich von Ludwig XIV. zu Ludwig XVI. von Martin Wrede

Frankreich wurde im 18.Jahrhundert von vier Königen beherrscht: Von Heinrich IV., Ludwig XIV. und von den beiden tatsächlichen Amtsinhabern, also Ludwig XV. und Ludwig XVI. Da drei von ihnen jeweils gleichzeitig regierten – neben dem jeweils amtierenden Bourbonen waren dies eben die beiden „großen“ Vorgänger, rührte hieraus ein Strukturproblem der monarchischen Repräsentation und letztlich Legitimation. Um dieses Problem, sichtbar im Verhältnis bzw. Nicht-Verhältnis der Monarchen zum Militär und zum Militärischen soll es im Folgenden gehen. Ludwig XIV., das ist nur zu bekannt, hatte Bühne und Kostüme der französischen Königsinszenierung entworfen und mit Leben gefüllt. Dass allerdings diese Inszenierung bald nicht mehr adäquat war, dass Bühne wie Kostüme seinen Nachfolgern zu groß, zu unbequem, dass sie auch vom Dekor her unpassend wurden, lag schon für die Zeitgenossen auf der Hand – und auch für die Nachfolger selbst. 1 Dennoch hielten sie daran fest. Der Schatten des „Großen Königs“ war zu lang, zu respektgebietend. Trotz seiner erkannten und nach 1715 durchaus auch benannten zahlreichen Fehlleistungen. 2 Heinrich IV. war, demgegenüber, die stete virtuelle Alternative, das ideale Gegen-

1 Thierry Sarmant/Mathieu Stoll, Régner et gouverner. Louis XIV et ses ministres. Paris 2010, 532–541. 2 Zu öffentlichen Schmähungen Ludwigs XIV. auch in Frankreich selbst Jens-Ivo Engels, Königsbilder. Sprechen, Singen und Schreiben über den französischen König in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Bonn 2000, 146–154. Die grundsätzlichste Kritik von Seiten der Aufklärung stammt sicher von Montesquieu, formuliert in den „Lettres persanes“ wie im „Esprit des lois“. Vgl. Rebecca Kingston, Montesquieu and the Parlement of Bordeaux. Genf 1996, 165–217; Jacques de Saint Victor, Les racines de la liberté. Le débat français oublié, 1689–1789. Paris 2007, 141–174; sowie auch Lionel Rothkrug, Opposition to Louis XIV. The Political and Social Origins of French Enlightenment. Princeton, N. J. 1965. Massive „interne“ Kritik aus dem Apparat des Versailler Außenministeriums heraus formuliert etwa Chrétien Frédéric Pfeffel, Nouvel Abrégé chronologique de l'histoire et du droit public de l’Allemagne. 2 Vols. Paris 1776, Vol.2, 459.

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10.1515/9783486781076.382

bild, das jedem der im 18.Jahrhundert tatsächlich regierenden Monarchen entgegengehalten wurde: Symbol von Wehrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Güte. Ludwig XV. wie Ludwig XVI. galten dabei bekanntlich sogar lange Zeit als „Wiedergeburten“ ihres berühmten Ahnen, die das Land zu neuen Höhen führen würden. Das waren Hoffnungen, von denen Ludwig XV. in den ersten Jahren seiner Regierung passiv, aber massiv profitierte, und die dann Ludwig XVI. in seinen Anfängen gezielt instrumentalisierte. Ihre Halbwertzeit war freilich begrenzt. 3 Ludwig XV. wie Ludwig XVI. suchten also auf verschiedenen Wegen das Prestige ihrer Vorgänger zu nutzen, sie wurden aber eben auch an ihnen gemessen – und dies galt insbesondere für das Verhältnis, das beide zum Heerwesen und zur Kriegführung fanden bzw. – richtiger gesagt – das sie nicht fanden. Die Geschichte der französischen Monarchie im 18.Jahrhundert ist eine Geschichte ihres Ansehensverlustes, und die im europäischen Vergleich wenig glückliche Behandlung des heroischen Elements in der monarchischen Inszenierung trug erhebliches dazu bei. Die Uniform, des Königs Rock, war nämlich nur in Ausnahmefällen auch tatsächlich der Rock des Königs, also seine tatsächliche Kleidung. Dies hatte Folgen, und die waren nicht günstig. Doch der Ansehensverlust traf zusammen mit einer anderen Entwicklung: Dem Bedeutungsverlust. Der König von Frankreich wurde im 18.Jahrhundert einerseits ridikülisiert als roi fainéant, als „Nichtstuer-König“. Er wurde andererseits marginalisiert durch eine von ihm nicht mehr übersehene Bürokratie – dies galt gerade im Verhältnis zur Armee. Und in den Augen der Eliten wurde er zunehmend marginalisiert im Verhältnis zu etwas, was es eigentlich, gemäß dem monarchischen Dogma, neben dem König gar nicht gab, nämlich der Nation. 4

3 Überblick bei Christian Biet, Henri IV. La vie, la légende. Paris 2000, 255–281. Vgl. Danièle Thomas, Henri IV. Images d’un roi entre réalité et mythe. O.O. 1996. 4 Vgl. etwa bei André Zysberg, La monarchie des Lumières, 1715–1786. Paris 2002, 302f., zum sog. „discours de la Flagellation“, in dem Ludwig XV. dem Parlement de Paris vorhielt, sich die Rolle eines Schiedsrichters zwischen König und Nation anzumaßen, da doch Letztere in ihren Interessen und ihrem politischen Willen ausschließlich vom Monarchen repräsentiert sei („[L’]ordre public tout entier émane de moi et […] les droits et les intérêts de la Nation, dont on ose faire un corps séparé du Monarque, sont nécessairement unis avec les miens et ne reposent qu’en mes mains“). Zum Verhältnis der Körper von König und Nation siehe ferner Hervé Drévillon, La monarchie des Lumières, in: Joël Cornette (Ed.), La monarchie entre Renaissance et Révolution, 1515–1792. Paris 2000, 284–354, hier 292f., sowie Edmond Dziembowski, Un nouveau patriotisme français, 1750–1770. La France face à la puissance anglaise à l’époque de la guerre de Sept Ans. Oxford 1998, 338 u. 364. – Zum Niedergang der französischen Monarchie unter dem Gesichtspunkt

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I. 1693. Die Abreise Ludwigs XIV. und ihre Folgen Es ist also eine Verfallsgeschichte, die hier im Folgenden nachzuzeichnen ist. Einen möglichen Ausgangspunkt dafür bietet der 8.Juni 1693, der Tag an dem Ludwig XIV. seine im Felde stehende Armee für immer verließ. Macht und Prestige des Königs hatten bis dahin durch den Verlauf des Pfälzer Krieges einige Einbußen erlitten, waren aber ungebrochen. Aktuell belagerte die Armee Namur, geführt vom Marschall Luxembourg. Der König hatte sich, wie seit Jahren gewohnt, zu seinen Truppen verfügt, um sie zu überwachen, „anzuspornen“, zu „inspirieren“. Zumindest das Überwachen und Anspornen war wohl tatsächlich nicht ganz ohne Wirkung. Nominell führte er den Oberbefehl, operative Entscheidungen traf er aber nicht. 5 Ludwig war zwar kein Feldherr, aber er war Kriegsherr. 6 Daran, dass der Monarch es war, der in letzter Konsequenz über die militärische Macht gebot, gab es gar keinen Zweifel. Die Autorität seiner Marschälle – Turenne und Condé mochten hier noch eine gewisse Ausnahmestellung besessen haben – leitete sich von ihm ab bzw. von der „Krone“. Und Ludwig identifizierte sich mit der Rolle des roi de guerre wie mit der Armee. Das Militärische war ihm keineswegs fremd, er besaß Mut und Kompetenz. Seine Histoire métallique zeigt ihn 1665 seine Haustruppen exerzierend, als „Wiederhersteller militärischer Disziplin“; auf in seiner Nähe einschlagende Kugeln reagierte er stoisch. 7 Und die Präsenz des Monarchen im Felde hatte gerade den im-

der „Entsakralisierung“ siehe sonst die inzwischen klassischen Darstellungen von Roger Chartier, Die kulturellen Ursprünge der Französischen Revolution. Frankfurt am Main u.a. 1995 (franz. Orig. Paris 1990), 134–160; Dale K. Van Kley, Les origines religieuses de la Revolution française, 1560–1791. Paris 2002, 200– 214 u. 273–287. 5 Zu Ludwig XIV. als Kriegsherrn siehe Joël Cornette, Le roi de guerre. Essai sur la souveraineté dans la France du Grand Siècle. Paris 2000 (1.Aufl. Paris 1993); Jean-Philippe Cénat, Le roi stratège. Louis XIV et la direction de la guerre, 1661–1715. Rennes 2010. Zu den Ereignisverläufen John A. Lynn, Les guerres de Louis XIV. Paris 2010 (engl. Orig. London 1999). Grundsätzlich zum Verhältnis zwischen Monarch und Armee im Grand Siècle siehe auch Guy Rowlands, The Dynastic State and the Army under Louis XIV. Royal Service and Private Interest, 1661–1701. Cambridge 2002. 6 Vgl. Stig Förster/Markus Pöhlmann/Dierk Walter (Hrsg.), Kriegsherren der Weltgeschichte. 22 historische Porträts. München 2006. – Zu Ludwig XIV. als „Krieger“ siehe Olivier Chaline, Le règne de Louis XIV. 2 Vols. 2.Aufl. Paris 2009, Vol.1, 94–104. 7 „DISCIPLINA MILITARIS RESTITUTA, 1665.“ Medailles sur les principaux evenements du regne de Louis le Grand avec des expliquations historiques. Par l’Académie Royale des Médailles et des Inscriptions. Paris 1702, 85. Ludwig hatte sich im Devolutionskrieg verschiedentlich feindlichem Feuer ausgesetzt und dafür

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mer wieder von ihr heimgesuchten Kriegsgegnern imponiert, namentlich den Spaniern. 8 Im Juni 1693 endete sie, weil der inzwischen 55-jährige König meinte – wohl zu recht –, dass er die verschiedenen Fronten besser aus der Regierungszentrale beobachten sollte. Immerhin stand die französische Armee ja nicht nur vor Namur, sondern auch am Oberrhein, in Oberitalien und in Katalonien. 9 Die „Tränen der Maintenon“, auf die die Memoiren Saint-Simons die Entscheidung des Königs zurückführte, hatten demgegenüber eher weniger Gewicht. 10 Die Abreise des Königs von der Armee war also möglicherweise vernünftig, aber durchaus mit Nachteilen verbunden. Im Grunde, strukturell, handelte es sich hier um den Versuch des Übergangs von der Präsenz- zur Informationskultur von Herrschaft 11, und der war nicht schmerz- und spannungsfrei zu haben. Der Marschall Luxembourg, der Gegenvorstellungen machte, war angesichts der Entscheidung des Königs sogar „outré de douleur“ – außer sich vor Schmerz – ebenso wie der Rest der Armeeführung. Alle hatten die Anwesenheit des Monarchen als wichtigen moralischen Vorteil betrachtet, und dies umso mehr als auch das gegnerische Heer vom König-Statthalter Wilhelm III. angeführt wurde. – Dieser bekanntlich ein ‚echter’ roi-connétable. – Bei den Seinen habe daher, ob der Abreise Ludwigs, auch eitel Freude geherrscht. So Saint-Simon. 12 In der Folge ging es nun darum, den abwesenden Monarchen und die Monarchie weiterhin sichtbar mit der Armee zu verbinden. Traditionelles Mittel hierfür war das Entsenden königlicher Prinzen, die Krone und Dynastie repräsentieren konnten. Daran knüpften sich allerdings drei Gefahren: Die erste war die für Leib und Leben der Betreffenden. Zumindest der Tod des Thronfolgers hätte Probleme nach sich gezogen. Die zweite Gefahr bestand darin, dass Prinzen sich als militärisch inkompetent erweisen konnten. Und das war es, was dem Thronfolger dann auch tatsäch-

Anerkennung erfahren. Aus übergeordneten Erwägungen unterblieb dies in der Folge. An Gefechten nahm der König nicht teil. Cénat, Le roi stratège (wie Anm.5), 25f. 8 Cornette, Roi de guerre (wie Anm.5), 177f. 9 Ebd.203f.; Cénat, Le roi stratège (wie Anm.5), 273–297, zu den verschiedenen Kriegsschauplätzen. 10 Louis de Rouvroy, duc de Saint-Simon, Mémoires. Additions au Journal de Dangeau. Ed. par Yves Coirault. Vol.1. Paris 1983, 89. 11 Vgl. Michèle Fogel, Les cérémonies de l’information dans la France du XVIe au XVIIIe siècle. Paris 1989, sowie, im Kontext des Alten Reiches, Barbara Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches. München 2008, 299–314. 12 Saint-Simon, Mémoires (wie Anm.10), Vol.1, 90.

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lich widerfuhr. 13 Die dritte und vielleicht größte Gefahr war aber wohl offenbar die, dass Prinzen sich als kompetent erweisen, dass sie Ruhm auf eigene Rechnung erwerben und den des Königs damit verdunkeln konnten. Dies war bei beiden Philipp von Orléans der Fall, Bruder und Neffe Ludwigs. Sie wurden infolgedessen von der Armee ferngehalten. 14 Strukturell interessanter als das Depeschieren königlicher Prinzen ist aber eine institutionelle Neuerung, die König und Armee bzw. König und Offizierskorps verbinden sollte: Der Ludwigsorden – l’ordre royal et militaire de Saint-Louis. Anders als die etablierten höfischen Ritterorden, war der Saint-Louis essentiell als Verdienstorden konzipiert, eingeteilt – da das Verdienst unterschiedlich groß ausfallen mochte – in mehrere Klassen, was dem Bruderschaftsideal der älteren Orden widersprach. Doch war der Saint-Louis keine bloße Verdienstmedaille, jedenfalls nicht im Beginn. Er wurde vergeben für herausragende actions d’éclat, Waffentaten, denen die Krone Rechnung trug. Es ging also um ein Zusammenspiel von Leistung und königlicher Gnade. Denn Ludwig XIV. nahm sowohl Auswahl als auch Auszeichnung der Ordensritter persönlich vor, in seinem Kabinett zu Versailles. Dies wurde begleitet von einer besonderen Eidesleistung, einer direkten persönlichen Verpflichtung des Ausgezeichneten auf den König – Monarch und Offizier gleichsam noch einmal verstanden als Lehnsherr und Vasall (Abb.1). 15 So war zumindest das Konzept. Es ließ sich freilich nicht durchhalten. Der Orden war begehrt, wurde ein Distinktionsmerkmal erster Güte. Die kriegerischen Zeitläufe brachten es mit sich, dass die Zahl der Auszuzeichnenden wuchs und weiter wuchs. Man konnte schlechterdings nicht mehr alle künftigen Ordensritter auf den Weg nach Versailles schicken, dort empfangen, vereidigen, auszeichnen. Der Orden wurde stattdessen, vergleichsweise profan, im Felde verliehen, von vorgesetzten Offizieren. Und natürlich erlag man auch der Versuchung, den Saint-Louis als kostengünstige Ersatzleistung zu vergeben, wo man eigentlich eine pension schuldete. 16 Nach 1714, dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges, wurde die weitere zah-

13

Cénat, Le roi stratège (wie Anm.5), 32–36.

14

Ebd.36–38.

15

Martin Wrede, Ohne Furcht und Tadel – Für König und Vaterland. Frühneuzeitlicher Hochadel zwi-

schen Familienehre, Ritterideal und Fürstendienst. Ostfildern 2012, 284–288. 16

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Ebd.286.

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Abb.1: François Marot, Erste Verleihung des Ordens des Heiligen Ludwig durch Ludwig XIV. in Versailles am 8.Mai 1693, 1710; Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon, Inv. MV2149.

lenmäßige Expansion des Ordens dann nicht mehr vom Krieg bewirkt, sondern vom Frieden. Der Saint-Louis sollte explizit nicht vergeben werden für lange Dienstjahre, „pour avoir vielli dans les troupes“. 17 Natürlich geschah aber genau das. Die Verleihung fiel in die Hände der Militärbürokratie, sie erfolgte nahezu automatisch nach 20 Dienstjahren. Vor 1789 gab es 17000 Ordensritter. Die Verleihungsurkunde trug bereits die gedruckte Unterschrift des Königs, die „Gegenzeichnung“ des Kriegsministers stellte den eigentlichen Vollzug dar. Auch so half der Saint-Louis, die Offiziere zu motivieren, das Offizierskorps als Verdienstgemeinschaft zu konturieren – das war jedenfalls das Urteil Napoleons. Von einem persönlichen Band zwischen König und Vasall konnte aber schwerlich noch die Rede sein. 18

17 Mémoire sur la manière de faire les promotions de chevaliers de St Louis, Juli 1731, Service historique de la Défense [SHD], Ya 208. 18 Wrede, Ohne Furcht und Tadel (wie Anm.15), 286f. Zur Einschätzung Napoleons: Anne de Chefdebien u.a., Ordres et décorations en France. Paris 2006, 40.

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II. 1745. Ludwig XV. als Sieger Einen anderen Ausgangspunkt für die Erzählung vom Verfall des Verhältnisses zwischen Armee und Monarch bietet der 11.Mai 1745, der Tag der Schlacht von Fontenoy im Österreichischen Erbfolgekrieg. Dort, in den südlichen Niederlanden nahe Tournai, siegte die französische Armee über eine englische: Unter dem Kommando des Marschalls Moritz von Sachsen – und unter den Augen Ludwigs XV. Was Prestige und Machtentfaltung angeht, markiert dieses Datum den Höhepunkt seiner Herrschaft. 19 Die war bis dahin vergleichsweise friedlich gewesen. Der Polnische Thronfolgekrieg in den 1730ern wurde von französischer Seite mit nur begrenztem Einsatz geführt und der des Königs gehörte nicht dazu. Dementsprechend war Ludwig bis dahin als „Louis le pacifique“ entworfen worden, durchaus in bewusstem Gegensatz zu seinem ewig kriegführenden Urgroßvater, und eben als bien aimé, als „Vielgeliebter“. Das quasi-offizielle „Louis le bien-aimé“ stammt wörtlich erst aus dem Jahr 1744, dem Jahr seiner scheinbar tödlichen Erkrankung und wunderbaren Errettung, doch schon in den 1720ern wurden ähnliche Epitheta lanciert: „Le roi le plus aimable, le roi le plus aimé, le roi le plus chéri“. Das hatte man von seinem Vorgänger so kaum gesagt. Und aus dieser Phase datieren auch die Vergleiche mit Henri Quatre, etwa in Gestalt von Voltaires Henriade, der Lobschrift schlechthin auf den „Guten König“. 20 In den 1740ern allerdings trug dieses Modell nicht mehr. Ludwig XV. war 1722 gekrönt und gesalbt worden; 1726 hatte er seinen Ersten Minister entlassen, den in Ungnade gefallenen Herzog von Bourbon, und keinen neuen mehr berufen. Stattdessen hatte er verkündet, nun wie sein großer Vorfahr selbst die Regierung zu übernehmen. Und in diesem Zusammenhang statuierte er dann auch, dass in Hof und Regierung „alles auf dem gleichen Fuße bleiben solle, wie es unter dem verstorbenen König gewesen sei“, dass er „dessen Beispiel in allem folgen wolle“. 21 Doch die Realität sah anders aus. Die Regierungsgeschäfte überließ Ludwig de facto seinem früheren Präzeptor, dem Kardinal Fleury, der nicht offiziell, aber fak-

19

Michel Antoine, Louis XV. Paris 1989, 384–387.

20

Ebd.248–255, 287–300. Vgl. Thomas Kaiser, Louis ‚le Bien-Aimé‘ and the Rhetoric of the Royal Body, in:

Sara E. Melzer/Kathryn Norberg (Eds.), From the Royal to the Republican Body. Incorporating the Political in Seventeenth- and Eighteenth-Century France. Berkeley, Cal./Los Angeles/London 1998, 131–161. 21

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Übersetzung M. W. Zitiert nach Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 161f.

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tisch als Erster Minister agierte, bis er 1743 in hohem Alter starb. 22 Dessen Politik war recht erfolgreich, doch an die Rolle des Königs darin richteten sich Fragen. Und sie taten dies umso mehr, als die persönliche Lebensführung des Monarchen allmählich in die Kritik geriet, mit anderen Worten also seine außerehelichen Beziehungen und die an diese Beziehungen geknüpften Positionsgewinne bzw. -verluste der jeweils mätressenstellenden Clans. Der König erschien als fremdbestimmt, nicht Herr seiner selbst; er verfehlte das oberste Ideal der Zeit wie des Herrschers, die maîtrise de soi-même. Wer nicht einmal sich selbst beherrschte, sollte auch nicht über andere herrschen. 23 Auch am Hofe wurden Spott und Kritik laut angesichts von Indifferenz, Passivität oder eben „occupations frivoles“ des Monarchen. 24 Der Österreichische Erbfolgekrieg und der Tod Fleurys schienen Ludwig XV. dann einen Neuanfang zu ermöglichen. Er wollte nun, so erklärte er, tatsächlich selbst regieren und auch tatsächlich selbst ins Feld ziehen. Ludwig schrieb dem Marschall Noailles, einem der Vertrauten seines Urgroßvaters: „Ich war es bisher gewohnt, mich zurückzuhalten in Bezug auf die Dinge, die mir nicht möglich waren, oder von denen man glaubte, dass sie für mich untunlich seien.“ – Gemeint war die Präsenz im Kriege. – „Aber ich versichere Ihnen, dass ich [nun] den brennendsten Wunsch habe, jenes Geschäft [i. e. das kriegerische, M. W.], das meine Ahnen so gut beherrschten, auch selbst kennenzulernen.“ Zu Tränen gerührt, erklärte der Marschall: „endlich zeigten sich wieder Blut und Geist Ludwigs XIV. und Heinrichs IV.“ 25 Und 1744 war es dann soweit: Der König brach zur Armee auf, kam aber bekannt-

22 Ebd.266–271; Peter Campbell, Power and Politics in Old Regime France, 1720–1745. London/New York 1996. Auch zum Folgenden. 23 Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 427–434, Sarmant/Stoll, Régner (wie Anm.1), 539; Engels, Königsbilder (wie Anm.2), 210–226, 266–268, ders., Ordnung und Unordnung. Von der Doppelfunktion des Hofes im Königsbild der Franzosen, in: Uwe-Christian Ewerth/Stefan Selzer (Hrsg.), Ordnungsformen des Hofes. Ergebnisse eines Forschungskolloquiums der Studienstiftung des deutschen Volkes. (Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Sonderh. 2.) Kiel 1997, 109–119. Vgl. M. de Callières, Essai d’un portrait du Roi, in: Recueil de plusieurs pièces d’éloquence présentées à l’Académie Françoise pour le prix de l’année MDCCXI […]. Paris, Coignard 1711, 309–325. Ludwig XIV. wird als selbstbestimmter, absoluter und idealer Monarch entworfen. 24 René-Louis de Voyer de Paulmy, marquis d’Argenson, Journal et Mémoires du Marquis d’Argenson. Ed. par J. B. Rathéry. Vol.2. Paris 1859, 225f.; ders., Mémoires et Journal inédit du Marquis d’Argenson. Publiés et annotés par le marquis d’Argenson. Vol.2. Paris 1857, 202f. 25 Übersetzung M. W. Zitiert nach Fogel, Les cérémonies (wie Anm.11), 248.

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lich nicht an. Er erkrankte in Metz, wie es schien tödlich. Die Ärzte gaben ihn auf, die Geistlichen setzten ihm zu. Der Allerchristlichste König drohte, ohne die Segnungen der Christlichen Kirche zu sterben. Es folgte das phänomenale Schuldbekenntnis Ludwigs für den „Skandal“ seiner moralischen Verfehlungen, verlesen von allen Kanzeln des Landes. Die meisten Untertanen wurden so des Skandals erst gewärtig. Aber Einkehr und wunderbare Heilung des reuigen königlichen Sünders zeigte die gnädige Hand Gottes, die über dem Land ebenso wie über seinem Herrscher zu wachen schien. Aus dieser Konstellation rührte dann der Beiname des „Vielgeliebten“. Der angeblich drohende Königstod hatte alle Sympathien mobilisiert, Ludwig XV. war – wieder – populär geworden. Für den Moment war das ein Vorzug, doch der Moment war flüchtig. 26 Beim nächsten Versuch, 1745, kam der König dann bei der Armee an. Und in der Schlacht von Fontenoy zeichnete er sich aus. Zwar nicht durch Befehle, aber doch durch Haltung und ostentative Furchtlosigkeit. Er gab ein Beispiel. Und ihm gebührte daher am Sieg auch das Hauptverdienst. – Dies war zumindest, wiederum, die Einschätzung Napoleons. 27 Schon Ludwigs Minister Argenson hatte sich, weniger überraschend, entsprechend eingelassen – allerdings wohl nicht zuletzt aus sehr „höfischen“ Gründen. 28 Ludwig selbst und auch der tatsächliche Befehlshaber, Moritz von Sachsen, sahen das freilich anders, skeptischer. Das bekannte Schlachtgemälde von Pierre Lenfant macht das recht deutlich. Der König, links in roter Marschallsuniform, weist mit der Hand auf Moritz von Sachsen als den eigentlichen Sieger (Abb.2). Eine entsprechende Darstellung aus der Zeit Ludwigs XIV. ist nicht vorstellbar. Auf dem Schlachtfeld selbst hatte der Monarch erklärt, der Marschall kommandiere, er selbst gebe nur ein Beispiel an Gehorsam. 29 Moritz wiederum bekannte seine Zufriedenheit mit dem König so: „Er [der König] hat in der Angelegenheit von Fontenoy Seelengröße und -festigkeit bewiesen, die wahres Lob wert sind. Er hat mich in meinen Handlungen in keiner Weise behindert oder beunruhigt.“ 30 Das Lob

26

Engels, Königsbilder (wie Anm.2), 194–205; Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 372–378.

27

Ebd.387.

28

„Le vrai, le sûr, le non flatteur, c’est que c’est le Roi qui a gagné la bataille par sa volonté, par sa fermeté.“

René-Louis de Voyer de Paulmy, marquis d’Argenson, Journal et Mémoires du Marquis d’Argenson. Ed. par J. B. Rathéry. Vol.4. Paris 1862, 460f. (Inseriertes Schreiben des Marquis d’Argenson an Voltaire, 16.Mai 1745. Der Name Moritz’ von Sachsen bleibt unerwähnt.)

390

29

Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 385.

30

„Le Roi a marqué dans cette auffaire [i. e. die Schlacht von Fontenoy, M. W.] une fermeté d’âme et une

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Abb.2: Pierre Lenfant, Schlacht von Fontenoy am 11.Mai 1745; Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon, Inv. MV188.

war durchaus nicht zweideutig gemeint, rückblickend betrachtet aber wirkt es natürlich genau so: Der Monarch hatte auf dem Schlachtfeld jedenfalls nicht gestört. Auch in den Folgejahren war der König wiederum bei der Armee und in der Nähe der Kampfhandlungen, freilich ohne dass damit ähnlich große Erfolge verknüpft gewesen wären wie Fontenoy. Dies hielt die monarchische Panegyrik aber nicht davon tranquillité [sic] dignes d’éloge. Il ne m’a troublé dans mon opération par aucune inquiétude […]. Moritz von Sachsen an unbekannten Empfänger, 12.Mai 1745, in: Charles Philippe d’Albert, duc de Luynes, Mémoires du duc de Luynes sur la cour de Louis XV. Ed. par L. Dussieux, E. Soulié. Vol.7: 1743–1746. Paris 1861, 178–180, hier 179 (Zitat). Vgl. Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 384–387.

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ab, den König – so wie schon Ludwig XIV. – zum alles inspirierenden roi de guerre hochzuschreiben. Voltaire trat auf, um den Ruhm des Königs in Worte zu fassen und blieb damit nicht allein. Auch an Bildern mangelte es nicht. Niemals war der König größer und niemals war insbesondere auch die „Tedeen-Dichte“, die Frequenz der feierlichen Dankgottesdienste für die Waffenerfolge des König, größer als im Österreichischen Erbfolgekrieg. 31 Monarch und Monarchie ließen sich also mit den von der Armee erfochtenen militärischen Erfolgen weiterhin identifizieren, und sie wurden wohl auch weiterhin damit identifiziert. Mochte es auch Abnutzungserscheinungen und Ermüdungseffekte gegeben haben, die Nachfrage nach Ludwig XV. als roi de gloire war erheblich. 32 Hier war die Erwartung des Publikums getroffen. Von nun an freilich ging es bergab – und zwar recht rasch.

III. Nach 1748. Entfremdungen: König, Öffentlichkeit und Armee Heldentum, „Ruhm“ und „Größe“ waren im Lichte der Aufklärung bekanntlich nicht mehr rein kriegerisch definiert. Und die Forschung hat demzufolge postuliert, das kriegerische Element habe zur Mitte des 18.Jahrhunderts gar nicht mehr zum Kern der monarchischen Funktion gehört. Es ist die Frage, ob man so weit gehen sollte. Aber man muss konzedieren, dass das militärische Element offenkundig nicht mehr die gleiche alles andere überragende Bedeutung hatte, wie zu Zeiten des roi de gloire 33 Ludwig XIV. Daneben, oder besser: damit verbunden standen nun auch andere Aspekte monarchischen Handelns: Die Sorge um die Wohlfahrt des Volkes, um Ordnung und Frieden. 34 31

Hinweise bei Fogel, Les cérémonies (wie Anm.11), 257f. Siehe auch dies., Célébrations de la monarchie

et de la guerre. Les Te deum de victoire en France de 1744 à 1783, in: Paul Viallaneix/Jean Ehrard (Eds.), La bataille, l’armée, la gloire, 1745–1871. 2 Vols. Clermont-Ferrand 1985, Vol.1, 35–44. Vgl. Dziembowski, Patriotisme (wie Anm.4), 370–376. 32

Zur Nachfrage siehe etwa Stephan Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große. Der Aufstieg Preußens

in der öffentlichen Meinung des ‚ancien régime‘. Bonn 1952, 65; Drévillon, La monarchie (wie Anm.4), 292f.; zu Nachfrage und Abnutzung Engels, Königsbilder (wie Anm.2), 202f. 33

Jean-Pierre Labatut, Louis XIV. Roi de gloire. Paris 1984.

34

Zum Monarchen als nicht primär militärisch-heroisch definiertem Landesvater siehe pointiert Engels,

Königsbilder (wie Anm.2), 190–192 u. 265, sowie Hubertus Büschel, Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830. Göttingen 2006. Zum zugrundeliegenden Prozess der Neudefinition historischer

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Die Inszenierung Ludwigs XV., auch des kriegführenden Ludwigs XV. trug dem Rechnung, u. a indem das offenkundig echte Schaudern des Königs ob der Greuel des Krieges verlautbart wurde, ebenso wie seine Sorge um die Verwundeten – wohlgemerkt, die Verwundeten beider Seiten. Auch dies sollte und konnte ihn 1745 auszeichnen – nicht nur in den Augen Voltaires. 35 Aber die Friedensliebe war auch kein Argument, das immer stach. „Bête comme la paix“, dumm wie der Frieden, lautete ein Sprichwort, das sich auf den 1748 geschlossenen Frieden von Aachen bezog. Frankreich hatte darin sämtliche Eroberungen zurückgegeben, da der König ihrer, wie er erklärte, für seine Größe nicht bedürfe. Er finde seine Genugtuung darin, Europa den Frieden zu geben. 36 Das entsprach politischer Klugheit wie den Postulaten der Aufklärung. Es warf aber die Frage auf, wofür Gut und Blut eigentlich geopfert worden seien, wenn man den teuer erkauften Gewinn einfach wieder weggab. Was war dem König das Leben seiner Soldaten wert, dass er es für nichts vergoss? – Dies war eine Frage, die die Glorifizierungsmaschinerie Ludwigs XV. nicht mehr zureichend beantworten konnte. 37 Sie konnte dies umso weniger, als es schon 1748 um die Größe des Königs nicht mehr allzu gut bestellt war, wenn man sie denn an der Popularität maß. Ludwig XV. hatte es in den Jahren des Österreichischen Erbfolgekrieges nämlich nicht ausreichend vermocht, sich als Kriegsherr glaubhaft zu machen – anders als sein preußischer Verbündeter, anders auch als etwa Georg II. von England, dem seine Teilnahme an der Schlacht von Dettingen, wenngleich eher symbolisch-„inspirierender“ Natur, einige und auch dauerhafte Anerkennung eintrug: Für die welfische Dynastie in England durchaus ein Novum. 38 Der Wendepunkt zur monumentalen UnpopuGröße nicht allein durch Waffentaten siehe Thomas W. Gaehtgens/Gregor Wedekind (Eds.), Le culte des grands hommes, 1750–1850. Paris 2009. 35 Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 387. Vgl. Wilhelm August von Cumberland an Moritz von Sachsen, 12.Mai 1745, in: Luynes, Mémoires (wie Anm.30), Vol.7, 180f. (Dank für die Sorge der Gegenseite bzw. des Königs selbst für die britischen Verwundeten). 36 Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 399–403; Bernard Hours, Louis XV. Un portrait. Toulouse 2009, 554– 556. Vgl. etwa Emmanuel duc de Croÿ, Journal inédit du duc de Croÿ. Ed. par [Emmanuel Henri] de Grouchy/ Paul Cottin. 4 Vols. Paris 1906–1907, Vol.1, 113f. 37 Robert Darnton, Le diable dans un bénitier. L’art de la calomnie en France, 1650–1800. Paris 2010 (engl. Orig. u. d. T.:The Devil in the Holy Water. Philadelphia 2010), 130; Zysberg, La monarchie des Lumières (wie Anm.4), 237f.; Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 402. Vgl. freilich Engels, Königsbilder (wie Anm.2), 101f., mit dem Hinweis auf ähnlich geartete Kritik am Frieden von Rijswijk. 38 Hannah Smith, Georgian Monarchy. Politics and Culture, 1714–1760. Cambridge 2006, 26f., 106–108, 182–185.

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larität der späten Jahre Ludwigs XV. lag bereits hier, im Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges, nicht erst im Siebenjährigen Krieg. Und der Wendepunkt lässt sich sogar präzise bezeichnen: Es war die Behandlung, die die französische Regierung dem Sohn des Stuart-Prätendenten auf die britische Krone angedeihen ließ, Bonnie Prince Charlie – Charles Eduard Stuart. 39 Zu den Friedensregelungen von 1748 gehörte seine Entfernung aus Frankreich, und dagegen wehrte er sich. Er verband sich mit dem kriegsgesinnten Teil der Öffentlichkeit, entfaltete rege Propaganda für die eigene Sache bzw. die eigene Person, um sich so gegen den Zugriff der Regierung zu immunisieren. Er wurde gezeichnet als wagemutiger, tätiger Prinz, vom Volk geliebt, selber die Klinge führend, aber eben ohne Fortune. Nun war er verfolgt von einem kleinmütigen, schwachen roi fainéant. Bei Charles Eduard, so die Quintessenz, zeige sich das Blut Henri Quatres – auch er war dessen Nachfahr – bei Ludwig sei es degeneriert. 40 Im Siebenjährigen Krieg und in dessen Folge sollte zu solcher Gegenüberstellung von Tatkönigtum und roi-fainéantise dann noch manches andere gesagt werden. 41 Am Siebenjährigen Krieg nämlich bzw. an dessen Geschehen nahm Ludwig XV. dann bekanntlich aktiv, persönlich, nicht mehr teil. Ausschlaggebend hierfür mochten die komplexen Probleme der Innenpolitik gewesen sein oder außenpolitische Rücksichtnahmen. 42 Ludwigs Ausflug ins Militärische blieb jedenfalls Episode und damit auch der Ausflug in die Sphären des zumindest deklarierten Tatkönigtums. Der längst nicht mehr „Vielgeliebte“ zog sich zudem in dieser zweiten Hälfte seiner Regierung noch deutlicher aus der Öffentlichkeit und vom offiziellen Hof zurück, als dies bis dahin schon der Fall gewesen war. Eine landesväterliche Attitüde entwickelte er nicht. Ludwig XV. erwarb sich so tatsächlich das Stigma des roi fainéant, des Nichtstuer-Königs – sicher zu Unrecht, aber dennoch auf Dauer. 43 Wohl

39

Thomas E. Kaiser, The Drama of Charles Edward Stuart. Jacobite Propaganda, and French Political Pro-

test, 1745–1750, in: Eighteenth Century Studies 30, 1997, 365–381. 40

Ebd.375.

