Monarchie und Öffentlichkeit: Zur Inszenierung der deutschen Bundesfürsten 1848-1918 [1 ed.] 9783412510305, 9783412509330


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Monarchie und Öffentlichkeit: Zur Inszenierung der deutschen Bundesfürsten 1848-1918 [1 ed.]
 9783412510305, 9783412509330

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Monarchie und Öffentlichkeit

Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen Kleine Reihe Band 53

Anja Schöbel

Monarchie und Öffentlichkeit Zur Inszenierung der deutschen Bundesfürsten 1848–1918

2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Jutta Heidemann Stiftung und der Thüringer Staatskanzlei Erfurt. Zugleich Dissertation am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: König Max von Bayern und seine Gemahlin in der Rosenau bei Nürnberg am 22. Juni, abgebildet in: Illustrirte Zeitschrift, 14.07.1849, S. 20.

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Jörg Eipper-Kaiser, Graz Druck und Bindung: Hubert & Co GmbH & Co.KG, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50933-0

Inhalt

Vorwort ............................................................................................................................... 9 1. Einleitung ................................................................................................................... 11 1.1 Öffentlichkeit – ein Begriffsdiskurs .............................................................. 17 1.2 Zentrale Thesen der Arbeit ............................................................................ 20 1.3 Untersuchte Bundesfürstentümer ................................................................. 23 1.4 Forschungsstand .............................................................................................. 26 1.5 Quellen............................................................................................................... 32 1.6 Methodische Überlegungen ........................................................................... 35 2. Herausforderungen für die Bundesfürsten im langen 19. Jahrhundert............ 39 2.1 Legitimität ......................................................................................................... 39 2.2 Konstitutionalismus und Entwicklung der bundesfürstlichen Souveränität ...................................................................................................... 42 2.3 Zum Verhältnis von Reich, Preußen und Regionen .................................. 47 2.4 Die Rolle von Adel und Kirche – Stützen der bundesfürstlichen Herrschaft? ........................................................................................................ 53 2.5 Beschleunigung und Mobilität ....................................................................... 57 2.6 Medienwandel und Pressepolitik ................................................................... 61 2.7 Zum Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit .................................... 66 2.8 Zwischenfazit.................................................................................................... 70 3. „Die Kunst die Herzen zu gewinnen“ – Maximilian II. und das Streben nach Popularität......................................................................................................... 70 3.1 Theoretische Überlegungen des Königs und seiner Berater .................... 73 3.2 Umgesetzte Maßnahmen ................................................................................ 80 3.2.1 Der Umgang des Königs mit der Öffentlichkeit ........................... 80 3.2.2 Maximilians Maßnahmen zur Hebung des bayerischen Nationalgefühls .................................................................................... 82 3.2.3 Die Gründung des Bayerischen Nationalmuseums ....................... 84 3.2.4 Die Förderung landesweiter Feste .................................................... 85 3.2.5 Die Reisen des Königs........................................................................ 88 3.3 Zwischenfazit.................................................................................................... 92

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INHALT

4. Inszenierung lebensgeschichtlicher Ereignisse..................................................... 95 4.1 Geburt und Taufe ............................................................................................ 95 4.1.1 Die Bedeutung der Geburt für das bundesfürstliche Haus.......... 95 4.1.2 Zur Informationspolitik bei fürstlichen Schwangerschaften ....... 98 4.1.3 Die Geburt und ihre Verkündung .................................................. 102 4.1.4 Zur Relevanz von Geburten im Kaiserhaus und im „angestammten“ Herrscherhaus ..................................................... 106 4.1.5 Die Taufe ............................................................................................ 107 4.1.6 Vergleichender Exkurs: Die Taufe des prince impérial 1856 .... 110 4.2 Hochzeit .......................................................................................................... 111 4.2.1 Die Bedeutung der Hochzeit für das bundesfürstliche Haus ..................................................................................................... 111 4.2.2 Ablauf der Hochzeit und Beteiligung der Öffentlichkeit ........... 113 4.2.3 Hochzeiten als Element der Inszenierung .................................... 116 4.2.4 Die Hochzeit als mediales Großereignis: Zur Coburger Fürstenhochzeit 1894 ....................................................................... 119 4.2.5 Hochzeiten als kaum genutzte Inszenierungschance .................. 121 4.3 Beerdigung ...................................................................................................... 124 4.3.1 Die Bedeutung von Tod, Beisetzung und Trauer für das bundesfürstliche Haus ...................................................................... 124 4.3.2 Ein klassisches Beispiel: Herrscherbeisetzungen in Sachsen-Coburg und Gotha ............................................................ 128 4.3.3 Schwerpunktverschiebungen der Trauer um den Herrscher: Vom mourning zum grief ..................................................................... 134 4.3.4 Mediale Vermittlung ......................................................................... 135 4.3.5 Beerdigungen als genutzte Inszenierungschance ......................... 139 4.4 Weitere Ereignisse ......................................................................................... 140 4.5 Zwischenfazit.................................................................................................. 146 5. Zur leiblichen Präsenz der Bundesfürsten .......................................................... 149 5.1 Landesreisen der Bundesfürsten.................................................................. 149 5.1.1 Zur Bedeutung der Reisen ............................................................... 149 5.1.2 Inspektionsreisen: Das Beispiel Johanns von Sachsen ............... 153 5.1.3 Repräsentationsreisen am Beispiel der letzten sächsischen Könige ................................................................................................. 163 5.1.4 Probleme und Kritik bezüglich monarchischer Reisen .............. 165 5.1.5 Professionalisierung der Landesreisen ........................................... 176 5.1.6 Moderne Huldigungen...................................................................... 177 5.1.7 Berichterstattung in lokalen Zeitungen.......................................... 181 5.1.8 Verhältnis zwischen bundesfürstlichen und kaiserlichen Reisen .................................................................................................. 183 5.2 Wohltätigkeit................................................................................................... 185 5.3 Zwischenfazit.................................................................................................. 193

INHALT

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6. Zur Inszenierung der Bundesfürsten in Wort und Bild ................................... 195 6.1 Monarchische (Selbst-)Darstellung in Schriftform: Veröffentlichte Briefe, Biografien und Memoiren ................................... 195 6.1.1 Die Veröffentlichung der Briefe der Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein ............................................................... 195 6.1.2 Monarchische Jubiläumsschriften................................................... 199 6.1.3 Die Memoiren Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha........................................................................................... 201 6.2 Zur Inszenierung im Bild ............................................................................. 204 6.2.1 Grundsätzliche Überlegungen ......................................................... 204 6.2.1.1 Zur Geschichte und Bedeutung des Herrscherbildes .................................................................. 204 6.2.1.2 Das Herrscherporträt als Symbol .................................... 207 6.2.1.3 Bundesfürsten und Malerfürsten..................................... 211 6.2.2 Das klassische Gemälde ................................................................... 219 6.2.2.1 Amtsträger- und Uniformporträts .................................. 219 6.2.2.2 Schreibtischporträts ........................................................... 224 6.2.2.3 Familienporträts ................................................................. 230 6.2.2.4 Genrebilder ......................................................................... 234 6.2.2.5 Zwei Porträts Franz von Stucks um 1900 im Vergleich .............................................................................. 238 6.2.2.6 Rezeptionsmöglichkeiten.................................................. 243 Verbreitung öffentlicher Bildnisse durch die Höfe .................... 243 Jubiläumsbriefmarken in Bayern............................................. 249 Schlösser als Ausflugsziel........................................................ 253 6.2.3 Das fotografische Abbild ................................................................. 259 6.2.3.1 Zur Nutzung der Fotografie durch die Bundesfürsten ..................................................................... 259 6.2.3.2 Rezeption durch die Postkarte......................................... 261 Zur Geschichte der Postkarte .................................................. 261 Die Postkarte als Medium des Monarchenporträts .................. 263 Allgemeine Beobachtungen: Neue und etablierte Bildmotive ..... 267 Das ideale Kind ............................................................... 268 Die ideale Prinzessin und Fürstin .................................... 271 Die ideale Familie ............................................................ 274 Der ideale Vater .............................................................. 275 Atelieraufnahmen ................................................................... 276 Interieuraufnahmen................................................................. 282 Naturaufnahmen .................................................................... 284 6.2.4 Die Bundesfürsten im Kino ............................................................ 291 6.3 Werbung mit monarchischem Porträt und Namen ................................. 292 6.4 Zwischenfazit.................................................................................................. 294

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INHALT

7. Darstellungen in Familienblättern und Illustrierten .......................................... 297 7.1 Untersuchte Zeitschriften und Familienblätter......................................... 297 7.1.1 Illustrirte Zeitung (Leipzig).............................................................. 297 7.1.2 Die Gartenlaube ................................................................................ 299 7.1.3 Über Land und Meer ........................................................................ 300 7.2 Zur Entwicklung des Text-Bild-Verhältnisses von 1848 bis 1900 ........ 301 7.3 Monarchen als Thema der illustrierten Zeitungen und Familienblätter von 1848 bis 1880 .............................................................. 302 7.3.1 Allgemeine Entwicklung .................................................................. 302 7.3.2 Ein (a)typisches Beispiel: Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha – ein früher Medienliebling ......................................... 309 7.3.2.1 Der nahbare Fürst.............................................................. 312 7.3.2.2 Ernst II. als nationaler Hoffnungsträger ........................ 315 7.3.2.3 Ernst II. in der Presse – ein atypisches Beispiel ........... 320 7.4 Zeitschriften von 1900 bis 1918: Rasanter Wandel und die Dominanz des Bildes..................................................................................... 321 7.4.1 Neuerungen in Technik und Vertrieb sowie neue Zeitschriften ....................................................................................... 321 7.4.2 Bewährte Themen und höfische Einflussnahme ......................... 323 7.4.3 Die Dominanz des Bildes ................................................................ 325 7.4.4 Voyeuristische Anfänge und die Jagd nach dem Bild ................. 329 7.5 Zwischenfazit.................................................................................................. 331 8. Wirkungslose Inszenierung? – Zur Absetzung der Bundesfürsten 1918 ...... 335 9. Schluss ....................................................................................................................... 349 Stammbäume.................................................................................................................. 355 Kurzbiografien ............................................................................................................... 359 Abbildungsverzeichnis und -nachweis ....................................................................... 365 Quellenverzeichnis ........................................................................................................ 371 Literaturverzeichnis....................................................................................................... 375 Personenregister ............................................................................................................ 409

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt als Dissertation angenommen und im Dezember des gleichen Jahres verteidigt. Für das akademische Zuhause, das mir das Max-WeberKolleg geboten hat, möchte ich mich herzlich bei seinem Direktor Prof. Dr. Hartmut Rosa, der Kollegreferentin PD Dr. Bettina Hollstein und allen weiteren MWK-Angehörigen bedanken. Die anregenden Diskussionen in Kolloquien und darüber hinaus haben die Entstehung der Arbeit positiv beeinflusst. Ebenso gilt mein besonderer Dank dem Betreuer meiner Arbeit, Prof. Dr. Gunther Mai. Er hat die Studie mit viel Interesse und hilfreichen Denkanstößen begleitet, mir dabei aber immer genügend Freiräume gelassen. Der Zweitgutachter, Prof. Dr. Thomas Kroll, hat insbesondere die erste Konzeption des Projekts um viele Ideen bereichert, wofür ich ihm danken möchte. Auch in späteren Phasen war er ein zuverlässiger Ansprechpartner. Jutta Heidemann und dem Vorstand ihrer Stiftung sei nicht nur für die finanzielle Förderung der Arbeit in Form eines Stipendiums und eines Druckkostenzuschusses, sondern auch für die persönliche Anteilnahme gedankt, die sie immer wieder am Projekt zum Ausdruck gebracht haben. Ebenso danke ich der „Historischen Kommission für Thüringen“ unter Vorsitz von Prof. Dr. Werner Greiling für die Aufnahme dieses Titels in die Kleine Reihe ihrer Veröffentlichungen sowie einen großzügigen Druckkostenzuschuss. Das Schreiben einer Dissertation ist anstrengend und kaum möglich ohne die Unterstützung von Freunden und Familie. Es ist schön, wenn man sich auf sie verlassen kann und gerade in der Schlussphase unter ihnen bereitwillige Leser für das Manuskript findet. Ich danke meiner Freundin Sandra Salomo nicht nur für das Lesen zahlreicher Kapitel, sondern auch für das gemeinsame Erleben und Austauschen in unserer Dissertationszeit und darüber hinaus. Luana Hofmann sei ebenfalls für ihren aufmerksamen Blick fürs Detail gedankt. Die größte Unterstützung für mein Projekt fand ich jedoch in meinem Mann, Christian Pohl, der jeden Tag ein aufmerksamer Zuhörer für meine Überlegungen war. Ich danke ihm für seinen Rückhalt, seine Geduld und sein Vertrauen in mich. Eine Dissertation steht am Ende eines langen Weges, dessen Anfänge meist weit zurückliegen. Ich danke daher meinen Eltern und Großeltern für ihre immerwährende Unterstützung, Förderung und Liebe. Einem Menschen verdanke ich allerdings ganz besonders die Ausbildung meiner Neugier und meines Forscherdrangs. Mein Opa Günter hat diese früh in mir geweckt und auch die Entwicklung meiner Dissertation aufmerksam verfolgt. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. Brunnthal im August 2017

Anja Schöbel

1.

Einleitung

Da schlug es 2 Uhr, in einem Glaswagen sitzend, allein, von allem Feierpomp des Königthums umgeben, verlasse ich die Residenz. Der Glaswagen, allen Blicken durchsichtig, ist das Bild des modernen Thrones, keine Purpurdecken verhüllen ihn mehr der argwöhnisch forschenden Menge; mögen die ihn inne haben, dieß nie vergessen, so handeln, daß sie diesen Blick nicht zu scheuen brauchen.1 Maximilian II., König von Bayern (1811–1864)

Schon um das Jahr 1850 beschrieb der bayerische König Maximilian II. ein Gefühl, das aktueller erscheint denn je: das Gefühl der ständigen Transparenz, der ständigen Beobachtung, der ständigen Bewachung, der ständigen Bewertung. Mag diese vergleichsweise frühe Schilderung auf den ersten Blick erstaunen, so ist sie doch bereits ein wichtiger Hinweis auf die sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts vollziehenden Umbrüche im Bereich der Sichtbarkeit und Verbreitung von Informationen, die in dieser Frühphase besonders die herausgehobenen Personen betraf: die Monarchen. Die technischen Neuerungen des 19. Jahrhunderts waren in ihrer Vielzahl umwälzend für die Erfahrung des täglichen Lebens. Die Überwindung des Raumes wurde durch Eisenbahn und Telegrafie ermöglicht, die Überwindung des Augenblicks durch die Fotografie, die Überwindung der Kopräsenz durch die Wiedergabe in Zeitungen und Zeitschriften. Dies waren bei Weitem aber nicht die einzigen Umbrüche, denen sich die Herrscher Europas stellen mussten. Nicht von ungefähr bezog sich Maximilians Schilderung auf die ersten Tage seiner Regierungszeit im Jahre 1848, als sein Vater Ludwig I. (1786–1868) infolge revolutionärer Unruhen zu seinen Gunsten abgedankt hatte. Revolutionen, der Abschied vom Gottesgnadentum, die langsam, aber stetig steigende Bedeutung der Massen und ihr Streben nach politischer Partizipation waren Bedrohungen für die Legitimität der Fürsten, die eine Reaktion verlangten. Zu diesen Anforderungen kam für die hier näher untersuchten Bundesfürsten2 des Deutschen Reiches noch erschwerend hinzu, dass sie sich 1866 bzw. 1871 ihrer Souveränität beraubt sahen und ihre neue Rolle in Bezug auf den Deutschen Kaiser ausloten mussten.

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Dieses Zitat findet sich in den zeitlebens unveröffentlichten Memoiren König Maximilians II. von Bayern, die wohl zwischen 1854 und 1859 entstanden. Siehe dazu Achim Sing: Die Memoiren König Maximilians II. von Bayern 1848–1864, München 1997, S. 4, das Zitat ist abgedruckt auf S. 155. Der Begriff Bundesfürst wird hier bereits für die Zeit vor der Kaiserreichsgründung genutzt, wenngleich der Terminus das erste Mal in der Verfassung des Norddeutschen Bundes 1867 bzw. in der Verfassung des Deutschen Reiches 1871 gebraucht wurde. Zuvor waren die Monarchen, genau genommen, Fürsten des Deutschen Bundes. Die Bezeichnung Bundesfürst hatte sich aber bereits nach der Gründung des Deutschen Bundes verbreitet.

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1. EINLEITUNG

Es stellt sich demnach die Frage, wie die Monarchen auf diese dramatischen Änderungen im Bereich der beschleunigten und visuellen Nachrichtenvermittlung, der Zunahme an medialer Beobachtung, der Herrschaftsbedrohung von unten und der Einschränkung ihrer politischen Wirksamkeit von oben reagierten. Besonders die veränderten medialen Bedingungen in Verbindung mit einer zunehmenden politischen Bedeutung der unteren Bevölkerungsschichten verlangten nach neuen Darstellungsstrategien und einer Öffnung des höfischen Arkanums. Gerade die deutschen Bundesfürsten wurden hinsichtlich dieser Fragestellungen bisher kaum untersucht. Zwar wandte sich die in den letzten Jahren einen Aufwind erlebende deutsche Monarchiegeschichte, einer kulturgeschichtlichen Wende folgend, langsam der Frage nach der Inszenierung und Kommunizierung von Herrschaft zu. Nachdem zunächst die Monarchie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit erforscht wurde,3 entbrannte eine Debatte über die Inszenierungsabsichten der Monarchie um 1900, allerdings meist beschränkt auf die Rolle des Deutschen Kaisers Wilhelm II. (1859–1941).4 Doch die nach wie vor bedeutende Rolle der Bundesfürsten wurde dabei aufgrund der nachwirkenden Traditionen des stark borussisch geprägten Historismus lange übersehen.5 Dabei herrschten diese weiterhin über zwei Fünftel der Bewohner des Kaiserreiches, welches gemäß Verfassung ein Bundesstaat war, in dem der als Deutscher Kaiser fungierende König von Preußen eigentlich nur ein Primus inter Pares sein sollte. Als die Bundesfürsten dann doch vereinzelt ins Blickfeld der Forschung gerieten, zeichneten sich zwei Positionen ab. Zum einen wurde behauptet, dass es gerade den 22 regierenden Bundesfürsten in der Mehrheit gelungen sei, durch ihre 3

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Als Auswahl aus einer langen Reihe von Publikationen seien hier genannt und auf die dortigen Bibliografien verwiesen: Mario Kramp: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos; Katalog der Ausstellung in zwei Bänden, Mainz 2000; Marion Steinicke/Stefan Weinfurter: Investitur- und Krönungsrituale: Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, Köln u. a. 2005; Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008; Andreas Büttner: Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich, 2 Bd., Ostfildern 2012. Siehe dazu etwa Klaus-Dieter Pohl: Der Kaiser im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Wilhelm II. in Fotografie und Film, in: Hans Wilderotter/Sylvia Andler (Hrsg.): Der letzte Kaiser. Wilhelm II. im Exil, Gütersloh 1991, S. 9–18; Saskia Asser (Hrsg.): De keizer in beeld. Wilhelm II en de fotografie als PR-Instrument; = Der Kaiser im Bild: Wilhelm II. und die Fotografie als PR-Instrument, Zaltbommel, Niederlande 2002; Martin Kohlrausch: Der Monarch im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie, Berlin 2005; Christopher M. Clark: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers, München, 3. Aufl., 2009; Michael A. Obst: „Einer nur ist Herr im Reiche“. Kaiser Wilhelm II. als politischer Redner, Paderborn u. a. 2010; Dominik Petzold: Der Kaiser und das Kino: Herrschaftsinszenierung, Populärkultur und Filmpropaganda im Wilhelminischen Zeitalter, Paderborn u. a. 2012. Vgl. Abigail Green: Fatherlands. State-building and nationhood in nineteenth-century Germany, Cambridge 2001, S. 8. Gleiches gilt übrigens auch für die Rolle der Landesparlamente, welche weiterhin innenpolitisch maßgebliche Entscheidungen trugen, vgl. ebd., S. 305.

1. EINLEITUNG

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zahlreichen kulturellen Engagements und sozial-karitativen Bemühungen „das facettenreiche Bild persönlich integrer Landesväter“ zu verkörpern und die Institution der Monarchie vor Ort noch einmal zu festigen.6 Andererseits wurde ihnen unterstellt, dass sie keine nationale Identität mehr hätten stiften können und im Vergleich zu anderen westeuropäischen Monarchien die Umstellung ihrer Regierungspraxis von bloßer Machtausübung zugunsten einer glanzvollen, symbolstiftenden Repräsentation verpasst oder verweigert hätten;7 dass sie mithin den Entwicklungen der Moderne gegenüber nicht aufgeschlossen8 und – in Einzelfällen – gar eine „komplette Fehlbesetzung“9 gewesen seien. Beiden Positionen gemein ist, dass sie kaum oder nur im geringen Umfang auf empirischen Studien beruhen. Aus diesem Grund soll daher im Folgenden näher untersucht werden, in welchem Maße sich die Bundesfürsten im Zeitraum von 1848 bis 1918 der Bedeutung ihrer 6

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Frank-Lothar Kroll: Friedrich August III. (1904–1918), in: Ders. (Hrsg.): Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige; 1089–1918, München 2004, S. 306–319, hier S. 306. Zu dieser Einschätzung kommt Lothar Machtan: Die Abdankung. Wie Deutschlands gekrönte Häupter aus der Geschichte fielen, Berlin 2008, S. 63; Lothar Machtan: Deutschlands gekrönter Herrscherstand am Vorabend des Ersten Weltkriegs: Ein Inspektionsbericht zur Funktionstüchtigkeit des deutschen Monarchie-Modells, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 58 (2010), S. 222–242, hier S. 230. Machtans Argumentation ist unschlüssig; zum einen ist er der Auffassung, dass die Bundesfürsten personell und intellektuell für ihre Rolle ungeeignet gewesen seien und die Umstellung ihrer Regierung auf eine glanzvolle Repräsentation verweigert hätten, zum anderen betont er aber immer wieder die Fähigkeit der Monarchen, als Projektionsfläche zu dienen sowie die Theatralisierung und Emotionalisierung der Monarchie und die damit verbundene wichtige Rolle der „Regisseure“ des königlichen Pomps, wie Oberhofmarschälle und Hausminister, vgl. Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 18, 63, 74. Über diese Berater gibt es bislang keine Studien. Dies ist vermutlich bedingt durch ihr nur indirektes Erscheinen in den Akten und die lückenhafte Überlieferung. Zu dieser Feststellung gelangt Machtan in seiner Biografie über Max von Baden: „Das lag daran, daß die rasante Beschleunigung dieser Epoche die Welt der Monarchen kaum tangierte. […] Dort enorme Entwicklungssprünge nach vorn in das moderne Zeitalter, hier eine rückwärtsgewandte Stagnation unter der Glocke exklusiver Hochadelskultur.“, Lothar Machtan: Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers; eine Biographie, Berlin 2013, S. 60. Auch Martina Fetting: Zum Selbstverständnis der letzten deutschen Monarchen. Normverletzungen und Legitimationsstrategien der Bundesfürsten zwischen Gottesgnadentum und Medienrevolution, Frankfurt/M. u. a. 2013 hat eine ähnliche Sichtweise. Im Gegensatz dazu siehe Frank-Lothar Kroll: Modernitiy of the Outmoded? European monarchies in the 19th and 20th centuries, in: Frank-Lothar Kroll/Dieter J. Weiß (Hrsg.): Inszenierung oder Legitimation? Monarchy and the Art of Representation. Die Monarchie in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Ein deutsch-englischer Vergleich, Berlin 2015, S. 11–19; FrankLothar Kroll: Monarchische Modernisierung. Überlegungen zum Verhältnis von Königsherrschaft und Elitenanpassung im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in: FrankLothar Kroll/Martin Munke (Hrsg.): Hannover – Coburg-Gotha – Windsor. Probleme und Perspektiven einer vergleichenden deutsch-britischen Dynastiegeschichte vom 18. bis in das 20. Jahrhundert, Berlin 2015, S. 201–224. Dieses Urteil fällt Machtan über Ludwig III. von Bayern: Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 47.

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1. EINLEITUNG

Inszenierung für ihren Machterhalt bewusst waren, welchen Stellenwert sie ihrer eigenen Popularität zuschrieben, wie sie ihre Repräsentation gestalteten und ob sie die Notwendigkeit einer an die neuen medialen und gesellschaftlichen Entwicklungen angepassten Veränderung erkannten. Auch die Ebene der Inszenierungsrezeption soll dabei, soweit möglich, berücksichtigt werden. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, in welchem Verhältnis die Inszenierung der Bundesfürsten zu ihrem Thronverlust 1918 stand. Seit der Französischen Revolution waren aktives Repräsentieren und Inszenieren sowie symbolstiftendes Wirken für die Legitimation des Fürsten zu den vielleicht wichtigsten Säulen seiner Macht geworden. Da der Einzelne Herrschaft meist nicht mehr direkt erfuhr, bedurfte es einer sinnlichen Vergegenwärtigung derselben. „An eine Macht, die zwar vorhanden ist, aber nicht sichtbar im Auftreten des Machthabers selbst in Erscheinung tritt, glaubt das Volk nicht. Es muß sehen, um zu glauben“10 – zu diesem Urteil gelangte Norbert Elias in seiner Studie zur Hofkultur unter Ludwig XIV. (1638–1715) in Frankreich, die u. a. zeigt, dass der König Macht demonstrieren muss, um diese überhaupt zu haben und zu sichern.11 Eine ähnliche Auffassung vertrat auch Max Weber, wenn er Herrschaft definierte als „Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“.12 Dieser Definition folgend ist das Herrschaftsverhältnis reziprok zu verstehen, da immer ein „Minimum an Gehorchen wollen, also: Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen“13 seitens der Beherrschten notwendig ist. Demzufolge erfordert eine erfolgreiche Herrschaftsausübung zur Gewinnung ihrer inneren Stabilität den Glauben der Gehorchenden an existierende Gründe der Legitimität der Herrschaft.14 Dieser Glaube an die Legitimität des Herrschenden ist aber keine feste Konstante, sondern viel eher ein Prozess der kommunikativen Praxis, welcher Herrschaft bestätigen, aber auch in Frage stellen kann.15 Herrschaft muss demzufolge immer wieder sinnlich in Erscheinung treten, um als legitim anerkannt zu werden: Sie bedarf demnach grundsätzlich der Repräsentation. Dabei veränderte sich das Verständnis von Repräsentation vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Während man im Barock unter Repräsentation lediglich die stellvertretende Vergegenwärtigung von Herrschaft und des Machthabers durch ein 10 11

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Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt/M., 9. Aufl., 1999 [1969], S. 179. Vgl. dazu Jan Andres/Alexa Geisthövel/Matthias Schwengelbeck: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Die Sinnlichkeit der Macht, Herrschaft und Repräsentation seit der Frühen Neuzeit, Frankfkurt/M. 2005, S. 7–17, hier S. 8. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen, 5. Aufl., 1972 [1921/22], S. 28. Ebd., S. 122, Hervorhebungen im Original. Vgl. Max Weber: Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: Ders. (Hrsg.): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen, 7. Aufl., 1988, S. 475–488, hier S. 475. Vgl. Peter Graf Kielmannsegg: Legitimität als analytische Kategorie, in: Politische Vierteljahresschrift 12 (1971), S. 367–401, hier S. 373 ff.

1. EINLEITUNG

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Abbild, beispielsweise im Porträt oder auch als Effigie im Rahmen der Beerdigungsfeierlichkeiten, verstand, wurde um 1700 unter Repräsentation zunehmend auch die Art und Weise der Darstellung einer Sache oder Person gefasst. Zugleich erweiterte sich der Adressatenkreis monarchischer Repräsentation. War diese zuvor exklusiv der Hofgesellschaft vorbehalten, sollte nun die gesamte „aufgeklärte Welt“, also auch das Bürgertum angesprochen werden.16 Da der Monarch allerdings nur selten für dieses erweiterte Publikum sichtbar war, kam der repräsentativen Stellvertreterfunktion, die sich etwa im Herrscherporträt manifestierte, eine wichtige Rolle zu. Durch den hier thematisierten medialen Wandel im 19. Jahrhundert erfuhren die Art der Repräsentation, ihre Medien wie auch das Zielpublikum eine abermalige Veränderung. Die Darstellung der Fürsten musste nun, da sich alle Untertanen angesprochen fühlen sollten, einerseits würdevoll, andererseits volksnah gestaltet sein. Zugleich musste sich die Sichtbarkeit des Monarchen in der einsetzenden medialen Bilderflut behaupten, was am besten durch die Nutzung der neuen Medien gelingen konnte. Die vorliegende Untersuchung will verdeutlichen, dass die hierbei angewandten repräsentativen Darstellungsformen stets als Inszenierungen zu verstehen sind. Der aus dem Bereich des Theaters stammende Begriff meint dabei zunächst eine unter Verwendung bestimmter Materialien erzeugte Versinnbildlichung etwas Imaginären, Nicht-Sinnlichen.17 Angewendet auf kulturelle Praktiken bedeutet Inszenierung daher die bewusste Darstellung und Deutungsrichtung eines Sachverhaltes, die nicht nur Bestehendes hervorheben kann, sondern auch in der Lage ist, Neues zu schaffen. In diesem Punkt hat die von einem Individuum und seiner engsten Familie getragene Monarchie zunächst einen Vorteil gegenüber weniger anschaulichen demokratischen oder republikanischen Staatsformen. Sie nimmt das komplexitätsreduzierende Moment auf individuelle Persönlichkeiten sublimierter Politik bereits vorweg. Eine durch einen Monarchen verkörperte politische Ansicht lief zwar Gefahr, undifferenzierter und polarisierender zu sein als eine auf dem Wege parlamentarischer und parteilicher Deliberation gewonnene Einsicht, war jedoch zugleich auch plastischer und in ihrer Authentizität nachvollziehbarer. Gerade weil das Politische nicht alltäglich und dem Einzelnen in seiner Funktion eher unvertraut ist, bedarf es, „um faßbar werden zu können, der Übersetzung, 16

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Vgl. Helmut-Eberhard Paulus: Repräsentation und Politik. Architektur des Historismus in den ernestinisch-wettinischen Ländern als Selbstdarstellung der Fürsten im 19. Jahrhundert, in: Kroll u. a.: Hannover – Coburg-Gotha, 2015, S. 175–197, hier S. 175–179. Die Darstellung der Fürsten im 19. Jahrhundert ist für Paulus dann keine Repräsentation mehr, da der Verweis auf eine höhere Ebene fehlt, sondern lediglich eine Präsentation im Sinne des Sichtbarseins. Zu Repräsentation siehe auch: Roger Chartier: „Repräsentation“ und ihre Bedeutung, in: Trivium. Revue franco-allemande de sciences humaines et sociales – Deutsch-französische Zeitschrift für Geistes- und Sozialwissenschaften (2014) 16. Vgl. Erika Fischer-Lichte: Performance, Inszenierung, Ritual: Zur Klärung kulturwissenschaftlicher Schlüsselbegriffe, in: Jürgen Martschukat (Hrsg.): Geschichtswissenschaft und „performative turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln u. a. 2003, S. 33–54, hier S. 33, 43.

16

1. EINLEITUNG

Vergegenwärtigung und Repräsentation“.18 Die in diesem Zusammenhang verwendete Formel der theatralen Politik liegt daher auf der Hand.19 Dabei ist nicht immer die Verwendung aufwändiger Requisiten zur Versinnbildlichung einer Botschaft notwendig. Im Grunde genommen ist bereits jedes Auftreten im öffentlichen Raum als Selbstdarstellung anzusehen, das Deutungen durch außenstehende Betrachter zulässt.20 Bei diesem breiten Verständnis von Inszenierung muss jedoch auch auf die potentielle Gefahr hingewiesen werden, die darin besteht, hierbei stets eine bewusste Handlung zu unterstellen, insofern auch zufällige Details, Begebenheiten und Begegnungen vom Rezipienten als Teil der Inszenierung verstanden werden können, ohne dass dies vom Darstellenden beabsichtigt war: „Weder die, die inszenieren, noch die, für die inszeniert wird, können sich jemals ganz sicher sein, wann eine Inszenierung anfängt und wann sie zuende [sic] ist.“21 Auch können Inszenierungen zwar als solche erkannt, aber falsch verstanden werden. Es gilt also stets den Einzelfall prüfend abzuwägen und auf stichhaltige Argumente einer bewussten Inszenierung zu untersuchen. Ebenso gilt es, bei der Untersuchung von Inszenierungen zwischen Selbst- und Fremddarstellungen zu differenzieren. Letztere nahmen im Rahmen der zunehmenden Bedeutung der Öffentlichkeit im Laufe des 19. Jahrhunderts zu und erschweren oftmals die Unterscheidung zwischen Intention und Erwartungshaltung.

18

19 20

21

Hans Georg Soeffner/Dirk Tänzler: Figurative Politik. Prolegomena zu einer Kultursoziologie politischen Handelns, in: Dies. (Hrsg.): Figurative Politik. Zur Performanz der Macht in der modernen Gesellschaft, Opladen 2002, S. 17–31, hier S. 21. Siehe dazu auch die zeitgenössische Einschätzung Friedrich Meineckes: „Dem Deutschen, so kühn er auch den Flug ins Land der Ideen wagt, geht doch immer erst das Herz ganz auf, wenn ihm die lebendige Persönlichkeit als Träger der Idee entgegentritt. Wir sind nicht zufrieden mit dem Bewußtsein, dass unsere Nation eine große geistige Gesamtpersönlichkeit ist, sondern wir verlangen einen Führer für sie, für den wir durchs Feuer gehen können.“, Friedrich Meinecke: Deutsche Jahrhundertfeier und Kaiserfeier (Freiburger Universitätsrede vom 14.6.1913), in: Logos 4 (1913), S. 171, zitiert nach Elisabeth Fehrenbach: Wandlungen des deutschen Kaisergedankens, 1871–1918, München u. a. 1969, S. 91. Vgl. Johannes Paulmann: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn u. a. 2000, S. 340. Vgl. Klaus Merten: Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Bd. 1 Grundlagen der Kommunikationswissenschaft, Berlin, 3. Aufl., 2007, S. 279; Erving Goffman: Wir alle spielen Theater, München, 2. Aufl., 1973. Martin Seel: Inszenieren als Erscheinenlassen. Thesen über die Reichweite eines Begriffs, in: Josef Früchtl/Jörg Zimmermann (Hrsg.): Ästhetik der Inszenierung. Dimensionen eines künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Phänomens, Frankfurt/M. 2001, S. 48–62, hier S. 62.

1.1 ÖFFENTLICHKEIT – EIN BEGRIFFSDISKURS

1.1

17

Öffentlichkeit – ein Begriffsdiskurs

Der im Folgenden genutzte Begriff der Öffentlichkeit beruht auf zwei Aspekten. Zum einen ist damit die Art und Weise gemeint, wie die Monarchen ihr Handeln zur Schau stellten, d. h. welchen Bekanntheitsgrad diese Handlungen erlangten. Zum anderen rekurriert der Terminus aber auf den Adressaten dieser Handlungen, d. h. Öffentlichkeit im Sinne von Publikum und Bevölkerung. Interessanterweise bildete sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts neben der abstrakten Bedeutung als Bekanntheitsgrad auch die soziale Komponente des Begriffs heraus.22 Zuvor hatte der Begriff eine lange Entwicklung mit unterschiedlichen Inhalten durchlaufen. Während im Laufe des 17. Jahrhunderts öffentlich die Bedeutung von staatlich annahm,23 wurde Öffentlichkeit im Zuge der Aufklärung immer häufiger auch als der geistige und soziale Raum verstanden, in dem sich die staatliche Autorität legitimieren und kritisieren lassen musste.24 Im Vormärz wurde mit dem Begriff Öffentlichkeit dann verstärkt die rechtschaffene Gesinnung einer Handlung verknüpft. Eine geheime Handlung wurde immer häufiger als potentiell unehrlich gewertet, womit auch die Forderung nach einer öffentlichen Nachvollziehbarkeit staatlicher Entscheidungsprozesse verbunden war.25 Dies unterstreicht die gewachsene Notwendigkeit einer öffentlichen Inszenierung im 19. Jahrhundert nicht nur für die politischen Handlungen des Fürsten, sondern für alle gesellschaftsrelevanten Taten. So dichtete 1816 Gerhard Anton von Halem: „Wie das Wasser dem Fisch, die Luft dem Vogel, so lebet/Nur in der Oeffentlichkeit jeder Vertreter des Volks.“26 Im Gegensatz zu seinem lateinischen Ursprung publicus besaß das deutsche Wort öffentlich jedoch auch immer einen visuell-intellektuellen Aspekt,27 welcher besonders in Jürgen Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit eine Rolle spielte, der den Wandel von der repräsentativen zur bürgerlichen Öffentlichkeit thematisierte. Habermas zufolge war in der repräsentativen bzw. feudalen Öffentlichkeit Repräsentation lediglich ein Statusmerkmal und damit an Attribute der Person wie Insignien, Habitus, Gestus und Rhetorik geknüpft. Der Grundherr war Kriterien

22

23 24 25 26 27

Vgl. Lucian Hölscher: Öffentlichkeit, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 Mi–Pre, Stuttgart, 2. Aufl., 1997, hier S. 464. Einführend zu Öffentlichkeit als Begriff siehe etwa Peter Uwe Hohendahl: Öffentlichkeit: Geschichte eines kritischen Begriffs, Stuttgart u. a. 2000; Jürgen Schiewe: Öffentlichkeit. Entstehung und Wandel in Deutschland, Paderborn u. a. 2004. Vgl. Hölscher: Öffentlichkeit, 1997, S. 413. Ebd., S. 438. Etwa indem Protokolle von Beratungen und Debatten veröffentlicht wurden oder ein zumindest begrenztes Publikum zugelassen werden sollte, siehe ebd., S. 457 ff. Gerhard Anton von Halem: Töne der Zeit, in: Kieler Blätter. Eine Zeitschrift zur Erhaltung und Erweiterung des vaterländischen Sinnes (1816) 3, S. 328–330, hier S. 328. Vgl. Hölscher: Öffentlichkeit, 1997, S. 413.

18

1. EINLEITUNG

wie öffentlich oder privat gegenüber neutral und repräsentierte sich selbst als Verkörperung einer höheren Gewalt. Wie etwa der noch bis 1806 durch den Kaiser einberufene Reichstag zeigte, traten die Fürsten, Bischöfe, Reichsgrafen, Reichsstädte und Äbte dort nicht als Delegierte ihres Volkes auf, sondern vertraten sich selbst. Repräsentation fand also nicht für, sondern vor dem Volk statt.28 Mit der Herausbildung der öffentlichen Gewalt und der damit einhergehenden Objektivierung der Institutionen, wie Parlament und Gerichtsbarkeit, sowie der aufkommenden politischen Kommunikation durch die Presse entwickelte sich die bürgerliche Gesellschaft als ein dem Staat gegenüberstehender Bereich der privaten Autonomie. Als wichtigste Vertreter dieser bürgerlichen Schicht sah Habermas die Gebildeten, allen voran Juristen, Ärzte, Pfarrer, Offiziere und Professoren. Diese bildeten ein Publikum, welches, begünstigt durch seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung, zu einem Gegenpol zur öffentlichen Gewalt fungierte und Gesellschaft als nicht mehr nur von Seiten des Herrschers bestimmte, sondern immer häufiger als eigene und von eigenen Interessen zu prägende auffasste. Da dieses sogenannte Publikum zum Adressaten der Kommunikation der Obrigkeit wurde, musste sich die monarchische Autorität der neuen Macht des Bürgertums versichern, wodurch es zu einer Übertragung der Werte und Vorstellungen des Publikums auf den Monarchen kam. Das Volk gewann dadurch Einfluss auf die Repräsentation, welche nun immer auch eine legitimierende Funktion besaß.29 Habermas’ Modell des Strukturwandels der Öffentlichkeit ist vielfach kritisiert worden. So wurde einerseits bemängelt, dass er verschiedene Machttypen in ein geschichtstheoretisches Stufenmodell, welches einer evolutiven Abfolge entspricht, einbette und dadurch der Komplexität des Vorgangs nicht gerecht werde.30 Andererseits wurde argumentiert, dass bereits die absolutistische Repräsentation sich nicht nur auf die höfische Gesellschaft bezogen hatte, sondern ein weiter gefasstes Publikum ansprechen musste.31 Des Weiteren wurden Frauen, Jugendliche und nicht dem Bildungsbürgertum angehörende Schichten völlig außen vor gelassen, obwohl auch diese einen wachsenden Anteil an der öffentlichen Kommunikation gewannen.32

28

29 30

31 32

Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft; mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990, Frankfurt/M., 13. Aufl., 2013 [1962], S. 60 f. Vgl. ebd., S. 66–85. Vgl. Herfried Münkler: Die Visibilität der Macht und die Strategien der Machtvisualisierung, in: Gerhard Göhler (Hrsg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht, BadenBaden 1995, S. 213–230, hier S. 219. Vgl. Andreas Gestrich: Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994, S. 12 ff. Vgl. Alexa Geisthövel: Den Monarchen im Blick. Wilhelm I. in der illustrierten Familienpresse, in: Habbo Knoch/Daniel Morat (Hrsg.): Kommunikation als Beobachtung: Medienwandel und Gesellschaftsbilder 1880–1960, München 2003, S. 59–80, hier S. 62.

1.1 ÖFFENTLICHKEIT – EIN BEGRIFFSDISKURS

19

Wenn diese Einwände jedoch berücksichtigt und Habermas’ Modell um diese Komponenten erweitert werden, ist es immer noch nützlich, um sich dem Umbruch der Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert und seiner Bedeutung für die in der Öffentlichkeit stehenden Personen – hier der Monarchen – zu nähern und diesen verständlicher zu machen. Obschon von wiederkehrenden Rückschlägen gezeichnet, strebte das Volk beständig nach einer parlamentarischen Vertretung und mehr politischer Mitsprache. Als politischer Machtfaktor war es dadurch nicht mehr zu ignorieren. Durch diese zunehmende Präsenz im öffentlichen Raum wurden die einfachen Untertanen wie Bürger, Arbeiter und Bauern zu einem, bald dem wichtigsten Adressaten der monarchischen Inszenierung, welche zuvor eher auf den Machterhalt innerhalb des Adels abgezielt hatte, nicht aber auf einen von unten bedrohten Machterhalt.33 Aus diesem Grund wird die hofinterne Inszenierung, wie sie etwa in aufwändigen Kostümfesten auch noch im 20. Jahrhundert stattfand,34 im Folgenden nicht berücksichtigt, sondern vielmehr die Beziehungen der Bundesfürsten zur gesamten Öffentlichkeit, d. h. zu allen Untertanen. Haftete dem bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auch von den Monarchen genutzten Begriff des Publikums35 noch der Anschein der Beherrschbarkeit an, so hatte der an der Schwelle des 20. Jahrhunderts aufkommende Begriff der öffentlichen Meinung eine gänzlich andere, gesellschaftsprägende Dimension angenommen, dem sich keine öffentliche Person mehr entziehen konnte. Dass gerade zu dieser Zeit, nämlich 1882 an der Yale University und wenig später auch im Deutschen Reich, der Begriff public relations, also Öffentlichkeitsarbeit, das erste Mal geprägt wurde,36 reflektiert einmal mehr das Bewusstsein der Zeitgenossen sowie die Notwendigkeit neuer Strategien im Umgang mit der Öffentlichkeit und einer zeitgemäßen Repräsentation.

33 34

35

36

Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 91. Vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes. Aufzeichnungen des letzten Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Mit einem biographischen Essay von Golo Mann. Hrsg. von Eckhart G. Franz, Darmstadt 1983, S. 131. Dieser findet sich beispielsweise immer wieder in den Briefwechseln Johanns von Sachsen, siehe etwa Johann von Sachsen/Friedrich Wilhelm IV. von Preußen/Wilhelm I. von Preußen: Briefwechsel zwischen König Johann von Sachsen und den Königen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. von Preussen, Leipzig 1911; Silke Marburg: Europäischer Hochadel. König Johann von Sachsen (1801–1873) und die Binnenkommunikation einer Sozialformation, Berlin 2008. Vgl. Merten: Einführung in, 2007, S. 279.

20

1.2

1. EINLEITUNG

Zentrale Thesen der Arbeit

Eine erste These dieser Arbeit ist es daher, dass die Bundesfürsten sich des Wandels der Öffentlichkeit und einer damit verbundenen gestiegenen Bedeutung der Repräsentation ihrer Herrschaft durchaus bewusst waren und dementsprechend handelten. Dazu hatten nicht nur die vielfältigen Revolutionserfahrungen beigetragen. Die Revolution von 1848/49 kostete etwa die Monarchen in München und Darmstadt den Thron und führte zur zeitweiligen Flucht der sächsischen Königsfamilie. Auch die damit verbundene politische Bedeutungssteigerung der gesamten Untertanenschaft ließ diese zu einem Machtfaktor heranwachsen, der potentiell für den Erhalt der Monarchien bedrohlich werden konnte. Zwar galt das offen gezeigte Streben nach Popularität in vielen Kreisen des Hochadels noch immer eher als Untugend und unwürdige Unterwerfung gegenüber dem Publikum,37 gleichwohl galt es, die öffentliche Meinung nicht ganz zu verspielen. Noch aus dem restaurativen Geist der Überwachung heraus waren daher auch nach 1849 die staatlichen Beamten immer wieder angehalten, Stimmungsberichte aus der Bevölkerung an die Regierungen in der Residenz zu schicken;38 einer revolutionären Gefahr sollte 37

38

Diesbezüglich lassen sich mehrere zeitgenössische Aussagen der Bundesfürsten selbst oder über diese finden. Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha schrieb etwa am 28.06.1856 an den befreundeten Schriftsteller Gustav Freytag: „Die Popularität ist ein Luftgebilde, ein Zerrbild, was bald lächelt, bald Fratzen zieht, wer nach der strebt, sich vielleicht darin sonnt, wird nie zu Großem auserlesen sein.“, Hervorhebung im Original, Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha/Gustav Freytag: Gustav Freytag und Herzog Ernst von Coburg im Briefwechsel, 1853–1893, hg. von Eduard Tempeltey, Leipzig 1904, S. 62. Auch im sächsischen Königshaus waren übermäßig anbiedernde Maßnahmen zum Zweck einer wohlwollenden öffentlichen Meinung verschmäht. So resümierte der sächsische Staatsmann Friedrich Ferdinand von Beust über die Mitglieder des Hauses Wettin: „König Friedrich August [II., A. S.] war ein edeldenkender und hochsinniger Fürst. Wie alle Prinzen seiner Familie war er geborener Feind jedes nach Popularität ringenden Strebens und aller danach zielenden Kundgebungen“, Friedrich Ferdinand von Beust: Aus drei Viertel-Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen; in zwei Bänden, Bd. 1 (1809–1866), Stuttgart 1887, S. 52. Auch die sächsische Kronprinzessin Luise musste sich den Vorwurf „wie du nach Popularität haschest“ ihres Schwiegervaters König Georg gefallen lassen, nachdem sie bei einem Spaziergang in den 1890er-Jahren durch Dresden Passanten ihre Kinder hatte streicheln lassen, Luise von Toskana: Mein Leben, Wien 1988 [1911], S. 91. Die Wittelsbacher waren dagegen hinsichtlich offen angestrebter Popularität anders eingestellt. Maximilian II. beschrieb in seinen Memoiren das Wesen seines Vaters, Ludwig I.: „Zu diesen Grundrichtungen [gemeint ist seine Kunstliebe, A. S.] gesellten sich im Anfange der Regierung meines Vaters in einem gewissen Sinne liberale Ansichten, gepaart mit einem Verlangen nach Popularität.“, Sing: Die Memoiren, 1997, S. 142 Auch Maximilian selbst überlegte immer wieder, welche Maßnahmen zur Steigerung seiner Popularität helfen könnten, vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Geheimes Hausarchiv (im Folgenden: BayHStA, GHA) Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.5. und Kapitel 3. Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München findet sich eine Fülle solcher Berichte der Regierungspräsidenten, als Beispiel seien die Bestände genannt: MInn Nr. 45789, 46135.

1.2 ZENTRALE THESEN DER ARBEIT

21

dadurch früh begegnet werden können. Über diese Maßnahmen hinaus wurde aber auch immer häufiger aktiv versucht, sich der Liebe und Anhänglichkeit der eigenen Bevölkerung zu versichern. In erster Linie boten sich dafür die von jeher aufwändig inszenierten großen Ereignisse im Herrscherhaus wie Geburt und Taufe, Hochzeit und Beerdigung an. Diese waren schon immer genutzt worden, um gegenüber anderen Monarchen und Adligen die eigene Macht und Bedeutung zur Schau zu stellen. Durch Fahrten und Einzüge, öffentliches Ausstellen der Geschenke, ephemere Festarchitekturen, Illuminationen der Städte und insbesondere eine starke mediale Vermittlung, die auch die Bevölkerung außerhalb der Residenz erreichen sollte, wurde versucht, den Festrahmen auf die Untertanenschaft auszuweiten. Auch die unter modernen Vorzeichen erfolgende Wiederbelebung der Reiseherrschaft diente dazu, in der gesamten Bevölkerung den Rückhalt für das Herrscherhaus zu stärken. Repräsentativen Zwecken diente zudem die traditionelle Inszenierung im Herrscherporträt. Durch die Erfindung neuer Druckgrafiken war die Nutzung dieses Mediums allerdings einem fundamentalen Wandel unterworfen. Für die Untersuchung der Inszenierung der Bundesfürsten ist es ebenso aufschlussreich, deren Stellung im regionalen wie nationalen Gefüge zu verorten. Dabei ist zu beachten, dass es im Deutschen Kaiserreich weiterhin zahlreiche partikulare Strömungen gab und ein regionales Identitätsbewusstsein nicht überall durch ein nationales verdrängt oder ersetzt wurde. Es wird daher als zweite These angeführt, dass die besondere Bedeutung der Bundesfürsten darin bestand, wichtige Träger der regionalen Identitäten gewesen zu sein, in deren Bedeutung für den Einzelnen sie keineswegs vom Deutschen Kaiser abgelöst wurden. Diese nach wie vor ungebrochene Rolle der Bundesfürsten speiste sich dabei zum einen aus der historischen Entwicklung der Länder und des damit verbundenen regionalen Selbstbewusstseins, zum anderen aus der räumlichen Nähe, durch welche sie für ihre Untertanen präsenter waren als der Kaiser. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die über Jahrhunderte gewachsene Tradition des Territorialstaates vielerorts noch gegenwärtig und hatte in der um 1800 greifbar gewordenen Idee des Einheitsstaates nur eine bedingte Konkurrenz gefunden. Während die partikular-regionalen Bezüge für den Einzelnen im alltäglichen Leben, sei es in Bezug auf Steuern, Militär, Wahlen, Kultur oder Grenzen, stets die bestimmende Rolle spielten,39 war die Idee der Nation zunächst nur eine mythisch verklärte, die sich durch politisch-reformerische Bestrebungen und philosophische Überlegungen herausgebildet hatte.40 Zwar waren einige Staaten durch die umwälzenden Mediatisierungen erst in dieser Form gegründet worden und daher vor erhebliche Integrationsprobleme gestellt, sodass für einige regionale Gruppen wie beispielsweise die Franken in Bayern, die sich nicht mit den neuen Ländern

39 40

Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 306. Vgl. Rudolf Speth: Nation und Revolution. Politische Mythen im 19. Jahrhundert, Opladen 2000.

22

1. EINLEITUNG

arrangieren wollten, das Konzept der Nation durchaus eine Alternative darstellte – dennoch blieben solche Phänomene eher die Ausnahme.41 In Bezug auf die monarchische Herrschaft und deren Akzeptanz im Deutschen Reich im Allgemeinen ist der Erste Weltkrieg als Zäsur anzusehen. Diesbezüglich lautet die dritte These dieser Arbeit, dass bis 1914 das monarchische System auf regionaler wie nationaler Ebene fest verankert und die Akzeptanz desselben ungebrochen war. Wenngleich nicht alle Landeskinder überzeugte Monarchisten waren, nahmen sie dieses Regierungssystem dennoch hin und Abdankungsforderungen blieben aus. Trotz aller Bedrohungen und Kritik fällt auf, dass von den meisten Untertanen die Monarchie als Stabilität versprechende Staatsform verstanden wurde, sodass alle sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ereignenden nationalen Einigungen immer unter der Regie eines Königs geschahen. Dass diese Staatsform dadurch stets aufs Neue bestätigt wurde, führt Dieter Langewiesche zu dem Urteil, dass das 19. Jahrhundert ein Jahrhundert der Monarchien gewesen sei.42 Die wie ein Damoklesschwert über den Monarchen hängende Gefahr der Revolution rief bei diesen eine zunehmende Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen hervor. Hierzu gehörte auch, dass sie sich häufig als Förderer der Moderne darstellten, sei es beim Ausbau der Eisenbahn und des Automobilwesens, der Technikförderung, der Unterstützung des kulturellen Bereiches wie des Theaterwesens und der Schulbildung, bei der Wohltätigkeit für arme und kranke Untertanen etc. Zum einen unterstützten sie diese Bereiche häufig finanziell, teilweise aus persönlichem Antrieb heraus, zum anderen wirkten sie zumindest bei Einweihungsfeiern und vergleichbaren Ereignissen mit, sodass sie als Förderer des Wohlstands auftreten konnten. Sie profitierten dadurch von einer typischen vom Fortschritt getragenen Entwicklung, die zumindest in ähnlicher Weise auch in jeder anderen Staatsform stattgefunden hätte und hat – etwa in den Vereinigten Staaten von Amerika oder der Dritten Republik in Frankreich. Dass die Zeit von 1871 bis 1914 eine Zeit des Friedens, Aufschwungs und relativen Wohlstands war, wirkte sich ebenfalls positiv auf den Machterhalt der Staatsoberhäupter aus.

41 42

Vgl. Michael B. Klein: Zwischen Reich und Region: Identitätsstrukturen im Deutschen Kaiserreich (1871–1918), Stuttgart 2005, S. 5. Vgl. Dieter Langewiesche: Die Monarchie im Jahrhundert Europas. Selbstbehauptung durch Wandel im 19. Jahrhundert, Heidelberg 2013, S. 5 f.

1.3 UNTERSUCHTE BUNDESFÜRSTENTÜMER

1.3

23

Untersuchte Bundesfürstentümer

Die vorliegende Studie konzentriert sich auf vier der 22 Bundesfürstentümer: die Königreiche Bayern und Sachsen, das Großherzogtum Hessen43 und das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Diese vier höchst unterschiedlichen Länder und ihre Herrscher sollen stellvertretend für die übrigen Fürstentümer den Blick auf ein Gesamtbild an Bedingungen und Strategien verschiedener fürstlicher Repräsentationen eröffnen. Die getroffene Auswahl ermöglicht zunächst, den Kontrast zwischen größeren und kleineren Bundesfürstentümern sowie deren unterschiedlicher wirtschaftlicher Prägung zu beleuchten. Mit Bayern und Sachsen wurden die nach Preußen territorial größten Bundesstaaten gewählt, mit Hessen ein Land mittlerer Größe und mit Sachsen-Coburg und Gotha ein typischer Vertreter der Kleinstaaten des Deutschen Reichs.44 Mit einer Fläche von 75.859 Quadratkilometern war Bayern das zweitgrößte Land im Deutschen Reich und hatte im Jahr 1918 mit einer Einwohnerzahl von fast 6,9 Millionen auch die meisten Einwohner nach Preußen. Aufgrund der stark agrarischen Prägung des Landes, welches größtenteils von Feldern, Wiesen- und Weideflächen bestimmt war, war es aber auch das am dünnsten besiedelte der hier untersuchten Länder (91 Einwohner pro Quadratkilometer). Im stark von Industrialisierung und damit verbundener Urbanisierung geprägten Sachsen lebten dagegen 1918 auf einer Fläche von 14.993 Quadratkilometern 4,8 Millionen Einwohner, was einer Dichte von 320 Menschen auf einem Quadratkilometer entsprach. Die durch zahlreiche technische Innovationen begründete Industrialisierung (Maschinenbau und Textilindustrie), der frühe Ausbau des Eisenbahnnetzes, die Bodenschätze des Erzgebirges und das große Handelszentrum Leipzig brachten Sachsen zum einen Wohlstand, zum anderen aber auch viele soziale Missstände. Dadurch wurde das Land zu einer frühen Hochburg der Sozialdemokratie, die durch die zahlreichen Fabrikarbeiter in den Städten, aber auch durch das bis 1918 bestehende, ungleiche Pluralwahlrecht erheblichen Zulauf bekam. Das Staatsgebiet Hessens verkleinerte sich infolge des Deutschen Krieges 1866 von 8345 Quadratkilometern auf 7688 Quadratkilometer. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges lebten dort knapp 1,3 Millionen Menschen. Aufgrund des milden Klimas spielten auch hier der Getreide-, Obst- und Weinanbau eine wichtige Rolle.45 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es jedoch sich zunehmend ansiedelnde Industriezweige. Typisch dafür war etwa Offenbach als Industriezentrum des 43

44 45

Die häufig zu lesende Bezeichung „Hessen-Darmstadt“, die der Unterscheidung der unterschiedlichen hessischen Linien dient, ist inkorrekt. Die vollständige Titulatur der Großherzöge von Hessen lautete seit 1816 „von Hessen und bei Rhein“. Vgl. Helmut Reichold: Bismarcks Zaunkönige: Duodez im 20. Jahrhundert; eine Studie zum Föderalismus im Bismarckreich, Paderborn 1977. Vgl. Ernst Förster: Handbuch für Reisende in Deutschland, München, 2. Aufl., 1853, S. 51.

24

1. EINLEITUNG

Großherzogtums mit seiner Lederwaren-, Metallverarbeitungs- und Maschinenbauindustrie.46 Im Vergleich zu den anderen Ländern war Sachsen-Coburg und Gotha mit einer Fläche von 1977 Quadratkilometern und einer Einwohnerzahl von knapp über 250.000 verschwindend klein, wenngleich noch nicht das kleinste Staatsgebiet im Deutschen Reich.47 Das Herzogtum bestand durch Gebietstausch in dieser Form erst seit 1826 und wurde zunächst in Personal-, seit 1852 in Realunion regiert. Die nicht gelöste Konkurrenz dieser „unglückliche[n] Verbindung“48 zog sich konstant durch die gesamte Zeit ihres Bestehens und führte 1919/20 mit Coburgs Beitritt zum Freistaat Bayern auch zu einer Trennung der beiden Länder. Im kleinen Staatsgebiet von Sachsen-Coburg und Gotha gab es neben dem Getreide- und Obstanbau den Steinkohle- und Salzabbau sowie die Forstwirtschaft. Gegen Ende des Jahrhunderts bildeten sich auch kleinere Industrien etwa in Glas-, Porzellan- und Holzverarbeitung heraus.49 Charakteristisch für alle hier untersuchten Bundesstaaten war ein starkes Bevölkerungswachstum im Untersuchungszeitraum. Wie die Tabelle (1) zeigt, fiel dies aber unterschiedlich stark aus. Tabelle 1: Wachstum der Bevölkerung 1850/53–1918 in Millionen und Einwohner pro Quadratkilometer50 Land Bayern Sachsen Hessen S.-Co. u. Gotha

Bevölkerung 1850/1853 4.531 (1850) 1.913 (1850) 0.812 (1853) 0.143 (1853)

EW/ km² 60 128 97 72

Bevölkerung 1918 6.887 4.806 1.282 0.257

EW/ km² 91 320 167 130

Wachstum 52 % 151 % 58 % 80 %

Während die Bevölkerung in Sachsen im Zeitraum von 1850 bis 1918 um das Anderthalbfache zunahm, stieg die Bevölkerung in Bayern und Hessen nur um etwa 46 47 48

49

50

Vgl. Manfred Knodt: Ernst Ludwig Großherzog von Hessen und bei Rhein. Sein Leben und seine Zeit, Darmstadt 1978, S. 232 f. Dies bildete das Fürstentum Reuß älterer Linie (Hauptstadt: Greiz) mit 317 Quadratkilometern. Jutta Siegert: Das „Staatsgrundgesetz für das Herzogthum Gotha“ vom 26. März 1849 als Ergebnis der Revolution von 1848, in: Harald Bachmann (Hrsg.): Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, 1818–1893, und seine Zeit, Augsburg 1993, S. 141–154, hier S. 141. Vgl. Förster, Handbuch, 1853, S. 58; Friedrich Facius: Die thüringischen Staaten 1815–1918, in: Klaus Schwabe (Hrsg.): Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten 1815– 1933, Boppard am Rhein 1983, S. 63–80, hier S. 79. Die Angaben für die Bevölkerungszahlen Bayerns und Sachsens 1850 wurden entnommen aus: Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3. Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1849–1914, München 1995, S. 9, der übrigen Länder für 1853 aus Förster, Handbuch, 1853, S. 50, 58 und die Angaben für Fläche und Bevölkerungszahlen 1918 aus: Fritz Wecker: Unsere Landesväter. Wie sie gingen – wo sie blieben, Berlin 1928, S. 49, 69, 117, 261.

1.3 UNTERSUCHTE BUNDESFÜRSTENTÜMER

25

die Hälfte; in Sachsen-Coburg und Gotha kam es zu einem Zuwachs von 80 %. Für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder und damit auch für die Herrschaftsbedingungen der Bundesfürsten waren diese Veränderungen maßgeblich. Die Größe der Länder hatte aber auch noch weitere Auswirkungen auf die Inszenierung der Bundesfürsten. So waren die Königreiche Bayern und Sachsen stark auf eine Residenz ausgerichtet, während in Sachsen-Coburg und Gotha das Staatsgebiet kaum das der Residenzstädte übertraf. Dies musste sich natürlich auf die Repräsentation der Fürsten sowie deren Popularität und Bürgernähe auswirken. In den kleinen Residenzen Darmstadt, Gotha und Coburg war der Hof und damit das Herrscherhaus im Vergleich zur Einwohnerschaft weitaus gegenwärtiger und auch transparenter als in München oder Dresden. In Bayern und Sachsen dagegen waren für eine Präsenz des Monarchen nicht nur das Sich-Zeigen in der Residenzstadt, sondern auch Reisen in die Peripherie unabdingbar. Aus der territorialen Größe der Staaten und ihrer Einwohnerzahl ergab sich auch das politische Gewicht der Bundesstaaten im Kaiserreich, welches sich in der Verteilung der Stimmen im Bundesrat zeigt. Diesen dominierte Preußen mit 17 Stimmen, an zweiter Stelle kam Bayern mit sechs, gefolgt von Sachsen und Württemberg mit jeweils vier Stimmen. Baden und Hessen sowie später Elsaß-Lothringen besaßen je drei, während Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je zwei Stimmen hatten. Alle weiteren 17 Bundesstaaten, darunter Sachsen-Coburg und Gotha, besaßen jeweils eine Stimme. Die ausgewählten Staaten vertreten dadurch fast alle Gruppen. Aufschlussreich ist auch das jeweilige Verhältnis der Staaten zu Preußen, welches nicht nur im Deutschen Krieg 1866, sondern auch noch danach lange eine wichtige Rolle spielen sollte. Wie die meisten Kleinstaaten kämpfte SachsenCoburg und Gotha auf der Seite Preußens, während sich alle größeren Staaten auf der Seite Österreichs befanden. In Bayern,51 aber auch in Sachsen und Hessen sollten noch lange antipreußische Ressentiments vorherrschen, weshalb hier der Rolle des Souveräns nach wie vor eine große Bedeutung zukam. Aus dem Verhältnis zu Preußen ergaben sich auch die Reservatrechte für einige Bundesstaaten, die von den hier untersuchten Ländern Bayern und Sachsen betrafen. So blieb der sächsische König etwa Chef der Armee in Friedenszeiten und durfte weiterhin Offiziere unterhalb der Generalsränge ernennen. Ebenso blieb der bayerische König Oberbefehlshaber der Armee in Friedenszeiten. Zudem war es Bayern und Sachsen, wie auch Hessen, weiterhin erlaubt, Gesandtschaften im In- und Ausland zu unterhalten. Bayern durfte darüber hinaus die Bier- und Branntweinsteuer sowie das Niederlassungs- und Heimatrecht selbst regeln. Für die Frage der Inszenierung

51

Wenn am Münchner Hof beispielsweise vom Kaiser und vom Kaiserhof gesprochen wurde, war damit auch nach 1871 stets der österreichische Herrscher und Hof gemeint, vgl. Karl Möckl: Hof und Hofgesellschaft in Bayern in der Prinzregentenzeit, in: Karl Ferdinand Werner (Hrsg.): Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert, Bonn 1985, S. 183–235, hier S. 205.

26

1. EINLEITUNG

ist die eigenständige Verwaltung des Postwesens interessant, da dadurch Briefmarken mit dem Porträt des Monarchen herausgegeben werden konnten. Letztlich konnten sich auch noch die unterschiedliche konfessionelle Prägung sowie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammensetzungen auf die Inszenierung des Monarchen auswirken.52 Die genannten Unterschiede sollen aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Inszenierung des Bundesfürsten maßgeblich vom jeweiligen Individuum bestimmt wurde. Dessen Generation, Alter, Charakter und Erziehung prägten die eigene Darstellung wesentlich umfassender, als es die Herkunft aus einem bestimmten Land vermocht hätte. Diese stellt eher das Kolorit des Hintergrundes und eine Vergleichsbasis der Leistungen innerhalb ähnlicher gesellschaftlicher Bedingungen sowie innerhalb der eigenen bundesfürstlichen Familie dar. So lässt sich die Leistung eines Fürsten auch in Fragen der Inszenierung am besten im Vergleich zu seinem Vorgänger und Nachfolger und seinen eigenen bundesfürstlichen Zeitgenossen bewerten. Bedingt durch den 70 Jahre umfassenden Untersuchungszeitraum ergaben sich für Bayern vier, für Sachsen fünf, für Hessen und Sachsen-Coburg und Gotha je drei zu untersuchende Monarchen. Die Auswahl der vier vorgestellten Länder wurde deshalb nicht zuletzt unter der Prämisse getroffen, in ihnen unterschiedlich agierende Vertreter in Fragen der Inszenierungsstrategien zu finden, um somit die Möglichkeiten fürstlicher Repräsentation aufzuzeigen.

1.4

Forschungsstand

Nachdem sich die Sozialgeschichte anfangs kaum mit Adel und Monarchie auseinandergesetzt und auch die klassische Politikgeschichte den Blick entweder auf institutionelle Entwicklungen oder die Lebenswege großer Männer verengt hat, hat sich die sogenannte Neue Politikgeschichte um das Jahr 2000 neuen Themen zugewandt, die auch für Forschungsimpulse innerhalb der Adels- und Monarchiegeschichte sorgen sollten. So haben insbesondere die Vertreter des Bielefelder Sonderforschungsbereiches 584 Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte (2001–2012) gefordert, neue Wege einzuschlagen und eine kulturwissenschaftliche Annäherung an das Politische zu versuchen. Dabei wird besonders für eine Erweiterung des Politikbegriffes plädiert: So solle Politik nicht mehr nur sozioökonomisch verkürzt als Machtfeld im verfassungsbezogenen und institutionellen Sinn, sondern auch als Raum „sprachlich-bildliche[r] Symbolstrukturen“ verstanden

52

Vgl. Kapitel 2.4.

1.4 FORSCHUNGSSTAND

27

werden.53 Statt einer „Monopolisierung des Politischen durch den Staat“54 sollen vielmehr weitere Machtbeziehungen, insbesondere auf symbolischer Ebene untersucht werden. Dies ermöglicht ganz neue Fragen an scheinbar schon hinreichend Untersuchtes. So wird nun etwa nach der Bedeutung politischer Sprache,55 repräsentativer Ausgestaltung,56 politischer Denkmale,57 politischer Feste und Jubiläen,58 reziproker Machtbeziehungen,59 der Bedeutung der Medien,60 der Rolle von Emotionen61 oder Ritualen62 gefragt. In Bezug auf die Monarchiegeschichte sind dabei direkt aus dem Bielefelder SFB Forschungen zu Huldigungsfeiern,63 monarchischer Sichtbarkeit in Präsenz64 und medialer Vermittlung65 sowie zur Bedeutung von anlassgebundener Kasuallyrik66 hervorgegangen. Auch andere Forscher haben sich der Bedeutung symbolischen Handelns in der Politik zugewandt. Wegweisend zu nennen ist dabei Johannes Paulmanns Studie Pomp und Politik, welche 223 Monarchenbesuche des 19. Jahrhunderts analysiert. Paulmann fragt dabei nach der Bedeutung dieser Besuche, ihrer Funktion und ihrer gewählten Form. So kommt er u. a. zu dem Ergebnis, dass diese bewusst 53 54 55 56 57 58

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62 63 64

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Ute Frevert/Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.): Neue Politikgeschichte: Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt/M. u. a. 2005, S. 23. Ebd., S. 23. Vgl. etwa Willibald Steinmetz: Political Languages in the Age of Extremes, Oxford u. a. 2011. Vgl. etwa Jan Andres/Wolfgang Braungart/Kai Kauffmann (Hrsg.): „Nichts als die Schönheit“. Ästhetischer Konservatismus um 1900, Frankfurt/M., New York 2007. Vgl. etwa Charlotte Tacke: Denkmal im sozialen Raum. Nationale Symbole in Deutschland und Frankreich im 19. Jahrhundert, Göttingen 1995. Vgl. Winfried Müller (Hrsg.): Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004; Simone Mergen: Monarchiejubiläen im 19. Jahrhundert. Die Entdeckung des historischen Jubiläums für den monarchischen Kult in Sachsen und Bayern, Leipzig 2005. Vgl. etwa Bernhard Jussen (Hrsg.): Die Macht des Königs: Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005. Vgl. etwa Ute Frevert/Wolfgang Braungart (Hrsg.): Sprachen des Politischen. Medien und Medialität in der Geschichte, Göttingen 2004. Vgl. etwa Ute Frevert: Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen?, Göttingen 2012. Zur Rolle von Emotionen in Geschichte und Politik gibt es mittlerweile zahlreiche Forschungen, von denen einige im Forschungsbereich Geschichte der Gefühle am Max-PlanckInstitut in Berlin angesiedelt sind. Vgl. Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt/M. u. a. 2013. Vgl. Matthias Schwengelbeck: Die Politik des Zeremoniells. Huldigungsfeiern im langen 19. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2007, S. 70–81. Vgl. Alexa Geisthövel: Wilhelm I. am „historischen Eckfenster“. Zur Sichtbarkeit des Monarchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jan Andres/Alexa Geisthövel/Schwengelbeck Matthias (Hrsg.): Die Sinnlichkeit der Macht: Herrschaft und Repräsentation seit der Frühen Neuzeit, Frankfurt/M. u. a. 2005, S. 163–186; Alexa Geisthövel: Augusta-Erlebnisse. Repräsentationen der preußischen Königin 1870, in: Frevert u. a.: Neue Politikgeschichte, 2005, S. 82–114. Vgl. Geisthövel: Den Monarchen, 2003. Vgl. Jan Andres: „Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet“. Huldigungsrituale und Gelegenheitslyrik im 19. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2005.

28

1. EINLEITUNG

stetig an Theatralität zunahmen und eine öffentlichkeitswirksame Vermittlung gegenüber dem an- und abwesenden Publikum suchten. Der zeremonielle Aufwand der Besuche war dabei nicht ausschließlich schmückendes Beiwerk. Die inszenierten Rituale sollten unter Beteiligung eines zahlreichen Publikums nicht nur die Bedeutung der Souveräne und die von ihnen repräsentierten Länder unterstreichen, sondern darüber hinaus wesentlich zu einer Nationalisierung der Massen beitragen.67 Welche Rolle Monarchen für das Ausprägen von Identitäten insbesondere auch im vom Partikularismus geprägten Deutschen Bund gespielt haben, hat auch Abigail Green in ihrer Studie Fatherlands untersucht. Green ist dabei eine der wenigen Historikerinnen, die sich nicht den beiden großen Vertretern Preußen und Bayern zuwendet, sondern bewusst die Königreiche Sachsen, Württemberg und Hannover mit einem Schwerpunkt auf den Jahren 1848 bis 1871 analysiert. Der Grund, warum diese Länder des Dritten Deutschland auf Distanz zu Preußen gingen und starke eigene Identitäten besaßen, liege dabei, so Green, nicht in den sonst immer zur Begründung herangezogenen konfessionellen Unterschieden – alle genannten Länder hatten wie Preußen protestantische Mehrheiten –, sondern im Bewusstsein einer dynastischen Zugehörigkeit, kultureller Leistungen und individueller konstitutioneller Traditionen. Durch eine eigene Bildungspolitik oder Investitionen in die Infrastruktur versuchten die Monarchen, die Herausbildung von regionalen Identitäten noch zu stärken.68 Ähnliche Ergebnisse kann auch Manfred Hanisch für die bayerischen Könige nach 1848 nachweisen, welche etwa durch die Stärkung des Geschichtsunterrichtes, kultureller Einrichtungen, wie Museen, und von Stammestraditionen ein bayerisches Nationalgefühl erwecken wollten.69 Dass Monarchen Medien zu ihrer eigenen Darstellung nutzten, ist in einigen Beiträgen besonders am Beispiel der deutschen Kaiser gezeigt worden.70 Dass Monarchie und Medien aber nicht nur eine symbiotische Beziehung eingehen konnten, sondern sich um 1900 auch eine eigenständige Logik der Massenmedien entwickelte, in deren Zuge die ehemaligen Arkanbereiche des Hofes zunehmend bedroht wurden, zeigt die ausgeprägte Skandalforschung. In deren Fokus stehen zum einen Wilhelm II. und dessen Umfeld,71 zum anderen aber moralische Sittenskandale.72 Zwar weist die Skandalforschung einerseits zu Recht darauf hin, dass sich im außeralltäglichen Skandal Alltägliches wie gesellschaftliche Normen und

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Vgl. Paulmann, Pomp, 2000. Vgl. Green: Fatherlands, 2001. Vgl. Manfred Hanisch: Für Fürst und Vaterland. Legitimitätsstiftung in Bayern zwischen Revolution 1848 und deutscher Einheit, München 1991. Vgl. Franziska Windt/Jürgen Luh/Carsten Dilba (Hrsg.): Die Kaiser und die Macht der Medien, Berlin 2005. Vgl. Kohlrausch: Der Monarch, 2005; Frank Bösch: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914, München 2009. Vgl. Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013.

1.4 FORSCHUNGSSTAND

29

Einstellungen verdichtet und somit leichter sichtbar gemacht werden kann, andererseits vermag sie dadurch immer nur auf Abweichungen von der Norm hinzudeuten. Für konfliktlos zustande gekommene normative und gesellschaftliche Entwicklungen bleibt sie somit blind. Dieser Normalfall interessiert dagegen Forschungen zur monarchischen Gesinnung der Untertanen. Während Eva Giloi dafür die weite Verbreitung monarchischer Reliquien und Souvenirs, wie etwa Teller und Schnupftabakdosen, sowie Untertanengeschenke an die Hohenzollern beleuchtet, kommt sie zu dem Ergebnis, dass diese materiellen Erzeugnisse sowie die erwarteten Gegengeschenke auf eine hohe Partizipation an der Monarchie hinweisen.73 Hubertus Büschel mit seiner mehr auf offiziellen Hofakten beruhenden Studie zur Untertanenliebe vertritt dagegen die Auffassung, dass die Frage, ob die Untertanen ihre Monarchen liebten, kaum zu beantworten ist, dass andererseits dieses Gefühl von den Souveränen aber auch nicht erreicht werden wollte.74 Wie weit dagegen die monarchische Medienbeeinflussung gehen konnte, hat besonders Dominik Petzold eindrücklich gezeigt, der die Rolle Kaiser Wilhelms II. im frühen Kino untersucht und diesem ein fein ausgeprägtes Geschick im Umgang mit der neuen Technik attestiert hat. Der Kaiser wurde durch die über 300 von ihm existierenden Kurzfilme zum ersten Star des neuen Mediums, welches größtenteils systemstabilisierend gewirkt habe.75 Aber auch abseits von kulturgeschichtlichen Beiträgen gibt es seit den 1990erJahren wieder ein größeres Interesse an Adel76 und Monarchie.77 Ausgehend von

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Vgl. Eva Giloi: Monarchy, myth, and material culture in Germany 1750–1950, Cambridge u. a. 2011. Vgl. Hubertus Büschel: Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830, Göttingen 2006. Vgl. Petzold: Der Kaiser, 2012. Aus einer Vielzahl von Publikationen seien hier genannt Eckart Conze: Von deutschem Adel. Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, Stuttgart u. a. 2000; Silke Marburg/Josef Matzerath (Hrsg.): Der Schritt in die Moderne. Sächsischer Adel zwischen 1763 und 1918, Köln u. a. 2001; Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus, Berlin 2003; Eckart Conze/Monika Wienfort (Hrsg.): Adel und Moderne: Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2004; Monika Wienfort: Der Adel in der Moderne, Göttingen 2006; Eckart Conze/Alexander Jendorff/Heide Wunder (Hrsg.): Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert, Marburg 2010; Gabriele Clemens (Hrsg.): Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und deutscher Adel im langen 19. Jahrhundert, Berlin 2011; Eckart Conze/Wencke Meteling/Jörg Schuster/Jochen Strobel (Hrsg.): Aristokratismus und Moderne. Adel als politisches und kulturelles Konzept, 1890–1945, Köln u. a. 2013; Walter Demel/Sylvia Schraut: Der deutsche Adel. Lebensformen und Geschichte, München 2014; Heinz Reif: Adelsgeschichten. Adel in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, Berlin 2015. Auch hier als Auswahl, teilweise auch mit kulturhistorischem Schwerpunkt: Monika Wienfort: Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft: Deutschland und England von 1640 bis 1848, Göttingen 1993; Martin Kirsch: Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert. Der monarchische Konstitutionalismus als europäischer Verfassungstyp; Frankreich im Vergleich,

30

1. EINLEITUNG

der breiten Bürgertumsforschung hat man sich nun der bisher vernachlässigten Elitenforschung zugewandt. Auffallend ist hier jedoch, dass dabei über (teils) populärwissenschaftliche Bücher zu einzelnen Herrschern oder biografische Skizzen beinhaltende Sammelbände78 hinausgehende Untersuchungen zum genuinen Hochadel, der ja gerade im partikular geprägten Deutschland überdurchschnittlich viele Protagonisten aufwies, die Ausnahme bilden.79 Da sich allenfalls im Rahmen der Landesgeschichte der ehemaligen Herrscher angenommen wurde, sind auch Forschungen, die mehrere Bundesfürsten beleuchten,80 selten geblieben, weshalb nach wie vor eine borussische Dominanz in der deutschen Monarchiegeschichte zu beklagen ist. Es ist jedoch anzunehmen, dass das bevorstehende 100-jährige Jubiläum des Endes der Monarchie weitere Publikationen bringen wird.81 Neben den Forschungen der Neuen Politik- und Monarchiegeschichte ist für diese Arbeit auch die sich parallel in Deutschland situierende Visual History von Bedeutung, welche, dem pictoral turn folgend, eine neue „Schule des Sehens“ für

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Göttingen 1999; Rainer von Hessen (Hrsg.): Victoria Kaiserin Friedrich (1840–1901). Mission und Schicksal einer englischen Prinzessin in Deutschland, Frankfurt/M. 2002; Windt u. a.: Die Kaiser, 2005; Andreas Biefang (Hrsg.): Das politische Zeremoniell im Deutschen Kaiserreich 1871–1918, Düsseldorf 2008; Thomas Biskup/Martin Kohlrausch (Hrsg.): Das Erbe der Monarchie: Nachwirkungen einer deutschen Institution seit 1918, Frankfurt/M. u. a. 2008; Sven Oliver Müller/Cornelius Torp (Hrsg.): Das deutsche Kaiserreich in der Kontroverse, Göttingen 2009; Volker Sellin: Gewalt und Legitimität. Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen, München 2011; Frank-Lothar Kroll/Dieter J. Weiß (Hrsg.): Inszenierung oder Legitimation? Monarchy and the Art of Representation. Die Monarchie in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Ein deutsch-englischer Vergleich, Berlin 2015. Vgl. Walter Fellmann: Sachsens Könige. 1806 bis 1918, München u. a. 2000; Alois Schmid/Katharina Weigand (Hrsg.): Die Herrscher Bayerns: 25 historische Portraits von Tassilo III. bis Ludwig III., München 2001; Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige; 1089–1918, München 2004. Eine der wenigen, zwar auch auf eine Familie konzentrierte, aber dennoch allgemein angelegte Studie ist Marburg: Europäischer Hochadel, 2008. Zu verweisen ist hier neben den bereits erwähnten Studien von Green: Fatherlands, 2001 und Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013 zunächst auf zwei ältere Darstellungen zu den Bundesfürsten: Das relativ zeitnah entstandene Werk von Wecker: Unsere Landesväter, 1928 zeichnete hauptsächlich die Geschehnisse der Abdankung aller Bundesfürsten nach, während die Studie von Ingeborg Koch: Die Bundesfürsten und die Reichspolitik in der Zeit Wilhelms II., München 1961 klassisch politikhistorisch ist. Ein neueres Werk, welches alle bundesfürstlichen Häuser in den Blick nimmt, ist Machtan: Die Abdankung, 2008. Publikationen zum Ende der Monarchie 1918 bzw. zum Jahrestag 1914 siehe u. a. Stefan März: Ludwig III. Bayerns letzter König, Regensburg 2014; Ulrike Leutheusser/Hermann Rumschöttel (Hrsg.): König Ludwig III. und das Ende der Monarchie in Bayern, München 2014; Ralf Regener: Der Sturz der Askanier 1918 in Anhalt. Bedingungen, Verlauf und Nachwirkungen des Untergangs einer kleinstaatlichen deutschen Monarchie, Dessau-Roßlau 2014; Henning Steinführer/Gerd Biegel (Hrsg.): 1913 – Braunschweig zwischen Monarchie und Moderne, Braunschweig 2015.

1.4 FORSCHUNGSSTAND

31

Historiker fordert.82 Besonders Gerhard Paul setzt sich immer wieder vehement dafür ein, nicht nur Produktion, Inhalt und Rezeption von Bildern, sondern auch ihren ästhetischen Wert zu beleuchten.83 Er knüpft damit an die historische Bildkunde an, welche auf die mit Bildern primär verbundene affektive Wirkung verweist,84 die aus diesen eine über die Phantasie- und Erinnerungsproduktion einer Gesellschaft Aufschluss gebende Quelle mache.85 Zurückgreifen kann die Visual History dabei auf Forscher der Kunstgeschichte, welche, wie etwa Erwin Panofsky, das Bild als Symptom der geistigen Grundeinstellung von Menschen und Epochen begreifen86 oder wie Horst Bredekamp auf die Fähigkeit von Bildern hinweisen, nicht nur passiv zu sein, sondern selbst Geschichte zu erzeugen.87 Für die hier untersuchten Bilder88 von Herrschern ist die Visual History eine wichtige Strömung, weil sie die typischen Fragen der Kunstgeschichte erweitert und mit ihr gemeinsam neue Erkenntnisse liefern kann. Zudem rückt sie Herrscherporträts an sich wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit,89 deren mangelnde Untersuchung, besonders der Porträts des 19. Jahrhunderts, bereits die grundlegende Studie von Rainer Schoch beklagt.90 Zwar sind danach vereinzelt immer wieder Studien zu Herrscherporträts in Angriff genommen worden, doch gibt es in diesem Bereich noch zahlreiche Forschungsdesiderate. Die Porträts der Bundesfürsten sind – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen91 – bislang kaum 82

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Gerhard Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung, in: Ders. (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 7–36, hier S. 7. Weitere Schriften und Herausgeberschaften Pauls sind etwa Gerhard Paul (Hrsg.): Das Jahrhundert der Bilder. Bd. 1: 1900 bis 1949, Bd. 2: 1949 bis heute, Göttingen 2008/09; Gerhard Paul (Hrsg.): Bilder, die Geschichte schrieben: 1900 bis heute, Göttingen u. a. 2011; Gerhard Paul: BilderMACHT. Studien zur „Visual History“ des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013. Paul: Von der, 2006, S. 17. Vgl. Brigitte Tolkemitt: Einleitung, in: Brigitte Tolkemitt/Rainer Wohlfeil (Hrsg.): Historische Bildkunde: Probleme, Wege, Beispiele, Berlin 1991, S. 7–16, hier S. 9. Vgl. Heike Talkenberger: Von der Illustration zur Interpretation. Das Bild als historische Quelle. Methodische Überlegungen zur Historischen Bildkunde, in: Zeitschrift für Historische Forschung 21 (1994), S. 289–313, hier S. 313. Vgl. Erwin Panofsky: Ikonographie und Ikonologie, in: Ekkehard Kaemmerling (Hrsg.): Bildende Kunst als Zeichensystem, Bd. 1, Ikonographie und Ikonologie: Theorien, Entwicklung, Probleme, Köln 1979, S. 207–225, hier S. 211. Vgl. Horst Bredekamp: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Berlin 2010, bes. S. 51–55. Siehe Kapitel 1.5. Vgl. etwa die Studien Gerhard Pauls über das Porträt Maos, dafür beispielhaft Gerhard Paul: Mao. Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone, in: Paul: Bilder, die Geschichte, 2011, überarbeitet in: Paul: BilderMACHT, 2013, S. 319–360. Vgl. Rainer Schoch: Das Herrscherbild in der Malerei des 19. Jahrhunderts, München 1975. Vgl. Andreas Dobler/Christine Klössel (Hrsg.): Meisterhafte Porträts der Fürstenmaler im 19. Jahrhundert. Franz Xaver Winterhalter (1805–1873), Franz von Lenbach (1836–1904), Heinrich von Angeli (1840–1925), Friedrich August von Kaulbach (1850–1920); „… sehr vorteilhaft und wunderbar gemalt …“, Petersberg 2014.

32

1. EINLEITUNG

untersucht worden. Dies ist zum einen mit dem Verlust einiger Werke und der daraus resultierenden mangelnden Ausstellungspraxis der Museen und Schlösser verbunden, zum anderen aber mit einem bisher eher spärlichen Interesse an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der bislang nur zu illustrativen Zwecken herangezogenen Bilder.

1.5

Quellen

In erster Linie wurden für die vorliegende Studie die archivalischen Überlieferungen der jeweiligen Hausarchive untersucht, welche größtenteils persönliche Nachlässe, aber auch andere die Bundesfürsten betreffende Schriftstücke enthalten. Für die hier untersuchten Fürstentümer liegen die jeweiligen Aktenkonvolute in den Hauptstaatsarchiven München und Dresden sowie in den Staatsarchiven Darmstadt, Coburg und Gotha. Zunächst wurden die persönlichen Nachlässe untersucht. Diese konnten dabei sehr umfangreich sein und beispielsweise im Falle König Johanns von Sachsen (1801–1873) zahlreiche detaillierte Berichte seiner Landesreisen enthalten92 oder wie im Falle Maximilians II. von Bayern umfangreiche Listen zu allen denkbaren Themen.93 Teilweise enthielten sie für die Fragestellung überhaupt kein relevantes Material – wie etwa der Nachlass Alberts von Sachsen (1828–1902), der sich fast ausschließlich mit Militaria befasst94 –, oder sie waren durch äußere Einflüsse nicht mehr existent und beinhalteten im besten Falle noch Kuriosa wie Dankschreiben für übersandte Mandarinen.95 Auf die teilweise recht umfangreichen Tagebuchaufzeichnungen (meist im Sinne eines kurzen Kalendariums verfasst) und Briefwechsel der zahlreichen Familienmitglieder wurde, wenn diese in edierter Form vorlagen, zurückgegriffen. Darunter befinden sich noch aus dem Untersuchungszeitraum selbst stammende Editionen wie beispielsweise die Briefe der Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein (1843–1878) an ihre Mutter, Königin Victoria von Großbritannien (1819–1901),96 oder die Edition des Briefwechsels König Johanns von Sachsen mit den preußischen Königen Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) und Wilhelm I. (1797–1888),97 die beide die

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Vgl. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (im Folgenden: SächsHStA), Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., u. a. Nr. 34a–c, 37, 49, 75p. Vgl. SächsHStA, Bestand 12562 Fürstennachlass Albert, König von Sachsen. Vgl. SächsHStA, Bestand 12567 Fürstennachlass Friedrich August III., König von Sachsen, Nr. 007. Vgl. Alice von Hessen und bei Rhein: Mittheilungen aus ihrem Leben und aus ihren Briefen, Darmstadt 1883. Vgl. Johann von Sachsen u. a., Briefwechsel, 1911; weitere ältere Editionen sind Ernst II., Freytag, Briefwechsel, 1904; George Ticknor: Briefwechsel König Johanns von Sachsen mit

1.5 QUELLEN

33

Briefwechsel nur in Auszügen wiedergeben. Mit dem in den letzten Jahren wiedererwachten Interesse an Monarchiegeschichte wurden inzwischen auch Briefwechsel ediert, die hauptsächlich privaten Charakter hatten und damit interessante Einblicke in das Hofleben des 19. und 20. Jahrhunderts geben. Zu nennen wären hier beispielsweise der Briefwechsel von Herzogin Marie von Sachsen-Coburg und Gotha (1853–1920) und ihrer Tochter Marie, Kronprinzessin von Rumänien (1875–1938),98 oder der Briefaustausch von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (1868–1937) und seiner Schwester Alix (1872–1918),99 der russischen Zarin. Ebenfalls wurden edierte Memoiren der Bundesfürsten genutzt.100 Darüber hinaus sind insbesondere die Akten der Oberhofmarschallämter und einzelner Ministerien (besonders des Königlichen Hauses, des Innern und Äußeren sowie des Kultus) analysiert worden, die Aufschluss geben konnten über Entscheidungs- und Planungsprozesse hinsichtlich der Ereignisse im Herrscherhaus, der Präsenz vor Ort und der bildlichen Inszenierungen. Bedauerlicherweise fiel die Überlieferung in den einzelnen Archiven höchst unterschiedlich aus. Dies ist zum einen zurückzuführen auf teils erhebliche Kriegsverluste im Zweiten Weltkrieg,101 zum anderen aber auch auf Kassation von Akten in den Archiven bzw. auf die Tatsache, dass augenscheinlich viele Akten, die für heutige kulturgeschichtliche Fragestellungen höchst interessant wären, gar nicht den Weg in die jeweiligen Archive fanden, weil sie den zeitgenössischen Archivaren mit deren traditioneller Gewichtung auf die politische Geschichte als zu irrelevant erschienen waren. Ein

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George Ticknor, Leipzig u. a. 1920; Albert von Sachsen-Coburg und Gotha/Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha: The Prince Consort and his brother. Two hundred new letters, London 1933. Vgl. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha, Marie von Rumänien: Dearest Missy. The correspondence between Marie, Grand Duchess of Russia, Duchess of Edinburgh and of SaxeCoburg and Gotha and her daughter, Marie, Crown Princess of Romania, 1879–1900, Falköping, Schweden 2011. Vgl. Petra H. Kleinpenning: The correspondence of the Empress Alexandra of Russia with Ernst Ludwig and Eleonore, Grand Duke and Duchess of Hesse. 1878–1916, Norderstedt 2010, eine weitere neuere Edition ist: Lotte Hoffmann-Kuhnt: Briefe der Zarin Alexandra von Russland an ihre Jugendfreundin Toni Becker-Bracht, Norderstedt 2009. Keine klassische Edition, dafür aber mit reichen Zitaten aus dem elterlichen Briefwechsel des Königspaars Johann und Amalie Auguste von Sachsen mit ihrer Tochter Elisabeth, Herzogin von Genua ist Marburg: Europäischer Hochadel, 2008. Wissenschaftliche Ansprüche nur ungenügend erfüllend: Gisela Haasen: Ludwig II. Briefe an seine Erzieherin, München 1995. Vgl. Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha: Aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Berlin 1887–89; Johann von Sachsen: Lebenserinnerungen des Königs Johann von Sachsen. Eigene Aufzeichnungen des Königs über die Jahre 1801 bis 1854, Göttingen 1958; Ernst Heinrich Herzog zu Sachsen: Mein Lebensweg vom Königsschloss zum Bauernhof, Dresden 1995 [1968]; Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983; Leopold von Bayern: Aus den Lebenserinnerungen, Regensburg 1983; Toskana: Mein Leben, 1988 [1911]; Sing: Die Memoiren, 1997. Vgl. Karlheinz Blaschke: Hof und Hofgesellschaft im Königreich Sachsen während des 19. Jahrhunderts, in: Karl Möckl (Hrsg.): Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, Boppard am Rhein 1990, S. 177–206, hier S. 178.

34

1. EINLEITUNG

Beispiel dafür bilden etwa die Hochzeiten der Töchter Herzog Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900):102 Während sich für die 1894 in Coburg stattgefundene Hochzeit Victoria Melitas (1876–1936)103 mit Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein drei recht umfangreiche Akten im Coburger Staatsarchiv finden lassen,104 die sehr aufschlussreich hinsichtlich des Umgangs des Oberhofmarschallamts mit Pressevertretern sind, ist für die nur zwei Jahre später abgehaltene Hochzeit ihrer Schwester Alexandra kein einziges Schriftstück mehr vorhanden. Diese teilweise recht willkürlich anmutende Überlieferung unterbindet sehr häufig direkte Vergleiche der Bundesfürsten untereinander hinsichtlich ihres Umgangs mit der Öffentlichkeit. Trotz allem ist die Gesamtschau der untersuchten Bestände groß genug, um für die jeweiligen Untersuchungsfelder schlaglichtartig aufzuzeigen, welche Inszenierungsstrategien möglich waren und gewählt bzw. verschmäht wurden, sodass letztlich doch eine Diskussion über die Art und Weise, wie die Bundesfürsten mit der Öffentlichkeit umgingen, ermöglicht wird. Neben diesen Schriftquellen wurde ein weiterer Schwerpunkt auf Bildquellen gelegt. Gerade Bildern kommt ein wichtiger Part bei der Wahrnehmung einer Sache und der Erinnerung an diese zu, weshalb sie für den Untersuchungsgegenstand eine unverzichtbare Rolle spielten. Dabei wurden unterschiedliche Medien analysiert. In erster Linie waren natürlich die offiziellen Staatsporträts ein wichtiges Mittel der Inszenierung. Aber auch dieser Quellenkorpus ist stark von Kriegsschäden betroffen, sodass sich heute teilweise nur noch über zeitgenössische Kataloge nachweisen lässt, welche Bilder damals in repräsentativen Gebäuden hingen. Zum anderen ist der Bestand der noch vorhandenen Porträts recht spärlich in Form von Katalogen oder Datenbanken erschlossen, was die Beantwortung von Forschungsfragen erschwert. Erst vereinzelt gibt es in diesem Bereich brauchbare Materialgrundlagen.105 Darüber hinaus wurden zahlreiche Postkarten für die vorliegende Studie herangezogen. Auch für diese besteht im Hinblick auf eine intensive Untersuchung der Darstellung der Bundesfürsten das Problem der mangelnden Erschließung. Zwar gibt es einige Untersuchungen über Postkarten der Kaiserzeit106 und auch 102 103 104 105

106

Einführend zu Herzog Alfred siehe John Van der Kiste: Alfred. Queen Victoria’s Second Son, Stroud 2013. Einführend zu Victoria Melita siehe John Van der Kiste: Princess Victoria Melita. Grand Duchess Cyril of Russia, 1876–1936, Stroud, 2. Aufl., 2003. Vgl. Staatsarchiv Coburg, Bestand Landesarchiv Lokat A (im Folgenden: StACo, LA A), Nr. 9465, 13071, 13072. Vgl. Winfried Ranke: Joseph Albert – Hofphotograph der bayerischen Könige, München 1977; Elmar D. Schmid: König Ludwig II. im Portrait, Dachau 1996; Dobler u. a.: Meisterhafte Porträts, 2014. Siehe etwa Robert Lebeck/Manfred Schütte (Hrsg.): Propagandakarten 1, 80 Bildpostkarten aus den Jahren 1898–1929, Dortmund 1980; Otto May: Deutsch sein heißt treu sein: Ansichtskarten als Spiegel von Mentalität und Untertanenerziehung in der Wilhelminischen Ära (1888–1918), Hildesheim 1998; Elisabeth von Hagenow: Mit Gott für König, Volk und Vaterland. Die Bildpostkarte als Massen- und Bekenntnismedium, in: Raoul Zühlke (Hrsg.):

1.6 METHODISCHE ÜBERLEGUNGEN

35

die Postkartensammlung des Deutschen Historischen Museums umfasst rund 30.000 Objekte,107 von denen ca. 2400 auf einer CD-ROM leicht zugänglich sind.108 Aber dieser Ausschnitt kann naturgemäß nicht die große Bandbreite, die es an Postkarten über die deutschen Bundesfürsten gab, beleuchten. Jedoch konnte hier auf private Sammlungen zurückgegriffen werden. Neben Gemälden und Postkarten wurde ein dritter Schwerpunkt auf die bildliche Darstellung in den ab 1850 immer mehr aufkommenden Illustrierten gelegt. Dabei wurde die Illustrirte Zeitung (IZ) intensiv untersucht und diese Beobachtungen durch Einblicke in Die Gartenlaube und Über Land und Meer (ÜLM) ergänzt. Für die schwer zu beantwortende Frage nach der Rezeption der bundesfürstlichen Inszenierung wurden neben einzelnen Autobiografien lokale Tageszeitungen wie die Darmstädter Zeitung, die Coburger Zeitung und die Gothaische Zeitung herangezogen. Auf die für die Herrscherinszenierung ebenfalls relevante Inszenierung im Denkmal wird dagegen nicht eingegangen, da diese Skulpturen und Reliefs, mit einigen Ausnahmen, meist erst für verstorbene Herrscher errichtet wurden. Diese spielten demnach eine Rolle, wenn es darum ging, auf das Alter der Dynastie und deren historische Relevanz zu verweisen, wie dies exemplarisch im Dresdner Fürstenzug der Fall ist.109 Für die individuelle Inszenierung des regierenden Fürsten waren sie jedoch von geringerer Bedeutung.

1.6

Methodische Überlegungen

Um Aussagen bezüglich der bundesfürstlichen Repräsentation zu gewinnen, wurden zunächst die vorgestellten Quellen ausgewertet. Versteht man die dabei untersuchten Vorgänge, wie die Inszenierung lebensgeschichtlicher Ereignisse, Feste und Reisen als Ausdruck einer Semiotik des Politischen, ist das von Clifford Geertz geprägte Konzept der dichten Beschreibung hilfreich. Dabei soll es aber keineswegs um die detaillierte Wiedergabe der Ereignisse aus der Sicht eines verfremdeten Standpunktes gehen, sondern vielmehr um das „Herausarbeiten von Bedeutungsstrukturen“, in deren Mittelpunkt die Interpretation symbolischer Handlungen

107 108

109

Bildpropaganda im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2000, S. 145–178; Elisabeth von Hagenow: Einführung, in: Deutsches Historisches Museum (Hrsg.): Kaiser, Führer, Republik: Politische Postkarten vom Kaiserreich bis zur Besatzungszeit, Berlin 2004. https://www.dhm.de/sammlung-forschung/sammlungen00/bild/postkarten.html, letzter Abruf 05.08.2017, 16.00 Uhr. Deutsches Historisches Museum (Hrsg.): Kaiser, Führer, Republik: Politische Postkarten vom Kaiserreich bis zur Besatzungszeit, Berlin 2004. Einen weiteren, sehr guten Überblick über die große Bandbreite der Postkartenmotive um 1900 liefert: 5000 Bildpostkarten aus der Zeit um 1900/The Yorck-Project (CD-ROM), Berlin 2003. Vgl. Karlheinz Blaschke: Der Fürstenzug zu Dresden: Denkmal und Geschichte des Hauses Wettin, Leipzig u. a. 1991.

36

1. EINLEITUNG

steht.110 Geertz betont, dass gerade die Bedeutung von Symbolen, Ritualen und Zeremonien, die ja wesentliche Momente der bundesfürstlichen Herrschaft darstellen, mithilfe der dichten Beschreibung zu erschließen sind. Diese Herangehensweise wendete sich dabei gegen eine funktionalistische Denkweise und will vielmehr ein Verständnis dafür entwickeln, dass „historisches Handeln stärker als zuvor beeinflußt [ist, …] von den zugeschriebenen Bedeutung[en] und Selbstinterpretationen der Akteure“, wie Johannes Paulmann konstatiert.111 Dass diese Forderung nicht neu ist, lässt sich daran erkennen, dass bereits 1968 Thomas Nipperdey postulierte, „aus dem Handeln selbst die Selbstverständlichkeiten, die subjektiv nicht bewußten Werte, Normen, kulturellen Annahmen und Sinnhorizonte und die personalen Strukturen herauszuarbeiten, die es historisch bestimmen“.112 Um sich diesem Unbewussten zu nähern, vergrößert die von Geertz betriebene Ethnologie zunächst die Distanz zum Gegenstand und fragt nach der Bedeutung des fremd Erscheinenden. Gerade dieses „Was bedeutet das?“ kann dabei auch für den Historiker sinnvoll sein, indem es die subjektive Nähe zum untersuchten Gegenstand mindert. Im hier untersuchten Fall lässt es ihn repräsentativ-symbolisches Handeln ernst nehmen und fordert zum Hinterfragen desselben heraus. Bereits das Beschreiben von Bildern, Symbolen und Ritualen ist dabei ein erster Schritt des Verstehens, da das traditionelle Quellenverständnis erweitert wird.113 Aber auch das Festhalten der Interpretationen der Akteure selbst sowie der Bezug auf „makroskopische[…] Strukturen, auf Ökonomie, soziale Schichtung und Verfassung“ ist notwendig, um der dichten Beschreibung gerecht zu werden, die dadurch „weitreichende[…] Schlußfolgerungen über die jeweils untersuchte Gruppe“ erlangen möchte.114 Dieser Sichtweise folgend, werden hier nicht nur die Inszenierungen der Bundesfürsten in ihren Details untersucht und in ihrer Bedeutung hinterfragt, sondern es wird, soweit möglich, auch versucht, die Inszenierungsabsicht der Monarchen herauszuarbeiten. Dem gegen die dichte Beschreibung zu Recht vorgebrachten Einwand, dass gerade zeichenhaft geprägte kommunikative Prozesse viel zu differenziert und mehrdeutig sind, um auf diese Art eine letztgültige Deutung zu erlangen,115 soll entgegnet werden, dass diese Methode den Forschenden zumindest unter Berücksichtigung dieser Vielschichtigkeit in die Lage versetzt, mögliche Wahrnehmungen der Zeitgenossen sowie Interpretationen aufzuzeigen.

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Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt/M. 1983, S. 15. Paulmann, Pomp, 2000, S. 191, Paulmann liefert nicht nur eine sehr gute Zusammenfassung, wie das Konzept der dichten Beschreibung in der Geschichtswissenschaft umzusetzen ist, S. 189–194, sondern setzt dies auch im zweiten Teil seiner Studie vorbildlich um. Thomas Nipperdey: Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, historische Anthropologie, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 55 (1968) 2, S. 145–168, hier S. 158. Vgl. Paulmann, Pomp, 2000, S. 192, siehe dazu Geertz: Dichte Beschreibung, 1983, S. 293. Paulmann, Pomp, 2000, S. 193, siehe dazu Geertz: Dichte Beschreibung, 1983, S. 39, 43. Dieser Einwand findet sich bei Martin Fuchs/Eberhard Berg: Phänomenologie der Differenz. Reflexionsstufen ethnographischer Repräsentation, in: Dies. (Hrsg.): Kultur, soziale

1.6 METHODISCHE ÜBERLEGUNGEN

37

Dem Konzept der dichten Beschreibung folgend, wird den Bildern der Bundesfürsten eine wichtige Rolle in ihrer Inszenierung zugeschrieben und diese in ihren mannigfaltigen Ausführungen näher untersucht. Zunächst sollen dabei die materiell fassbaren Abbilder wie Gemälde, Fotografien und Postkarten im Mittelpunkt des Interesses stehen. Deren Gestaltung wirkte sich jedoch ebenso auf die Images der Bundesfürsten aus, d. h. die „Ganzheit aus Informationen, Vorstellungen und Wertungen“,116 die mit ihnen verknüpft wurden. In einem zweiten Schritt werden diese untersucht. Es ist aufschlussreich, dass der vom Kunsthistoriker Erwin Panofsky etablierte methodische Dreischritt für die Analyse von Kunstwerken schon viel früher das Konzept der dichten Beschreibung beinhaltet. So stehen Kunsthistoriker nicht selten vor ähnlichen Problemen wie Ethnologen, da ihre Quellen ebenfalls nichttextlicher Art sind. Um den Sinngehalt eines Bildes zu entschlüsseln, müsse der Betrachter dies, so Panofsky, zunächst in seinen gesamten Details, also einer dichten Beschreibung, erschließen. Im Anschluss daran müssten diese Beobachtungen einer ikonografischen Analyse unterzogen werden, wozu beispielsweise eine Einordnung des Gemäldes in historische Umstände, technische und künstlerische Möglichkeiten und die Auflösung ikonografischer Symbole gehöre. Erst auf dieser Grundlage könne dann die ikonologische Interpretation erfolgen.117 Da es im Rahmen der bundesfürstlichen Repräsentation aber nicht allein um die Deutung des Bildes an sich gehen kann, ist auf die Semiotik Charles Morris’ zu verweisen, welcher ein Zeichen als etwas definiert, was nur deshalb ein Zeichen ist, „because it is interpreted as a sign of something by some interpreter“.118 Für die Untersuchung der Rezeption von Repräsentation, die hier nicht nur beschränkt auf Bilder bleibt, sondern alle zeichenhaften Handlungen einschließt, bedeutet dies, dass nicht nur Elemente wie Allegorien und Attribute analysiert werden dürfen, sondern dass es zudem einer Reflexion über die Wirkmächtigkeit dieser Zeichen bedarf. So sind Aspekte wie Bildungsgrad, Klassen- und Gruppenzugehörigkeit bei der Analyse der Rezipienten und bei der Frage, ob und wie die jeweilige Inszenierung wirken konnte, mit einzubeziehen.

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Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt/M. 1993, S. 11– 108, hier S. 58, siehe dazu auch Schwengelbeck: Die Politik, 2007, S. 19 f. Andreas Köstler: Das Portrait; Individuum und Image, in: Andreas Köstler/Ernst Seidl (Hrsg.): Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption, Köln 1998, S. 10–14, hier S. 14. Vgl. Panofsky, Ikonographie, 1979. Charles W. Morris: Writings on the General Theory of Signs, Den Haag 1971, S. 20.

2.

Herausforderungen für die Bundesfürsten im langen 19. Jahrhundert

2.1

Legitimität

1918 rief Philipp Scheidemann mit den Worten: „Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen“ die Republik aus. Seitdem hat dieses Diktum des letzten Kriegsjahres lange Zeit den Blick auf die Situation der Monarchie in Deutschland bestimmt und vergessen lassen, dass diese bis 1914 fest etabliert war und dem Lebensgefühl zahlreicher Zeitgenossen entsprach.119 Dabei war dies nicht das erste Mal, dass die Monarchie in Frage gestellt wurde. Bereits seit 1789 und im deutschen Raum insbesondere 1848 war die Monarchie immer wieder Bewährungsproben ausgesetzt. Im Hinblick auf diese dramatischen Ereignisse kommt die Frage auf, wie die Monarchen mit der in Frage gestellten Legitimität ihrer Herrschaft umgingen. Darauf kann die Herrschaftssoziologie Max Webers eine Antwort liefern. Dieser definierte vier Typen der legitimen Herrschaft: erstens die legale Herrschaft, die auf einem geschriebenen Recht gründet; zweitens die traditionelle Herrschaft, die auf althergebrachten Prinzipien und den Glauben daran beruht; drittens die charismatische Herrschaft, die von einer starken Führergestalt und der emotionalen Bindung an diese bestimmt wird;120 und viertens, von Weber später entwickelt, die konsensuale Herrschaft, die auf einer – zumindest in einer offiziellen Lesart – freiwilligen, in ihrer Frühform aber noch nicht demokratischen Zustimmung aller Gesellschaftsmitglieder basiert.121 Der Vorteil der Monarchie gegenüber jeder anderen Staatsform bestand darin, dass sie im Laufe des 19. Jahrhunderts die Fähigkeit entwickelte, sich jeder dieser Legitimationsformen zu bedienen. Hatte die vorrevolutionäre Monarchie hauptsächlich auf der traditionellen Legitimität beruht, führte die Krisenerfahrung von 1789 zu einem Umdenken aufgrund der Erkenntnis, dass der Fortbestand der bestehenden Staats- und Regierungsform mehrerer Säulen bedurfte. Diesbezüglich spielte auch weiterhin die traditionelle Legitimität eine wichtige Rolle. Auf theoretischer Ebene sollte dabei der Verlust des Gottesgnadentums 119 120 121

Vgl. Frank-Lothar Kroll: Geburt der Moderne. Politik, Gesellschaft und Kultur vor dem Ersten Weltkrieg, Bonn 2013, S. 7–22. Vgl. Weber: Die drei, 1988. Vgl. Max Weber: Probleme der Staatssoziologie. Vortrag am 25. Oktober 1917 in Wien, in: Edith Hanke/Thomas Kroll (Hrsg.): Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte, Teilband 4: Herrschaft (= Max Weber Gesamtausgabe; Abt. 1, Bd. 22, Teilbd. 4), S. 752–756, hier S. 755 f.

40

2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

durch das monarchische Prinzip, welches der Rechtsgelehrte Friedrich Julius Stahl konzipiert hatte, kompensiert werden.122 Auf praktischer Ebene dagegen wurde nun die Althergebrachtheit der Monarchie immer wieder vor Augen geführt und als stabilisierendes Moment inszeniert. Diesen Zweck erfüllten in erster Linie erfundene und wiederbelebte Traditionen123 und die im 19. Jahrhundert äußerst erfolgreichen Monarchiejubiläen. Zu diesen Traditionen gehörten dabei die Neuschaffung von Kroninsignien,124 die Förderungen heimatlicher Trachten,125 die Nutzung alter Kutschen,126 Ordensverleihungen und -stiftungen sowie die Stiftungen von Stipendienfonds etc. Zu den Monarchiejubiläen zählten Geburtstags-, Ehe-, Regierungs-, Militär- und Dynastiejubiläen. So konnte etwa das Haus Wittelsbach im Jahre 1880 sein 700-jähriges Regierungsjubiläum feiern, während das Haus Wettin 1889 gar das 800-jährige Regierungsjubiläum beging und damit alle anderen deutschen Dynastien in den Schatten stellte. Auffällig ist dabei, dass diese Jubiläen nur in den seltensten Fällen auf die Fürsten selbst zurückgingen: Meist waren städtische Initiativen dafür verantwortlich, und der Hof bestimmte nur noch die Form dieser Feiern.127 Für die Städte waren dies nicht nur willkommene Gelegenheiten, die eigene Bedeutung zur Schau zu stellen, vielmehr wurde nun durch die rückwirkende mythische Erhöhung des Gründungsereignisses der Dynastie die zurückgelegte Zeitspanne als Fortschritt gedeutet,128 und die Gemeinschaft konnte sich unter dem gemeinsamen Mantel der Monarchie selbst feiern. Wenngleich diese Form der Legitimiätsstiftung an das Herrscherhaus herangetragen wurde,

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Vgl. Friedrich Julius Stahl: Das monarchische Prinzip, Heidelberg 1845, siehe dazu auch: Wilhelm Füßl: Professor in der Politik. Friedrich Julius Stahl (1802–1861). Das monarchische Prinzip und seine Umsetzung in die parlamentarische Praxis, Göttingen 1988; Marc von Knorring: Konservatives Staatsdenken zwischen Beharrung und Wandel. Das „monarchische Prinzip“ bei Carl Ernst Jarcke und Friedrich Julius Stahl, in: Kroll u. a.: Inszenierung oder, 2015, S. 77–94. Vgl. Eric Hobsbawm/Terence Ranger: The invention of tradition, Cambridge u. a. 1983. Siehe dazu auch die Überlegungen von: Benjamin Hasselhorn: Erfindung von Tradition? Viktorianische und wilhelminische Monarchie im Vergleich, in: Kroll u. a.: Hannover – Coburg-Gotha, 2015, S. 277–293, hier S. 291 ff., welcher die implizierte negative, weil politisch-normativ argumentierende Konnotation des Begriffes „erfundene Traditionen“ kritisiert. In Bayern wurden 1806 Kronen für König und Königin geordert, vgl. Heinz Biehn: Die Kronen Europas und ihre Schicksale, Wiesbaden 1957, S. 61, 203 f. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 4. Vgl. David Cannadine: Die Erfindung der britischen Monarchie: 1820–1994, Berlin 1994, S. 11. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 59. Zu Monarchiejubiläen siehe auch Simone Mergen: Entstehung und Entwicklung von Monarchiejubiläen in Sachsen und Bayern im 19. Jahrhundert, in: Müller: Das historische, 2004, S. 219–243; Simone Mergen: Monarchiejubiläen. Die Inszenierung der konstitutionellen Monarchie in den deutschen Einzelstaaten, in: Biefang: Das politische, 2008, S. 343–351. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 14.

2.1 LEGITIMITÄT

41

folgten diesen Jubiläen Hochphasen der regionalen Begeisterung,129 die der Akzeptanz der Bundesfürsten dienten. Zugleich kam bei diesen Massenveranstaltungen dem Volk als Akteur eine bis dahin ungekannte Aufmerksamkeit zu. In den zahlreichen Festumzügen standen die Beteiligten im Mittelpunkt des Interesses, was eine große Nähe zwischen Monarch und Volk suggerierte.130 Hier lassen sich erste Momente der konsensualen Legitimation ausmachen, die zwar nicht demokratisch geprägt waren,131 aber doch der Monarchie eine überparteiliche Identifikationsrolle für alle Gruppen der Gesellschaft zukommen ließen, deren Wirkung sich beispielsweise auch die Sozialdemokratie nicht immer entziehen konnte.132 Auch die legale Legitimation nutzten die Monarchen für sich. Zum einen war ihre Stellung in den Länderverfassungen das erste Mal schriftlich fixiert worden,133 zum anderen schrieb gerade die Reichsverfassung den im Bundesrat vertretenen Bundesfürsten prinzipiell die Souveränität und eine starke Rolle im Verfassungsgefüge des Deutschen Reiches zu, da diesem Gremium weitgehende Legislativund Exekutivrechte zukamen und der als Kaiser fungierende König von Preußen lediglich eine Präsidialfunktion erfüllen sollte. Faktisch nutzte der Bundesrat diese

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Dies lässt sich etwa an Zahl und Impetus sächsischer Schulbücher belegen, die im Zuge des Wettinjubiläums 1889 einen starken Anstieg – allein 19 Bücher bezogen sich direkt auf das Jubiläum – sowie eine starke Konzentration auf die sächsische Geschichte erlebten, vgl. Cathrin Friedrich/Matthias Middell/Ulrike Sommer: Der prachtliebende Kurfürst und sein ränkevoller Rat auf dem falschen Weg für das vielgeliebte Sachsen – Geschichtsbilder in sächsischen Lehrbüchern im 19. und 20. Jahrhundert, in: Hans-Werner Wollersheim/HansMartin Moderow/Cathrin Friedrich (Hrsg.): Die Rolle von Schulbüchern für Identifikationsprozesse in historischer Perspektive, Leipzig 2002, S. 161–214, hier S. 167. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 226. Vgl. Thomas Kroll: Die Monarchie und das Aufkommen der Massendemokratie. Deutschland und Großbritannien im Vergleich (1871–1914), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (2013) 4, S. 311–328, hier S. 321. In seiner vergleichenden Studie zwischen Großbritannien und Deutschland (auf nationaler Ebene), sieht Kroll den Typus der konsensualen Legitimation hauptsächlich in Großbritannien vertreten, wo dieser sich in den inszenierten Jubiläen, Beerdigungs- und Krönungsriten zeigte, die ein monarchisches „Meisterstück der Symbolpolitik“ gewesen seien. Der politisch neutral auftretenden Monarchie, welche durch solche Ereignisse die Massen emotional an sich binden und damit die traditionelle Gesellschaftsordnung bewahren sollte, kam dabei allerdings die Funktion eines „antidemokratische[n] Schutzschirm[es]“ zu, S. 321 f. In dieser Strategie, welche die nationale Monarchie in Deutschland so nicht vertrat, sieht Kroll auch einen Grund für den Weiterbestand der britischen Monarchie, S. 327 f. Vgl. Kapitel 5.1. Durchaus gab es auch sozialdemokratische Vertreter, die etwa für eine würdige Ausgestaltung eines königlichen Besuchs auf Kosten der Gemeindekassen votierten, vgl. Sächsische Arbeiterzeitung Nr. 194, 23.08.1905; des Weiteren siehe dazu Marina Cattaruzza: Das Kaiserbild in der Arbeiterschaft am Beispiel der Werftarbeiter in Hamburg und Stettin, in: John C. G. Röhl (Hrsg.): Der Ort Kaiser Wilhelms II. in der deutschen Geschichte, München 1991, S. 131–144. Vgl. Kapitel 2.2.

42

2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Machtfülle jedoch nie aus und wurde dann spätestens unter Wilhelm II. in seiner symbolischen Rolle als Verkörperung der Reichseinheit abgelöst.134 Ob der charismatische Legitimationstyp zur Geltung kam, hing wiederum vom jeweiligen Individuum ab. Am aussichtsreichsten in dieser Hinsicht war sicherlich Wilhelm II., weshalb die Bundesfürsten, die auf diese Weise erfolgreich werden wollten, gut beraten waren, gerade nicht dem Deutschen Kaiser nachzueifern, sondern vielmehr Kontrastpunkte zu diesem zu setzen. Diesbezüglich kam es weniger auf ein ausgearbeitetes Popularitätskonzept, sondern eher auf individuelle Charakterzüge und Eigenheiten an. Unbestreitbar verstanden es beispielsweise Prinzregent Luitpold (1821–1912) – nach dem in Bayern eine ganze Epoche benannt wurde –, der volkstümliche, Anekdoten anregende Friedrich August III. (1865– 1932) von Sachsen, der Jugendstil fördernde Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein und der sich als nationaler Fürst propagierende Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha (1818–1893), auf diesem Gebiet eigene Akzente zu setzen. Zwar entsprachen diese Bundesfürsten sicherlich nicht vollständig dem Idealtypus des charismatischen Herrschers, den Max Weber bei seiner Definition vor Augen hatte – trotz allem waren diese Souveräne in ihren Ländern Sympathieträger und damit förderlich für den Bestand der Monarchie.

2.2

Konstitutionalismus und Entwicklung der bundesfürstlichen Souveränität

Um 1850 war die Stellung der Monarchen in allen hier untersuchten Ländern durch eine Verfassung gebunden. In Bayern war es ausgehend von den Reformen Montgelas’ 1808 zur Verabschiedung der Bayerischen Konstitution gekommen, welche die Freiheits- und Gleichheitsrechte gewährte und den König als Staatsorgan definierte. Die Herrschaftsrechte wurden ebenso wie die fürstlichen Kammergüter verstaatlicht, was auch den Besitz des Hauses Wittelsbach schmälerte. Zudem bedurften die königlichen Regierungsakte nun der Gegenzeichnung eines Ministers.135 1818 erließ Maximilian I. Joseph (1756–1825) eine Verfassung, die im Gegensatz zur Konstitution von 1808 auch die Frage einer Volksvertretung regelte, indem sie eine Zweite Kammer schuf, deren Wahlrecht nach Zensus und

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Vgl. Kroll: Geburt der, 2013, S. 22 f. Vgl. Eberhard Weis: Das neue Bayern – Max I. Joseph, Montgelas und die Entstehung und Ausgestaltung des Königreichs 1799 bis 1825, in: Hubert Glaser (Hrsg.): Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat, München 1980, S. 49–65, hier S. 57.

2.2 KONSTITUTIONALISMUS UND ENTWICKLUNG DER BUNDESFÜRSTLICHEN SOUVERÄNITÄT 43

Berufsgruppen eingeschränkt war. Dies wurde 1848 aufgehoben, indem jeder steuerzahlende männliche Bürger ab 21 Jahren das passive Wahlrecht erhielt.136 In der Folgezeit kam es jedoch immer wieder zu erheblichen Einschränkungen des Wahlrechtes, sodass 1912 der Anteil der Wahlberechtigten 20 % unter der Zahl der Reichstagswähler lag.137 Nach der Verfassung hatte der König weiterhin das Recht der Ministerernennung, deren Einfluss dabei unter den jeweiligen Regenten unterschiedlich ausfiel. Da Ludwig I. fast alle Beschlüsse allein fasste und diese von seinem Kabinettssekretär zu Regierungsmaßnahmen ausarbeiten ließ, wurde der Ministerrat dadurch zum ausführenden Organ herabgestuft. Unter Maximilian II. bekamen die Minister dagegen wieder mehr Einfluss. Im letzten Regierungsjahr des Prinzregenten Luitpold 1912 endete dann mit der Berufung Georg Freiherr von Hertlings die liberale Tradition der Beamtenminister. Hertling war Vorsitzender der Zentrumsfraktion im Reichstag und bekam in einem beispiellosen Vorgang von Luitpold das Recht zugesprochen, den Ministerrat selbst zusammenzustellen. Da Hertling nicht aus dem bayerischen Landtag hervorgegangen war, wurde zwar der Anschein gewahrt, dass der Prinzregent den entscheidenden Einfluss auf die Regierung hatte,138 die Berufung eines Vertreters der bayerischen Mehrheitsfraktion deutete aber auf eine langsam voranschreitende Parlamentarisierung Bayerns hin.139 In Sachsen war es erst 1831 zur Verabschiedung einer Verfassung gekommen, die ein Zweikammerparlament vorsah.140 Die Bedeutung dieses Landtages blieb allerdings bis 1918 gering, da ihm weder Regierungsgewalt noch Kontrollmöglichkeiten zukamen. Lediglich Wünsche, Petitionen und Anfragen konnten an Regierung und König gerichtet werden. Der König behielt bis 1918 das formelle Entscheidungsrecht als Chef der Exekutive, was in etwa dem Amt eines Ministerpräsidenten entsprach, für welches es in Sachsen kein Pendant gab – einer der Minister hatte lediglich den Vorsitz im Gesamtministerium. Die Richtlinien der Politik bestimmte nach wie vor der König, welcher auch die Minister berief und absetzte. Jedoch fand sich unter den Wettinern des 19. und 20. Jahrhunderts kein 136

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Zu Bayern im Vormärz und der Revolution 1848 siehe auch Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2 Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850, Stuttgart, 3. Aufl., 1988, S. 436–439, 505 ff. So musste etwa ab 1881 die geforderte Steuer mindestens sechs Monaten gezahlt worden sein und schloss Personen aus, die ein Jahr vor der Wahl öffentliche Armenunterstützung bezogen hatten, seit 1874 waren infolge des Reichsmilitärgesetzes alle zum aktiven Militär gehörigen Personen vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen, 1906 wurde das Wahlalter von 21 auf 25 angehoben, siehe Gerhard A. Ritter/Merith Niehuss: Wahlgeschichtliches Arbeitsbuch, München 1980, S. 151 f. Vgl. Andrian-Werburg, Klaus Freiherr von: Das Königreich Bayern 1808–1918, in: Schwabe: Die Regierungen, 1983, S. 49–61, siehe auch Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 Bismarck und das Reich, Stuttgart, 3. Aufl., 1988, S. 183–186. Siehe zur Berufung Hertlings auch Stefan März: Das Haus Wittelsbach im Ersten Weltkrieg. Chance und Zusammenbruch monarchischer Herrschaft, Regensburg 2013, S. 44. Siehe dazu: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 2, 1988, S. 76–83.

44

2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Monarch von staatsmännischem Format, der tatsächlich konsequent nach eigenen Zielen und Vorstellungen regierte. Vielmehr gab der König eine konservative Grundrichtung vor, deren Ausgestaltung den Ministern überblieb. Wie wenig ausgeprägt die politischen Ambitionen der sächsischen Könige waren, ist beispielsweise daran ersichtlich, dass der hauptsächlich an Militaria interessierte König Albert bei seinem Regierungsantritt 1873 das Kabinett seines Vaters unverändert übernahm.141 Auch in Sachsen beschnitt das Wahlrecht die politische Partizipation des Volkes: Die ursprüngliche Regelung von 1831 war indirekt, an Einkommen gebunden und gliederte sich nach verschiedenen Verdienstgruppen. Dies wurde 1848 kurzzeitig durch ein liberales Wahlrecht, welches auch Parteien zuließ, abgelöst, bis 1850 per Staatsstreich wieder die ehemalige Regelung durchgesetzt wurde.142 Nach der Niederlage Sachsens 1866 gegen Preußen und den Beitritt zum Norddeutschen Bund galt seit 1868 ein Zensuswahlrecht, welches abermals Parteien erlaubte. Da aufgrund der sozialen Umwälzungen infolge der industriellen Revolution immer häufiger sozialdemokratische Abgeordnete ins Unterhaus einzogen, wurde als Gegenmaßnahme 1896 ein restriktives Zensuswahlrecht erlassen – eine seit der Reichsgründung beispiellose Verschlechterung innerhalb der deutschen Staaten. Aufgrund massiver Proteste und der Diskrepanz zum direkten, allgemeinen und gleichen Reichstagswahlrecht wurde dieses Wahlrecht 1909 zum letzten Mal zugunsten eines komplizierten Pluralwahlrechtes, das sich nach Einkommen, Besitz, Vorbildung und Alter richtete, abgelöst.143 In Hessen hatte sich durch zahlreiche Territorialveränderungen während des frühen 19. Jahrhunderts das Staatsgebiet fast verdoppelt, sodass auch hier, ähnlich wie in Bayern, eine Verwaltungsreform notwendig geworden war. Die in der Folge dort verabschiedeten Konstitutionen waren wichtige Schritte hin zu einer Integration und Vereinheitlichung der Landesteile. 1820 wurde die Verfassung des Großherzogtums erlassen, welche den Großherzog als „Oberhaupt des Staates“, der alle „Rechte der Staatsgewalt“ in sich vereinigte, festschrieb. In der Folge bildeten sich aus dem ehemaligen Gesamtministerium die Fachministerien (Inneres und Justiz, Auswärtige Angelegenheiten, Finanzen und Krieg) heraus, deren Minister vom Großherzog ernannt wurden und die dessen „unmittelbaren Befehlen“

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Vgl. Karlheinz Blaschke: Das Königreich Sachsen 1815–1918, in: Schwabe: Die Regierungen, 1983, S. 81–102, hier S. 84 ff., 98. Zu König Albert von Sachsen liegt bis heute keine wissenschaftliche Biografie vor, was hauptsächlich auch auf die im Zweiten Weltkrieg vernichteten Akten zurückzuführen ist; einführend Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 155–178; Sönke Neitzel: Albert (1873–1902), in: Kroll: Die Herrscher, 2004, S. 279–289. Zu Sachsen im Vormärz, der Revolution 1848 und dem Dresdner Maiaufstand 1849 siehe auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 2, 1988, S. 526–529, 865–868. Zu den Geschehnissen der Reaktion siehe Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 3, 1988, S. 204–208. Vgl. Blaschke: Das Königreich, 1983, S. 98 f., siehe zum sächsischen Wahlrecht auch Ritter u. a.: Wahlgeschichtliches Arbeitsbuch, 1980, S. 163–171.