41

Skalweit, Frankreich (wie Anm.32), 100; Dziembowski, Patriotisme (wie Anm.4), 427f.; Zysberg, La mo-

narchie des Lumières (wie Anm.4), 256. Zur Rezeption Friedrichs in Frankreich siehe jetzt auch Bernd Klesmann, Friedrich und Frankreich. Faszination und Skepsis, in: Friederisiko. Friedrich der Große. Die Ausstellung [Ausstellungskatalog]. München 2012, 134–145. 42

Hours, Louis XV (wie Anm.36), 558f. Der König von Frankreich konnte sich nicht als Kriegsherr ins

Reich begeben und auf diesem Wege die Souveränität des Kaisers herausfordern. 43

Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 426–429, 526, 525f.; Engels, Königsbilder (wie Anm.2), 188, 266–268;

Darnton, Le diable (wie Anm.37), 382–385, 494, 507 u.ö. – Den Rückzug vom Hof ins „Private“ relativiert Ber-

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ging der Dauphin zur Armee und zeigte sich dem Militärischen nicht nur symbolisch aufgeschlossen, doch genügte dies nicht, das Ausbleiben des Königs zu kompensieren. 44 Ludwig war 1745 nicht zum Feldherrn geworden, was freilich auch niemand verlangt hatte. Doch hatte er Präsenz, prestance, persönliche Tapferkeit bewiesen und sich als Träger der Gesamtverantwortung gezeigt, als Souverän, als Kriegsherr. 1756 füllte er auch diese Rolle nicht mehr aus oder – rein sachlich mochte seine Präsenz in der Regierungszentrale durchaus geboten sein – jedenfalls nicht mehr in einer für das Publikum hinreichend sichtbaren, einsichtigen Weise. 45 Der dahinter stehende Rückzug des Monarchen ins Private war sehr wesentlich dadurch bedingt, dass er den öffentlichen Auftritt verabscheute. Und das lag nicht zuletzt daran, dass er das öffentliche, eigene Wort scheute. Praktisch alle Zeitgenossen rühmten Ludwig XV. eine majestätische Erscheinung nach, ein Auftreten und Aussehen, das beeindruckte. Doch um the king’s speech, um seine Redefertigkeit, stand es deutlich schlechter. Nicht nur hatte Ludwig keine „Stimme“. Persönlich schüchtern, gehemmt, fand er vielfach keine Worte. Er vermied Ansprachen oder delegierte sie. Das aber nahm dem Wort des Königs seine Wirkung, schob es in den Bereich anonymer Verlautbarungen. 46 Nicht nur, aber gerade im Felde war das ein Problem. Ludwig hatte durchaus Geschmack am Militärischen gefunden und am vergleichsweise informellen Feldlager. Die „ansprechende“, gelegentlich spontane, gerade auch durch Rede erbaulich-bestärkende Funktion eines Oberbefehlshabers vermochte er jedoch nicht zu erfüllen – oder doch zumindest nicht auf Dauer. 47 Sein Rückzug zunächst nach Versailles und dann ins intime Gartenschloss Trianon war daher gerade auch ein Rückzug von der Armee. Der König wurde bei der Armee und in Uniform kaum mehr gesehen. Genauer: Er wurde dort noch zweimal

nard Hours, Louis XV et sa cour. Le roi, l’étiquette et le courtisan. Paris 2002. Treffend erscheint nach wie vor das Urteil von Jean de Viguerie, Le roi et le ‚public‘. L’exemple de Louis XV, in: Revue historique 111, 1987, 23–34, hier 26f.: „Louis XV est donc fidèle à la vie publique. La différence avec Louis XIV est qu’il n’est pas fidèle entièrement. Il se sacrifie, mais il ne sacrifie pas toute son existence. Louis XIV n’avait pas d’autre vie que publique, Louis XV, à côté de sa vie publique, s’organise une autre vie.“ 44 Bernard Hours, La vertu et le secret. Le Dauphin, fils de Louis XV. Paris 2006, 258–262. 45 Dziembowski, Patriotisme (wie Anm.4), 427–430. 46 Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 406–409; Hours, Louis XV (wie Anm.36), 113–117. – Auch der „discours de la Flagellation“, der 1765 machtvoll statuierte, dass Monarch und Nation untrennbar in der Gestalt des Ersteren vereint seien, war verlesen worden, was seiner Wirkung Abbruch tat. Zysberg, La monarchie des Lumières (wie Anm.4), 302. 47 Vgl. Hours, Louis XV (wie Anm.36), 124–126, 187–189, 444–449 u. 553f.

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im Jahr gesehen, nämlich jeweils bei den Revuen der königlichen Garde und einiger exklusiver Linienregimenter. 48 Das hätte, tendenziell, nach 1693 auch Ludwig XIV. widerfahren können. Doch hatte dieser bis dahin eben über fast drei Jahrzehnte militärisches Prestige erworben – wenn auch im Wesentlichen „zugeschriebenes“, imaginiertes. Er hatte „inspiriert“, „beaufsichtigt“ oder „beigewohnt“ – immerhin seit dem Devolutionskrieg und stets mit glücklichem Ausgang – und er hatte damit den Bedürfnissen seiner Zeit vollauf entsprochen. 49 Außerdem war zu seiner Zeit eben weder die Uniformierung der Armee überhaupt abgeschlossen, noch hatte gar die Uniform jenes Prestige, jene Ausstrahlung erreicht und jene, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, Bedeutung, die sie im Laufe des 18.Jahrhunderts erlangte: Im Prinzip in ganz Europa, selbst in Wien, wo Joseph II. das Mantelkleid abschaffte, die „spanische Hoftracht“, oder in London, wo Georg III. für Zivilisten die halbmilitärische Windsor uniform einführte. – Aber eben mit der großen Ausnahme des Hofes von Versailles. Von Potsdam braucht man in diesem Zusammenhang nicht eigens zu reden. 50 Dementsprechend gab es auch keine wesentliche, keine taugliche heroische Glorifizierung des Königs mehr. Traditionelle Porträts in Harnisch bzw. Rüstung, die es weiterhin gab, erweisen sich nun eher als eine Selbstallegorisierung des Königs als Kriegsherr, die Verlagerung des Heroischen ins allegorisch Ungefähre, eben nicht ins militärisch Konkrete (Abb.3). Das Genre des roi de guerre, des Königs als Kriegsherr, wurde nicht mehr bedient – oder jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. „Traversant la Weser“ oder „dirigeant le siège de Minden“ hätte Ludwig XV. vielleicht noch Ehre eingelegt, kaum aber, von ferne unsichtbar, in Versailles, im Trianon oder in Compiègne. Denn auch „Schreibtischbilder“ des etwa in seinem Kabinett am Wohle seiner Untertanen arbeitenden Monarchen gab es in Frankreich nicht. 51

48

Viguerie, Le roi (wie Anm.43), 32. Vgl. Hours, Louis XV (wie Anm.36), 123–127.

49

Siehe im Band von Jean Garapon (Ed.), Armées, guerre et société dans la France du XVIIe siècle. Tübin-

gen 2006, die Beiträge von Hélène Rousteau-Chambon, Andreas Nijenhuis und Benoist Pierre. 50

Philip Mansel, Monarchy, Uniform and the Rise of the Frac, in: Past and Present 96, 1982, 103–132; ders.,

Dressed to Rule. Royal and Court Costume from Louis XIV to Elizabeth II. New Haven u.a. 2005, 18–36, 57– 62. Vgl. Daniel Roche, La culture des apparences. Une histoire du vêtement, XVIIe–XVIIIe siècle. Paris 1989, 211–225. Gleichfalls zu nennen ist Patricia Lanois, Die französische militärische Uniform und der Prozess der Uniformierung als Symbole der Macht. Das Soldatenkleid Frankreichs zwischen monarchischer Herrschaftsrepräsentation und Militäralltag, 1690–1789. Unveröfffentl. Magisterarbeit, Justus-Liebig-Universität Gießen 2012. Ein hierauf aufbauendes Dissertationsprojekt bei Horst Carl ist in Vorbereitung. 51

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Zu den Porträts Ludwigs XV. als „roi de guerre“ Hours, Louis XV (wie Anm.36), 117–123, bes. 120f. Das

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Abb.3: Carle Van Loo, Ludwig XV. in Rüstung, 1751; Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon, Inv. 3751.

Diese „Krise der Repräsentation“ wurde insofern zum Problem, als nun gegen Ludwig XV. das personalisierte Alternativmodell eines roi-connétable stand, Friedrich Genre des Schreibtischbildes wurde von der französischen Monarchie erst in der Restauration entdeckt bzw. bedient. Vgl. Rainer Schoch, Das Herrscherbild in der Malerei des 19.Jahrhunderts. München 1975, 91– 93; Martin Wrede, Le portrait du roi restauré ou la fabrication de Louis XVIII, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 53, 2006, 112–138. – Zur nicht unerheblichen „Schreibtischarbeit“, die Ludwig XV. tatsächlich leistete, siehe Antoine, Louis XV (wie Anm.19), 444–446; Hours, Louis XV (wie Anm.36), 534–536.

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der Große, der als Individuum „Talent“ besaß, gar génie, der ein grand homme war, wie die Schlüsselbegriffe der Epoche lauteten. 52 Ein grand homme war ohne Zweifel weder Ludwig XV. noch wurde es Ludwig XVI. Und sie wollten dies auch nicht sein bzw. werden. Zu erinnern ist an das Schlachtgemälde von Fontenoy: Ludwig XV. versuchte ja gar nicht, sich als konkretes Feldherrngenie darzustellen oder als alles lenkender „Inspirator“, der dann auch allen Ruhm beanspruchte. Er gab Moritz von Sachsen ideell den Vortritt und ließ die Darstellung Pierre Lenfants zumindest passieren. Aus seiner Sicht wie aus der seines Nachfolgers erschien die monarchische Größe als Größe sui generis, sie sollte über der seiner „großen“ Untertanen stehen. 53 Beide Bourbonen versuchten stattdessen, den zeitgemäßen Kult der Großen Männer für das Ansehen der Krone zu nutzen. Besonders Ludwig XVI. bestellte und förderte historische Arbeiten und Gemälde über die „großen Franzosen“ der Vergangenheit. Auch die Könige der Vergangenheit – soweit sie sich dafür anboten – wurden dabei weiterhin als „groß“ betrachtet – und zwar als „groß“ aus sich selbst heraus. Im Wesentlichen betraf dies Heinrich IV. und Ludwig XIV. Eine große Zahl von Denkmalsprojekten integrierte die Monarchen und die großen Männer ihrer Zeit bzw. der französischen Geschichte. Sie schrieben die Sicht des Monarchen als „Inspirator“ seiner Diener fort und, in milder Form, die Auffassung von deren Größe als reflèts du soleil. 54 Dabei mochten diese grands hommes im Sinne der Aufklärung durchaus weniger militärisch-chevaleresk akzentuiert gewesen sein, weniger durch „hohe Geburt“ ausgezeichnet als die hommes illustres von Renaissance, Barock und Klassik, doch beide Konzepte blieben erkennbar verbunden – jedenfalls in der Auffassung der Monarchie und in der Praxis ihrer Repräsentation. 55 Die Indienstnahme des Kultes der Großen Männer lenkte Glanz auf die Krone als Auftraggeber des Buches, des Kunstwerks, als Souverän der darin beschriebenen, evozierten Figuren. Die Monarchie identifizierte sich dergestalt patriotisch mit der

52

Gaehtgens/Wedekind (Eds.), Le culte (wie Anm.34).

53

David A. Bell, The Cult of the Nation in France. Inventing Nationalism, 1680–1800. 2.Aufl. Harvard

2003, 107–125; Jean-Claude Bonnet, Naissance du Panthéon. Essai sur le culte des grands hommes. Paris 1998, 113–132; Thomas W. Gaehtgens, Du Parnasse au Panthéon: la représentation des ‚hommes illustres‘ et des ‚grands hommes‘ dans la France du XVIIIe siècle, in: ders./Wedekind (Eds.) Le culte (wie Anm.34), 135–171. Dort auch zum Folgenden. 54

James A. Leith, Space and Revolution. Projects for Monuments, Squares, and Public Buildings in France,

1789–1799. Montreal u.a. 1991, 11 u. 14. 55

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Bell, Cult of the Nation (wie Anm.53), 117. Vgl. auch Dziembowski, Patriotisme (wie Anm.4), 444f.

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Geschichte, verstanden als Nationalgeschichte, als Aufstiegs- und Erfolgsgeschichte der französischen Nation. Dies war nicht ohne Wirkung, es öffnete allerdings zumindest à la longue auch eine Flanke für Kritik. Die gleichgeordnete Einreihung früherer ebenso wie des regierenden Königs in eine galerie des grands hommes wurde zunehmend hinterfragt, galt etwa angesichts des ständischen ‚Größenunterschiedes‘ als unschicklich. Doch die Fragen richteten sich auch auf die Berechtigung einer solchen Einreihung. Ludwig XVI. lehnte dann die Aufnahme seines Porträts in eine Galerie der Großen Männer mit den Worten ab: „Was habe ich getan, um das zu verdienen?“ 56 Und er ließ dies bekanntwerden. Das verwies auf ein zumindest in Frankreich neues Stilisierungsprinzip, das nun dezidiert unheroisch war: den Bescheidenheitsgestus. Der Monarch erntete damit durchaus Sympathie. Aber wenn er nicht aus sich heraus und messbar ‚groß‘ war – anders also, als Heinrich IV. und Ludwig XIV. – wozu war er dann Monarch? – „Deine werten Untertanen verdienen einen König, der sie übertrifft.“ Diese Mahnung war bereits an Ludwig XV. ergangen. 57 Die monarchische ‚Größe‘ war keine Selbstverständlichkeit mehr.

IV. Nach 1774: Bescheidenheit und Ungeschick Ludwig XVI. wird im Allgemeinen eine weitgehende Abwesenheit an politischer Einsicht bescheinigt, insbesondere aber auch eine noch deutlich schlechtere royale Performanz, als sie sein Großvater gezeigt hatte – und zwar sowohl im Auftritt wie in der Ansprache: Das Journal des Herzogs von Croÿ vereint beständig Lob für die „Güte“ des Königs und sein Betragen im Privaten mit Bedauern über „Ton“ und „Haltung“ in der Öffentlichkeit, die er nicht finde. 58 Und auch sein öffentliches Image, so die nach wie vor verbreitete Ansicht, habe Ludwig dementsprechend nicht und schon gar nicht sinnvoll konzipiert oder beeinflusst. 59

56 Aurore Chéry, Louis XVI ou le nouvel Henri IV, in: Bulletin du Centre de recherche du château de Versailles. Articles et études, mis en ligne le 16 septembre 2010. URL: http://crcv.revues.org/10466, eingesehen am 21.12.2010. 57 Arlette Farge, Lauffeuer in Paris. Die Stimme des Volkes im 18.Jahrhundert. Stuttgart 1992 (franz. Orig. Paris 1992), 242. 58 Croÿ, Journal (wie Anm.36), Vol.3, 208 f, 231f., 291 u.ö. 59 Chéry, Louis XVI (wie Anm.56), 2. Vgl. unter den einschlägigen Biographien bes. Jean-Christian Petitfils, Louis XVI. Paris 2005, hier 249f., sowie John Hardman, Louis XVI. The Silent King. London 2000.

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Dieses letztere Urteil ist, wie neuere Forschungen zeigen, zu guten Teilen falsch. Ludwig XVI. wurde entworfen und ließ sich entwerfen als neuer Henri Quatre. Nun besaß er freilich noch viel weniger Hang zum Militärischen als sein Großvater. Er schmückte sich also nicht mit Heinrichs IV. panache blanc. Seine Repräsentationsstrategie zitierte nicht den Sieger von Coutras und Arques, sondern sie zitierte die poule au pot, das Huhn im Topf, und den „guten König“, den fürsorglichen Freund seines Volkes. 60 Der Hauptakzent dieser Propaganda lag auf subventionierten Theaterstücken, die den roi bienfaisant feierten. 61 Am besten sichtbar wird die Tendenz aber in einem programmatischen Gemälde von 1785. Es zeigt den König, wie er, spontan bewegt von der Not seiner Untertanen, im Winter Almosen verteilt. So wie dies Henri Quatre getan hatte. Louis Seize tut es hier situationsangemessen in einem schlichten Rock, wird aber hervorgehoben bzw. erkennbar gemacht durch einen roten Überwurf. Diese Darstellung relativer Schlichtheit war Folge einer direkten königlichen Intervention und Resultat von Nachverhandlungen zwischen dem Minister Angiviller und dem Maler. 62 Tatsächlich bevorzugte Ludwig XVI. schlichte Kleidung. Sein Bescheidenheitsgestus beruhte – auch in anderen Bereichen – durchaus auf echter Bescheidenheit. Im Zeremoniell des Hofes allerdings schlug sich diese aus der Zeit erwachsene und also durchaus zeitgemäße Einstellung nicht nieder. Der Schein-Inkognito-Besuch des stets uniformtragenden Josephs II. gab auch wohlwollenden Betrachtern wie dem Herzog von Croÿ Anlass zu nachteiligen Vergleichen. 63 Die Uniform des allseits bewunderten „Grafen von Falkenstein“ stand für Energie, Disziplin, Dienst. Der französische Hof aber hielt auch unter Ludwig XVI. weiter an den Abläufen fest, wie sie Ludwig XIV. eingerichtet hatte, ebenso an deren Ausgestaltung und damit also auch an der Hoftracht, dem habit habillé. Uniformen waren nicht zugelassen. Offizieren war sie nur am An- bzw. Abreisetag gestattet. Die rationale Begründung für diese exception française war, dass man die Lyoner Seidenindustrie unterstützen müsse. 64 Auf einem der wohlwollendsten Gemälde, die es von Ludwig XVI. gibt, sieht man

60

400

Chéry, Louis XVI (wie Anm.56), 13–15.

61

Ebd.2–6. Vgl. Biet, Henri IV (wie Anm.2), 275–283.

62

Chéry, Louis XVI (wie Anm.56), 13.

63

Croÿ, Journal (wie Anm.36), Vol.4, 30f., 35f.

64

Mansel, Dressed to Rule (wie Anm.50), 30–35.

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ihn, wie er dem Weltumsegler La Pérouse vor dessen Abfahrt Befehle erteilt (Abb.4). Insofern Seefahrt und Geographie tatsächlich zu Ludwigs Leidenschaften gehörten, besaß die Darstellung durchaus einen realen Kern, entbehrte nicht völlig der Glaubwürdigkeit. 65 Entlarvend ist das Bild in anderer Hinsicht: Denn der Kontrast zwischen höfischem König und uniformiertem Kapitän ist mehr als deutlich. Zwar gab es ein verbindendes Element: Alle drei Gestalten im Vordergrund, der König, La Pérouse und ein Höfling, tragen den Ludwigsorden. Doch an den habit habillé geheftet, unterstreicht dieser eher noch den vestimentären und im Grunde politisch-moralischen Anachronismus, in den der französische Hof und die französische Monarchie des ausgehenden 18.Jahrhunderts gefallen waren. Das Argument, per Hoftracht die Seidenindustrie zu stützen, überzeugte denn auch nicht jeden. Rückblickend monierten der Prince de Ligne, der Abbé de Véri oder andere Memorialisten von Gewicht, dass solche Vernachlässigung der Uniform ein Fehler gewesen sei. 66 Und schon 1756, am Anfang der Debatte um Adel, Adelskrise und -reform, die die zweite Hälfte des 18.Jahrhunderts kennzeichnete, plädierte der Chevalier d’Arcq – immerhin ein (illegitimer) Enkel Ludwigs XIV. – in seiner Schrift über die Noblesse militaire nicht nur für die Erhaltung des Adels als Kriegerkaste, sondern gerade auch dafür, dass der König endlich bei Hofe die Uniform zulassen, ja dass er sie selbst tragen möge. 67 Nun kann man nicht sagen, dass Ludwig XV. wie Ludwig XVI. überhaupt nicht Uniform getragen hätten. Sie taten es im Rahmen oder doch am Rande des in der französischen Königsinszenierung Üblichen. Ludwig XVI. unterschritt dieses Übliche freilich, wenn er Revuen der Garde „en habit bourgeois“ abnahm, womit die schlichtere Ausgabe des habit habillé gemeint war, wenn er – aus protokollarischen

65 Étienne Taillemite, Louis XVI ou le navigateur immobile. Paris 2002. 66 „Mais ce qu’il faut, c’est un Roi militaire, pour n’être pas obligé à être un Roi soldat: que lui, ses frères et ses cousins ne rougissent pas d’en [der Armee, M. W.] porter l’habit plusieurs fois dans l’année, qu’ils connaissent les braves gens et leur histoire, qu’ils arrivent à leur troupes avec la pompe de Darius, qu’ils les exercent comme Alexandre, qu’ils récompensent comme Cathérine II, et s’en retournent chez eux faire le Louis XIV, mêlé avec du Louis XII, et il n’y aura plus rien à désirer pour le plus brillant des pays, qui sera alors le plus solide et le plus respectable pour les amis et ennemis.“ Charles Joseph de Ligne, Mémoires et mélanges historiques et littéraires. 5 Vols. Paris 1827–1829, Vol.4, 135. Vgl. auch Joseph-Alphonse de Véri, Journal de l’abbé de Véri. Publié avec une préface et des notes par le Baron Jehan de Witte. 2 Vols. Paris 1928–1930, Vol.2, 101f., sowie etwa Croÿ, Journal (wie Anm.36), Vol.4, 30–35. 67 Philippe-Auguste de Sainte-Foy, chevalier d’Arcq, La noblesse militaire ou le patriote françois. O.O. 1756, 89f. Vgl. zur Debatte jetzt Wrede, Ohne Ohne Furcht und Tadel (wie Anm.15), 395–397.

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Abb.4: Nicolas Monsiau, Ludwig XVI. erteilt seine Instruktionen an den Kapitän La Pérouse am 29.Juni 1785, 1817; Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon, Inv. MV 220.

Gründen – Gelegenheiten verstreichen ließ, im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg die bedrohte Festung Brest oder auch nur die Pariser Invaliden zu besuchen. 68 Der König von England, auf der Gegenseite, agierte anders: Georg III. besuchte seine Flotte, vermittelte Anerkennung und stellte Gemeinsamkeit her bzw. dar. 69 Aber zumindest gelegentlich trat doch auch Ludwig XVI. ostentativ als roi de guerre auf. 1786 besuchte er – zum einzigen Mal – Militär und Flotte in den Provinzen: Die Reise nach Cherbourg galt ihm auch selbst als ein Höhepunkt seiner Herrschaft. Natürlich trug er die rote Marschallsuniform. 70 Und natürlich ließ er sich auch darin malen – freilich auch dies eine Ausnahme. Bekannt geworden ist ein Wandme-

68

Taillemite, Louis XVI (wie Anm.65), 77, 163. Vgl. Véri, Journal (wie Anm.66), Vol.2, 101f.; Croÿ, Journal

(wie Anm.36), Vol.4, 102. 69

Mansel, Dressed to Rule (wie Anm.50), 28f.; ders., Monarchy (wie Anm.50), 112, 115f.; Smith, Georgian

Monarchy (wie Anm.38), 119, 245. 70

402

Taillemite, Louis XVI (wie Anm.65), 234–242; Petitfils, Louis XVI (wie Anm.59), 523–530.

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daillon aus dem Versailler Schloss, wahrscheinlich entstanden bereits im Kontext des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. 71 Und diese Seltenheit des militärischen Auftritts war durchaus keine versehentliche Schwäche, sondern Programm: Ludwig achtete auf den Bescheidenheitsgestus, verweigerte bewusst und (relativ) konsequent heroische Bildnisse, gar Statuen oder sonstige Monumente. 72 Selbst die Siege des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges wurden nicht für eine heroische Neu- bzw. Altinszenierung der Monarchie genutzt; es gab keine Feste, kaum Dankgottesdiente. Ein schlagender Kontrast zum zwar verlorenen, aber im Vergleich immer noch ausgiebig befeierten Siebenjährigen Krieg. Jeder Gedanke an den Österreichischen Erbfolgekrieg verbietet sich. 73 Die Seltenheit des heroischen Auftritts mochte nun in puncto Bescheidenheit dem Zeitgeist entsprechen, sie verkannte allerdings ein „Zeitzeichen“: Das seit den späten Jahren Ludwigs XIV. militärisch „übliche“ der höfischen Monarchie genügte am Ende des 18.Jahrhunderts nicht mehr. Ein Wandmedaillon machte noch keinen roi de guerre, keinen roi de gloire, schon gar keinen roi-connétable. Tatkönigtum, militärisch konnotiert, brauchte andere darstellerische Formen. Zurück zum Rock des Königs: Alltägliche Repräsentations- und damit gewissermaßen „Arbeitskleidung“ von König und Hof blieb also der habit habillé. Er blieb es selbst noch in den Tuilerien, bis zum Sturz der Monarchie am 10.August 1792. Zuvor aber, vor dem Tuileriensturm, nahm die Debatte um Uniform und Hoftracht, um des Königs Rock und den Rock des Königs, noch eine besondere Wendung: Es ging zwischen 1790 und 1792 nämlich um die Forderung, dass der König die blaue Uniform der Nationalgarde bei Hofe zulassen, ja dass er sie auch selber tragen möge. Ludwig verweigerte das – auch hier konsequent und wiederum konsequent zu seinem Schaden. Allzu deutlich demonstrierte er mit dieser Weigerung die Trennung von Krone

71 Chéry, Louis XVI (wie Anm.56), 11. Der König, im Marschallsrock, zu Pferd, ist lorbeerbekränzt. 72 Ebd.– Die Revolution brachte eine Reihe von dem König als „Wiederbegründer der Freiheit“ gewidmeten Denkmalprojekten hervor, die jedoch nicht mehr der Selbststilisierungsabsicht der Monarchie und des Monarchen entsprachen. In die Nähe der Realisierung kam allein das Projekt aus Nantes. Die „colonne Louis XVI“ wurde noch 1790 errichtet, die Statue des Monarchen nach seinem Fluchtversuch 1791 jedoch nicht mehr daraufgesetzt. Dies geschah erst nach der Restauration. Vgl. Annie Jourdan, L’éclipse d’un soleil. Louis XVI et les projets monumentaux de la Révolution, in: Symbols, Myths and Images of the French Revolution. Essay in Honour of James A. Leith. Regina, Sk. 1998, 135–148, bes. 137–140; Leith, Space and Revolution (wie Anm.54), 57–59 u. 218. 73 Fogel, Les cérémonies (wie Anm.11), 36: Der Siebenjährige Krieg brachte es noch auf sieben Tedeen, der ungleich erfolgreichere Amerikanische Unabhängigkeitskrieg auf ganze zwei.

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und Nation. Andere Monarchen, so konstatiert der englische Historiker Philip Mansel, nutzen die Uniform, um ihren Thron zu stabilisieren, Ludwig XVI. nutzte sie, um den seinen zu destabilisieren. 74 Insofern ist das vermutlich letzte offizielle Porträt, das es von Ludwig XVI. gibt – es stammt aus dem Jahr 1791 – in doppelter Hinsicht kurios bzw. irreführend (Abb.5): Der König, zu Pferd mit heroischer Geste, trägt die rote Marschallsuniform und als Zugeständnis an die Revolution eine blauweißrote Kokarde am Hut. Das Bild ist offenbar ein später, erfolgloser Versuch, Prestige der Uniform und heroischen Gestus für die Monarchie nutzbar zu machen. – Es war aber, so kann man pointieren, inzwischen die falsche Uniform, denn statt des Königs rotem Rock war jetzt das blaue Kleid der Nation gefordert. 75 In einer Hinsicht jedoch kann man das Porträt auch als bezeichnend ansehen: Es illustriert die Absicht Ludwigs XVI., gegenüber der Krise der Revolution und abseits aller Zugeständnisse, die überkommene militärische Rolle des Königs als Kriegsherr wieder einzunehmen, um so die überkommene Gestalt der Monarchie aufrecht zu halten: Vor der Flucht nach Varennes verpackte der König diese, seine Marschallsuniform eigenhändig und sorgte für ihren – separaten – Transport an den Fluchtort. 76 Die Uniform kam in Montmédy an, der König bekanntlich nicht. Er wäre dort im roten Marschallsrock freilich ein roi de guerre im Bürgerkrieg geworden. In gewisser Weise hätte gerade das ihn Henri Quatre noch einmal näher gebracht.

V. Zusammenfassung Der Abbé de Véri, „graue Eminenz“ Ludwigs XVI. bzw. des Ministers Maurepas, klagt in seinem Journal, es seien die Wendungen seiner Jugend, „dem König dienen, dem Vaterland dienen, Kohl pflanzen“ nun leider vollständig ent- oder umgewertet. Man sage nicht mehr, „ich diene dem König“, sondern „ich diene dem Staat“. – Dienst hier verstanden im Kern als Waffendienst. In Paris dürfe schlechterdings niemand mehr sagen, er „diene dem König“, er würde sonst sofort als Höfling verbucht, als „Domestik“. Noch unter Ludwig XV. habe man sich empört, wenn vom Dienst an der

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74

Mansel, Dressed to Rule (wie Anm.50), 73. Vgl. ders., Monarchy (wie Anm.50), 130f.

75

Mansel, Dressed to Rule (wie Anm.50), 69.

76

Ebd.69f.

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Abb.5: Jean-Baptiste-François Carteaux, Ludwig XVI., als konstitutioneller, heroischer Monarch, 1791; Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon, Inv. 3968.

Nation die Rede gewesen sei – vorbei. „Je sers l’Etat […], voilà l’expression la plus usitée. La différence des expressions dénote surement la difference des sentiments.“ Und im Gegensatz zum Königsdienst gelte das Kohlpflanzen – „planter des choux“ – inzwischen als höchst ehrenwerte Beschäftigung. Man ehre jetzt also den „gentilhomme cultivateur“, nicht den „gentilhomme destructeur“. 77 Die Analyse traf zu: Der König im Königreich Frankreich geriet im Laufe des 18.Jahrhunderts mental wie administrativ in den Hintergrund – keineswegs völlig, aber tendenziell. Recht deutlich sichtbar wird dies am Bürokratisierungsprozess des

77 Véri, Journal (wie Anm.66), Vol.2, 194f. (Übersetzung M. W.).

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Ludwigsordens. Es etablierten sich, auch im Adel, auch in der Armee andere, alternative Letztwerte: Staat und Nation traten zunächst neben Krone und Monarch, drängten sie dann in den Hintergrund. 78 Die Monarchen selber trugen dazu manches bei. Ludwig XV. und Ludwig XVI. suchten aufgrund persönlicher Disponiertheit den Hintergrund geradezu. Das betrifft gerade auch die Armee bzw. die Kriegführung und den sie begleitenden heroischen Gestus. Ludwig XV. beherrschte ihn noch und machte sich zumindest phasenweise auch das daraus rührende Prestige zunutze, Ludwig XVI. beherrschte ihn nicht mehr. Die Assoziation mit Henri Quatre, die die königliche Selbstdarstellung betrieb, war also hochproblematisch. Nun sind die Krise des Ancien Régime und die Französische Revolution schwerlich darauf zurückzuführen, dass der König den falschen Rock trug, d.h. dass er die Uniform vernachlässigte. Doch unbeteiligt war dieser nur scheinbar oberflächliche „vestimentäre“ Aspekt am Zusammenbruch des Ancien Régime durchaus nicht. Denn die Vernachlässigung der Uniform stand für ein Vernachlässigen des Militärischen überhaupt; sie schuf ein Defizit des Heroischen: Die Wehrhaftigkeit der Monarchie und des Monarchen wurde nicht mehr in angemessener Weise dargestellt und, daran geknüpft, auch das Männlichkeitsideal verfehlt. „Effeminierte“ Könige bzw. solche, deren Virilität sich ins Boudoir ablenken ließ, hatten auch im 18.Jahrhundert keine gute Presse. 79 Hinzu kam die Beeinträchtigung des Verhältnisses von Krone und Armee. Dieses war am Ende des 18.Jahrhunderts belastet durch das Wechselbad der Militärreformen. Unter Ludwig XVI. bzw. unter dem Minister Saint-Germain erfuhren selbst die Eliteeinheiten der maison du Roi Änderungen und Einschnitte. Aber das Verhältnis hatte außerdem gelitten unter der fehlenden „Nähe“ der Monarchen: Die mentale Verbindung von König und Kriegern, von Monarch und Offizierskorps, war dünn geworden. 80 Der Übergang von der Präsenz- zur Informationskultur, auch im Mili-

78

Jay Smith, Nobility Reimagined. The Patriotic Nation in Eighteenth-Century France. Ithaca, N. Y./Lon-

don 2005. Siehe auch bereits ders., The Culture of Merit. Nobility, Royal Service, and the Making of Absolute Monarchy in France, 1600–1789. Ann Arbor, Mich. 1996, sowie Michel Figeac, L’automne des gentilshommes. Noblesse d’Aquitaine, noblesse française au Siècle des Lumières. Paris 2002, 324–331. 79

Darnton, Le diable (wie Anm.37), 477f., 486–494 u.ö.

80

Rafe Blaufarb, The French Army 1750–1820. Careers, Talent, Merit. Manchester 2002, 12–81, sowie wei-

terhin Samuel F. Scott, The Response of the Royal Army to the French Revolution. The Role and Development of the Line Army 1787–93. Oxford 1978, 4–45; Émile G. Léonard, L’armée et ses problèmes au XVIIIe

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tärischen, war in der französischen Monarchie nicht gelungen, weil, nur scheinbar paradox, der Monarch seine Informiertheit nicht hinreichend repräsentierte. In der Krise des Staates verstand die Armee sich dann nicht mehr ausreichend als „Stütze des Thrones“. Dieses Missverhältnis bot ein Gegenmodell nicht allein zu Preußen und zu Friedrich dem Großen. Friedrichs große Gegenspielerin, Maria Theresia, ist von Philip Mansel unumwunden als „military monarch“ bezeichnet worden. 81 Das mag überzeichnet sein, wenngleich die Kaiserin durchaus ihre militärischen und auch militärisch-heroischen Momente besaß. – Zu denken ist, vitam et sanguinem …, zuvörderst an den Pressburger Reichstag 1741. – Joseph II. war sicher ein Militärmonarch und in mancher Hinsicht sogar ein recht erfolgreicher. Letztlich war es seine, war es die von ihm reorganisierte Armee, die, anders als die Friedrichs des Großen, in den napoleonischen Kriegen zumindest nicht unterging. Und in jener Krise der von Napoleon bedrängten Monarchie avancierte er gar zur imperialen Identifikationsfigur – freilich nicht unbedingt aufgrund seiner militärisch-feldherrlichen Qualitäten. 82 Ludwig XVI. tauschte also vermittels des von ihm kultivierten Bescheidenheitsgestus monarchisches Prestige gegen persönliche Popularität. Das war – in dieser Form – ein Fehler. Das so angelegte symbolische Kapital war unsicher. Und die Monarchie brauchte (und braucht vielleicht) Faszinosum, Glanz und Gepränge, ein Mindestmaß an öffentlicher – nicht unbedingt höfischer – Ritualität, Dignität und an deren leidlich würdigen Vollzug. Gehörte dazu auch kriegerischer Glanz und kriegerisches Gepränge? Im 18.Jahrhundert und wohl darüber hinaus war dies explizit der Fall. Die Militarisierung des Hofes ersetzte (partiell) seine Zeremonialisierung. Diese Repräsentation des Militärischen durfte allerdings nicht unglaubwürdig ausfallen. Es ging nämlich nicht nur um nun, im Lichte der Aufklärung, unter Umständen als „hohl“ entlarvbaren „bloßen“ Glanz, sondern es ging um Tatkraft – bzw. um deren Darstellung. Roi fainéant

siècle. Paris 1958, 178, 248, 284f. – Zur Missstimmung unter den Eliteeinheiten siehe etwa Croÿ, Journal (wie Anm.36), Vol.3, 222f. 81 Mansel, Dressed to Rule (wie Anm.50), 26. 82 Derek Beales, Joseph II. 2 Vols. Cambridge 2008/09, Vol.2, 681f. Das antikisierende Reitermonument vor dem Michaelertor der Hofburg wurde 1807 errichtet und demonstrierte den Willen zur Selbstbehauptung der Monarchie. Es war freilich nicht explizit dem Militärmonarchen gewidmet, sondern zunächst dem Landesvater, stand aber für die Zeitgenossen dennoch auch gerade für die militärische Größe des Hauses und des Staates.

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durfte der Herrscher keinesfalls sein. Und letztlich half nichts so gut, Tatkraft darzustellen, wie die Uniform, wie des Königs Rock als Rock des Königs. – Ein Rock, der sich, wie es Friedrich der Große und Joseph II. vorexerzierten, in einen Bescheidenheitsgestus ja durchaus integrieren ließ. 83 John Lynn weist darauf hin, dass die beiden in der Pose überaus ähnlichen großen Rigaud-Porträts Ludwigs XIV. – das Bild des roi en majesté und das des roi de guerre – einander ergänzen, dass sie zeigten, wie beide Momente seines Königtums bzw. des Königtums schlechthin einander bedingen. 84 Auch wenn neben die kriegerische Kompetenz des Monarchen und neben ihre Repräsentation im Laufe des 18.Jahrhunderts andere Momente getreten waren, namentlich die Stilisierung zum „Landesvater“, so erscheint dies doch auch verallgemeinert recht zutreffend. Allemal trifft es zu für die absolute Monarchie Ludwigs XIV., die nach 1715 eben nie die Monarchie Ludwigs XV. oder Ludwigs XVI. wurde, und in der der Übergang von der Präsenz- zur Informationskultur monarchischer Herrschaft misslang, weil die Monarchen Information und Repräsentation nicht zu koppeln wussten. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der histoire vestimentaire des Königtums der letzten Bourbonen, im Blick auf die Beziehung zwischen dem Rock des Königs und des Königs Rock. Auch im Zeichen von Institutionalisierung und Bürokratisierung blieb – und bleibt – Herrschaft eine Kunst des Performativen. Die rechte Performanz des Herrschers aber, dies wissen wir schon von Hans Christian Andersen, bedarf nicht zuletzt der richtigen Kleider. 85

83

Zum Auftreten Friedrichs des Großen und zu dessen Rezeption siehe jetzt Frauke Mankartz, Die Marke

Friedrich. Der preußische König im zeitgenössischen Bild, in: Friederisiko (wie Anm.41), 204–221, sowie Ute Frevert, Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen? Göttingen 2012. Zu Joseph II. Beales, Joseph II (wie Anm.82), Vol.1, 306–316, 338, Vol.2, 425–432, 435–438. 84

Lynn, Les guerres (wie Anm.5), 9. Vgl. die Einleitung dieses Bandes.