2.2 KONSTITUTIONALISMUS UND ENTWICKLUNG DER BUNDESFÜRSTLICHEN SOUVERÄNITÄT 45

unterstanden. Dabei blieb die Ernennung der Ministerriege bis auf wenige Ausnahmen gänzlich unbeeinflusst von der politischen Willensbildung der Wahlberechtigten, was auf einen nach wie vor großen Einfluss des Großherzoges verweist.144 Infolge wirtschaftlicher Probleme 1846/47 erlangte die 1830 mehr oder weniger unterdrückte liberale Opposition abermals Aufwind, sodass Heinrich von Gagern und Theodor Reh ihre Landtagssitze zurückgewannen. Letzterer forderte im März 1848 den „Wechsel des bisherigen mit den Wünschen und Forderungen des hessischen Volkes nicht im Einklang stehenden Regierungssystems“, jedoch nicht die Abschaffung der Monarchie. Ludwig III. (1806–1877) wurde im März zum Mitregenten seines Vaters, der kurz darauf verstarb, ernannt. Die Annahme der Märzforderungen vermochte die Monarchie in Hessen zu bewahren.145 Auf die nach 1849 erfolgende konservative Phase, in der kurzzeitig ein Dreiklassenwahlrecht zur Abwehr demokratischer Kräfte eingeführt wurde, erfolgte 1862 wiederum eine Stärkung der Liberalen, welche sich mit dem Regierungsantritt Ludwigs IV. (1837–1892) 1877 stabilisierte.146 Dass es zwischen der politischen Gesinnung der Minister, den beiden letzten Großherzögen, Ludwig IV. und Ernst Ludwig, und der nationalliberalen Landtagsmehrheit große Schnittmengen gab, war eher der progressiveren Einstellung der hessischen Monarchen denn einer erzwungenen Anpassung an die politische Lage geschuldet.147 In Sachsen-Coburg und Gotha verlief die konstitutionelle Entwicklung aufgrund der weiterhin bestehenden Trennung komplizierter. Während für Coburg 1821 eine recht fortschrittliche Verfassung erlassen worden war – die der damalige Herzog Ernst I. (1784–1844) meist zu umgehen versuchte –, galt für Gotha bei der Regierungsübernahme 1826 mit der Ständeverordnung von 1653/66 noch immer eine Feudalverfassung. Daran änderte zunächst auch der Regierungswechsel 1844 zu Ernst II. nichts. Dieser war zwar wesentlich liberaler eingestellt als sein Vater, scheute letztlich aber doch die Auseinandersetzung mit dem seine Vorrechte bedroht sehenden, alten gothaischen Adel.148 Erst als Anfang März 1848 die Gothaer Bürger vermehrt eine Gleichstellung mit dem Coburger Landesteil forderten, gewährte der Herzog die Ausarbeitung einer Repräsentativverfassung und die Pressefreiheit. Das am 26. März 1849 verabschiedete Staatsgrundgesetz sicherte den Untertanen zahlreiche demokratische Grundrechte zu. Dazu gehörten u. a. die Gleichberechtigung aller ohne Unterschied des Standes, die Aufhebung der feudalen Abgaben, die Religionsfreiheit sowie die Presse- und Versammlungsfreiheit. 144 145 146 147 148

Vgl. Eckart G. Franz: Hessen-Darmstadt 1820–1935, in: Schwabe: Die Regierungen, 1983, S. 103–112, hier S. 104 ff. Vgl. Eckhart G. Franz: Das Haus Hessen. Eine europäische Familie, Stuttgart 2005, S. 144, siehe auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 2, 1988, S. 514 ff. Vgl. Franz: Das Haus, 2005, S. 147–150. Vgl. Franz: Hessen-Darmstadt 1820–1935, 1983, S. 108. Vgl. Siegert, Das Staatsgrundgesetz, 1993, S. 141 f. Den vermeintlichen Liberalismus Ernst II. bewertet kritisch Elisabeth Scheeben: Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha: Studien zu Biographie und Weltbild eines liberalen deutschen Bundesfürsten in der Reichsgründungszeit, Frankfurt/M. u. a. 1987, S. 79.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Dass Letztere auch für ausländische Untertanen galt, machte Gotha später zu einem Hauptversammlungsort der frühen Sozialdemokratie.149 Das Wahlrecht galt für Männer ab 25 Jahren, war allgemein und gleich, aber indirekt.150 Man hatte sich sogar auf den Kompromiss geeinigt, dass „die gesetzgebende Gewalt vom Herzog und den Vertretern des Volkes“ ausging.151 Solche Formulierungen machten die Verfassung zu einer der „freisinnigste[n] in ganz Deutschland“.152 1852 wurde diese Fassung jedoch zurückgenommen, weil nun ein Staatsgrundgesetz verabschiedet wurde, das für beide Landesteile gleichermaßen gelten sollte. Nunmehr war wieder allein der Herzog das Oberhaupt des Staates, und auch der 1849 gestrichene Schwur auf diesen (neben dem auf die Verfassung) wurde wieder eingeführt. Gleiches galt für das Wiederinkrafttreten des Vetorechtes des Herzogs auf Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, das 1849 begrenzt worden war. Proteste gegen diese Schmälerungen demokratischer Errungenschaften und die Rückkehr zur konstitutionellen Monarchie gab es 1852 dagegen kaum.153 Immerhin war weiterhin eine Verantwortlichkeit der vom Herzog eingesetzten Minister gegenüber dem Landtag vorgesehen.154 Größerer Unmut bezüglich der 1852 erfolgten Einschränkungen blieb wahrscheinlich auch deshalb aus, weil das coburg-gothaische Staatsgrundgesetz bis 1918 die „fortschrittlichste Verfassung in Deutschland“ blieb.155 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die konstitutionellen Entwicklungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Monarchen zwar in ihrer Souveränität einschränkten, es aber auch in keinem der Länder einen extremen, frühneuzeitlichen Absolutismus gegeben hatte, der dazu in krassem Kontrast stand. Im Falle von Bayern und mit kurzer Verzögerung auch Hessen wurden diese Länder erst durch Mediatisierung und Säkularisierung in dieser Form konstituiert, sodass Ausdehnung des Machtbereichs und Einschränkung der Souveränität für die dortigen Monarchen parallele Entwicklungen darstellten und es daher fraglich ist, ob die Einschnitte für die dortigen Regenten tatsächlich auch als solche erlebt wurden. In Sachsen hatte es nie einen Hochabsolutismus gegeben156 – hier wirkte die Halbierung des Staatsgebietes durch den Wiener Kongress 1815 weitaus traumatisierender. Insgesamt entsprach die Verfassungsentwicklung und die Einschränkung der politischen Macht der Monarchen viel eher einer longue durée, sodass insbesondere bei der jüngeren Generation der Bundesfürsten die Akzeptanz der politischen Realität vorherrschend war. Letztlich gelang es am Ende ihrer Regierungszeiten allen

149 150 151 152 153 154 155 156

Vgl. Siegert, Das Staatsgrundgesetz, 1993, S. 148 ff. Vgl. Thomas Nicklas: Das Haus Sachsen-Coburg. Europas späte Dynastie, Stuttgart 2003, S. 168. Siegert, Das Staatsgrundgesetz, 1993, S. 145. Ebd., S. 150. Vgl. ebd., S. 151. Vgl. Facius: Die thüringischen, 1983, S. 69. Siegert, Das Staatsgrundgesetz, 1993, S. 152. Vgl. Blaschke: Das Königreich, 1983, S. 82.

2.3 ZUM VERHÄLTNIS VON REICH, PREUßEN UND REGIONEN

47

hier untersuchten Fürsten, dem Anspruch, einer konstitutionellen und repräsentativen Regierung vorzustehen, gerecht zu werden.157

2.3

Zum Verhältnis von Reich, Preußen und Regionen

Der seit der Auflösung des Alten Reiches schwelende Konflikt um die deutsche Einigung wurde nach 1848 akuter. Die militärische Lösung in den Jahren 1866 bis 1871 sollte sich maßgeblich auf die Stellung der Bundesfürsten auswirken. Da Bayern, Sachsen und Hessen ihren Bündnispflichten nachkamen und 1866 gegen Preußen in den Krieg zogen, war das Ende ihrer staatlichen Souveränität eingeläutet. Durch den Beitritt zum Norddeutschen Bund, den Sachsen, der Nordteil von Hessen sowie Sachsen-Coburg und Gotha 1866 leisteten, und durch die geheimen Schutz-und-Trutzbündnisse,158 welche die Reichseinigung vorwegnahmen, gaben alle Länder den militärischen Oberbefehl im Kriegsfall an Preußen ab. Die Aufgabe der außenpolitischen Souveränität erfolgte für Sachsen, Sachsen-Coburg und Gotha und den nördlich des Mains gelegenen Teil Hessens bereits mit der Verabschiedung der Verfassung des föderativen Bundesstaates, den der Norddeutsche Bund 1867 bildete, für Bayern und den Südteil Hessens durch Beitrittsverträge im Zuge des Krieges 1870.159 Zwar wurde der Verlust der Souveränität durchaus als hart empfunden. Der hessische Großherzog Ludwig III. schrieb beispielsweise 1871 an seinen Ministerpräsidenten Dalwigk, er müsse sich „in eine neue Ära finden, die mir so entsetzlich zuwider ist“.160 Auch sein Nachfolger Ludwig (IV.) empfand ähnlich. So schrieb dessen Frau Alice, Ludwig, „welcher doch so einsichtsvoll und vernünftig ist, sagt, dass er im Besitze besonderer Rechte aufgewachsen ist, welche uns seit Jahrhunderten zustanden, und spürt es, dass sie niemals auf ihn übergehen werden“.161 Langfristig ist der Souveränitätsverlust jedoch differenzierter zu bewerten. Zum einen war die direkte politische Macht der Monarchen zuvor schon durch konstitutionelle Entwicklungen eingeschränkt worden,162 zum anderen wurde gerade im Laufe des Krieges 1870 und der darauf folgenden Reichsgründung immer wieder betont, dass die Reichseinheit ein Werk der Fürsten sei, die durch ihren Weiterbestand auch für die Existenz des Reiches bürgen würden. 157 158 159 160 161 162

Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 95. Vgl. Ernst Rudolf Huber: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2, 3. Aufl., 1986, S. 287–289. Vgl. Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16.04.1867, ebd., S. 272–285 und die Beitritte der süddeutschen Staaten, S. 326–338. Zitiert nach Franz: Das Haus, 2005, S. 157. Alice an Königin Victoria, 15.01.1867, zitiert nach Alice, Mittheilungen, 1883, S. 178 (Diese Briefstelle findet sich nur in der deutschen Ausgabe). Vgl. Kapitel 2.2.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Da der Krieg von 1866 nicht überraschend kam, sondern sich ein preußisches Aufbegehren etwa schon mit dem durch die preußische Absage gescheiterten Fürstentag 1863 in Frankfurt angekündigt hatte, waren zu Beginn der 1860er-Jahre viele idealistische Konzepte der kleineren Fürsten schon dem Alltag der Realpolitik gewichen. Hatte etwa Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha nach seiner Regierungsübernahme sogar noch selbst von der deutschen Kaiserkrone geträumt, wurden diese Gedankenspiele nach dem Regierungsantritt Otto von Bismarcks (1815– 1898) zugunsten einer Akzeptanz der preußischen Dominanz beendet.163 Ebenso sah der hessische Prinz und spätere Großherzog Ludwig IV. im Gegensatz zu seinem regierenden Onkel eine Zusammenarbeit mit Preußen als unvermeidlich an.164 In Sachsen war man dagegen einer Absetzung durch Preußen nur knapp entgangen, letztlich änderte sich am tatsächlich ausgeübten politischen Einfluss der Könige jedoch nur wenig.165 Als Ausnahme muss allerdings der bayerische König Ludwig II. (1845–1886) genannt werden, der schon 1866 in einem Brief an Richard Wagner seine Abdankungsabsicht im Falle einer preußischen Vormacht anklingen ließ: „Gott gebe, daß Bayerns Selbständigkeit gewahrt werden kann; wenn nicht, wenn die Vertretung nach Außen verloren geht, wenn Wir unter Preußens Hegemonie zu stehen kommen, dann fort, ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein.“166 Folglich konnte er den Verlust der Souveränität des Hauses Wittelsbach nie verwinden und nahm dies zum Anlass, sich nun vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.167 Auch bezüglich außenpolitischer Interessen muss die 163 164

165

166 167

Vgl. Nicklas: Das Haus, 2003, S. 174 f., 188. 1861 hatte es eine Militärkonvention mit Preußen gegeben, vgl. Scheeben, Ernst II., 1987, S. 123. Dies belegen die Briefe seiner Frau Alice an ihre Mutter Victoria von Großbritannien. Bereits am 27.07.1866 schrieb Alice, dass ihr Mann sie gebeten habe, auf den Großherzog Ludwig III. einzuwirken, dass dieser die preußischen Friedensbedingungen annehmen solle. 1867 kam es dann wieder zum Konflikt zwischen dem antipreußisch eingestellten Großherzog und seinem späteren, realpolitisch agierenden Nachfolger Ludwig IV. In den Briefen vom 13., 16. und 19.05.1867 schilderte Alice die Versuche der hessischen Regierung, die preußischen Bedingungen zu missachten und das daraufhin erfolgte Entlassungsgesuch ihres Mannes Ludwig (IV.) Erst die in Aussicht gestellte Abreise nach England konnte den Konflikt zugunsten der Forderungen Ludwigs beenden. Dass das Thronfolgerpaar um eine Aussöhnung mit Preußen bemüht war, zeigt auch der Umstand, dass bei der Geburt des Thronfolgers Ernst Ludwig 1868 bezeichnenderweise der preußische König Wilhelm I. als Pate gewählt wurde, vgl. Alice, Mittheilungen, 1883, S. 149, 184 ff., 207. Siehe dazu Frieden von Prag, 23.08.1866, Artikel VI, Huber, Dokumente Bd. 2, 1986, S. 251; James Retallack: „To my loyal Saxons“. King Johann in Exile, 1866, in: Philip Mansel/Torsten Riotte (Hrsg.): Monarchy and exile. The politics of legitimacy from Marie de Médicis to Wilhelm II, Basingstoke 2011, S. 279–304. Ludwig II. an Richard Wagner, 18.07.1866, zitiert nach Ludwig II. und Richard Wagner: Briefwechsel, Bd. 2, Karlsruhe 1936, S. 73. Vgl. Christof Botzenhart: Die Regierungstätigkeit König Ludwigs II. von Bayern. „Ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein“, München 2004, S. 198 f. Ludwig äußerte seine Verzweiflung auch immer wieder gegenüber Vertrauten. So schrieb er etwa an Therese Freifrau von Gasser: „Wehe, daß gerade ich zu solcher Zeit König sein mußte, selbst genötigt war und gerade im bayerischen Interesse, jene schmerzlichen Opfer zu bringen. […] Ich

2.3 ZUM VERHÄLTNIS VON REICH, PREUßEN UND REGIONEN

49

Reichseinigung mithin als Zäsur für die Relevanz der Bundesfürsten gelten, wenngleich ihr außenpolitisches Handeln bereits zuvor nur noch von geringer Reichweite war und sich hauptsächlich innerhalb des Bundesverbandes bewegte. Der Fortbestand der bundesfürstlichen Häuser nach 1871 hatte dabei mehrere Gründe: Zum einen wäre ohne die Zustimmung der Bundesfürsten und die Mithilfe im Deutsch-Französischen Krieg die Reichseinigung nicht möglich gewesen, zum anderen sollte aber die weitere Existenz der Bundesfürsten helfen, den Bruch mit der Vergangenheit zu mildern, indem sie als Verbindungselemente zwischen Vergangenheit und Zukunft agierten. Zudem besaßen alle Länder bereits Verfassungen, Parlamente und gut ausgebaute Verwaltungsinstanzen. Deren Beibehalten führte dazu, dass die Länder auch noch nach 1871 ein hohes Maß an Selbstverwaltung hatten,168 welches, kombiniert mit individuellen Wahlrechten, weiterhin die föderale Struktur des Kaiserreiches stärkte.169 Als oberste Repräsentanten dieses föderalen Systems konnten die Bundesfürsten weiterhin agieren, ohne dabei zu sehr in Konkurrenz zum Kaiser zu stehen.170 Dass die gewohnte Bindung zwischen Untertanen und Landesherren 1866/71 in den meisten Fällen nicht aufgebrochen wurde, führte eher zu einer Stärkung des monarchischen Prinzips denn seiner Infragestellung und sorgte dadurch für die gleichbleibende Akzeptanz monarchischer Herrschaft in der Bevölkerung. Die Länder, die Preußen 1866 ihrer Eigenstaatlichkeit und Monarchien beraubte, wie Hannover,171 Kurhessen und Nassau erlebten Zeiten starker antipreußischer Ressentiments, die eher zum Festhalten an der alten Dynastie, denn zur Akzeptanz des preußischen Königs beitrugen.172 Dass der Regionalismus nach der Reichsgründung nicht automatisch überall in einen Nationalismus überging, hatte auch historische Gründe. Erst in den Einigungskriegen gegen Napoleon wurde das zuvor nur theoretisch geprägte Konzept

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172

habe seit dem Abschluß jener unseligen Verträge selten frohe Stunden, bin traurig und verstimmt, was bei allem, was ich durch die politischen Vorkommnisse zu dulden und zu leiden habe, nicht anders sein kann.“, zitiert nach Rupert Hacker: Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1966, S. 197. Dies traf insbesondere für die größeren Territorialstaaten zu, wie Bayern, Sachsen und Hessen, die beispielsweise weiterhin eigene Gesandtschaften unterhielten. Vgl. Langewiesche: Die Monarchie, 2013, S. 14, 18 f. Siehe zur „Legende vom Reich als ‚Fürstenbund‘“ Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. 3, 1988, S. 788 f., der auf den Widerspruch zwischen der verfassungsmäßigen obersten Stellung der Bundesfürsten im Bundesrat und dem nationalunitarischen Charakter der restlichen Verfassung hinweist. In Hannover hielten bis 1918 besonders die Schichten des alten Adels, die lutherischen Pastoren und die ländliche Bevölkerung die Loyalität zum welfischen Herrscherhaus aufrecht, welches eine wichtige Stütze der regionalen Identität und erwünschten Eigenständigkeit blieb, vgl. Dieter Brosius: Das „angestammte Herrscherhaus“. Welfische Traditionspflege nach der preußischen Annexion Hannovers 1866, in: Biskup u. a.: Das Erbe, 2008, S. 59–74, hier S. 63. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 58, 316.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

der Nation für den Einzelnen konkret erfahrbar und Forderungen nach einer Nationalstaatsgründung wurden laut. Diese wurden jedoch im Laufe des Wiener Kongresses enttäuscht; mit der Gründung des Deutschen Bundes 1815 kam es statt zu einem weiteren Aufschwung des nationalen Gedankengutes vielmehr zu einer Resignation der Verfechter der nationalen Idee. Ein breitenwirksames nationales Bewusstsein konnte sich auf diese Art weiterhin nicht durchsetzen. Begünstigt durch die regionalen Verfassungsgebungen kam es zudem zu einem Wiedererstarken des Regionalismus und der auch von monarchischer Seite geförderten Herausbildung regionaler Nationalgefühle, etwa durch Museen,173 die Förderung des Schulunterrichts, Monumente und Feste.174 Zwar gab es in der Zeit des Vormärz immer wieder nationale Bestrebungen, wie sie beispielsweise im Hambacher Fest von 1832 ihren Ausdruck fanden, allerdings führte die Enttäuschung über die nicht zu verwirklichenden Ziele viele politisch Engagierte ins Exil oder die Emigration. Dagegen wurde die individuell verlaufene konstitutionelle und kulturelle Entwicklung der Länder stets gepflegt und betont. So gab es beispielsweise um 1850 60 Vereine, die sich der lokalen und regionalen Geschichtsforschung verschrieben hatten, währenddessen es keinen einzigen gab, der sich der gesamtdeutschen Geschichte widmete.175 Die Gründung des Kaiserreiches und die damit einhergehende Einigung des Landes brachte zwar eine Hochphase für nationale Strömungen. Aber auch diese speisten sich eher aus der Freude über den gemeinsamen Sieg über den Erzfeind Frankreich denn aus der darauf folgenden Einigung. Michael B. Klein kommt in seiner Studie zu Identitätsstrukturen im Deutschen Kaiserreich beispielsweise zu dem Ergebnis, dass auch von 1871 bis 1914 regional-partikulare Strömungen stärker waren als nationale. Bei der Untersuchung der sogenannten Nationaldenkmäler stellt er fest, dass das Ziel der nationalen Integration im Kaiserreich letztlich verfehlt wurde und das regionale Bewusstsein das dominierende blieb. Dies zeige sich nicht nur in der Ausgestaltung der Denkmalsfeiern, sondern darüber hinaus auch im regionalen und städtischen Konkurrenzkampf. Gerade auch für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung war der Bezugsraum Region, erinnert sei etwa an Sachsen oder das Ruhrgebiet, stets wichtiger als das Reich.176 Auch die Untersuchungen zur Vergabepraxis von Vornamen177 und der Gestaltung von Schulbüchern kommt zu dem Ergebnis, dass regionale Identitäten weiter gepflegt wurden. 173 174 175 176

177

Vgl. Constanze Breuer/Bärbel Holtz/Paul Kahl: Die Musealisierung der Nation: Ein kulturpolitisches Gestaltungsmodell des 19. Jahrhunderts, Berlin, Boston 2015. Vgl. Klein: Zwischen Reich, 2005, S. 339–344; Green: Fatherlands, 2001, S. 98, 112. Vgl. ebd., S. 103. Vgl. Klein: Zwischen Reich, 2005, S. 11–59. Zur Verbreitung von sogenannten Nationaldenkmälern siehe auch Reinhard Alings: Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal. Zum Verhältnis von Nation und Staat im deutschen Kaiserreich 1871–1918, Berlin u. a. 1996, S. 79–82, der ebenfalls belegen kann, dass weit mehr solcher Denkmäler in Preußen als im restlichen Reichsgebiet errichtet wurden. So kann Wolffsohn zeigen, dass der auf ein Nationalbewusstsein hindeutende Kaisername Wilhelm eineinhalb Jahrzehnte nach Antritt Wilhelms II. 1888 gesamtdeutsch zurückging,

2.3 ZUM VERHÄLTNIS VON REICH, PREUßEN UND REGIONEN

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In sächsischen Schulbüchern war zwar nach 1871 der sächsische Patriotismus bei der Behandlung entsprechender Themen häufiger national-deutsch gefärbt, blieb aber nach wie vor erhalten.178 Auch in bayerischen und württembergischen Schulbüchern wurde kaum auf den Einfluss Preußens bei der Reichseinigung eingegangen, sondern vielmehr die militärische Rolle der jeweiligen Staaten im Krieg gegen Frankreich und die Rolle der Bundesfürsten bei der Einigung betont.179 Da die Schulbildung im Reich von den Ländern geregelt wurde, bot sich diese besonders für eine Behauptung der Rolle der Bundesfürsten an, welche dadurch auch an nach der Reichseinigung geborene Generationen vermittelt werden sollte. Neben diesen maßgeblich „von oben“, d. h. seitens der jeweiligen Regierungen bestärkten regionalen Identitäten, Eigenheiten und Gebräuche gab es zudem um 1900 auch eine gegen die Modernisierung und beginnende Internationalisierung gerichtete (Wieder-)Entdeckung der Heimat. Begünstigt durch die zunehmende Mobilität bzw. Reisetätigkeit vieler Menschen wurde die eigene Herkunftsregion erstmals als individuell, einmalig und damit auch bewunderungswürdig und schutzbedürftig wahrgenommen. Waren beispielsweise die Berge des Hochgebirges für ihre Anwohner jahrhundertelang eher eine Quelle der Gefahr, wurden diese plötzlich, vermittelt durch städtische Reisende, als erhabene Natur wahrgenommen, die nicht zuletzt touristisches Kapital versprach.180 Um diese regionalen Naturräume zu erhalten, gründete sich um 1900 die Heimatschutzbewegung, welche sich nicht nur der Bewahrung der Natur, sondern auch dem Schutz der deutschen Kultur vor fremden Einflüssen verschrieb.181 Trotz der im 19. Jahrhundert durch die verbesserten Verkehrsbedingungen zunehmenden Erweiterung der Erfahrungsräume blieb die Gebundenheit der Menschen in einer recht begrenzten Umwelt bestehen. Für die fortbestehende Geltung

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sich in München etwa mit der Verbreitung des Königsnamen Ludwig die Waage hielt und erst mit dem Kriegsjahr 1914 wieder signifikant anstieg, vgl. Michael Wolffsohn/Thomas Brechenmacher: Die Deutschen und ihre Vornamen: 200 Jahre Politik und öffentliche Meinung, München u. a. 1999, S. 190 f., 207. Besonders sticht dabei die Gliederung des Stoffes im Typ der Regentengeschichte hervor, der im Bereich der Schulbücher noch das gesamte 19. Jahrhundert vorherrschte: Historische Entwicklungen wurden innerhalb der Lebensabschnitte eines Königs vermittelt, sodass diesem der maßgebliche Einfluss auf jene unterstellt oder eindeutig zugeschrieben wurde, wodurch es zu einer weiteren Bedeutungssteigerung der Bundesfürsten für ihre Region kam, vgl. Friedrich u. a.: Der prachtliebende, 2002, S. 167, 174 f., 209. Vgl. Katharine D. Kennedy: Regionalism and Nationalism in South German History Lessons, 1871–1914, in: German Studies Review 12 (1989) 1, S. 11–33. Vgl. Verena Schmitt-Roschmann: Heimat: Neuentdeckung eines verpönten Gefühls, Gütersloh 2010, S. 64 f. Vgl. zur Heimatbewegung etwa Willi Oberkrome: „Deutsche Heimat“. Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900–1960), Paderborn 2004; Gunther Gebhard/Oliver Geisler/Steffen Schröter: Heimatdenken. Konjunkturen und Konturen. Statt einer Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Heimat: Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts, Bielefeld 2007, S. 9–56.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

der Bundesfürsten wirkte sich diese Begrenztheit positiv aus. Familie, Nachbarn, Verwandte, das Dorf oder das Stadtviertel blieben für den Großteil der Menschen (drei Viertel der Bevölkerung lebten immerhin noch auf dem Land) weitaus prägender, fassbarer und beeinflussbarer als der nationale Bezugsrahmen. Für das eigene Selbstverständnis, welches sich ja auch immer im Abgrenzung vom Anderen manifestiert, spielten dabei auch noch lange nach der Reichsgründung nicht nur die in vielen Teilen Deutschlands wie Bayern, Sachsen, Hessen und den Stadtstaaten verbreiteten antipreußischen Ressentiments eine Rolle, sondern durchaus auch die Zugehörigkeit zu einem ganz bestimmten Bundesstaat und die Abgrenzung von einem anderen.182 Dies belegen Selbstzeugnisse immer wieder eindrücklich.183 Der Reichsgedanke konnte dagegen seine Attraktivität erst an Themen wie Kaiser, Flotte, Kolonien oder Krieg entwickeln, entfaltete sich aber nur bei Triumphen, Festen und Militärparaden als eher oberflächlicher „Hurra-Patriotismus“ bzw. „Sonntags- und Feiertags-Nationalismus“.184 Für die hier beschriebene regionale Identität waren die Bundesfürsten deshalb so wichtig, weil sie die ersten Repräsentanten der Region darstellten und das viel beschworene angestammte Herrscherhaus185 der Garant für den Fortbestand dieser Region und ihrer Eigenheiten war.

182 183

184 185

Vgl. Klein: Zwischen Reich, 2005, S. 299–302. Besonders pointiert beschreibt dies der Schriftsteller Hugo Hartung (1902–1972) in seinen Erinnerungen an die zerklüftete Kleinstaatenwelt im Osten Thüringens. Als Kinder kamen er und seine Freunde beim Spielen häufig in den Bereich der Landesgrenze zwischen Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Altenburg: „Nun gingen wir grätschbeinig, die Grenzsteine zwischen uns, gleichzeitig in zwei Ländern. Oder wir setzten uns genau auf den eingekerbten Grenzstrich, ganz gerecht war je eine Po-Hälfte den Weimaranern und den Altenburgern zugeteilt. Dabei waren wir uns mit Stolz dessen bewußt, daß die rechte Hälfte ein moralisches Übergewicht bekam, weil sie ein Großherzogtum besaß, während die linke sich nur auf herzoglichem Gebiet breitmachen durfte. [...] Als großherzogliche Untertanen beseelte uns ein maßloser Stolz gegenüber den herzoglichen, die ihrerseits wieder auf die fürstlichen herabsehen durften. Und bei den Fürstentümern Reuß schaute wieder die ältere Linie auf die jüngere herab. Die Staatsangehörigkeit Reuß ältere Linie im Paß verlieh einen Hauch von Vornehmheit.“ Hugo Hartung: Kindheit ist kein Kinderspiel, Frankfurt/M. u. a. 1972, S. 13. Vgl. Klein: Zwischen Reich, 2005, S. 347. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 271.

2.4 DIE ROLLE VON ADEL UND KIRCHE

2.4

53

Die Rolle von Adel und Kirche – Stützen der bundesfürstlichen Herrschaft?

Eine wichtige Stütze der bundesfürstlichen wie überhaupt der monarchischen Herrschaft war traditionell der Adel. Dieser prägte die Hofgesellschaft, der eine wichtige Rolle in der Repräsentation der Monarchie und auch der ständischen Hierarchie zukam. Da durch den demografischen Wandel der Adelsanteil in der Bevölkerung immer weiter zurückging (von 0,5 % im Jahre 1800 auf 0,1 % im Jahre 1900),186 allein die Bundesfürsten (und natürlich der Deutsche Kaiser) aber in der Lage waren, neuen Adel zu generieren, musste dem Adel naturgemäß am Bestand der monarchischen Ordnung gelegen sein. Weil zudem die Paulskirchenverfassung den Adel als Stand abschaffen wollte,187 bildete die 1848er-Revolution eine gemeinsame Krisenerfahrung. Die Angst vor einem Umsturz der traditionellen Ordnung blieb ein verbindendes Element zwischen Adel und Landesherr, welches die adlige Unterstützung für diesen begründete.188 Trotz allem war jedoch die Beziehung zwischen Fürst und Adel im 19. Jahrhundert nicht frei von Interessenkonflikten. Verallgemeinerungen über die Rolle des Adels sind allerdings kaum möglich. Generell lässt sich ein Nord-Süd-Gefälle festmachen. So verfügte der süddeutsche Adel über mehr Landbesitz als der norddeutsche und war daher nur bedingt auf Militär- und Beamtenkarrieren angewiesen.189 Andererseits war er dadurch weniger an den Hof gebunden und nahm nicht zwingend eine stützende Rolle für diesen ein. Wie sehr sich der jeweilige Hof im 19. Jahrhundert für das Bürgertum öffnete, war in den hier untersuchten Ländern unterschiedlich ausgeprägt. So blieb etwa der Hof in München fast durchgängig adlig und öffnete sich kaum für andere Schichten.190 In der kleinen Residenzstadt Coburg hatten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die herzogliche Familie und auch der dortige Hof stark abgeschottet, weil die räumliche Enge große Einblicke in das Hofleben ermöglichte. Unter Ernst II. kam es zwar beispielsweise bei den Hofbällen zu einer Öffnung der Veranstaltungen auch für Bürgerliche, das sonst joviale Verhalten des Herzogs und dessen Freundschaft mit einzelnen Bürgerlichen gilt jedoch nur bedingt für den Hof.191 In Hessen und Sachsen waren die gesellschaftlichen Schranken 186 187 188 189 190 191

Vgl. Wienfort: Der Adel, 2006, S. 9. Vgl. ebd., S. 23. Vgl. Karl Möckl: Hof und Hofgesellschaft in den deutschen Staaten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Einleitende Bemerkungen, in: Möckl, Hof, 1990, S. 7–15, hier S. 9. Vgl. Wienfort: Der Adel, 2006, S. 14. Vgl. Möckl: Hof und, 1985, S. 206. Vgl. Andrian-Werburg, Klaus Freiherr von: Hof und Hofgesellschaft in Coburg im 19. Jahrhundert, in: Möckl, Hof, 1990, S. 209–14, siehe dazu Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha (im Folgenden: LATh – StA Gotha), Bestand 2-17-0311 Oberhofmarschallamt Nr. 360–373.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

dagegen durchlässiger, sodass – gepaart mit Bildung und Geld – erfolgreiche Bürgerliche durchaus einen Platz in der Hofrangordnung einnehmen konnten.192 Die dortigen Höfe fungierten daher als Sammelstätte der Führungskräfte des Landes.193 Anscheinend war dies so erfolgreich, dass der sächsische König Friedrich August II. (1797–1854)194 sogar den Grundsatz verfolgte, keinen weiteren Menschen in den Adelsstand zu erheben, und die Hoffnung hegte, dass dieser Stand aussterben möge.195 Obgleich dies sicherlich eine extreme Ansicht unter Monarchen darstellte, weist sie doch auch auf die Spannungen hin, die zwischen Adel und Monarchie durchaus bestehen konnten. Prinzipiell waren die Fürsten des 19. Jahrhunderts vor das Problem gestellt, dass sie einerseits selbst Angehörige des Adels und mithin dessen Erfahrungs- und Wertekanon verpflichtet waren, dass sie andererseits in ihrer Rolle als Monarch durch die Konstitutionalisierungsprozesse des frühen 19. Jahrhunderts nun aber auch in die Institution des Staates verfassungsmäßig eingebunden und für dessen Entwicklung verantwortlich waren.196 Um die Überlebens- und Wettbewerbsfähigkeit des Staates zu gewährleisten, waren, wie etwa das Beispiel Preußens 1807 zeigte, Modernisierung und Reformen unumgänglich. Zwar war auch der Adel in der Lage, auf die Herausforderungen des 19. Jahrhunderts recht flexibel zu reagieren, letztlich also im Kampf ums „Obenbleiben“ erfolgreich, dies änderte aber nichts daran, dass Modernisierung und eine auf individueller Leistung beruhende Gesellschaftsordnung bei seinen Angehörigen negativ konnotiert waren.197 Da sich auf diese Weise ein Oppositionsverhältnis zwischen Adel und Monarch herausbildete, konnte das Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum, dessen Reihen ja der Leistungsgedanke entstammte, an Einfluss gewinnen. Welche Konflikte der Streit zwischen alten und neuen Eliten mit sich brachte, musste besonders Kaiser Wilhelm II. erleben, dessen Förderung neuer Leistungsträger beim Adel häufig empörte Reaktionen hervorrief.198 Zwar waren auf bundesfürstlicher Ebene solche Konkurrenzkämpfe eher von geringerer Bedeutung, aber auch in diesem Bereich gab es Auseinandersetzungen zwischen Fürst und Adel. Dies betraf insbesondere im süddeutschen Raum (hier:

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195 196 197 198

Vgl. Möckl: Hof und, 1990, S. 11; Eckart G. Franz: Hof und Hofgesellschaft im Großherzogtum Hessen, in: Möckl, Hof, 1990; Blaschke: Hof und, 1990, S. 195 ff. Vgl. ebd., S. 196. Biografische Skizzen zu Friedrich August II. siehe Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 99– 126; Hans-Christof Kraus: Friedrich August II. (1836–1854), in: Kroll: Die Herrscher, 2004, S. 237–262. Vgl. Andrian-Werburg, Klaus Freiherr von: Hof und, 1990, S. 216. Vgl. Karl Möckl: Der deutsche Adel und die fürstlich monarchischen Höfe, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Europäischer Adel 1750–1950, Göttingen 1990, S. 96–111, hier S. 101. Vgl. Rudolf Braun: Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben: Adel im 19. Jahrhundert, in: Wehler: Europäischer Adel, 1990, S. 87–95, hier S. 95. Vgl. John C. G. Röhl: Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik, München 1987, S. 104–115.

2.4 DIE ROLLE VON ADEL UND KIRCHE

55

Bayern und Hessen)199 die Standesherren. Diese ehemals reichsunmittelbaren Fürsten stellten gerade in der Region zuweilen durchaus eine Konkurrenz zum jeweiligen Landesherrn dar. So sicherte ihnen die Bundesakte von 1815 weitgehende verwaltungsrechtliche und ritterliche Vor- sowie Ehrenrechte zu, wie beispielsweise einen Sitz in der Ersten Kammer des Parlamentes, eine eigene Gerichtsbarkeit, das Kirchen- und Schulpatronat sowie das Recht auf Erwähnung in den Kirchengebeten und auf Landestrauer mit Glockenläuten.200 Insbesondere der württembergische König ging aber massiv gegen diese Privilegien vor. Allgemein wirkte sich in diesem Bereich die Revolution von 1848 zunächst positiv für die Bundesfürsten aus, da die meisten dieser regionale Eigenheiten und Identitäten begründenden Vorrechte für die Standesherren verloren gingen.201 Einige Standesherren dagegen forderten im Zuge der Revolution auch die Mediatisierung gerade der kleineren Souveräne.202 Die Standesherren waren daher bis 1848 eher eine Quelle für Konflikte mit dem Landesherrn denn eine stützende Macht. Aus dieser Konkurrenzsituation heraus strebten daher die Landesherren konsequent eine Integration der Standesherren in den neuen Staat und eine Abgabe ihrer Privilegien – kompensiert durch teils hohe Entschädigungen – an.203 In Hessen bekamen jedoch die meisten204 Standesherren 1858 wieder einige ihrer Vorrechte zurück.205 So wurden sie im Kirchengebet nach dem Großherzog genannt, und im Falle des Ablebens eines Standesherrn oder seiner engsten Familienmitglieder gab es eine Trauerzeit mit Verbot aller öffentlichen Lustbarkeiten.206 In Fragen der symbolischen Repräsentation der Region standen sie dadurch weiterhin in Konkurrenz zu ihrem Landesherrn. Nach 1871 ergab sich sogar die Situation, dass für Einwohner mancher Regionen Standesherr, Bundesfürst und Deutscher Kaiser als Identifikationsfiguren zur Verfügung standen. Im Allgemeinen besserten sich nach 1871 auch die Beziehungen zwischen Standesherren und Bundesfürsten. Dies lag zum einen sicherlich am Generationenwechsel, zum anderen aber auch an einer gewissen standesherrlichen Genugtuung, dass nun auch die ehemaligen souveränen

199

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203 204

205 206

Zu Hessen siehe etwa Frank Jung: Landesherren und Standesherren. Adel und Staat im 18. und 19. Jahrhundert, in: Conze u. a.: Adel in, 2010, S. 87–114, der allerdings kaum die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts berücksichtigt. Vgl. Wienfort: Der Adel, 2006, S. 16, 33. Vgl. Grossherzoglich hessisches Regierungsblatt, Darmstadt 1848, S. 237. Vgl. Heinz Gollwitzer: Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815–1918. Ein Beitrag zur deutschen Sozialgeschichte, Göttingen, 2. Aufl., 1964, S. 126. Vgl. ebd., S. 54. Die Regelungen galten nicht für folgende Standesherren: Fürsten Isenburg-Birstein und Löwenstein-Wertheim sowie die Grafen Erbach-Fürstenau und Stolberg-Gedern, vgl. Grossherzoglich hessisches Regierungsblatt, Darmstadt 1858, S. 343 f. Vgl. ebd., S. 329–342. Die Trauerzeit betrug für den Standesherrn, seine Gemahlin und seinen präsumtiven Nachfolger 14 Tage, für alle übrigen Familienmitglieder acht, vgl. ebd., S. 330.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Fürsten sich dem Reich unterordnen mussten.207 Eine symbolpolitische Integration der Standesherren von größerer Tragweite in die bundesfürstlichen Häuser fand aber nur einmal statt: bei der Hochzeit des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein mit der Prinzessin aus standesherrlichem Hause, Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich (1871–1937) 1905.208 Diese Verbindung verbesserte, wenn vielleicht auch unbeabsichtigt, tatsächlich die spannungsreichen Beziehungen zu den hessischen Standesherren.209 In Sachsen-Coburg und Gotha übernahm dagegen der spätere Standesherr Ernst II. (1863–1950), Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen210 – Hohenlohe lag im Königreich Württemberg211 – von 1900 bis 1905 die Regentschaft für den unmündigen Herzog Carl Eduard (1884–1954). Als weiterhin stabile Säule für die bundesfürstliche Herrschaft erwies sich im 19. Jahrhundert die Kirche. Allen Säkularisierungstendenzen zum Trotz blieb das Bündnis von Thron und Altar bestehen und führte zu einer wechselseitigen Bezugnahme auch bei repräsentativen Anlässen. Wurde einerseits in offiziellen Kirchengebeten und während der kirchlichen Begleitung der monarchischen Lebensereignisse die in der göttlichen Ordnung legitimierte Rolle der Herrscher weiterhin betont, so konnte andererseits auch der Monarch religiöse Repräsentativaufgaben vollziehen. Dazu zählte im katholischen Bayern etwa die Fußwaschung am Gründonnerstag oder die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession;212 in Hessen die Teilnahme des Großherzogs an evangelischen Kirchenfesten als Summus Episcopus – ein Amt, dass allen Bundesfürsten für den evangelischen Teil ihrer Bevölkerung zukam. Besonders bei Kirchenneubauten oder denkmalgerechten Sanierungen trat der Großherzog als Protektor in Erscheinung und spendete mehrmals für die Bauprojekte. Aber auch bei formalen Entscheidungen musste der Großherzog seine Rolle als oberster Bischof erfüllen. So trug beispielsweise jede Ernennungsurkunde eines Pfarrers die Unterschrift des Landesherrn.213 Während in Sachsen der Konflikt zwischen einem katholischen Herrscherhaus und einer überwiegend protestantischen Bevölkerung dafür sorgte, dass sich die 207 208

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Vgl. Gollwitzer: Die Standesherren, 1964, S. 61, 147. Obwohl den Standesherren in der Bundesakte von 1815 Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern zugesprochen wurde, kam es zu auffallend wenigen Eheschließungen mit führenden Prinzen und Prinzessinnen landesherrlicher Häuser. Diese suchten ihre Ehepartner entweder in anderen landesherrlichen Häusern oder den ausländischen Monarchien. Vgl. Franz: Das Haus, 2005, S. 177. Ernst war seit 1896 mit Alexandra, einer Tochter des verstorbenen Herzogs Alfred verheiratet und im Gegensatz zu den anderen Schwiegersöhnen (Ferdinand, Kronprinz von Rumänien und Ernst-Ludwig von Hessen und bei Rhein) politisch eher ungebunden. Die Linie Hohenlohe-Neuenstein besaß von 1631 bis ins frühe 20. Jahrhundert die Grafschaft Gleichen um die Hauptstadt Ohrdruf, die im Herrschaftsgebiet Sachsen-Coburg und Gothas lag, vgl. http://www.landesarchiv-bw.de/web/43663, letzter Abruf: 05.08.2017, 16.00 Uhr. Vgl. Möckl: Hof und, 1985, S. 193. Vgl. Knodt: Ernst Ludwig, 1978, S. 204.

2.5 BESCHLEUNIGUNG UND MOBILITÄT

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Wettiner möglichst aus allen Kirchenfragen heraushielten, verstanden die bayerischen Könige die konfessionellen Unterschiede im Königreich Bayern auch als Integrationsaufgabe, die sie beispielsweise durch die Heirat mit protestantischen Prinzessinnen lösen wollten.214 Dass dagegen für Mitglieder des sächsischen Königshauses nur katholische Ehepartner in Frage kamen, stellte dieses oftmals vor erhebliche Probleme und brachte einen Kandidatenmangel mit sich215 – eine integrierend wirkende interkonfessionelle Ehe wurde bewusst abgelehnt. Diese vermittelnde Rolle sollte allein dem Oberhofprediger zukommen.216 In Hessen und Sachsen-Coburg und Gotha gab es dagegen keine nennenswerten religiösen Konflikte zwischen Untertanen und Herrscher.

2.5

Beschleunigung und Mobilität

Das 19. Jahrhundert, insbesondere dessen zweite Hälfte, war wie keine andere Zeit geprägt von einer enormen Veränderung im Bereich des Transport- und Nachrichtenwesens – eine Entwicklung, die zu einer erheblichen Beschleunigung der meisten Lebensbereiche führte. Die Zeitgenossen stellte dieser Wandel zunächst vor kaum zu bewältigende mentale Probleme, sodass der Topos der Vernichtung von Raum und Zeit für sie bestimmend wurde.217 Jürgen Osterhammels Einschätzung, dass die Erfindung von Eisenbahn und Telegraf einen Bruch mit jeder früheren Geschichte bedeutete, ist daher treffend.218 Nachdem in Deutschland 1835 die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth gefahren war, setzte im Anschluss der Ausbau eines deutschlandweiten Streckennetzes ein, welches immer mehr Städte miteinander verband. Die Auswirkungen dieses Streckenausbaus führten aber nicht nur zu Reiseerleichterungen in puncto Komfort und Zeit, sondern auch dazu, dass das gesamte Land näher zusammenrückte. Man konnte nun die Residenzbzw. Hauptstadt in einem Drittel der bisherigen Zeit erreichen, was dazu führte,

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Maximilian I. Joseph, Ludwig I. und Maximilian II. wählten protestantische Ehefrauen. Tatsächlich war nur die letzte Königin Bayerns, Marie Therese, katholisch. Zur Integrationsabsicht siehe Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 28. Vgl. dazu Silke Marburg: „Das Ansehen hat man umsonst.“ Gattenwahl und Heiratskalkül für die Kinder König Johanns von Sachsen (1801–1873), in: Winfried Müller (Hrsg.): Zwischen Tradition und Modernität. König Johann von Sachsen 1801–1873, Leipzig 2004, S. 357–403; Marburg: Europäischer Hochadel, 2008, S. 279–284. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 29. Vgl. Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1993, S. 16. Vgl. Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 106.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

dass sich das Land auf die Metropolregion verkürzte,219 d. h. dass diese noch wichtiger wurde als bisher, nun dabei aber eine viel größere Fläche umfasste. Gerade für Deutschland darf auch die durch die Eisenbahn geförderte nationale Integration nicht unterschätzt werden. So kam es nicht nur zu einer erhöhten Mobilität innerhalb der Staaten des Deutschen Bundes, sondern auch zu einer Generierung und Integrierung nationaler Märkte.220 Natürlich hatten diese Entwicklungen auch Auswirkungen auf die Monarchen. War beispielsweise vor dem Zeitalter der Eisenbahn eine Landesreise mithilfe von Kutschen und Pferden sehr beschwerlich, zu mancher Jahreszeit gar unmöglich gewesen und konnte gerade älteren Herrschern nur noch schwerlich zugetraut werden,221 so erschlossen sich bald immer mehr Landesteile durch die Eisenbahn und konnten dadurch bequemer besucht werden. Da die Eisenbahn zudem ein Verkehrsmittel war, das allen Bevölkerungsschichten zugleich offen stand, konnten auch die einfachsten Untertanen die neue Mobilität kennenlernen und Gebiete von großer Reichweite bereisen. Auch auf die Festkultur hatte die neue Mobilität Auswirkungen: Viel mehr Menschen aus weiter entfernten Gegenden konnten nun an monarchischen Festen und Umzügen, die häufig aus Vertretern der verschiedenen Regionen stammten, in der Residenz teilnehmen, sodass für diese erstmals eine direkte Verbindung zur Monarchie bestand. Gleiches galt für den Besuch von Museen und Denkmälern: Die kulturellen Stätten und Höhepunkte, die wesentlich für die Identitätsstiftung der Bundesstaaten waren, wurden nun ebenfalls für alle Bewohner des Landes, unabhängig von Schicht und Einkommen, zugänglich und auch genutzt.222 Im Umkehrschluss war nun aber auch die Erwartung der Untertanen berechtigt, dass der König selbst die Landesteile in der Peripherie besuchte und damit seinen Zeigepflichten nachkam.223 Da dies nun nur noch in seltenen Fällen mit unzumutbaren Strapazen verbunden war, konnte die ehemals für einen Untertanen singuläre Präsenz des Herrschers in seinem Ort nun zu einem wiederkehrenden Ereignis werden. In Sachsen bestand etwa schon 1839 eine Eisenbahnlinie zwischen Dresden und Leipzig, sodass es für die sächsischen Könige immer selbstverständlicher wurde, zu Festen, Jubiläen etc. von der Residenz nach Leipzig zu fahren, um an diesen selbst teilzunehmen. Da diese Besuche so häufig wurden, 219 220 221 222 223

Vgl. Schivelbusch, Geschichte, 1993, S. 36. Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung, 2009, S. 1022 f. Vgl. Wolfgang Uhlmann: Die Beziehung von König Johann zum Erzgebirge, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 177–185, hier S. 182. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 256 f. Siehe dazu etwa eine Beobachtung angesichts eines abgesagten Besuchs Wilhelms II. bei einem Kriegerverein: „Was wollten die Leute? Die Grenadiere wollten ihren Kaiser sehen, ein Blick aus seinem lieben Auge sollte ihnen wohltun; sie wollten empfinden, daß sein Auge für sie noch da ist, damit sie neuen Mut zum schweren Kampfe ums Dasein und zur Betätigung patriotischen Gefühls schöpfen!“, Staatsbürger-Zeitung, August 1906, zitiert nach Wilhelm Schröder: Das persönliche Regiment: Reden und sonstige öffentliche Äusserungen Wilhelms II., München 1907, S. 23.

2.5 BESCHLEUNIGUNG UND MOBILITÄT

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richtete man 1857 eine Stadtwohnung in Leipzig ein.224 Auch zwischen Monarchen kam es nun immer häufiger zu Besuchen bzw. einer Verdichtung der face to faceKommunikation.225 Dies konnte dabei auf der Ebene von offiziellen Staatsbesuchen geschehen,226 aber ebenso privaten Charakter haben. So fuhren Hochadlige Verwandtenbesuchen entgegen oder nahmen nun an Familienereignissen, etwa als Pate an einer Taufe, persönlich teil. Auch auf dieser Ebene wurde dies nun immer häufiger von den Herrschern untereinander erwartet.227 Von seiner jeweiligen Sommerresidenz konnte der sächsische König Johann einmal wöchentlich ohne größeren Aufwand nach Dresden fahren, um sich über die Regierungsgeschäfte zu informieren.228 Der umgekehrte Weg von der Hauptstadt zum jeweiligen Aufenthaltsort des Monarchen, den die Berater der Herrscher in allen Ländern noch weit häufiger einschlugen als dieser selbst, wurde ebenfalls erleichtert. Fern der Hauptstadt konnte der Monarch daher nun ebenso den Regierungsgeschäften in vollem Umfang nachgehen.229 Durch die Ausweitung der Metropolregion und die schnellere und bequemere Art des Reisens war es den Herrschern nun alles in allem möglich, für ihre Untertanen viel häufiger leiblich präsent zu sein. Darüber hinaus bestand noch eine weitere Verbindung zwischen Monarchie und dem Ausbau der Eisenbahn, nämlich indem es Erstere verstand, sich als Wegbereiter moderner Verkehrsmittel zu inszenieren. Bis zu einem gewissen Grad förderten die Monarchen tatsächlich den Ausbau der Bahnen und des Schienennetzes;230 in den Einweihungszeremonien nahmen sie eine Schlüsselrolle ein, wie beispielsweise Friedrich August II. bei der zweitägigen Eröffnungsfeier der Linie Dresden–Prag 1851. Diese Inszenierungen waren äußerst erfolgreich, denn die Besucher sahen häufig im Monarchen selbst den Erbauer der Eisenbahnen, der diese seinem Volk zum Geschenk gemacht habe. Zahlreiche Dankesbekundungen belegen, wie erfolgreich die gewählte Inszenierung als Förderer moderner Technik für die Monarchie war.231 Nach 1871 blieb die Kontrolle über die Eisenbahnen – allen

224 225 226 227

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Vgl. Marburg: Europäischer Hochadel, 2008, S. 173, 221. Vgl. ebd., S. 232 f. Vgl. Paulmann, Pomp, 2000. So schrieb etwa Amalia Auguste von Sachsen 1852 an ihre Tochter Elisabeth über die Reise ihres königlichen Schwagers Friedrich August II. als Pate zu einer Taufe an den herzoglichen Hof nach Schwerin: „Sonst dachte man nicht daran selbst dergleichen vorz.[u]nehmen, aber seit der vielen Eisenbahnen kann man sich mit Entfernung u.[nd] Zeitverlust nicht mehr entschuldigen.“, Schreiben vom 29.10.1852, zitiert nach Marburg: Europäischer Hochadel, 2008, S. 232. Vgl. ebd., S. 231. Biografische Skizzen zu König Johann siehe Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 127–154; Reiner Groß: Johann (1854–1873), in: Kroll: Die Herrscher, 2004, S. 263– 278. Diesbezüglich gibt es vielfache Quellenäußerungen, siehe etwa Friedrich Bodenstedt: Eine Königsreise, Leipzig, 3. Aufl., 1883, S. 10; Botzenhart: Die Regierungstätigkeit, 2004, S. 64 f. Siehe dazu etwa die Briefe König Johanns von Sachsen an Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, 22.10.1854, 11.04.1856, Johann von Sachsen u. a., Briefwechsel, 1911, S. 324, 363. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 59 ff.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Zentralisierungsversuchen Bismarcks zum Trotz – in der Hand der jeweiligen Landesregierungen und bot dadurch immer wieder Anlass zum wechselseitigen Konkurrenzkampf, aber auch zur Beibehaltung mentaler Landesgrenzen.232 Auf eine weitere Folge der Beschleunigung sei zudem hingewiesen: Gerade gegen Ende des Jahrhunderts bedienten sich die Herrscher interessanterweise des Mittels der Entschleunigung, um sich von der beschleunigten Moderne abzuheben. So hatte sich mit der Durchsetzung der Eisenbahn nicht nur das Kutschenwesen zum Liebhabersport der gehobenen Klassen entwickelt,233 auch die Herrscher setzten wieder vermehrt auf die Beförderung durch Pferd und Kutsche. Diese prunkvollen Aufzüge unterstrichen nicht nur die althergebrachte Tradition der Monarchie, sondern stellten für die nun immer weniger an die Kutschenbeförderung gewohnten Untertanen schlichtweg eine interessante Attraktion dar, mit der sich die Monarchie hervorheben konnte.234 Zu einer weiteren Steigerung der Präsenz des Herrschers im Leben der Bevölkerung trug die Entwicklung des Nachrichtenwesens bei. Seitdem 1844 die Überlandtelegrafie in Gebrauch war, die 1862 weltweit ein Netz von einer Länge von 150.000 Meilen erreicht hatte, verbreiteten sich Nachrichten immer schneller.235 International war die Verlegung der Unterseekabel ebenso entscheidend. Hatte 1798 die Nachricht von Napoleons Invasion Ägyptens nach London noch 62 Tage gebraucht und war damit kaum schneller als 1500, wusste man 1815 in London vom Sieg in Waterloo bereits nach zweieinhalb Tagen. Die Ermordung Lincolns 1865 wurde in London erst nach 13 Tagen publik, während das Attentat auf Alexander II. 1881 schon nach 12 Stunden London erreichte.236 Innerhalb des Deutschen Reiches gelang die Nachrichtenübertragung noch schneller. Dafür waren auch die bald gegründeten Nachrichtenagenturen wie Wolff in Berlin oder Reuters in London verantwortlich.237 Waren 1856 nur 11 % der Nachrichten nicht älter als einen Tag, betraf dies 1906 95 %.238 Gerade für die Menschen, die nicht in der Residenzstadt lebten, bedeutete dies, kaum noch einen Nachrichtenrückstand gegenüber der Bevölkerung in den Hauptstädten zu haben. Bedingt durch die vielen Neugründungen im Pressebereich nahm auch die Anzahl der Nachrichten zu. Da das Bedürfnis nach Nachrichten gestiegen war, wurden nun auch Ereignisse berichtenswert, die zuvor kaum von Belang waren. Dies betraf auch die Meldungen über die Herrscher; beispielsweise wurde nun über deren Reisen ausführlich berichtet.239 Auch andere Nachrichten über den Monarchen konnten sich so schneller verbreiten: Im Falle von Krankheit konnte man nun etwa im gesamten Land 232 233 234 235 236 237 238 239

Vgl. ebd., S. 323 f. Vgl. Schivelbusch, Geschichte, 1993, S. 19. Vgl. Cannadine: Die Erfindung, 1994, S. 11. Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung, 2009, S. 74. Vgl. ebd., S. 1026. Vgl. ebd., S. 75. Vgl. ebd., S. 63 f. Vgl. John Plunkett: Queen Victoria. First media monarch, Oxford 2003, S. 95.

2.6 MEDIENWANDEL UND PRESSEPOLITIK

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mehr oder minder immer auf dem Laufenden sein, wie es um das aktuelle Befinden des Fürsten bestellt war. Erst durch die derart ermöglichte wiederkehrende mediale Präsenz wurde eine Identifikation mit dem Herrscher für viele Untertanen möglich. Im Gegensatz dazu erreichten nun aber auch Negativnachrichten das gesamte Herrschaftsgebiet und konnten sich dadurch erst zu nationalen bzw. internationalen Skandalen ausweiten. Für die Monarchen bedeutete dies, dass ihr Handeln von einer immer größer werdenden Öffentlichkeit beobachtet wurde, die auf dieses auch immer schneller reagieren konnte und damit zu einem ernst zu nehmenden Machtfaktor heranwuchs.

2.6

Medienwandel und Pressepolitik

Das Jahr 1848, welches das 19. Jahrhundert chronologisch fast in der Mitte teilt, war auch für die Presselandschaft und -politik im Deutschen Bund ein Wendejahr. Aufgrund politischer und technischer Faktoren war die zweite Jahrhunderthälfte in Quantität, Qualität und thematischer Vielfalt der Zeitungen und Zeitschriften kaum noch mit den ersten fünfzig Jahren des Jahrhunderts vergleichbar. In politischer Hinsicht ist sicherlich der Wegfall der Pressezensur im März 1848 als wichtigster Einschnitt zu nennen. Zwar wurde die völlige Pressefreiheit später wieder eingeschränkt, sodass etwa ein verantwortlicher Verleger benannt werden musste und die Presseerzeugnisse immer noch von polizeilicher Seite kontrolliert und auch beschlagnahmt werden konnten, doch waren nach 1848 die Zeiten der repressiven Vorzensur und einer daraus folgenden, noch effektiveren Selbstzensur der Herausgeber endgültig vorbei. Für die verschiedenen Regierungen und Monarchen im deutschen Raum ergaben sich daraus zunehmende Forderungen nach einer Transparenz ihrer Handlungen und eine Bedeutungssteigerung der öffentlichen Meinung an sich. Vor dem Revolutionsjahr hatte es hauptsächlich kleine Zeitungen gegeben, die meist über lokale Neuigkeiten berichteten, danach kam es nicht nur zu einer Politisierung der Berichterstattung, sondern auch zu einer Verdopplung der Zahl der Nachrichtenorgane. Da viele Regierungsmitglieder die öffentliche Meinung fürchteten oder der Ansicht waren, dass die Zeitungsleser nicht zu einer korrekten Beurteilung der Lage fähig seien, waren sie versucht, statt der vormaligen Repression, d. h. negativer Pressepolitik, nun auf eine Lenkung des Pressewesens zu setzen und dieses durch staatliche Propaganda, d. h. positive Pressepolitik, zu

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

steuern.240 Insgesamt waren diese Methoden weitaus moderner als die der Restaurationszeit.241 Von 1850 bis 1866 schlug deshalb die große Stunde der staatlichen Meinungsmacher.242 Es kam zur Gründung von offiziellen oder halboffiziellen Zeitungen oder zur staatlichen Beeinflussung und Bezahlung bereits bestehender Zeitungen. Verleger größerer Zeitungen wurden gezwungen, bestimmte Artikel in ihrem Blatt unterzubringen, welche wiederum von kleineren Zeitungen weiterverbreitet wurden, sodass eine gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung möglich war. Wie weit allerdings diese Beeinflussung tatsächlich ging, ist schwierig nachzuvollziehen und wurde nicht ausgiebig untersucht. Autoren wurden kaum genannt, und auch Verleger wollten den Anschein vermeiden, dass ihre Zeitung von staatlicher Seite manipuliert wurde – gleiches galt natürlich auch für die Regierungen. Trotz allem kann davon ausgegangen werden, dass die staatliche Pressebeeinflussung recht erfolgreich war. Bis zu einem gewissen Grade konnten die Regierungen daher noch das Wissen über politische Vorgänge kontrollieren.243 Die Praxis staatlicher Propaganda sollte allerdings als Resultat ihrer Notwendigkeit verstanden werden. So gab es nach 1848 kritische Zeitungsmeldungen, denen immer wieder durch Regierungsartikel und Richtigstellungen begegnet werden musste. Vorbild der staatlichen Presselenkung im Deutschen Bund war das bereits 1842 in Preußen gegründete Preßbureau. Dieses wurde zwar im Zuge der Revolution wieder aufgelöst, allerdings erlebte die Pressepolitik unter Bismarck einen erneuten Aufwind, der 1863 mit der preußischen Provinzial-Correspondenz eine prostaatliche Zeitungsgründung initiierte.244 In Bayern verlief die Entwicklung dagegen schleppender. Obwohl König Maximilian II. sich mehrfach persönlich für die Etablierung eines Pressebüros einsetzte, scheiterten dessen Bemühungen am fehlenden Engagement seiner Regierung, sodass letztlich nur ein Pressereferent beim Außenministerium als ständige Verbindungsstelle existierte.245 Ähnlich schwierig waren zunächst die Bemühungen Ludwigs II. Vom preußischen Pressebüro beeindruckt, forderte dieser ebenfalls, wie zuvor sein Vater, mehrmals eine solche Institution 240

241 242 243 244 245

Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 148–152. Einen weiteren, gut zusammenfassenden Überblick liefert: Wolfgang Piereth: Propaganda im 19. Jahrhundert. Die Anfänge aktiver staatlicher Pressepolitik in Deutschland (1800–1871), in: Ute Daniel/Wolfram Siemann (Hrsg.): Propaganda, Meinungskampf, Verführung und politische Sinnstiftung 1789–1989, Frankfurt/M. 1994, S. 21–44, der allerdings den Erfolg der staatlichen Propaganda negativer bewertet als Green. Siehe außerdem für die Umbruchszeit der Pressepolitik nach 1848 Richard Kohnen: Pressepolitik des Deutschen Bundes. Methoden staatlicher Pressepolitik nach der Revolution von 1848, Tübingen 1995. Vgl. Piereth: Propaganda im, 1994, S. 34. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 153. Vgl. ebd., S. 180–187. Vgl. ebd., S. 155. Vgl. Piereth: Propaganda im, 1994, S. 33 ff. Die Pläne des Königs scheiterten 1852/53, 1858 und 1859, zur Pressepolitik unter Maximilian II. siehe auch den Dokumentenband Stefan Spiegel/Erwin Riedenauer: Pressepolitik und Presspolizei in Bayern unter der Regierung von König Maximilian II., München 2001.

2.6 MEDIENWANDEL UND PRESSEPOLITIK

63

für Bayern, welche „auf populäre Weise de[n] jeweilige[n] Standpunkt und die Politik der bayerischen Regierung“ verbreiten sollte.246 Der zuständige Innenminister informierte dann über bereits getroffene Maßnahmen wie etwa die Gründung der regierungstreuen Süddeutschen Presse oder die Etablierung des regierungstreuen Korrespondenten Hoffmann. Dieser versorge allein 40 Zeitungen mit gezielten Informationen der Regierung und habe, so der Minister weiter, zudem ehemals kritische Beobachter, aufgrund der ihnen nun zuerst gelieferten Informationen, in ein Dankbarkeitsverhältnis gebracht, welches sich in regierungsfreundlichen Artikeln äußere.247 Demnach wurden auch in Bayern alle Möglichkeiten der Pressebeeinflussung genutzt. Letztlich kam es ebenfalls zur Gründung eines Pressebüros, welches allerdings nicht über die gleichen finanziellen Mittel wie das preußische Pendant verfügte.248 Gerade an der Person des bayerischen Königs Ludwig II. lässt sich erkennen, wie früh bereits Kritik an diesem, ausgelöst durch seine Meidung der Öffentlichkeit, aufkam. So schrieb etwa die Fürther Abendzeitung Der Fortschritt 1866, also zwei Jahre nach Ludwigs Regierungsantritt, nach einer verwehrten Audienz für eine Landesdelegation: „Wir wissen nun, wie wir daran sind und so manches, was über den Charakter Ludwigs II. bereits angedeutet aber vielfach bezweifelt wurde, gewinnt nun an Glaubwürdigkeit. […] Das bayerische Volk hat sich in neuester Zeit durch manche scheinbar günstige Umstände verleiten lassen, allzu kühne Hoffnungen auf die Person seines jungen Monarchen zu setzen. Die jüngste Lehre, die uns vom Königsthron herab ward, ist ein ernstes Mahnwort, daß ein Volk in dieser Beziehung niemals vertrauensselig werden darf. Wollen wir uns das merken, und danach weiter arbeiten. Unsere politische Zukunft muß aus uns selbst herauswachsen; alles andere hat keinen Halt, keine Dauer.“249

Da solche Artikel durchaus keine einmalige Angelegenheit waren, bedurften sie einer dringenden Entgegnung. Dies geschah entweder durch königstreue Zeitungen oder eben staatlich gelenkte Eingriffe in das Pressewesen, indem etwa geschrieben wurde, der König sei krank gewesen, als er Audienzen habe absagen müssen.250

246 247 248

249 250

Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 234, Rundschreiben des Königs vom 23.01.1868. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 234, Schreiben des Innenministers Pechmann vom 29.01.1868. Unter Maximilian II. konnte die bayerische Regierung etwa 10.000 Gulden für die Pressepolitik ausgeben, wohingegen Preußen seit 1851 35.000 Reichsthaler (entspricht ca. 60.000 Gulden) bereitstellte. Österreich dagegen gab seit 1852 100.000 Gulden und seit 1863 gar 350.000 Gulden für sein Preßleitungskomitee aus, vgl. Piereth: Propaganda im, 1994, S. 35 f. Der Fortschritt auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens (Fürther Abendzeitung), 31.01.1866. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 234, Schreiben vom 08.01.1866, sowie: Erörterungen in der Presse betreffend vom 12.01.1866.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Zudem wurde im vorgestellten Beispiel eine Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung durch den zuständigen Staatsanwalt eingeleitet.251 Dieser Paragraf252 konnte zwar, wie im Artikelauszug zu sehen ist, das öffentliche Infragestellen des Monarchen nicht gänzlich verhindern, war aber doch ein allgemein wirksames Mittel gegen die meisten persönlichen Angriffe auf Monarchen. Auch in Sachsen war die Regierung, wie Abigail Green herausgearbeitet hat, recht erfinderisch in Fragen der positiven Pressepolitik und folgte in wesentlichen Zügen den hier schon skizzierten Beispielen. So wurde beispielsweise die äußerst populäre Leipziger Zeitung von staatlicher Seite beeinflusst und das Dresdner Journal als offizielle Zeitung gegründet. Zudem wurden auf lokaler Ebene sogenannte Amtsblätter etabliert, welche ein Monopol für Regierungsmeldungen hatten. Das bedeutete für diese Zeitungen einerseits konstante Einnahmen, andererseits brachte es den Zwang mit sich, auch unliebsame Regierungsmeinungen zu veröffentlichen.253 Neben den politischen Bedingungen wirkten sich die technischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts noch dramatischer auf die Medienlandschaft aus. Wie sehr diese Veränderungen den Lebensalltag der gesamten westlichen Zivilisation beeinflussten, kann man daran ermessen, dass von den sechs von Irving Fang diagnostizierten, bisher stattgefundenen Medienrevolutionen sich gleich zwei im hier besprochenen Untersuchungszeitraum ereigneten. Die erste Medienrevolution, die Writing Revolution, ist für Fang dabei die im 8. Jahrhundert v. Chr. sich in Griechenland aus zwei Importen ereignende Konvergenz des phonetischen Alphabetes mit dem ägyptischen Papyrus, welche es erlaubte, das Wissen der Menschheit für die Nachwelt festzuhalten. Die Printing Revolution, als zweite im Bereich der Mediengeschichte, ereignete sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts und ermöglichte durch den Buchdruck die Verbreitung der Ideen von Renaissance und Reformation. Die dritte, die sogenannte Mass Media Revolution markiert mit der Mitte des 19. Jahrhunderts den zeitlichen Beginn dieser Studie. Sie bestand aus Weiterentwicklungen im Bereich der Papierproduktion und Druckmethoden, sodass das erste Mal Auflagen im Umfang einer Massenpresse erreicht werden konnten. Zudem veränderten Telegrafie und Fotografie die Geschwindigkeit und die Wahrnehmung des Nachrichtenwesens. Im Anschluss an diese Entwicklungen spielte auch noch die Entertainment Revolution für die hier untersuchten Bundesfürsten eine Rolle. Diese vierte Revolution fand gegen Ende des 19. Jahrhunderts statt und zeichnete sich durch

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Über die nicht empfangene Landesdeputation hatten außerdem der Nürnberger Anzeiger und der Fränkische Kurier berichtet, gegen die ebenfalls eine Untersuchung eingeleitet wurde, vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwig II., Nr. 234, Bericht vom 13.02.1866 des Justizministers von Bornhard. Vgl. Andrea Hartmann: Majestätsbeleidigung und Verunglimpfung des Staatsoberhauptes (§§ 94 ff. RStGB, 90 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert, Berlin 2006. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 160–164.

2.6 MEDIENWANDEL UND PRESSEPOLITIK

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tragbare Fotokameras, erste Tonaufnahmen und schließlich den Beginn der Kinematografie aus.254 In der Summe waren die Erfindungen, die zur Herausbildung der Massenpresse führten, so zahlreich, dass sie nicht vollständig hier aufgeführt werden können. Auf einige wichtige sei dennoch verwiesen: Schnellpresse, Stereotypie, Lithografie und Holzschliff hatte es schon vor 1848 gegeben, allerdings wurden diese im Hinblick auf die Anforderungen des Massenmarktes weiterentwickelt, sodass etwa der Holzschliff durch die Zellulose zur Druckpapierproduktion nutzbar gemacht werden konnte. 1870 gab es die erste Gießmaschine mit Dampfantrieb, 1873 die Komplett-Gießmaschine, welche fünfzigtausend Lettern am Tag herstellen konnte. Mit der Erfindung der modernen Setzmaschine 1872 wurde die Produktion eines Setzers von zwei- auf siebentausend Typen die Stunde erhöht, 1873 eroberte die erste Rotationspresse den Markt und 1878 erlaubte die Drahtheftmaschine die Herstellung billiger Massenauflagen.255 Im Vergleich zum Vorreiter England setzte in Deutschland zwar der Durchbruch der Massenmedien später, dafür aber umso stärker ein, sodass es allein zwischen 1850 und 1900 zu einer Verdreifachung des Zeitungsangebots kam.256 Auch die Erfindung der Fotografie fiel in die Mitte des 19. Jahrhunderts. 1839 hatte der Franzose Louis Daguerre das nach ihm benannte Verfahren der Daguerreotypie endgültig entwickelt, die eine Fotografie auf einer silberglatt polierten Oberfläche, meist eine versilberte Kupferplatte, bannte. Ungefähr zur gleichen Zeit hatte der Engländer William Henry Fox Talbot das sogenannte fotogene Zeichnen erfunden. Dieses war zwar der Daguerreotypie in puncto Detailtreue nicht gewachsen, basierte aber auf einem Positiv-Negativ-Verfahren und konnte so mehrere Papierabzüge eines Negativs liefern. Brauchte Talbot zunächst noch Belichtungszeiten von einer Stunde, gelang es ihm unter Verwendung eines chemischen Entwicklers Anfang der 1840er, die Zeit auf ein bis drei Minuten zu verkürzen. Auch wenn er kaum offizielle Unterstützung erfuhr, hatte er auf langfristige Sicht den größeren Erfolg. So wurde zwar Daguerre als der eigentliche Erfinder der Fotografie gewürdigt und bestimmte mit seiner Erfindung die Fotogeschichte bis in die 1860er-Jahre. Allerdings konnte dann der einmalige Abzug der Daguerreotypie nicht mehr den steigenden Bedarf decken und das für eine Massenproduktion geeignete Positiv-Negativ-Verfahren Talbots blieb bis zur Entwicklung der Digitalfotografie Ende des 20. Jahrhunderts das bestimmende.257 All jene gesellschaftsübergreifenden Auswirkungen dieser Erfindungen führten zu einer 254

255 256

257

Vgl. Irving E. Fang: A history of mass communication. Six information revolutions, Boston u. a. 1997, S. XVII, die weiteren Revolutionen sind nach Fang The Toolshed Home und der Information Highway im 20. Jahrhundert. Vgl. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1995, S. 440. Vgl. Martin Kohlrausch: Monarchische Repräsentation in der entstehenden Mediengesellschaft: Das deutsche und das englische Beispiel, in: Andres u. a.: Die Sinnlichkeit, 2005, S. 93–112, hier S. 96–99. Vgl. Jonathan Marsden: Victoria & Albert. Art & love, London 2010, S. 397.

66

2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

„Transformation of Visibility“,258 der auch die monarchische Repräsentation begegnen musste.

2.7

Zum Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit

Im 19. Jahrhundert änderte sich die Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Privatheit grundlegend. Während im Mittelalter noch viele Handlungen des täglichen Lebens in der Öffentlichkeit stattgefunden hatten, bildeten sich in der Frühen Neuzeit vermehrt Formen des privateren Zusammenlebens in Familien und Freundeszirkeln heraus. Nach der Sattelzeit um 1800 kam es zu einer abermaligen Stärkung der Familie, die zum Gegenpol der Öffentlichkeit und vermeintlich zwanglosem Zufluchtsort vor dieser wurde.259 Zudem gab es um 1800 vermehrt Überlegungen, wie die Trennung von privaten und öffentlichen Bereichen zu definieren sei. 1814 unterschied Benjamin Constant, einer der Begründer des europäischen Liberalismus, in seiner Schrift De l’esprit de conquête et de l’usurpation zwischen privater und öffentlicher Existenz der Angehörigen moderner Gesellschaften. Zum Privatbereich gehörten demnach Familie, enge Freunde, individuelle Arbeit und Konsum sowie individuelle Überzeugungen und Präferenzen. Öffentlich dagegen war das Handeln in der Welt der Politik. Beeindruckend an Constants Schrift ist jedoch nicht diese Trennung, sondern seine Feststellung, dass keine moderne Bevölkerung ihre private Existenz permanent der öffentlichen Kontrolle unterwerfen möchte, sondern private Güter für den modernen Menschen Vorrang vor öffentlichen Gütern hätten.260 Auch Wilhelm von Humboldt hatte 1792 in seinen Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen, ein liberales Bild des Staates gezeichnet, der sich für die Sicherheit seiner Bürger einzusetzen habe, aber ihre Privatheit schützen müsse.261 Dieser Wandel betraf auch die Lebenswelt der europäischen Monarchen, für die Privatheit ebenfalls ein Gut von unschätzbarem Wert war, wenngleich die Trennlinie von privaten und öffentlichen Handlungen für Herrscher aus historischer Perspektive – erinnert sei nur an das vom Hofstaat begleitete Lever und Coucher Ludwigs XIV. von Frankreich262 – eine andere war als für Angehörige des Bürgertums. Doch auch wenn sich die Fürsten der Bedeutung ihres öffentlichen

258 259 260 261 262

John Brookshire Thompson: Political Scandal. Power and Visibility in the Media Age, Cambridge 2000, S. 33. Vgl. Philippe Ariès: Eine Geschichte der Privatheit, in: Ästhetik und Kommunikation, Heft 57/58: Intimität 15 (1985), S. 11–20, hier S. 11, 18 ff. Vgl. Raymond Geuss: Privatheit. Eine Genealogie, Frankfurt/M. 2002, S. 13 f. Vgl. ebd., S. 15. Elias: Die höfische, 1999 [1969], S. 126–129.

2.7 ZUM VERHÄLTNIS VON PRIVATHEIT UND ÖFFENTLICHKEIT

67

Wirkens bewusst waren oder Einzelne ausgesprochen gern im Mittelpunkt des Interesses standen, bedeutete dies nicht, dass das zunehmende Maß der Öffentlichkeit von Leben und Handeln immer freudig begrüßt wurde. Die Erwartung, den König in seiner Theaterloge, auf dem Balkon des Schlosses oder bei einer Spazierfahrt zu sehen, wuchs stetig. Solche Auftritte waren zwar keine Erfindung des 19. Jahrhunderts, erlangten aber durch die Einführung der Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit einen neuen Stellenwert. So wurden diese gerade auch von der Presse immer wieder als Teil des bürgerlichen Handelns proklamiert, obwohl der Herrscher selbst gar kein bürgerliches Selbstverständnis besitzen musste. Mit der Wertsteigerung des bürgerlichen Ideals der Privatheit, welches Zurückgezogenheit und Unbeobachtetsein einschloss, wurde dieses zwar auch dem Monarchen zugestanden, aber zugleich durch das vermehrte Interesse an dessen privaten Handlungen und der zeitgleichen Veröffentlichung dieser wieder abgesprochen.263 Es ist daher davon auszugehen, dass die im Zuge der Medienrevolution immer häufiger bedrohte Privatheit von allen Fürsten des 19. Jahrhunderts als Verlust ihrer Autonomie begriffen wurde. Wie sehr ein Leben in der Öffentlichkeit als Belastung empfunden wurde, zeigen nicht nur die Biografien von Ludwig II., Kaiserin Elisabeth von Österreich oder auch zeitweise die von Königin Victoria, sondern auch die der Öffentlichkeit sich nicht grundsätzlich verweigernden Könige wie Maximilian II. von Bayern264 oder Johann von Sachsen. Letzterer problematisierte im vertraulichen Briefwechsel mit seiner Tochter Elisabeth, Herzogin von Genua, immer wieder die Einschränkung seines Privatlebens durch Regierungspflichten. Besonders akut wurde dies nach dem Unfalltod seines Bruders und der damit über Nacht erfolgenden Regierungsübernahme Johanns 1854, denn trotz vielfältiger Regierungstätigkeiten hatte der zu diesem Zeitpunkt 52-Jährige ein eher beschauliches Leben auf seinen Landgütern führen können. Folglich schrieb er daher an seine Tochter, „wie schwer es mir wird meine Privatexistenz aufzugeben“.265 Wenige Tage zuvor hatte er ihr bereits geschildert, wie ungewohnt die neue Situation sei und wie schwer es ihm werde, sein ruhiges Leben aufgeben zu müssen, „um sich über oft verdrießliche und mit Tracasserien266 verbundenen [sic] und stets das Gewissen in Anspruch nehmende Geschäfte zu belästigen“. Allein „man muß seine Pflicht thun und auf Gott vertrauen“.267 Der Briefwechsel offenbart des Weiteren, dass bereits ein Leben in der Residenzstadt als viel mühseliger als ein Landaufenthalt empfunden wurde. So erforderte ein Leben in Dresden eine viel größere Hofhaltung, bedeutete ständig wechselnde Tafelbesucher, und bereits

263 264 265 266 267

Vgl. Geisthövel: Den Monarchen, 2003, S. 64. Vgl. Sing: Die Memoiren, 1997, S. 33. Johann an Elisabeth, 29.08.1854, zitiert nach Marburg: Europäischer Hochadel, 2008, S. 101. Gemeint sind Schikanen. Johann an Elisabeth, 23.08.1854, zitiert nach ebd., S. 101.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

ein Spaziergang war ohne Adjutanten oder sonstige Begleitung nicht mehr möglich:268 „Mit allem dem wird es mir doch schwer werden[,] mich an das Stadtleben zu gewöhnen. Man ist da doch viel genirter[.] Das ganze Hofleben, die Schwierigkeit herauszukommen und vieles andere ist doch sehr unbequem. Nun es muß auch ertragen werden[.]“269

Immer wieder wird die bevorzugte Privatheit und Ruhe der Landaufenthalte betont, während das Aufbrechen in die Stadt jedes Mal eine Überwindung darstellt: „Wir sind nun am Vorabend unserer Abreise von Weesenstein und ich kann nicht leugnen[,] daß es mich etwas kostet; denn hier lebten wir so ganz nach der alten Weise als Privatleute und die Ruhe that der Mama so gut.“270 Der Begriff der gêne (Beschwerden) bzw. des Genierens wird dabei sehr häufig von Johann verwendet, um zwischen den Bereichen Privatheit, in dem man sich nicht zu genieren brauchte, und dem der Öffentlichkeit zu unterscheiden.271 Trotz aller Beschwerden durchzog die Briefe jedoch immer wieder die Betonung eines Pflichtgefühls, den Herrschaftsaufgaben nachkommen zu müssen. Dies zeigt, dass man sich deren Bedeutung bewusst war und sich nur im privaten Rahmen darüber beklagte. Da man in der eigenen Selbstsicht die Zeigepflichten erfüllte und den Balanceakt zwischen Privatheit und Öffentlichkeit erfolgreich absolvierte,272 kritisierte man konsequenterweise Hochadlige, die dies nicht taten, wie etwa Kaiserin Elisabeth von Österreich, die sich oft monatelang der Wiener Residenz für vermeintliche Kuraufenthalte im Mittelmeerraum entzog. So kritisierte Johann etwa die „Capricen“ Elisabeths, die besonders auf ihr Umfeld eine schlechte Vorbildwirkung hätten: „[…] die Eigenthümlichkeit der ganzen Familie[,]273 sich nicht geniren zu wollen[,] ist in ihr [Elisabeth, A. S.] besonders ausgeprägt und würkt nachtheilig auf die Verhältniße. Hat sie sich auch hierin gebessert[,] so übt sie doch auf ihre Schwester bei ihrem Zusammentreffen einen nachtheiligen Einfluß aus[,] besonders weil sie sehen[, sic] daß ihr alles durchgeht“.274

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269 270 271 272

273 274

Wie sein Kammerdiener Wachs berichtete, spazierte Johann in Weesenstein sehr häufig in einfacher Kleidung schon früh morgens nur von seinem Pudel Rappo begleitet durch die umgebenden Fluren, vgl. ebd., S. 134. Johann an Elisabeth, 30.10.1861, zitiert nach ebd., S. 133. Johann an Elisabeth, 04.07.1855 zitiert nach ebd., S. 132, ebenso wird dieses Bedauern geschildert in den Briefen vom 23.04.1862, ebd., S. 133, und 01.11.1865, ebd., S. 134. Vgl. ebd., S. 134. Über diesen in Dresden bewältigten Balanceakt schrieb etwa Johanns Frau Amalie Auguste an ihre Tochter bezüglich einer Hofreform im Herzogtum Genua: „Ich kann mir denken[,] d[a]ß: nach dem langen Zwang u.[nd] der großen Steifh:[eit] das rechte Maß nicht leicht gefunden wird; ich denke[,] darin kannst Du recht nützlich seyn, da Du an dem hiesigen u.[nd] berliner Hofe gesehen hast[,] d[a]ß: man Annehmlichkeit u.[nd] Würde sehr gut vereinigen kann.“, Amalie Auguste an Elisabeth, 29.06.1850, zitiert nach ebd., S. 138. Gemeint ist Elisabeths Elternhaus, die Wittelsbacher Nebenlinie der Herzöge in Bayern, insbesondere ihr Vater, Herzog Max. Johann an Elisabeth, 07.10.1868, zitiert nach ebd., S. 137.

2.7 ZUM VERHÄLTNIS VON PRIVATHEIT UND ÖFFENTLICHKEIT

69

Gerade in Bezug auf das äußerst ambivalente Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit und die öffentlichen Ansprüche an die Herrscher ist die österreichische Kaiserin eine interessante Figur. Wurde Elisabeths Zurückgezogenheit einerseits zeitlebens von ihren Untertanen kritisiert, wurde andererseits versucht, für ihr Verhalten rechtfertigende Motive zu finden, wie sie etwa die Trauer um den Selbstmord ihres Sohnes bot. Bereits kurz nach ihrem Tod, und demnach noch während des Bestandes des Habsburgerreiches, begann eine romantische Verklärung der Kaiserin, die sie zur Sympathieträgerin werden ließ. Nun wurde Elisabeth zum Opfer des Zeremoniells erklärt, welches jegliche Freiheitsliebe und Bürgerlichkeit in ihr unterdrückt hätte.275 Gleiches gilt auch für die in diesem Punkt recht ähnliche Biografie ihres Cousins, Ludwig II. von Bayern, der ebenfalls zu Lebzeiten für seine fehlende öffentliche Präsenz stark kritisiert wurde, um dann nach seiner Absetzung 1886 umso größere Sympathien hervorzurufen.276 Der von Elisabeth und Ludwig repräsentierte, „vom Unglück geschlagene“ Monarchentypus ist seit dem 19. Jahrhundert durchweg ein beliebtes Sujet der Unterhaltungsbranche geblieben.277 Diese posthume Verehrung wurde allerdings nicht allen öffentlichkeitsscheuen Bundesfürsten zuteil – sie stellte vielmehr die Ausnahme dar. Gerade für die Akzeptanz der Bundesfürsten nach 1871 wurde die Ausübung ihrer Repräsentativaufgaben immer wichtiger. Vermieden sie den Umgang mit der Öffentlichkeit, wie beispielsweise Victoria Melita von Hessen und bei Rhein, ließ sich Kritik an diesem Verhalten nicht mehr unterdrücken,278 während ein besonders volksnahes Auftreten, wie es etwa die sächsische Kronprinzessin Luise an den Tag legte, zahlreiche Befürworter fand.279 In Luises Fall hatte ihre leutselige Art sogar viele Sympathien geweckt, die auch noch nach ihrer Flucht vom sächsischen Hof Bestand hatten und sich in diversen Popularitätsbekundungen ausdrückten.280 Zu einer Rückkehr nach Sachsen vermochten die zahlreichen Anhänger Luise jedoch nicht verhelfen, wenngleich die ehemalige Kronprinzessin sogar von einer

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276

277 278 279 280

Vgl. Juliane Vogel: Elisabeth von Österreich: Momente aus dem Leben einer Kunstfigur. Mit einem kunstgeschichtlichen Exkurs von Gabriela Christen, Frankfurt/M., umfassend überarb. NeuAufl., 1998, S. 14–30, ausführlich zur problematischen Beziehung Elisabeths zum Zeremoniell Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen, München u. a. 2012 [1981]. Zur Ludwig-Rezeption gibt es eine ganze Fülle von Publikationen. Als Auswahl seien hier genannt Katharina Sykora (Hrsg.): „Ein Bild von einem Mann“. Ludwig II. von Bayern; Konstruktion und Rezeption eines Mythos, Frankfurt/M. u. a. 2004; Katharina Sykora: Souvenir, Souvenir – Erinnerungspraktiken an Ludwig II. von Bayern, in: Peter Wolf (Hrsg.): Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit; Aufsätze zur bayerischen Landesausstellung 2011, Augsburg 2011, S. 227–235; Bernd Kiefer: Vom Traum-König zum IllusionsKünstler – Das Nachleben Ludwigs II. in Literatur und Film, in: Wolf: Götterdämmerung, 2011, S. 246–256. Vogel: Elisabeth, 1998, S. 24. Vgl. Kapitel 5.2. Vgl. Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013, S. 251. Vgl. Toskana: Mein Leben, 1988 [1911], S. 197, Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013, S. 284.

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2. HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE BUNDESFÜRSTEN IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT

Erhebung des Volkes zu ihren Gunsten geträumt hatte.281 Stattdessen schenkten Luises Anhänger ihre Sympathien wenig später deren nun verlassenem Ehemann Friedrich August III., der wie seine Frau für seine joviale Art bekannt wurde.282 Dass das monarchische Streben nach Popularität und die damit verbundene Untertanenliebe daher zuweilen der Wanderung auf einem schmalen Grat gleichkam, verdeutlicht dieser Fall besonders eindrücklich.

2.8

Zwischenfazit

Wie die vorangegangenen Überlegungen zeigen, waren in der Zeit von 1848 bis 1918 alle Lebensbereiche erheblichen Veränderungen unterworfen. Auch seitens der Bundesfürsten forderten diese ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. So mussten neue Legitimitätskonzepte entworfen werden, die einerseits die Althergebrachtheit der Monarchie betonten, andererseits ihre Zukunftsfähigkeit als Integrationssymbol für alle Untertanen belegten. Ebenso ließ sich die Einbindung der Monarchen ins Verfassungsgefüge nicht mehr aufhalten, wenngleich die Ausgestaltung in den Bundesstaaten durchaus unterschiedlich aussah und es immer wieder Rückschläge für die demokratische Beteiligung der Bevölkerung gab. Die Stellung der Bundesfürsten im neuen Reichsverband musste bis 1918 sowohl in Abgrenzung zum Kaisertum als auch in Abgrenzung zum Adel stets neu austariert werden und bot ein ständig schwelendes Konfliktpotential. Schließlich waren die technischen Weiterentwicklungen so enorm, dass alle Bereiche des Lebens von zunehmender Beschleunigung gekennzeichnet waren. Insbesondere die Fortschritte im Mediensektor führten dazu, dass der Herrschaftsinszenierung im 19. Jahrhundert eine neue Bedeutung zukam. Nicht nur musste diese nun an die neuen Mittel der Zeit angepasst werden, sondern sie verlangte von den Herrschern auch eine Neubewertung privater und öffentlicher Lebensbereiche. Die Reaktionen der Monarchen auf all diese Herausforderungen waren abhängig von der jeweiligen Regierungszeit und deren Länge, ihrem Herkunftsland, ihrer Regierungsqualifikation, ihrem Intellekt sowie ihrem jeweiligen Alter. Zudem waren die hier geschilderten Veränderungen so komplex, dass ihnen bei Weitem nicht von der Person des Herrschers allein begegnet werden konnte, sondern einen gesamten Stab aus Ministern, Beamten und Beratern notwendig werden ließen. Die zunehmende Entwicklung hin zu einer immer häufiger auf Spezialwissen

281

282

In ihren rechtfertigenden und stellenweise häufig auch übertreibenden Memoiren schrieb Luise über ihre kurze Rückkehr nach Sachsen: „Wäre ich damals noch vierundzwanzig Stunden in Sachsen geblieben, so wäre eine Revolution ausgebrochen.“, Toskana: Mein Leben, 1988 [1911], S. 196. Vgl. Kapitel 5.1.

2.8 ZWISCHENFAZIT

71

angewiesenen Beherrschbarkeit der Umstände war hier bereits vollends zum Tragen gekommen. Aus diesem Grunde ist es auch schwierig, das Verhalten der Bundesfürsten der Öffentlichkeit gegenüber nur als Ausdruck der individuellen Verfasstheit des Monarchen zu sehen. Obwohl diesem als Souverän natürlich fast immer die letzte Entscheidungsgewalt zukam, gilt es bei der Bewertung der folgenden Untersuchungsfelder, sich auch dessen Gebundenheit in familiäre, dynastische und staatliche Verbände sowie zeitgenössische Entwicklungen und Normen vor Augen zu führen. Erst unter diesem Gesichtspunkt lassen sich die Maßnahmen einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation der Bundesfürsten bewerten.

3.

„Die Kunst die Herzen zu gewinnen“283 – Maximilian II. und das Streben nach Popularität

3.1

Theoretische Überlegungen des Königs und seiner Berater

Der Frage, welche Rolle die eigene Popularität für Monarchen spielte und wie sie sich selbst inszenierten, kann aufgrund der Quellanlage nur schwer beantwortet werden.284 Dies liegt in der Natur der schriftlichen Überlieferung: Auch wenn ein Herrscher sich Gedanken bezüglich dieser Thematik machte, brachte er sie nur selten zu Papier. Höchstens indirekt kamen solche Ideen in Briefen oder testamentarischen Schreiben an die eigenen Nachfolger zum Ausdruck. Aus diesem Grund haben die Aufzeichnungen König Maximilians II. von Bayern seine eigene Popularität betreffend in ihrer Vielfalt Seltenheitswert und werden hier, da sie das Spektrum der Überlegungen zu öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen um 1850 aufzeigen, gesondert vorgestellt. König Maximilian II. von Bayern steht angesichts seines Vorgängers, Ludwig I., und seines ihm nachfolgenden Sohnes, Ludwig II., im populären Gedächtnis wie in der geschichtswissenschaftlichen Forschung im Abseits. Dabei sind die Gründe weniger in seinem Handeln zu suchen, welches dem seines Vaters in vielen Dingen ähnelte, als vielmehr in der geringer ausgeprägten Stilisierung seiner Person durch Zeitgenossen und Nachwelt. Diese Wahrnehmung widerspricht jedoch Maximilians Bemühungen, Bleibendes für sein Land zu schaffen, wie es sich etwa in seiner engagierten Förderung der Wissenschaften285 oder der Etablierung eines bayerischen Nationalgefühls äußerte.286 In der Bewertung der Persönlichkeit des Königs sind sich Zeitgenossen und Historiker recht einig. So habe dieser „Vertrauenswürdigkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Maß und Toleranz, Erziehung, Bildung und Geist“ besessen und sei frei „von jeder opportunen, feilen Selbstdarstellung“ gewesen.287 Andererseits hätten jedoch Züge von „Hypochondrie, Schöngeisterei,

283 284 285

286 287

BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.9. Vgl. Kapitel 1.6. Siehe dazu Achim Sing: Die Wissenschaftspolitik Maximilians II. von Bayern (1848–1864). Nordlichterstreit und gelehrtes Leben in München, Berlin 1996; Ulrike Leutheusser (Hrsg.): „Dem Geist alle Tore öffnen“. König Maximilian II. von Bayern und die Wissenschaft, München 2009. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991. Michael Dirrigl: Maximilian II. König von Bayern 1848–1864 Teil II (= Das Kulturkönigtum der Wittelsbacher. Studien zur Literatur-, Kunst-, Kultur- und Geistesgeschichte Bayerns, Bd. 2), München 1984, S. 1556.

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3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

Tändelei, Unruhe und Schwäche“ das Wesen des Königs bestimmt, wie der österreichische Gesandte Schönburg in München vermerkte.288 Diese ambivalente Einschätzung durchzieht viele Charakterbeschreibungen. Immer wieder wird hervorgehoben, wie pflichtbewusst der König gewesen sei, wie sehr er sein Volk geliebt habe289 und wie schwer ihm doch der Umgang mit Menschen gefallen sei. Bezüglich der Selbstdarstellung des bayerischen Landesherrn konstatierte Michael Dirrigl zusammenfassend in seiner Biografie: „Maximilian II. gewann nicht die Popularität seines Vaters. Es sei dahingestellt, ob er sie erstrebte.“290 Bei genauerer Untersuchung des Nachlasses Maximilians II. lässt sich jedoch zweifelsohne belegen, dass dem bayerischen König seine Popularität äußerst wichtig war und ihn die Frage, wie er diese erreichen und stabilisieren könne, zeitlebens beschäftigte. Bereits in seiner Zeit als Kronprinz hatte er Gutachten seiner Berater angefordert, die aufzeigen sollten, welche Rolle die Beliebtheit des Königs spiele und wie diese zu gewinnen sei.291 Auch die während der Mitte des 19. Jahrhunderts bei Staatsmännern und Diplomaten beliebten Aufzeichnungen eines nachgeborenen Prinzen,292 die von Christoph Friedrich Karl von Kölle verfasst wurden und zahlreiche, einem Fürstenspiegel gleichkommende Anregungen zur Popularitätssteigerung enthalten, findet sich in Abschriften in seinem Nachlass.293 Des Weiteren ließ sich Maximilian von seinen Regierungspräsidenten in regelmäßigen Abständen über die Stimmung der Bevölkerung und deren Meinung über den Monarchen informieren.294 Wahrscheinlich auf der Grundlage dieser Berichte verfasste der König mehrere Listen, welche die wesentlichen Elemente seiner Öffentlichkeitsarbeit zusammenfassten.295 Dieses Vorgehen war dabei typisch für die Arbeitsweise Maximilians II., der häufig als Monarch beschrieben wurde, der für jede Frage, die ihn beschäftigte, mehrere Meinungen einholte. Im Anschluss, so eine häufige Kritik, sei ihm dann allerdings eine klare Entscheidung schwergefallen.296 Das Erstellen von Listen war dabei ein besonders beliebtes Arbeitsmittel des bayerischen Königs für alle Lebensfragen. So finden sich in seinem Nachlass solch kuriose Listen wie Bei einer

288 289 290 291 292 293 294 295 296

Zitiert nach Sing: Die Wissenschaftspolitik, 1996, S. 14. Wilhelm Heinrich Riehl: Kulturgeschichtliche Charakterköpfe. Aus der Erinnerung gezeichnet, Stuttgart 1891, S. 329. Dirrigl: Maximilian II., 1984, S. 1582. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.6, Zur Physiognomik von München, n. fol. Vgl. Christoph Friedrich Karl Kölle: Aufzeichnungen eines nachgeborenen Prinzen aus der nachgelassenen französischen Handschrift, Stuttgart, Tübingen 1841. Vgl. Ingolf Bauer: König Maximilian II., sein Volk und die Gründung des Bayerischen Nationalmuseums, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (1988), S. 1–38, hier S. 4. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.4, Allgemeine Volksstimmung gegen die Person des Königs, n. fol. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.4., n. fol.

3.1 THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN DES KÖNIGS UND SEINER BERATER

75

Feuersgefahr zu Rettendes, Gegenstände der Unterhaltung auf Spaziergängen, Wege zur Bewältigung peinigender Gedanken,297 aber auch über alle denkbaren Themen von Ackerbau bis Wohltätigkeit.298 Besonders wichtige Themen fasste der König nochmals in Listen zusammen mit den Titeln Zu Betreibendes, Zu Beachtendes oder Was (zu verwirklichen) bleibt; diese ließ er sich je nach Thematik in Abständen von einer Woche, einem, drei oder sechs Monaten bzw. einem Jahr wieder vorlegen.299 Zum Thema Popularität finden sich Überlegungen Maximilians II. und seiner Berater aus der Zeit zwischen 1837 und 1857, also einem Zeitraum von 20 Jahren. Dass diese Aufzeichnungen in mehreren Versionen und mit zahlreichen Unterstreichungen und Markierungen erhalten sind, lässt auf einen häufigen Gebrauch dieser Dokumente schließen. Unter den gesammelten Schreiben mit Empfehlungen für Maximilian II. ist eines der frühesten besonders interessant. Unter dem Titel Zur Physiognomik von München werden zahlreiche Ratschläge geliefert, welche besonderen Erwartungen die Bewohner der Residenzstadt an ihren Monarchen hätten.300 Gleich zu Beginn wird dabei klargestellt, dass „[u]nter den Münchnern […] hier nicht der höhere Theil der Gesellschaft verstanden [wird], dem das bestimmte Gepräge fehlt, und der ebenso gut der Adel einer anderen Stadt als der Münchens seyn könnte“, sondern die einfachen Bewohner. Diese werden allerdings nicht genauer charakterisiert; das später gezeichnete Bild der Münchner Stände skizziert sowohl das Bürgertum als auch das einfache Volk äußerst negativ. Da allerdings mit Letzterem, so der unbekannte Verfasser der Schrift, „kein Contact“ möglich sei, können letztlich nur Bürgerliche, Beamte und Angehörige des Militärs gemeint sein. Das „Haupterforderniß“ an den König seitens der Münchner, so der Bericht, sei es, „[s]ichtbar zu seyn“. Dies bedeute nicht nur, dass das Königshaus bei öffentlichen Feierlichkeiten, Volksfesten, Universitätsvorlesungen, Prozessionen, Bällen, Theateraufführungen, Preisverteilungen, Prüfungen usw. anwesend sein solle, sondern „auch beim Entferntseyn“ aus der Residenz „wohlbemessene kleine Anzeigen und Notizen in Zeitungsblättern wünschenswert“ seien. Des Weiteren solle „die erlauchte Gegenwart unceremoniös, ja selbst überraschend“ sein. Da die meisten Untertanen in bescheidenen Verhältnissen lebten, sei eine prachtvolle Kleidung des Königs unangemessen. Dieser Vorschlag der Anpassung an die Bevölkerung ist dabei typisch für das 19. Jahrhundert und wurde von vielen Monarchen befolgt, da er meist dem eigenen Bedürfnis nach bequemerer Kleidung entsprach.301 Als ebenfalls förderlich für die eigene Popularität wurde ein intaktes Familienleben am Hofe gewertet, welches nach außen durch gemeinsame Auftritte 297 298 299 300 301

Sing: Die Memoiren, 1997, S. 32. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 75p. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 34a–c, vgl. zur Praxis der Listen auch: Sing: Die Wissenschaftspolitik, 1996, S. 33 f. Alle folgenden Zitate aus: BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.6, Zur Physiognomik von München. Vgl. Kapitel 6.2.2.2.

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3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

und Gespräche sichtbar gemacht werden sollte. Auch dieser Hinweis ist durchaus zeittypisch und entspringt der romantischen Vorstellung von Liebe und familiärem Zusammenhalt, welche die erste Familie des Landes in eine Vorbildfunktion rückte.302 Darüber hinaus wurde der Besuch von Künstlern, Gelehrten, Fabriken und Werkstätten empfohlen. Dabei seien volksnahe Gesten stets gefragt: „[S]o hat es die hiesige gesammte Bürgerschaft entzückt, als Ew. Königl. Hoheit [Kronprinz Maximilian, A. S.] in dem Pschorr-Bräuhause auf das Wohl der Familie tranken“. Zudem sei es „sehr wünschenswert, daß fürstliche Personen bei Unglücksfällen herbeieilen, und durch ihre vielvermögende Gegenwart anfeuern, z. B. bei Bränden, Wassernoth, Häuser-Einsturz oder was sich sonst Ungewöhnliches ereignet“. Zum Abschluss des Berichtes gab der Autor noch einmal elf ganz konkrete Hinweise, welche Maßnahmen Maximilian ergreifen könne. Dabei wurden u. a. folgende Punkte – wahrscheinlich vom Kronprinzen selbst – unterstrichen: „4. Besuch des Kranken- und Waisenhauses. In letzteren einige Bestellungen auf weibl[iche] Handarbeiten zu geben, da dort ausgezeichnet schön genäht wird. 5. Besuch der Kurz’schen Anstalt für krüppelhafte Kinder, von dem Unternehmer vielfach erbeten. […] 10. Preise auszusetzen für das beßte Gedicht irgend einer Gattung, das beßte historische Gemälde etc.“

Insgesamt zeigt dieser Bericht neben den anderen sich im Nachlass befindenden, später erschienenen Empfehlungen schon die gesamte Bandbreite monarchischer Kontakte zur Öffentlichkeit auf, die um 1850 möglich und denkbar waren. Besonderen Stellenwert erhalten diese Schreiben im Zusammenhang mit einer anderen Umfrage, die Maximilian unter seinen Beratern in Auftrag gab, nämlich: Auf welche Klassen sich zu stützen?303 Diesbezüglich gab es durchaus unterschiedliche Empfehlungen. Maximilian zog für sich selbst aber den Schluss, dass das Bürgertum der am besten geeignete Stand für die Stabilität der Monarchie sei. Dieses setzte er an die Spitze seiner Hierarchie, die danach in ihrer Wichtigkeit absteigend Klerus, Militär und Beamte, Adel, Intelligenz und durch Gutsbesitzer geleitete, also beeinflusste Bauern nannte.304 Insgesamt ist diese Aufzählung aufschlussreich für die Situation der Monarchie um 1850 in Bayern. Zum einen ist die weiterhin wichtige Stellung der Kirche zu beachten, welche sich in der Revolution von 1848 als „wichtigstes Bollwerk“ der Monarchie erwiesen hatte.305 Dem Adel und der Intelligenz kam dagegen in den Augen Maximilians keine so wichtige Rolle zu. Da der König sich aber entschied, im Bürgertum den wichtigsten Adressaten und Pfeiler seines Königtums zu sehen, handelte er nur folgerichtig, wenn er diesem in seinen Überlegungen zur Popularität einen hohen Stellenwert einräumte.

302 303 304 305

Vgl. Kapitel 4.2. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 109. Die Gutachten zu dieser Frage erfolgten in den Jahren 1851–1859, vgl. ebd., S. 110–124. Vgl. ebd., S. 131 f. Ebd., S. 132.

3.1 THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN DES KÖNIGS UND SEINER BERATER

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Welche Schlüsse zog nun Maximilian aus diesen Gutachten? Eine der frühesten Zusammenfassungen, die der König auf Grundlage seiner beratenden Schreiben 1850 anfertigte, trägt den Titel Es ist wünschenswerth, daß man in der öffentlichen Meinung von Mir anerkenne und führt dabei folgende Punkte an: „ 1. daß Ich jeder vernünftigen Freyheit hold bin, 2. jedes wohlerworbene, gegründete Recht schütze und achte, 3. daß Ich für Erhaltung der unabhängigen Stellung Bayerns, dabey aber auch für vernünftige Einheit Deutschlands und deutsche Größe, – 4. daß Ich wohlwollend – dabei fest und streng in Aufrechthaltung der Gesetze und Ahndung der Uebertreter derselben, 5. daß Ich die Autorität des Königthums festhalte und mit aller Kraft für sie in die Schranken trete, 6. daß ich dankbar für bewiesene Treue und Anhänglichkeit 7. ein Förderer des Staatswohles in jeder Richtung bin.“306

In einer späteren Fassung wird dieser Entwurf noch um zwei weitere Punkte ergänzt: „ [1.] daß man meine Liebe zum Volk u. zum bayerischen Wesen merken u. wisse, daß ich darauf stolz bin [2.] Förderer des Staatswohles in jeder Richtung – namentlich durch Hebung der Finanzen, der Armee, der inneren u. der äusseren Politik, Erziehung und Wohltätigkeit, Kunst u. Wissenschaft.“307

In weiteren Ausführungen ändert sich die Reihenfolge, wobei die Erhaltung der unabhängigen Stellung Bayerns nun immer als erster Punkt genannt wird.308 Die häufige Arbeit mit diesen Aufzählungen verweist darauf, dass sich der König eingehend mit seiner Fremdwahrnehmung beschäftigte und ihm die Wirkung seiner eigenen Person und seiner Handlungen auf seine Untertanen wichtig war. Gemäßigt liberal, gerecht, wohlwollend, mäzenatisch, wohltätig, für Bayerns Rolle eintretend und patriotisch gesinnt sind dabei wohl die wesentlichen Attribute, die der König mit seiner Person verbunden wissen wollte. Um diese Eigenschaften entsprechend zu inszenieren, ließ der König nun mehrere Übersichten ausarbeiten, welche konkrete Maßnahmen zur Steigerung seiner Popularität enthalten sollten. Unter dem Titel Mittel der Popularität und Hebel des Königlichen Ansehens wurden unter den Rubriken Belohnungen, Wohltätigkeit, Persönliche Verhältnisse, Hofverhältnisse, Staatsverhältnisse und Sorge für Annehmlichkeiten genaue Maßnahmen zusammengefasst. So wurden unter Belohnungen etwa eigenhändige Schreiben des Königs vorgeschlagen, im Bereich Wohltätigkeit die Unterstützung von Literaten und Journalisten, von denen sicherlich eine Verbreitung eines positiven Königsbildes erhofft wurde, sowie „Bestellung von Arbeiten bei tüchtigen Gewerbeleuten, Bildern bei Künstlern“. Weitere genannte Maßnahmen waren „kleine Aufmerksamkeiten im 306 307 308

BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.3, Aufzeichnung des Königs, Nymphenburg, 15. Juni 1850. Ebd. 1.1.3. Ebd.

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3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

Verkehr mit dem Volke, Besuch von Läden, bei Festlichkeiten, Liedertafeln“, „Unvermuthetes zwangloses Erscheinen, bei dem Exercieren der Freicorps, auf der Studentenhauptwache“, „Anwohnen friedlicher Processionen, […] Erscheinen im Theater, Concerten, Interesse an den anziehenderen Städten zu zeigen, […] Besuch von Unterrichtsanstalten, Fabriken, interessanten Gewerbestätten, Magazinen, Gesundheitsanstalten, […] der Viktualien-Märkte, […] der Plätze wo öffentl. Arbeiten stattfinden ([Erkundigung nach der, A. S.] Zufriedenheit der Arbeiter, Verbesserung ihrer Lage.)“ Aber auch die Verschönerung der Gartenanlagen Münchens wurde als Vorschlag genannt.309 Diese Tabelle wurde in Teilen in anderen Ausführungen wiederholt bzw. durch weitere Listen ergänzt. Solch eine Ergänzung stellt unter anderem die Auflistung Erkundigungen S. M. bei Gelegenheit der Reisen im Innland dar, welche 14 Fragenkomplexe aufführt, die der König bei einer Reise stellen könnte, wie z. B. ob es Zweifel an der guten Gesinnung und Anhänglichkeit an das Fürstenhaus gäbe, aber auch allgemeine Fragen, z. B. wie es um die Pflege der Schafzucht, der Gemeindeverwaltung, der Wohltätigkeitsorganisationen, der öffentlichen Sicherheit bestellt sei und ob eine Schützengilde bestünde.310 Eine weitere Liste widmete sich den Feyerlichkeiten und Festlichkeiten in München, wobei Seine Majestät der König Veranlassung haben, mit dem Volk in Berührung zu treten. Diese führt verschiedene Anlässe auf, welche der König besuchen könnte, wie z. B. Theater und Konzerte, kirchliche Prozessionen und Litaneien, aber auch Volksfeste wie Dulten,311 den Metzgersprung am Faschingsdienstag, das Künstlerfest in der Menterschwaige, das Magdalenenfest in Nymphenburg oder die Stiftungsfeier der Akademie der Wissenschaften, um nur einige zu nennen.312 Insgesamt wurden in einer weiteren Ausführung 30 spezielle Anlässe genannt, zu welchen ein Erscheinen des Königs angeraten sei.313 Darüber hinaus sollte der persönliche Kontakt des Königs zu seinen Untertanen durch weitere Visiten gepflegt werden. So wurden in der gleichen Übersicht der Besuch von 21 Militärstellen wie Kasernen und Pulverfabriken, von 28 öffentlichen Einrichtungen wie Archiven, Gefängnissen, Krankenhäusern und Schulen, von 18 Läden, 13 Fabriken wie etwa für Buntpapier, Kerzen, Seide etc., und neun Werkstätten vorgeschlagen. Über die Frequenz dieser Besuche ist interessanterweise ein Kommentar in der ersten Person in dieser Tabelle eingefügt – sonst ist immer nur von „Seiner Majestät“ die Rede –, was auf eine persönlich diktierte Notiz des Königs

309 310

311 312 313

Ebd., 1.1.5. Ebd., 1.1.2, die Frage nach der Schützengilde deutet auf die Förderung des Schützenwesens durch Maximilian II. als Teil der Inszenierung eines volksnahen Königtums hin. So etablierte Maximilian II. als einziger König das sogenannte Königsschießen, welches häufig an seinem Namenstag in unterschiedlichen bayerischen Städten stattfand und durch den Besuch des Königs sowie die Stiftung eines Preisgelds ausgezeichnet wurde, siehe dazu Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 376–383. Ein süddeutscher Begriff für jahrmarktähnliche Feste. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.8. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 56.

3.1 THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN DES KÖNIGS UND SEINER BERATER

79

hinweist. Dieser beabsichtigt demnach: „Wöchentlich 1 mal Mich in der Stadt zu zeigen und monatlich 2 mal Läden zu besuchen“.314 Auffallend ist die Schwerpunktlegung auf den Kontakt zu Künstlern: So wurden insgesamt 35 Maler von Adam315 über Wilhelm von Kaulbach, Moritz von Schwind und Joseph Stieler zu Zimmermann,316 sechs Bildhauer, zwei Kupferstecher sowie die lithografische Kunstanstalt Hanfstaengls, des späteren Hoffotografen, und der xylografischen317 Anstalt der Fliegenden Blätter, einer illustrierten Wochenschrift, für einen Atelierbesuch vorgeschlagen.318 Als Motiv für diese Konzentration auf die Kunstschaffenden ist sicherlich das Mäzenatenverständnis des bayerischen Königs zu sehen, dessen Vater bereits bestrebt war, München zur Hauptstadt der Kunst zu machen.319 Dementsprechend sah es auch Maximilian II. als seine Aufgabe, immer wieder Bilder bei Künstlern in Auftrag zu geben. Andererseits deutete sich durch die Einbeziehung der beiden Kunstanstalten ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung der aufkommenden Massenmedien an, welche bald die Relevanz des klassischen Porträts für die Außenwirkung der Monarchie in den Schatten stellen sollten. Bei Berücksichtigung aller vorgeschlagenen Maßnahmen fällt auf, dass der König eben nicht nur auf sein politisches Handeln achten sollte, sondern dass seinem repräsentativen und integrativen Handeln zunehmend Bedeutung zukam. Die Existenz der hier vorgestellten Listen belegt, dass sich Maximilian II. und sein Beraterstab ausgiebige Gedanken um die Popularität des Königs machten und sich Strategien überlegten, wie diese erhalten bzw. gesteigert werden könnte. Dieses Bemühen ist umso beachtlicher angesichts der Tatsache, dass sich Maximilian II. durchaus noch als König von Gottes Gnaden wahrnahm, der beispielsweise die Zugeständnisse von 1848 als äußerst schmerzvoll empfand.320 Im Folgenden soll untersucht werden, ob die für sich schon beachtlichen theoretischen Maßnahmen auch in der Praxis umgesetzt wurden.

314 315 316 317 318 319 320

Ebd. Welcher Maler der Künstlerfamilie Adam genau gemeint ist, bleibt unklar. Welcher Maler der Künstlerfamilie Zimmermann genau gemeint ist, bleibt unklar. Xylografie bezeichnet die Kunst des Holzschnittes. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 56. Vgl. Frank Büttner: Ludwig I. Kunstförderung und Kunstpolitik, in: Schmid u. a.: Die Herrscher, 2001. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 82 f.

80

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

3.2

Umgesetzte Maßnahmen

3.2.1

Der Umgang des Königs mit der Öffentlichkeit

Betrachtet man die zahlreichen Schilderungen von Zeitgenossen, die den Umgang Maximilians II. mit der Öffentlichkeit beschreiben, lässt sich zunächst feststellen, dass dem König ein zwangloser Verkehr mit seinen Untertanen häufig nicht leicht fiel, er diese zuweilen mied und sich in depressiven Phasen geradezu von diesen abkapselte.321 So konstatiert Achim Sing, der bayerische König „verzichtete auf Pomp und monarchische Repräsentation. Maximilian II. war kein volkstümlicher, leutseliger Herrscher, sondern er erschien meist kühl, distanziert und hölzern“.322 Auch Friedrich Bodenstedt, ein befreundeter Schriftsteller des Königs, meinte, dass dieser „kein sonderlicher Freund von lärmenden Freudendemonstrationen [war]. Er wußte sie, wenn sie von Herzen kamen, in herzgewinnender Weise entgegenzunehmen, aber seine Gedanken wandten sich bald wieder anderen Dingen zu.“323 Unter diesem Geschichtspunkt sind die Aufzeichnungen des Königs seine Popularität betreffend sicherlich auch als eigener Ansporn zu einem öffentlichkeitswirksamen Auftreten zu verstehen. Treffend schilderte Maximilians Umgang mit der Öffentlichkeit wohl der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl.324 Dieser erwähnte in einem Gespräch mit dem König die von Ludwig I. eingeführte Sitte, „derzufolge der König sich im bürgerlichen Oberrock, häufig ganz allein, in den Straßen der Hauptstadt unter seinen Bürgern bewegte und ebenso anspruchslos bei Volksfesten, Konzerten und dergleichen sich unter das Publikum mischte“. Besonders während der großen Odeonkonzerte sei Ludwig I. so lange im Saal herumgegangen, um sich mit allen zu unterhalten, dass die Pause zuweilen so lang währte wie das Konzert. „König Max entgegnete, diese Sitte sei von seinem Vater eingeführt, darum halte auch er sie aufrecht, und weil er ihre Bedeutung nicht unterschätze; denn das Volk solle seinen Fürsten sehen und überall mit ihm reden können. Im stillen aber beneide er doch die andern Zuhörer, welche das unschätzbare Privilegium genössen, daß sie ruhig auf ihren Stühlen sitzen bleiben und die eben gehörte Symphonie bedenken dürften.“325

Maximilian hielt es demnach für seine „Regentenpflicht“,326 sich bei allen möglichen Anlässen im Lande zu zeigen, obschon er sich diesbezüglich immer wieder überwinden musste. Andererseits war er aber doch in seiner königlichen Eitelkeit 321 322 323 324

325 326

Vgl. Sing: Die Memoiren, 1997, S. 33. Sing: Die Wissenschaftspolitik, 1996, S. 18. Bodenstedt: Eine Königsreise, 1883, S. 59. Zum Verhältnis von Riehl und Maximilian II. siehe Wolfram Siemann: „Stets bemüht, meine neue Heimat hochzuhalten“. Der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897), in: Leutheusser, Dem Geist, 2009, S. 117–129. Riehl: Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, 1891, S. 347. Ebd., S. 346.

3.2 UMGESETZTE MAßNAHMEN

81

gekränkt, wenn er von seinen Untertanen nicht erkannt wurde.327 Aufgrund seiner Unsicherheit in Bezug auf die eigene Beliebtheit war die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber seiner Person ein Thema, welches ihn immer wieder beschäftigte. Dies zeigen die erhaltenen Berichte der Regierungspräsidenten im Nachlass des Königs, welche ein durchaus differenziertes Bild skizzieren. Eine zusammenfassende, leider undatierte Abhandlung328 über die Allgemeine Volksstimmung gegen die Person des Königs hielt fest, dass „die Stimmung gegen die Person des Königs als eine sehr gute bezeichnet werden“ kann und „daß man allwärts lebhaft fühle u. anerkenne, wie der König von dem beßten Willen für das materielle u. geistige Wohl seines Volkes wahrhaft bestrebt und wie derselbe unabläßig für das Wohl seiner Unterthanen zu wirken bestrebt sey“. Aufgrund dieses Willens genieße der Monarch „die ungetheilte Liebe seines Volkes im Allgemeinen“. Allerdings, so der Bericht weiter, würden vielerorts die mangelnde Tatkraft des Königs und seine Entscheidungsschwäche kritisiert. Man wolle gerade kein Ministerregiment, sondern „das monarchisch gesinnte Volk“ würde es begrüßen, „wenn es sieht, daß der König selbst das Ruder führt, selbst prüft und rasch, entschieden und entschlossen nach eigenem weisen Ermessen u. Willen innerhalb der gesetzlichen Schranken entscheidet und handelt“. Der Autor des Berichts drückte zwar seine Verwunderung aus, wie diese „irrige“ Ansicht zustande käme, gab aber auch gleich Mutmaßungen über die Entstehung ab und riet, welche Maßnahmen dagegen zu ergreifen seien.329 Auch auf die bekannte Antipathie Maximilians II. gegenüber der ultramontanen Partei wird eingegangen und diesbezüglich zur Rücksichtnahme geraten, da „[m]anche glauben, […] daß der König schon jeden guten Katholiken gleich für einen Ultramontanen halte, was um so übler gedeutet werde, als gerade die guten Katholiken am conservativsten gesinnt seien“. Einer der ständigen Kritikpunkte an Maximilian II., die Berufung protestantischer, norddeutscher Gelehrter nach München,330 wurde dagegen als weniger gefährlich eingestuft, da dieser Aspekt nur die Gemüter der „inländischen Gelehrten und d[er] ultramontane[n] Partei“ errege, aber nicht den „übrige[n] Theil der Bevölkerung kümmert“. Schließlich endete der Bericht mit dem Hinweis, dass der König „bei Reisen in den Provinzen sich nicht alle Empfangs-Feierlichkeiten verbiete[n]“ solle. Da sich „jeder Minister, Präsident, selbst der General-BergwerksAdministrator mehr Ehren auf Reisen erweisen läßt als der Monarch“, seien die Leute verunsichert und gekränkt angesichts der zurückgewiesenen Ehrerbietung, welche der vielleicht einmalige Königsbesuch geboten habe. Dies würde wiederum 327 328

329

330

Vgl. ebd., S. 346. Der Bericht stammt wahrscheinlich aus der Mitte der 1850er-Jahre, BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.4. Daraus sind auch die folgenden Zitate entnommen. Dies wäre etwa: „Rasche Besetzung erledigter höherer Stellen, schnelle Erledigung der oft bedeutungslosen Anträge der Ministerien p. p. Vorsicht in Auswahl der zu befragenden Persönlichkeiten: dieß dürften wesentliche Mittel sein, das verbreitete Vorurtheil in kurzer Zeit zu beseitigen.“ Vgl. Sing: Die Wissenschaftspolitik, 1996; Leutheusser, Dem Geist, 2009.

82

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

dem königlichen Ansehen ebenso schaden wie ganz unterlassene Besuche. Die fehlende Präsenz des Monarchen und die damit verbundene Missstimmung wurden demnach eindeutig als Gefahr für das Ansehen der Monarchie gewertet. Alle Vorschläge zur Popularitätssteigerung betonen daher immer wieder die Bedeutung des persönlichen Kontakts des Königs zu seinen Untertanen.

3.2.2

Maximilians Maßnahmen zur Hebung des bayerischen Nationalgefühls

Die Unruhen von 1848, welche zur Thronbesteigung Maximilians geführt hatten, hatten das Legitimitätsproblem der Monarchie auch in Bayern mehr als deutlich werden lassen. Das Gottesgnadentum bot keine ausreichende Legitimationsgrundlage mehr und die Anerkennung des Monarchen durch die Untertanen schwand zunehmend angesichts der restaurativen Unterdrückungspolitik. Um diese Anerkennung wieder zu erlangen, beschloss Maximilian ein vielseitiges Programm, welches das Ziel hatte, ein bayerisches Nationalgefühl zu etablieren und den Gefahren, die der Eigenständigkeit der Monarchie in Bayern drohten, zu begegnen.331 Manfred Hanisch hat die wichtigsten Elemente dieser Politik herausgearbeitet, deren Ziel es war, durch Betonung des Nationalen wieder die innere Anerkennung der Herrschaft durch die Untertanen zu erlangen. Das Konzept der bayerischen Nation sollte demnach die Grundlage für die staatliche Herrschaft der Dynastie der Wittelsbacher sein, Bayern eine durch die Dynastie konstituierte Nation. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Förderung des Geschichtsbewusstseins: Bayern konnte sich mit seiner Dynastie zu Recht als einen der ältesten Staaten Europas bezeichnen, da die Wittelsbacher hier seit 1180 ununterbrochen regiert hatten. Durch die ständige Betonung des fast 700 Jahre bestehenden Bundes von Fürst und Volk sollte ein bayerisches Gemeinschaftsgefühl in Form eines bayerisch national-dynastischen Stolzes und eines bayerischen Nationalbewusstseins gestiftet werden, welches durchaus antideutsche Züge enthielt.332 Dabei war nicht von ungefähr die Rede von einem Nationalgefühl, denn die Maßnahmen des Königs zielten eben nicht nur auf ein Nationalbewusstsein ab, sondern hatten zum Ziel, dass die Untertanen neben dem Verstand auch mit dem Herzen die Nation bejahten.333 Da der Großteil der Maßnahmen, die zur Etablierung eines Nationalgefühls führen sollten, auch als öffentliche Zurschaustellung der Monarchie zu werten ist, sind diese auch im hier untersuchten Kontext interessant. So wollte Maximilian das Geschichtsbewusstsein in allen Klassen fördern und setzte daher besonders auf eine bildliche Darstellung historischer Szenen und Regenten. Die Kunst war es, die seiner Meinung nach besonders geeignet sei, ein Nationalgefühl, gerade auch in den 331 332 333

Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 3. Hanisch beschreibt die zahlreichen Maßnahmen zur Hebung des Nationalgefühls ausführlich. Vgl. ebd., S. 12 f., 16. Vgl. ebd., S. 30.

3.2 UMGESETZTE MAßNAHMEN

83

unteren Klassen, zu erzeugen.334 Aus diesem Grunde ließ er 1852 ein Buch mit dem Titel Zwölf Bilder aus dem Leben bayerischer Fürsten in Auftrag geben. Diesbezüglich schrieb er an seinen Innenminister Zwehl: „Ich erkenne es zur Belebung und Hebung des Nationalgefühles und der Anhänglichkeit des Volkes an das Regentenhaus als zweckdienlich, hervorragende Momente aus der vaterländischen Geschichte, welche die characteristischen Tugenden einzelner bayerischer Fürsten ins Licht stellen, in guten Holzschnitten darstellen zu lassen.“335

Das Werk sollte hauptsächlich an Schulen als Preis verteilt werden. Die Regierung kam für sämtliche Kosten auf und plante mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren für die ersten fünf Jahre. Für die enorme Popularität des Bandes spricht jedoch, dass allein 1853 und 1854 25.000 Exemplare an den Schulen abgesetzt wurden.336 Der Bildband war allerdings nicht das einzige Buch dieser Art, ihm folgten Gedicht- und Liedbände. Ebenfalls wurden andere Verleger finanziell unterstützt, wenn sie ähnliche Werke herausbrachten.337 Der Plan Maximilians, zwölf bis fünfzehn populäre, illustrierte und für das Volk kostengünstige Hefte mit jeweils drei Lithografien herauszubringen, scheiterte mehrmals an den hohen Produktionskosten.338 Aber auch bei diesem Projekt ging wieder der Impuls vom König aus, der durch solche Maßnahmen hoffte, „Fürsten und Volk einander nahe zu bringen und Liebe zu Fürst und Vaterland zu erhöhen“.339 Ein weiteres Mittel zur medialen Verbreitung der Monarchie stellten die sogenannten Geschichtstaler dar, von denen 43 unter Ludwig I. und Maximilian II. zu mehreren Tausend geprägt wurden. Diese wurden kaum zu Zahlungszwecken genutzt, sondern eher als Auszeichnungen und Preise verliehen. Im Gegensatz zu den auf die Vergangenheit rekurrierenden illustrierten Büchern wurden diese Taler auch zu aktuellen Ereignissen herausgegeben. So wurde die erste Münze 1825 zum Regierungsantritt Ludwigs I. geprägt, der weitere Münzen zu wichtigen Ereignissen folgten: etwa 1842 zur Hochzeit des Kronprinzen Maximilian, 1845 zur Geburt des späteren Ludwig II., 1848 zur Thronbesteigung Maximilians und 1856 zur Errichtung des Denkmals Maximilians II. in Lindau, welches schon zu Lebzeiten des Königs anlässlich der Einweihung der Nord-Süd-Bahn aufgestellt worden war.340

334

335 336 337 338 339 340

So steht als Motto in einem Gutachten von 1855 „Über bayerische Geschichtsbilder“ ein Zitat Hormayrs: „Die Kunst und nur sie verpflanzt die Geschichte aus dem Gedächtnisse ins Herz, aus den Gelehrtenstuben in die Gemüther der Frauen, der Jugend und des Volkes. Sie läutet, sie veredelt, sie beflügelt.“ Hervorhebung im Original, zitiert nach ebd., S. 343. BayHStA, Nachlass Zwehl Nr. 69: Maximilian II. – Zwehl, 28.07.1852, zitiert nach Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 343. Vgl. ebd., S. 343 f. Vgl. ebd., S. 344. Das Projekt sollte 8500 Gulden kosten, Vgl. ebd., S. 344. Schreiben aus dem Sekretariat des Königs an Kaulbach, 02.02.1849, zitiert nach ebd., S. 344 f. Vgl. ebd., S. 356 f.

84

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

3.2.3

Die Gründung des Bayerischen Nationalmuseums

Auch die Gründung des Bayerischen Nationalmuseums, welche auf die Initiative Maximilians zurückging, beabsichtigte die Förderung des Geschichtsbewusstseins.341 Dieses sollte, so die ersten Vorschläge, die „Altertümer und Kunstdenkmale des bayerischen Herrscher-Hauses“ zeigen und dabei den Beitrag der Wittelsbacher-Dynastie für das Land Bayern herausstreichen.342 Die Pläne für das Museum verfolgte der König seit 1853, sodass sich das Museum einerseits als Gegenentwurf zum 1852 gegründeten Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg verstehen lässt, sich andererseits Impulse durch die Besuche des Berliner Königlichen Museums und der Pariser Museen in Versailles, im Louvre und im Hôtel Cluny, welche alle der Verherrlichung der Herrscherhäuser und der Nation dienten, in der Biografie des Königs nachweisen lassen. Maximilian beauftragte Karl Maria von Aretin mit der Ausarbeitung des Museumskonzepts, nahm aber immer wieder persönlich Anteil an den Planungen, der Standortsuche und der grundsätzlichen Ausrichtung des Museums. Zunächst war die Sammlung als Wittelsbacher Museum erdacht worden, Maximilian schlug aber den Namen Nationalmuseum vor, welches das Museumsprojekt eindeutig in sein Programm zur Hebung des bayerischen Nationalgefühls einordnete. Das Museum sollte durch kunst- und kulturhistorische Gegenstände die Geschichte Bayerns nachvollziehbar werden lassen und die Leistungen des Landes und seiner Bewohner auf monarchischer Grundlage zur Schau stellen.343 Dass es dabei nicht mehr nur um die Leistungen der Herrscher ging, sondern auch versucht wurde, das „dem bayerischen Volke zunächst Eigenthümliche und aus der Geschichte des Landes Denkwürdige“ zu zeigen, ging dabei direkt auf den bayerischen König zurück.344 Zunächst war die beginnende Sammlung in der Herzog-Max-Burg untergebracht worden, die wachsenden Bestände machten aber einen Neubau erforderlich, dessen Grundsteinlegung 1859 in Anwesenheit Maximilians erfolgte, während er die Eröffnung 1867 nicht mehr miterlebte. Immer wieder stellte der König auch erhebliche Geldsummen aus seiner privaten Kasse zur Verfügung, so etwa 115.652 Gulden für den Neubau in der Maximilianstraße.345 Mit insgesamt 595.366 Gulden war das Museum das vom König finanziell am umfassendsten geförderte Projekt.346 Dass sich die Einrichtung an alle Bewohner des Landes richten sollte, lässt sich auch an der testamentarischen Bestimmung Maximilians erkennen, welche einen kostenlosen Eintritt für jeden

341 342 343 344 345 346

Siehe dazu ausführlich: Barbara Six: Denkmal und Dynastie. König Maximilian II. auf dem Weg zu einem Bayerischen Nationalmuseum, München 2012. Diesen Namen trug die zunächst bei Aretin beauftragte Publikation. Diesbezüglich befinden sich edierte Quellen bei: ebd., S. 451–552. Vgl. Bauer: König Maximilian, 1988, S. 15 f. Bericht von der Pfordten vom 27.06.1854, BayHStA, MInn 45377, zitiert nach Bauer: König Maximilian, 1988, S. 18. Vgl. ebd., S. 22. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 337.

3.2 UMGESETZTE MAßNAHMEN

85

Besucher vorsah.347 Zudem sollte eine Zahl von Publikationen die Breitenwirkung des Hauses noch vergrößern. So waren etwa in der Gemäldegalerie in 27 Sälen 143 Bilder zu sehen,348 welche die bayerische Geschichte darstellten – ein ähnliches Bildprojekt gab es, allerdings zur Weltgeschichte, in der vom König gestifteten Stipendiateneinrichtung des Maximilianeums.349 Die Werke beider Häuser wurden wiederum den Besuchern in Katalogen nähergebracht, wobei der des Nationalmuseums über 600 Seiten dick war.350 Diese Bilder sollten dabei nicht nur ein bestimmtes Geschichtsbild erzeugen, sondern waren auch ein wichtiger Beitrag zur Kunstförderung, indem Künstler mit Staatsaufträgen versorgt wurden. Das ehrgeizige Projekt Maximilians, welches eines der größten Museen seiner Art in Europa hervorbrachte, kann als eine wichtige Säule in seinem Versuch angesehen werden, das Geschichtsbewusstsein der Bevölkerung zugunsten der regierenden Dynastie zu stärken.