85

Dazu aspektereich: Albrecht Koschorke u.a., Des Kaisers neue Kleider. Über das Imaginäre politischer

Herrschaft. Texte, Bilder, Lektüren. Frankfurt am Main 2002, bes. 202–204 u. 240–243. Vgl. Jaap van Osta, The Emperor’s New Clothes. The Reappearence of the Performing Monarchy in Europe, c. 1870–1914, in: Jeroen Deploige/Gita Deneckere (Eds.), Mystifying the Monarch. Studies on Discourse, Power, and History. Amsterdam 2007, 181–192.

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Die belgische Monarchie und Albert I. Ritterkönig und Friedensfürst? von Gustaaf Janssens

„Die tragische Prüfung des Krieges hat den großartigen Eigenschaften König Alberts ein mächtiges Profil verliehen, das auch im Laufe der Zeit nicht ausgelöscht werden wird, und der Krone der Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Güte, die ihn schmückte, das rote Kronjuwel des Heldentums ohne Fehl und Tadel hinzugefügt hat. […] Er wurde zum Symbol der Ritterlichkeit.“

Mit diesen Worten charakterisiert der flämische Politiker Frans Van Cauwelaert König Albert I. nach dessen Tod im Februar 1934. 1 „J’ai dessein de vous conter, mes jeunes amis, la légende véridique d’un grand Roi qui fut un héros, un juste et un sage“. So beginnt der wallonische Dichter und Journalist Paul Werrie sein Jugendbuch über König Albert I. 2 Die flämische Autorin Marie-Elisabeth Belpaire, die im Ersten Weltkrieg in De Panne in Kontakt mit dem König stand, nennt König Albert „eine der edelsten Figuren […] der Weltgeschichte“. 3 Die Reihe der Zitate ließe sich leicht verlängern. König Albert I. (1875–1934) war für seine Zeitgenossen ein Held. Und dieser „Heldenstatus“ ist einzigartig in der Geschichte der belgischen Monarchie, die von Anfang an eher republikanische Züge hatte. 4 Kein anderer belgischer König hat je ein 1 Zitiert nach Paul Smolders, Koning Albert I. Zijn leven aan de jeugd verteld. Tongeren 1934, 38 (Übersetzung hier wie in allen folgenden Fällen vom Vf.). Frans Van Cauwelaert (1880–1961), leitender Politiker der Flämischen Bewegung, Abgeordneter, Bürgermeister von Antwerpen, Minister und Präsident des Abgeordnetenhaus: Lode Wils, Cauwelaert, Frans van, in: Reginald De Schryver (Ed.), Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging. Tielt 1998, 696–703. 2 Paul Werrie, La légende d’Albert Ier Roi des Belges. Tournai/Paris [1934], 21. Zu Paul Werrie (1901–1974), belgischer Dichter, Journalist, Film- und Theaterkritiker: Paul Legrain, Le dictionnaire des Belges. Brüssel 1981, 561. 3 Marie-Elisabeth Belpaire, Onze Dynastie, in: Dietsche Warande en Belfort 1937, 406. M.-E. Belpaire (1853–1948) setzte sich während des Krieges für die flämischen Frontsoldaten ein. Sie stand deswegen wiederholt in Verbindung mit König Albert. Vgl. Herman Schrooten, De sociale en politieke actie van Mej. M. Belpaire tijdens de Eerste Wereldoorlog (1914–1918). Antwerpen/Amsterdam 1978; Aline Dereere/Helga Van Beeck (Eds.), Marie-Elisabeth Belpaire (1853–1948). Beelden uit een leven. Antwerpen 2002. 4 Im Nationalkongress sprach man von einer „monarchie républicaine“. Vgl. die Wortmeldung von

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Prestige erworben, das mit dem Alberts I. vergleichbar wäre. 5 Die „universale Verehrung“ Alberts, schreibt Georges Rency 1934, sei darauf zurückzuführen, dass der König „das Ideal von Rechtschaffenheit, Loyalität, sittlichem und physischem Mut so hervorragend ausgefüllt [habe].“ 6 Gab es vor Albert I. keine „großen Könige“ oder (königlichen) belgischen Helden? Welchen Umständen hat König Albert I. seinen Status als „ritterlicher Held“ zu verdanken und wie offenbarte sich die Verehrung des „roi-chevalier“, des Ritter-Königs? Diese Fragen bilden den Leitfaden dieses Beitrags, in dem nach einer kurzen Vorstellung der „belgischen Helden“ der Revolution von 1830 und der beiden ersten Könige des jungen Staates, König Albert I. als „ritterlicher König“ genauer behandelt wird. Ein Epilog ist dem Einfluss Alberts I., bzw. seiner Vorbildwirkung auf seinen Sohn Leopold III. gewidmet.

I. Die belgische Monarchie im 19.Jahrhundert Belgien entstand aus dem Widerstand gegen die autoritäre Regierung Wilhelms I., König der Niederlande (1814/15–1840). Die Opposition entwickelte sich im September 1830 zu einer Revolte, im Zuge derer es vor allem in Brüssel zu Gefechten mit den niederländischen Streitkräften kam. Die Kämpfe waren kurz aber heftig. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, folgte aus dem Aufstand die Gründung des unabhängigen Staates, und die Gefallenen wurde zu „ Märtyrer[n] der Septembertage 1830“, zu „Helden der Revolution“ ernannt. Sie bekamen ein Denkmal auf dem Martelarenplein/Place des Martyrs in Brüssel, wo sie in einer Gruft beigesetzt sind. 7 Zur Erinnerung an den Aufstand entschied der Nationalkongress (das provisorische belgische Parlament), der Septembertage 1830 jährlich in nationalen FeierlichAlexandre Rodenbach, 22. Nov. 1830, bei Émile Huyttens, Discussions du Congrès National de Belgique, 1830–1831. Vol.1. Brüssel 1844, 248–249. 5 Georges Van den Abeelen, Le roi Albert: naissance et avatars d’une mythologie, in: Carlos Wyffels (Ed.), Actes du colloque Roi Albert. Bruxelles, Bibliothèque royale Albert Ier, 26–29 mai 1975 – Handelingen van het colloquium Koning Albert. Brussel, Koninklijke Bibliotheek Albert I, 26–29 mei 1975. Brüssel 1976, 21f. 6 Georges Rency, Albert, Roi des Belges. Brüssel 1934. Zu Rency [i. e. Albert Stassart] (1875–1951), einem französischsprachigen belgischen Autor, Mitglied der Académie royale de langue et de littérature, siehe Legrain, Le dictionnaire des Belges (wie Anm.2), 427. 7 Jeroen Janssens, De helden van 1830. Alle feiten en mythes. Amsterdam/Antwerpen 2005, 57–62.

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keiten zu gedenken. Nach und nach jedoch verlagerte sich der Inhalt dieser Gedenkfeierlichkeiten, bis nicht mehr die Revolution, sondern das Bestehen Belgiens gefeiert wurde. Zur gleichen Zeit wurden die Feierlichkeiten von der Politik instrumentalisiert und symbolisierten nicht länger die nationale Einheit. Der patriotische Charakter und das Gedenken an das Jahr 1830 verschwanden und wurden durch Volksspiele und Kirmesattraktionen ersetzt. Schließlich wurden die Septemberfeierlichkeiten 1880 abgeschafft, stattdessen der dritte Sonntag im August sowie die beiden darauffolgenden Tage zu „nationalen Feiertagen“ erklärt. Die Septemberwallfahrt zum Märtyrerplatz blieb allerdings bestehen. 8 Da nun die Augustfeierlichkeiten wiederum kein Erfolg waren, wurde 1890 entschieden, fortan den 21.Juli, den Jahrestag der Vereidigung König Leopolds I., zum Nationalfeiertag zu machen. 9 So verlagerte sich der Schwerpunkt der Feierlichkeiten hin zur Monarchie und auf die Tatsache, dass der Monarch für die nationale Einheit stand. Obwohl Belgien ein junger Staat war, konnte das Land auf eine reiche Vergangenheit zurückblicken. Um die Existenz des Landes historisch zu legitimieren und eine respektable Position zwischen den Großmächten zu erlangen, suchten die ‚jungen‘ Belgier ihre nationalen Helden in einer ferneren Vergangenheit. So kultivierten sie die Erinnerung an „die Belgier, die zum Ruhm des Vaterlands beigetragen hatten“. Künstler, Wissenschaftler und andere ‚belgische‘ Berühmtheiten erhielten ein Denkmal oder wurden in verschiedenen Pantheonen verewigt. 10 Auch ‚belgische‘ Fürsten, die seit dem Mittelalter Handel und Gewerbe gefördert und dabei die alten Freiheiten respektiert hatten, wurden in das nationale Gedenken aufgenommen. Hatten sie doch dafür gesorgt, dass die Fürstentümer, die den belgischen Provinzen ihre Namen gegeben hatten, über Jahrhunderte die wohlhabendste Region an der

8 Ders., De nationale feesten van de Belgische staat, in: Sébastien Dubois/Jeroen Janssens/Alfred Minke (Eds.), De Belgische Vertoning. Symbolen, Rituelen, Mythen (1830–2005). Brüssel 2005, 55–61, sowie Janssens, De helden van 1830 (wie Anm.7), 53–57 u. 88–104. Der Märtyrerplatz blieb ein Ort des Patriotismus mit symbolischer Aufladung. 1915 wurden die Märtyrer von 1830 in einer antideutschen Kundgebung spontan geehrt: Sophie De Schaepdrijver, Deux patries. La Belgique entre exaltation et rejet, 1914–1918, in: Bijdragen tot de Eigentijdse Geschiedenis – Cahiers d’Histoire du Temps Présent 7, 2000, 17–49, hier 26. 9 Gesetz vom 27.Mai 1890. Siehe Gustaaf Janssens, De Belgische nationale feestdagen en de monarchie, in: Museum Dynasticum 9/1, 1997, 3–10, hier 6. 10 Jo Tollebeek/Tom Verschaffel, Het pantheon. De geschiedenis tot weinigen herleid, in: Robert Hoozee/ Jo Tollebeek/Tom Verschaffel (Eds.), Mise-en-scène. Keizer Karel en de verbeelding van de negentiende eeuw. Antwerpen/Gent 2000, 47–57.

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Nordsee gewesen waren. Die Porträts dieser „guten Fürsten“ schmücken bis zum heutigen Tag den Sitzungssaal des belgischen Senats. 11 Am 20.Juli 1890, dem Vorabend der ersten landesweiten Feierlichkeiten zum 21.Juli, wurde im Park Kleine Zavel/Petit Sablon in Brüssel ein besonderes nationales Pantheon eingeweiht. Rund um das Doppeldenkmal der Grafen von Egmont und Horn, Opfer des absolutistischen Regimes König Philipps II. von Spanien, stehen die Statuen von zehn großen Männern des 16.Jahrhunderts, u.a. sind dies Prinz Wilhelm von Oranien, Graf Heinrich von Brederode, der Botaniker Rembert Dodonaeus, der Geograf Gerard Mercator, der Maler Bernard van Orley, Philips van Marnix, Herr von Sint-Aldegonde, Diplomat und Bürgermeister von Antwerpen. In einem belgischen Kontext wird auf das heroische 16.Jahrhundert zurückverwiesen, eine Periode, in der die Menschen sich der ‚Tyrannei‘ widersetzten und zugleich die Wissenschaften und Künste aufblühten, eine Periode „des Aufstands und der Freiheitskämpfe“. 12 Um die Prinzen „von klein auf an der glorreichen Geschichte des Vaterlands zu beteiligen“, erhielten der erste wie der zweite Sohn König Leopolds I. 1840 den Titel eines Herzogs von Brabant bzw. Grafen von Flandern. 13 Ferner wurde die Tradition des feierlichen Einzugs der joyeuse entrée bzw. blijde inkomst des Herrschers, die in Brabant jahrhundertelang den Vertrag zwischen Herrscher und Untertanen verkör11

Véronique Laureys, Het huis van de Senaat. Een vorstelijk verblijf voor een eerbiedwaardige instelling,

in: dies./Mark Van den Wijngaert (Eds.), De geschiedenis van de Belgische Senaat. 1831–1995. Tielt 1999, 329; Tollebeek/ Verschaffel, Het pantheon (wie Anm.10), 48. 12

Jo Braecken, Het Egmontplantsoen, pantheon van de 16de eeuw, in: Monumenten en Landschappen 13,

1994, 58–59; Anna Carre/Hugo Lettens, De Kleine Zavel. Een polemiek over de zestiende eeuw, in: Hooze/ Tollebeek/Verschaffel (Eds.), Mise-en-scène (wie Anm.10), 58–63; Philippe Godding, Statuaire, historique et politique au 19e siècle, in: Bulletin [de l’]Académie royale de Belgique Classe des Lettres et des Sciences Morales et Politiques 1997, 213–240. Zu Egmont als „toleranter und herzlich brueghelianischer Figur“: De Schaepdrijver, Deux patries (wie Anm.8), 28. Zu den Grafen von Egmont (1522–1568) und Horn (zwischen 1518 und 1526–1568), ihrer Rolle beim Aufstand gegen Philipp II. und ihrem weiteren Gedenken: Gustaaf Janssens, De graven Egmont en Horn. Slachtoffers van de politieke repressie in de Spaanse Nederlanden. (Historia bruxellae, 2.) Brüssel 2003. Zur modernen Interpretation des Aufstands gegen Spanien im 16.Jahrhun-dert als Bürgerkrieg: Jan Juliaan Woltjer, Der Niederländische Bürgerkrieg und die Gründung der Republik der Vereinigten Niederlande (1555–1648), in: Theodor Schieder (Hrsg.) Handbuch der Europäischen Geschichte. Bd. 3. Stuttgart 1971, 675, und Heinz Schilling, Der Aufstand der Niederlande: Bürgerliche Revolution oder Elitenkonflikt?, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), 200 Jahre amerikanische Revolution und moderne Revolutionsforschung. Göttingen 1976, 179–185 u. 201. 13

Gustaaf Janssens, De titels van de leden van de Belgische Koninklijke Familie, in: Museum Dynasticum

6/2, 1994, 19–25, hier 20.

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perte, wieder aufgegriffen. Bei ihrem ersten Besuch der Provinzhauptstädte wurden der König und die Königin – und später auch die Prinzen – feierlich begrüßt. Dieser feierliche Empfang wies nachdrücklich auf die Bedeutung der sichtbaren Anwesenheit der Fürsten hin. 14

II. Leopold I. – der pragmatische König In der belgischen Verfassung von 1831 wurde eine konstitutionelle parlamentarische Monarchie begründet. Eine der Aufgaben der provisorischen belgischen Regierung bestand darin, einen Kandidaten für das Amt des Königs zu finden. Herzog Leopold von Sachsen-Coburg (1790–1865), Ehemann der verstorbenen britischen Prinzessin Charlotte von Wales (1796–1817) aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg, schien ein geeigneter Kandidat zu sein und akzeptierte das Angebot. Der Überlieferung zufolge soll er den belgischen Delegierten bei dieser Gelegenheit mitgeteilt haben: „Sie sind die Monarchie, die nicht anwesend war, um sich zu verteidigen, hart angegangen. Ihre Verfassung ist sehr demokratisch; doch ich denke, dass es funktionieren wird, wenn auf beiden Seiten guter Wille vorhanden ist.“ 15 Als Leopold am 21.Juli 1831 den Eid auf die belgische Verfassung ablegte, geschah dies im Geiste eines Vertrags mit der Nation. 16 Der König trug keinen Königsmantel, wie es bei der Vereidigung von König Wilhelm I. wohl der Fall war. 17 Leopold I. war kein „Held der Revolution“, aber er verfügte über militärische und diplomatische Erfahrung, und seine verwandtschaftlichen Beziehungen versicherten ihn internationaler Unterstützung. Das war wichtig, um das Überleben des jungen belgischen Staats sicherzustellen. 18

14 Ders., Het pact tussen vorst en natie, in: Hooze/Tollebeek/Verschaffel (Eds.), Mise-en-scène (wie Anm.10), 160–165, hier 162. 15 Zitiert nach André Molitor, La fonction royale en Belgique. 2., überarb.Aufl. Brüssel 1994, 18. 16 Janssens, Het pact tussen vorst en natie (wie Anm.14), 160f. 17 Herman Vander Linden, L’inauguration de Guillaume Ier, roi des Pays-Bas et l’installation des ÉtatsGénéraux à Bruxelles (21 septembre 1815), in: Académie royale de Belgique. Bulletin de la Classe des Sciences morales et politiques 7, 1921, 391. 18 Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen: Olivier Defrance, Léopold Ier et le clan Cobourg. Brüssel 2004. Eine aktuelle Biografie von Leopold I., in der seine Gedanken zur belgischen und internationalen Politik ausführlich untersucht werden: Gita Deneckere, Leopold I. De eerste koning van Europa. Antwerpen 2011.

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Leopold war erst seit ein paar Tagen Staatsoberhaupt, als die niederländische Armee am 2.August 1831 in Belgien einmarschierte. Alle erwarteten, dass der König die militärische Führung übernehmen würde. Schließlich hatte er bei seiner Ankunft im Land keinerlei Zweifel daran gelassen, dass er genau dies tun würde. Und die Öffentlichkeit reagierte mit Erleichterung, zählte auf die militärische Erfahrung des Herrschers, als dieser am 5.August verkünden ließ, dass er persönlich den Oberbefehl über die belgische Armee übernommen habe. Nach Ende des eigentlich nicht sonderlich erfolgreichen Feldzugs wurde Leopold I. dann mit Lob überhäuft. Bedenken, ob das Auftreten des Königs verfassungskonform war, gab es nicht. Und diese militärische Einkleidung der Monarchie im Jahr 1831 hatte weitreichende Folgen. Die verfassungsrechtliche Tradition Belgiens wollte es seitdem, dass der König in Kriegszeiten persönlich den Oberbefehl über das Heer erhielt. Diese Tradition hat die Macht des belgischen Königs in Kriegszeiten verstärkt und dazu geführt, dass der König es auch zu seinen unabweisbaren Pflichten zählte, die militärischen Operationen tatsächlich selbst zu leiten. 19 Leopold I. wollte in erster Linie Frieden und politische Stabilität in Europa und für Belgien. Er setzte sich für eine Annäherung zwischen Frankreich und England ein, um einen Krieg in Europa zu vermeiden. 20 1856 feierte Belgien den 25. Jahrestag seiner Inthronisierung. Dies ging mit diversen Feierlichkeiten einher. In Brüssel fand ein Umzug mit Prunkwagen statt, die jeweils eine belgische Provinz, eine historische Figur oder ein Thema darstellten. Der Umzug wurde abgeschlossen durch einen „Wagen des Friedens oder Leopolds I.“ („Le char de la paix ou de Léopold Ier“). Oben auf diesem Wagen ragte aus einem großen Blumenkorb eine junge Frau hervor. Sie symbolisierte den Frieden und hielt einen Olivenkranz über das Porträt Leopolds I., des Friedensfürsten. Die Botschaft war deutlich: Leopold I. hatte Belgien aus den Revolutionswirren von 1848 herausgehalten, und seine Politik des Friedens und des Gleichgewichts hatte dem Land Fortschritt und Wohl-

19

Jean Stengers, De Konigen der Belgen. Macht en Invloed van 1831 tot heden. Leuven 1992, 85–88.

20

Gustaaf Janssens, König Leopold I., Freiherr von Stockmar und das Gleichgewicht in Belgien und Euro-

pa, in: Michael Henker/Evamaria Brockhoff (Hrsg.), Ein Herzogtum und viele Kronen. Coburg in Bayern und Europa. (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur, 35.) Augsburg 1997, 46; Deneckere, Leopold I (wie Anm.18), 317–329.

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stand beschert. 21 In einem Brief an seinen Schwager Graf Mensdorff-Pouilly schrieb der König: „da Ich nun fast der einzige Europäische politische Artz bin der seinen Kranken nicht allein gut durggebracht, dessen Gesundheit aber selbst gestärkt und gebessert hat, so gieb mir dies bey den meisten Cabinetten, und auch bey den Völkern ein vertrauen was ich noch tüchtig zum Wohl von Europa zu verwenden und zu benutzen gedenke.“ 22

Bei seinem Tod 1865 nahm Belgien dann durchaus dankbar Abschied von seinem ersten König. 23 Leopold I. war ein gewissenhafter und pflichtbewusster Fürst gewesen. Er hatte keinen „Heldenstatus“ erworben, wohl aber Autorität. Und er erfuhr nicht nur in Belgien, sondern auch darüber hinaus hohe Wertschätzung. Sein Neffe, Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha, beschrieb dies in seinen Memoiren: „Das was des Königs Größe, daß er zum Schirm und Hüter eines eben erstehenden Staates bestellt – eines machtlosen, politisch und religiös gespaltenen Staates – mit sicherem Blicke des einzige Heil in dem Fundament des Rechtes und der Freiheit erkannte. Er verstand seine Zeit und Ihre Forderungen. Gewißermasen der Träger des modernen constitutionellen Lebens, hat er durch die Aufrichtigkeit seiner Hingabe an die Institutionen des Landes, wie durch die nach rechts und links bewährte Festigkeit des Charakters seinen jungen Staat zu jenem Musterstaat erhoben, auf den die andern Völker des Continents mit sehensüchtigem Neid schauen und der in gewaltigen Katastrophen, als hundertjährigen Throne zittern, unberührt und in sich gefaßt darstand.“ 24

21 Die Abbildung des Prunkwagens ist als letztes Bild aufgenommen in: Cérémonies et fêtes qui ont eu lieu à Bruxelles, du 21 au 23 juillet 1856, à l’occasion du XXVe anniversaire de l’inauguration de Sa Majesté le Roi Léopold Ier. Brüssel 1856. Zu den Feierlichkeiten siehe auch: Louis Hymans, XXVe anniversaire de l’inauguration du Roi. Les fêtes de juillet. Compte rendu des solennités et cérémonies publiques célébrées à Bruxelles les 21, 22 et 23 juillet 1856. Brüssel [1856]. 22 Leopold I. an Graf Mensdorff-Pouilly, 20.12.1848, in: Jean Puray/Hans-Otto Lang (Eds.), Lettres de Léopold Ier à sa soeur la princesse Sophie; à son beau-frère Emmanuel, comte de Mensdorff-Pouilly; à son neveu Alphonse, comte de Mensdorff-Pouilly, 1804–1864. Lüttich 1973, 367. 23 Die Beisetzung des Königs wurde festgehalten in einem Bilderalbum von Louis Ghémar, Funérailles de S.M. Léopold Ier Roi des Belges et avènement de Léopold II au trône. Brüssel [1866]. Über diese Publikation: Marie-Christine Claes/Catherine Rommelaere, L’album Ghémar des funérailles de Léopold Ier (1866): histoire de l’édition d’un reportage „photographique“, in: Koninklijk Instituut voor het Kunstpatrimonium – Institut royal du patrimoine artistique, Bulletin 31, 2004/05, 159–204. 24 Ernst II. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Bd. 3. Berlin 1889, 486.

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III. Leopold II. – der gestürzte Held Prinz Leopold, der älteste Sohn des ersten Königs, war vielgereist und hatte Großes vor. Er wollte ein „Weltreich“ errichten. Auf einer Deutschlandreise (1861) brachte er seine ehrgeizigen Träume zu Papier: „Eines Tages soll die belgische Flagge in allen fünf Erdteilen wehen. Belgien soll der Mittelpunkt eines belgischen Weltreichs werden, das, mit Gottes Hilfe, aus den Inseln im Stillen Meer, Borneo, diversen Stützpunkten in Afrika und Amerika und Teilen Chinas und Japans bestehen wird.“ 25 Nach seiner Vereidigung hielt Leopold II. (1865–1909) dann an seinen Träumen fest. Ab 1875 begann er, ohne Unterstützung durch die belgische Politik, einen „afrikanischen Plan“ auszuarbeiten. Auf dem Berliner Kongress 1885 führte dies zur Anerkennung der von der „Association Internationale Africaine“ kontrollierten Gebiete in Zentralafrika als eigenständigem Staat. Der „Unabhängige Kongostaat“ („L’État indépendant du Congo“) mit Leopold II. als königlichem Herrscher war damit geboren. Leopold II., König der Belgier, war insofern zuförderst Unternehmer und Geschäftsmann, und zwar einer, der sich mit den großen Unternehmern und Bankiers seiner Zeit gut zu stellen wusste und sie so für seine „afrikanischen Pläne“ einspannen konnte. Historiker wie Neal Asherson (1964) 26, Fritz Stern (1977) 27, Barbara Emerson (1979) 28, John Forbes Munro (2003) 29 und Jan Vandersmissen (2009) 30 äußern sich in dieser Hinsicht deutlich. Der Kongostaat war ein Wirtschaftsgebiet mit einem militärisch orientierten Verwaltungsapparat. Das Streben nach maximalen Gewinnen führte schnell zu schwerem Missbrauch und einem gewalttätigen

25

Jean Stengers, L’agrandissement de la Belgique: rêves et réalités, in: Gustaaf Janssens/Jean Stengers

(Eds.), Nouveaux regards sur Léopold Ier & Léopold II. Fonds d’Archives Goffinet. Brüssel 1997, 264. 26

Neal Asherson, The King Incorporated. Leopold II in the Age of Trusts. London 1964.

27

Fritz Stern, Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder. Reinbek bei Hamburg 2000, 449–

568 (die engl. Originalausg. u. d. T.: Gold and Iron. Bismarck, Bleichröder and the Building of the German Empire. New York 1977). Siehe auch: Marcel Luwel, Gerson von Bleichröder. L’ami commun de Léopold II et de Bismarck, in: Africa-Tervuren 8, 1963, 93–110. 28

Barbara Emerson, Leopold II of the Belgians. King of Colonialism. London 1979, 142–155 u. 232–242.

29

John Forbes Munro, Maritime Enterprise and Empire. Sir William Mackinnon and his Business Net-

work, 1823–93. Woodbridge 2003, 367–369 u. 502. 30

Jan Vandersmissen, Koningen van de wereld. Leopold II en de aardrijkskundige beweging. Leuven/Den

Haag 2009, 292–394.

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Auftreten gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Sowohl bei der Kautschukernte als auch beim Transport von Elfenbein und dem Bau eines Eisenbahnnetzes waren Zwangsarbeit, körperliche Züchtigung, Strafexpeditionen und Mord keine Ausnahme. Internationale Reaktionen auf die Ausbeutung der kongolesischen Bevölkerung und auf die dahinterstehende Politik Leopolds II. im Kongo blieben nicht aus. Der König musste die Einrichtung einer Untersuchungskommission im Kongo zulassen. Ihr Bericht fiel vernichtend aus. Belgische Politiker und Intellektuelle zeigten sich mehr als betroffen, und ein Konsens aller politischen Parteien war die Folge: Die Übernahme des Kongostaates durch Belgien sollte dem Missbrauch ein Ende setzen. 31 In der Erinnerung an Leopold II. steht die Kongofrage so prominent im Vordergrund, dass man geneigt ist, zu vergessen, dass sich der König in Belgien, ganz nach dem Vorbild seines Vaters, intensiv der Landesverteidigung und der Einsatzbereitschaft der Armee angenommen hat. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 diente dabei als Auslöser. Der König übernahm bei dieser Gelegenheit die Entscheidungsgewalt über alle militärischen Angelegenheiten. Belgien wurde nicht in den Krieg involviert, aber Leopold II. gelangte zu der Anschauung, dass er künftige Regierungen würde überzeugen müssen, das Land mit Festungen zu sichern und die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. Es ist bekannt, dass der König am 14. Dezember 1909, wenige Tage vor seinem Tod, das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht unterzeichnen konnte. 32 Angesichts des Todes Leopolds II. herrschte in breiten Schichten der belgischen Bevölkerung Gleichgültigkeit. Die Bewunderer des Monarchen aber sprachen vom „Hinscheiden eines genialischen Königs“. 33 Linken Kreisen war Leopold wegen sei-

31 Alain Stenmans, La reprise du Congo par la Belgique. Essai d’histoire parlementaire et diplomatique. Brüssel 1949; Jean Stengers, Congo. Mythes et réalités. 2., überarb.Aufl. Brüssel 2005, 181–192; Robert Senelle/ Émile Clément, Léopold II et la Charte coloniale (1885–1908). De l’État indépendant du Congo à la colonie belge. [Brüssel] 2009. 32 Emerson, Leopold II of the Belgians (wie Anm.28), 48–55; Wouter Rombauts, Leopold II, in: Robert Wellens/Maurits Wijnants (Eds.), België en zijn koningen. Dossier bij de gelijknamige tentoonstelling in het Algemeen Rijksarchief. Brüssel 1990, 64–70; Philippe Raxhon, Léopold II, un roi déterminé face à la guerre franco-allemande de 1870, in: Vincent Dujardin u.a. (Eds.), Léopold II. Entre génie et gêne. Politique étrangère et colonisation. Brüssel 2009, 105–125; Francis Balace, Krieg in Sicht (1904–1908). Le mythe d’un roi francophile, in: ebd.127–144. Das Kabinettsarchiv von König Leopold II. (Brüssel, Archiv des königlichen Palastes) enthält auffallend viele Aktenhefte zu militärischen Angelegenheiten. 33 Lucy Kufferath, Évocations et souvenirs dynastiques 1909–1935. Brüssel 1935, 29 u. 48.

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ner megalomanischen Bauprojekte im eigenen Land, wegen der despotischen Herrschaft im Kongo, wegen seiner konservativen Haltung und auch wegen seiner privaten Skandale suspekt. In der rechten Presse wurde er demgegenüber stilisiert zum „großen König, der sein Leben lang danach gestrebt [habe], Belgien ‚schöner, stärker und reicher‘ zu machen.“ 34 Seine Anhänger verehrten ihn wegen seiner Standhaftigkeit gegenüber Politikern, die, wie Léon Hennebicq behauptete, „nur den Sieg ihrer eigenen Partei suchten“. König Leopold II. hatte, wie Hennebicq weiter ausführte, „eine Sisyphusarbeit [geleistet], indem er die Politiker mit ihren byzantinischen Diskussionen dazu brachte, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen und ein gemeinsames Ideal zu finden“ – geradezu eine „dreizehnte Herkulesarbeit!“ 35 Dennoch hatten zahlreiche Zeitgenossen, auch solche, die dem König nahestanden, und darunter auch Prinz Albert, der spätere Albert I., keine allzu hohe Meinung von Leopold II. und seiner afrikanischen Unternehmung. Als der Prinz ein Jahr vor dem Tod seines Onkels eine Reise durch die junge belgische Kolonie unternahm, prangerte er in seinem Tagebuch den „absolutisme léopoldien“ sowie den Umstand an, dass die Gewinne aus dem Kongo nur denen zugutekamen, die noch nie einen Fuß in den Kongo gesetzt hatten. Der Prinz notierte in seinem Tagebuch: „Le travail en Afrique, l’or à Bruxelles, voilà la devise de l’État Indépendant.“ 36 Die Verbindung zwischen der belgischen Monarchie und dem Kongo blieb insofern eng, und im Königspalast gab es Besorgnis ob der Lebensbedingungen der Kongolesen. Es bestand großes Interesse an allem, was mit der Kolonie zu tun hatte. 37 Darüber hinaus empfanden in der Folge viele Belgier tatsächlich Bewunderung und Dankbarkeit für Leopold II. Was und wie Belgisch-Kongo war oder zu sein schien, konnte Belgien auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel mit Stolz vorführen. Es war freilich das letzte Mal, dass mit der Kolonie geprunkt werden konnte. 38 Zwei Jahre

34

Jan Velaers, Albert I. Koning in tijden van oorlog en crisis 1909–1934. Tielt 2009, 80.

35

Léon Hennenbicq, Le roi Léopold II. Brüssel [1905], 40–42. Zu Hennebicq siehe Georges Aronstein,

Art.„Hennebicq, Léon“, in: Biographie Nationale. Vol.30. Brüssel 1958, 451–458. 36

Raumond Buren, Journal de route du prince Albert en 1909 au Congo.O. O. 2008, 122 u. 157.

37

Stengers, Congo. Mythes et réalités (wie Anm.31), 223f. Eine Übersicht über die „koloniale Politik“ der

belgischen Könige von Albert I. bis Baudouin: Mark Van den Wijngaert/Lieve Buellens/Diane Brants, Pouvoir et monarchie. La Belgique et ses rois. Brüssel 2002, 340–358. 38

Zana Aziza Etambala, De teloorgang van een modelkolonie. Belgisch-Congo (1958–1960). Leuven/

Voorburg 2008, 105–110. Auch Luc Vints, Congo made in Belgium. Beeld van een kolonie in film en propaganda. Leuven 1984, 106f. Hinsichtlich der Weltausstellung „Expo 58“ und des Anwachsens des Nationalismus in Kongo: Jean-Marie Mutamba Makombo Kitatshima, Du Congo belge au Congo indépendant 1940–

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später, bei der Entlassung des Landes in die Unabhängigkeit (30.Juni 1960), erwachten viele Belgier aus ihrem selbstgefälligen Traum vom Kongo. 39 König Baudouin, der 1955 von der kongolesischen Bevölkerung stürmisch umjubelte „junge Chef“ 40, hielt bei der Unabhängigkeitszeremonie in Léopoldville eine Rede, die vom belgischen kolonial-paternalistischen Selbstwertgefühl, einem idealisierten Bild von Leopold II., dessen afrikanischer Unternehmung und der belgischen Kolonialisierung gekennzeichnet war. 41 Die darauf folgende heftige Antwort des kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba zerstörte dieses Bild umgehend und nachhaltig. 42 Gegen Ende des 20.Jahrhunderts war Leopold II. in den Augen vieler so geradezu zu einer Inkarnation des Bösen geworden. Er hatte den unabhängigen Kongostaat in „ein riesiges Arbeitslager“ verwandelt, seine Herrschaft im Kongo wurde als kriminell gewertet und mit dem Naziregime verglichen. Der Held war zum Verbrecher und Völkermörder geworden. 43 Diese kritische Haltung war dabei gar nicht neu.