3.2.4

Die Förderung landesweiter Feste

Bereits 1849 entwickelte der König wichtige Maßnahmen, die dazu beitragen sollten, Bayern zu einer Nation zu formen. In einigen Punkten diente ihm dabei Preußen als Vorbild: Besonders die Beamten sollten in allen Schichten das Nationalgefühl fördern und dem Staat „aufrichtig ergeben“ sein. Jeder sollte „mit ebenso viel Lust u. Stolz sage[n]: Ich bin ein Bayer (wie man gar oft in Preußen hört: Ich bin ein Preuße)“.351 Interessanter sind in diesem Zusammenhang die für den König „untergeordnetere[n] Hilfsmittel“: „[D]ie Wiedererweckung provinzieller oder auch lokaler Volksfeste, die Feier von Festen, die an volksthümliche Regierungshandlungen König[…] Maximilian[s] I. erinnern, etwa auch die Umgestaltung des Oktoberfestes zu einem wirksameren Nationalfeste für ganz Bayern“.352 Besonders die konservativen Ratgeber des Königs waren skeptisch, ob man mit Festen wirklich ein bayerisches Nationalgefühl etablieren könne. Ihrer Ansicht nach gab es sowieso schon zu viele Feiern, und auch die mit der Nationalisierung verbundenen säkularen Tendenzen sahen sie mit Sorge. Einwände gegen das Oktoberfest als Nationalfest gab es auch aus Franken, wo man sich lieber landwirtschaftliche Distriktfeiern wünschte, da die Sitten und Bräuche der bayerischen Stämme zu unterschiedlich seien, um sie in einem Fest zu vereinen.353 Trotz aller Bedenken 347 348 349 350 351 352 353

Vgl. Bauer: König Maximilian, 1988, S. 22. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 337. Vgl. Veronika Thum: Weltgeschichte in Bildern. König Maximilian II. und seine Historische Galerie im Maximilianeum, München 2011. Vgl. Karl von Spruner: Die Wandbilder des Bayerischen National-Museums, München 1868. BayHStA, MInn 45787, Die Hebung des bayerischen Nationalgefühls betreffend, Rundschreiben von 04.12.1849, zitiert nach Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 139. Ebd. Vgl. ebd., S. 374 ff.

86

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

blieb Maximilian jedoch bei seiner Förderung des Oktoberfestes. Abgesehen von der Umformung zu einem Nationalfest war es eine sehr gute Gelegenheit, sich als volksnaher Herrscher zu zeigen. Neben Trachtenumzügen und Schützenfesten, die die eigentliche Landschaftsausstellung begleiteten, standen schon früh Spaß und Freude am Spiel im Mittelpunkt der Veranstaltung.354 Zudem sollte nicht vergessen werden, dass das erste Oktoberfest 1810 auf die Hochzeit zwischen Ludwig I. und seiner Frau Therese, also ein zutiefst monarchisches Ereignis, zurückging. Gegen den Einwand, dass das Oktoberfest nur in München Anhänger finde, wollte Maximilian durch Senkung der Eisenbahntarife für andere Gegenden Bayerns reagieren – allerdings gab es auch in diesem Fall wieder Budgetschwierigkeiten.355 Maximilian II. führte die durch seinen Vater begründete Tradition fort, sich mehrmals während der Feierlichkeiten zu zeigen und dort zwanglos mit den Besuchern in Kontakt zu treten. Die von Kanonendonner begleitete Einfahrt des Königs war jedes Jahr der Auftakt für die durch den Monarchen erfolgende Eröffnung des Zentrallandwirtschaftsfestes und des Pferderennens auf dem Oktoberfest. Wie wichtig Maximilian II. diese Zeremonie nahm, ist daran zu erkennen, dass er während seiner Regierungszeit nur zweimal fehlte – 1851 entschuldigte er sich in einem persönlichen Schreiben, dass ihn der Tod seines Schwiegervaters an der Teilnahme hindere.356 Während die Förderung des Oktoberfestes schon unter Maximilians Vater, Ludwig I., eingesetzt hatte und besonders von Prinzregent Luitpold fortgesetzt worden war, ist das Engagement für die sogenannten Königsschießen allein für den von Maximilian II. gepflegten „volksnahen Königskult“ charakteristisch.357 Die Förderung von Schützenfesten galt in Bayern schon lange als ideales Mittel zur Hebung des Nationalgefühls, da die Schützenvereine nicht nur mehrheitlich bayerisch-patriotisch gesinnt waren, sondern das Schützenwesen auf praktische Weise Freude am Sport und Erhaltung der Wehrkraft vereinte.358 Die Königsschießen ordnete Maximilian zum ersten Mal 1855 an, indem er seinen Innenminister beauftragte, zwei Orte vorzugschlagen, wo Schützenfeste unter seinem Protektorat stattfinden könnten. Als Preise setzte der König das Beste aus, je 50 Dukaten. Damit sollte die alte Tradition der landesherrlichen Schützenfeste wiederbelebt werden, auch wenn der König nicht an jedem Fest teilnahm. Die Schützenfeste fanden nun jedes Jahr bis zum Tode Maximilians statt und waren über ganz Bayern verteilt.359

354 355 356 357 358 359

Vgl. ebd., S. 4. Siehe auch Marita Krauss: Herrschaftspraxis in Bayern und Preußen im 19. Jahrhundert. Ein historischer Vergleich, Frankfurt/M. 1997, S. 108. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 376. Vgl. Gerda Möhler: Das Münchner Oktoberfest. Vom bayerischen Landwirtschaftsfest zum größten Volksfest der Welt, München 1981, S. 40 f., 175. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 377. Vgl. ebd., S. 368. Siehe auch Krauss: Herrschaftspraxis, 1997, S. 109. 1855 fanden die Schießen erstmals in Miesbach und Tölz statt, 1856 in Schongau und Wasserburg, 1857 in Traunstein und Schrobenhausen, 1858 in Murnau und Erlangen, 1859 in

3.2 UMGESETZTE MAßNAHMEN

87

Besonders festlich wurden sie 1860 in Bayreuth zur Feier der 50-jährigen Zugehörigkeit zu Bayern begangen und stellten damit einen weiteren Integrationsversuch der neubayerischen Gebiete in das bayerische Stammland dar. Da die Feste häufig auf den Namenstag des Königs gelegt wurden und dadurch mit anderen Festakten und Landwirtschaftsfesten zusammenfielen, war der Rahmen der Veranstaltung recht groß. Damit die Faszination nicht nur auf den jeweiligen Ort beschränkt blieb, berichtete die halboffizielle Neue Münchener Zeitung seitenlang euphorisch über die stattfindenden Schießen, musikalische Festumzüge, Begrüßungen des Königspaares und Lampionumzüge.360 Bezeichnend für die Königsschießen war zudem, dass nur Bayern das Beste erhalten durften, was abermals die Einschwörung auf ein bayerisches Exklusivitätsgefühl bedeutete.361 Weniger erfolgreich waren die Feiern des Geburts- und Namenstages von König und Königin, die in Bayern seit 1811 mit kirchlichen, katholischen wie protestantischen, Gottesdiensten, Tedeums und Kanonenschießen gefeiert wurden. Während des Kirchbesuches war allen Beamten das Galatragen vorgeschrieben und auch der Besuch des Gottesdienstes an sich verpflichtend. Unter Maximilian fielen alle diese vier Feiertage jedoch in einen Zeitraum von drei Monaten, wovon zwei innerhalb von drei Tagen stattfanden.362 Daher war die Häufigkeit neben dem verpflichtenden Charakter dieser Feste ein Grund der Kritik, welche besonders von den Kirchen vorgebracht wurde. Dabei beanstandeten die Katholiken die Tatsache, dass ein viermaliges Fest für einen gewöhnlichen, wenngleich hochgestellten Menschen, wie es der Monarch war, sich nicht mit der Würde der Kirche vereinbaren ließe, während die Protestanten beklagten, eigentlich gar keine Namenstage zu begehen. Überhaupt, so wurde argumentiert, würde die Häufigkeit des Feierns dem gewünschten Zweck der Erweckung patriotischer Gefühle entgegenarbeiten. Trotz aller Kritik und der häufig festgestellten fehlenden Partizipation durch die Bevölkerung wurde aber an der Praxis festgehalten.363

360 361 362 363

Burghausen, 1860 in Berchtesgaden und Bayreuth, 1861 in Ansbach (hier gibt es sich wiedersprechende Angaben bei Hanisch), 1862 in Ingolstadt und 1863 in München, vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 377. Vgl. ebd., S. 380. Vgl. ebd., S. 377–383. Der Namenstag für Marie ist der 12. September, für Maximilian ist es der 12. Oktober. Der Geburtstag der Königin fiel auf den 15. Oktober, der des Königs auf den 28. November. Vgl. ebd., S. 272–275.

88

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

3.2.5

Die Reisen des Königs

Gemäß Maximilians Überlegungen zur Popularität waren Reisen ein wichtiges Mittel, um bei seinen Untertanen beliebt zu werden; es war daher nur konsequent, wenn der König verhältnismäßig viele Landesreisen bestritt.364 Zwei Reisen stachen dabei besonders aus den üblichen Besichtigungsfahrten heraus. 1849, ein Jahr nach seinem Regierungsantritt, unternahm Maximilian II. zusammen mit seiner Frau Marie besonders viele Landesreisen. Diese erfüllten dabei weniger den Zweck der Antrittsreise denn vielmehr der Befriedung revolutionär-aufständischer Gebiete. Manfred Hanisch bezeichnet die insgesamt drei Reisen des Sommers 1849 als Wahlrundreisen, da diese kurz vor den Landtagswahlen stattfanden und der König durch seine Präsenz für eine konservative Mehrheit werben wollte. Zwar sprach Maximilian nicht auf Wahlkampfkundgebungen, erhoffte sich aber doch durch seine Anwesenheit einen Stimmengewinn für die Konservativen, sodass ihn sogar Attentatsdrohungen nicht von seinen Reiseplänen abhalten konnten. Im Juni besuchte das Königspaar Franken mit Nürnberg, Bayreuth und Würzburg, im Juli für zwölf Tage die Oberpfalz und Niederbayern mit Regensburg, Passau und Landshut und schließlich für einige Tage noch Schwaben mit Augsburg und Lindau. Der Reiseablauf war von München aus genau koordiniert worden, und die städtischen Beamten stellten sicher, dass es überall Empfänge, geschmückte Ehrenpforten und Bahnhöfe sowie Festaufmärsche gab. Allem Anschein nach waren die Reisen äußerst erfolgreich für das königliche Ansehen. Die Illustrirte Zeitung schrieb, dass angesichts des königlichen Besuchs im eigentlich antimonarchisch gesinnten Nürnberg eine solche Begeisterung geherrscht habe, dass alle Schranken, die Herrscher und Untertanen bis dahin getrennt hätten, in ein Nichts zusammengefallen seien und sich das Gefühl, eine große Familie zu sein, eingestellt habe.365 Aufgrund dieses Erfolgs der königlichen Rundreise bezogen sich zahlreiche Berater des Königs später immer wieder auf diese und schlugen Wiederholungen vor.366 Gänzlich anders angelegt war eine Wanderung durch das bayerische Alpenland, welche Maximilian II. vom 20. Juni bis zum 27. Juli 1858 unternahm. Diese führte ihn von Lindau am Bodensee über Oberstdorf, Hohenschwangau, Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald, Kreuth, Rosenheim, Prien am Chiemsee und Ramsau schließlich nach Berchtesgaden. Die zurückgelegte Strecke betrug mehr als 400 Kilometer, wobei allerdings – auch aufgrund des anhaltenden Regens – der Großteil

364

365 366

Vgl. dazu BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 76 j–qu, u, x. Zum Zeremoniell der offiziellen Reisen siehe auch Volker Barth: Inkognito. Geschichte eines Zeremoniells, München 2013, S. 190–199. Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 315, 14.07.1849, S. 20. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 196–199. Siehe auch Krauss: Herrschaftspraxis, 1997, S. 110.

3.2 UMGESETZTE MAßNAHMEN

89

zu Pferde oder im Wagen zurückgelegt wurde.367 Die Reise nahm unter den Naturausflügen des Königs aufgrund ihrer Länge einen besonderen Rang ein. Eine geplante Wiederholung fand 1859 aufgrund des Italienischen Krieges nicht statt; in der Folgezeit war die schwache Gesundheit des Königs, aber auch mangelnde Muße ein Grund für die Einmaligkeit der Reise.368 Zwar gab es auch vor und nach 1858 Jagden des Königs – diese nahmen aber nicht die geschilderten Dimensionen der Fußreise an. Die 1858 unternommene Reise ist auch aufgrund der Tatsache, dass zwei der Wegbegleiter des Königs, nämlich der Historiker Wilhelm Heinrich Riehl und der Schriftsteller Friedrich Bodenstedt, einige Jahrzehnte später Reiseberichte über die Wanderung veröffentlichten, bedeutungsvoll. Dadurch kam zu der zunächst direkten Wirkung der Reise auf die Bevölkerung der besuchten Ortschaften noch die literarische, posthume Bedeutung hinzu, welche den Typus des natur- und volksverbundenen Hauses Wittelsbach stärken sollte. Diese Betonung der Einfachheit begann bereits bei Riehls verfälschendem, da nicht den Tatsachen entsprechenden Begriff der Fußreise, welche in Bezug auf einen König den Leser erstaunen musste. Dem Erfolg der Reiseschilderung war diese Typisierung vermutlich eher zuträglich. Riehls Bericht erschien zunächst 1871 in der Zeitschrift Daheim369 und später in seinen Kulturgeschichtlichen Charakterköpfen, während Bodenstedts Buch Eine Königsreise von 1879 bereits 1883 die dritte Auflage erzielte. Damit fallen die ersten Veröffentlichungen in eine Zeit, in welcher die Präsenz des bayerischen Königs Ludwig II. ihren Tiefpunkt erreicht hatte, und stellten somit dem real abwesenden König einen literarisch besonders volksnah geschilderten Monarchen gegenüber. Problematisch ist, dass diese beiden auf eine Veröffentlichung angelegten und einige Jahre später geschriebenen Reiseberichte die einzig vollständig überlieferten Schilderungen der Reise sind und es kaum anderweitige Quellen gibt.370 Die folgenden Anmerkungen müssen daher größtenteils diesen beiden Berichten folgen, ohne dass deren Inhalte durch unmittelbare zeitgenössische Quellen verifiziert werden können. Die Wanderung 1858 war in erster Linie nicht als Besichtigungsreise geplant, sondern sollte der Erholung Maximilians II. dienen, der sich zusammen mit seinen Reisegefährten an der Naturschönheit erfreuen wollte.371 Dennoch war es ein Ansinnen des Königs, Kontakt zur Bevölkerung zu knüpfen, und er gefiel „sich in 367 368 369 370

371

So schreibt Riehl, dass von 225 Wegstunden 150 geritten, 60 gefahren und 15 gelaufen wurden, vgl. Riehl: Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, 1891, S. 337. Vgl. ebd., S. 412 f. Vgl. ebd., S. 336. Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv befindet sich etwa eine Abschrift aus dem Einschreibbuch der Königlichen Hoffischerei Schliersee, welches den Besuch Maximilians dort beschreibt, vgl. BayHStA, GHA, Kopien, Drucke, Tafeln, Nr. 501. Der Reisegruppe gehörten neben Riehl und Bodenstedt noch sechs weitere Männer an, darüber hinaus noch ein Koch, der Leibarzt des Königs und ein Tierarzt sowie weitere Helfer. Die 30 mitgeführten Pferde mussten zuweilen noch durch Postpferde ergänzt werden, sodass die Gruppe, wenn sie zusammen reiste, doch recht groß war.

90

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

dem Gedanken […], daß er nun einmal ganz wie ein Privatmann im eigenen Lande wandere und mit seinem Volk verkehre“.372 So wurden unterwegs zahlreiche Orte besucht, es kam zu spontanen Empfängen und häufigem Kontakt mit der einfachen Landbevölkerung. Demnach fand eine zwanglose Verbindung zwischen Privat- und Besichtigungsreise statt.373 Riehl und Bodenstedt hoben im Nachhinein verklärend das bewusst einfach Gehaltene der Reise hervor: So war es etwa verboten, Frack und Zylinder einzupacken, der König und seine Begleiter liefen vielmehr als einfache Wandersmänner gekleidet im grauen Gewand und Sommerhut umher; übernachtet wurde häufig in einfachen Wirtshäusern, und einmal wurde sogar im Kuhstall diniert.374 Dieses Auftreten Maximilians stimmte mit seiner Absicht, das bayerische Brauchtum, darunter das Trachtenwesen, zu stärken, überein.375 Die Wanderkleidung des Monarchen ist daher als eine bewusste Inszenierung als einfacher, naturverbundener und volksnaher König zu werten. Die Reaktion der Bevölkerung auf die Begegnung mit dem Landesherrn fasste Riehl stets besonders positiv zusammen: „Die Reise gestaltete sich vielmehr allmählich zu einem wahren Huldigungszuge. Denn da wir absichtlich durch die entlegensten Thäler kreuzten, welche bis dahin noch niemals ein König von Bayern betreten hatte, so wurde alsbald überall der festlichste Empfang improvisiert, und der Ehrenpforten, feierlichen Begrüßungen, Bergfeuer, Fackelzüge, vor allem aber des Böller- und Büchsenschießens war kein Ende“.376

Die einfache Kleidung Maximilians verwirrte jedoch auch einige Untertanen. So wurde, glaubt man Riehl, etwa einmal der im Wagen vorfahrende Koch des Königs mit großem Jubel empfangen, während der Herrscher als einfacher Wanderer nicht erkannt wurde. Dass diese Szene dem König missfallen haben soll, da sie offenbarte, dass er trotz seiner Bemühungen um die eigene Sichtbarkeit nicht überall im Land erkannt wurde,377 unterstreicht den offiziellen Charakter der Reise, die ohne

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376 377

Weiter schrieb Riehl: „Ich brauche kaum zu erwähnen, daß der König auch auf unsrer Reise jedermann zugänglich war, denn hier suchte er ja geradezu den Verkehr mit den Leuten.“ ebd., S. 347. Dazu Riehl: „Und trotzdem wurde unser romantischer Ritt doch nicht unverdient eine Fußreise genannt, insofern nämlich der Hauptzweck des Königs dahin zielte, einmal ganz frei und unabhängig wie ein Wanderer durch sein Land zu ziehen, die entlegensten Thäler aufzusuchen, zwanglos mit den Leuten zu verkehren und dem Lande und Volke recht geradeaus ins Gesicht zu schauen, wie das nur der Fußgänger vermag, welchem selbständiges Entdecken und Beobachten die höchsten geistigen Reize und Genüsse des Reiselebens sind.“ ebd., S. 337 f. Vgl. Bodenstedt: Eine Königsreise, 1883, S. 39, 145. Vgl. Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 3. Die Hochzeit des damaligen Kronprinzen Maximilian wurde von Brautpaaren in heimischen Trachten aus allen Regionen Bayerns begleitet, auch wurde das Heiraten in Trachten finanziell belohnt. Zur Trachtenförderung siehe auch Bauer: König Maximilian, 1988, S. 3 f. Riehl: Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, 1891, S. 341. Vgl. ebd., S. 345.

3.2 UMGESETZTE MAßNAHMEN

91

Inkognito erfolgte. Vielmehr war der Kontakt zur Bevölkerung gewünscht. So unterhielt sich Maximilian mit begegnenden Wanderern378 oder lud die Helfer für ein Mittagessen in den Bergen zu ebendiesem ein.379 Beinahe täglich übernachtete man in einer anderen Stadt, die sich für den Besuch des Souveräns geschmückt hatte, und allabendlich gab es viele Begrüßungen, Gesänge und bengalische Feuer zu Ehren des Königs. Auch unterwegs fanden sich häufig der Namen des Landesherrn in Blumen ausgelegt oder andere Willkommensgrüße.380 Immer wieder betonen die Reisebegleiter, wie interessiert Maximilian an allen Aspekten der Reise war: „Er wollte alles sehen, alles erleben, ja keine Merkwürdigkeit versäumen, er wollte das Volk überall bei seiner Arbeit beobachten und nicht bloß in Wald und Feld; er widmete einen ganzen Vormittag den Werkstätten der Geigenmacher zu Mittenwald und ließ sich stundenlang in einem größeren Schiffe auf dem Inn bei Nußdorf auf und ab fahren, bloß damit die Steuerleute und Schiffzieher samt dem Stangelreiter all ihre schwierigen Kunstgriffe vor seinen Augen ausführen konnten.“381

Auch ließ er sich immer wieder von Bauern die Zweckmäßigkeit ihrer Häuser vorführen.382 Aufgrund dieses Interesses des Königs lässt sich dessen Fußreise dem Typus der Inspektionsreise zuordnen.383 Des Weiteren war diese Reise aber auch eine für ihre Zeit ungewöhnliche Werbemaßnahme für die Dynastie. Die Einmaligkeit, dass ein König die entlegensten Gebiete seines Reiches für fünf Wochen durchwanderte, erkannten schon Bodenstedt und Riehl.384 So wies Letzterer den König auf die Tatsache hin, dass bisher noch keiner dieser Bewohner solch einen Besuch des Monarchen erlebt habe und dessen Symbolkraft noch einige Jahrzehnte anhalten würde, indem er Gesprächsstoff für die Nachfahren liefere.385 Wenngleich die literarische Weiterverbreitung der Reise erst recht spät und auch erst nach dem Ableben Maximilians erfolgte, förderte dieser selbst immerhin andere Erinnerungsgegenstände an seinen Besuch in den Bergen. So ließ er etwa ein illustriertes Buch mit Gedichten Franz von Kobells an Jungen und Mädchen 378

379 380 381 382 383 384 385

„Begegneten ihm Leute aus dem Volke, dann redete er sie freundlich an und erkundigte sich nach persönlichen Dingen und nach allgemeinen Zuständen ihres Ortes und der ganzen Gegend.“ ebd., S. 363. Vgl. Bodenstedt: Eine Königsreise, 1883, S. 25, 75. Vgl. BayHStA, GHA, Kopien, Drucke, Tafeln, Nr. 501, Bemerkenswerthes im Jahre 1858, n. fol. Riehl: Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, 1891, S. 355. Vgl. Walter Hartinger: König Max II. und die bayerische Volkskultur, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 52 (1989), S. 353–372, hier S. 370. Vgl. Kapitel 5.1. Vgl. Bodenstedt: Eine Königsreise, 1883, S. 5. Allerding erkannte Riehl auch, dass die Festlichkeiten nicht nur dem König galten, sondern auch einfach ein willkommener Anlass zum Feiern waren: „Aber die Leute geben nicht bloß ihrem Könige ein Fest, sie geben ein zweites Fest sich selber, wovon dieser Moment nur die rasch verrauschende Schlußscene bildet. Bis das alles geplant, eingefädelt, hergerichtet war, da ist es gewiß noch viel lustiger zugegangen, als eben vor unsern Augen.“ Riehl: Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, 1891, S. 370.

92

3. MAXIMILIAN II. UND DAS STREBEN NACH POPULARITÄT

bei Gesangswettbewerben verteilen, dessen Widmungsgedicht An die Landsleut in die Berg wie folgt lautete: „Wann Jagnszeit, wann der Kini kimmt, Und’s geht auf die Gambs gar schneidi’, Na’ thuat dazwischen a’ Liedl wohl, Wann’s lusti’ klingt und freudi. [...] Und weil der Kini die Gsangln liebt Und weil er’s gern thuat hörn, So will er enk dees Liederbuach Als Andenka verehrn. Für enker Singa als an’ Preis Schau will er’s freundli’ gebn: Drum dankt’s dafür dem guten Herrn, Vivat! Hoch soll er lebn!“386 Dieses Buch galt nicht nur als Ansporn für die singenden Kinder, sondern stellte auch ein Andenken an den König dar, der durch solche Bücher den ephemeren Spuren seines Besuchs ein dauerndes Element beigab. Durch das in Mundart verfasste Gedicht sollte sich das Bergvolk direkt angesprochen fühlen; da der König selbst als Gamsjäger dargestellt wurde, ergab sich eine Identifikationsmöglichkeit mit ihm als naturverbundenem Liebhaber der Bergwelt. Dieses Gedichtbuch stellte dabei nur eines von vielen dar, welches der König förderte. So ließ er weitere Gedichtbände Kobells auf eigene Rechnung drucken und an Schulkinder bei Preisausschreiben mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass es sich hier um ein Geschenk des Königs handle, verteilen.387

3.3

Zwischenfazit

Wie das Beispiel Maximilians II. von Bayern zeigt, war spätestens nach der Revolution von 1848 das monarchische Bewusstsein um die Bedeutung eines volksnahen Auftretens stark gewachsen. Dabei entwickelten sich besonders im Umfeld 386 387

Bodenstedt: Eine Königsreise, 1883, S. 197. Vgl. Hartinger: König Max, 1989, S. 368, der König wollte auch bewusst die Mundart fördern. So schrieb er an seinen Innenminister von Zwehl am 28.07.1852: „Die Erhaltung des nationalen Bewußtseyns der einzelnen Volksstämme, besonders des guten und bewährten altbayerischen Volksgepräges wird Meines Erachtens nicht wenig zur Belebung und Förderung des Nationalgefühls mitwirken, wozu die Erhaltung des Volksdialektes in den unteren und mittleren Volksklassen gewiß wesentlich beitragen wird.“, zitiert nach ebd., S. 368.

3.3 ZWISCHENFAZIT

93

der Herrscher Überlegungen bezüglich der Gewinnung und Steigerung von Popularität, die als Beginn einer breit angelegten monarchischen Öffentlichkeitsarbeit zu werten sind. In Bezug auf Maximilian II. waren zwar nicht alle Maßnahmen innovativ – da sie in Teilen schon von Ludwig I. begonnen worden waren –, in ihrer Intensität und programmatischen Breite waren sie aber neu. Die bis ins Detail ausgearbeiteten Konzepte des bayerischen Königs und die zur Umsetzung herangezogenen Mittel, die aus allen Bereichen des Staates kamen, waren in ihrer Ausgestaltung im Vergleich zu den zeitgenössischen Bundesfürsten einmalig. Zugleich weisen Maximilians Überlegungen aber auch symptomatisch auf die veränderte Ausgangslage für die Monarchie um die Mitte des 19. Jahrhunderts hin, die eine ständige Anpassung der Monarchen erforderte. Die Frage nach der eigenen Beliebtheit durfte demnach nicht mehr im Bereich persönlicher Eitelkeiten verbleiben, sondern war immer häufiger zu einem wichtigen Faktor in der Frage des Machterhalts geworden. Maximilian II. hatte sich dieser Herausforderung immer wieder gestellt und zahlreiche popularitätssteigernde Maßnahmen ergriffen, die noch lange nach seinem Tod, etwa durch seinen Bruder, den Prinzregenten Luitpold, erfolgreich übernommen wurden388 und wegweisend für spätere Monarchen waren. Der bayerische König Maximilian II. hatte die wichtigsten Bereiche monarchischer Öffentlichkeitsarbeit klar erkannt und benannt. Die Inszenierung lebensgeschichtlicher Ereignisse, die leibliche Präsenz der Bundesfürsten und ihre Verkörperung in Wort und Bild waren dabei die wichtigsten Eckpfeiler. Wie sich die anderen Bundesfürsten zu diesen verhielten und welchem Wandel diese von 1848 bis 1918 unterlagen, soll im Folgenden untersucht werden.

388

Vgl. dazu Horst Ludwig: Kunst, Geld und Politik um 1900 in München. Formen und Ziele der Kunstfinanzierung und Kunstpolitik während der Prinzregentenära (1886–1912), Berlin 1986; Katharina Weigand: Prinzregent Luitpold. Die Inszenierung der Volkstümlichkeit?, in: Schmid u. a.: Die Herrscher, 2001, S. 359–375; Katharina Weigand: Die Prinzregentenzeit. Abenddämmerung der bayerischen Monarchie?, Regensburg 2013.

4.

Inszenierung lebensgeschichtlicher Ereignisse

4.1

Geburt und Taufe

4.1.1

Die Bedeutung der Geburt für das bundesfürstliche Haus

Die Geburt rechtmäßiger Nachkommen, insbesondere männlichen Geschlechts, war für Familien der Neuzeit ein erstrebenswertes und forciertes Ereignis. Dies galt für Handwerks- und Kaufmannsfamilien ebenso wie für adlige Geschlechter. Erst durch die Geburt eines Kindes waren der Erhalt und Fortbestand einer Familie bzw. Dynastie gesichert – besonders bei regierenden Häusern erhielt die Geburt somit eine staatstragende Dimension. Auch im christlichen Verständnis galt eine Eheschließung erst als vollkommen, wenn der Gemeinschaft Nachkommen zugeführt werden konnten. Insbesondere der Zweck der ehelichen Verbindung der Angehörigen zweier Dynastien galt dann als erfüllt, wenn dieser Ehe Kinder entsprangen. Bereits bei der Hochzeit wurden daher dem fürstlichen Paar zahlreiche Nachkommen gewünscht und besonders die erste Geburt war von enormer Bedeutung, da sie als Beweis für die Fruchtbarkeit der Eheleute galt.389 Auch die Stellung der Ehefrau war erheblich an die Geburt von Nachkommen gebunden. So galt Kinderlosigkeit als großer Makel, für den fast immer die Frau als Alleinschuldige verantwortlich gemacht wurde. Je nachdem, wie der jeweilige Ehevertrag gestaltet war, sicherte oftmals erst ein Nachkomme, zuweilen auch erst ein Sohn, der Mutter Anspruch auf lebenslangen Unterhalt und garantierte ihr tatsächlich die Aufnahme in den neuen Familienverband.390 In der Frühen Neuzeit war es daher auch möglich gewesen, eine Ehe wegen Kinderlosigkeit durch den Papst annullieren zu lassen.391 Die große Zahl der Erbfolgekriege belegt eindrücklich, welche Auswirkungen fehlende Nachkommen auf den gesamten Untertanenverband haben konnten und mit welcher Spannung daher vom gesamten Land der fürstliche Nachwuchs erwartet wurde. Angesichts der hohen Kindersterblichkeit und der auch insgesamt wenig entwickelten medizinischen Versorgung lag es daher auf der Hand, dass die Bestrebungen auf das Zeugen besonders vieler Nachkommen gerichtet wurden.392 389 390 391 392

Vgl. Hauke Petersen: Geburt, Taufe und Kirchgang in der Fürstenwelt des Alten Reichs, Frankfurt/M. u. a. 2013, S. 83 f. Vgl. Claudia Kollbach: Aufwachsen bei Hof. Aufklärung und fürstliche Erziehung in Hessen und Baden, Frankfurt/M. u. a. 2009, S. 149. So wurde die kinderlose Ehe des französischen Königs Heinrich IV. mit Margarete von Valois 1599 von Papst Clemens VIII. annulliert, siehe Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 84. Vgl. ebd., S. 82 ff.

96

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Im Falle der deutschen Bundesfürsten hatte sich die Situation jedoch etwas entspannt. Zwar war fast jede dritte Ehe der Bundesfürsten von Kinderlosigkeit betroffen, was einem überdurchschnittlichen Wert entsprach.393 Auch war die Kindersterblichkeit der seit 1827 geborenen Nachkommen mit fast 21 % sehr hoch,394 sodass eine große Kinderzahl weiterhin notwendig war. Immerhin wurden aber im Territorium des Zweiten Reiches bei Kinderlosigkeit eines Herrscherpaares keine Kriege mehr geführt, sondern pragmatische, den Haus- und Erbfolgegesetzen entsprechende Lösungen gefunden.395 So erfüllte etwa ab 1902 Heinrich XIV. Reuß jüngere Linie die Regentschaft für den regierungsunfähigen Fürsten Heinrich XXIV. Reuß ältere Linie und herrschte in beiden Gebieten in Personalunion.396 Gleiches galt ab 1909 für die Herzogtümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen397 sowie, wenngleich nur für einige Monate des Jahres 1918, für die beiden mecklenburgischen Großherzogtümer, nachdem sich Adolph Friedrich VI. von Mecklenburg-Strelitz im Februar 1918 das Leben genommen hatte.398 Sicherlich wurden diese Entwicklungen aufgrund des Verlustes der außenpolitischen Bedeutung der Bundesfürsten erleichtert. Die Nachfolgefrage im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha zeigt jedoch, dass auch an der Schwelle zum 20. Jahrhundert in einem kleinen Gebiet fehlende direkte Nachkommen zu einer brisanten Situation führen konnten. Nach dem plötzlichen Tode des einzigen Sohnes Herzog Alfreds 1899 wäre eigentlich dessen in England lebender jüngerer Bruder Arthur, Duke of Connaught and Strathearn, an erster Stelle der Erbfolge gewesen. Auch auf Druck der Öffentlichkeit, die keinen ausländischen Prinzen in einem deutschen Fürstentum an der Regierung sehen wollte, entsagte dieser für sich und seinen Sohn, sodass 1899 der noch unmündige fünfzehnjährige, aber ebenfalls in England aufgewachsene Carl Eduard, Duke of Albany, zum Erbprinzen des Herzogtums erkoren wurde. Dieser war der Sohn des bereits verstorbenen Prinzen Leopold, des jüngsten Bruders Herzog Alfreds. Obwohl Carl Eduard sogleich mit seiner deutschen Mutter nach Deutschland übersiedelte, sah auch er sich

393 394

395 396 397

398

Von den hier untersuchten 17 standesgemäßen Ehen der regierenden Fürsten blieben fünf kinderlos. Gezählt wurden die Fälle von Kindersterblichkeit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Nachkommen eines regierenden Fürsten, eines Erbfolgers oder präsumtiven Erbfolgers der untersuchten Länder. Von 67 Kindern starben dabei 14 im Kindes- und Jugendalter bzw. kamen tot zur Welt. Vgl. Hermann Schulze: Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1–3, Jena 1862, 1878, 1883. Vgl. Ulrich Hess: Geschichte Thüringens: 1866 bis 1914, Weimar 1991, S. 493. Mit dem Tod Karl Günthers von Schwarzburg-Sondershausen war die Sondershausener Linie ausgestorben, sodass Fürst Günther von Schwarzburg-Rudolstadt seitdem beide Staaten in Personalunion regierte, vgl. ebd., S. 482. Als Verweser fungierte Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin, vgl. Jürgen Borchert: Mecklenburgs Grossherzöge 1815–1918, Schwerin 1992, S. 108.

4.1 GEBURT UND TAUFE

97

besonders zu Beginn seiner Regierung wiederholt dem Vorwurf ausgesetzt, ein Ausländer zu sein.399 Dass trotz allem ein Aussterben der direkten Linie um jeden Preis verhindert werden sollte, zeigt ein Schriftstück König Friedrich Augusts III. von Sachsen aus dem Jahre 1915, welches sich der Frage widmete, ob seine drei Söhne am Ersten Weltkrieg – wie von Staatsminister von Vitzthum vorgeschlagen – teilnehmen sollten. Das Schreiben bezog sich dabei auf direkte Fronteinsätze der Prinzen, welche 22, 21 und 18 Jahre alt waren und bereits Stabsaufgaben hinter den Linien erfüllten.400 Friedrich August fand den Vorschlag des Fronteinsatzes zwar „sympathisch“, müsse ihn aber, so das Schreiben weiter, aus diversen Überlegungen ablehnen. Als wichtigsten Grund seiner Erwägungen nannte er die Wahrung der „dynastisch-monarchische[n] Interessen“ des Landes, die von seinen Söhnen abhinge. Im Folgenden zeichnete er die prekäre Geschichte des Hauses Wettin albertinische Linie nach, welches „stets beinahe auf dem Aussterben gewesen“ sei. So hatte zwar seit dem Kurfürsten Friedrich Christian (1722–1763) immer einer der Nachfahren drei verheiratete Söhne, aber von diesen gelang es wiederum jeweils nur einem, selbst sukzessionsfähige Söhne zu zeugen. Sogar die eigenen Brüder Friedrich Augusts III. hatten keine Nachfahren. Der König schlussfolgerte daraus, „daß seit 150 Jahren 3 verheiratete Glieder des Hauses nötig sind, damit in einem Zweige die Familie weitergeht. Wenn man dagegen einwendet, daß das ja anders werden kann, so muß ich dagegen einwenden, daß 4 Generationen eine traurige Sprache sprechen.“401

Davon abgesehen, dass Friedrich August III. sicherlich auch andere Motive hatte, seine Söhne von den Schlachtfeldern des Weltkrieges fernzuhalten, zeigt der Gedankengang doch, wie wichtig die Nachkommenschaft – gesichert durch möglichst viele Söhne – und damit der Fortbestand des Hauses auch noch für Fürsten des 20. Jahrhunderts war.402 Auch vielen Untertanen war daran gelegen, eine unklare Erbsituation wie in Sachsen-Coburg und Gotha zu vermeiden. Immerhin war der jeweilige Bundesfürst nicht nur der direkte oder indirekte Arbeitgeber vieler Menschen, sondern 399

400

401 402

Vgl. LATh – StA Gotha, Bestand 2-15-0183 Departement I, Nr. 63, siehe auch Nicklas: Das Haus, 2003, S. 201 f.; Hubertus Büschel: Hitlers adliger Diplomat. Der Herzog von Coburg und das Dritte Reich, Frankfurt/M. 2016. Einen Überblick darüber bieten etwa die Erinnerungen des dritten Sohnes Ernst Heinrich. Dessen erste Verwendung war als Ordonanzoffizier im Generalkommando des XIX. Armeekorps aus Leipzig in der Champagne östlich von Reims. Dafür verließ er Dresden Mitte September 1914, Ernst Heinrich Herzog zu Sachsen: Mein Lebensweg, 1995 [1968], S. 74. SächsHStA, 10717, Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 2300a, fol. 17. Der gleiche Gedankengang findet sich auch in den Memoiren Ernst Heinrichs: „Ich hatte mich nun lange genug in Stäben aufgehalten und drängte danach, zur Truppe an die Front zu kommen. Ich wußte genau, warum wir drei Söhne nicht an die Brennpunkte der vordersten Front kommen durften. Die Thronfolge Sachsens ruhte allein auf uns dreien, fielen z. B. zwei aus und der dritte hatte keine Söhne, so erlosch unser Haus, und eine andere Familie wäre in Sachsen auf den Thron gekommen.“, Ernst Heinrich Herzog zu Sachsen: Mein Lebensweg, 1995 [1968], S. 98.

98

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

auch Mäzen und Protektor zahlreicher kultureller Einrichtungen.403 Besonders in kleineren Gebieten, wo die Bindung an das Herrscherhaus meist eine engere war, versprach ein direkter Nachfolger mehr Kontinuität, die zumindest im Falle eines akzeptierten Fürsten erwünscht war. Eindrücklich schilderte dies die Darmstädter Zeitung nach der Geburt des Erbgroßherzoges Georg Donatus 1906, die eine vierzehnjährige Spanne des Fehlens eines direkten Erben beendete: „Da war es wohl verständlich, daß in den letzten Jahren ein banges Raunen durch die Lande ging: Wie wird sich unsere Zukunft gestalten, wenn Großherzog Ernst Ludwig einmal das Zeitliche segnet und damit das Band gelöst wird, das sein Haus und uns jetzt schon so viele Jahrhunderte in unverbrüchlicher Liebe und Treue vereint?“404

Wenngleich sicherlich nicht alle Hessen von dieser Zukunftssorge erfüllt waren, so war die Frage der Erbfolge doch auch noch im 20. Jahrhundert nicht nur für das beteiligte Haus von entscheidender Bedeutung.

4.1.2

Zur Informationspolitik bei fürstlichen Schwangerschaften

Im Rahmen dieser Studie ist natürlich nicht nur die Frage nach der Bedeutung der Geburt an sich, sondern auch die Erörterung des Öffentlichkeitsstatus von Geburt und Taufe wesentlich. Dabei soll gefragt werden, inwieweit diese eher private oder öffentliche Ereignisse darstellten, welche konfessionellen Unterschiede es dabei gab, inwieweit die Öffentlichkeit über diese Ereignisse informiert wurde und partizipieren konnte und ob die Geburt eines fürstlichen Kindes weitere Folgen für die Untertanen hatte. Die Geburt konnte natürlich erst mit dem Verkünden der Schwangerschaft für die Untertanen relevant werden. Allerdings lässt sich im Falle der Bundesfürsten nur selten nachweisen, dass die Öffentlichkeit offiziell über eine Schwangerschaft im Herrscherhaus informiert wurde. Während der Frühen Neuzeit gab es für die Hofgesellschaft entscheidende zeremonielle Momente, die eine Schwangerschaft der Prinzessin oder Regentin ab der Vollendung des dritten Schwangerschaftsmonats indirekt mitteilten. Am österreichischen Kaiserhof wurde beispielsweise die betreffende Frau ab diesem Zeitpunkt in einer Sänfte getragen. Weitere Zeichen waren das Sitzen anstelle des Stehens beim Handkuss und der festliche Kleiderwechsel der Hofgesellschaft in Form des Galatragens, welches aufwändige Kleidung und Schmuck erforderte und jegliche Trauerkleidung verbot. Über die Hofgesellschaft hinaus wurden die Untertanen allerdings nur durch knappe Zeitungsmeldungen informiert. Diese waren meist unkommentiert und belegen,

403

404

Vgl. Kroll: Geburt der, 2013, S. 25–28. Friedrich August III. von Sachsen setzte beispielsweise 1 Million Mark – ein Fünftel seiner Zivilliste – für die königlichen Theater ein, vgl. Ernst Heinrich Herzog zu Sachsen: Mein Lebensweg, 1995 [1968], S. 16. Darmstädter Zeitung, 08.11.1906.

4.1 GEBURT UND TAUFE

99

dass die eigentliche Schwangerschaft sich noch nicht mit der Relevanz der erfolgreichen Geburt messen konnte, da eine Schwangerschaft an sich noch kein überlebensfähiges Kind versprach.405 Im Falle der untersuchten Bundesfürsten lassen sich keine Zeremonialvorschriften bezüglich der Mitteilung an die Hofgesellschaft finden. Es ist aber davon auszugehen, dass gerade an den kleineren und liberaleren Höfen wie Darmstadt, Gotha und Coburg die frühneuzeitlichen Zeremonien als überholt angesehen wurden, da deren Hofhaltung in Aufbau, Größe und Gestaltung in keiner Weise der des österreichischen Kaiserhofes entsprach.406 Am ehesten lässt sich für den sächsischen Hof noch das Galaanlegen vermuten, da sich an diesem, wie später zu sehen ist, auch andere tradierte Zeremonien erhalten hatten. Die über den Hof hinausgehende Öffentlichkeit wurde allerdings, soweit sich dies nachvollziehen lässt, um 1900 nicht mehr offiziell über Schwangerschaften unterrichtet. So gab es etwa bei den Schwangerschaften der Großherzoginnen von Hessen und bei Rhein und der Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha keine offizielle Zeitungsmeldung über den Umstand der Fürstinnen.407 In den Hofnachrichten wurde zwar der Besuch von nahestehenden weiblichen Verwandten und der dauernde Aufenthalt eines Arztes verkündet – auf die Schwangerschaft selbst aber wurde kein Bezug genommen.408 Dabei konnte diese natürlich gerade in den kleinen Residenzen nicht auf Dauer geheim gehalten werden: So nahm etwa Viktoria Adelheid von Sachsen-Coburg und Gotha noch zwei Wochen vor ihrer Entbindung an der Geburtstagsparade zu Ehren ihres Mannes teil und war auch sonst in Coburg, beispielsweise durch Besuche des Marktes, präsent.409 In der nicht offiziösen Presse wurde zudem – meist zum Leidwesen der betreffenden Fürstin – sehr unverblümt und auch recht früh über höfische Schwangerschaften berichtet und spekuliert. Dies zeigt etwa das Beispiel der russischen Zarin Alexandra, einer 405 406

407 408 409

Vgl. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 93 ff. Einen Eindruck davon vermitteln etwa die Briefe der Erbgroßherzogin Alice an ihre Mutter, Königin Victoria, vgl. Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to her Majesty the Queen. With a memoir by H. R. H. Princess Christian; in two volumes, Volume I, Leipzig 1885. So war nach Alice’ Ankunft in Darmstadt kein Gebäude vorhanden, was der Stellung einer englischen Königstochter auch nur annähernd entsprochen hätte, sodass in den Jahren 1864–1866 das Neue Palais in Darmstadt durch finanzielle Unterstützung Victorias als Stadtresidenz gebaut wurde, vgl. Franz: Hof und, 1990, S. 164. Im Übrigen führte die Erbgroßherzogin, wohl bedingt durch ihre englische Herkunft, ein vergleichsweise zwangloses Hofleben und war, wenn überhaupt, meist von zwei bis drei vertrauten „Hofdamen“ umgeben – auch dies ist nicht vergleichbar mit dem unter Maria Theresia existierenden Spanischen Hofzeremoniell. Obwohl der hessische Hof noch streng nach einer Hofrangordnung organisiert war, hatte sich diese doch mit der durch Alice’ Mann, Ludwig IV., 1879 reformierten Ordnung stark für viele Gesellschaftsschichten geöffnet, ebd., S. 171. Dafür wurden die entsprechenden Jahrgänge der Darmstädter Zeitung sowie der Coburger Zeitung ausgewertet. Vgl. Coburger Zeitung, 14. und 17.07.1906. Vgl. dazu Coburger Zeitung, 19.07.1906. Auch die Ausgaben vom 19.06.1906 und 03.07.1906 belegen die Präsenz der Herzogin.

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4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Schwester des letzten Großherzogs von Hessen und bei Rhein. Über die sich im vierten Schwangerschaftsmonat befindende Alix und ihre Gymnastikübungen berichteten die Neuen Hessischen Volksblätter: „Als sie vor einigen Wochen durch Erkältung ans Zimmer gesesselt410 [sic] war, trat bei der Kaiserin nach einer solchen Sport-Ruderübung ein[e] ganz leichte Blutung ein, und die Aerzte drangen in Anbetracht der gesegneten Umstände der hohen Frau darauf, daß dieselbe für längere Zeit das Bett hüten müßte.“411

Die Zarin war über diese Indiskretion empört und schrieb umgehend an ihren Bruder: „To dare imagine my using such a machine in my present state; – and the dirty things they write in this article are disgusting & shameful to put in about a sister of yours – a thing besides one would never speak of. Do have it denied; – directly. “412 Ob Ernst Ludwig dieser Aufforderung nachkam und in welcher Weise über die Schwangerschaften seiner eigenen Frauen berichtet wurde, kann aufgrund der nur sporadischen Überlieferung dieser Zeitung nicht nachgewiesen werden.413 Warum eine offizielle Meldung seitens der Fürsten ausblieb, ist fraglich. Zum einen galt auch noch um 1900, dass eine Schwangerschaft noch lange keine Garantie für ein gesundes Kind bot und diese daher unter Umständen als (noch) nicht mitteilungsbedürftig bewertet wurde. Andererseits hätte den Bundesfürsten daran gelegen sein müssen, das akklamierende Potential einer Schwangerschaft zu nutzen. Die bevorstehende Geburt eines Kindes war eines der Ereignisse, welches die den Untertanen gleiche Menschlichkeit der Fürsten hervorhob und daher ein Verständnis und Mitfühlen am viel beschworenen „angestammten Herrscherhaus“414 erleichterten. Auch konnte der Untertanenverband als Ganzes angesprochen werden und damit die regionale Identität bestärken. So war es etwa in der Frühen Neuzeit durchaus üblich gewesen, in allen Kirchen des Landes in Fürbitten für eine glückliche Entbindung der Prinzessin oder Fürstin zu beten. Diese Praxis lässt sich noch im Falle der Schwangerschaften der Frau des sächsischen Prinzen

410

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414

Da kein Exemplar dieser Zeitung ausfindig gemacht werden konnte, ist unklar, ob die Schreibfehler auf die Zeitung oder die Editorin Kleinpenning zurückgehen. Es wurde ein f mit einem s verwechselt. Neue Hessische Volksblätter, 24.01.1897, zitiert nach Kleinpenning: The correspondence, 2010, S. 238. Alexandra Fjodorowna an Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein 14./26.01.1897, Hervorhebungen im Original, zitiert nach ebd., S. 237. Im Staatsarchiv Darmstadt haben sich nur Einzelnummern dieser Zeitschrift erhalten; in der Universitätsbibliothek Darmstadt nur die Unterhaltungsbeilage. Dies ist umso bedauerlicher, da die hessische Familie anscheinend häufiger diese Zeitung las und gegenüber Freunden kommentierte. Vgl. auch einen Brief der späteren Zarin an ihre Jugendfreundin Toni Becker über Spekulationen der Zeitung bezüglich einer Verlobung mit dem russischen Thronfolger, Alix von Hessen und bei Rhein an Toni Becker, 13.01.1889, abgedruckt bei HoffmannKuhnt: Briefe der, 2009, S. 32. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 271.

4.1 GEBURT UND TAUFE

101

Georg (1832–1904), Maria Anna, von 1860 bis 1875 nachweisen.415 Ungefähr vier Wochen vor dem Entbindungstermin wurde die Öffentlichkeit über die Schwangerschaft informiert und zu landesweiten Fürbitten aufgefordert. So meldete etwa die Illustrirte Zeitung 1863: „Die Prinzessin Georg von Sachsen 416 befindet sich wieder in guter Hoffnung, und deshalb hat am 15. Febr. in allen Kirchen des Landes die übliche Abkündigung und Fürbitte für die glückliche Entbindung der Prinzessin begonnen.“417 Auffällig ist, dass sich für die Schwangerschaften der Schwiegertochter Maria Annas, Luise von Toskana, der Frau des späteren Königs Friedrich August III., von 1893 bis 1901 keine Belege für landesweit abgehaltene Fürbitten oder Zeitungsmeldungen über die bevorstehende Entbindung finden ließen. Gleiches gilt auch für Hessen, für welches sich die letzte Fürbitte 1848 nachweisen lässt.418 Diese Vorgehensweise geht konform mit der allgemeinen Entwicklung, die Geburt aus dem öffentlichen Raum hinein ins Private zu verlagern.419 Auch führte die kontinuierlich zunehmende ärztliche Überwachung der Geburt dazu, dass sich althergebrachte Rituale auflösten.420 War Mitte des 19. Jahrhunderts die Angst, bei einer Geburt zu sterben noch äußerst präsent und begründet,421 verbesserte sich die Situation für die Gebärenden mit den steigenden Hygienemaßnahmen langsam, aber stetig. In jedem Fall wurde die werdende Mutter an den meisten bundesfürstlichen Höfen nun eher als body natural, d. h. als ein Individuum mit Recht auf Privatsphäre wahrgenommen, denn als gebärender body politic im Dienste der Staatsräson.422 Dieser Wandel, der auch durch die Kritik des Bürgertums begründet sein mochte, im Zeremoniell einen Akt der physischen Repression mit im schlimmsten Fall einhergehender Verletzung des Körpers zu sehen,423 vollzog sich um 1900 415

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Überprüft werden konnten Nachweise für die Geburten der Jahre 1860–1867, aber auch für die übrigen gilt die Mitteilung als wahrscheinlich. 1867 wurde in der Illustrirten Zeitung nur die bevorstehende Entbindung mitgeteilt, die Mitteilung über stattfindende Fürbitten fehlt, vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 1241, 13.04.1867, S. 248. Die weibliche Anrede in Kombination mit dem Namen des Ehemannes war bis Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus üblich. Illustrirte Zeitung, Nr. 1025, 21.02.1863, S. 122. Vgl. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (im Folgenden: HStAD), Bestand E 3 A, 33/54. Vgl. Béatrice Fontanel/Claire Harcourt: Baby, Säugling, Wickelkind. Eine Kulturgeschichte, Hildesheim 1998, S. 38. Vgl. ebd., S. 56, allgemeiner auch Jacques Gélis: Die Geburt. Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500–1900, München 1989. So schrieb etwa Erbgroßherzogin Alice von Hessen und bei Rhein am 11.05.1868 in Bezug auf ihre Schwangerschaft an ihre Mutter: „It is this conviction which I always have, and which makes me serious and thoughtful, as who can know whether with the termination of this time my life may not also terminate?“, zitiert nach Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to her Majesty the Queen. With a memoir by H. R. H. Princess Christian; in two volumes, Volume II, Leipzig 1885, S. 31. Das Konzept der zwei Körper des Königs geht zurück auf: Ernst Kantorowicz: The King’s two bodies. A study in mediaeval political theology, Princeton, NJ u. a. 1997 [1957]. Der natürliche Körper ist dabei im Individuum des Königs zu finden, während der politische Körper das überdauernde Amt bzw. die Idee des Königtums meint. Vgl. Vogel: Elisabeth, 1998, S. 66.

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4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

langsam und nicht durchgehend. Er erklärt aber, warum um 1860 der Untertanenverband noch angehalten wurde, für die Geburt eines gesunden Kindes und Thronfolgers zu beten, während dies um 1900 nicht mehr gefordert wurde. Der Anspruch der Untertanen auf Information über den Fortgang der fürstlichen Schwangerschaft begann um die Jahrhundertwende geringer zu werden als das Recht auf Privatheit der Mutter. Vorgänge wie um 1860 in Wien, als die Schlosstore für Besucher geöffnet wurden, damit diese sich vom wachsenden Bauch der schwangeren Kaiserin Elisabeth überzeugen konnten, die sich dabei „als ein Affe am Werkel“ vorkam,424 gehörten um 1900 der Vergangenheit an.

4.1.3

Die Geburt und ihre Verkündung

Wie gestaltete sich nun aber der Ablauf der Geburt selbst? Hauke Petersen, der Geburt und Taufe in der Frühen Neuzeit am Beispiel des österreichischen Kaiserhofes, des sächsischen Kurfürstenhofes, des württembergischen und des schleswig-holstein-gottorfschen Hofes untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass – etwa im Vergleich zu Frankreich – die Geburt an den deutschen Höfen eher ein privates Ereignis denn „Staatsaktion“ war.425 Um den Verdacht eines Wechselkindes zu vermeiden, erfolgte die Geburt eines Dauphins häufig im Beisein vieler Hofangehöriger: „Da darff sich die Königin nicht schämen, im Beyseyn der Fürsten vom Königl[ichem] Geblüthe niederzukommen.“426 Auch wurde im Anschluss das Neugeborene der versammelten Hofgesellschaft mit entblößten Genitalien gezeigt, damit diese sich vom Geschlecht des Kindes überzeugen konnte. In Wien und an anderen deutschen Höfen war dergleichen unüblich. Hier wurde die Gebärende in das Geburtszimmer meist nur von einigen weiblichen Hofangehörigen, darunter auch Mutter bzw. Schwiegermutter, Oberhofmeisterin, Hebamme und dem Leibarzt begleitet. Im Laufe der Regierungszeit Maria Theresias (1717–1780) wurde dieser Kreis sogar auf Hebamme und Leibarzt verkleinert.427 Dem Wunsch nach Ungestörtheit der werdenden Mutter wurde an deutschen Höfen – zumindest 424 425 426

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Ebd., S. 65. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 108. Johann Christian Lünig: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-Platz Aller Ceremonien, Welche bey Päbst- und Käyser-, auch Königlichen Wahlen und Crönungen … Ingleichen bey Grosser Herren und dero Gesandten Einholungen … beobachtet werden, Leipzig 1720, S. 549. Dieses Zeremoniell fand auch noch bei der Niederkunft Marie Antoinettes 1778 Anwendung, Fontanel u. a.: Baby, Säugling, 1998, S. 37. Ebenfalls die Praktik der Geburt am französischen Königshof um 1600 beleuchtet Gélis: Die Geburt, 1989, S. 149 ff. Vgl. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 110. Allgemein dazu siehe Irene Kubiska: Und ist wegen dieser so glückhlich- und trostreichen geburt ein allgemeines frolockhen und grosse freydt gewesen. Das Geburten- und Taufzeremoniell am Wiener Hof im Zeitraum von 1652 bis 1800, in: Irmgard Pangerl (Hrsg.): Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle: (1652–1800). Eine Annäherung, Innsbruck u. a. 2007, S. 493–528.

4.1 GEBURT UND TAUFE

103

im Moment der Geburt – meist stattgegeben, denn deren und des Kindes Wohlergehen waren „vorrangig gegenüber staatlich bedingten Erfordernissen“.428 Auch für die bundesfürstlichen Höfe des 19. Jahrhunderts galt, dass die Geburt in erster Linie ein privates Ereignis war, welches nur im Beisein von engen Familienangehörigen sowie Hebamme und Arzt begangen wurde. Dass ein geborgenes Umfeld häufig wichtiger war als staatliche Erwägungen, ist auch daran zu sehen, dass die Erbgroßherzogin Alice von Hessen und bei Rhein für die Geburt ihres ersten Kindes 1863 in England weilte, um dort mit der Unterstützung ihrer Mutter, Königin Victoria, zu entbinden.429 Die Bevölkerung in Darmstadt wurde einen Tag später durch 21 Kanonenschüsse von der Geburt der Prinzessin unterrichtet, die Taufe in Windsor nahm der mitgereiste hessische Hofprediger vor.430 Dass der Geburtsort aber durchaus eine wichtige Rolle spielen konnte, belegt die Geburt des ersten Kindes Herzog Carl Eduards von Sachsen-Coburg und Gotha, welche 1906 in Coburg stattfand. Im Doppelherzogtum standen die beiden Residenzstädte Coburg und Gotha in ständiger Konkurrenz zueinander, was dazu führte, dass das Herzogshaus stets bedacht sein musste, keine der Städte zu bevorzugen. Die Berichterstattung über die Geburt des Erbherzoges in der Coburger Zeitung vermittelt daher auch den Eindruck, nicht über die Geburt an sich, sondern vielmehr über ihr Stattfinden in Coburg, wo seit 1818 kein herzogliches Kind mehr geboren worden war, erfreut zu sein.431 Die erste Unterrichtung der Bevölkerung von der geglückten Entbindung erfolgte stets durch Kanonen- oder, seltener, Salvenschüsse. Die Zahl der Salutschüsse gab Auskunft über das Geschlecht, wobei die konkrete Zahl innerhalb der Bundesfürstentümer variierte. So verkündeten in Bayern, Sachsen und Hessen 101 Schüsse die Geburt eines Jungen und 21 die eines Mädchens, in Coburg und Gotha waren es dagegen 136 Schüsse für den Thronfolger, 72 für nachgeborene Prinzen und 36 für Prinzessinnen.432 Besonders der Moment nach den erfolgten 21 bzw. 36 Schüssen wurde dabei mit Spannung erwartet, wie die Darmstädter Zeitung 1906

428 429

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Karin Plodeck: Hofstruktur und Hofzeremoniell in Brandenburg-Ansbach vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Ansbach 1972, S. 197. Im Gegensatz dazu musste jedoch Alice’ Schwester, die preußische Kronprinzessin Victoria, die Einladung ihrer Mutter, zur Geburt in England zu verweilen, ausschlagen. Dies hätte, so die wegen ihrer englischen Abstammung häufig kritisierte Kronprinzessin, der Öffentlichkeit nur einen weiteren Grund zur Kritik gegeben, vgl. Monika Wienfort: Verliebt, verlobt, verheiratet. Eine Geschichte der Ehe seit der Romantik, München 2014, S. 178. Vgl. Alice, Mittheilungen, 1883, S. 44. Vgl. Coburger Zeitung, 03.08.1906. Vgl. Hacker: Ludwig II., 1966, S. 18, Toskana: Mein Leben, 1988 [1911], S. 89, Darmstädter Zeitung, 08.11.1906, Harald Sandner: Hitlers Herzog: Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha; die Biographie, Aachen 2010, S. 68, 83, Coburger Zeitung, 25.08.1909. Auch Petersen nennt unterschiedliche Zahlen für unterschiedliche Herrschaftsgebiete. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 114 f.

104

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

festhielt: „Und als gar der Salut nach dem 21. Schuss nicht aussetzte, da ward die Freude noch viel größer: also ein E r b g r o ß h e r z o g !“433 Auch in der Frühen Neuzeit war die Benachrichtigung der Bevölkerung durch die akustischen Signale der Kanonenschüsse und Kirchenglocken erfolgt, die als Ausdrucksmittel herrschaftlicher Repräsentation galten. Gerade durch ihre Lautstärke, die einem Donnerhall ähnelte, sollten diese Zeremonialzeichen die Göttlichkeit der Fürsten betonen und durch die damit erzeugte akustische Ausnahmesituation den Respekt der Untertanen erlangen.434 Interessanterweise hielt man auch nach der Abkehr vom Gottesgnadentum an diesem akustischen Signal fest: Noch heute wird in den europäischen Monarchien die Geburt eines Kindes auf solche Art und Weise mitgeteilt. Während dies gegenwärtig aber ein zeitlich nachgeordnetes Ritual ist,435 wurde etwa 1906 die Darmstädter Bevölkerung zuerst, nämlich um 6.30 Uhr früh, durch dieses Signal über die Geburt informiert.436 Im Gegensatz zur Frühen Neuzeit musste dieses Zeichen nun aber mit anderen Signalen, etwa der Fabriksirene, die sich im 19. Jahrhundert etabliert hatte, konkurrieren. Die Sound History weist zurecht darauf hin, dass sich die „Klanglandschaft“ des 20. Jahrhunderts komplett von jener der Frühen Neuzeit, in der noch 90 % der Klänge auf Natur- und Menschenlaute zurückgingen, unterschied.437 Eine akustische Ausnahmesituation konnte daher der Begrüßungssalut nicht mehr darstellen. Aber wenngleich der Salut schon um 1900 als anachronistisch anmutendes, tradiertes Zeichen im Sinne Cannadines die Ausnahmefunktion der Monarchie in der modernen Welt darstellte – die ja zudem über genügend andere Nachrichtenmedien verfügte –, wird er gerade auch deswegen seine beeindruckende akustische Wirkung nicht verfehlt haben. Vielmehr erzeugte das aus der Zeit gefallene Signal eine „Aura des Geheimnisvollen und Magischen“ um den Monarchen, welches die Aufmerksamkeit der Zuhörenden sicherte.438 Die Sound History beginnt gerade erst, die gehörten Sinneseindrücke auf die Lebenswelt der Menschen zu untersuchen und verweist dabei nicht zuletzt auf Feuerbach, der im Gehörsinn den „einzig furchtsame[n], mystische[n] und gläubige[n] Sinn“ sah.439 Im Gegensatz zum

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Darmstädter Zeitung, 08.11.1906 (Hervorhebung im Original). Vgl. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 115. Anlässlich der Geburt des ersten Kindes des Duke of Cambridge, Prinz George, am 22.07.2013 wurde einen Tag nach dessen Geburt Salut geschossen, Vgl. Meldung des Ministry of Defence vom 23.07.2013: https://www.gov.uk/government/news/gun-salutes-welcome-royal-baby, letzter Abruf 05.08.2017, 16.00 Uhr. Vgl. Die Volksstimme. Sozialdemokratisches Organ für Frankfurt a. M., 08.11.1906. Gerhard Paul: Der Sound im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Soundgeschichtliche Gründerzeit, in: Gerhard Paul/Ralph Schock (Hrsg.): Sound des Jahrhunderts. Geräusche, Töne, Stimmen 1889 bis heute, Bonn 2013, S. 20–23, hier S. 20. Cannadine: Die Erfindung, 1994, S. 11. Ludwig Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. Nebst Zusätzen und Anmerkungen, Leipzig 1851, S. 34, siehe dazu auch: Gerhard Paul/Ralph Schock: Sound des Jahrhunderts. Einleitung, in: Paul u. a.: Sound des, 2013, S. 10.

4.1 GEBURT UND TAUFE

105

immer skeptischen Sehsinn, den Feuerbach noch als Medium der Gewissheit annahm, sei der Hörsinn zuständig für den Glauben, d. h. letztlich nicht endgültig zu belegende Dinge.440 Für den Glauben an die Legitimität der bundesfürstlichen Herrschaft war daher das akustische Signal, welches den Fortbestand der Dynastie versprach, von herausragender Bedeutung. So bot es eine ausgezeichnete Möglichkeit, alle Untertanen – unabhängig von ihrem Interesse an der Botschaft – in Hörweite gleichermaßen zu erreichen, diese aus ihrem Alltag herauszureißen – immerhin dauerte ein Salut von 101 Schuss bei einem angenommenen Abstand von zehn Sekunden länger als eine Viertelstunde441 – und sie auf eine rein emotional wirkende Art anzusprechen. Der häufig gemeinsam auf den Straßen erlebte, spannungsgeladene Moment des Mitzählens der Schüsse intensivierte diesen Effekt noch, sodass kaum jemand dem verkündeten „Ergebnis“ des Salutes indifferent gegenüberstehen konnte. Das ohnehin meist mit Freude der Untertanen begleitete Ereignis der Geburt,442 insbesondere des Thronfolgers, welches Kontinuität und Stabilität versprach, wurde durch diese Art der Mitteilungspraxis seitens der Fürsten noch zu verstärken versucht. Auch nach dem Salut wurde der Tag der Geburt eines fürstlichen Kindes von offizieller Seite als regionaler Festtag gestaltet: So gab es etwa für alle Kinder schulfrei, was sicherlich deren Freude über die Geburt erst erzeugte. Die Darmstädter Zeitung berichtete, wie die Schulkinder nun die Straßen füllten und „ein so belebtes und bewegtes Bild“ boten, „wie man es in Darmstadt nur selten sehen kann“.443 Auch von Privatleuten wurde die Geburt feierlich begangen: So schmückten die Inhaber von Geschäften ihre Schaufenster und illuminierten ihre Wohnhäuser. Am Abend der Geburt des Erbgroßherzogs gab es im Großherzoglichen Hoftheater eine Schüler- und Volksvorstellung von Schillers Wallenstein, zu der auch der Großherzog in seiner Loge erschien. Auf diesen und dessen Familie wurde seitens des Publikums ein dreifaches Hoch ausgebracht, für welches sich Ernst Ludwig bedankte.444 Auch der coburg-gothaische Herzog zeigte sich 1906 beispielsweise kurz nach der Geburt seines Sohnes in der Öffentlichkeit, um die Glückwünsche der Bevölkerung entgegenzunehmen.445 Damit wurde auch seitens des Herrscherhauses die Bedeutung der Geburt nach außen noch einmal verdeutlicht. Des Weiteren waren wohltätige Spenden – Ernst Ludwig spendete etwa der Heidenreich von 440 441

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Vgl. Feuerbach: Vorlesungen, 1851, S. 34. Dieser Abstand zwischen den Schüssen bestand beim Begrüßungssalut für George of Cambridge am 23.07.2013, vgl. https://www.gov.uk/government/news/gun-salutes-welcome-royal-baby, letzter Abruf 05.08.2017, 16.00 Uhr. Auch die Untertanen nutzen außergewöhnliche Geräusche um ihre Freude über die Geburt eines Thronfolgers auszudrücken. Bei der Geburt des späteren Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha 1818 in Coburg war das Freudenschießen und langanhaltende Feiern der Untertanen mit Gewehren ohrenbetäubend gewesen, vgl. Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 280. Darmstädter Zeitung, 09.11.1906. Vgl. ebd. Vgl. Coburger Zeitung, 03.08.1906.

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4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Sieboldschen Stiftung für arme Wöchnerinnen 5000 Mark446 – sowie Amnestien für Strafen wegen Majestätsbeleidigung, Beleidigung von Behörden und Amtsträgern oder Zuwiderhandlung des Forst- und Feldstrafrechts üblich.447 Teilweise gab es auch findige Geschäftsleute, die von der Geburt im Herrscherhaus profitieren wollten: 1845 veröffentlichte der erste Hofkapellmeister Stuntz in München Text und Noten für ein „Wiegenlied. Aus Veranlassung der Geburt Sr. K. Hoheit des Erbprinzen Ludwig von Bayern“. Das schnell zu erlernende Stück, welches der spätere König selbst wohl nie vorgesungen bekam, suggerierte den Untertanen dennoch, „auf symbolische Weise an der Intimsphäre der königlichen Familie teilzuhaben“ und trug damit zur Breitenwirkung der Monarchie und des Geburtsereignisses bei.448 Um 1900 nahm dann die Vermarktung gerade der jüngsten Mitglieder der Herrscherfamilien zu: Auf Postkarten und anderen Konsumgütern sollten sie immer häufiger zu sehen sein.449

4.1.4

Zur Relevanz von Geburten im Kaiserhaus und im „angestammten“ Herrscherhaus

Die Geburt des hessischen Erbgroßherzogs Georg Donatus 1906 bietet sich für einen Wahrnehmungsvergleich mit der im gleichen Jahr stattgefundenen Geburt des ersten Kindes des deutschen Kronprinzenpaares, Wilhelm, an. Da der neugeborene Wilhelm der präsumtive Erbe des Kaisertitels war, lässt seine Geburt eine dementsprechende Würdigung erwarten. Ein Vergleich der Berichterstattung der Darmstädter Zeitung über die beiden Geburten kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Ankunft des hessischen Thronerben weitaus mehr mediale Aufmerksamkeit bekam. Die Geburt Wilhelms wurde lediglich knapp in der Rubrik Politische Rundschau gemeldet. Die Überschrift Hurra, drei Kaiser zeigte zwar die Bedeutung der Meldung an, diese wurde aber nur mit einem kurzen Text von einer halben Spalte gewürdigt.450 Der Geburt des Erbgroßherzogs wurde dagegen unter der Überschrift Frohe Botschaft für das hessische Volk eine ganze Titelseite gewidmet.451 Im Falle Wilhelms berichteten zwar noch zwei Artikel über dessen Taufe am 30. August 1906, wobei auch die Taufrede abgedruckt war. Damit endete aber die Berichterstattung.452 Bei der Geburt Georgs wenige Monate später war die Zeitung dann über mehrere Tage hinweg gefüllt mit Huldigungsgedichten, geschichtlichen Abhandlungen über frühere hessische Geburten, Beschreibungen der Feiern in 446 447 448 449 450 451 452

Vgl. Darmstädter Zeitung, 08.11.1906. Vgl. Darmstädter Zeitung, 10.11.1906. Kilian Sprau: Zwischen Öffentlichkeit und Intimsphäre – Ludwig II. im Kunstlied, in: Wolf: Götterdämmerung, 2011, S. 195–202, hier S. 196 f., Zitat S. 197. Vgl. Kapitel 6.2.3.2. Vgl. Darmstädter Zeitung, 04.07.1906. Vgl. Darmstädter Zeitung, 08.11.1906. Vgl. Darmstädter Zeitung, 30., 31.08.1906.

4.1 GEBURT UND TAUFE

107

Darmstadt und Bulletins über den Zustand von Mutter und Kind. Auch hier wurde über die Taufe an zwei Tagen berichtet, insgesamt war aber die Berichterstattung weniger ausführlich als zum Geburtstag.453 Das gleiche Bild zeigt sich bei einem Blick in die Coburger Zeitung. Hier wurde erst am 6. Juli 1906 kurz über die Geburt des kaiserlichen Erbprinzen geschrieben,454 während nach der Entbindung der eigenen Herzogin wenige Wochen später sogar regelmäßig über die Körpertemperatur der Entbundenen berichtet wurde.455 Der Vergleich dieser Berichterstattungen gibt dabei in erster Linie Aufschluss über die den Geburten zugewiesene Relevanz durch die Zeitungsverleger, die von staatlicher Seite mehr oder minder subventioniert wurden.456 Diese vermittelten den selbstbewussten Eindruck, dass die Geburt eines Nachkommen für das regionale Herrscherhaus weitaus bedeutsamer sei als die eines Erben der Kaiserwürde. Wenngleich damit die Rezeption der Geburtsnachrichten nur schlaglichtartig beleuchtet werden kann, hatte diese unterschiedliche Gewichtung Auswirkungen auf die Wahrnehmung durch einen Teil der Bevölkerung. Dafür spricht auch die spätere Popularität der bundesfürstlichen Herrscherkinder. Einschränkend ist festzuhalten, dass es vermutlich ebenso Untertanen gab, die sich für keines der beiden Ereignisse interessierten. Leider sind die für diesen Zusammenhang interessanten sozialdemokratischen Zeitungen, die das Stimmungsbild womöglich differenzieren würden, auf regionaler Basis kaum erhalten. Der Hessische Volksfreund – Organ für die Interessen des werktätigen Volkes jedenfalls erwähnte die Geburt des zweiten hessischen Prinzen Ludwig 1908 – zur Geburt des Erbgroßherzogs war das Blatt noch nicht erschienen – mit keinem Wort.457 Trotz allem stärkt der Vergleich der offiziellen Blätter die These der ungebrochenen Relevanz der Bundesfürsten für ihre Region, die in ihrer Bedeutung den fernab agierenden Kaiser übertrafen. Auch zeigt die Berichterstattung, dass insbesondere die Geburt des Thronfolgers ein Ereignis war, welches Sympathien für das Herrscherhaus weckte und von den meisten Untertanen freudig begrüßt wurde. Für die Bundesfürsten war es dagegen eine willkommene Gelegenheit, sich durch Gnadenerlasse und karitative Spenden als fürsorgliche Landesherren zu inszenieren.

4.1.5

Die Taufe

Im Gegensatz zur Geburt, deren Bedeutung für die Bevölkerung auch seitens der Bundesfürsten durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen betont wurde, war und blieb die Taufe ein Ereignis, das sich fast ausschließlich im engen Rahmen der 453 454 455 456 457

Vgl. Darmstädter Zeitung, 08.–11.11., 03.–05.12.1906. Vgl. Coburger Zeitung, 06.07.1906. Vgl. Coburger Zeitung, 04.08.1906. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 180–187. Vgl. Hessischer Volksfreund – Organ für die Interessen des werktätigen Volkes, 20.–26.11.1908.

108

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Hoföffentlichkeit abspielte. Zwar stellte die Taufe für das Individuum ein äußerst wichtiges Ereignis dar, welches die Aufnahme in die kirchliche Gemeinschaft sicherstellte,458 aber bis ins 20. Jahrhundert wurde dieser religiöse Gehalt nicht umgedeutet und für repräsentative Feierlichkeiten genutzt, sodass die traditionellen Zeremonien zentral blieben. So war es an den katholischen Höfen in München und Dresden üblich, dass das neugeborene Kind innerhalb von 24 Stunden getauft wurde.459 Allein dieser Sachverhalt machte die Ausgestaltung eines großen Hoffestes oftmals unmöglich. Trotz allem waren spontane Volksfeste aber nicht ausgeschlossen, wie das Beispiel der Taufe Ludwigs II. von Bayern zeigt: „Eine zahllose Menschenmenge war vor dem Schlosse und auf der Straße nach Nymphenburg bis zum späten Abend in ununterbrochener freudiger Bewegung, viele Häuser auf dem Wege dahin und in Neuhausen waren mit Flaggen, Blumen und Kränzen geschmückt und bei anbrechender Dunkelheit festlich erleuchtet; die schönste Witterung begünstigte die frohe Feier.“460

Die Taufe fand stets in einer Kapelle oder einem Saal des Schlosses statt, in dem das Kind geboren worden war. Da so kurz nach der Geburt die Mutter häufig nicht an der Taufe teilnahm, kam der Obersthofmeisterin oder einem Taufpaten die wichtige Rolle zu, das Kind über das Taufbecken zu halten.461 Erst in der Taufe erhielt das Kind seinen Namen, wobei die Namen der Paten berücksichtigt wurden. Aber auch auf Namenstraditionen der Vorfahren wurde Wert gelegt. In Sachsen wurde beispielsweise der Name Friedrich August sehr häufig an den erstgeborenen Sohn weitergegeben, während in Bayern und Hessen die Prinzen häufig Ludwig genannt wurden. Für Sachsen erhielt sich anlässlich der Geburt des ersten Kindes nachweislich bis zum Ende des Königreiches ein Ritual, welches dem frühneuzeitlichen Kirchgang der Mutter vergleichbar war.462 Dabei zeigte sich die Mutter sechs Wochen nach der Geburt erstmals wieder der (Hof-)Öffentlichkeit. Statt eines Kirchgangs wurde in Sachsen dabei jedoch in den Staatsempfangsräumen eine große Defiliercour des Hofes vorbei an der jungen Mutter und ihrem in einer Wiege liegenden Kind vorgenommen. Der letzten sächsischen Kronprinzessin Luise von Toskana mutete diese Zeremonie selbst „sonderbar[…]“ an und die „endlose“ Cour ließ sie „todmüde“ werden, lange bevor die 800 Teilnehmer an ihr vorbeigezogen waren.463 Auch unter Beachtung des konsequenten hofkritischen Tons, der sich durch Luises Memoiren zog, ist dieser Schilderung zu entnehmen, dass der katholische Hof in Sachsen stark traditionsorientiert agierte und sich hier die 458 459

460 461 462 463

Vgl. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 73, 80. Vgl. Toskana: Mein Leben, 1988 [1911], S. 90, nicht immer wurden die 24 Stunden genau eingehalten, mehr als zwei Tage lagen aber kaum zwischen Geburt und Taufe, vgl. etwa Dirrigl: Maximilian II., 1984, S. 426. Diese Schilderung stammt vom Biografen Maximilians II., Ludwig Hauff, siehe Hacker: Ludwig II., 1966, S. 20. Vgl. ebd., S. 19. Vgl. Petersen: Geburt, Taufe, 2013, S. 313. Toskana: Mein Leben, 1988 [1911], S. 90.

4.1 GEBURT UND TAUFE

109

meisten Konstanten in Bezug auf Geburt und Taufe im Vergleich zur Frühen Neuzeit finden lassen. Die sächsische Langlebigkeit althergebrachter Zeremonien sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich deren Adressatenkreis um 1900 drastisch geändert hatte. So gehörte der sächsische Hof um die Jahrhundertwende zu den auch für Nichtadlige offensten des ganzen Reiches. Karl-Heinz Blaschke zeichnete sogar das Bild des Hofes als Sammelstätte der gesamten Führungskräfte des Landes, der besonders für leistungsorientierte Bürgerliche, Industrielle und Militärs ein Ort von Austausch und gehobener Geselligkeit war und in dem lediglich die obersten Hofchargen die letzte Bastion des Adels darstellten.464 Die 800 Menschen umfassende Defiliercour zu Ehren der jungen Mutter 1893 richtete sich demnach zwar formal nur an die Hoföffentlichkeit, konnte aber unter sächsischen Vorzeichen durchaus eine begrenzte breitenwirksame Öffentlichkeitswirkung entfalten, indem den führenden Repräsentanten des Landes die Möglichkeit gegeben wurde, ihren Dank angesichts der gesicherten Erbfolge auszudrücken. Im Gegensatz zu katholischen Herrscherhäusern gab es in protestantischen Herrscherfamilien keinen festgelegten Zeitpunkt, bis zu dem ein Kind getauft werden musste. Dies ließ prinzipiell mehr Raum für öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, die allerdings nur vereinzelt zum Tragen kamen. So wurde etwa die dritte Tochter des späteren Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein am 11. Juli 1866 – und damit gegen Ende des Deutsch-Deutschen Krieges, in dem Hessen gegen Preußen gekämpft hatte – geboren. In Erwartung des baldigen Kriegsendes beschlossen die Eltern, das Mädchen Irene, die Friedliche, zu nennen.465 Nachdem der Erbgroßherzog, der als Kommandeur der 2. Hessischen Infanteriebrigade im Krieg gekämpft hatte, dort seinen Abschied eingereicht hatte, forderte er zwei Regimenter auf, bei dem Kind Pate zu stehen. Die Soldaten, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaftsangehörige, waren „entzückt“ und wollten dem Kind auch Regimentsnamen geben, was ihnen gestattet wurde,466 sodass das Mädchen in der Taufe die Namen Irene Luise Maria Anna bekam.467 Nachdem die Taufe immer wieder aufgeschoben worden war – der Name Irene sollte nur in Friedenszeiten vergeben werden – wurde die Prinzessin unter Teilnahme von Regimentsvertretern am 12. September 1866 getauft.468 Im Gegensatz dazu – und für die bundesfürstliche Taufe eher üblich – wurde ihr Bruder Friedrich am 11. Februar 1871 „ganz in der Stille getauft“.469 Prinzipiell eignete sich auch eine Taufe als symbolischer Tag für landesherrliche Gesten. Die schon mehrfach erwähnte Geburt des Erbgroßherzogs von Hessen und bei Rhein, Georg Donatus, bewegte dessen Eltern dazu, an dessen Tauftag, dem 4. Dezember 1906, die Gründung der Zentrale für Mutter- und Säuglingsfürsorge 464 465 466 467 468 469

Vgl. Blaschke: Hof und, 1990, S. 195 ff. Vgl. Alice an Königin Victoria, 08.09.1866, zitiert nach Alice, Mittheilungen, 1883, S. 159. Alice an Königin Victoria, 13.08.1866, zitiert nach ebd., S. 155. Vgl. Alice an Königin Victoria, 08.09.1866, zitiert nach ebd., S. 159. Vgl. Alice an Königin Victoria, 11.09.1866, zitiert nach ebd., S. 160. Ebd., S. 279.

110

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

zu verkünden.470 Das Thema hatte Großherzog Ernst Ludwig und seine Frau nach eigenen Angaben schon länger beschäftigt und war angesichts der nach wie vor hohen Säuglingssterblichkeit von über 15 % auch höchst aktuell.471 Die Zentrale sollte besonders junge Mütter aufklären – eine erste Beratungsstelle in Darmstadt entstand bereits 1907, während 1909 die landesweite Arbeit aufgenommen wurde.472

4.1.6

Vergleichender Exkurs: Die Taufe des prince impérial 1856

Im Vergleich zu der vermutlich spektakulärsten Taufe des 19. Jahrhunderts wirken die Festgestaltungen der Bundesfürsten beinahe kläglich. Gemeint ist die Taufe des prince impérial, des einzigen Sohnes und Erben Napoleons III. (1808–1873), die am 14. Juni 1856 in der Pariser Kathedrale Notre-Dame stattfand. Schon die Abhaltung in der frisch renovierten, mit 10.000 Kerzen erleuchteten Kathedrale erlaubte es einer Zuschauermenge von 5600 Menschen, die Zeremonie direkt verfolgen zu können. Der Taufpate des Kindes, der Papst, war zwar nicht persönlich anwesend, hatte der Zeremonie aber seinen Segen erteilt.473 An den Straßen sollen mehrere hunderttausend Schaulustige das Spektakel der auffahrenden Kutschen hin zur Kathedrale, darunter eine, die bereits bei der Krönung Napoleons I. (1769–1821) zum Einsatz gekommen war, verfolgt haben.474 Vor dem Rathaus war ein riesiger Triumphbogen errichtet worden, und auch sonst schmückten weitere Pappfassaden die Stadt.475 Zahlreiche aufgestiegene Heißluftballons warfen Dragees über den Wartenden ab und prächtige Feuerwerke und Illuminationen, darunter die Darstellung einer gotischen Taufe, krönten die mehrere Tage dauernden Festlichkeiten. Rückblickend war das Ereignis für die Kaiserin Eugénie das glanzvollste des gesamten Second Empire.476 Zum Gedenken an diesen Tag gab Napoleon III. bei Thomas Couture ein großes Gemälde der Feierlichkeiten in Auftrag – welches allerdings nie fertiggestellt wurde – und ließ diese zugleich im neuen fotografischen Verfahren festhalten.477 Augenfällig am Pariser Geschehen ist aber auch, dass das Ereignis der gesicherten Thronfolge vom Kaiser ausschließlich genutzt wurde, um für sein Regime legitimierend zu wirken. Den eigentlichen religiösen Sinn der Taufe hatte man mit 470 471 472 473 474 475 476 477

Vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 156, 202. Vgl. HStAD, D 24, 31/5, n. fol. Vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 156, 202. Vgl. Matthew Truesdell: Spectacular politics: Louis-Napoleon Bonaparte and the Fête impériale, 1849–1870, New York u. a. 1997, S. 64. Vgl. Pierre-Guillaume Kopp: Die Bonapartes. Französische Cäsaren in Politik und Kunst, München u. a. 2013, S. 198. So schildert dies zumindest Emile Zola in seinem Roman Son Excellence Eugène Rougon, vgl. David Baguley: Napoleon III and his regime. An extravaganza, Baton Rouge 2000, S. 164. Vgl. Truesdell: Spectacular politics, 1997, S. 64. Vgl. Kopp: Die Bonapartes, 2013, S. 198 f., 158.

4.2 HOCHZEIT

111

der kurz nach der Geburt vollzogenen Vortaufe des bereits am 16. März geborenen Prinzen ad absurdum geführt.478 Napoleon III., der stets bemüht war, den Status eines politischen Parvenüs hinter sich zu lassen, verstand es exzellent, die öffentliche Meinung durch geschickte Inszenierungen für sich zu gewinnen. Die Taufe des kaiserlichen Prinzen orientierte sich daher auch an der des Königs von Rom und war durchtränkt mit Bezügen zu Napoleon I. Zudem sollte die prunkvolle Taufe die nicht stattgefundene Krönung Napoleons III. ersetzen.479 In dieser Bedeutungsaufladung ist sie mit keiner der Taufen an deutschen Höfen vergleichbar. Die Tatsache, dass weder die deutschen Kaiser noch die Bundesfürsten eine Taufe derart aufwändig inszenierten, weist daraufhin, dass sie keinen vergleichbaren Legitimationsdruck verspürten wie der französische Kaiser. Zudem konnte auch eine eher privat abgehaltene, bescheidene Taufzeremonie eine Vorbildwirkung entfalten und die Sympathien zumindest der die Privatheit der Familie postulierenden bürgerlichen Schichten wecken.

4.2

Hochzeit

4.2.1

Die Bedeutung der Hochzeit für das bundesfürstliche Haus

Im Gegensatz zu anderen lebensgeschichtlichen Ereignissen wie dem mit dem Herrschertod480 einhergehenden Regentenwechsel war die Hochzeit in der Fürstenfamilie ein Anlass, welcher der Öffentlichkeit aus Sicht der Souveräne nicht prinzipiell bedurfte.481 Musste im Falle eines Machtüberganges die damit entstehende Instabilität im Lande durch für die Bevölkerung nachvollziehbare Rituale abgesichert werden, war durch eine Hochzeit kein instabiles Moment für die Herrschaft gegeben.482 In erster Linie war die Hochzeit ein wichtiges Fest der Dynastie, genauer der Verbindung zweier Dynastien, und zielte durch ihren bis ins 20. Jahrhundert verpflichtenden endogamen Charakter darauf ab, die rechtmäßige Sukzessionsfähigkeit der Nachfolger zu gewährleisten. Folgten die Mitglieder der 478 479 480 481

482

Vgl. Truesdell: Spectacular politics, 1997, S. 64. Vgl. Kopp: Die Bonapartes, 2013, S. 198. Vgl. Kapitel 4.3. Zum nach wie vor privaten Charakter dynastischer Hochzeiten auch noch im 19. Jahrhundert siehe Wienfort: Verliebt, verlobt, 2014, S. 173 f. Diese führt an, dass beispielsweise noch die Hochzeiten der beiden ersten Kinder Königin Victorias, die der Princess Royal 1858 und die des Prince of Wales 1863 in privaten Schlosskapellen und von der Öffentlichkeit abgeschirmt stattfanden. Eine Ausnahme stellt hierbei vielleicht die Hochzeit einer Thronfolgerin bzw. Königin dar, wie etwa die Eheschließung Königin Victorias 1840 mit dem deutschen Prinzen Albert, welche Befürchtungen eines zu großen „deutschen“ Einflusses Alberts hervorriefen. Da im gesamten Deutschen Bund allerdings das Salische Erbfolgerecht galt, kann dieser Fall für den hier untersuchten Raum ausgeschlossen werden.

112

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

jeweiligen Herrscherhäuser nicht diesen, vom Haupt der Familie durchzusetzenden Kriterien, sondern eher ihren Neigungen, führte dies zu Sanktionen, die entweder das Mitglied selbst oder dessen Nachkommen aus der Erbfolge ausschlossen.483 Diese morganatischen Eheschließungen, welche den eigentlichen Zweck der Fürstenhochzeit ad absurdum führten, wurden meist heimlich und unter Ausschluss der Hoföffentlichkeit geschlossen. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen war natürlich auch die Hochzeit ein Ereignis, welches ein großes Akklamationspotential für das Herrscherhaus in sich barg. Obwohl das bürgerliche Ideal der Liebeshochzeit erst im frühen 19. Jahrhundert aufgekommen war,484 galt es um 1848 zumindest für alle gesellschaftlichen Schichten als erstrebenswert. Obschon im Hochadel nach wie vor dynastische Erwägungen eine große Rolle spielten,485 mussten sich zumindest nach außen hin alle Fürstenhochzeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Prämisse der Verliebtheit unterwerfen. Egal, ob nun echte Gefühle der Brautleute im Spiel waren oder nicht, von der Öffentlichkeit, in erster Linie den Medien, wurden das „Band der Liebe“ und der „Bund der Treue“ immer wieder betont.486 So gab es Festgedichte, die die Liebe der Brautleute beschworen oder exklusiv anmutende Berichte über das Kennenlernen der beiden, welche die Authentizität der Gefühle verbürgen sollten.487 Gerade diese Hervorhebung der Liebesbeziehung führte dazu, dass die Hochzeit als Verwandtschaftsfest, welches jeder Bürger und Arbeiter in der eigenen Familie erleben konnte, eine starke Identifikation mit dem Herrscherhaus ermöglichte.488 Auch waren die Monarchen „als fühlende Menschen den Untertanen ganz nah“.489 Durch die Betonung der treuen Verbindung der Eheleute wurde zudem gleichsam das Bild des ebenso treuen Bundes zwischen Untertanen und Herrscher immer wieder neu postuliert und ausgedeutet.490 Zweifelsohne war den Bundesfürsten das gestiegene Interesse der Öffentlichkeit an den Hochzeiten ihrer Häuser bewusst. Im Folgenden wird gezeigt, dass sie auf diese Entwicklung aber nicht konsequent, sondern nur im Einzelfall reagierten. Darüber hinaus ist

483

484 485 486 487 488 489 490

Vgl. Marburg, Das Ansehen, 2004, S. 359. Ein prominentes Beispiel stellt etwa der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand dar, dessen Eheschließung mit der nur aus niederem Adel stammenden Sophie Gräfin Chotek dazu führte, dass deren Nachkommen aus der österreichischen Erbfolge ausgeschlossen wurden. Das Hausgesetz des Erzhauses ist als besonders streng zu werten, vgl. Brigitte Hamann: Der Wiener Hof und die Hofgesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Möckl, Hof, 1990, S. 61–78, hier S. 72. Vgl. Wienfort: Verliebt, verlobt, 2014, S. 20. Vgl. Simon Schama: The Domestication of Majesty: Royal Family Portraiture 1500–1850, in: Journal of Interdisciplinary History 17, 1 (1986), S. 155–183, hier S. 157 f. Darmstädter Zeitung, 19.04.1894, Nachmittags-Ausgabe. Vgl. Daniel Schönpflug: Die Heiraten der Hohenzollern: Verwandtschaft, Politik und Ritual in Europa 1640–1918, Göttingen u. a. 2013, S. 239 f. Vgl. ebd., S. 208. Ebd., S. 245. Vgl. ebd., S. 239.

4.2 HOCHZEIT

113

festzustellen, dass den größeren Anteil am Bedeutungswandel der Fürstenhochzeit nicht die Fürsten, sondern die mediale Berichterstattung hatte.491

4.2.2

Ablauf der Hochzeit und Beteiligung der Öffentlichkeit

Für die untersuchten vier Herrscherhäuser ist zunächst zu vermerken, dass innerhalb dieser Familien von 1848 bis 1918 mit insgesamt 28 Eheschließungen vergleichsweise wenige Hochzeiten stattfanden.492 Dies lag zum einen an der Kinderlosigkeit vieler Herrscher bzw. an vergleichsweise kinderarmen Familien sowie an der nach wie vor hohen Sterblichkeit bis ins junge Erwachsenenalter. Hinzu kam noch eine Häufung der Hochzeiten in den 1850er-Jahren – hier heirateten immerhin fünf Kinder König Johanns von Sachsen – und dann wieder um die Jahrhundertwende. Aussagen über die Jahre dazwischen sind somit kaum möglich.493 Die anscheinende Kassation von Akten erschwert zudem Vergleiche, sodass sich insgesamt Entwicklungen weniger leicht nachvollziehen lassen. Zudem bildeten die 28 Eheschließungen eine sehr heterogene Gruppe, da ihnen ein unterschiedlicher Grad an öffentlichem Interesse zukam. Die höchste Aufmerksamkeit erregten naturgemäß die Hochzeiten der Regenten bzw. (präsumtiven) Thronfolger – dies traf auf lediglich sieben Hochzeiten zu, wovon nur im Falle von Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein und Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha auch ein regierender Fürst vor den Traualtar trat.494

491

492

493

494

Dies lässt sich auch sehr gut an den Hochzeiten im britischen Königshaus nachweisen. Während bei der Hochzeit Victorias mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha von den Medien noch kritisiert wurde, dass sich die Königin bereits wenige Tage danach wieder in der Öffentlichkeit zeigte, wurde bei der Hochzeit der Princess Royal 1858 beklagt, dass man das Paar kaum gesehen habe, Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 32, 54. In diese Erhebung wurden lediglich die Hochzeiten von regierenden Fürsten, deren Kindern und der Familien präsumtiver Nachfolger aufgenommen. Beispielsweise heirateten drei Kinder König Johanns von Sachsen noch vor dessen Thronbesteigung. Da Johanns Bruder, Friedrich August II., keine Kinder hatte, wurden die Hochzeiten von Johanns Nachkommen jedoch gezählt, da ihnen als Kinder des Thronfolgers auch mehr Aufmerksamkeit zukam. Anders verhielt sich dies im Falle der Kinder des Prinzregenten Luitpold, diese heirateten, bis auf Prinz Arnulf, zu einer Zeit, als nur bedingt absehbar war, dass Ludwig II. keine Erben haben würde. Die Hochzeit des präsumtiven Großherzogs Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein mit Alice von Großbritannien fand aufgrund der Trauer um den Vater der Braut, Prinz Albert, 1862 in äußerst privaten Rahmen in Osborne House statt. Die Hochzeiten Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha 1874 in Sankt Petersburg und des späteren Ludwigs III. von Bayern 1868 in Wien spielten zu diesem Zeitpunkt noch keine größere Rolle für die Region. Die abgesagte Hochzeit Ludwigs II. von Bayern mit Herzogin Sophie in Bayern 1867 sah, dem bereits entworfenen Programm folgend, ebenfalls keine direkte Partizipation der Öffentlichkeit vor, vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 56. Ernst Ludwig 1894 und 1905, Carl Eduard ebenfalls 1905. Als Zweiter in der Thronfolge heiratete Prinz Albert von Sachsen 1853, ebenfalls als Zweiter Friedrich August (III.) von

114

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Dass für die Bundesfürsten zuweilen dynastische Erwägungen eine größere Rolle spielten als die Einbindung der Öffentlichkeit, lässt sich bereits daran erkennen, dass die Hochzeit in drei Viertel der Fälle in der Heimat der Braut und nicht im eigenen Herrschaftsgebiet stattfand – dies galt sogar für die erste Eheschließung des regierenden Großherzogs Ernst Ludwig495 und die Heirat des ebenfalls regierenden Herzogs Carl Eduard. Dieser Befund widerspricht auch der sonst eher zutreffenden Beobachtung, dass meist die höherrangige Dynastie die Hochzeit ausrichtete.496 Wie dies zeigt, war für die Fürstenfamilie eine prinzipielle Wahlmöglichkeit über den Ort der Eheschließung durchaus vorhanden, auf eine größere Einbindung der Bevölkerung wurde aber meist kein Wert gelegt. Beim Ablauf der Fürstenhochzeit gab es, ähnlich wie es Daniel Schönpflug bereits über die Eheschließungen der Hohenzollern konstatiert, kaum Veränderungen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert.497 Fand die Hochzeit in der Residenz des Bräutigams statt, war der festliche Einzug der Braut das Element, an welchem die Untertanen am ehesten teilhatten, da sich ihnen die Möglichkeit bot, die Brautkutsche am Straßenrand zu beobachten. Meist wurde die Braut schon ab der Landesgrenze immer wieder von Deputationen und Untertanen begrüßt, die die Reisestationen festlich ausgeschmückt hatten. In der Residenzstadt wurde das Begrüßungsrepertoire dann um Huldigungsgedichte, Blumengeschenke, Fahnenschmuck und aufwändig gestaltete Ehrenpforten ergänzt. Von der kirchlichen Trauung, der ab 1874 eine Ziviltrauung vorausgehen musste,498 waren die Untertanen jedoch meist ausgeschlossen. Bezeichnenderweise fand diese oft in einem zur Kapelle umgestalteten Raum des Schlosses statt oder, wenn vorhanden, in einer Schloss- oder Hofkirche. In Dresden und Darmstadt existierten überdachte Verbindungsgänge zwischen Schloss und Kirche, sodass kein Umweg über Höfe und Straßen gemacht werden musste und die Öffentlichkeit komplett ausgeschlossen werden konnte. Für alle präsent wurde das fürstliche Ereignis erst wieder durch

495

496

497 498

Sachsen 1891, Rupprecht von Bayern heiratete 1900 gar nur als zweiter Prätendent in der Regentenfolge. Die erste Eheschließung Ernst Ludwigs mit Victoria Melita wurde in vielen Details von beider Großmutter, Königin Victoria, bestimmt, vgl. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha an Marie von Rumänien, 27.03.1894, zitiert nach Dearest Missy, 2011, S. 172. Dass die zweite Eheschließung Ernst Ludwigs in Darmstadt stattfand, sollte auch nicht überbewertet werden: Seine zweite Ehefrau Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich entstammte einer hessischen Standesherrenfamilie, weshalb eine Hochzeit in Darmstadt repräsentativer war. Daniel Schönpflug kommt in seiner Studie über die Heiraten der Hohenzollern zu dem Schluss, dass die Braut meist zur Eheschließung in die Residenz des Gatten zog, vgl. Schönpflug: Die Heiraten, 2013, S. 212. Im Falle der Hochzeit von Kronprinz Friedrich mit der englischen Prinzessin Victoria 1858 fand die Hochzeit aber auch in der Heimat der Braut, der älteren Dynastie statt. Alle hier erhobenen Hochzeiten mit Mitgliedern des Erzhauses fanden beispielsweise in Wien statt. Vgl. ebd., S. 212. Vgl. ebd., S. 212.

4.2 HOCHZEIT

115

die bis zu 101 Kanonenschüsse, die zeitgleich zum Ringwechsel abgegeben wurden.499 Seitens der Bürgerschaft war für den Abend meist ein Fackel- oder Lampionumzug sowie eine Illumination der Stadt geplant, welche häufig vom Brautpaar in einer Stadtrundfahrt besichtigt wurde. Typisch war auch das Vortragen einer Serenade zu Ehren der Neuvermählten im Schlosshof durch örtliche Gesangsvereine. Die folgenden Tage sahen dann Theatervorstellungen und Bälle im Festprogramm vor, wobei sich im Falle einer Theateraufführung für ein breiteres Publikum durchaus noch einmal die Möglichkeit ergab, das Brautpaar zu sehen. Der hier geschilderte Ablauf änderte sich, wenn die Hochzeit in der Heimat der Braut stattfand. Der Brauteinzug entfiel und wurde durch einen Einzug des neuvermählten Paares in die zukünftige Residenz der Eheleute abgelöst. Auch hier fand ein Festprogramm bestehend aus Fackelzug, Serenade und Illumination durch die Untertanen statt.500 Wie diese Abläufe bereits andeuten, gingen die meisten öffentlichkeitswirksamen Aspekte einer Herrscherhochzeit auf die Initiative der Untertanen selbst zurück. Dieses Vorgehen hatte historische Wurzeln, weshalb die „Freiwilligkeit“ dieser Maßnahmen schwierig zu ermitteln ist. Bis auf den Einzug der Braut bzw. des Brautpaares, die Gestaltung der kirchlichen Feier, Galatafeln, Theatervorstellungen und Ausstellung der Aussteuer bzw. der Hochzeitsgeschenke wurde kein weiterer Programmpunkt seitens des Herrscherhauses geplant. Vielmehr würdigte man die Programmpunkte der Untertanen mit der eigenen Anwesenheit. Dazu gehörten neben den schon genannten Serenaden und Illuminationen auch Volksbelustigungen oder Kinderfeste wie 1853 bei der Hochzeit des sächsischen Prinzen Albert mit Carola von Wasa (1833–1907).501 Da diese auch für das Image des Herrscherhauses positiven Feste vom Brautpaar besucht wurden, konnten die Medien das Verhalten der Herrscherfamilie trotz allem als volksnah auslegen. Wie in vielen Aspekten der Herrschaftsinszenierung lässt sich also auch beim Ereignis Hochzeit auf den ersten Blick nur schwer trennen, welcher Teil der Inszenierung auf eine direkte Planung des Hofes zurückging und wann dieser nur von den zahlreichen Festveranstaltungen profitierte. Diese nahmen an Quantität und Qualität im Laufe des 19. Jahrhunderts stetig zu. Ein Grund hierfür war unter anderem, dass eine Fürstenhochzeit nicht nur ein willkommener Anlass war, einmal in einer Festwoche aus dem Alltagsleben auszubrechen, sondern auch eine ideale Möglichkeit der städtischen Selbstdarstellung.502 So beobachtete beispielsweise die in Leipzig ansässige Illustrirte Zeitung stets ganz genau, wie sich die konkurrierende Residenz Dresden, welche man in Leipzig als „in sich selbst versunken[…]“ bezeichnete, im 499 500 501

502

Siehe etwa Darmstädter Zeitung, 03.02.1905, Vormittags-Ausgabe. Für die verschiedenen Festprogramme in Sachsen siehe etwa SächsHStA, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9550 sowie 10697 Gesamtministerium, Nr. 0622. Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 522, 02.07.1853, S. 6, zur Eheschließung siehe auch Anne-Simone Knöfel: Dynastie und Prestige. Die Heiratspolitik der Wettiner, Köln u. a. 2009, S. 265 f. Siehe dazu auch: Schönpflug: Die Heiraten, 2013, S. 243.

116

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Falle einer Prinzenhochzeit präsentierte.503 Aber auch im innerstädtischen Rahmen kam es unter den verschiedenen Innungen und Vereinen immer häufiger zu Wettbewerben, wer die aufwändigsten, teuersten und schönsten Dekorationen, Festwägen oder Illuminationen präsentieren konnte. Dies wurde dann nicht nur durch die Zuschauer vor Ort bewertet, sondern fand auch Niederschlag in den medialen Berichterstattungen. Im Falle des 1894 in Darmstadt stattfindenden Einzugs des neuvermählten Großherzogs wurden in der Darmstädter Zeitung gleich mehrere Beiträge verschiedener Berichterstatter über die diversen Häuser- und Straßendekorationen abgedruckt, die diese äußerst detailreich beschrieben. Wie das Urteil eines Journalisten zeigte, weitete sich der Enthusiasmus der Öffentlichkeit in Teilen sogar in einen Wettkampf um den gelungensten Fassadenschmuck aus: „Den Vogel hatten aber die Bewohner der Ludwigstraße abgeschossen, die einen wirklich großartigen Eindruck machte.“504

4.2.3

Hochzeiten als Element der Inszenierung

Anhand einiger Beispiele soll noch einmal gefragt werden, inwieweit es seitens der Fürsten Maßnahmen gab, die Öffentlichkeit bei einer Hochzeit zu integrieren. Dass es durchaus Überlegungen in diese Richtung gab, zeigt besonders die 1850 stattgefundene Hochzeit zwischen der sächsischen Prinzessin Elisabeth, einer Tochter des damaligen Kronprinzen und späteren Königs Johann, mit Ferdinand, Herzog zu Genua. Die Hochzeit war insbesondere aufgrund ihres Zeitpunktes heikel, da erst ein Jahr zuvor während des Dresdner Maiaufstandes von 1849 die Königsfamilie auf die Festung Königstein geflohen war. Der Aufstand wollte in einer letzten Aktion die Errungenschaften der 1848er-Revolution sichern und konnte erst mithilfe preußischer Truppen niedergeschlagen werden.505 Angesichts der noch nicht wieder eingetretenen Ruhe waren die Vorzeichen für eine königliche Hochzeit alles andere als günstig. Familienintern kam noch hinzu, dass sich die Brautleute noch nie zuvor gesehen hatten, in der Familie Johanns aber doch Wert

503

504 505

Illustrirte Zeitung, Nr. 359, 18.05.1850, S. 310, angesichts der Hochzeit Alberts 1853 charakterisierte die Zeitung die Residenz als: „Das sonst so stille und in die Gemüthlichkeit seines Alltagslebens versunkene Dresden“, Illustrirte Zeitung, Nr. 522, 02.07.1853, S. 3. Dieser städtische Konkurrenzkampf ist auch für Darmstadt festzustellen. So schrieb die Darmstädter Zeitung am 20.04.1894, Vormittags-Ausgabe: „[M]an kann angesichts dieses so prächtig ausgefallenen Rahmens nur sagen, daß die Einwohnerschaft Darmstadts sich mit einer Hingebung und Opferwilligkeit der festlichen Gestaltung der zum freudigen Empfang gerüsteten Stadt gewidmet hat, die alle Anerkennung verdient und, auch außerhalb, abgesehen von den prinzipiellen Nörglern, denen Darmstadt nie etwas recht machen kann, finden wird“, (Hervorhebung A. S.). Darmstädter Zeitung, 21.04.1894, Nachmittags-Ausgabe. Vgl. Johann, Lebenserinnerungen, 1958, S. 224.

4.2 HOCHZEIT

117

auf eine wechselseitige Sympathie der Eheleute gelegt wurde.506 Das Kennenlernen von Elisabeth und Ferdinand verlief allerdings positiv, worüber sich nicht nur der Brautvater erleichtert zeigte. So erwähnte er ein Jahr nach der Hochzeit im Schreiben an seine Tochter die gefundene Übereinkunft, „deren Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Stadt lief“, sodass dem Brautpaar während einer „Fußpromenade […] die halbe Stadt nachlief“.507 Denn trotz des wegen des Maiaufstandes mit „sich selbst grollende[n] Dresden[s]“508 gab es seitens der Einwohner durchaus Interesse an dem Familienereignis, insbesondere am Herzog von Genua. So schrieb die Illustrirte Zeitung: „Königliche Hofwagen hatten ihn am Bahnhofe erwartet, ebenso ein ziemlich zahlreiches namentlich weibliches Publicum, das sich natürlich für den hohen Gast und Bräutigam aus sehr verzeihlicher Neugierde sehr interessirte. Am Abende desselben Tages noch hatte das Publicum Gelegenheit, ihn am Arme seiner jungen Braut in den Promenaden des großen Gartens spazieren zu sehen. Auch bei der großen Parade der Infanteriebrigade Georg am Sonntage zeigte der Prinz sich dem Publicum auf längere Zeit.“509

Zwar wurde das Aussehen des Prinzen „mehr interessant als imponierend“ empfunden und zudem kritisiert, dass er nie lächelte, aber dennoch waren die Festlichkeiten geeignet, die Stimmung in der Stadt „etwas aufgeheitert und wenigstens auf kurze Zeit freundlicher gestimmt“ erscheinen zu lassen. Dazu hatten nicht nur das häufige Auftreten des Brautpaares gesorgt, sondern auch die Ausstellung der Hochzeitsgeschenke sowie der Ablauf der Trauung selbst. Diese fand auf expliziten Wunsch Johanns „[d]em früheren Gebrauche entgegen […] öffentlich in der katholischen Hofkirche […] statt“, sodass nicht nur die Familie teilnehmen konnte.510 Dabei setzte sich auch der sächsische Hof über den Wunsch des Herzogs von Genua hinweg, der die Eheschließung im privaten Rahmen des Taschenbergpalais favorisiert hatte.511 Ungewöhnlich war aber nicht nur die Trauung in der Hofkirche, sondern auch die Tatsache, dass neben Mitgliedern der Familie und der Hofgesellschaft auch an andere Untertanen Eintrittskarten „in freigiebiger Weise vertheilt worden waren“.512 Zudem wurden während des Tedeums die Kirchentüren geöffnet, sodass auch die Menschen auf dem Schlossplatz „am erhebenden Moment“ teilhaben konnten.513 Zusammen mit dem Läuten der Glocken und den Ehrensalven war dies der

506 507

508 509 510 511 512 513

Auf diese wechselseitige Sympathie legte Johann bei allen Eheprojekten seiner Kinder Wert, vgl. Marburg, Das Ansehen, 2004; Knöfel: Dynastie und, 2009, S. 264 ff. Johann an Elisabeth, 23.04.1851, zitiert nach Marburg: Europäischer Hochadel, 2008, S. 246, vgl. dazu auch die ähnliche Schilderung in den Memoiren des Königs Johann, Lebenserinnerungen, 1958, S. 238 f. Illustrirte Zeitung, Nr. 359, 18.05.1850, S. 310. Ebd., S. 311. Ebd. Vgl. Marburg, Das Ansehen, 2004, S. 374. Illustrirte Zeitung, Nr. 359, 18.05.1850, S. 311. Ebd.

118

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

IZ zufolge der „imposanteste und ergreifendste Theil der Feier“, dem zur Vollendung nur „das herzliche, tausendstimmige Jubelrufen des Volkes“ fehlte.514 Trotz der Begeisterung des Autors für manche Aspekte der Trauungsfeierlichkeiten schilderte dieser nämlich recht glaubwürdig verschiedene Momente der Anteilnahme, aber auch des Desinteresses der Bevölkerung. Die Berichterstattung über die Rezeption der Hochzeit war demnach äußerst ambivalent. Neben der Würdigung des Ablaufes der Feierlichkeiten wurde dagegen deren „kirchlich-militairische Natur“ kritisiert sowie die mangelnde Anteilnahme der Bevölkerung immer wieder geschildert.515 Im Vergleich mit der letzten Wettinischen Hochzeit, die immerhin 17 Jahre zurücklag, waren damals „die Festlichkeiten kaum glänzender als diesmal, allein sie trugen einen gemühtlichern Charakter und wurden großartiger durch die allgemeine Theilnahme des Volkes. Die jetzige fürstliche Vermählung brachte leider blos auf der Oberfläche der Residenz, nur in den höheren Schichten der Gesellschaft einige Bewegung hervor“.516

Dieser kritischen Stimmung entsprechend, waren die Maßnahmen des Hofes, die Trauung für die Öffentlichkeit transparenter zu machen, durchaus angezeigt. Obwohl Johann die Anteilnahme der Öffentlichkeit an den Heiratsprojekten seiner Kinder, zumindest im Vorfeld der Verlobung, als störend empfand,517 war er sich doch eines notwendigen Zugehens auf diese bewusst. Die Hochzeit seiner Tochter sah er folgerichtig als gute Möglichkeit, die Sympathiekrise des Königshauses durch die oben genannten Maßnahmen zu überwinden. Wie seine Lebenserinnerungen zeigen, schätzte er dieses Bestreben als erfolgreich ein: „Überhaupt nahm das Publicum großen Teil an der freudigen Begebenheit, und es war als ob bei dieser Gelegenheit der letzte Rest der Mißstimmung von den Maitagen her verschwunden wäre.“518 Ob diese Einschätzung dem Wunschdenken Johanns oder den Tatsachen entsprach, muss dahingestellt bleiben. Drei Jahre später, bei der Hochzeit des späteren Königs Albert, gab es keinen Hinweis mehr auf eine antimonarchische Stimmung in der IZ. Diese war vielmehr voll des Lobes für die Braut: „Von der Prinzessin Caroline von Wasa konnte man sagen: ‚Sie kam – sie wurde gesehen – sie siegte!‘“519 Diese Begeisterung wurde ausgelöst durch das Verhalten der Prinzessin bei den zahlreichen Aufwartungen während ihrer Fahrt von Böhmen nach Dresden. Dabei zeigte sie genau die Gefühlsregungen, die von einer fürstlichen Braut erwartet wurden: Sie küsste die sie

514 515 516 517

518 519

Ebd. Ebd. Ebd. Da besonders hinter Rundreisen der Prinzen immer wieder Brautschaureisen seitens diverser Zeitungen vermutet wurden, fürchtete Johann eine abschreckende Wirkung dieser Berichterstattung auf seine Söhne. Im schlimmsten Falle sah er den dadurch entstehenden Druck so groß werden, dass eine Verlobung deshalb nicht stattfand, vgl. ebd., S. 380. Johann, Lebenserinnerungen, 1958, S. 239. Illustrirte Zeitung, Nr. 522, 02.07.1853, S. 3.

4.2 HOCHZEIT

119

empfangenden Mädchen in Pirna und weinte vor Rührung bei den Begrüßungsworten des Dresdner Bürgermeisters. Gleichviel, ob es sich dabei um echte Gefühle handelte oder nicht, die Erwartungshaltung des Publikums wurde erfüllt: „Es war der Sieg jener unbeschreiblichen Herzensgüte, echter Weiblichkeit und Milde, welche sich wie ein himmlischer Blumenduft über das ganze Wesen der Prinzessin verbreiten.“520 Ansonsten verlief die Hochzeit ähnlich wie die Prinzessin Elisabeths. Neu waren die Amnestien für 35 Beteiligte des Maiaufstandes, deren Strafmaß entweder aufgehoben oder drastisch gemindert wurde. Neben der Tatsache, dass auch der Bräutigam Prinz Albert 500 Taler für Bedürftige spendete, zählte auch dies zu den öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen des Königshauses.

4.2.4

Die Hochzeit als mediales Großereignis: Zur Coburger Fürstenhochzeit 1894

Schon bei den Hochzeiten in den 1850er-Jahren war die Berichterstattung sehr ausführlich gewesen. Besonders illustrierte Zeitungen wie die IZ trugen dazu bei, die Momente, die, wie etwa die Trauung selbst, zuvor kaum einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich waren, doch noch im Bild nachvollziehen zu können. Die Zulassung eines Berichterstatters und Zeichners war zwar immer von der Zustimmung der Höfe abhängig, diese wurde aber, soweit sich dies nachvollziehen lässt, im Fall einer bekannten und renommierten Zeitung immer erteilt.521 Da eine Fürstenhochzeit zunehmend als Ausdruck einer Liebesbeziehung und weniger der politischen Beziehungen wahrgenommen wurde, war dieses vermeintlich unpolitische Ereignis auch bestens geeignet als konstantes Zeitungssujet. Angesichts beharrlich wiederkehrender Kriege sowie politischer und wirtschaftlicher Krisen bot und bietet eine Hochzeit für viele Menschen eine geeignete Möglichkeit der kurzen Alltagsflucht oder eine Projektionsfläche für die eigenen Träume einer glücklicheren bzw. besser situierten Zukunft. Aufgrund dieser populären Entwicklung nahm die Berichterstattung über Fürstenhochzeiten gegen Ende des 19. Jahrhunderts stetig zu. Besonders deutlich trat dies bei der Vermählung des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein mit Victoria Melita, der Tochter Herzog Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha, zu Tage. Nicht nur zahlreiche deutsche Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen (IZ, Wolffsches Telegraphenbureau, Berliner Neueste Nachrichten, KreuzZeitung) richteten Anfragen an das Coburger Oberhofmarschallamt mit der Bitte um eine Teilnahmekarte, sondern auch viele britische Medien (Reuters, The Standard, Daily Telegraph, The Lady’s Pictorial). Selbst in den republikanischen USA fand die deutsche Fürstenhochzeit Interesse (New York Herald, New York United Press).522 Sicherlich wurde im Fall der Coburger Hochzeit die Aufmerksamkeit – gerade auch 520 521 522

Ebd. Vgl. dazu StACo, LA A, Nr. 13072. Vgl. ebd.

120

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

der internationalen Medien – dadurch verstärkt, dass sich hier zwei Enkelkinder Königin Victorias das Ja-Wort gaben.523 Zudem war diese, neben dem Prince of Wales, dem Deutschen Kaiser und dem russischen Thronfolger Nikolaus (II.), zu den Feierlichkeiten nach Coburg angereist, was den fast siebzigjährigen Sir Henry Ponsonby, Privatsekretär Königin Victorias, zu der Aussage veranlasste, noch nie so viele königliche Hoheiten an einem Ort gesehen zu haben.524 Das Coburger Oberhofmarschallamt zeigte sich auf den Ansturm der Pressevertreter gut vorbereitet: Teile der 1. Empore in der Kirche waren für diese reserviert worden,525 und Journalisten wurde, wenn sie glaubwürdig machen konnten, für eine Zeitung zu arbeiten, „gerne“ der Zutritt „gestattet[…]“.526 Im Falle unbekannter Reporter oder Fotografen wurden aber durchaus Erkundigungen bei anderen Bundesstaaten über deren Angaben eingeholt.527 Zudem verwehrte sich der Oberhofmarschall gegen Anfragen von Nachrichtenagenturen, die alleine und exklusiv von der Feierlichkeit berichten wollten. Diese Beschränkung müsse „ziemlich willkürlich erscheinen“, und man könne nicht „die Vertreter angesehener Organe […] auf die Seite schieben“. Dennoch zeigte sich der Oberhofmarschall „gern bereit, soweit mir möglich, zu inhaltvoller und zuverlässiger Berichterstattung“ zur Verfügung zu stehen. 528 Wurden die Journalisten nach Möglichkeit gleich behandelt, sah dies bei Fotografen anders aus. Aufgrund der nur beschränkten Möglichkeiten, gute Bilder zu produzieren, teilten die Behörden dem Weimarer Hoffotografen Louis Held mit, dass er seine Arbeit auf eigenes finanzielles Risiko durchzuführen habe, „da hiesige [Coburger, A. S.] und Gothaer Photographen, welche ebenfalls Aufnahmen machen werden, […] in erster Linie berücksichtigt werden“.529 Der routinierte Umgang mit den Pressevertretern lässt eine langjährige Erfahrung des Coburger Oberhofmarschallamtes mit der Presse bei wichtigen Hofveranstaltungen vermuten. Nach Abschluss der Feierlichkeiten sprachen viele Journalisten dem Oberhofmarschall ihren Dank für dessen Unterstützung aus.530 Angesichts der zahlreichen Berichterstattungen über Hochzeiten und andere Feierlichkeiten in den untersuchten Staaten ist davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Oberhofmarschallämtern und der Presse meist recht ähnlich ablief. Diese für die Frage nach der Öffentlichkeitsarbeit der Höfe überaus wichtige Thematik versperrt sich leider einer eingehenderen Untersuchung, da, wie 523

524 525 526 527 528 529 530

Vgl. zur Einflussnahme der britischen Könige auch auf die deutschen Höfe: Karina Urbach (Hrsg.): Royal kinship. Anglo-German family networks 1815–1918, München 2008; Jane Ridley: „Europe’s Grandmother“. Queen Victoria and her German Relations, in: Kroll u. a.: Hannover – Coburg-Gotha, 2015, S. 243–258. Vgl. David Duff: Hessian tapestry. The Hesse Family and British Royalty, Newton Abbot u. a. 1979, S. 233. Vgl. StACo, LA A, Nr. 13071, Programm der Hochzeit, fol. 38r–39r. StACo, LA A, Nr. 13072, fol. 29r–30r. Vgl. StACo, LA A, Nr. 13072, fol. 44r, 55v. StACo, LA A, Nr. 13072, fol. 29r–30r. StACo, LA A, Nr. 13072, fol. 56r. Vgl. StACo, LA A, Nr. 13072, fol. 39r.

4.2 HOCHZEIT

121

bereits erwähnt, die Aktenüberlieferung zu Presseanfragen bezüglich der Hochzeit Victoria Melitas eine große Ausnahme darstellt. Eine Kassation der Akten ist daher wahrscheinlicher als die Annahme der einmaligen Anfrage der Zeitungsvertreter um eine Zulassung zur Coburger Hochzeit von 1894. Die Fähigkeit der Presse, durch ihre Berichterstattung ein exklusives, anwesendes um ein nicht zur Hofgesellschaft gehörendes, abwesendes Publikum zu erweitern, wird besonders an den Artikeln der lokalen Zeitungen deutlich, hier etwa der Darmstädter Zeitung. Diese schilderte nicht nur durch mehrere Berichterstatter die Vorbereitungen in der Stadt zum Einzug des Großherzogpaares und würdigte das Brautpaar in der Festnummer mit einem Huldigungsgedicht, sondern sie gab auch die genauen Umstände der Trauung, inklusive des gesamten Wortlautes der Traurede, wieder. Über dem Bericht zu den Feierlichkeiten nach dem Einzug des Paares in Darmstadt wurde die Sitzordnung des Festessens grafisch abgedruckt sowie das gesamte Menü und der Spielplan der Festmusik aufgeführt. Die Untertanen erfuhren, dass ihr Landesherr u. a. „Consommé à l’Anglaise“, „Asperges à la Hollandaise“, „Suprême de poulets aux Truffes“ sowie „Pâtés froids de faisans“ essen konnte, während im Hintergrund u. a. der Huldigungs-Marsch von Richard Wagner nebst der Triumph-Ouvertüre von Franz von Suppé erklang.531 Diese detailgenauen Schilderungen und Aufzählungen ermöglichten nicht nur das Nachvollziehen der Ereignisse, sondern deuteten zum einen auf die Bewunderung der höfischen Welt hin – wobei fraglich ist, wie viele der Untertanen die französische Speisennennung verstanden – und erlaubten zum anderen gerade den besser Situierten die Möglichkeit der Identifikation und Nachahmung, indem man etwa die Speisefolgen für eigene Feste kopieren konnte.

4.2.5

Hochzeiten als kaum genutzte Inszenierungschance

In den untersuchten Berichterstattungen532 lässt sich – mit Ausnahme der Hochzeit Elisabeths 1850, die noch unter dem monarchiekritischen Eindruck des 1849er-Aufstandes stand – keinerlei Kritik der Öffentlichkeit bezüglich der Feierlichkeiten feststellen. Zu diesem Eindruck gelangt auch Schönpflug, der anmerkt, dass sich zwar kritische Öffentlichkeiten herausbildeten, sich bis 1900 aber keinerlei antimonarchische Strömungen feststellen lassen.533 Erst mit der Hochzeit des preußischen Kronprinzen 1905 kamen erstmals auch Misstöne in sozialdemokratischen, aber auch bürgerlichen Blättern auf. Hauptkritikpunkt stellte dabei meist 531 532

533

Darmstädter Zeitung, 21.04.1894, Nachmittags-Ausgabe. Für die hier untersuchten Hochzeiten wurden die Berichterstattungen der Illustrirten Zeitung von 1848 bis 1873 und 1894 untersucht sowie für die Hochzeit von Ernst Ludwig und Victoria Melita die Darmstädter Zeitung und die Coburger Zeitung. Letztere wurde neben der Gothaischen Zeitung auch für die Hochzeit des Herzogs Carl Eduard 1905 herangezogen. Vgl. Schönpflug: Die Heiraten, 2013, S. 224 ff.

122

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

die Kostspieligkeit der Feiern dar. Diese sich langsam herausbildende kritische Haltung verblasste aber meist spätestens am Hochzeitstag. Folgendes Zitat anlässlich der Hochzeit der Kaisertochter Viktoria Luise 1913 zeigt äußerst treffend, dass die eindringliche Wirkung des zur Schau gestellten Pomps und des spektakulären, gemeinsam erlebten Ereignisses jede Ablehnung bei Weitem überwog: „Unter den hunderttausend Zuschauern waren sicher tausende, die bei der Lektüre des Budgetkommissionsberichts mit der Faust auf den Tisch schlugen und schrieen, natürlich sei die teure Garde nur Spielzeug und diese drohnenhafte Adelsclique müsse ausgeräuchert werden. Aber jetzt unter den Linden, im Sonnenschein, bestaunten sie freudigen Auges diese Garde, kennen jedes Regiment und seine Geschichte, sind stolz, haben das Gefühl des Mitbesitzes und schreien Hurra!, so oft ein Ueberströmender oder ein Spaßvogel damit anfängt. Ich glaube nicht, daß all diese Begeisterten Monarchisten sind, aber alle sind sie anbiedernde Kenner dieses vorzüglich einstudierten militärisch-dynastischen Schauspiels.“534

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Ereignis Hochzeit seitens der Höfe zwar stets traditionellen Festabläufen folgte, der Grad der Einbeziehung der Öffentlichkeit aber höchst unterschiedlich war. So gab es immer wieder Momente öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen – beispielsweise als das Brautkleid Luises von Preußen schon vor der Hochzeit mit dem Großherzog von Baden 1856 öffentlich ausgestellt wurde und sich das Brautpaar nach dem Einzug in der Residenz Karlsruhe mehrmals auf dem Balkon zeigte.535 Auch die durchaus üblichen Amnestien und Geldspenden an unbemittelte Paare, die am gleichen Tag die Ehe eingingen, sind darunter zu fassen.536 Andererseits war es aber auch üblich, dass die Trauung selbst exklusiv der Hoföffentlichkeit zugänglich blieb. Zudem gab es Fälle, in denen die prunkvolle Ausgestaltung der Feier aufgrund anderer Faktoren unterlassen wurde, wie etwa bei der Hochzeit Ernst Ludwigs von Hessen und bei Rhein 1905, die aufgrund der Trauer um die Brautmutter mit weniger Aufwand begangen wurde.537 Meist wurden darüber hinaus große Teile der Gestaltung des öffentlichen Festprogramms den Residenzstädten überlassen, welche diese Möglichkeit der städtischen Selbstdarstellung umso begeisterter aufgriffen. Gerade auch die mediale Berichterstattung trug dazu bei, dass sich die Bürger der Stadt im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten profilieren konnten. Huldigungsgedichte wurden beispielsweise nun nicht mehr nur stillschweigend überreicht, sondern auch unter Nennung des Autors in den Zeitungen abgedruckt und im gesamten Bundesstaat gelesen.538 Aber auch Hochzeitsgeschenke und -adressen539 wurden

534 535 536 537

538 539

Frankfurter Zeitung, 24.05.1913, zitiert nach Schönpflug: Die Heiraten, 2013, S. 224 f. Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 695, 25.10.1856, S. 266. Siehe etwa Darmstädter Zeitung, 18.04.1894, Nachmittags-Ausgabe. Vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 96. Sicherlich spielte bei dieser Hochzeit auch die Tatsache eine Rolle, dass dies die zweite Hochzeit des Großherzogs nach seiner Scheidung war. Vgl. Schönpflug: Die Heiraten, 2013, S. 220. Hochzeitsadressen waren meist verzierte oder auch gerahmte Tafeln, die Glückwünsche enthielten und an den Hochzeitstag erinnerten.

4.2 HOCHZEIT

123

unter namentlicher Nennung aller Beteiligten in den Zeitungen gewürdigt.540 Für einzelne Untertanen bot daher eine Fürstenhochzeit mitunter die Möglichkeit, selbst Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit zu werden. Der besonders vom Bürgertum postulierte Aspekt der Liebeshochzeit, der aufgrund der Betonung der menschlichen Seite des Herrschers ein besonders hohes Identifikationspotential geboten hätte, wurde dagegen seitens des Herrscherhauses kaum betont oder genutzt. So gab es beispielsweise eher selten veröffentliche Fotografien, die den Herrscher und seine Frau als Paar zeigten. Veröffentlichte Hochzeitsfotografien etwa als Postkarten gab es überhaupt nicht. Um die Nachfrage des Publikums nach diesem Sujet zu decken, fertigten findige Fotografen Fotomontagen aus Einzelbildern des Paares an.541 Erst mit der Geburt des ersten Kindes und dem damit erfüllten Zweck der Eheschließung rückte das Paar als Begründer einer Familie, einem weitaus häufigeren Bildtopos, mehr in den Fokus der Kamera. Vermutlich wurde der Aspekt der Liebe seitens der Fürsten so wenig inszeniert, weil eine gegenseitige Zuneigung der Brautleute bis ins 20. Jahrhundert meist nicht der ausschlaggebende Faktor einer Fürstenhochzeit war. Auch hätte sich im Nachhinein eine zu große Inszenierung der (nicht vorhandenen) Liebe als fatal erweisen können, da um 1900 Eheskandale und Scheidungen in den Bundesfürstentümern auffallend zunahmen und eine vormalige Inszenierung als mögliche Farce hätten entlarven können.542 Letztlich lässt sich das Maß der Bereitschaft der Höfe, eine Hochzeit als Werbemaßnahme für die Monarchie zu nutzen, nur lückenhaft ermitteln. Wie die Hochzeit der sächsischen Prinzessin Elisabeth zeigt, waren sich die Landesherren des Akklamationspotentials einer Hochzeit durchaus bewusst und nutzen diese wie die Wettiner, um ihre Beliebtheit seit dem Maiaufstand 1849 wieder zu steigern. In anderen Fällen, wie beispielsweise bei der Hochzeit des hessischen Thronfolgers Ludwig (IV.) mit Prinzessin Alice von Großbritannien 1862, wurde das Ereignis jedoch für solche Zwecke weniger instrumentalisiert.543 Da aber im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das monarchische Fest durch zahlreiche Bürgerinitiativen immer häufiger für die Öffentlichkeit durch diese selbst ausgestaltet wurde, schwand der Bedarf an publikumswirksamen Aktivitäten seitens der Monarchie. Die Gefahr, die Inszenierungshoheit des eigenen Festes an andere 540 541

542

543

Siehe etwa Coburger Zeitung, 17.04.1894. So etwa der Weimarer Hoffotograf Louis Held anlässlich der Hochzeit des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach mit Caroline zu Reuß in Greiz 1903, vgl. Bernhard Post/Dietrich Werner: Herrscher in der Zeitenwende. Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach 1876–1923, Jena 2006, S. 84. Zu nennen wären hier die Scheidung von Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (1901), die Flucht der Kronprinzessin Luise von Sachsen und die Aufhebung ihrer Ehe mit Friedrich August (III.) (1902–1903) und die aufgrund außerehelicher Verhältnisse als psychisch krank vom Hof entfernte Gemahlin Friedrich Augusts II. von Oldenburg, Elisabeth (1909). Auf diesen Fällen basiert die ausführliche Studie: Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013. Diese hatte aufgrund der Trauer um den Vater der Braut, Prinz Albert, in äußerst privaten Rahmen in Osborne House auf der Isle of Wight stattgefunden.