1960. Émergence des „évolués“ et genèse du nationalisme. Kinshasa 1998, 310 u. 318–320, sowie Sarah Van Beurden, „Un panorama de nos valeurs africaines.“ Belgisch Congo op Expo 58, in: Vincent Viaene/David Van Reybrouck/Bambi Ceuppens (Eds.), Congo in België. Koloniale cultuur in de metropool. Leuven 2009, 299–311. 39 Sabine Cornelis, De tevreden kolonisator, of hoe Congo in België werd voorgesteld (1897–1958), in: Jean-Luc Vellut (Ed.), Het geheugen van Congo. De koloniale tijd. Tervuren/Gent 2005, 164–169. 40 1955 unternahm König Baudouin eine legendäre Rundreise durch den Kongo. Zeitgenössische Publikationen zu diesem Thema: André Cauvin, Bwana Kitoko. Un livre réalisé au cours du voyage du Roi des belges au Congo et dans le Ruanda-Urundi. Paris/Brüssel 1956; und Pol Walheer, Le grand Chef blanc. Un récit de l’inoubliable „Joyeuse Entrée“ de S.M. Baudouin I au Congo Belge. Lüttich 1956. Siehe auch: Zana Aziza Etambala, Congo 55/65. Van koning Boudewijn tot president Mobutu. Tielt 1999, 17–38, und Erik Raspoet, Bwana Kitoko en de koning van de Bakuba. Een vorstelijke ontmoeting op de evenaar. Antwerpen/ Amsterdam 2005. 41 Luc De Vos/Emmanuel Gerard/Jo Gérard-Libois/Philippe Raxhon, Les secrets de l’affaire Lumumba. Brüssel 2005, 524–526. Der Text der Rede von König Baudouin: P. J. Victor Neels (Ed.), Nous Baudouin, Roi des Belges. Testament politique, social et moral d’un noble souverain. Vol.1. Balen 1996, 289–292. 42 Der Text der Rede von Lumumba: Walthère J. Ganshof Van der Meersch, Fin de la souveraineté belge au Congo. Documents et Réflexions. Den Haag 1963, 332–334 (mit Kommentar). Beide Reden sind auch zu finden in: Stengers, Congo. Mythes et réalités (wie Anm.31), 294–296. Zum Zwischenfall siehe auch Etambala, Congo 55/65 (wie Anm.40), 156–160, und Jean Omasombo Tshonda, L’affaire Lumumba ou la parole sur l’indépendance du Congo, in: Marc Quaghebeur (Ed.), Figures et paradoxes de l’Histoire au Burundi, au Congo et au Rwanda. Vol.1. Paris 2002, 230–279. Zu Patrice Lumumba (1925–1961), dem 1961 ermordeten ersten Premierminister der Republik Kongo: Luc De Heusch, Art.„Lumumba, Patrice“, in: Biographie belge d’OutreMer – Belgische overzeese Biografie. Vol.6. Brüssel 1968, 678–683. 43 Michel Dumoulin, Léopold II. Ce „géant“ devenu „génocidaire“. Une approche historiographique, in:

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Schon während seiner Herrschaft hatte der König in Belgien und in der angelsächsischen Welt wegen der Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung und der im Kongo verübten Gewalttaten Kritik einstecken müssen. 44 Nach 1909 wurden die dunklen Seiten von Leopolds Herrschaft im Kongo dann allerdings zumindest in Belgien schnell vergessen. 45 Der König erhielt dort einen „genialischen“ Heiligenschein. „Léopold II fut un Roi génial“, – so explizit Lucy Kufferath 1930. 46 Der Umstand, dass Leopold II. in Belgien und in belgischen kolonialen Kreisen viel Lob erhielt, ist auf das Aufblühen des Belgisch-Kongo nach dem Ersten Weltkrieg zurückzuführen. Die erfolgreiche Kolonialisierung war nach allgemeiner Auffassung auf die Vision und Tatkraft des Königs zurückzuführen. In dieser Zeit erschienen hagiografisch geprägte Publikationen, in denen der Monarch beschrieben wurde als „ein unverstandener und weitsichtiger Patriot“, „ein Riese, der auf eine gigantische Beute aus ist“, als jemand der, „einen passenden Traum hatte: Afrika“. 47 Bereits zuvor hatte der Diplomat und Historiker Louis de Lichtervelde das Wirken Leopolds in Afrika, d.h. die Gründung, Organisation und Ausbeutung des Kongostaats als „eine heroische Anstrengung“ bezeichnet. 48 Der Mythos Leopolds II. als „Visionär“ und „genialische[r] Schöpfer der Kolonie“, als „ Bote von Wohlstand und Zivilisation in Zentralafrika“, hatte in der belgischen öffentlichen Meinung lange Zeit Bestand. Und dies trotz des Umstands, dass etwa Jean Stengers bereits zu Beginn der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in seinen Arbeiten über den Kongo und den König, aller Hagiografie zu Leopold II. eigentlich jede Grundlage entzogen hatte. 49 Darüber hinaus erschienen die Leopold-

Dujardin u.a. (Eds.), Léopold II (wie Anm.32), 31–44. Siehe auch: Michel Dumoulin, Léopold II un roi génocidaire? (Académie royale de Belgique. Mémoires de la Classe des Lettres, Collection in-8°, 3e Serie, 37.) Brüssel 2005. Ein interessanter Beitrag zu den Mythen, der Entmythologisierung und der Kontextualisierung der Geschichte des Kongo: Jean-Luc Vellut, Beelden van de koloniale tijd, in: ders., Het geheugen van Congo (wie Anm.39), 11–21. 44 Zur Anti-Kongokampagne: Asherson, The King Incorporated (wie Anm.26), 241–270; Emerson, Leopold II of the Belgians (wie Anm.28), 243–252, und Pierre-Luc Plasman, L’État indépendant du Congo face aux campagnes anticongolaises, in: Dujardin u.a. (Eds.), Léopold II (wie Anm.32), 209–226. 45

Vellut, Beelden van de koloniale tijd (wie Anm.43), 13.

46

Kufferath, Évocations et Souvenirs Dynastiques (wie Anm.33), 48.

47

Fernand Desonay, Léopold II ce géant. Tournai/Paris [1936], 76 u. 131.

48

Louis De Lichtervelde, Léopold II. Paris/Brüssel 1927, 220.

49

Guy Vanthemsche, De historiografie van het Belgisch kolonialisme in Congo, in: ders./Machteld De

Metsenaere/Jean-Claude Burgelman (Eds.), De Tuin van heden. Dertig jaar wetenschappelijk onderzoek over de hedendaagse Belgische samenleving. Een bundel studies aangeboden aan Professor Els Witte naar

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Biografien von Neal Asherson 50 und Barbara Emerson 51. Doch es waren vor allem die Studien von A. M. Delathuy (Jules Marchal) 52 und Daniel Vangroenweghe 53, die auf der Grundlage sorgfältiger Quellenforschung einen wichtigen Beitrag zur Entmythologisierung des „großen Wirkens von Leopold II. im Kongo“ geleistet haben. Bekannt ist auch die Arbeit von Adam Hochschild, die in viele Sprachen übersetzt wurde, freilich sehr zugespitzt und nicht selten polemisch ist. 54 Jedenfalls aber brachten die Untersuchungen zutage, dass Leopold II. von den Verbrechen wusste, die während seiner Herrschaft an der kongolesischen Bevölkerung verübt worden waren. 55 Es kann nicht behauptet werden, dass der König im Unklaren darüber gewesen sei, was in seinem Kongostaat passierte. Die Zeit der „dankbaren Erinnerung“ an „den heldenhaften und genialischen Leopold II.“, „den Boten der Zivilisation und den Befreier der kongolesischen Bevölkerung“ ist also vorbei und Leopold II. kein Held mehr. 56

aanleiding van haar emeritaat. Brüssel 2007, 426f. In diesem Zusammenhang ist unter anderem zu nennen: Jean Stengers, Combien le Congo a-t-il coûté à la Belgique? (Académie royale des Sciences coloniales. Classe des Sciences morales et politiques, Mémoires in-8°, Nouvelle Série, 11/1.) Brüssel 1957. Zum Werk von Stengers (1922–2002): Ginette Kurgan-Van Hentenryk, Jean Stengers, l’homme et son oeuvre, in: Jean-Marie Duvoqsuel/Alain Dierkens/Guy Vanthemsche (Eds.), Belgique, Europe, Afrique: deux siècles d’histoire contemporaine. Méthode et réflexions. Recueil d’articles de Jean Stengers. Brüssel, 2005, 15–26, und Dumoulin, Léopold II (wie Anm.43), 40–42. 50 Asherson, The King Incorporated (wie Anm.26). 51 Emerson, Leopold II of the Belgians (wie Anm.28). 52 A. M. Delathuy [i. e. Jules Marchal], E. D. Morel tegen Leopold II en de Kongostaat. Berchem 1985; Jules Marchal, L’État libre du Congo: paradis perdu. L’histoire du Congo 1900–1910. Borgloon 1996. 53 Daniel Vangroenweghe, Rood rubber. Leopold II en zijn Kongo. Brüssel/Amsterdam 1985 (2.Aufl. Leuven 2004), Übersetzung: Daniel Vangroenweghe, Du sang sur les lianes. Léopold II et son Congo. Paris 1986 (2., überarb.Aufl. Paris 2010). 54 Adam Hochschild, King Leopold’s Ghost. A Story of Greed, Terror and Heroism in Colonial Africa. Boston/New York 1998. Eine Kritik zu Hochschilds Buch: Jean Stengers, Critique du livre de Hochschild, in: ders., Congo. Mythes et réalités (wie Anm.31), 307f. Siehe auch: Philippe Marechal, Kritische bedenkingen bij de controverses over Leopold II en Congo in de literatuur en de media, in: Vellut (Ed.), Het geheugen van Congo (wie Anm.39), 43–49. 55 Daniel Vangroenweghe, Voor rubber en ivoor. Leopold II en de ophanging van Stokes. Leuven 2005, 307f. 56 Valérie Rosoux, Léopold II ou la figure de l’absent dans les discours officiels, in: Dujardin u.a. (Eds.), Léopold II (wie Anm.32), 262.

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IV. Albert I. – der ritterliche Held Der einzige belgische König, der bis heute Heldenstatus besitzt, ist Albert I. (1875–1934). Nichts deutete darauf hin, dass der schüchterne junge Mann, der 1909 zögernd und ohne große Leidenschaft seinem Onkel Leopold II. auf den Thron gefolgt war, noch keine fünf Jahre später in der ganzen Welt als ein Held verehrt werden sollte. König Albert I. ging tatsächlich als roi-soldat, roi-chevalier und als die Person in die Geschichte ein, die, wie Archibald Primrose, 5. Earl of Rosebery, 1914 schrieb, seinen Zeitgenossen bewies, „that kingdom is not dead, and that heroism still survives“. 57 Der Heldenkult um die Person König Alberts entstand im Ersten Weltkrieg und überdauerte seinen Tod. 58 Albert I. wurde zum Sinnbild für das heroische und triumphierende Vaterland. 59 Schon bei seiner Vereidigung wurde deutlich, dass die belgische Monarchie mit König Albert einen anderen Kurs einschlagen würde. Nicht nur legte der König den Eid auf die Verfassung sowohl auf Französisch als auch auf Niederländisch ab, sondern distanzierte sich in seiner Thronrede ebenfalls vorsichtig von der Kongopolitik seines Vorgängers. 60 Nach dem alten, konservativen, verbitterten und wegen seiner außerehelichen Beziehungen stark kritisierten Leopold II. erwartete das Land viel von einem jungen und modernen König, der Belgien ins 20.Jahrhundert führen sollte. König Albert und Königin Elisabeth präsentierten sich als junges Ehepaar mit drei kleinen Kindern, und in der Presse erschienen Berichte über den König als Modellehemann und Vater, der mit seiner Familie ein einfaches bürgerliches Leben führte. 61 Ein größerer Kontrast zu Leopold II. war kaum denkbar. Lediglich die sozialistische Presse legte angesichts der euphorischen Erwartungen eine gewisse Zu-

57

King Albert’s Book. A Tribute to the Belgian King and People from representative Men and Women

throughout the World. London 1914, 17. 58

Zur Mythenbildung um Albert I.: Van den Abeelen, Le roi Albert (wie Anm.5), und Laurence Van Yper-

sele, Le roi Albert. Histoire d’un mythe. Ottignies/Louvain-la-Neuve 1995. 59

Laurence Van Ypersele, Les héros nationaux de la Grande Guerre en Belgique: mémoires collectives et

enjeux identitaire, in: Pierre-Alain Tallier/Patrick Nefors (Eds.), Quand les canons se taisent – En toen zwegen de kanonnen – When the Guns fall Silent. (Archives générales du Royaume, Etudes sur la première guerre Mondiale, 18.) Brüssel 2010, 417–448, hier 423. 60

Jacques Willequet, Albert I, koning der Belgen. Amsterdam/Brüssel 1979, 42f. Willequet merkt aller-

dings an, dass der König nach dem Krieg jede Gelegenheit ergriff, die „brillanten Eigenschaften“ seines „beliebten Onkels“ hervorzuheben. 61

422

Laurence Van Ypersele, Le roi Albert (wie Anm.58), 122.

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rückhaltung an den Tag. Man kann sagen, dass die Belgier in ihrem jungen König ihre eigenen Ideale wieder erkennen wollten: eine glückliche Familie, Respekt vor der Demokratie und Unterstützung des Fortschritts als Grundlage für sittlichen und materiellen Wohlstand. 62 Die günstigen Umstände, unter denen die Regierung Alberts I. begann, sorgten dafür, dass der König eine neue bzw. erneuerte Form der Monarchie einführen konnte: eine Monarchie, die – wie zu Zeiten Leopolds I. – wieder „aktiv vermittelnd“ auftrat. Auf dem Gebiet der Innenpolitik gelang das nicht sofort. Bei der Landesverteidigung sollte der König allerdings eine aktive traditionelle Rolle spielen, indem er angesichts der deutschen Invasion am 4.August 1914 persönlich den Oberbefehl über die Armee übernahm. 63 Die belgische Armee war der deutschen Übermacht nicht gewachsen und musste sich wenige Monate später – nach der Aufgabe der Festung Antwerpen am 10.Oktober 1914 – nach Westflandern zurückziehen. Sie sollte sich schließlich an der Yser eingraben und dort standhalten. 64 Am 15.Oktober 1914 bezogen König Albert und Königin Elisabeth Quartier in De Panne, einer kleinen Küstenstadt im unbesetzten Belgien jenseits der Yser. 65 Die Front stabilisierte sich, Deutschland besetzte den Großteil des Landes, und die belgische Regierung setzte sich ins französische Sainte-Adresse (nahe Le Havre) ab. 66 Albert I. ging als „der Held des Großen Kriegs“ in die Geschichte ein. Er hatte diese Heldenrolle nicht gesucht und hatte bei Kriegsausbruch – trotz seiner Popularität – sogar etwas von einem „Antihelden“. 67 Er tat seine Pflicht, hielt seinen Eid und versuchte, die Schrecken, die der Krieg für die belgischen Soldaten bedeutete, auf ein

62 Laurence Van Ypersele, Roi et nation. La représentation de la monarchie pendant l’entre-deux-guerres, in: Cahiers d’Histoire du Temps Présent – Bijdragen tot de Eigentijdse Geschiedenis 3, 1997, 11–25, hier 13. 63 Velaers, Albert I (wie Anm.34), 90f. und ders., Albert I en het actieve koningschap: 1909–1934, in: Museum Dynasticum, 22/2, 2010, 3–12, hier 4f. 64 Zum Kriegsverlauf: Luc Vandeweyer, De Eerste Wereldoorlog. Koning Albert en zijn soldaten. Antwerpen 2005. Ein Bericht über die ersten Kriegsmonate und die Aufgabe von Antwerpen findet sich in Émile Galet, S.M. le roi Albert, commandant en chef devant l’invasion allemande. Paris 1931. Émile Galet (1870– 1940) war während des Krieges der wichtigste militärische Berater des Königs: E. Wanty, Art.„Galet, ÉmileJoseph“, in: Biographie Nationale. Vol.40. Brüssel 1977/78, 323–326. 65 Brüssel, Archiv des königlichen Palastes: Privatarchiv König Albert I./Königin Elisabeth, Nr.530/1 (Vermerk des Ordonnanzoffiziers des Königs, 15.Oktober 1914). 66 Velaers, Albert I (wie Anm.34), 228–230. 67 Van den Abeelen, Le roi Albert (wie Anm.5), 22.

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Minimum zu beschränken. Nach Meinung des Königs konnte eine kleine Armee nicht eingesetzt werden, wenn keine Aussicht auf Erfolg bestand. Außerdem war er weder kriegslüstern noch auf einen Sieg aus, der Deutschland vollständig ausschalten würde. Ebenso wenig war Albert I. davon überzeugt, dass die Interessen der Alliierten mit denen Belgiens vollständig übereinstimmten. Die Neutralität des Landes und die Überzeugung, dass es der Mühe wert sei Verhandlungen mit Deutschland zu führen, um den Krieg zu beenden, haben das politische und militärische Denken König Alberts stark beeinflusst. 68 Der Mythos, der seit August 1914 rund um die Figur König Alberts entstanden ist, kann teilweise auf die Popularität des Monarchen vor dem Krieg zurückgeführt werden – Leopold II. war „der König“, Albert I. war „unser König“. 69 Sie wurde auch dadurch verstärkt, dass Albert das einzige Staatsoberhaupt war, das selbst den Befehl über die militärischen Operationen übernommen hatte. Diese Doppelrolle von Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Armee machte Albert in den Augen seiner Untertanen zu einem „von der Vorsehung bestimmten Retter des Vaterlands“. 70 Da sich der Krieg seit dem Winter 1914 zu einem Stellungskrieg entwickelt hatte, konnte der König die Soldaten regelmäßig in den Schützengräben besuchen. 71 Seine körperliche Anwesenheit an der Front hatte einen großen Einfluss auf die Moral der Truppen. Die Erzählungen der Soldaten über Begegnungen mit dem König zeigten dies eindringlich: „Ein Händedruck, eine Begrüßung hier, ein Wort da, und so marschiert der König furchtlos durch die Schützengräben. Man müsste gehört haben,

68

Eine gute Zusammenfassung der militärischen Ansichten Alberts I. im Ersten Weltkrieg: Velaers, Al-

bert I en het actieve koningschap (wie Anm.63), 4–6. Zu den geheimen (d.h. ohne Mitwissen der Regierung geführten) Verhandlungen: Velaers, Albert I (wie Anm.34), 262–283 u. 289–296. Zu den Friedensbemühungen des Königs: Marie-Rose Thielemans, Le roi Albert, la paix et la conduite de la guerre novembre 1915– février 1916, in: Actes du colloque d’histoire militaire belge (1830–1980). Brüssel 1981, 229–260. 69

Laurence Van Ypersele, Le Roi-Soldat au cœur d’une certaine identité belge (1909–1934), in: Museum

Dynasticum, 22/2, 2010, 13–20. 70

Ders., La représentation de la monarchie pendant l’entre-deux-guerres (wie Anm.62), 14–17.

71

Die Notizbücher der Ordonnanzoffiziere des Königs geben für den Zeitraum 29.Juli 1914–

22.November 1918 die Tätigkeiten König Alberts wieder. Sie sind digitalisiert und online über die Internetseiten der belgischen Staatsarchive/Archiv des königlichen Palastes zugänglich. http://arch.arch.be/index2.php?option=com_rab_archieven&task=container&cid=2584608. Der König machte sich auch selbst Notizen zu den Besuchen in den Schützengräben. Beispiele finden sich bei H.D. Hemmer, Le Roi Albert, Commandant en Chef de 1914 à 1918, in: Hervé Gérard/Jo Gérard (Eds.), Albert Ier, insolite. Brüssel 1984, 58–62.

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wie dieser Besuch diskutiert wurde!“ Eine andere Reaktion hob hervor: „Und unser König hat die Suppe ganz einfach aus der großen Kelle gekostet“. 72 Die Soldaten erlebten am eigenen Leib, dass sie nicht einfach in die Schlacht geworfen wurden. Sie setzten ihre Hoffnungen auf den König. Kaum jemand verlor ein böses Wort über ihn, auch nicht diejenigen, die sich für die Rechte der flämischen Soldaten einsetzten und das Sprachenproblem in der Armee anprangerten. So ist es typisch, dass die Anführer der flämischen Frontbewegung ihre Klagen in Form von „offenen Briefen“ an den König vorlegten. In ihre Vorgesetzten hatten sie kein Vertrauen mehr, sie misstrauten der Regierung. „In U alleen, O Koning, gelooven we nog“, steht in dem offenen Brief vom 11.Juli 1917, in dem sie den König um ein offizielles Versprechen zur Gleichberechtigung der Flamen nach dem Krieg baten. 73 In flämischen Kriegsromanen ist König Albert ein Held, eine Messiasfigur, die sich „gegen das durch die deutschen Truppen personifizierte Böse“ wendet. Für König Albert zu sterben war für viele Soldaten „der Höhepunkt ihrer individuellen Opferbereitschaft“. 74 Erst nach dem Krieg wandten sich die flämischen Nationalisten und die proflämische Presse vom König ab, als er zum Symbol eines einheitlichen Belgiens und seiner „unzulänglichen Sprachgesetze“ wurde. 75 Dennoch hielt sich noch lange der Glauben, „dass König Albert zwar eine tiefe Zuneigung für die Bedürfnisse des flämischen Bevölkerungsteils hegte, diese aber nie äußerte, um Konflikte mit seiner überwiegend antiflämischen Umgebung zu vermeiden“. 76 Das energische Auftreten des Königs in politischen Angelegenheiten stützt diesen Mythos allerdings nicht unbedingt. 77 72 Marcel Cordemans (Ed.), Uit soldatenpennen. London 1917, 73f. 73 Herman Van Goethem, Belgium and the Monarchy. From National Independence to National Desintegration. Brüssel 2011, 113f. Ein Exemplar des offenen Briefs an den König [11.Juli 1917]: Brüssel, Archiv des königlichen Palastes: Kabinettsarchiv König Albert I (1914–1918), Nr.352. Siehe auch Luc Vandeweyer, Open brieven van de Frontbeweging, in: De Schryver (Ed.), Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging (wie Anm.1), 2342. 74 Leopold R. G. Decloedt, „Er was eens een Koning-ridder … .“ Koning Albert in de Vlaamse letteren, in: Neerlandica Wratislavensia 8, 1995, 54, 49–52. 75 Laurence Van Ypersele, Le roi Albert et la mémoire de la Grande Guerre 14–18, in: Museum Dynasticum, 21/2, 2009, 44–57, hier 56, und Van Goethem, Belgium and the Monarchy (wie Anm.73), 153. 76 Decloedt, Er was eens een Koning-ridder (wie Anm 74), 51. 77 Lode Wils, Albert I en de Vlaamse beweging, in: Museum Dynasticum 22/2, 2010, 40–57, hier 57. Nach Max-Léo Gérard, Sekretär des Königs, traf der König die großen Entscheidungen immer alleine, und er fügt hinzu, „ceux qui écrivent que son entourage décourageait le Roi, se trompent“. Max-Léo Gérard, Le Roi au service du Pays, in: Albert le Grand. Brüssel 1934, 145–155, hier 153.

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V. Das „King Albert’s Book“ Natürlich hatte die alliierte Propaganda ein Auge für die besondere Position von König Albert. Eine der auffälligsten und sehr frühen Formen internationaler und öffentlicher Huldigung Alberts ist das „King Albert‘s Book“, das im Dezember 1914 von der britischen Tageszeitung „The Daily Telegraph“ herausgebracht wurde und in dem 238 Persönlichkeiten aus aller Welt dem König die Ehre erwiesen. 78 Neben der englischen Ausgabe erschienen auch Fassungen auf Französisch 79 und auf Niederländisch 80. Das „King Albert’s Book“ enthält Zeugnisse, literarische Beiträge sowie Musikstücke und ist mit Bildern illustriert, die das Grauen des Kriegs und den heroischen Widerstand des „brave little Belgium“ und seines Königs abbilden, der es wie ein zweiter David mit Goliath aufnimmt. 81 Das „King Albert’s Book“ verherrlicht sowohl den König als auch Belgien. So werden Land und Herrscher auch häufig im selben Atemzug genannt. Der polnische Komponist Ignace Paderewski schreibt: „King Albert’s and his people’s immortal example gives us courage and strength, as it always will comfort, strengthen, and encourage all countries and nations suffering and longing for liberty“. 82 In vielen Texten steht der König im Mittelpunkt. Henri Lavedan, französischer Journalist und Schriftsteller, widmet ihm, den er „die größte Persönlichkeit des Modernen Zeitalters“ nennt, eine ganze Seite: „Il possède l’Immortalité sans avoir eu besoin de mourir et en y étant toujours prêt […]. Pur et beau comme une idée, fort et doux comme une foi, calme et ardent comme une volonté, grave comme une religion, digne comme un devoir, muet comme un chef, sachant se taire, surtout dans le bruit, et puis parler pour dire les seuls mots décisifs qui sont des commandements du Droit et la consigne de l’Honneur […]. Il a pour sceptre son épée sans tache, il est le

78

King Albert’s Book. A Tribute (wie Anm.57).

79

King Albert’s Book. Hommage d’admiration au Roi et au Peuple belge de la part des principaux repré-

sentants des nations de l’univers. London 1914. 80

King Albert’s Book. Een hulde aan den Koning der Belgen en het Belgische volk vanwege voorname

en gezaghebbende personaliteiten door de wereld heen. London 1914. 81

Zum Beispiel B. Wilson Carlile (= Sir Robert Baden-Powell) in: King Albert’s Book. A Tribute (wie

Anm.57), 98 u. 176 (zit. nach Van den Abeelen, Le roi Albert [wie Anm.5], 24, und Van Ypersele, Le roi Albert [wie Anm.58], 313). Zum David/Goliath-Vergleich siehe auch Van Ypersele, La représentation de la monarchie (wie Anm.62), 17. 82

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King Albert’s Book. A Tribute (wie Anm.57), 170, und De Schaepdrijver, Deux patries (wie Anm.8), 21.

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Héros dont la tête nue et libre dans la bataille dépasse soudain la couronne pour appartenir à l’étoile!“ 83

Henri Bergson schreibt: „Deux fois, au cours de l’histoire, [la philosophie] a brillé sur un trône; et, les deux fois, elle aura été associé à la plus haute vertu. Elle inspira jadis le stoïcisme de Marc Aurèle. Elle sourit aujourd’hui avec amour à l’héroïsme simple et sublime du Roi Albert.“ 84 Und dieses Heldentum preist auch Anatole France, wenn er formuliert: „Il est né avec l’ame d’un héros et d’un juste.“ 85 Für Vicente Blasco Ibáñez ist Albert I. „Un héroe sin desearlo ni burscarlo; el héroe más grande y más simpático de todo el siglo XX. Es ‚el rey caballero‘“ – ein Ritter-König und Held ohne es zu wollen. 86 Der französische Komponist Camille Saint-Saëns, der den König und die Königin persönlich kannte, erklärt: „Sans rien perdre de sa tranquillité, le jeune souverain connu jusqu’à présent comme un diplomate, un savant, un artiste, s’est révélé tout à coup, à l’étonnement et à l’admiration du monde, un héros.“ 87 Auch für Winston Churchill war klar: „The name of their heroic sovereign, King Albert, will henceforth be written with those of the great liberators of the world.“ 88

VI. Albert I. – der Friedensfürst Im von Deutschland besetzten Belgien versuchte die Bevölkerung derweil zu überleben. Da zu wenig Getreide vorhanden war, drohte im Herbst 1914 eine landesweite Hungersnot. Ein Nationales Hilfs- und Lebensmittelversorgungskomitee wurde eingerichtet, dem es gelang, ein Netzwerk von über 4000 lokalen Vertretungen aufzubauen. Auf diese Weise wurde, dank der vom American Committee for Relief in Belgium unter neutraler internationaler Kontrolle durch Spanien, die Niederlande und (bis 1917) die Vereinigten Staaten geleisteten Hilfe, die Zivilbevölkerung vor einer Hungersnot gerettet. 89

83 King Albert’s Book. A Tribute (wie Anm.57), 115. 84 Ebd.59. 85 Ebd.161. 86 Ebd.159. 87 Ebd.128. 88 Ebd.142. 89 Über die humanitären Hilfsmaßnahmen, speziell über den Einsatz von Rodrigo de Saavedra y Vicent,

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Im besetzten Belgien verkörperte Kardinal Mercier, der Erzbischof von Mecheln, den moralischen Widerstand gegen die deutsche Besetzung. 90 In seinem berühmten Hirtenbrief Patriotisme et endurance (Weihnachten 1914) schreibt er über den König: „Notre Roi est, dans l’estime de tous, au sommet de l’échelle morale; il est seul, sans doute, à l’ignorer, tandis que, pareil au plus simple de ses soldats, il parcourt les tranchées, et encourage de la sérénité de son sourire, ceux à qui il demande de ne point douter de la patrie.“ 91

Somit erhielt König Albert von höchster kirchlicher Stelle in Belgien die größtmögliche moralische Auszeichnung. Kardinal Mercier wird wohl kaum vermutet haben, dass der König ihn für „zu nationalistisch“ hielt und der Ansicht war, dass der Kardinal eine mildernde Rolle spielen sollte, anstatt die Bevölkerung gegen Deutschland aufzuhetzen. 92 Während des Kriegs hielt der König an der Neutralität Belgiens fest. Er war über die Zukunft des Landes besorgt und hielt einen Anschluss an die Alliierten für gefährlich. Da der Krieg andauerte und das daraus entstehende Elend, sowohl für die Armee hinter der Yser als auch für die Zivilbevölkerung im besetzten Teil Belgiens immer größer wurde 93, organisierte der König geheime, d.h. ohne Mitwissen der Regierung veranstaltete Gespräche über mögliche Wege aus dem Krieg und hoffte weiter auf einen Kompromissfrieden mit Deutschland. Nach Alberts Ansicht ergab es

Marquis von Villalobar (1864–1926), spanischer Diplomat, bevollmächtigter Minister (1913–1921) und Botschafter (1921–1926) in Brüssel: Truus Van Bosstraeten, Bezet maar beschermd. België en de markies van Villalobar tijdens de Eerste Wereldoorlog. Leuven/Voorburg 2008. Über Belgien im Ersten Weltkrieg: Sophie De Schaepdrijver, De groote oorlog. Het koninkrijk België tijdens de eerste Wereldoorlog. 2. Aufl. Amsterdam/Antwerpen 2013. Louis Bertrand, Schaerbeek pendant la Guerre 1914–1918. Brüssel 1919, gibt für die Brüsseler Gemeinde Schaarbeek einen guten Eindruck von der Lebensmittelversorgung, den Sozialorganisationen sowie vom administrativen und politischen Leben im Krieg. Zur Lebensmittelversorgung Belgiens und zur Commission for Relief in Belgium: Liane Ranieri, Dannie Heineman. Patron de la SOFINA. Un destin singulier. 1872–1962. Brüssel 2005, 89–105. 90 Ilse Meseberg-Haubold, Der Widerstand Kardinal Merciers gegen die Deutsche Besetzung Belgiens 1914–1918. Ein Beitrag zur politischen Rolle des Katholizismus im Ersten Weltkrieg. Frankfurt am Main/ Bern 1983, und De Schaepdrijver, Deux patries (wie Anm.8), 23. 91

Désiré Joseph Mercier, Collectio epistolarum pastoralium decretorum aliorumque documentorum.

Vol.3. Mecheln 1922, 73f. Zu Désiré J. Mercier (1851–1926), Kardinal und Erzbischof von Mecheln: A. Simon, Art.„Mercier, Désiré-Joseph“, in: Biographie Nationale. Vol.30. Brüssel 1959, 575–595. 92

Velaers, Albert I (wie Anm.34), 293f.

93

Zum Leben der Soldaten: Luc Vandeweyer, De Eerste Wereldoorlog. Koning Albert en zijn soldaten.

Antwerpen 2005. Über die Zustände im besetzten Belgien: Van Bosstraeten, Bezet maar beschermd (wie Anm.89).

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keinen Sinn, den Krieg „jusqu’au bout“ fortzuführen. Am 20.Dezember 1916 schrieb der französische Oberst Eugène Génie über den König: „Il n’aime pas la guerre qu’il connaît mal; il trouve qu’elle a assez duré et son cœur sentimental s’attendrit sur des souffrances dont il n’aperçoit pas le terme.“ 94 Diese Worte waren kritisch gemeint, aber König Albert hätte sie gewiss als Lob wahrgenommen. Sein Gewissen gestattete ihm kein sinnloses Blutvergießen. Die Wiederherstellung der nationalen Souveränität und der territorialen Integrität konnte nach Ansicht des Königs nicht mit Waffen erreicht werden – dabei wäre Belgien vollständig verwüstet worden; aus diesem Grund bat er die belgische Regierung und den britischen Außenminister um Verständnis für seinen Standpunkt. In den Augen der Regierung und der Alliierten war das natürlich keine heroische Einstellung, aber der König verteidigte seine Friedenspolitik. Erst im Herbst 1918 gestattete er, dass die belgische Armee an der Schlussoffensive teilnahm. 95 „Il était un grand pacifique.“ So schrieb Generalleutnant Émile Galet später in seiner Beileidsbekundung an Königin Elisabeth. 96 Als der Krieg im November 1918 endete, hielten der König, die Königin und die Prinzen ihren triumphalen Einzug in das befreite Land. In Brüssel begann der König am 22.November 1918 seine Ansprache vor dem Parlament mit den folgenden Worten: „Messieurs, Je vous apporte le salut de l’armée! Nous arrivons de l’Yser, mes soldats et moi, à travers nos villes et nos campagnes libérées. Et me voici devant les représentants du Pays. Vous m’avez confié, il y a quatre ans, l’armée de la nation pour défendre la Patrie en danger; je viens vous rendre compte de mes actes. Je viens vous dire ce qu’ont été les soldats de la Belgique, l’endurance dont ils ont fait preuve, le courage et la bravoure qu’ils ont déployés, les grands résultats acquis par leurs efforts.“ 97

Der König sprach in der Rede anschließend die großen Probleme an, vor denen das Land stand: Das einfache allgemeine Wahlrecht (für Männer), die Umwandlung 94 Albert Ier, Carnets et correspondance de guerre, 1914–1918. Ed. par Marie-Rose Thielemans. Paris 1991, 100. 95 Marie-Rose Thielemans, Le roi Albert, la paix et la conduite de la guerre. Novembre 1915–février 1917, in: Actes du colloque d’histoire militaire belge (wie Anm.68), 229–260; Velaers, Albert I (wie Anm.34), 262– 337. 96 Émile Galet an Königin Elisabeth, 26.Februar 1934, Brüssel, Archiv des königlichen Palastes: Privatsekretariat Königin Elisabeth, Nr.569. 97 Compte rendu analytique des discussions des Chambres législatives de Belgique. Chambres réunies. Session ordinaire de 1918–1919. Séance royale du vendredi 22 novembre 1918. Brüssel 1918, 3.

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der Universität Gent in eine niederländischsprachige Universität und die flämischen Forderungen hinsichtlich der Sprachgesetze. 98 So wurde der Weg frei für ein neues und demokratisches Belgien, das sich vom Elend und den Zerstörungen nicht entmutigen ließ. Der König war in den Nachkriegsjahren in den entlegensten Winkeln des Landes auf Ehrungen von militärischen und zivilen Kriegsopfern persönlich anwesend. Durch diese Anwesenheit – immer in Uniform, manchmal auch mit Helm auf dem Kopf – bei den Feierlichkeiten hielt der Fürst die Erinnerung an das Heldentum und an das Leiden der Belgier im Krieg lebendig. Als Oberbefehlshaber der Armee war er zugleich auch die Inkarnation des militärischen Helden. 99 Die Ehrenbezeigungen an die Adresse des Königs blieben nicht auf Belgien beschränkt. Große Auslandsreisen wie der offizielle Besuch der Vereinigten Staaten von Amerika 1919 und Brasiliens 1920 sind nur zwei Beispiele. Beide Reisen, deren Zweck es war, den besuchten Ländern für ihre humanitären Hilfsleistungen gegenüber Belgien zu danken, wurden zu wahren Triumphzügen. 100 In Brasilien war sogar von einem „delirio Belga“ die Rede. 101

VII. Albert I. – der Kriegsheld Der tragische Tod des Königs 1934 „festigte“ den Heldenstatus des Königs. Staatsoberhäupter, Regierungschefs, prominente und einfache Bürger aus dem In- und Ausland huldigten dem Ritter-König. Königin Elisabeth erhielt tausende Beileidsbekundungen aus aller Welt. 102 Die Beisetzung am 22.Februar 1934 war ein beeindru-

98

Velaers, Albert I (wie Anm. 34), 462–464, 511, 531–546, 829–831, und Van Ypersele, Le Roi Albert et la

mémoire de la Grande Guerre (wie Anm.75), 14–18, 46–48. 99

Van Ypersele, Le roi Albert et la mémoire de la Grande Guerre (wie Anm.75), 14–18, 51–55.

100 Gustaaf Janssens, De officiële bezoeken van koning Albert I aan de Verenigde Staten, Brazilië en Belgisch Congo (1919, 1920 en 1928), in: Museum Dynasticum 21/2, 2009, 79–93. 101 Luciana Pessanha Fagundes, Uma republica em festa: a visita dos reis da Bélgica ao Brasil (1920). Dissertaçião de mestrado em História social. Universidade Federal do Rio de Janeiro. Rio de Janeiro 2007 (unveröffentlicht). Siehe auch Gustaaf Janssens, De reis van koning Albert en koningin Elisabeth naar Brazilië in 1920, in: Eddy Stols/Rudy Bleys (Eds.), Vlaanderen en Latijns-Amerika. 500 jaar confrontatie en métissage. Antwerpen 1993, 309–321. 102 Eine gedruckte Übersicht über die Kondolenztelegramme: Mémorial épistolaire Albert, Roi des Belges. Messages télégraphiques. Ouvrage dédié à Sa Majesté la Reine Élisabeth par les dames du Corps Diplo-

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ckender Ehrenerweis für den verstorbenen König. Über ein halbe Millionen Menschen waren vorher schon nach Brüssel gekommen, um von den sterblichen Überresten des Königs Abschied zu nehmen. 103 Die ganze Welt trauerte mit Belgien über den Tod des Helden des Großen Krieges. Im In- und Ausland erschienen verherrlichende Biografien. Francesco Palumbos Buch trägt den Titel „Il re eroico Alberto I“. 104 In Belgien nannte Pierre de Nothomb den König „le Juste Héros“ – „den gerechten Helden“. 105 Ein typisches Beispiel für die Huldigung des Königs nach seinem Tod ist der 1934 von der Monatszeitschrift „Le Flambeau“ herausgegebene Sammelband mit neunzehn persönlich gefärbten Beiträgen, unter anderem von MaxLéo Gérard, dem ehemaligen Sekretär des Königs, der schreibt: „Il croyait au Bien, à la Vertu, au Dévouement.“ 106 In vielen Gelegenheitsschriften wurden dem König alle möglichen Tugenden und die „Seele eines Helden“ zugeschrieben. Zugleich wurde der König als „Führer“ und als „Vater“ verehrt und betrauert. 107 Albert verkörperte „Mut, Rechtschaffenheit und Ehre“. Ohne das geringste Zögern wurde er mit Caesar und Napoleon verglichen. 108 Am ersten Jahrestag des Todes des Königs schrieb Léon Degrelle, der demagogische Führer der autoritären Rex-Bewegung: „Son souvenir ne s’efface pas et ne s’effacera pas, parce qu’il fut un défenseur et un bienfaiteur. Il fut un maître.“ 109 In seinem Gedenkartikel schrieb Louis de Lichtervelde über „den Helden“, „den Riesen, der keine Furcht kannte“ und sich durch „Treue gegenüber seiner Aufgabe“ auszeichnete. 110 Noch viele Jahre später, 1968, veröffentlichte eine französische Zeitschrift folgende Aussage von Willy Coppens de Houthulst, Pilot und Kriegsheld des Ersten Weltkriegs: „Le roi Albert était gouverné par la noblesse de ses sentiments. La

matique. Table des matières. Titre des volumes et subdivisions. Index détail. Note explicative. Brüssel 1934. Die 20 Bände mit Telegrammen werden in Brüssel im Archiv des königlichen Palastes, Privatsekretariat Königin Elisabeth, aufbewahrt. Siehe dort acht weitere Archivkartons mit Kondolenzbriefen. 103 Van Ypersele, Le roi Albert et la mémoire de la Grande Guerre (wie Anm.75), 14–18, 56. 104 Erschienen Mailand 1934. 105 Pierre Nothomb, Le roi Albert. O. O. 1934, 155. 106 Gérard, Le Roi au Service du Pays (wie Anm.77), 154. 107 „Nous avons perdu notre guide tutélaire. Nous avons perdu notre Père éclairé et dévoué.“ Kufferath, Évocations et souvernirs dynastiques (wie Anm.33), 56. 108 Ebd.49f. 109 Léon Degrelle, Le Roi notre maître …, in: Rex 4/7, 1935, 3. 110 Louis De Lichtervelde, Albert Ier, in: Rex 4/7, 1935, 6.

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légende le dépeint plus grand que nature, parce qu’il fut réellement ainsi, par son caractère.“ 111 König Albert I. war ein Held geworden und alle Charakterzüge, die zu einem zeitgemäßen Helden zu passen schienen, wurden ihm zugesprochen. Nach dem Waffenstillstand von 1918 schien er wie kein anderer in der Lage, Belgien in eine neue Zukunft zu führen. Dank seines Heldenstatus gab es kaum Kritik; und wenn doch einmal Kritik laut wurde, dann wurde sie als „durch unpatriotische Gefühle verursacht“ abgetan. Der König wusste das und nutzte seine nahezu unantastbar gewordene Herrschaft, um die Grenzen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, die er als Staatsoberhaupt besaß, auszutesten. Mittels dieser „aktiven Monarchie“ spielte er bei der Regierungsbildung und in politischen Krisen eine Hauptrolle, und er wurde darin akzeptiert. 112 Die Vorhersage, die Emile Verhaeren 1914 in „King Albert’s Book“ traf, fand tatsächlich einige Bestätigung: „Plus tard, lorsque vous rentrerez dans votre Belgique reconquise et infiniment glorieuse, vous n’aurez qu’à parler, Sire, pour que les querelles baissent le ton et que les antagonismes s’évanouissent. Si bien qu’après avoir été celui qui maintient et défend vous serez celui qui rapproche et reconcilie.“ 113

Neuere Untersuchungen über das Auftreten Alberts I. in den Jahren 1918–1934 geben Verhaeren Recht: „Das persönliche Prestige König Alberts [war] sowohl bei Politikern als auch in der Öffentlichkeit beispiellos.“ Er konnte sich „vieles erlauben“. 114 Daher ist es auch kein Zufall, dass es von allen Königen Albert I. war, der wiederholt durch öffentlich gemachte Briefe sein Ansehen und das der Monarchie in die Waagschale warf. 115 Den Hagiographen zufolge verkörperte Albert I. alle Tugenden seiner Vorgänger. „Wurde Leopold I. nicht als ‚ein Friedensfürst‘ gerühmt? – Hatten nicht sowohl Leopold I. als auch Leopold II. dem Land den nötigen militärischen Schutz gegeben, so

111 Willy Coppens de Houthulst, Les ailes du roi Albert, in: Icare. Revue de l’aviation française 47, 1968, 60. 112 Velaers, Albert I (wie Anm.34), 587 u. 1001. 113 King Albert’s Book. A Tribute (wie Anm.57), 80. Emile Verhaeren (1855–1916), französischsprachiger belgischer Autor, traf den König während des Ersten Weltkriegs in De Panne: R. Mortier, Art.„Verhaeren, Émile“, in: Biographie Nationale. Vol.32. Brüssel 1964, 706–716. 114 Velaers, Albert I (wie Anm.34), 1001. 115 Vor allem anlässlich der politischen Krisen 1926, 1933 und 1934: Van Ypersele, Le roi Albert et la mémoire de la grande guerre (wie Anm.75), 14–18, 56. Zum Phänomen der öffentlich gemachten Briefe des Königs: Stengers, De Koningen der Belgen (wie Anm.19), 203f.

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dass es als unabhängiger Staat nicht von der Landkarte gefegt wurde?“ So fragte sich 1930 Léon De Paeuw, Ministerialdirektor der staatlichen pädagogischen Hochschulen anlässlich der Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen Belgiens. Die natürlich positive Antwort auf diese Fragen ließ ihn zu dem Schluss kommen, dass König Albert sowohl die Arbeit seines Onkels als auch die seines Großvaters fortgesetzt habe. 116 Nach seinem Tod erhielt Albert I. im ganzen Land – und auch über die Landesgrenzen hinaus – Denkmäler, es wurden Straßen und Plätze nach ihm benannt. 117 Die Erinnerung konzentrierte sich nun mehr auf die Person selbst und nicht mehr nur auf den Kriegshelden. Doch war dabei der Ruf des Königs als Seele des Widerstands gegen die Besatzer nicht vergessen. Und daher griff die Untergrundpresse im Zweiten Weltkrieg auch die Erinnerung an Albert auf, um die Bevölkerung nun zu neuerlichem Widerstand gegen die erneute deutsche Besatzung aufzurufen. 118 In der Gestalt König Alberts I. schienen sich alle Elemente des zeitgenössischen Heldentums zu verbinden: Eine ursprünglich nicht oder doch nur wenig prominente Herkunft, ein zunächst „verborgenes Leben“, sodann ein heldenhaftes Leben, das allgemeine Anerkennung erfuhr und ein plötzlicher, nicht ganz erklärbarer Tod, gefolgt von der Verherrlichung. 119 In diesem Zusammenhang notierte Pierre Daye: „En d’autres temps, on l’aurait appelé le Saint. […] La vie du roi Albert, maintenant qu’elle est close, peut être considéré comme une vie de perfection, dans laquelle on cherchait en vain une défaillance.“ 120

116 Léon De Paeuw, Nos rois au service de la patrie. Brüssel 1930, 117 u. 286–288. 117 Van Ypersele, Le roi Albert. Histoire d’un mythe (wie Anm.58), 213–223. 118 Fabrice Maerten, L’impact du souvenir de la Grande Guerre sur la Résistance en Belgique durant le second conflit mondial, in: Laurence Van Ypersele (Ed.), Imaginaires de guerres. L’histoire entre mythe et réalité. Louvain-la-Neuve 2003, 318–324. 119 Van Ypersele, Le roi Albert. Histoire d’un mythe (wie Anm.58), 275–284 u. 290–311. Zu den Spekulationen nach dem Tod König Alberts: Jacques Noterman, De val van Albert. Leuven 2004. 120 Zitiert nach Pierre Goemaere, Albert Ier loin des foules. Grenoble 1935, 106. Zu Pierre Daye (1892– 1960), französischsprachiger belgischer Autor und Politiker, Abgeordneter für „Rex“ von 1936 bis 1939: Paul Van Molle, Le Parlement belge 1894–1969 – Het Belgisch Parlement 1894–1969. Ledeberg/Gent 1969, 60.

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VIII. Albert I. und Leopold III.: „Wie der Vater, so der Sohn“? Anlässlich der Vereidigung Leopolds III. schrieb Lucy Kufferath das Folgende: „Enflammé par un grand exemple, auréolé de la gloire d’Albert Ier, Léopold III nous apparaisait comme le portrait vivant de son regretté père, au point de croire à une résurrection, et l’entendre nous dire avec simplicité et grandeur: ‚Voyez, mon Père est mort, Il revit en son Fils‘.“ 121

Was auf den ersten Blick wie ein lyrisch-patriotisches Bekenntnis erscheint, enthält im Nachhinein betrachtet einiges an Wahrheit. Es ist deutlich, dass Leopold III. sich in vielerlei Hinsicht von der Haltung seines Vaters leiten ließ. 122 Zunächst im Hinblick auf das Misstrauen gegenüber den Großmächten, die er – in Übereinstimmung mit der belgischen Außenpolitik seit 1936 – nicht als Alliierte, sondern als Garanten betrachtete. 123 Überdies verstand Leopold sich in den Jahren 1939/40 geradezu ausschließlich als Soldat und verweigerte den zivilen Ministern jedes Mitspracherecht in militärischen Angelegenheiten. Der Umstand, dass er am 10.Mai 1940 persönlich den Oberbefehl über die Armee übernahm, verstärkte seine Verbindung zur Armee weiter und beeinflusste maßgeblich seine Entscheidung, nach der Kapitulation der belgischen Streitkräfte (29.Mai 1940) in Belgien zu bleiben. 124 Unter an-

121 Kufferath, Évocations et souvenirs dynastiques (wie Anm.3), 62. 122 In seinen posthum veröffentlichten Memoiren erinnert Leopold III. an die Haltung seines Vorgängers: Léopold III, Pour l’Histoire. Sur quelques épisodes de mon règne. Brüssel 2001, 35–37. Jan Velaers/ Herman Van Goethem, Leopold III. De Koning, het Land, de Oorlog. Tielt 1994, 14–41, entwickeln Parallelen zwischen dem Handeln Alberts I. und dem Leopolds III. Der Einfluss Emile Galets war für diese Orientierung am Vorgänger sehr groß: „Als ich später die Militärschule besuchte, ergriff Oberst Galet, der Kommandant der Schule, jede Gelegenheit, mich an die Rolle zu erinnern, die mein Vater im Krieg gespielt hatte, und mich anzuspornen, seinem Vorbild zu folgen.“ – Zitat einer Aussage Leopolds III. bei Gilbert Kirschen, L’éducation d’un prince. Entretiens avec le Roi Léopold III. Brüssel 1984, 50. Vgl. Velaers, Albert I (wie Anm.34), 227. Allgemein zu Leopold III. (1901–1983): Michel Dumoulin/Mark Van den Wijngaert/Vincent Dujardin (Eds.), Léopold III. Brüssel 2001. 123 Minister Paul-Henri Spaak an den König (14.Oktober 1936, 13.Februar und 13.Juli 1937) und Leopold III. an Spaak (21.Februar 1937): Gustaaf Janssens, Paul-Henri Spaak en het begin van de Belgische onafhankelijkheidspolitiek (1936–1937), in: Bulletin de la Commission royale d’Histoire – Handelingen van de Koninklijke Commissie voor Geschiedenis 174, 2008, 259–390, hier 281, 239, 304 u. 295f. (die Texte: 323– 327, 342–346, 383–383 und 350–353). 124 So wollte der König nach dem Zwischenfall von Maasmechelen (Januar 1940), als ein deutsches Militärflugzeug auf belgischem Boden eine Notlandung machte und Pläne für einen deutschen Angriff auf Belgien gefunden wurden, nur mit Vertretern des Militärs beraten: Gustaaf Janssens, België in januari 1940: door Duitsland bedreigd, door Groot-Brittannië en Frankrijk onder druk gezet, in: Bijdragen en Mededelin-

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derem aus diesem Grund kam es am 25.Mai 1940 zu einem Konflikt zwischen dem König und der Regierung. 125 Solche Konflikte waren nichts Neues. Auch König Albert I. hatte während des Ersten Weltkriegs ein oft sehr konfliktreiches Verhältnis zur Regierung gehabt, die sich in Frankreich aufhielt. Dennoch hielt er normalen, geschäftsmäßigen Kontakt zu ihr, empfing die Minister und führte den Vorsitz in Ministerräten. 126 1940 allerdings kam es zum Bruch. Die Regierung verließ das Land, schloss sich den Alliierten an, der König blieb in Belgien und betrachtete sich nach der Kapitulation der Armee als Kriegsgefangener. 127 In Paris legten die Regierungsmitglieder am Reiterstandbild Alberts I. Blumen nieder. 128 Leopold III. blieb während des gesamten Krieges davon überzeugt, dass Belgien noch immer ein de iure neutraler Staat war. Die belgische Regierung dagegen setzte den Kampf gegen Deutschland auf Seiten der Alliierten fort. 129 Die Vertrauensbasis zwischen König und Ministern war infolgedessen zerstört, der Monarch ignorierte die Regierung fortan, die Regierung betrachtete ihn als an der Ausübung der Herrschaft gehindert. 130 Da Leopold III. den Krieg beendete und im Land blieb, war seine Popularität in

gen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden 113, 1998, 457–483, hier 463. Robert Capelle, Sekretär Leopolds III. erklärt, dass der König ihm am 2.September 1939 anvertraute: „dans des moments comme ceux-ci, il faut un Chef […] et le chef ne peut être que le chef de l’armée.“ Brüssel, Archiv des königlichen Palasts: Archiv des Sekretariats von König Leopold III. (Capelle), Nr.[165], 91. Dieser „chef de l’armée“ war natürlich der König. „Je ne pouvais envisager d’abandonner une armée dont je faisais viscéralement partie.“ So später Leopold III.: Kirschen, L’éducation d’un prince (wie Anm.122), 90. Er fühlte sich bestätigt durch das Vorbild seines Vaters und durch dessen Auffassungen zum königlichen Oberbefehl über die Armee in Kriegszeiten: Velaers, Albert I (wie Anm.34), 355. 125 Velaers/Van Goethem, Leopold III (wie Anm.122), 226–244. 126 Velaers, Albert I (wie Anm.34), 250–255, 294–296, 344–361 und 420–428. Siehe auch: Luc Schepens, Koning Albert, Charles de Broqueville en de Vlaamse Beweging tijdens de Eerste Wereldoorlog. Tielt/ Bussum 1983, und Van Goethem, Belgium and the Monarchy (wie Anm.73), 128f. 127 Jean Stengers, Léopold III et le gouvernement: les deux politiques belges de 1940. 2., verb.Aufl. Brüssel 2002, 33–68, und Velaers/Van Goethem, Leopold III (wie Anm.122), 256–262. 128 Velaers/Van Goethem, Leopold III (wie Anm.122), 268. 129 Vincent Dujardin/Mark Van den Wijngaert, 1939–1950. Land zonder Koning, in: Michel Dumoulin u.a. (Eds.), Nieuwe Geschiedenis van België. Vol.2. Tielt 2006, 1143f. u. 1151f. 130 Velaers/Van Goethem, Leopold III (wie Anm.122), 423. Zur Haltung der belgischen Regierung nach der Kapitulation am 28.Mai 1940 und vor der Versammlung in Limoges (31.Mai 1940): Ebd.269–280. Zahlreiche Beispiele der Ablehnung der belgischen Regierung in London durch den König und seine Vertrauten: Brüssel, Archiv des königlichen Palastes: Archiv des Sekretariats von König Leopold III. (Capelle), Nr. XV GC (Aktenhefte „Gouvernement Pierlot“, 1940–1944).

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Belgien zunächst groß. 131 Doch wenn für ihn und seine unmittelbaren Mitarbeiter die belgische Regierung in London kein Ansprechpartner mehr war, so ging er Gesprächen mit dem Feind dagegen nicht aus dem Weg. Am 19.November 1940 hatte der König in Berchtesgaden eine Unterredung mit Adolf Hitler. 132 Später, als die deutschen Besatzer Belgier zur Zwangsarbeit in Deutschland verpflichteten, protestierte der Monarch – trotz des Drängens prominenter Belgier – nicht öffentlich. 133 Auch darüber geriet er in Misskredit. König Albert hatte das 1916 – trotz entsprechender Bitten des Ministers Charles de Broqueville – allerdings ebenfalls nicht getan. 134 Und wie sein Vater im Ersten Weltkrieg glaubten Leopold III., seine Vertrauten und viele Belgier während des Zweiten Weltkriegs lange an einen Kompromissfrieden mit Deutschland – das war natürlich eine Fehleinschätzung. 135 Als Belgien im September 1944 von den alliierten Truppen befreit wurde und die Regierung aus London zurückkehrte, war der König nicht im Land. Die abziehenden Besatzer hatten ihn am 6.Juni nach Deutschland verschleppt, internierten ihn zunächst in Sachsen (Hirschstein), dann nahe Salzburg (St. Wolfgang). Im Gegensatz zu seinem Vater besaß Leopold III. alles andere als einen unwidersprochenen Heldenstatus. Seine Haltung während des Kriegs spaltete das Land in Anhänger und Gegner des Königs und brachte Belgien an den Rand eines Bürgerkriegs. Während dieser Krise machten sich die Gegner Leopolds aus verschiedenen Gründen die Figur Alberts zu eigen, um so ihre Forderungen zu stützen. Bei der Kampagne um die Volksbefragung über die Rückkehr des nach 1945 weiterhin exilierten Monarchen verteilten seine Gegner Fotos Alberts I. und seiner Schwiegertochter, der gleichfalls einem plötzlichen Unfalltod zum Opfer gefallenen, nicht zuletzt deswegen weithin verehrten Königin Astrid. So wurde Leopold III. zum ruhmlosen Widerpart seines „heldenhaften“ Vaters und seiner ersten Ehefrau stilisiert. 136 1951 verzichtete er auf den Thron zugunsten seines Sohnes Baudouin. 137

131 Dujardin/Van den Wijngaert, Land zonder Koning (wie Anm.129), 1152. 132 Velaers/Van Goethem, Leopold III (wie Anm.122), 579–596. 133 Ebd.757–759. 134 Velaers, Albert I (wie Anm.34), 312. 135 Velaers/Van Goethem, Leopold III (wie Anm.122), 683–692. 136 Dujardin/Van den Wijngaert, Land zonder Koning (wie Anm.129), 1312. 137 Mark Van den Wijngaert, De Belgische monarchie, in: ders. (Ed.), België, een land in crisis 1913–1950. Antwerpen 2006, 209–239, hier 237.

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IX. Resümee Die Verherrlichung König Alberts I. ist einzigartig in der belgischen Geschichte. Sie ist essentiell auf die Position des König im Ersten Weltkrieg zurückzuführen, aber sie fiel nicht vom Himmel. Eine positive Vorstellung von Albert I. und seiner Familie war vorausgegangen. Als Belgien 1914 von den deutschen Streitkräften überrannt wurde und der König mit den Soldaten an der Yserfront standhielt, waren die Sympathie und die Dankbarkeit der Soldaten gegenüber ihrem Anführer groß. Auf alliierter Seite wurde König Albert ab 1914 als Propaganda-Ikone eingesetzt. Der Umstand, dass der König 1918 an der Spitze der Streitkräfte in das von den Besatzern verlassene Land wieder einziehen konnte, verlieh ihm den Heiligenschein eines Siegers, den er nie mehr verlieren sollte. Sein tragischer, unerwarteter Tod am 17.Februar 1934 in Marche-les-Dames bot den Abschluss eines Lebens, das 1875 in einiger Bescheidenheit als jüngster Sohn des jüngeren Bruders Leopolds II. begonnen hatte, das sich aber nach der ursprünglich nicht absehbaren Erbfolge durch das persönliche Prestige, das der König im Krieg gewann, zu einem Heldenepos entwickelte, dem der plötzliche Unfalltod einen, dem Genre nicht fremden dramatischen Schlusspunkt setzte. Sicher muss man konstatieren, dass jene auf Albert I. gerichtete neuzeitliche Herrscherpanegyrik Übertreibungen besaß, gar bizarre Züge. Doch besaß sie eben auch einen realen Bezugspunkt im Verhalten des Königs „ohne Furcht und Tadel“, war durchaus kein reines Presseprodukt. Und vor dem Hintergrund des Verhaltens gekrönter deutscher Verwandter leuchtete der Ruhm des belgischen roichevalier zwangsläufig noch einmal heller.

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Militärische Prinzenerziehung und monarchischer Oberbefehl in Preußen 1744–1918 von Thomas Stamm-Kuhlmann

I. Einleitung Preußen definierte sich in seinem eigenen Selbstverständnis als „militärischer Staat“ 1 oder als „Militärmonarchie“ 2. Noch Wilhelm I. war der Ansicht, dass der Thron gewissermaßen auf das Militär gegründet sei. Umso erstaunlicher ist es, dass der Anteil des Militärischen an der Rolle, König zu sein, noch nicht für alle Epochen Brandenburg-Preußens erschöpfend untersucht wurde. Überhaupt fehlen in der Geschichte des Hauses Brandenburg-Preußen die diachronen Untersuchungen, die allein die Langzeitwirkung von Tradition, Bräuchen, Erziehung, Charakterprägung und familiären Belastungen erhellen können. Erst 1994 erschien eine Dissertation, die die Prinzenerziehung in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts vergleichend untersucht hat. 3 Diese Dissertation widmet sich besonders dem Anteil, den der Einfluss des Neuhumanismus auf die Prinzenerziehung gehabt hat und stellt die Hypothese auf, dass bürgerliche und adelige Bildungselemente sich im 19.Jahrhundert zunehmend vermischt hätten. 4 Die Verbürgerlichungsthese ist für die Geschichtsschreibung des Adels und besonders der Höfe im 19.Jahrhundert allerdings mit Vorsicht zu betrachten. Ideologeme, die gern als „bürgerlich“ apostrophiert werden, sind unter Umständen im

1 Vgl. Thomas Stamm-Kuhlmann, Militärstaat Preußen, in: Christiane Liermann/Gustavo Corni/Frank Lothar Kroll (Hrsg.), Italien und Preußen. Dialog der Historiographien. (Reihe der Villa Vigoni, 18.) Tübingen 2005, 109–121. 2 Vgl. Bernhard R. Kroener, „Eine Armee, die sich ihren Staat geschaffen hat“? Militärmonarchie und Militarismus, in: Bernd Sösemann/Gregor Vogt-Spira (Hrsg.), Friedrich der Große in Europa. Geschichte einer wechselvollen Beziehung. Bd. 2. Stuttgart 2012, 233–249. 3 Yvonne Wagner, Prinzenerziehung in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts. Zum Bildungsverhalten des preußisch-deutschen Hofes im gesellschaftlichen Wandel. Frankfurt am Main u.a. 1995. 4 Vgl. ebd.37.

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10.1515/9783486781076.438

Adel entstanden. Sie mögen von der Aufklärung geprägt sein, was aber nur bedeutet, dass sich eine Gleichsetzung von „Aufklärung“ und „bürgerlicher Ideologie“ nicht halten lässt. 5

II. Vom roi-chevalier zum roi-connétable Die Hohenzollern waren Herrscher, die ihre Mission immer in der Überwindung des Feudalismus und feudaler Zersplitterung gesehen hatten. Das wirkte sich auch in der Auffassung von Krieg und Kriegsdienst aus. Der roi-chevalier sollte Vergangenheit sein, an seine Stelle war der roi-connétable getreten. Dahinter ist die zeitgemäße Form militärischer Professionalität an der Staatsspitze zu sehen. Hier ging es nicht um einen Fahrenden Ritter, der, je nach Laune, seine Muße durch auswärtige Kriegsdienste unterbrechen konnte. Hier ging es um einen Monarchen, der von Kindesbeinen auf an den Kasernenhof gewöhnt worden war und aus dem Exerzieren und dem Drill eine Lebensaufgabe gemacht hatte, um zur Verteidigung des ererbten Landes bereit zu sein, wenn der kriegerische Ernstfall einzutreten drohte. Das Schwinden des Ritterlichen zeigt sich nicht zuletzt im Bild. Zwar hat sich noch Prinz August Wilhelm, der Bruder Friedrichs des Großen, im Panzer malen lassen. Das Porträt von Antoine Pesne steht freilich in der Tradition der Staatsporträts, zu denen immer traditionelle Ausstattungsstücke gehören. Der Panzer wird zuletzt zum Uniformstück, das wir in London bei den Horse Guards heute noch bewundern können. Als aber um 1800 in Berlin die Debatte darum entbrannte, in welchem Kostüm Friedrich der Große darzustellen sei, stritt man nur noch um die Frage, ob der König im zeitgenössischen Gewand, das heißt in der Uniform mit Dreispitz, oder im antikisierenden Kostüm gezeigt werden sollte, das am Scharnhorst-Denkmal Unter den Linden zu studieren ist. Die Entscheidung fiel dann schließlich dafür, Friedrich so zu zeigen, wie man es als realistisch empfand. Die Skulptur Christian Daniel Rauchs zeigt den König im zeitgenössischen Kostüm. Die Tradition der Reiterstatue

5 Das zeigt sich besonders in der katholischen Kirche, wo die adelige Reichskirche eher als Bastion der Aufklärung anzusehen ist, während der Ultramontanismus sich erst durch die Verbürgerlichung des Klerus nach 1803 durchsetzen konnte. Vgl. für die Hofgesellschaft: Thomas Stamm-Kuhlmann, War Friedrich Wilhelm III. ein Bürgerkönig?, in: Zeitschrift für historische Forschung 16, 1989, 441–460.

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greift zwar auf die Antike, bis zu Mark Aurel, zurück, an Friedrich den Großen als Ritter aber hat niemand gedacht. 6 Selbst die rheinische Burgenromantik lässt nicht erkennen, dass eine Wiederherstellung des Mittelalters angestrebt war. 1821 erwarb Prinz Friedrich, Neffe des regierenden Königs Friedrich Wilhelm III., die Burg Rheinstein und ließ diese wiederherstellen. Ebenso ließ Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) das Schloss Stolzenfels wieder herrichten, welches aber erst nach seiner Thronbesteigung, 1847, fertiggestellt worden ist. Aus den angebrachten Preußenadlern kann man schließen, dass hier die Fürsorge- und Schutzfunktion des Hauses Hohenzollern für die neu erworbene Rheinprovinz dokumentiert werden sollte. Der Wiederaufbau der im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten mittelalterlichen Burgen lässt sich, wie die baugeschichtliche Analyse erweist, am ehesten aus der Tradition der Parkburgen und neu gebauten Ruinen des Zeitalters der Empfindsamkeit herleiten. 7 Zur unter Prinz Friedrich entstandenen Ausmalung von Rheinstein gehört eine Darstellung des Kaisers Rudolf von Habsburg, wie er das Gericht über die Raubritter aus drei rheinischen Burgen abhält. 8 Auch der mit der Region verbundene Sagenschatz ließ sich also heranziehen, um die friedenstiftende Rolle des Landesherrn, die sich gegen das feudale Selbsthelfertum richtete, argumentativ zu stützen. An die Stelle des Rittertums als eines kriegerischen Standes, der sich in sinnlosen Fehden verblutete, sollte der preußische Junkerstand treten, der im Dienst am Fürstenstaat seine Erfüllung erblicken sollte. Krieg aber wurde weiter geführt, und im Krieg sollten die Angehörigen des preußischen Königshauses weiterhin eine prominente Rolle spielen. Wie war diese Rolle aufzufassen? Während der militärische Drill zur gemeineuropäischen Prinzenerziehung gehörte, war es nicht selbstverständlich, dass der Monarch an der Spitze seines Heeres zu Felde zog. Diesem Anspruch, roi-connétable zu sein und ihre Armeen ins Feld zu begleiten, haben sich aber alle Hohenzollernherrscher seit Friedrich Wilhelm I. gefügt, bis hin zum 1951 verstorbenen letzten Kronprinzen. Diese Herrscherreihe zer-

6 Vgl. Jutta von Simson (Hrsg.), Das Berliner Denkmal für Friedrich den Großen. Die Entwürfe als Spiegelung des preußischen Selbstverständnisses. Frankfurt am Main 1976; Thomas Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III., der Melancholiker auf dem Thron. Berlin 1992, 487–491. 7 Vgl. Ursula Rathke, Preußische Burgenromantik am Rhein. Studien zum Wiederaufbau von Rheinstein, Stolzenfels und Sooneck (1823–1860). (Studien zur Kunst des neunzehnten Jahrhunderts, 42.) München 1979, 40f. 8 Vgl. ebd.42.

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fällt lediglich in solche, die tatsächlich als Throninhaber in den Krieg gezogen sind, und solche, die nur als Kronprinzen Krieg geführt haben, nämlich: Friedrich Wilhelm IV., der die Schlachtfelder der Befreiungskriege kennenlernte, Friedrich III., der in die Schlachten von Königgrätz, Wörth und Sedan gezogen ist, und eben Wilhelm, den letzten Kronprinzen, der im Ersten Weltkrieg das Kommando über eine ganze Heeresgruppe an der Westfront geführt hat. Für alle Hohenzollern seit 1786 freilich gilt, dass ihnen militärischer Erfindungsreichtum oder gar Genialität, wie im Fall Friedrichs, nicht nachgesagt worden ist. Stellte sich aber der Monarch dem Berufsmilitär gleich, so lagen Vergleiche in der Leistungsfähigkeit nahe. War der Monarch nur durchschnittlich, konnte das schnell die Legitimität seiner Position in Zweifel ziehen. Es drohte die Gefahr, dass die Misserfolge dem Monarchen zugerechnet wurden, während sich die Namen einzelner Generäle mit den Siegen verbanden.

III. Militärische Prinzenerziehung – eine europäische Gemeinsamkeit Das Erziehungsprogramm für den 1744 geborenen preußischen Thronfolger und späteren König Friedrich Wilhelm (II.) wurde nicht von seinem Vater, dem Prinzen August Wilhelm, sondern vom regierenden König als dem Oberhaupt der Familie aufgestellt. Über die Geringschätzung, die Friedrich der Große für diesen seinen Neffen empfand, ist viel geschrieben worden. Die von Friedrich aufgestellte Instruktion für den Major Adrian Heinrich Graf von Borcke, den militärischen Gouverneur, ist dagegen mit Bedacht ausgearbeitet und lässt den Einfluss der Aufklärung erkennen. Doch zum Soldatenstolz meinte Friedrich: „Il est d’une très-grande importance de lui inspirer du goût pour le militaire; pour cette raison il faut dans toutes les occasions lui dire tant vous-même que de lui faire dire par d’autres que tout homme de naissance qui n’est pas soldat n’est qu’un misérable.“ 9 Schon mit vier Jahren musste der spätere Friedrich Wilhelm II. zu Weihnachten 1748 in Husarenuniform auftreten. Ab 1749 erhielt er Exerzierunterricht. 10 Bei der

9 Instruction au major Borcke, Potsdam, 24.September 1751, in: Johann David Erdmann Preuß (Hrsg.), Oeuvres de Frédéric le Grand. Vol.9. Berlin 1848, 43. 10 Vgl. Bogdan Krieger, Zur Kindheits- und Erziehungsgeschichte Friedrich Wilhelms II., in: Hohenzollern-Jahrbuch 12, 1908, 70–102, hier 83.

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Truppenrevue am 18.Mai 1750 schaute der Prinz zu und es wurde bemerkt, dass die dabei abgefeuerten Schüsse dem sechsjährigen Kind keine Angst machten. 11 Er reagierte also noch militärischer als sein Onkel, von dem wir wissen, dass Kanonenschüsse ihn als Kind sehr wohl in Angst versetzt hatten. 12 Vom französischen Hof des 18.Jahrhunderts wird ähnlich berichtet, dass Uniformen, militärisches Spielzeug und der Besuch von Revuen und Paraden fester Bestandteil der Prinzenerziehung gewesen sind. 13 Mit zehn Jahren wurde Friedrich Wilhelm zum Offizier ernannt. Der Kammerherr Friedrichs des Großen, Graf Lehndorff, berichtet: „Der König macht den Prinzen Friedrich zum Offizier und zwar auf eine merkwürdige Art; er ahmt nämlich Odysseus nach, wie dieser Achilles suchte. Er läßt den Prinzen in sein Zimmer treten und zeigt ihm Tabatieren, Etuis, Taschenuhren und einen Degen und läßt ihn wählen. Der junge Prinz greift nach dem Degen, worauf der König ihm erklärt, daß er jetzt Offizier sei.“ 14

Zum Unterrichtsstoff der Jahre 1751 bis 1762 gehörten Geschichte, französische Philosophie, Mathematik, Staatsrecht und Militärtaktik, später auch Fortifikationslehre. 15 Während des Siebenjährigen Krieges musste sich Friedrich Wilhelm teilweise in der Festung Magdeburg aufhalten, wo er verpflichtet wurde an den Übungen der Festungsbesatzung teilzunehmen 16, 1760 musste er mit seinem Bruder Heinrich das Winterquartier Friedrichs des Großen in Leipzig teilen. 1758 war Friedrich Wilhelm bereits Chef des Regiments „Prinz von Preußen“ geworden. Bei der Belagerung von Schweidnitz 1762 und in der Schlacht von Burkersdorf konnte er sich im Kampfgeschehen bewähren. 17 Im Bayerischen Erbfolgekrieg hatte Friedrich Wilhelm Gelegenheit, gegen die Österreicher unter Dagobert von Wurmser strategisches Denken unter Beweis zu stellen und wurde vor der Truppe

11

Vgl. ebd.85.

12

Vgl. Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit. 5.Aufl. München 2005, 15.

13

Vgl. Pascale Mormiche, Devenir prince. L’école du pouvoir en France XVIIe–XVIIIe siècles. Paris 2009,

179–182. 14

Brigitte Meier, Friedrich Wilhelm II. König von Preußen. Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution.

Regensburg 2007, 46.

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15

Vgl. ebd.43, 47.

16

Vgl. ebd.43.

17

Vgl. ebd.47f.

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vom König gelobt, bekam jedoch nicht den Orden „Pour le mérite“ verliehen. 1779 erhielt der nunmehr 35-jährige den Rang eines Generalleutnants. 18

IV. Der roi-connétable bleibt, aber er entscheidet den Krieg nicht mehr König geworden, schloss sich Friedrich Wilhelm II. seinem Heer an, das 1792 in das revolutionäre Frankreich vorstieß. Die Operationen plante Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig, der als Generalfeldmarschall der erste Offizier im preußischen Heer war. Vom ersten Feldzug an, den der Nachfolger Friedrichs des Großen selbst mitmachte, bis zum Ende der Monarchie ist seitdem eine Unklarheit niemals mehr verschwunden: Ob denn der Monarch nicht nur die formale Kommandogewalt innehatte, die ihm zweifelsohne bis zur Novemberrevolution geblieben ist, sondern ob er auch als roi-connétable persönlich in das Schlachtgeschehen eingreifen sollte. Beispielsweise hatte Friedrich Wilhelm II. die strategische Situation, die in den Zusammenstoß mit dem französischen Heer bei Valmy am 20.September 1792 mündete, selbst zu verantworten, da er wenige Tage zuvor einen Abmarsch nach Süd-Süd-West persönlich angeordnet hatte. Vor Valmy begann das preußische Heer zunächst zu avancieren, bis es nach zweihundert Schritt zum Halten gebracht wurde – diesmal durch den Herzog von Braunschweig. Beim Kronprinzen, dem späteren Friedrich Wilhelm III., der mit seiner Brigade vier Stunden im Feuer stand, bildete sich der Eindruck von Unentschlossenheit und Unklarheit der preußischen Führung heraus. Allerdings bedeutete der Mangel an strategischem Instinkt bei Friedrich Wilhelm II. nicht, dass es ihm an persönlichem Mut gefehlt hätte. Der Sohn berichtete: „Der König ritt unterdessen beständig mit größter Kaltblütigkeit und Contenance vor dem 1sten Treffen zwischen den vorgezogenen Attacken auf und nieder, und bezeigte ab und zu sein Mißfallen, wenn er bemerken konnte, daß sich die Leute bückten.“ 19

18 Vgl. Wilhelm Moritz Freiherr von Bissing, Friedrich Wilhelm II. König von Preussen. Ein Lebensbild. Berlin 1967, 30f. 19 Friedrich Wilhelm III., Reminiszenzen aus der Kampagne in Frankreich vom 19ten August bis 23sten Oktober 1792, in: Beihefte zum Militär-Wochenblatt November/Dezember 1846, 146–169, hier 159.

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Prinz Heinrich, der Bruder des Alten Fritz, ein erprobter Feldherr des Siebenjährigen Krieges, der gern selbst König geworden wäre, urteilte aus der Ferne abfällig über Friedrich Wilhelm: „Denken Sie sich einen gekrönten Wollsack, im Feuer der feindlichen Kanonen hinter ein Bataillon gestellt, so werden Sie mir zugeben, daß weder dem Bataillon noch der Armee daraus irgend ein Vorteil erwächst, diesen bei sich zu haben.“ 20 Auch den Feldzug gegen Polen, der den Kosciuszko-Aufstand niederwerfen und die polnischen Teilungen besiegeln sollte, hat Friedrich Wilhelm II. 1794 persönlich mitgemacht. Aber hier blieben Entscheidungsschlachten ebenfalls aus, vielmehr haben die Preußen es dem russischen Feldherrn Grafen Suworow überlassen, Warschau zu erobern und den polnischen Widerstand gegen die Teilungen zu ersticken. In Berlin breitete sich die Ansicht aus, dass die militärischen Unternehmungen die Gesundheit Friedrich Wilhelms untergraben hätten. 21 Doch Friedrich Wilhelm III., der am 16.November 1797 seinem verstorbenen Vater folgte, war auf sein Amt vorbereitet. Noch vor seinem siebten Geburtstag war der 1770 Geborene zum Fähnrich im 1. Bataillon Garde ernannt worden 22, zum siebten Geburtstag, fünf Tage später, erhielt er seine erste Uniform. Als Elfjähriger bekam er im Obersten Karl August von Backhoff einen militärischen Gouverneur, der dem zivilen Erzieher übergeordnet wurde. Dieser meldete: „Ew. K. M. mir vorzüglich ertheilten Allerh[öchsten] Befehl, aus dem Prinzen einen Soldaten zu machen, alleruntertänigst zu befolgen, wird mir nicht schwer, denn obwohl der Prinz generaliter eine sehr große Wißbegierde haben, so ist dennoch die gründliche Erlernung der Kriegskunst bei Ihnen kein bloßer Trieb, sondern eine heftige Leidenschaft, so daß in den militärischen Lektionen nichts Ihre Aufmerksamkeit stören kann und Sie sich selbst zu solchen treiben.“ 23

20

Prinz Heinrich an Graf Henckel von Donnersmarck, in: Charlotte Pangels, Königskinder im Rokoko.