124

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Gruppen abzugeben, war dabei marginal, da es kaum monarchiekritische Tendenzen in Festgestaltung und Berichterstattung gab. Dass die Bürger sich zunehmend im Rahmen des Festes selbst feierten, stand der Monarchie nicht entgegen. Wie das Beispiel der hessisch-coburgischen Hochzeit von 1894 gezeigt hatte, arbeiteten die Oberhofmarschälle zudem eng und routiniert mit der Presse zusammen. Auch hier war es aufgrund der Fülle von Anfragen nicht notwendig, eigene Berichte zu verfassen, da etwaige Kritik durch eine vorherige Überprüfung des Journalisten recht unwahrscheinlich war.

4.3

Beerdigung

4.3.1

Die Bedeutung von Tod, Beisetzung und Trauer für das bundesfürstliche Haus

Der Tod eines Herrschers und seine anschließende Beisetzung stellten den letzten Höhepunkt in seiner Regierungszeit dar, der inszeniert werden konnte und musste. Michel Foucault zufolge waren gerade die Zeremonien zu Beginn und Ende einer Herrschaft wichtig, weil diese in ihrer Ikonografie „Rechtsmechanismen“ ausdrückten, welche den sterblichen Körper des Königs von der unsterblichen Macht des Königtums trennten.544 Foucaults Überlegungen basierten dabei auf Kantorowicz’ Studie The King’s two Bodies, welche von einem ersten, sterblichen Körper des Herrschers, verkörpert im jeweiligen Individuum, sowie einem zweiten, unsterblichen Körper der Dynastie bzw. der sakralen Macht des Königtums ausgeht.545 Des Weiteren stellt eine Beisetzung einen Übergangsritus im Sinne Arnold van Genneps dar.546 Nach van Gennep erfordert die Dynamik des sozialen Lebens ständige Grenzüberschreitungen, die eine potentielle Störung der Sozialordnung mit sich bringen. Um diese Störungen zu vermeiden, sind diese Übergänge in allen Gesellschaften von mehr oder weniger stark ausgestalteten Riten begleitet. Da der Tod eines Herrschers eine Grenzüberschreitung zwischen Leben und Tod darstellte und in diesem Fall eine Zäsur bedeutete, welche die – zwar erbrechtlich gesicherte – Herrschaft potentiell gefährdete, war es besonders wichtig, die Nachfolge auch rituell zu untermauern. Van Gennep zufolge haben Übergangsriten immer die gleiche Form: Auf die Trennungsphase und ihre Riten folgen die Schwellen- bzw. Umwandlungsriten, welchen sich am Ende wiederum die Angliederungsriten anschließen. Bezogen auf den Tod eines Herrschers kann man dabei

544 545 546

Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt/M. 1994, S. 40 f. Vgl. Kantorowicz: The King, 1997 [1957]. Arnold Van Gennep: Übergangsriten, Frankfurt/M. u. a., 3. Aufl., 2005 [1909], bes. S. 13–24, siehe auch das Nachwort von Sylvia M. Schomburg-Scherff, bes. S. 238 f.

4.3 BEERDIGUNG

125

die Verkündigung des Todes und das Ausstellen des Leichnams als Trennungsritus, die Beerdigung als Umwandlungsritus und die Einsetzung des neuen Herrschers und ihre jeweiligen Formen wie etwa Vereidigung, Krönung oder Huldigung als Angliederungsritus verstehen.547 Wie gestalteten nun aber die Monarchen und Oberhofmarschälle im 19. Jahrhundert die Trauerzeremonien aus, um das Ende eines Herrscherlebens und den Machtübergang auf dessen Nachfolger rituell zu sichern? Wie gestaltete sich darüber hinaus die mediale Vermittlung des Sterbens und Beisetzens des Herrschers? Um das zu veranschaulichen, ist besonders das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha geeignet, da für dieses für das gesamte 19. Jahrhundert Trauerreglements erhalten sind, welche Aussagen über die Entwicklung der staatlich verordneten Trauer zulassen. Beispielhaft werden daher die Beisetzungen Herzog Ernsts II. im Jahre 1893 und Herzog Alfreds 1900 genauer untersucht. Da diese in ihrem Verlauf typisch für Herrscherbeisetzungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts waren, können die folgenden Ergebnisse auch für die anderen Bundesstaaten gelten.548 Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kann als Umbruchphase bezüglich des Trauerns um den Herrscher bezeichnet werden. Für eine bessere Nachvollziehbarkeit ist zunächst auf eine Begriffsdifferenzierung hinzuweisen, die Reiner Sörries einführt. Er unterscheidet zum einen zwischen der sozialen, normativen und zum anderen der emotionalen, psychologischen Trauer. Um Trauer besser klassifizieren zu können, benutzt er daher die eindeutigeren englischen Begriffe mourning für die soziale und grief für die emotionale Trauer. Im Trauern des 19. Jahrhunderts treten neben dem üblichen mourning auch immer häufiger Momente des grief auf – ein 547

548

Dieses Schema entwickelt auch schon: Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 92, auch Büschel nennt Foucault, Kantorowicz und van Gennep als wichtige Vordenker in Bezug auf königliche Bestattungen (S. 91 ff.), allerdings ist seine Lesart Foucaults, dass Bestattungen Unterwerfungszeremonien seien, falsch, da Foucault Unterwerfungszeremonien nur neben Bestattungen als wichtige Rechtsmechanismen königlicher Herrschaft nennt, siehe Foucault, Überwachen, 1994, S. 40 f. Eine etwas ausführlichere Beschreibung der 1864 erfolgten Beisetzung Maximilians II. von Bayern findet sich bei: Hanisch: Für Fürst, 1991, S. 49–52. Diese habe „den herkömmlichen Rahmen gesprengt“, da nun erstmals zahlreiche Untertanen mit der Eisenbahn anreisen konnten, ebd., S. 50. Die Beisetzungsfeierlichkeiten Prinzregent Luitpolds beschreibt: Hannelore Putz: Das Ende einer Ära. Der Tod des Prinzregenten und die Trauerfeierlichkeiten, in: Ulrike Leutheusser/Hermann Rumschöttel (Hrsg.): Prinzregent Luitpold von Bayern. Ein Wittelsbacher zwischen Tradition und Moderne, München 2012, S. 189–204. Auch diese weist viele formale Ähnlichkeiten zu den Beerdigungen in Sachsen-Coburg und Gotha auf. Weitere Literatur zum Thema: Beisetzung Friedrich Augusts III. von Sachsen: Georg O’Byrn: Die Feierlichkeiten in Dresden am 22. und 23. Febr. 1932, Dresden 1932; Ludwigs II. von Bayern, prosaisch beschrieben bei: Paul Ernst Rattelmüller: Pompe funèbre im alten Bayern und seiner Landeshauptstadt München, München 1974, S. 112–148; Ludwigs III. von Bayern: Dieter J. Weiß: Zwischen Revolution und Restauration. Zum Tod und zu den Beisetzungsfeierlichkeiten König Ludwig III. von Bayern, in: Petronilla Gietl (Hrsg.): Vom Wiener Kongreß bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Betrachtungen zu Deutschland und Österreich im 19. und 20. Jahrhundert; Festschrift für Hubert Rumpel zum 75. Geburtstag, Stamsried 1997, S. 183–206.

126

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Prozess, der Sörries zufolge seinen Ursprung in der im Zuge der Romantik aufgekommenen, bürgerlichen Idee der Liebesheirat und der gestiegenen Bedeutung des Individuums hatte. Da sich die Ehepartner zunehmend nicht mehr nur als Angehörige einer wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft verstanden, sondern auch die wechselseitige emotionale Zuneigung wichtig wurde, bedrohte der Tod eines Partners nicht mehr nur die wirtschaftliche Existenz, sondern bedeutete auch einen emotionalen Einschnitt.549 Beim Ableben des Herrschers lässt sich beobachten, wie seitens der Untertanen und des Herrscherhauses immer häufiger Momente des grief um den Verlust der individuellen Person des Herrschers hervortraten, während andererseits dem mourning von Seiten des Zeremoniells eine zentrale Rolle zugeschrieben wurde. Wie genau das Trauern im öffentlichen Leben (mourning) für Mitglieder des Herrscherhauses, aber auch alle Todesfälle in anderen Familienkreisen zu geschehen hatte, legten die Trauerreglements der jeweiligen Staaten fest. Dazu gehörte die zeitliche Länge der Trauer für das jeweilige Mitglied des Herrscherhauses (oder der eigenen Familie) sowie die damit verbundenen Kleidervorschriften,550 das Verbot von öffentlichen Lustbarkeiten und das tägliche Trauergeläut. Die Einhaltung dieser Normen gibt jedoch keinen Aufschluss über den Grad der emotionalen Trauer, sondern war eine von der „tatsächlichen Befindlichkeit des Einzelnen“ unabhängige „öffentliche Pflichtabgabe“, die notwendig war, „die durch den Tod des Menschen entstandene Lücke im Gemeinwesen zu schließen“.551 Wie wichtig die rituelle Absicherung der Lückenschließung war, zeigt auch die Tatsache, dass auf die Einhaltung dieser „Pflichtabgabe“ strengstens geachtet wurde. So standen auf das Nichteinhalten der Trauervorschriften durchweg hohe Strafen von fünf bis fünfzig Reichstalern. 1804 wies der Coburger Herzog Franz Friedrich Anton den Coburger Stadtmagistrat zurecht, der die sichtbare Trauer sehr beschränkt hatte und damit gegen die Trauerverordnung verstieß.552 Der Tod eines Landesvaters hatte daher für die Untertanen spürbare persönliche Auswirkungen, denn durch die Trauerreglements waren diese mehr als durch andere Zeremonialvorschriften in die rituelle Ausgestaltung der Trauer einbezogen.553 Da diese Vorschriften besonders im 16. und 17. Jahrhundert enorme Ausmaße angenommen hatten, ist um 1800 in vielen deutschen Staaten zunächst eine Beschränkung der Trauer zu vermerken.554 Das Trauerregulativ für Sachsen-Coburg549 550

551 552 553 554

Vgl. Reiner Sörries: Herzliches Beileid. Eine Kulturgeschichte der Trauer, Darmstadt 2012, S. 19 f. Zu den Kleidervorschriften in Sachsen-Coburg und Gotha siehe Anja Schöbel: Die Ernestiner und ihre Beerdigungen. Das Beispiel Sachsen-Coburg und Gotha, in: Siegrid Westphal/Hans-Werner Hahn/Georg Schmidt (Hrsg.): Die Welt der Ernestiner. Ein Lesebuch, Köln u. a. 2016, S. 343–352, hier S. 346. Sörries: Herzliches Beileid, 2012, S. 10. Vgl. Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 126. Vgl. ebd., S. 127. Vgl. ebd., S. 125, dieser vermerkt den Erlass neuer Trauerordnungen für seine untersuchten Bundesstaaten: Bayern, Preußen, Sachsen-Coburg-Saalfeld und Sachsen-Weimar-Eisenach.

4.3 BEERDIGUNG

127

Saalfeld vom 15. Juli 1802 schrieb – um allen „unnützen Aufwand“ zu vermeiden – für den Todesfall des regierenden Herzogs nur noch eine Trauerzeit von sechs Wochen statt eines halben Jahres vor. Auch weitere Verordnungen über Kleidung, öffentliche Lustbarkeiten und Gedenkläuten wurden gelockert bzw. deren Geltungsdauer verkürzt.555 Die eigentlichen Ursachen für diese Kürzungen lagen jedoch nicht in einer bewusst gewählten Verschlankung des Zeremoniells, sondern vielmehr an den Sparzwängen, welchen die Staaten ausgesetzt waren, sowie dem sich durchsetzenden Gedankengut der Aufklärung, das eine langsame Abkehr von einigen, ursprünglich heidnischen Ritualen mit sich brachte.556 Diese These wird dadurch gestützt, dass 1830 das Trauerreglement für den gothaischen Landesteil557 wieder geändert und die Trauerzeiten wieder verlängert wurden. Der Gothaer Oberhofmarschall wies darauf hin, dass man im Reglement von 1802 „zu weit gegangen“ sei, weil es „nicht schicklich“ sei, dass für ein „Familienoberhaupt länger getrauert werde als für ein Haupt des Staates“.558 Um diesen unangebrachten Zustand zu beenden, verlängerte das neue Reglement vom 13. Dezember 1830 die Trauerzeit für den regierenden Herzog wieder auf zwölf Wochen. Öffentliche Musik und Schauspiele waren nun wieder drei Wochen verboten, und auch die Kirchenglocken sollten drei Wochen mittags je eine Stunde läuten.559 Da dieses Trauerreglement, abgesehen von einer geringfügigen Änderung 1852,560 das gesamte 19. Jahrhundert hindurch in Kraft war, galt es auch für die Beisetzungen Ernsts II. 1893 und Alfreds 1900, welche im Folgenden näher in den Blick genommen werden.

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557 558 559

560

So sollten etwa Wagen und Zimmer nicht mehr schwarz ausgeschlagen werden, öffentliche Musik und Schauspiele waren statt mehrerer Wochen nur noch acht Tage untersagt und dass mittägliche Trauerläuten von einer Stunde von allen Kirchen des Landes sollte nicht mehr vier Wochen, sondern nur noch vierzehn Tage dauern, StACo, L Reg 3488, 3r–9v, zitiert nach ebd., S. 125 f., vgl. dazu ebenfalls LATh – StA Gotha, 2-17-0311 Oberhofmarschallamt Nr. 343, n. fol., Trauerreglement 14.05.1802. Vgl. ebd., S. 128, nachdem in Sachsen-Coburg-Saalfeld 1773 eine kaiserliche Zwangsverwaltung zur Verminderung der Staatsschulden eingesetzt worden war, S. 76, drohte diese auch Sachsen-Weimar-Eisenach, S. 78. Büschels These wird auch dadurch belegt, dass um 1800 keine Trauergelder – welche für Dienste an der Leiche gezahlt wurden – mehr ausgegeben wurden, S. 128. 1826 war es nach dem Aussterben der gothaischen Linie zur Neugliederung der ernestinischen Länder gekommen, wodurch das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha entstand. LATh – StA Gotha, 2-17-0311 Oberhofmarschallamt Nr. 345, fol. 6r+v. Der gesamte Text des Reglements ist abgedruckt in: Steffen Arndt: Letzte Dinge – Testamente, Nachlässe und Beisetzungen im Herzoghaus Sachsen-Coburg und Gotha im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 56 (2012), S. 263–302, hier S. 287–291, siehe auch LATh – StA Gotha, 2-17-0311 Oberhofmarschallamt Nr. 343, n. fol. LATh – StA Gotha, 2-17-0311 Oberhofmarschallamt Nr. 345, Verordnung einige Abänderungen des Trauerregulativs vom 13. December 1830 betreffend, vom 25.02.1852. Die Hauptänderung bestand in der Verkürzung der Trauerzeit beim Tod der Herzogin von zwölf auf sechs Wochen. Auch wurde nun eine Gedächtnispredigt beim Tod des regierenden Herzogs vorgeschrieben.

128

4.3.2

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Ein klassisches Beispiel: Herrscherbeisetzungen in Sachsen-Coburg und Gotha

Als Ernst II. am 22. August 1893 auf Schloss Reinhardsbrunn bei Gotha an den Folgen eines Schlaganfalles starb, hatte sich sein Tod schon einige Tage zuvor abgezeichnet, weshalb das Oberhofmarschallamt schon mit den Planungen für die Beisetzung begonnen hatte.561 Am 24. des Monats wurde der Sarg geschlossen und eine Familienandacht gehalten, an der über den Familienkreis hinaus sowohl die Mitglieder des Staatsministeriums als auch das Präsidium des Landtages teilnahmen. Am 25. wurde der Sarg auf einem Paradebett im Erdsaal des Schlosses Reinhardsbrunn aufgestellt und von 10 bis 18 Uhr war „allen anständig schwarz gekleideten Personen […] der Zutritt gestattet“.562 Für die meisten Untertanen bot sich daher nach dem Tode des Herrschers die Möglichkeit, diesem so nah wie nie während seiner gesamten Regierungszeit kommen zu können. Dies galt besonders für Monarchen, die zu Lebzeiten den Kontakt zur Öffentlichkeit mieden: So konnte etwa Ludwig II. von Bayern einer öffentlichen Aufbahrung, die auch seinen körperlichen Verfall deutlich zeigte, nicht entgehen. Durch die allgemein zugängliche Aufbahrung konnten sich die Untertanen vom Tod des Herrschers persönlich überzeugen und somit den Trennungsritus im Sinne van Genneps persönlich vollziehen, wodurch erst seine volle Wirkung sichergestellt war. Da seitens des Oberhofmarschallamtes mit zahlreichen Abschied Nehmenden gerechnet werden musste – die Aufbahrung König Ernst Augusts I. von Hannover im Jahre 1851 sahen etwa 30.000 Trauernde, die König Wilhelms I. von Württemberg im Jahre 1864 15.000563 –, waren die Vorschriften angesichts der Aufbahrung nicht ungewöhnlich. Bei der Aufbahrung des Weimarer Herzogs Carl August 1828 war ebenfalls nur „allen anständig gekleideten Personen“ der Zutritt gewährt worden. Zudem wurde erwartet, dass diese sich angesichts der „Würde des Gegenstandes“ „geräuschlos“ verhielten und den Anordnungen der Wachen Folge leisteten.564 Hubertus Büschel sieht in seinen Untersuchungen zur Untertanenliebe zu Beginn des 19. Jahrhunderts in diesen Verhaltensvorschriften die Auffassung der Behörden vertreten, die Untertanen lediglich als „Störenfriede“ zu betrachten.565 Daraus und aus fehlenden Erwägungen in den Akten bezüglich einer öffentlichkeitswirksamen Inszenierung schließt er, dass die Einhaltung der Zeremonialvorschriften den Behörden wichtiger gewesen sei als die Wirkung des Zeremoniells auf die Untertanen, welche eigentlich, so Büschel weiter, gar nicht beachtet 561

562 563 564 565

Dies geht aus einem Schreiben des General-Superintendenten Müller vom 18.08.1893 hervor, der zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Urlaub unterbrach, um sich auf die Beerdigungsfeierlichkeiten vorzubereiten, LATh – StA Gotha, 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, 530b. LATh – StA Gotha, 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, 530a, fol. 10r. Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 92. Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 131. Ebd., S. 136.

4.3 BEERDIGUNG

129

wurde.566 Allerdings übersieht Büschel, dass bereits das Zeremoniell auf eine würdige, durch das Kondolieren aller Untertanen am Sarg des Herrschers erzeugte, gemeinschaftsstiftende Wirkung ausgelegt war. Zudem bedeutet das Fehlen von Überlegungen zur Wirkung in den Akten nicht, dass es solche nicht gab.567 Betrachtet man das in der Gartenlaube veröffentlichte Bild Herzog Ernsts II. auf dem Totenbett (Abb. 1), ist ebenfalls festzustellen, dass die Wirkung des toten Herrschers auf die Untertanen nicht unberücksichtigt geblieben sein konnte. Der Herzog ist im weißen Koller der Kürassiere im offenen Sarg zu sehen, welcher von Kränzen, Blumen und Palmenblättern, die symbolisch für das ewige Leben stehen, umgeben ist. Des Weiteren ist der mit schwarzem Stoff drapierte Raum mit Kandelabern und einem Kruzifix versehen. Diese würdevolle Ausgestaltung war für die öffentliche Aufbahrung eines Herrschers im 19. Jahrhundert üblich und stellte diesen das letzte Mal in den Dienst der Staatsrepräsentation.568 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Einhaltung von Ruhe und Ordnung nicht nur der Pietät vor dem Toten geschuldet war, sondern auch dem Schutz der Untertanen galt: So war es etwa bei der öffentlichen Aufbahrung Kaiser Wilhelms I. aufgrund des enormen Andrangs Kondolierender zu einem gefährlichen Gedränge mit mehreren Verletzten gekommen.569

566 567

568

569

Vgl. ebd., S. 138. Die gleiche Kritik an Büschels Vorgehensweise übt auch Eva Giloi in ihrer Rezension: „But even here, a caveat applies: absence of evidence is not the evidence of absence, and hewing too closely and exclusively to the files of the Hofmarschallamt can also create a distorted picture. That the king and his officials did not verbalize a need to woo the public when they discussed royal protocol demonstrates that other factors – such as questions of precedence – were important, perhaps even foremost; but it does not prove that they were blind to the benefits of public propaganda.“, Eva Giloi: Review of Büschel, Hubertus, Untertanenliebe: Der Kult um deutsche Monarchen 1770–1830, in: H-German, H-Net Reviews. (Februar 2008). Vgl. dazu die umfangreiche bildliche Berichterstattung der IZ zum Tode König Johanns von Sachsen 1873, Illustrirte Zeitung, Nr. 1586, 22.11.1873, S. 377–389, vgl. auch Maja Schmidt: Tod und Herrschaft. Fürstliches Funeralwesen der frühen Neuzeit in Thüringen, Erfurt 2002. Vgl. Alexa Geisthövel: Tote Monarchen. Die Beisetzungsfeierlichkeiten für Wilhelm I. und Friedrich III., in: Biefang: Das politische, 2008, S. 139–162, hier S. 143.

130

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Abb. 1 Herzog Ernst auf dem Totenbett. Nach einer Photographie von Rudolf Kühn in Erfurt und Friedrichroda

Nach der öffentlichen Aufbahrung erfolgte am 28. August um 5 Uhr morgens die Überführung der Leiche mittels einer ersten Trauerprozession von Reinhardsbrunn zum Bahnhof Schnepfenthal. Dabei bildeten der Landwehr-Verein und Schulklassen Spalier, es gab Gesang und Trommelschläge. Vom Bahnhof setzte sich der Zug Richtung Coburg in Bewegung. Dabei wurden in jedem Ort des Herzogtums, den der Trauerzug passierte, die Glocken geläutet.570 Dieses Läuten und das dreiwöchige je einstündige Läuten der Glocken während der Trauerzeit bedeuteten eine letztmalige Präsenz des Herrschers im Leben seiner Untertanen, welches durchaus eine starke Wirkung entfalten konnte. So erinnerte sich der damals 8jährige Ludwig Ganghofer in seiner 1909 erschienen Autobiografie noch eindrücklich an die Trauer, speziell auch an das Läuten der Glocken, um den 1864 verstorbenen König Maximilian II. von Bayern: „Ich erinnere mich noch der schwarzen Fahne, die vom Kirchturm lang herunterhing – und sehe noch, wie Mama dem Vater einen schwarzen Flor über die Goldstickereien der Uniform 570

Die Angaben zum Trauerzug: LATh – StA Gotha, 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, 530a, fol. 10, sowie Gothaische Zeitung 29.08.1893, das Gleiche wird auch berichtet für den Trauerzug der in Hohenzieritz verstorbenen Luise von Preußen nach Berlin, vgl. Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 137.

4.3 BEERDIGUNG

131

nähte und um den Griff des Hirschfängers wand – und höre noch, wie die großen Glocken durch viele Stunden geläutet wurden.“571

Nach der Ankunft des Trauerzuges in Coburg erfolgte dort die eigentliche Trauerfeier für den verstorbenen Herzog. Dabei stellte die Leichenprozession für den Großteil der Untertanen – da die Plätze während des Gottesdienstes begrenzt waren – den wichtigsten Teil der Trauerfeier dar. Auf Antrag des Magistrats war auch die ca. 1,5 Kilometer lange Route der Prozession dahingehend geändert worden, dass diese direkt durch das Stadtzentrum über den Marktplatz zur Kirche führte, anstatt durch die Randbezirke. Seiner Bedeutung entsprechend aufwändig wurde der Leichenzug dann auch inszeniert: Den Beginn der 32 Positionen bildeten vier Gendarmen zu Pferde und sechs zu Fuß, eine Sektion Infanterie sowie ein Musikkorps, es folgten Trauermarschälle und Kruzifixträger, die Dienerschaft des Herzogs, zwei Offizianten, der Vorstand des Hofjagdamtes, die Beamten des Hofamtes, des Geheimen Kabinetts, des Privat-Büros, des Fideikommisses und der Generalkasse, die Herren vom Dienst, Geistliche, Adjutanten, der Hofmarschall, vier Ordensträger und zwei Stallmeister zu Pferde. Erst dann kam der von sechs Kutschern geführte Leichenwagen, den vier Hofchargen und zwölf Oberförster – ein Verweis auf die Jagdleidenschaft des Herzogs – begleiteten. Direkt dem Leichenwagen folgte das von zwei Stallknechten geführte Leibpferd des Herzogs. Das Bild des reiterlosen Pferdes – ein Element der Bestattung mit militärischen Ehren – musste sich in diesem Fall als Symbol des führerlosen Staates besonders aufdrängen, da doch der Herzog kinderlos verstorben war und das Herzogtum auf den wenig beliebten englischen Prinzen Alfred überging.572 Nach Sarg und Pferd gingen die höchsten Trauergäste: Darunter waren Wilhelm II. und sein Bruder Heinrich, Edward Prince of Wales, König Albert von Sachsen, Friedrich I. Großherzog von Baden und Ferdinand I. Fürst von Bulgarien. Auf diese folgten Staatsminister und Minister des Herzoglichen Hauses, Gesandte von 23 Bundesstaaten und Ländern, Gefolge der Herrschaften, Staats- und Ministerialräte, Mitglieder des Landtags, Deputationen der Regimenter, der Garnisons-Älteste, der Bezirksoffizier mit den Reserve- und Landwehr-Offizieren, Offiziere a. D. und z. D. und Militärbeamte, Reichsbeamte und Mitglieder der Reichspost sowie die übrigen Beamten der Staatsbehörden, Fideikommiss-Besitzer, Magistrat und die Stadtverordneten Coburgs, Deputationen der Städte, Domänenpächter, geheime Räte, Kommerzienräte, Finanzräte, Hoflieferanten, Deputationen und Vereine. Beschlossen wurde

571 572

Ludwig Ganghofer: Lebenslauf eines Optimisten, 3 Teile, Teil 1: Buch der Kindheit, Stuttgart 1909, S. 249. Auch im Leichenzug Wilhelms I. 1888 folgte dem Sarg direkt das Leibpferd des Kaisers. Das unberittene Trauerpferd hatte eine lange Tradition und ist schon im 17. Jahrhundert nachweisbar. Äquivalent dazu konnte es ein von einem Kürassier berittenes Freudenpferd geben, wenn ein Nachfolger vorhanden war, vgl. Andrea Baresel-Brand: Le roi est mort, vive le roi! Vom Sterben und Fortleben des Herrschers, in: Rüdiger Fikentscher (Hrsg.): Begräbniskulturen in Europa, Halle/Saale 2009, S. 112–126, hier S. 122 f.

132

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

der Leichenzug durch das 6. Thüringische Infanterieregiment Nr. 95, welches sich hauptsächlich aus Landeskindern zusammensetzte. Die ausführliche Auflistung des Trauerzuges zeigt nicht nur dessen enorme Länge, sondern belegt auch, dass die verschiedensten Hofbeamten, Beamten und andere öffentliche Vertreter des Herzogtums ihren Platz im Leichenzug einnahmen. Die für die Frühe Neuzeit getroffene Feststellung Maja Schmidts, dass der Leichenzug in seiner Anordnung die ständische Gesellschaft widerspiegelte, trifft daher im weiteren Sinne auch noch für die Beerdigungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu.573 Damit unterstrich der Leichenzug eindrücklich die Bedeutung und den Rang des verstorbenen Herzogs. Diese Inszenierung wurde durch viele weitere traditionsreiche Symbole, wie etwa das reiterlose Pferd, sowie ephemere Trauerarchitektur in Form von schwarz-silber gestalteten Obelisken, Ehrenpforten, Flaggen und Trauergirlanden, welche die gesamte Route des Trauerzuges schmückten, ergänzt.574 Zudem gewann der Leichenzug auch durch die Begleitung des Sarges durch den Kaiser und andere Souveräne an Attraktivität für die Zuschauer. Auf diese Art und Weise wurde die dynastiepolitische Bedeutung des Herzogtums unterstrichen. Alles in allem bildete der Leichenzug ein gelungenes Beispiel dessen, was Johannes Paulmann unter theatraler Politik versteht. So kondolierte man dem Herzog nicht nur aus Gründen der Ehrbezeugung, sondern konnte zugleich sein Interesse an anderen Monarchen in diversen Uniformen, Kleidern, Musik und Kanonenschüssen stillen. Da keiner der Untertanen von diesem Ereignis ausgeschlossen war, boten sich solche Inszenierungen an, um sich als Teil einer imaginierten Gemeinschaft und Nation bzw. Region zu verstehen.575 Im Falle der Beisetzung wurde dieses integrierende Gemeinschaftsereignis noch gestärkt, da die Trauerordnung allen Hofangehörigen und Beamten eine nach außen hin gezeigte Trauer durch Kleidervorschriften vorschrieb, die von vielen anderen Untertanen imitiert wurde.576 Nachdem der Leichenzug unter dem ständigen Läuten der Glocken nach einer Stunde die St.-Moriz-Kirche erreicht hatte, begann dort gegen 12 Uhr die Beisetzungsfeier. Neben den geladenen Fürsten und Deputationen waren die zweiten Emporen der Kirche für die beiden obersten Klassen des Gymnasiums, die

573 574

575 576

Vgl. Schmidt: Tod, 2002, S. 36. Die Trauerdekoration wird beschrieben in: Gothaische Zeitung, 26.8.1893, solche ephemeren Trauerarchitekturen finden sich bereits in der Frühen Neuzeit, siehe Schmidt: Tod, 2002, S. 68. Vgl. Paulmann, Pomp, 2000, S. 340, 379 ff. LATh – StA Gotha, 2-17-0311 Oberhofmarschallamt Nr. 345, Verordnung einige Abänderungen des Trauerregulativs vom 13. December 1830 betreffend, vom 25.02.1852. Die Akten sind nicht eindeutig, für wen die „allgemeinen Kleidungsvorschriften“ konkret galten. Auf jeden Fall waren der Hof, das Militär und alle Staatsbeamten davon betroffen. Da das Anlegen von schwarzer Kleidung aber festetablierter Bestandteil der sozialen Trauer war, ist davon auszugehen, dass auch alle anderen Teilnehmer und Beobachter des Trauerzuges schwarze Kleidung angelegt hatten.

4.3 BEERDIGUNG

133

Realschule und das Seminar freigehalten worden. Die Inszenierung der Beisetzungsfeierlichkeiten richtete sich daher auch direkt an verschiedene Untertanen, die als Multiplikatoren wirken sollten. Die Jugendlichen konnten einerseits zu Hause die Familien am Ereignis der Trauerfeier indirekt teilhaben lassen, stellten andererseits aber auch eine durch den Lehrer leicht zu kontrollierende Zielgruppe dar, von der keine Kritik zu erwarten war. Beim Einzug in die Kirche wurde die von Herzog Ernst II. selbst komponierte Kantate Alle Seelen gesungen, wodurch der Feier noch einmal eine individuelle Komponente verliehen wurde. Das Ende des Gottesdienstes markierten 21 Kanonenschüsse. Im Anschluss daran erfolgte eine Galatafel für die höchsten Gäste im Schloss zu Coburg. Die eigentliche Überführung des Sarges in das von Ernst II. erbaute Mausoleum auf dem Glockenberg erfolgte erst am 29. August. Auch dafür gab es eine, nun etwas kleiner abgehaltenen Trauerprozession – beispielsweise führten nur vier Kutscher den Leichenwagen – durch die Stadt, welcher die Trauerfeierlichkeiten beendete. Nachdem dieser Übergangsritus vollendet war, konnte der Angliederungsritus an den neuen Herzog, welcher bereits am 25. August seine Regierung durch ein Patent verkündet hatte, erfolgen.577 Da Herzog Alfred bereits am 30. Juli 1900 an einem Krebsleiden verstarb, fand sieben Jahre später abermals eine Beisetzung statt, die der Beerdigung Ernsts II. in vielen Punkten ähnelte: Auch diesmal gab es eine groß angelegte Überführung von Schloss Rosenau nach Coburg, wo der Sarg für jedermann zugänglich in der St.-Moriz-Kirche aufgebahrt wurde.578 Die Trauerfeier am 4. August führte dazu, dass die kleine Stadt Coburg maßlos überfüllt war, weshalb sogar der Teilnahmeanmeldung der Deputation aus Schwarzburg-Rudolstadt eine Absage erteilt werden musste. Da Herzog Alfred nicht nur der Sohn Victorias von Großbritannien, sondern darüber hinaus noch mit einer russischen Zarentochter verheiratet gewesen war, beliefen sich insbesondere die ausländischen Gesandtschaften auf mehrere hundert Personen, sodass neben den „zwei oder drei besseren Gasthöfen“ auch Privatleute Quartiere bereitstellen mussten.579 Auch im Falle von Alfreds Ableben ist daher von einem theatralen Ereignis zu sprechen, welches das nur rund 25.000 Einwohner580 zählende Provinzstädtchen Coburg für einige Momente in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte und diesem einen Prestigegewinn einbrachte.

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Vgl. Arndt: Letzte Dinge, 2012, S. 274. Vgl. LATh – StA Gotha, 2-15-0183 Staatsministerium Dep. I, Nr. 148, Programm der Trauerfeierlichkeiten. LATh – StA Gotha, 2-15-0199 Staatsministerium Dep. C, Nr. 535, fol. 83r. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung: Statistik kommunal 2012. Eine Auswahl wichtiger statistischer Daten für die Kreisfreie Stadt Coburg 09 463, München 2013, S. 6.

134

4.3.3

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Schwerpunktverschiebungen der Trauer um den Herrscher: Vom mourning zum grief

Die hier zu beobachtende Konzentration der Beerdigungs- und Trauerriten auf die besonders prunkvoll ausgestaltete Beisetzungsfeierlichkeit deutet an sich bereits auf einen Bedeutungsverlust aller über die Beisetzung hinaus andauernden Riten hin. Diese Entwicklung folgte jedoch allgemeinen Tendenzen einer sich allmählich vollziehenden Abnahme der sozial kontrollierten Trauer (mourning), bei gleichzeitiger Zunahme der emotionalen Trauer (grief), und kann nicht als Reaktion auf eine mangelnde Trauerbereitschaft der coburg-gothaischen Bevölkerung gedeutet werden.581 Vielmehr konzentrierte sich die öffentliche Trauer im Privat- wie im Herrscherfall nun auf die Beerdigung. Zu dieser kamen die Betroffenen, in diesem Fall auch ausländische Gäste und Vertreter, zusammen und gedachten des Toten. Jegliche weitere Trauer im Sinne des grief blieb dann Privatsache eines jeden einzelnen. Auch das Gothaer Oberhofmarschallamt hatte bereits vor dem Tode Ernsts Mitte der 1880er-Jahre eine allgemeine Abnahme der Trauerzeit vermerkt und Anfragen an die anderen thüringischen Herzogtümer nach den dort üblichen Regelungen geschickt. Die Antworten darauf fielen unterschiedlich aus: Während es in Sachsen-Weimar-Eisenach keine aktuelle Trauerordnung gab, orientierte man sich in Sachsen-Meiningen an der Ordnung des Königreiches Sachsen von 1831, die im Wesentlichen der Gothas von 1830 entsprach. Aber auch in Sachsen selbst wurde diese Ordnung immer häufiger aufgebrochen, sodass beispielsweise 1877 bei den jeweiligen Todesfällen der Königinnen Maria und Amalie Auguste das Verbot von öffentlicher Musik und weiteren Lustbarkeiten von sieben auf fünf Tage reduziert worden war. Als Reaktion auf diese Umfrage wurde 1884 in Sachsen-Coburg und Gotha die Kleiderordnung für die verschiedenen Trauerphasen vereinfacht.582 Beim Tode Ernsts 1893 kam jedoch das erste Mal Kritik an dem dreiwöchigen Verbot von Musik und Tanz seitens des Bade-Comités des Kurortes Friedrichroda auf. Da der Herzog mitten in der Saison gestorben war, durften nun keine Kurkonzerte stattfinden. Dies führte zur Nichtanreise von 1000 Kurgästen – ein finanzieller Einschnitt von 2000 Mark – und zur Weigerung anderer Gäste, die Kurtaxe zu zahlen. Herzog Alfred lehnte es jedoch ab, dem Gesuch um Einschränkung des Verbotes nachzukommen.583 Bei dessen Tode im Jahre 1900 – ebenfalls wieder

581

582

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Vgl. Sörries: Herzliches Beileid, 2012, S. 25 ff., 51, im Gegensatz dazu beschreibt Sörries die nach wie vor bestehende Bedeutung von Kleiderordnungen die Trauer betreffend gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als diese über Modemagazine verbreitet wurden und auf deren Einhaltung genau geachtet wurde. Vgl. LATh – StA Gotha, 2-17-0311 Oberhofmarschallamt, Nr. 343, Briefwechsel mit Oberhofmarschallamt in Sachsen-Weimar-Eisenach, Briefwechsel mit Oberhofmarschallamt in Sachsen-Meiningen, Abschrift der Trauer-Ordnung des Königreichs Sachsen vom 31.03.1831, Änderung der Kleiderordnung 1884, n. fol. Vgl. Arndt: Letzte Dinge, 2012, S. 278.

4.3 BEERDIGUNG

135

im Hochsommer – wandte sich der Theaterdirektor Friedrichrodas mit der gleichen Bitte um Einschränkung des Verbotes an das Ministerium und wies darauf hin, dass die Schauspieler nun ohne Lebensunterhalt auskommen müssten. Nachdem es auch diesmal wieder zahlreiche Proteste auswärtiger Kurbesucher gegeben hatte, erließ der Regent Ernst zu Hohenlohe-Langenburg584 eine Regelung, die es den jeweiligen Landratsämtern überließ, das Verbot von Musik und Tanz im Einzelfall aufzuheben. Zudem zahlte die Herzoginwitwe 300 Mark Entschädigung an die betroffenen Schauspieler. Als Reaktion auf die Vorfälle wurde ein Jahr später eine neue Trauerordnung erlassen, die Musik und Tanz nur noch bis zum Tag der Beisetzung verbot.585 Das Herrscherhaus war nach den Erfahrungen von 1893 und 1900 gezwungen gewesen, die starren Normen des coburg-gothaischen Trauerreglements den bürgerlichen Ansprüchen einer zeitgemäßeren Trauer anzupassen.586 Verschiedene Faktoren hatten dieses neue Trauerverhalten zu Beginn des 20. Jahrhunderts begünstigt: Zum Ersten Beschleunigungstendenzen, die einer langen Trauerzeit entgegenstanden – durch den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft erlaubte etwa der streng getaktete Ablauf in den Fabriken keine langen Ausfälle durch eine allgemeine Landestrauer. Zum Zweiten eine gestiegene Mobilität und Reisefreude der Bevölkerung – für Bewohner anderer Länder gab es kaum einen Anlass, um einen anderen Bundesfürsten zu trauern – und, zum Dritten, im hier geschilderten Fall der Bedeutungszuwachs einer vom fürstlichen Mäzenatentum unabhängigen Unterhaltungsindustrie. Aber auch wenn um 1900 der Verband der regional homogen trauernden Untertanen langsam aufbrach, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine gelungene Inszenierung der Beisetzung immer noch das Potential eines gemeinschaftsstiftenden Erlebnisses zugunsten der Akzeptanz des Herrscherhauses barg. Zudem war die Anpassung an neue Trauerformen durch das Herrscherhaus nicht das Resultat einer voranschreitenden Verbürgerlichung, sondern war vielmehr eine bewusst gewählte Strategie im Sinne des Obenbleibens.587

4.3.4

Mediale Vermittlung

Wie gezeigt wurde, folgten die Beisetzungsfeierlichkeiten für die coburg-gothaischen Herzöge Ernst II. und Alfred in wesentlichen Zügen der Tradition fürstlicher Leichenzüge, die sich schon für die Frühe Neuzeit nachweisen lässt. Lediglich

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585 586 587

Ernst II., Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, der Schwiegersohn Herzog Alfreds, übte von 1900 bis 1905 die Regentschaft in Sachsen-Coburg und Gotha für den noch minderjährigen Herzog Carl Eduard aus. Vgl. LATh – StA Gotha, 2-15-0183 Staatsministerium Dep. I, Nr. 58. Vgl. LATh – StA Gotha, 2-15-0183 Staatsministerium Dep. I, Nr. 59. Vgl. Braun: Konzeptionelle Bemerkungen, 1990.

136

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

individuelle Elemente für den jeweiligen Herrscher und der Umfang der Teilnehmer änderten sich. Für die mediale Vermittlung gilt diese Kontinuität jedoch nur teilweise. Während es wie schon in der Frühen Neuzeit auch noch im 19. Jahrhundert eine gedruckte Verbreitung diverser Leichenpredigten zu Zwecken der Memoria gab,588 ist in den Berichterstattungen der Zeitungen ein starker Anstieg der Präsenz des sterbenden bzw. toten Herrschers festzustellen. Vergleicht man etwa die Berichterstattung der Todesumstände und Beisetzungen Ernsts II. 1893 und die seines Vaters Ernst I. 1844, lässt sich feststellen, dass in der 1844 vier Seiten starken Gothaischen Zeitung allein die äußerst sachliche Schilderung der Beisetzung einmal die Hälfte der Zeitung einnahm,589 während alle weiteren Meldungen bezüglich des Ablebens sehr kurz ausfielen und zudem nach der Beschreibung der Beisetzung gänzlich ausblieben. 1893 erfolgte dagegen eine weitaus breitere und vielgestaltigere Berichterstattung, die auch auffallend viele persönliche Abschiedsgedanken, wie etwa Abschiedsgedichte, enthielt. Auch von Seiten des Herzoghauses selbst wurde die psychologische Trauer bewusst nach außen getragen, wie ein Dankestelegramm der im „namenlosen Schmerz um den teuren Entschlafenen“ verbliebenen Herzoginwitwe zeigt.590 Besonders im Bereich der medialen Vermittlung lässt sich daher eine Zunahme des grief feststellen, die von Seiten des Herrscherhauses demonstrativ nach außen und von Seiten der Zeitungsschreiber an das Herrscherhaus herangetragen wurde. Die Wandlung der Trauer schlägt sich daher im Medium Zeitung besonders deutlich nieder. Die Intensivierung der öffentlichen Berichterstattung lässt sich bereits an der dreiwöchigen Krankheitsphase Ernsts II. nachvollziehen. Am 5. August wurde der Bevölkerung durch ein ärztliches Bulletin in der offiziellen Gothaischen Zeitung das erste Mal mitgeteilt, dass „Se[ine] Hoheit der Herzog […] am 1. August abends 9 Uhr einen leichten Schlaganfall erlitten [habe]. Die Krankheitserscheinungen sind in Besserung begriffen, sodaß vollständige Genesung zu erwarten sein dürfte.“ Von diesem Zeitpunkt an erschienen fast täglich Bulletins, die die Bevölkerung über den Zustand Ernsts informierten. So hieß es etwa am 8. August: „Seine Hoheit waren gestern mehrfach außer Bett, ohne zu ermüden, und haben die vergangene Nacht gut geschlafen“; am 11. August: „Seine Hoheit der Herzog brachte vorgestern und gestern einige Zeit in der freien Luft, auf dem Balkon stehend, zu.

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589 590

Zu Funeraldrucken in der Frühen Neuzeit, siehe Schmidt: Tod, 2002, S. 42, zu Funeraldrucken im 19. Jahrhundert etwa: LATh – StA Gotha, 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, Nr. 530b, n. fol., gedruckte Leichenpredigt Oscar Müllers, gehalten in der Schlosskirche zu Gotha, deren Verkaufserlös der Ernst-Alexandrinen-Stiftung zugutekam. Gothaische Zeitung, 06.02.1844. „In meinem namenlosen Schmerz um den teuren Entschlafenen, meinen nun in Gott ruhenden hohen Gemahl, hat die mitfühlende und mittrauernde Teilnahme, die aus Stadt und Land im lieben Coburg-Gotha Unzählige mir bekundet haben, meinem schwergeprüften Herzen unendlich wohlgethan und, soweit warme Theilnahme zu trösten vermag, mir lindernden Trost gegeben. Innigen Dank Allen, die beim Heimgang des Unvergeßlichen meiner gedachten!/Coburg, 31. August 1893, Alexandrine“, Gothaische Zeitung, 01.09.1893.

4.3 BEERDIGUNG

137

Auch Appetit und Schlaf waren gut. Im Uebrigen ist eine Kräftezunahme des hohen Patienten nicht erkennbar.“ Am 14. August informierte das Bulletin: „Seine Hoheit haben in der letzten Nacht mehr, wenn auch nicht ruhig geschlafen. Auch die Nahrungsaufnahme erfolgte gestern und heute leichter und reichlicher. Dementsprechend hat sich eine weitere Abnahme der Kräfte nicht bemerkbar gemacht und das Allgemeinbefinden ist eher besser.“ Am 22. August hieß es dann: „Der hohe Patient ist andauernd bewußtlos. Die Kräfte nehmen sichtlich ab“; während am 23. August dann die Todesmeldung erfolgte: „Se[ine] Hoheit der Herzog war gestern fortgesetzt ohne Bewußtsein. Abends trat Schwäche der Atmung und der Herzthätigkeit ein. Der Tod erfolgte ruhig und ohne Kampf um 11 ¾ Uhr nachts.“ Die Ausführlichkeit und Regelmäßigkeit der Bulletins zeigen eindrücklich, dass der Herzog auch in seinem Sterben keine Privatperson war. Die Öffentlichkeit konnte das Sterben des Souveräns mitverfolgen und sich auf den folgenden Umbruchprozess vorbereiten. Wie die Todesumstände Herzog Alfreds hingegen belegen, verstand man diese Informationspolitik auch als eine Pflicht des Hofes der Öffentlichkeit gegenüber. Alfred war nach kurzer, akuter Krankheit gestorben, wobei die Bevölkerung durch die fehlende Berichterstattung vom Tod des Herzogs überrascht worden war. Die daraufhin geäußerte Kritik der Untertanen brachte die Hofberichterstattung in Erklärungsnot.591 Im Falle Ernsts II. erfolgten nach der Todesmitteilung ebenfalls in der Ausgabe der Gothaischen Zeitung vom 23. August ein panegyrischer Artikel über das Leben Ernsts, die Mitteilung, dass die Landestrauer von diesem Tag an in Kraft trete und das bereits geplante Programm der Beisetzungsfeierlichkeiten.592 In den folgenden Tagen wurden die Beisetzungsfeierlichkeiten akribisch beschrieben. Dabei trat nicht nur das Spezifikum der medialen Verbreitung, die Anwesenden eines Ereignisses um ein abwesendes Publikum zu erweitern, zu Tage. Durch die mediale Berichterstattung konnte auch allen Lesern die Bedeutung des Herzogs vermittelt werden. So berichtete etwa die Gothaische Zeitung, dass bei dem gothaischen Trauerzug von Reinhardsbrunn zum Bahnhof Schnepfenthal bereits seit Mitternacht ein „reges Leben“ auf der Straße geherrscht habe und dass seit 3 Uhr früh die Chaussee „von hunderten von Wagen und Fußgängern aller Art gefüllt“ war. An manchen Stellen des Weges hätten darüber hinaus die Menschen zu fünft hintereinander Spalier gestanden.593 Es lässt sich schwer deuten, ob diese Schilderung von Menschenmassen angesichts der frühen Stunden als den Tatsachen entsprechend anzusehen ist oder nicht. Für die Wirkung des Berichtes war dies jedoch irrelevant: Er vermittelte dem abwesenden Leser den Eindruck der ungebrochenen Anhänglichkeit der anwesenden Untertanen an den Herzog. 591

592 593

Das Krebsleiden Alfreds war erst kurz vor seinem Tod diagnostiziert worden. Da dieser der Gothaischen Zeitung zufolge jedoch davon nicht in Kenntnis gesetzt wurde, bis zu seinem Tode auf Genesung hoffte und auch täglich mehrere Zeitungen las, war die Presse – zum Schutz des Herzogs – nicht informiert worden, Gothaische Zeitung, 03.08.1900. Gothaische Zeitung, 23.08.1893. Gothaische Zeitung, 28.08.1893.

138

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Die Erweiterung des Rezipientenkreises vor Ort durch die Zeitung wird besonders anschaulich im Artikel „Abschiednehmen“ vom 26. August.594 Dieser beschreibt den Besuch des anonymen Autors am aufgebahrten Sarg des Herzogs. Dabei wird die 1. Person Plural verwendet und der gesamte Ablauf des Besuchs von der Anreise über das Warten, das Kondolieren am Sarg und das Wiederhinaustreten in einer Detailtreue beschrieben, die beim Leser den Eindruck vermitteln sollte, selbst dabei gewesen zu sein. Zunächst wird die gemeinschaftliche Erfahrung des Herzogtodes geschildert, indem sich „alle Stände“ in Reinhardsbrunn versammelt hätten: „[N]eben der Frau vom Walde, welche ihren Brautstaat angelegt hatte, die Städterin in rauschender Seide, neben dem Handwerker der Beamte, der Lehrer, der Landmann, alle in feierliches Schwarz gekleidet, mit tiefer Trauer im Herzen.“ Nach der Schilderung des Wartens erfolgt die Beschreibung des Weges zum Sarg: „Hier betreten wir einen Raum, in dem der Verblichene so oft und gern geweilt. Die Wände schmücken die Trophäen seiner Jagd. Nun treten wir in den Vorraum, harziger Geruch von frischem Waldesgrün erfüllt denselben, noch eine Wendung nach links, und wir erblicken durch die Thür das von stillem Frieden verklärte, edle Antlitz des Vielgeliebten.“

Die Art und Weise wie der Autor versucht, alle fassbaren Sinneseindrücke detailgetreu und doch in künstlerisch verarbeiteter Form wiederzugeben, erinnert stark an die zeittypische Strömung des poetischen Realismus. Dies musste einerseits besonders gebildetere Schichten ansprechen, die ein Zielpublikum der Gothaischen Zeitung waren. Andererseits ermöglichte die bildhafte statt einer distanziert-kühlen Sprache auch ein Nachvollziehen der Szenerie für ungeübtere Leser. Nachdem die Ausgestaltung des Raumes beschrieben wird, gibt der Artikel auch die einzig mögliche Reaktion im Sinne der sozial strukturierten Trauer wieder: Erschütterung. „Doch nur kurze Zeit ist zur Betrachtung all das Erhabende [sic] und Großartigen vergönnt, noch einen letzten Blick in das bleiche, friedvolle Antlitz und wir treten ins Freie, tief erschüttert und doch von Bewußtsein beseelt, ein Bild in uns aufgenommen zu haben so edel und schön, daß wir es nie im Leben vergessen werden.“

An dieser Stelle scheint ein Vergleich mit dem schon erwähnten Bild aus der Gartenlaube angebracht, welches ebenfalls Ernst II. auf dem Totenbett zeigt (Abb. 1). Die Verbreitung von Totenmasken und nach dem Aufkommen der Fotografie auch von Totenbildern war durchaus üblich, stellten diese doch das letzte Bildzeugnis des Toten dar und eigneten sich daher als Medium der Anteilnahme und Memoria.595 Es war daher nur konsequent, auch das Bildnis eines toten Fürsten abzudrucken. Dieses führte schonungslos und scheinbar objektiv die Aufbahrung vor Augen und war für jeden zu erschließen. Dennoch wird der Betrachter mit dem Bild allein gelassen. Der hier in Auszügen vorgestellte Erlebnisbericht konnte in diesem Punkt weitaus wirkmächtiger werden als das bloße Bild. Er leitet den 594 595

Gothaische Zeitung, 26.08.1893. Vgl. Geisthövel: Tote Monarchen, 2008, S. 151; Hans Belting: Faces. Eine Geschichte des Gesichts, München 2013, S. 124.

4.3 BEERDIGUNG

139

Leser nicht nur durch alle Stationen des Kondolierens, sondern gibt auch immer schon die gewünschte Wirkung, nämlich Trauer, Schmerz und Erschütterung durch Schlüsselworte vor. Zudem näherte sich in der Beschreibung die Erzählzeit der erzählten Zeit an, sodass die Verarbeitung des Textes auch schon rein zeitlich eine größere Anteilnahme forderte als das flüchtige Betrachten eines Bildes und, wie schon erwähnt, den Ersatz für einen nicht möglichen Besuch der Aufbahrung darstellen sollte. Der Artikel ist dabei nicht nur ein Beispiel für die Erweiterung des Publikums durch die zunehmende, detailgenaue Berichterstattung, sondern er leistet auch das, wozu die Trauerreglements nicht in der Lage waren: Die Erzeugung der emotionalen Trauer (grief) um den verstorbenen Landesherrn.596

4.3.5

Beerdigungen als genutzte Inszenierungschance

Verschiedene hier geschilderte Tendenzen wie Beschleunigung, Mobilität, Sparzwang und aufgeklärtes Gedankengut führten dazu, dass das Trauerzeremoniell im 19. Jahrhundert zwar nicht weniger prunkvoll war als in der Frühen Neuzeit, sich das Trauern im Sinne des mourning aber immer häufiger auf die individueller gestalteten Beisetzungsfeierlichkeiten konzentrierte. Der neu hinzugekommenen Bedeutung der emotionalen Trauer um den verstorbenen Herrscher war man sich auch im Herrscherhaus bewusst. Man zeigte zunehmend öffentlich den privaten Schmerz, etwa wenn sich König Johann von Sachsen – entgegen der Tradition des Fernbleibens königlicher Angehöriger – dafür entschied, dem Sarg seines verstorbenen königlichen Bruders während der Prozession durch die Stadt zu folgen,597 oder Herzogin Alexandrine von SachsenCoburg und Gotha ihren Verlust in einem abgedruckten Telegramm beklagte. Besonders das Text- und Bildmedium Zeitung bot aber eine exzellente Verbreitungsmöglichkeit für das kollektiv erwünschte Gefühl des Schmerzes. Durch die ausführliche und emotional ansprechende mediale Berichterstattung gelang es dem Herrscherhaus und ihm nahestehenden Gruppen, wie etwa den Herausgebern der offiziellen Coburger und Gothaischen Zeitung, dass alle Untertanen des Herzogtums größtmöglichen Anteil am Tod des Monarchen nahmen. Während dieses lebensgeschichtlichen Ereignisses zeigte der Herrscher seine menschliche Seite und bot damit zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten für seine Untertanen. Da jeder schon einmal den Tod eines nahestehenden Menschen erlebt hatte, bot sich in diesem Moment die Möglichkeit des Mitfühlens an den Ereignissen des Herrscherhauses, wodurch eine wichtige Basis zu einer prinzipiellen Sympathie gelegt wurde. Da von offizieller Seite immer wieder der gemeinsame Bund zwischen Herrscher 596

597

Ein weiteres Textbeispiel für diesen Stil ist etwa folgende Szene in der Beschreibung des Trauergottesdienstes: „Ein tief ergreifender Moment ist es, als Seine Majestät der Kaiser am Schlusse der Trauerfeierlichkeit zum stillen Gebet am Sarge seines Großoheims niederkniet. Da bleibt wohl kaum ein Auge thränenleer.“, Gothaische Zeitung 29.08.1893. Vgl. Johann, Lebenserinnerungen, 1958, S. 277.

140

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

und Volk und des gemeinsamen Mitfreuens und Mitleidens betont wurde,598 gleichsam eine Schicksalsgemeinschaft suggeriert wurde, konnten bei einer entsprechenden Inszenierung des Ereignisses des Herrschertodes durchaus darüber hinausreichende Grundlagen für ein Befürworten der Dynastie und damit deren Legitimität und Machterhalt gelegt werden. Obwohl der staatliche Zugriff auf die Untertanen durch die Trauerreglements im 19. Jahrhundert eingeschränkt werden musste, brachte dies keinen Geltungsverlust des Herrschertodes mit sich. Dessen Bedeutung wurde durch die emotionale Art der Inszenierung und seiner neuen medialen Vermittlung eher noch gesteigert. Dass sich gerade Beerdigungen für die Demonstration der Anhänglichkeit der Untertanen besonders gut instrumentalisieren ließen, dokumentieren besonders augenfällig die von Hunderttausenden besuchten Beerdigungen nach dem Ende der Monarchie in Deutschland: So etwa die Beisetzung Kaiserin Auguste Viktorias 1921, die von 200.000 Menschen direkt verfolgt wurde,599 oder die Beisetzung des letzten sächsischen Königs Friedrich August III. 1932 in Dresden, an der sich über 500.000 Menschen – mehr als die damalige Einwohnerschaft der ehemaligen Residenzstadt – vor Ort beteiligten. Gerade an Letzterer nahmen neben der sächsischen Regierung, zahlreichen Oberbürgermeistern sächsischer Städte und vielen sozialdemokratischen Stadtvertretern auch „Angehörige aller Gesellschaftsschichten, unabhängig von ihrer jeweiligen parteipolitischen Einstellung“ teil.600 Dies führt die potentielle Integrationskraft der Monarchie, die im Ereignis des Herrschertodes einen Höhepunkt fand, eindrücklich vor Augen.

4.4

Weitere Ereignisse

Mit Geburt, Taufe, Hochzeit und Beerdigung wurden die wichtigsten lebenshistorischen Ereignisse behandelt. Dies waren aber bei Weitem nicht alle Begebenheiten, die Anlass für monarchiebezogene Feierlichkeiten und öffentliche Herrscherauftritte boten. Im Gegensatz zur preußischen Königskrönung von 1861601 oder der Krönung Franz Josephs als König von Ungarn 1867 fanden jedoch in den Königreichen Bayern und Sachsen keine Krönungen statt. Der Machtübergang auf 598

599 600 601

Ein Beispiel dafür sind staatlich verordnete Dankgottesdienste nach überstandenen Krankheiten der Mitglieder des Herrscherhauses, vgl. SächsHStA, Bestand 11125, Ministerium des Kultus, Nr. 10296. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 349. Vgl. Kroll: Friedrich August, 2004, S. 318. Vgl. Jan Andres/Matthias Schwengelbeck: Das Zeremoniell als politischer Kommunikationsraum: Inthronisationsriten in Preußen im „langen“ 19. Jahrhundert, in: Ute Frevert/Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.): Neue Politikgeschichte: Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt/M. u. a. 2005, S. 27–81, hier S. 47–51.

4.4 WEITERE EREIGNISSE

141

einen neuen Herrscher wurde wie 1913 in Bayern, wenn überhaupt, lediglich durch eine größer angelegte Huldigung demonstriert.602 Ansonsten wurde, wie in den anderen Ländern auch, der Eid auf die Verfassung nicht für repräsentative Zwecke genutzt.603 Anstatt auf ihre konstitutionell gebundene Rolle zu verweisen, entschieden sich die Bundesfürsten stattdessen eher, in den aufwändigen Beerdigungszeremonien ihren Vorgänger und die Dynastie überhaupt zu inszenieren. Dass der Machtübergang dabei jedes Mal im Zeichen der Vergangenheit stand und die Verbindung zwischen Monarch und Verfassung nicht betont wurde, ist als Versäumnis der Bundesfürsten zu werten. Insbesondere Jahrestage wurden nun immer öfter gefeiert. Dazu gehörten Geburtstage, Jahrestage der Regierungsantritte und Hochzeitstage. Geburtstage des Monarchen wurden dann besonders gefeiert, wenn diese durch das Erreichen einer bestimmten Zahl an Jahren noch einmal herausgestellt wurden. Dazu gehörte erstens die Volljährigkeit, die allerdings nur dann in größerem Rahmen begangen wurde, wenn sie für das Land eine direkte Bedeutung hatte, wie etwa die 1905 erfolgte Volljährigkeit Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gothas, die zugleich dessen Regierungsantritt markierte.604 Zweitens wurden dann die Jubiläen zum 70., 80. und 90. Geburtstag besonders feierlich begangen, da das Erreichen dieses Alters als selten und äußerst ehrwürdig betrachtet wurde. Von den fünfzehn hier näher untersuchten Bundesfürsten konnten immerhin sieben ihren 70. Geburtstag begehen.605 Eine große Ausnahme stellte dabei Prinzregent Luitpold von Bayern dar, der ebenfalls seinen 80. und 90. Geburtstag erlebte, was um 1900 auch innerhalb des Hochadels absoluten Seltenheitswert hatte und dementsprechend aufwändig zelebriert wurde.606 Diese Feiern enthielten zahlreiche Festelemente wie Ovationen, Lampion- und Festumzüge und nahmen so den Charakter einer Massenveranstaltung an.607

602

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Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs III., 1a. An der Landeshuldigung, die aus einer kirchlichen Feier, der Huldigung im Herkulessaal der Münchner Residenz und einem großen Empfang bestand, nahmen die Kammer der Abgeordneten, die Kammer der Reichsräte, die Landräte, die Vertreter der Gemeinden, der unmittelbaren und mittelbaren Städte, der Landgemeinden, die Abordnungen von Korporationen, Hofbeamte und Minister teil. Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha legte etwa, nachdem sein Vorgänger am Vorabend verstorben war, am 23.08.1893 im Beisein Kaiser Wilhelms II. und des Gesamtministeriums den Eid auf die Verfassung ab. Die Bevölkerung wurde darüber durch die Zeitung informiert, vgl. Gothaische Zeitung, 24.08.1893. Vgl. Coburger Zeitung, 19.–25.07.1905. Prinzregent Luitpold von Bayern (1891), Ludwig III. von Bayern (1915), siehe dazu März: Das Haus, 2013, S. 191 f., Johann von Sachsen (1871), Albert von Sachsen (1898), Georg von Sachsen (1902), Ludwig III. von Hessen und bei Rhein (1876), Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha (1888). Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 219–246. Vgl. ebd., S. 226.

142

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

Immer häufiger entwickelten die Bundesfürsten auch Rituale für normale Geburtstage, deren Festausmaße um 1900 ebenfalls zunahmen.608 So war der Herrschergeburtstag Anlass für Amnestien, Spenden an Bedürftige sowie zahlreiche Ordensverleihungen und andere Auszeichnungen. In Coburg wurden jährlich anlässlich des Herrschergeburtstages 101 Kanonenschüsse von der Veste abgegeben und Herzog Carl Eduard nahm die Parade am Schlossplatz ab.609 Flaggenschmuck der Städte und ein Festessen für die obersten Stadtvertreter sowie ein Galaempfang am Hofe gehörten in den Residenzstädten ebenso dazu. In Hessen wurde unter Ernst Ludwig die Devise vertreten, „Großherzogsgeburtstag gilt bei uns nach alter guter Sitte als ein Fest des ganzen Volkes“.610 Dementsprechend gab es in den Schulen Festveranstaltungen, der Unterricht fiel aus, Behörden hatten geschlossen, die Post arbeitete nur im Sonntagsbetrieb, es gab Festgottesdienste, Festkommerse von Vereinen und der Studentenschaft und abends eine Festvorstellung im Hoftheater. Am Vortag des Geburtstags fand für gewöhnlich ein Zapfenstreich statt, dem sich ein Umzug durch die Stadt anschloss. Im Vergleich zu seinem Vater Ludwig IV. hatten die Feiern unter Ernst Ludwig noch zugenommen und vertraten auch während der Zeit des Kaiserreiches den integrativen Anspruch, ein Fest für alle Hessen zu sein. Auch für die Herrschergeburtstage gilt, dass die damit verbundenen Feiern in den Bundesstaaten häufig für die regionalen Monarchen aufwändiger ausfielen als für die deutschen Kaiser. Anlässlich des 80. Geburtstages Kaiser Wilhelms I. am 22. März 1877 ließ sich Ludwig II. von Bayern detailliert berichten, wie die Feiern in München abgehalten wurden. Dabei agierte der Münchner Hof dahingehend, die Würdigung des bayerischen Königs auch beim Kaisergeburtstag in den Vordergrund zu stellen und preußisch-nationale Loyalitätsbekundungen möglichst gering zu halten. Wie der Münchner Polizeidirektor Max Freiherr von Feilitzsch an seinen König berichtete, sei dies auch gelungen, da „die Feier […] im Allgemeinen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben [sei], welche von liberaler Seite gehegt wurden“.611 Weiter führt der Bericht auf, dass von 10.000 Häusern nur 400 mit Flaggen geschmückt gewesen seien, wobei die bayerische dominiert habe, dass die kommunale Glückwunschadresse nicht persönlich in Berlin vorgebracht, sondern lediglich mit der Post verschickt worden sei und dass der erste Toast während des Festdiners im Bayerischen Hof auf Ludwig II. „sowohl dem Inhalte als dem Vortrag nach sehr gelungen [sei …] und enthusiastischen Wiederhall [sic]“ gefunden habe, wohingegen der Toast auf den Kaiser „nach dem einstimmigen Urtheile 608

609 610 611

Über die Feiern der Geburtstage geben die offiziellen Zeitungen Auskunft. Hierfür wurden herangezogen: Darmstädter Zeitung, 12.09.1890, 25.11.1909; Coburger Zeitung, 19.07.1905, 19. u. 20.07.1907, 20.07.1909. Vgl. Coburger Zeitung, 20.07.1909 Darmstädter Zeitung, 25.11.1909. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 251, n. fol., Bericht des Polizeidirektors von München, Max Freiherr von Feilitzsch, über die Feier des 80. Geburtstages Kaiser Wilhelms I.

4.4 WEITERE EREIGNISSE

143

aller Anwesenden sehr trocken und formell nicht gelungen“ gewesen sei. Alles in allem, fasste von Feilitzsch zusammen, sei der Eindruck entstanden, dass „die Einwohnerschaft von München treu zu ihrem Könige und Herrn hält, daß dieselbe glücklich ist, bayerisch zu sein, und daß erst in zweiter Linie die Gefühle für den König von Preußen als deutschen Kaiser [sic] einigermassen zum Ausdruck kommen“.612

Eingedenk der Tatsache, dass der Bericht Ludwig II. hinsichtlich der Gesinnung seiner Untertanen beruhigen sollte, ist die Tendenz des Berichtes eindeutig. Obwohl der bayerische König sich zu dieser Zeit schon nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigte, ließ er sich auch in den Folgejahren über die Feierlichkeiten anlässlich seiner Geburt informieren, welche weiterhin, wie ein Bericht von 1881 zeigt, von Kriegs- und Veteranenvereinen sowie Feuerwehren organisiert wurden. Den Feiern sei, obwohl kein Beamter dazu angeregt habe, „die Bevölkerung [in] einem inneren Triebe gefolgt“ und „die Bethätigung [sei] als heilige Pflicht empfunden“ worden. Des Weiteren brannten in vielen Gemeinden Freudenfeuer und die Bayernhymne wurde gesungen.613 Seltener als Geburtstage konnten dagegen Regierungsjubiläen gefeiert werden. 25 Jahre hatten nur fünf der hier untersuchten Herrscher die Macht inne: Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1869)614 – er starb gut ein halbes Jahr vor seinem 50. Jubiläum –, Ludwig III. von Hessen und bei Rhein (1873),615 Albert von Sachsen (1898),616 Luitpold von Bayern (1911)617 und Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (1917).618 Auch die Veranstaltungen zu diesen Jubiläen enthielten Elemente der Geburtstagsfeier, nur wurden diese Festlichkeiten in noch größerem Rahmen abgehalten. Da das Regierungsjubiläum Ernst Ludwigs von Hessen und bei Rhein 1917 in die Kriegszeit fiel, wurden die Feierlichkeiten schlicht gehalten. Neben der Beflaggung öffentlicher Gebäude fanden in den Kirchen und Schulen Gedenkveranstaltungen statt. Alle Schüler und Lehrer bekamen als Erinnerung an den Festtag ein Bild des Großherzogs geschenkt.619 Das Fest der Goldenen Hochzeit begingen nur drei Bundesfürsten. Aufgrund der niedrigeren Lebenserwartung war es außergewöhnlich, wenn beide Ehepartner

612 613

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616 617 618 619

Zitiert nach Hermann Rumschöttel: Ludwig II. Das Leiden am Reich, in: Schmid u. a.: Die Herrscher, 2001, S. 343–358, hier S. 356. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 221, n. fol., Bericht des Staatsrats Franz von Dillis über die Feier des Geburts- und Namensfestes Ludwigs II. in ganz Bayern 1881. Vgl. LATh – StA Gotha, Bestand 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, Nr. 83. Vgl. HStAD, Bestand D 8, 226/3; zu Ludwig III. siehe Rainer Maaß: Die Sehnsucht nach dem Absolutismus. Das Geschichts- und Kunstinteresse Großherzog Ludwigs III. von Hessen und bei Rhein, in: Bernd Heidenreich (Hrsg.): Kronen, Kriege, Künste. Das Haus Hessen im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2009, S. 84–118. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 219–246. Vgl. ebd., S. 219–246. Vgl. HStAD, Bestand D 24, 31/2a. Vgl. HStAD, Bestand G 15 Kreisamt Groß-Gerau, A 8.

144

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

diesen Festtag erlebten – dementsprechend aufwändig wurde dieser dann auch zelebriert. Am 50. Hochzeitstag stand der erfolgreiche Bund der Eheleute im Mittelpunkt, und die gegenseitig erbrachte Treue sollte vorbildhaft für die Beziehung zwischen Fürst und Volk stehen. Dieses Konzept konnte bei der Goldenen Hochzeit Johanns von Sachsen und seiner Frau Amalie Auguste, die 1872 in Dresden sehr prächtig begangen wurde, umgesetzt werden.620 Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha entzog sich dagegen den Feierlichkeiten und verbrachte mit seiner Frau Alexandrine den Tag an der Mittelmeerküste.621 Im Fall des coburg-gothaischen Herzogs, der für seine zahlreichen Affären bekannt war, wäre das Gedenken ehelicher Treue auch ins Leere gelaufen. Ludwig III. von Bayern (1845–1921) und seine Frau Marie Therese erfüllten dagegen die zeitgenössischen Erwartungen an eine glückliche Ehe vorbildhaft. Dementsprechend wurde deren Goldene Hochzeit, die König Ludwig III. selbst im Detail geplant hatte, im Februar 1918 fünf Tage lang gefeiert.622 Die Ankündigung zu den Festlichkeiten in München war allerdings mitten in eine Streikphase zahlreicher Arbeiter, insbesondere der Rüstungsindustrie, gefallen, die eine Auswirkung des Kriegsverlaufs und der schlechten Ernährungssituation war. Die Streikenden erhofften sich Verfassungsreformen, einen baldigen Frieden und die Verbesserung der Lebensmittellage. Direkt gegen die Monarchie richteten sich die Unruhen allerdings nicht. Eine Ausweitung auf einen Generalstreik konnte durch die Verhaftung Kurt Eisners verhindert werden. Aus Sorge um das königliche Ansehen äußerten dennoch alle Staatsminister schwere Bedenken gegen die Abhaltung einer öffentlichen Serenade. Ludwig III. ließ sich jedoch nicht von seinen Plänen abbringen, und forderte die Umsetzung des Festprogramms. 623 Auch die geplante Auflage von 6000 Gedenkmünzen sorgte beim zuständigen Bundesrat und dem Reichsschatzamt für Kritik und Unverständnis. Diese Gremien gaben den bayerischen Behörden unmissverständlich zu verstehen, dass das dafür erforderliche Silber für militärische Zwecke dringend benötigt würde, denn „[j]ede Denkmünze koste eine Gasmaske und damit unter Umständen einen Soldaten das Leben“.624 Letztlich gestand man die Herausgabe von 100 Münzen zu, wenn Bayern selbst das Silber dazu stellen würde. Insgesamt

620

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Vgl. Winfried Müller: „Der Seelenbund, der auf dem Gang durch’s Leben/Sich, fest und fester schlingend, treu bewährt“. Das goldene Ehejubiläum (1872) von König Johann und Königin Amalie Auguste von Sachsen, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 405–423; Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 176–203. Vgl. Coburger Zeitung, 03.05.1892, siehe auch LATh – StA Gotha, Bestand 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, Nr. 204. Vgl. Luitgard Sofie Löw: Das letzte Fest der bayerischen Monarchie. Das Goldene Hochzeitsjubiläum im Februar 1918, in: Leutheusser u. a.: König Ludwig, 2014, S. 53–66, siehe auch BayHStA, GHA, Obersthofmarschallstab S. M. des Königs Ludwig III. von Bayern: Nr. 645. Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 440 ff. BayHStA, MKult 19025, Schreiben des stellv. Bevollmächtigten Dr. Wolf an das Finanzministerium vom 30.10.1917, fol. 30r–32r.

4.4 WEITERE EREIGNISSE

145

wirkte dieser an den Tag gelegte Prunk und Aufwand im letzten Kriegsjahr allerdings mehr als deplatziert und trug zum Ansehensverlust des seit 1917 in seiner Popularität angeschlagenen Königs bei. Die Silberne Hochzeit konnten neben den bereits genannten Paaren noch drei weitere Bundesfürsten feiern.625 Im Vergleich zur Goldenen Hochzeit fielen die Feiern geringer aus und der private Charakter der Veranstaltung stand im Vordergrund. Im Vergleich zu der gänzlich abgesagten Feier der Silberhochzeit des deutschen Kronprinzenpaares Victoria und Friedrich (III.) 1873,626 welche auf den weiterhin privaten Charakter des Hochzeitsfestes hinweist, wurde der 25. Hochzeitstag des sächsischen Königs Albert 1878 mit Militärparaden, Schulfeiern, Umzügen und der Gründung von Stiftungen begangen.627 Mit diesen Feiern war allerdings noch lange nicht die Obergrenze der Festveranstaltungen erreicht. Auch andere Jahrestage sollten gewürdigt und festlich begangen werden, und so kamen stetig Gedenktage hinzu. Diese konnten dabei in direkten Zusammenhang mit der Person des Monarchen stehen, wie etwa die Münchner Centenarfeier,628 die sich dem 100. Geburtstag Ludwigs I. von Bayern 1888 widmete, das 50-jährige Militärjubiläum König Alberts von Sachsen 1893,629 die dessen Militärangehörigkeit würdigte, und Regimentsjubiläen einzelner Fürsten.630 Aber auch staatliche Jahrestage wie etwa die 100-jährige Erhebung zum Königreich in Bayern 1906631 oder Verfassungsjubiläen632 wurden unter Mitwirkung des Staatsoberhauptes begangen. Schließlich kamen noch zahlreiche Gedenktage der Befreiungskriege wie die 1913 erfolgende Einweihung des Völkerschlachtdenkmals633 und der Befreiungshalle in Kelheim634 hinzu sowie unzählige weitere Denkmalsenthüllungen für fast jeden früheren Bundesfürsten in den Residenzstädten und anderen wichtigen Städten.635 Gleiches galt, und dies war in dieser Häufung 625

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Albert und Carola von Sachsen (1878), Ludwig III. und Mathilde von Hessen und bei Rhein (1858) und Alfred und Marie von Sachsen-Coburg und Gotha (1899), vgl. LATh – StA Gotha, Bestand 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, Nr. 218. Vgl. Wienfort: Verliebt, verlobt, 2014, S. 177. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 185, 193 f. Vgl. ebd., S. 204–218. Vgl. ebd., S. 249–252. Vgl. ebd., S. 247 f. In Sachsen und Württemberg fanden solche Feiern dagegen nicht statt, vgl. ebd., S. 296. Vgl. ebd., S. 294 f. Zu den Verfassungsfeiern 1902 in Gotha siehe LATh – StA Gotha, Bestand 2-15-0183 Staatsministerium Departement I, Nr. 61. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 299 f. Vgl. ebd.; März: Das Haus, 2013, S. 130 ff. Die wichtigsten, aber bei Weitem nicht alle Denkmale für die Bundesfürsten waren dabei: In Bayern für Ludwig I. das noch zu Lebzeiten 1862 errichtete Denkmal am Odeonsplatz, vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 249 g, für Maximilian II. die noch zu Lebzeiten eingeweihten Denkmale 1856 in Lindau und 1860 in Bayreuth, sowie das posthum 1875 errichtete Maxmonument in München, für Ludwig II. das 1910 eingeweihte Denkmal an der Corneliusbrücke in München, für Luitpold vgl. die zahlreichen Beispiele bei Barbara Braun-Jäppelt: Prinzregent Luitpold von Bayern in seinen Denkmälern,

146

4. INSZENIERUNG LEBENSGESCHICHTLICHER EREIGNISSE

um 1900 neu, auch für die Denkmäler zu Ehren wohltätiger Gemahlinnen und anderer weiblicher Familienangehöriger.636

4.5

Zwischenfazit

Die öffentlichkeitswirksame Feier von Ereignissen im Herrscherhaus bildete einen wichtigen Teil der bundesfürstlichen Repräsentation. Dabei kam im Vergleich der Ereignisse von Geburt, Hochzeit und Tod des Herrschers seinem Ableben und den sich anschließenden Beisetzungsfeierlichkeiten die größte Bedeutung zu, während Geburt und Eheschließung eher private Ereignisse blieben und nur in begrenztem Rahmen für gemeinsame Festmomente mit den Untertanen genutzt wurden. Insgesamt lässt sich jedoch für alle Ereignisse eine Steigerung der Festausgestaltungen von 1848 bis 1918 feststellen. Während um die Jahrhundertmitte lebenshistorische Ereignisse des Herrscherhauses im Deutschen Bund noch häufig den Charakter von reinen Hoffesten hatten, wurde etwa in Frankreich die Taufe des prince impérial schon als Anlass zur Inszenierung kaiserlicher Macht und Legitimation gegenüber der gesamten Öffentlichkeit genutzt. Durch das zunehmende, mittels der Medien enorm verstärkte Interesse der Öffentlichkeit am Leben des Herrscherhauses nahmen die Partizipationsmomente für die Untertanen zu. Auch bildete sich ein professioneller Umgang mit Pressevertretern und Festkomitees heraus. Insgesamt entwickelten die Bundesfürsten und auch ihre Untertanen zahlreiche Festlichkeiten, die jedes Jahr aufs Neue entweder die Person des Herrschers oder seine Dynastie zum Festgegenstand hatten und zugleich die Beziehung zwischen

636

Bamberg 1997. Für Sachsen zu nennen ist das für Johann 1889 errichtete Reiterdenkmal auf dem Theaterplatz in Dresden, vgl. Simone Mergen: Die Enthüllung des König-JohannDenkmals in Dresden anlässlich der Wettin-Feier 1889. Jubiläum und Denkmal im monarchischen Kult des 19. Jahrhunderts, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 425–448, und für Albert das 1906 eingeweihte Denkmal auf dem Schlossplatz. In Hessen wurde für Ludwig IV. 1898 eine Reiterstatue in Darmstadt sowie Denkmale in Worms und Bingen errichtet, vgl. HStAD, D 24, 3/4. In Coburg gab es für Ernst I. 1849 ein Denkmal auf dem Schlossplatz in Coburg, vgl. StaCo LA A Nr. 7106, für Ernst II. das 1899 eingeweihte Reiterstandbild im Hofgarten zu Coburg, vgl. StaCo LA A 7147–7155. 1902 erfolgte in Darmstadt die Einweihung eines Alice-Denkmals in Form eines Obelisken zur Erinnerung an die Wohltätigkeit der Großherzogin, Vgl. HStAD, D 24, 17/12, 1907 die Einweihung des Alexandrinen-Denkmals in Form eines Brunnens in Coburg, vgl. Gertraude Bachmann: Aus dem Leben der Herzogin Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha, geborene Prinzessin von Baden (1820–1904), in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 39 (1994), S. 1–43, hier S. 40. 1905 wurde im Darmstädter Herrngarten ein Gedenkstein für die 1903 im Alter von acht Jahren verstorbene Prinzessin Elisabeth eingeweiht. Dieser zeigt deren Medaillon und eine Abbildung von Schneewittchens Sarg mit den sieben Zwergen.

4.5 ZWISCHENFAZIT

147

Fürst und Volk positiv beleuchteten. Dabei war die ständige Wiederkehr von Jahrestagen, aber auch das festliche Ausgestalten einmaliger Ereignisse, wie etwa die Rückkehr König Johanns von Sachsen vom Frankfurter Fürstentag 1863, charakteristisch für das Deutsche Reich. Im Gegensatz zu Großbritannien etwa, wo die prunkvolle Krönung des Monarchen eine große Bedeutung hatte, entwickelten im Umfeld der deutschen Souveräne kleinere, dafür aber viel häufiger stattfindende Feste eine große Bedeutung.637 Zugleich waren mit diesen Festtagen, denen auf regionaler Ebene häufiger eine größere Aufmerksamkeit zukam als den Feiertagen der kaiserlichen Dynastie, auch immer wieder Bestärkungen der regionalen Identifikation und Zusammengehörigkeit verbunden, die parallel zum sich herausbildenden Nationalismus des Kaiserreichs bestanden.

637

Vgl. Green: Fatherlands, 2001, S. 92.

5.

Zur leiblichen Präsenz der Bundesfürsten

5.1

Landesreisen der Bundesfürsten

5.1.1

Zur Bedeutung der Reisen

Präsenz vor Ort zu zeigen, war eine typische Strategie mittelalterlicher Herrschaft, die der Machtsicherung sowie der Machtausübung galt.638 Dass der Monarch in seinem Herrschaftsgebiet umherreiste, galt dabei vielmehr als Normal- denn als Ausnahmesituation. In der Frühen Neuzeit waren Herrschaftsreisen nicht mehr selbstverständlich. Wenn diese stattfanden, galt ihr Zweck Kontrollen, Inspektionen oder Absicherungen gegenüber anderen Elitegruppen. Dabei gab es Könige, die ihre Residenz nur äußerst selten verließen: George III. von Großbritannien (1738–1820) reiste nie nördlicher als Worcester, ganz zu schweigen von einem Besuch in seinem Stammland Hannover, und Ludwig XVI. von Frankreich (1754– 1793) verließ vor 1789 die Ile-de-France nur für einen einzigen Besuch in Cherbourg.639 Erst nach 1815 gewannen königliche Landesreisen wieder an Bedeutung und Funktion. Vorbildgebend dafür waren Napoleon I. und sein Neffe Napoleon III. Da beide ihre Herrschaft auch auf die öffentliche Meinung stützten, waren sie daran interessiert, von ihren Untertanen gesehen zu werden, und bereisten daher Frankreich häufig und ausgiebig.640 Diesem Vorbild folgten im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr Monarchen, wie etwa die Familienmitglieder Ludwigs XVIII. (1755–1824) und Karls X. (1757–1836), der spätere russische Zar Alexander II. (1818–1881) in seiner Zeit als Kronprinz, Königin Victoria von Großbritannien und Friedrich Wilhelm IV., der bei seinen Reisen besonders Wert auf den Besuch prominenter Bürgerhäuser legte.641

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Vgl. etwa Bemerkungen und Literaturüberblick bei: Ferdinand Oppl: Herrschaft durch Präsenz. Gedanken und Bemerkungen zur Itinerarforschung, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 117 (2009), S. 12–22. Vgl. David E. Barclay: Anarchie und guter Wille. Friedrich Wilhelm IV. und die preussische Monarchie, Berlin 1995, S. 32. Vgl. Kopp: Die Bonapartes, 2013, S. 50–53, 192–197. Vgl. Barclay, Anarchie, 1995, S. 33. Bezüglich der Reisen Alexanders II., die besonders eine integrative Funktion erfüllten, da er Gebiete betrat, die bisher nie ein Romanow betreten hatte, siehe Richard Wortman: Rule by Sentiment. Alexander II’s Journeys through the Russian Empire, in: The American Historical Review 95 (1990) 3, S. 745–771. Bezüglich der Reisepraxis Victorias siehe Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 36–53; Karina Urbach: Die inszenierte Idylle. Legitimationsstrategien Queen Victorias und Prinz Alberts, in: Kroll u. a.: Inszenierung oder, 2015, S. 23–33, hier S. 27 f.

150

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Die Wiederkehr der monarchischen Landesreisen im 19. Jahrhundert ist deswegen erstaunlich, da durch das Aufkommen einer zunehmend schneller werdenden Berichterstattung in diversen Zeitungen, insbesondere in bildlicher Form, die visuelle Präsenz des Herrschers ermöglicht worden war, ohne dass dessen reale Anwesenheit erforderlich gewesen wäre.642 Dass dennoch die Zahl der monarchischen Reisen zunahm, lag zum einen an den verbesserten Verkehrsbedingungen,643 zum anderen aber an dem gestiegenen Bewusstsein, dass offizielle Reisen der Popularität des Monarchen zuträglich waren. Diese durch die Besuche bezweckte Steigerung des Ansehens des Monarchen innerhalb der Bevölkerung sollte durch eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht zwischen Souverän und Untertan ermöglicht werden. Georg Simmel betonte, dass die erst durch den Blickkontakt entstehende „Verknüpfung und Wechselwirkung der Individuen“ die „reinste Wechselbeziehung [sei], die überhaupt besteht“. Diese sei völlig frei von jedem objektiven Inhalt, jeder Sachbedeutung und manifestiere sich allein im Anblicken.644 Gerade dieses direkte Sich-Ansehen hinterlasse immer einen Eindruck der Person, welcher intensiver sei als jener, der beim einfachen Sehen und Beobachten entstehe. So komme auch der, zuweilen trügende, Eindruck zustande, durch das Studieren der Gesichtszüge eine Person „zu kennen“.645 Da Simmel zufolge im „unmittelbaren Blick von Auge in Auge“ die „vollkommenste Gegenseitigkeit im ganzen Bereich menschlicher Beziehungen erreicht“ werde,646 offenbart sich auch die Bedeutung des Ansehens des Herrschers: Zumindest für den im wahrsten Sinne des Wortes kurzen Augenblick konnte auch der Herrscher zum tatsächlichen Menschen werden. Wenngleich sich bei den Landesreisen nur den wenigsten Untertanen die Möglichkeit eines direkten Blickkontaktes mit dem Herrscher bot, zeigen die Überlegungen Simmels die Bedeutung der realen Anwesenheit des Monarchen auf.647 Da das persönliche Sehen des Herrschers einen weitaus intensiveren Eindruck hinterließ, als es ein Abbild je vermocht hätte, waren die Landesreisen für die Popularität der Bundesfürsten von erheblicher Bedeutung.

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Dies belegt das Beispiel Königin Victorias. Während ihres Rückzugs aus der Öffentlichkeit nach 1861 konnten die weiterhin veröffentlichten Fotografien der Königin den Unmut der Öffentlichkeit zumindest etwas dämpfen, indem sie den Schein einer präsenten Monarchin aufrechterhielten, vgl. Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 166. Auch innerhalb des Bürgertums nahm die Reisetätigkeit im 19. Jahrhundert für Bildungsund Freizeitzwecke zu, vgl. Philipp Prein: Bürgerliches Reisen im 19. Jahrhundert. Freizeit, Kommunikation und soziale Grenzen, Münster 2005, Gabriele Uerscheln/Matthias Winzen (Hrsg.): Reisen. Ein Jahrhundert in Bewegung, Köln 2009. Georg Simmel: Soziologie der Sinne, in: Ders. (Hrsg.): Aufsätze und Abhandlungen 1901– 1908, Bd. II, Frankfurt/M. 1993, S. 276–292, hier S. 279 f. Ebd., S. 282. Ebd., S. 280. Welche Bedeutung es für manche Menschen hatte, den Fürsten mit eigenen Augen zu sehen, lässt sich auch daran beobachten, dass einige Bürgerliche bewusst versuchten, Monarchen und andere Prinzen während einer Reise oder eines Kur- und Badeaufenthaltes anzutreffen, vgl. Prein: Bürgerliches Reisen, 2005, S. 194 f.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

151

Die Besuche in Herrschaftsgebieten außerhalb der Residenz konnten darüber hinaus verschiedene Zwecke erfüllen und können mithin unterschiedlichen Typen zugeordnet werden, die sich, historisch bedingt, änderten. Gerade die Visiten der älteren Generation der Bundesfürsten, d. h. im Zeitraum von 1848–1870, entsprachen dabei häufig dem Typus der Inspektionsreise. Dabei galt es, während der Besuche zunächst Land und Leute kennenzulernen, was durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes um die Jahrhundertmitte zum ersten Mal auch für die Fürsten einfacher wurde. Vor diesem Mobilisierungsschub war es keineswegs selbstverständlich gewesen, dass ein Monarch alle Regionen seines Herrschaftsgebiets einmal betreten hatte. Um 1850 wurde die Erwartung, den König vor Ort zu sehen, allerdings immer begründeter. Hinzu kam, dass die meisten Bundesfürsten um die Jahrhundertmitte ein stark paternalistisches Herrschaftsverständnis vertraten, weshalb sie zahlreiche staatliche Einrichtungen wie Schulen und Gefängnisse, aber auch die Industrie- und Handelszentren mit ihren Werkstätten und Fabriken besuchten, um sich vom rechten Gang der Dinge selbst zu überzeugen. Ihre Präsenz vor Ort sollte dieses Herrschaftsverständnis unterstreichen. Auch die Antrittsreisen, welche die meisten Bundesfürsten nach ihrer Regierungsübernahme unternahmen, ähnelten dem Typus der Inspektionsreise. Sehr häufig wurden dabei außerdem Huldigungen vorgebracht. Diese Treueeide der Untertanen auf den Monarchen mussten zwar nur noch bis in die 1850er-Jahre in einigen Ländern persönlich in einer Amtsstube geleistet werden,648 lebten aber bei vielen Ansprachen und Gedichten anlässlich von Herrscherbesuchen fort. Eine weitere Absicht der Reise konnte in der Integration neuer Gebiete liegen. Dies war besonders in Bayern der Fall, das im Zuge der Mediatisierungen eine erhebliche Erweiterung seines Territoriums erfahren hatte. Beim Zusammenschluss der verschiedenen bayerischen Stämme kam dem König als gewissermaßen verknüpfende neutrale Instanz eine wichtige Rolle zu, welche durch die Anwesenheit vor Ort bekräftigt werden sollte. Des Weiteren erwarteten die Bewohner der hinzugekommenen Staatsgebiete selbst die Präsenz des neuen Souveräns, die zuweilen auf sich warten ließ.649 Auch von den Nachfolgern des ersten bayerischen 648

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Dies war der Fall in Sachsen-Coburg und Gotha, wo die persönlichen, jährlich zu wiederholenden Huldigungen noch während der frühen Regierungszeit Ernsts II. erfolgten. Eigentlich waren diese Treueversprechen durch die Einführung einer Verfassung obsolet geworden – die coburg-gothaischen Herzöge bestanden aber darauf, das jedes Familienoberhaupt persönlich schwor, dem Fürsten treu ergeben zu sein, seinen Befehlen zu gehorchen, im Verteidigungsfalle Militärdienst zu leisten und sich auch sonst als treuer Untertan zu erweisen. Die Ablegung des Treueversprechens wurde in Registern festgehalten, ein Nichterscheinen hatte eine erneute Vorladung durch die Polizei oder einen Gerichtsdiener zur Folge, vgl. Hubertus Büschel: Die Liebe zum Herzog? Coburger Untertanen und ihre Herrscher im frühen 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 50 (2005), S. 1–23, hier S. 165 ff. Vgl. Stefan Fischer: Die Reise König Ludwigs I. durch den Oberdonaukreis 1829 und ihre staatsintegrierende Funktion, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 55 (1992) 1, S. 179–189.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Königs wurde eine gerechte Verteilung der königlichen Anwesenheit in den verschiedenen Gebieten Bayerns erwartet, weshalb Reisen zum Zwecke der Integration weiterhin notwendig waren. Die Monarchen verfolgten mit ihrer Präsenz auch gesellschaftspolitische Absichten. So konnte ihre Anwesenheit zum einen als Belohnung für besonders loyale Gemeinden ausgelegt werden, zum anderen sollte ihr Besuch häufig der Befriedung gesellschaftlicher Konflikte dienen. So wurden vor allem Regionen besucht, in denen Unruhen drohten oder zahlreiche Anhänger der Sozialdemokratie lebten. Durch die königliche Aufmerksamkeit versprachen sich die Regierungen eine Stärkung des konservativen Milieus und zugleich eine Abmilderung monarchiekritischer Tendenzen.650 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ähnelten die Besuche dann eher Repräsentations- denn Inspektionsreisen. Dabei ging es weniger um Kontrolle als vielmehr um Präsenz. In einer immer komplexer werdenden, durch einen hohen Spezialisierungsgrad geprägten Welt war eine Inspektion durch einen universalistisch gebildeten Monarchen in allen Lebensbereichen auch überhaupt nicht mehr zu leisten. Der Monarch reiste daher nun in erster Linie als oberster Repräsentant des Landes in die verschiedenen Städte und Gemeinden und lenkte damit die mediale Aufmerksamkeit auf diese Region, weshalb der Wettbewerb um die Gunst des königlichen Besuchs mit einem finanziell, wirtschaftlich oder kulturpolitisch motivierten Konkurrenzkampf der Städte verbunden sein konnte. Schließlich bedeutete der Besuch des Staatsoberhauptes immer auch eine Auszeichnung, auf welche die Besuchten stolz waren. Die Anwesenheit des Herrschers bei einer Ausstellungseröffnung oder einem Fabrikjubiläum entsprach einer der wesentlichen Funktionen der deutschen Bundesfürsten, da sie in symbolischer Form die Anwesenheit des gesamten Bundesstaates verkörperte. Gleiches galt für die Visiten anlässlich von Naturkatastrophen oder anderen Unglücksfällen:651 In der Anteilnahme des Herrschers sollte das Mitempfinden des ganzen Landes ausgedrückt werden. Der Wandel von der Inspektions- zur Repräsentationsreise entspricht mithin der Veränderung der Rolle der Bundesfürsten, welche sich von der eines souveränen Landesvaters hin zu einer Identifikationsfigur der Region wandelte. Prinzipiell bot sich auch die Möglichkeit, während der Privatreisen eines Herrschers mit diesem in Kontakt zu kommen. Zwar fanden solche häufig inkognito652 statt, was aber nicht selten in Zeitungen bekannt gegeben wurde und hauptsächlich dem Zweck diente, offizielle Empfänge zu vermeiden.653 Ebenso ergab sich für das bessergestellte Bürgertum die Möglichkeit, bei einer der im 19. Jahrhundert äußerst beliebten Kuren den Monarchen zu begegnen. Insbesondere die Kuraufenthalte Kaiser Wilhelms I. in Süddeutschland zogen ein größeres Publikum an 650 651 652 653

Vgl. Kapitel 3. Vgl. das folgende Kapitel 5.1.2. Vgl. Barth: Inkognito, 2013. Siehe dazu etwa Illustrirte Zeitung, Nr. 992, 05.07.1862, S. 6; Illustrirte Zeitung, Nr. 1052, 29.08.1863, S. 146.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

153

und trugen aufgrund der von ihm an den Tag gelegten Bescheidenheit zu dessen Popularität bei.654 Im Gegensatz dazu wählte der Großteil der deutschen Bundesfürsten – um möglichst große Abgeschiedenheit bemüht – Urlaubsorte im Ausland.655

5.1.2

Inspektionsreisen: Das Beispiel Johanns von Sachsen

Wie schon erwähnt, fallen besonders die Reisen der älteren Bundesfürsten unter den Typus der Inspektionsreise. Von den hier untersuchten Ländern trifft dies hauptsächlich auf die Könige Maximilian II. von Bayern und Johann von Sachsen zu. Diese entstammten nicht nur der gleichen Generation, sondern ähnelten sich auch bezüglich ihres Herrschaftsverständnisses656 und der Topografie ihrer Herrschaftsgebiete. Beide regierten ein relativ großes Land, welches von einer zentralen Residenz bestimmt wurde, wo der Königshof ein bestimmendes Element im Stadtgefüge war, während die Einwohner in der Peripherie eher wenig von diesem wahrnahmen. Wenn daher in diesen Gebieten die Anhänglichkeit an das Herrscherhaus bewahrt werden sollte, waren Reisen ein unerlässliches Mittel. Soweit die Quellenlage eine Bewertung zulässt, ähnelten sich die Reisen Maximilians II.657 und Johanns in Häufigkeit und Art der Ausführung sehr; aufgrund der umfangreicheren Überlieferung, die eine bessere Vergleichbarkeit verschiedener Generationen ermöglichen, wird im Folgenden aber verstärkt auf die Reisen der sächsischen Könige eingegangen. Obwohl die Memoiren König Johanns von Sachsen kurz nach seiner Thronbesteigung 1854 enden, beinhalten diese noch die aufschlussreiche Zielsetzung, in seiner Regierungszeit „durch öftere Ausflüge in das Land von dem Zustande desselben mich in genauere Kenntnis zu versetzen“, sowie eine spätere Wertung, dass 654

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Vgl. Alexa Geisthövel: Nahbare Herrscher. Die Selbstdarstellung preußischer Monarchen in Kurorten als Form politischer Kommunikation im 19. Jahrhundert, in: Forschung an der Universität Bielefeld 24 (2002), S. 32–37. Dazu lassen sich zahlreiche Beispiele finden. Friedrich August II. von Sachsen starb 1854 sogar auf einer Wanderreise durch Tirol in Brennbichl, Alice von Hessen und bei Rhein reiste 1869 nach Cannes, während ihr Mann den Orient bereiste, 1873 folgte eine Reise nach Italien, 1874 reiste Alice mit ihren Kindern an die belgische Nordseeküste, vgl. Alice, Mittheilungen, 1883, S. 227, 319, 353. Der Briefwechsel von Marie, Herzogin von SachsenCoburg und Gotha und ihrer Tochter Marie, Kronprinzessin von Rumänien, gibt ebenfalls Aufschluss über diverse Reiseorte der Bundesfürsten wie Villafranca, Rom und Nizza, vgl. Dearest Missy, 2011, S. 335, 424 f. Friedrich August III. von Sachsen bereiste 1911 den Sudan, vgl. Jochen Hallof/Gabriele Hallof: Ein König auf Reisen. Seine Majestät Friedrich August III. von Sachsen im anglo-ägyptischen Sudan, Dettelbach 2009. Siehe dazu weiter die Hofnachrichten der Illustrirten Zeitung. Vgl. Katharina Weigand: Der gelehrte Monarch und die Kulturpolitik. Johann von Sachsen und Maximilian II. von Bayern im Vergleich, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 189–202. Vgl. Kapitel 3.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

ihm dies weniger gelungen sei, da ihm „Beobachtungsgabe und eine gewisse Kenntniß des praktischen Lebens abging“.658 Unter Berücksichtigung von Johanns Nachlass sowie dem Urteil seiner Zeitgenossen erscheint diese Einschätzung des Königs allerdings als zu selbstkritisch und irreführend.659 Zunächst deutet die ausdrückliche Zielsetzung, mehr zu reisen, darauf hin, dass dies bei den bisherigen sächsischen Königen in diesem Maße nicht üblich gewesen war und von Johann in der von ihm praktizierten Form mehr oder minder eingeführt wurde.660 Zudem unternahm er im Vergleich zu seinen drei Nachfolgern die längsten Reisen innerhalb seines Landes. Dies ist umso beachtenswerter, da die Reisebedingungen in Johanns Regierungszeit noch am schwierigsten waren: In jungen Jahren musste er die Strecken zumeist zu Pferde oder in der Kutsche zurücklegen und konnte erst im Alter vermehrt mit der Eisenbahn fahren.661 Um einen Eindruck von der Reisetätigkeit Johanns zu vermitteln, führt folgende Übersicht (1) die jährlich stattfindenden Landesreisen innerhalb der Regierungszeit Johanns auf.662

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Johann, Lebenserinnerungen, 1958, S. 276. Bereits in jungen Jahren hatte der spätere König die Beobachtung gemacht, dass sich so die Stimmung in der Bevölkerung unverfälscht erfassen ließ, vgl. ebd., S. 231. Die Illustrirte Zeitung aus Leipzig schrieb etwa: „Wenn also unser Landesherr Werkstätten, Fabriken, Hüttenwerke etc. betritt, so bringt er einen sachkundigen, geübten Blick mit.“, Illustrirte Zeitung Nr. 993, 12.07.1862, S. 38. Diese Ansicht vertrat jedenfalls auch der sächsische Minister Johann Paul von Falkenstein in seiner Biografie über den König, als er meinte, dass „in solcher Weise kein Regent sein Land bereist hat“, Johann Paul von Falkenstein: Johann, König von Sachsen: ein Charakterbild, Dresden, 12. Aufl., 1879, S. 230. Zudem schildert Falkenstein eindrücklich die positive Wirkung der Reise in Hinblick auf die Popularität Johanns. Zum Beginn der Reisetätigkeit unter Johann äußert sich auch sein Enkel, Prinz Johann Georg zu Sachsen in seiner Biografie über König Albert: „Vorher und nachher unternahmen die Majestäten [d. h. Albert und Carola, A. S.] Reisen im Land. Das war eine schöne Sitte, die schon mein Großvater [d. h. Johann, A. S.] eingeführt hatte.“ Johann Georg zu Sachsen: König Albert von Sachsen, Leipzig 1922, S. 221 f. Vgl. Uhlmann: Die Beziehung, 2004, S. 182. Auch der Nachlass Johanns Vorgängers, Friedrich August II., gibt keinen Hinweis auf ausgedehnte Landesreisen, vgl. SächsHStA, Bestand 12557 Fürstennachlass Friedrich August II., König von Sachsen. Die Übersicht kann jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da sie die Antrittsreisen der Jahre 1854/55, die im Januar und Februar jedes Jahres üblichen, mehrtägigen Besuche nach Leipzig, wo man sogar für diese Gelegenheiten extra ein Stadthaus gekauft hatte, vgl. Illustrirte Zeitung Nr. 1179, 03.02.1866, S. 74, sowie Tagesreisen und Reisen zu Unglücksfällen und Manövern nicht aufzählt.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

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Übersicht 1: Jährliche Landesreisen König Johanns von Sachsen (1855–1872)663 Zeit 20.08.–25.08.1855 25.08.–29.08.1856 17.08.–27.08.1858 20.07.–25.07.1860 29.07.–05.08.1860 03.06.–09.06.1861 30.06.–09.07.1862 22.06.–27.06.1863 21.09.–25.09.1863 20.06.–26.06.1864 25.06.–26.06.1865 12.07.–24.07.1865 28.01.–31.01.1866 23.06.–01.07.1867 13.07.–18.07.1868 11.08.–17.08.1869 11.07.–14.07.1870 09.08.–12.08.1871 24.07.–31.07.1872

Tage 6 5 11 6 8 7 10 6 5 7 2 13 4 9 6 7 4 4 8

Region Erzgebirge Lausitz Erzgebirge Vogtland Erzgebirge Freiberg und Umgebung Leipzig Oberlausitz Leipzig im Rahmen der Manöver Erzgebirge Chemnitz Sächsische Schweiz Leipzig Erzgebirge Vogtland Lausitz Leipziger u. Zwickauer Regierungsbezirk Zwickauer Regierungsbezirk Leipzig

Bei der Analyse fällt auf, dass Johann fast in jedem Regierungsjahr eine Reise unternahm, die ihn jeweils in einen anderen Landesteil führte, den er dann nach einigen Jahren erneut besuchte.664 Die vergleichsweise lange Reisedauer von häufig einer Woche und mehr lässt sich für seine Nachfolger nicht mehr feststellen: Während sein Sohn Albert meist vier bis fünf Tage in einer Region verweilte, fanden unter Friedrich August III. außer den Antrittsreisen fast nur noch kurze Reisen statt, sodass Tagesausflüge, auch aufgrund der besseren Verkehrsmöglichkeiten, am häufigsten vorkamen. Zwar unternahm auch Johann Tagesreisen zu Ausstellungseröffnungen oder zur Einweihung von Bahnlinien,665 allerdings war ein längerer Besuch üblicher, da es aufgrund des größeren Aufwandes, den dieser um 1860 noch erforderte, nahelag, mehrere Tage in einer Region zu verweilen. Angesichts der sich für Johanns Reisen ergebenden durchschnittlichen Dauer von ca. 663

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Diese Übersicht wurde anhand des Findbuches zum Nachlass König Johanns, SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10 und Nr. 11, sowie SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9534 erstellt und durch Angaben in Uhlmann: Die Beziehung, 2004, ergänzt. 1859 wurde eine Reise in das Vogtland aufgeschoben, siehe SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9534, fol. 43r, und 1866 unterblieb eine Reise afgrund des Deutsch-Deutschen Krieges. Beispielsweise reiste Johann am 17.05.1865 nach Chemnitz zur Eröffnung der Gewerbeund Industrieausstellung, vgl. Uhlmann: Die Beziehung, 2004, S. 184. Beispiele für die Eröffnung von Bahnlinien sind: 15.11.1858 niedererzgebirgische Eisenbahn, 01.02.1866 Chemnitz-Annaberger Staatseisenbahn, 01.03.1869 Chemnitz-Freiberg, Wiesa-Hainichen, 19.07.1872 Staatseisenbahn Chemnitz-Borna, ebd., S. 182.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

einer Woche stellt sich die Frage, ob in diesem Zusammenhang tatsächlich von einer neuen Quantität der Reisen zu sprechen ist. Im Vergleich zu Johanns Vorgängern muss dies bejaht werden. Der wesentliche Unterschied bestand dabei in der Motivation der Reise. Während Johanns Reisen explizit dem Besuch einer Region und dem Kennenlernen selbiger gewidmet waren, verreisten die früheren sächsischen Könige entweder aus Gründen der Jagd, eines persönlich motivierten Ortswechsels, etwa in eine mehr in der Natur gelegene Sommerresidenz, oder zur Absicherung von Macht und aus diplomatischen Gründen ins Ausland sowie zu inländischen Elitenträgern. Maximilian II. von Bayern reiste zu Beginn seiner Regierungszeit noch in ähnlichem Umfang wie Johann, stellte dies später aber ein.666 Für die preußischen Könige ist deren Reiseverhalten von 1797 bis 1871 systematisch erfasst worden, allerdings ohne zwischen Auslands-, Inlands- und Privatreisen zu differenzieren.667 Im Vergleich zu Johann fällt auf, dass diese pro Jahr ca. drei bis vier Reisen unternahmen, die sie hauptsächlich in preußische Gebiete führten und nicht nur Kuren oder Verwandtenbesuche darstellten. Das größere preußische Territorium stellt dabei einen wichtigen Grund für diese Differenz dar. Ein Vergleich der Reiselänge mit den für ihre Reiseengagements bekannten Zeitgenossen wie Napoleon III. von Frankreich und Victoria von Großbritannien ist aufgrund fehlender systematischer Aufzeichnungen schwierig. In Bezug auf Victoria ist allerdings bekannt, dass diese während ihrer 64-jährigen Regentschaft ganze sieben Jahre in Schottland zubrachte, fünf Wochen in Irland, aber nur sieben Nächte in Wales. Der lange Aufenthalt in Schottland ist dabei einer persönlich motivierten Vorliebe der Königin für die dortige Landschaft zuzuschreiben und fällt aufgrund der Tatsache, dass sie sich während dieser Zeit größtenteils in ihrem abgeschiedenen Landsitz Balmoral aufhielt, nicht unter die Kategorie einer Landesreise. Dies trifft eher für die Besuche in Irland und Wales zu. Während sie im Laufe ihrer Regentschaft aber eine zunehmende Abneigung gegen Irland entwickelte, waren die Bewohner Wales’ für ihre königstreue Haltung bekannt.668 Victorias insgesamt verschwindend geringe Präsenz in dieser Region verwundert daher, hilft aber, die Quantität monarchischer Reisen im 19. Jahrhundert besser einzuordnen, sodass die Zahl von Johanns Reisen in Bezug auf die Größe seines Herrschaftsgebiets als durchschnittlich anzusehen ist. Johann nutzte seine Besuche, um sich intensiv mit dem besuchten Landesteil auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern finden sich in seinem Nachlass ausführliche Reiseberichte von 50 Seiten und mehr, die en detail Aufschluss über den Tagesablauf, die Gestaltung, Funktionsweise und Zweck der

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Vgl. Kapitel 3. Vgl. Gaby Huch: Zwischen Ehrenpforte und Inkognito. Preußische Könige auf Reisen. Quellen zur Repräsentation der Monarchie zwischen 1797 und 1871, Halbband 1, Berlin, Boston 2016, S. 218–270. Vgl. James Loughlin: Allegiance and Illusion: Queen Victoria’s Irish Visit of 1849, in: History 87 (2002) 288, S. 491–513, hier S. 439.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

157

besuchten Einrichtung wiedergeben.669 Diese Aufzeichnungen wurden augenscheinlich im Auftrage Johanns verfasst, der diese nach der Reise noch einmal studierte. Sie zeigen, dass Johanns Reisen in erster Linie nicht dazu gedacht waren, mit den Untertanen in Kontakt zu kommen und Loyalität für die Monarchie zu stiften,670 sondern vielmehr Reisen eines interessierten und pflichtbewussten Landesvaters waren, der darum bemüht war, dass alles im Lande seine Ordnung hatte. Diese Motivation hatte wahrscheinlich ihren Ursprung in der Prinzenzeit des Königs, als dieser mehrfach längere „Geschäftsreise[n]“671 und „jährlich eine Rundreise im Lande zu Inspicierung eines Teils der Communalgarde“, denen er als General-Kommandant vorgestanden hatte, unternommen hatte.672 Der Schwerpunkt der Reisen Johanns lag auf dem Besuch von Fabriken und sozialen Einrichtungen. Dass er beispielsweise, wie in Chemnitz am 25. August 1855, 13 Fabriken an einem Tag besichtigte, war dabei keine Seltenheit.673 Zudem war für einen einzelnen Tagespunkt meist eine Dauer von 30 Minuten eingeplant, sodass ein Besuchstag durchaus zehn Stunden und mehr umfasste. An sozialen Einrichtungen wurden besonders Gerichte und Gefängnisse, für die sich Johann aufgrund der aktuellen Debatten über die Isolationshaft besonders interessierte,674 sowie Schulen besucht, wo der König jedes Mal an den verschiedenen

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SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10 und Nr. 11. König Johann verfolgte keine popularitätssteigernden Maßnahmen nur um seiner Beliebtheit willen. Mit dieser Einstellung war er keine Ausnahme in seiner Familie, wie ein Urteil des langjährigen sächsischen Staatsministers Ferdinand Graf von Beust über Johanns Bruder Friedrich August und auch ihn zeigt: „König Friedrich August war ein edeldenkender und hochsinniger Fürst. Wie alle Prinzen seiner Familie [d. h. auch Johann, A. S.] war er geborener Feind jedes nach Popularität ringenden Strebens und aller danach zielenden Kundgebungen.“, Beust: Aus drei, 1887, S. 52. Auch Walter Fellmann kommt zu der Einschätzung, dass dem von Gottesgnadentum überzeugten König die öffentliche Meinung nicht so viel zählte, dass er deswegen um die Gunst des Volkes gebuhlt hätte. Dennoch stieg die Beliebtheit des überaus pflichtbewussten Königs mit den Jahren seiner Regentschaft stetig an. Sogar August Bebel zufolge war: „König Johann […] unzweifelhaft der achtungswerteste Mann unter den vertriebenen deutschen Fürsten“, August Bebel: Aus meinem Leben. 3 Teile, Berlin 1946 [1910–14], S. 143. Johann, Lebenserinnerungen, 1958, S. 84, diese Reisen führten Johann u. a. 1818 nach Chemnitz sowie 1824 und 1826 zu vielen Bergwerksstätten des Erzgebirges. Ebd., S. 173. Dies waren Strumpffabrik G. Hecker, Fiedlersche Wollspinnerei, Zylinder- und Nähmaschinenfabrik Brunke, Baumwollspinnerei Walther, Webstuhlfabrik Schönherr & Seidler, Jacquardweberei Ufer & Eifler, Maschinenfabrik und Baumwollspinnerei Schwalbe & Sohn, Maschinenfabrik Richard Hartmann, Weberei Hösel & Co., Maschinenfabrik C. Pfaff, Strumpffabrik Heinig & Uhle, Kammgarnspinnerei C. F. Solbrig, siehe Uhlmann: Die Beziehung, 2004, S. 179 f., siehe auch die genannten Firmen in: SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10b. Johann an Friedrich Wilhelm IV., 19.10.1855, Johann von Sachsen u. a., Briefwechsel, 1911, S. 341.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Unterrichtsstunden der diversen Klassenstufen teilnahm.675 Über den Besuch der Erziehungs- und Besserungsanstalt in Bräunsdorf 1855 wurde in Johanns späterem Bericht vermerkt: „Seine Majestät wohnten dem Unterricht im Gesang, Religion und Denkübungen in mehreren Klassen der verschiedenen Abteilungen bei, und besichtigten nicht blos diese Hörsäle, sondern auch die Schlafsäle, die Apotheke, die Küche, die Arbeitskammer, die Waschanstalt und fanden daselbst überall große Reinlichkeit und musterhafte Ordnung.“676

Dass die vorhandene oder auch fehlende Ordnung und Sauberkeit der besuchten Einrichtungen stets erwähnt wurden, deutet auf den Inspektionscharakter der Reisen hin. Auch folgende Begebenheit aus Bräunsdorf ist dafür ein Beleg: „Am Tage der Anwesenheit Seiner Majestät in der Anstalt bestand das Mittagsessen in Kohl, von dessen Wohlgeschmack sich Seine Majestät selbst überzeugten.“677 Auch anderswo fragte Johann nach der Qualität des Essens oder den Lohnbedingungen. Zudem ließ er sich bei staatlichen Unternehmungen die Geschäftsbücher zeigen und sah diese durch.678 Dies entsprach auch der Reisepraxis Maximilians II. von Bayern, der sich ebenfalls nach der Finanzsituation der Gemeinden erkundigte und auch bezüglich anderer Thematiken genaue Nachfragen stellte.679 In Kappel nahm Johann sogar an einer Sitzung der dortigen Armendeputation teil. Detailliert wurde in Anwesenheit des Königs u. a. über das Verhalten der Versorgten im letzten Monat sowie die Unterbringung und Verpflegung zweier neu zu Betreuender diskutiert.680 Auch bei Katastrophen versuchte Johann an den Unglücksort zu reisen, wie etwa anlässlich eines Brandes im August 1867 in Johanngeorgenstadt. Durch das Feuer waren fast drei Viertel der Stadt und große Teile der Heuernte zerstört sowie 3000 Menschen mittellos geworden. Johann besuchte den Ort am 24. August und spendete 1000 Taler. Da über diesen Besuch sogar in überregionalen Zeitungen berichtet wurde, konnte das positive Image eines fürsorgenden Landesvaters vermittelt werden.681

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Wie selbstverständlich dies war, zeigt die Erwähnung, dass dem Unterricht der Bürgerschule in Kamenz während eines Besuchs 1856 nicht beigewohnt werden konnte, da gerade keiner stattfand, vgl. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10d, Bericht zum Besuch in Kamens, fol. 8v. Zudem finden sich im Nachlass des Königs diverse Stundenpläne verschiedener Schulen, die den König über den Gesamtunterricht informierten, vgl. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10c. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10b, Bericht zum Besuch in Bräunsdorf am 23.08.1855, fol. 5v. Ebd., fol. 6r. Ebd., fol. 45r. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 48, 1.1.2. Vgl. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10b, fol. 17v–18v. Vgl. Illustrirte Zeitung Nr. 1261, 31.08.1867, S. 138, 140.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

159

Die Intensität, mit der Johann die verschiedenen Einrichtungen besuchte, ist für die sächsischen Könige durchaus außergewöhnlich und sticht auch im Vergleich mit den anderen Bundesfürsten heraus. Die Gründe dafür lagen zum einen in seinem von Pflichtgefühl geprägten Amtsverständnis als politisch Verantwortlicher,682 zum anderen aber in seinen vielfältigen Interessen, die während der Reisen bedient wurden.683 Dass Johann sich auf seinen Reisen häufig als erster prüfender Beamter verstand, ist ebenfalls daran zu erkennen, dass besonders Einrichtungen besichtigt wurden, die durch staatliche Mittel finanziert wurden, wie etwa die königliche Klöppelschule in Johanngeorgenstadt.684 Aber auch in privaten Unternehmen wurde dem König immer wieder die Arbeitsweise direkt vorgeführt und dieser zuweilen mit einem Schaustück geehrt.685 Nicht fehlen durften zudem die üblichen Ehren wie Gedichtvortrag durch ein Kind, Gesangsdarbietungen oder die Begrüßung durch in den Landesfarben weiß-grün gekleidete Ehrenjungfrauen.686 Häufig überschlugen sich die Städte dabei mit Ehrbezeugungen, sodass viele Bundesfürsten mit Rücksicht auf die Finanzlage baten, auf Empfänge, Feierlichkeiten und Illuminationen, die mit hohen Kosten für die Gemeinden verbunden waren, zu verzichten.687 Da allerdings ein königlicher Besuch für eine Stadt immer auch die Möglichkeit der Selbstdarstellung bot, erscheint es fraglich, ob sich die Gemeinden immer an diesen Wunsch hielten. Gerade durch die Konkurrenz mit anderen Städten wurde auf eine feierliche Ausgestaltung Wert gelegt. So brüsteten sich etwa Vertreter Freibergs angesichts eines Besuches im Jahre 1855: „Unsere Stadt erglänzt in einem Festschmuck, der selbst den weit übertrifft, welchen wir bei der Eisenbahneröffnung in Chemnitz mit angesehen haben. Das kleinste Haus im entlegensten Gäßchen ist mit Blumenschmuck versehen.“688

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Vgl. Kapitel 2. Johann ist durchaus als Intellektueller zu bezeichnen. Er übertraf an Bildung nicht nur viele seiner königlichen Zeitgenossen, sondern auch seine eigenen Nachfahren. Besonders tat er sich als Dante-Übersetzer unter dem Synonym Philaletes hervor und dichtete darüber hinaus eigene Werke. Da ihm besonders die Förderung der Universität Leipzig am Herzen lag, sind auch die vielen Schulbesuche naheliegend. Vgl. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10b, fol. 32v. Beispielsweise wurde in mehreren Chemnitzer Fabriken und Eisengießereien der Guss von beglückwünschenden Gedenktafeln für den König ausgeführt, während in der Buntwarenfabrik Hösel und Au, auf Jacquardwebstühlen in grünem Damast „Willkommen Johann Rex“ gewebt wurde, vgl. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10b, fol. 17r. Ausführlicher dazu Uhlmann: Die Beziehung, 2004, S. 183 f. Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9534, fol. 28v; Uhlmann: Die Beziehung, 2004, S. 184. Chemnitzer Tageblatt, Jg. 8, Nr. 235, 04.10.1855, zitiert nach Uhlmann: Die Beziehung, 2004, S. 184.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Ein besonderes Interesse hatte Johann an Leipzig und der dortigen Universität.689 Er besuchte die Stadt alljährlich für mehrere Tage und nahm an unterschiedlichen Vorlesungen teil.690 Diese Visiten gingen auf eine persönliche Neigung des Königs zur Wissenschaft und der Hochschule zurück. Der Rektor der Universität, der spätere Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald, berichtete über diese Vorlesungsbesuche in seinen Memoiren: „Er [Johann, A. S.] liebte es, gelegentlich ohne jede Ansage und Begleitung in schlichtem Gewande in den Vorlesungen einzelner Professoren zu erscheinen, die ihn interessierten, und diese waren ein für allemal ersucht worden, von seiner Anwesenheit keine sichtbare Notiz zu nehmen. Er setzte sich dann zu den Studenten auf eine Bank, wo er gerade Platz fand. Man kann sich leicht vorstellen, welchen starken Einfluß zum Guten dies auf die Professoren hatte, da die üblichen Auszeichnungen nicht selten erkennbar durch die Beobachtungen beeinflußt wurden, welche der König bei solchen Gelegenheiten anstellen konnte.“691

Wie aber wurden die Reisen des Königs im Lande wahrgenommen? Direkte Rezeptionszeugnisse lassen sich kaum finden. Beispielsweise findet sich im Nachlass Johanns ein Dankschreiben der Stadt Altenberg anlässlich eines Besuchs des Königs im Oktober 1859, welches von 104 Männern unterschrieben wurde, darunter neben Bürgermeister, Pastoren und Lehrern auch einfache Bergleute und Bürstenmacher. Dieses Schreiben enthält traditionell viele Elemente der Herrscherpanegyrik und ist daher weniger aussagekräftig. Dennoch beschwören die Altenberger, dass es mit Worten nicht beschrieben werden könne, „welch[…] eine freudige Aufregung in der Stadt über Huld und Gnade E[urer] Majestät herrschte,“ der, „theilnehmend [...] sich […] nach allen Verhältnissen erkundigt, es nicht verschmäht ha[t], das einfache Bürgerhaus zu betreten und den Kleinen zu nahen“ und bei den Unterzeichnenden somit das „Gefühl der tiefsten Verehrung und Liebe“ hervorgerufen habe.692 In den lokalen,693 aber auch überregionalen Zeitungen wie der Illustrirten Zeitung, wurde über die Reisen des sächsischen Königs ebenfalls berichtet. Letztere gab in 689

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Nach dem politischen Bedeutungsverlust war die Wissenschaftsförderung eine der Hauptaktivitäten des sächsischen Königshauses, siehe etwa Weigand: Der gelehrte, 2004; Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 30. Siehe etwa Illustrirte Zeitung Nr. 639, 01.10.1855, S. 210; Nr. 1179, 03.02.1866, S. 74; Nr. 1180, 10.02.1866, S. 90; Nr. 1231, 02.02.1867, S. 74. Wilhelm Ostwald: Lebenslinien. Eine Selbstbiographie, Teil 2: Leipzig: 1887–1905, Berlin 1927, S. 84. Besonders im Vergleich mit seinem Nachfolger Albert sei Johanns Verhalten hervorgestochen: „Sein Nachfolger Albert ließ sich zwar gleichfalls die Universität angelegen sein, die er alljählich [sic] auf mehrere Tage besuchte, um die neu angestellten Professoren zu hören. Aber das waren feierliche, vorbereitete Empfänge; das unmittelbare Interesse an der Wissenschaft, von dem der gelehrte Johann beseelt war, fehlte dem Nachfolger, der mehr Militär und Staatsmann war“, ebd., S. 84. SächsHStA, Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen, Nr. 10e, fol. 154. Uhlmann zitierte für seinen Artikel, der die Besuche Johanns im Erzgebirge nachzeichnet, den Chemnitzer Anzeiger und das Chemnitzer Tageblatt, die ausführlich über die Besuche des Königs berichteten, Uhlmann: Die Beziehung, 2004.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

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der wöchentlichen Rubrik Hofnachrichten Auskunft über kürzere und längere Aufenthalte des Königs offizieller und privater Natur. Ausführlicher und überaus lobend wurde etwa der Besuch Johanns in Leipzig im Sommer 1862 besprochen. So hieß es, dass sich der König vor Ort über Fortschritte in Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft zu informieren, sich vom Gang der Geschäftsführung in Rechtspflege und Verwaltung zu überzeugen sowie „mit einem Worte ein Gesammtbild unserer öffentlichen Zustände und Bedürfnisse in sich aufzunehmen“ gedenke. Interessanterweise wurde auch hier der Inspektionscharakter der Reisen deutlich gemacht, denn es heißt im Anschluss: „Wenn König Johann eine solche Prüfung vornimmt, so erlangt das eine hohe Bedeutung.“694 Anschließend wurde auf die intellektuellen Fähigkeiten Johanns eingegangen, der stets bemüht gewesen sei, seine theoretischen Kenntnisse durch die praktische Anschauung im Land zu ergänzen: „Wenn also unser Landesherr Werkstätten, Fabriken, Hüttenwerke etc. betritt, so bringt er einen sachkundigen, geübten Blick mit. Seine Urtheile sind belehrend und seine Lobsprüche daher anregend, ermunternd, wahrhaft belohnend. Auf diese Weise knüpft der König immer neue Bande zwischen sich und seinen Unterthanen und hat nicht blos Frieden mit seinem Volke, sondern vermehrt die Schätze einer wohlverdienten Liebe.“695

Das Medium der illustrierten Zeitschrift, das sich hauptsächlich an das Bürgertum wandte, brachte es mit sich, dass in fast allen Berichten panegyrische Elemente eine objektive Schilderung verdrängten. Kritische Äußerungen gegenüber dem Monarchen sind daher in dieser Presse kaum zu finden. Dennoch ist zu konstatieren, dass sich die Zahl der Rezipienten einer königlichen Landesreise durch die Berichterstattung auch in überregionalen Zeitungen enorm vergrößerte und eben nicht nur die Schulkinder vor Ort sahen, dass der König ihren Unterricht besuchte. Wenn die Illustrirte Zeitung schrieb, wie Johann persönlich Gymnasiasten in Latein und Griechisch abfragte,696 konnte durch diese Art der Berichterstattung das Stereotyp des prüfenden und besorgten Landesvaters sachsenweit und darüber hinaus bestätigt und verstärkt werden. Die überregionale Reportage bezüglich des begeisterten Empfangs des Landesvaters an einem bestimmten Ort, konnte dadurch auch den Bund von Fürst und Volk in ganz Sachsen stärken und ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen. Mit den Meldungen zu Schul- und Universitätsbesuchen wurde zudem auf einen Bereich hingewiesen, in dem die jeweiligen Bundesfürsten und Landesregierungen auch nach 1866 ihre Bedeutung nicht verloren hatten, da sie weiterhin allein für Bildungsfragen zuständig waren. Besonders wirkmächtig wurde die Verbundenheit von Fürst und Volk in Bildern unterstrichen, wie jenes, das König Johann beim Einzug in Leipzig anlässlich eines Besuches 1855 zeigt (Abb. 2). Zwar ist der König in den dargestellten

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Illustrirte Zeitung Nr. 993, 12.07.1862, S. 38, Hervorhebung A. S. Ebd. Illustrirte Zeitung Nr. 1218, 03.11.1866, S. 287.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Kutschen zu erahnen, allerdings geht er fast in der präziser gezeichneten Menschenmenge unter, die dadurch zum eigentlichen Protagonisten des Bildes wird. Die allesamt sehr gut gekleideten Bürger und Bürgerinnen der Stadt ermöglichen zudem dem Zielpublikum der Illustrirten Zeitung die Identifikation mit den jubelnden Massen. Der Holzschnitt der IZ zeigt daher exemplarisch, wie der Monarch als regierendes Staatsoberhaupt zurücktrat und zur Integrations- und Symbolfigur für das regionale Zusammengehörigkeitsgefühl der Sachsen wurde.

Abb. 2 Der Besuch des Königs Johann von Sachsen in Leipzig: Ankunft vor dem Großen Blumenberge am Morgen des 19. September

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

5.1.3

163

Repräsentationsreisen am Beispiel der letzten sächsischen Könige

In den ersten Regierungsjahren des neuen sächsischen Königs Albert (reg. 1873– 1902) veränderte sich das Reiseprogramm kaum.697 Auch Johanns Sohn besuchte Fabriken, soziale Einrichtungen, Vorlesungen an der Universität in Leipzig und war bei Unglücksfällen vor Ort.698 Der auffälligste Unterschied war aber, dass mit Albert zusammen auch immer dessen Ehefrau Carola reiste, während Johanns Ehefrau Amalie Auguste eigentlich nie an einer größeren Landesreise teilgenommen hatte.699 Aufgrund der zahlreichen karitativen Engagements Carolas, diese stand rund 200 Hilfsorganisationen vor,700 wurden nun noch verstärkt Wohltätigkeitseinrichtungen besucht. Zudem waren nun häufig bei Empfängen auch Vertreterinnen des von Carola gegründeten Albert-Vereins anwesend, die dadurch auch den Besuch durch die Landesmutter unterstrichen und würdigten. Spätestens zu Beginn der 1890er-Jahre änderte sich der Charakter des Reiseablaufs jedoch dahingehend, dass nun nicht mehr die Inspektion diverser Einrichtungen im Vordergrund stand, sondern die Sichtbarkeit des Königs für möglichst viele Untertanen. Die Visiten dienten demnach in erster Linie der Repräsentation. Zwar wurden immer noch Fabriken und andere Einrichtungen besichtigt, allerdings traten solche Besuche hinter die Empfänge durch die verschiedenen Gemeinden zurück. Während einer Reise in den Regierungsbezirk Zwickau vom 12. bis 15. Juli 1892 beispielsweise besuchten Albert und seine Frau Carola am 13. Juli 13 Städte und Gemeinden, wobei in zehn Fällen größere Empfangsfeierlichkeiten abgehalten wurden. Darüber hinaus wurden an diesem Tag noch sieben weitere Programmpunkte wie kleine Gewerbeausstellungen und Fabriken besichtigt.701 Bedingt durch das enorme Tagesprogramm konnten allerdings meist nur noch 15 Minuten für solche Einrichtungen aufgebracht werden. Dennoch dauerte dieser Tag von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends. Obgleich dies überdurchschnittlich lang war, gibt es doch Aufschluss über den streng geregelten Ablauf und die Dauer eines königlichen Besuches. Am deutlichsten wird die neue Art der Landesreisen am Besuch von Schulen. Hatte Johann in vielen Klassen dem Unterricht beigewohnt, kam es unter Albert und Carola nun nur noch zu Aufstellungen der gesamten Schuljugend und vielleicht einem Gedichtvortrag. Der Schwerpunkt einer 697 698

699 700 701

Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9535–38. Beispielsweise wurde im Juni 1880 die Lausitz von starken Überschwemmungen heimgesucht – Albert besuchte die Region daraufhin am 15. und 16.06.1880, vgl. Johann Georg zu Sachsen: König Albert, 1922, S. 250. Amalie Auguste besuchte höchstens einmal ihren Gatten und wohnte einem Theaterbesuch bei, siehe Illustrirte Zeitung Nr. 993, 12.07.1862, S. 38. Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 161. Es handelte sich dabei um Bad Elster, Adorf (kleine Gewerbeausstellung), Markneukirchen (Geigenfabrik, Gewerbemuseum), Zwota, Klingenthal (Stickereifabrik), Brunndöbra (Akkordeonfabrik), Tannenbergsthal (Ausstellung), Jägersgrün, Hohengrün, Auerbach, Rodewisch (Irrenanstalt), Grün, Lengenfeld, Zwickau, vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9537, fol. 36r–41v.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Reise lag nun nicht mehr auf der Kontrolle von Funktion, Zweckmäßigkeit und Ordnung einer Institution, sondern darauf, sich als Königspaar zu zeigen. Der Monarch repräsentierte vor Ort den abstrakten Gedanken der Region bzw. Nation: Eine Würdigung durch den Monarchen war gleichzusetzen mit einer Würdigung durch die gesamte Gemeinschaft. Zugleich kam der Besuch des Königs den Festinteressen der bürgerlichen Gemeinschaft entgegen, da dieser meist mit einem freien Tag und Festen verbunden war. Unter den beiden letzten sächsischen Königen Georg (reg. 1902–1904) und Friedrich August III. (reg. 1904–1918) wurde das Konzept der Repräsentationsreise ausgebaut. Reisen galten weiterhin als bewährtes Mittel, um den Kontakt auch zur Bevölkerung an der Peripherie des Landes aufrechtzuerhalten und deren Loyalität für das Königshaus zu stärken. Im 20. Jahrhundert wirkten sich zudem die veränderten Transportmöglichkeiten auf die Reisegestaltung aus: Nicht nur wurde die Eisenbahn immer schneller (in Sachsen konnte jeder Landesteil bequem von Dresden aus erreicht werden), sondern auch das Automobil wurde immer häufiger als Fortbewegungsmittel des Monarchen genutzt.702 Dies hatte zur Folge, dass der König nun auch kürzere Visiten im Umkreis von Dresden unternehmen konnte, die keine größere Planung erforderten, da z. B. keine Übernachtungen oder größere Diners mehr notwendig waren. Dazu gehörten Besuche von Ausstellungen in der Region oder die zunehmende Anwesenheit bei diversen Denkmalenthüllungen, die zu einer erhöhten Präsenz des Monarchen im Lande führten und dessen Allgegenwart suggerierten. So wohnte König Georg am 07. Mai 1903 der Einweihung des König-Albert-Museums in Freiberg bei,703 während Friedrich August III. am 07. Mai 1905 in die Westvororte Dresdens fuhr, um die blühenden Obstbäume zu besichtigen, am 27. August 1905 nach Pirna zur Einweihung des Albert-Denkmals und am 07. Oktober 1905 nach Leipzig zur Einweihung des Neuen Rathauses reiste.704 Des Weiteren nahm die Verbindung von Privatausflügen und Visiten offiziellen Charakters zu. Nicht selten wurde die Reise zur Jagd oder in eine Sommerresidenz noch schnell mit einem Besuch einer auf dem Weg liegenden Stadt verbunden.705 Auch während der Jagdaufenthalte kam es nun vermehrt zu Huldigungen, Empfängen und Einladungen zur königlichen Tafel für örtliche Honoratioren.706 Dieses effiziente Vorgehen der Reiseplanung der Oberhofmarschallämter zeigt ein deutliches Bewusstsein für die Bedeutung der Präsenz vor Ort.

702 703 704 705 706

Sachsen besaß das dichteste Eisenbahn- und Straßennetz im Deutschen Reich, vgl. Kroll: Friedrich August, 2004, S. 311. Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, fol. 33r. Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9540. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9542, fol. 24v. Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 120.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

5.1.4

165

Probleme und Kritik bezüglich monarchischer Reisen

Um 1900 ergaben sich in Bezug auf Planung, Durchführung und die Wahl der besuchten Gebiete das erste Mal vermehrt Probleme, die an unterschiedlichen Absichten der planenden Akteure und Abstimmungsschwierigkeiten sichtbar wurden. Zunächst hatte natürlich der König selbst ein Interesse an einer gelungenen Landesreise, die durch den Kontakt zu seinen Untertanen die guten Beziehungen zwischen Fürst und Volk stiften sollte. Unterstützt wurde er von den Beamten des Hofes, allen voran des Oberhofmarschallamtes, das für die Bestimmung des Reiseziels, der Einpassung in den königlichen Terminkalender und die Modalitäten der Anreise zuständig war. Das Programm vor Ort wurde dann allerdings von den jeweiligen Kreishauptmannschaften und deren Amtsmännern organisiert, denen in erster Linie an einer vorteilhaften Darstellung ihrer Region – und damit auch ihrer Arbeit – gelegen war. Diese Beamten vor Ort wollten, dass der Besuch des Königs möglichst lange dauerte, nur die besten Seiten der Region berücksichtigte und so viele unterschiedliche Einrichtungen und Untertanen wie möglich würdigte. Nicht zuletzt versprachen sich viele Gewerbetreibende der Städte selbst vermehrte Einnahmen durch gestiegene Übernachtungszahlen und Gastronomiebesuche sowie den Verkauf von Andenken und Souvenirs. Das gut ausgebaute Eisenbahnnetz ermöglichte es immer mehr Menschen, in die Nähe des besuchenden Königs zu fahren, sodass sich die Landesreisen zu einem touristischen und wirtschaftlichen Faktor für die besuchte Region ausweiteten.707 Prinzipiell waren die unterschiedlichen Erwartungen der beteiligten Akteure im Hinblick auf eine Landesreise nicht unvereinbar. Sie konnten mitunter für die Monarchie und die besuchte Region äußerst erfolgreich und vorteilhaft verlaufen. Allerdings war, wie die folgenden Beispiele zeigen, die Voraussetzung für einen wechselseitigen Prestigegewinn nicht immer gegeben oder erst nach einigen missglückten Versuchen vorhanden. Im stark von der industriellen Revolution geprägten Sachsen wurde der Interessenkonflikt zwischen den unterschiedlichen Akteuren noch verstärkt. Die planenden Beamten vor Ort waren vor das Problem gestellt, dass sich die herausgebildeten sozialen Konflikte angesichts eines königlichen Besuches nicht immer verstecken oder lösen ließen. Vielmehr bestand sogar die Gefahr, dass die Anwesenheit des Königs als Anlass für Proteste und Kritik an Regierung und Herrscher genutzt werden würde, was es seitens aller Planungsstellen zu verhindern galt. Insbesondere das Erstarken der Sozialdemokratie, welche durch die zahlreichen Arbeiter in den Industriestädten, aber auch der kleineren Gemeinden erheblichen Zulauf gefunden hatte, stellte ab den 1890er-Jahren ein immer größer werdendes Problem dar, da an der königstreuen Haltung dieser Untertanen Zweifel angebracht schienen. Einer solchen Bedrohung waren sich auch die Monarchen bewusst. In der Selbstdarstellung des sächsischen Königshauses betonten dessen Mitglieder daher stets den guten Kontakt zu Arbeitern und deren loyale Einstellung. 707

Vgl. ebd., S. 120.

166

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

So hob Prinz Johann Georg zu Sachsen in seiner 1922 erschienenen, unreflektierten Biografie über seinen Onkel, König Albert, immer wieder auch dessen Popularität in Arbeiterkreisen hervor: „Einmal, es war schon in den 80er Jahren, besuchte das Königspaar eine Fabrik in Lindenau oder Plagwitz, in der alle Arbeiter Sozialisten waren. Es wurde mit Hochrufen empfangen. Als es später in den Speisesaal der Arbeiter während des Essens trat, erhob sich ein Arbeiter und sagte: ‚Jetzt wollen wir auf das Wohl unseres Königs und unserer lieben Königin trinken.‘“708

An anderer Stelle heißt es: „Hochinteressant war die Rundfahrt des Königspaars (denn die Königin war auch hingekommen) durch die Stadt Chemnitz, die ich auch mitmachte. In allen Straßen wurde ihnen zugejubelt, ganz besonders auch in den Arbeitervierteln.“709 Die Beobachtungen Johann Georgs sind dahingehend sicherlich zutreffend, dass auch SPD-wählende Arbeiter an monarchischen Feiern teilnahmen, angesichts des Königs in Jubelrufe ausbrachen und nicht aktiv für eine Abschaffung der Monarchie eintraten.710 Trotzdem war die Wahrscheinlichkeit einer offen vorgetragenen Kritik an der Monarchie aus den Reihen der Sozialdemokratie naturgemäß weitaus höher als innerhalb konservativer Milieus. Verschärft wurde der schwelende Konflikt zwischen Regierung und Sozialdemokratie in Sachsen 1896 mit der Einführung eines äußerst rückwärtsgewandten Dreiklassenwahlrechts, welches den Großteil der Bevölkerung bei Landtagswahlen eklatant benachteiligte und zum erwünschten Ausschluss der SPD aus der Zweiten Kammer des Landtages führte. Einer der maßgeblichen Verantwortlichen dieses Wahlrechtes war Kronprinz Georg, der von 1902–1904 seinem Bruder Albert als König nachfolgte.711 Die durch Georgs Haltung in der Angelegenheit des Wahlrechts bestärkte Unpopularität des zudem in Kontrast zu seinen Untertanen streng katholischen Herrschers führte auch während seiner Landesreisen zu Problemen. Offen zu Tage trat der Unmut vieler Sachsen anlässlich der Reichstagswahlen 1903, als bis auf Bautzen in allen sächsischen Kreisen ein Abgeordneter der SPD die Wahl gewann.712 Diese Abstimmung wurde häufig als Protestwahl gegen das sächsische

708 709 710

711 712

Johann Georg zu Sachsen: König Albert, 1922, S. 218. Ebd., S. 290. Vgl. dazu die Untersuchung von Cattaruzza. Diese zeigt das komplexe, oft auch widersprüchliche Kaiserbild der deutschen Arbeiter auf, welches von äußerst positiven wie auch negativen Meinungen über den Monarchen geprägt war. Zudem wollten viele sozialdemokratische Führer nicht um jeden Preis die Staatsform der Monarchie stürzen. Besonders plastisch beschreiben die auch von Cattaruzza zitierten Memoiren Moritz Brommes die Einstellung vieler Arbeiter, die wiedergeben, dass in Brommes Elternhaus die Bilder von Moltke, Bismarck und Wilhelm I. neben denen von Lasalle, Marx und Bebel an der Wand gehangen hatten, Cattaruzza: Das Kaiserbild, 1991, S. 141 ff. Vgl. Hendrik Thoß: Georg (1902–1904), in: Kroll: Die Herrscher, 2004, S. 290–305, hier S. 299 f. Kroll: Friedrich August, 2004, S. 311.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

167

Dreiklassenwahlrecht und damit auch die eigene Regierung und König Georg gewertet.713 Die Reichstagswahl 1903 spielte auch eine wichtige Rolle angesichts der geplanten Reise Georgs ins Vogtland vom 7. bis 9. Juli des Jahres. So schlug der Kreishauptmann Maximilian Forker-Schubacher mit Verweis auf ein Schreiben des Amthauptmanns Hermann Junck aus Oelsnitz vor, dass die Reise mit Rücksicht auf „das höchst betrübende Ergebnis der Reichstagswahl“ verschoben werde. Aufgrund des Wahlausgangs hatten sich mehrere Vertreter, darunter die örtlichen Militärvereine, an Junck gewandt, die der Ansicht waren, „daß die Bevölkerung, welche nur revolutionäre Elemente in den Reichstag schickte, wohl kaum die Ehre des Besuchs Sr. Majestät verdiene“. Hinzu kam, dass die SPD „nur Haß gegen das Königshaus predig[e]“ und das Wahlergebnis noch schlechter ausgefallen wäre, wenn nicht ein großer Teil der Arbeiter bei der Wahl gar nicht erschienen wäre.714 Des Weiteren wurde sich in einem anonymen Brief bei der Stadtverwaltung Zwickau beschwert, dass städtische Mittel für den Empfang verschwendet würden. Dies waren für den Kreishauptmann Forker-Schubacher genug Gründe, einen Besuch durch den König, der auch als Auszeichnung für die besuchten Gebiete gedacht war, für nicht angebracht zu halten, bestand doch die Gefahr, dass sein Kreis einen schlechten Eindruck beim König und in der überregionalen Presse hinterlassen würde. Er war sich jedoch auch der Tatsache bewusst, dass ein Nichterscheinen des Königs Loyalitäten verspielen könnte, denn „wenn die Allerhöchste Reise jetzt unterbleiben sollte, [würde] die Freude in den Kreisen der Gutgesinnten Sr. Majestät dem Könige erneute Beweise von Treue und Anhänglichkeit geben zu können, zu Nichte gemacht werden“.715 In Forker-Schubachers Schreiben fällt besonders die Polarisierung zwischen „Gutgesinnten“ und „revolutionäre[n] Elemente[n]“ auf, die nicht nur durch die Wortwahl an eine Typisierung von Gut und Böse erinnert. Dabei waren seiner Ansicht nach alle Wähler der SPD dem Königshaus gegenüber illoyal und mussten für diese Haltung durch eine Absage des Besuches bestraft werden. Die Gefahr allerdings, dass sich eine solche Absage auf die monarchiekritische Haltung der Arbeiter noch fataler auswirken und zu einer noch größeren Distanz zum Königshaus führen könnte, sah er nicht. Auch kam ihm nicht der Gedanke, dass viele nur aus Protest gegen das sächsische Landtagswahlrecht die SPD gewählt haben könnten. Er bedauerte lediglich, dass auch die königstreuen Kreise unter dieser Absage zu leiden hätten. Dass die Reise letztlich doch stattfand, deutet daraufhin, dass sich zumindest der Hof in Dresden der negativen Auswirkungen einer Absage bewusst war und die Warnungen der planenden Stellen vor Ort ignorierte.716

713 714 715 716

Vgl. Thoß: Georg, 2004, S. 303, Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 190 f. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, Schreiben Kreishauptmann Forker-Schubacher an Staatsminister von Metzsch 19.06.1903, fol. 65v. Ebd., fol. 66r. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, fol. 74r.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Auch eine geplante Reise Georgs nach Crimmitschau wurde im Vorfeld von Konflikten überlagert. Am 15. September 1903 sollte dort während seiner Anwesenheit das König-Albert-Denkmal eingeweiht werden. Allerdings zeichnete sich gegen Ende August ein Streik von ca. 10.000 Textilarbeitern ab.717 Der Stadtrat von Crimmitschau kam daher zu „der Überzeugung […], daß die jetzige Zeit zu einem Empfange Sr. Majestät des Königs in Crimmitschau wenig geeignet sei“ und am besten für 1903 ganz unterbleibe, da auch im Falle einer Verständigung „doch immer für die nächste Zeit eine große Erbitterung und Aufregung unter der Arbeiterbevölkerung bleiben [wird] und es ist daher hier, wo beinahe der 3. Teil der Einwohnerschaft von Crimmitschau beim Streik beteiligt ist [, …] nicht ausgeschlossen, daß doch Ungehörigkeiten vorkommen“.718

Die Behörden fürchteten demnach, dass der König zur Zielscheibe des Unmuts der Streikenden werden könnte, und versuchten, dies durch eine Absage des Besuchs zu verhindern. Da der eigentliche Grund der Absage aber auf keinen der Akteure ein gutes Licht geworfen hätte und möglichst nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte, schlug der Stadtrat vor, dass „wenn man Bedenken tragen sollte, den Lohnkampf anzuführen, vielleicht der Umstand […], daß der Tag der Vollendung des Denkmals noch unbestimmt und daß es noch fraglich ist, ob es bis zum 15. September dieses Jahres überhaupt fertig werden wird“,

als Begründung anzuführen sei.719 Durch die tatsächliche Absage der Reise720 ging der König zunächst jedem Konflikt aus dem Weg. Anfang Dezember 1903 verhängte allerdings die sächsische Regierung den Kleinen Belagerungszustand über die Stadt. Dieser hob das Vereins- und Versammlungsrecht auf, verstärkte die Polizeipräsenz und beendete damit die Auseinandersetzung zugunsten der Unternehmer, unter denen sich 13 Millionäre befanden. Die Absage der Reise und das Verweigern jeglicher Solidaritätsbekundung des Königs für die Arbeiter waren symptomatisch für Georgs Unnachgiebigkeit in innenpolitischen Fragen721 und die wachsende Kluft zwischen König und Volk. Dieser Konflikt konnte während der kurzen Regierungszeit von 1902 bis 1904 nicht mehr gelöst werden.722 In deutlichem Gegensatz zu der Unbeliebtheit seines Vaters stand die Popularität des nachfolgenden Königs Friedrich August III. Dieser wurde gemeinhin als warmherziger, liebenswürdiger, kontaktfreudiger und äußerst bescheidener Mann 717

718 719 720 721 722

Diese streikten von August 1903 bis Januar 1904 für einen Zehn-Stunden-Tag und eine zehnprozentige Lohnerhöhung. Dieser bis dahin längste Arbeitsausstand in Deutschland zog eine große Solidarisierungswelle innerhalb des Deutschen Reiches nach sich: Täglich erreichten die Streikenden Geld-, Sach- und Lebensmittelspenden, vgl. Thoß: Georg, 2004, S. 303 f. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, Schreiben Kreishauptmann Forker-Schubacher an Staatsminister von Metzsch 22.08.1903, fol. 84r+v. Ebd., fol. 84v. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, fol. 86v. Vgl. Thoß: Georg, 2004, S. 304 f. Vgl. ebd., S. 290; Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 192 f.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

169

beschrieben. Besonders die Tatsache, dass er den Dialekt seiner Untertanen sprach, führte dazu, in ihm die „Inkarnation des Sachsentums“ zu sehen.723 Schon zwei Wochen nach seiner Thronbesteigung im Oktober 1904 meldeten die Dresdner Neuesten Nachrichten: „König Friedrich August sprach gestern bei einem Gange durch die Grunaer Straße einige Arbeiter an und frug sie nach ihren Lohnverhältnissen usw. Daß die Leute außerordentlich überrascht waren, ist selbstverständlich. Das auf der belebten Straße verkehrende Publikum umdrängte sofort die ungewöhnliche Gruppe, und als ein Schutzmann die Leute abwehren wollte, winkt der König ab. Derartige liebenswürdige Züge des Königs sind nur geeignet, seine Popularität zu erhöhen.“724

Dieses Ereignis sollte kein Einzelfall bleiben. Friedrich August ging oft zu Fuß durch Dresden oder fuhr mit der Straßenbahn durch die Stadt, ohne dabei den Kontakt zur Bevölkerung zu scheuen.725 Ebenfalls kurz nach seiner Thronbesteigung zitierte die Tägliche Rundschau die in sächsischen Fragen neutrale Braunschweigische Landeszeitung: „König Friedrich August hat sich als Kronprinz bei den Dresdenern nur geringer Sympathien erfreut. Aber seitdem er den Thron bestiegen, hat seine Volkstümlichkeit von Tag zu Tag zugenommen und zwar, wie man sagen muß, durch sein eigenes Verdienst“,

welches in seinem einfachen Wesen und praktischen Verstand begründet sei.726 Auch die Reisen des Königs stießen häufig auf ein positives Echo bei den besuchten Gemeinden, wie abgedruckte Dankesschreiben nahelegen.727 Besonders angesichts seiner jährlichen Besuche in Leipzig überschlugen sich die Zeitungen beinahe in Lobeshymnen. So schrieben die Leipziger Neuesten Nachrichten anlässlich einer Visite: „Es ist sozusagen ein fürstlich-offizieller Besuch, mit genauem Programm, mit Empfang und Gefolge. Und doch weht nicht höfische Kühle und Unnahbarkeit. Nein, im Gegenteil. Ein wundervoll leutseliger, echt persönlich-herzlicher Zug geht von unserem Landesherrn aus. Seine schlichte, liebenswürdige Menschlichkeit hat ihm die Herzen längst erobert, und so ist’s eine innige, aufrichtige Freude, wenn es heißt: Der König kommt! […] Es ist wahrlich keine bloße Augenblicksbegeisterung, was in diesen Königstagen zum Ausdruck kommt, sondern ein bodenständiger, warmherziger Patriotismus, ein starkes Gefühl innerster Zusammengehörigkeit zwischen Fürst und Volk. Heil unserem geliebten Landesherrn! Willkommen dem König!“728

723 724 725

726 727 728

Kroll: Friedrich August, 2004, S. 310. Dresdner Neueste Nachrichten Nr. 296, 29.10.1904. Ludwig Renn schilderte, wie Friedrich August häufig mit der Kutsche durch die Stadt fuhr, sich Schaufenster ansah und zusammen mit seinen Kindern durch die Stadt ging und den Passanten zuwinkte, vgl. Ludwig Renn: Adel im Untergang, Berlin 1987, S. 20 ff. Eine ähnliche Schilderung findet sich auch in: Erich Kästner: Als ich ein kleiner Junge war, Berlin u. a. 1978 [1957], S. 7 f. Siehe auch Blaschke: Der Fürstenzug, 1991, S. 211. Tägliche Rundschau Nr. 573, Morgenblatt 07.12.1904. Vgl. etwa: Amtsblatt für Eibenstock, Nr. 53, w.6./5. 1905. Leipziger Neueste Nachrichten, Nr. 29, 29.01.1902.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Auch das Leipziger Tageblatt pries die Freude der Stadtbewohner über den Besuch des Königs und die gegenseitige Verbundenheit: „Der alljährliche Besuch des Königs in Leipzig ist beiden Teilen eine liebe Gewohnheit geworden. Nicht laut und geräuschvoll, sondern still, dafür aber um so inniger ist die Freude der Leipziger, wenn es heißt: Der König kommt! Seine Leutseligkeit, sein schlichtes Wesen haben ihm längst aller Herzen gewonnen und ein Gefühl rein menschlicher Verehrung bringt Leipzig, Sachsens führende Handelsstadt, ihrem Landesvater entgegen. […] Und überall schlagen ihm die Herzen entgegen, überall findet er die Liebe seines Volkes, das ihm Treue mit Treue zu vergelten bestrebt ist. Man darf es ruhig aussprechen, daß sich unser König in seinem Leipzig wohlfühlt und daß dieses Wohlbehagen fest begründet ist in der Gewißheit ebenso wie seine Vorfahren der mit freudigem Herzen von Leipzigs Bürgerschaft begrüßte liebste Gast zu sein.“729

Dieses überschwängliche Lob von mehreren, auch unabhängigen Blättern ist durchaus nicht nur als bloße Herrscherpanegyrik zu werten, dafür war 1912 der Spielraum für Kritik am Monarchen schon viel zu groß. Dies demonstrieren u. a. viele kritische Zeitungsartikel, auf die später noch einzugehen sein wird. Die positive Anteilnahme eines großen Teils der Leipziger Bevölkerung am Besuch des Königs wird, wie durch die Artikel vermittelt, aufrichtig gewesen sein. Trotz der positiven Resonanz, die eine Visite Friedrich Augusts häufig fand, waren auch dessen Landesreisen nicht frei von Kritik. Diese betrafen entweder die Reiseplanung selbst oder deren Finanzierung. Wie oben schon angeklungen, kritisierten vor allem die sozialdemokratischen Blätter die ihrer Ansicht nach unsinnigen Ausgaben einer Königsreise seitens der Städte und Gemeinden. Als Beispiel sei hier die Fahrt Friedrich Augusts nach Westsachsen im August 1905 genannt. Dabei wechselte der König am Bahnhof Mosel bei Chemnitz den Zug und hielt sich dort insgesamt drei Minuten auf. Obwohl von der zuständigen Oberbehörde in Dresden angeordnet worden war, keinen Aufwand zu betreiben und keine Unkosten zu verursachen, sprach sich die Mehrheit des lokalen Gemeinderats dafür aus, den Bahnhof „so fein wie möglich“ zu dekorieren.730 Als der Rat die Kosten dafür aus der Gemeindekasse begleichen wollte, wandte sich einer der beiden sozialdemokratischen Gemeindevertreter energisch gegen diese Absicht. Wie die Sächsische Arbeiterzeitung resümierte, siegte allerdings der „Hurrapatriotismus“.731 Dieses Beispiel zeigt, wie aufgrund enthusiastischer städtischer Vertreter ein negatives Licht auf die Landesreise fallen konnte, obwohl die Hofbehörden mit ihrer Anordnung der Kostenvermeidung versucht hatten, dies zu verhindern. Die Entrüstung des SPD-Vertreters, dass die „Interessen der arbeitenden Bevölkerung Mosels, die sich jeden Pfennig Steuern vom Munde abdarben muß“,732 im Gemeinderat nicht vertreten würden, ist durchaus verständlich. Dennoch wog der Konkurrenzkampf der Städte um die königliche Gunst zu dieser Zeit schwerer als 729 730 731 732

Leipziger Tageblatt, Nr. 52, 29.01.1912. Sächsische Arbeiterzeitung Nr. 194, 23.08.1905. Ebd. Ebd.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

171

das pragmatische Abwägen angesichts eines Drei-Minuten-Aufenthaltes. Dass dabei durchaus auch Arbeiter an der Selbstdarstellung ihres Ortes und der ausgeschmückten Begrüßung des Königs interessiert waren, zeigt die Tatsache, dass der zweite sozialdemokratische Gemeinderat sich ebenfalls für eine Finanzierung aus der Gemeindekasse ausgesprochen hatte. Daraufhin forderte die Sächsische Arbeiterzeitung, das nächste Mal die sich zur Wahl stehenden „Genossen“ genauer anzusehen.733 Ein weiterer Kritikpunkt, besonders seitens der arbeitenden Bevölkerung, sprach das prinzipielle Problem der Landesreisen an, dass der König keine Missstände zu sehen bekommen sollte. Diese Verschleierung thematisierte die Sächsische Arbeiterzeitung angesichts eines Besuchs Friedrich Augusts in den Wilhelm-Schächten in Zwickau. So äußerte sich der König nach dem Besuch der Kohlenschächte: „Ich habe heute aus den Wilhelm-Schächten gesehen, daß der Betrieb in den Schächten ein sehr guter ist.“ Dazu bemerkte das Zwickauer SPD-Organ: „So dankte Friedrich August, und er konnte nicht anders. Was er sah, war lobenswert, was er nicht sah, war die Wahrheit.“734 Die dem König vorgestellte Belegschaft bestand nämlich, so die Zeitung weiter, zum Teil aus bestellten und dafür bezahlten Männern. Einen Großteil der Belegschaft habe der König überhaupt nicht gesehen und auch die Zustände in den Gruben seien in Wirklichkeit Besorgnis erregend. Dort würden die Kumpel ständig von Beamten zur Arbeitssteigerung gedrängt, was zu deren Überanstrengung führe und mit einer erhöhten Zahl von Unfällen einherginge. Zudem seien die Sicherheitsbedingungen und Löhne miserabel. Dem Monarchen habe man schlichtweg „Potemkinsche Schächte“ gezeigt. Aus diesem Grund sprach sich auch im Dezember 1905 eine Versammlung der Arbeiterausschüsse in Chemnitz für eine Resolution aus, die das Verhalten der organisierten Arbeiterschaft bei Fürstenbesuchen thematisierte. Diese sah vor, bei königlichen Visiten zu Hause zu bleiben und nicht an Fackelzügen oder ähnlichen Ovationen teilzunehmen, da sich bei den besuchenden Herrschaften dadurch „die falsche Meinung bilden könnte, daß hier zwischen Arbeitern und Unternehmern ein gutes Einvernehmen bestehe, was doch bei den hiesigen schlechten Erwerbsverhältnissen vollkommen ausgeschlossen ist“.735 Angesichts des Chemnitz-Besuches des Königs im Frühjahr 1907 wurde dies das erste Mal in die Tat umgesetzt.736 Auch an diesem Beispiel fällt auf, dass zwischen den Anhängern der SPD und dem Königshaus kein prinzipieller Konflikt bestehen musste und Erstere gegenüber Letzterem durchaus loyal gesinnt sein konnten. Es klang sogar die Hoffnung an, dass der Monarch, wenn er über die Realität der Zustände Wissen erlange, eine Lösung anstreben würde. Im Gegensatz zu den Organisatoren der Reise vor Ort und den Unternehmern wurde dem König selbst demnach kein Vorwurf gemacht.

733 734 735 736

Ebd. Sächsische Arbeiterzeitung Nr. 198, 28.08.1905. Sächsische Arbeiterzeitung, Nr. 54, 06.03.1907. Vgl. ebd.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

In der allgemeinen Planung der Reisen, insbesondere der Frage, welche Orte für wie lange besucht werden würden, lag ein weiterer Punkt für Konflikte. Das Problem der gerechten Aufteilung der Besuchszeit war nicht neu, sondern eher grundsätzlicher Art und ohne enttäuschte, da nicht besuchte Orte kaum zu lösen. Viele Städte bewarben sich häufig um einen Königsbesuch, da sie sich dadurch eine überregionale Aufmerksamkeit und eine Stärkung der eigenen Industrie, Wirtschaft, Infrastruktur und zuweilen auch Kultureinrichtungen versprachen. Für die für die Organisation der Reisen zuständigen Kreishauptmannschaften wurde es daher immer schwieriger, alle Wünsche zu berücksichtigen und ein möglichst gerechtes Besuchsprogramm auszuarbeiten. Beispielsweise zeigte sich während der Vogtlandreise König Georgs 1903 der Stadtrat von Treuen sehr enttäuscht, dass die Stadt nicht besucht werde, da doch alle weiteren Städte des Vogtlandes im Programm vorgesehen seien, und bat mehrmals um eine Aufnahme der Stadt. Der Kreishauptmann Forker-Schubacher hatte zwar versucht, den Stadtrat zu überzeugen, dass aufgrund der Reisedauer von drei Tagen kein weiterer Besuch möglich sei, warnte aber zudem auch den zuständigen Staatsminister Georg von Metzsch in Dresden, „daß es sehr schwer sein werde, diese Auffassung [der Zurücksetzung, A. S.]“ zu widerlegen, zumal „sich natürlich auch eine gewisse Presse sofort [dieser Auffassung, A. S.] bemächtigen werde“.737 Durchaus nachvollziehbare Kritik bei allen Schichten rief jedoch besonders die Gestaltung des Besuchs in der Oberlausitz am 3. Juli 1907 hervor. Dort hatte die Reise eine „tiefe Mißstimmung hinterlassen“, da „die Fahrt im Automobil einem Automobilrennen gleichgekommen“ sei.738 Tatsächlich war das Programm für die Tagesreise mehr als dicht gefüllt und für einige Orte nur ein Aufenthalt von fünf Minuten vorgesehen. Zwar fußte dies auf der gut gemeinten Absicht der planenden Stellen, dass der König auch die kleinsten Gemeinden mit zuweilen weniger als 1000 Einwohnern besuchen könne und demnach wirklich jeder Untertan die prinzipielle Möglichkeit bekommen sollte, seinen Herrscher zu sehen. Allerdings wurde dieser gute Wille durch die Reiseplanung der zuständigen Behörden vor Ort im Fall der Lausitzreise 1907 ad absurdum geführt.739 Um dies zu demonstrieren, sei hier der Tagesablauf wiedergegeben:

737

738 739

SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, Schreiben Forker-Schubacher an Metzsch. Eine Änderung des Programms fand dennoch nicht statt, SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9539, fol. 59r. Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 184, 09.07.1907. Die Reisen wurden meist von den Kreishauptmannschaften oder Stadträten vor Ort organisiert und dann vom Oberhofmarschallamt genehmigt oder abgeändert.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

173

Übersicht 2: Reiseprogramm der Lausitzreise König Friedrich Augusts III. 1907740 Uhrzeit, Ort und Einwohnerzahl 9–10 Uhr Schirgiswalde (3400 EW)

10.10–10.15 Uhr Sohland (5300 EW)

Programm Ankunft am Bahnhof mit Sonderzug aus Dresden (Abfahrt 7.46 Uhr) Kreishauptmann von Craushaar und Amtshauptmann von Carlowitz melden sich. Begrüßung durch Bürgermeister Vogt von Schirgiswalde, Blumengruß durch ein katholisches Kind, Besuch der katholischen Kirche Zu Fuß zum Marktplatz: Begrüßung durch staatliche und städtische Behörden, Militärvereine Besuch der evangelischen Kirche, Blumengruß durch ein evangelisches Mädchen Weiterfahrt im Automobil übliche Begrüßung

10.23–10.35 Uhr Oppach (3000 EW)

übliche Begrüßung

10.47–10.57 Uhr Neusalza (1300 EW)

übliche Begrüßung

11.02–11.15 Uhr Nieder- und Obersfriedersdorf (2300 EW)

übliche Begrüßung, Weiterfahrt über Ebersbach

11.40–12.40 Uhr Neugersdorf (11.500 EW)

übliche Begrüßung, Besichtigung einer Ausstellung von Erzeugnissen der dortigen Großindustrie Besuch der C. G. Hoffmannschen Webwarenfabrik Fahrt nach dem Bismarckturme und Besteigung

12.45–1.16 Uhr Seifhennersdorf (8000 EW)

übliche Begrüßung Besuch der Schuhwarenfabrik August Oppelt

1.24–1.26 Uhr Spitzkunnersdorf (2200 EW)

Begrüßung ohne Aussteigen

1.35–3.00 Uhr Großschönau (7500 EW)

übliche Begrüßung Besichtigung der Richter & Goldbergischen Fabrik Besuch der Webschule und der dortigen Ausstellung Ruhepause und Gabelfrühstück Gesangsvorträge

3.17–3.22 Uhr Leutersdorf (3300 EW)

übliche Begrüßung

740

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wurden die einzelnen Programmpunkte gekürzt dargestellt. „Übliche Begrüßung“ meint eine Begrüßung durch Gemeindevertreter, örtliche Vereine, Ehrenjungfrauen und Schuljugend, die von Fall zu Fall variierten. Meist wurden aber Ansprachen gehalten, Blumen überreicht, Gedichte oder Lieder vorgetragen, vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9542, fol. 16v–17v.

174

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

3.26–3.33 Uhr Neueibau (1000 EW)

Kurze Besichtigung des Schulgebäudes

3.35–3.40 Uhr Eibau (5000 EW)

übliche Begrüßung

3.45–3.50 Uhr Oberoderwitz (3500 EW)

übliche Begrüßung

3.55–4.00 Uhr Oberruppersdorf (750 EW)

übliche Begrüßung

4.05–4.55 Uhr Herrnhut (1300 EW)

übliche Begrüßung Besichtigung des Friedhofs am Hutberge, Besuch des Altertumsmuseums Kaffee 4.50 Uhr Abfahrt zum Bahnhof Kleiner Empfang am Bahnsteig

5.18–5.23 Uhr Löbau 6.00 Uhr Bischofswerda (7500 EW)

Kleiner Empfang am Bahnhof, Sängergruß Fahrt zum Rathaus: Aufstellung der Festjungfrauen Zu Fuß zur Kirche Besuch der Spinnerei von F. G. Herrmann & Sohn, Ausstellung von Militärtuchen Fahrt nach dem Lutherpark und Schule: Huldigung der Schulkinder und Lehrer Zu Fuß durch den Park zum Schützenhaus: dort Essen Nach Tisch Huldigung, Männergesang Abreise des Königs im Auto

Nach der Reise erfolgte ein Sturm der Entrüstung in lokalen, regionalen und sozialdemokratischen Blättern.741 Die Dresdener Neuesten Nachrichten zählten alle Kurzaufenthalte nacheinander auf und beklagten, dass beispielsweise für Neueibau die Besichtigung des Schulgebäudes im Programm vorgesehen war, obwohl nur ein Gesamtaufenthalt von sieben Minuten eingeplant war. Das Urteil der Zeitung: „Das dürfte doch mehr als humoristisch zu nennen sein“, ist daher verständlich.742 Schließlich sei dieses Hasten auch dem König zu viel geworden und er habe sich nicht mehr an das Programm gehalten, was zu erheblichen Verspätungen geführt habe. Dazu zitierte das Blatt eine Zeitung aus Neugersdorf: „Es ist fast rücksichtslos zu nennen, wenn nach so großen Vorbereitungen nur eine so hastende Durchfahrt mittelst des Autos vorgesehen worden ist. Das Publikum ist allgemein enttäuscht, da nur sehr wenige den König gesehen haben. Man hatte geglaubt, daß derselbe wenigstens ein Stück zu Fuß zurücklegen durfte. Besonders enttäuscht waren die am Bismarckturm aufgestellt gewesenen Vereine und Kinder, als das Auto den König ohne Aufenthalt vorüberfuhr, nachdem man dort auf zugiger Höhe fast 2 ½ Stunden in Kälte und Regen gewartet. Das dargebotene Frühstück nahm der König auch nicht an, ebensowenig

741 742

Der Bericht der Dresdener Neuesten Nachrichten, die mehrere Lokalblätter zitiert, wird fast wortwörtlich übernommen von: Sächsische Arbeiterzeitung, Nr. 156, 09.07.1907. Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 184, 09.07.1907.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

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ein von einer Dame kredenztes Erfrischungsgetränk. Es legte sich fast wie ein Meltau [sic] auf die so erwartungsfreudige Stimmung aller.“743

Unter dem Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit gesehen, waren Planung und Wirkung der Reise als katastrophal einzuschätzen. Immerhin konnte man noch auf das Verständnis der Öffentlichkeit rechnen, dass „[f]reilich […] [h]ierfür de[r] Monarch […] selbst nicht verantwortlich“ war. In der Folgezeit gab es dann wechselseitige Schuldzuweisungen der planenden Stellen, da der König, wie ein Großschönauer Blatt schrieb, gegenüber dem Fabrikbesitzer Dr. Häbler versicherte, „zu seinem lebhaften Bedauern über die Reise falsch unterrichtet worden [zu] sei[n], sonst wäre nicht so wenig Zeit für die einzelnen Orte angesetzt worden“. Dies wurde dann einen Tag später von der Zittauer Morgenzeitung, mit Verweis auf eine Auskunft des besagten Dr. Häbler, entschieden dementiert.744 Wieder einige Tage später zitierte die Zeitung dann das Bautzner Amtsblatt, welches eine Verteidigung der für die Organisation zuständigen örtlichen Stellen enthielt. Natürlich hätte der König diese keineswegs kritisiert und die Verzögerung sei durch „außerhalb der Berechnung liegende Umstände“ und Zufälligkeiten leider entstanden. Das Programm hätte sich an die Erfahrungen früherer Königsreisen orientiert und war „unter tunlichster Berücksichtigung der von den einzelnen Ortschaften, Korporationen und sonstigen Beteiligten angebrachten Wünsche auf das sorgfältigste ausgearbeitet worden“.745 Abschließend folgte noch ein Verweis auf die letzte Landesreise in die Chemnitzer Bezirke, während der die dortigen Aufenthaltszeiten „zum Teil wesentlich kürzere [gewesen seien], ohne das dort Klagen laut geworden sind“. Diese Feststellung wurde von der Zittauer Morgenzeitung dann als „freilich verblüffend“ bezeichnet und gefragt, was bei Aufenthalten von zwei bis fünf Minuten „noch ‚wesentlich‘ zu kürzen [sei]?!“746 Der Verweis auf die Chemnitzer Reise zeigt, dass der extreme Ablauf der Oberlausitz-Reise kein Einzelfall war. Zwar finden sich in den Akten, wie das Bautzner Amtsblatt richtig behauptet, keine kritischen Zeugnisse über diese Reise, allerdings ist dies bei Betrachtung des Ablaufplanes durchaus verwunderlich. Friedrich August besuchte den Regierungsbezirk vom 25. bis 27. Juni 1907, wobei die ersten beiden Tage immer nur ein Programm bis Mittag bzw. ab Mittag enthielten und nur der letzte Reisetag ein vollständiges Tagesprogramm umfasste.747 Besonders die Gestaltung des ersten Reisetages verwundert, da sich das überaus dichte Programm nur über viereinhalb Stunden erstreckte. Der König erreichte bereits um 7.32 Uhr den Hauptbahnhof Chemnitz, was ein sehr frühes Abfahren in Dresden bedeutete, und besichtigte dann nach üblicher Begrüßung in Stollberg das AlbertDenkmal und das Lehrerseminar, woraufhin es weiterging zur Strafanstalt Hoheneck. Zum Abschluss des Tages wurde Zwönitz besucht, wo neben der üblichen 743 744 745 746 747

Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 184, 09.07.1907. Zittauer Morgenzeitung, Nr. 158, 10.07.1907. Zittauer Morgenzeitung, Nr. 161, 13.07.1907. Ebd. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9541, fol. 215r–216v.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Begrüßung auch das Emaillierwerk von C. A. Schwotzer besichtigt wurde. Für diese Programmpunkte wurden jeweils 15 Minuten für die Begrüßung und 30 Minuten für die Besichtigungen eingeplant, was zumindest bezüglich der Dauer als Besuch zu werten ist. Vielmehr verwundert jedoch das Konzept der Kreishauptmannschaft Chemnitz, den König auch unterwegs in Hoheneck, Brünlos, Niederzwönitz und Kühnhaide Station machen zu lassen. Für diese Orte war jeweils ein „kurzer Halt ohne Aussteigen“ vorgesehen, der sich in Hoheneck wie folgt gestaltete: „Ankunft 9.45. Begrüßung durch Gemeinderat usw. am Gasthof zur Sonne. Kurze Ansprache des Gemeinde-Vorstandes. Aufenthalt 3 Minuten“.748 Auch die Vorstellung eines solchen Empfangs: schnell gesprochene, lobende Reden auf den König, dieser wohlwollend nickend im Automobil, dann schnell weiter zum nächsten Programmpunkt, mutet in Anlehnung an die Dresdener Neuesten Nachrichten „humoristisch“ an. Eingedenk der Tatsache, dass sich die Gemeinden wahrscheinlich auch für diese Durchfahrt finanziell in Unkosten gestürzt hatten, ist die Planung der Kreishauptmannschaft nicht nachvollziehbar. Vor allem war diese Hast völlig unverständlich angesichts der Tatsache, dass das Tagesprogramm bereits mittags endete. Wenngleich nicht ausgeschlossen werden kann, dass der König doch etwas länger in den jeweiligen Orten verweilte, ist hier doch seitens der Kreishauptmannschaft, aber auch der den Reiseplan genehmigenden Hofbehörde eine aus mangelnder Erfahrung resultierende Überforderung zu erkennen, da die neuen technischen Möglichkeiten in der Reiseplanung nicht berücksichtigt wurden. Denn prinzipiell waren die Monarchen durch die Nutzung des Automobils viel flexibler geworden und konnten jeden Ort unabhängig vom Verlauf der Bahnlinien ansteuern. Dass dies auch versucht wurde, geschah in der Absicht, dem Wunsch möglichst vieler Gemeinden nach einem Besuch entgegenzukommen. Da es aber zu keiner konsequenten Verlängerung der Reisedauer an sich kam, wurde diese positive Intention ins Gegenteil verkehrt, da nun der König aufgrund der Geschwindigkeit seiner Weiterreise in die Kritik geriet. Der Zweck der Landesreisen, nämlich die Bindung zwischen Monarch und Untertanen zu stärken, wurde damit verfehlt, es knüpften sich möglicherweise sogar eher negative Erinnerungen an den Besuch. Wie die letzten Landesreisen Friedrich Augusts zeigen, sollten diese Probleme jedoch nicht anhalten.

5.1.5

Professionalisierung der Landesreisen

Im Gegensatz zu den Problemen anlässlich der Reisen Georgs und der ersten Reisen Friedrich Augusts III. sind die Reisen der späteren Regierungsjahre des letzten sächsischen Königs von einer gewachsenen Professionalisierung gekennzeichnet.749 Die planenden Behörden hatten zahlreiche Zeitungsartikel zu allen Reisen 748 749

Ebd., fol. 215r. Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9543–47.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

177

gesammelt und verfolgten die Stimmung in der Bevölkerung aufmerksam. Aus diesem Grunde waren sie in der Lage, aus den Fehlern der Lausitzreise von 1907 zu lernen und mehr Zeit für einzelne Stationen vorzusehen. Zudem wurden nun die Programmpunkte und die Fahrrouten von den Behörden vor Ort einige Tage vor dem Besuch in der Zeitung veröffentlicht und zugleich der Hinweis gegeben, die Fahrbahn freizuhalten und Kinder vom Mitlaufen mit dem Wagen abzuhalten.750 Darüber hinaus wurden die Bewohner der besuchten Städte aufgefordert, ihre Häuser zu schmücken, wofür Fichtenreisig und Eichenzweige kostenlos gestellt wurden.751 Des Weiteren organisierten die Beamten vor Ort immer häufiger lokale Gewerbeausstellungen, welche die verschiedenen Produkte und Waren der Region vorstellten.752 Zwar verlangten diese einiges an Vorbereitung seitens der Gewerbetreibenden, garantierten aber die Aufmerksamkeit des Landesherrn, für den es natürlich einfacher war, eine Ausstellung anstatt vieler Fabriken zu besuchen. Schließlich beteiligten sich auch immer häufiger Familienmitglieder der Königsfamilie, insbesondere die jüngeren Prinzen, an den Reisen, sodass die monarchische Präsenz vor Ort zunahm.753 Nach Abschluss jeder Reise wurde in den offiziellen Blättern der Dank des Königs für den Empfang und getätigte Spenden abgedruckt.754 Durch diesen medialen Austausch von Dankesbekundungen wurde noch einmal der indirekte Kontakt zwischen Landesherr und Untertanen ermöglicht. Auch wurden nun die an der Reiseplanung beteiligten Beamten sowie führende Gewerbetreibende neben dem üblichen Galadiner vor Ort zum Dank für ihre Bemühungen zu den mehrmals jährlich in Schloss Pillnitz stattfindenden Hoftafeln eingeladen.755 Diese Auszeichnung verdeutlicht die Relevanz der Landesreisen für die monarchische Inszenierung im frühen 20. Jahrhundert.

5.1.6

Moderne Huldigungen

Angesichts der breiten Überlieferung, die zu den Reisen des letzten sächsischen Königs vorliegen, offenbart sich ein weiterer Grund für die Bedeutung des persönlichen Erscheinens des Monarchen. Dieser lag in den Treueversicherungen der Untertanen. Eigentlich waren Huldigungen zu Regierungsantritten üblich und bildeten besonders in vormodernen Staaten das wechselseitig bindende Herrschaftsverhältnis zwischen Regent und Untertan ab. Der rechtsverbindliche Charakter

750 751 752 753 754 755

Vgl. Erzgebirgischer General-Anzeiger 08.07.1914, zitiert nach Der letzte sächsische König Friedrich August III. im Spie[l]zeugland, Seiffen 2008, S. 83. Vgl. ebd., S. 9. Vgl. Erzgebirgischer General-Anzeiger 30.06.1909, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 40. Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9548–49. Vgl. Erzgebirgischer General-Anzeiger 04.07.1909, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 67, Erzgebirgischer General-Anzeiger 11.07.1914, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 106. Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9542, fol. 45v+r.

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5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

dieser Verfassung in actu wurde jedoch mit dem Aufkommen des Konstitutionalismus überflüssig, da nun eine geschriebene Verfassung existierte, auf deren Erfüllung König und Untertanen schworen.756 Trotz allem hatte sich die persönliche Huldigung auch in den Verfassungsstaaten des 19. Jahrhunderts erhalten und war besonders bei Besuchen des Monarchen ein typisches Element der Begrüßung. Dass diese Huldigungen auch um 1900 noch mit erstaunlich viel Pathos vorgetragen wurden, zeigt das Beispiel der Begrüßung des Hüttenwerksdirektors und Gemeindevorstehers von Niederneuschönberg, Hentschel: „In gleicher Liebe und Verehrung entbieten wir Eurer Majestät als unserem obersten Bergherrn heute unseren innigsten, ehrfurchtsvollsten Willkommengruß mit dem erneuten Gelöbnis unverbrüchlicher Treue gegen König und Vaterland und mit dem innigen Wunsche, daß Gott Eurer Majestät eine recht lange, reichgesegnete Regierung in allen Gnaden verleihen und das ganze Haus Wettin in allen Seinen Durchlauchtigsten Gliedern in seinen gnädigen Schutz nehmen und behalten möge, zum Heile, zum Wohle, zum Ruhme und zum Segen unseres teuren Vaterlandes. Das walte Gott!“757

Solche Treueschwüre wurden in jedem Ort vorgebracht und meist mit einem Hoch auf den König von den Anwesenden bekräftigt. Ebenfalls der Treuebekräftigung dienten die häufig von jungen Mädchen oder Frauen vorgetragenen Willkommensgedichte für den Herrscher, die in jeder Stadt individuell geschrieben wurden und auf die Versicherung der Treue nur selten verzichteten. Auch die offiziellen Amtsblätter, wie etwa der Erzgebirgische General-Anzeiger, der die Reisen des Königs 1905, 1907, 1909 und 1914 kommentierte, druckten diese Reden und Gedichte ab und stärkten damit noch die in der Zeitung ständig präsenten Topoi der Treue und Liebe gegenüber dem Landesvater. Dies zeigt eindrücklich das Willkommensgedicht für Friedrich August im Juli 1914: „Heil! König Friedrich August! Durch unsere Au’n im Jubelsturm Braust es zur heutigen Stunde, Die Glocken rufen laut vom Turm Die frohe Feierstunde: Der Tag ist kommen, den erharrt Wir alle voller Sehnen, Nun preist mit uns die Gegenwart Und helft den Tag verschönen Die ganze Gegend ist geschmückt Und aller Herzen schlagen

756

757

André Holenstein: Die Huldigung der Untertanen: Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800–1800), Stuttgart u. a. 1991, S. 512 f., vgl. Andres u. a.: Das Zeremoniell, 2005, S. 31 f. Im Unterschied zu anderen Bundesstaaten hielt man in Sachsen-Coburg und Gotha an der Huldigung der Untertanen fest. Bei dieser gab es auch kein, eigentlich übliches, Gegenversprechen des Herrschers, die Bevölkerung zu beschützen, siehe dazu Büschel: Die Liebe, 2005, S. 167. Erzgebirgischer General-Anzeiger 02.07.1909, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 48.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

179

So hoch und festlich-froh beglückt: Willkommen Dir zu sagen! Glück auf, mein Fürst! Im Festgewand Nah’n wir in alter Treue, Es ehrt Dich unser bergig Land Am heutigen Tage aufs Neue. Glückauf! Um Deinen Königsthron Soll Friede und Freude nur schweben. Und unsere Treu nimm hin als Lohn Für all Dein Mühen und Streben! Mit klugem Aug’ und fester Hand Sei unseres Schicksals Leiter, Du Herr und Fürst im Sachsenland, Das Glück sei Dein Begleiter. Mit Rosen sei Dein Pfad bestreut, Lieb’ leuchte Deinen Wegen! Der Himmel, der Dich stets betreut Verleih Dir seinen Segen! Des Volkes Liebe Dich umblüht, Das treu Dir steht zur Seite, Mit Dir durch alle Zeiten zieht Ein felsenfest Geleite. Schau, wie Dein Volk Dich liebt und ehrt! Lausch’ unserer Herzen Schlage! Dann ist viel Freude uns beschert Am heutigen Jubeltage. Was Fürst und Volk als Liebesband Umschlingt, mög’ blühn und wachsen, Heil Dir, geliebtes Sachsenland, Heil König Dir von Sachsen.“758

Zählt man die Schlagwörter in diesem Gedicht so ergibt sich drei Mal „Treue“ (ein weiteres Mal „felsenfest“), vier Mal „Liebe“ und zwei Mal „Ehre“. Die Botschaft des Gedichtes, dass sich die durch den Besuch geehrten Untertanen in Liebe an ihren König wenden und diesem die Treue schwören, ist damit offensichtlich. Noch augenscheinlicher war der Treueschwur fünf Jahre zuvor, beim Besuch 1909 ausgefallen: „Heil Dir, Heil Dir, des Höchsten Hand/Sei mit Dir allezeit!/So führe Volk und Vaterland/In Glück und Herrlichkeit!/So schwören wir aufs neue,/Von heil’ger Glut durchloht,/Dir, König, Lieb’ und Treue,/Ja, Treue bis zum Tod!“759 Solche Gedichte waren als Medien der symbolischen Kommunikation durchaus wichtig. Sie funktionierten, indem sie meist den Autor als Untertan affirmativ in ein Verhältnis zur Obrigkeit setzten, als sozio-politische Handlung.760 Gerade durch die wiederholten Treueschwüre wirkten die Gedichte als soziale Handlungen 758 759 760

Erzgebirgischer General-Anzeiger 09.07.1914, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 85 f. Erzgebirgischer General-Anzeiger 30.06.1909, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 42. Vgl. Andres u. a.: Das Zeremoniell, 2005, S. 71 f.

180

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

im Sinne der Sprechakttheorie: Im Gedicht wird die Handlung, der Treueschwur, durch Sprache vollzogen.761 Die lyrische Form ist darüber hinaus symbolisch zu verstehen und gilt als „Ausdruck maximalen inneren Ergriffenseins“.762 Zudem fungierten sie als ein Machtattribut des Herrschers: So kam nicht jedem die Ehre zu, in Gedichtform gewürdigt zu werden. Auch die verwendeten Formen der Hymne oder Ode waren ein Ausdruck der Anerkennung des Adressaten.763 Im Hinblick auf die vielfältigen Gedichte, die zu Besuchen Friedrich Augusts verfasst wurden, ist die These von Andres und Schwengelbeck, dass die lyrische Panegyrik Ende des 19. Jahrhunderts ihre Bedeutung verloren habe,764 dahingehend anzupassen, dass bis zum Ende der Monarchie die politische Kasuallyrik ein wichtiges Element von Herrscherbesuchen blieb. Ein weiteres typisches Element der Landesreisen, das neben dem ephemeren Charakter des Besuchs eine dauerhafte Wirkung erzeugte, waren Stiftungen. So spendete einerseits der König zuweilen für wohltätige Zwecke, wie 1914 300 Mark an die Geschädigten eines Brandes in Sayda, weitaus häufiger nahmen aber Gemeinden und Gewerbetreibende die Visite des Königs als Anlass für Stiftungsgründungen. So kamen allein während des Besuchs am 9. Juli 1914 neben der Spende Friedrich Augusts folgende Gelder zusammen: 5000 Mark seitens der städtischen Kollegien in Olbernhau für die König-Albert-Stiftung, 5000 Mark des Inhabers des Kupferhammers Grünthal an den Wettinfonds, die Gründung einer König-Friedrich-August-Stiftung der Firma Otto Weinhold jr. mit einem Kapital von 10.000 Mark, die Gründung einer König-Friedrich-August-Stiftung des Gemeinderates Neuhausen mit einem Kapital von 3000 Mark, die Gründung einer König-Friedrich-August-Stiftung der Firma S. F. Fischer für ihre Arbeiter mit einem Kapital von 3000 Mark, 900 Mark Spenden von 21 Gemeinden des Bezirks und 3000 Mark Spenden von Hauptmann von Schönberg für den Verein Volkswohl und die Gründung einer König-Friedrich-August-Stiftung der Gemeinde Oberseiffenbach mit einem Kapital von 300 Mark, deren Zinsen jeweils am 9. Juli, also dem Tag des Königsbesuches, an Bedürftige gezahlt werden sollten.765 Insgesamt betrugen die Spenden und Stiftungen also über 30.000 Mark – eine durchaus beachtliche Summe. Da diese Stiftungen häufig den Namen des Königs trugen, wurde damit seitens der lokalen Behörden und Gewerbetreibenden ein positives Image und Andenken an den wohltätigen Landesherrn gefördert, ohne dass dieser sich in diesem Fall besonders dafür einsetzen musste.

761

762 763 764 765

Zur Sprechakttheorie siehe John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte, Stuttgart 1972 und die Weiterentwicklung durch: John R. Searle: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay, Frankfurt/M. 1971. Andres u. a.: Das Zeremoniell, 2005, S. 73. Vgl. ebd., S. 73. Vgl. ebd., S. 79. Vgl. Erzgebirgischer General-Anzeiger 09.-11.07.1914, Saydaer Anzeiger 12.07.1914, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 87–138.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

5.1.7

181

Berichterstattung in lokalen Zeitungen

Zur Image-Bildung der Bundesfürsten trugen auch die offiziellen, regierungsnahen Zeitungen bei. Unter Friedrich August III. fungierten etwa vor Ort ansässige Beamte häufig als Presseberichterstatter für das hofnahe Dresdner Journal. Als Dank für ihre Artikel wurden diese dann nach der Reise ebenfalls zum Diner auf Schloss Pillnitz geladen.766 Das in den Zeitungen durchgängig vermittelte Topos eines überaus volksnahen und häufig zu Scherzen aufgelegten sächsischen Monarchen entsprach demnach auch der von diesem selbst gewählten Inszenierung.767 Da oftmals die Gespräche des Königs mit Anwesenden, die das Bild des leutseligen und schlichten Friedrich Augusts bestärkten, wörtlich wiedergegeben wurden, bot sich auch für den Zeitungsleser die Möglichkeit einer vermeintlich authentischen Majestätswahrnehmung. So wurde beispielsweise berichtet, wie der König erzählte, dass er bei seinen Besuchen in der Sächsischen Schweiz gemerkt habe, dass viele Einheimische böhmisches Bier tranken. Doch nun setze sich auch das Sächsische durch, woraufhin mit dem aktuellen Bezug zu Olbernhau vermerkt wurde: „Der Monarch lobte den Olbernhauer ‚Stoff‘“.768 Aber auch dem Kaffee war er nicht abgeneigt: „Der König war in vorzüglichster Stimmung und meinte, mit dem Kaffee ginge es ihm wie allen Sachsen, eine Tasse Kaffee trinke er sehr gern. Und es blieb bei ihm gestern nicht nur bei einer.“769 Auch die Freude des Königs über Geschenke seiner Untertanen fand wortwörtliche Erwähnung. Als er beispielsweise beim Besuch des Serpentinstein-Werkes in Zöblitz einen Blumentisch und Brunnen aus Serpentinstein geschenkt bekam, sagte er der Zeitung zufolge: „Und das wollen sie mir alles schenken, die guten Leute“.770 Ans Absurde grenzt dann schon die Wiedergabe des folgenden Gesprächs in Schönfeld-Pfaffroda: „Die Vorstände der anwesenden Gemeindevertretungen ließ sich der König vorstellen und zeichnete die Herren durch verschiedene Fragen aus. ‚Wo ist Ihre Heimat?‘ fragte er einen der Herren. ‚Niederneuschönberg, Majestät!‘ war die Antwort. ‚Ah, Niederneuschönberg!?‘ meinte der König kopfnickend und Herrn Gemeindevorstand Brückner, Hallbach, fragte er, wo Hallbach läge.“771

766

767

768 769 770 771

Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9542, fol. 45v+r. Leider ließ sich nur in diesen Einladungslisten der Hinweis auf offizielle Berichterstatter finden. Nähere Details etwa zu Instruktionen sind nicht überliefert. So etwa beim Besuch einer Ausstellung: „An einzelnen Ständen verweilte der König besonders lange und brachte durch Scherzworte eine animierte Stimmung hervor“, des Weiteren: „Viel Spaß bereitete dem König eine Riesenzigarre, darüber erging er sich in allerlei Scherzen“, Erzgebirgischer General-Anzeiger 02.07.1909, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 56. In diesem Fall vermerkt die Artikelsammlung nicht die Quelle der Zeitung, zitiert nach ebd., S. 56. Erzgebirgischer General-Anzeiger 10.07.1914, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 101. Erzgebirgischer General-Anzeiger 02.07.1909, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 59. Erzgebirgischer General-Anzeiger 16.07.1907, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 24.

182

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Dieser Smalltalk im wahrsten Sinne des Wortes – häufig wurde auch wiedergegeben, wie der König nach den Namen von blumenschenkenden Kindern fragte – bot für den Leser eigentlich keine Information. Dennoch wurde auf diese Weise anschaulich vermittelt, dass der Monarch an seinen Untertanen Interesse zeigte. Wenn Friedrich August dann auch noch das regionale Bier, also den „Stoff“ lobte, bot die Zeitung durch die breitenwirksame Vermittlung dieser Äußerungen eine Identifikationsmöglichkeit für den Leser mit seinem Monarchen. Die Betonung der sächsischen Kaffeeleidenschaft begünstigte zudem ein regionales Zusammengehörigkeitsgefühl. Scheinbar, so wurde den Untertanen suggeriert, sei der König kein weltfremder Herrscher, sondern es gäbe vielmehr Gemeinsamkeiten zwischen der Lebenswelt des Lesers mit dem im lockeren Umgangston redenden, Bier und Kaffee nicht abgeneigten Monarchen.772 Wie bereits angedeutet wurde, berichteten die offiziellen Blätter sehr ausführlich über die Reisen. Die Berichterstattung nahm etwa im Erzgebirgischen GeneralAnzeiger einen so breiten Raum ein, dass fast eine Übereinstimmung zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit vorlag. Die lediglich aus Zeitungsartikeln der Erzgebirgsreisen von 1905, 1907, 1909 und 1914 bestehende Publikation des Jahres 2008 Der letzte sächsische König Friedrich August III. im Spie[l]zeugland umfasst immerhin rund 140 Seiten. So wurde beispielsweise das Besuchsprogramm der Reise vom 30. Juni und 1. Juli 1909 ins Erzgebirge das erste Mal am 19. Juni in der Zeitung verkündet. Dem folgten der Abdruck eines Willkommensgedichtes am 30. Juni und ausführliche Berichte zum Besuch am 1., 2., 3. und 4. Juli. Dies hatte zur Folge, dass, auch wenn der König eine kleine Gemeinde nur wenige Minuten besuchte, durch die ausführliche Berichterstattung der lokalen Medien die Wirkung einer Reise viel länger andauerte. Der General-Anzeiger fasste dies wie folgt zusammen: Obgleich der Festschmuck verschwunden sei, „daheim in der Familie und am Stammtisch ist die Feststimmung noch nicht ganz gewichen. Eifrig werden noch einmal alle Episoden des Königsbesuches durchgesprochen und so manche scherzhafte Aeußerung, die der Monarch anläßlich seines Besuches fallen gelassen hat, wird noch lange lebhaft besprochen werden.“773

Diese langanhaltende Wirkung bezeichnet einen der Hauptgründe für die Relevanz von Landesreisen hinsichtlich der monarchischen Inszenierung, weshalb es zu keinem Rückgang in diesem Bereich kam, sondern die Reisetätigkeit der Monarchen im 20. Jahrhundert eher noch zunahm.774

772 773 774

Die Brauerei Radeberger wirbt bis heute damit, das Tafelgetränk seiner Majestät des Königs Friedrich August III. von Sachsen gewesen zu sein. Erzgebirgischer General-Anzeiger 11.07.1914, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 123. Zu diesem Ergebnis, in Bezug auf Bayern, kommt auch: März: Das Haus, 2013, S. 119–128.

5.1 LANDESREISEN DER BUNDESFÜRSTEN

5.1.8

183

Verhältnis zwischen bundesfürstlichen und kaiserlichen Reisen

Die Reisen der Bundesfürsten waren auch ein wichtiges Mittel, um den regionalen Zusammenhalt der ehemals souveränen Gebiete zu stärken. Dazu dienten ebenfalls die oben vorgestellten Treueschwüre und Gedichte, welche sich explizit nur auf den sächsischen König und das Haus Wettin bezogen, den Deutschen Kaiser aber nicht erwähnten. Verstärkt wurde diese Betonung der regionalen Geschlossenheit noch durch das Singen der Sachsenhymne oder des Liedes Den König segne Gott,775 das einen auf Sachsen bezogenen Text zur Kaiserhymne Heil dir im Siegerkranz hatte. Diese Landeshymnen gab es in den meisten Bundesstaaten: In Hessen wurde ebenfalls auf Heil dir im Siegeskranz die Fürstenhymne gesungen; in Bayern gab es eine entsprechende eigene Königshymne.776 Da der letzte Deutsche Kaiser Wilhelm II. ebenfalls sehr viele Reisen im Deutschen Reich unternahm, ist der Vergleich mit den Bundesfürsten aufschlussreich. Die Quantität der kaiserlichen Besuche, so kann diesbezüglich konstatiert werden, erreichte keiner der Bundesfürsten. Innerhalb der sechs Jahre von 1897 bis 1902 unternahm Wilhelm II. 233 Reisen und besuchte dabei 123 Orte.777 Diese Werte sind dabei auch repräsentativ für die restliche Regierungszeit. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Kaiser mit seinen Besuchen natürlich ein weitaus größeres Herrschaftsgebiet bedienen musste und seine Aufenthalte dabei naturgemäß auf größere Städte konzentrierte. Zudem war Wilhelm II. auch König von Preußen und damit für dieses Gebiet alleiniger Landesherr. Bei den 233 Reisen, die der Kaiser unternahm, war Preußen angesichts seiner Größe im Deutschen Reich, die fast drei Viertel der Gesamtfläche ausmachte, allerdings etwas unterrepräsentiert: Ca. 61 % der Reisen führten Wilhelm II. an preußische Orte. Sachsen wurde dagegen in den sechs untersuchten Jahren insgesamt nur vier Mal besucht: Drei Mal besuchte der Kaiser Dresden (einmal anlässlich der Beerdigung König Alberts) und einmal Görlitz.778 Auffallend häufig, vermutlich um eine Integration der neuen Gebiete bemüht, besichtigte der Kaiser das Reichsland Elsass-Lothringen.779 Im Vergleich der sächsischen Könige mit dem Reisekaiser780 Wilhelm II. hinsichtlich der 775 776

777 778

779 780

Vgl. Spie[l]zeugland, 2008, S. 13, Erzgebirgischer General-Anzeiger 10.07.1914, zitiert nach Spie[l]zeugland, 2008, S. 92. Zu den zahlreichen regionalen Hymnen, die meist auf God Save the King gesungen wurden, siehe Hans Jürgen Hansen: Heil dir im Siegerkranz. Die Hymnen der Deutschen, Oldenburg, Hamburg 1978, S. 12 ff. Vgl. die Übersicht bei: Thomas A. Kohut: Wilhelm II and the Germans. A Study in Leadership, New York, Oxford 1991, S. 235–238. Vgl. ebd., S. 238–247. Bayern besuchte der Kaiser von 1897–1902 acht Mal, je einmal war er in Gotha und Coburg, dort aufgrund der Beisetzung Herzog Alfreds. Nach Hessen fuhr er aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen häufiger. Orte im Reichsland waren Ziel von rund 11 % der Reisen. Wilhelm selbst sagte über diese Redewendung: „Ich weiß, daß man Mich den Reisekaiser nennt, aber das hab Ich immer nur heiter aufgenommen.“, Ernst Johann (Hg.): Reden des Kaisers. Ansprachen, Predigten und Trinksprüche Wilhelms II., München 1966, S. 118.

184

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Sichtbarkeit vor Ort in Bezug auf Sachsen kommt man zu dem Ergebnis, dass der Deutsche Kaiser weitaus weniger präsent war als die Landesfürsten. Mag diese Erkenntnis auf den ersten Blick banal erscheinen, gibt sie doch wichtige Hinweise auf die weiterhin wichtige Rolle der Bundesfürsten in der Region. Obwohl Wilhelm II. wohl so viel unterwegs war wie kein anderer Herrscher des frühen 20. Jahrhunderts, konnte er damit doch nur einen Bruchteil der Menschen überhaupt erreichen. Dass er, wie der sächsische König, Orte mit einer Einwohnerzahl von um die 1000 Bewohner besuchte, war völlig undenkbar. Zwar waren die Reisen des Kaisers ständiges Thema der Zeitungen und später auch der Kinos,781 womit eine visuelle Sichtbarkeit Wilhelms II. gewährleistet war, allerdings geschah auch dies nicht grundlos. Wilhelm selbst sah in seinen Reisen ein Mittel, um gegen die Reichsverdrossenheit der Deutschen vorzugehen und durch sein ständiges öffentliches Erscheinen das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.782 Dabei fällt auf, dass er sein Engagement selbst in Konkurrenz zu dem der Bundesfürsten setzte. Es sind jedoch Zweifel angebracht, ob es dem Kaiser tatsächlich gelang, mit seinen Reisen überall eine (länger währende) Reichsbegeisterung auszulösen. Zwar schrieb der preußische Gesandte nach dem ersten kaiserlichen Besuch in Dresden 1889 euphorisch, dass dieser Aufenthalt maßgeblich dazu beigetragen hätte, dass sich die Sachsen nun als Teil eines Reiches verstünden.783 Diese Schilderung einschränkend, muss jedoch beachtet werden, dass sich erstens der Adressatenkreis der Reise nur auf Dresden und nicht auf die übrigen Sachsen (abzüglich der Einwohner Dresdens waren dies immerhin weit über vier Millionen) beschränkte, zweitens diese Besuche im Vergleich zur ständigen Residenz des Königs viel zu selten stattfanden und drittens die sächsischen Könige in ihrer Rolle als Landesväter noch viel zu aktiv waren, um die regionale Identität vollständig durch eine nationale zu ersetzen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Besuche von Kaiser und König unterschiedliche Bedürfnisse befriedigten. Der Kaiser trat in seinen Besuchen als Symbol der Nation784 auf und bediente dabei die außenpolitischen Wünsche und Vorstellungen seiner Untertanen, die für das Reich die Geltung einer, wenn nicht der Weltmacht erträumten. Diese patriotischen Momente führten allerdings nicht zur gänzlichen Abkehr von der Reichsverdrossenheit und dem Besinnen auf regionale Strukturen. Das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und Heimat konnten ebenso gut die vor Ort viel häufiger präsenten Bundesfürsten bedienen,785 weshalb die Bedeutung der regionalen Identität weder nach 1871 noch nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. 1888 abnahm.

781 782 783 784 785

Vgl. Petzold: Der Kaiser, 2012, S. 23, 236. Johann: Reden des, 1966, S. 118 f. Vgl. Kohut: Wilhelm II, 1991, S. 165. Vgl. Fehrenbach: Wandlungen des, 1969, S. 11 f., 89–112. Zu den zahlreichen Reisen Ludwigs III. von Bayern 1913 und 1914 siehe März: Das Haus, 2013, S. 119–128.

5.2 WOHLTÄTIGKEIT

5.2

185

Wohltätigkeit

Kurz nachdem Marie Alexandrowna, die neue Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha, 1894 das erste Mal ihre Residenz Gotha besuchte, schrieb sie an ihre Tochter, Marie, Kronprinzessin von Rumänien: „Yesterday, we went to see two institutions and liked so much one for very poor and sick children, kept by very nice and cheerful sisters; the other was like the Augusta Stift at Coburg, very simple and practical. Tomorrow we are going to some more. I must show an interest and raise a little the people’s energy, they are so intensely happy.“786

Einige Tage später ergänzte sie: „[...] I visited more schools and found it all very well organised and satisfactory. I have even started a good work, a small establishment for idiots, which was entirely wanting and will bear my name: one must create something not to go down to posterity as never having taken an interest in charities.“787

Diese Briefstellen sind äußerst aufschlussreich bezüglich des Wirkungskreises hochadliger Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts. Während sich ihre Männer auf politischer, wirtschaftlicher und teilweise auch kultureller Ebene um das Wohlergehen des Landes und seiner Bewohner kümmern sollten, wurde von den Frauen erwartet, dass sie sich auf eine weitaus persönlichere Art und Weise in Form unterschiedlichster Wohltätigkeitsprojekte für die Belange ihrer Untertanen einsetzten. Dabei war Philanthropie eine Tugend, die schon in der Antike einen Herrscher auszeichnen konnte.788 Spätestens aber mit dem Wirken der Heiligen Elisabeth von Thüringen789 war das Kümmern um Arme, Alte und Kranke ein Bereich, in dem auch die Frau eines Herrschers öffentlich hervortreten konnte – immerhin war auch die christliche Forderung der caritas nicht geschlechtsgebunden.790 Obwohl es immer wieder wohltuende Fürstinnen gegeben hatte, entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert die Wohltätigkeit – parallel zu den Zeigepflichten – zu einer Norm für das Handeln der Bundesfürstinnen heraus. Diese Entwicklung fand nicht von ungefähr zu diesem Zeitpunkt statt: So waren beispielsweise hervorgerufen durch die veränderten Arbeitsbedingungen im Zuge der industriellen Revolution ganz neue Probleme aufgetreten, die gleichfalls einer staatlich geförderten 786 787 788 789 790

Hervorhebung im Original. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha an Marie von Rumänien, 11.02.1894, zitiert nach Dearest Missy, 2011, S. 159. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha an Marie von Rumänien, 14.03.1894, zitiert nach ebd., S. 168. Vgl. Rudolf Rehn: Philanthropie, in: Joachim Ritter/Karlfried Gründer (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 7, Darmstadt 1989, S. 543–548, hier S. 543 ff. Vgl. Karin Marx: Das Erbe der Heiligen Elisabeth. Sozialer Einsatz der Frauen des Hauses Hessen, in: Heidenreich: Kronen, Kriege, 2009, S. 141–163, hier S. 141–147. Vgl. Sylvia Paletschek: Adelige und bürgerliche Frauen (1770–1870), in: Elisabeth Fehrenbach (Hrsg.): Adel und Bürgertum in Deutschland 1770–1848, München 1994, S. 159–185, hier S. 181.

186

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Lösung bedurften. Bedingt durch die immer stärker vorherrschende außerhäusliche Arbeit gab es etwa einen neuen Bedarf an Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder, sodass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer häufiger Kinderbewahranstalten und später Kindergärten im Sinne Fröbels entstanden.791 Auch die hessische Großherzogin Wilhelmine (1788–1836) ließ unter ihrem Patronat 1833 eine Kleinkinderschule in Darmstadt errichten.792 Aber auch in anderen Bereichen nahm die soziale Not, die nicht mehr durch die Großfamilie abgefangen werden konnte, zu. Es entstand ein wachsender Bedarf an Verdienstmöglichkeiten für Frauen, der Absicherung elternloser oder verwahrloster Kinder sowie der Vermittlung von Wissen in Kinderpflege. Darüber hinaus gab es einen zunehmenden Bedarf an Krankenhäusern und Lazaretten. Wenn eine Fürstin daher die Repräsentativaufgaben ihres Mannes sowie dessen Popularität und Legitimität unterstützen wollte, wurde von ihr erwartet, sich mildtätig zu engagieren. Dieser neue Normcharakter lässt sich gut an den Äußerungen Marie Alexandrownas nachweisen. So wählte sie die Formulierungen „I must show an interest“ und „one must create something“ [etwas Bleibendes für die Nachwelt, A. S.], die belegen, dass es sich bei den von ihr begonnenen Projekten nur bedingt um wirkliche Interessengebiete handelte, sondern vielmehr um die Erfüllung der an sie durch Gleichgestellte und Untertanen gerichteten Erwartungen. Diese erfüllte sie für die damalige Zeit auf eher unkonventionelle Weise, indem sie etwa eine Juwelen-Ausstellung ihres Schmucks und russischen Kunsthandwerks organisierte, deren Erlöse dem Marienhaus zu Gute kamen.793 Auch fordert sie selbst von ihrer Tochter wenig später im gleichen Brief, sich durch „charity“-Projekte hervorzutun.794 Durch die Gründung einer Anstalt für Geistesgestörte konnte Marie mehrere Zwecke erfüllen: Zum einen wurde damit den Bedürftigen tatsächlich geholfen, zum anderen wirkte das Institut aber, indem es den Namen der Herzogin trug, als ständiges Werbeschild für die Mildtätigkeit der Herzogin und damit als Legitimitätsstütze der Herrschaft ihres Hauses. Zum Dritten sollte die Gründung zugleich das Andenken der Nachwelt an die Herzogin positiv beeinflussen und damit für deren Nachkommen abermals legitimierend wirken, indem auf die langanhaltende Fürsorge des angestammten Herrscherhauses verwiesen werden konnte. Zugleich war mit der Zunahme an wohltätiger Arbeit der Bundesfürstinnen auch eine erhöhte Präsenz dieser in der Region verbunden. Entweder begleiteten sie nun ihre Männer auf deren Landesreisen oder unternahmen

791

792 793

794

Zu Fröbel siehe Ulf Sauerbrey/Michael Winkler (Hrsg.): Elementarpädagogik in Briefen. Studien zu Friedrich Fröbel und zur Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung im 19. Jahrhundert, Würzburg 2015. Vgl. Marx: Das Erbe, 2009, S. 149. Vgl. LATh – StA Gotha Bestand 2-17-0311 Oberhofmarschallamt, Nr. 258. Auch jährlich wiederkehrende Weihnachtsbescherungen für die Kinder der Bediensteten sind dort aufgeführt. Vgl. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha an Marie von Rumänien, 14.03.1894, zitiert nach Dearest Missy, 2011, S. 168.

5.2 WOHLTÄTIGKEIT

187

selbständig Reisen zu den unter ihrer Schirmherrschaft stehenden Einrichtungen.795 Dass das gewandelte Verständnis von Wohltätigkeit als Herrscherpflicht Maries von Sachsen-Coburg und Gotha dabei kein Einzelfall mehr war, sondern beispielhaft für eine geänderte Erwartungshaltung steht, zeigt auch das Testament der für ihre zahlreichen Wohltätigkeitsprojekte bekannten sächsischen Königin Carola.796 Diese vererbte nicht nur 780.000 Mark an Wohltätigkeitseinrichtungen,797 sondern wollte auch ihrer Nichte Mathilde – der nunmehr ersten Frau des Herrscherhauses798 – eine jährliche Rente von 4000 Mark aus ihrem Besitz zukommen lassen.799 Nach dem Ableben Carolas beantragte ihr Oberhofmeister beim Dresdner Hauptzollamt eine Befreiung dieser Summe von der Erbschaftssteuer mit der Begründung, dass dieses Geld ausschließlich zur Erfüllung einer repräsentativ wirkenden Wohltätigkeit Mathildes gedacht sei: „Für die weiblichen Mitglieder des Königshauses bildet einen sehr namhaften Teil der hiernach erwachsenden Repräsentations-Pflichten die umfassende Beteiligung an allen charitativen Bestrebungen des Landes nicht nur durch persönliche Mitwirkung, sondern vor allem auch durch weitgehende pekuniäre Opferwilligkeit.“800

Da diese Rolle bisher von Carola erfüllt worden war, nun aber an der Liquidität Mathildes hinsichtlich der Erfüllung ihrer Rolle Zweifel bestanden – immerhin verfügte sie als unverheiratete Prinzessin über weitaus geringere Einkünfte als die verstorbene Königin –, wurde als Begründung für die beantragte Steuerbefreiung Folgendes angebracht: „Wenn die mehrgedachten Schenkungen künftig durchgeführt werden, geschieht dies lediglich in Berücksichtigung der Notwendigkeit, Ihre Königliche Hoheit in den Stand zu setzen, den Anforderungen Ihrer besonderen Stellung innerhalb der Königlichen Familie, am Königlichen Hofe und gegenüber dem Land in einer dem Haus-Interesse möglichst förderlichen Weise gerecht zu werden.“801

795 796

797 798

799 800 801

Vgl. Kapitel 5.2.3. Vgl. Georg von Schimpff: Aus dem Leben der Königin Carola von Sachsen: Zur fünfundzwanzigjährigen Regierungs-Jubelfeier Seiner Majestät des Königs und Ihrer Majestät der Königin, Leipzig 1898, S. 147–54; Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 199 f. Vgl. SächsHStA, Bestand 10988 Hauptzollamt Dresden II, Nr. 65, unnum. Testament, fol. 6r. Mathilde war die Schwester des letzten sächsischen Königs Friedrich August III. Nachdem dessen Frau, Luise von Toskana, 1902 vom Dresdner Hof geflohen war, übernahm Mathilde die Stellung der ersten Frau bei Hofe. Vgl. SächsHStA, Bestand 10988 Hauptzollamt Dresden II, Nr. 65, unnum. Testament, fol. 7r. SächsHStA, Bestand 10988 Hauptzollamt Dresden II, Nr. 65, unnum. Testament, fol. 64r+v. SächsHStA, Bestand 10988 Hauptzollamt Dresden II, Nr. 65, unnum. Testament, fol. 64v.

188

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Abgesehen davon, dass dies eine findige, aber letztlich nicht erfolgreiche802 Strategie der Steuervermeidung war, zeigt das Schreiben des Oberhofmeisters zweierlei: Zum einen wurde Wohltätigkeit explizit als „namhafter Teil“ der weiblichen Repräsentationspflichten genannt und damit einmal mehr deren Normcharakter unterstrichen. Zum anderen verdeutlichte das gesamte Schreiben aber auch, auf welche Art und Weise diesem Anspruch nachzukommen war, nämlich durch persönliche Mitwirkung einerseits, durch finanzielle Unterstützung andererseits. Natürlich entsprach es dem Idealbild der Fürstin, dass sie sich persönlich im Bereich der Wohltätigkeit engagierte. Dadurch kam sie nicht nur den Herrschertugenden, sondern auch den weiblich konnotierten Tugenden der Fürsorge, Nächstenliebe und Mildtätigkeit nach. Auch eine Vorbildwirkung der Landesmutter für alle Frauen ihres Landes wurde damit erfüllt. Da Wohltätigkeit eines der wenigen Betätigungsfelder war, in dem nach Beschäftigung strebende hochadlige Frauen tatsächlich aktiv werden konnten,803 gab es durchaus Bundesfürstinnen, die dieses Feld engagiert und mit persönlicher Hingabe bestritten. Alice und Eleonore von Hessen und bei Rhein sowie Carola von Sachsen sind hierbei in erster Linie zu nennen. Andererseits gab es natürlich ebenso Fürstinnen wie die eingangs zitierte Marie von Sachsen-Coburg und Gotha, für die Wohltätigkeit eher Pflicht denn Neigung war.804 Wenn daher die erste Frau im Lande kein persönliches Interesse an der Fürsorge ihrer Landeskinder hatte, so wurde erwartet, dass sie wenigstens durch „pekuniäre Opferwilligkeit“ glänzte. Auch auf diese Art und Weise konnte, wie das Beispiel Marie zeigt, noch etwas für die Außenwirkung des regierenden Hauses getan werden. Konsequenterweise wirkte sich das Verweigern gegenüber der neuen Norm äußerst negativ auf die öffentliche Wahrnehmung der Fürstin und somit ihres gesamten Hauses aus. Dies war zum Beispiel der Fall bei Victoria Melita von Hessen und bei Rhein, der ersten Ehefrau Großherzog Ernst Ludwigs und Tochter Marie Alexandrownas. Die bei ihrer Heirat 1894 erst 17-jährige Fürstin konnte sich nur schwer in Darmstadt einleben und mit den Aufgaben einer Landesmutter arrangieren. Hinzu kam, dass das große Vorbild ihrer Schwiegermutter Alice im Bereich der Wohltätigkeit für sie eher als „omnipräsente Entmutigung“ denn als Ansporn diente.805 Ihr mangelndes Interesse führte dazu, dass sie sich auf die Vorträge ihres Oberhofmarschalls, welche Wohltätigkeitsprojekte sie zu unterstützen habe, kaum konzentrieren konnte und letztlich auch nicht aktiv in diesem

802 803 804

805

Vgl. SächsHStA, Bestand 10988 Hauptzollamt Dresden II, Nr. 65, unnum. Testament, fol. 65v. Vgl. Monika Wienfort: Gesellschaftsfrauen, Gutsfrauen und Rebellinnen. Adelige Frauen in Deutschland 1890–1939, in: Conze u. a.: Adel und, 2004, S. 183. Gleiches gilt etwa auch für die sozial sehr engagierte Königin Olga von Württemberg (1822– 1892), die sich zu diversen Spitalbesuchen sehr überwinden musste. Diese und die Förderung der Einrichtungen sah sie aber dennoch als ihre Pflicht an, vgl. Paletschek: Adelige und, 1994, S. 181. Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013, S. 185.

5.2 WOHLTÄTIGKEIT

189

Bereich hervortrat.806 Ebenso bedingt durch ihre unglückliche Ehe807 versuchte sie vielmehr, Darmstadt, wann immer es ihr möglich war, den Rücken zu kehren. Dass dieses Verhalten sich äußerst negativ auf die Wahrnehmung Victoria Melitas auswirkte, belegen mehrmals die Briefe ihrer Mutter an die ältere Schwester Marie von Rumänien, bei der sich Victoria Melita oft über lange Zeit aufhielt: „But really it was time for Ducky [Victoria Melita, A. S.] to return, people were beginning to be much astonished at Darmstadt and I am afraid that this long absence has done her great harm.“808 Weil sich Victoria Melita ganze zwei Monate in Rumänien aufgehalten hatte, konstatierte ihre Mutter: „No doubt, it was a happy time for you both, but was it wise of Ducky to stay away so very long, is quite another question! I heard from Marie Erbach que l’effet était deplorable à Darmstadt and that she did not know how to answer all the questions that were put to her […]“.809

Zwar bezog sich dieser „miserable Eindruck“ auf die Tatsache, dass Victoria Melita mehrfach Mann und Kind allein zu Hause gelassen hatte, er zeigt aber deutlich, welche Auswirkung die Abweichung vom weiblichen Normverhalten auf die Popularität einer Bundesfürstin haben konnte. Im Folgenden soll anhand der Fürstinnen Alice und Eleonore von Hessen und bei Rhein gezeigt werden, wie breit gefächert das Spektrum weiblicher Wohltätigkeit im 19. Jahrhundert sein konnte. Besonders über das Wirken von Alice liegen bereits ausführliche Untersuchungen vor, weshalb hier nicht en detail auf die verschiedenen Errungenschaften eingegangen, dennoch aber deren Bandbreite gewürdigt werden soll.810 Alice war als Tochter des englischen Prince Consort Albert schon früh mit dessen sozialliberalen Reformen in Kontakt gekommen, weshalb sie auch für ihren eigenen Wirkungskreis Darmstadt nun auf ihre Erfahrungen aus England zurückgriff und zeit ihres Lebens mit englischen Sozialreformerinnen wie Florence Nightingale und Octavia Hill in Kontakt stand.811 In ihrer neuen Heimat 806 807 808 809 810

811

Vgl. ebd., S. 185 f. Siehe dazu auch Duff: Hessian tapestry, 1979, S. 260. 1901 wurde die Ehe mit Ernst Ludwig geschieden, dieser ehelichte 1905 Eleonore zu SolmsHohensolms-Lich. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha an Marie von Rumänien, 29.04.1897, zitiert nach Dearest Missy, 2011, S. 291. Marie von Sachsen-Coburg und Gotha an Marie von Rumänien, 05.05.1897, zitiert nach ebd., S. 292. Vgl. zunächst ihre eigenen Schilderungen in den Briefen an ihre Mutter: Alice, Mittheilungen, 1883. Darüber hinaus: Eckart G. Franz: Was weiter wirkt: Grossherzogin Alice von Hessen und bei Rhein 1843–1878; Ausstellung zum 65. Geburtstag I. K. H. Prinzessin Margaret von Hessen und bei Rhein, Darmstadt 1978; Eckart G. Franz: Victorias Schwester in Darmstadt. Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein, in: Hessen: Victoria Kaiserin, 2002; Marx: Das Erbe, 2009. Siehe dazu die Korrespondenzen im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt: mit Florence Nightingale HStAD D 24, 29/6; mit Octavia Hill HStAD D 24, 29/7, diese schrieb an Großherzogin Alice am 13.06.1878: „I felt your sympathy in my work so deeply, you cared, not for the name & noise & outside, but for the people their hearts & their homes, you

190

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

stießen viele ihrer Ideen zunächst auf Skepsis. Den Widerstand, auf den sie häufig traf, schildert wohl treffend eine Episode aus den Erinnerungen ihres Sohnes. So entgegnete ein führender Beamter der sich für den Kanalausbau Darmstadts einsetzenden Alice: „Wir wollen nicht solche Ideen, Königliche Hoheit. Das ist Luxus, wenn jeder ein Bad haben kann. Ich habe mich noch nie gebadet und bin doch rein. Das sind alles neumodische englische Ideen.“812 Aber Alice ließ sich nicht beirren. In den 16 Jahren, die sie in Darmstadt verbrachte, setzte sie sich hauptsächlich auf dem Gebiet der Krankenpflege und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen ein.813 So wurde sie Vorsitzende der Heidenreich-Stiftung für Wochenpflege, die sich für arme Wöchnerinnen einsetzte – dabei half sie sogar selbst inkognito armen Frauen –, sie gründete das Alice-Stift für Schwach- und Blödsinnige mit einer angegliederten Pflegerinnenschule, den Alice-Frauenverein für Krankenpflege und für die Ausbildung von Pflegerinnen, den Alice-Verein für Frauenbildung und Erwerb, die Alice-Schule für Frauenbildung und Erwerb, eine Näh- und Kochschule sowie den Alice-Bazar für Näharbeit. 1872 fand unter ihrem Vorsitz die Erste Generalversammlung der deutschen Vereine zur Verbesserung der Erziehung, Bildung, Erwerbstätigkeit und gesellschaftlichen Stellung der Frauen im Neuen Palais in Darmstadt statt. Alice’ Wirken muss dabei in zweierlei Hinsicht als neuartig betrachtet werden.814 Zum einen agierte sie mit einer bisher nicht dagewesenen Professionalität und Systematik: Nicht nur sollten die Frauen bestärkt und geschult werden, um beispielsweise durch Näh- und andere Heimarbeiten für einen eigenen Verdienst sorgen zu können. Zugleich bot der Alice-Bazar ihnen eine Absatzmöglichkeit für die hergestellten Produkte. Zudem war Alice stets bemüht, Gelder bei Industrie und Gewerbe für ihre verschiedenen Projekte einzuwerben, welche nur in geringem Umfang aus der – ohnehin meist eng bemessenen – großherzoglichen Kasse bezahlt wurden. Vielmehr sollte die großherzogliche finanzielle Beteiligung als Ansporn für andere Adlige und Bürgerliche dienen, es der ersten Familie des Landes gleichzutun. Mit dieser Strategie war Alice ihrer Zeit voraus und setzte neue Maßstäbe im Bereich der Wohltätigkeit.815 Für eine noch größere Breitenwirkung ihrer Arbeit gründete sie daher Komitees, die sie hälftig mit Damen aus Adel und Bürgertum besetzte.816

812 813 814

815 816

remembered the people themselves & cared for them.“ Octavia Hills Werk On the homes of the London poor wurde 1878 im Auftrag von Alice ins Deutsche übersetzt, vgl. Octavia Hill: Aus der Londoner Armenpflege, Wiesbaden 1878. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 54. Vgl. hier und die folgenden Angaben Marx: Das Erbe, 2009, S. 157–163, sowie Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 53 f. Alice’ Wirken steht durchaus in einer Tradition der frühen Frauenbewegung, welche die Wohltätigkeit des Einzelnen von der planmäßig organisierten Wohlfahrt für Bevölkerungsgruppen unterscheidet, vgl. Alice Salomon: Leitfaden der Wohlfahrtspflege, Wiesbaden, 3. Aufl., 1928, S. 2. Den Studien Monika Wienforts zufolge setzte diese Entwicklung im übrigen Adel erst um 1900 ein, vgl. Wienfort: Gesellschaftsfrauen, Gutsfrauen, 2004, S. 183. Alice an Königin Victoria, 02.01.1866, zitiert nach Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to, 1885, S. 200.

5.2 WOHLTÄTIGKEIT

191

Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass von Alice’ Einrichtungen Menschen aller Konfessionen profitieren konnten – ihre eigene Schwiegermutter, Elisabeth, hatte dagegen immer nur auf einer Förderung von Protestanten bestanden.817 Überhaupt sollte gerade der Alice-Bazar möglichst alle Schichten des Landes einbinden – mit Erfolg, wie sie ihrer Mutter berichten konnte: „There have been crowds these two days, as in England: something quite unusual for the quiet inhabitants of this place. They have shown so much zeal and devotion that I am quite touched by it, as I am more or less a stranger to them.“818 Andererseits war aber auch Alice’ persönlicher Einsatz außerordentlich hoch. So stellte sie für den ersten Alice-Bazar selbst Produkte her und verkaufte diese zusammen mit ihrem Mann,819 pflegte während der Kriege 1866 und 1870/71 zahlreiche Verwundete in den Lazaretten und war auch sonst häufig in den von ihr begründeten Einrichtungen zugegen. Auffällig ist, dass sie ebenso ihre Kinder zu dieser Nächstenliebe erzog. So schilderte ihr Sohn, wie sie nicht nur an Weihnachten Geschenke in die Krankenhäuser brachten, sondern jeden Sonntag mit frischen Blumen in die Spitäler gingen, um so die Scheu vor den Kranken zu verlieren und Mitleid für diese zu entwickeln.820 Alice’ spätere Schwiegertochter, Großherzogin Eleonore, war gleichfalls im Bereich der Wohltätigkeit sehr engagiert. So übernahm sie nicht nur die Schirmherrschaften über Alice’ Vereine, sondern gründete zusammen mit ihrem Mann auch die Großhessische Zentrale für Mutter- und Säuglingsfürsorge, die die hohe Säuglingssterblichkeit senken sollte. Seit 1908 initiierte sie den Verkaufstag der Großherzogin, der jährlich in einer anderen hessischen Stadt abgehalten wurde und an deren Verkauf von unterschiedlichsten Gebrauchsgegenständen – gesponsert durch die städtischen Gewerbe – sich jedes Mal die großherzogliche Familie beteiligte. Jeder dieser Tage brachte fast 60.000 Mark Gewinn, der zugunsten der Tuberkulosekranken gespendet wurde.821 Während des Ersten Weltkrieges setzte sich die Großherzogin für den Einsatz eines Lazarettautos ein.822 Im Frühjahr 1915 ging sie sogar so weit, dass sie unter dem Pseudonym Marie Starkenburg als Krankenschwester mehr als einen Monat mit dem Lazarettzug verschiedene Lazarette in Frankreich aufsuchte, um dort vor Ort neue Verbandmaterialien zu verteilen, aber auch um Verwundeten zu helfen.823 Dass ihr die verschiedenen Wohltätigkeitsaufgaben eine Herzensangelegenheit waren und sie für diese Arbeit auch geschätzt wurde, ist daran zu sehen, dass sie auch nach der Absetzung ihres Mannes 1918 die Präsidentschaft des Alice-Frauenvereins behielt, den Verband der Freundinnen junger Mädchen leitete und sich 817 818 819 820 821 822 823

Vgl. Marx: Das Erbe, 2009, S. 155. Alice an Königin Victoria, 07.04.1866, zitiert nach Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to, 1885, S. 208. Vgl. Alice an Königin Victoria, 07.04.1866, zitiert nach ebd., S. 208. Vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 53 f. Vgl. ebd., S. 156 f. Vgl. ebd., S. 148. Vgl. HStAD, D 24, 41/7; HStAD, D 24, 43/6.

192

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

besonders um Kinder, Heranwachsende, Studenten, den verarmten Mittelstand, arbeitslose Künstler und Angehörige freier Berufe kümmerte.824 Der Erste Weltkrieg führte nicht nur in Darmstadt, sondern auch an anderen bundesfürstlichen Höfen zu zahlreichen Wohltätigkeitsaktionen seitens der weiblichen Mitglieder der Herrscherhäuser. Besonders in München waren das Engagement Königin Marie Thereses und ihrer Töchter und Schwiegertöchter sehr groß. Diese stellten nicht nur Schlösser für die Pflege der Verwundeten bereit und besuchten bayernweit zahlreiche Lazarette, sondern arbeiteten zum Teil auch täglich als Krankenschwestern. Darüber hinaus sammelten sie besonders zu Weihnachten Liebesgaben als Geschenke für Front- und verwundete Soldaten, die dann Schokolade, Zigaretten oder Zigarren zusammen mit einem Bild des Königs oder des Kronprinzen geschenkt bekamen, was einer direkten Werbemaßnahme für die Monarchie entsprach.825 Des Weiteren wurden die Nibelungensäle der Münchner Residenz in eine Werkstatt für Frauen umgewandelt, wo diese zahlreiche Handarbeiten für die Front herstellen konnten.826 Auch diese Frauen wurden häufig von Königin und Prinzessinnen besucht, die auf diese Weise die Kriegsanstrengungen der Heimatfront moralisch unterstützen wollten. Zum Zusammenhalt an der Heimatfront hatte die Königin bereits zu Beginn des Krieges an alle Frauen Bayerns in einem Aufruf appelliert, womit sie sich selbst in den Bereich monarchischer Öffentlichkeitsarbeit einbrachte.827 Zuweilen ging der Hof diesbezüglich auch ungewöhnliche Wege: Prinzessin Hildegard war für ihre Kaninchenzucht bekannt, deren Nachahmung sie den Münchnern zur Überwindung von Nahrungsengpässen ans Herz legte. Jeden Sonntag konnten die etwa 100 Tiere der Prinzessin besichtigt und Informationen über die Zuchtmöglichkeiten eingeholt werden. Hildegard ließ sich sogar mit ihren Kaninchen fotografieren und vertrieb die Bilder als Postkarten, deren Erlös entweder Kriegsinvaliden oder Menschen, die auch eine Zucht gründen wollten, zugutekam.828 Dieser Einsatz zahlreicher bundesfürstlicher Frauen an der Heimatfront war für die Popularität der Monarchie überaus wichtig und gewinnbringend. Die Fürstinnen und Prinzessinnen erfüllten damit einerseits den an sie gestellten Tugendkatalog, andererseits trugen sie erheblich zur Sichtbarkeit der Monarchie im öffentlichen Raum bei. Beide Elemente waren wichtig für die monarchische Legitimation. Zudem zeigt der Einsatz der adligen Frauen, dass der Vorwurf, angesichts der Kriegsschrecken die Rolle des empathischen Trostspenders verweigert zu haben, nicht haltbar ist.829 824 825 826

827 828 829

Vgl. Darmstädter Echo 23.11.1968. Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 217–233. Vgl. Martha Schad: „Verehrt und geliebt von allen treuen Bayern“. Die lang ersehnte katholische Landesmutter: Königin Marie Therese, in: Leutheusser u. a.: König Ludwig, 2014, S. 33–52, hier S. 47. Dieser Aufruf vom 02.08.1914 ist nachzulesen bei ebd., S. 45 f. Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 201. Vgl. Lothar Machtan: Der erstaunlich lautlose Untergang von Monarchie und Bundesfürstentümern – ein Erklärungsangebot, in: Alexander Gallus (Hrsg.): Die vergessene Revolution von 1918/19, Göttingen 2010, S. 39–56, hier S. 48.

5.3 ZWISCHENFAZIT

5.3

193

Zwischenfazit

Dass es seit 1850 in den Bundesstaaten wieder zu einem Anstieg herrschaftlicher Landesreisen kam, lag zum einen an den verbesserten Verkehrsbedingungen, zum anderen aber an dem gestiegenen Bewusstsein, dass die persönliche Begegnung mit dem Landesherrn zu den wirkungsvollsten Elementen monarchischer Öffentlichkeitsarbeit gehörte. Auch beeinflusst von der politischen Stellung der Bundesfürsten und deren Herrschaftsverständnis waren die hier vorgestellten Besuche in der Peripherie einer Wandlung von der Inspektions- hin zur Repräsentationsreise unterworfen. Erstere war Ausdruck einer paternalistisch geprägten Rolle des Königs, Letztere verkörperte dagegen den sich vollziehenden Bedeutungswandel der Bundesfürsten von souveränen Herrschern hin zu symbolischen Identifikationsfiguren. Eng verbunden mit den monarchischen Besuchen war ein Konkurrenzkampf der einzelnen Ortschaften, Fabriken sowie sozialen und kulturellen Einrichtungen um die königliche Aufmerksamkeit. Um 1900 gingen allerdings die Erwartungen der Untertanen im vorgestellten Beispiel Sachsen und die tatsächliche Präsenz des Königs weit auseinander, sodass vermehrt Kritik an der Gestaltung und Kürze der Besuche aufkam. Da die Behörden vor Ort wie auch in der Residenz Dresden jedoch die öffentliche Stimmung und die Zeitungsmeldungen über die Landesreisen genau beobachteten, waren sie in der Lage, auf diese negativen Einschätzungen zu reagieren, sodass die letzten Reisen des sächsischen Königs vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wieder positiver rezipiert wurden und ein letztes Mal die Bindung zwischen Landeskindern und angestammtem Herrscherhaus im Moment des königlichen Besuchs gefestigt wurde. Auch die von den adligen Frauen zunehmend praktizierte Wohlfahrtsfürsorge bot direkte Kontaktmöglichkeiten zwischen Mitgliedern der bundesfürstlichen Häuser und den Untertanen. Während um 1850 dabei aber häufig die Sorge um die Bewohner des Landes sich nur in Einzelprojekten erschöpfte, professionalisierte sich die bundesfürstliche Wohltätigkeit in den Folgejahren zunehmend. Vereinsgründungen und die Errichtung zahlreicher karitativer Einrichtungen unter dem Protektorat der Monarchinnen nahmen dabei stetig zu und wirkten sich positiv auf das Image der fürsorgenden Landesmutter aus. Die nun unter der Schirmherrschaft der Fürstin entstehenden Kranken- und Waisenhäuser oder Bildungsinstitute erforderten zunehmend auch deren Präsenz vor Ort, sodass Landesreisen vermehrt von allen Beteiligten der bundesfürstlichen Familien wahrgenommen wurden und nicht mehr nur ausschließlich Aufgabe des Landesherrn waren.830

830

In Sachsen wurden beispielsweise im Erzgebirge 1897 die Heilstätte Albertsberg für männliche Lungenkranke, 1900 Carolagrün für weibliche Patienten gegründet. Beide Einrichtungen waren nach dem sächsischen Königspaar benannt, die Einweihung Carolagrüns erfolgte unter der Anwesenheit Königin Carolas, vgl. Der Sächsische Heilstättenverein für Lungenkranke und seine Anstalten, Dresden 1929, S. 22, 32.

194

5. ZUR LEIBLICHEN PRÄSENZ DER BUNDESFÜRSTEN

Insgesamt nahm die leibliche Präsenz aller Mitglieder der bundesfürstlichen Familien im Untersuchungszeitraum stark zu, sodass sich durchaus allen Untertanen die Möglichkeit bot, ihren Landesherrn oder dessen Angehörige persönlich zu erleben. Die Möglichkeiten dazu waren bald nicht mehr nur auf Reisen, Fabrikbesuche sowie Wohltätigkeitsveranstaltungen begrenzt, sondern wurden immer mannigfaltiger. Zu Konzerten, Vorträgen, Kunstausstellungen, Grundsteinlegungen, Kirchweihen und anderen Einweihungen wurde der Monarch eingeladen und versäumte es nicht, wenn er persönlich verhindert war, zumindest ein Familienmitglied zu entsenden.831 Das Bewusstsein, dass in der eigenen Sichtbarkeit für alle Untertanen eine maßgebliche Legitimation der eigenen Herrschaft lag, war bei allen Bundesfürsten vorhanden. Da der leiblichen Präsenz trotz allem Grenzen gesetzt waren, wurde, wie das folgende Kapitel zeigt, die Sichtbarkeit in Wort und Bild ebenfalls verstärkt.

831

Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs III., Nr. 3.

6.

Zur Inszenierung der Bundesfürsten in Wort und Bild

6.1

Monarchische (Selbst-)Darstellung in Schriftform: Veröffentlichte Briefe, Biografien und Memoiren

6.1.1

Die Veröffentlichung der Briefe der Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein

Eine ungewöhnliche öffentlichkeitswirksame Maßnahme – welche die ausgeprägten Bemühungen des hessischen Hofes im Hinblick auf eine monarchische Popularitätssteigerung belegt – stellte die Veröffentlichung der Briefe von Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein an ihre Mutter, Königin Victoria, dar. Die anfangs mit nur wenigen Sympathien bedachte englische Prinzessin hatte zahlreiche wohltätige Einrichtungen im Bereich der Krankenpflege sowie der Frauenbildung und -erwerbstätigkeit angeregt.832 Den endgültigen Status der hingebungsvollen Frau und personifizierten Nächstenliebe erhielt sie durch ihren frühen Tod im Alter von 35 Jahren, der sie nach der Pflege ihrer schwer an Diphterie erkrankten Familie am 14. Dezember 1878 ereilte. Nur etwas mehr als vier Jahre nach ihrem Tod wurden auf Wunsch des Großherzogs Ludwig IV. große Teile des Briefkonvoluts seiner Frau an ihre Mutter Königin Victoria, die hierzu ihre Genehmigung erteilt hatte, ins Deutsche übersetzt und 1883 von der Darmstädter Hofdruckerei Wittich veröffentlicht. Eine englische Ausgabe in der Originalsprache der Briefe erschien zwei Jahre später, begleitet von einem Vorwort der Schwester der Verstorbenen, Prinzessin Helena, welches einen Einblick in die Motivation des Großherzogs gewährte. Dessen Ansinnen sei es gewesen, dass die Briefe einen Blick auf das Wesen seiner verstorbenen Frau ermöglichten „so that her subjects might see in them how great reason they had to love her whom they had lost“.833 Auch das Vorwort der deutschen Ausgabe hob hervor, dass Alice „eine nach Anlage und Leistung zu bedeutende Erscheinung unter den Zeitgenossen“ gewesen sei, als dass man diese posthume Würdigung versäumen dürfe.834 Des Weiteren

832 833 834

Vgl. Kapitel 5.2. Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to, 1885, S. 6. Alice, Mittheilungen, 1883, S. V. Dass Alice durchaus auch schon vor der Veröffentlichung ihrer Briefe als Vorbild wahrgenommen wurde, lässt sich beispielsweise daran sehen, dass die 1872 geborene, spätere Sozialreformerin Alice Salomon nach der hessischen Großherzogin benannt wurde, da diese „eine ergebene und liebende Tochter war, ein leuchtendes Vorbild“, Alice Salomon: Charakter ist Schicksal. Lebenserinnerungen, Weinheim 1983, S. 12.

196

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

sollten die Briefe nicht nur die Anerkennung für die Fürstin wecken, sondern vielmehr auch für die „vortreffliche[…] Frau, deren Eigenschaften eine vorbildliche Bedeutung haben für Alle ihres Geschlechtes, wess Namens oder Standes sie auch sein mögen“.835 Aus diesem Grunde wünschte man der Briefedition Eingang „in manches Haus der alten und neuen Heimath Derjenigen, von der es handelt, weil es geeignet ist, zu lehren, wie die einfachen Tugenden eines echt weiblichen Charakters allen Glanz weltlicher Ehren überstrahlen“.836 Dieses weit über das übliche Maß der Herrscherpanegyrik hinausgehende Lob der Briefverfasserin weckt eine große Erwartungshaltung in Bezug auf die abgedruckten Briefe, welche natürlich nicht zur Gänze ediert wurden. Aufgrund des kurzen zeitlichen Abstands zur Abfassung wurden viele Bezüge zu lebenden Personen unkenntlich gemacht oder weggelassen. Auch wurden zu persönliche Äußerungen gestrichen, sodass durch diese Auswahl die Idealgestalt Alice bestärkt werden konnte. Trotz allem gaben die Briefe mehr preis, als vielleicht zu erwarten gewesen wäre. So enthält der Band zahlreiche Auskünfte über die militärischen Geschehnisse 1866 und 1871, die politischen Ansichten ihres Mannes Ludwig (IV.) und natürlich ihre Beziehungen zu diesem und ihren Kindern. Für den Leser entstand dadurch der Eindruck, exklusive Einblicke in das Leben der hessischen Fürstenfamilie zu bekommen, die angesichts der Tatsache, dass die meisten Ereignisse erst gut eine Dekade alt waren und ein Großteil der Protagonisten noch lebte bzw. wie Alice’ Kinder gerade erst das Erwachsenenalter erreicht hatten, umso aufschlussreicher waren. Prinzipiell war das Veröffentlichen von Briefen und Memoiren von Herrscherpersönlichkeiten nichts Ungewöhnliches – der Abstand betrug dabei aber meist weit mehr als dreißig Jahre, sodass fast alle der erwähnten Personen schon tot waren.837 Anscheinend hatte aber Ludwig IV. durch die Veröffentlichung der Briefe kurz nach Alice’ Tod das Informationsbedürfnis seiner Untertanen angesichts intim erscheinender Einblicke in das großherzogliche Familienleben richtig eingeschätzt. Bereits ein Jahr später hatte der Briefband die siebte Auflage erreicht, es folgte 1885 die englische Ausgabe und ein Jahr später abermals eine deutsche Auflage. Dass die Editionen breit rezipiert wurden, zeigt sich auch an der Tatsache, dass in vielen Zeitungsartikeln immer wieder aus den Briefen zitiert wurde, da durch diese Informationen aus erster Hand der Eindruck der Authentizität der Mitteilungen bestärkt werden konnte.838 Ein typisches Beispiel, welches auch einen Eindruck von Alice’ Fürsorge vermittelt, stellt dabei folgende Briefpassage dar, in 835 836 837

838

Alice, Mittheilungen, 1883, S. VI. Ebd., S. VII. Ein Beispiel ist der 1911 herausgegebene Briefwechsel König Johanns von Sachsen mit den preußischen Königen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Vor allem mit Ersterem war er eng befreundet, sodass die Briefe auch viele private Eindrücke vermitteln, Johann von Sachsen u. a., Briefwechsel, 1911. Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 2652, 28.04.1894, S. 447; Neue Hessische Volksblätter, 12.09.1902.

6.1 MONARCHISCHE (SELBST-)DARSTELLUNG IN SCHRIFTFORM

197

welcher Alice über ihre Arbeit bei der Heidenreich-Stiftung für arme Wöchnerinnen berichtet, deren Protektorin sie war: „Vor einigen Tagen ging ich incognito mit Christa [von Schenk zu Schweinsberg, ihre Hofdame, A. S.] zu einer solchen armen Wöchnerin in der Altstadt, und welche Mühe hatten wir, bis wir das Haus fanden. Endlich ging es durch einen kleinen, schmutzigen Hof, eine dunkle Leiter hinan, in eine kleine Stube, wo in einem Bette die arme Frau und ihr Baby lagen; in dem Raum waren noch vier Kinder, der Mann, zwei andere Betten und ein Ofen. Uebrigens war kein übler Geruch in der Stube, noch war es schmutzig. Ich schickte Christa mit den Kindern hinunter, dann kochte ich mit dem Manne etwas für die Frau, machte ihr das Bett ein wenig in Ordnung, nahm ihr das Baby ab, badete seine Augen, die recht bös waren – das arme kleine Ding – und legte überall Hand an. Ich ging zweimal hin. Die Leute kannten mich nicht, und sie waren so nett, gutmüthig und rührend anhänglich unter sich; es that dem Herzen wohl, in solcher Armuth so richtiges Gefühl zu finden. Der Mann war arbeitslos, die Kinder waren noch zu jung, um in die Schule gehen zu können, und bei ihrer Niederkunft hatten sie nur vier Kreuzer im Hause. Denke dir dieses Elend und Missgeschick! Wenn man nie irgendwelche Armuth sieht und immer nur unter Hofleuten lebt, tritt die Herzlichkeit in den Hintergrund, und ich fühlte das Bedürfniss [sic], das wenige Gute zu thun, was in meinen Kräften liegt.“839

An dem Wahrheitsgehalt der Geschichte sowie überhaupt an Alice’ großem Engagement für ihre zahlreichen Vereine und Stiftungen gibt es keinen Grund zu zweifeln. Allerdings war erst der veröffentlichte Briefwechsel in der Lage, der Arbeit der Prinzessin die notwendige Aufmerksamkeit und Würdigung zu verschaffen, da ansonsten viele ihrer Initiativen unbekannt geblieben oder in Vergessenheit geraten wären. In Bezug auf die wiedergegebene Szene bat sie etwa ihre Mutter explizit darum, niemandem davon zu erzählen, und erwähnte zudem, dass die betreuten Menschen sie nicht erkannten. Posthum wollte Ludwig IV. daher tatsächlich sicherstellen, dass seine Untertanen erkannten, welche Fürstreiterin sie mit Alice verloren hatten.840 Indem er für dieses Ziel die Veröffentlichung ihrer Briefe wählte, entschied er sich für das authentischste Mittel, an welches keine noch so emphatische Biografie herangereicht hätte. Des Weiteren war der Briefwechsel nicht nur imstande, ein äußerst positives Licht auf Alice, sondern auch auf die restliche, noch amtierende großherzogliche Familie zu werfen. Das von vielen lokalen Zeitungen stets beschworene Mitfreuen und Mitleiden an Ereignissen im angestammten Herrscherhaus fand in Alice’ Briefen besonders geeignete Nahrung. So konnte der Leser indirekt etwa die Freude über Geburten und die Entwicklung der Kinder, aber auch die Trauer über Unglücksfälle – zwei Kinder starben sehr früh – nachvollziehen. Auch darüber hinaus vermittelten die Briefe stets den Eindruck, dass das Leben am Darmstädter Hof sich im Hinblick auf Wohlstand und Lebensstil kaum von dem eines bürgerlichen 839

840

Alice an Königin Victoria, 05.03.1864. Es wurde hier aus Gründen der Rezeptionsuntersuchung aus der in Deutschland gängigeren deutschen Version zitiert, Alice, Mittheilungen, 1883, S. 71 f. Vgl. die Absicht oben: „[S]o that her subjects might see in them how great reason they had to love her whom they had lost“, Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to, 1885, S. 6.

198

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Haushalts unterschied. So schrieb Alice etwa gleich zu Beginn ihres Lebens in Darmstadt: „Die Pläne für unser Haus sind gekommen, und selbst der einfachste geht über das, was wir arme Sterbliche bauen können.“841 Tatsächlich war mit dem „Haus“ aber das spätere Neue Palais in Darmstadt gemeint, auf dessen Bau als repräsentative Wohnstätte einer englischen Prinzessin Königin Victoria bestanden und den sie mitfinanziert hatte.842 Neben der Schilderungen von Alice’ Wirken und Leben enthielten die Briefe zudem immer wieder Anspielungen auf das den Fürsten auferlegte Pflichtgefühl zum Dienst am Wohle aller seiner Untertanen. Diese von Alice verfolgte Auffassung des Sinns der Monarchie klingt in den Briefen wie folgt an: „Ich fühle ganz dasselbe wie Du hinsichtlich der Verschiedenheit des Standes, und wie es vor Allem für Fürsten und Fürstinnen von Wichtigkeit ist, zu wissen, dass sie nicht besser als Andere sind, noch höher als Andere stehen, es sei denn kraft eignen Verdienstes, und dass ihnen nur die doppelte Pflicht obliegt, für Andere zu leben und ihnen ein Beispiel zu geben, gut und bescheiden zu sein – und ich hoffe, meine Kinder werden so heranwachsen.“843

Dieses von Alice vertretene Legitimitätsverständnis beruhte zum einen auf der Erziehung durch ihren Vater Prinz Albert,844 zum anderen aber auf ihren eigenen Studien. Durch die Veröffentlichung dieser Briefpassagen adaptierte die hinterbliebene hessische Großherzogsfamilie diese Programmatik ebenfalls für sich – der Hinweis auf diese Erziehung von Alice’ Kindern, darunter auch der zukünftige Großherzog Ernst Ludwig, war ja bereits vorgegeben. Die in Deutschland bisher in dieser Form nicht praktizierte Art der Veröffentlichung von intimen Schriftstücken, welche ihr Vorbild in Alice’ Mutter Victoria hatte, die noch zu Lebzeiten recht langatmige und eher uninteressante Tagebuchausschnitte aus ihren Schottlandaufenthalten publiziert hatte, war im Hinblick auf eine monarchische Inszenierung gleichwohl ebenso innovativ wie erfolgreich.845 Die lebensnahen Schilderungen Alice’ entfalteten eine nicht zu unterschätzende Wirkung und prägten nachhaltig das Bild der hessischen Großherzogsfamilie als besonders liberal, fortschrittlich, bodenständig sowie karitativ-fürsorglich um das Wohl der Landeskinder bemüht.846

841 842 843 844

845

846

Alice an Königin Victoria, 30.10.1862, zitiert nach Alice, Mittheilungen, 1883, S. 42. Vgl. Franz: Hof und, 1990, S. 164. Alice an Königin Victoria, 02.07.1870, zitiert nach Alice, Mittheilungen, 1883, S. 262. Vgl. Franz Bosbach/William Filmer-Sankey/Hermann Hiery/Thomas Brockmann (Hrsg.): Prinz Albert und die Entwicklung der Bildung in England und Deutschland im 19. Jahrhundert, München 2000. Vgl. Victoria von Großbritannien: Leaves from the Journal of Our Life in the Highlands, from 1848 to 1861. To which are prefixed and added extracts from the same Journal giving an account of earlier visits to Scotland, and Tours in England and Ireland, and yachting excursions. Edited by Arthur Helps, London, 2. Aufl., 1868. In gleicher Art und Weise sind die zu Lebzeiten unveröffentlichten Memoiren ihres Sohnes Ernst Ludwig geschrieben. Auch dieser gibt zahlreiche Beispiele in Bezug auf die volksnahe

6.1 MONARCHISCHE (SELBST-)DARSTELLUNG IN SCHRIFTFORM

6.1.2

199

Monarchische Jubiläumsschriften

Zwar gab es keinen anderen Hof, der solche privaten Einblicke aus erster Hand in das tägliche Leben der höchsten Familie des Landes gewährte wie der hessische. Dies bedeutete aber nicht, dass das Medium Buch, genauer gesagt die verschriftlichte Lebensbeschreibung, nicht genutzt wurde. Memoriaschriften, etwa aus Anlass des Ablebens eines Herrschers, gab es schon seit der Frühen Neuzeit. Diese Funeralschriften huldigten dem ehemaligen Landesherrn und fassten seine Taten und Werke als Andenken für die Nachwelt zusammen.847 Im 19. Jahrhundert kamen nun aber neue Ereignistypen auf, die schon zu Lebzeiten eines Fürsten Anlass für solche Schriften boten: diverse Jubiläen, die sich auf Lebens-, Regierungs-, Militär- oder Ehezeit bezogen.848 Nicht selten wurden zu solchen Anlässen Festschriften von dem Hofe nahestehenden Personen herausgegeben oder von diesem selbst in Auftrag gegeben, die je nach Anlass durchaus auch den stärkeren Umfang einer detaillierten Biografie annehmen konnten.849 Diese Anlassschriften gab es besonders häufig in Bayern und Sachsen,850 vereinzelt aber auch in Hessen851 und Sachsen-Coburg und Gotha.852 In Sachsen war beispielsweise eine sehr umfangreiche Materialsammlung anlässlich des 50-jährigen Militärjubiläums König Alberts853 sowie eine Lebensbeschreibung seiner Frau Carola anlässlich des gemeinsamen 25-jährigen Regierungsjubiläums erschienen. Gerade Letztere gab auch Einblicke in das Privatleben des Königspaares. So wurde der Ablauf des königlichen Jahres, der Aufenthalt in den unterschiedlichen Schlössern sowie deren Innenausstattung beschrieben.854 Ähnlich wie im Falle Alice’ wurde auch hier die Möglichkeit genutzt, die Königin als gütige, das Einfache bevorzugende Frau darzustellen. Im Unterschied zu Alice, deren Schilderungen stets authentisch erschienen – es handelte sich ja auch um eigene Briefe an ihre Mutter –, wirkten allerdings die Beschreibungen von Carolas Wohltätigkeit aus der Hand eines sächsischen Militärs eher konstruiert und steif.

847 848 849 850 851

852 853 854

Lebensweise der Fürstenfamilie sowie ihre dadurch erwachsende Popularität, vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 21–54. Vgl. Schmidt: Tod, 2002, S. 36, 42. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005. Vgl. ebd., S. 277 ff. Einen ausführlichen Überblick über die diversen Schriften zu den zahlreichen Jubiläen in Bayern und Sachsen gibt ebd., S. 333–343. Vgl. Hans R. Fischer: Ein moderner Regent: Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen und bei Rhein, Gießen 1912; Festschrift zum fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, Leipzig 1917. Vgl. Max Berbig: Zum siebzigsten Geburtstag Sr. Hoheit des Herzogs Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha. Ein Gedenkblatt für die Jugend, Friedrichroda 1888. Vgl. Georg von Schimpff: König Albert Fünfzig Jahre Soldat: Gedenkbuch zum fünfzigjährigen Dienstjubiläum Seiner Majestät des Königs, Dresden 1893. Vgl. Schimpff: Aus dem, 1898, S. 129–147.

200

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

So wurde etwa hervorgehoben, dass die Königin in ihrem Zimmer im Dresdner Schloss einen Eisschrank besaß, in welchem sie häufig eine extra angefertigte Essensportion aufbewahrte. Diese mussten dann ausgewählte Kranke unter ihrer Aufsicht zu sich nehmen, da nur so gesichert werden konnte, dass das Essen auch tatsächlich dem Kranken zukam und nicht innerhalb seiner Familie aufgeteilt wurde.855 Auch wurde erwähnt, dass sie trotz ärztlicher Warnungen, stundenlanges Häkeln würde die Augen verderben, gerade vor Weihnachten unermüdlich dieser Tätigkeit nachgegangen sei, da viele alte Frauen von ihr eine Gabe erwarteten. Ebenso amüsant wirkt der Satz: „Die Königin ist Meisterin im Einkochen von Früchten.“856 Immer wieder wurde hervorgehoben, dass das königliche Werkeln in ihrer „Hexenküche“ und das Herstellen von Desserts und Marmeladen nur dem Wohle der Kranken und Armen diene.857 Wenngleich die Beispiele nicht ganz zu überzeugen vermögen, war natürlich die Intention der Biografie Carolas die gleiche wie im Falle der hessischen Großherzogin: Die guten Werke der Königin sollten allen Untertanen bekannt gemacht werden und damit legitimierend für die Herrschaft ihres Mannes und des Hauses Wettin wirken. Darüber hinaus sollte auch durch dieses Buch das Interesse der Bevölkerung am Hofleben befriedigt werden. Zugleich wirkte die Lebensbeschreibung als Medium einer zunehmend transparenten Herrschaft: Das Hofleben spielte sich nicht mehr ausschließlich in einem Arkanbereich ab, sondern konnte etwa bezüglich des Aufenthaltsortes des Herrschers durch jeden Untertanen – auch ermöglicht durch die Hofnachrichten der jeweiligen Zeitungen – nachvollzogen werden. Das hier vorgestellte Beispiel schilderte zudem ausführlich die Ausgestaltung dieser Aufenthaltsorte, die ab 1850 vermehrt von den Untertanen in Augenschein genommen werden konnten.858 Durch diese zunehmenden Einblicke bot sich dem Untertanen nun auch eine erste Kontrollmöglichkeit. Er konnte feststellen, ob die Herrscher gerade im Land oder auf Reisen und wie aufwändig die Schlösser gestaltet waren, in denen diese lebten. Außerdem konnte durch die Veröffentlichung des fürstlichen Jahresablaufes zumindest in Ansätzen nachvollzogen werden, ob der Herrscher seinen Zeigepflichten nachkam oder nicht. Diese zunehmende Transparenz war der sich entwickelnden bürgerlichen Öffentlichkeit im Sinne Habermas’859 geschuldet und bildete eine Grundbedingung für die wenngleich nur recht langsam aufkommende Kritik am Monarchen. Die hier kurz vorgestellte Biografie der amtierenden Königin von Sachsen – die eben im Unterschied zu früheren Lebensbeschreibungen nicht erst posthum erschien – beweist eine vorhandene Sensibilität des sächsischen Hofes gegenüber dieser nun potentiell vorhandenen Kritikmöglichkeit, indem er versuchte, diese im Vorfeld zu entkräften. Die Königin, die sich bescheiden und gütig ihrem Mann und ihrem Volk 855 856 857 858 859

Vgl. ebd., S. 130 f. Ebd., S. 153. Vgl. ebd., S. 153. Vgl. Kapitel 6.2.2.6. Vgl. Habermas, Strukturwandel, 2013 [1962].

6.1 MONARCHISCHE (SELBST-)DARSTELLUNG IN SCHRIFTFORM

201

gleichermaßen aufopferungsvoll widmete und dabei auch vor den einfachsten Aufgaben wie dem Früchteeinkochen zum Wohle ihres Landes nicht zurückschreckte, sollte von jeder Kritik ferngehalten werden. Angesichts ihres persönlichen Einsatzes, so die Intention des Verfassers, fiel es nicht mehr ins Gewicht, dass die Königin eigentlich ein Leben von Schloss zu Schloss eilend führte. Vielmehr wurde dieser Lebensstil als Anforderung des Repräsentationszwanges und der Pflichterfüllung neu gedeutet: „Die Ansprüche, welche an sie in ihrer hohen Stellung herantreten, sind groß, und vieles, was dem Fernstehenden als glänzendes Vergnügen erscheint, ist die Erfüllung nicht leichter Pflichten.“860 Mit dieser konsequenten Lesart des königlichen Lebens als Pflichterfüllung861 reihte sich die Biografie in die gängigen Deutungen des monarchischen Herrschens als Pflicht am Staate ein, die im 19. Jahrhundert neu- bzw. weiterentwickelt wurden. So sollte der Herrscher einem der Aufklärung folgenden Verständnis zufolge als „erster Diener“ des Staates sein Amt ausüben, das nun nicht mehr auf dem Gottesgnadentum, sondern auf einer Verfassung beruhte. Das konstitutionelle Verständnis der Monarchie sah in der Rolle des Königs nun weniger ein Vorrecht denn ein auszufüllendes Amt.862 Dieser zunächst auf Zuschreibungen seitens des vom Leistungsgedanken beherrschten Bürgertums zurückgehende Gedanke wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts dann immer häufiger auch Teil des königlichen Selbstverständnisses.863

6.1.3

Die Memoiren Herzog Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha

Einen besonderen Stellenwert innerhalb der monarchischen Selbstdarstellungen erlangte das Memoirenwerk Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha, welches von 1887 bis 1889 erschien und einen Umfang von fast 2000 Seiten hat.864 Durch die Veröffentlichung zu Lebzeiten des Herzogs nahm es innerhalb der verfassten Erinnerungen von Bundesfürsten, aber auch von anderen Politikern eine Sonderstellung ein. Die politischen Autobiografien erschienen zumeist erst nach dem Ableben des Autors oder lagerten, wie die Memoiren Maximilians II. von Bayern und Johanns von Sachsen, vom Großteil der Öffentlichkeit nicht rezipiert, im Archiv. Dass Ernst II. seine Lebensgeschichte einem breiten Publikum offenbaren wollte, spiegelt die Persönlichkeit des Herzogs sowie seinen Wunsch nach öffentlicher Aufmerksamkeit charakteristisch wider. Bereits im Vorwort des ersten Bandes gab er dem Leser aufschlussreiche Hinweise bezüglich seiner Motivation. Da er selbst – obwohl unbeabsichtigt – immer wieder in den Fokus der deutschen Geschichte geraten sei, stellten seine Erinnerungen gleichsam ein Abbild der deutschen Politik

860 861 862 863 864

Schimpff: Aus dem, 1898, S. 147. So heißt es etwa: „Die Königin besitzt den ernsten Geist des Pflichtgefühls“, ebd., S. 147. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 43. Vgl. ebd., S. 42; Wienfort: Monarchie in, 1993, S. 194–203. Vgl. Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha: Aus meinem, 1887–89.

202

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

des vergangenen halben Jahrhunderts dar. Aus der Kongruenz dieser Ereignisse kam er zu der Feststellung: „Ich kann mich nicht bestimmt finden, mir mein Recht verkümmern zu lassen, die Dinge darzustellen, wie ich dieselben erlebt, empfunden und mitbewirkt habe. Mir war ein halbes Jahrhundert hindurch Gelegenheit geboten, im Vordertreffen zu stehen, ich habe Vieles erfahren, die Ereignisse scharf beobachtet, und kein wirklicher Kenner der Zeit dürfte meinen bescheidenen Antheil an den Gestaltungen unseres Vaterlandes in Zweifel ziehen wollen.“ 865

Aufgrund seiner langen Lebensdauer und Beteiligung an zahlreichen Ereignissen sah Ernst sich seiner Ansicht nach geradezu verpflichtet, als Zeitzeuge eine historische Abhandlung vorzulegen, deren hauptsächlicher Zweck aber eigentlich darin bestand, die Bedeutung des Herzogs als herausragende historische Person des 19. Jahrhunderts zu vermitteln. Als solches ist das Memoirenwerk typisch für die zunehmende Beliebtheit von Autobiografien im 19. Jahrhundert.866 Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesfürsten genoss Ernst II. bedingt durch die Schlacht von Eckernförde 1849 sowie seine vielfältige Unterstützung von Turnern, Sängern und Schützen eine deutschlandweite Popularität, welche eine wichtige Voraussetzung für den Absatzerfolg einer autobiografischen Schrift war.867 Dass Ernst II. sein Memoirenprojekt professionell betrieb, belegt der am 27. Dezember 1879 mit dem Wiener Historiker Ottokar Lorenz geschlossene Vertrag über die Abfassung des Werkes. Dieser verpflichtete Lorenz zur literarischen Mitwirkung, sah die Bezahlung des Historikers vor und billigte ihm das Eigentumsrecht des Werkes gegenüber einem von Ernst bestimmten Verleger zu. Den Zeitpunkt der Veröffentlichung konnte der Herzog selbst bestimmen.868 Der sich in den Folgejahren anschließende Briefwechsel zwischen Lorenz und Ernst dokumentiert die kontinuierliche Zusammenarbeit der beiden. Wenngleich Lorenz sicherlich für den Großteil der Passagen hauptverantwortlich war, lassen sich immer

865 866

867

868

Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha: Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Bd. 1, Berlin 1887, S. VIII. Autobiografische Schriften gab es schon seit der Antike, im 19. Jahrhundert nahm aber das wissenschaftliche Interesse daran zu. Sie wurden zum einen als historische Quelle geschätzt, zum anderen aber auch gerne im Sinne der Unterhaltung gelesen, vgl. Georg Misch: Begriff und Ursprung der Autobiographie (1907/1949), in: Günter Niggl (Hrsg.): Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung, Darmstadt 1989, S. 33–54, hier S. 35, 39; Volker Hoffmann: Tendenzen in der deutschen autobiographischen Literatur 1890–1923. (Originalbeitrag 1980), in: Niggl: Die Autobiographie, 1989, S. 484. Vgl. Friedegund Freitag: Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und die Schlacht von Eckernförde am 5. April 1849, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 48 (2003), S. 69–208. Vgl. Rolf Brütting: Fürstlicher Liberalismus und deutscher Nationalstaat. Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha und der „Coburger Kreis“ im letzten Jahrzehnt des Deutschen Bundes 1857–1866, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung (1991) 36, S. 19–219, hier S. 190.