Die Geschwister Friedrich des Großen. München 1976, 471. 21

Vgl. Über die Krankheit und den Tod Sr. Majestät des Hochseligen Königs Friedrich Wilhelm II. Eine

außerordentliche Beilage zu dem 142sten Stück der Berlinischen Zeitung im Verlage der Vossischen Buchhandlung (14.Dezember 1797), Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin (künftig: GStAPK), Brandenburg-Preußisches Hausarchiv (künftig: BPH), Rep. 48 K 2. 22

Vgl. Georg Wilhelm von Raumer, Kindheits- und Jugendgeschichte des hochseligen Königs Friedrich

Wilhelm III. Majestät, in: Berliner Kalender für 1845, 3–60, hier 20. 23

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Bericht Backhoffs vom 7.Mai 1782 nach: Raumer, Berliner Kalender für 1845 (wie Anm.22), 32.

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Zum Stabskapitän ernannt, absolvierte der Prinz seinen eigentlichen Garnisondienst im 1. Gardebataillon in den Jahren 1787 und 1788. 1784 erhielt er Unterricht durch den Ingenieurkapitän von Stamford in den Geniewissenschaften, 1787 lernte er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Louis Mathematik und Festungswesen beim Oberstleutnant Georg Friedrich Ludwig von Tempelhoff, einem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Historiker des Siebenjährigen Krieges. 24 Bereits den Feldzug gegen das revolutionäre Frankreich hatte er mitgemacht und über die Kanonade von Valmy eine Aufzeichnung („Reminiszenzen aus der Kampagne in Frankreich“) hinterlassen, die zwar einerseits erkennen lässt, wie unzufrieden der Kronprinz mit der Kriegführung war, andererseits auch zeigt, dass er sich nicht berufen fühlte, an die Stelle des Königs oder des Herzogs von Braunschweig zu treten. „Das wenige Positive, was der Kronprinz heimbrachte“, schreibt der Generalleutnant von Janson im Jahr 1907, „muß das Bewußtsein gewesen sein, daß ihn die persönliche Gefahr ebensowenig anfocht, wie seinen Vater oder einen seiner hohenzollerischen Vorfahren, und daß es für einen preußischen Königssohn selbstverständlich war, alle Entbehrungen der Truppe bis zum äußersten zu teilen.“ 25 Diese Entbehrungen teilte der Kronprinz auch, nachdem die Franzosen den Krieg zum Rhein und nach Deutschland hinein getragen hatten, und auch, nachdem sich in Polen ein weiterer Kriegsschauplatz aufgetan hatte. In den Briefen an seine Braut Luise von Mecklenburg-Strelitz hat er die Feldlageratmosphäre eingefangen. 26 So kann es nicht überraschen, dass Friedrich Wilhelm, inzwischen König geworden, auch bei der Mobilmachung der preußischen Armee 1805 ins Feld rückte, um dann bis zum Kriegsausbruch 1806 noch einmal in seine Residenz zurückzukehren. Ungewöhnlich an diesem Krieg gegen Napoleon I. war nun, dass auch die Königin ihrem Gemahl zunächst ins Feldlager folgte, ein Umstand, den Napoleon in seiner Propaganda ausgeschlachtet hat, als er Königin Luise als Amazone und Kriegstreiberin darstellte. Erst am Tag vor der Schlacht von Jena und Auerstedt hat sich Luise vom König getrennt und den Weg nach Berlin eingeschlagen. Friedrich Wilhelm III. aber nahm noch einmal den Herzog von Braunschweig als Oberbefehlshaber mit, der inzwischen 71 Jahre alt war. Er hielt ihn immer noch für

24 Vgl. Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit (wie Anm.6), 41. 25 August von Janson, König Friedrich Wilhelm III. in der Schlacht. Berlin 1907, 28f. 26 Vgl. Karl Griewank (Hrsg.), Briefwechsel der Königin Luise mit ihrem Gemahl, Friedrich Wilhelm III. 1793–1810. Leipzig 1929.

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einen „der ersten Generale unserer Zeit“, der die Gabe habe, „mit einem besonderen Scharfblick die wahre Lage der Dinge“ zu übersehen. 27 In dieser Lage schrieb Gerhard von Scharnhorst, der 1806 Generalquartiermeisterleutnant des Herzogs von Braunschweig wurde, er wisse nicht mehr, „ob man das Hauptquartier königlich oder herzoglich nennen solle“. 28 Charakteristisch für den Führungsstil, der im Oktober 1806 in der jetzt in Thüringen dislozierten preußischen Armee herrschte, dürfte die Äußerung des Herzogs von Braunschweig nach der Befehlsausgabe an den General von Rüchel sein: „Es sei denn, daß mir von Sr. Majestät dem Könige, oder von ihm selbst anderweitige Verhaltungsbefehle zugesendet würden.“ 29 Am 14.Oktober 1806 befand sich der König an der Spitze der Marschkolonne, die von Auerstedt aus den Franzosen unter Davout entgegenrückte. Nachdem man Feindberührung bekommen hatte, leitete er persönlich den Aufmarsch einer Division. Ihm wurde das Pferd unter dem Leib erschossen, er ließ sich das Pferd des Generaladjutanten geben und musste nun erfahren, dass der Herzog von Braunschweig schwer verwundet und erblindet war. Hierzu schreibt Friedrich Wilhelm III. selbst: „Sowie der Herzog blessiert war, hörte die eigentliche Führung des Ganzen gänzlich auf, weil niemand sich des Kommandos anzunehmen, imstande war, oder vielmehr, weil ein jeder der Hauptanführer bereits den Kopf verloren hatte.“ 30 In Wahrheit war der Oberbefehl in formloser Art und Weise auf den König übergegangen, der allerdings dadurch behindert war, dass er den Generalquartiermeisterleutnant Scharnhorst zum linken Flügel der nächststehenden preußischen Division geschickt hatte, um dort nach dem Rechten zu sehen. 31 Die Schlacht von Auerstedt ging verloren, weil es der preußischen Armee nicht gelang, ihre überlegenen Kräfte aus der Marschformation heraus zu entwickeln. Der Führungsfehler des Königs nach dem Ausfall des Herzogs von Braunschweig dürfte

27

Friedrich Wilhelm III., „Kurzgefaßte Bemerkungen über die bei der Rhein-Armee und in Polen ange-

stellt gewesenen Generals, so noch in activité, die ich persönlich zu beurteilen Gelegenheit gehabt“. Zitiert nach: Janson, König Friedrich Wilhelm III. (wie Anm.25), 44. 28

Janson, König Friedrich Wilhelm III. (wie Anm.25), 54.

29

Olaf Jessen, „Preußens Napoleon“? Ernst von Rüchel. Krieg im Zeitalter der Vernunft 1754–1823. Pader-

born 2007, 283. 30

GStAPK BPH Rep. 49 D II b1 Bl. 5. Vgl. auch Paul Bailleu, Die Schlacht bei Auerstedt. Eigenhändige Re-

lation König Friedrich Wilhelms III., in: Deutsche Rundschau 101, Oktober–Dezember 1899, 382–399. 31

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Vgl. Janson, König Friedrich Wilhelm III. (wie Anm.25), 74.

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darin bestanden haben, dass er sich an zu vielen verschiedenen Punkten befand 32 und nur die Perspektive eines Divisionskommandeurs einzunehmen in der Lage war. Schlachtteilnehmer wie der Hauptmann Hermann von Boyen gaben später an, sie hätten sich gewundert, dass ihnen keiner sagen konnte, an wen nach der Verwundung des Herzogs von Braunschweig der Oberbefehl übergegangen war. 33 Friedrich Wilhelm hatte sich nicht wie ein Feldherr, sondern wie ein Unterführer benommen. Erst als der Rückzug unabweisbar war, ist Friedrich Wilhelm an die Spitze dieses Rückzugs getreten und hat ihn von Sömmerda aus erfolgreich geführt, indem er persönlich die anrückenden Truppenteile empfangen, gesammelt und geordnet hat. 34 Friedrich Wilhelm III. hat aus der Erfahrung von Auerstedt, die für ihn später immer den Referenzpunkt bildete, die Konsequenz gezogen, sich in den Kriegen von 1813–1815 noch mehr zurückzunehmen. Diese Verhaltensweise wurde dadurch begünstigt, dass für das Koalitionsheer der Befreiungskriege die Festlegung eines einheitlichen Oberbefehls unumgänglich war. Zunächst lag dieser Oberbefehl in russischer Hand, wo sich allerdings einige Schwächen zeigten, die den preußischen nicht unähnlich waren, denn auch Kaiser Alexander I. war persönlich zu Felde gezogen. Nach dem Beitritt Österreichs zur Koalition im Herbst 1813 wurde der Oberbefehl dem österreichischen Feldmarschall Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg übertragen. Nur einmal noch scheint Friedrich Wilhelm selbst einen Schlachtplan entworfen zu haben. Nach der Wiedereröffnung der Feindseligkeiten im August 1813 befand sich Friedrich Wilhelm bei der alliierten Hauptarmee, die von Böhmen aus durch das Erzgebirge nach Sachsen vorstieß. Man begegnete den Franzosen unter General Vandamme; weder Kaiser Franz von Österreich, noch der russische Kaiser, noch der Oberbefehlshaber Fürst Schwarzenberg waren zugegen, so dass der König von Preußen eingriff, weil Gefahr im Verzug war. Ein Jahrhundert später meinte der preußische Generalleutnant von Janson über diese Schlacht von Kulm: „Er bekundete vollkommenen Überblick über die Kriegslage, schnellen Entschluß, rücksichtslose Übernahme der Verantwortung und Kampffreudigkeit – er zeigte sich geradezu

32 Vgl. ebd.90. 33 Vgl. Friedrich Nippold (Hrsg.), Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen. Aus seinem Nachlaß. Bd. 1. Leipzig 1889, 166. 34 Vgl. Janson, König Friedrich Wilhelm III. (wie Anm.25), 87.

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als Feldherr. Die höchste Gefahr brachte alles, was er vermochte, zu ungeahnter Entfaltung.“ 35

V. Militärische Prinzenerziehung im 19.Jahrhundert In den Tagebüchern des Erziehers Friedrich Delbrück ist festgehalten, wie der fünfjährige Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Wilhelm (I.) bei der Wachtparade der Gardes du Corps am 23.September 1800 die Pauken schlugen, „zum Amüsement der umstehenden Menge“. 36 Delbrück, der den Kindern klarmachte, wie viel besser sie es hatten als ihr eigener Vater (Friedrich Wilhelm III.) und Großvater (Friedrich Wilhelm II.) unter dem Regiment Friedrichs des Großen 37, wurde ebenfalls Zeuge, als der Kronprinz am 15.Oktober 1805, seinem zehnten Geburtstag, Uniform, Offiziershut und Degen erhielt: „Endlich stand er da, der kleine Officier, und wurde von Allen mit Theilnehmung in Empfang genommen.“ Der König soll an diesem Tag zu seinem Sohn gesagt haben: „Seitdem Du die Uniform trägst, bist Du viel verständiger und artiger.“ 38 Nach dem verhängnisvollen Verlauf des Kriegs von 1806/07 ging es, auf der Flucht in Memel, weiter, hier gesellte sich jetzt auch Prinz Carl zu den Brüdern, die „mit vorzüglich guter Haltung“ an einer Parade der Garde beteiligt waren. 39 An der Schlacht von Großgörschen, am 2.Mai 1813, nahm nicht nur König Friedrich Wilhelm III. teil, der sich auf einem weißen Araberpferd den französischen Kolonnen bis auf 80 Schritt näherte, sondern auch sein ältester Sohn und sein Neffe Friedrich, Sohn des Prinzen Wilhelm, Bruders des Königs. Die Prinzen waren der Garde zugeteilt und wurden erst aus dem Gefecht geholt, als der Vater zu dem Eindruck gelangt war, sie seien „genug im Feuer gewesen“. 40 Prinz Wilhelm, zu diesem Zeitpunkt fünfzehn Jahre alt und zuhause geblieben,

35

Ebd.208.

36

Georg Schuster (Hrsg.), Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. und des Kaisers und Königs Wil-

helm I. Tagebuchblätter ihres Erziehers Friedrich Delbrück. Bd. 1 u. 2. (Monumenta Germaniae Paedagogica, 36/37.) Berlin 1907, Bd. 1, 29. 37

448

Vgl. ebd.321.

38

Ebd.358f.

39

Vgl. Schuster (Hrsg.), Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. (wie Anm.36), Bd. 2, 359.

40

Wilhelm Heinrich Viktor Graf Henckel von Donnersmarck, Aus meinem Leben. Zerbst 1846, 184.

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schrieb an den König: „Welch eine Schlacht muß dies gewesen sein. Wie sehr bedauere ich, nicht sie mit gemacht zu haben. Die Truppen fechten zu sehen und mit ihnen gefochten zu haben, ist mein einziger Wunsch! Der Verlust ist zwar groß, aber was hilft es wenn ein solcher Zweck zu erreichen ist.“ 41 Im November 1813 zog auch Prinz Wilhelm ins Feld. Nachdem er der Rheinüberquerung bei Mannheim in der Neujahrsnacht 1814 zugesehen hatte, erlebte er am 1.Februar 1814 bei La Rothière seine erste Schlacht. Hier hörten beide, Wilhelm wie der Kronprinz, zum ersten Mal die Kugeln pfeifen und schrieben darüber nach Hause. 42 Von dem Gefecht bei Bar sur Aube am 27.Februar 1814 schrieb Prinz Wilhelm: „Papa hat sich bei dem Gefecht entsetzlich exponirt!!!!“ 43 Nach der Schlacht von La Rothière nutzte der Generalfeldmarschall von Blücher die Gelegenheit, um dem Thronfolger eine Lehre zu erteilen und den Achtzehnjährigen „auf die schrecklichen und unvermeidlichen Folgen des Krieges aufmerksam zu machen, er zeigte ihm die Menge der zerstreut liegenden todten oder verstümmelten Krieger, alle die verbrannten und verwüsteten Wohnungen friedlich lebender, im Laufe eines Tages unglücklich gewordener Einwohner und schloß mit der Bemerkung, daß eine große Verantwortung jeden Monarchen träfe, welcher leichtsinnig das Losungswort zu einem andern als zu dem für das Wohl des Vaterlandes unvermeidlichen Kriege gäbe.“ 44

VI. Preußens innere Militarisierung Friedrich Wilhelm (IV.) war eine denkbar unmilitärische Erscheinung, kurzsichtig und schon in jungen Jahren dick. Doch bewahrte ihn dies nicht davor, die militärische Laufbahn weiter verfolgen zu müssen. 1819 bedankte sich der König in einem Brief für die „Militärischen Rapporte“ seines Sohnes. „Sie verrathen Aufmerksam-

41 Prinz Wilhelm an den König, Breslau, 7.Mai 1813, in: Hermann Granier (Hrsg.), Hohenzollernbriefe aus den Freiheitskriegen 1813–1815. Leipzig 1913, 49. 42 Vgl. Prinz Wilhelm an Prinzessin Charlotte, Bar sur Aube, 3.Februar 1814, ebd.199; Der Kronprinz an Prinzessin Charlotte, Bar sur Aube, 3.Februar 1814, ebd.197. 43 Prinz Wilhelm an Prinzessin Charlotte, Colombey-les-deux-églises, 1.März 1814, ebd.209. 44 Das Tagebuch des Generals der Kavallerie Grafen von Nostitz, in: Kriegsgeschichtliche Einzelschriften. Hrsg. vom Großen Generalstabe. H.5. Berlin 1884, 85.

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keit, Gründlichkeit, und Liebe zur Sache, und haben mir daher wahre Freude gemacht, so wie alle Deine Briefe voll komischer Einfälle mir recht viel Spaß gemacht haben.“ 45 Ein ähnliches Bild sieben Jahre später: Nun habe ein Brief des Kronprinzen dem König „eine genaue Uebersicht des Zustandes der Truppen Deines Armee Corps, wie Du es bei Besichtigung desselben angetroffen“ enthalten. „Mit Vergnügen habe ich daraus entnommen, daß es in einem befriedigenden Zustand gewesen und daß sich daraus schließen läßt daß sämtliche Truppen bis zur großen Herbstübung in einem noch vollkommeneren erscheinen werden.“ 46 Prinz Wilhelm (I.), der zweitälteste Sohn Friedrich Wilhelms III., war, da mit seiner Thronfolge zunächst nicht gerechnet werden musste, von vornherein für die Armee bestimmt. Er befasste sich die folgenden Friedensjahrzehnte hindurch mit organisatorischen Verbesserungen in der Armee. Einige seiner Denkschriften hat sein Enkel Wilhelm II. edieren lassen; dadurch wissen wir, dass Wilhelm I. in der Armee nicht nur einen Schutz nach außen, sondern auch eine Garantie für die Sicherheit des Thrones nach innen erblickte. Die Erfahrung des Revolutionsjahres 1830 wird ihn darin bestärkt haben, die dreijährige Dienstzeit zu fordern, um die im preußischen Heereskonflikt von 1861–1866 so erbittert gestritten worden ist. Sie erschien ihm unentbehrlich, um den Rekruten jenen Geist des „blinden Gehorsams“ einzutrichtern, den man für eine jederzeitige Bereitschaft von Soldaten brauchte, auf das eigene Volk zu schießen. 47 Tatsächlich wäre der konterrevolutionäre Staatsstreich Friedrich Wilhelms IV. im Dezember 1848 nicht möglich gewesen, hätten nicht die Truppen des Militärbefehlshabers von Stettin, General Wrangel, Berlin umzingelt, und hätte nicht der König mit seinen Kanonen drohen können, die in der Lage waren, Berlin in Brand zu schießen. 48 Ein bleibendes Resultat des Absolutismus war das Gewaltmonopol. Es besagte, dass Gewalt nur noch in rechtlich eindeutigen Situationen gegen den äußeren Feind ausgeübt werden durfte. Das Duellverbot ist ein Ausfluss dieses Gewaltmonopols.

45

Friedrich Wilhelm III. an den Kronprinzen, Berlin, 18.August 1819, GStAPK BPH Rep. 49 J 214 fol.19.

46

Friedrich Wilhelm III. an den Kronprinzen, Potsdam, 29.Juni 1826, GStAPK BPH Rep. 49 J 214 fol.47.

47

Vgl. Prinz Wilhelm von Preußen an Kriegsminister von Hake, Berlin, 9.April 1832, in: Militärische

Schriften weiland Kaiser Wilhelms des Großen Majestät. Hrsg. vom Königlich Preußischen Kriegsministerium. Bd. 1. Berlin 1897, 154. 48

Vgl. Rüdiger Hachtmann, Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution. Bonn

1997, 760–762.

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Als aber 1846 im Staatsrat über eine Neufassung der Duellgesetzgebung beraten wurde, schrieb Prinz Wilhelm: „Das Interesse des Staats an der Ehre des Offizierstandes, was bei keinem anderen Stande in gleichem Maße eintrete, weil die Ehrenhaftigkeit des Offizierstandes die Basis für die Sicherheit und Existenz des Staats sei, scheine ein vollkommen durchgreifender Grund, um Injurien gegen Offiziere anders zu behandeln als Injurien gegen andere Personen.“ 49

Im Einklang mit der Praxis seines Bruders, des regierenden Königs, die auch von dessen Vorgängern geübt worden war, vertrat der Prinz die Ansicht, Offiziere, die sich duellierten, seien nicht nach den gewöhnlichen Paragraphen für Kapitalverbrechen, sondern nach Sonderrecht abzuurteilen und der Monarch müsse eine weitherzige Begnadigungspraxis walten lassen. Selbst König geworden, ging Wilhelm I. noch weiter. 1864 hat er einen beim Ersten Garderegiment in Potsdam dienenden Grafen, der unter Verweis auf das in der katholischen Kirche geltende Duellverbot eine Forderung nicht angenommen hatte, aus der Armee entlassen 50, und 1872, inzwischen Kaiser, schrieb Wilhelm: „Einen Offizier, welcher imstande ist, die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde Ich ebensowenig in Meinem Heere dulden, wie einen Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß.“ 51 Damit hatte Wilhelm I. einen Duellzwang eingeführt. In den Texten, die sich mit Duellen und ihrer möglichen Eindämmung befassten, war viel von Ehre und Standesehre die Rede. Von Ritterlichkeit redete keiner. Dieser Begriff war ausgewandert aus dem Milieu der Fachleute und ein Schlagwort des Alltags geworden. Wilhelms Gemahlin Augusta hatte die Traditionen Weimars an den preußischen Königshof gebracht. Die zivile Ausbildung der Prinzen, zuletzt sogar an der Universität, sollte ein starkes Gegengewicht zum militärischen Element darstellen. Über ihren ältesten Sohn, den 1831 geborenen Friedrich Wilhelm, späteren Kaiser Friedrich III., schrieb Augusta: „Als preußischer Prinz muß er dem Wehrstande zugehören, als Fürst und vielleicht Regent aber alle Zweige der Staatskunst umfassen. Deshalb muß sich die praktische militärische Thätigkeit darauf beschränken, die Obliegenhei-

49 Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft. München 1991, 93. 50 Vgl. ebd.112. 51 Karl Demeter, Das deutsche Offizierkorps in Gesellschaft und Staat 1650–1945. 4.Aufl. Frankfurt am Main 1965, 290.

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ten der verschiedenen Grade kennen zu lernen um sie beurteilen zu können.“ 52

Doch auch der kleine Friedrich Wilhelm spielte in den 1830er Jahren in Paretz, dem Landsitz seines Großvaters Friedrich Wilhelm III., mit Zinnsoldaten, Kanonen und entsprechenden militärischen Bekleidungsstücken. 53 Den Sechsjährigen hat Eduard Gärtner in einem Aquarell mit dem Kürass verewigt, nicht in einem Staatsporträt, sondern in einem Bild, das gleichzeitig die Funktion erfüllte, der Tante des Prinzen, Kaiserin Alexandra Feodorowna von Russland, eine Anschauung von den Wohnverhältnissen der Eltern im Palais Unter den Linden zu geben. Auch Friedrich Wilhelm wurde nominell mit sieben Jahren in die Armee eingestellt. 54 Doch scheint Prinzessin Augusta darauf geachtet zu haben, dass der Einfluss des nominell übergeordneten militärischen Gouverneurs durch einflussreiche Zivilerzieher, den reformierten Theologen Frédéric-Louis Godet aus Neuchâtel und ab dem 14. Lebensjahr den noch jugendlichen Archäologen und Privatdozenten Dr. Ernst Curtius, gebremst wurde. 55 Obwohl Prinz Wilhelm, der militärischste unter den Söhnen Friedrich Wilhelms III., hier immerhin insoweit mitgespielt hatte, als er bereit gewesen war, mit dem Beginn der militärischen Spezialausbildung auf das 16. Lebensjahr zu warten, äußerte er sich 1847 mit Ungeduld. Es könne nicht sein, dass sein Sohn unter den Prinzen des Hauses Hohenzollern als einziger dastünde, der von militärischen Dingen keine Ahnung habe, während er, der Vater, im gleichen Alter schon hatte in die Befreiungskriege ziehen müssen. „Wenn mein Sohn […] auch andre Pflichten und Kenntnisse, als die militairischen, lernen muß, so ist die Armee doch die Basis des Preußischen Staates; durch sie ist derselbe unter allen Regierungen geschaffen worden, und durch sie ist dessen Erhaltung nur möglich; denn nur unter dem Schutz und Schirm einer starken und geachteten Armee ist der Friede zu erhalten, und mit derselben dessen Segnungen!“ 56

52

Prinzessin Augusta, zitiert nach: Andreas Bernhard, Friedrich III. Ein Prinz im Widerstreit der Erzie-

hungsmethoden, in: Im Dienste Preußens. Wer erzog Prinzen zu Königen? Hrsg. v. der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Berlin 2001, 173–196, hier 177.

452

53

Vgl. Bernhard, Friedrich III. (wie Anm.52), 178.

54

Vgl. ebd.182.

55

Vgl. ebd.179, 187.

56

Wagner, Prinzenerziehung (wie Anm.3), 108–110.

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Bemerkenswerterweise war es der militärische Gouverneur des Prinzen, Oberst Karl Georg Friedrich Johann von Unruh, der darauf bestand, dass eine allgemeine Ausbildung geistiger Fähigkeiten der militärischen Schulung vorausgehen müsse. Zu solchen notwendigen Grundlagen würden zum Beispiel Geografie und Mathematik gehören. Man könne diese Fächer auf militärische Fragen anwenden, dann entstünden daraus Fortifikation und technisches Zeichnen. 57 Hierzu wurden wissenschaftlich gebildete Offiziere engagiert. 58 Das Erlebnis des 18. und 19. März 1848, die der 16-jährige Prinz im Berliner Schloss zugebracht hatte, hat einen tiefen Eindruck auf den späteren Kaiser hinterlassen, wurde er doch Zeuge einer Kraftprobe zwischen Militär und Volk, bei der der regierende König eine Niederlage erlitt, durchaus auch, weil es ihm an der Grausamkeit mangelte, die erforderlich gewesen wäre, um die Berliner Barrikadenkämpfe für die Monarchie zu einem siegreichen Ende zu bringen. 59 Das weitere Frühjahr 1848, als sein Vater nach England geflohen war, brachte Friedrich Wilhelm in Potsdam zu, in der Umgebung von „lauter Emigranten und Officieren, deren verbissene Stimmung das Unglücklichste und Nichtsnutzigste von der Welt ist“, wie es in einem Brief von Georg Curtius, dem Bruder des Prinzenerziehers, hieß. 60 Mit sieben Jahren war der Prinz als Grenadier in die 1. Kompanie des 1. GardeLandwehr-Regiments, II. Bataillon, eingetreten, das in Stettin garnisonierte. Mit zehn Jahren erhielt er aus der Hand seines Onkels, Friedrich Wilhelm IV., das Patent als Secondelieutenant. 61 Mit siebzehn Jahren, im Mai 1849, trat der Prinz den praktischen Militärdienst bei der Leibkompanie des 1. Garderegiments zu Fuß an. 62 Doch schon im Oktober, nach seinem 18. Geburtstag, durfte er den Militärdienst wieder unterbrechen, um sein Studium an der Universität Bonn aufzunehmen. 63 Friedrich Wilhelm hat immer in engem Kontakt zu seinem 1828 geborenen Cousin, Prinz Friedrich Karl, gestanden. Dessen Vater, der jüngere Bruder Friedrich Wilhelms IV. und des Thronfolgers Wilhelm, war als Kunstsammler und Mäzen in Preußen bekannt. Doch auch er stellte für seinen Sohn einen militärischen Erzieher

57 Vgl. ebd.110. 58 Vgl. Bernhard, Friedrich III. (wie Anm.52), 190. 59 Vgl. Heinrich Otto Meisner (Hrsg.), Kaiser Friedrich III. Tagebücher von 1848–1866. Leipzig 1929, 18. 60 Vgl. Bernhard, Friedrich III. (wie Anm.52), 191. 61 Vgl. Wagner, Prinzenerziehung (wie Anm.3), 114f. 62 Vgl. Bernhard, Friedrich III. (wie Anm.52) 193. 63 Vgl. ebd.

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ein. 64 Tatsächlich hat die Erziehung Friedrich Karls einen eindeutiger militärischen Charakter bekommen 65, hat dieser schon 1849 in der Niederschlagung des Badischen Aufstands und beim preußischen Feldzug in Holstein Kriegserfahrung gesammelt. Aus dieser Konstellation sollte sich später eine echte militärische Rivalität entwickeln. Während über Friedrich Wilhelm nur berichtet wird, er sei, mit wechselnden Einsätzen bei Gardeartillerie und -dragonern, seinen Dienstpflichten nachgekommen, bis er im Alter von 24 Jahren zum Obersten befördert wurde 66, tat sich Friedrich Karl durch besonderen Einsatz auch beim Routinedienst hervor und erwarb sich den Ruf eines Heeresreformers. Dass Prinzen des königlichen Hauses sich grundsätzliche Gedanken über die Führungsprinzipien der Streitkräfte machen durften, war anerkannt. So hatte Prinz August, Bruder des 1806 bei Saalfeld gefallenen Louis Ferdinand, das Amt eines Inspekteurs der preußischen Artillerie innegehabt. 1843 war ihm in dieser Stellung Prinz Adalbert gefolgt, der 1849 auch den Oberbefehl über die preußische Marine übernommen hatte, seit 1854 im Rang eines Admirals. Seine „Denkschrift über die Bildung einer deutschen Flotte“ hatte ihm in der Revolutionszeit außerdem auch den Posten eines Vorsitzenden der Reichsmarinekommission bei der provisorischen Zentralgewalt in Frankfurt am Main verschafft. In seinen militärischen Schriften aus den Jahren bis 1860 sehen wir Friedrich Karl als Reformer, der die Konstellation aus der Ära Scharnhorst zu wiederholen scheint. 67 Erneut wird konstatiert, dass in der französischen Armee, die im Krimkrieg und im italienischen Krieg von 1859 ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt habe, der Entwicklung der moralischen Kräfte vor dem mechanischen Exerzieren der Vorzug gegeben werde 68, während in der preußischen Armee sich wieder eine Überbewertung der äußeren „Strammheit“ und des Glanzes der Paraden ausgebreitet habe. Stattdessen müsse es vor allem auf eine Steigerung der Marschleistung ankommen. So manchen Feldzug hätten „die Beine“ entschieden. 69 Auf die verstärk64 Vgl. ebd.178. 65 Vgl. ebd.182. 66 Vgl. Werner Richter, Kaiser Friedrich III. Der tragische Lebenslauf des zweiten Hohenzollern-Kaisers. Erlenbach-Zürich/Leipzig 1938, 47. 67 Vgl. Stanislaus von Leszczynski, Prinz Friedrich Karl und die Entwickelung seiner Anschauungen über Ausbildung und Erziehung der Truppe bis zum Jahre 1860, geschildert nach seinen eigenen Aufzeichnungen. Vortrag, gehalten in der Militärischen Gesellschaft am 24.Oktober 1894. Berlin 1894, 27. 68 69

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Vgl. ebd.30. Vgl. ebd.34.

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te Feuerkraft der mit den modernen Hinterladergewehren bewaffneten Infanterie müsse man reagieren, indem man die Massen in zerstreuter Form ins Gefecht führe, um sie dann erst kurzfristig in eine Ordnung zu bringen und die Entscheidung mit der blanken Waffe zu suchen. 70

VII. Der Prinz als populärer Kriegsheld Im Feldzug gegen Dänemark von 1864 befehligte Friedrich Karl, unter dem Oberbefehl des Generalfeldmarschalls Wrangel stehend, als Generalleutnant zwei preußische Armeekorps. Dagegen hatte Friedrich Wilhelm, inzwischen längst Kronprinz, seiner liberalen Aufwallungen gegen die Bismarck’sche Politik und damit auch gegen den Vater, König Wilhelm I., wegen, kein Kommando erhalten, sondern war lediglich dem Hauptquartier Wrangels zugeordnet worden. Seine Funktion beschrieb Friedrich selbst wie folgt: „Hauptquartier Flensburg, den 14.Februar. Seit den letzten Tagen sitze ich hier, Tag und Nacht das Gerassel der vorbeimarschierenden Truppen, die nach Norden abmarschieren, hörend. Trotzdem fragt sich jeder, was geschieht nun? Dabei muß ich hierbleiben, weil man im gegenwärtigen Augenblick meine Gegenwart im Hauptquartier für unentbehrlich hält, um Wrangel bei der Stange zu halten und den Schein der Vernunft für den Höchstkommandierenden zu wahren. Übrigens wird es schon gehen, wenn wir nur nicht größere Operationen zu kombinieren bekommen. Wrangel hört auf mich und läßt sich leicht lenken, wenn ich ihm gemütlich zurede. Dieses ganze Gebahren ist freilich eine Art Komödie; aber sie ist unvermeidlich, wenn man einen [sic] zwar verdienten, aber jetzt abgetakelten, greisen Offizier in so spätem Lebensalter noch solche Kommandos gibt. Wir alle waren ja außer uns, als wir Wrangels Ernennung vernahmen.“ 71

So deutete Friedrich Wilhelm seine Rolle als die des geheimen Oberkommandierenden, der, auf seine Autorität als Thronfolger gestützt, die Spannungen im Hauptquartier ausglich und für die Kohäsion der Armee sorgte. 72 Die Erstürmung der Düppeler Schanzen erlebte der Kronprinz entweder im Ge-

70 Vgl. ebd.19. 71 Meisner (Hrsg.), Tagebücher von 1848–1866 (wie Anm.59), 259. 72 Vgl. die Tagebucheintragung vom 15.Februar 1864, ebd.260.

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folge Wrangels oder Friedrich Karls. 73 Der Kronprinz hoffte unentwegt, dass Wrangel als Oberbefehlshaber abberufen und durch Friedrich Karl ersetzt werde. 74 Zum Flügeladjutanten Edwin von Manteuffel und zum Kriegsminister Albrecht von Roon sagte der Kronprinz „unverblümt […], daß Wrangels längeres Verbleiben in seiner Oberbefehlshaberstellung eine Unmöglichkeit sei.“ Nach dem Sieg von Düppel waren in Jütland keine größeren Operationen mehr zu erwarten; als kriegsentscheidend musste man einen Vorstoß auf Kopenhagen ansehen. Daher habe Friedrich Wilhelm „auch beide aufmerksam gemacht, daß es meiner unwürdig sei, in Jütland zu weilen, wo es zu keinen Unternehmungen mehr kommen könnte – aber umsonst, weil Se. Majestät nicht wollte!“ 75 Das Tagebuch lässt nicht erkennen, dass Friedrich Wilhelm Anstoß daran genommen hätte, unter seinem Cousin zu dienen, der ihm in der Thronfolge nachrangig war. Dennoch wurde, nachdem Wrangel tatsächlich unter Wahrung des Scheins abgelöst worden und Friedrich Karl sein Nachfolger geworden war, der Kronprinz in die Position eines Kommandierenden Generals des II. Armeekorps, das in Pommern garnisonierte, abgeschoben. 76 Im Krieg von 1866 wurde General Leonhard von Blumenthal, der Generalstabschef Friedrich Karls in Schleswig-Holstein, Stabschef der II. Armee, die den Auftrag hatte, von Schlesien aus nach Mähren einzudringen. Oberbefehlshaber der II. Armee aber wurde der Kronprinz, während Friedrich Karl die durch Sachsen einmarschierende I. Armee befehligen sollte. Die Planung des Zusammenwirkens der I., der II. und der Elbarmee Preußens aber oblag dem Chef des Großen Generalstabs, Helmuth von Moltke, der seine Autorität jedoch von König Wilhelm I. ableiten musste. Es gehörte zu den Bräuchen zwischen Monarchien, die ja auch lange Zeit Verbündete gewesen waren, dass man die Herrscher der jeweils anderen Seite zu Ehrenobersten der eigenen Regimenter machte. So gab es in der österreichischen Armee auch ein Regiment „Kronprinz von Preußen“, dessen Kommandeur, Oberst von Wimpffen, im Gefecht von Nachod tödlich verwundet wurde. Es begab sich, dass Friedrich Wilhelm, der Wimpffen in St. Petersburg kennengelernt hatte, diesen antraf, als er schon dem Tode nahe war. Auf die Worte des Kronprinzen: „Mein armer

73

456

Vgl. ebd.334–340.

74

Vgl. die Eintragungen vom 20.April 1864, ebd.342, und 22.April 1864, ebd.344.

75

Eintragung vom 23.April 1864, ebd.347.

76

Vgl. Richter, Kaiser Friedrich III. (wie Anm.66), 123.

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Oberst! Welches Wiedersehen!“ soll ihm Wimpffen, die Hand drückend, geantwortet haben: „Soldatenlos“. 77 Generalstabschef Blumenthal schrieb etwa zur selben Zeit an seine Frau, der Kronprinz habe eingesehen, dass er wenig von Strategie verstehe und lasse sich willig von ihm leiten. Den Brief, von den Österreichern abgefangen und veröffentlicht, verzieh der Kronprinz seinem General und beließ ihn auf seinem Posten. 78 Der Befehl an den Kronprinzen, er möge am 3.Juli 1866 mit allen seinen Kräften dem Prinzen Friedrich Karl zu Hilfe kommen, ging der Form nach von König Wilhelm I. aus, der die Entscheidung jedoch erst nach der Konsultation mit Helmuth von Moltke, dem Chef des Großen Generalstabs, getroffen zu haben scheint. 79 In Königgrätz bewahrte die gerade rechtzeitig eintreffende Armee des Kronprinzen das Korps des Prinzen Friedrich Karl vor der Niederlage. Das Zusammenwirken von insgesamt drei preußischen Armeen bei Königgrätz wurde in den Umarmungen der Cousins und schließlich des Kronprinzen mit seinem königlichen Vater auf dem Schlachtfeld symbolisiert. 80 Zur Vernichtungsschlacht aber wurde Königgrätz nicht, weil „Moltke, nicht Feldherr, sondern nur Chef des Generalstabes, einer ausreichenden Autorität entbehrte.“ 81 So unklar wie 1806 bei Auerstedt scheint noch beim Übergang der II. Armee über das Riesengebirge gewesen zu sein, wo der monarchische Oberbefehlshaber eigentlich seinen Platz habe. 82 Sollte er vorn sein, ein Vorbild, oder in den Reihen, anfeuernd und ermutigend, oder hinten, von wo aus man Rückzugs- und Auffangoperationen am besten hätte leiten können? Mittendrin zu sein konnte bedeuten, den Überblick zu verlieren. Der sprichwörtliche Feldherrnhügel befand sich bereits am Rand des Schlachtgeschehens. Umso auffälliger das Selbstbewusstsein, das sich im Tagebuch des Kronprinzen findet, als die von ihm befehligte III. Armee am 6.August 1870 die Schlacht von

77 Vgl. ebd.156. 78 Vgl. ebd.162. 79 So jedenfalls das Ergebnis der Dissertation eines Teilnehmers des Ersten Weltkriegs. Vgl. Joseph Irmler, Moltke und Prinz Friedrich Karl bei Königgrätz. (Historische Studien, H.167.) Berlin 1926, 46; Fraglich wäre hier, ob es inzwischen eine ideologische Notwendigkeit geworden war, den Monarchen die Fähigkeit zu selbstständigen strategischen Entscheidungen abzusprechen. 80 Vgl. Meisner (Hrsg.), Tagebücher von 1848–1866 (wie Anm.59), 451. 81 Irmler, Moltke und Prinz Friedrich Karl (wie Anm.79), 61. 82 Meisner (Hrsg.), Tagebücher von 1848–1866 (wie Anm.59), 431f.

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Wörth gewonnen hatte: „MacMahons [des französischen Marschalls] zäher Widerstand“, heißt es da, „seine geschickte Art, allmählich kämpfend abzuziehen, waren bewunderungswürdig – allein er überließ mir die Walstatt, und ich hatte ihn besiegt. Ich darf dies im eigentlichen Sinne des Wortes aussprechen, denn während der ganzen Schlacht konnte ich von den verschiedenen Standpunkten, die ich einnahm, die Bewegungen meiner braven fechtenden Truppen sehr wohl sehen, die erforderlichen Befehle erteilen und auch leicht gefunden werden. Generalleutnant von Blumenthal und Oberst von Gottberg standen mir mit ausgezeichneter Klarheit, Frische und Umsicht zur Seite“.

Dies sollte keinesfalls bedeuten, dass der Kronprinz jetzt glaubte, die militärische Expertise des Generalstabs nicht mehr nötig zu haben. Er hielt ausdrücklich fest, „daß dieser Tag allein schon meine alte Bewunderung und mein unbedingtes Vertrauen zu ersterem von neuem – wenn noch nötig – bestätigte und letzterem meine ganze Anerkennung erwarb. Meinen Generalstabsoffizieren […], so wie den Adjutanten und Ordonnanzoffizieren kann ich nur das unbedingte Lob und meine vollste Zufriedenheit aussprechen, denn im Erstatten einsichtsvoller Meldungen, im richtigen Erfassen erteilter Befehle und ihrer Ausführung haben sich alle als durchweg brauchbar und zuverlässig erwiesen.“ 83

Der – gewissermaßen von Blücher her in der Familie tradierte – Respekt vor den Gräueln des Krieges zeigte sich in der Tagebucheintragung, die der Kronprinz fünf Tage nach der Schlacht bei Sedan notiert hat. Auch hier war es die von Friedrich Wilhelm befehligte Armee gewesen, die die Schlachtentscheidung bewirkt hatte. Doch der Kronprinz schrieb: „Trotz aller Siege und der mit denselben zusammenhängenden Eindrücke frage ich mich täglich, wie das gegenseitige Zerfleischen nach Art der wilden Tiere trotz aller christlichen Lehren von Tugend und Sittlichkeit, die täglich gepredigt werden und als ein Kennzeichen dieses unseres Zeitalters gelten, immer noch möglich ist. Ich mag über diese Widersprüche gar nicht nachdenken, denn sonst könnte ich fast verrückt darüber werden, zumal ich, mitten in dem Kampfe stehend, verpflichtet bin, immer auf neues Verderben für meine Gegner zu sinnen, um desto rascher dem Kriegsunglück ein Ende zu machen.“ 84

83

Heinrich Otto Meisner (Hrsg.), Kaiser Friedrich III. Das Kriegstagebuch von 1870–71. Berlin/Leipzig

1926, 36f. 84

458

Vgl. ebd.111.

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Gleichzeitig aber stieg die Popularität Friedrich Wilhelms, dem sein Vater auch die heikle Aufgabe zugedacht hatte, mit der III. Armee ein zum großen Teil aus verbündeten Bayern, den Verlierern von 1866, zusammengestelltes Kontingent zu führen. Volkstümlich wurde gesungen: „Unser Kronprinz, der heißt Fritze, Und er fährt gleich einem Blitze Unter die Franzosenbrut. Ob wir tapfer uns geschlagen, Weißenburg und Wörth mag’s sagen, Denn wir schrieben es mit Blut.“ 85

Napoleon III. hatte nicht den Anspruch gehabt, seine Armee selbst zu führen. Dies war dem Marschall Mac Mahon überlassen worden. Doch hatte der Franzosenkaiser sich gleich Wilhelm I. zu seiner Armee begeben, und so ergab sich die Gelegenheit zu einer ritterlichen Szene zwischen den beiden Monarchen, bei der nach der Schlacht von Sedan der Sieger das Quartier des Besiegten aufsuchte, um mit Händedruck von ihm die bereits von den Militärs unterschriebene Kapitulation noch einmal bestätigen zu lassen – eine Szene, so weit entfernt vom 11.November 1918 wie nur möglich. 86 Zum Zeitpunkt des deutsch-französischen Krieges war der Sohn des Kronprinzen, der spätere Wilhelm II., bereits elf Jahre alt. In seinen Memoiren hat Wilhelm II. eine drastische Schilderung seiner harten und freudlosen Erziehung durch den Calvinisten Dr. Georg Ernst Hinzpeter geliefert, für die Kronprinz Friedrich Wilhelm und seine Gemahlin Victoria die Verantwortung getragen haben sollen. 87 Sein Biograf John C. G. Röhl vermutet, dass Wilhelm einzelne Züge übertrieben hat. 88 Bemerkenswert ist, dass die Härte, wenn sie denn eine Tatsache gewesen ist, vor allem auf die Eltern zurückzuführen war und nicht etwa, wie man vermuten könnte, auf Wilhelm I., den Großvater und so militärisch eingestellten König. Friedrich Wilhelm und Victoria arbeiteten sogar daran, den militärischen Einfluss auf die Erziehung gering zu halten, und zwar so sehr, dass der alte König einschritt und schrift-

85 Richter, Kaiser Friedrich III. (wie Anm.66), 216. Mit Varianten auch bei Frank Lorenz Müller, Der 99Tage-Kaiser. Friedrich III. von Preußen. Prinz, Monarch, Mythos. Berlin 2013, 182. 86 Vgl. Meisner (Hrsg.), Kriegstagebuch von 1870–71 (wie Anm.83), 99–101. 87 Vgl. Kaiser Wilhelm II., Aus meinem Leben 1859–1888. Berlin/Leipzig 1927, 23–29. 88 Vgl. John C. G. Röhl, Wilhelm II. Die Jugend des Kaisers 1859–1888. München 1993, 167.

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lich klarstellte, dass die „oberste Leitung der ganzen Erziehung“ des Prinzen vom militärischen Gouverneur übernommen werde. 89 In Ausweitung der Grundsätze, die den Vater als Studenten an die Universität Bonn geführt hatten, wurde der Sohn vor dem Besuch der Universität noch auf ein öffentliches Gymnasium geschickt, das man in Kassel, weit entfernt von der Hauptstadt, gefunden hatte. Doch dieser Lebensabschnitt war einmal zu Ende, und kein Weg führte daran vorbei, dass auch Wilhelm seinen Garnisondienst beim Ersten Garderegiment zu Fuß in Potsdam leisten musste. In Briefen aus jener Zeit hat Wilhelm hervorgehoben, wie sehr er das Militärleben genieße und sich in Potsdam, seinem „el dorado“, frei fühle. 90 Dem bürgerlichen Leistungsgedanken folgend, hatte Wilhelm nicht nur im Februar 1877 das Abitur ablegen müssen, sondern im Anschluss an den Garnisondienst wurde im Juli 1877 auch das Offizierexamen von ihm gefordert. 91 Im Briefwechsel der Eltern finden sich reichliche Klagen über den nachteiligen Einfluss des Potsdamer Kasinomilieus und des Militärs überhaupt. „Wilhelm liebt gewiß die Manöver sehr! Der beschäftigte, sogar angestrengte Müßiggang, das Bummeln – u. das Hetzen – an- u. ausziehen, u. unausgesetzt unter Menschen sein, Empfänge, Zapfenstreich, ist was dem Preußischen Prinzen par excellence als ein Ideal vorkommt! […] Das tiefere, interessante, militärische Theil ist wohl noch zu hoch für ihn“ 92, meinte seine Mutter 1879. Nachdem sich die Queen Victoria, als Großmutter, bei ihrem 24-jährigen Enkel darüber beklagt hatte, dass er ihr zu britischen Siegen in Ägypten nicht gratuliert habe, begann Wilhelm, der Queen militärische Ratschläge zu erteilen und rühmte sich, diese seien von den britischen Truppenführern auch in die Tat umgesetzt worden. 93 Das Muster, das im späteren Daily Telegraph-Interview so unglückliche Folgen zeitigen sollte, ist hier schon voll entfaltet. Im „Aufruf an mein Volk“, den Wilhelm II. am 27.Juni 1888 anlässlich seiner Thronbesteigung herausgegeben hat, wurde des verstorbenen Vaters und vor allem seiner „ritterlichen Gestalt“ gedacht und diese Ritterlichkeit mit den Schlachtensie-

89

460

Vgl. ebd.165.

90

Ebd.379.

91

Vgl. Wagner, Prinzenerziehung (Anm.3), 264.

92

Victoria an den Kronprinzen, 18.September 1879, zitiert nach Röhl, Jugend (wie Anm.88), 383.

93

Vgl. ebd.451.

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gen Friedrichs III. in Verbindung gebracht. 94 Tatsächlich war „Ritterlichkeit“ eine Eigenschaft, die Friedrich III. besonders häufig zugesprochen worden ist. Als er 1887, schon vom Krebs geschlagen, im Festzug zum fünfzigjährigen Krönungsjubiläum der Queen Victoria in weißer Kürassieruniform der Kutsche der Queen voranritt, wurde er, blond, hochgewachsen und blauäugig wie er war, mit Lohengrin verglichen. 95 Damit sind wir aber auch schon im Bereich der Banalisierung, denn niemand hindert uns daran, jeden beliebigen anderen stattlichen Menschen auch als Lohengrin zu bezeichnen. Und man kann sich des Gedankens nicht erwehren, dass über die Ritterlichkeit des 99-Tage-Kaisers geredet wurde, weil es sonst nicht viel über ihn zu sagen gab.

VIII. Verfassung und Verfassungswirklichkeit In den häufig fatalen Äußerungen, die uns über Wilhelms II. Auffassung von seiner Herrscherrolle bekannt sind, finden wir keine Anklänge an das Rittertum, sondern Bezüge auf den Absolutismus oder auf das alte Rom, das, wie Wilhelm in seiner Rede zur Einweihung des Saalburgkastells ausführte, den Deutschen ein Vorbild dafür sein könne, wie ihr zukünftiges Weltreich auszusehen habe. 96 Im Gegensatz zum roi-chevalier aber hatte der roi-connétable auch nach der Bismarck’schen Reichsgründung noch verfassungsmäßige Relevanz. Diese Relevanz drückte sich aus im militärischen Oberbefehl des Kaisers über das einheitliche deutsche Heer, wie er in Artikel 63 der Reichsverfassung geregelt war. In einer Kabinettsorder vom 24.Mai 1883 hat dann Wilhelm I. ausdrücklich dem Chef des Generalstabes die Immediatstellung zuerkannt. Mithin bedurfte es für diesen nicht des Kriegsministers, um Zugang zum Herrscher zu erlangen. 97 Instrumente der kaiserlichen Befehlsausübung waren daher im Kaiserreich neben dem Kriegsministerium das Militärkabinett, das Marinekabinett und der Große Generalstab. Alle diese Dienst-

94 Vgl. Johannes Penzler (Hrsg.), Die Reden Kaiser Wilhelms II. in den Jahren 1888–1895. T.1. Leipzig 1904, 10. 95 Vgl. Richter, Kaiser Friedrich III. (wie Anm.66), 317. 96 Vgl. John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Aufbau der persönlichen Monarchie 1888–1900. München 2001, 989. 97 Vgl. Günther Wohlers, Die staatsrechtliche Stellung des Großen Generalstabs in Preußen und dem Deutschen Reich. Bonn 1921, 32.

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stellen waren einander nebengeordnet. Nur der Monarch hielt die Fäden in der Hand. Dass Wilhelm II. zunächst seinen Oberbefehl genauer nahm, als den Generalstäblern lieb war, wissen wir. In den Manövern gebärdete er sich als Feldherr, wie es ihn seit Friedrich dem Großen nicht mehr gegeben hatte. So schrieb der Chef des Großen Generalstabs, Alfred von Waldersee, über Wilhelms Rolle im Kaisermanöver vom September 1890 an der Neiße: „Sobald er […] ins Gefecht trat, begannen große Unnatürlichkeiten, man kann dreist sagen eine kindliche Spielerei. Das war im vorigen Jahr noch Alles weit besser; er hat aber jetzt an Sicherheit gewonnen und glaubt wirklich er verstände etwas von Truppenführung. Nach meiner Überzeugung hat er ein gewisses Verständniß für Exercirplatz Bewegungen, nicht aber für die eigentliche Truppenführung; es fehlt ihm eben jegliche Kriegserfahrung u. will er es nicht glauben, daß die Kavallerie doch eine recht geringe Verwendungsfähigkeit in der Schlacht habe. Er ist außerordentlich unruhig, jagt hin u. her, ist meist ganz vorn, greift in die Truppenführung der Generäle ein u. gibt zahllose, oft sich widersprechende Befehle u. hört auf seine Rathgeber kaum. Es tritt dazu ein hoher Grad an Eitelkeit; er will immer siegen u. nimmt jede Entscheidung des Schiedsgerichts, die gegen ihn fällt, übel.“ 98

Es fällt auf, dass Prinz Friedrich Karl diese Art von Manöver bereits dreißig Jahre zuvor als schädlich für die Soldatenausbildung bezeichnet hatte. Mit dem erwähnten Manöver, an dem Waldersee recht offenherzig Kritik übte, bereitete sich dessen Sturz als Generalstabschef vor. Eine Erweiterung der militärischen Kompetenzen des preußischen Herrschers kann man es nennen, dass Wilhelm II. sich nicht nur als Experte in den Manövern des Landheers, sondern auch als Marinefachmann sah. Auf seinen Seereisen las Wilhelm selbst mit dem Fernrohr die Signale ab, schoss mit der Revolverkanone auf eine ausgesetzte Tonne und neigte überhaupt dazu, „ganz als Admiral aufzutreten, direkt zu befehlen, direkt Meldungen zu empfangen als Kommandierender des Geschwaders, daneben in Kleidung und Auftreten als Seemann zu erscheinen“, wie der Vizeadmiral Paul Hoffmann es 1889 ausdrückte. 99 Wilhelm selbst führte seine Flottenleidenschaft auf seine Jugendeindrücke als Gast der Queen Victoria in Portsmouth zurück. Dass dies jedoch in Zeiten einer kon-

462

98

Tagebucheintragung Waldersees vom 21.September 1890, nach Röhl, Aufbau (wie Anm.96), 470.

99

Röhl, Aufbau (wie Anm.96), 185.

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stitutionellen Monarchie, da man für die Bewilligung der Kosten eines Flottenbaus den Reichstag gewinnen musste, als Begründung nicht ausreichen konnte, war schon den Zeitgenossen bewusst. 100 Wilhelm aber ruhte nicht und sah seine historische Aufgabe darin, für die Flotte das zu werden, was Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, für die Armee gewesen sei. 101 Die Flottenbegeisterung des Kaisers war ganz ursprünglich und bestand schon, bevor Alfred von Tirpitz Einfluss auf Wilhelm gewann. Ein strategisches und taktisches Konzept besaß der Kaiser nicht 102, daher hatte er Tirpitz’ Ideen auch nichts entgegenzusetzen. Tirpitz konnte jedoch erst aufsteigen, nachdem sich die Unzufriedenheit des Kaisers mit dem bisherigen Staatssekretär des Reichsmarineamts erwiesen und dies dem Chef des Marinekabinetts sowie dem Prinzen Heinrich, dem zur See bestimmten Bruder des Kaisers, die Gelegenheit verschafft hatte, Tirpitz zu platzieren. 103 Nachdem dies geschehen war, ließ sich der Kaiser von Tirpitz leiten. Nach Kriegsbeginn zeigte sich jedoch der Unterschied, der nach wie vor zwischen dem Landheer und der Flotte bestand. Die Kommandogewalt über das Heer stand Wilhelm II. als König von Preußen zu, und die Reichsverfassung hatte sie ihm nun auch über das Heer der Bundesstaaten eingeräumt. Dagegen war die Flotte eine reine Reichsangelegenheit und verfügte über keine nennenswerte Tradition. Deswegen überraschte es niemand, dass sich Wilhelm im Jahr 1914 bereits am 16. August, also kurz nach dem Austausch der Kriegserklärungen, ins „Große Hauptquartier“ begab und sich dort bis zu seiner Abdankung überwiegend aufhielt, nicht aber in die Flottenstützpunkte ging. Die Tatsache, dass die Überwasserflotte die größte Zeit des Krieges in ihren Häfen blieb, tat ein Übriges.

IX. Der Monarch verblasst, der Feldmarschall erstrahlt Das Versagen Wilhelms II. dürfte am ehesten darin gesehen werden, dass er unfähig war, als wirklicher Koordinator der deutschen Strategie – zu Lande, zu Wasser

100 Vgl. Bernhard von Bülow, Denkwürdigkeiten. Bd 2: Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. Berlin 1930, 30f. 101 Vgl. Röhl, Aufbau (wie Anm.96), 1110f. 102 Vgl. ebd.1112. 103 Vgl. ebd.1130.

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und in der Politik – zu handeln. 104 Die Übersiedlung des Kaisers ins Große Hauptquartier war notwendig, um seine Rolle als Inhaber der Kommandogewalt nach außen zu demonstrieren. Tatsächlich sahen die Dinge anders aus. Im November 1914 sagte Wilhelm zu Prinz Max von Baden: „Der Generalstab sagt mir gar nichts und fragt mich auch nicht. Wenn man sich in Deutschland einbildet, daß ich das Heer führe, so irrt man sich sehr. Ich trinke Tee und säge Holz und gehe spazieren, und dann erfahre ich von Zeit zu Zeit, das und das ist gemacht, ganz wie es den Herren beliebt. Der Einzige, der ein bißchen netter zu mir ist, ist der Chef der Feldeisenbahnabteilung.“ 105

So steht es im Tagebuch des Chefs des Marinekabinetts, Admiral Georg Alexander von Müller, der seinerseits dazu meinte, obwohl der Kaiser dies im Scherz gesagt habe, sei es „doch tragische Wahrheit“. 106 Nach außen hin legte Wilhelm freilich Wert darauf, dass der Schein gewahrt blieb. So schrieb er 1915 an den Kriegsminister Adolf Wild von Hohenborn: „Ich rede ja so wenig rein als möglich; aber Falkenhayn [der Generalstabschef] muß doch nach außen hin die Fiktion erhalten, daß ich alles persönlich anordne.“ 107 Der Generalstabschef des IX. Reservekorps schrieb 1916 seiner Frau über einen Besuch des Kaisers: „Was er vom Kriege sagte, war so, daß man am besten darüber schweigt. […] Ob Seine Majestät wohl ahnt, um was es in diesem Kriege auch für ihn geht, und daß es um Szepter und Krone geht, auch für die Hohenzollern?“ 108 Das wertvollste Relikt der längst ausgehöhlten Kommandogewalt, das die Monarchen in Preußen noch hüteten, war das Recht zur Stellenbesetzung. So hat Kronprinz Wilhelm 1917 bei Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff die Auswechslung seines Generalstabschefs, des Generals Schmidt von Knobelsdorf, gefordert

104 Vgl. Holger Afflerbach, Kaiser Wilhelm II. als oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914–1918. (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20.Jahrhunderts, 64.) München 2005, 20. 105 Walter Görlitz, Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marine-Kabinetts Admiral Georg Alexander von Müller 1914–1918. Göttingen/Berlin/Frankfurt am Main 1959, 68. 106 Ebd. 107 Adolf Wild von Hohenborn, Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des preußischen Generals als Kriegsminister und Truppenführer im Ersten Weltkrieg. Hrsg. v. Helmut Reichold. Boppard 1986, Nr.38, 64. 108 Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der OHL. Hrsg. v. Siegfried Kaehler. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 3. Folge, Bd. 40.) Göttingen 1958, 69.

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und auch erhalten. Allerdings schreibt ihm die Kronprinzessin Cecilie, seine Gemahlin, auch noch den Einfluss auf Operationsplanungen zu, denn es sei der Kronprinz gewesen, der den Abbruch der Angriffe bei Verdun durchgesetzt habe. 109 Der Kaiser ahnte sehr wohl, dass seine Stellung in Gefahr war. Aus genau diesem Grund hat er sich zwei Jahre lang der Forderung widersetzt, die erfolgreichen Generäle Hindenburg und Ludendorff an die Spitze des Generalstabs zu stellen. Wilhelm nannte Hindenburg 1916 einen „Volkstribun“, dessen Ernennung seiner Abdankung gleichkomme. 110 Damit hatte Wilhelm zielgenau den Charakter der Herrschaft getroffen, die Hindenburg seit seinem Aufstieg zum Volkshelden nach den siegreichen Abwehrschlachten in Ostpreußen anstrebte. Den Monarchen zu einer zeremoniellen Figur verkleinernd, wollte Hindenburg aufgrund seiner militärischen Erfolge zum überparteilichen Symbol nationaler Einheit in Deutschland werden. Seine auf plebiszitäre Zustimmung gestützte Stellung wendete sich gegen den Hurra-Absolutismus, von dem Wilhelm II. in den ersten Jahren seiner Regierung geträumt hatte, ebenso wie gegen die heraufziehende Demokratie. 111 Das Ansehen Hindenburgs wurde auch dadurch nicht beschädigt, dass der von ihm maßgeblich geplante Krieg verloren ging. Es ist dann kaum noch als Ironie der Geschichte zu bezeichnen, dass es Hindenburg gewesen ist, der dem Kaiser am 9.November 1918 den Rat gegeben hat, nach Holland zu verschwinden. Hindenburg behauptete nämlich Informationen zu haben, wonach Einheiten revolutionärer „bolschewistischer“ deutscher Soldaten dabei seien, von Aachen zum kaiserlichen Hauptquartier im belgischen Spa vorzudringen und den Kaiser gefangen zu nehmen. Auch die bisher als zuverlässig geltenden Gardeeinheiten seien nicht mehr kampfbereit. Obendrein aber war den Beschützern des Kaisers durch Hindenburg verboten worden, auf deutsche Kameraden zu schießen. Hindenburg hatte sich nämlich dafür entschieden, dass ihm der Zusammenhalt des deutschen Heeres wichtiger sein sollte als die Sicherheit des Kaisers. 112 109 Vgl. Cecilie von Preußen, Erinnerungen an den deutschen Kronprinzen. 2.Aufl. München/Berlin 2001, 67. 110 Vgl. John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund, 1900–1941. München 2008, 1188. 111 Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler. München 2007, 290f., spricht von Hindenburgs „charismatischer Herrschaft“ als „symbolisch vermittelt“. Sie habe auf einer „dynamischen Wechselbeziehung zwischen kulturell fest verankerten Leitideen“ der Deutschen und Hindenburg „als einer diese verkörpernden Person basiert“. 112 Vgl. ebd.378f., gestützt auf eine Aufzeichnung Wilhelms II. aus der Nacht vom 9. zum 10.November 1918.

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Die Flucht aber, so lautet die plausible Analyse von Wolfram Pyta, hat den monarchischen Gedanken in Preußen mehr diskreditiert als die kurz zuvor erklärte Abdankung selbst: „Der Nachfahre Friedrichs des Großen, der im Siebenjährigen Krieg in bedrängter Lage nicht aufgegeben und bis zum Schluß mit aller Macht an der Spitze seiner Armee für sein Königtum eingetreten war, hatte einfach Reißaus genommen und sich eventuell drohenden Unannehmlichkeiten durch eine unwürdige Flucht ins sichere Ausland entzogen. Solch unsoldatisches Verhalten rührte am innersten Kern der preußischen Monarchie, deren Identität in der militärischen Kommandogewalt des Königs ruhte.“ 113

Die Alternative zur Flucht hätte in der Option bestanden, die Friedrich der Große sich stets bewahrt hatte: Gift zu nehmen, oder in einem inszenierten militärischen Opfertod Wilhelms II. Die letztgenannte Möglichkeit ist vom Ersten Generalquartiermeister des Heeres, dem Württemberger Wilhelm Groener, auch erwogen und sogar vorbereitet worden. 114 Der Preuße Hindenburg aber war dafür nicht zu gewinnen, und Wilhelm selbst scheint weder von Groeners Idee gewusst zu haben noch selbst auf diesen Gedanken gekommen zu sein. 115 Eine weitere Folge der durch den Reichskanzler erzwungenen Abdankung Wilhelms II. nicht nur als Kaiser, sondern auch als König von Preußen, war, dass zunächst das deutsche, aber speziell auch das preußische Heer nun zum ersten Mal einen Oberbefehlshaber brauchte. Diesen Oberbefehl hat Wilhelm am Nachmittag des 9.November an Hindenburg übertragen. 116 Anschließend enthob Hindenburg den Kronprinzen des Kommandos über die nach ihm benannte Heeresgruppe und ließ am 10.November dem Kronprinzen „ausrichten, er müsse seinem Vater in die Niederlande folgen“. 117 Hindenburg hat den Oberbefehl dazu genutzt, die Rückführung der Truppen zu organisieren und die Unterzeichnung des Versailler Vertrages gegen einen denkbaren Putsch des Heeres abzuschirmen 118, ehe er am 25.Juni 1919 den Oberbefehl abgab 119. Mit seiner Vereidigung als Reichspräsident im Jahre 1925

113 Vgl. ebd.372. 114 Vgl. ebd. 115 Vgl. ebd.373. 116 Vgl. ebd. 117 Ebd.379. 118 Vgl. ebd.398ff. 119 Vgl. ebd.401.

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hatte er den Oberbefehl wieder. 120 So bildet der militärische Politiker Hindenburg auch in dieser Hinsicht die Brücke zwischen preußischer Monarchie und nationalsozialistischem Führerstaat. Als Helden verehrte Heerführer haben mehrfach in der neuesten Geschichte dazu gedient, destabilisierten Staaten ein Rückgrat einzuziehen, unabhängig davon, ob ihre Namen mit einem gewonnenen oder einem verlorenen Krieg verbunden waren: Marschall Mac Mahon nach der verlorenen Schlacht von Sedan und dem Sturz des Zweiten Kaiserreiches in Frankreich, Marschall Pétain nach dem Untergang der von Mac Mahon mit aufgebauten Dritten Republik, Admiral Horthy nach dem Sturz des Königtums in Ungarn, Marschall Mannerheim im vom Russischen Reich abgelösten Finnland, Marschall Antonescu, der im Ersten Weltkrieg militärische Erfolge gegen die Mittelmächte erzielt hatte, aber die Niederlage Rumäniens nicht hatte abwenden können, im Zweiten Weltkrieg, Marschall Badoglio im besiegten Italien unter einem diskreditierten König und zuletzt General de Gaulle in einem Frankreich, das er mit seiner Armee nur symbolisch befreit hatte. Ihnen wäre noch eine vergleichende Betrachtung zu widmen. In den Figuren von Hindenburg und Ludendorff war unterdessen schon der allerletzte Rest ritterlicher Mentalität dahingegangen. Heerführer, die aus geschützten Befehlsständen die Heere per Telefon dirigierten, versinnbildlichen, wie unpersönlich die Kriegführung geworden war. Das „Hindenburg-Programm“ von 1916 sah die Einführung einer Kommandowirtschaft und eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit für die Arbeitnehmer vor. Ludendorff beabsichtigte die rücksichtslose Ausbeutung des eroberten Ostmitteleuropa für die Blockadefreimachung des Deutschen Reiches. In diesem totalen Krieg avant la lettre 121 war für das Monarchische kein Platz mehr.

120 Art.47 der Weimarer Reichsverfassung. 121 Erich Ludendorffs Buch „Der totale Krieg“ erschien 1935.

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Die Autorinnen und Autoren

Ronald G. Asch, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Albert-LudwigsUniversität Freiburg im Breisgau. Thomas Biskup, Lecturer für Geschichte der Frühen Neuzeit an der University of Hull. Susan Doran, Senior Research Fellow am Jesus College, Oxford und Director of Studies am Regent’s Park College, Oxford. Friedrich Edelmayer, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Wien. Maria Golubeva (in früheren Publikationen: Goloubeva) ist Senior Researcher am Centre for Public Policy, Riga. Volker Hunecke, emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Technischen Universität Berlin. Gustaaf Janssens, Archivar des Königlichen Palastes, Brüssel, und Professor an der Katholischen Universität Leuven (seit 2013 im Ruhestand). Joachim Krüger, Assistent am Lehrstuhl für Nordische Geschichte der Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald. Jean-Marie Le Gall, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Université Paris 1 – Panthéon-Sorbonne. Mathis Leibetseder, Referent am Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin. Nicolas Le Roux, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit und der Université Lumière – Lyon 2. Olaf Mörke, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Christian-AlbrechtsUniversität Kiel. Lena Rangström, Chefkonservatorin der Leibrüstkammer, Stockholm (seit 2012 im Ruhestand). Glenn Richardson, Reader für Geschichte der Frühen Neuzeit und Akademischer Direktor am St Mary’s University College der University of London. Dietmar Rieger, emeritierter Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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DOI

10.1515/9783486781076.468

Matthias Schnettger, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der JohannesGutenberg-Universität Mainz. Karl-Heinz Spieß, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald. Thomas Stamm-Kuhlmann, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Martin Wrede, Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Université de Grenoble.

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN

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Personenregister

Absalom 97 Achill 348, 442 Adolf von Nassau, deutscher König 339 Aglié, Filippo de San Martino, Conte de 227, 230 Alarcon 148 Alba, Fernando Álvarez de Toledo y Pimentel, Duque de 176, 178, 179, 338 Albert I., König der Belgier 35, 58, 409, 410, 418, 422–437 Albrecht von Brandenburg, Herzog von Preußen 100 Albrecht VII., Herzog von Mecklenburg 79, 82f., 85, 88 Albrecht (VII.) von Österreich, Regent der Spanischen Niederlande 175 Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg 76– 78, 81, 90, 101

Mecklenburg 88 Anna von Österreich, Königin von Frankreich 220, 222 Anna von Österreich, Königin von Spanien 175, 178 Anne Boleyn, Königin von England 183 Antonescu, Ion 467 Apoll 274, 276f., 279, 305, 306, 349 Arcq, Philippe-Auguste de Sainte-Foy, Chevalier d’ 401 Aretino, Pietro 141 Argenson, René-Louis de Voyer de Paulmy, Marquis d’ 391 Argental, Charles-Augustin de Ferriol, Comte d’ 305 Arias Montano, Benito 180 Ariost 128, 132, 135, 143

Albret: siehe Henri d’Albret

Armagnac, Bonne d’ 143

Alençon, Marguerite d’ 144

Arnaud, Baculard d’ 297, 306

Alexander der Große 27, 40–42, 57f., 64, 126, 188,

Arnim, Georg Dietloff von 297

191, 196, 289, 306, 348

Artemisia 192, 222, 228, 232, 234

Alexander I., Kaiser von Russland 447

Arthur, Prince of Wales 108

Alexander Farnese, Herzog von Parma 262

Artus 44–57, 71, 126, 188–192, 206, 209, 213

Alexandra Feodorowna, Kaiserin von

Aske, James 193

Russland 452 Alvensleben, Busso II. von, Bischof von Havelberg 93

Assas, Louis, Chevalier d’ 33f. Astraea 196, 223 Astrid von Schweden, Königin der Belgier 436

Amadís de Gaula 13, 25, 40, 48–56, 173f., 178

Ate 195

Ampringen, Johann Caspar von 331

Athene 276

Amyot, Jacques 41

Auger, Emond 163–166

Andoins, Diane d’ 55

August II., der Starke, König von Polen 245–247,

Angiviller, Charles-Claude Flahaut de la Billaderie, Comte d’ 400 Anguissola, Sofonisba 171 Anjou, Henri de Valois, duc d’: siehe Heinrich III., König von Frankreich Anna I., Kaiserin von Russland 217

470

Anna von Brandenburg, Herzogin von

DOI

10.1515/9783486781076.470

295, 298, 366–369, 378 August III., König von Polen 295 Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, Königin von Preußen, deutsche Kaiserin 451 Augustus 191, 275, 305, 308 Auton, Jean d’ 154f.

Auxy, Jean d’ 64

Brandenburg: siehe Hohenzollern

Aylmer, John 185

Brandenburg-Schwedt, Karl Markgraf von 293 Brantôme, Pierre de Bourdeille, Seigneur de 130f.,

Babou, Philibert 144

135, 137, 142f., 147

Backhoff, Karl August von 444

Bravo de la Serna, Marco, Bischof von Chiapas 170

Baden, Maximilian Prinz von 464

Brederode, Heinrich Graf von 412

Badoglio, Pietro, Duca di Addis Abeba 467

Brice, Thomas 184

Ballie, Tom 271

Broqueville, Charles Comte de 436

Balliet, Daniel 272

Brunel, Antoine de 142

Barbara von Brandenburg, Herzogin von Brieg 78

Bruse (Sir Bruse) 189

Barclay, Alexander 112

Buchholzer, Georg 94, 97f.

Baroncelli, Niccolò 236

Buchka, Johann Simon 216

Bathseba 94

Buckingham: siehe Villiers

Baudouin I., König der Belgier 419, 436

Budé, Guillaume 159

Bayard, Pierre du Terrail, Chevalier de 14, 34,

Bülow, Dietrich von, Bischof von Lebus 79, 93

117, 138

Buonarroti, Michelangelo 238

Bazán, Álvaro de, Marqués de Santa Cruz 178 Begas, Reinhold 264 Belknap, Sir Edward 123 Bellarmino, Roberto Francesco Romolo, Kardinal 328

Caesar 40f., 57f., 64, 113, 126, 155, 188, 191, 193, 196f., 269, 272, 308, 315, 328, 431 Campbell, Joseph 183–186 Canova, Antonio 257

Belpaire, Marie-Elisabeth 409

Caraffa, Antonio von 332

Ber, Utz 80

Carl August, Großherzog von Sachsen-Weimar-

Berg, Johann vom 92

Eisenach 262, 265

Bergson, Henri-Louis 427

Carlo Emanuele: siehe Karl Emmanuel

Berik, König der Goten 277, 373

Carlos, Infant von Spanien 175

Bernini, Gian Lorenzo 245–247

Castiglione, Baldassare 144, 146f.

Besser, Johann von 303

Catalina Micaela, Infantin von Spanien 175, 227

Bielfeld, Jakob Friedrich von 313

Caxton, William 126

Bismarck, Otto Fürst von 27, 202, 455, 461

Cervantes, Miguel de 49

Blaeser, Gustav 265

Champier, Symphorien 44

Blücher, Gebhard Leberecht von, Fürst von

Champion, Clément 144

Wahlstatt 449 Blumenthal, Leonhard Graf von 456–458

Charles de Bourbon, Duc de Vendôme 128, 130, 132–134, 140, 143

Bocquet, Jean 132

Charles de Valois, Duc d’Orléans 140, 142

Bodin, Jean 148, 234, 241

Charles II de Lorraine, Duc de Mayenne 168, 169

Boleyn: siehe Anne Boleyn

Charles II de Valois-Angoulême, Duc d’Orléans 44,

Bolívar, Simón 257

53f., 56

Bonnivet, Guillaume Gouffier de 131, 133, 137

Charlotte, Princess of Wales 413

Borcke, Adrian Heinrich Graf von 441

Chastelain, Georges 321, 323

Bouchardon, Edmé 251

Châtelet, Émilie Marquise du 303, 306

Boudicea 193

Chrétien de Troyes 45–47, 108

Bouillon, Gottfried von 58, 71, 126, 259

Christian III., Herzog von Schleswig-Holstein,

Bourbon (Familie) 409

König von Dänemark 82

Bourbon: siehe auch Condé

Christian IV., König von Dänemark 38, 364

Boyen, Hermann von 447

Christian V., König von Dänemark 246, 365f.