6.1 MONARCHISCHE (SELBST-)DARSTELLUNG IN SCHRIFTFORM

203

wieder Eingriffe Ernsts II. oder von diesem geforderte Überarbeitungen feststellen.869 Letztlich ist eine zweifelsfreie Klärung der Autorenschaft für alle einzelnen Abschnitte aber kaum möglich. Unbestritten dagegen ist der enorme Erfolg der Bände Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. Bereits zwei Monate nach der Veröffentlichung des ersten Bandes musste eine vierte Auflage publiziert werden und zahlreiche Zeitungen druckten ganze Passagen ab. Auch die Besprechungen des Buches waren zum Großteil geradezu euphorisch, nur vereinzelt gab es Kritik angesichts kleinerer Ungenauigkeiten.870 Um die Memoiren schließlich einem noch größeren Leserkreis zur Verfügung zu stellen, erschien 1892 eine preisgünstige, auf rund 600 Seiten gekürzte Volksausgabe, die inhaltlich alle drei Bände umfasste. War die Popularität des Herzogs eine wichtige Voraussetzung für die Veröffentlichung der Erinnerungen, waren diese wiederum in der Lage, jene noch zu steigern.871 Wenngleich das Werk heutigen wissenschaftlichen Standards nicht genügt, ist die Schilderung der meisten Begebenheiten ebenso wenig verfälscht, aber dennoch stark von der subjektiven Sichtweise des coburg-gothaischen Herzogs geprägt.872 In Bezug auf die von Ernst betriebene Inszenierung seiner Person sind die veröffentlichten Memoiren als eines der engagiertesten und am professionellsten ausgeführten Projekte monarchischer Öffentlichkeitsarbeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu bezeichnen. Zugleich sind sie symptomatisch für die polarisierende Person des Herzogs, der zahlreiche Bewunderer, aber auch ebenso viele erbitterte Kritiker hatte. Während Erstere durch Aus meinem Leben und aus meiner Zeit in ihrer Wahrnehmung bestätigt wurden, sahen viele, insbesondere andere Bundesfürsten, die Vermarktung der eigenen Lebensgeschichte sowie den immer wieder gesuchten Kontakt Ernsts zur Öffentlichkeit kritisch.873 Zuletzt sind die Memoiren aber ebenso Ausdruck der zunehmenden politischen Bedeutungslosigkeit des Herzogtums SachsenCoburg und Gotha, der sich Ernst II. sehr wohl bewusst war. Sein öffentlichkeitswirksames Engagement ist daher als erfolgreicher Versuch zu sehen, wenigstens auf der Ebene der Repräsentation weiterhin Geltung zu beanspruchen.

869 870 871

872 873

Dies hat Friedegund Freitag besonders im Hinblick auf die Darstellung der Schlacht bei Eckernförde 1849 herausgearbeitet, vgl. Freitag: Herzog Ernst, 2003, S. 154–164. Vgl. ebd., S. 165 f. Auf die Beliebtheit insbesondere beim weiblichen Publikum weist auch eine Karikatur des Kladderadatsch vom 9. September 1894 (47), Nr. 35, S. 4 hin. Diese ist auch abgedruckt bei Freitag: Herzog Ernst, 2003, S. 153. Vgl. Brütting: Fürstlicher Liberalismus, 1991, S. 190; Freitag: Herzog Ernst, 2003, S. 186. Vgl. Marburg: Europäischer Hochadel, 2008, S. 221 f.

204

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

6.2

Zur Inszenierung im Bild

6.2.1

Grundsätzliche Überlegungen

6.2.1.1 Zur Geschichte und Bedeutung des Herrscherbildes Als eines der ersten Porträts, welches die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe eines Menschen zum Ziel hatte, gilt in der Kunstgeschichte das Tafelbild des französischen Königs Johann II. (1319–1364), das um 1360 entstanden war.874 Dabei traten zeitgleich auch in anderen Ländern Porträts von Herrschenden auf, wie das Bildnis Herzog Rudolfs IV. von Österreich (1339–1365), welches um 1360–65 gemalt wurde. In Schriftquellen aus der Zeit um 1350 ist zudem von Herrscherporträts die Rede, die jenem von Johann II. geähnelt haben könnten.875 Somit kann man, abgesehen von der Antike, den Beginn der realistischen Porträtmalerei auf das 14. Jahrhundert datieren. Der erste Nachweis über eine beginnende Verbreitung des Herrscherporträts im öffentlichen Raum findet sich in der testamentarischen Bestimmung Kaiser Maximilians I. (1459–1519) vom 30. Dezember 1518, in der dieser anordnete, dass in jedem Spital ein Bild seiner Person mit einer Kerze als ewiges Licht anzubringen sei.876 Dass sich gerade zu dieser Zeit die erste bekannte Anordnung einer Bildverbreitung findet, lässt sich mit dem Aufkommen frühneuzeitlicher Territorialstaaten erklären, in denen die vormals unmittelbar erfahrbaren Herrschaftsverhältnisse stetig in vermittelte Herrschaftsausübung übergingen. Der mittelalterliche Personenverbandsstaat verschwand und wurde von einem nur noch vorgestellten staatlichen Ganzen abgelöst, welches als Einheit nicht mehr erfahrbar war. Neben der Entwicklung des Territorialstaates hatte sich aber auch das Verständnis des Herrscherbildes als solches gewandelt. Während im Mittelalter der Herrscher das imago Dei verkörperte und dadurch auf eine unsichtbare göttliche Ordnung verwies, erhielten die Herrscherbilder der Neuzeit mehr und mehr realistische Züge und verwiesen anstelle einer höheren Macht auf die Macht des Fürsten selbst. Wie Herfried Münkler konstatiert, wurde das mittelalterliche Konzept der Visibilität des Herrschers durch eine strategische Visualisierung ersetzt: Macht zeigte sich nicht mehr, sondern wurde gezeigt, d. h. vom Machthaber gekonnt in Szene gesetzt. Dies führte – im Gegensatz zu dem vorbehaltlosen Sich-Zeigen der mittelalterlichen Herrscher – zu einem inszenierten Spiel des Zeigens und Verbergens der nun selbstreferentiellen Macht. Gerade das bewusste und u. U. 874

875 876

Die folgenden Ausführungen beruhen auf Überlegungen meiner Magisterarbeit, Anja Schöbel: Zur Inszenierung im Herrscherporträt. Viktorianisches England und Deutsches Kaiserreich in vergleichender Perspektive, unveröffentlichte Magisterarbeit, Friedrich-SchillerUniversität Jena, 2011, S. 10–17. Vgl. Marco Bogade (Hrsg.): Kaiser Karl der IV. Ikonographie und Ikonologie, Stuttgart 2005, S. 27. Vgl. Martin Warnke: Bildwirklichkeiten, Göttingen 2005, S. 22.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

205

angedeutete Verbergen der Macht, welches ein „innerweltliches Geheimnis“ schuf, war durch den Verlust der unsichtbaren höheren Ordnung notwendig geworden.877 Diese nun unsichtbaren Elemente der Macht bezeichnet Münkler als Visibilitätsreserve, die zu einer notwendigen Bedingung des Machterhalts geworden war: Erst ein die Macht umgebendes Geheimnis ermöglichte die Übereignung derselben an einen oder mehrere und degradierte dabei die anderen zu Zuschauern dieses Wechselspiels. Die Visibilitätsreserve sollte ein Sichtbarwerden der Nacktheit des Herrschers verhindern, indem sie zum einen das bereits erwähnte Mysteriöse andeutete, zum anderen aber die Macht etwa mittels Malerei, an erster Stelle durch Herrscherporträts, oder Historiografie ästhetisch aufbereitete und fiktionalisierte. Nur dem Herrscher, dem es gelang, seine Visibilität in eine Visualisierung zu überführen, d. h. eine Strategie des Zeigens und Verbergens zu entwickeln, war es möglich, seine Macht abzusichern. Symbolisches Handeln, welches im Mittelalter noch identisch mit der Regierungshandlung war, wurde nun zu einer Strategie der Visualisierung der Macht.878 Auch das auf Repräsentation angelegte Herrscherbild ist als Teil dieser symbolischen Praktik zu verstehen. Es ist einerseits ein strategisches Mittel des Herrschenden, seine Macht zu demonstrieren, zu auratisieren und zu fiktionalisieren; andererseits bietet diese sinnlich erfahrbare Dimension seiner Herrschaft eine Grundlage für den Glauben an deren Legitimität. Seit der Aufklärung sollten diese Funktionen des Herrscherbildes noch wichtiger werden. Mit der Ablösung der Vorstellung vom Gottesgnadentum und der Hinwendung zur weiterhin legitimierenden Lehre des monarchischen Prinzips bot das Herrscherbild eine „sinnliche […] Konkretion, um über den Status eines theoretischen Konstrukts hinauszugelangen“.879 Es ist daher nicht verwunderlich, dass eine der ersten Handlungen eines neuen Souveräns darin bestand, ein Staatsporträt von sich anfertigen zu lassen. Gemäß seinem repräsentativen Charakter erfüllte dieses – unabhängig von der jeweiligen Ausführung – einen Stellvertretungsanspruch überall dort, wo die Staatsmacht zugegen sein sollte, der König aber nicht dauerhaft anwesend sein konnte. Dieser Adressatenkreis wurde in der Neuzeit immer größer und das Porträt wurde an die führenden Adligen verschenkt, an die Botschaften ins Ausland geschickt und in Ministerien, staatlichen Ämtern, Parlamenten, Rathäusern, Kasernen, Theatern, Museen, Universitäten und Schulen aufgehängt, um von der Allgegenwart des Monarchen zu zeugen. Dabei konnte das Herrscherporträt nur zu Lebzeiten des Herrschers seine volle Funktion erfüllen, wenn nämlich durch das Bild, in effigie,

877 878 879

Münkler: Die Visibilität, 1995, S. 224. Vgl. ebd., S. 222–226. Matthias Schwengelbeck: Monarchische Herrschaftsrepräsentationen zwischen Konsens und Konflikt: Zum Wandel des Huldigungs- und Inthronisationszeremoniells im 19. Jahrhundert, in: Andres u. a.: Die Sinnlichkeit, 2005, S. 123–162, hier S. 124.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

tatsächliche Herrschaft ausgedrückt wurde.880 Diese Stellvertretungsfunktion des Porträts zeigt sich auch in Bilderstürmen oder Bilderverehrungen. Wie weit dabei die Funktion der Stellvertretung reichte, belegen Vorfälle in Bayern. Dort wurde sogar für Vergehen gegen die fürstliche Autorität 1791 vom Münchner Rat ein Kniefall vor dem Bildnis des Kurfürsten gefordert und noch 1813 ist im bayerischen Strafgesetzbuch von „Majestätsbeleidigung zweiten Grades“ die Rede, wenn der Monarch bildlich verleumdet wurde. Neben einer ein- bis vierjährigen Arbeitshausstrafe wurde zudem eine „öffentliche […] Abbitte vor dem Bildnisse des Souverains“ als Wiedergutmachung gefordert.881 Dass der Stellvertretungsanspruch des Porträts aber auch noch im 20. Jahrhundert galt, sieht man etwa daran, dass in der Deutschen Botschaft in Paris ein Porträt Kaiser Wilhelms II. unter einem Baldachin hing, dem ein Thron zugewandt war, welcher die Präsenz des Herrschers in absentia versinnbildlichen sollte.882 Gerade diese politische Funktion ist für Herrscherbilder des 19. Jahrhunderts eminent. Wurden diese zunächst im Vergleich zu den prägenden Werken des Absolutismus als Rückschritt bzw. gar als Verfallsprodukt gewertet, da man sich nur auf die ästhetischen, nicht aber die politischen Funktionen des Bildes bezog, hat Rainer Schoch als Erster diese Bedeutung und den Wandel des Herrscherbildes im 19. Jahrhundert herausgearbeitet.883 Die Herrscherbilder des Absolutismus – erinnert sei nur an Rigauds bekanntes Porträt des Sonnenkönigs Ludwig XIV. (Abb. I) – wirkten ganz als portrait d’apparat. Es ging nicht darum, die Individualität des Abgebildeten, sondern einzig dessen Rang und Würde herauszustellen. Erreicht wurde dies durch eine Zurschaustellung von Pomp, herrschaftlichen Insignien und Attributen, die alle dem Ziel dienten, den Betrachter über die Taten des Gezeigten zu unterrichten und von dessen Größe und Bedeutung zu überzeugen. Dieser „rhetorisch-demonstrative Charakter“884 der Bilder wandelte sich im 19. Jahrhundert. Es ging nun in erster Linie nicht mehr darum, den Betrachter vom Rang des Gezeigten zu überzeugen – obgleich natürlich weiterhin kostbare Stoffe etc. gezeigt wurden –, sondern das Porträt sollte legitimierend wirken, indem es den Monarchen immer häufiger als Leistungsträger zeigte und somit der Erwartungshaltung des erstarkenden Bürgertums entsprach. Diesen neuen Anspruch thematisierte auch Hans-Georg Gadamer, welcher ebenfalls die Repräsentation des Herrschers als einen entscheidenden Bestandteil zur Erhaltung seiner Macht ansieht: „[W]eil der Herrscher, der Staatsmann, der Held sich zeigen und den Seinen darstellen muß, weil er repräsentieren muß, gewinnt das Bild eine eigene Wirklichkeit. Trotzdem liegt hier

880 881 882 883 884

Vgl. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 11. Zitiert nach ebd., S. 12. Vgl. Franziska Windt: „Preußisch, aber zugleich wahrhaft deutsch“. Herrscherporträts und Zeremonienbilder, in: Windt u. a.: Die Kaiser, 2005, S. 55. Vgl. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 9 f. Ebd., S. 20.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

207

ein Umschlagspunkt. Er selbst muß, wenn er sich zeigt, der Bilderwartung, die ihm entgegengebracht wird, entsprechen. Nur weil er derart ein Sein im Sichzeigen hat, wird er ja eigens im Bilde dargestellt.“885

Es genügte demzufolge nicht mehr, wenn sich der Herrscher seinem Geschmack folgend darstellen ließ, sondern er musste durch Verwendung bestimmter Darstellungsweisen wie Gesten, Kleidung und gezeigtes Milieu an die Betrachter des Bildes appellieren. Aus diesem Grund lassen sich durchaus Parallelen zwischen Herrschaftsbildern und bürgerlichen Porträts finden. Dies zeigt sich besonders im Aufkommen neuer Bildtypen, die den Funktionswandel des Herrscherbildes erkennen lassen. So entstanden neben dem Staatsporträt ab 1800 auch Familien-, Tugend- und Alltagsbilder des Herrschers, welche ihn beim Ausritt, der Jagd, bei Paraden, Empfängen und Reisen darstellten und somit die Bandbreite monarchischen Wirkens aufzeigen sollten.886 Das ebenfalls um diese Zeit entstandene Schreibtischporträt, aber auch das während des gesamten 19. Jahrhunderts prominente Uniformenporträt sollten dagegen explizit auf die Arbeit des Monarchen verweisen und seine Rolle als erster Diener des Staates unterstreichen. Durch diese neue Art der Inszenierung, welche versuchte, die Distanz zum Betrachter zu minimieren, und diesen in ein gleiches „Raum-Zeit-Verhältnis“ zum Monarchen setzte, bot sich dem Publikum das erste Mal eine Identifikationsmöglichkeit mit dem Herrscher, da dieser in gewissem Maße dem „Bürger zum Bilde“ wurde.887 Auch wurde nun vermehrt auf eine individuelle, weniger an ein Idealbild angelehnte Darstellung des Herrschers Wert gelegt, welche ihn mehr als Individuum denn als Träger des königlichen Amtes in den Blick nahm. Dies hatte nicht zuletzt den pragmatischen Grund, dass das Herrscherporträt nun auch einem Wiedererkennungswert gerecht werden musste, da die gestiegenen Zeigepflichten des Monarchen ihn einem immer größer werdenden Publikum bekannt machten.

6.2.1.2 Das Herrscherporträt als Symbol Die neuen technischen Entwicklungen im Druckbereich, die zu einer Massenreproduktion des Herrscherbildes führten, bis hin zur Erfindung von Fotografie888 und Film, welche nun einen bis dahin ungekannten, scheinbar realistischen Blick auf den Monarchen erlaubten, führten zu einer vermehrten Inanspruchnahme und einer gewandelten Bedeutung des Herrscherbildes.889 Erst durch diese Neuerungen war es möglich, ein einheitliches Herrscherbild zu schaffen, welches besonders 885 886 887 888 889

Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen, 2. Aufl., 1965, S. 135, Hervorhebungen im Original. Vgl. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 60 ff., 75. Pohl: Der Kaiser, 1991, S. 9. Zur Erfindung der Fotografie vgl. Kapitel 2.6. Die folgenden Ausführungen beruhen auf Überlegungen meiner Magisterarbeit, Schöbel: Zur Inszenierung, 2011, S. 17–21.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

durch immer wieder dargestellte, stereotype Posen einen Wiedererkennungswert bot, den Gemälde und Zeichnungen unmöglich erlangen konnten. Nicht also allein das allen zugängliche Bild, sondern das immer gleichbleibende Bild des Herrschers bot genügend Identifikationsmöglichkeiten für seine Untertanen. Dies zeigt besonders deutlich die in einem zeitgenössischen Zeitungsartikel geschilderte Anekdote über einen englischen Bauern, der, nach Victoria befragt, entrüstet äußerte, er würde nicht Steuern für sieben Königinnen zahlen.890 Zwar ist es für einen Bauern zu Beginn der Regentschaft Victorias schon erstaunlich genug, dass er sieben unterschiedliche Darstellungen seiner Königin kannte – ein Indiz für die Verbreitung des Herrscherbildes schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts –, aber es wird eben auch deutlich, dass diese Bilder für eine Beziehungsstiftung zum eigenen Monarchen nicht ihre volle Wirkung entfalten konnten. Dies änderte sich ab 1850 grundlegend. Durch die günstigen und technisch hochentwickelten Produktionsbedingungen kam es zu einer Bilderflut fürstlicher Porträts, die den öffentlichen Raum maßgeblich prägten. Der Monarch war somit nicht mehr nur Sujet einzelner Gemälde, sondern sein Antlitz zierte nun auch Postkarten, Preismedaillen, Zeitungen und Zeitschriften, Schokoladenbilder, Schaufensterauslagen, Denkmäler, aber auch private Wohnzimmer. Durch die Vervielfältigung bekannter Gemälde bzw. später der fotografischen Abzüge wurde nicht nur ein einheitliches Bild des Monarchen, sondern ein für alle Schichten gleiches Bild erzeugt, welches durch seine Nonverbalität zudem auch leichter verständlich war als alle auf Sprache gründenden Medien. Unabhängig davon, ob man in einer Amtsstube gemalte Porträts betrachtete, ob man eine Porträtfotografie als Geschenk des Monarchen im Goldrahmen mit eigener Unterschrift erhielt oder ob man sich schlicht eine Fotopostkarte an die Wand heftete – das Bild des Monarchen blieb stets einheitlich und unverwechselbar. Das Bild des Herrschers entwickelte sich dadurch zu einem Image des Herrschers, welches die „Ganzheit aus Informationen, Vorstellungen und Wertungen“,891 die man mit ihm verknüpfte, vereinte und zugleich zu einem Symbol der von ihm repräsentierten Gemeinschaft, im Falle der Bundesfürsten also des jeweiligen Bundesstaates, aufstieg. Gerade wenn man diese Bewohner der Bundesstaaten, dem Verständnis von Nation Benedict Andersons folgend, als imagined community, d. h. als vorgestellte Gemeinschaft mit gemeinsam vorgestellten bzw. erfundenen Werten, Erinnerungen und Zielen begreift,892 wird die symbolhafte Funktion des Herrscherbildes als gemeinsame Projektionsfläche dieser Werte, Erinnerungen und Ziele deutlich.

890 891 892

Vgl. Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 106. Köstler: Das Portrait, 1998, S. 14. Vgl. Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt/M. u. a. 1988, S. 15 ff.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

209

In Bezug auf das Herrscherbild ist der politikwissenschaftliche Symbolbegriff, der sich mit Blick auf die Wirkungsweise von Institutionen herausgebildet hat, besonders nutzbringend.893 Gerhard Göhler zufolge sind Symbole „solche Zeichen, die einen Sachverhalt in konzentrierter Form, zugleich mehrdeutig und interpretationsbedürftig und unter Einschluß der affektiven Komponente darstellen“.894 Bedingt durch ihre Mehrdeutigkeit können Symbole unterschiedliche Assoziationen auslösen, welche stets kontextabhängig sind und nach Person, Zeit und Gruppenzugehörigkeit variieren. Im Unterschied zum nur etwas designierenden Zeichen sind Symbole „Zeichen mit Überschußgehalt“.895 Rudolf Speth betonte, dass Symbole Zeichen für bestimmte Vorstellungen sind: „Das Symbol bringt etwas Abstraktes, etwas, was sonst entweder unbegreifbar oder diskursiv und zeitlich ausgedehnt zu erfassen ist, zur momentanen Evidenz und Darstellung.“896 Um ein im bezeichneten Falle regionalstaatliches Symbol jedoch zu erkennen, ist ein Symbolbewusstsein, genauer gesagt ein gemeinsamer „Resonanzboden an Grundvorstellungen und Werthaltungen“ notwendig.897 Ein Symbol muss demnach erst als Symbol erkannt werden. Dies ist für gewöhnlich dann der Fall, wenn der Eindruck entsteht, durch pragmatisches Verstehen noch nicht den gesamten Sinn eines Zeichens erfasst zu haben. Da sich gerade abstrakte Gesamtheiten, wie Staaten und Nationen, nicht mit endlichen Begriffen erfassen lassen, haben sie eine „Tendenz zur Anschaulichkeit“, d. h. zum Bild, welches in der Lage ist, ein höheres Sein zu beschwören: „Als politisches Symbol prägt sich damit die Mächtigkeit und Gesamtheit des sozialen Verbandes als Wirklichkeit und höheres (mächtigeres) Sein in das Bewußtsein seiner Mitglieder ein.“898 Auch der Philosoph Arnold Gehlen betonte den Zusammenhang zwischen symbolischer Darstellung und dem Bewusstsein. Während ein Bewusstseinsinhalt oft flüchtig sein kann, gewinnt er durch die sinnliche Konkretheit und Prägnanz eine neue Dimension, die nicht mehr an das Bewusstsein gebunden ist. Die Darstellung ist demnach in der Lage, dem menschlichen Bedürfnis nach Stabilität entgegenzukommen, da sie mehrere Bewusstseinsmomente in einer wirkungsmächtigeren Totalerscheinung symbolisch zusammendrängt: „Darin liegt die gewaltige Überlegenheit der Darstellung über den Begriff: die erstere handelt vom Sosein des Gegenstandes her und stellt es wirklich auf Dauer, und in diesem Handeln

893

894 895 896 897 898

Siehe dazu den Band: Gerhard Göhler (Hrsg.): Institution, Macht, Repräsentation. Wofür politische Institutionen stehen und wie sie wirken, Baden-Baden 1997, sowie auch die grundsätzlichen Überlegungen in: Paula Diehl/Felix Steilen (Hrsg.): Politische Repräsentation und das Symbolische. Historische, politische und soziologische Perspektiven, Wiesbaden 2016. Gerhard Göhler: Der Zusammenhang von Institution, Macht und Repräsentation, in: Göhler: Institution, Macht, 1997, S. 11–62, hier S. 23. Ebd., S. 30 f. Rudolf Speth: Symbol und Funktion, in: Göhler: Institution, Macht, 1997, S. 65–142, hier S. 70. Göhler: Der Zusammenhang, 1997, S. 31. Speth: Symbol und, 1997, S. 76.

210

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

wird die Stabilität der Welt selbst ins Bewußtsein gehoben. Der Begriff dagegen ›meint‹ nur etwas und verfliegt, wenn er nicht durch Außenstützung am Leben gehalten wird.“ 899

Die Sozialwissenschaften sehen Symbole als Teil der historischen und sozialen Existenz des Menschen an.900 Als Repräsentation eines bestimmen Sachverhalts haben sie die „Fähigkeit, Sinn zu stiften, Vorstellungen deutlich zu machen, die Emotionen anzusprechen und Ordnung zu erzeugen. Sie dienen der Selbstbeschreibung und Selbstauslegung der Gesellschaft, der Konstitution sozialer Realität.“901 So stehen beispielsweise auch die nationalen und regionalen Allegorien wie Germania, Bavaria und Saxonia symbolisch für die Einheit der repräsentierten Gesellschaft und ihrer kollektiven Vorstellungen und Werte. Da sie symbolisch eine Orientierungsfunktion ausüben, dienen sie der Integration der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft. Erst durch die Symbolisierung von Werten und Vorstellungen, d. h. ihre gesellschaftliche Objektivierung, gelingt es – so Emile Durkheim –, soziale Gefühle von Dauer zu erzeugen. Durkheim geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er davon ausgeht, dass Bilder und Symbole nicht mehr nur Vertreter der Gefühle, sondern diese selbst seien und eine geteilte Kollektivvorstellung eine Wirklichkeit der Gesellschaft sui generis erzeuge.902 Es verwundert daher nicht, dass sich in allen modernen Gesellschaften die Bildung von Kollektivsymbolen, wie etwa Flaggen, beobachten lässt. Diese sind ein Produkt der gesellschaftlichen Kommunikation; sie legen Zugehörigkeiten und Ausschlüsse fest und wirken dadurch komplexitätsreduzierend. Für soziale Zusammenhänge sind Symbole ebenso konstitutiv wie beispielsweise staatliche Willensbeziehungen, da eine Gesellschaft, um zu funktionieren, ein gemeinsames Mindestmaß an Identifikation und kollektiver Identität benötigt.903 Diese Totalität wird über Symbole vermittelt, die besonders die emotionalen und affektiven Aspekte des Gemeinschaftserlebnisses aufnehmen. Welche Bedeutung ihnen dabei zukommt, wird besonders bei Pierre Bourdieu deutlich, nach dessen Ansicht sich Symbole entweder naturwüchsig herausbilden oder aber aus politischen Kämpfen als neue Leitideen hervorgehen. Diejenige Gruppe, die sich in einer Gesellschaft durchsetzt, liefert auch die herrschenden Symbole und bestimmt dadurch zu einem gewissen Teil die Wahrnehmung der sozialen Realität. Symbole können, Bourdieus Theorie zufolge, auch eine legitimierende Funktion besitzen, indem sie Gewohnheiten etablieren, Einheit

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Gehlen nennt dies die „Außenwelt-Stabilisierung“ der Darstellung: Arnold Gehlen: Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, Frankfurt/M., 6. Aufl., 2004 [1956], S. 60–63, Zitat S. 63; vgl. Speth: Symbol und, 1997, S. 83. Vgl. ebd., S. 86. Siehe u. a. auch: Peter L. Berger/Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt/M. 1969; Mary Douglas: Ritual, Tabu und Körpersymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur, Frankfurt/M. 1986. Speth: Symbol und, 1997, S. 87. Vgl. Emile Durkheim: Die elementaren Formen des religiösen Lebens, Frankfurt/M. 1994 [1912], S. 40, 317; vgl. Speth: Symbol und, 1997, S. 92. Vgl. ebd., S. 94 f., vgl. Göhler: Der Zusammenhang, 1997, S. 24.

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stiften und durch ihre Bildhaftigkeit ein narratives Netz der Integration und Identifikation schaffen.904 Beachtet man diese symbolische Wirkungsmacht der gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer omnipräsenter werdenden Porträts der Bundesfürsten, wird deutlich, warum die bildliche Darstellung ein wichtiger Teil der Inszenierung und Legitimation von Macht war und ist. Da die Zahl der Porträts der deutschen Bundesfürsten nach 1871 keineswegs abnahm, sondern einen genauso deutlichen Aufschwung erlebte wie die mediale Präsenz des Deutschen Kaisers, ist davon auszugehen, dass diese Bilder für die regionale Identität einen wichtigen Beitrag auf der Symbolebene leisteten.

6.2.1.3 Bundesfürsten und Malerfürsten Die Untersuchung der Inszenierungskonzepte der jeweiligen Bundesfürsten lässt im Hinblick auf Porträts auch immer die Frage aufkommen, ob die Art und Weise der Darstellung eher auf den Porträtierten oder den schaffenden Künstler zurückzuführen ist. Anders formuliert stellt sich die Frage, ob ein Porträt als bewusste Inszenierung eines Herrschers gedeutet werden kann oder ob die Darstellung vielmehr Ideen des Malers und der jeweiligen Mode entsprangen. Es ergibt sich dabei die problematische Lage, dass diese Frage anhand schriftlicher Quellen kaum zu beantworten ist. Über die Gestaltung des Porträts wurde meist direkt vor Ort gesprochen, sodass sich hierzu kaum briefliche Absprachen oder Ähnliches finden lassen. Auch Mitteilungen der Fürsten an Außenstehende über ihre Darstellungswünsche sind nur sehr schwer ausfindig zu machen. Dieser Quellenmangel darf jedoch nicht zu der Annahme führen, dass seitens der Bundesfürsten keine konkrete Gestaltungsabsicht bestand. Um diese genauer zu erforschen, bleibt nur der Weg über das Bild an sich. So kann zum einen der Vergleich der Werke verschiedener Künstler über einen Fürsten, zum anderen der Vergleich mit anderen Werken desselben Künstlers helfen, typische Inszenierungstopoi eines Herrschers herauszuarbeiten. Des Weiteren gilt es die oftmals engen, zum Teil freundschaftlichen Bindungen, die zwischen dem Künstler und seinem Modell bestehen konnten, zu beachten. Eine Grundlage für solche Beziehungen war gelegt, wenn der betreffende Fürst selbst Interesse am Zeichnen und Malen hatte.905 Die Unterrichtung fürstlicher Kinder in Malerei war zwar von Hof zu Hof unterschiedlich, kam aber im Spätmittelalter auf und setzte sich flächendeckend spätestens im 18. Jahrhundert –

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Vgl. Pierre Bourdieu: Symbolic Power, in: Critique of Anthropology 1979 4, S. 77–85, hier S. 79 f. Siehe dazu den Tagungsbericht: Fürst und Fürstin als Künstler. Herrschaftliches Künstlertum zwischen Habitus, Norm und Neigung, Wolfenbüttel 09.-11.10.2014, in: H-Soz-Kult, http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5760, letzter Abruf 05.08.2017, 16.00 Uhr.

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wenn zunächst auch eher für die Töchter906 – als Teil des fürstlichen Stundenplanes durch. Auch im fortgeschrittenen Alter begannen viele Hochadlige noch, sich professionellen Zeichenunterricht durch ihre Hofmaler geben zu lasen.907 Insbesondere im 18. Jahrhundert war die Hochphase des sogenannten Dilettantismus. Jeder, der Zeit und Muße fand, übte sich seinem Können gemäß in den schönen Künsten.908 Auch für einige der hier untersuchten Fürsten galt, dass Malerei und Zeichnen eine respektierte Freizeitbeschäftigung war, in der man sich fortbildete.909 Aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeit malten zwar weitaus mehr Frauen als Männer, aber wie das Beispiel Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha zeigt, gab es durchaus Regenten, die zu Bleistift und Pinsel griffen. Natürlich war eine entsprechende Neigung Grundvoraussetzung für diese Tätigkeit – und viele Bundesfürsten teilten diese im Hinblick auf Malerei nur bedingt –, aber hervorgebracht durch den meist umfassenden höfischen Bildungskanon, der Studien des Altertums und der Kunst umschloss, trauten sich fast alle Souveräne ein Kunsturteil zu. Für die ältere Generation der Bundesfürsten, wie etwa Friedrich August II.910 oder Johann von Sachsen,911 hatte sogar noch die klassische Bildungsreise nach Italien zur Ausbildung gehört, welche sich meist maßgeblich auf den Kunstgeschmack der Betreffenden auswirkte. Betrachtet man die Bundesfürsten im Hinblick auf weitere Künste, erhöht sich die Zahl der Kunstschaffenden. So gab es durchaus

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Vgl. Kollbach: Aufwachsen bei, 2009, S. 269. Ein Beispiel dafür ist Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807), die sich nach dem Ende der Regentschaft für ihren Sohn systematischen Zeichenunterricht durch Georg Melchior Kraus geben ließ. Dabei probierte sie verschiedene Techniken wie Tuschen, Lavieren, Radieren und das Herstellen von Schattenrissen aus, vgl. Jonas Maatsch/GertDieter Ulferts (Hrsg.): Ereignis Weimar. Anna Amalia, Carl August und das Entstehen der Klassik 1757–1807, Leipzig 2007, S. 107. Die Bezeichnung „Dilettant“ war dabei keineswegs negativ konnotiert, sondern bezeichnete einen Amateur und galt eher als Schmeichelei. Immer häufiger kam es dann aber auch seitens der professionellen Kunstschaffenden, wie etwa Goethe, zur Kritik am Dilettantentum, vgl. ebd., S. 101. Weiterführend zum Dilettantismus: Stefan Blechschmidt/Andrea Heinz (Hrsg.): Dilettantismus um 1800, Heidelberg 2007. Vgl. dazu etwa die erhaltenen Skizzenbücher Alice’ und Ludwigs IV. von Hessen und bei Rhein, HStAD, D 24, 9/7, 19/9, 19/10. Vgl. Heinrich Theodor Flathe: Friedrich August II., König von Sachsen, Allgemeine Deutsche Biografie, Bd. 7, München 1878, S. 790 f. Vgl. Sebastian Neumeister: Johanns Italienreisen, in: Uwe John (Hrsg.): König Johann von Sachsen. Zwischen zwei Welten, Halle/Saale 2001, S. 83–86.

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dichtende Könige wie Ludwig I. von Bayern und Johann von Sachsen,912 komponierende Fürsten wie Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha,913 schauspielerisch tätige Regenten wie den „Theaterherzog“ Georg II. von Sachsen-Meiningen914 oder Fotografie-affine Souveräne wie Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha.915 Darüber hinaus betätigten sich fast alle Bundesfürsten als Mäzene der Kunst. Das Ausmaß der Förderung variierte zwar stark von Bundesstaat zu Bundesstaat und auch die persönliche Anteilnahme der Bundesfürsten war ungleichmäßig ausgeprägt – es gab aber auch Fürsten wie Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, der durch seine passionierte Kunstförderung dem politisch unbedeutenden Hessen auf kulturellem Gebiet zu neuer Blüte verhelfen wollte.916 Im 19. Jahrhundert gehörte der Kunstunterricht im Hochadel bei fast allen Prinzen und Prinzessinnen zum Stundenplan. So bekam etwa der spätere österreichische Kaiser Franz Joseph I. im Alter von sieben Jahren, die englische Königin Victoria im Alter von acht Jahren und die coburg-gothaischen Prinzen Ernst und Albert im Alter von sieben bzw. sechs Jahren den ersten Zeichenunterricht.917 Meist wurde dieser von professionellen Künstlern erteilt, für welche dies eine Nebenverpflichtung war. So trat in Coburg und Gotha der Hofmaler Sebastian Eckardt als Kunstpädagoge auf,918 während Victoria zuerst von Richard Westall und anschließend von George Hayter unterrichtet wurde.919 Eckardt und Hayter schufen später auch Porträts ihrer Schüler, wobei die Zeichnungen Eckardts nicht über die Kindertage der coburg-gothaischen Prinzen hinausgingen, Hayter hingegen ein bekanntes Krönungs- und das Hochzeitsbild Victorias schuf.920 Diese

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Vgl. Joseph Sax: Ausgewählte Gedichte: Entnommen d. Dichtungen seiner Majestät d. Königs Ludwig I. von Bayern u. mehrerer anderer berühmter Männer, Ansbach 1844; Sebastian Neumeister: Philalethes – König Johann als Dante-Übersetzer, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 203–216; Johann von Sachsen: Der Entehrte. Eine Novelle von Philalethes, König Johann von Sachsen, Stuttgart 2013. Vgl. Rolf Potyra: Der Komponist Ernst II. – Ein Überblick über seine Werke, in: Bachmann: Herzog Ernst, 1993, S. 207–224. Vgl. Ute Daniel: Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 363; Maren Goltz/Werner Greiling/Johannes Mötsch (Hrsg.): Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826–1914). Kultur als Behauptungsstrategie?, Köln 2015. Vgl. Joachim K. Bautze: Prinz Alfred und die Fotografie, in: Bernd Schäfer/Uta Wallenstein (Hrsg.): Ein Prinz entdeckt die Welt. Die Reisen und Sammlungen Herzog Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha (1844–1900), Gotha 2008, S. 50–53, hier S. 50. Vgl. Renate Ulmer: „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst.“ – Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, in: Heidenreich: Kronen, Kriege, 2009, S. 164–189, hier S. 164. Vgl. Kristin Wiedau: Eine adlige Kindheit in Coburg: Fürstenerziehung und Kunstunterweisung der Prinzen Ernst und Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Coburg 2001, S. 43 f. Vgl. ebd., S. 33. Vgl. ebd., S. 52. George Hayter: The Coronation of Queen Victoria in Westminster Abbey, 28 June 1838 (1839), Royal Collection, RCIN 405409; Ders.: Queen Victoria (1840), Royal Collection,

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Doppelfunktion als Künstler und Lehrmeister zeigt die enge Bindung zwischen Porträtiertem und Porträtierendem, die über ein bloßes Auftragsverhältnis hinausging. Hinsichtlich der Frage nach dem Inszenierungsgehalt fürstlicher Porträts kann es daher als sicher gelten, dass Fragen des Stils, des Aufbaus, der Farbgestaltung etc. besprochen wurden, wenn eine engere Bindung zwischen Künstler und Modell bestand. Von Victoria hat sich beispielsweise eine eigenhändige Skizze des Winterhalter-Gemäldes The Royal Family in 1846 erhalten, die überzeugend illustriert, wie sie sich selbst mit Fragen des Bildaufbaus beschäftigte.921 Eine zu einseitige Beeinflussung durch einen einzigen Lehrer und Maler kann zudem ausgeschlossen werden, da sich die kunstinteressierten Fürsten auch anschließend noch eigenständig weiterbildeten. Victoria etwa ließ sich durch ihre späteren Künstler Edwin Landseer, Edwin Dalton und William Ross unterrichten und erlernte zusammen mit Albert die Technik der Druckgrafik und Lithografie sowie später die Aquarellmalerei.922 In Brüssel hatten die Brüder Ernst und Albert mit ernsthaften Studien in Ölmalerei begonnen.923 Eine Äußerung Prinz Alberts fasste den Zweck des ausgiebigen Kunstschaffens fürstlicher Persönlichkeiten treffend zusammen: „[... P]ersons in our position of life can never be distinguished artists. It takes the study of a whole life to become that [...] our business is not so much to create, as to learn to appreciate and understand the work of others, and we can never do this till we have realised the difficulties to be overcome. Acting upon this principle myself, I have always tried to learn the rudiments of art [...] not, of course, with a view of doing anything worth looking at [...] but simply to enable me to judge and appreciate the works of others.“924

Der Sinn der eigenen künstlerischen Versuche bestand also darin, die Bedingungen und Schwierigkeiten des Schaffensprozesses durch eigenes Ausprobieren besser nachvollziehen und dadurch andere Kunstwerke besser würdigen, aber auch kritisch einordnen zu können. Die ausgeprägte Vorliebe für eigenes kreatives Arbeiten Victorias und Alberts ist nicht nur wegen ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zum Haus Sachsen-Coburg und Gotha, sondern auch wegen der Eheschließungen ihrer Kinder im Hinblick auf die deutschen Bundesfürsten interessant. Inspiriert durch ihren eigenen Kunstunterricht erhielten alle Kinder des königlichen Paares, darunter Victoria, die spätere Deutsche Kaiserin, Alice, die spätere Großherzogin von Hessen und bei Rhein, und Alfred, der spätere Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, Malunterricht durch ausgezeichnete Künstler.925 Auch von Victoria, der Princess Royal, und ihrer Schwester Alice ist überliefert, dass

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RCIN 405185; Ders.: The Marriage of Queen Victoria, 10 February 1840, (1840–42), Royal Collection, RCIN 407165. Abgedruckt in: Margaret Homans: „To the Queen’s Private Apartments“. Royal Family Portraiture and the Construction of Victoria’s Sovereign Obedience, in: Victorian Studies 37 (1993), S. 1–41, hier S. 25. Vgl. Wiedau: Eine adlige, 2001, S. 85 ff. Vgl. ebd., S. 83. Ebd., S. 1. Vgl. ebd., S. 55.

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sie stets in engem Austausch mit den sie begleitenden Porträtisten standen. So lernte etwa die preußische Kronprinzessin Victoria im Rahmen der Weltausstellung in Wien 1873 den österreichischen Maler Heinrich von Angeli kennen, den sie fortan mit vielen Porträtaufträgen bedachte, der ihr Zeichenunterricht gab und den sie letztlich an ihre Mutter in England weiterempfahl.926 Dorthin reiste er von 1875 bis 1899 alle zwei Jahre, um Porträts der englischen Königsfamilie anzufertigen.927 Aufgrund dieser Familienverbindungen reiste Angeli auch nach Darmstadt. Bei den hessischen Porträtsitzungen war auch Alice’ Sohn, Ernst Ludwig, anwesend, der einen Einblick in die Beziehung zwischen Maler und Modell gibt: „Ich erinnere mir [sic], wie er damals eines Abends zu meiner Mutter kam, um sie vor einem großen Empfang in all ihrem Schmuck zu sehen. Es machte mir einen großen Eindruck, wie er ihr einfach Broschen von ihrem Kleid abnahm und dafür andere kommen ließ, damit sie schöner aussähe. Wie begeistert war ich, wenn ich ihm beim Arbeiten zusehen durfte.“928

Einige Zeit später meinte der Großherzog in Bezug auf Angeli: „Er war einer meiner ältesten Freunde“.929 Auch die Großherzogin Alice selbst schilderte ihrer Mutter die Ankunft des Malers, die Planungen für ein Gruppenbild und die Zuneigung Angelis zu den kleinen Prinzessinnen.930 Überhaupt ist das Haus Hessen und bei Rhein – neben dem der Wittelsbacher – dasjenige, das am meisten an Kunst interessiert war und den engsten Kontakt zu diversen Künstlern hatte. Franz Xaver Winterhalter,931 Heinrich von Angeli,932 Franz von Lenbach,933 Friedrich August von Kaulbach934 und Franz von Stuck935 sind die bedeutendsten Porträtisten der hessischen Familie; sie alle finden Erwähnungen in Briefen und 926 927 928 929 930 931

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Vgl. Elisabeth Newzella: Nicht so ernst, Majestät! Anekdoten aus dem Leben des Wiener Fürstenmalers Heinrich von Angeli, Graz 1990, S. 85. Vgl. ebd., S. 104. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 111. Ebd., S. 111. Vgl. Alice, Mittheilungen, 1883, S. 401 f. „I saw Winterhalter also, in his lovely new house, which he has gone and sold, saying it was too good for him. He has painted a most beautiful picture of the Grand Duchess Hélène – quite speaking.“ Alice an Königin Victoria, 13.10.1862, zitiert nach Alice von Hessen und bei Rhein: Letters to, 1885, S. 113. Ernst Ludwig beschreibt insbesondere den speziellen Humor von Angelis und die Tatsache, dass dieser gerne sang, was zu gemeinsamen Musizieren beim Porträtieren führte, vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 111 f. „Durch Max Heyl kam ich auch in persönlichen Kontakt mit den Münchner Künstlern. So war es ja mit Kaulbach gewesen, und auf dieselbe Art war ich öfters bei Lenbach. Dieser große, aber auch einfache und selbstbewußte Künstler imponierte mir gewaltig, denn die Art wie er sich über alles hinwegsetzte, hatte etwas sehr Großzügiges. Ich bin ihm aber persönlich nie sehr nahe gekommen. Ich war ihm wohl zu jung.“, ebd., S. 114. „F. A. Kaulbach habe ich auch gut gekannt. […] Er war ein sehr fein gebildeter Mensch und für seine Berühmtheit unglaublich bescheiden“, ebd., S. 112. „Für mich hatte er [Stuck, A. S.] eine große Anziehung, und ich liebte es mit ihm zu sprechen. Als er mich malte, war ich viel in seinem schönen griechisch-römischen Haus, welches er sich selbst erbaut hatte.“, ebd., S. 114.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Erinnerungen. Der letzte Großherzog Ernst Ludwig widmete den ihn begleitenden Künstlern und seinem Kunstinteresse in seinen Lebenserinnerungen sogar ein ganzes Kapitel. In seinen Äußerungen über von Kaulbach klingt auch an, dass die Gespräche über Bildgestaltung mit kunstinteressierten Fürsten keine Seltenheit waren: „So frug er mich oft um Rat, und in München holte er einst ein Bild heraus, welches er noch nicht fertig gemalt hatte, weil er das Gefühl hatte, es wäre etwas daran, was nicht richtig wäre. Da hatte er es beiseite gestellt, bis ich käme, um ihm zu helfen. Dabei war es von einer mir ganz fremden Dame.“936

Für Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein war die Beschäftigung mit Kunst nicht nur ein privates Interesse, sondern auch ein Schwerpunkt seiner Regierungsarbeit. So gründete er 1899 in Darmstadt die Künstlerkolonie, die es jeweils sieben Künstlern in einem sich wechselseitig inspirierenden Umfeld ermöglichte, frei von Unterhaltssorgen zu arbeiten.937 Dabei war der Großherzog stets am Fortgang der Arbeiten interessiert und befreundete sich besonders mit Joseph Maria Olbrich, einem wichtigen Vertreter des Jugendstils und Architekten des Wiener Secessionsgebäudes.938 Zudem gründete er den Verein der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein, der jährlich eine Kunstausstellung in wechselnden Städten des Großherzogtums organisierte.939 Als vergleichbarer Mäzen der Künste trat Prinzregent Luitpold von Bayern auf. Zwar war er persönlich nicht in gleicher Weise angetan von den neuen Kunstströmungen um 1900 wie Ernst Ludwig, trotzdem unterstütze er die Münchner Künstler in ihrem Schaffen ebenso tatkräftig. Dabei handelte Luitpold einerseits stark gemäß der seiner Ansicht nach dem Landesvater zukommenden Pflicht, die Kunst in München zu unterstützen, andererseits hatte er auch schon vor seiner Zeit als Regent ein großes Interesse an den Münchner Malern und besuchte diese regelmäßig – im Winter beinahe täglich – in ihren Ateliers. Die Liste der Männer, die mit dem Prinzregenten auf freundschaftlichem Fuß standen und dadurch auch häufig Gast an seinen Tafeln oder Jagdvergnügen waren, ist daher lang: Ferdinand von Miller, Toni Stadler, Walter Firle, Friedrich August von Kaulbach, Franz von Stuck, Hugo von Habermann und Max Slevogt, um nur einige zu nennen. Schon 1887 verlieh die Münchner Künstlerschaft dem Prinzregenten den Titel Artium protector. Luitpold sollte diesem nicht nur durch die Eröffnungen der Glaspalastund der Secessions-Ausstellungen gerecht werden, sondern auch durch persönliches Interesse und materielle Unterstützung.940 Dabei ging er mit der Verleihung von Professoren- und Adelstiteln an Künstler geradezu inflationär um, sprach fast täglich Einladungen zur Hoftafel aus und war sich auch sonst des Medieninteresses

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Ebd., S. 112. Vgl. Ulmer: „Mein Hessenland, 2009, S. 171. Vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 115. Vgl. ebd., S. 116. Vgl. Ludwig: Kunst, Geld, 1986, S. 356–360.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

217

bezüglich seiner Atelierbesuche voll bewusst.941 Des Weiteren kaufte er zahlreichen Künstlern Bilder für seine Privatsammlung ab oder ließ sich selbst porträtieren. Dies geschah in solch einem großen Umfang, dass der Prinzregent wohl der am häufigsten porträtierte Monarch des 19. Jahrhunderts war – allein die Frontispiz-Seiten der Kataloge der Glaspalastausstellungen zierte fast jedes Jahr ein neues Porträt des Regenten, welches natürlich auch Teil der Ausstellung war.942 Auch vielen Bildhauern saß Luitpold Porträt. Dabei ging sein Kunstinteresse sogar so weit, dass er Adolf von Hildebrand nackt Modell stand.943 Die so im Atelier entstanden Skulpturen bildeten dabei häufig die Grundlage zu den über 60 Denkmalen des Regenten, von denen der Großteil bereits zu seinen Lebzeiten eingeweiht wurde.944 Besonders interessant ist, wie viele Vertreter verschiedener Stilrichtungen sich am Konterfei Luitpolds abarbeiteten. Die Spannweite ging dabei von enorm historisierenden, detailreichen Porträts, wie das August Holmbergs aus dem Jahre 1889, bis zu den impressionistischen Studien Max Slevogts von 1909 (Abb. II). Dies ist auch Ausdruck für die Toleranz Luitpolds gegenüber den avantgardistischen Kunstströmungen, welche er ebenso aufkaufte wie Stücke des Historismus und Naturalismus. Angesichts eines modernen Kunstwerks soll er gesagt haben: „Das Bild gefällt mir auch nicht; aber ich habe meine Zustimmung [zum Staatskauf, A. S.] trotzdem gegeben; denn ich habe die Ansicht, daß die bayerische Staatssammlung die Aufgabe hat, die künstlerische Entwicklung darzustellen, die sich in München abspielt.“945

Auch zu besonderen Anlässen wie dem Georgiritterfest lud er etwa Slevogt ein, der dann die altertümlich anmutenden Feiern in einem dazu in starkem Kontrast stehenden, skizzenhaften Spiel der Farben verarbeitete und dem Prinzregenten nach eigenen Worten „einen schönen Patzen statt der Nase ins Gesicht“ setzte.946 Dass er die Kunstförderung als Ausdruck bayerischen Selbstbewusstseins verstand, zeigt auch die Tatsache, dass er häufig genau jene Künstler besuchte, die zuvor von Kaiser Wilhelm II. stark kritisiert worden waren. Obgleich Luitpold selbst nicht deren Kunstauffassung teilte, fühlte er sich durch die Schmähungen

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Vgl. Birgit Jooss: „Ein Tadel wurde nie ausgesprochen“. Prinzregent Luitpold als Freund der Künstler, in: Leutheusser u. a.: Prinzregent Luitpold, 2012, S. 151–176, hier S. 159 f. Vgl. Ludwig: Kunst, Geld, 1986, S. 355, ein Großteil dieser Kataloge liegt in digitaler Form vor. Ludwig weist zu Recht daraufhin, dass die Bearbeitung aller Porträts des Prinzregenten einer eigenen Dissertation bedürfte. Vgl. Jooss, Ein Tadel, 2012, S. 163. Vgl. Braun-Jäppelt: Prinzregent Luitpold, 1997, S. 133–182. Der Katalog zählt 66 Denkmale, deren Entstehungsdatum entweder in der Zeit der Regentschaft lag oder nicht bekannt ist. Auch in diesen Fällen ist aber eine Entstehung zu Lebzeiten des Regenten oder bis spätestens zum Kriegsbeginn 1914 wahrscheinlich. Vgl. Ludwig Schrott: Der Prinzregent. Ein Lebensbild aus Stimmen seiner Zeit, München 1962, S. 150. Max Slevogt: Erinnerungen an den Regenten, in: Süddeutsche Monatshefte 27 (1930) 10, S. 706. Es könnte sich dabei um Abb. II gehandelt haben.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

des Kaisers persönlich angegriffen und sympathisierte daher offen mit seinen Künstlern.947 Auch Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha trat als enger Freund von Künstlern auf, was angesichts seiner Erziehung und seines familiären Umfeldes nicht weiter überrascht. Seine Freundschaft mit dem javanischen Maler Raden Saleh wurde sogar in dem Familienblatt Die Gartenlaube öffentlich thematisiert und in einem genrehaften Artikel das enge Zusammenleben zwischen Künstler und Hof vorgestellt. Gleich zu Beginn soll eine familiäre Szene dem Leser den „innigsten Freundschaftsbund“ von Prinz und Maler illustrieren: „Während die Freunde [Raden Saleh und Graf Arthur Mensdorff-Pouilly, ein Verwandter des Herzogs, A. S.] noch am Frühstückstisch traulich beisammen saßen, schwänzelte der Lieblingsdachs der Frau Herzogin Alexandrine ins Zimmer.“948 Dieser wurde sogleich von Raden Saleh als Statue modelliert, um als späteres Bildmodell zu dienen. Im Folgenden schilderte der Artikel das enge Zusammenleben der herzoglichen Familie mit Saleh, wobei die Zeitung dem Herzog persönlich „nicht nur viele werthvolle Notizen, sondern auch die Illustration verdankt, welche Radhen Saleh’s Landschlößchen auf Java darstellt“.949 Wie später noch zu zeigen ist, nutzte Ernst II. auch in diesem Fall das Medium Familienblatt geschickt, um sein künstlerisches Talent (in der Zeichnung), seine gönnerhafte Beziehung zu Raden Saleh und seine Kunstbegeisterung als solche, über die sonst nur ein privater Kreis informiert gewesen wäre, öffentlichkeitswirksam darzustellen. Seiner Popularität, die bis zu diesem Zeitpunkt gestärkt wurde durch Artikel über ihn als Jäger, Reisender, nationalen Erneuerer und Protektor der Schützenbewegung, sollte dies noch einen neuen Aspekt hinzufügen.950 Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang auch Prinzessin Mathilde von Sachsen, die Schwester Friedrich Augusts III., welche es auf dem Gebiet der Malerei zu anschaulichen Ergebnissen gebracht hatte. Die hauptsächlich von ihr gefertigten Landschaftsbildnisse wurden als Drucke verlegt oder zierten Wohlfahrtspostkarten. So erschien etwa 1908 der Bildband Bunte Blätter vom Sächsischen Hof. Nach Gemälden Ihrer Königlichen Hoheit Prinzessin Mathilde Herzogin zu Sachsen zum Besten des Maria Anna Kinder-Hospitals, der 24 Dreifarbendrucke nach Gemälden der Prinzessin enthielt.951 Durch die Bereitstellung ihrer Bilder für Wohltätigkeitszwecke warb sie nicht nur mit ihrem königlichen Namen für den Verkauf der Bücher und Karten, sondern konnte auch den Tugendanspruch an adlige Frauen mit ihrer Neigung verbinden.952 947 948 949 950 951

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Vgl. Jooss, Ein Tadel, 2012, S. 168. Die Gartenlaube 1865, 25, S. 395. Die Gartenlaube 1865, 25, S. 397. Vgl. Kapitel 7.3.2. Mathilde von Sachsen: Bunte Blätter vom Sächsischen Hof. Nach Gemälden Ihrer Königlichen Hoheit Prinzessin Mathilde Herzogin zu Sachsen zum Besten des Maria Anna KinderHospitals, Dresden 1908, siehe auch SHStAD, 13735 Fürstennachlass Mathilde, Nr. 001. Vgl. Kapitel 5.2.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

219

Diese Beispiele sollen nicht den Eindruck erzeugen, dass alle Angehörigen der bundesfürstlichen Familien begeisterte Kunstkenner oder -schaffende waren – dies ist mitnichten der Fall gewesen. Dennoch war aufgrund ihrer Erziehung und Zeitgestaltung die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein eigenes Kunstinteresse an ihren Porträts entwickelten, größer als bei anderen Porträtierten des 19. Jahrhunderts. In einigen Fällen kann man daher nachweislich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Gestaltung maßgeblich beeinflusste, in anderen Fällen ist dies naheliegend. Gewiss ist es aber aufschlussreich, die Gemälde nach Anhaltspunkten fürstlicher Beeinflussung zu untersuchen.

6.2.2

Das klassische Gemälde

Für die hier untersuchten Bundesfürsten lassen sich zahllose Porträts nachweisen, die bislang allerdings hinsichtlich ihrer Provenienz oder ihres letzten bzw. jetzigen Aufbewahrungsortes nicht systematisch erfasst wurden. Angesichts der Fülle an Porträts wurden charakteristische Bilder ausgewählt, die exemplarisch für die verschiedenen Bildtypen des Herrscherporträts des 19. Jahrhunderts stehen sollen. Diese bildeten sich zwar zeitlich etwas versetzt heraus, fanden aber trotzdem in allen Bundesstaaten Niederschlag.

6.2.2.1 Amtsträger- und Uniformporträts Der eigentliche Zweck des klassischen Staatsporträts war die oben schon beschriebene Stellvertreterfunktion für den abwesenden Monarchen. Aus diesem Grund ließ auch jeder Bundesfürst solch ein Porträt anfertigen. Es zeigte ihn in stehender Haltung, gekleidet in ein Krönungsornat oder eine Uniform. Das Tragen einer Uniform hatte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts für Monarchen fest etabliert und erlaubt daher keine Rückschlüsse auf die militärische Passion des Dargestellten. Vielmehr wurde diese zu einer Art Amtskleidung des Herrschers, die dessen Dienst am Staat symbolisieren sollte. Aus diesem Grund lassen sich auch von allen hier untersuchten Bundesfürsten Darstellungen in Uniform finden. Prinzipiell nahm die Gestaltung des Staatsporträts im Laufe der Zeit in ihrem Detailreichtum ab. Um die Jahrhundertmitte lassen sich noch aufwändige Darstellungen finden, die den Monarchen mit zahlreichen Attributen als den obersten Träger der Staatsgewalt darstellten. Gegen 1900 dagegen etablierte sich oft eine fotografische Darstellung des Bundesfürsten als offizielles Bild heraus. Weil dieses in Produktion und Reproduktion wesentlich günstiger war als ein Gemälde, konnte letztlich jedes öffentliche Gebäude mit dem Bild des Souveräns ausgestattet werden.953 Trotz allem verlor das gemalte Bild nicht gänzlich an Bedeutung. Da es in seiner Anfertigung weitaus aufwändiger und kostspieliger war als eine Fotografie, 953

Vgl. Kapitel 6.2.3.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

galt es aufgrund der zunehmenden Fotonutzung durch die Untertanen noch immer als Möglichkeit der Distinktion. Da das klassische Staatsporträt ein wichtiges Inszenierungsmittel der Macht des Landesherrn war, fällt der sich abzeichnende Bedeutungsverlust dieses Gemäldetyps mit dem Verlust der bundesfürstlichen Souveränität zusammen. Prinzipiell galt, je aufwändiger ein Gemälde gestaltet war, umso höher war auch die Stellung des Dargestellten. Dies lässt sich etwa daran nachvollziehen, dass es für die bayerischen Monarchen nicht nur im Bereich der hier untersuchten Fürsten die prunkvollsten Staatsporträts gab, sondern dass diese in ihrer Gestaltung den Porträts anderer europäischer Könige oder auch des österreichischen bzw. deutschen Kaisers vergleichbar sind. Ein Beispiel für diese Art von Porträt ist etwa das 1850 von Max Haider gefertigte Bild Maximilians II. im Staatsornat (Abb. III). Dieses Gemälde umfasst alle klassischen Inszenierungselemente des Staatsporträts wie den Thron, den durch einen Vorhang erkennbaren Baldachin und die im Hintergrund sichtbaren Säulen. Diese drei Elemente verwiesen auf die königliche Stellung des Gezeigten und lassen sich auch noch in späteren, einfacher gehaltenen Porträts finden. Selbst in Fotografien griff man noch auf die sogenannten Würdeformeln wie Säulen, Vorhänge und thronartige Sessel zurück.954 Haiders Porträt zeigt Maximilian II. im hermelinumsäumten, aus rotem Samt gefertigten Krönungsmantel. Auch die übrige Kleidung ist überaus prunkvoll mit Goldfäden durchsetzt. In der Linken hält der König das Schwert, mit der rechten Hand zeigt er auf die auf einem Tisch liegende Verfassungsurkunde. Hinter dieser liegen Zepter und Krone. Im Hintergrund verweisen die Statuen mehrerer Vorfahren955 sowie das königliche Wappen Bayerns auf die Abstammung des Dargestellten. Da einzig der Verweis auf die Verfassung das Porträt von den klassischen Staatsporträts des Absolutismus unterscheidet, kann man den Stellvertretungsanspruch des Herrscherporträts in diesem Beispiel sogar noch weiter fassen. Die bildliche Darstellung des bayerischen Königs zeigte diesen in einer herausgehobenen Machtposition, die er in dieser Ausprägung in der alltäglichen Politik nicht mehr besaß. In diesem Sinne ist das Bild auch als eine Projektion des Königs zu verstehen, der sich in seinem Handeln von der Verfassung eingeschränkt fühlte und deren Bruch er zumindest gedanklich in Erwägung zog.956 Im Vergleich dazu verzichteten die sächsischen Könige um 1850 auf solch absolutistisch anmutende Darstellungen und griffen eher auf das Sujet des Schreibtischbildes zurück.957 In Hessen und Sachsen-Coburg und Gotha wäre auch der 954

955

956 957

Ursprünglich waren dies klar erkennbare Attribute eines Herrscherporträts. Durch das Vorhandensein dieser Requisiten in Fotoateliers wurden diese aber auch bald für die Porträts anderer sozialer Schichten verwendet. Die Zuordnung der Statuen ist schwierig, da sich bis auf die antikisierten Gewänder und die der Kaiserkrone ähnelnden Krone nicht genügend Anhaltspunkte finden lassen. Es könnte sich dabei um Karl den Großen (747/748–814) und den ersten bayerischen Herzog Otto I. (1117–1183) handeln, die das Alter der Dynastie demonstrieren sollen. Vgl. Sing: Die Memoiren, 1997, S. 37; Krauss: Herrschaftspraxis, 1997, S. 93–106. Vgl. Kapitel 6.2.2.2.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

221

Rang der dortigen Bundesfürsten nicht adäquat zu einem Porträt im Stile Maximilians II. gewesen. In diesen Ländern dominierten Abbildungen in Uniform oder auch in ziviler Kleidung die Porträtlandschaft. Zudem begann dort die vormals eindeutige Unterscheidung zwischen offiziellem und privatem Bildnis eher aufzubrechen. Dies war einerseits bedingt durch die Fotografie, die auch im Hochadel zu einem starken Anstieg der Abbildungen führte, sodass die Unterscheidung über Kleidungswahl und Attribute nicht immer eindeutig ist, andererseits begründet durch Strömungen der modernen Kunst, als deren Förderer sich zahlreiche Bundesfürsten verstanden. So war es möglich, dass ein Gemälde, welches aufgrund der Kleidung nicht als Repräsentativgemälde einzuordnen ist, dennoch im Rahmen der stark zunehmenden Kunst- oder auch Weltausstellungen für die Öffentlichkeit sichtbar wurde.958 Parallel zum Aufbrechen bisheriger Bildtraditionen kam es im Bereich des klassischen Gemäldes von ca. 1880 bis 1910 zu einer Phase des sogenannten Neoabsolutismus. Diese Entwicklung fand europaweit statt und lässt sich, neben prägnanten Beispielen aus Großbritannien959 und dem Deutschen Kaiserreich,960 abermals für Bayern nachweisen. Deuteten schon die Bilder Maximilians II. eine Renaissance des absolutistischen Porträts an, wurde diese Entwicklung besonders in Porträts Ludwigs II. und Ludwigs III. fortgesetzt. Das erst nach dem Tod Ludwigs II. 1887 von Georg Schachinger (Abb. IV) vollendete, bekannte Gemälde zeigt den bayerischen König als Großmeister des Ordens des Heiligen Georg. Dieses apotheotische Bild weist zahlreiche Ähnlichkeiten zu Rigauds bekanntem Porträt des von Ludwig II. verehrten Sonnenkönigs Ludwig XIV. (Abb. I) auf. Dazu gehören etwa Wurf und Farbe des blauen Hermelinmantels, welcher im Porträt des französischen Königs der Königsmantel, im Porträt Ludwigs II. aber der Ordensrittermantel war. Auch Schrittstellung und Haltung seines französischen Vorbildes imitiert Ludwig II. fast vollständig. Dieses neoabsolutistische Porträt sollte den Eindruck einer scheinbar grenzenlosen Macht und Autorität des Königs

958 959

960

Ein Beispiel dafür ist das Gemälde des Großherzogs von Hessen von Franz von Stuck, vgl. Kapitel 6.2.2.5. Erste Tendenzen dazu gibt es bereits im von Jean-Joseph Benjamin-Constant geschaffenen Porträt Victorias auf ihrem Thron im House of Lords, typischer ist aber noch das 1902 von Luke Fildes geschaffene Krönungsporträt Edwards VII. Ein besonders prägnantes Beispiel ist das Porträt Wilhelms II. von Max Koner aus dem Jahr 1890, welches für die Deutsche Botschaft in Paris entstand. Das Gemälde, welches heute verschollen ist, zeigt den Monarchen in der Garde-du-Corps-Uniform in pathetischer Pose vor einer als Würdeformel fungierenden Säulenhalle. Während sich seine rechte Hand auf den brandenburgischen Kommandostab stützt, fasst die linke den Degen. Auf der linken Seite sind die preußischen Kroninsignien auf einem Tisch dargestellt. Neben der Uniform trägt der Kaiser den hellblau gefütterten Mantel des Schwarzen Adlerordens, der jedoch die militärische Strenge Wilhelms nicht aufbrechen kann. Dieser blickt visionär nach links oben und unterstreicht dadurch den pathetischen Charakter des Bildes. Auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers sollte sich Koner an Rigauds Bildnissen von Ludwig XIV. und August dem Starken orientieren, vgl. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 199.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

erzeugen, wirkt aber der Realität entrückt und ist damit typisch für die absolutistischen Visionen Ludwigs II.961 Durch die späte Fertigstellung, vom dramatischen Tod des Königs beeinflusst und im Porträt verarbeitet,962 konnte das Bild zwar nicht mehr als Stellvertreter eines lebenden Königs wirken oder in der Gestaltung mit diesem abgesprochen werden, es ähnelte aber in Komposition und Wirkung sehr einem 1883 von Wilhelm Hecht gefertigten Stahlstich Ludwigs II., der diesen ebenfalls als Großmeister des Georgritterordens zeigt. Dieser Stich ist eine der seltenen Zeichnungen, die Ludwig II. in seinen letzten Lebensjahren noch selbst in Auftrag gab und für die er auch Porträt saß.963 Es ist daher davon auszugehen, dass er auch mit der Darstellung durch Schachinger einverstanden gewesen wäre. Wenngleich sie nicht dem Vorbild Rigauds folgten, betonten auch die zahlreichen Ölgemälde Ludwigs III. die nach der Beendigung der Regentschaft 1913 wiedererlangte Königswürde. Im Gegensatz zu den zahlreichen Porträts seines Vaters Luitpold, die mehr von den Stilen der unterschiedlichen Künstler geprägt waren und ein eher bescheidenes Bild des Regenten zeichnen, griff Ludwig III. in seinen Darstellungen vermehrt auf klassische Inszenierungselemente wie den Thronsessel zurück und ließ sich darüber hinaus sehr häufig in farbenprächtigen, ordensübersäten Generalsuniformen malen. Wie oben aufgezeigt, war das Tragen von Uniformen zwar üblich, bei Ludwig III. fällt jedoch eine große Diskrepanz zwischen gemalten Porträts bzw. Atelierfotos und Momentfotografien auf. Während viele Zeitgenossen die unmilitärische Haltung Ludwigs III. beschrieben und diese sogar in Karikaturen des Simplicissimus thematisiert wurde (Abb. 3), zeigen die Ölgemälde bzw. Atelierfotos einen aufrechten, stolzen Militärführer.964 Dadurch wurde zwar versucht, ein würdevolles Abbild des Königs zu generieren, dieses kann aber gerade durch seine Realitätsferne nicht überzeugen.

961 962 963 964

Vgl. Martin Kohlrausch: Chance und Gefährdung: Wilhelm II. und Ludwig II. als Medienmonarchen, in: Wolf: Götterdämmerung, 2011, S. 34–43, hier S. 35. Vgl. Schmid: König Ludwig, 1996, S. 46. Vgl. ebd., S. 166. Das Porträt ist abgebildet auf S. 167. Vgl. etwa die Abbildung bei ebd., S. 191.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Abb. 3 Olaf Gulbransson: Kaisermanöver (Seine Majestät erklären dem Prinzen Ludwig von Bayern die feindlichen Stellungen)

Gleiches gilt für das von Paul Beckert geschaffene Porträt Ludwigs III. anlässlich seines 70. Geburtstages (Abb. V). Dieses zeigt ihn, wie auch zuvor schon Ludwig II., im Gewand des Großmeisters des Georgritterordens. Ungewöhnlich dabei ist die frontale Stellung des Königs, der den Betrachter direkt anblickt. Dieser Darstellungstypus ist kunsthistorisch eng verbunden mit Christusdarstellungen und weist wiederum auf den durch die Wittelsbacher konsequent betonten Machtanspruch im Herrschergemälde hin. Da dieses Porträt in Farbe und ganzseitig in der Illustrirten Zeitung abgedruckt wurde, sollte dieser Anspruch offensichtlich allen Bevölkerungsgruppen deutschlandweit vermittelt werden.965 Die Vermutung liegt nahe, dass Ludwig III. mit der Erlangung der Königswürde für seine Linie die Rangerhöhung nun auch im Bild manifestieren wollte. Im Vergleich zu den mit Ausnahme des Deutschen Kaisers bescheidener auftretenden übrigen Bundesfürsten, wirkt diese Betonung eines absoluten Machtanspruchs aber als Rückschritt gegenüber den bescheideneren Bildnissen seines Vaters, des Prinzregenten Luitpold.966 Zugleich handelt es sich bei diesen Bildern um ein letztes Aufgebot des

965 966

Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 3732, 07.01.1915, S. 7. Vgl. Kapitel 6.2.2.5.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

klassischen Staatsporträts, welches mit den typischen Gestaltungsmitteln der Malerei ein idealistisches Monarchenbild schaffen und sich damit über die nüchterne Schwarz-Weiß-Fotografie hinwegsetzen wollte. Da um 1900 die Bedürfnisse nach immer schnelleren Nachrichten, intimeren Einblicken mit Schnappschusscharakter und vermeintlicher Authentizität stetig größer geworden waren, waren Porträts in dieser übersteigerten Form kaum mehr zeitgemäß.

6.2.2.2 Schreibtischporträts Neben dem klassischen Staatsporträt in stehender Haltung, welches bis zum Ende der Monarchie 1918 – zumindest als Fotografie – von jedem Bundesfürsten angefertigt wurde, ist für die um 1850 regierende Generation der hier untersuchten Bundesfürsten das Schreibtischbild besonders typisch. Eines der ersten Werke dieser Art fertigte Jaques Louis David 1812 von Napoleon in seinem Arbeitszimmer in den Tuilerien an (Abb. VI). Da das Bild ein privates Auftragswerk für den Napoleonverehrer Marquess of Douglas war, konnte David auf jedes zeremonielle Beiwerk verzichten. Das Besondere an der Ausführung Davids war, dass er den Kaiser nicht in einem erdachten Interieur zeigte, sondern in seinem tatsächlichen Arbeitszimmer und dadurch einen intimen Einblick in das „Allerheiligste“ des Kaisers gewährte.967 Zahlreiche Attribute, wie etwa die Viertel nach vier stehende Uhr, die in Verbindung mit den fast abgebrannten Kerzen auf die Zeit nach Mitternacht verweist, und die Blätter des Code Napoleon, verstärkten die Botschaft, dass der Herrscher unermüdlich für sein Volk arbeitete. Dieser Deutung schloss sich der Kaiser auch selbst beim lobenden Anblick des Gemäldes an. David hatte damit als einer der ersten Maler den Schreibtisch aus der direkten, leistungsbestimmten Erfahrungswelt des Bürgertums entnommen und diesen zu einem Herrschaftsattribut umgeformt. So sollte das Schreibtischbild durchaus die emotionale Identifikation des Bürgertums mit dem neuen Herrscher stärken. Zugleich war damit aber kein Abstieg des monarchischen Porträts verbunden, denn die Darstellungsweise wies vielmehr hagiografisch übersteigerte als realistische Elemente auf und hatte nach wie vor die mythische Verklärung des Herrschers, wenngleich mit neuen Elementen, zum Ziel.968 In der Restaurationszeit setzte sich das Schreibtischbild in allen Ländern969 als gängiges Repräsentationsbild des gleich einem Beamten arbeitenden Monarchen durch und wurde als gelungener Ausdruck des vom monarchischen Prinzip verdrängten Gottesgnadentums etabliert. Hinzu kam nun neben einer realistischeren Darstellung des Porträtierten häufig auch eine detaillierte Wiedergabe des tatsächlichen Arbeitszimmers und seiner Gegenstände. Dies ging sogar so weit, dass es Bilder gab, die nur den Schreibtisch des Monarchen zeigten,

967 968 969

Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 61. Vgl. ebd., S. 61 f. Es gibt zahlreiche Beispiele aus Frankreich, Preußen, Österreich und Bayern, vgl. die Abbildungen bei: ebd.

Farbabbildungen



Farbabbildungen

Abb. I Hyacinthe Rigaud: König Ludwig XIV. von Frankreich, 1701. Öl auf Leinwand, 277 x 194 cm.

Farbabbildungen

Abb. II Max Slevogt: Prinzregent Luitpold bei der Seelenmesse der Georgi-Ritter, 1909. Öl auf Leinwand, 62,5 x 52 cm.

Farbabbildungen



Abb. III Max Haider: Maximilian II. von Bayern, 1850. Öl auf Leinwand, 161 x 120 cm.

Farbabbildungen

Abb. IV Georg Schachinger: König Ludwig II. als Großmeister des St. Georgs-Ritterordens, 1887. Öl auf Leinwand, 257 x 173 cm.



Farbabbildungen

Abb. V Paul Beckert: Ludwig III. als Großmeister des St.-Georg-Ordens, 1914.

Farbabbildungen

Abb. VI Jaques Louis David: Napoleon in seinem Arbeitszimmer in den Tuilerien, 1812. Öl auf Leinwand, 203,9 x 125,1 cm.



Farbabbildungen

Abb. VII Carl Christian Vogel von Vogelstein: Prinz Johann als Vorsitzender des Geheimen Finanz-Kollegiums, 1832. Öl auf Leinwand, 123 x 97 cm.

Farbabbildungen

Abb. VIII Ludwig Rudow: Die sächsische Königsfamilie, 1885. Öl auf Leinwand, 151 x 232 cm.



Farbabbildungen

Abb. IX Heinrich von Angeli: Die Familie Großherzog Ludwigs IV. von Hessen, 1879. Öl auf Leinwand, 168 x 149,6 cm.

Farbabbildungen

Abb. X Raden Saleh: Ernst II. und Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha nach der Jagd auf der Terrasse von Schloss Rosenau, 1844. Öl auf Leinwand, 113 x 134 cm.

Farbabbildungen



Abb. XI Raden Saleh: Löwenjagd, 1840. Öl auf Leinwand, 88 x 119 cm.

Farbabbildungen

Abb. XII Edwin Landseer: Windsor Castle in Modern Times, 1841–1843. Öl auf Leinwand, 113,4 x 144,3 cm.

Farbabbildungen



Abb. XIII Franz von Stuck: Prinzregent Luitpold, um 1897. Öl auf Leinwand, 202 x 114 cm.

Farbabbildungen

Abb. XIV Franz von Stuck: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, 1907. Öl auf Holz, 123 x 102 cm.



Farbabbildungen

Abb. XV Zeitgenössische Postkarte mit Motiv des Prinzregenten Luitpold und den Jubiläumsbriefmarken, 1911.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

225

ohne dass dieser anwesend war.970 Die Darstellung des Arbeitszimmers war dabei nicht nur symptomatisch für die aufkommende Trennung zwischen der öffentlichen und der privaten Rolle des Monarchen – für diese stand das Familienbild –, sondern sie war auch Ausdruck einer neuen Transparenz, die nun einen Blick an den ehemals geheimen Ort der folgenreichen Entscheidungen für den Staat und seine Bewohner gewährte: „Das Arbeitszimmer ist für den Bürger der Ort, wo der Herrscher allein über das Schicksal seines Volkes nachsinnt, wo er mit sich ringt und die Inspiration für seine Maßnahmen empfängt. So sind die Schreibtischbilder den Bildnissen des Künstlers in seinem Atelier vergleichbar oder den Gelehrtenbildnissen, die versuchen, das Genie an seiner Wirkungsstätte zu zeigen.“971

Abb. 4 James Aurig: S. M. König Friedrich August v. Sachsen in seinem Arbeitszimmer (zeitgenössische Postkarte)

In Bezug auf die hier untersuchten Bundesfürsten ist der Topos des Schreibtischbildes besonders mit König Johann von Sachsen verknüpft, von dem es gleich mehrere dieser Schreibtischporträts gab. Auch bei anderen sächsischen Herrschern, wie Albert972 oder Friedrich August III. (Abb. 4) war das Attribut beliebt. Dass sich auch von Maximilian II. von Bayern eine Fotografie neben einem

970

971 972

Ein solches Bild gibt es vom Schreibtisch Wilhelms I. von Paul Bülow aus dem Jahr 1884. Für diesen etablierte sich der Schreibtisch sogar als Attribut: So gab es nicht nur viele Schreibtischporträts des ersten Deutschen Kaisers, sondern auch im Hohenzollern-Museum wurde durch Fotografien des Schreibtisches dieser als Symbol für den arbeitenden Kaiser etabliert, vgl. Franziska Windt: Majestätische Bilderflut. Die Kaiser in der Photographie, in: Windt u. a.: Die Kaiser, 2005, S. 71, 77. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 108. Vgl. dazu Leon von Pohle: Bildnis König Alberts von Sachsen 1899, Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, Nr. 2309, abgedruckt bei: Uwe John (Hrsg.): König Johann von Sachsen. Zwischen zwei Welten, Halle/Saale 2001, S. 255.

226

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Schreibtisch erhalten hat,973 erstaunt nicht weiter, da Johann und Maximilian jene Bundesfürsten waren, die sich am meisten für eine Förderung der Wissenschaften einsetzten und sich selbst als Gelehrte verstanden. Hier soll zum einen auf ein Gemälde Carl Christian Vogel von Vogelsteins aus dem Jahr 1832 eingegangen werden, welches Johann noch als Prinz und Mitglied des Geheimem Finanzkollegiums zeigt (Abb. VII), zum anderen auf ein Bild aus seiner Regierungsphase, das 1855 von Friedrich Gonne angefertigt wurde (Abb. 5). Von Vogelstein malte den Prinzen Johann und dessen Familie von ca. 1820 bis 1830 mehrfach. In seinen Tagebuchaufzeichnungen berichtete der Maler von den Gesprächen mit dem Prinzen, die sich besonders um den gemeinsam verehrten Dante drehten,974 sodass ein engeres Verhältnis zwischen Maler und Modell vorausgesetzt werden kann. Das Bild zeigt den Prinzen vor aufgeschlagenen Akten an einem Schreibtisch in einem roten Armstuhl sitzend. Im Hintergrund sind weitere Akten zu sehen und die in der rechten Hand gehaltene Feder deutet auf die gerade unterbrochene Arbeit hin, die allerdings erst der Titel im Finanzkollegium näher konkretisiert. Das Bild ist auch deswegen interessant, weil sich über die Kleidung Johanns in jüngster Zeit eine Diskussion um eine vermeintliche Annäherung an das Bürgertum entwickelte. So meint etwa Joachim Menzhausen, dass Johann „im schwarzen Frack und weißen Hemd [...] auch für einen Schriftsteller oder Gelehrten gehalten werden“ könne, der „arbeitete [und] schrieb [...] wie ein Bürger unter Bürgern“.975 Ohne Zweifel sollte das Bild den Arbeitsethos Johanns und dessen Wissbegierde, ausgedrückt in seinem wachen Blick, darstellen. Fraglos ist auch, dass diese Zurschaustellung seiner Beamtentätigkeit im Dienste des Staates legitimierend auf die Herrschaft der Wettiner wirken und auf den Respekt anderer Leistungsträger, darunter auch das Bürgertum, abzielen sollte. Josef Matzerath weist aber zurecht darauf hin, dass eine Interpretation des Bildes im Sinne einer monarchischen Anbiederung an bürgerliche Ideale und Tugenden zu weit geht. So entspräche die Kleidung Johanns vielmehr der üblichen, um 1800 von überflüssigem Tand, Samt und Seide befreiten Alltagskleidung des Hochadels, bei welcher nun vordringlich auf perfekten Schnitt, Sitz und Eleganz Wert gelegt wurde. Nur bei Hoffesten erfüllte die hochadlige Kleidung noch den Zweck der Distinktion. Zudem weisen der sächsische Hausorden der Rautenkrone und der bayerische Hubertusorden, den Johann als Ehemann einer bayerischen Prinzessin erhalten hatte, sowie die rote Stuhlbespannung, die im Landtag Mitgliedern des Hochadels vorbehalten war, auf seine Stellung hin. Da die Kleidung Johanns lediglich auf Indifferenz, nicht aber gleich Kongruenz hindeutet, plädiert Matzerath für eine 973 974

975

Diese ist um 1850 von Franz Seraph von Hanfstaengel aufgenommen worden und befindet sich Besitz des Münchner Stadtmuseums. Vgl. Rainer Richter: Carl Christian Vogel von Vogelstein und sein Verhältnis zu Johann von Sachsen, in: Sächsische Heimatblätter: Zeitschrift für sächsische Geschichte, Denkmalpflege, Natur und Umwelt 38 (1992) 1, S. 38–44, hier S. 38 ff. Joachim Menzhausen: Kulturlandschaft Sachsen. Ein Jahrtausend Geschichte und Kunst, Dresden 1999, S. 259 f.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

227

Sensibilität gegenüber subtileren Hinweisen auf den Stand des Porträtierten in Bildnissen des 19. Jahrhunderts.976 Das hier erwähnte Beispiel ist dabei typisch für eine zu vorschnelle Charakterisierung von vermeintlicher Bürgerlichkeit. Dies ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass die Erwartungshaltung der Zeitgenossen, aber auch noch heutiger Betrachter, unbewusst und bewusst nach Hinweisen auf Bürgerlichkeit sucht. Dabei ist zu beachten, dass trotz aller Annäherungen des Hochadels an bürgerliche Ideale und Verhaltensweisen die Distinktion als Sozialformation stets gewahrt wurde977 und die Zuordnung des Attributes bürgerlich in erster Linie durch das Bürgertum selbst erfolgte,978 das im Monarchen ein Spiegelbild sehen wollte. Sicherlich trug zu der Deutung als Bürgerlicher auch der Umstand bei, dass nicht alle Betrachter in der Lage waren, solch feine Details wie die farbliche Zuordnung der Stuhlbespannung zu erkennen, sodass derartige Bilder doppelt wirken konnten: Für die in die Welt des Sächsischen Landtages Eingeweihten (darunter eben auch der Adel) verletzte das Bild nicht die Regeln der standesgemäßen Darstellung, für alle anderen Betrachter dagegen war dieses Detail leicht zu ignorieren und eine Umdeutung in eine bürgerliche Inszenierung wurde erleichtert. Diese Janusköpfigkeit ist als ein Novum der Herrscherporträts des 19. Jahrhunderts herauszustellen und als innovative Weiterentwicklung monarchischer Inszenierungsstrategien zu deuten.

976

977 978

Vgl. Josef Matzerath: Johann von Sachsen – ein „bürgerlicher“ König? Eine konstruktive Kritik gängiger historiografischer Deutungskonzepte, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 33–44, hier S. 37 f. Siehe ausführlich dazu Marburg: Europäischer Hochadel, 2008. Vgl. Geisthövel: Den Monarchen, 2003, S. 64.

228

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Abb. 5 Friedrich Gonne: König Johann, um 1855, Öl auf Leinwand, 223 x 156 cm, verschollen

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

229

Auch das von Friedrich Gonne geschaffene, bekannte Ganzfigurenporträt des Jahres 1855 zeigt Johann – nun bereits König – diesmal stehend, am Schreibtisch. Das Originalbild ist heute verschollen, wurde aber zum Zeitpunkt seiner Entstehung aus Anlass des Regierungsantritts des Monarchen für das Dresdner Residenzschloss angefertigt. Für die Herrschergalerie des Leipziger Rathauses fertigte Gonne selbst eine sehr ähnliche Kopie. Das Bild zeigt Johann in ordensgeschmückter Generalsuniform in seinem Arbeitszimmer.979 Der Blick des Königs ist für ein Staatsporträt eher ungewöhnlich. Zwar schaut er den Betrachter direkt an, allerdings sind seine Lippen dabei stark zusammengekniffen, sodass kaum ein würdevoller Eindruck entsteht. Die rechte Hand ist auf den mit Büchern geschmückten Schreibtisch gestützt, im Hintergrund sind weitere Bücher erkennbar. Ein deplatziert wirkender, drapierter Vorhang sowie der rechts im Bild stehende, an einen Thron erinnernde, rot bezogene Stuhl sind Attribute des Herrscherbildes. Die im Hintergrund erkennbare Büste Dantes ist ein Hinweis auf die literarische Leidenschaft des Königs und seine Übersetzertätigkeit unter dem Synonym Philalethes. Das hier vorgestellte Bild ist äußerst typisch für ein Schreibtischbild des 19. Jahrhunderts. Es weist gleich in dreierlei Hinsicht auf den König als ersten Diener des Staates und auf sein Amtsverständnis hin: So stehen Schreibtisch und Akten für die Verwaltungsarbeit des Königs, die Uniform für die militärische Sorge um das Wohl des Landes und die Büste Dantes um dessen kulturelle Belange. Zwar war Johanns Übersetzertätigkeit ein rein privates Vergnügen, dennoch kann die Büste als Synonym für eine staatliche Förderung der Kultur gedeutet werden, da sich private und öffentliche, zur Legitimation genutzte Förderung nur schwer trennen lassen. Johann setzte sich etwa als Vorsitzender des Altertumsvereins für eine Restaurierung der Albrechtsburg in Meißen ein, die als „vaterländisches Monument“ Zeugnis geben sollte von der fast 800 Jahre währenden Herrschaft der Wettiner und dadurch – ähnlich wie in Bayern – Geschichtsbewusstsein und Nationalstolz fördern sollte.980 Neben der inhaltlichen Deutung ist aber auch die Verbreitung des Bildes aufschlussreich. So existieren, abgesehen von der bereits erwähnten Leipziger Kopie, im Fundus des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden zwei weitere Kopien sowie zwei Kniestücke und ein Kopfausschnitt – für eines dieser Bilder ist eine Hängung im Offizierskasino des 12. Feldartillerie-Regiments wahrscheinlich.981 Eine weitaus größere Verbreitung fand das Bild aber in der populären Druckgrafik als Lithografie von F. Fischer. So kam es um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem sprunghaften Anstieg im Bereich des privaten Besitzes von Bildern, die sehr häufig als Wandschmuck verwendet wurden. Monika Kania-Schütz hat versucht, angesichts der heutigen Bestände sächsischer Heimatmuseen einen 979 980 981

Vgl. Birgit Finger: Das Haus Wettin im traditionellen Herrscherbild des 19. Jahrhunderts, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 289–312, hier S. 300. Johanns Kulturkönigtum als Legitimationsstrategie diskutiert: Matzerath: Johann von, 2004, S. 42 f. Vgl. Finger: Das Haus, 2004, S. 300.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Überblick über die Darstellungen König Johanns zu erlangen. Dabei beklagten die Museumsverantwortlichen häufig, dass ihre Bestände aus der monarchischen Vergangenheit Sachsens kaum repräsentativ seien – ein Umstand, der vermutlich auch der monarchiekritischen DDR-Vergangenheit des Landes geschuldet ist.982 Trotz allem fand Kania-Schütz in ihrer Umfrage 70 verschiedene Darstellungen Johanns. Diese sind dabei nicht so ausdifferenziert wie die Anzahl vermuten lässt, sondern lassen sich hauptsächlich den Typen Johann als Kind, als Prinz, als König und im Alter zuweisen.983 In den Königsdarstellungen dominieren dabei Abbildungen, die Johann in der Generalsuniform und häufig auch an einem Schreibtisch oder auf Aktenstücke verweisend zeigen. Weitaus mehr Bilder ließen sich von Johanns Nachfolger Albert und dessen Frau Carola finden. Dies ist aber eher den nochmals verbesserten Produktionsbedingungen im Grafikgewerbe zuzuschreiben als einer größeren Popularität der beiden.984 In jedem Fall verweist die Untersuchung Kania-Schütz’ zum einen auf die große Verbreitung, die auch klassische Staatsporträts im 19. Jahrhundert annehmen konnten, zum anderen auf die Behauptung der Bundesfürsten als regionale Symbolfiguren. Wenn diese, wie in Johanns Fall, mit klar zuzuordnenden Attributen verknüpft waren, wurde der Wiedererkennungswert des Bildes und damit dessen Wirkung als Image des Landesherrn noch gesteigert.

6.2.2.3 Familienporträts Prinzipiell stellte das Familienbild keine gänzlich neue Gattung des 19. Jahrhunderts dar, indes kam es hier bedingt durch die gestiegene Bedeutung von Individualität und zwischenmenschlichen Beziehungen zu einem Wandel. Vormoderne Abbildungen der ganzen Familie, erinnert sei etwa an die Familienporträts Maria Theresias durch Martin van Meytens, dienten hauptsächlich dem Zweck, die große Kinderschar des Herrschers zu zeigen und damit dessen Fruchtbarkeit und die dadurch gesicherte Erbfolge zu demonstrieren.985 Aber auch Reichtum und Prunk des Hofes sowie die unterschiedlichen gesellschaftlichen Aufgaben und anerzogenen Fähigkeiten der Kinder, welche die Führungsrolle des Hofes unterstrichen, wurden thematisiert.986 Diese Absichten blieben zunächst auch in Familienporträts

982 983 984 985 986

Vgl. Monika Kania-Schütz: Das Bild König Johanns in der populären Durckgrafik, in: Müller: Zwischen Tradition, 2004, S. 313–334, hier S. 318. Vgl. ebd., S. 320. Vgl. ebd., S. 328. Vgl. Agnes Husslein-Arco/Georg Lechner: Martin van Meytens der Jüngere, Wien 2014, S. 60. Dies ist etwa der Fall in einem 1762 von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. angefertigten Porträt der Familie des Herzogs Carl I. von Braunschweig-Lüneburg. Dies verweist etwa auf die verschiedenen militärischen Ränge der Söhne sowie auf die musikalischen Talente und Eheverbindungen der Töchter. Das Bild gehört der mhk. museumslandschaft hessen kassel, Inv.-Nr. GK I 11036 und ist bspw. abgedruckt in Maatsch u. a.: Ereignis Weimar, 2007, S. 58.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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des 19. Jahrhunderts bestehen, allerdings wurden nun auch der familiäre Zusammenhalt und die gegenseitige Zuneigung mehr betont. Besonders in England hatte das königliche Familienbild Tradition. Bereits die kinderreiche Familie Georges III. wurde häufig in Bildern festgehalten, welche elterliche Liebe, kindgerechte Entwicklung und geschwisterliche Verbundenheit thematisierten.987 Ebenso wurde in den zahlreichen von Winterhalter geschaffenen Bildern Victorias und Alberts das bürgerliche Familienethos zur Herrschertugend erhoben.988 Eine solche bewusst inszenierte Idylle häuslichen Glücks lässt sich in diesem Ausmaß, obschon es natürlich immer wieder Familiendarstellungen gab,989 im deutschen Raum nicht finden. Bei den hier untersuchten Bundesfürsten sind für die Öffentlichkeit gedachte Familiendarstellungen schon deswegen selten, weil in den jeweiligen Ländern über große Zeitabschnitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der Kinderlosigkeit keine große Kernfamilie um den Monarchen vorhanden war, die in Szene gesetzt werden konnte. Interessant dabei ist, wie die jeweiligen Familien mit diesem Problem umgingen. Während es in Bayern unter Ludwig II. und in Sachsen-Coburg und Gotha unter Ernst II. keine Familiendarstellungen gab, wurde in Sachsen der Familienverband um das kinderlose Königspaar Albert und Carola in Gemälden und Fotografien bewusst um die kinderreiche Familie des thronerbenden Bruders Georg erweitert und damit nach außen die gesicherte Erbfolge demonstriert. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde von Ludwig Rudow aus dem Jahre 1885, welches die sächsische königliche Familie zeigt (Abb. VIII). Einem Schlossinventar des Jahres 1891 zufolge hing das Gemälde im Wintergarten des Schlosses Weesenstein und war damit höchstwahrscheinlich auch der Öffentlichkeit zugänglich.990 Dass das Gemälde in erster Linie kein privates Bild der Familie war, sondern sich auch an andere Betrachter richtete, wird anhand der Kleidung – sämtliche Männer auf dem Bild tragen Uniformen und Orden, der König gar das Eiserne Kreuz – und des für ein Staatsporträt typischen Hintergrundes mit Fantasielandschaft und Architektur deutlich.991 Dadurch begünstigt, wirken die Dargestellten sehr steif; 987 988

989

990 991

Vgl. Jennifer Scott: The royal portrait. Image and impact, London 2010, S. 99–118. Vgl. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 105. Zum am britischen Hof entstandenen Werk Winterhalters siehe auch Manja Wilkens: Liebesgaben für den Prinzgemahl. Gemälde Franz Xaver Winterhalters als Geburtstags-, Hochzeitstags- und Weihnachtsgeschenke von Victoria an Albert und von Albert an Victoria, in: Franz Bosbach (Hrsg.): Künstlerische Beziehungen zwischen England und Deutschland in der viktorianischen Epoche, München 1998, S. 121–128; Helga Kessler Aurisch (Hrsg.): Franz Xaver Winterhalter. Maler im Auftrag Ihrer Majestät, Stuttgart 2015. Schoch zeigt als Beispiel die Familienbildnisse Franz’ I., Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 105 ff.; zu nennen sind auch die Bilder Joseph Karl Stielers der bayerischen Familie und die sächsischen Kinderbilder Vogelsteins, weitere (Familien-)bilder auch bei: Hessische Hausstiftung. Museum Schloss Fasanerie (Hrsg.): Fürstenkinder. Porträts vom 16. bis 21. Jh. im Hause Hessen, Petersberg 2009. Freundliche Auskunft von Dr. Birgit Finger, Schloss Weesenstein, 19.08.2015. Das Bild ist abgedruckt in: John: König Johann, 2001, S. 257 sowie Finger: Das Haus, 2004, S. 310, dort auch weitere Informationen dazu.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

auch herrscht kein Blickkontakt zwischen ihnen, der das Bild lebendiger wirken lassen würde. Der Zweck dieses Bildes bestand daher eher darin, die gesicherte Nachfolge denn einen familiären Zusammenhalt zu demonstrieren. Diesen vermittelten eher Fotografien, wie das Beispiel einer bearbeiteten und aus Einzelfotos zusammengestellten Aufnahme aus dem Jahr 1869 verdeutlicht, welche die Familie um König Johann zeigt (Abb. 6).992 Neben dem Königspaar Johann und Amalie Auguste werden das Kronprinzenpaar Albert und Carola, Prinz Georg, dessen Gemahlin und vier Kinder sowie je eine Schwester des Königs und der Königin dargestellt. Die einzelnen Personen sind dabei zu einem harmonischen Ensemble gruppiert, ihre Posen, wie verschränkte Arme, überkreuzte Beine und angelehnte Haltungen, sind eher informell und einige Familienmitglieder schauen sich direkt an. Der Mittelpunkt des Bildes wird bestimmt vom in einem thronartigen Sessel sitzenden König Johann, der im Gegensatz zu seinen Söhnen einen Anzug trägt. Er legt die Hand beschützend auf seinen vierjährigen Enkel und späteren König Friedrich August III., der sich wiederum an das Knie seines Großvaters schmiegt und mit dessen Uhrenkette spielt. Dieses Bild verdeutlicht mehr als das zuvor genannte Gemälde die Absicht, familiären Zusammenhalt zu demonstrieren und impliziert durch die Darstellung des Königs als liebender Großvater auch dessen Rolle als Vater seiner Landeskinder. Diese Verehrung des Fürsten als Landesvater ist besonders typisch für das frühe 19. Jahrhundert. Programmatisch brachte dies der Titel einer Festpredigt zur Goldenen Hochzeit des sächsischen Königspaars 1819 auf den Punkt: Ein Fürst der seinem Hause Vater ist, ist Vater seinem Volke.993 Aber auch später noch wurde die Rolle des Monarchen mit der eines liebevollen, sich um seine Kinder sorgenden Familienvaters verglichen. Dies war Ausdruck einer Ablösung vom rein patriarchalischen Ordnungsmodell hin zu einem vom Liebespostulat bestimmten Familienbegriff,994 der sich nun immer häufiger auch in den Gemälden nachweisen lässt. Dass dabei der familiäre Zusammenhalt in Sachsen auch zwischen dem kinderlosen Königspaar und der Familie des Bruders nicht nur eine Inszenierung war,995 sondern ebenso den Tatsachen entsprach,996 zeigen die Beispiele der beiden anderen kinderlosen Bundesfürsten. So hätte prinzipiell auch Ludwig II. von Bayern sich mit der großen Familie des späteren Ludwig III.

992 993

994 995

996

Schloss Weesenstein, Inv.-Nr. V/004/ K 7, abgedruckt in: John: König Johann, 2001, S. 431. Vgl. Christian Friedrich Lange: Ein Fürst, der seinem Hause Vater ist, ist Vater seinem Volke. Ein Vortrag in zwei Predigten zur Jubelfeier der Vermählung Seiner Majestät Friedrich August Königs von Sachsen am 2. und 3. Sonntage nach dem Fest der Erscheinung Christi 1819, Dresden 1819. Vgl. Mergen, Monarchiejubiläen, 2005, S. 131. Es gibt eine weitere Fotomontage, die nach dem Tod Johanns entstanden sein muss, und nun das kinderlose Königspaar Albert und Carola mit der Familie Georgs zeigt, Privatsammlung Dresden, abgedruckt in: John: König Johann, 2001, S. 432. Für den engen familiären Zusammenhalt sprechen etwa die zahlreichen Briefstellen in: Marburg: Europäischer Hochadel, 2008.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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darstellen lassen können, wenn er nicht gegen diesen eine große Abneigung gehabt997 und diese Darstellungsform nicht zu seinem Naturell gepasst hätte. Auch von Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha gibt es keine Bilder, die ihn mit der Familie seines Nachfolgers Alfred zeigen. Wie im bayerischen Fall war hier ebenfalls die gegenseitige Zuneigung begrenzt.998 Zugleich weist diese Nichtexistenz auf die Tatsache hin, dass zumindest die gemalten Familienporträts meist noch nicht auf eine Inszenierung gegenüber der Öffentlichkeit ausgerichtet waren, sondern häufig in privaten Räumen der Schlösser hingen.

Abb. 6 Die königliche Familie, 1869, Fotomontage, 26 x 29 cm

Anders sah dies dagegen in Großbritannien aus: Königin Victoria und Albert setzten ihre wachsende Familie immer wieder ins Zentrum ihrer Inszenierung und ließen diese Bilder auch in die drawing rooms, also die wichtigsten Gesellschaftsräume der zugänglichen Schlösser hängen.999 Diese Unterschiede zwischen England und Deutschland unterstreicht, dass das einzige Gemälde, welches die Familie Großherzog Ludwigs IV. von Hessen und bei Rhein zeigt, von dessen Schwiegermutter

997 998 999

Vgl. März: Ludwig III., 2014, S. 43 ff. Vgl. Bachmann: Aus dem, 1994, S. 33, 35. Vgl. Wilkens: Liebesgaben für, 1998, S. 122.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Königin Victoria bei Heinrich von Angeli für ihr Esszimmer in Osborne House angefordert wurde (Abb. IX).1000 Die zahlreichen Kindergemälde der Darmstädter Familie hatten dagegen, wie auch die zahlreichen Fotografien, rein privaten Charakter.1001 Zwar schafften einige wenige private Familiengemälde den Weg in die Öffentlichkeit über die Aufnahme in Kunstkataloge,1002 im deutschen Raum blieb die öffentlichkeitswirksame Inszenierung der Herrscherfamilie im Gemälde aber die Ausnahme. Die nur für den privaten Gebrauch angefertigten Werke blieben indes nicht immer wirkungslos. Sie waren wichtige Vorläufer für die später weitaus häufiger verbreiteten Lithografien, Fotografien und Postkarten. Gerade in letzterem Medium wurde die inszenierte Familie zum wichtigsten Darstellungssujet der Bundesfürsten. Diese trug erheblich zu deren Popularität bei, weil nun im neuen Medium der Fotografie die bis dahin existierende Trennung zwischen offiziellem und privatem Bild aufgehoben wurde. Auf den zahlreichen Postkartenmotiven zeigten sich die bundesfürstlichen Häuser nun, wie sie es im Gemälde nicht vermocht hatten: als liebevolle, teilweise auch zwanglos agierende Familien.1003

6.2.2.4 Genrebilder Zu einer selteneren Gruppe im Bereich der Herrschaftsporträts gehören Genrebilder. Diese zeigen nicht nur die Figur des Monarchen, sondern geben darüber hinaus Einblicke in eine Szenerie, die in einem Innenraum, häufig aber auch in der freien Natur stattfinden konnte. Zur Gruppe der Letzteren gehörten im 19. Jahrhundert typischerweise Jagddarstellungen. Da das Waidwerk eine traditionelle Freizeitbeschäftigung des Hochadels war,1004 lassen sich von vielen Bundesfürsten Abbildungen in Jagdkleidung finden. Besonders bei den Fürsten in Bayern und Sachsen-Coburg und Gotha waren solche Abbildungen bis ins 20. Jahrhundert verbreitet. Jagddarstellungen erfreuten sich einer großen Beliebtheit, weil sie zum einen eine bescheiden anmutende Liebe zur Natur mit der durch die Waffe klar definierten Herrschaft über sie vereinen konnten. Trotz aller inszenierten Einfachheit fungierte die Darstellung als Jäger daher weiterhin als Bildnis eines Machthabers. Dieser Aspekt wird auch deutlich im Gemälde Ernst II. und Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha nach der Jagd auf der Terrasse von Schloss Rosenau (Abb. X).

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1003 1004

Vgl. Christine Klössel: Der Hofmaler Heinrich von Angeli (1840–1925), in: Dobler u. a.: Meisterhafte Porträts, 2014, S. 29–50, S. 33 ff. Vgl. Hessische Hausstiftung, Fürstenkinder, 2009. Siehe etwa Detlev von Biedermann: Die Bildnisse unseres Fürstenhauses vom Anfang bis König Johann, Dresden 1880, Jean Louis Sponsel: Fürsten-Bildnisse aus dem Hause Wettin, Dresden 1906. Vgl. Kapitel 6.2.3.2. Ab 1848 nahmen aber auch gesellschaftlich weit aufgestiegene Bürgerliche an Jagdgesellschaften teil, vgl. Wolfram G. Theilemann: Adel im grünen Rock. Adliges Jägertum, Großprivatwaldbesitz und die preußische Forstbeamtenschaft 1866–1914, Berlin 2004, S. 480 f.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Das von Raden Saleh 1844 angefertigte Bild ist zudem ein eindrückliches Beispiel dafür, wie sehr ein Gemälde von den Wünschen des fürstlichen Auftraggebers geprägt sein konnte, während der Künstler seinen eigenen Stil diesem Auftrag unterordnete. Der javanische Adlige Raden Saleh (1811–1880) hatte schon als junger Mann seine Heimat verlassen und von 1830 bis 1839 in den Niederlanden Porträtund Landschaftsmalerei studiert sowie als unabhängiger Künstler gearbeitet. Eine im Anschluss daran für sechs Monate geplante Kunstreise durch Europa dehnte er auf zwölf Jahre aus, in denen er lange Zeit in Dresden, Coburg und Paris zubrachte. Gut integriert in die Dresdner Kunstkreise nahm er dort an Ausstellungen teil und begeisterte das Publikum besonders durch seine fremdländischen Sujets wie etwa Raubtierjagden und Tierstudien von Großkatzen (Abb. XI). Werner Kraus bezeichnet Salehs in Dresden entstandene Werke als Ausdruck eines „kompensatorischen Orientalismus, als Produkte, die er dem biedermeierlichen Publikum als breites Projektionsfeld zur Verfügung stellte“.1005 In Dresden lernte Saleh 1841 auch den damaligen Erbprinzen und späteren Herzog Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha kennen. Schnell verband die beiden eine freundschaftliche Beziehung, sodass Saleh 1843 an den niederländischen Kolonialminister schrieb: „Schon seit zwei Jahren bin ich mit diesem Prinzen in Dresden befreundet. Am Morgen kommt er in mein Atelier, um mit mir zu malen, am Nachmittag holt er mich oft ab, um mit ihm auszufahren oder auszureiten und am Abend unterhalten wir uns oft, denn er ist mir zugetan und wir verbringen viel Zeit miteinander.“1006

Ernst lud Saleh auch auf seine Schlösser nach Coburg und Gotha ein, wo er 1844 neun Monate und 1845 zwei Monate in engem Kontakt mit der Herzogsfamilie lebte. So nahm er sehr häufig an der herzoglichen Tafel teil und lernte dabei auch die britische Königin Victoria und deren Prinzgemahl Albert kennen. Auf Schloss Callenberg bekam er ein eigenes Atelier, in dem er die meiste Zeit des Tages an der Staffelei zubrachte. Die dort entstandenen Porträts des Herzogspaares sind leider wie die meisten der dort entstandenen Landschaftsbilder verschollen.1007 Eines der wenigen erhalten Bilder Salehs aus seinem Coburger Aufenthalt stellt das hier zu besprechende Genrebild des Herzogspaares nach erfolgreicher Jagd auf der Terrasse des Schlosses Rosenau dar. Nicht nur Ernst II. war ein passionierter Jäger – seinen eigenen Aufzeichnungen zufolge waren etwa 100 erlegte Hasen bei einer Jagd keine Seltenheit1008 –, sondern auch Saleh war ein begeisterter Waidmann.1009 Das Sujet des Gemäldes ist 1005

1006

1007 1008 1009

Werner Kraus: Raden Saleh – ein javanischer Maler in Sachsen und Thüringen, in: Julia M. Nauhaus (Hrsg.): Raden Saleh (1811–1880). Ein javanischer Maler in Europa, Altenburg/Thüringen 2013, S. 10–47, hier S. 15. Raden Saleh an J. C. Baud, Dresden 13.02.1843, zitiert nach Werner Kraus: Raden Saleh Bustaman (1811–1880). Ein javanischer Maler in Coburg zur Zeit von Herzog Ernst II., in: Coburger Geschichtsblätter 18 (2010), S. 45–75, hier S. 53. Vgl. ebd., S. 56–63. Vgl. StACo, LA A, Nr. 6911. Vgl. Werner Kraus: Raden Saleh (2010), S. 52.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

daher wenig überraschend. Es zeigt die Rückkehr des jagenden Herzogs mit seinen Helfern und die Begrüßung dieser durch die Herzogin auf der Schlossterrasse. In der Mitte des Bildes steht breitbeinig der Herzog und hält mit seiner Rechten einen erlegten Fasan in die Höhe. Zu seiner Linken hat er den Arm um die Herzogin gelegt, die mit ihrer Hand auf den Fasan deutet und dabei ihren Mann anschaut. In der linken Bildhälfte kniet im Vordergrund ein Oberförster, während im Hintergrund das Pferd des Herzogs abgeführt wird. Des Weiteren sind links und rechts zwei Jagdhunde zu sehen, von denen der linke einen erlegten Hasen in Richtung des Herzogs reckt, sowie ein geschossenes Reh und weitere Wildvögel. Am rechten Bildrand ist neben einem Springbrunnen ein Hofmohr abgebildet, welcher wahrscheinlich einen im gleichen Jahr von der herzoglichen Marokkoreise mitgebrachten Afrikaner darstellt, den Ernst auf den Namen Maximilian Philipps taufen ließ und der als Kammerdiener fungierte.1010 Der Hintergrund ist in Zwielicht getaucht, was auf eine Szenerie zu Beginn oder am Ende des Tages, den typischen Jagdzeiten, hinweist. Setzt man dieses Bild in Relation zu Salehs Gesamtwerk, wird deutlich, dass es durch seinen kompositorischen Aufbau eklatant aus selbigem herausfällt.1011 Während Salehs Darstellungen von Raubtierjagden stets getragen sind von energiegeladenen Bewegungen und dem Aufeinandertreffen von Jäger und Beute im entscheidenden Augenblick der Jagd, zeigt das Coburger Bild nicht nur ein Geschehen nach der Jagd, sondern legt den Fokus durch den strengen, fast erstarrt wirkenden Aufbau auch mehr auf die Stellung der einzelnen Personen. Dieses Abweichen von Salehs typischem Malstil lässt sich nur dadurch erklären, dass der Herzog als Auftraggeber genaueste Vorgaben machte, wie das Bild zu gestalten sei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte dieser als Vorlage ein Gemälde Edwin Landseers im Auge, an dem dieser von 1840 bis 1843 arbeitete und welches Ernst in London gesehen hatte. Es handelt sich dabei um Windsor Castle in Modern Times und zeigt Königin Victoria, Prinz Albert und deren älteste Tochter im genannten Schloss (Abb. XII). Das Landseerbild ist dabei ein klassisches Beispiel einer bewusst bürgerlichen Inszenierung Victorias. Rainer Schoch zufolge müssten neben der Darstellung der königlichen Familie „selbst die biedermeierlichen Familienbilder der deutschen Restauration streng erscheinen“.1012 Zu sehen sind Prinz Albert in Jagdkleidung, der umgeben ist von seinen Hunden, rechts spielt die kleine Princess Royal mit erlegten Vögeln, während Victoria gerade zur Tür hereinkommt und sich an Albert wendet. Windsor Castle in Modern Times sollte nicht nur, wie bereits der Titel erkennen lässt, eine vermeintlich natürliche, bürgerlich anmutende Familienszene darstellen, sondern spielte auch mit der komplizierten Doppelrolle von Victoria als Königin und Ehefrau. Dem Bild der Gattin entspricht sie durch ihre Blumenaccessoires und den zurückhaltenden, demutsvollen Blick auf Albert, der zudem in ihrer Gegenwart – der Königin gegenüber eigentlich unangemessen – 1010 1011 1012

Vgl. ebd., S. 53. Zu dieser Einschätzung kommt auch ebd., S. 61. Schoch: Das Herrscherbild, 1975, S. 150.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

237

sitzt. Andererseits wird die Rolle der Herrscherin durch die leicht erhöhte Position und das weiße Kleid als Blickpunkt des Bildes unterstrichen. Auch die sehr weich gehaltenen Gesichtszüge Alberts und die eigentümliche Verlagerung der Jagdszene in einen dafür ungeeigneten Innenraum, deuten darauf hin, dass die typischen Geschlechterrollen in Victorias Ehe durch ihre Regentschaft häufiger in Frage gestellt wurden. Im Falle des coburg-gothaischen Herzogs waren solche Differenzierungen nicht notwendig. Er war eindeutig nicht nur Familienoberhaupt und oberster Jäger, sondern auch regierender Herzog. Als unangefochten in seinen jeweiligen Positionen stellt ihn Salehs Bild dann auch dar. Der kniende Förster, der Jagdhund und seine Frau blicken zu ihm auf, aber auch Hofmohr und Stallknecht harren seiner Befehle. Salehs Bild zeigt Ernst daher nicht nur als Herr über die Natur, verkörpert durch die aufblickenden Hunde und das erlegte Wild, sondern auch als Herr über die Gesellschaft, versinnbildlicht durch die Diener und seine Ehefrau. Auch in Landseers Bild richten sich alle Blicke, besonders die der ergebenen Hunde, auf Albert. Dennoch kann dieser nicht die gleiche Entschlossenheit ausstrahlen wie sein Bruder, der mit erhobener Rechten an den Redegestus der allein den römischen Kaiser zustehenden adlocutio – zu sehen etwa auf antiken Münzen oder der Trajanssäule1013 – erinnert und dadurch seinen Führungsanspruch unterstreicht. Dass das Bild im Jahr der Regentschaftsübernahme Ernsts 1844 entstand, weist zudem auf den programmatischen Charakter hin, den der Herzog diesem wohl zuwies. Wahrscheinlich ließ Ernst Saleh Bildsujet und Malweise des Landseerbildes kopieren, die Komposition aber in einen passenderen Außenraum verlegen und hinsichtlich eindeutiger gesellschaftlicher Beziehungen verändern, sodass die Differenzierungen hinsichtlich der Geschlechter- und Herrscherrollen nun fehlen. Bis auf die Tatsache des Hofmohren – den es ja tatsächlich gab – fehlt diesem Bild jeglicher, für Saleh typische exotische Flair. Durch die genauen Vorgaben des Herzogs hätte dieses Bild auch von jedem anderen talentierten Künstler angefertigt werden können, was dazu führt, dass es weniger als Werk des individuellen künstlerischen Ausdrucks, denn vielmehr als bewusste Inszenierung des jungen, jagdbegeisterten und sich seiner Stellung versichernden Herzogs zu bewerten ist. Die Vorlage für diese Inszenierung erkannten übrigens auch schon die Zeitgenossen. So hielt eine Hofdame Victorias, Lady Canning, bei einem gemeinsamen Coburgbesuch 1845 in ihrem Tagebuch über Salehs Bild fest: „[H]is picture of the Duke & D[uche]ss of Coburg with their real black servant & heaps of dead game is a good imitation of Landseer“.1014

1013 1014

Konrat Ziegler/Walther Sontheimer: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike in 5 Bänden, Bd. 1, Aachen–Dichalkon 1979, Sp. 67. Virginia Surtees: Charlotte Canning. Lady-in-waiting to Queen Victoria and wife of the first Viceroy of India 1817–1861, London 1975, S. 158.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

6.2.2.5 Zwei Porträts Franz von Stucks um 1900 im Vergleich Bei der Frage nach dem Einfluss des porträtierten Monarchen auf die Gestaltung des Bildes ist es aufschlussreich, zwei Porträts unterschiedlicher Bundesfürsten des gleichen Malers zu untersuchen. Für die hier untersuchten Fürsten ist dies der Fall bei den von Franz von Stuck gefertigten Porträts des Prinzregenten Luitpold von Bayern (Abb. XIII) und Großherzog Ernst Ludwigs von Hessen und bei Rhein (Abb. XIV). Diese im Abstand von nur wenigen Jahren entstandenen Gemälde wirken bereits auf den ersten Blick so unterschiedlich, dass eine nähere Untersuchung lohnenswert scheint. Franz von Stuck (1863–1928) hatte als Sohn eines niederbayerischen Müllers einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Bereits sein erstes Gemälde Die Wächter des Paradieses brachte 1889 dem damals 26-Jährigen die Goldmedaille der Münchner Glaspalast-Jahresausstellung ein. Stucks unverwechselbarer Malstil, der dem zeitlich zwischen Historismus und Jugendstil liegenden Symbolismus zuzuordnen ist, hatte häufig mystische und biblische Figuren zum Thema, wie etwa Faune und Sphinxen, aber auch Eva, verkörpert im Gemälde Die Sünde. Dabei ging es Stuck mit seinem symbolistischen Vokabular stets um die Ergründung der „Dunkel der Seele“,1015 um ihre hellsten, aber auch ihre düstersten Seiten, um „Paradies“ und „Sünde“.1016 Obwohl Stuck 1892 zu den Gründungsmitgliedern der Münchner Secession gehörte, die sich u. a. gegen den akademisch dominierenden Naturalismus und auch die Vertreter des staatlich gelenkten Kunstbetriebes um Franz Lenbach wandte, war Stuck nach wie vor in den gehobenen Schichten Münchens als Maler begehrt und wurde 1895 selbst Professor an der Münchner Akademie. Von diesem Zeitpunkt an galt er neben Lenbach und Kaulbach als einer der Münchner Malerfürsten und vertrat diesen Anspruch auch nach außen durch den Bau seiner repräsentativen Villa.1017 1905 erfolgte die Erhebung in den Adelsstand durch den Prinzregenten. Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass der Maler zahlreicher Aktdarstellungen auch als Porträtist der Elite fungierte. Indes konzentrierte sich Stuck nie gänzlich auf einen Topos, weshalb auch die Ergründung des Individuellen im Porträt zu seinen Stärken gezählt werden konnte. Prinzregent Luitpold wurde von Stuck nachweislich mehrmals gemalt. Es herrscht allerdings Unklarheit über die verschiedenen Porträts und ihr Entstehungsdatum, sodass eine eindeutige Zuordnung schwierig ist. Einmal werden die Daten 1894 und 1903 genannt,1018 dann wiederum wurden zwei Gemälde, eins in 1015

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Vgl. Alexander Rauch: Zum Werk des Symbolisten Franz von Stuck (1863–1928), in: Gerwald Sonnberger (Hrsg.): Franz von Stuck. Gemälde, Zeichnung, Plastik aus Privatbesitz, Passau 1993, S. 7–22, hier S. 8. Vgl. Alexander Rauch: Symbolismus zwischen „Paradies“ und „Sünde“ – Das Werk des Künstlers und seine Villa, in: Gabriele Kolber (Hrsg.): Die Villa Stuck in München. Inszenierung eines Künstlerlebens, München 1992, S. 24–72. Vgl. Rauch: Zum Werk, 1993, S. 13–18. Vgl. Gerwald Sonnberger (Hrsg.): Franz von Stuck. Gemälde, Zeichnung, Plastik aus Privatbesitz, Passau 1993, S. 149.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

239

Zivil und eins in der Tracht der Hubertusritter, auf welches näher eingegangen werden soll, 1897 im Münchner Glaspalast ausgestellt.1019 Schließlich gibt es noch mehrere Versionen dieser Bilder. In jedem Fall weist aber das frühe Datum 1894 – Stuck war noch kein Professor an der Akademie – auf die Sensibilität Luitpolds für aktuelle Kunstströmungen hin. Indem er Stuck einen Porträtauftrag gab, fungierte der Regent in erster Linie als Förderer und Protegé der Münchner Künstler, ohne dabei ein expliziter Anhänger Stucks sein zu müssen. München war im ausgehenden 19. Jahrhundert das führende Kunstzentrum Deutschlands und nach Paris die zweitwichtigste Kunstmetropole Europas. In der Stadt lebten direkt oder indirekt 30.000 Menschen vom Kunstbetrieb, wobei der Hof nach wie vor Hauptauftraggeber war.1020 Prinzregent Luitpold wurde dem Erbe seines Vaters Ludwig I., der den Grundstein für die Bedeutung der Kunst in München gelegt hatte, mehr als gerecht und vergab kontinuierlich Porträtaufträge an die Akademie der Künste und führende Münchner Maler. Zudem pflegte er zu vielen Künstlern einen persönlichen Kontakt und nahm durch die von staatlicher Seite erfolgende Ernennung des Akademiedirektors maßgeblichen Einfluss auf die Kunstlandschaft der Stadt.1021 Die von den führenden Künstlern Münchens angefertigten Porträts wurden häufig kopiert und fanden in den wichtigsten Repräsentativgebäuden ihren Platz. Zudem waren die Maler sehr erfolgreich im Sekundärmarkt, d. h. sie schlossen Verträge mit Reproduktionsherstellern, sodass sehr viele Reproduktionen ihrer Werke in Umlauf kamen. Stuck beispielsweise hatte das Gesamtvervielfältigungsrecht seiner Werke an den Verlag Hanfstaengl abgetreten.1022 Bis heute wurde allerdings auch bedingt durch Kriegsverluste und fehlende archivalische Quellen das Porträtschaffen im Dienste des Staates nicht einmal ansatzweise erfasst.1023 Wie bereits erwähnt, ist die Zuordnung der einzelnen Luitpoldbilder innerhalb Stucks Œuvre unklar. So befindet sich im Fundus der Ludwig-Maximilians-Universität München das Original oder eine Kopie des Hubertusritterporträts des Prinzregenten, welches bereits 1897 ausgestellt worden war. Im Historischen Museum der Pfalz in Speyer befindet sich zudem ein dem Universitäts-Bild sehr ähnliches Bruststück, welches auf 1905 datiert ist. Die Universität hatte das Gemälde

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Da diese Ausstellungen jährlich erfolgten, ist auch die Entstehungszeit 1897 wahrscheinlich. Das Bild in Hubertustracht zierte den Katalog als Frontispiz, Offizieller Katalog der VII. Internationalen Kunstausstellung im Kgl. Glaspalaste zu München 1897, 1. Juni–Ende Oktober, München, 2. Aufl., 1897, S. 115. Vgl. Friedrich Prinz: Franz von Lenbach in seiner Zeit, in: Archiv für Kulturgeschichte 71 (1989) 2, S. 377–393, hier S. 384. Vgl. Adolf Rosenberg: Friedrich August von Kaulbach, Bielefeld 1900, S. 61. Vgl. Birgit Jooss: „Bauernsohn, der zum Fürsten der Kunst gedieh“. Die Inszenierungsstrategien der Künstlerfürsten im Historismus, in: Plurale. Zeitschrift für Denkversionen 5 (2005), S. 196–228, hier S. 200. Die Publikation Martha Schad: Bayerns Königshaus. Die Geschichte der Wittelsbacher in Bildern, Augsburg 1999 ist beispielsweise wenig aussagekräftig.

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um die Jahrhundertwende für 8175 Mark möglicherweise für das 20. Regierungsjubiläum Luitpolds 1906 erworben.1024 Auf den ersten Blick ähnelt Stucks Porträt anderen Repräsentativgemälden des Prinzregenten, die ihn häufig in Jagdkleidung oder, wie hier, in der Tracht des Großmeisters der Hubertusritter, des höchsten bayerischen Ordens, zeigen. Diese Tracht oder die des Großmeisters des St.-Georg-Ritterordens wählte der Prinzregent häufig für Darstellungen auf Repräsentativgemälden, da ihm als Regenten das Tragen der Kroninsignien verwehrt war. Auch der Vorhang im Hintergrund ist zunächst noch ein Verweis auf ein monarchisches Porträt, in dem der ordensgeschmückte Luitpold in der mittelalterlich anmutenden Tracht als Bewahrer der Tradition und – verkörpert im Degen – als Beschützer Bayerns darstellt wird. Auf den zweiten Blick eröffnet sich aber noch eine zweite, symbolistische Lesart des Bildes. Der Prinzregent steht in Schrittstellung mit dem rechten Bein auf einer Stufe, die linke Hand ist in die Seite gestützt, während die rechte auf einem Tisch ruht. Diese Schrittstellung lässt den über Achtzigjährigen nicht nur das Bild vollends ausfüllen, sondern verleiht ihm auch etwas Energisches, fast so, als ob er jeden Augenblick losspringen würde. Dieses Moment wird noch von den schwarzen Strumpfhosen der Tracht des Hubertusordens unterstrichen, welche den Blick auf die muskulösen Beine des Greises lenken, die im Gegensatz zur restlichen Statur des Regenten vor dem weißen Tischtuch besondere Betonung finden. Der hiermit von Stuck eröffnete Widerspruch zwischen tatsächlichem Alter des Regenten und seiner vermeintlichen Agilität – die sich auf vergleichbaren Luitpold-Bildern in dieser Art nicht finden lässt – wird noch durch die Ausgestaltung des Kopfes weitergeführt. Während etwa die Porträts Kaulbachs meist schon einen alten, kontemplativen Mann mit langem Bart zeigen,1025 lässt Stuck bei seinem verjüngten Luitpold Ähnlichkeiten zu einem mythischen Faun anklingen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Stucks Darstellung dem Prinzregenten nur entfernt ähnlichsieht. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass Stuck der Darstellung Luitpolds eine symbolistische Dimension hinzufügte, die ihn als mythologischen Gott des Waldes und Beschützer der Natur sowie der Bauern und Hirten darstellt und somit auf dessen Jagdleidenschaft und Naturverbundenheit verweist, wie es auch die naturalistischen Darstellungen des Prinzregenten als Jäger tun. Im Gegensatz zu diesen war jedoch Stucks Gemälde für den Betrachter keineswegs so offensichtlich zu

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Vgl. http://www.uni-muenchen.de/studium/stud_leben/kulturelles-leben/uni_galerie/ kunstbestand/kunstwerk_des_monats/kdm_august10/index.html, letzter Abruf 05.08.2017, 16.00 Uhr. Vgl. dazu etwa die 1891, 1900 und 1909 im Münchner Glaspalast ausgestellten Porträts. Diese bildeten jeweils auch die Frontispize der dazugehörigen Ausstellungskataloge, Illustrierter Katalog der Münchener Jahresausstellung von Kunstwerken Aller Nationen im kgl. Glaspalaste 1891, München, 3. Aufl., 1891; Offizieller Katalog der Münchener Jahres-Ausstellung 1900 im kgl. Glaspalast, München, 2. Aufl., 1900; Offizieller Katalog der X. Internationalen Kunstausstellung im kgl. Glaspalast zu München 1909, 1. Juni bis Ende Okt., München, 2. Aufl., 1909.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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erschließen, sondern verlangte wie alle Bilder des Malers eine weit größere Vertiefung, die überall präsenten Staatsgemälden allerdings eher selten gewährt wurde. Was der Prinzregent selbst von dieser Darstellung hielt oder ob er sie auf diese Art und Weise verstand, ist nicht überliefert. Dass er sie jedoch selbst angeregt hat, muss als sehr unwahrscheinlich gelten – dafür ist die Handschrift Stucks in der Gestaltung zu offensichtlich. Ebenso unwahrscheinlich aber ist, dass Luitpold der symbolistischen Erweiterung des Staatsgemäldes ablehnend gegenüberstand. So stand er mit dem Maler nicht nur in engerem Kontakt, sondern besaß in seiner Privatsammlung auch mehrere Bilder Stucks. Zudem war der Regent für seine große Toleranz auch gegenüber modernen Kunstrichtungen, die nicht seinem eigenen Geschmack entsprachen, bekannt.1026 Insgesamt betrachtet, ist das Porträt des Prinzregenten ein gelungenes Beispiel für ein stark vom Stil des Künstlers geprägtes Abbild, welches in diesem Fall zunächst als Repräsentativgemälde, aber eben auch als typisches Werk einer zeitgenössischen Stilrichtung funktioniert. Ganz anders gestaltete Franz von Stuck sein Bildnis des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Im Gegensatz zum Bild des Prinzregenten ist hier über die Entstehung mehr bekannt, denn in zwei Briefen an seine Frau vom 29. und 31. Januar 1907 beschrieb der Großherzog die Malarbeit Stucks in München. Allein diese Tatsache ist bemerkenswert: Es war nicht der Maler, der an den Hof des Fürsten reiste, um diesen zu porträtieren, sondern der Fürst, der dem Malerfürsten einen Besuch abstattete. Dies spricht zum einen für die große Bedeutung Stucks in der deutschen Kunstlandschaft, zum anderen aber auch für das tatsächliche Interesse des Großherzogs an dessen Arbeit und den expliziten Wunsch, von diesem und keinem anderen Maler porträtiert zu werden. Dies ist bereits ein erster Gegensatz zum Porträtauftrag des Prinzregenten. Ernst Ludwig weilte Anfang 1907 mehrere Tage in München und berichtete seiner Frau, dass er zu Beginn seines Aufenthalts ein Konzert besuchte, auf welchem auch Stuck zugegen war: „Zuerst genirte ich mich denn er hat mich unverwant studirt jede Bewegung und Ausdruck beobachtet. Er glaubte dass ich es nicht bemerkte, aber ich habe es wohl gesehen“.1027 Am gleichen Tag hatte Stucks Frau „eine Masse Aufnahmen“, also Fotografien für den späteren Malprozess gefertigt,1028 am 29. Januar stand er Stuck kurz Modell für die grobe Anlage des Bildes – „[d]en ganzen Tag malt er heute so dass er morgen alle Einzelheiten hinein setzen kann“1029 – und am 30. erfolgte dann in einer ganztägigen Sitzung bereits die Fertigstellung des Gemäldes. An diesem Prozess fiel nicht nur dem Großherzog die schnelle Malweise Stucks auf – „[e]s ist rasend wie schnell er arbeitet“ –, sondern auffällig ist auch die Zeit, die Ernst Ludwig dem Künstler zur Verfügung stellte: 1026 1027 1028

1029

Vgl. Ludwig: Kunst, Geld, 1986, S. 353–361. HStAD, D 24, 44/2, Ernst Ludwig an Eleonore, 29.01.1907. Im Fundus des Schlossmuseums Darmstadt findet sich eine solche Fotografie, auf der Ernst Ludwig allerdings – im Gegensatz zum späteren Bild – Uniform trägt, freundliche Auskunft von Alexa-Beatrice Christ, Direktorin Schlossmuseum Darmstadt, 14.08.2015. HStAD, D 24, 44/2, Ernst Ludwig an Eleonore, 29.01.1907.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

„Vom Morgen bis 1 Uhr und dann bis 5 Einhalb stand ich dem Stuck.“1030 Während die meisten Künstler sich für ihre Arbeiten mit fotografischen Vorlagen bemühen mussten und eine Porträtsitzung dem jeweiligen Oberhofmarschall nur schwer abgerungen werden konnte, stand Ernst Ludwig Stuck vier Tage zur Verfügung, um das Porträt anzulegen. Dabei waren beide Männer von der Arbeit und dem Resultat begeistert: „[I]ch habe das Gefühl, dass es wirklich was gutes wird. Denn er [Stuck, A. S.] sagte mir jetzt hätte er mich begriffen und ist Feuer und Flammen für die Arbeit.“1031 Diese intensive Auseinandersetzung Stucks mit dem Großherzog ist dem Porträt durchaus anzusehen und hebt es in seiner gelungenen Charakterisierung der individuellen Züge Ernst Ludwigs von anderen Repräsentativgemälden ab. Vor einem für Stucks Werk typischen, von der altrömischen Enkaustik beeinflussten,1032 mit deutlichen Pinselstrichen grün-blau-kolorierten Hintergrund hebt sich die von einem schwarzen Doppelreiher geprägte Figur Ernst Ludwigs ab. Er steht leicht seitlich gedreht und hat die linke Hand in die Hüfte gestützt, während sich die rechte auf einem Stuhl abstützt. Das Gesicht des Großherzogs ist klar herausgearbeitet und der selbstbewusste Blick scheint den Betrachter fast spöttisch herauszufordern. Durch die gezielt gesetzten roten Farbpunkte des Bildes, welche sich in Krawatte, Manschettenknopf, Siegelring und den Lippen Ernst Ludwigs wiederfinden, entsteht in Kombination mit dem dominierenden Schwarz und dem Weiß des Hemdes eine energiegeladene Grundstimmung. Ernst Ludwig, der auf jegliche Herrschaftsinsignien verzichtete, präsentiert sich in Stucks Bild, wie er sich vermutlich selbst am liebsten sah: als geschmackvoll gekleideter Dandy, der sich seiner gehobenen Stellung und seines guten Kunstgeschmacks voll bewusst ist. Ihm selbst gefiel das Bild jedenfalls sehr, und er war der Ansicht, „dass man das Bild nie müde wird“.1033 Die zivile Kleidung des Großherzogs sollte zudem nicht als Indiz einer ausschließlich privaten Nutzung des Bildes gedeutet werden. Um 1900 wurde es, auch bestärkt durch die zeitgleich in Umlauf kommenden Fotografien mit zivil gekleideten Herrschern, durchaus möglich, auch solch einem Bild die Funktion eines Staatsporträts zukommen zu lassen. Zudem war das Bild von Juni bis Oktober 1907 in der Ausstellung der Münchner Secession zu sehen gewesen und im dazugehörigen Katalog abgedruckt worden.1034 Ob es allerdings auch in Darmstadt ausgestellt worden ist, bleibt unklar.1035 Trotz allem ist, wenngleich die 1030 1031 1032 1033 1034

1035

HStAD, D 24, 44/2, Ernst Ludwig an Eleonore, 31.01.1907. HStAD, D 24, 44/2, Ernst Ludwig an Eleonore, 29.01.1907. Vgl. Rauch: Zum Werk, 1993, S. 19. HStAD, D 24, 44/2, Ernst Ludwig an Eleonore, 31.01.1907. Vgl. Offizieller Katalog der Internationalen Kunst-Ausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens (e. V.) „Secession“ 1907 im kgl. Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz vom 1. Juni bis Ende Oktober 1907, München 1907, Abb. 20. In Darmstadt waren insbesondere im Alten Palais auch Privaträume und Gemäldesammlungen des Großherzogs im Rahmen von gelegentlichen Führungen öffentlich zugänglich, ob dazu das Stuckporträt gehörte, ist allerdings unklar, freundliche Auskunft von Alexa-Beatrice Christ, Direktorin Schlossmuseum Darmstadt, 14.08.2015.