PERSONENREGISTER

471

Christian X., König von Dänemark 264

Dauphin, Charles 231

Christina, Königin von Schweden 268, 272, 276f.

David 57, 90f., 94–98, 100, 103–105, 126, 185–187,

Churchill, Sir Winston 427

193, 203, 426

Churchyard, Thomas 186, 188, 197

David, Jacques-Louis 245

Cinna, Lucius Cornelius 191

Davies, Sir John 196

Clemens VII., Papst 140

Davout, Louis-Nicolas 446

Clerck, Hans 271

Daye, Pierre 433

Clifford, George, Earl of Cumberland 189

Deborah 193, 203

Clouet, François 166

Decourt, Jean 166

Cock, Jurgen den 271

Dee, John 188

Colbert, Jean-Baptiste 246f.

Degrelle, Léon 431

Colfe, Isaac 186f., 192

Delbrück, Friedrich 448

Coligny, Gaspard I de, Seigneur de Châtillon

Denis, Marie Louise 305

123, 124

De Paeuw, Léon 433

Coligny, Gaspard II de 159, 161

De Ruyter, Michiel 357

Colleoni, Bartolomeo 237

Desjardin, Martin 247f.

Collini, Alessandro 303f.

Devereux, Robert, Earl of Essex 202

Collot, Marie-Anne 255

Díaz, Juan 51

Colonne, Guido delle 113

Diderot, Denis 254

Commynes, Philippe de 154

Dido 193

Compton, William 108

Diestelmeier, Lampert 100

Concini, Concino, Marquis d’Ancre 225

Dodonaeus, Rembert 412

Condé (Familie) 311

Dolet, Etienne 134

Coppens de Houthulst, Willy 431

Donatello 236

Córdoba, Luis Cabrera de 10

Donndorf, Adolf 265

Corisande 55

Drake, Sir Francis 172

Cosimo I. de’ Medici, Herzog von Florenz,

Du Bellay, Martin 133–135, 137, 143

Großherzog der Toskana 239f.

Dudley, Robert, Earl of Leicester 189

Cosimo II. de’ Medici, Großherzog der Toskana 241

Dürer, Albrecht 72 Durkheim, Émile 202

Coudray, François 246

Duwes, Giles 107

Cranach, Lucas d. Ä. 87–89, 94, 96, 104 Cranach, Lucas d. J. 86, 88, 98

Eduard III., König von England 107

Crétin, Guillaume 117, 131–135

Eduard IV., König von England 67

Cristina de Francia, Herzogin von Savoyen

Eduard VI., König von England 184

226–234

Edward, Prince of Wales 107

Cristoforo, Antonio di 236

Egmont, Lamoral Graf von 179, 412

Cromwell, Oliver 211–214

Ehrenstrahl, David Klöcker 268–272, 274f., 278f.,

Croÿ, Emmanuel, Duc de 399f.

296, 375

Cumberland: siehe Clifford

Eleonore, Infantin von Spanien 143,

Curtius, Ernst 452

145, 149

Curtius, Georg 453

Elisabeth I., Königin von England 18f., 183–197,

Dahlbergh, Erik Jönsson 372

Elisabeth II., Königin von Großbritannien 264

Dampmartin, Pierre de 168

Elisabeth Stuart, Kurfürstin von der Pfalz und

202–204, 211, 214, 306

Daniel 96

472

Historische Zeitschrift //

Königin von Böhmen 206

BEIHEFT

62 / 2014

Elisabeth in Bayern, Königin der Belgier 423f., 428, 430f. Elisabeth von Dänemark, Kurfürstin von Brandenburg 78, 81, 103 Elisabeth von Valois, Königin von Spanien 174f., 222 Elisabeth Magdalena, Markgräfin von Brandenburg 78 Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, Königin von Preußen 288, 294, 297, 301

Ferdinand II., König von Aragón 112 Ferdinand II., römisch-deutscher Kaiser 21, 38, 328 Ferdinand III., römisch-deutscher Kaiser 21f., 329 Ferdinand von Österreich, „Kardinalinfant“, Statthalter der Spanischen Niederlande 273 Filippo Maria Visconti, Herzog von Mailand 154 Fleury, André-Hercule de, Kardinal 297, 388f. Florange, Robert de la Marck, Maréchal de 132f., 135, 143, 150, 152 Foucquet, Bernard d. Ä. 246

Elisena 48, 53

Foxe, John 184–187

Emanuel Philibert, Herzog von Savoyen 259

France, Anatole 427

Enrique, Infant von Kastilien und León 49

Francesca Maddalena von Orléans, Herzogin von

Épernon, Jean-Louis de Nogaret de La Valette, Duc d’ 167 Equicola, Mario 234

Savoyen 233 Francesco Giacinto, Herzog von Savoyen 226f., 232

Erasmus von Rotterdam 159, 326, 341

Francesco Gonzaga, Herzog von Mantua 237

Ercole I., Herzog von Ferrara 237

Francesco I. Sforza, Herzog von Mailand 156, 237

Erec 57

François Louis de Bourbon, Prince de Conti 366

Erik XIV., König von Schweden 275

Franqueville, Pierre de 246

Erlach, Rudolf von 259

Franz I., König von Frankreich 15–17, 26f., 38, 43,

Ernst, Fürst von Anhalt-Dessau 81 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha 415 Ernst III. von Österreich, Regent der Niederlande 175 Ernst August, König von Hannover 262 Ernst Casimir, Graf von Nassau-Diez 348 Errour 189

44, 47, 53–56, 118–152, 156–159, 195, 238, 246 Franz I., Kaiser von Österreich 253, 447 Franz I. Stephan, römisch-deutscher Kaiser 296 Franz II., König von Frankreich 158, 162 Franz II., römisch-deutscher Kaiser: siehe Franz I., Kaiser von Österreich Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, König von Ungarn 37

Esplandian 48, 51, 56

Friedrich I., Kurfürst von Brandenburg 90

Esterno, Philippe-Antoine-Joseph, Comte d’ 302

Friedrich I., König in Preußen 303, 311, 313, 378

Eugen Prinz von Savoyen-Carignan 288

Friedrich I., Herzog von Schleswig und Holstein,

Eworth, Hans 192

König von Dänemark 81 Friedrich I. Barbarossa, römisch-deutscher

Falconet, Étienne-Maurice 245, 247f., 254f. Falkenhayn, Erich von 464 Falkenstein, Graf von, siehe Joseph II. Fénelon, François de Salignac de la Mothe, Erzbischof von Cambrai 12, 30 Ferdinand, Herzog von Braunschweig und Lüneburg 291, 297 Ferdinand I., König beider Sizilien 257 Ferdinand I. de’ Medici, Großherzog der Toskana 239–241 Ferdinand I., römisch-deutscher Kaiser 131, 144, 149, 326

Kaiser 259 Friedrich II., der Große, König von Preußen 9,11, 28–33, 35f., 38, 261, 263, 287–316, 394, 397, 407f., 439–443, 448, 462, 466 Friedrich III., Herzog von Schleswig-HolsteinGottorf 364 Friedrich III., König von Dänemark 365 Friedrich III., deutscher Kaiser, König von Preußen 262, 441, 451–462 Friedrich III., römisch-deutscher Kaiser 321, 324 Friedrich III., der Weise, Kurfürst von Sachsen 77 Friedrich III., Markgraf von Bayreuth 290

PERSONENREGISTER

473

Friedrich IV., Herzog von Schleswig-HolsteinGottorf 365

Georg II., König von Großbritannien 29f., 243, 256, 393

Friedrich IV., König von Dänemark 367 Friedrich V., König von Dänemark 247, 253

Georg III., König von Großbritannien 243, 256, 396, 402

Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz 38, 206

Georg IV., König von Großbritannien 243

Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen: siehe

Georg der Bärtige, Herzog von Sachsen 81

August II., König von Polen

Gérard, Max-Léo 431

Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen: siehe August III., König von Polen

Giambologna 239–241, 246, 256 Gianfrancesco II. Gonzaga, Markgraf von Mantua

Friedrich Heinrich Prinz von Oranien, Statthalter der Niederlande 344–351

154, 172 Gibson, Richard 114

Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 310f.

Giono, Jean 129 Giovio, Paolo 131f.

Friedrich Wilhelm, Herzog von BraunschweigWolfenbüttel 262f.

Girardon, François 247f., 251 Godet, Frédéric-Louis 452

Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 292, 299, 305, 309, 311, 379, 440, 463

Goethals, Johannes 350, 351 Goethe, Johann Wolfgang von 315

Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 441–445, 448

Goliath 90f., 94f., 100, 104, 426 Gonzaga, Ferrante 140

Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 261, 263, 440, 443–452

Gonzaga siehe auch Gianfrancesco, Guglielmo Gottberg, Walter von 458

Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 261, 263, 312, 440f., 448–453

Gourmount, Jean 120 Grassaille, Charles de 44

Friedrich, Frantz 102

Graun, Carl Heinrich 298

Frundsberg, Georg von 131

Grey, Sir Edward 430

Füger, Friedrich Heinrich 253

Grey, Lady Jane 184

Fürstenberg (Familie) 311

Groener, Wilhelm 466

Fürstenberg, Wolfgang Graf von 325

Grünpeck, Josef 324 Guenièvre 46f.

Gärtner, Eduard 452

Guglielmo Gonzaga, Herzog von Mantua 172

Galaad 46

Guicciardini, Francesco 153f.

Galaor de Gaula 48, 56

Gustav I. Wasa, König von Schweden 371

Galet, Émile 429

Gustav II. Adolf, König von Schweden 9, 14, 34, 38,

Galigai, Eleonora 225

214f., 247, 259, 268, 270, 275, 277, 365, 371–374

Garcaeus, Johannes 103f.

Gustav III., König von Schweden 36, 362

Gardiner, Stephen, Bischof von Winchester 184 Garibaldi, Giuseppe 261

Habsburg (Familie) 116, 189, 222, 243, 251, 295f.,

Gascoigne, George 189

314, 307, 313, 317, 321, 326–335

Gattinara, Mercurino Arborio di 138, 142, 144–146, 327–328

Hall, Edward 108f., 114, 123, 125, 126

Gauvain (Gawein) 46

Hannibal 155

Geldorp, Hendrik 341

Hannover: siehe Welfen

Génie, Eugène 429

Hardouin-Mansart, Jules 247

Georg I., König von Großbritannien 243,

Hasse, Johann Adolph 298

250, 256

Hautpoul, Jean Joseph Ange d’ 258

Georg II., Herzog von Brieg 78

474

Hacke, Hans Christoph Friedrich von 297

Historische Zeitschrift //

BEIHEFT

Hedwig Eleonora, Königin von Schweden 270

62 / 2014

Hedwig Sofia von Schweden, Herzogin von Schleswig-Holstein-Gottorf 360

Homer 232 Hone, William 107

Heere, Lucas de 193

Hooghe, Romeyn de 353–356

Heinrich, Herzog von Cornwall 107, 109

Horn, Philippe de Montmorency, Graf von 179, 412

Heinrich der Fromme, Herzog von Sachsen 79

Horthy, Miklós 467

Heinrich II., König von Frankreich 16f., 53f., 56,

Hubert, Henri 202

152, 156, 158, 159, 174, 238, 267 Heinrich II., König von Navarra: siehe Henri d’Albret Heinrich III., König von Frankreich 12, 18, 24, 30, 38, 153, 160–169, 204 Heinrich IV., König von Frankreich und Navarra

Ibáñez, Vicente Blasco 427 Isabella von Valois: siehe Elisabeth Isabella Clara Eugenia, Infantin von Spanien, Regentin der Niederlande 175 Isogæus, Simon 373

18, 23–25, 32–35, 54, 167, 169, 206, 215, 221–223,

Ivan IV., der Schreckliche, Zar 162

232, 240f., 247, 249, 252, 258, 382, 389f., 395, 399–

Iwein 57, 108

401, 406f. Heinrich VI., König von England 126

Jagow, Matthias von, Bischof von Brandenburg 93

Heinrich VII., König von England 107, 188

Jakob I., König von England, als Jakob VI., König

Heinrich VIII., König von England 16, 18, 38, 56, 107–127, 135, 183, 192, 195, 203, 267

von Schottland 12, 19, 192, 199, 202, 204–206, 209, 214

Hektor 57f., 64, 123, 131, 188, 191, 196

Jakob I., König von Schottland 140

Henri d’Albret, König von Navarra 138, 143, 146

Jakob II., König von England 199

Henri I. de Lorraine, Duc de Guise 158f., 167

Janson, August von 445, 447

Henrietta Maria von Frankreich, Königin von

Jeanne d’Arc 260

England 209 Henry, Prince of Wales 205, 206 Herberay des Essarts, Nicolas 50, 53, 55, 56 Herder, Johann Gottfried von 315f. Herkules 23, 64, 126, 158, 169, 206, 355 Herodes 187 Hertzberg, Ewald Friedrich von 314

Jehova 197 Joachim I., Kurfürst von Brandenburg 78, 81–85, 92f., 105 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 76, 78–94, 96f., 100–106 Johann der Alchimist, Markgraf von BrandenburgKulmbach 78

Hildesheim, Franz 76

Johann, Markgraf von Brandenburg-Küstrin 93

Hillegaert, Pauwels van 347

Johann I., König von Sachsen 264

Hindenburg, Paul von Beneckendorff und von 8, 11,

Johann II., König von Frankreich 14, 138f., 145

202, 464–467 Hinzpeter, Georg Ernst 459 Hitler, Adolf 436

Johann III., Burggraf von Nürnberg 89f. Johann IV., Fürst von Anhalt-Dessau 81–85, 87–89

Höyer, Carl 272

Johann Cicero, Kurfürst von Brandenburg 78

Hoffmann, Paul 462

Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen 97

Hohenborn, Adolf Wild von 464

Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg 78

Hohenems, Jakob Hannibal von 177

Jona 187

Hohenzollern (Familie) 36, 76, 78, 89, 95f., 98, 101,

Jonathan 97

297, 312f., 439–441, 452, 464

Jonson, Ben 206

Holbein, Hans d. J. 127

Jordaens, Jacob 349–351

Holinshed, Raphael 185f.

Joseph I., König von Neapel 257

Hollandia 344f.

Joseph I., König von Portugal 253

Holt, John 107

Joseph I., römisch-deutscher Kaiser 26, 295

PERSONENREGISTER

475

Joseph II., römisch-deutscher Kaiser 36, 253, 296, 396, 400, 407f.

30, 254 Katharina de’ Medici, Königin von Frankreich 160,

Josua 57, 193

168, 192, 238, 239

Joyeuse, Anne, Duc de 167

Katharina von Aragon, Königin von England 124

Juan de Austria 177

Katharina von Mecklenburg, Herzogin von

Judas Makkabäus 57, 126

Sachsen 79

Judith 203

Keith, George 297

Julius II., Papst 111, 113

Keith, James Francis Edward 297

Juno 223

Khevenhüller, Franz Christoph von 329

Justi, Johann Heinrich Gottlob (von) 313

Kleopatra 196 Klopstock, Friedrich Gottlieb 316

Kambyses, persischer König 94

Knox, John 185f.

Karl Erzherzog von Österreich-Teschen, 261

Königsmarck, Aurora von 295

Karl der Große 42–44, 57f., 126, 259, 304

Kollonitsch, Leopold Karl von 333

Karl der Kühne, Herzog von Burgund 13, 57, 60, 64–

Konstantin der Große, römischer Kaiser 204

68, 75, 138, 319–323

Krafft, David von 377

Karl I., König von England 18–20, 38, 199, 202, 208– 215, 243, 246, 248

Kybele 223 Kyffin, Maurice 188, 195

Karl II., König von England 199, 212, 243 Karl II., König von Spanien 243f.

La Barre, Jean de, Comte d’Étampes 148

Karl III., König von Spanien 245, 257

Lady of the Lake 189, 206

Karl V., römisch-deutscher Kaiser, König von

La Marche, Olivier de 319, 322, 327

Spanien 13, 15f., 21, 27, 38, 43, 47, 56, 73, 75, 82,

La Marck, Robert de siehe Florange

84, 93, 98, 105, 124, 129, 131, 134, 136–140,

La Motraye, Aubrey de 359, 362

142–147, 149–151, 172–176, 179f., 182, 238,

Lamoureux, Abraham César 246

326f., 341

Lancelot 46f., 53f.

Karl VII., römisch-deutscher Kaiser 296

Languines 48

Karl VIII., König von Frankreich 152–154, 157

Lannoy, Charles, Comte de 136–138, 140,

Karl IX., König von Frankreich 152f., 158–162

La Palice (Palisse), Jacques de 14, 34, 130, 132

Karl XI., König von Schweden 26, 246, 266–279, 296,

La Pérouse, Jean-François de 401

360f., 366, 370–375, 379f.

La Porte, François de 223

Karl XII., König von Schweden 9, 14, 29, 306, 358– 370, 373–381

L’Archevêque, Pierre-Hubert 247 Lascaris, Jean 140

Karl Emanuel I., Herzog von Savoyen 229, 241

La Tremoïlle, Louis II, Vicomte de 14, 34, 132, 135

Karl Emanuel II., Herzog von Savoyen 226f.,

Laude, Paulo da 110, 115

229, 231

Laudine 108

Karl Friedrich, Herzog von Schleswig-HolsteinGottorf 361

Lavedan, Henri 426 Le Clerc, Sebastien 246

Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von

476

142–149

Karl X., König von Schweden 276

Lenfant, Pierre 391, 398

Braunschweig-Wolfenbüttel 261f., 443,

Lehndorff, Ernst Ahasversus Graf von 442

445– 447

Le Moyne, Pierre 234

Karolinger (Familie) 26

Leo X., Papst 119f.

Kasimir, Markgraf von Brandenburg 82

Leonello d’Este, Markgraf von Ferrara 236f.

Katharina, Infantin von Kastilien 82

Leoni, Leone 170

Katharina II., die Große, Kaiserin von Russland

Leoni, Pompeo 170

Historische Zeitschrift //

BEIHEFT

62 / 2014

Leopold I., König der Belgier 411–416, 432 Leopold I., römisch-deutscher Kaiser 21f., 26, 250, 329–332 Leopold II., König der Belgier 413f., 416–422, 424, 432, 434, 437 Leopold III., König der Belgier 410, 434–436

Luise von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen 445 Lumumba, Patrice 419 Luther, Martin 77, 83, 85, 90–92, 94, 96f., 104, 106 Luxembourg-Piney, François-Henri de Montmorency-Bouteville, Duc de 384f.

Le Sueur, Hubert 246

Luynes, Charles d’Albert, Duc 225

Leu, Thomas de 223

Lydgate, John 113

Leyva, Antonio de 148

Lyly, John 191

Lichtervelde, Louis de 420, 431 Ligne, Charles Joseph Prince de 401

Maan, Jean de 142

Lindschöld, Erik 268, 274

Mably, Gabriel Bonnot de 306, 315

Lisuart 48, 53, 56

Machiavelli, Niccolò 131, 157

Lloyd, Ludowicke 195

MacMahon, Patrice Comte de 458f., 467

Lobeira, Vasco (João) de 49

Macquereau, Robert 132, 143f., 147

Lohengrin 461

Magalotti, Lorenzo 274f.

Louis II de Bourbon, Prince de Condé 27, 159f., 202,

Magnus, Johannes 276

220, 384

Malory, Sir Thomas 45, 189

Louis de Guise, Cardinal de Lorraine 168

Mannerheim, Carl Gustaf Emil, Freiherr 467

Louis Henri Duc de Bourbon, Prince de Condé 389

Mantegna, Andrea 272, 273

Louise d’Orléans, Königin der Belgier 414

Manteuffel, Edwin Freiherr von 456

Louise de Savoyen, Duchesse d’Angoulême

Marc Aurel (Marcus Aurelius), römischer Kaiser

130, 157

238f., 248, 307, 427, 440

Lucas van Leyden 126

Margarete, Fürstin von Anhalt-Dessau 81, 89

Lucian 321

Margarete von Österreich, Herzogin von Savoyen,

Ludendorff, Erich 8, 202, 464f., 467 Ludovica Cristina Prinzessin von Savoyen 227 Ludwig I., König von Bayern 262

Regentin der Niederlande 111, 118, 147 Margarete von Sachsen, Kurfürstin von Brandenburg 78

Ludwig II., König von Ungarn 9, 14

Maria, Herzogin von Burgund 68, 70, 75, 324

Ludwig IX., der Heilige, König von Frankreich 15,

Maria I., Königin von England 110, 114, 118, 184f.,

24, 164 Ludwig XI., König von Frankreich 167 Ludwig XII., König von Frankreich 112f., 118, 152, 154–156, 159 Ludwig XIII., König von Frankreich 25, 41, 220–227, 238, 243, 246, 258, 296

187, 191–193 Maria de’ Medici, Königin von Frankreich 220–229 Maria von Österreich, Königin von Ungarn, Regentin der Niederlande 174 Maria von Spanien, römisch-deutsche Kaiserin 175

Ludwig XIV., König von Frankreich 12, 22–31, 33,

Maria I. Stuart, Königin von Schottland 186

35, 41, 199, 215, 245, 250, 258, 270, 273–275,

Maria Theresia, römisch-deutsche Kaiserin,

278f., 289, 297, 299, 304–308, 312, 331, 349, 382– 390, 392, 396, 399–403, 408 Ludwig XV., König von Frankreich 28, 30, 251, 253, 258, 303, 382f., 388–401, 406, 408 Ludwig XVI., König von Frankreich 28, 30f., 382f., 398–408 Ludwig von Frankreich, Dauphin 273 Lünig, Johann Christian 299

Königin von Ungarn 19, 30, 407 Marnix, Philips van, Herr von Sint-Aldegonde 412 Marot, Jean 156 Mars 193, 196 Marucelli, Valerio 222 Mascall, Edward 214 Maurepas, Jean-Frédéric Phélypeaux, Comte de 31, 404

PERSONENREGISTER

477

Mausolos 222

Moritz von Oranien, Graf von Nassau, Statthalter

Mauss, Marcel 140, 202

der Niederlande 343f., 346, 348

Maximilian I., Kurfürst von Bayern 259

Morosini, Andrea 168

Maximilian I., römisch-deutscher Kaiser 13, 57, 60,

Moses 185

67–75, 80, 82, 105, 111f., 116, 124, 173, 238, 317,

Müller, Georg Alexander von 464

320–326, 333

Mulcaster, Richard 188

Maximilian II., römisch-deutscher Kaiser 179 Maximilian II. Emanuel, Kurfürst von Bayern 250 Mazarin, Jules, Kardinal 245

Napoleon I., Kaiser der Franzosen 33f., 43, 245, 256– 258, 387, 390, 407, 431, 445

Medici (Familie) 305

Napoleon III., Kaiser der Franzosen 256, 258, 459

Medina Sidonia, Alonso Pérez de Guzmán, Duque

Nero, römischer Kaiser 216

de 178

Neuber, Ulrich 92

Mehmed II., osmanischer Sultan 62 Meijlandt, Lucas 272

Niccolò III. d’Este, Markgraf von Ferrara 236f., 256, 265

Melanchthon, Philipp 90–92, 96f., 104

Nireus 79

Mena, Juan Pascal de 245

Noailles, Adrien-Maurice, Duc de 389

Ménestrier, Claude-François 267f., 270, 274,

Nordberg, Jöran Andersson 359, 363, 374

277, 279

Nordenhielm, Andreas 360f.

Mensdorff-Pouilly, Emmanuel Graf von 415

Nothomb, Pierre de 431

Mercator, Gerard 412 Mercier, Désiré-Joseph 428

Odysseus 442

Merlin 189, 206

Olivares, Gaspar de Guzmán Conde-Duque de 242

Michael (Erzengel) 68

Olivier 134

Michelet, Jules 44

Oranien-Nassau (Familie) 26, 28, 36, 339–357, 359

Mierevelt, Michiel van 346

Oriana 48, 49, 51–53

Millich, Nicolaes 271–273

Orley, Bernard van 412

Milton, John 210, 214

Orsini, Gentil Virginio 237

Minerva 216, 223–225, 231, 235, 269, 276,

Oviedo y Valdès, Gonzalo Fernandes de 149

344, 345

Oxenstierna, Axel Graf 259

Mitchell, Sir Andrew 290f.

Oxenstierna, Bengt Graf 367

Molière 303

Oznaya, Juan de 130, 132, 140, 143

Molinet, Jean 317, 319–325, 327, 332

478

Moltke, Helmuth Graf von 456f.

Pace, Richard 120, 121

Moncada, Hugo de 148

Paderewski, Ignace 426

Monluc, Blaise de 132f., 138

Palumbo, Francesco 431

Monmouth, Geoffroy de 45

Panormitanus (Nicoló de Tudeschi) 148

Montaigne, Michel de 47, 54

Paris 94

Montalvo, Garci Rodríguez de 49–51, 56

Parker, Geoffrey 173, 180

Montcalm, Louis-Joseph, Marquis de 33

Parzival 46f.

Montesquieu, Charles de Secondat, Baron de 43

Patkul, Johann Reinhold von 366, 368

Montgomery, Gabriel de Lorges, Comte de 174

Paul III., Papst 150, 170

Montmorency, Anne de 138, 144, 148, 160

Peele, George 190

Montmorency, Henri Duc de 246

Perikles 305, 308

Moor, Anthonis 171

Perini, Giovanni Battista 98

Moreau de Villefranche, Sébastien 134, 143

Perion von Gallien 48, 53, 56

Morgain 45

Perrault, Charles 273, 279, 296

Historische Zeitschrift //

BEIHEFT

62 / 2014

Perseus 348

Preußen, Heinrich (d. Ä.) Prinz von 293, 297, 444

Pescara, Fernando Francesco d’Avalos, Marchese di

Preußen, Heinrich (d. J.) Prinz von 442

130–132, 136, 140, 142, 148 Pesne, Antoine 439 Pétain, Philippe 467 Peter I., der Große, Kaiser von Russland 35, 247, 253f., 366, 369, 388

Preußen, Heinrich (1862) Prinz von 463 Preußen, Louis (Friedrich Ludwig Karl) Prinz von 445 Preußen, Louis Ferdinand (Friedrich Ludwig Christian) Prinz von 454

Petrus 187

Preußen, Wilhelm Prinz von 448

Phaeton 353

Preußen, Wilhelm Kronprinz von 441f.,

Philipp I., der Schöne, Herzog von Burgund, König von Kastilien 73–75, 318 Philipp II., König von Spanien 20f., 162, 170–182, 193, 242, 335–340, 412

465, 467 Priorato, Galeazzo Gualdo 329–333 Puschkin, Alexander Sergejewitsch 256 Pynson, Richard 112f., 115, 120

Philipp II. August, König von Frankreich 42 Philipp III., der Gute, Herzog von Burgund 13, 15,

Quijote (Don Quijote) 49

60–64, 75, 322, 326 Philipp III., König von Spanien 10, 175, 241, 249

Rabelais, François 134

Philipp IV., König von Spanien 223, 242–244,

Rancé, Armand Jean le Bouthillier de, Abbé de la

246, 248

Trappe 199

Philipp V., König von Spanien 245

Rantzau, Johann 82

Philipp, Kurfürst von der Pfalz 73

Ranuccio I. Farnese, Herzog von Parma 262

Philippe von Belgien, Graf von Flandern 412f.

Rauch, Christian Daniel 264f., 439

Philippe I de Bourbon, Duc d’Orléans 386

Ravaillac, François 221

Philippe II de Bourbon, Duc d’ Orléans 386

Rehnskiöld, Carl Gustav 368, 378, 380

Phoebus 169, 274

Richard I., König von England 259

Piccolomini, Enea Silvio siehe Pius II.

Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Kardinal, Duc

Piper, Carl 361

de 226, 227, 243, 246, 297

Pius II., Papst 90, 101

Rinck, Gottlieb Eucharius 331f.

Pius V., Papst 241

Rixner (Rüxner), Georg 80

Pöllnitz, Karl Ludwig von 294, 313

Robinson, John 373f.

Pollaiuolo, Antonio 237

Rogers, William 194f.

Polus, Tomas 361

Rohr, Julius Bernhard von 299

Pomponne, Simon Arnauld Marquis de 270

Roland 128, 131, 134, 143

Porcher, François 167

Ronsard, Pierre de 161

Postel, Guillaume 133, 150, 167

Roon, Albrecht Graf von 456

Praet, Louis de 146

Rosebery, Archibald Primrose, Earl of 422

Preußen, Adalbert, Prinz von 454

Rubens, Peter Paul 172, 206f., 220–225, 273

Preußen, Anna Amalie Prinzessin von 304

Rudbeck, Olof 276

Preußen, August, Prinz von 454

Rudolf II., römisch-deutscher Kaiser 21, 175

Preußen, August Wilhelm Prinz von 293f., 297,

Rudolf von Habsburg, deutscher König 440

439, 441 Preußen, Carl Prinz von 448, 453

Rüchel, Ernst von 446 Rustici, Giovanni, Francesco 238, 246

Preußen, Cecilie, Kronprinzessin von 465 Preußen, Ferdinand Prinz von 293

Sabinus, Georg 92

Preußen, Friedrich Prinz von 440, 448

Sachsen, Moritz Graf von 388, 390, 398

Preußen, Friedrich Karl Prinz von 453–457, 462

Saint-Germain, Claude-Louis, Comte de 406

PERSONENREGISTER

479

Saint-Hilaire, Louis de 257

St. Lambertus 66

Saint-Pol, François de Bourbon, Comte de 138, 143

St. Laurentius 177

Saint-Saëns, Camille 427

St. Martin 154, 236

Saint-Simon, Louis de Rouvroy, Duc de 385

St. Mauritius 58

Saint-Sulpice, Jean de 162

St. Nicholas 115

Salisbury, Johannes von 16

St. Theresia von Avila 230

Salomon 204

Stanisław I. Leszczynski, König von Polen, Herzog

Saly, Jacques-François-Joseph 247, 253

von Lothringen 368

Samson 100

Stenbock, Magnus Gustafsson 368f.

Sánchez Coello, Alonso 171

Strigel, Bernhard 71

San Martín, Jose de 257

Stuart (Familie) 199, 202, 214

Saul 97, 187

Stuart, Charles Edward, britischer

Savoia, Maurizio di, Kardinal 226f., 229

Thronprätendent 394

Savoia, Tommaso di 226, 229

Stuart, Karl Magnus 373

Scharnhorst, Gerhard von 439, 446, 454

Stuart, Maria: siehe Maria I. Stuart, Königin von

Schenck (auch gen. Scheußlich), Hans 100, 102

Schottland

Schiller, Friedrich von 315

Süleyman I., osmanischer Sultan 89, 94, 149

Schlüter, Andreas 261

Suffolk, Charles Brandon, Duke of 115, 118

Schmerlin, Georg 79

Susanna von Bayern, Markgräfin von

Schmidt von Knobelsdorf, Konstantin 464

Brandenburg 82

Schmitt, Carl 151

Susannah 203

Schwarzenberg, Karl Philipp Fürst zu 447

Suworow, Alexander Wassiljewitsch 444

Schwarzkopf, Jacob 272

Swartz, Johan David 375, 377

Schwerin, Philipp Bogislav von 297 Sebastian I., König von Portugal 9, 10, 13f., 178

Tacca, Pietro 241, 243, 245, 256

Selve, Jean de 144, 148

Tasso,Torquato 234

Seusenhofer, Konrad 80

Tempelhoff, Georg Friedrich Ludwig von 445

Seymour, Lord Thomas 183

Tesauro, Emanuele 231–233, 273

Seyssel, Claude de 159

Tessin, Nicodemus d.Ä. 270–272

Sidney, Sir Philip 210

Thenaud, Jean 44

Sigismund I., der Alte, König von Polen 103

Theseus 213

Sigismund, römisch-deutscher Kaiser 90

Thibouville, Henri Lambert d’Herbigny, Marquis

Silvestre, Israël 273

de 305

Skelton, John 107

Thomas III., Markgraf von Saluzzo 141

Somerset, Charles 123

Thomasius, Christian 331f.

Sophia von Liegnitz, Kurfürstin von

Tintoretto, Jacopo 172

Brandenburg 78

Tirpitz, Alfred von 463

Spenser, Edmund 189

Tizian 98, 170, 172

Speyer, Peter d. Ä. von 98, 104

Toledo, García Álvarez de, Marqués de Villafrancia

St. Achatius 86

del Bierzo 177

St. Anna 178

Tomyris 191f.

St. Christine 230

Tournon, François de, Erzbischof von Lyon

St. Dennis 154

144, 148

St. Georg 58, 66f., 73, 86, 115, 117–119, 189f., 209, 213, 236

Kaiser 307

St. Katharina von Siena 230

480

Historische Zeitschrift //

Trajan (Marcus Ulpius Traianus), römischer

BEIHEFT

Tristan 53f., 57

62 / 2014

Trivulzio, Gian Giacomo (Jacques de Trivulce) 135, 157, 237 Tromp, Maarten 357

Vollenhove, Joannes 352 Voltaire 29, 43, 44, 254, 297, 302–309, 312, 314f., 358f., 363, 388, 392f.

Tudor (Familie) 109, 111, 114

Volterra, Daniele da 238

Tudor, Mary siehe Maria I., Königin von England

Vondel, Joost van den 348, 350f.

Turenne, Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de 384

Wace 45

Tyrconnell, Richard Francis Talbot, Earl of 297

Waldersee, Alfred von 462

Ulrika Eleonora von Dänemark, Königin von

Wasa (Familie) 36

Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius von 328 Schweden 360–362, 372

Washington, George 257

Unruh, Karl Georg Friedrich Johann von 453

Wedekind, Johan Heinrich 377

Urfé, Honoré d’ 55

Welfen (Familie) 29, 393

Urganda 48

Wellington, Arthur Wellesley, Duke of 261 Werrie, Paul 409

Valbelle, Honorat de 134f., 150

West, Benjamin 33

Valdès, Alfonso de 149

West, Nicholas, Bischof von Ely 123

Valenzuela, Fernando de, Marqués de

Weston, Richard, Earl of Portland 243, 248

Villasierra 243f.

Whetstone, George 191

Valois-Burgund (Familie) 317, 321

Whytston, James 112

Van Cauwelaert, Frans 409

Wiedemann, Ludwig 247

Vandamme, Dominique Joseph 447

Wilhelm der Eroberer, König von England 259

Vaudemont 143

Wilhelm I., Prinz von Oranien, Statthalter der

Vauldrey, Claude de 73

Niederlande 179, 259, 336–349, 351, 353, 356, 412

Venus 196

Wilhelm I., König der Niederlande 410, 413

Vercingetorix 259

Wilhelm I., deutscher Kaiser, König von Preußen

Vergil 79

37, 261f., 264, 438, 448–457, 459, 461

Verhaeren, Emile 432

Wilhelm I., König von Württemberg 262

Véri, Joseph-Alphonse de, Abbé 31f., 401, 404

Wilhelm II. Prinz von Oranien, Statthalter der

Vernulaeus, Nicolaus 328 Verrocchio, Andrea del 237 Vettori, Francesco 131, 148 Victoria, Königin von Großbritannien und Irland 460–462 Victoria, deutsche Kaiserin, Königin von Preußen („Kaiserin Friedrich“) 459f. Vigenère, Blaise de 162, 166f.

Niederlande 342, 344f., 351, 353, 354 Wilhelm II., deutscher Kaiser, König von Preußen 8–11, 27, 37f., 202, 450, 459–466 Wilhelm III. von Oranien, König von England, Statthalter der Niederlande 28, 30, 199, 243, 250, 253, 256, 259, 337, 342, 352–356, 385 Wilhelmine von Preußen, Markgräfin von Bayreuth 290f., 299

Viktor Amadeus I., Herzog von Savoyen 226, 228f.

Wimpffen, Franz Graf 456f.

Viktor Emanuel II., König von Italien 261

Wittelsbach (Familie) 295, 311

Viktor Emanuel III., König von Italien 467

Wolfe, James 33

Villequier le Jeune, René de 168

Wolfgang, Fürst von Anhalt-Köthen 88

Villiers, George, Duke of Buckingham 206–208

Wolsey, Thomas 118–120, 122, 123, 125

Vinache, Jean-Joseph 246

Wrangel, Friedrich Graf von 450, 455f.

Vinci, Leonardo da 237f.

Wurmser, Dagobert von 442

Vives, Juan Luis 135

Wyatt, Sir Thomas 184

Vivonne, André de 137

PERSONENREGISTER

481

Yvain: siehe Iwein Zauner, Franz Anton 253 Zenobia 191, 193, 196 Zieten, Hans Sigismund von 297

482

Historische Zeitschrift //

BEIHEFT

62 / 2014