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Hauptgestaltung des Gemäldes natürlich auf den ausführenden Stuck zurückging, festzustellen, dass es der Darstellungs- und Inszenierungsabsicht des Großherzogs vollkommen entsprach und daher als Programmbild der Herrschaft Ernst Ludwigs gewertet werden kann. Vergleicht man Stucks Porträt des Großherzogs mit dem des Prinzregenten, ergeben sich neben formalen Gemeinsamkeiten, wie etwa der Haltung der Dargestellten mit der in die Hüfte gestützten Linken oder dem Schwarz ihrer Kleidung, doch hauptsächlich Unterschiede, die besonders in der krassen Gegensätzlichkeit der Kostüme – hier der modernde Anzug, dort das traditionelle Rittergewand – hervortreten. Trotz allem lässt sich feststellen, dass der Maler beiden Porträtierten auf ihre Art gerecht geworden ist. Während das Porträt Luitpolds das gängige Klischee des traditionsbewahrenden Prinzregenten aufgreift, zeigt es den hessischen Großherzog als modernen Fürsten, indem es auf jegliche offensichtliche Attribute verzichtet. Allein die künstlerische Qualität des Bildes avanciert zum auf den Kunstkenner und -förderer Ernst Ludwig verweisenden Attribut und lässt fast vergessen, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Durch die alleinige Konzentration auf das Einfangen der Individualität Ernst Ludwigs hebt sich das Stuck’sche Gemälde von den meisten öffentlich gezeigten Porträts seiner Zeitgenossen ab und kann noch heute als ein Werk gesehen werden, welches nicht nur aufgrund der dargestellten Person, sondern auch aufgrund seiner Malweise Geltung beanspruchen darf.

6.2.2.6 Rezeptionsmöglichkeiten Verbreitung öffentlicher Bildnisse durch die Höfe Trotz aller technischen Neuerungen im Druck- und Fotografiebereich hatte das klassische Ölgemälde zur Ausschmückung von Repräsentativbauten auch im 20. Jahrhundert nicht seine Bedeutung verloren. Ein traditionell wichtiger Aufhängungsort für landesfürstliche Porträts waren dabei Amtsstuben und Schulen. Bezüglich einer systematischen höfischen Verbreitungspraxis ist die Aktenüberlieferung unterschiedlich. Für Bayern haben sich beispielsweise zahlreiche Porträtanfragen erhalten, auf die noch eingegangen wird. Für Sachsen ist dagegen aufgrund von Kriegsverlusten kein Einblick in die Verbreitungspraxis möglich. In Sachsen-Coburg und Gotha war die Verbreitung aufgrund der Größe des Gebietes nicht so stark ausgeprägt, gleichwohl gab es aber immer wieder Initiativen, die die Sichtbarkeit des Herzogs sicherstellten.1036 Für das Großherzogtum Hessen schließlich ist die Überlieferung am besten, sodass sich belegen lässt, dass der dortige Hof eine selbst initiierte Verbreitung von Porträts konsequent verfolgte. So sandte das Innenministerium in regelmäßigen Abständen Empfehlungsschreiben

1036

Vgl. LATh – StA Gotha, Bestand 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, Nr. 112, fol. 48v–50r; StA Co, LA A, Nr. 13197.

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an die jeweiligen Kreisämter, welche Gemälde, Büsten oder Fotografien des Großherzogs und seiner Familie zur Anschaffung geeignet seien. 1885 wurde etwa die Anschaffung einer Kupferradierung Ludwigs IV. von Peter Halm zum Preis von 10 Mark für Rathäuser, Sitzungs- und Dienstzimmer sowie Schulsäle empfohlen. Meist folgten den Empfehlungsschreiben auch noch einmal Werbeschreiben der Verleger, die natürlich ein großes Interesse am Absatz der Kunstwerke hatten.1037 Schulen wurden explizit zur Anschaffung einer Regententafel des Verlegers Diemer aufgefordert, die ebenfalls Peter Halm gestaltet hatte. Diemer warb 1892 selbst mit einem bedruckten Werbeblatt für die Tafel, welche alle hessischen Regenten seit Philipp dem Großmütigen (1504–1567) zeigte. Dem Verleger zufolge empfahl sich die Anschaffung der Tafel durch den Bedeutungszuwachs des Geschichtsunterrichts im Kaiserreich, der trotz der nationalen Einigung auch der Landesgeschichte größere Aufmerksamkeit schenken sollte. Diemer nutzte dafür eine zeittypische Argumentation zur Stärkung regionaler Identität, die sich stark aus der Verbundenheit mit dem regionalen Fürstenhaus speiste: „Ein guter Theil unserer nationalen Kraft ruht in der Eigenart der verschiedenen Stämme Deutschlands. Von den Landschaften und Stämmen aber sind unzertrennlich unsere alten Fürstengeschlechter. Die grossen Ereignisse bei Gründung des neuen deutschen Reiches haben unsere Völker und Fürsten abermals auf’s innigste mit einander verbunden.“1038

Auch auf die Wirkungsmacht des Bildes setzte Diemer. Besonders Schüler könnten von diesem neuen Hilfsmittel profitieren, denn durch „die charakteristischen Züge und die eigenartige Tracht prägen sich die mit Namen und Regierungszeit bezeichneten Bildnisse leicht der Erinnerung ein“. Diemer konnte zudem mit der vollen Unterstützung seines Projektes durch den Großherzog werben – diesem hatten die Bilder zur Genehmigung vorgelegen – und auf die Unterstützung des Innenministeriums in der Verbreitung seiner Tafel zählen. Kurz darauf erfolgte abermals mit der Unterstützung des Ministeriums eine Werbung für eine neue Version der Tafel, die nun auch den seit März 1892 regierenden Ernst Ludwig zeigte.1039 Unter Ernst Ludwig lässt sich dann ein Anstieg im Vertrieb von Porträts, Büsten und Fotografien feststellen. So wurde etwa 1905 die Anschaffung einer Büste des berühmten Bildhauers Ludwig Habich empfohlen, die „zur Zeit von den im Handel erschienenen Büsten seiner Königlichen Hoheit noch die einzige von wirklich künstlerischer Bedeutung [ist], sodaß sie weitere Verbreitung bei den Behörden unseres Heimatlandes verdient“.1040 1907 erfolgte eine Empfehlung für Gravüren1041 der Porträts von Ernst Ludwig und Eleonore des Malers Philip

1037 1038 1039 1040 1041

Vgl. HStAD, G 15 Groß-Gerau, A 12, Schreiben des Innenministeriums an unterstellte Behörden vom 31.10.1885. Ebd., Werbeblatt „Die Hessen-Darmstädtischen Regenten“ von J. Diemer. Vgl. ebd. HStAD, E 3 A, 97/26. Gravüren bezeichnen eine Form des Tiefdrucks.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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de László;1042 1911 wurden sechs Fotografien in verschiedenen Größen des Hoffotografen Steinackers beworben, welche jeweils einzeln Großherzog und Großherzogin bzw. die beiden gemeinsam und einmal die Familie zeigten.1043 Stets waren diese Empfehlungen Ausdruck einer symbiotischen Beziehung zwischen Hof und Künstler bzw. Verleger. Während jener von den ständigen Innovationen der Verleger profitierte, die die Popularität des Herrscherbildes förderten, konnten diese durch die Werbung und Subvention des Hofes einen größeren Absatz erzielen, was wiederum für viele Verleger Anlass war, noch mehr in diesen Sektor zu investieren. Meist kamen die Behörden der Kaufaufforderung nach, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Amtsräume stets ein aktuelles Bild des Großherzogs schmückte. In dem Falle, dass Schulen etwa nicht in der Lage waren, die finanziellen Mittel für den Erwerb eines Porträts aufzubringen, wurde durch unterschiedliche Stiftungen sichergestellt, dass jede Schule im Großherzogtum ein aktuelles Bild des Landesherrn vorweisen konnte.1044 Die unterschiedlichen Gestaltungsformen, welche die Bilder unter Ernst Ludwig annahmen, sind einmal mehr auf dessen stark ausgeprägtes Kunstinteresse zurückzuführen. Auffällig ist zudem, dass unter Ernst Ludwig auch Familienbilder den Platz des offiziellen Porträts in Amtsstuben einnehmen konnten. So entschied sich etwa das Kreisamt Friedberg 1911 anstatt des Ganzkörperporträts bzw. Bruststücks Ernst Ludwigs für das Foto, welches das großherzogliche Paar zusammen mit den beiden kleinen Söhnen zeigte.1045 Die erfolgreiche Inszenierung der ersten Familie des Landes als Vorzeigefamilie, die besonders auf Postkarten betrieben wurde, hielt damit sogar Einzug in offizielle Amtsräume und steigerte dadurch noch deren Popularität.1046 Dass Ernst Ludwig besonders an der Verbreitung seiner Porträts gelegen war, zeigt sich auch an der Tatsache, dass im Rahmen seines 25-jährigen Regierungsjubiläums 1917 jedem Schulkind und Lehrer ein Foto des Großherzogs geschenkt wurde. Aufgrund des Weltkrieges wurde das Regierungsjubiläum zwar nur in äußerst bescheidenem Rahmen begangen, dennoch blieben öffentliche Amtsräume geschlossen und wurden beflaggt, während in jeder Schule des Großherzogtums der Unterricht zugunsten einer Gedenkfeier ausfiel, in deren Anschluss das Bildgeschenk überreicht wurde. Auch in diesem Fall wurde die Zustellung abermals vom Innenministerium gewährleistet.1047 Dass besonders Schulkinder gerne als

1042 1043 1044 1045 1046 1047

Vgl. HStAD, G 15 Friedberg, A 7, Schreiben des Innenministeriums an sämtliche Behörden, 21.11.1907. Vgl. ebd., Werbeschreiben von H. Steinacker an das Großhessische Kreisamt Friedberg, 01.06.1911. Vgl. HStAD, G 15 Erbach, M 1675. Vgl. HStAD, G 15 Friedberg, A 7, Werbeschreiben von H. Steinacker an das Großhessische Kreisamt Friedberg, 01.06.1911. Vgl. Kapitel 6.2.3.2. Vgl. HStAD, G 15 Groß-Gerau, A 8, Schreiben des Innenministeriums an sämtliche Behörden, 11.03.1917.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Empfänger landesherrlicher Inszenierungen, aber auch nationalistischer Propaganda gewählt wurden, hat die Forschung bereits mehrfach festgehalten.1048 Sie waren in vielerlei Hinsicht geeignete Abnehmer dieser Bildgeschenke: So konnte durch die Innen- oder Kultusministerien und der diesen Institutionen unterstellten Lehrerschaft sichergestellt werden, dass alle Kinder an der Gedenkfeier zu Ehren des Landesherrn teilnahmen und das Bildgeschenk erhielten. Indem alle Schüler mit dem Geschenk bedacht wurden, sollte unter diesen nicht nur Einigkeit, sondern auch Freude über das Andenken erzeugt werden. Geht man des Weiteren davon aus, dass damals die meisten Familien Kinder oder Enkelkinder im Schulalter besaßen, konnten diese letztlich als Multiplikatoren wirken, die sicherstellten, dass fast in allen Haushalten des Großherzogtums das Bild des Landesherrn Einzug hielt. In dieser Hinsicht war die Bildverbreitung Ernst Ludwigs also äußerst erfolgreich. Wie die Einstellung der Beschenkten zu dem Bild nun tatsächlich war, lässt sich natürlich nur schwer feststellen. Es sollte aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass das Bild unbeachtet zwischen Schulheften zerknitterte. Immerhin waren Fotografien zu dieser Zeit noch kein selbstverständlicher Alltagsgegenstand, sodass allein dies für einen sorgsamen Umgang mit dem Bild sprach. Dass gerade Kinder durchaus empfänglich für solche Andenken sein konnten und sie als teuren Besitz hüteten, zeigt die Autobiografie des Schriftstellers Ludwig Ganghofer. Dieser war acht Jahre alt, als Ludwig II. 1864 König von Bayern wurde. Aufgrund seines guten Aussehens erfreute sich der 18-jährige Monarch besonderer Beliebtheit, die beinahe eine kultische Verehrung annahm.1049 Ganghofer schilderte dies wie folgt: „Dann eines Tages zeigte die Mutter mir und meinem Brüderchen das Bild eines schönen Jünglings mit dunklen träumerischen Augen – und sagte: ‚Schauet, Kinderle, das ischt unser neuer König! Ach Gottele, was muß doch der für ein liebes Mannsbild sein!‘ Bald besaßen alle Frauen und Mädchen im Dorfe das schöne Bild. Und alle schwärmten sie für den jungen König. Im Album meiner Mutter hatte dieses Bild den ersten Platz. Ich glaubte was Besseres zu sein als die anderen Jungen, weil ich Ludwig hieß wie der neue König. Und in den letzten Tagen vor meiner Reise zur Lateinschule war unter meinen Trostwünschen auch dieser eine: daß ich neben den Bildern von Vater und Mutter ein Bild des schönen jungen Königs in die Fremde mitbekäme. Die Mutter erfüllte mir diesen Wunsch, und das wurde späterhin die Ursache meiner ersten schweren Rauferei im Seminar.“1050

In der Lateinschule kam Ganghofer nämlich das Bild des Königs abhanden, was eine verzweifelte Suchaktion des Protagonisten bewirkte, die sich folgendermaßen auflöste:

1048 1049

1050

Vgl. Friedrich u. a.: Der prachtliebende, 2002; Petzold: Der Kaiser, 2012, S. 321–335. Vgl. Franz Merta: „Gottes Licht auf Erden zu verkünden“. Das Herrscherethos König Ludwigs II. von Bayern und die Entstehung des König Ludwig Kults, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 56 (1993), S. 725–768; Katharina Sykora: Kitsch-König. Ludwig II. von Bayern als Andenken, in: Sykora, Ein Bild, 2004, S. 119–138. Ganghofer: Lebenslauf eines, 1909, S. 249 f.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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„Doch am nächsten Tage, wieder in der Freizeit, als ein Zweitkläßler sein Pult öffnete, sah ich bei ihm mein Königsbild. Gleich sprang ich los und griff nach meinem Gut. Der andere drückte erschrocken das Pult zu und zwickte mir den Arm ein. Und ich in Zorn: ‚Du Spitzbue! Mein König gibscht her!‘ Noch immer tat der andere, als verstünde er nicht, was ich wollte. Doch als ich wieder schrie: ‚Du Spitzbue!‘ – gab er mir einen Stoß vor die Brust. Da fing ich wütend zu dreschen an, so grob, daß dem armen Jungen das Blut in zwei dicken Fäden aus der Nase rann. Das Geschrei, unter dem die anderen abwehren wollten, rief den Präfekten aus seinem Zimmer. Als er den Streitfall untersuchte, erwies sich die Unschuld des geprügelten Jungen. Das Bild war sein Eigentum, war ein Geschenk seines Vaters, der auf die Rückseite des Bildes geschrieben hatte: ‚Liebe deinen Gott und ehre deinen König!‘“1051

Eingedenk der Tatsache, dass der monarchistisch geprägte Ganghofer mit dieser Schilderung seine Leser auch erheitern wollte, ist die Szenerie sicherlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. Sie illustriert zum einen das häufig vorkommende Phänomen, dass das Bild des Monarchen gleichgestellt wurde mit den Fotos der engsten Verwandten und nicht selten tatsächlich die erste Seite der Familienfotoalben zierte.1052 Zum anderen wurde in diesem speziellen Fall auf das gute Aussehen des jungen Ludwigs II. eingegangen, welches ihm besonders die Verehrung seiner weiblichen Untertanen einbrachte. So trug im Falle Ludwigs dessen „tropische[s] oder exotische[s]“ Aussehen durchaus zum Medienphänomen, zu dem der bayerische König erkoren wurde, bei.1053 Bedenkt man, dass die wenigsten Menschen damals den König aus nächster Nähe sehen konnten, dann war es allein das verbreitete Bild des Monarchen, welches diesem die Sympathien zutrug. Im Falle Ludwigs II. war es dann nach dessen Rückzug aus der Öffentlichkeit gar die einzige Möglichkeit, eine Verbindung zum Herrscher aufzubauen. Des Weiteren wird aber auch deutlich, welche Bedeutung dem Bild als Stellvertreter für den Monarchen und für patriotische Gefühle zukam. Diese Symbolkraft ging so weit, dass Ganghofer den vermeintlichen Diebstahl seines Königsbildes nicht hinnahm und dieses bis aufs Blut – wenngleich nur im kindlichen Zweikampf – verteidigte. Diese beinahe religiöse Verehrung des Herrscherbildes und die mobilisierende Wirkung, die es entfachen konnte, erlebte ihren Höhepunkt im Ersten Weltkrieg, als es zur moralischen Stärkung an die Truppen verteilt wurde.1054 Auch in der künstlerischen Reproduktion bekannter Gemälde hatten die Höfe um 1900 bereits Routinen entwickelt. Ein typisches Beispiel stellt die Anfertigung eines Porträts des Prinzregenten Luitpold für den Lesesaal der Bayerischen Armeebibliothek in München dar, mit dem 1904 der Kunstmaler Wilhelm Kreling 1051 1052

1053 1054

Ebd., S. 277 f. Ein Beispiel davon, in diesem Fall Kaiser Wilhelm I., ist etwa abgedruckt bei: Timm Starl: Knipser. Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980, München u. a. 1995, S. 26. So charakterisierte Hans von Bülow den König, zu diesem Zitat und dem Medienphänomen Ludwig II. siehe Kohlrausch: Chance und, 2011, S. 38. Vgl. Kapitel 6.2.3.2; Pohl: Der Kaiser, 1991, S. 14; Alexis Schwarzenbach: Royal Photographs: Emotions for the People, in: Contemporary European History 13 (2004) 3, S. 255–280, hier S. 267; März: Das Haus, 2013, S. 229.

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beauftragt wurde. Allerdings sollte dieser dafür kein neues Porträt schaffen, sondern eine Kopie eines Kaulbach-Porträts1055 anfertigen. Für diese Leistung bekam er 1000 Mark sowie ein Atelier in der Alten Pinakothek zur Verfügung gestellt. Dabei verweisen die Akten darauf, dass Kreling nicht der Einzige war, der in der Pinakothek an einer Kopie arbeitete. Bereits vor ihm hatte der Kunstmaler Hermann Kellner seine Arbeit beendet,1056 wohingegen nach ihm bereits ein weiterer Maler für eine weitere Vervielfältigung engagiert wurde.1057 Die Vorgehensweise des Hofes war dabei auf Effizienz ausgerichtet: Zum einen wurde darauf Wert gelegt, dass nicht immer neue Porträts des Regenten entstanden, sondern ein für gelungen befundenes Werk größere Verbreitung fand. Damit wurden nicht nur Ressourcen, etwa die Zeit für Sitzungen, sondern auch Geld gespart und zugleich der Wiedererkennungswert des Kaulbach-Porträts gefördert, welches dadurch einen größeren Stellvertretungsanspruch entwickelte. Dass andererseits durchgehend Maler mit Anfertigungen von Kopien beauftragt wurden, belegt nicht nur ein Interesse des Hofes an der Verbreitung des Bildes, sondern auch ein Bestreben, verschiedene Maler zu unterstützen. Dies führte dazu, dass auch die Kopien des ursprünglichen Gemäldes jeweils individuelle Eigenschaften besaßen, aufwändig gestaltet und trotz des ständigen Vervielfältigens nicht als Massenprodukt anzusehen waren. Immer wieder erreichten den Hof Anfragen seitens offizieller Stellen und privater Geschäftsleute zur Stiftung eines Gemäldes des Königs,1058 sodass eine höfische Eigeninitiative zur Verbreitung des Herrscherbildes immer öfter in den Hintergrund treten konnte. Dies zeigen überlieferte Anfragen nach einem Porträt des bayerischen Königs Ludwig III. Beispielsweise sollte auf Anregen des Generaldirektors der Reederei HAPAG, Albert Ballin, der Transatlantikliner Vaterland mit einem Bild des Königs ausgestattet werden.1059 Das von Kronprinz Rupprecht (1869–1955) 1913 getaufte Schiff, für welches der König Pate stand,1060 war das größte jemals unter deutsche Flagge gestellte Passagierschiff1061 überhaupt und

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Um welches Kaulbach-Porträt des Prinzregenten es sich handelt, ließ sich nicht erschließen. Aufgrund der zeitlichen Nähe ist das 1900 im Münchner Glaspalast ausgestellte Porträt, welches Luitpold in der Tracht der Hubertusritter zeigt, wahrscheinlich, vgl. Offizieller Katalog, 1900. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs III., Nr. 134, Schreiben des Innenministers von Wehner an Wilhelm Kreling, 25.11.1904. Vgl. ebd., Schreiben des Innenministers von Wehner an Wilhelm Kreling, 17.03.1905. Vgl. SächsHStA, 10711 Ministerium des Königlichen Hauses, Loc. 40 Nr. 32. Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs III., Nr. 2, Schreiben Albert Ballins an Staatsrat von Dandl, 20.09.1913. Vgl. ebd., Schreiben Staatsrat von Dandl an König Ludwig III., 08.10.1913. Die Vaterland hatte eine Größe von 54.282 Bruttoregistertonnen. Neben der Imperator und der Bismarck war sie das zweite Schiff der Imperator-Klasse der Reederei HAPAG in Hamburg. Ihre Jungfernfahrt erfolgte am 14.05.1914. Da sich das Schiff beim Kriegseintritt der USA 1917 in amerikanischen Gewässern befand, wurde es beschlagnahmt, in Leviathan umbenannt und den USA später als Teil der deutschen Reparationsleistungen zugesprochen,

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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sollte nicht nur die Wittelsbacher Dynastie in den Mittelpunkt der nationalen Aufmerksamkeit stellen, sondern auch die bayerische Marinebegeisterung anfeuern.1062 Dementsprechend war Ludwig über diesen Porträtplan „erfreut und gern geneigt, die erforderlichen Porträtsitzungen über Sich ergehen zu lassen“.1063 Die Suche nach einem geeigneten Künstler zog sich über zwei Monate hin. Aus sieben Vorschlägen wählte der König, der für dieses Bild einen bayerischen Maler wollte, entgegen dem Favoriten Ballins, Thomas Baumgartner aus.1064 Wenngleich die Anfrage nach einem Porträt von außen an den Hof gerichtet wurde, ließ dieser es sich demnach nicht nehmen, aktiv in den Gestaltungsprozess einzugreifen. Aber auch weniger prestigeträchtige Anfragen erreichten den Hof, etwa die des Magistrats der Stadt Rosenheim nach einem Porträt für den Sitzungssaal,1065 die Anfrage des Malers Mayer-Felice für ein Porträt zum 100-jährigen Jubiläum des 14. Infanterie-Regiments in Nürnberg1066 sowie jene des Freiherrn von Seckendorff-Aberdar, der nach seinem Ausscheiden aus dem Offizierkorps dem 1. Ulanen-Regiment ein Bild des Königs stiften wollte.1067 Da in keinem der Fälle Kosten für den Hof entstanden, stellten diese Anfragen eine willkommene Bereicherung der eigenen Bemühungen um die Verbreitung der Herrscherbilder dar.

Jubiläumsbriefmarken in Bayern Eine besondere Möglichkeit zur Verbreitung des Monarchenbildes bot sich mit der Einführung der Briefmarke Mitte des 19. Jahrhunderts. Allerdings konnte sie nach der Reichsgründung auf bundesfürstlicher Ebene nur in Bayern und Württemberg genutzt werden, da diese Länder im Bereich der Postzustellung Reservatrechte gegenüber dem Reich behalten hatten. Für alle anderen Bundesstaaten war die Reichsbehörde zuständig, welche die Germania als Abbildung wählte, die im

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1065 1066 1067

vgl. Arnold Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt, Bd. IV Vernichtung und Wiedergeburt 1914 bis 1930, Hamburg 1989, S. 17, 24. Die Taufe durch den bayerischen Kronprinzen sollte dabei nicht nur die bayerische Marinebegeisterung fördern, sondern war auch als freundliche Geste gegenüber den Wittelsbachern gedacht. Da der Kaiser – im Gegensatz zur Imperator und Bismarck – dem Stapellauf der Vaterland fernblieb, war Rupprecht die ranghöchste Persönlichkeit und stand daher im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit, vgl. ebd., S. 16. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs III., Nr. 2, Schreiben Staatsrat von Dandl an Ballin, 22.09.1913. Ebd., Schreiben Staatsrat von Dandl an Ballin, 21.11.1913; Baumgartner war zu diesem Zeitpunkt noch eher unbekannt, hatte sich aber „in der diesjährigen [1913, A. S.] Internationalen Kunstausstellung [durch] ein vortreffliches Bildnis des Generalleutnants z.D. von Keller“ einen Namen gemacht, Schreiben Staatsrat von Dandl an König Ludwig III., 08.10.1913. Ebd., Mayer-Felice an Staatsrat von Dandl, 28.12.1913. Ebd., Schreiben des Magistrats der Stadt Rosenheim an das Staatsministerium, 02.02.1914. Ebd., Schreiben des Freiherrn von Seckendorff-Aberdar an das Staatsministerium, 27.12.1913.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Gegensatz zum individuellen Porträt des Monarchen eher das Reich in seiner Einheit symbolisieren sollte. Vor 1871 hatte es auch in Sachsen Briefmarken mit den Porträts der Könige Friedrich August II. und Johann gegeben.1068 1911 bot sich in Bayern die Möglichkeit, gleich zwei wichtige monarchische Jubiläen zu begehen: Zum einen den 90. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold am 12. März und zum anderen dessen 25-jähriges Regentenjubiläum am 10. Juni. Das Bayerische Ministerium für Verkehrsangelegenheiten, welches auch zuständig für das Postwesen war, plante daher für diese Anlässe die Herausgabe von Jubiläumsbriefmarken und -postkarten. Am 31. August 1910 trafen sich Staatsrat Eugen von Schacky und weitere Ministerialräte des Verkehrsministeriums mit dem Leiter der Staatsgemäldegalerie Anton Stadler, den Kunstprofessoren Julius Diez und Benno Becker, dem Heraldiker Otto Hupp sowie dem Direktor des Königlichen Münzkabinetts Georg Habich, um über die inhaltliche Gestaltung der Jubiläumsbriefmarken zu entscheiden.1069 Diese Beratung gibt wichtige Einblicke in die Entscheidungsfindungsprozesse über die zu verbreitenden Bildformen. So ging der Impuls in diesem Fall vom Ministerium aus, welches führende, häufig auch vom Prinzregenten geförderte Künstler an der Beratung beteiligte. Luitpold selbst wurde in regelmäßigen Abständen über die Planungen informiert und konnte sein Veto oder seine Zustimmung erteilen. Eine aktive Einmischung seitens des Regenten erfolgte aber meist nicht. Im Fall der Marken zum 90. Geburtstag rieten die anwesenden Künstler von Landschaftsdarstellungen oder der Darstellung historischer Ereignisse ab, da es nur wenige Künstler gäbe, die für eine Ausführung in Frage kämen. Zudem sei auch in der Kürze der Zeit keine größere Reihe mehr zu realisieren. Letztlich wurde sich auf Porträts des Prinzregenten in bürgerlicher Kleidung für alle Pfennigwerte und eine Darstellung in militärischer Uniform oder Ordensrittergewand für die Markwerte geeinigt. Da nicht zusätzlich neue Bilder geschaffen werden sollten, wurde Einsicht in das Bildmaterial der Königlich Graphischen Sammlung genommen und ein Porträt des Prinzregenten in Zivil von Friedrich August von Kaulbach,1070 ein Reliefbildnis Hildebrands sowie das Porträt des Prinzregenten in Hubertusrittertracht von August Holmberg als geeignet befunden. Des Weiteren empfahlen die Künstler, sich bald an von Kaulbach und Franz von Stuck zu wenden, damit diese ihre Prinzregentenporträts in linearer Zeichnung ausführen konnten. Dieses Vorgehen offenbart, dass man großen Wert auf eine malerische Ausführung der Marken legte, da diese „die Originalschöpfung grosser Künstler“ und nicht auf „unkünstlerischem Wege“ hergestellte, fotografische Abbildungen sein sollten.1071 Es verwundert nicht, dass sich gerade die der Beratung hinzugezogenen

1068 1069 1070 1071

Vgl. Kania-Schütz: Das Bild, 2004, S. 330 f. Vgl. BayHStA, Verkehrsministerium I (= MV I), Nr. 1597. Dieses ist als Frontispiz abgedruckt in: Heinrich Pallmann: Die Königl. Graphische Sammlung zu München 1758–1908, München 1908. BayHStA, Verkehrsministerium I (= MV I), Nr. 1597.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

251

Maler gegen eine fotografische Gestaltung der Marken aussprachen, die in Konkurrenz zur Malerei stand. Immerhin folgte auch das Ministerium diesem Vorschlag und entschied sich für eine lineare Zeichnung der Marken. Durch die Wahl bekannter Porträts des Regenten wurde der Wiedererkennungswert des Bildes, der bei einer fotografischen Abbildung höher gewesen wäre, aber dennoch sichergestellt. Zudem war man bemüht, verschiedene Topoi des Regentenbildes zu verbreiten, indem man sich für eine Darstellung in bürgerlicher Kleidung sowie in Uniform bzw. Ordensrittergewand entschied, welches in Luitpolds Fall den Königsmantel, den er als Regent nicht in Anspruch nehmen konnte, ersetzte. Interessanterweise muss es bei der Festlegung der Motive noch einmal zu einer Änderung gekommen sein, über welche die Akten keine Auskunft geben: Bei der Betrachtung der von Kaulbach ausgeführten Marken1072 kann festgestellt werden, dass die Pfennigwerte nun ein Bild des Regenten in Uniform zeigen, während die Markwerte ein Porträt Luitpolds als Jäger abbilden (Abb. XV). Der Hof verzichtete demnach auf eine zivile Darstellung und verbreitete mithin auch von staatlicher Seite das Image des naturverbundenen Fürsten.1073 Über die bildnerische Ausführung der geplanten Jubiläumspostkarte, für die es eine enorm hohe Nachfrage gab, sind keine weiteren Informationen überliefert.1074 Ursprünglich hatte das Ministerium eine Auflagenhöhe von drei Millionen Karten geplant – eine recht ansehnliche Zahl angesichts einer Bevölkerungszahl von ca. sechs Millionen.1075 Allerdings beschwerte sich der Schutzverband für die Postkarten-Industrie des Landesverbandes Bayern Anfang 1911 beim Verkehrsministerium, dass die Postverwaltung nun selbst in Konkurrenz zu den Ansichtskartenverlegern gehe, die für die einmalige Gelegenheit des 90. Geburtstags unter „grossen Geldopfern“ selbst schon zahlreiche Porträts und Erinnerungspostkarten vorbereitet und sich dadurch erhöhten Geschäftsumsatz versprochen hätten.1076 Da die Post diesen Händlern eine hohe Umsatzsteigerung aufgrund der beliebten Ansichtskarten zu verdanken habe, wurde angemahnt, von eigenen Karten abzusehen. Der Schutzverband gab des Weiteren vor, im Sinne Luitpolds zu handeln, denn „[a]uch Se. Kgl. Hoheit der Regent wird nicht damit einverstanden sein, dass die Feier Allerhöchstseines 90. Geburtstages der Staatsregierung Anlass gibt zu schwerer Schädigung

1072

1073 1074 1075 1076

Augsburger Postzeitung Nr. 126, 02.06.1911; alle im Folgenden zitierten Zeitungsartikel befinden sich in der Akte, vgl. BayHStA, MV I, Nr. 1597, weshalb nicht in jedem Fall die Seitenzahl ermittelt werden konnte. Vgl. Kapitel 6.2.2.5. Aus den überlieferten Postkarten ließ sich die offizielle Karte nicht herausfiltern. Bayerische Post 16.03.1911, S. 1. BayHStA, MV I, Nr. 1597, Schreiben des Schutzverbandes für die Postkarten-Industrie Landesverband Bayern an das Verkehrsministerium vom 19.01.1911, fol. 121r.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

einer so grossen Anzahl steuerzahlender Geschäftsleute, die sich von dieser Jubelfeier das Gegenteil erhofft hatten und erhoffen durften“.1077

Der Hinweis auf die Bedeutung der Ansichtskartenindustrie für den Umsatz der Post wurde augenscheinlich verstanden, denn das Verkehrsministerium ließ die Auflage auf 1,5 Millionen senken.1078 Dies verdeutlicht, dass größere wirtschaftliche Interessenverbände durchaus die monarchische Inszenierung und die dafür gewählten Medien beeinflussen konnten. In der Bevölkerung dagegen war das Interesse an den offiziellen Karten besonders groß; die verringerte Auflage führte gerade zu einer vergrößerten Nachfrage. So schrieb die Bayerische Post am 16. März 1911: „Einem Ansturm, auf den man in dieser Vehemenz allerdings nicht vorbereitet sein konnte, waren die Jubiläumspostkarten ausgesetzt. Die größeren Postämter sollten am 10. März stundenlang vor der Oeffnung von Menschenmassen umlagert gewesen sein. Wie ein wilder Strom wälzte sich um 8 Uhr ein Meer von Leibern zu den Toren herein. An mehreren Postämtern wurden Türscheiben eingedrückt. Schwache Personen schwebten in Lebensgefahr. Eine Stunde nach Dienstbeginn, oft schon nach 20 und 5 Minuten, war der knappe Vorrat der Aemter erschöpft. Ebenso war es in Nürnberg, Fürth, Bamberg usw. Natürlich nutzte der unsolide Zwischenhandel die Gelegenheit nach Kräften aus.“1079

Auch die Bayerischen Verkehrsblätter berichteten, dass die Karten „zu einem Objekt der wildesten Spekulation“ geworden waren;1080 in Extremfällen waren 10 Karten für 30 Mark oder sogar 2 Karten für 50 Mark angeboten worden.1081 Dabei waren es eben nicht nur die Philatelisten, die an den Karten interessiert waren. Auch die einfache Bevölkerung wollte angesichts des außergewöhnlichen Ereignisses eines 90. Geburtstages des Monarchen ein Erinnerungsstück haben: „Sind die Jubiläumspostkarten auch keineswegs als hervorragend schön zu bezeichnen, so wären doch viele froh gewesen, zur bleibenden Erinnerung an die einzig dastehende Feier eine solche aufbewahren zu können.“1082 In diesem Zusammenhang kam dann auch in der Presse die Forderung auf, als „Entschädigung für diese Enttäuschung“1083 wenigstens die Auflagen für die Briefmarken des Regierungsjubiläums im Juni zu erhöhen: „Die dauernde Festhaltung des Regentenjubiläums durch ein Postwertzeichen wäre für alle Volkskreise eine Erinnerung, da die Marken um billiges Geld allgemein beschafft werden könnten.“1084 Zudem würde mit der Verbreitung von Marken auch „ein allgemeiner Wunsch des Regenten erfüllt“ werden.1085 Des Weiteren wurde vermehrt darauf 1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084 1085

BayHStA, MV I, Nr. 1597, Schreiben des Schutzverbandes für die Postkarten-Industrie Landesverband Bayern an das Verkehrsministerium vom 19.01.1911, fol. 128v. Bayerische Post 16.03.1911, S. 1. Ebd., Hervorhebung im Original. Bayerische Verkehrsblätter 08.04.1911, S. 129. Bayerische Post 16.03.11, S. 1. Pfälzische Presse 24.03.1911, S. 2. Münchner Neueste Nachrichten, Nr. 12, 15.03.1911, Abendblatt. Straubinger Tagblatt 16.04.1911, S. 2. Bayerischer Kurier Nr. 80, 21.03.1911, S. 2.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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hingewiesen, welchen Gewinn die Post durch die Herausgabe neuer Marken erwirtschaften könnte.1086 Auch sollte man sich nicht durch Einwände der norddeutschen Presse von „diese[m] von Millionen begrüßten Plan“ abbringen lassen.1087 Dass die Marken und Karten als Ausdruck eines bayerischen Nationalbewusstseins gedeutet wurden, zeigt auch ein Kommentar der Bayerischen Post zu den Geburtstagsmarken: Die „Briefmarken mit den wohlgetroffenen, edlen Zügen des Regenten wirken außerordentlich gut. Die Germania des Reiches zieht hier entschieden den kürzeren [sic]“. Demnach wurde auch das bayerische Reservatrecht über das Postwesen zur Profilierung der bayerischen Bedeutung gegenüber dem Reich genutzt, denn immerhin gab es keine Briefmarke mit dem Konterfei Wilhelms II. Schließlich gab Luitpold seine Genehmigung zur Herausgabe neuer Marken, die wiederum von Kaulbach ausgeführt wurden und nun als 5– und 10–Pfennigmarke zu erhalten waren. Die Marken zeigen ein von zwei Putten gehaltenes, mit einem Kranz umwundenes Porträt des Regenten, dessen Bänder die Jahreszahlen 1886 und 1911 tragen. Auf dem Entwurf war noch eine Krone über dem Kranz zu sehen, gegen die Luitpold jedoch Einspruch erhob, da er als Verweser Bayerns, nicht aber als König dargestellt werden wollte. Obwohl der ästhetische Gehalt der Marken sehr umstritten war,1088 gab es nach diesen wie prognostiziert eine erhebliche Nachfrage. Die Angaben zur Auflagenhöhe differieren zwischen 121089 bis sogar 30 Millionen Exemplaren.1090 Schon vor dem Ausgabetag gingen 7200 Bestellungen beim Verkehrsamt über zwei Millionen Marken ein. Diese Zahlen belegen die große Nachfrage nach preiswert zu erwerbenden Erinnerungs- und Verbindungsstücken mit dem Monarchen, dessen Bild dadurch im alltäglichen Gebrauch präsent war.

Schlösser als Ausflugsziel Im 19. Jahrhundert konnten Bilder zunehmend auch am Originalplatz ihrer Aufhängung besichtigt werden, da die Monarchen allmählich ihre Schlösser für die Untertanen öffneten. Dieses Betrachten der Porträts im Rahmen der dafür vorgesehenen Kulisse konnte die Wirkung der Bilder durchaus beeinflussen. So ist insbesondere bei der Untersuchung der Rezeption von Herrscherbildern stets zu berücksichtigen, für welche Personengruppe diese Bilder überhaupt sichtbar waren. Zwar hatten die in den Schlössern gezeigten Bilder und Ahnengalerien schon immer dem Zweck der Repräsentation und Legitimation gedient, allerdings zielten 1086 1087 1088

1089 1090

Bayerischer Kurier 15.04.1911. Ebd. Bayerischer Kurier Nr. 113, 04.06.1911: „Vom künstlerischen und philatelistischen Gesichtspunkte aus ist die Erinnerungsmarke wohl die schönste Briefmarke, welche bisher in Kurs gebracht worden ist.“; Donau-Zeitung Nr. 263, 11.06.1911: „Daß sie schön und geschmackvoll oder wenigstens sinnreich wären, kann beim besten Willen nicht behauptet werden. Vorzüglich getroffen und ausgeführt ist lediglich das Bildnis des Prinzregenten.“ Bayerischer Kurier Nr. 80, 21.3.1911, S. 2. Bayerischer Kurier Nr. 113, 04.06.1911.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

diese Inszenierungen auf die Hofgesellschaft und ausländische Diplomaten ab, während die eigenen Untertanen sie nur äußerst selten zu sehen bekamen. Lediglich kopierte Gemälde für Amtsgebäude oder die illustrierten Zeitschriften machten Abdrucke berühmter Porträts einem größeren Publikum zugänglich. Trotz allem handelte es sich bei diesen Reproduktionen nicht um die Originale, sodass die volle Wirkmacht dieser Bilder sich nicht entfalten konnte. Mit der Öffnung der Schlösser änderte sich dies. Im Zuge der Bildungsbestrebungen der Aufklärung wurde es insbesondere für das bessergestellte Bürgertum üblich, berühmte Sehenswürdigkeiten nicht mehr nur durch die Literatur vermittelt genießen zu wollen, sondern sich diese mit eigenen Augen anzusehen. Obwohl es die berühmte Grand Tour der jungen Söhne des Hochadels schon länger gab, begannen um 1800 immer mehr Menschen damit, sich Kunstwerke direkt vor Ort im Original anzuschauen.1091 Da nicht nur Kunst und Kultur, sondern auch reizvolle Landschaften für Wohlhabende bald Grund genug waren, sich auf Reisen zu begeben, bildete sich der moderne Tourismus langsam heraus. In Deutschland wurden die frühen Reisenden seit 1839 vom Reiseführer Baedeker unterstützt, welcher Hinweise für das Aufsuchen berühmter Kulturgüter wie historische Monumente, Kunstgalerien und Museen gab. Als wichtiges Motiv entwickelte sich der Wunsch, auf seinen Reisen auch die Häuser und Lebensmittelpunkte berühmter Personen oder, wenn möglich, sogar diese selbst zu sehen. Neben berühmten Geistesgrößen waren besonders die Monarchen das Ziel dieser Pilgerfahrten, sodass sich bereits 1787 die ersten Besucher im Potsdamer Schloss Sanssouci nachweisen lassen. 1808 verwies die Zeitschrift Teutonia darauf, dass der Kastellan des Schlosses bereitwillig Relikte Friedrichs des Großen vorzeigte.1092 Die übrigen Berliner Gärten und Parks, allen voran das Schloss Charlottenburg, etablierten sich ebenfalls als Ausflugsziele für den mehr oder weniger ungestörten Naturgenuss. Auch in den anderen Bundesstaaten wurden dem normalen Bürger zunächst königliche Parks und Gärten zugänglich gemacht. Im Falle der Öffnung der Schlösser gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts allerdings seitens der meisten Landesherren eher Widerwillen gegen solche Vorhaben. So war es in Coburg durch die katastrophale finanzielle Lage notwendig geworden, ab 1801 Säle des Residenzschlosses Ehrenburg für Tanzveranstaltungen zu vermieten. Bis 1805 war es daher „jedermann“, der das Eintrittsgeld bezahlen konnte, acht Mal im Jahr möglich, im Schloss zu feiern – alle weiteren zeremoniellen Zugangsbeschränkungen entfielen.1093 Der Hofmarschall beschwerte sich jedoch über diese Praxis umgehend 1091

1092 1093

Vgl. dazu Birgit Finger: Reisen im 19. Jahrhundert: die Anfänge des Schlössertourismus in Sachsen und die beginnende Andenkenindustrie, in: Jahrbuch/Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen (2009), S. 156–164. Vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 93 ff. StA Coburg, LA A, Nr. 12136 Edikt des Herzogs Franz Anton zu Hoffesten [undatiert, Dezember 1801], Edikt des Herzogs Franz Anton vom 25.12.1805, zitiert nach Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 77.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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beim Ersten Staatsminister, dass solche „‚Privatunternehmen‘ der ‚Würde [des Monarchen und seines Hofes, A. S.] nicht ganz angemessen seyen‘“, und auch der Minister pflichtete bei, dass solch eine Öffnung des Schlosses „immer unschicklich“ sei, sich aber aufgrund der finanziellen Situation nicht vermeiden lasse.1094 Der für das nächste Jahr geplante Wegfall dieser „Unschicklichkeit“ konnte jedoch aufgrund der finanziellen Lage erst vier Jahre später umgesetzt werden.1095 Trotz dieser anfänglichen Vorbehalte öffneten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr Schlösser – meist unter der Voraussetzung, dass der Schlossherr abwesend war – für reisende Untertanen. Dies belegen Untersuchungen verschiedener Reiseführer.1096 1843 war in Berlin nicht nur das Stadtschloss zugänglich – hier zeigte der Kastellan den Rittersaal, den Weißen Saal, die Bildergalerie und die Kunstkammer –, sondern ebenso das Königliche Palais und die Schlösser des Prinzen von Preußen (Wilhelm I.) und der Prinzen Karl und Albrecht.1097 In München konnte man im Königsbau der Residenz die Vorzimmer, die Empfangszimmer, den Thronsaal, die Schlafzimmer und Gemächer der Königin sowie die ältere Residenz und die Schatzkammer betrachten.1098 In Dresden war der Thronsaal des Schlosses geöffnet,1099 in Darmstadt die Gemäldegalerie im Schloss.1100 Während 1094

1095 1096

1097 1098 1099 1100

StA Coburg, LA A, Nr. 12136 Schreiben des Marschallamtes an den Minister Kretschmann vom 24.12.1801, ebendort dessen Antwort vom 30.12.1801, zitiert nach Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 77 f., Einfügung: Büschel. StA Coburg, LA A, Nr. 12136 Schreiben des Ministers Kretschmann an das Marschallamt vom 30.12.1801, zitiert nach Büschel: Untertanenliebe, 2006, S. 78. Hierfür wurden untersucht: Johann Daniel Ferdinand Neigebaur: Handbuch für Reisende in Deutschland, Leipzig 1843; Ernst Förster: Handbuch für Reisende in Deutschland: mit 24 Eisenbahnkarten, 11 Städteplänen und einer Reisekarte, München 1847; Karl Baedeker: Deutschland nebst Theilen der angrenzenden Länder: Handbuch für Reisende, Teil 2 Mittel und Nord-Deutschland, Koblenz, 12. Aufl., 1865; Theobald Grieben: Der Thüringer Wald: Handbuch für Reisende mit Illustrationen und einer Reisekarte vom Thüringer Wald, Berlin, 4. Aufl., 1866; Karl Baedeker: Deutschland nebst Theilen der angrenzenden Länder: Handbuch für Reisende, Teil 2 Mittel- und Nord-Deutschland, Koblenz, 13. Aufl., 1867; Karl Baedeker: Mittel- und Nord-Deutschland: Handbuch für Reisende, Koblenz, 14. Aufl., 1871; Thüringen: Illustriertes Handbuch für Reisende, Berlin, 8. Aufl., 1875; Karl Baedeker: Mittelund Nord-Deutschland, westlich bis zum Rhein: Handbuch für Reisende, Leipzig, 20. Aufl., 1883; Karl Baedeker: Mittel- und Nord-Deutschland westlich bis zum Rhein: Handbuch für Reisende, Leipzig, 22. Aufl., 1887; Theodor Gsell-Fels: München, München 1895; Thüringen und der Frankenwald. Kleine Ausgabe, Leipzig u. a., 16. Aufl., 1902; Thüringen und der Frankenwald. Kleine Ausgabe, Leipzig u. a., 17. Aufl., 1904; Thüringen und Frankenwald. Kleine Ausgabe, Leipzig u. a., 19. Aufl., 1908; Karl Baedeker: Nordwest-Deutschland: (Von der Elbe und der Westgrenze Sachsens an, nebst Hamburg und der Westküste von Schleswig-Holstein); Handbuch für Reisende, Leipzig, 29. Aufl., 1908; Thüringen und der Frankenwald. Große Ausgabe, Leipzig u. a., 20. Aufl., 1910; August Schupp: München und die Königsschlösser: mit Katalogen für sämtl. Sammlg., Berlin, 30. Aufl., 1914. Vgl. Neigebaur: Handbuch für, 1843, Sp. 485–488. Vgl. ebd., Sp. 933–935. Vgl. ebd., Sp. 631. Vgl. ebd., Sp. 699.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

in Gotha die Gemälde- und weitere Sammlungen des Schlosses Friedenstein besucht werden konnten,1101 wurde für Schloss Ehrenburg in Coburg explizit erwähnt, dass die Kupferstichsammlung für gewöhnlich nicht zugänglich sei.1102 Zu diesem frühen Zeitpunkt war die Öffnung der Schlösser in Preußen und Bayern am weitesten gediehen, da hier nicht nur in den Residenzen integrierte Museen, sondern auch Repräsentations- und Privaträume zugänglich waren. Auch in anderen europäischen Ländern wurden um die Jahrhundertmitte einige Schlösser zugänglich für die Öffentlichkeit. So öffneten etwa in England 1843 Hampton Court und 1845 Schloss Windsor die Türen für Besucher.1103 Obwohl das Beispiel der Finanznot in Coburg anderes vermuten lässt, war der Schlosstourismus zu diesem Zeitpunkt noch nicht kommerzialisiert: Ein Trinkgeld an den Kastellan war ausreichend für die Besichtigung. In ihrer Untersuchung zu Mythos und materieller Kultur der preußischen Monarchie sieht Eva Giloi in der Revolution von 1848 einen maßgeblichen Einflussfaktor, der zur Öffnung der Schösser beitrug.1104 So sei während der Unruhen beinahe das Schloss des späteren Königs Wilhelm I. von Preußen angezündet worden und nur die Rufe aus der Mitte der Aufständigen, dass es sich dabei um Nationaleigentum handele, konnten den Anschlag verhindern. In der Bevölkerung wuchs somit Giloi zufolge ein Bewusstsein, ein gewisses Mitnutzungsrecht an den Bauten zu haben, worauf die Monarchen dann mit einer Öffnung der Schlösser reagiert hätten. Ironischerweise kam gerade Wilhelm I. – der sonst in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit wenig progressiv war1105 – diesem Anliegen nach. So wurde Wilhelms Palais nach 1871 tatsächlich zum „symbolischen Nationaleigentum“, da sich der Kaiser dort häufig am berühmten Eckfenster zeigte.1106 Zahlreiche Anekdoten belegen, dass Wilhelm I. sich stets mittags zum Wachwechsel von seinen Besuchern mit den Worten verabschiedete, er müsse nun ans Fenster, da es so im Baedeker stehe. Entgegen den Gepflogenheiten erlaubte Wilhelm sogar während seiner Anwesenheit Gäste in Schloss Babelsberg. Um diese nicht zu stören, versteckte er sich gar vor diesen oder nahm andere Gartenwege.1107 So überzeugend Gilois Argument auch sein mag: Eine weitergehende Öffnung der Schlösser in den hier untersuchten Bundesstaaten lässt sich erst mit einiger Verzögerung zur 1848er-Revolution feststellen. Allerdings ist einschränkend zu sagen, dass die hier den Reiseführern entnommenen Jahreszahlen lediglich Mindestangaben für die Zugänglichkeit darstellen und eine frühere Öffnung möglich war, wie beispielweise erhaltene Gästebücher belegen. So lassen sich durch ein solches im Falle des sächsischen Schlosses Weesenstein Besuche seit den 1101 1102 1103 1104 1105 1106 1107

Vgl. ebd., Sp. 722. Vgl. ebd., Sp. 601. Vgl. Marsden: Victoria & Albert, 2010, S. 47. Vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 103. Vgl. Schöbel: Zur Inszenierung, 2011, S. 36–42. Zur Bedeutung des Eckfensters siehe Geisthövel, Eckfenster, 2005. Vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 100 f.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

257

1830er-Jahren nachweisen,1108 ohne dass Reisehandbücher diese Möglichkeit erwähnten. Folgt man den Daten der Reiseführer, wurden folgende Schlösser in einigem zeitlichen Abstand nach 1848 geöffnet: Ab 1865 waren im Coburger Residenzschloss Ehrenburg der Riesensaal und die Gemäldegalerie zugänglich.1109 Ebenfalls zu dieser Zeit konnte man in der sächsischen Sommerresidenz Pillnitz die Fresken Vogelsteins in Schlosskapelle und Speisesaal besichtigen;1110 gegen Ende des Jahrhunderts war dann der Eintritt im ganzen Schloss samt Park möglich.1111 Ab 1866 erwähnten Reiseführer die Zugänglichkeit von Schloss Reinhardsbrunn im Thüringer Wald.1112 Mindestens seit 1887 konnte man auch die Privaträume in Schloss Friedenstein in Gotha betrachten.1113 Erst seit 1902 wird dagegen auf die Zugänglichkeit des coburg-gothaischen Schlosses Callenberg verwiesen.1114 Nach 1900 wurde der Schlössertourismus seitens der Verwaltungen zunehmend professioneller gestaltet. Dies lässt sich daran erkennen, dass nun das vormals übliche Trinkgeld an den Kastellan immer häufiger von einer Eintrittskarte abgelöst wurde. Für Sachsen lässt sich seit 1896 die systematische Einnahme von Eintrittsgeldern für Schloss Pillnitz anhand der Akten nachweisen,1115 für SachsenCoburg und Gotha ist dies seit spätestens 1908 der Fall.1116 Für die Touristen in Sachsen-Coburg und Gotha war der Wechsel von Trinkgeld zu regulärem Eintritt jedoch von Vorteil, da für alle Schlösser ein Eintritt von 25 Pfennig erhoben wurde.1117 Das war im Vergleich zu anderen thüringischen Städten nicht nur äußerst günstig – in Weimar bezahlte man etwa für das Schloss 1 Mark,1118 im Meininger Schloss 50 Pfennig1119 –, sondern wahrscheinlich auch günstiger als die zuvor praktizierte Trinkgeldregelung. Das Herzogshaus ermöglichte somit in finanzieller Hinsicht jedem den Schlossbesuch. Von den vier Schlössern des Herzogtums war Reinhardsbrunn mit Abstand das beliebteste Ausflugsziel, was sicherlich auch seiner idyllischen Lage im Thüringer Wald geschuldet war. Der Baedeker vermerkte schon 1865, dass der Ort im Sommer von Besuchern aus Gotha, Eisenach und Erfurt überlaufen sei.1120 Für 1108 1109 1110 1111 1112 1113 1114 1115 1116

1117 1118 1119 1120

Vgl. Finger: Reisen im, 2009, S. 157. Vgl. Baedeker: Deutschland nebst, 1865, S. 268. Vgl. ebd., S. 228. Vgl. Finger: Reisen im, 2009, S. 158. Vgl. Grieben: Der Thüringer, 1866, S. 89. Vgl. Baedeker: Mittel- und Nord-Deutschland, 1887, S. 418. Vgl. Thüringen und Frankenwald, 1902, S. 245 f. Vgl. Finger: Reisen im, 2009, S. 164, Anmerkung 18. Da 1908 bereits von einem Übertrag des Vorjahres die Rede ist, muss diese Praxis schon mindestens ein Jahr zuvor begonnen haben, dazu lassen sich jedoch keine Akten finden, vgl. StACo, LA A, Nr. 13561, die weiteren Jahre: StACo, LA A, Nr. 13562–13570. Vgl. Thüringen und Frankenwald, 1908, S. 54, 199, 249, 252. Vgl. ebd., S. 34. Vgl. ebd., S. 238. Vgl. Baedeker: Deutschland nebst, 1865, S. 281 f.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

den Besuch des Schlosses wurden 1908 nachweislich insgesamt rund 2900 Mark eingenommen. Die Hauptsaison bildeten dabei die Monate Juni bis August. Angesichts des erhobenen Eintrittsgeldes entspräche dies einer sehr hohen Zahl von 11.600 Besuchern pro Jahr. Für Schloss Friedenstein wurden rund 800 Mark (3200 Besucher) eingenommen, für die Residenz Ehrenburg 100 Mark (400 Besucher) und für Schloss Callenberg 85 Mark (340 Besucher).1121 Daraus ergaben sich Gesamteinnahmen von ca. 3885 Mark, was eine Gesamtzahl von 15.540 Besuchern der herzoglichen Schlösser im Jahr bedeutet. Darüber hinaus ist angesichts konstant bleibender Gesamteinnahmen – selbst im Kriegsjahr 1917 lagen die Gesamteinnahmen noch bei rund 2650 Mark – festzustellen, dass das Interesse der Bevölkerung an den herzoglichen Wohnstätten ungebrochen blieb.1122 Angesichts der Coburger Auffassung einhundert Jahre zuvor, dass die Würde des Monarchen durch zu viele Untertanen im Schloss verletzt werden würde, ist die hier praktizierte Öffnung der Schlösser bemerkenswert. Teilweise brachte diese Zugänglichkeit aber auch Probleme mit sich. So meldete die Coburger Zeitung 1906, dass Besucher des Schlosses Callenberg in bewohnte Nebengebäude eingedrungen seien und auf der Terrasse eine Vase zertrümmert hätten. Daher wurden die Absperrungen im Schloss verschärft, wenn das Herzogspaar anwesend war.1123 Ob eine um 1908 einsetzende zunehmende Absperrung des Parks von Schloss Reinhardsbrunn ähnliche Ursachen hatte oder auf den alleinigen Wunsch des öffentlichkeitsscheuen Herzogs Carl Eduard nach mehr Ruhe zurückging, bleibt unklar.1124 Eine 1909 abermals begonnene Diskussion um die Zugänglichkeit der zu renovierenden Veste, welche den Besuch der Öffentlichkeit für die Bauzeit untersagte, deutet allerdings ebenfalls auf den Konflikt zwischen dem neuen, selbstbewusst erhobenen Anspruch der Bürger, Anteil an den historischen Stätten ihrer Länder zu nehmen, und dem Wunsch einiger Bundesfürsten nach mehr Abgeschiedenheit hin. Insbesondere Carl Eduard schnitt in den häufig bemühten Vergleichen mit seinem weitaus präsenteren Großonkel Ernst II. schlecht ab.1125 Trotz dieser gelegentlich auftretenden Probleme galt für alle anderen hier untersuchten Bundesfürstentümer, dass wer um 1910 das Schloss seines Landesherrn besuchen wollte, dies tun konnte. Die erhaltenen Gästebücher belegen auch, dass alle Gesellschaftsgruppen von dieser Möglichkeit Gebrauch machten. Schloss Weesenstein besuchten etwa Adlige, Bürgerliche und Militärs, aber auch Handwerker und Schulklassen.1126 Folgt man der Auslegung Eva Gilois, war diese zunehmende Transparenz für die Bundesfürsten auch keineswegs von Nachteil. Bei Beschreibungen von Schlossbesuchern überwogen meist Aspekte der Bewunderung 1121 1122 1123 1124 1125 1126

Vgl. StACo, LA A, Nr. 13561. Vgl. StACo, LA A, Nr. 13570. Vgl. Coburger Zeitung, 13.06.1906. Vgl. Thüringen und Frankenwald, 1908, S. 199. Vgl. Gothaische Zeitung 17.02.1909, Coburger Zeitung, 10.06.1909. Vgl. Finger: Reisen im, 2009, S. 163.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

259

des guten Geschmacks des Adels angesichts der angehäuften Kunstschätze, der Schloss- sowie der Parkgestaltung.1127 Auch die immer häufiger herausgegebenen Schlossführer, welche die Orte detailliert beschrieben, belegen, dass die geöffneten Schlösser samt ihres gezeigten Interieurs eine gute Möglichkeit darstellten, das Interesse an den Bundesfürsten zu fördern.1128 Zudem muss die Öffnung der Schlösser auch im Sinne der Strategie des Obenbleibens gedeutet werden. Das im Laufe des 19. Jahrhunderts erwachte Interesse an Geschichte und Kultur nutzte der Adel, um sich als Hüter traditioneller Werte und Güter zu profilieren. Aus diesem Grund setzte auch eine erhebliche Welle an Umbauten und Wiederherstellungen alter Burgen und Adelssitze ein, die für den Adel zwar schon immer ein traditionelles Repräsentationsinstrument gewesen waren, nun aber auch zur Legitimierung des eigenen Einflusses gegenüber breiten Bevölkerungsschichten genutzt wurden. Das erhobene Eintrittsgeld muss daher auch als eine willkommene Unterstützung zur Finanzierung dieser Vorhaben gewertet werden.1129

6.2.3

Das fotografische Abbild

6.2.3.1 Zur Nutzung der Fotografie durch die Bundesfürsten Aufgrund der Nicht-Reproduzierbarkeit der auf dem Verfahren der Daguerreotypie basierenden Fotografien setzten sich diese um 1850 zunächst nur als private Bilder im Hochadel durch. Die meisten Monarchen waren allerdings der neuen Technik gegenüber sehr aufgeschlossen und verliehen erfahrenen Fotografen das begehrte Prädikat des Hoffotografen. Diese konnten den neuen Titel nicht nur werbewirksam einsetzen, sondern auch darauf hoffen, immer wieder neue Hofaufträge zu bekommen, wie das Beispiel des bayerischen Hoffotografen Joseph Albert zeigt.1130 Ab 1860 wurden dann fotografische Bildnisse der Herrscher zunehmend auch der Öffentlichkeit zugänglich. Eines der bekanntesten frühen Fotowerke stellte das Royal Album des Fotografen John J. E. Mayall dar, das Fotografien Königin Victorias und ihres Gemahls Albert enthielt. Das Royal Album bestand aus 14 sogenannten Cartes de visite,1131 die der Franzose André Disdéri 1854 hatte patentieren lassen. Die Karte umfasste ein etwa 9 x 6 cm großes Foto des Dargestellten und erfüllte eigentlich den Zweck einer Visitenkarte. Ihre Vervielfältigung wurde dadurch erleichtert, dass Disdéri eine Kamera mit mehreren Linsen benutzte und so mehrere Bilder der gleichen Pose auf eine Negativplatte bringen

1127 1128 1129 1130 1131

Vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 95. Vgl. Finger: Reisen im, 2009, S. 162. Ein solcher Schlossführer war etwa: Theodor Gampe: Schloß Weesenstein im Müglitzthale, Dresden 1880. Vgl. Finger: Reisen im, 2009, S. 157 f. Vgl. Ranke: Joseph Albert, 1977. Vgl. Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 144–147.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

konnte. Durch das handliche Format wurden die Karten schnell zum beliebten Sammelobjekt. Obwohl in Deutschland der Verkauf der Cartes de visite etwas später einsetzte, sind auch hier die 1860er-Jahre als das Jahrzehnt anzusehen, in dem fotografische Abbildungen des Herrschers immer wichtiger wurden. Besonders die bayerischen Monarchen nutzten im deutschen Raum schon sehr früh die Fotografie zur Verbreitung ihres Bildes. Neben den äußerst beliebten Aufnahmen privater Szenen, die nur innerhalb der Familie zirkulierten, ließ Maximilian II. auch Porträts von sich und seiner Frau Marie als Visitenkarten vertreiben.1132 Aber auch größere Formate wurden anlässlich wichtiger Ereignisse als Schmuck in zahlreichen Schaufenstern ausgestellt. Dies galt für eine Fotografie Maximilians II. auf dem Totenbett1133 ebenso wie für das erste offizielle Porträt seines ihm nachfolgenden Sohnes Ludwig II.1134 Dass diese Bilder durchaus rezipiert wurden, sieht man etwa daran, dass Richard Wagner noch in seinen Erinnerungen an die besondere Wirkung eines solchen Schaufensterporträts Ludwigs II. zurückdachte.1135 Der junge bayerische König ging noch offensiver mit der Fotografie um. Im auffälligen Gegensatz zu seiner späteren Öffentlichkeitsscheu ließ er sich sehr häufig fotografisch ablichten und verschenkte zahlreiche Bilder von sich, sodass die Cartes de visite Ludwigs II. ein begehrtes Kaufobjekt waren. In dieser aktiven Mediennutzung zeigte sich Ludwig II., wie schon sein Vater Maximilian, den modernen Mitteln der Inszenierung gegenüber überaus aufgeschlossen.1136 In Sachsen dagegen war die Nutzung der Fotografie um 1860 zur Erhöhung der öffentlichen Sichtbarkeit weniger verbreitet, allerdings hatte Friedrich August II. ein großes Interesse an dieser Technik und pflegte freundschaftliche Kontakte mit dem Fotografen Franz Hanfstaengl.1137 Auch in Hessen1138 und Sachsen-Coburg und Gotha1139 wurde zwar privat sehr häufig fotografiert, für die Öffentlichkeit waren diese Aufnahmen allerdings nicht bestimmt. Insgesamt trugen die Cartes de visite-Verkäufe zu einer 1132 1133 1134 1135

1136 1137

1138 1139

Vgl. Ranke: Joseph Albert, 1977, S. 49 f. Dieses ist abgedruckt bei: ebd., S. 51. Vgl. ebd., S. 52–76. Vgl. Richard Wagner: Mein Leben. Bd. 2, München 1911, S. 865. Wagner spricht zwar uneindeutig von „Porträt“, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich dabei um eine der zahlreichen Fotografien Joseph Alberts handelte, die dieser 1864 angefertigt hatte. Die Anschaffung einer solchen, oftmals auch handkolorierten Fotografie war für ein Geschäft weitaus günstiger als die eines Ölgemäldes. Auch Ludwig II. selbst schenkte Wagner kurz darauf eine handkolorierte Fotografie mit seinem Bild, vgl. Schmid: König Ludwig, 1996, S. 30 f. Vgl. Ranke: Joseph Albert, 1977. Vgl. John: König Johann, 2001, S. 421–425. Siehe auch Emil Römmler: Emil Römmler (1842–1941). Lebenserinnerungen eines königlich-sächsischen Hofphotographen; eine amüsante Gründerzeit-Autobiographie und ein Beitrag zur Geschichte der Photographie, des Lichtdrucks und der Farbdruckverfahren in Dresden, Dresden 1996. Siehe die zahlreichen Aufnahmen in: HStAD, Bestand D 27 A, Fotoarchiv (online einsehbar unter arcinsys). Vgl. Bautze: Prinz Alfred, 2008.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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erhöhten Sichtbarkeit des Monarchen bei, seine eigentliche Wirksamkeit konnte das fotografische Abbild des Monarchen allerdings erst durch die seit ca. 1890 in Mode gekommenen, äußerst populären Postkarten vollends entfalten.1140

6.2.3.2 Rezeption durch die Postkarte Zur Geschichte der Postkarte Für die Untersuchung von Monarchenfotografien verbessert sich ab 1900 die Quellenlage drastisch, da diese nun eine Verbindung mit einem äußerst erfolgreichen Medium eingingen: der Postkarte.1141 Diese hatte sich aufgrund ihres Preises und ihrer Praktikabilität zum Medium der Jahrhundertwende schlechthin entwickelt – das Goldene Zeitalter der Postkarte währte von ca. 1890 bis 1918 und trägt seinen Namen zu Recht.1142 Bereits im 15. Jahrhundert hatte man begonnen, zu besonderen Anlässen Karten in Briefen zu versenden; ab 1800 wurden dann bedruckte Visitenkarten populär. 1865 erlaubte man in Preußen das erste Mal „offene“ Drucksendungen für Einladungen oder Werbezwecke, bei denen jedoch noch keine Zusatztexte erlaubt waren. Ebenfalls 1865 schlug der preußische Postrat Heinrich von Stephan auf der Konferenz des Deutschen Postvereins die Einführung eines Postblattes vor. Dieses Vorhaben stieß jedoch wegen der für jedermann lesbaren Nachricht auf Ablehnung. Ein ähnlicher Vorschlag für die sogenannte Korrespondenz-Karte von Emanuel Hermann wurde dagegen 1869 in Österreich angenommen und führte zur wohl ersten Postkarte der Welt. Diese war 8,5 x 11,2 cm groß und hatte auf der einen Seite eine eingedruckte Marke nebst einem Feld für die Anschrift, während die Rückseite Platz für die Nachricht bot. In Preußen wurde das Postblatt eingeführt, nachdem dessen „Erfinder“ von Stephan 1870 die Leitung der Post im Norddeutschen Bund übernommen hatte. Da für sie jedoch zunächst das gleiche Porto wie für einen Brief notwendig war, war der Absatz der offiziellen Vordrucke mäßig und steigerte sich erst, als zum 1. Januar 1873 das Porto halbiert wurde. Viel entscheidender war jedoch das Aufkommen einer nicht-staatlichen, kommerziellen Herstellung von Postkarten, die nun mit Bildern bedruckt wurden.1143 Schnell entwickelte sich daraus ein Konkurrenzkampf um die besten Motive, welche auf den Karten immer mehr Raum einnahmen, bis sie ab 1895 dann eine gesamte Seite

1140 1141 1142 1143

Vgl. Kapitel 6.2.3.2. Die folgenden Ausführungen beruhen auf Überlegungen meiner Magisterarbeit, Schöbel: Zur Inszenierung, 2011, S. 89–93. Vgl. Hagenow: Mit Gott, 2000, S. 152. Zur Geschichte der Postkarte: May: Deutsch sein, 1998, S. 53; Hagenow: Mit Gott, 2000, S. 152 f.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

ausmachten.1144 Durch diese Entwicklung war es jedem möglich, die Karte zu erwerben, die seinem Geschmack und seiner Gesinnung entsprach – die Palette reichte von Naturansichten hin bis zu kritischen Karikaturen.1145 Der Erfolg der Postkarte gründete in erster Linie in ihrer unkomplizierten Handhabung und ihren vielfachen Einsatzmöglichkeiten. Man konnte auf förmliche Floskeln, wie sie in Briefen als Ausdrucksmittel der Gebildeten üblich waren, verzichten und in knappen Worten seine Botschaft versenden. Angesichts der geringen Freizeit, besonders in der Arbeiterschicht, war dies von Vorteil. Auch stellte die Postkarte im Zuge des aufkommenden Tourismus ein günstiges Verbindungsmedium für Reisende dar. Ebenso wurde auf diese Weise der Kontakt zu früheren Bekannten und Verwandten aufrechterhalten, was angesichts eines Zuzugs in die Städte und eines häufigeren Wohnungswechsels vor Ort immer wichtiger wurde. Das gestiegene Bedürfnis nach kurzer und schneller Information wurde durch die mehrfache Auslieferung der Post noch gestärkt: So kam es in Berlin – auch feiertags – zeitweise zu neun bis elf Zustellungen am Tag. Der Durchschnitt in der Hauptstadt lag von 1876 bis 1910 bei acht Zustellungen. Aber auch auf dem Lande wurde die Post mindestens zwei Mal täglich zugestellt und der Postkasten häufig geleert. Nicht selten wurde daher die Postkarte benutzt, um noch ein Treffen für denselben Tag zu verabreden. Ebenso garantierten die vergleichsweise geringen Kosten den Erwerb einer Postkarte. So kostete diese drei Pfennig plus fünf Pfennig Porto bei einem Brotpreis von 24 Pfennig pro Kilogramm. Eine preiswert hergestellte Illustrierte um 1900 kostete 60 Pfennig und konnte nur von Besserverdienenden erworben werden.1146 In zunehmenden Maße wurde daher die Postkarte nicht mehr verschickt, sondern aufgrund ihrer Bildhaftigkeit in Alben gesammelt oder als Wandschmuck verwendet, wie viele Heftzwecklöcher in heute noch erhaltenen Karten belegen. Besonders der bürgerliche Mittelstand und junge Mädchen aller Schichten begannen, Karten zu sammeln; die so entstandenen Alben nahmen oft den Platz einer bebilderten Kulturgeschichte ein.1147 Immer wieder wurde auch der erzieherische Aspekt dieser Karten betont. Besonders Kinder bekamen häufig Karten mit dem Vermerk „Für deine Sammlung“ geschickt.1148 Das Produktionszentrum der überall erhältlichen Ansichtskarten war, neben Berlin und München, Leipzig mit 25 herstellenden Anstalten.1149 Im Jahre 1914 gab es jedoch deutschlandweit schon 250 Hersteller. Das Deutsche Reich war damit weltweit führend in der Postkartenproduktion und exportierte in zahlreiche Länder.1150 Wie viele Ansichtskarten in einem Jahr hergestellt wurden, ist nicht 1144 1145 1146 1147 1148 1149 1150

Die offizielle Trennung von Bild und Textseite mit Adresse erfolgte 1905, vgl. May: Deutsch sein, 1998, S. 55. Vgl. ebd., S. 50. Vgl. ebd., S. 59. Vgl. ebd., S. 73. Ebd., S. 102. Vgl. ebd., S. 60. Vgl. Hagenow: Mit Gott, 2000, S. 151.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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mehr sicher zu ermitteln. Allerdings wurden allein in Berlin am Einführungstag, dem 25. Juni 1870, 45.500 Karten verkauft, während 1872 8,5 Millionen Karten verschickt wurden. Ein Jahr später lag die Zahl bei 26,9 Millionen und 1900, dem Jahr der letzten Zählung der Post, bei unglaublichen 954 Millionen verschickten Karten – allerdings mit dem größten Anteil bei den Ansichtskarten.1151 Wenn man davon ausgeht, dass 50 % der hergestellten Karten ins Ausland exportiert wurden und 20 % gleich in Sammlungen gelangten, muss die Zahl der hergestellten Karten exorbitant hoch gewesen sein.1152 Allein diese Zahlen belegen den Erfolg der Postkarte und die Industrialisierung der Kommunikation. Nicht grundlos zeigt daher auch eine Karikatur der Illustrated London News von 1909 unter dem Titel Deutsche Gewohnheiten einen Postbeamten, der Karten verkauft und die Geschriebenen in einem Kasten auf seinem Rücken gleich wieder mitnimmt.1153 Es ist davon auszugehen, dass kein anderer Artikel im Deutschen Reich so flächendeckend angeboten wurde wie die Ansichtskarte. Dabei war dies nicht in allen Ländern so – in Großbritannien etwa erschwerten Formatbeschränkungen der Post den Durchbruch der Postkarte, sodass es erst 1899 gelang, sich auf ein Standardmaß zu einigen.1154 Zweifelsohne lag die Beliebtheit der Karte in ihren Motiven begründet, welche durch die Verwendung der Fotografie noch aussagekräftiger wurden. Am begehrtesten – nach den schon erwähnten Ansichtskarten – waren hierbei Porträts des Kaisers und seiner Familie.1155 Otto May beispielsweise untersucht allein in seiner Studie 646 verschiedene Karten mit Darstellungen des Kaisers.

Die Postkarte als Medium des Monarchenporträts Die ersten Ansichtskarten von Personen entstanden in den 1880ern vermutlich eher zufällig als Werbung für Kaiserbilder, wie etwa die in einer vierstelligen Auflage erschienene Werbekarte für den Daheimkalender aus dem Jahr 1887, die Wilhelm I. mit seinem Urenkel am berühmten Eckfenster zeigte.1156 Das Dreikaiserjahr 1888 bildete dann den Beginn für Karten mit nationaler Prägung, da das erste Mal Trauerkarten mit Bildern der verstorbenen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. gedruckt wurden, was bis dahin als Tabubruch galt. 1889 verkaufte die Dresdner Stadtpost die ersten zwei Karten, die eine Miniatur Wilhelms II. enthielten, der damit zur ersten lebenden, auf einer Postkarte abgedruckten Person wurde. Die erste reine Porträtkarte einer politischen Person entstand anlässlich des Bismarckbesuches 1892 in Jena.1157 1151 1152 1153 1154

1155 1156 1157

Vgl. ebd., S. 152 f. Vgl. May: Deutsch sein, 1998, S. 60. Zitiert nach ebd., S. 69. Vgl. Anthony Byatt: Picture Postcards and their publishers. An illustrated account identifying Britain’s major postcard publishers 1894 to 1939 and the great variety of cards they issued, Malvern 1978, S. 13. Vgl. May: Deutsch sein, 1998, S. 50. Siehe dazu Geisthövel, Eckfenster, 2005. Vgl. May: Deutsch sein, 1998, S. 55.

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In den meisten Fällen waren private Verlage die Auftraggeber der Karten. Auch hier galt, dass die Produktion durch Privatleute so stark betrieben wurde, dass eine Initiative der Höfe eigentlich nicht mehr notwendig erschien. Bis 1876 fielen Fotografien nicht unter das Urhebergesetz, da sie nicht als Kunst eingestuft wurden. Danach lag das Urheberrecht beim Auftraggeber, der dieses an den Auftragnehmer abgeben oder sich dieses mit ihm teilen konnte. Gegen Urheberrechtsverletzungen, also Raubkopien, konnte nur der Inhaber des Urheberrechtes vorgehen. Beispielsweise teilte sich Wilhelm I. bei seinen Bildern das Urheberrecht mit dem jeweiligen Fotografen, unternahm aber nichts gegen Raubkopien. Da der Fotograf nicht das alleinige Urheberrecht besaß, konnte auch er nicht gegen eine Vervielfältigung seines Motivs vorgehen. Der Hof sah jedoch unerlaubte Kopien von Fotografien meist unkritisch, da zumindest einem Missbrauch des Fotos im Sinne einer Verunstaltung durch den Majestätsbeleidigungsparagrafen vorgebeugt war.1158 Da Schnappschüsse allerdings bei Postkartenmotiven eine Seltenheit darstellten, konnte der jeweilige Bundesfürst dennoch zum Großteil kontrollieren, welche Bilder über ihn in Umlauf kamen – die meisten Postkarten zeigten Bilder der offiziellen Hoffotografen und damit Aufnahmen, die vom Hof abgesegnet waren. Nicht selten schickten sich die verwandten monarchischen Familien auch untereinander aktuelle Postkarten – meist ihrer Kinder – zu, was auf die Akzeptanz der Postkartenproduktion verweist.1159 Im Falle der besonders seit Beginn des Ersten Weltkrieges herausgegebenen Wohlfahrtskarten lässt sich jedoch der Hof sicher als Mitauftraggeber bestimmen. So gingen Teilbeträge des Verkaufserlöses an vom Herrscherhaus gegründete bzw. unterstützte Stiftungen oder Wohlfahrtseinrichtungen. Die Vorderseite zierte ein Bild des Monarchen, während die Rückseite Hinweise auf die Empfänger der Spende gab. So gab es in Bayern und Hessen etwa Karten zugunsten des Roten Kreuzes, in Hessen darüber hinaus Spendenkarten für den Alice-Frauenverein oder das Eleonorenheim, in Sachsen-Coburg und Gotha Karten für den Frauen-Hilfs-Verein Gotha oder zur Unterstützung von Kriegsveteranen.1160 Die Kombination Monarchenbild und Spendenaufruf zeigt, dass man sich der absatzsteigernden Wirkung von Monarchenpostkarten durchaus bewusst war. Auch die sogenannte Postkartenwoche der Großherzogin 1912 in Hessen weist auf das Bewusstsein des dortigen Fürstenhauses hin, im Medium Postkarte eine zeitgemäße Werbestrategie gefunden zu haben. Großherzogin Eleonore fungierte dabei als Schirmherrin der ersten Luftpost in Deutschland, die im Juni 1912 allein am ersten Tag 297 Kilogramm Post zwischen Frankfurt, Darmstadt und Worms beförderte. Hierfür gab es extra herausgegebene offizielle Postkarten, die auf die 1158 1159 1160

Vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 249. Solche Postkarten der hessischen und russischen Kinder sind abgedruckt in: Kleinpenning: The correspondence, 2010. Diese Aufzählung kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, die genannten Postkarten wurden bei: http://www.ak-ansichtskarten.de und http://www.heimatsammlung.de gefunden, letzter Abruf 05.08.2017, 16.00 Uhr.

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Postkartenwoche verwiesen und auf der Bildseite die großherzogliche Familie zeigten. Der Erlös der Karten und der zusätzlich verkauften inoffiziellen Luftpostmarke sollte der von Eleonore geförderten Großherzoglichen Zentrale für Mutter- und Säuglingsfürsorge in Hessen zu Gute kommen. Die Post wurde dabei von einem Euler-Flugzeug befördert, welches aufgrund der Farbe seiner Tragflächen als Gelber Hund bekannt war. Die Verbindung von technischer Innovation und karitativem Zweck zog bei der ersten Landung in Worms zahlreiche Menschen an, welche die meist nur kurzen Postgrüße ihrer Verwandten und Freunde entgegennahmen. Durch die aktive Beteiligung der großherzoglichen Familie konnte diese selbst vom Erfolg der ersten Luftpost profitieren und sich zugleich erfolgreich als Förderer von technischem Fortschritt und sozial-karitativem Handeln darstellen.1161 Für die hier relevante und meist schwierig zu beantwortende Frage der Rezeption sind Postkarten sehr gut geeignet. Nicht nur, dass es eine Vielzahl an Sujets auf dem Markt gab und der Konsument ein Motiv seiner Wahl kaufen konnte, im Gegensatz zu Gemälden und Fotografien in Schlössern, Museen oder Zeitungen kann man bei einer Postkarte davon ausgehen, dass der Käufer sie bewusst erwarb und die Darstellung keine Nebenerscheinung eines Museumsbesuchs oder des Zeitungslesens darstellte. Das Motiv der Postkarte bildete das alleinige Objekt der Anschauung und dem Käufer kann Interesse, Neugier und in vielen Fällen auch Bewunderung an der gezeigten Person unterstellt werden. In diesem Sinne bildete die Bildpostkarte ein Bekenntnismedium,1162 mit welchem sich die Gesinnung des Einzelnen auf ein einziges aussagekräftiges Bild reduzierte. Manfred Schütte sieht in den Postkarten interessanterweise einen Vorläufer der Buttons.1163 Hinzu kam, dass es aufgrund der technisch bedingt geringen Auflage – bei einer Lithografie etwa 1500 bis 2000 Stück pro Druckplatte – möglich war, ein Motiv sofort zu wechseln, wenn es nicht den gewünschten Absatz beim Publikum fand. Bei Monarchendarstellungen war dies jedoch kaum der Fall. Sie fanden so enormen Anklang, dass die Auflagen bald in die Millionen gingen.1164 Aufschlussreich bezüglich der Verbreitung monarchischer Postkarten ist bereits die Motivvielfalt. So beinhaltet die für diese Studie hauptsächlich herangezogene Sammlung Claudia Mertens’ 2425 Postkarten der kaiserlichen Familie, 762 für Bayern, 492 für Sachsen, 208 für Hessen und 187 für Sachsen-Coburg und Gotha.1165 Obgleich diese Zahlen nach wissenschaftlichen Kriterien etwas nach

1161 1162 1163 1164 1165

Vgl. Wormser Zeitung, 16.–18.06.1987. Vgl. Hagenow: Mit Gott, 2000. Vgl. Manfred Schütte: Einleitung, in: Lebeck u. a.: Propagandakarten 1, 1980, S. 7. Vgl. May: Deutsch sein, 1998, S. 61. Für die Nutzung ihrer Sammlung und weiterer Auskünfte dankt die Autorin Claudia Mertens, Dortmund.

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unten korrigiert werden müssen, da vereinzelt Karten falschen Dynastien zugeordnet wurden,1166 sind sie doch aussagekräftig über das Verhältnis der Postkartenproduktionen der verschiedenen Bundesstaaten zueinander. Wenn es auch mit Abstand die meisten Postkarten mit Motiven des Kaiserhauses gab, so sind doch auch die Zahlen für die Bundesstaaten beachtlich. Mit der Zeit gab es auch Postkarten herausragender Politiker wie der Kanzler Bernhard von Bülow oder Theobald von Bethmann-Hollweg und herausragender Persönlichkeiten der Sozialdemokratie wie August Bebel und Wilhelm Liebknecht zu erwerben. Allerdings war die sich bietende Motivvielfalt dieser Personen im Vergleich zu denen der Monarchen verschwindend gering. Einzig von Otto von Bismarck gab es während des gesamten Untersuchungszeitraumes zahlreiche Motive. Dass die Postkartenhersteller schnell auf Entwicklungen reagierten und diese aktuelle Idole zeigten, lässt sich etwa an der Präsenz militärischer Vorbilder im Laufe des Ersten Weltkrieges belegten, als es nicht nur Karten von Paul von Hindenburg, sondern auch der Fliegerhelden Max Immelmann und Oswald Boelcke zu kaufen gab.1167 Die Frage nach der Bezugnahme des Adressaten auf das gewählte Motiv muss differenziert beantwortet werden. Meist gab es in den – naturgemäß sehr kurzen – Texten keinen Verweis auf die Abbildungen. Häufig wurden Urlaubsgrüße, Wetterbeschreibungen oder Ähnliches ausgetauscht. Wie schon bemerkt, lassen sich aber auch Hinweise finden, dass die Motive an Sammler geschickt wurden, etwa mit der Nachfrage, ob man dieses Motiv schon besitze. Zuweilen wurde aber doch direkt Bezug genommen: So steht etwa auf einer Postkarte mit einem Babyfoto des Erbgroßherzogs von Hessen und bei Rhein die Frage: „Ist er nicht herzig?“ geschrieben, ein Indiz für die emotionale Wirkung der Karten (Abb. 7).1168 In wieder anderen Fällen war das Motiv die Hauptbotschaft der Karte. So wurde beispielsweise 1902 eine Postkarte verlegt, die die Aufbahrung des verstorbenen Königs Albert von Sachsen am 22. Juni des Jahres zeigte. Bereits am 28. Juni wurde die Karte innerhalb Sachsens von Dresden nach Chemnitz mit nur einem kurzen Gruß unter dem Bild – die Rückseite war in diesem Fall komplett der Adresse vorbehalten – verschickt.1169 Die einzige Absicht im Versenden der Postkarte lag also in der Übermittlung des Bildes, dem in diesem Fall ein Nachrichtenwert zukam. Möglicherweise hatte der Absender selbst die Aufbahrung besucht und wollte nun die 1166

1167 1168 1169

Die Sammlung enthält vereinzelt auch Postkarten, die nach 1918 entstanden bzw. einzelne Motive, die nicht als Postkarten, sondern lediglich als Fotografien vorliegen – ihr Anteil am Gesamtbestand ist aber gering. Vgl. die Karten bei: 5000 Bildpostkarten, 2003; Deutsches Historisches Museum: Kaiser, Führer, 2004 Sammlung Mertens. http://www.ak-ansichtskarten.de/ak/90–Alte-Ansichtskarte/14–Adel-Sachsen-Koenigreich-Wettiner/5276259–AK-Dresden-Aufbahrung-des-verstorbenen-Koenig-Albert-vonSachsen-i-d-Hofkirche-am-22–Juni-1902, letzter Abruf am 01.10.2014, 10.18 Uhr. Die Nutzung diverser Verkaufsforen für Postkarten ist recht aufschlussreich hinsichtlich Motivvielfalt und Häufigkeit bestimmter Motive.

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Empfängerin, vermittelt durch das Bild, ebenfalls daran teilhaben lassen. Das Drucken von anlassbezogenen Karten, in Sterbefällen zusätzlich mit Trauerrand versehen, war sehr weit verbreitet, da sich die Verleger einen großen Absatz versprachen. So lassen sich vielfach Werbeanzeigen für solche Karten finden, die zuweilen bereits zwei Tage nach dem Ereignis zum Verkauf standen.1170

Abb. 7 Verlag Elbert: Georg, Erbgrossherzog von Hessen und bei Rhein (handgeschrieben: „Ist er nicht herzig?“), ca. 1906/07

Allgemeine Beobachtungen: Neue und etablierte Bildmotive Im Folgenden werden die überlieferten Postkarten seriell-ikonografisch untersucht und dabei verschiedenen Typen, nämlich Atelier-, Interieur- und Naturaufnahmen zugeordnet. Dabei gab es Postkarten, die lediglich eine Atelieraufnahme des Herrschers, meist in Uniform, zeigten. Im Wesentlichen entsprachen diese Fotografien im Aufbau den klassischen Amtsträgerporträts. Viel interessanter dagegen sind die mit dem Aufkommen der Postkarten verbundenen neuen Bildmotive in der Herrschaftsikonografie. Diesen wird sich daher im Folgenden hauptsächlich zugewandt.

1170

Angesichts des Todes der hessischen Prinzessin Elisabeth 1903 warben mehrere Hersteller mit Porträtpostkarten und später, am 21.11., mit Abbildungen des Leichenzuges vom 19.11., vgl. Darmstädter Zeitung, 20.11.1903 Nachmittags-Ausgabe, und 21.11.1903 NachmittagsAusgabe. Auch in anderen Ländern war dies üblich, so konnte man beim Tode Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha Trauerpostkarten in „5 verschiedenen Dessins [sic]“ erwerben, Coburger Zeitung, 03.08.1900.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Das ideale Kind Besonders auffällig ist dieser Befund für das Kinderporträt, welches zuvor in dieser Fülle nicht präsent war. Zwar war es im Hochadel schon seit dem 16. Jahrhundert durchaus üblich, Porträts von Kindern, insbesondere der direkten Erben, anfertigen zu lassen. Allerdings waren diese, wohl auch aufgrund der hohen Kosten, häufig auf sehr wenige, wenn nicht nur ein Porträt begrenzt.1171 Mit dem Aufkommen der Fotografie war es für Bessergestellte finanziell kein Problem mehr, unzählige Aufnahmen ihrer Kinder anzufertigen, zumal nun auch die für ein Gemälde notwendigen aufwändigen Sitzungen wegfielen. Allerdings erklären die günstigeren Voraussetzungen allein nicht die Omnipräsenz der Prinzen und Prinzessinnen.1172 Wichtiger in diesem Zusammenhang war sicherlich das veränderte Verständnis von Kindheit, welches sich im 19. Jahrhundert herauskristallisierte. Die Forschung liefert mehrere Erklärungsversuche, warum sich die Rolle der Kinder in der Zeit von ca. 1750 bis 1900 entscheidend änderte und ihre emotionale Wertschätzung zunahm. So sieht etwa Edward Shorter im Kapitalismus eine wesentliche Erklärung für die gesteigerte Bedeutung der Kinder, da die wirtschaftliche Entwicklung es gerade bessergestellten Müttern erlaubt habe, mehr Zeit zu haben, sich um ihre kleinen Kinder zu kümmern.1173 Um 1860 meint Shorter geradezu eine Revolution mütterlicher Gefühle auszumachen, die etwa im eigenen Stillen der Kinder ihren Ausdruck fand.1174 Dieser Trend lässt sich auch im Hochadel nachzeichnen, insofern sich zu dieser Zeit viele Prinzessinnen – meist gegen den ausdrücklichen Widerstand der eigenen Mütter – das Recht herausnahmen, ihre Kinder selbst zu nähren.1175 Lawrence Stone ist dagegen der Ansicht, dass aufkommende Demokratisierungstendenzen, die eine gewisse Abkehr von elterlicher Autorität und Angleichung der Eltern-Kind-Standpunkte zur Folge hatten, eine Begründung für die Hinwendung zum Kind liefern.1176 Hugh Cunningham wiederum betont zum einen, dass die Einführung der Schulpflicht einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Kindheit als eigene Entwicklungsstufe mit sich brachte, da erst 1171

1172 1173 1174 1175

1176

Besonders bekannt sind etwa die Porträts von Diego Velazquez oder Hans Holbein d. Jüngeren. Einen Einblick in die Vielfalt höfischer Kinderporträts bietet etwa: Hessische Hausstiftung, Fürstenkinder, 2009. Vgl. dazu etwa den Bildband: Ulrich Feldhahn: Königskinder in Fotografien um 1900, Petersberg 2014. Vgl. Edward Shorter: The making of the modern family, New York 1977, S. 259. Vgl. ebd., S. 192–196. So stillte etwa die spätere Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein ab dem zweiten, 1864 geborenen Kind ihre Kinder selbst. Bei ihrem ersten, in England unter der Obhut Ihrer Mutter, Queen Victoria, geborenen Kind, war ihr dies verwehrt worden, vgl. Alice, Mittheilungen, 1883, S. 67. Auch ihre Schwester Victoria, die spätere Kaiserin Friedrich, begann 1864 ihre Kinder selbst zu stillen, vgl. John C. G. Röhl: Wilhelm II. Die Jugend des Kaisers: 1859–1888, München 1993, S. 116. Zur Praxis des Stillens siehe auch Wienfort: Verliebt, verlobt, 2014, S. 197 f. Vgl. Lawrence Stone: The family, sex and marriage. In England 1500–1800, London 1979, S. 665 f.

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diese die Kinder vom Arbeitsprozess ausschloss und damit ihre emotionale Wertschätzung ermöglichte.1177 Zum anderen sieht er aber eine insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende – und für die hier untersuchten Postkarten maßgebliche – Auffassung, die Kindheit als besten aller Lebensabschnitte anzusehen.1178 Dieses Ideal habe seinen Ursprung zum einen in der Romantik, die die Heiligung und Hochschätzung der Kinder propagiert habe,1179 zum anderen aber in einer damit kongruenten, stetig zunehmenden Säkularisierung, die das vormals vorherrschende Bild des Kindes als Verkörperung der Erbsünde und des Bösen verdrängte. Bestärkt etwa durch die Dickens’schen Kinderromane schrieb man Kindern zunehmend eine Kraft des Guten zu, die in der Lage war, verbitterte Erwachsene von ihrem Schicksal zu befreien.1180 Aus diesem Grund ließen Ältere den Kindern vermehrt Aufmerksamkeit zukommen, wollten sie vor schmerzlichen Erfahrungen schützen und erschufen um sie eine Aura der Unschuld und folglich des Glücks, an der sie selbst im Umgang mit dem Kind partizipieren konnten. Aufgrund dieser Wandlung wurde nun die Kindheit auch ein Abschnitt, dem in der eigenen Lebenswahrnehmung eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Rolle zukam.1181 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfuhren diese Ideen noch einmal eine Steigerung, auch hervorgerufen durch Ellen Keys Weltbestseller Das Jahrhundert des Kindes,1182 in welchem dem Wohlergehen des Kindes auch eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung zukam, da die Kinder nun zum höchsten Gut des Staates und der Zivilisation erklärt wurden.1183 Cunningham fasst daher folgerichtig zusammen: „Vom geringsten und am wenigsten beachteten menschlichen Wesen war das Kind zu einem Geschöpf mit geradezu göttlichen Eigenschaften geworden, zum Gegenstand der Verehrung und zum Gefäß der Hoffnung.“1184 Gerade diese Verehrungs- und Liebenswürdigkeit erklärt das Phänomen der Kinderbildpostkarten, denn Bilder eigneten sich seit jeher als Medium des Ausdrucks von Wünschen, Vorstellungen und Idealen. Dabei gilt es zu bedenken, dass die oben geschilderten Entwicklungen sich besonders im Bereich der Vorstellung von Kindheit, nicht aber immer in der eigentlichen Lebenswirklichkeit von Kindern abspielten. Im Bild dagegen konnte man die geschützte Kinderwelt leicht Realität werden lassen, wie bereits die Bilder von Gainsborough, Reynolds und Runge zeigen. Insbesondere das Herrscherkind bot sich für diese Projektion der idealen

1177 1178 1179 1180

1181 1182 1183 1184

Vgl. Hugh Cunningham: Die Geschichte des Kindes in der Neuzeit, Düsseldorf 2006, S. 33. Vgl. ebd., S. 95. Vgl. ebd., S. 118. Anstelle der Vertreter des Bösen sieht Cunningham sich dann eine Vorstellung der Kinder als Botschafter Gottes durchsetzen – diesen eklatanten Widerspruch zu seiner Säkularisierungsthese lässt er aber ungelöst, siehe ebd., S. 95, 112. Vgl. ebd., S. 107, 113. Ellen Key: Das Jahrhundert des Kindes. Studien, Berlin 1902. Vgl. Cunningham: Die Geschichte, 2006, S. 232. Ebd., S. 119.

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Kindheit an – denn welches Kind hatte bessere materielle und ideelle Voraussetzungen für eine glückliche Kindheit als dieses. Es verwundert daher nicht, dass neben den Herrscherkindern keine weiteren bekannten Kinder die Postkarten zierten. Lediglich auf Glückwunschkarten zur Geburt wurden als Idealtypen wirkende Babys abgebildet.1185 Dass dabei auch die gewachsene Bedeutung des Individuums eine Rolle spielte, zeigt sich daran, dass es unterschiedslos Karten aller fürstlichen Kinder, nicht nur der Thronprätendenten gab. Die ersten Postkarten entstanden bereits kurz nach der Geburt des Kindes und zeigten es entweder allein in der Wiege oder im engsten Familienkreis. Ab dann folgten in regelmäßiger Wiederkehr Aufnahmen, die es dem Betrachter erlaubten, die Entwicklung des Kindes zu beobachten und im Bild zu begleiten. Auf diese Weise wurde auf mehreren Ebenen eine wirkmächtige Identifikation ermöglicht: Entweder, wenn man annähernd im gleichen Alter wie das abgebildete Kind war1186 oder wenn man selbst ein Kind bzw. Enkelkind in dieser Entwicklungsphase hatte. Eine unbewusste Bindung an den zukünftigen Herrscher wurde durch diese ausschließlich positiv konnotierten Bilder – sie zeigten das Kind nur in altersgerechten, unpolitischen Situationen – subtil erreicht. Diese propagandaähnliche Beeinflussung galt natürlich prinzipiell für alle Fotografien, die, sogar freiwillig erworben, als Medium der Herrschaftsrepräsentation im privaten Bereich der Bürger wirkten.1187 Bei Kinderfotografien aber scheint die Wirkung aus den hier geschilderten Gründen dennoch am höchsten gewesen zu sein. Ein weiterer Aspekt, der für die Beliebtheit des Kindermotivs spricht, war der damit verbundene Vorbildcharakter. Da, wie oben bereits erwähnt, viele Postkarten an Kinder geschickt wurden, ist es naheliegend, dass der Sender mit der Auswahl des Motives dem kindlichen Empfänger aufzeigen wollte, wie sich wohlerzogene Kinder verhielten.1188 So waren die Prinzen und Prinzessinnen immer ordentlich, sehr häufig in Weiß gekleidet – die sächsischen Prinzessinnen trugen dazu stets weiße Schleifen im Haar –, gingen sorgsam mit ihren Spielsachen oder Geschwistern um und schauten auch sonst sehr artig in die Kamera (Abb. 8).

1185 1186 1187 1188

Vgl. dazu die Auswahl bei: 5000 Bildpostkarten, 2003. Vgl. Schwarzenbach: Royal Photographs, 2004, S. 263. Vgl. Enno Kaufhold: Bilder des Übergangs. Zur Mediengeschichte von Fotografie und Malerei in Deutschland um 1900, Marburg 1986, S. 167. Das bekannte Foto Vier Generationen Hohenzollern hing beispielsweise sehr häufig in Jugendzimmern und übte damit eine Vorbildfunktion aus, vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 242 f.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

271

Abb. 8 James Aurig: Prinzessinnen Margarete, Alix und Anna von Sachsen, ca. 1908

Die ideale Prinzessin und Fürstin Dieser Vorbildcharakter erklärte sich auch dadurch, dass in der frühen Fotografie bis ca. 1900 noch streng unterschieden wurde, was des Fotografierens würdig war und was nicht. Die Bilder mussten gesellschaftlichen Normen entsprechen und zeigten nur das Schöne, Gute und Gefällige bzw., wenn es explizit als dieses ausgewiesen wurde, auch das Hässliche (etwa in Fotos von Kriminellen und psychisch Kranken). Dadurch bestärkten die Fotografien und insbesondere die Postkarten die Vorstellungen, was als schön oder hässlich, als gut oder böse, als Prinz und Prinzessin oder eben als Verbrecher anzusehen war.1189 Dieser Normcharakter lässt sich besonders gut an einem weiteren Sujet nachweisen, welches ebenfalls mit dem Aufkommen der Postkarten quantitativ stark zunahm. Es handelte sich dabei um das Bild der schönen Prinzessin bzw. Fürstin (Abb. 9–12). Auch dies war ein Sujet, das in dieser Häufung in den klassischen Gemälden nicht zu finden war. Die abgelichteten Frauen verkörperten dabei ebenfalls immer weibliche Idealtypen in Aussehen und Verhalten. Waren sie noch unverheiratet, dominierten Porträts oder Kniestücke, welche die Prinzessin meist in weißen Kleidern vor einem neutralen Hintergrund zeigten. Als Accessoires kamen höchstens Blumen oder Bücher in Frage, die kaum Deutungen über individuelle Aktivitäten oder Vorlieben zuließen. Die Augen suchten teils den Blick zum Betrachter, teils waren sie niedergeschlagen. Trotz dieser Gemeinsamkeiten waren Unterschiede in der Gestaltung möglich.

1189

Vgl. Jens Jäger: Fotografie und Geschichte, Frankfurt/M. u. a. 2009, S. 13 f., 93.

272

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Während das Bild Margaretes von Sachsen in der Tradition der meist äußerst bürgerlich gehaltenen sächsischen Porträts steht (Abb. 9), verweist die geschnürte Taille Mathildes von Bayern auf deren standesgemäße Herkunft (Abb. 10). Die Darstellung Beatrice’ von Sachsen-Coburg und Gotha erinnert dagegen schon an den Stil der 1920er-Jahre und ist ungewöhnlich für die Aufnahme einer Prinzessin (Abb. 11). Das Bild Marie Gabrieles von Bayern (Abb. 12) wirkt im Vergleich dazu bieder. Die zahlreichen Fotografien der Töchter und Ehefrauen der Bundesfürsten markierten den Beginn einer Entwicklung zu „romantischen“ Prinzessinnenaufnahmen, die ihren Höhepunkt erst später, ungefähr von 1930 bis 1955 hatte. Zu dieser Zeit wurden, auch durch gelungene Retuschen und Lichtführung, Frauen als märchen- und traumhafte Wesen dargestellt. Die bekanntesten Bilder dieser Zeit schufen Dorothy Wilder und Cecil Beaton von der jungen englischen Königin Elisabeth II.1190 Wenngleich die Frauenbilder um 1900 von herkömmlichen Berufsfotografen – und nicht wie im Falle Elisabeths von erfahrenen Modefotografen – aufgenommen wurden, bildeten sie doch in ihrer Gestaltung ein eindeutiges Vorbild für die Verbindung von Romantik und Monarchie. Waren die Prinzessinnen dagegen bereits verheiratet und Mütter, erfolgten Aufnahmen zusammen mit dem Neugeborenen, welches liebevoll von ihnen umsorgt wurde, oder dem jungen Kind, dessen Entwicklung prüfend überwacht wurde (Abb. 13). Auch hier entsprachen die Frauen den zeitgenössischen Erwartungen nach jugendlicher Unschuld bzw. mütterlicher Vorsorge und ansprechendem Äußeren. Der massenhafte Verkauf solcher Postkarten bestärkte wiederum diese Klischees und förderte einen frühen Starkult um die Prinzessinnen, indem er diese als bewunderungswürdig und vorbildhaft auswies.

1190

Vgl. Schwarzenbach: Royal Photographs, 2004, S. 272–277.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Abb. 9–12 Grete Back: Prinzessin Margarethe von Sachsen, um 1917; I. K. H. Prinzessin Mathilde von Bayern, vor 1906; Beatrice von Sachsen-Coburg und Gotha, um 1904; Prinzessin Rupprecht [Marie Gabriele] von Bayern, um 1910

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Abb. 13 Fotostudio Elvira: Prinzessin Marie Gabriele von Bayern mit Söhnen, 1906

Die ideale Familie Ein weiteres gängiges Motiv der fürstlichen Bildpostkarten waren Familiendarstellungen, die hinsichtlich ihrer Unterschiede später noch eingehender untersucht werden.1191 Im Gegensatz zu Kinder- und Prinzessinnenporträts waren diese aber kein genuin neues Sujet, denn bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war es zu einer 1191

Vgl. Kapitel 6.2.3.2 Naturaufnahmen.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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vermehrten Herstellung bürgerlich anmutender Familienporträts im Kanon der Herrschaftsbilder gekommen. Als wegweisend sind hier die Porträts der englischen Königsfamilie von Landseer und Winterhalter zu nennen.1192 Für die deutschen Monarchien lassen sich zu dieser Zeit noch keine Gemälde dieser Art identifizieren. Da aber zwei der vier hier untersuchten Bundesfürstenfamilien engsten Kontakt zum englischen Königshaus hatten, sind die entstandenen Familienfotografien auch im Sinne dieser familiären Praxis der Großfamilie Victorias und Alberts von Großbritannien zu verstehen.1193 Der ideale Vater Wiederum neu war das Bildmotiv Vater und Kind. Hier zeigen sich die schon erläuterte Bedeutungssteigerung der Kinder und die Betonung der engen Bindung zwischen Vater und Kind. Prinzipiell waren Weichheit und Väterlichkeit – im Gegensatz zu Männlichkeit – Ideale, die im 19. Jahrhundert häufig postuliert wurden. Wilhelm I. wurde viel häufiger als gutmütiger Familienmensch – der etwa am Heiligabend gegenüber seinen Enkeln den Weihnachtsmann mimte – dargestellt denn als Kriegsherr.1194 Dennoch war dieses Image auch zu großen Teilen ein Produkt bürgerlicher Wunschvorstellungen, wohingegen die Fotomotive um 1900 auf eine ausdrückliche Inszenierung der Bundesfürsten zurückgingen. Dabei ließ sich das Motiv in allen hier untersuchten Bundesstaaten finden. Während sich für Sachsen die Vater-Kinder-Bilder noch damit erklären lassen, dass die Mutterfigur nach der Flucht der Kronprinzessin Luise abwesend war, demonstrierten die Bilder Ernst Ludwigs von Hessen und bei Rhein mit seinen drei Kindern oder die Carl Eduards von Sachsen-Coburg und Gotha eine selbstgesuchte Vater-Kind-Bindung. Die Postkarte mit dem Bild Carl Eduards und seiner Tochter Mathilde zeigt auch, dass sich diese nicht auf erstgeborene oder männliche Kinder beschränken musste (Abb. 14). Auch in diesen Bildern wurde die Bedeutungsänderung von Kindern und Kindheit als solches deutlich. Indem der Kontakt zu den Kleinen gesucht wurde, verkörperten die Dargestellten nicht nur die zeittypische Auffassung, wonach Kinder das höchste Gut der Gesellschaft seien, sondern suggerierten zudem,

1192 1193

1194

Um nur einige zu nennen: Edwin Landseer: Windsor Castle in Modern Times (1841–45), Franz Xaver Winterhalter: The Royal Family in 1846 (1846), Ders. The First of May (1851). Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha war der Bruder des englischen Prinzgemahls Albert, seine Nachfahren Alfred und Carl Eduard waren Sohn bzw. Enkelsohn Königin Victorias. Der hessische Großherzog Ludwig IV. hatte die Tochter Victorias, Alice, geheiratet. Nach deren frühem Tod intensivierten sich die Kontakte zwischen Victoria und ihrem Enkelsohn Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein noch, vgl. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 80. Vgl. Giloi: Monarchy, myth, 2011, S. 212. Zur Verbindung von Weichheit und Männlichkeit siehe auch Eva Giloi: Durch die Kornblume gesagt. Reliquien-Geschenke als Indikator für die öffentliche Rolle Wilhelms I., in: Biskup u. a.: Das Erbe, 2008, S. 96–116, hier S. 101 f.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

dass auch nur diesen ein paradiesähnlicher Ort der Ruhe und Geborgenheit zugänglich sei.1195

Abb. 14 Franz Langhammer: S. K. H. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha mit Prinzessin Mathilde, ca. 1910

Atelieraufnahmen Die ersten Fotografien in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden fast ausschließlich im Atelier des Fotografen. Auch um 1900 war dies noch ein typischer Aufnahmeort, sodass ebenfalls einige Bildpostkarten dieser Zeit Atelieraufnahmen zeigen. Die Fachwelt des 19. Jahrhunderts war sich uneins, ob es sich nun bei der Fotografie um eine Kunst- oder Handwerksform handelte.1196 Unabhängig von der

1195 1196

Vgl. Cunningham: Die Geschichte, 2006, S. 111. Vgl. Jäger, Fotografie, 2009, S. 56.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

277

Beantwortung dieser Frage imitierten die frühen Fotografen die klassischen Bildformeln der Gemälde, sodass die bislang nur für das Herrscherporträt vorbehaltenen Elemente wie Säule und Vorhang nun zu gängigen Requisiten des Fotografen wurden und dadurch allen Kunden offenstanden. Da sich somit prinzipiell jeder Untertan mit den Bildaccessoires der Fürsten und Könige schmücken konnte, wird oft auch auf die egalisierende bzw. – sprachlich irreführend – demokratische Funktion der Fotografie hingewiesen.1197 Obschon dies generell den Tatsachen entsprach, waren doch die Preise für eine gute Atelieraufnahme noch immer so hoch, dass sich deren Anfertigung nicht jeder leisten konnte.1198 Walter Benjamin sah in dieser Übernahme der klassischen Bildformeln den Versuch der bürgerlichen Gesellschaft, an ihrem traditionellen Kunstverständnis, welches durch die Erfindung der Fotografie erschüttert worden war, festzuhalten. Durch die technische Reproduzierbarkeit der Fotografie, in der man die Abzüge nicht mehr vom Original unterscheiden konnte, hatte sich Benjamin zufolge ein Verlust der Aura eingestellt, dem durch die möglichst gemäldeähnliche Komposition der Fotos entgegengesteuert werden sollte.1199 Die Frage, ob nicht auch durch das ständig präsente Herrscherbild ein Auraverlust desselben bewirkt wurde, ist dabei naheliegend. Richtig ist, dass die Person des Herrschers an ihrer Aura – von Benjamin als schwer zu erreichende, einmalige Ferne im Gegensatz zur stets verfügbaren, massenhaften Kopie beschrieben1200 – sicherlich verlor. Das Bild, etwa in Form der Postkarte, war aber durchaus in der Lage, diesen Verlust wettzumachen, indem es als Kultbild des Herrschers fungierte. So wurde es in Belgien während des Ersten Weltkrieges zur moralischen Stärkung der Truppen aus Flugzeugen über der Front abgeworfen.1201 Die Deutsche Kaiserin verteilte Fotografien sogar an Kriegsblinde,1202 und auch die Wittelsbacher verschickten zu Weihnachten zahlreiche Bilder des Königs und des Kronprinzen an im Felde stehende Soldaten.1203 Dem Bild des Herrschers wurde demnach eine magische Kraft – einige Zeitgenossen verglichen dessen Huldigung mit einer geradezu religiösen Verehrung1204 – zugeschrieben, die trotz millionenfacher industrieller Herstellung nicht 1197

1198

1199

1200 1201 1202 1203 1204

Vgl. Sandra S. Phillips: Looking out, looking in. Voyeurism and its affinities from the beginning of photography, in: Dies. (Hrsg.): Exposed: voyeurism, surveillance, and the camera since 1870, San Francisco, New Haven 2010, S. 11–18, hier S. 12. 12 Cartes de Visite-Aufnahmen kosteten 1894 in Berlin 3–12 Mark, ein berühmterer Fotograf verlangte 1913 dagegen 50 Mark. Ein Bergarbeiter, dessen Entlohnung schon besser war als die vieler anderer Berufe, verdiente 1913 ca. 80 Pfennig die Stunde. Jäger entnahm die Preise der Aufnahmen der Tagespresse – es handelt sich also um besonders günstige Werbeangebote, vgl. Jäger, Fotografie, 2009, S. 61. Vgl. Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: drei Studien zur Kunstsoziologie, Frankfurt/M. 2010 [1936], S. 13; Jäger, Fotografie, 2009, S. 25 f. Vgl. Benjamin: Das Kunstwerk, 2010 [1936], S. 15. Vgl. Schwarzenbach: Royal Photographs, 2004, S. 267. Vgl. Pohl: Der Kaiser, 1991, S. 14. Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 229. So die byzantinische Hof- und Kriegsberichterstattung, vgl. Pohl: Der Kaiser, 1991, S. 14.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

zerstört werden konnte. Auch Walter Benjamin räumte ein, dass gerade von frühen Porträtfotografien trotz allem oder gerade weil sie die Gemäldepraxis nachahmten eine auratische Wirkung ausging: „Im flüchtigen Ausdruck eines Menschengesichts winkt aus den frühen Photographien die Aura zum letzten Mal. Das ist es, was deren schwermutvolle und mit nichts zu vergleichende Schönheit ausmacht.“1205 Betrachtet man nun die Bildpostkarten der hier untersuchten vier Bundesfürstentümer um 1900, so fällt auf, dass es die meisten Atelieraufnahmen im Königreich Sachsen gab. In den anderen drei Ländern wurden diese hingegen immer seltener. Hier bildeten um die Jahrhundertwende Interieur- und Naturaufnahmen die Mehrheit. Natürlich hatte es in den Anfangsjahren der Fotografie auch in diesen Ländern Atelieraufnahmen gegeben, im später einsetzenden Zeitalter der Postkarte war man aber zu innovativeren Darstellungsformen übergegangen.

Abb. 15 Hahn Nachfolger: Die sächsischen Prinzen Georg, Friedrich Christian und Ernst Heinrich, 1906 1205

Benjamin: Das Kunstwerk, 2010 [1936], S. 21.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

279

Wie bereits festgestellt wurde, gab es auffallend viele Postkarten mit Kinderfotografien von Prinzen und Prinzessinnen. Dies traf auch für die sächsischen Atelieraufnahmen der Kinder Friedrich Augusts III. zu, welche dabei vor einem neutralen oder einem Landschaftshintergrund postiert und abgelichtet wurden. Zuweilen gab es auch typische Ateliermöbel sowie meist einen Teppich als Untergrund. Die Jungen trugen im Kindesalter Matrosen-, später Straßenanzüge, im fortgeschrittenen Jugendalter Uniform (Abb. 15). Die sächsischen Prinzessinnen dagegen wurden grundsätzlich in weißen Kleidern und den beinahe als Markenzeichen fungierenden weißen Schleifen im Haar abgebildet. In den Händen hielten sie dabei häufig Blumen oder Puppen (Abb. 16, 17).

Abb. 16 (links) Hahn Nachfolger: Prinzessinnen Margarethe und Alix, 1906 Abb. 17 (rechts) James Aurig: Unser jüngstes Prinzess’chen Anna, 1909

Die egalisierende Funktion der Fotografie zeigte sich bei diesen Atelieraufnahmen am eindrücklichsten. Das Foto an sich gab – bis auf die Qualität der Kleidung – keinen Hinweis auf die Stellung der Abgebildeten, dies konnte lediglich die Bildunterschrift erfüllen. Die Bewertung dieser Fotografien ist daher auch differenziert vorzunehmen. Einerseits vermittelten die Fotos den Eindruck eines unprätentiösen, volksnahen Königshauses, welches Fotografien von sich veröffentlichen ließ, die jeder Bürger von sich anfertigen lassen konnte. Eine Identifikation der Untertanen mit ihrem Landesherrn wurde somit wesentlich vereinfacht. Andererseits waren diese Bildformen weniger innovativ als Fotografien anderer Bundesfürsten

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

um 1900, etwa die der hessischen Großherzogsfamilie. Verglichen mit diesen können die Bilder, die den König im Kreise seiner Kinder zeigen, ihren künstlich erzeugten Charakter nicht verbergen und wirken eher steif (Abb. 18). So ist es gleichfalls symptomatisch, dass es im Falle Friedrich Augusts III. keine Bilder gibt, die ihn in einer engen Vater-Kind-Beziehung zeigen.

Abb. 18 James Aurig: König Friedrich August v. Sachsen im Kreise seiner Kinder, um 1914

Dass man am sächsischen Hof zwar zahlreiche Fotografien veröffentlichte, dabei aber augenscheinlich keinem näher zu bestimmenden Konzept folgte, lässt sich besonders gut an einem Bild der jüngsten Tochter Monika Pia erkennen. Diese wird in einem kleinen Strandkorb sitzend, eine Muschel haltend dargestellt (Abb. 19). Im Vordergrund ist ein kleines Segelboot zu sehen, während der gemalte Hintergrund eine Meereslandschaft zeigt. Die Verbindung einer sächsischen Königstochter mit einer Strandlandschaft erscheint absolut willkürlich und verweist darauf, dass man die Bildgestaltung entweder dem Fotografen überließ oder aktuellen Moden folgte, keinesfalls aber eine subtilere Botschaft mit dem Bild verbinden wollte. Ein zweites Bild der Reihe zeigt die Mutter Monika Pias, Luise von Toskana, in einem weiteren, größeren Strandkorb neben ihr sitzend. Dies belegt, dass das Foto um 1905 entstanden sein muss und vermutlich Luise die Initiatorin des Bildes war. Zu dieser Zeit lebte Monika noch bei ihrer vom Königshof geflohenen Mutter. Erst 1905 wurde vertraglich geregelt, dass Luise die Tochter nach Dresden abzugeben hatte; nach Aufenthalten bei mehreren Pflegeeltern holte sie

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Friedrich August III. erst im April 1908 zu sich.1206 Trotz der unüberlegten Konzeption dieses Bildes dürfte es in Sachsen erfolgreich gewesen sein. Dies hatte nicht nur damit zu tun, dass diese Postkarten die abwesende Prinzessin zumindest etwas näher bringen konnten, sondern auch mit dem Skandalpotential, das sich mit dem kleinen Mädchen verband. So war Luise nach einer Affäre mit dem Lehrer ihrer Kinder, André Giron, 1902 schwanger aus Dresden geflohen. Obschon Friedrich August die Tochter anerkannte, war dessen Vaterschaft zumindest fraglich.1207 Da im Gegensatz zu ihren Geschwistern von Monika Pia auffallend viele Postkarten mit Baby- und Kleinkindmotiven existieren, ist es naheliegend, dass ein Kaufmotiv für die Karten war, die äußerlichen Ähnlichkeiten zwischen Vater und Tochter hiermit selbst überprüfen zu können.

Abb. 19 Prinzessin [Anna] Monica [Pia] von Sachsen, ca. 1905

1206 1207

Vgl. Fellmann: Sachsens Könige, 2000, S. 199. Vgl. Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013, S. 252.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Interieuraufnahmen Interieuraufnahmen unterscheiden sich von Atelieraufnahmen darin, dass diese erkennbar nicht in einem Fotoatelier aufgenommen wurden. Im Falle der hier untersuchten Bildpostkarten ist anhand von kostbaren Sofas, Stühlen, stuckierten Wänden oder Gemälden meist offenkundig, dass es sich um ein Schloss handelte, in dem die Aufnahmen gemacht wurden (Abb. 18). Da es sich die wenigsten Bürger leisten konnten, einen professionellen Fotografen ins eigene Wohnhaus kommen zu lassen, distinguierten Interieuraufnahmen die Dargestellten viel mehr als gewöhnliche Fotos aus einem Atelier. Das außergewöhnliche Setting des Hintergrundes ließ keinen Zweifel daran, dass es sich bei den Abgelichteten um Personen in gehobener Stellung handelte. Zugleich boten sich außerhalb des Ateliers neue Möglichkeiten der Bildgestaltung, indem nun Einrichtungsgegenstände oder Gemälde der Vorfahren mit einbezogen werden konnten, die in einem Atelier nur deplatziert gewirkt hätten. Indem der Abgebildete in seiner heimischen Situation – und eben nicht nur en face, als Brust-, Kniestück oder im Ganzporträt – dargestellt wurde, erhöhte sich der narrative Gehalt der Bilder um ein Vielfaches. So sah man etwa die Kinder beim Spielen, die Familie zu Tisch oder die Königin lesend an einem möglichen Lieblingsplatz am Fenster. Wenn die Mutter oder das Geschwisterkind an der Wiege des neugeborenen Babys gezeigt wurde, oder man, wie die großherzogliche Familie von Hessen, gemütlich in Sesseln saß, handarbeitete oder ein Bilderbuch ansah und den Fotografen gar nicht zu bemerken schien, erzeugten diese Bilder Idealtypen von Häuslichkeit und familiärem Leben (Abb. 20). Zeitgleich wurde dem Betrachter suggeriert, Einblicke in die sonst unzugängliche Welt der Monarchen zu erlangen und ihm darüber hinaus ermöglicht, Vergleiche zu seiner eigenen Lebenssituation zu ziehen. Dabei konnte eine prunkvolle Raumgestaltung Sehnsüchte nach einem ebensolchen besseren Leben auslösen, während eine bescheidenere Einrichtung wiederum die Distinguiertheit der Herrscherfamilie senkte und damit den Eindruck der Volksverbundenheit stärken konnte. Fotos dieser beiden unterschiedlichen Typen gab es von fast allen hier untersuchten Familien.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

Abb. 20 Susanne Homann: Eleonore, Großherzogin von Hessen mit ihren Söhnen, ca. 1914

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Naturaufnahmen Unter Naturaufnahmen werden im Folgenden nicht per se alle Außenaufnahmen verstanden – die es natürlich von den meisten der hier untersuchten Personen gab –, sondern nur Aufnahmen, die auf ein beabsichtigtes Fotografieren durch professionelle Fotografen in der Natur zurückzuführen sind. Bildmotive dieser Art gab es besonders häufig in Hessen, gefolgt von Sachsen-Coburg und Gotha, in geringerer Menge in Bayern und nahezu überhaupt nicht in Sachsen. Im Vergleich zu den anderen hier besprochenen Aufnahmen waren diese am aufwändigsten, da sie gute Witterung und Lichtverhältnisse voraussetzten und damit – abgesehen von den Besitzern einer eigenen Kamera – abermals die finanziellen Möglichkeiten der meisten Untertanen überstiegen. Naturaufnahmen waren in Fragen der Motivwahl die innovativsten der hier untersuchten Bildpostkarten. Dies zeigt besonders eindrücklich eine Postkartenserie der großherzoglichen Familie von Hessen, von der sechs verschiedene Motive ausfindig gemacht werden konnten (Abb. 21–26). Die Serie entstand 1909 im Park des Schlosses Wolfsgarten, welches bei einer Aufnahme im Hintergrund auszumachen ist. Vier der sechs Fotografien zeigen alle Familienmitglieder, d. h. das Großherzogspaar mit seinen Söhnen Georg Donatus und Ludwig; eine Aufnahme zeigt den Großherzog mit den Kindern, eine weitere Erbgroßherzog Georg allein. Von den gemeinsamen Aufnahmen zeigen zwei das Großherzogspaar stehend mit den Kindern auf den Armen, während die übrigen beiden die Familie in der Wiese sitzend abbilden. Die Blicke der Personen richten sich kaum auf den Fotografen, vielmehr wird der Eindruck vermittelt, dass die Familie dessen Anwesenheit nicht wahrnimmt und fast völlig auf sich konzentriert ist. Dadurch erhalten diese Abbildungen einen Schnappschusscharakter, der suggeriert, eine zufällige Szene des herzoglichen Familienlebens verfolgen zu können, die sich vermeintlich täglich so abspielen könnte. Allein die Tatsache, dass die Serie aus mindestens sechs Motiven bestand, zeigt aber deutlich, dass die Aufnahme der Fotos sorgfältig vorbereitet wurde und die Komposition der einzelnen Motive durchdacht war. Da man sich bei der Auswahl der zu reproduzierenden Bilder bewusst diese Aufnahmen herausgesucht haben dürfte, können diese auch als Darstellungen gelten, welche die großherzogliche Familie gern von sich sah. Spätere Bilderserien der Familie entsprechen hinsichtlich der Gestaltung der Fotografien dieser frühen Reihe.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Abb. 21–26 Susanne Homann: Motivserie Grossherzoglich Hessische Familie, 1909

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Alle aufgenommenen Bilder zeigen ein überaus harmonisches Miteinander der Familienmitglieder, in dem die gegenseitige Zuneigung wichtiger scheint als die Zurschaustellung höfischer Pracht oder der gesicherten dynastischen Erbfolge. Stets besteht ein enger körperlicher Kontakt zwischen Eltern und Kindern; man gibt sich sehr entspannt – scheinbar ohne auf Konventionen achtend. So kniet die Großherzogin in der Wiese, während der Großherzog im Schneidersitz neben ihr sitzt. Damit begeben sich beide auf Augenhöhe mit ihren Kindern, wodurch der Eindruck familiärer Einheit verstärkt wird. In der einem Repräsentativbild (Abb. 24) am ehesten gleichenden Aufnahme scherzt die Mutter augenscheinlich mit ihrem Sohn, wodurch beide lächeln. Die Einzelaufnahme des kleinen Thronfolgers (Abb. 23) zeigt diesen versonnen einen Gegenstand, womöglich eine Blüte, betrachten. Die Darstellung der kindlichen Tagträumerei eines Thronfolgers ist – trotz aller Idealisierung der Kindheit – durchaus außergewöhnlich für diese Zeit. Der Erbgroßherzog ist im Gegensatz zu den Kindern anderer Bundesfürsten weder im zeittypischen Matrosenanzug dargestellt (Sachsen, Prinz Heinrich, Abb. 15), noch auf einem Pony reitend (Sachsen-Coburg und Gotha, Abb. 27) oder als jagdbegeisterter Thronerbe (Bayern, Abb. 28). Während alle diese Darstellungen eine subtile (politische) Botschaft – Marinebegeisterung, adliges Standesbewusstsein, bayerisches Traditionsbewusstsein – verkörpern, ist das hessische Kinderbild von diesen Zuschreibungen völlig frei. Dass der Blick des Betrachters nicht gesucht wird, soll den Eindruck noch verstärken, das Kind in einem alterstypischen Moment – das aufmerksame, erkundende Betrachten eines Gegenstandes – zu sehen. Auf diese Weise wird Georg Donatus zum stilisierten Sympathieträger für das hessische Herrscherhaus, das sich dadurch als besonders unpolitisch darstellt. Das unschuldige, unpolitische Kind als Kind soll Untertanen aller politischen Strömungen und Klassen die Identifikation mit der landesherrlichen Familie ermöglichen und vermittelt damit letztlich doch noch eine politische Botschaft. Das Porträt Georg Donatus’ zeigt daher auch, dass in einem strengen Sinne Fotos nie gänzlich frei sind von Propaganda, da ihnen der Zweck des Beeinflussens und Überzeugens immer zu Grunde liegt.1208

1208

Vgl. Jäger, Fotografie, 2009, S. 56.

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Abb. 27 Verlag A. Grimm: Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha mit dem Erbprinzen Johann Leopold und Prinzessin Sybille, 1910

Dass die Aufnahmen in einem Park, d. h. in der Natur gemacht wurden, war eine elementare Voraussetzung ihrer Gestaltung. Nur durch Außenaufnahmen entstand in diesem Fall ein harmonisches Ganzes. Im Freien konnte man sich ungezwungener geben – ein am Boden sitzendes Großherzogspaar inmitten eines Audienzsaales wäre lächerlich erschienen. Dennoch wirken diese Szenen auf den Betrachter mehr authentisch denn gestellt: So wurde nicht einmal eine Decke zum Schutz der Kleider untergelegt. Die beabsichtigte Wirkung der Bilder, sich als sich liebende, „dem Erdboden“ verbundene Kleinfamilie darzustellen, kann beim Betrachter nicht ausbleiben. Vergleicht man diese Aufnahmen mit den etwa zeitgleich aufgenommenen der sächsischen Königsfamilie, in welchen alle Kinder steif nebeneinander am Tisch sitzen und den Fotografen fragend anblicken (Abb. 18), tritt die moderne Gestaltung der hessischen Bilder besonders deutlich zu Tage. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ging der Impetus zu diesen Bildern auf den die avantgardistische Kunst liebenden Ernst Ludwig selbst zurück.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

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Abb. 28 Atelier Rottmayer-Fernando, S. K. H. Prinz Luitpold von Bayern, 1910

Wie bereits erwähnt, gab es auch aus Sachsen-Coburg und Gotha und Bayern Naturaufnahmen. Diese zeigen etwa die coburg-gothaischen Kinder auf Pferden im Schlosspark oder beim Skilaufen und Schlittenfahrten im Thüringer Wald (Abb. 29). Der bayerische Prinz Luitpold (1901–1914) wiederum wurde in traditioneller Tracht bei der Jagd abgelichtet (Abb. 28). Diese Bildtypen entsprachen trotz ihrer Aufnahme durch Berufsfotografen den Fotografiergewohnheiten der

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6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

„knipsenden“ Untertanen.1209 So entstanden die meisten Fotos naturgemäß in Urlaub (40 %) und Freizeit (14 %). Nur 4 % aller privaten Fotografien zeigten Menschen bei der Arbeit. Eine weitere große Gruppe bildeten die Fotografien zu wichtigen Lebensereignissen wie Hochzeit und Militärzeit.1210 Dieser Befund traf auch auf die Bundesfürsten zu: Fotografien, die diese bei der Arbeit am Schreibtisch zeigten – ein durchaus gängiges Sujet bei Gemälden –, gab es kaum. Auch diese Parallelität zwischen der „privaten Praxis“ der Amateurfotografen1211 und den offiziellen Bildpostkarten der Bundesfürsten sprach für das Identifikationsmedium Fotografie.

Abb. 29 O. Streich: Wintersport in Oberhof. – Prinz Dietmar, Erbprinz Johann Leopold, Prinzessin Sibylla von Sachsen-Coburg-Gotha, ca. 1914

1209 1210 1211

Starl: Knipser, 1995. Diese Zahlen ergab eine von Starl vorgenommene Auswertung von über 70.000 Bildern privater Fotoalben von 1885 bis 1989, ebd., S. 144. Jäger, Fotografie, 2009, S. 184.

6.2 ZUR INSZENIERUNG IM BILD

6.2.4

291

Die Bundesfürsten im Kino

Auch die Präsenz der Bundesfürsten im frühen Kino ist bemerkenswert. Dominik Petzold hat den sich besonders im Kino um Kaiser Wilhelm II. entfaltenden Starkult untersucht und dabei festgestellt, dass auch die anderen Bundesfürsten häufig in den Wochenschauen und Kurzfilmen abgebildet wurden. Ludwig III. von Bayern war dabei 64 Mal auf der Leinwand zu sehen, Friedrich August III. von Sachsen 39 Mal, Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin 28 Mal und Kronprinz Wilhelm 74 Mal.1212 Dem gegenüber stand der Kaiser, der in 320 von 9800 statistisch erfassten Filmen auftrat.1213 Auffallend ist, dass dagegen kein führender Politiker im frühen Kino auftrat. Petzold zufolge lag dies besonders an der Funktionsweise der ersten Lichtbildstreifen, die ohne Ton auskommen mussten und angesichts ihrer kurzen Dauer einen Schauwert bieten mussten, den die bekannten und in ihren Uniformen aufwändig gekleideten Monarchen weitaus besser erfüllten als andere Staatsmänner. Durch diese Darstellungsart konnten diskursive Inhalte nur schwer vermittelt werden. Zudem wurden die Kurzfilme häufig in Varietés neben anderen Filmen von bemerkenswerten Erscheinungen wie tanzenden Bären oder Akrobaten gezeigt,1214 sodass der Begriff Kino der Attraktionen die frühen Jahre der Lichtspielkunst besonders treffend beschreibt.1215 Die Fürsten erfüllten diese Anforderungen problemlos: Ihre Auftritte waren stets umgeben von Glanz und Pomp und hatten den Charakter eines Volksfestes.1216 Bedingt durch diese Gestaltungselemente waren diese Bilder auch im Stummfilm visuell leicht verständlich. Gerade weil die Monarchen nicht immer explizit politisch auftraten, entsprachen sie den Bedürfnissen der Massenkultur nach Unterhaltung. Insgesamt brachte die Präsenz der Fürsten in den Kinos ihnen einen großen Sichtbarkeitsvorteil, der sich auch positiv auf ihre Popularität auswirkte. Hatte es 1910 in 29 Städten über 1000 Kinos gegeben, gab es 1913 schon 2371 Lichtspielhäuser. Der Film entwickelte sich somit zu einem Massenmedium von beträchtlicher Reichweite, das alle sozialen Schichten gleichermaßen erreichte.1217 Besonders die den Zuschauern durch die bewegten Bilder suggerierte Augenzeugenschaft trug zur stetig steigenden Beliebtheit des Mediums bei. Dabei war diese visuelle Teilhabe natürlich der Gestaltungsabsicht der Filmenden unterworfen, wie ein Film zur Einweihung des Völkerschlachtdenkmals besonders eindrücklich zeigt. Das Denkmal, welches die Nation in den Vordergrund stellt, war von einem Leipziger Verein 1212 1213 1214 1215

1216 1217

Vgl. Petzold: Der Kaiser, 2012, S. 76. Vgl. ebd., S. 42. Dabei wurde die Zeit von 1895 bis 1918 erfasst. In den Wochenschauen von 1912 bis 1914 war der Kaiser in über 75 % der Ausgaben zu sehen, S. 97. Vgl. ebd., S. 157. Vgl. Tom Gunning: The Cinema of Attractions. Early Films, Its Spectator and the AvantGarde, in: Thomas Elsaesser/Adam Barker (Hrsg.): Early cinema. Space, frame, narrative, London 1990, S. 63–70. Vgl. Petzold: Der Kaiser, 2012, S. 77. Vgl. ebd., S. 102 f.

292

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

gestiftet worden und erregte durch das Ausklammern fürstlicher Leistungen in den Befreiungskriegen das Missfallen Wilhelms II., sodass er sich weigerte, bei der Eröffnung eine Rede zu halten. Der bei der Einweihung gedrehte Film dagegen stellte den Kaiser, neben dem König von Sachsen, in den Vordergrund der Darstellung und zeigte das Denkmal kein einziges Mal in der Totalen.1218 Im Gegensatz zur Intention der Veranstalter machte der Film aus der Einweihung eine monarchische Huldigungsveranstaltung – eine Deutung, die nun im gesamten Reich verbreitet wurde. Durch die sich nur äußert beschränkt bietenden Möglichkeiten von Monarchiekritik im Kino1219 eignete sich der frühe Film besonders als Medium monarchischer Öffentlichkeitsarbeit, weshalb auch die meisten Bundesfürsten der neuen Technik gegenüber aufgeschlossen waren.1220 Insbesondere aber Wilhelm II. förderte das Kino nicht nur finanziell, sondern entwickelte eine besonders große Affinität und Sensibilität für die Filmtechnik. Der Kaiser wollte im Kino zu sehen sein und inszenierte sich direkt vor den Filmenden. Dies ging sogar so weit, dass er in die Kamera grüßte und damit das abwesende Publikum vor der Leinwand direkt in seinen Auftritt mit einbezog.1221

6.3

Werbung mit monarchischem Porträt und Namen

Um 1900 nahm die Präsenz des monarchischen Bildes und Namens auch durch die Nutzung für Werbung und bestimmte Waren zu. In den Akten des Ministeriums des Königlichen Hauses zu Dresden findet sich eine Übersicht, die genau verzeichnet, welche Vereine, Straßen etc. und Produkte im Königreich den Namen Friedrich Augusts III. trugen.1222 Die Tabelle deckt dabei nur den Zeitraum von 1886 bis zum Regierungsantritt des Königs 1904 ab, d. h. die Prinzen- und Kronprinzenjahre Friedrich Augusts. Dieses Verzeichnis belegt die übliche Praxis, dass für die Verwendung des Namens oder des Bildes eines Mitglieds des königlichen Hauses stets die Erlaubnis des Ministeriums des Königlichen Hauses eingeholt werden musste und dieses dann, zumindest in Sachsen, darüber Protokoll führte.1223 Die Übersicht zählt u. a. elf Militärvereine mit dem Namen Friedrich

1218 1219

1220 1221 1222 1223

Vgl. ebd., S. 110–125. Ein Beispiel für implizite Kritik am Kaiser war ein Film über den Besuch eines Tierparks. Hier war in der ersten Einstellung der Kaiser zu sehen, kurz wurde ein Pavian eingeblendet, um dann im nächsten Schnitt wieder den Kaiser zu zeigen. Dieser wurde also mit dem Affen gleichgesetzt, vgl. ebd., S. 141 f. Vgl. ebd., S. 215. Vgl. ebd., S. 272. Vgl. SächsHStA, Bestand 10711 MKH, Loc. 40 Nr. 32, fol. 35v–37r. Leider konnten, mit Ausnahme der Söhne Kronprinz Georg und Prinz Friedrich Christian (bis 1903), keine Listen für andere Mitglieder des Königshauses oder die Regierungsjahre

6.3 WERBUNG MIT MONARCHISCHEM PORTRÄT UND NAMEN

293

Augusts, vier Militärvereine, die den Namenszug des Prinzen in der Fahne trugen, sieben Straßen, vier Restaurants bzw. Hotels, drei Bäder, zwei Aussichtstürme und einen Dampfer der Sächsisch-Böhmischen Dampfschifffahrtsgesellschaft auf. Aber auch der Bergsteigerklub in Bad Schandau hatte einen Felsen und der Verschönerungsverein Bühlau eine „Ruhebank im Walde“ nach dem Prinzen benannt. Sind diese Beispiele noch unter die Kategorie der Ehrenbezeugung gegenüber dem Königshaus zu zählen, zeigt die Übersicht auch auf, wie die Monarchie Ende des 19. Jahrhunderts als Werbeträger für verschiedenste Produkte entdeckt wurde. So gab es Friedrich-August-Sekt, -Zigaretten und -Zigarren sowie -Parfüm. Ebenfalls wurde schon mit den Kindern des Prinzen geworben, deren Bilder auf dem Parfüm Glücksblatt-Veilchen und einer Prinzen-Schokolade aus Dresden prangten. Dabei war dies kein sächsisches Phänomen, denn auch Kaiser Wilhelm II. war ein beliebtes Werbebild. So warb etwa eine Leipziger Firma 1905 in der Zeitschrift Über Land und Meer für einen Schinken mit der Fotografie des Kaisers. Aber auch auf Tellern, Tassen und Bonbonverpackungen wurde das Porträt Wilhelms II. zur Steigerung des Absatzes gedruckt.1224 Dabei war diese kommerzielle Nutzung nicht neu. Bereits 1870 hatte ein Leipziger Verlag ein Skatspiel zur Reichseinigung herausgegeben, welches die Könige von Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg sowie einige Kronprinzen und Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha zeigte.1225 Dieser Befund belegt abermals, dass bereits von außen zahlreiche Wünsche an das Königshaus herangetragen wurden,1226 den Namen oder das Bild eines Mitgliedes zu verwenden und daher prinzipiell eine größere Eigeninitiative seitens der Monarchen gar nicht mehr notwendig war. Zudem wird aber auch deutlich, wie das Monarchenbild zunehmend zu einem Image der Konsumindustrie wurde, von dem sich die Verkäufer einen größeren Verkaufserfolg versprachen, weil die Popularität der Monarchen sich auch auf die beworbene Ware auswirken sollte. Mit der Werbung durch den Prinzen, sei es durch Bild oder Unterschrift, wurde die Exklusivität des beworbenen Produktes hervorgehoben – die natürlich gar nicht vorhanden sein musste. Der durch die Verbindung von Konsum und Monarchie begründeten Banalisierung des Herrscherbildes wirkten die Monarchen zumindest dadurch entgegen, dass sie Fotografien eine neue Aura verliehen, indem sie diese wie Orden verliehen und als Ehrbezeugung verteilten.1227

1224 1225 1226 1227

Friedrich Augusts gefunden werden. Dabei ist davon auszugehen, dass diese vernichtet wurden, da Friedrich August nicht der einzige Werbeträger der Monarchie war. Vgl. Pohl: Der Kaiser, 1991, S. 14. Vgl. John: König Johann, 2001, S. 475 f. Vgl. Kapitel 6.2.2.6 Verbreitung öffentlicher Bildnisse durch die Höfe. Besonders Kaiser Wilhelm II. hatte diesbezüglich ein spezielles System entwickelt. Dabei gab es neben der Größe des Fotos – je größer das Bild, umso wichtiger der Beschenkte – noch verschiedene andere Wertstufen. An erster Stelle standen kolorierte Fotos mit eigenhändiger Unterschrift, an zweiter Stelle Schwarz-Weiß-Fotografien mit eigenhändiger Unterschrift und an letzter Stelle Fotografien mit faksimilierter Unterschrift, vgl. Pohl: Der Kaiser, 1991, S. 14.

294

6.4

6. ZUR INSZENIERUNG DER BUNDESFÜRSTEN IN WORT UND BILD

Zwischenfazit

Die (Selbst-)Darstellung der Bundesfürsten hatte im 19. Jahrhundert vielfältige Formen angenommen. So wurden die im Bereich der Textebene bislang üblichen Memoria-Schriften, die nach dem Tod eines Herrschers verbreitet wurden, um eine Vielzahl von Publikationen erweitert, die den Monarchen und seine Familienangehörigen nun bereits häufig zu Lebzeiten in ein positives Licht rücken sollten. Dabei konnten diese Schriften weiterhin von dem Hofe nahestehenden Personen verfasst worden sein, aber auch aus der Feder der Herrscher selbst kommen, wenn etwa Briefe oder Memoiren veröffentlicht wurden. Die stark angestiegene Zahl dieser Publikationen verweist demnach auf das vorhandene Bewusstsein der Bundesfürsten, dass es nicht ausreichend war, ein Leben im Dienst des Staates zu führen, sondern dass es auch einer angemessenen Vermittlung desselben bedurfte, um die Anerkennung der Untertanen zu erlangen. Die Inszenierung im Herrscherporträt war dagegen ein jahrhundertelang erprobtes Mittel monarchischer Selbstdarstellung, welches auch die Bundesfürsten nutzten. Im 19. Jahrhundert kamen dabei zu den etablierten Motiven neue Sujets wie Schreibtischbilder oder Familiendarstellungen hinzu. Aufgrund der künstlerischen Ausbildung, die viele Bundesfürsten genossen hatten, griffen sie zuweilen durch Vorschläge direkt oder zumindest durch die Wahl des Künstlers indirekt in den Gestaltungsprozess des Bildes ein, sodass von einer bewussten Inszenierung im Bild ausgegangen werden kann. Durch die Öffnung der Schlösser, die Zunahme an Gemäldekopien sowie die Verbreitung der Bilder durch verbesserte mechanische Reproduktionstechniken erreichten die Porträts so viele Untertanen wie nie zuvor. Die Verbreitung des Herrscherbildes wurde dabei einerseits vom bundesfürstlichen Hof, andererseits aber von privaten Verlegern betrieben. Da für Letztere der Vertrieb und Verkauf des Bildes ein Weg zu wirtschaftlichem Erfolg war, erreichte das Abbild des Monarchen bald einen omnipräsenten Status. Durch das Aufkommen der Fotografie begann ab 1850 ein langsames Aufbrechen herrschaftlicher Bildtraditionen, sodass sich das Motivspektrum um 1900 beträchtlich geweitet hatte. So gab es nun nicht mehr nur Darstellungen im Sinne des portrait d’apparat, sondern der Herrscher und seine Familie traten als wiedererkennbare Individuen in unterschiedlichsten Konstellationen auf, wodurch sie langsam, aber stetig zu Figuren der Populärkultur wurden. Dies wird besonders an den um die Jahrhundertwende überaus beliebten Postkarten deutlich. Vor allem die fotografischen, lebensnaheren Darstellungen sicherten der Monarchenpostkarte ihren Verkaufserfolg. Der Käufer hatte eine große Auswahl an Bildern, sodass er sich die Postkarte aussuchen konnte, die seinem Geschmack am meisten entsprach. Den dadurch eintretenden Auraverlust des als Stellvertreter dienenden Herrscherbildes versuchten die Monarchen durch eine Aufwertung der Fotografien als Ehrengabe entgegenzuwirken. Die bloße Menge an Karten, die es mit Abbildungen der deutschen Bundesfürsten gab, belegt zudem deren Funktion als Bekenntnismedium zugunsten

6.4 ZWISCHENFAZIT

295

der regionalen Herrscher. Dabei wurde dieses Potential von den Bundesfürsten unterschiedlich genutzt. Der großherzogliche Hof in Darmstadt agierte am geschicktesten, wenn es darum ging, sympathiestiftende Bilder einer scheinbar zwanglos agierenden Familie zu vertreiben. Der sächsische Hof hingegen griff in den Gestaltungsprozess kaum leitend ein und verließ sich mehr auf den Gestaltungswillen des jeweiligen Hoffotografen, sodass bürgerlich anmutende Herrschaftsbilder dominierten, die den fotografischen Porträts der Bevölkerung sehr ähnelten. Die Höfe in München, Coburg und Gotha sind zwischen diesen beiden Polen einzuordnen. In allen vier Fällen waren die Postkarten aber in der Lage, eine ständige, den Alltag durchdringende Sichtbarkeit des Monarchen und seiner Familie zu gewährleisten. Dadurch war die Postkarte, indem die Fürsten und ihre Familien stets vorbildhaft, sympathisch, gut, schön und in immerwährender Aktualität auf ihr erschienen, auch ein ideales Mittel seitens der Fürsten zur Steigerung ihrer Legitimität und Popularität. Zur gesteigerten Sichtbarkeit der Bundesfürsten trugen auch die Auftritte der Bundesfürsten im frühen Kino und als Werbefigur für öffentliche Plätze und Konsumartikel bei. Bei beiden stand nicht die politische Bedeutung der Herrscher im Vordergrund, sondern vielmehr ihr Attraktionspotential. Einerseits waren diese Beginne des frühen Starkults durchaus förderlich für die Beliebtheit der Bundesfürsten, andererseits stellte die dadurch entstehende Beliebigkeit des Herrscherbildes auch ein Problem dar, dem begegnet werden musste. Viele Bundesfürsten versuchten daher, dem Herrscherbild eine neue Aura zu verleihen, indem sie es zu besonderen Anlässen wir Orden verliehen.

7.

Darstellungen in Familienblättern und Illustrierten

Im Folgenden soll untersucht werden, welches Bild von Monarchen in illustrierten Zeitungen und Familienblättern gezeichnet wurde. Diese Medien sind für die Erforschung der Herrschersichtbarkeit im 19. Jahrhundert deshalb besonders interessant, weil sie sich erst durch die Entwicklungen im Druckbereich Mitte des 19. Jahrhunderts fest etablieren konnten und daher ein neues Medium mit Massenwirkung im Bereich der Bildverbreitung darstellten. Durch den neuen, beständig zunehmenden Einsatz von Bildern im Pressebereich änderten sich nicht nur die Themen der Berichterstattung, auch wurden durch die Illustrationen weniger gebildete Schichten angesprochen, sich mit den Inhalten vertraut zu machen. Die Illustrirte Zeitung bezeichnete etwa die Illustration als „Hebel der Volksbildung“ und warb damit für die eigene Vermarktungsstrategie.1228 Für die Monarchen boten diese neuen Printmedien eine Plattform, die ihre visuelle Sichtbarkeit in zahlenmäßiger, aber auch in schichtenübergreifender Verbreitung drastisch erhöhte. Wenngleich die Initiative dafür in den seltensten Fällen von den Herrschern selbst, sondern fast immer von der jeweiligen Redaktion ausging, prägten diese Berichterstattungen – wenn sie kontinuierlich erfolgten – das Image, das mit dem Herrscher verknüpfte wurde mehr als andere visuelle oder printmediale Erzeugnisse.

7.1

Untersuchte Zeitschriften und Familienblätter

7.1.1

Illustrirte Zeitung (Leipzig)

Die von Johann Jacob Weber seit 1843 in Leipzig herausgegebene Illustrirte Zeitung (IZ) markierte den eigentlichen Beginn des Zeitschriftenwesens in Deutschland. Zwar hatte der Herausgeber schon zuvor mit dem Pfennig-Magazin Erfahrungen im Bereich der illustrierten Presse gewonnen, allerdings übertraf das Bildangebot der IZ das des Pfennig-Magazins bei Weitem. Formal gesehen ähnelte der Aufbau der IZ mit Format und dreispaltigem Satz dem einer Zeitung.1229

1228 1229

Illustrirte Zeitung, Nr. 1305, 04.07.1868, S. 3 f. Vgl. Hartwig Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften in Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. Zur Geschichte einer wenig erforschten Pressegattung, in: Buchhandelsgeschichte. Aufsätze, Rezensionen und Berichte zur Geschichte des Buchwesens (1983) 2, S. 41–65, hier S. 42.

298

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Dem Vorbild der Illustrated London News (ILN) folgend, war es das in der ersten Ausgabe formulierte Ziel der IZ, durch die Verwendung des Holzschnittes in der Druckpresse „die Tagesgeschichte selbst mit bildlichen Erläuterungen zu begleiten und durch eine Verschmelzung von Bild und Wort eine Anschaulichkeit der Gegenwart hervorzurufen“. Dabei fällt auf, dass bereits hier einige Vorteile der Bildgegenüber der rein verbalen Kommunikation thematisiert wurden. Durch die gleichzeitige Verwendung beider Medien wollte die IZ „das Verständnis erleichtern und die Rückerinnerung an vieles reicher und angenehmer machen“.1230 Belehrung und Unterhaltung waren der Programmatik zufolge die Hauptziele der Zeitung, die über alles von allgemeinem Interesse berichten wollte. Die Illustrationen sollten dabei immer für ein besseres Verständnis bei einem größeren Publikum sorgen. Daher wurde in der IZ auch Bild- und Kartenmaterial abgedruckt, welches bisher nur wenigen zugänglich gewesen war, das Verständnis aktueller Nachrichten aber erleichterte. In Bezug auf die hier untersuchten Darstellungen von Personen war die Redaktion sogar der für die Zeitgenossen typischen Überzeugung, dass die bildliche Vergegenwärtigung einer Sache einen größeren Wahrheitsgehalt suggeriere als das alleinige Lesen.1231 So hieß es in der ersten Ausgabe: „Eine nicht geringere Ausbeute versprechen aber die Portraits der auf der Schaubühne der Welt mithandelnden Personen, von deren Stirnen oft die wahre Herzensmeinung weit sichrer als von dem einschmeichelnden Worte gelesen wird.“1232 Im Vorwort des ersten Bandes, welcher am Ende jedes Halbjahres die vorangegangen Ausgaben zusammenfasste, wurde noch eine weitere Absicht der Herausgeber offenkundig, nämlich dass die Zeitung „eine lebendig gewordene Geschichte der Gegenwart“ abbilden solle, die das, „was wirklich geschehen ist, in übersichtlichster Weise“ zusammenstellt, ohne dabei einer Partei oder vorgefassten Meinung hörig zu sein.1233 Auch dabei folgte die Zeitung dem Vorbild der ILN, die sich als „authorative historical reference for the generations to come“ verstand, d. h. als ein Medium, welches man einem Geschichtsbuch äquivalent ins Regal stellen konnte.1234

1230 1231

1232 1233 1234

Illustrirte Zeitung, Nr. 1, 01.07.1843, S. 1. Die Auffassung, dass das Gesehene der Wahrheit entspricht, hat tiefe Wurzeln – auch in der menschlichen Psyche. Da Bilder eher emotional wirken als Texte, schenken wir diesen mehr Vertrauen. Ein Beispiel ist etwa der bis heute wichtige Augenzeuge. Bereits Aristoteles empfahl, nur dem Gesichtssinn zu vertrauen, Siegfried J. Schmidt: Die Wirklichkeit des Beobachters, in: Klaus Merten/Siegfried J. Schmidt/Siegfried Weischenberg (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994, S. 3–19, hier S. 14 f. Illustrirte Zeitung, Nr. 1, 01.07.1843, S. 1. Illustrirte Zeitung, Vorwort 1. Band 1843, 31.12.1843, o. S. Virginia McKendry: „Illustrated London News“ and the Invention of Tradition, in: Victorian Periodicals Review 27 (1994) 1, S. 1–24, hier S. 5.

7.1 UNTERSUCHTE ZEITSCHRIFTEN UND FAMILIENBLÄTTER

299

Die Auflage der Zeitung stieg kontinuierlich von 11.000 Lesern im Jahr 18461235 auf 17.000 im Jahr 1883 und 22.600 in 1897.1236 Der Preis betrug vierteljährlich im Abonnement 7 Mark (Einzelpreis 1 Mark, Jahrespreis 28 Mark) und deutet damit schon das exklusivere Zielpublikum der Zeitung an, nämlich die „Familien der besseren Stände“.1237 Dennoch geben Auflagenhöhe und Zeitungspreis allein noch kein vollständiges Bild des Rezipientenkreises ab. So muss von einem Leserkoeffizienten1238 von 10 ausgegangen werden,1239 der gesellschaftsübergreifend galt und sich durch für die Zeit typische Erscheinungen wie Gruppenabonnements, Lesezirkel, das Ausliegen in Restaurants und Cafés sowie die um die Jahrhundertwende einsetzende Lesehallenbewegung ergab.1240 Die IZ fehlte aufgrund ihrer Vorbildwirkung daher in kaum einer Bibliothek. Auch die Fabrikbibliothek der Firma Krupp in Essen unterhielt Abonnements der hier untersuchten Zeitschriften IZ, Die Gartenlaube und Über Land und Meer.1241 Um die Bedeutung der illustrierten Zeitschriften in Deutschland im 19. Jahrhundert darzulegen, sei noch auf die Auflagen der Tages- und Wochenzeitungen verwiesen: Davon hatten 1897 drei Viertel eine Auflage von unter 3000, während nur 10 % eine Auflage von über 7000 Exemplaren verzeichnen konnten und damit sehr weit hinter den illustrierten Zeitschriften zurücklagen.1242 Der Durchbruch zum Massenmedium Zeitung fand daher vielmehr im Bereich der Zeitschriften als der Tagespresse statt.1243

7.1.2

Die Gartenlaube

Die Gartenlaube galt als der Prototyp des deutschen Familienblattes. 1853 wurde sie von Ernst Keil in Leipzig gegründet, der zuvor mehrere demokratische Zeitschriften herausgegeben hatte und nun mit der unpolitischen Gartenlaube – daher der

1235 1236

1237 1238 1239 1240

1241 1242 1243

Vgl. Wolfgang Weber: Johann Jakob Weber. Der Begründer der illustrierten Presse in Deutschland, Leipzig 2003, S. 53. Vgl. Andreas Graf: Die Ursprünge der modernen Medienindustrie: Familien- und Unterhaltungszeitschriften der Kaiserzeit (1870–1918). Mit einem Beitrag von Susanne Graf 2003, http://www.zeitschriften.ablit.de/graf/, S. 49. Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften, 1983, S. 42. Der Leserkoeffizient gibt an, wie viele Leser durchschnittlich ein Exemplar einer Zeitung nutzten. Vgl. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1995, S. 435. Vgl. Hartwig Gebhardt: Auf der Suche nach nationaler Identität. Publizistische Strategien in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ zwischen Revolution und Reichsgründung, in: Stefan Germer/Michael F. Zimmermann (Hrsg.): Bilder der Macht – Macht der Bilder. Zeitgeschichte in Darstellungen des 19. Jahrhunderts, München u. a. 1997, S. 310–323, hier S. 310. Vgl. Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften, 1983, S. 49. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1995, S. 434.

300

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

ungewöhnliche Titel – der Pressezensur entgehen wollte.1244 Die Gartenlaube unterschied sich deutlich von der IZ: So gab es etwa kein Titelblatt, der Bildanteil war weitaus geringer und das Format kleiner. Zudem gab es in den ersten Jahren kaum tagesaktuelle Berichterstattungen, während Gedichte, Kurzgeschichten und insbesondere Fortsetzungsromane viel zum Kaufanreiz beitrugen.1245 Die Startauflage betrug 5000 Exemplare, 1861 betrug sie dagegen bereits 105.000 und 1875 wurde die Rekordauflage von 382.000 erreicht. Damit galt Die Gartenlaube als auflagenstärkste und nach eigener Aussage auch meistgelesene Zeitung der Welt – die Leserschaft ging in die Millionen. Später sank die Auflage auf 284.000 (1883) und schwand dann erst um 1900 drastisch.1246 Der Abonnementspreis betrug jährlich 7 Mark und damit nur ein Viertel des Preises der IZ. Die Hauptzielgruppe bildete der bürgerliche Mittelstand, darüber hinaus hatte die Zeitung aber auch viele Leser im Kleinbürgertum und im Proletariat, da sie zur Grundausstattung jeder Bibliothek und jedes Lesezirkels gehörte.1247 Obwohl sich die Zeitschrift als unpolitisches Blatt präsentierte, war sie zunächst von liberalen Tendenzen geprägt. Nach der Gründung des Kaiserreiches änderte sie ihre Ausrichtung jedoch weg von Keils 1848er-Idealen hin zu einer Nationalisierung im Sinne der Bismarck’schen Politik.1248

7.1.3

Über Land und Meer

Über Land und Meer mit dem Untertitel Allgemeine, später Deutsche Illustrirte Zeitung, wurde 1858 von Eduard Hallberger in Stuttgart gegründet und verband erfolgreich verschiedene Elemente der IZ und der Gartenlaube: Während von Ersterer das Bemühen um aktuellere Berichterstattung, Layout und Folio-Format übernommen wurden, erinnerten besonders die Fortsetzungsromane und weitere literarische Elemente stark an Die Gartenlaube. 1867 hatte die Zeitung eine Auflage von 55.000, 1879 lag sie bei 150.0001249 und 1886 bei 130.000. Das Vierteljahresabonnement kostete 3,50 Mark (Jahrespreis 14 Mark), sodass sie doppelt so viel wie Die Gartenlaube, aber nur halb so viel wie die IZ kostete. Die Zeitung selbst sah sich in den „besten Gesellschaftsklassen“ verbreitet, aber natürlich ist auch hier von einem

1244

1245 1246 1247 1248 1249

Vgl. Joachim Schöberl: „Verzierende und erklärende Abbildungen“. Wort und Bild in der illustrirten Familienzeitschrift des neunzehnten Jahrhunderts am Beispiel der Gartenlaube, in: Harro Segeberg (Hrsg.): Die Mobilisierung des Sehens: zur Vor- und Frühgeschichte des Films in Literatur und Kunst, München 1996, S. 209–236, hier S. 217. Vgl. Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften, 1983, S. 43. Vgl. Graf: Die Ursprünge, 2003, S. 19. Vgl. Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften, 1983, S. 43. Vgl. Kirsten Belgum: Popularizing the Nation. Audience, Representation, and the Production of Identity in Die Gartenlaube, 1853–1900, Lincoln, Neb. u. a. 1998, S. 88. Vgl. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1995, S. 435 f.

7.2 ZUR ENTWICKLUNG DES TEXT-BILD-VERHÄLTNISSES VON 1848 BIS 1900

301

breiteren Rezipientenkreis durch die Vermittlung über Bibliotheken etc. auszugehen.1250

7.2

Zur Entwicklung des Text-Bild-Verhältnisses von 1848 bis 1900

Auch das Text-Bild-Verhältnis wies große Unterschiede zwischen den verschiedenen Zeitschriften auf. Während Die Gartenlaube 1897 einen Bildanteil von 31 % hatte, konnte Über Land und Meer 41 % Bilder verzeichnen. Die IZ hatte den größten Anteil mit ca. 50 %.1251 Interessant ist aber auch, die Entwicklung des Bildanteils über mehrere Jahrzehnte zu verfolgen. Hatte die IZ in den ersten Ausgaben von 1843 einen Bildanteil von 39 %, war dieser in einer Stichprobe 1861 schon auf die längere Zeit üblichen 49 % gestiegen; Die Gartenlaube kam im gleichen Jahr auf nur ca. 17 % und hatte damit durchgängig den geringsten Bildanteil. Dies lässt sich größtenteils durch den geringeren Preis erklären. Über Land und Meer kam 1861 auf ca. 37,5 %. Tabelle 2: Prozentualer Bildanteil in den Illustrierten Illustrirte Zeitung Die Gartenlaube Über Land und Meer

1843 39 % -

1861 49 % 17 % 37,5 %

1897 50 % 31 % 41 %

Bereits mit der Gründung der illustrierten Zeitungen setzte auch eine Kritik an diesen ein. Häufig wurde bemängelt, dass sich viele nur noch die Bilder anschauen würden und dies zu einer „Verflachung der Leserwelt“, ja sogar zur „Volksverdummung“ führen würde.1252 Diesem Argument wurde jedoch schon von Zeitgenossen zu Recht entgegengehalten, dass auch durch die Betrachtung der Bilder eine Schulung des Auges einsetzen würde,1253 und nicht selten zur Entschlüsselung der Bilder ebenfalls ein ikonologisches Wissen notwendig sei bzw. sich durch diese Sehübungen bilden würde. Die IZ argumentierte sogar, wie bereits erwähnt, dass die Illustration als „Hebel der Volksbildung“ fungieren würde.1254 Zumindest für die Jahrgänge des 19. Jahrhunderts ist dem zuzustimmen, da es doch galt, mithilfe der Abbildungen neue Leserschichten wie Frauen, Jugendliche und Arbeiter zu erreichen. Zudem ist die Annahme wahrscheinlich, dass nach der Betrachtung des Bildes auch der dazugehörige Text gelesen wurde. Den illustrierten Zeitungen des 1250 1251 1252 1253 1254

Gebhardt: Illustrierte Zeitschriften, 1983, S. 43 f. Die Prozentangaben für 1897 wurden errechnet aus Angaben in: ebd., S. 51, für die Illustrirte Zeitung wurde noch ein selbst ermittelter Stichprobenwert von 1892 herangezogen. Ebd., S. 50 f. Vgl. ebd., S. 50. Illustrirte Zeitung, Nr. 1305, 04.07.1868, S. 3 f.

302

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

19. Jahrhundert gelang es daher, ihrem individuellen Schwerpunkt entsprechend, Unterhaltung und Informationsgehalt geschickt zu verbinden. Im 20. Jahrhundert wurde jedoch eine fundierte Berichterstattung zugunsten der Bilder aus den Illustrierten verdrängt. Zudem ist zu beachten, dass durch die häufigere Verwendung von Momentfotografien, die allerdings aufgrund der technischen Möglichkeiten den Kompositionsmöglichkeiten eines Holzschnittes unterlegen waren, der zu entschlüsselnde Gehalt der Bilder sank und diese eher plakativ wirkten.

7.3

Monarchen als Thema der illustrierten Zeitungen und Familienblätter von 1848 bis 1880

7.3.1

Allgemeine Entwicklung

Martin Kohlrausch stellt in seiner Studie über die monarchische Repräsentation in der entstehenden deutschen und englischen Medienlandschaft fest, dass für seinen Untersuchungszeitraum von 1880 bis 1914 die Monarchie das Thema mit der höchsten medialen Präsenz war.1255 Während die Hochphase der massenmedialen Revolution in Deutschland bereits untersucht wurde,1256 gibt es bisher nur wenige Studien zu deren Anfängen, weshalb hier besonders die Jahre 1848 bis 1880 näher beleuchtet werden.1257 Die untersuchten Zeitungen gingen mit dem Thema Monarchie unterschiedlich um. Als Erstes fällt auf, dass in der Gartenlaube die diversen Bundesfürsten bis 1870 keine nennenswerte Berücksichtigung fanden. Als einzige Ausnahme ist hier Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha zu nennen, auf den später zurückzukommen sein wird. Dies unterstreicht die These von Graf, dass die Vermeidung alles Politischen und Erotischen zur Familienblattmoral gehörte.1258 Dennoch verwundert es, dass die vermeintlich unpolitische Seite, also das Private der Monarchen – auch hier wieder mit der Ausnahme Ernsts –, bis 1870 kein Thema der Gartenlaube war. Demgegenüber war in der IZ, wenngleich diese eher um eine tagesaktuelle Berichterstattung bemüht war und weniger genrehaft berichtete als Die Gartenlaube, die Berichterstattung über Königin Victoria in den 1840er-Jahren und

1255 1256

1257

1258

Vgl. Kohlrausch: Monarchische Repräsentation, 2005, S. 97. Vgl. dazu neben der bisher genannten Literatur: Hartwig Gebhardt: „Der Kaiser kommt!“. Das Verhältnis von Volk und Herrschaft in der massenmedialen Ikonographie um 1900, in: Annette Graczyk (Hrsg.): Das Volk: Abbild, Konstruktion, Phantasma, Berlin 1996, S. 63–81. Es wurden dafür genauer untersucht: Leipziger Illustrirte Zeitung (Jahrgänge 1848–1873, Titelblätter von 1843–1918), Die Gartenlaube (Jahrgänge 1853–1899) sowie Über Land und Meer (Jahrgänge 1858–1880). Vgl. Graf: Die Ursprünge, 2003, S. 29.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

303

über Kaiserin Elisabeth von Österreich in den 1860er-Jahren ein ständig wiederkehrendes Thema. In Bezug auf die österreichische Monarchin wurde in jeder neuen Ausgabe über deren aktuellen Kuraufenthalt, ihre Beschäftigungen (Spazierfahrten) sowie ihr Befinden (unbeständig) berichtet – erste Züge eines Kultes um die Monarchin wurden dabei deutlich.1259 Für preußische Könige ist ein ähnliches Interesse erst später festzustellen: Mit Beginn des Deutsch-Französischen Krieges rückte Wilhelm I. in den Fokus der Gartenlaube. Seit diesem Zeitpunkt gab es kontinuierlich Berichte über ihn, die gerade auch die privaten Seiten des Königs thematisierten, etwa seine Lieblingsspeise (Hummer), seine Lieblingsblume (Kornblume), seine Lieblingsfarbe (Kornblumenblau), die Farbe seiner Bettdecke (grün) und Wilhelms unerfüllte Jugendliebe (zu Eliza Radziwill).1260 Dass die Monarchen bis 1870 kein Thema in der Gartenlaube waren, ist daher nicht auf ein erst zu dieser Zeit einsetzendes Interesse am Privatleben des Monarchen zurückzuführen – denn wie das Beispiel Elisabeth zeigt, gab es dies schon eher –, sondern auf das spezielle Gartenlauben-Programm des Verlegers Ernst Keil, welches monarchische Themen mied. 1261 In der IZ dagegen war der Berichterstattung über die Monarchen ein größerer Raum vorbehalten. In der Rubrik Hofnachrichten, die es seit Ende 1853 gab, wurde wöchentlich über alle Neuigkeiten der deutschen Höfe berichtet. Dies waren beispielsweise Familienereignisse wie Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle, aber auch Krankheiten, Aufenthaltswechsel des Hofes, Landesreisen etc. Dabei dienten als Quelle dieser Nachrichten im Untersuchungszeitraum zum einen die Bulletins der Höfe, die unter anderem über Krankheitsverläufe der Monarchen unterrichteten, aber auch Meldungen kleinerer Lokalblätter und anderer Zeitungen. In Ausnahmefällen wurde sich auch auf angebliche Augenzeugen berufen, die exklusive Informationen an die Zeitung weitergegeben hätten.1262 Dass die Redaktion der Zeitung ein Interesse an der ständigen Präsenz der Hofnachrichten hatte, lässt sich auch daran zeigen, dass zuweilen falsche Informationen wie inkorrekte Hochzeitsdaten oder Reisepläne weitergegeben wurden.1263 Einen Bericht zu veröffentlichen, war demnach für die Redakteure zuweilen wichtiger als dessen Wahrheitsgehalt. Da man die Erwartungshaltung der Leserschaft, etwas über die Höfe zu lesen, einkalkulierte, versuchte die Redaktion, diese bestmöglich zu bedienen. Die Meldungen in den Hofnachrichten waren meist nicht länger als ein bis drei Sätze, was jedoch nicht ausschloss, dass diese durchaus plastisch sein konnten. So hieß es am 9. März 1861 über den abgedankten König Ludwig I. von Bayern: 1259

1260 1261 1262 1263

Vgl. dazu die Hofnachrichten der IZ. Besonders von 1861 bis 1864 war Elisabeth häufig das erste Thema. Im 1. Halbjahr 1861 wurde etwa ausführlich über ihre Reise nach Madeira berichtet. Zu ihren Spazierfahrten siehe Illustrierte Zeitung, Nr. 916, 19.01.1861, S. 34. Vgl. Geisthövel, Eckfenster, 2005, S. 182. Vgl. Schöberl, Verzierende, 1996, S. 218. Über die Reisen Elisabeths von Österreich informierte beispielsweise immer ein mitreisender Adjutant, Illustrierte Zeitung, Nr. 914, 05.01.1861, S. 3. Diese Nachrichten wurden dann später wieder dementiert, wie etwa die Verlobungspläne König Pedros von Portugal, Illustrierte Zeitung, Nr. 920, 16.02.1861, S. 102.

304

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

„König Ludwig von Bayern war infolge einer Erkältung erkrankt. Oefteres Erbrechen und ein Zustand von Schwäche erregten Besorgnis für das Leben des 74jährigen Fürsten und die allgemeine Theilnahme äußerte sich lebhaft; doch befindet sich der hohe Kranke auf dem Wege der Besserung.“1264

Die deutlichste Schilderung wurde allerdings noch anschaulicher, wenn sie von einem Bild begleitet wurde. Während die Hofnachrichten nur kurze Zeilenmeldungen waren, war ein ausführlicherer Artikel meist durch einen Holzschnitt illustriert. Aufschlussreich für die Präsenz der Monarchen in den Medien ist daher auch eine quantitative Analyse der Titelblätter der IZ und Über Land und Meer.1265 Dabei wird davon ausgegangen, dass einem Titelblatt als Blickfang der Zeitungen mehr Aufmerksamkeit zukam als einer anderen Illustration.1266 Wenn im Folgenden der Anteil der Titelblätter diskutiert wird, darf dabei jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass dies natürlich nicht die einzigen Abbildungen waren, die eine Zeitung über Monarchen druckte. Für den prozentualen Anteil von Titelblättern mit monarchischem Inhalt wurden die Titelblätter der IZ im Zeitraum von 1843 bis 19181267 und die von Über Land und Meer von 1858 bis 1880 ausgewertet. Dem Themenbereich nationale Monarchie wurden dabei Titelblätter zugeordnet, die entweder direkt einen Fürsten des Deutschen Bundes (bis 1866 also auch den Kaiser von Österreich)1268 bzw. ab 1867 einen Fürsten aus dem Gebiet des späteren Kaiserreiches zeigten oder im Untertitel, beispielsweise bei der Abbildung eines Schlosses, direkt auf einen solchen Herrscher verwiesen. Ebenfalls wurden in die Erhebung Titelartikel ohne Abbildung einbezogen – diese stellten allerdings einen verschwindend geringen Anteil dar, da ja gerade Illustrationen charakteristisch für die untersuchten Zeitschriften waren. Für 1843 bis 1880 ergab sich somit ein Gesamtanteil an Titelblättern mit nationalem monarchischen Bezug für die IZ von 15 % (für 1843 bis 1918 von 17 %) und für Über Land und Meer von 7 %.

1264 1265 1266

1267 1268

Illustrierte Zeitung, Nr. 923, 09.03.1861, S. 162. Die Gartenlaube besaß erst ab 1885 ein wechselnd illustriertes Titelblatt. Einschränkend wirkte in dieser Hinsicht das erst 1904 aufgehobene Kolportageverbot, welches bis dahin nur einen Abonnementvertrieb von Zeitungen erlaubte, vgl. Anton Holzer: Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus; Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich; 1890 bis 1945, Darmstadt 2014, S. 63. Trotz allem war die Sichtbarkeit des Titelblattes am größten, da Zeitungen auch in Cafés und Bibliotheken auslagen. Für die Auswertung von 1843 bis 1918 siehe, Kapitel 7.5. Bis 1866 stand beispielsweise der österreichische Hof an der Spitze der Hierarchie der Hofnachrichten der IZ; der König von Preußen kam erst danach.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

305

Übersicht 3: Prozentualer Anteil an Titelblättern der Illustrirten Zeitung (IZ) und Über Land und Meer (ÜLM) mit Bezug zu nationalen Monarchien in Deutschland

Titelblätter nationale Monarchie (Deutsche Presse) 30 25 20 15 10 5 0

IZ

ÜLM

Wie Übersicht 3 zeigt, wurden in manchen Jahren durchaus Werte von 25 % erreicht, während zugleich relativ große Schwankungen und teilweise nur Werte von 0 oder 4 % zu beobachten sind. Im Falle der IZ lässt sich dies etwa für 1848 mit der Revolution erklären, die einen Tiefpunkt monarchischer Popularität darstellte, und für die Jahre 1870–71 damit, dass fast jedes Titelblatt dem Krieg bzw. etwas später dem neuen Reichsland Elsass-Lothringen gewidmet war. Der deutlich höhere Anteil an Titelblättern in der IZ im Vergleich zu Über Land und Meer war bedingt durch die unterschiedliche Ausrichtung der Blätter. Während in der IZ dem aktuellen Geschehen mehr Beachtung geschenkt wurde, war die reine Unterhaltungsabsicht in Über Land und Meer größer. So widmeten sich hier viele Titelblätter der Wiedergabe bekannter Gemälde oder illustrierten häufig die Fortsetzungsromane, welche meist auf der Titelseite begannen. Aufschlussreich in Bezug auf die Höhe des prozentualen Anteils monarchischer Titelblätter ist ein Vergleich mit anderen Ländern. John Plunkett hat den Anteil der Titelblätter, also Titelartikel und -bilder, die sich Königin Victoria von Großbritannien und der königlichen Familie widmen, für die Jahre von 1842 bis 1862 anhand von drei britischen illustrierten Zeitungen untersucht.1269 Ein differenzierter Vergleich wird aufgrund der Tatsache, dass es in Großbritannien nur eine Monarchin statt vieler souveräner Fürsten gab sowie des Sachverhaltes, dass 1269

Es handelt sich dabei um die Illustrated London News, die Pictorial Times und die Illustrated Times, vgl. Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 100 f., das abgebildete Diagramm befindet sich auf S. 101.

306

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

ein Titelblatt meist einem lebensgeschichtlichem Ereignis gewidmet war, welches aufgrund der größeren Zahl von Monarchen in Deutschland häufiger vorkam, zwar etwas erschwert, ist aber dennoch möglich. Aufgrund der direkten inhaltlichen Verbindung wurden hier die Werte der Illustrated London News und der Illustrirten Zeitschrift herausgegriffen, die beide für ihre Länder jeweils den höchsten Anteil monarchischer Berichterstattung hatten. Übersicht 4: Prozentualer Anteil an Titelblättern der Illustrirten Zeitung (IZ) und der London Illustrated News (ILN) mit Bezug zu(r) nationalen Monarchie(n) in Deutschland und Großbritannien. (Die gepunktete Linie zeigt die Tendenz)

Titelblätter nationale Monarchie (D/GB) 30 25 20 15 10 5 0

IZ

ILN

In Bezug auf den Untersuchungszeitraum von 1842 bis 1862 kam die IZ dabei auf einen Wert von 16 %, während die ILN nur 13 % erreichte (Übersicht 4). Diese höhere Titelblattquote im deutschen Raum gegenüber Großbritannien ist deswegen umso erstaunlicher, weil der medialen Berichterstattung über Königin Victoria in den 1840er- und 1850er-Jahren prinzipiell eine bedeutende Rolle zugeschrieben worden ist,1270 während bisher davon ausgegangen wurde, dass diese Entwicklung im deutschen Raum erst später einsetzte.1271 Unter dem Gesichtspunkt, dass die IZ sich als deutsche Variante der ILN verstand, zeigen die Werte, dass die IZ in Bezug auf die Titelblattgestaltung nicht nur ihrem britischen Vorbild folgte, sondern den Monarchen sogar noch eine größere Sichtbarkeit einräumte. Dies wird dadurch bestätigt, dass sich die Werte der IZ im Durchschnitt für die Jahre 1843 bis 1880 auf 25 % erhöhen, wenn man auch die Titelblätter, die ausländischen Monarchen gewidmet waren, mitberücksichtigt. Aber auch die Bundesfürsten der 1270 1271

Vgl. ebd. Vgl. Kohlrausch: Monarchische Repräsentation, 2005, S. 96.

307

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

Mittel- und Kleinstaaten wurden auffallend häufig mit Titelblättern in der IZ gewürdigt. Dies zeigt Übersicht 5, welche in der oberen Linie die Werte für alle deutschen Monarchen zeigt, in der unteren Linie dagegen den Anteil der kleineren bundesfürstlichen Familien unter Ausschluss der beiden Großmächte Österreich und Preußen. Insgesamt lag der Anteil der mittleren und kleineren Fürsten von 1843 bis 1880 exakt bei der Hälfte (7,44 %) der für alle deutschen Monarchen ermittelten Werte (14,88 %). Angesichts der Tatsache, dass die Bundesfürsten im Vergleich zu den preußischen Herrschern nur über zwei Fünftel der Bewohner des Kaiserreiches herrschten, ist ihre mediale Präsenz überdurchschnittlich. Übersicht 5: Prozentualer Anteil an Titelblättern der Illustrirten Zeitung (IZ) zu den kleineren und mittleren Fürsten sowie zu allen deutschen Monarchen unter Einschluss der Großmächte Österreich (bis 1866) und Preußen (1843–1880)

Vergleich alle deutschen Monarchen vs. Bundesfürsten 30 25 20 15 10 5 0 1843

1848

1853

1858

nur Bundesfürsten

1863

1868

1873

1878

alle deutschen Monarchen

Die erhobenen Zahlen zeigen, dass auch in Deutschland bereits mit dem ersten Erscheinen der illustrierten Presse die Monarchie ein Thema war, dem ein konstanter Platz in der öffentlichen Wahrnehmung gewidmet war. Diese Präsenz wird angesichts der fehlenden Konkurrenz für die Monarchen aus Kultur, Gesellschaft oder Politik noch bestärkt. Zwar gab es durchaus auch Berichte über Dichter, Schauspieler und Minister etc. Allerdings waren dies immer Einzelerscheinungen, über die nicht in gleicher Kontinuität wie über die Monarchen berichtet wurde. In Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der monarchischen Titelblätter und sonstiger Illustrationen in IZ und Über Land und Meer lässt sich für beide Blätter eine Parallelentwicklung feststellen. In den ersten Jahren bis ungefähr 1870 lag der Schwerpunkt der illustrierten Zeitschriften auf einem „Bekanntmachen“ des Lesers mit den Monarchen. So dominierten in dieser Phase ganz eindeutig biografische Skizzen, Artikel über tagesaktuelle Begebenheiten, an denen die Monarchen beteiligt waren sowie Meldungen über Ereignisse in den regierenden Häusern wie

308

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Hochzeiten oder Todesfälle die Berichterstattung. Dieses Bekanntmachen zwischen Leser und Herrscher war eine durch die Neuartigkeit des Mediums „Illustrierte Zeitung“ bedingte Entwicklung. Nie zuvor gab es für den Leser eine so bequeme Art, wie Woche für Woche die Zeitung zu lesen, sich dabei über Neuigkeiten aus aller Welt zu informieren und zugleich auch erstmals über immer schon Dagewesenes, aber nie in dieser ansprechenden Einfachheit Beschriebenes und Illustriertes zu lesen wie die Lebensläufe der Monarchen aus Nah und Fern. Die Illustrierten gewährten den Fürsten daher eine wöchentlich wiederkehrende Bühne, die ihnen zuvor in dieser Form kein anderes Medium zur Verfügung gestellt hatte. Auf die Phase des Bekanntmachens folgte nach 1870, wie oben schon angedeutet, ein zunehmendes Interesse an den vermeintlich privateren Seiten der Monarchen, sodass die Herrscher nun Gegenstand genreartiger Artikel wurden. Diese Entwicklung betraf Die Gartenlaube und Über Land und Meer stärker als die IZ. Die Titelblätter Des Kaisers Geburtstagszimmer, welches diesen Glückwunschkarten lesend zeigte,1272 oder Der italienische Gipsfigurenhändler vor dem Palais des Kaisers, das eine Berliner Straßenszene darstellte, die vom Kaiser im Eckfenster nur flankiert wurde,1273 hatten keine tagesaktuelle Relevanz bzw. kaum einen informatorischen Gehalt. Vielmehr setzten sie eine Vertrautheit mit dem Monarchen voraus und unterfütterten diese durch ständig neue Einblicke in dessen Leben und Alltag. Nach der Reichsgründung von 1871 lässt sich um 1873/74 ein erster Höhepunkt der Berichterstattung über Kaiser Wilhelm I. im Vergleich zu den übrigen deutschen Bundesfürsten feststellen (Übersicht 5). Das deutschlandweit gestiegene Leserinteresse an der Person des Kaisers wurde auch in der Folgezeit durch Artikel ohne tagesaktuellen Bezug bedient und gestärkt.1274 Trotz allem bedeutete die Reichsgründung keinen Aufmerksamkeitsverlust für die Bundesfürsten seitens der nationalen Presse. Diese waren gemäß ihrer verfassungsmäßigen Stellung als Stützen des Reiches sowie als Identitätsträger der deutschen Stämme weiterhin in den Medien präsent.

1272 1273 1274

Vgl. Über Land und Meer, Bd. 32, 1874, Nr. 30. Vgl. Über Land und Meer, Bd. 57, 1886–87, Nr. 21. Siehe etwa u. a.: Am Grabe der Mutter, Die Gartenlaube 1870, 36, 576–79; Des Kaisers Tusculum, Die Gartenlaube 1872, 15, S. 246–250; Des Kaisers Tusculum, Die Gartenlaube 1872, 16, S. 256 ff.; Ein Tag des Kaisers, Die Gartenlaube 1872, 30, S. 487–492; siehe auch Geisthövel: Den Monarchen, 2003.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

7.3.2

309

Ein (a)typisches Beispiel: Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha – ein früher Medienliebling

Obwohl Ernst II. als Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha nur der Fürst eines sehr kleinen Territoriums war, gehörte er unbestreitbar zu den schillernderen Herrscherpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Dies lag nicht nur an den engen verwandtschaftlichen Beziehungen des Herzogshauses zum gesamten europäischen Hochadel, sondern auch am Selbstgeltungsanspruch des Herzogs. Dieser sah sich nicht nur gern als ausgesprochen liberaler Fürst, sondern setzte sich, bedingt durch die beschränkten Wirkungsmöglichkeiten in seinem Kleinstaat,1275 auch für die deutsche Einigungsbewegung ein. Als Beispiel seines liberalen Wirkens zählte für die Zeitgenossen etwa das Einführen einer zeitgemäßen Verfassung 1848 in Gotha, die Ernst der Bevölkerung versprach, bevor es zu nennenswerten Unruhen kam. Da eine solche Verfassung in Coburg allerdings bereits bestand, war die Machteinschränkung für Ernst eher unbedeutend.1276 Im Gegensatz zu diesen mehr propagierten als tatsächlichen liberalen Zügen war er zugunsten der nationalen Einigung tatsächlich bereit, auf seine einzelstaatlichen Interessen zu verzichten. Neben seinen diesbezüglichen Bemühungen – zu nennen sind unter anderem die Militärkonvention mit Preußen 1861, die das coburg-gothaische Militär unter die Militärhoheit Preußens stellte, Ernsts Vorschläge zu einer Bundesreform 1861 und seine deutschlandpolitischen Bemühungen auf dem Frankfurter Fürstentag 1863 – unterstützte er auch aktiv die Nationalbewegung „von unten“, d. h. die Sänger-, Turner- und Schützenbewegungen.1277 Des Weiteren gründete er den Literarischpolitischen Verein1278 und übernahm das Protektorat für den Deutschen Nationalverein.1279 Aufgrund dieser Bestrebungen rückte Ernst schnell in den Fokus der Presse. Allerdings beschränkte diese sich nicht auf eine reine Ereignisberichterstattung, sondern lieferte auch schnell Skizzen über das Privatleben des Herzogs. Im Falle Ernsts wurde daher eine Entwicklung vorweggenommen, die bei Kaiser Wilhelm I. erst zehn Jahre später einsetzte.1280 1275

1276 1277

1278 1279 1280

Vgl. Marc von Knorring: Ungleiche Brüder? Prinz Albert und Herzog Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha als Förderer von Kunst, Bildung und Wissenschaft, in: Kroll u. a.: Hannover – Coburg-Gotha, 2015, S. 147–173. Vgl. Scheeben, Ernst II., 1987, S. 13–18, 79; Siegert, Das Staatsgrundgesetz, 1993. Vgl. Brütting: Fürstlicher Liberalismus, 1991; Hans-Thorald Michaelis: Herzog Ernst II. und das Schützenwesen, in: Bachmann: Herzog Ernst, 1993, S. 91–118; Friedhelm Brusniak: „Bin mit meinem ganzen Herzen bei den Sängern“. Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha als Protektor der deutschen Sängerbewegung, in: Bachmann: Herzog Ernst, 1993, S. 157–168; John R. Davis: Liberalisation, the Parliamentary System, and the Crown. The Role of Coburg Dynasties in Nineteenth-Century Constitutional Debates, in: Kroll u. a.: Hannover – Coburg-Gotha, 2015, S. 259–276. Vgl. Rainer Hambrecht: Herzog Ernst II. und der Literarisch-politische Verein, in: Bachmann: Herzog Ernst, 1993, S. 73–90. Vgl. Scheeben, Ernst II., 1987, S. 85–132. Vgl. Geisthövel: Den Monarchen, 2003, S. bes. 73 ff.

310

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Übersicht 6 zeigt alle in der Gartenlaube von 1853 bis 1870 und in der IZ von 1861 bis 1870 erschienenen Artikel über Ernst II. Zwar mutet die Anzahl der Artikel wenig an, allerdings sei noch einmal daran erinnert, dass in diesem Zeitraum in der Gartenlaube und der IZ keinem anderen Bundesfürsten so viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Während in der Gartenlaube in diesem Zeitraum Ernst sieben Artikel direkt gewidmet wurden und sich acht weitere auf ihn bezogen, kamen alle übrigen Bundesfürsten zusammen auf lediglich sechs Artikel. Wilhelm I. war, wie bereits erwähnt, bis 1870 kein einziges Mal Thema in der Gartenlaube. Übersicht 6: Artikel über Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha in IZ und Die Gartenlaube, 1854–1865 Jahr 1854 1859

1860

1861

Artikel Ein Besuch in Reinhardtsbrunn Guido Hammer: Wild-, Wald- und Waidmannsbilder Nr. 7. Die Jagd auf den Hochalpen Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha

Anlass -

-

Gartenlaube, 2, S. 21 f.

Das erste allgemein deutsche Turn- und Jugendfest in Coburg Das allgemeine deutsche Schützenfest in Gotha

Turnfest

Gartenlaube, 27, S. 430 ff.

Schützenfest

-

Das erste deutsche Schützenfest in Gotha I

Schützenfest

Ernst II, Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha

Schützenfest

Die Ueberreichung einer Adresse der Deutschen in Brüssel an Herzog Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha

Dankadresse

IZ, 941, 13.07.1861, S. 26 IZ, 943, 27.07.1861, S. 67–70 IZ, 943, 27.07.1861, S. 70 IZ, 945, 10.08.1861, S. 100 ff.

Das erste deutsche Schützenfest in Gotha II

Schützenfest

Bild der Preisverleihung

„Der Herzog von Gotha und sein Volk“

gleichnamige Schrift

Das erste deutsche Schützenfest (I)

Schützenfest

IZ, 945, 10.08.1861, S. 102 IZ, 947, 24.08.1861, S. 130 f. Gartenlaube, 33, S. 524–28

-

Zeitschrift Gartenlaube, 23, S. 264–67 Gartenlaube, 5, S. 59–62

Bilder ein Reiterporträt Jagdschloss des Herzogs von Gotha in Hinterriß Ernst als Jäger (identisch mit Abb. 1861 in IZ) -

Bild des Schützeneinzugs ganzseitiges Porträt Ernsts II. Bild der Überreichung

Bild der Schießhütte

311

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880 Ein offenes Fürstenwort

Das erste deutsche Schützenfest (II) Das deutsche Programm des Herzogs von Koburg An die Redaction der Gartenlaube

1862

Schrift „Der Herzog von Gotha und sein Volk“ Schützenfest Dt. Programm

Gartenlaube, 33, S. 528

-

Gartenlaube, 34, S. 539–43 IZ, 959, 16.11.1861, S. 355f. Gartenlaube, 52, S. 832

Bild des Festumzugs -

ganzseitiges Bild der Reisegesellschaft 3 Zeichnungen

Der Herzog von Koburg in Afrika

Briefwechsel zur Schlacht von Eckernförde (Ernst u. Cob. Bürger) Afrikareise des Herzogs

-

Die Reise des Herzogs von Koburg in Afrika I

Afrikareise des Herzogs

Die Reise des Herzogs von Koburg in Afrika II

Afrikareise des Herzogs

Das erste deutsche Bundesschießen in Frankf./M.

Schützenfest Frankfurt

IZ, 979, 05.04.1862, S. 221 f. IZ, 982, 26.04.1862, S. 275ff., 278 IZ, 989, 14.06.1862, S. 408ff. Gartenlaube, 31, S. 492 ff.

Ein Pirschgang auf Elephanten in den östlichen Hängen des Felsengebirges von Abyssinien. Bruchstück aus einem Briefe Sr. Hoheit des Herzogs Ernst von Coburg an einen Bekannten

Afrikareise des Herzogs

Gartenlaube, 32, S. 500–503

Bild der Elefantenjagd

Das erste deutsche Bundesschießen in Frankf./M.

Schützenfest Frankfurt

Gartenlaube, 33, S. 521–28

-

Bilder und Skizzen vom ersten Deutschen Schützenfeste zu Frankf./M. I

Schützenfest Frankfurt

IZ, 997, 09.08.1862, S. 99

-

Bilder und Skizzen vom ersten Deutschen Schützenfeste zu Frankf./M. II

Schützenfest Frankfurt

IZ, 998, 16.08.1862, S. 118

Ernst im Schießstand

3 Zeichnungen -

312

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

1863

Ein Geburtstagswunsch für Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha und des Fürsten Antwort an den Dichter

Geburtstag

Gartenlaube, 31, S. 495

-

1864

Aus jüngstvergangenen Tagen. Nr. 3. Ein Name für das erste deutsche Kriegsschiff. Aus jüngstvergangenen Tagen. Nr. 3. Ein Name für das erste deutsche Kriegsschiff. Ein Prinz und Maler Indiens

Schlacht von Eckernförde

Gartenlaube, Heft 1, S. 14f.

-

Schlacht von Eckernförde

Gartenlaube, Heft 2, S. 23 f.

-

Freundschaft zu Raden Saleh

Gartenlaube, Heft 25, S. 394–97

Raden Saleh bei der Arbeit

1865

7.3.2.1 Der nahbare Fürst Besonders Die Gartenlaube widmete sich schon früh, nämlich ein Jahr nach ihrem Entstehen, dem „privaten“ Ernst in dem Artikel Ein Besuch in Reinhardtsbrunn [sic].1281 Dieser war ohne tagesaktuellen Bezug und diente lediglich dazu, den durch die Schlacht bei Eckernförde 18491282 bekannt gewordenen Fürsten näher vorzustellen. Dabei war die Überschrift bereits stilprägend für den Fortgang der Schilderung, in welcher der Leser einem Maler folgen konnte, der Schloss Reinhardsbrunn besuchte und dabei dem Herzog begegnete. Die Erzählweise in der 1. Person Singular war mehr narrativ als journalistisch-sachlich angelegt: „Es war an einem hellen Herbsttage, als ich mit meinem Skizzenbuch durch die alte Baumallee dem Schlosse Reinhardtsbrunn, der Sommerwohnung des Herzog [sic] Ernst von Gotha-Koburg, zuzog.“1283 Ganz im Sinne der oben geschilderten Strategie des Bekanntmachens wurde auch die Begegnung mit dem Herzog geschildert: „Nach wenigen Augenblicken trat der Herzog selbst ein. Eine stattliche Gestalt von mehr als mittlerer Größe, kräftig gebaut, von hübschen männlichen Formen. Kopf und Figur erinnerten auffallend an die alten Portrait-Statuen seines Geschlechts, welche ich wenige Wochen zuvor auf einem fürstlichen Grabmal in der St. Moritzkirche zu Koburg gesehen hatte. Es war derselbe eigenthümliche Schnitt des echt deutschen Gesichts, kräftige Conturen, belebt durch die blühende Farbe, durch zwei große braune Augen von sehr freundlichem Ausdruck und durch dunkelbraunes, dichtes Haar, welches in ziemlicher Länge glattgestrichen

1281 1282 1283

Vgl. Die Gartenlaube 1854, 23, S. 264–267. Vgl. Freitag: Herzog Ernst, 2003. Ebd., S. 264, Hervorhebung im Original.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

313

das Antlitz einfaßt. Intelligenz und Herzensgüte und ein lebendiges frisches Wesen waren bei der ersten Erscheinung des Fürsten zu erkennen.“1284

Durch diese Art der Schilderung erfuhr der Leser nicht nur etwas über die Physiognomie des Herzogs. Der Autor erzeugte zudem den Eindruck, als ob der Leser selbst Augenzeuge dieser Begegnung, ja durch die Augen des Malers beinahe selbst Teilnehmender sei. Im weiteren Verlauf wurde der Herzog als ungehemmter und freundlicher Gesprächspartner geschildert: „Mit einer Freundlichkeit, so ungezwungen, wie man zu einem gleichstehenden Bekannten spricht, redete der Herzog mich an, und ich fühlte mich ihm gegenüber sehr bald frei und ungenirt.“1285 Diese neue Art der Herrscherpanegyrik, die einen Herrscher im „ungezwungenen“ Gespräch mit einem Stellvertreter des lesenden Publikums darstellte, suggerierte bei diesem den nachhaltigen, wenngleich wohl auch täuschenden Eindruck, dass der Herzog jeden Bürger bei einem Besuch seines Schlosses ebenso behandeln würde. Die Absicht des Artikels bestand demnach darin, Fürst und Leser in eine imaginierte Beziehung zweier Individuen auf Augenhöhe treten zu lassen.1286 Durch die Augen des Besuchers geschildert, wurde zudem der Anschein der Authentizität des Beschriebenen erhöht. Nachdem weitere positive Eigenschaften Ernsts hervorgehoben wurden, betonte das Ende des Artikels noch einmal, warum gerade dieser vor allen anderen Bundesfürsten mit solch einer Charakterstudie gewürdigt wurde. Da er der einzige Monarch sei, der sich für Deutschland einsetze, verdiene er den Beinamen „der Deutsche“.1287 Die Redaktion der Gartenlaube erwartete demnach ein breites Leserinteresse am beliebten Sieger von Eckernförde und wollte durch diese Berichte dessen Popularität noch ausbauen. Ganz ähnlich aufgebaut war ein Artikel Guido Hammers über Wild-, Wald- und Waidmannsbilder, Nr. 7. Die Jagd auf den Hochalpen, der 1859 in der Gartenlaube erschien.1288 Zwar deutete der Titel nicht auf den Herzog hin, jedoch begegnete und begleitete ihn der Leser, vermittelt durch die eindrückliche Schilderung Hammers, bei einer Hirschjagd, die den Spannungsbogen des Artikels bestimmte. Auch hier wurde wieder das bereits etablierte Motiv des nahbaren Fürsten bedient, indem der Herzog als einfacher Mensch geschildert wurde, der den Autor zufällig getroffen und ihn sogleich zur Jagd eingeladen hatte. Die Darstellung des bürgerlichen Autors und des Herzogs als gleichberechtigte Jagdpartner vermittelte ein so authentisches Bild eines volksnahen Herrschers, wie es allein die Zuschreibung dieses Attributs nicht vermocht hätte. Im Übrigen war jener narrative Stil charakteristisch für die Artikel der Gartenlaube. Diese wurden häufig aus der Ich- bzw. Wir-Perspektive geschrieben, um das Identifikationspotential des Publikums mit dem Geschilderten zu erhöhen. Damit sollte die Prämisse des Familienblattes erfüllt werden,

1284 1285 1286 1287 1288

Ebd., S. 264 f. Ebd., S. 265. Vgl. dazu auch: Geisthövel: Den Monarchen, 2003, S. 69. Die Gartenlaube 1854, 23, S. 266. Die Gartenlaube 1859, 5, S. 59–62.

314

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

nicht nur gebildete Stände anzusprechen, sondern auch Arbeiter oder die neue Leserklasse der Frauen. Der erfolgreich umgesetzte Anspruch, dass jeder solche Schilderungen nachvollziehen können sollte, war von Beginn an für den Verleger Keil handlungsleitend.1289 Eine ganz andere Jagdszene beschrieb Ein Pirschgang auf Elephanten in den östlichen Hängen des Felsengebirges von Abyssinien. Bruchstück aus einem Briefe Sr. Hoheit des Herzogs Ernst von Coburg an einen Bekannten.1290 Dieser Artikel bestand tatsächlich nur aus einem Brief des Herzogs, der eine Elefantenjagd im Rahmen seiner Afrikareise von 1862 beschreibt.1291 Unabhängig davon, ob diese Beschreibung von Interesse war oder nicht, ist die Tatsache, dass ein regierender Fürst einer Zeitung einen privaten Brief zur Veröffentlichung überließ, für die untersuchten Quellen als singulär zu bezeichnen. Zu erklären ist dieses Phänomen wahrscheinlich vor allem durch Ernsts Interesse, in den Medien gewürdigt zu werden. So wandte er sich schon vor Beginn der Reise auf der Suche nach einen begabten Künstler und Fotografen an den bekannten Münchner Fotografen Hanfstaengel.1292 Ob dann auf dessen Vermittlung oder auf anderen Vorschlag der Zeichner Robert Kretzschmer1293 die Reise begleitete, bleibt unklar. Da Kretzschmer aber auch zuweilen für die IZ tätig war, sah die Zeitungsredaktion die Chance, nun exklusiv über die Reise in Wort und Bild berichten zu können. Die Anfrage an Ernsts Kabinettsrat und Coburger Theaterintendanten Gustav von Meyern-Hohenberg, als erste Zeitung über die Reise berichten zu können und Porträts der Reisegruppe abzubilden, dürfte ganz im Sinne Ernsts gewesen sein und wurde daher auch positiv beschieden.1294 Insgesamt widmete die IZ der Afrikareise drei Artikel, welche die verschiedenen Reisestationen der herzoglichen Reisegruppe beschrieben und mit insgesamt sieben Holzschnitten illustrierten.1295 Auf Wunsch des Herzogs, der sich auch später zu publizierende wissenschaftliche Ergebnisse von der Reise versprach, nahmen neben Kretzschmer auch der bekannte Zoologe Alfred Brehm und der Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker, ein Freund des Herzogs, teil. Dass die kleine Reisegesellschaft von einem Schriftsteller und Zeichner begleitet wurde, welche die Berichterstattung in Ernsts Sinne bestimmten, spricht für dessen Bemühen, selbst Einfluss auf die mediale Berichterstattung über sich zu nehmen, anstatt die Redaktionen einflusslos gewähren zu lassen. Für die Zeitungen wiederum war die

1289 1290 1291

1292 1293 1294 1295

Vgl. Belgum, Popularizing, 1998, S. 101. Die Gartenlaube 1862, 32, S. 500–503. Zur Afrikareise siehe Ute Grottker: Die herzogliche Afrikareise 1862 in Aufzeichnungen von Herzogin Alexandrine und Mathilde Brehm, in: Bachmann: Herzog Ernst, 1993, S. 403–418; Hans-Dietrich Hammerlein: Dokumentarisches zur Afrikareise des Herzogs Ernst II. 1862, in: Bachmann: Herzog Ernst, 1993, S. 419–452. Vgl. StACo, LA A, Nr. 7420, fol. 39r+v. Auch Kretschmer oder Kretzschmar. Vgl. StACo, LA A, Nr. 7420, fol. 59r+v, 193r+v. Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 979, 05.04.1862, S. 221 f.; Nr. 982, 26.04.1862, S. 275 ff., 278; Nr. 989, 14.06.1862, S. 408 ff.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

315

Verbindung des beginnenden Afrikainteresses mit der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Person des Herzogs ein besonderer Lesermagnet. Die Berichterstattung über die Afrikareise ist zudem ein gutes Beispiel für die symbiotische Beziehung zwischen Monarchie und Medien. Während die Monarchie einerseits einer zeitgemäßen Repräsentation in den neuen Printmedien bedurfte, benötigten diese wiederum die Monarchen als wiederkehrendes Thema ihres Berichtspektrums. Eine direkte Folge dieser symbiotischen Beziehung war die Tatsache, dass nun über Sachverhalte berichtet wurde, die einige Jahre zuvor keinen Niederschlag in der Presse gefunden hätten.1296 Durch die verbesserten und preiswerteren Druckmöglichkeiten und die neue inhaltliche Ausrichtung der Zeitungen rückten nun zunehmend ehemals vermeintlich private Seiten der Monarchen in den Fokus der Öffentlichkeit.

7.3.2.2 Ernst II. als nationaler Hoffnungsträger 1861 bestätigte Ernst II. die in ihn gesetzten Hoffnungen, als er das erste deutsche Schützenfest in Gotha ausrichten ließ. Die IZ berichtete in drei Artikeln über das Fest und in einem weiteren Artikel über Ernst selbst.1297 Zu dem vom 8. bis 12. Juli 1861 stattfindenden Ereignis hatten sich aus ganz Deutschland schätzungsweise 9000 Besucher und 900 Schützen in Gotha eingefunden, um ihre Leistungen aneinander zu messen.1298 Wie die IZ festhielt, war jedoch die dabei gezeigte „wahrhaft deutsche Gesinnung“ wichtiger als die Schießergebnisse.1299 Das Schützenfest wurde begleitet von dem zeitgleich stattfindenden Thüringischen Turnfest und zahlreichen weiteren Veranstaltungen wie den Turner- und Schützenbällen. Welche Rolle während dieser Festlichkeiten dem Herzog zukam, fasste die IZ wie folgt zusammen: „Die Seele des Ganzen war Herzog Ernst von Coburg und Gotha, welcher die Ehrenpräsidentschaft übernommen hatte und als solcher mit unermüdlichem Eifer und herrlicher Freundlichkeit die ankommenden Schützen empfing, den Berahtungen des Comité, sowie allen Zusammenkünften beiwohnte und alle Preise mit eigener Hand vertheilte.“1300

Die Bezeichnung „Seele“ mutet doch recht ungewohnt für einen Fürsten an, allerdings sollte dies die Auffassung unterstreichen, dass Ernst sich mit allen Belangen des Festes auseinandersetzte, ohne dabei von Standesdünkel geprägt zu sein. So wurde auch hervorgehoben, dass der Herzog „im schlichten bürgerlichen Rock“ die Schützen begrüßte und ein nachhaltiger Eindruck entstand, als Ernst „so warm

1296 1297 1298 1299 1300

Diese Beobachtung macht für Großbritannien ebenfalls Plunkett: Queen Victoria, 2003, S. 95. Vgl. Illustrirte Zeitung, Nr. 941, 13.07.1861, S. 26; Illustrirte Zeitung, Nr. 943, 27.07.1861, S. 67–70; Illustrirte Zeitung, Nr. 945, 10.08.1861, S. 100 ff. Vgl. Die Gartenlaube 1861, 33, S. 527. Illustrirte Zeitung, Nr. 941, 13.07.1861, S. 26. Ebd.

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7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

und so treu […] in der Sache der Nation zu der Nation“ sprach.1301 Interessant an der Berichterstattung der IZ waren auch die beigefügten Illustrationen. So zeigt die ganzseitige Zeichnung von F. I. Schneider den Zug der Schützen nach dem Schießplatz (Abb. 30). Zu sehen ist der Festzug der Teilnehmer, die in ihren unterschiedlichen Trachten über den Marktplatz von Gotha ziehen. An der Straßenseite werden sie mit ihren Fahnen von der zahlreich erschienenen Stadtbevölkerung begrüßt. Das gesamte Bild ist dabei bestimmt vom Motiv der Bewegung, die im Zug der Schützen und den wehenden Fahnen dargestellt wird. Folgt man der These von Hartwig Gebhardt, dann war das Bewegungsmoment eine typische Darstellungsart für nationale Zusammenkünfte und den damit erhofften Fortschritt und Wachstum, die schon in den Berichten vor 1861, aber auch danach immer wieder in der IZ verwendet wurde. Durch die kontinuierliche Produktion solcher Illustrationen und deren regelmäßigen Konsum verfestigten sich diese Bildmuster beim Publikum und konnten daher von diesem leichter entschlüsselt werden.1302 Die hier zu sehende Abbildung stellte demnach das Schützenfest von 1861 für den geübten Betrachter eindeutig in die lange Reihe nationaler Feste, ohne dass man dafür eine textliche Zuordnung benötigte. Das Auge folgt unweigerlich dem Zug der Schützen und gelangt zur Darstellung des Schlosses Friedenstein, der gothaischen Residenz Ernsts. Zwar entsprechen auch die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse der dargestellten Szenerie, allerdings steht zu vermuten, dass die dargestellte Perspektive nicht von ungefähr das Schloss als Allegorie der schützenden Macht Ernsts im Hintergrund zeigt.

1301 1302

Illustrirte Zeitung, Nr. 943, 27.07.1861, S. 70. Vgl. Gebhardt: Auf der, 1997, S. 310–313.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

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Abb. 30 F. I. Schneider: Das erste Schützenfest in Gotha: Zug der Schützen und Turner nach dem Schloßplatze am 8. Juli

Abb. 31 F. I. Schneider: Das erste Schützenfest in Gotha: Die Preisverleihung am 11. Juli

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7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Eine eindeutige Charakterisierung Ernsts als nationaler Erwecker bot die zweite Illustration der IZ (Abb. 31). Diese zeigt die Preisverleihung am 11. Juli vor dem Gabentempel. Auch hier sind wieder zahlreiche jubelnde Menschen zu sehen, welche eine lebhafte Szenerie erzeugen. In der Mitte des Bildes sieht man den Herzog bei der Preisverleihung. Allerdings gelingt es dem Zeichner des Bildes nicht, die charakteristische Physiognomie des Herzogs, die dem Leser bereits durch ein in der Gartenlaube wie in der IZ abgedrucktes Porträt vertraut sein musste,1303 einzufangen. Auch die elegante bürgerliche Kleidung des Herzogs gibt keinen eindeutigen Erkennungshinweis, den diesmal erst der Textverweis liefert. Über der Illustration der Preisverleihung ist eine Nahaufnahme des Giebels des Gabentempels abgedruckt. Diese zeigt ein von F. I. Schneider gefertigtes Bild, das den im Kyffhäuser schlafenden Kaiser Barbarossa darstellt, in welchem dieser durch den Lärm der waffenschmiedenden und waffenübenden Kobolde des Berges geweckt wird. Darüber ist die Inschrift Seid einig angebracht. Wenngleich diese Botschaft – die Schützen als weckende Kobolde1304 – recht einfach zu entschlüsseln gewesen sein dürfte, ist doch auf die Tatsache zu verweisen, dass die textliche Erklärung des Giebelmotivs in der IZ bereits zwei Wochen zuvor erfolgt war und somit ein Erinnerungsvermögen des Lesers verlangte. Die direkte Vertikale, die zwischen Barbarossa und Ernst im Holzschnitt besteht und die somit den Herzog als Ausrichter des Schützenfestes als den anführenden symbolischen Erwecker des schlafenden Kaisers deutet, wurde in ihrer Botschaft für den Leser durch die ungenaue Physiognomie und den fehlenden direkten Textverweis erschwert. Trotz allem ergänzten die Illustrationen den Text auf anschauliche Weise und sollten auch ungeübtere Leser ansprechen. Im Vergleich zum narrativen Stil der Gartenlaube war jedoch die Art der Vermittlung in der IZ anspruchsvoller. Wie sehr Ernst als Hoffnungsträger für das Erlangen der Deutschen Einheit gesehen wurde und welches mediale Ansehen er genoss, zeigt die Tatsache, dass die gern als unpolitisch auftretende Gartenlaube ihm anlässlich seines Geburtstages 1863 ein Gedicht von Friedrich Hofmann abdruckte.1305 Dieses zeichnet in den ersten drei Strophen die Unfähigkeit der nationalen Bewegung sowie der Fürsten in Bezug auf die Deutsche Frage nach. Als Lösung dieses Problems sieht das Gedicht in den Strophen vier und fünf als einzigen Retter den coburg-gothaischen Herzog: „In solcher wetterschwülen Zeit Erhebt den Geist der tief Gebeugten Ein Fürstenherz, dem Volk geweiht, Ein Mannesang’ voll Wetterleuchten. An Ihm hebt sich das Volk empor, Auf daß es fest zu halten wage,

1303 1304 1305

Vgl. Die Gartenlaube 1860, 2, S. 21, Illustrirte Zeitung, Nr. 943, 27.07.1861, S. 69. Der rechte Kobold trägt zudem die für einen Kobold untypische Waffe eines Gewehres, die einen weiteren Verweis auf die Schützen bildet. Vgl. Die Gartenlaube 1863, 31, S. 495.

7.3 MONARCHEN ALS THEMA DER ILLUSTRIERTEN VON 1848 BIS 1880

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Was es so bitter oft verlor: Die Hoffnung bessrer deutscher Tage. Um dieses Trostes willen kann Des Herzens Stimme heut nicht schweigen. Es sei mein Lied Dir, Fürst und Mann, Vom Volkesdank ein kleines Zeichen. Der Himmel führe Deinen Geist Und Du das Volk des Heiles Pfade, Daß segnend einst die Welt Dich preist: Er war ein Fürst, durch Gottes Gnade‘!“

Auch hier erscheinen nun schon bekannte Stereotype wie etwa Ernst als Hoffnungsträger für die Einheit, Ernst als volksnaher Herrscher und Ernst als Beschützer der politisch Verfolgten. Zugleich wurde aber neben dem Dank auch gefordert, dass Ernst in seinen Bemühungen nicht nachlassen, sondern sich weiter für die nationale Einheit einsetzen solle, da er nur so seiner von Gott gegebenen Stellung gerecht werden könne. Die Tatsache, dass Hofmanns Gedicht nicht unerwidert blieb, sondern von Ernst selbst ein Antwortschreiben erhielt, welches ebenfalls in der Gartenlaube abgedruckt wurde,1306 belegt, dass die Redaktion der Zeitschrift mit dem Herzog in Kontakt stand. Immerhin war dies schon das zweite direkte Schreiben, welches die Gartenlaube druckte. Eine unmittelbare Verbindung zum Verleger der Gartenlaube, Ernst Keil, lässt sich über den Schriftsteller Friedrich Gerstäcker nachweisen.1307 Es ist daher gut möglich, dass Ernst durch solche Mittelsmänner selbst eine Veröffentlichung des Gedichts oder anderer Artikel lancierte. Für eine erst später geplante Publizierung spricht auch, dass der herzogliche Geburtstag am 21. Juni stattfand, Ernsts Antwort mit 1. Juli datiert ist und die Veröffentlichung beider Schreiben in der Gartenlaube erst in der 31. Kalenderwoche, also Ende Juli erfolgte. Nachdem Ernst Hofmann gedankt hatte, schrieb er: „Ja wohl, die Zeit ist trüb! Zwietracht und Schwäche auf den Thronen, Mißgunst und Eigenliebe im Schooße der Parteien; viel hohle Phrasen und schöne Worte, wehende Fahnen und donnernde Hochs!! Wo sind die Handlungen, wo die Thaten? In tiefer Trauer schlägt das Herz des wahren Patrioten, und wehmüthig schweifen seine Blicke umher nach Gesinnungsgenossen. Ruhiges Erwägen, großherziges Selbstverleugnen, unbedingtes Unterordnen unter die erwählten Führer fehlen, nicht Muth und Begeisterung. O möchte das deutsche Lied, der fromme deutsche Sänger, dem Volke vor Allem jene Tugenden preisen! Nur durch sie können wir einst werden: ein freies Volk „durch Gottes Gnade“. Coburg, 1/7 63. Ihr ergebener/Ernst.“1308 1306 1307 1308

Vgl. ebd. Vgl. StACo, LA A, Nr. 7402, fol. 63r+v, die Akte enthält den Briefwechsel von Ernst II. mit Friedrich Gerstäcker, der wiederum Artikel in der Gartenlaube veröffentlichte. Die Gartenlaube 1863, 31, S. 495, Hervorhebungen im Original.

320

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Das Schreiben des Herzogs sollte Hofmann in allen seinen Hoffnungen dem Herzog gegenüber bestätigen. Auch Ernst selbst inszenierte sich als „wahrer Patriot“, der sich unfähigen Bundesgenossen und Parteien gegenübersah. Nur durch „[r]uhiges Erwägen, großherziges Selbstverleugnen, unbedingtes Unterordnen unter die erwählten Führer“ sei eine Lösung möglich. Es schwingt in diesen Zeilen mit, dass Ernst der Auffassung war, alle diese „Tugenden“ zu besitzen. Der Verweis, nur durch diese ein „freies Volk ‚durch Gottes Gnade‘“ werden zu können, bezieht sich direkt auf die letzte Zeile von Hofmanns Gedicht und sollte noch einmal Ernsts Intention bestärken, dass nicht das Wohl der Fürsten, sondern das des Volkes im Mittelpunkt seiner Bestrebungen stehe.

7.3.2.3 Ernst II. in der Presse – ein atypisches Beispiel Unabhängig von der Wirkmächtigkeit von Ernsts Bemühungen, welche an anderer Stelle zu bewerten sind, ist festzustellen, dass ihm die mediale Verbreitung seiner Ideen und Tätigkeiten sehr wichtig war. Die hier vorgestellten Artikel waren nicht die einzigen Mittel, welche Ernst hierfür nutzte. Die 1861 erschienene Schrift Der Herzog von Gotha und sein Volk von Eduard Schmidt-Weißenfels, welche eine mehrseitige biografische Skizze des Herzogs durch diesen selbst enthielt, erreichte noch im Escheinungsjahr die fünfte Auflage.1309 Auch seine Afrikareise verarbeitete er in Buchform.1310 In der gleichen Tradition stand sein auf drei Bände angelegtes Memoirenwerk Aus meinem Leben und meiner Zeit.1311 Zudem ist ihm die Umsetzung seines Anliegens durch die Nutzung um 1860 noch unkonventioneller Methoden – etwa die erwähnte Begleitung seiner Reise durch Pressemitarbeiter oder die Zeitungsveröffentlichung privater Briefe – außerordentlich gut gelungen. Wenn einleitend daher festgestellt wurde, dass die Darstellungen in Familienblättern und Illustrierten nur in seltenen Fällen von den Herrschern selbst beeinflusst wurden, belegt das Beispiel des coburg-gothaischen Herzogs sehr eindrücklich, wie sich diese neuen Printmedien dennoch nutzen ließen. Da Ernst im ständigen Austausch mit bedeutenden Schriftstellern seiner Zeit,

1309

1310

1311

Vgl. Eduard Schmidt-Weißenfels: Der Herzog von Gotha und sein Volk: ein Aufsatz, Leipzig 1861. Diese Schrift fand ebenfalls Niederschlag in den hier besprochenen Zeitschriften: Die Gartenlaube 1861, 33, S. 528; Illustrirte Zeitschrift Nr. 947, 24.08.1861, S. 130 f. Reise des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha nach Ägypten und den Ländern der Habab, Mensa und Bogos erschien unter der Mitarbeit von Gustav Freytag 1864 in Leipzig. Die großformatige Prachtausgabe hatte eine Auflage von 260 Exemplaren, die allerdings nicht alle verkauft wurden, siehe dazu http://www.landesbibliothek-coburg.de/ernst_ii.htm, letzter Abruf: 05.08.2017, 16.00 Uhr, über die Vorbereitungen gibt auch der Schriftwechsel zwischen dem Herzog und Freytag Auskunft, siehe Ernst II., Freytag, Briefwechsel, 1904, S. 166–173. Vgl. Kapitel 6.1.3; zur Besprechung in Familienblättern siehe Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha, Die Gartenlaube 1889, 16, S. 275; Denkwürdigkeiten des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha, Die Gartenlaube 1890, 6, S. 194.

7.4 ZEITSCHRIFTEN VON 1900 BIS 1918

321

wie etwa Gerstäcker und Freytag1312 stand, ergaben sich über diese immer wieder Kontakte zu den Redaktionen der Familienblätter. Andererseits fragten diese aber auch selbst bei Ernsts zuständigem Kabinettsrat Meyern-Hohenberg, der anscheinend als Pressebeauftragter diente, bezüglich der Vermittlung von Artikeln über den Herzog an.1313 Die Korrespondenz mit Meyern-Hohenberg oder auch der Schriftwechsel zwischen Gerstäcker und Ernst II. zeigen, dass der Herzog selbst stets das letzte Wort hatte, welche Berichte über ihn veröffentlicht werden durften – selbst ein Artikel über die auf der Afrikareise beobachtete Feuerjagd bedurfte der Genehmigung des Herzogs.1314 Es ist daher besonders charakteristisch für Ernst, dass die Berichterstattung über ihn keine Demonstration fürstlicher Macht war, sondern gerade seine liberalen Ideen zum Thema haben sollten. Da er durch die Vermarktung dieser Ideen für die Presse wie kein anderer deutscher Fürst interessant geworden war, erschienen immer häufiger Artikel, die den Herzog als Privatmann darstellten. Diese Entwicklung ist für die Jahre bis 1870 eher untypisch, da die Hochphase der sogenannten homestories in Deutschland erst um 1890 einsetzte.1315

7.4

Zeitschriften von 1900 bis 1918: Rasanter Wandel und die Dominanz des Bildes

7.4.1

Neuerungen in Technik und Vertrieb sowie neue Zeitschriften

Um 1900 wandelte sich der Zeitschriftenmarkt umfassend, was hauptsächlich auf zwei Entwicklungen zurückzuführen ist. Erstens wurden die bisher auf Holzstichen beruhenden Zeichnungen fast vollständig durch Fotografien abgelöst. Zwar war es schon 1883 durch das Autotypieverfahren,1316 welches ein Foto in einzelne Punkte umsetzte, gelungen, Fotografien für die Druckpresse aufzuarbeiten, dennoch hatte dies aufgrund des Kostenaufwandes und des benötigten qualitativ hochwertigen Papieres nicht zu einer sofortigen Wende im Erscheinungsbild der Illustrierten geführt.1317 Zum einen waren Zeichnungen für die Verlage noch immer kostengünstiger, zum anderen hatten sie gegenüber den oftmals noch statisch

1312 1313 1314 1315 1316 1317

Vgl. Ernst II., Freytag, Briefwechsel, 1904. Vgl. StACo, LA A, Nr. 7420, fol. 59r+v. Vgl. ebd., fol. 63r+v. Geisthövel: Den Monarchen, 2003, S. 61. Vgl. Saskia Asser/Liesbeth Ruitenberg: Der Kaiser im Bild – Wilhelm II. und die Fotografie als PR-Instrument, in: Asser: De keizer, 2002, S. 48. Vgl. Wolfgang Pensold: Eine Geschichte des Fotojournalismus. Was zählt, sind die Bilder, Wiesbaden 2015, S. 28.

322

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

wirkenden Fotos den Vorteil, ein Ereignis fokussierter, bewegter und somit dramatischer darstellen zu können.1318 Um die Jahrhundertwende war die Fotografie durch die kürzere Belichtungszeit und den damit möglichen Verzicht auf das Stativ allerdings so weit entwickelt, dass sie diesen Nachteil ausgleichen konnte, sodass nun der Augenzeugenschaft des Fotografen, der im Gegensatz zum Zeichner vor Ort gewesen sein musste, der Vorzug gegeben wurde.1319 Obwohl die Fotografie seit ihrer Erfindung stets begleitet war von Manipulationen, hatte das Foto den Nimbus der unverfälschten Wirklichkeitsspiegelung beibehalten – selbst Zeichnungen erschienen nun mit dem qualitätssteigernden Hinweis Nach einer photographischen Vorlage. Zweitens hatte die im Deutschen Reich 1904 erfolgende Aufhebung des Kolportageverbotes umfassende Auswirkungen auf den Absatzmarkt der Zeitungen. War deren Vertrieb zuvor nur im Abonnement erlaubt gewesen, durften nun die Zeitungen im freien Straßenverkauf vertrieben werden. Dies führte dazu, dass ein Wettlauf der verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften um die neuesten Informationen und die wirkmächtigsten Bilder einsetzte. Im Bereich der Illustrierten bedeutete dies eine enorme Aufwertung des Titelblattes, welches nun als Blickfang und Aushängeschild für die gesamte Ausgabe wirkte und dementsprechend gestaltet werden musste.1320 Die traditionellen Familienblätter, bei denen die Titelvignette meist schon ein Viertel der Seite ausmachte, folgten diesem Trend nur langsam. Es ist daher nicht verwunderlich, dass deren Erfolg um 1900 seinen Zenit überschritten hatte und nun im Deutschen Reich die seit 1892 erscheinende Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ) und die 1899 gegründete Die Woche zu den erfolgreichsten Zeitschriften avancierten. Diese trotz allem preiswert produzierten Zeitschriften konnten mit einem Preis von 10 Pfennig – der nun nicht mehr im Voraus, sondern nur noch pro Ausgabe zu entrichten war – von allen Schichten erworben werden, weshalb die Auflagenhöhe schnell die Millionengrenze erreichte.1321 Im Gegensatz zur Illustrirten Zeitung aus Leipzig setzte die BIZ hauptsächlich auf Unterhaltung und Entspannung durch immer neue Bilder und kurzweilige Artikel, die den Leser nicht zu sehr mit Informationen überhäuften. Insgesamt folgte die BIZ mehr den neuen USamerikanischen Trends der dort entstehenden yellow press1322 und war teilweise boulevardartiger angelegt als die ältere IZ aus Leipzig.1323 Dennoch waren die Unterschiede nicht so groß, als dass sie die unterschiedlichen Auflagenhöhen hätten erklären können. Der Wettbewerbsvorteil der BIZ lag vermutlich an ihrer Novität,

1318 1319 1320 1321

1322 1323

Vgl. Holzer: Rasende Reporter, 2014, S. 54. Vgl. Pensold: Eine Geschichte, 2015, S. 9. Vgl. Holzer: Rasende Reporter, 2014, S. 63. Die Auflage der Berliner Illustrirten Zeitung lag 1906 bei 800.000 und überschritt im Laufe des Ersten Weltkrieges die Millionengrenze, vgl. Christian Ferber: Berliner Illustrirte Zeitung. Zeitbild, Chronik, Moritat für jedermann 1892–1945, Frankfurt/M. u. a. 1982, S. 6. Vgl. Pensold: Eine Geschichte, 2015, S. 27. Einen guten Überblick mit Beispielartikeln aus jedem Jahr liefert: Ferber: Berliner Illustrirte, 1982.

7.4 ZEITSCHRIFTEN VON 1900 BIS 1918

323

dem schon erwähnten Straßenverkauf und, damit verbunden, ihrem Erscheinungsort Berlin, der einen höheren Absatzmarkt mit sich brachte.

7.4.2

Bewährte Themen und höfische Einflussnahme

Auch in der BIZ waren die kaiserliche Familie und internationale Monarchen weiterhin ein häufiges Thema.1324 So gab es ungefähr in jeder dritten Ausgabe ein Foto mit oder ohne begleitenden Artikel über Wilhelm II. oder seine engsten Familienangehörigen.1325 Aber auch die Bundesfürsten waren in Bezug auf wichtige Ereignisse wie Hochzeiten, Sterbefälle und Skandale weiterhin Teil der medialen Berichterstattung in IZ und BIZ. Zwar erreichte keiner von ihnen die Aufmerksamkeit, die Wilhelm II. in einem überregionalen Blatt naturgemäß auf sich zog, auf die gesamte Gruppe der Bundesfürsten kamen aber in summa immerhin etwa so viele Meldungen wie auf den Kaiser. Dies belegt, dass die Bundesfürsten keineswegs aus der nationalen Öffentlichkeit verschwanden, sondern dass vielmehr die partikulare, kleinstaatliche Prägung des Reiches stets sichtbar blieb. Trotzdem war das unbestreitbare Inszenierungstalent Wilhelms II. für die überregionale Sichtbarkeit der Bundesfürsten eine Konkurrenz, der kaum adäquat begegnet werden konnte. Als die BIZ meldete, das kaiserliche Porträt sei das am dritthäufigsten gekaufte des Jahres 1899 gewesen, begründete sie dies treffend: „Bei den vielen, vielen Reisen des Kaisers ist das auch kein Wunder, bei der so markanten individuellen Veranlagung des Kaisers erst recht nicht.“1326 Auf den Plätzen zwei und drei folgten das Bild des Papstes und des Prince of Wales, welche die Porträts Wilhelms an Mannigfaltigkeit und Originalität allerdings, so die BIZ, überbieten würden. Im Vergleich zu den bundesfürstlichen Höfen war der kaiserliche Hof weitaus versierter und zielstrebiger in Bezug auf eine stete Präsenz Wilhelms II. in den Medien und trieb diese auch im Bereich der Illustrierten konsequenter voran. Die Vorgehensweise des Kaiserhofes beleuchten beispielsweise die Memoiren des Redakteurs Paul Fechter: „Eines Tages erschien auf der Redaktion […] ein Abgesandter des Hofes und wünschte die Herren der Redaktion zu sprechen. Man empfing ihn; er setzte sich, äußerte viel Lobendes über das neue Blatt und daß es sehr anerkennenswert sei, daß die Herren so viele Aufnahmen aus der Welt des Hofes brächten. Majestät läsen das Blatt auch regelmäßig und hätten sich ebenfalls sehr erfreut darüber geäußert. Nur eines wäre zu sagen: Warum die Herren denn immer nur die Jagdstrecke Rominten mit dem Oberhofjägermeister und den Grafen Hochberg oder Herrn von Hülsen im Theater brächten und nicht einmal Majestät selbst? Das Publikum würde sich doch sicher dafür interessieren, den Monarchen in Wiesbaden bei einer Regierungssitzung zu sehen oder in Danzig auf einem Torpedoboot, und Majestät würde das ebenfalls günstig vermerken. Er wolle diese Anregung nur weitergeben, entscheiden müßten die Herren der Redaktion allein. Von dem Tag an brachte die ‚Woche‘ vorne und 1324 1325 1326

Vgl. etwa ebd., S. 52 f., 59 f., 106 u. w. Neben ebd. wurden als Stichproben die BIZ der Jahre 1904 und 1906 untersucht. Zitiert nach ebd., S. 52.

324

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

hinten und in der Mitte Bilder aus dem Leben des Kaisers: der Monarch daheim, der Monarch in Potsdam, der Monarch am Schreibtisch, der Monarch beim Besuch eines Ateliers.“1327

Diese Darstellung weist beispielhaft auch auf die inoffizielle Beeinflussung der Medien hin, die um 1900 alltäglich geworden war.1328 Dominik Petzold hat eindrücklich herausgearbeitet, wie weit die Öffentlichkeitsarbeit unter Wilhelm II. gediehen war und wie diese immer wieder von ihm selbst beeinflusst wurde. So gab Wilhelm II. beispielsweise häufig persönliche Anweisungen in Bezug auf die Ausgestaltung monarchischer Festlichkeiten,1329 legte Wert darauf, dass viele preiswert zu erwerbende Kaiserbilder im Umlauf waren1330 und ließ regelmäßig Berichte über seine Nordlandfahrten an die Tageszeitungen telegrafieren.1331 Zudem besaß er seinen eigenen Kinematografen, der es ihm erlaubte, erheblich auf die von ihm verbreiteten Filmaufnahmen Einfluss zu nehmen, sodass er bald zu einem der ersten Kinostars avancierte.1332 Auch in der Habsburgermonarchie wurde der Zusammenarbeit mit der Presse zunehmend Bedeutung eingeräumt. So war bereits die mediale Präsenz Franz Josephs I. um 1900 rasant angestiegen und hatte erheblich zu seinem Image als volkstümlicher Kaiser beigetragen. Zudem konnte so in den letzten Lebensjahren des Kaisers der Schein der Agilität des über Achtzigjährigen aufrechterhalten werden, auch, als dieser körperlich schon nicht mehr in der Lage war, bei wichtigen und alltäglichen Ereignissen oder den propagierten Jagderfolgen persönlich anwesend zu sein. Für das abwesende, Zeitung lesende Publikum blieb das kaiserliche Fehlen durch die gleichbleibende Präsenz in den Printmedien beinahe unbemerkt.1333 Unter seinem jungen Nachfolger Karl I. wurde die Öffentlichkeitsarbeit mit der Gründung des Pressedienstes für die Allerhöchsten Herrschaften am 20. Februar 1917, dessen erklärtes Ziel die Förderung der Anhänglichkeit und Liebe in der Bevölkerung war, professionalisiert. Unter anderem waren die Beamten des Pressedienstes dafür zuständig, dass Fotografien noch am gleichen Tag die zuständigen Redaktionen erreichten und somit einen ständigen Nachweis über die Tätigkeit des Kaisers lieferten. Eine Sondernummer zeigte sogar 141 Fotografien des Kaisers.1334 In Bezug auf die Bundesfürsten lassen sich in den Akten nur vereinzelt Hinweise auf die Pressearbeit finden, allerdings wurden auch bei diesen trotz einer fehlenden Institution für Öffentlichkeitsarbeit Pressetexte vorbereitet, Presseanfragen

1327 1328 1329 1330 1331 1332 1333 1334

Paul Fechter: An der Wende der Zeit. Menschen und Begegnungen, Göttingen 1949, S. 388. Vgl. Petzold: Der Kaiser, 2012, S. 240. Vgl. ebd., S. 133. Vgl. ebd., S. 177. Vgl. ebd., S. 263. Vgl. ebd., S. 255. Vgl. Holzer: Rasende Reporter, 2014, S. 78 ff. Vgl. ebd., S. 88.

7.4 ZEITSCHRIFTEN VON 1900 BIS 1918

325

schnell bearbeitet, loyale Zeitungen unterstützt sowie eigene Berichterstatter, etwa für Reisen, gestellt.1335 Um 1900 traten zudem neben den Monarchen auch noch weitere herausgehobene Persönlichkeiten wie führende Politiker, Industrielle, bekannte Schauspieler und Sänger in den Mittelpunkt des Interesses. Aber auch bei diesen Personen stand das Unterhaltende der Illustrierten im Mittelpunkt, sodass die Berichte über führende Staatsmänner wie Reichskanzler Bethmann-Hollweg1336, den Industriellen Gustav Krupp von Bohlen und Halbach oder die BIZ-Serie Unsere Minister zu Hause darauf abzielten, diese Männer innerhalb ihres privaten Umfeldes zu thematisieren.1337

7.4.3

Die Dominanz des Bildes

Auch für die IZ aus Leipzig, welche hier als Beispiel für die bisher untersuchten Zeitschriften noch einmal näher betrachtet werden soll, waren die oben geschilderten Entwicklungen bedeutsam. Sie führte wie die neuen Straßenverkaufsschlager eine ganzseitige Titelillustration ein und verschlankte die Titelvignette. Da sie sich am Wettlauf um die neuesten Nachrichten nicht beteiligen wollte oder konnte – hier dominierten nun die Tageszeitungen –, kam es zu einer Themenverlagerung. Das um 1850 16 bis 20 Seiten umfassende Blatt hatte gegen 1900 nicht nur seine Seitenzahl verdoppelt, sondern auch sein Themenspektrum erweitert. So gab es nun deutlich mehr Mode- und Reiseberichte, Fortsetzungsromane, Gemäldeabdrucke und häufig sogar ganze Themenausgaben. Dass die Welt um die Jahrhundertwende zu komplex und schnelllebig für kurze Spaltenmeldungen über teils mehrere Tage bis Wochen zurückliegende monarchische Neuigkeiten geworden war, zeigte sich auch daran, dass die seit fast 50 Jahren erscheinenden Hofnachrichten Anfang 1902 eingestellt wurden. Fortan blieben die Meldungen über Geburten, Jubiläen und An- und Abfahrten monarchischer Herrschaften den regionalen Zeitungen überlassen. In dieser Redaktionsentscheidung ist jedoch kein Desinteresse an der Monarchie zu sehen, die weiterhin ein beliebtes Dauerthema blieb, sondern ein Zeichen einer allgemeinen Entwicklung weg vom statisch wirkenden Nachrichtenticker. So wurden auch die langetablierten Culturgeschichtlichen Nachrichten ab 1904 eingestellt. Ebenso wie die nun erfolgreicheren Berliner Illustrierten wandelte sich das Bild-Text-Verhältnis der IZ gravierend. Hatte sich die Berichterstattung zwischen Text und Bild während des gesamten 19. Jahrhunderts die Waage gehalten, stieg der Bildanteil der IZ um 1910 auf 85 % an. Dies bedeutete ein gänzlich anderes Erscheinungsbild als noch zur Jahrhundertmitte. Fortan war es in allen Illustrierten 1335 1336 1337

Vgl. BayHStA, GHA, Kabinettsakten König Ludwigs III.: Nr. 25, 54, 131; Vgl. SächsHStA, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9542, fol. 45v+r. Vgl. Ferber: Berliner Illustrirte, 1982, S. 126 ff., 133. Vgl. ebd., S. 155 f., Unsere Minister zu Hause siehe verschiedene Ausgaben der BIZ 1904.

326

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

üblich, dass Bild und Textunterschrift allein als Nachrichtendarstellung ohne jeglichen erklärenden Artikel genügten.1338 Dies wirkte sich auch auf die Darstellung der Monarchen aus, wie an zwei Beispielen illustriert werden soll. So zeigte eine Ausgabe vom Sommer 1911 Friedrich August III. von Sachsen beim Besuch einer Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft in Oschatz (Abb. 32).1339

Abb. 32 Hermann Koczyk: Vom Besuch des Königs Friedrich August von Sachsen auf der Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft in Oschatz am 22. Juni

Zu sehen ist dabei das geschmückte Ausstellungsgelände und zahlreiche Honoratioren, welche den König begrüßen. Dieser ist dabei für heutige, ungeübte Betrachter eher schwierig auszumachen. Dass er von der Zeitung aber nicht gekennzeichnet wurde, spricht für die allgemeine Vertrautheit der Leserschaft mit dem Antlitz des Königs. Das Bild an sich enthält kaum einen ästhetischen Wert, der den Druck rechtfertigen würde. Vielmehr handelte es sich um einen Schnappschuss, wie er dem Fotografen vor die Linse kam. Genau darin bestand aber das Neue, was den Abdruck des Fotos wiederum rechtfertigte. Erst durch die technische Weiterentwicklung der Fotografie, die gekennzeichnet war durch hoch lichtempfindliche Trockenplatten, lichtstarke Objektive sowie schnelle Verschlüsse, welche die Belichtungszeit auf eine Tausendstelsekunde minimierten, wurde die Verwendung

1338

1339

Die BIZ zeigte etwa 1904 unter der Überschrift Verlobung in Hessen die Porträts und Namen von Ernst Ludwig und Eleonore, ein erläuternder Artikel blieb aus, siehe BIZ Nr. 49, 1904, S. 794. Illustrirte Zeitung, Nr. 3549, 06.07.1911, S. 20.

7.4 ZEITSCHRIFTEN VON 1900 BIS 1918

327

von handlichen Kameras und damit das Erstellen von Momentaufnahmen möglich.1340 Für die Monarchen brachte diese Weiterentwicklung hin zur Momentfotografie Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits erweiterte sich mit dem neu hinzugekommenen Bildtyp ihr Inszenierungspotential, andererseits war das Aufkommen von Handkameras auch der Startpunkt eines stetig zunehmenden und schwieriger zu kontrollierenden Voyeurismus. Nicht zufällig verweist das Wort Schnappschuss auf Parallelen zur Jagd – es geht darum, als Erster die Beute, das Fotoobjekt, zu jagen und zu „schießen“ – wenngleich nur mit dem Blitz der Kamera.1341 Im hier vorgestellten Beispiel zeigt es den König auf einem im 19. Jahrhundert etablierten Ausstellungsbesuch außerhalb seiner Residenz. Da es keinen erläuternden Artikel gab, wurde der nähere Ablauf des Besuchs – Dauer, Ansprachen etc. – schlicht als uninteressant abgetan. Der Nachrichtenwert bestand allein in der Tatsache, dass der König in Oschatz war, und dies kann der Schnappschuss vermitteln. Die neuartige Form der Bildberichterstattung hatte gegenüber der Zeichnung den Vorteil, aus dem Monarchen fast einen König zum Anfassen zu machen, und gab dem Betrachter das Gefühl, selbst anwesend zu sein. Diese Art der Reportage korrespondierte zudem mit der Entwicklung, die die Landesreisen im 19. Jahrhundert durchlaufen hatten. Da um 1850 noch die Überprüfung diverser Sachverhalte vor Ort durch den König im Vordergrund stand, wurde ausführlich über die Reisen berichtet.1342 Um 1900 fungierte der Monarch jedoch nicht mehr als erste Prüfinstanz, sondern als Repräsentant des Landes und der Gemeinschaft. Somit garantierte der Besuch eines Herrschers auch immer mediale Aufmerksamkeit für die Besuchten. Das abgedruckte Foto zeigte demnach einerseits, dass der König seiner Repräsentationspflicht nachkam, war andererseits aber auch eine Werbebotschaft für die Stadt Oschatz und ihre Ausstellung. Diese Nutzung der dem Monarchen entgegengebrachten Aufmerksamkeit für diverse regionale industrielle, gewerbliche, kulturelle und soziale Projekte war ein weiterer Schritt hin zur Verschiebung des Schwerpunktes vom politischen auf den repräsentativen Aspekt der Rolle des Staatsoberhauptes. Wie sehr die Illustrierten um 1900 vom Medium Bild geprägt wurden, belegt auch eine abgedruckte, ganzseitige Fotografie in der IZ aus dem Jahre 1911. Sie zeigt das coburg-gothaische Herzogspaar mit Prinzessin Alexandra Viktoria, der Frau des Kaisersohnes August Wilhelm von Preußen im Hofe der Veste Coburg (Abb. 33).1343 Für dieses Bild gibt es außer den privaten Besuch der Prinzessin kein auszumachendes Ereignis, welches den Abdruck erklären würde. Alle drei Personen blicken freundlich in die Kamera, die Frauen tragen Sommerkleider, 1340 1341

1342 1343

Vgl. Pensold: Eine Geschichte, 2015, S. 28. Vgl. Phillips: Looking out, 2010, S. 14. Im englischen Sprachgebrauch deutet die Wendung to take a photo of somebody auch daraufhin, dass im späten 19. Jahrhundert noch die Angst verbreitet war, dass das Fotografieren die Seele rauben könnte, S. 12. Vgl. Kapitel 5.1.2. Illustrirte Zeitung, Nr. 3561, 28.09.1911, S. 511.

328

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Sonnenhut und -schirm, der Herzog eine Jägeruniform. Bis auf die Bildunterschrift, welche die Personen und den für das Foto verantwortlichen Eduard Uhlenhuth aus Coburg, den Hoffotografen des Herzogs, nennt, gibt es keinerlei weitere Informationen. Das Bild wirkt dadurch in der Gesamtschau etwas verloren, ist aber schon ein Vorläufer der fast nur noch vom flüchtigen Bild lebenden Boulevardpresse – mit dem Unterschied wohlgemerkt, dass es sich hier nicht um die Aufnahme eines unautorisierten Pressefotografen, sondern um eine vom Hof genehmigte Abbildung handelte. Auch ging man noch nicht so weit, dem Leser eine womöglich vom Redakteur erdachte Deutung bzw. Geschichte vorzugegeben.

Abb. 33 Eduard Uhlenhuth: Herzog Karl Eduard und Herzogin Viktoria Adelheid von Sachsen-Coburg und Gotha mit der Prinzessin August Wilhelm von Preußen im Hofe der Feste Coburg

7.4 ZEITSCHRIFTEN VON 1900 BIS 1918

329

Es ist mithin zu konstatieren, dass erst die Fotografie den radikalen Schritt hin zu einer alleinigen Bildberichterstattung ermöglichte. Dies ist dem hohen Maß an Authentizität geschuldet, welches der Fotografie um 1900 zugeschrieben wurde, da diese, wie Wolfgang Pensold zu Recht festhält, nicht nur illustrierende Bilder, sondern historisch prägende Bilddokumente erzeugte.1344 Am vorgestellten Beispiel wird zudem abermals besonders deutlich, wie sehr sich die Funktion der Bundesfürsten – aber auch die anderer monarchischer Staatsoberhäupter – von der Ebene der Politik, also des Inhalts, auf die Ebene der Repräsentation verschoben hatte. Das an sich bedeutungslose Bild des Herzogspaares spiegelt die Auffassung wider, dass dieses per se abbildungswürdig sei. Dies lag zum einen an der identitätsstiftenden Rolle, die dem Herzogspaar zukam, zum anderen an dessen Vorbildfunktion als erstem Paar des Landes und nicht zuletzt am voyeuristischen Interesse der Leser an herausgehobenen Personen, welches durch deren häufigere Präsenz noch bestärkt wurde. Letzteres wiederum wurde von den Verlegern für eine Steigerung ihrer Auflagenzahlen und damit ihres kommerziellen Gewinns begierig ausgenutzt. Da prinzipiell jegliches Handeln der Bundesfürsten durch die Medien für reportagewürdig befunden wurde, konnte das mit den Monarchen verbundene Interessenpotential auch auf andere Bereiche, wie Ausstellungen, Fabrikate oder Ortschaften übertragen werden, die dann von dieser Aufmerksamkeit zusätzlich profitierten.

7.4.4

Voyeuristische Anfänge und die Jagd nach dem Bild

Das Abdrucken von Fotografien in Zeitschriften stellte einen wichtigen Wendepunkt in deren Geschichte dar. Wie die biblische Geschichte der Susanna im Bade zeigt, ist das Verlangen danach, das Verbotene und Mysteriöse zu sehen, eine beinahe anthropologische Konstante. Dabei begrenzen sich voyeuristische Tendenzen nicht nur auf das Sexuelle, sondern richten sich auch auf Darstellungen von Gewalt oder auf berühmte Persönlichkeiten. Im Fokus steht vielmehr das begehrte Wissen, dass das, was man nun zu sehen bekam, vor der Erfindung der Fotografie und der massenhaften Bildreproduktion privilegierten Blicken vorbehalten war.1345 Während die Zahl der Menschen, die um 1800 eine Darstellung ihres Herrschers kannten, äußerst gering war, gab es um 1900 wohl keinen, der diesen nicht schon einmal auf einem, noch dazu viel lebensnaheren, Foto gesehen hatte. Noch größer aber war das Verlangen danach – vergleichbar mit den Alten, die Susanna beobachteten – zu sehen, was diese der normalen Lebensrealität entrückten Menschen überhaupt taten, oder gar ihre Schwächen zu entdecken. Häufig belegten die Bilder nur, dass die Dargestellten ebenfalls nur Menschen waren. Es begann daher, wenngleich nur langsam, die Jagd nach unbeobachteten Momenten, die den Monarchen 1344 1345

Vgl. Pensold: Eine Geschichte, 2015, S. 30. Vgl. Phillips: Looking out, 2010, S. 11.

330

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

etwa gähnend, mürrisch oder gelangweilt zeigten. Dabei setzte dies schon um 1900 ein, z. B. während des Diamantenen Thronjubiläums Victorias von Großbritannien 1897, als die Fotografen versuchten, diese in einem unbedachten Moment fotografisch festzuhalten. Die ihr nachfolgenden Generationen wie Edward VII. oder Wilhelm II. mussten bereits energischer gegen dieses fotografische Jagdverhalten vorgehen.1346 1899 warb die britische Illustrierte Penny Pictorial Magazine mit Taken Unawares Snap Shots of Celebrated People. Und nur wenig später avancierte Erich Salomon zum talentiertesten, versteckt agierenden Bildreporter der Weimarer Republik, der seine Kameras in großen Zylindern, Westen- oder Aktentaschen versteckte und damit verbotenerweise in Gerichtssälen und allen großen Konferenzen der 1920er-Jahre fotografierte.1347 All diese Entwicklungen wurden erst durch die Fotografie und ihre Verbreitung in den Medien möglich. Diese bildete daher auch den Grundstein der modernen Starkultur, deren erste Vertreter die Monarchen waren1348 und bis heute, wenn sie ihre Stellung noch innehaben, auch weiterhin sind. Dabei ist die Lust am Klatsch, gerade über Monarchen, besonders charakteristisch für den modernen Menschen. Waren die Menschen in vormodernen Gesellschaften vorwiegend in ein Sozialgefüge aus Familie, Bekannten und der Dorfgemeinschaft eingebunden, führte die steigende Mobilität dazu, dass vor allem in städtisch geprägten Regionen zwischen zwei Menschen häufig kaum noch Deckungsgleichheiten in Hinblick auf ihre sozialen Kontakte bestanden. Hier boten sich allseits medial bekannte Figuren als soziales Bindemittel an, über die man schnell problemlos kommunizieren konnte. Überspitzt formuliert wurden so Medienfiguren zu einer Art Ersatzfamilie, zu denen der Zeitungsleser durchaus vergleichbare Bindungen – parasoziale Interaktionen genannt – wie Interesse, Identifikation, Zuneigung aber auch Ablehnung aufbauen konnte. Dabei wurden diese Gefühle fast genauso intensiv erlebt, als ob man die medial vermittelte Person tatsächlich kennen würde. Wie bei einem Familienmitglied war man interessiert an neuen Informationen über die verehrte Person und sammelte Fotografien, Postkarten und Zeitungsartikel.1349 Natürlich nahm dieses Phänomen um 1900 erst seinen Anfang, es kann jedoch das zunehmende Interesse an jeglichem Handeln der Monarchen erklären. Für die Legitimität der Bundesfürsten konnte dieses Interesse, welches auch ganz bewusst auf deren Schwachstellen zielte, jedoch nur eine unsichere Säule ihrer Machtbehauptung sein. Dazu hätte die oberflächliche Aufmerksamkeit des Publikums, die im kürzesten Fall nur ein Seitenumschlagen

1346 1347 1348 1349

Vgl. Sandra S. Phillips (Hrsg.): Exposed: voyeurism, surveillance, and the camera since 1870, San Francisco, New Haven 2010, S. 90. Vgl. ebd., S. 90. Vgl. dazu die Untersuchung von Petzold zu Wilhelm II. als ersten deutschen Filmstar: Petzold: Der Kaiser, 2012, S. 67. Vgl. Christian Schuldt: Klatsch! Vom Geschwätz im Dorf zum Gezwitscher im Netz, Frankfurt/M. 2009, S. 99–102.

7.5 ZWISCHENFAZIT

331

währte, permanent aufrechterhalten werden müssen. Zudem war es in einer zunehmend voyeuristisch geprägten Gesellschaft unmöglich, die Aufmerksamkeit ausschließlich auf positive Sachverhalte zu lenken. Dass mit der zunehmenden medialen Beobachtung auch Tatsachen an die Öffentlichkeit gelangten, die man lieber im Verborgenen gehalten hätte, war daher unvermeidlich. Es ist mithin symptomatisch, dass nicht nur der Deutsche Kaiser immer wieder der Mittelpunkt einer skandalliebenden Öffentlichkeit wurde, sondern auch die Bundesfürsten.1350

7.5

Zwischenfazit

Die Untersuchung der Darstellung von Monarchen in Familienblättern und Illustrierten ist besonders aufschlussreich, weil es sich bei diesen einerseits um neue, erst um 1848 entstandene Medien handelte, andererseits, da diese in ihrer Entwicklung einem rasanten Wandel unterlagen. Wie gezeigt werden konnte, war von 1848 bis 1918 die Monarchie das Thema mit der größten Konstanz im Bereich der Illustrierten und Familienblätter. Dabei war in der Art und Weise der Berichterstattung zunächst ein Stil des Bekanntmachens zwischen Leser und Fürst vorherrschend. Im Fall Ernsts II. von Sachsen-Coburg und Gotha wurde sogar eine Entwicklung vorweggenommen, die eigentlich erst typisch für das Kaiserreich war: die durch narrative Berichte imaginierte Beziehung zwischen Untertan und Fürst. Für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesfürsten waren diese neuen Blätter ein großer Gewinn, da sie für die bis ca. 1900 durchweg positiv konnotierten Berichte über sich kaum selbst aktiv werden mussten. Eine Auswertung aller Titelblätter der IZ vom Zeitpunkt ihres Entstehens 1843 bis 1918 gibt zudem Aufschluss über die Entwicklung der öffentlichen Sichtbarkeit und Bedeutung der Bundesfürsten an sich und im Verhältnis zur kaiserlichen Monarchie (Übersicht 7). Die obere Linie zeigt dabei den prozentualen Anteil aller deutschen Monarchien, also auch einschließlich der Bundesfürsten und bis 1866 ebenfalls des österreichischen Kaisers, die untere Linie zeigt dagegen ausschließlich die Bundesfürsten, d. h. alle deutschen Herrscher ohne preußische oder habsburgische Monarchen. Der alleinige Anteil der Kaiser ergibt sich aus dem Abstand zwischen beiden Linien; die gepunkteten Linien geben die langfristige Entwicklung der Zahlen an.

1350

Vgl. dazu etwa: Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013.

332

7. DARSTELLUNGEN IN FAMILIENBLÄTTERN UND ILLUSTRIERTEN

Übersicht 7: Prozentualer Anteil an Titelblättern der Illustrirten Zeitung (IZ) zu den kleineren und mittleren Fürsten sowie zu allen deutschen Monarchen unter Einschluss der Großmächte Österreich (bis 1866) und Preußen (1843–1918)

Vergleich alle deutschen Monarchen vs. Bundesfürsten 35 30 25 20 15 10 5 0 1843 1848 1853 1858 1863 1868 1873 1878 1883 1888 1893 1898 1903 1908 1913 1918

nur Bundesfürsten

alle deutschen Monarchen

Poly. (nur Bundesfürsten)

Poly. (alle deutschen Monarchen)

Bemerkenswert ist, dass die mediale Präsenz der Bundesfürsten, gemessen an den Titelblättern der IZ, über den 75 Jahre währenden Untersuchungszeitraum nahezu gleich blieb. Obwohl es zwischen einzelnen Jahren starke Schwankungen gab, verharrte die lineare Gesamtentwicklung auf einem konstanten Niveau und ergab einen Durchschnitt von 7,3 %. Die Kurve aller monarchischen Titelblätter war dagegen stärkeren Abweichungen unterworfen. Das noch vor der Revolution 1848 bestehende Hoch war hauptsächlich mit der Neuheit des Mediums Zeitung verbunden, die in den Monarchen geeignete Sujets fanden. Die Entwicklung bis 1866 bezog sich zudem vielmehr auf die Mitglieder des Hauses Habsburg als auf die Angehörigen des Hauses Hohenzollern. Einen Aufschwung erlebten die preußischen Herrscher nach der Gründung des Kaiserreiches 1871. Insbesondere Berichte über das Privatleben Wilhelms I., die diesen als nahbaren Herrscher darstellten, sollten dessen Rolle als nationale Identifikationsfigur unterstreichen. Trotz allem blieben die Bundesfürsten auch in den nationalen Blättern weiterhin präsent. Zwar folgte nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. 1888 eine starke mediale Präsenz des Kaisers und ein damit verbundener leichter Rückgang der Berichterstattung über die Bundesfürsten, allerdings erlebten diese ab 1900 wieder einen bis 1916 andauernden Aufschwung, während die Gesamtberichterstattung konstant blieb. Sicherlich muss berücksichtigt werden, dass diese Übersicht nur auf den Daten einer Zeitung und ausschließlich auf Titelblättern beruht. Auch ergab sich ein Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedern des Kaiserhauses und den

7.5 ZWISCHENFAZIT

333

Angehörigen der über zwanzig bundesfürstlichen Familien. Diese wurden vermehrt thematisiert, wenn ein besonderes Ereignis dies rechtfertigte1351 oder sie das Bedürfnis nach Außergewöhnlichkeit stillten, wie beispielsweise die Artikel über Ludwig II. zeigen, dessen mysteriös erscheinende Abgeschiedenheit schon 1873/74 von der Gartenlaube popularisiert wurde.1352 Über die Hohenzollern, insbesondere Wilhelm II., wurde dagegen nicht nur bei außergewöhnlichen Ereignissen, sondern auch bei viel alltäglicheren Begebenheiten berichtet, was die Wahrnehmung eines omnipräsenten Kaisers begünstigte. Trotz allem ist die gleichbleibende mediale Präsenz der Bundesfürsten, die von Revolution, Reichsgründung und kaiserlicher Konkurrenz unbeeinflusst blieb, bemerkenswert und stärkt die These der ungebrochenen Relevanz der Landesherren für ihre Staaten. Nach 1900 hatten sich die Illustrierten äußerlich und inhaltlich stark gewandelt und erinnerten kaum noch an die beschaulich wirkenden Familienblätter der Anfangszeit. Die fotografische Abbildung bestimmte seit der Jahrhundertwende die Aufmachung der Illustrierten und bestärkte somit das Bedürfnis nach immer schnelleren und exklusiveren Bildnachrichten. Während die Familienblätter und Illustrierten des 19. Jahrhunderts für die Monarchen ein sehr gut geeignetes Mittel zur Erhöhung ihrer Sichtbarkeit waren, welches den fürstlichen Aktivitäten ein großes Publikum bescherte, war die zunehmende Dominanz des Bildes bei gleichzeitig abnehmender Komplexität der Berichterstattung im Bereich der Illustrierten der Beginn einer problematischen Medien-Monarchie-Beziehung, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts verstärken sollte und schließlich in Paparazzi-Jagden und der massiven Einschränkung der Privatsphäre von Mitgliedern der königlichen Häuser einen Höhepunkt erreichen sollte.1353 Wenngleich die Bundesfürsten von diesen Auswirkungen noch nicht betroffen waren, wirkte sich das ab 1900 zunehmende Bedürfnis der Öffentlichkeit an Klatsch, Skandalen und den aktuellsten Berichten auch auf ihre Stellung aus.1354

1351

1352

1353

1354

Als Beispiel hierfür sei auf die Sonderberichterstattung der Illustrirten Zeitung zum Tode König Johanns von Sachsen in der Ausgabe Nr. 1586 vom 22.11.1873 verwiesen, die acht Bilder, davon sieben ganzseitige, zeigte. Allein diese machten 50 % der Zeitung, aus; mit Berücksichtigung des Textes waren 61 % dieser Ausgabe der Berichterstattung über Johanns Tod und Beerdigung gewidmet. In der Ausgabe Nr. 1583 vom 01.11.1873 hatte die Illustrirte Zeitung sogar ihr übliches Layout geändert, um die Todesnachricht Johanns besonders prägnant zu präsentieren. Siehe etwa Das Königshaus auf dem Schachen, Die Gartenlaube 1873, 13, S. 206 ff; Einsam auf dem Throne, Die Gartenlaube 1874, 52, S. 840–844; König Ludwig der Zweite von Baiern auf dem Schachen, Die Gartenlaube 1882, 45. S. 755; Die bayerische Königstragödie, I. An der Todesstätte König Ludwig’s II., Die Gartenlaube 1886, 26, S. 458; Die bayerische Königstragödie, II, Die Gartenlaube 1886, 28, S. 484–488. Vgl. Patrick Rössler/Miriam Meckel: Der diskrete Charme des Voyeurismus: Paparazzi und die Bildberichterstattung über den Tod von Prinzessin Diana, in: Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Die Kommunikationsfreiheit der Gesellschaft, Wiesbaden 2003, S. 358–375. Vgl. Fetting: Zum Selbstverständnis, 2013.

8.

Wirkungslose Inszenierung? – Zur Absetzung der Bundesfürsten 1918

Angesichts der aufgezeigten, vielfältigen Versuche der Bundesfürsten, sich als politische Repräsentanten ihrer Region zu inszenieren und zu etablieren sowie Popularität innerhalb der Bevölkerung zu erlangen, lässt der „erstaunlich lautlose Untergang“ der Monarchie in Deutschland zunächst Zweifel an dem Erfolg der dargestellten Maßnahmen aufkommen.1355 Unbestritten bleibt dabei, dass Art, Ausmaß und Erfolg der bundesfürstlichen Unternehmungen in Bezug auf Machterhalt, symbolische Politik, Volksnähe und Beliebtheit unterschiedlich ausfielen. Die 1918 erfolgte Absetzung aller deutscher Monarchen1356 allerdings als Gradmesser für den Misserfolg der öffentlichkeitswirksamen Darstellungen der regionalen Landesherren zu nehmen, versperrt den Blick auf die Situation der Monarchie in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Ende der bundesfürstlichen Herrschaft ist vielmehr dem Zusammentreffen dreier Krisen zuzuschreiben, die erst in ihrem gemeinsamen Zusammenspiel wirkmächtig genug waren, den Sturz der Monarchen herbeizuführen. Alle Krisen waren dabei eng, aber nicht ausschließlich mit dem Verlauf des Ersten Weltkrieges verknüpft. Die erste Krise offenbarte die gesellschaftlichen Spannungen, welche sich aus den mangelnden politischen Mitspracherechten großer Bevölkerungsschichten ergaben, die zweite Krise betraf den Verfall der Reichsmonarchie unter Wilhelm II., und die dritte Krise berührte die Popularität der Bundesfürsten im letzten Kriegsjahr an sich. Der Sturz Wilhelms II. und das Ende des Kaiserreichs in Deutschland sind bereits hinreichend, wenngleich noch nicht erschöpfend diskutiert worden.1357 Diesbezüglich bedingten eine Vielzahl von Faktoren die Geschehnisse um den Thronverlust des Deutschen Kaisers. Zunächst sind dabei die Strukturschwächen des „ruhelosen Reichs“ zu berücksichtigen,1358 die im extremen Verlauf des Krieges deutlich zu Tage traten. So war das Deutsche Reich auch schon vor 1914 von Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten geprägt, es wies strukturelle Defizite wie 1355 1356

1357

1358

Machtan: Der erstaunlich, 2010. Vgl. zu den allgemeinen Vorgängen Michael Horn: Zwischen Abdankung und Absetzung: Das Ende der Herrschaft der Bundesfürsten des Deutschen Reichs im November 1918, in: Susan Richter (Hrsg.): Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Köln 2010, S. 267–290. Die konkreten Umstände aller Absetzungen beleuchtet: Wecker: Unsere Landesväter, 1928. Häufig polemisch Machtan: Die Abdankung, 2008. Vgl. beispielsweise Wolfgang J. Mommsen: War der Kaiser an allem schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten, Berlin 2002; John C. G. Röhl: Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund: 1900–1941, München 2008; Clark: Wilhelm II., 2009. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918, Berlin 1983.

336

8. WIRKUNGSLOSE INSZENIERUNG? – ZUR ABSETZUNG DER BUNDESFÜRSTEN 1918

ein zu schwaches Mitspracherecht des Reichstags auf und schloss durch das Dreiklassenwahlrecht in Preußen und Sachsen große Bevölkerungsgruppen auf bundesstaatlicher Ebene von der politischen Willensbekundung aus. Zudem kam es immer wieder zu zeittypischen politischen und gesellschaftlichen Spannungen, wie der Diskriminierung von Sozialisten, Gewerkschaftern, Polen, Elsässern und weiteren Minderheiten.1359 Bedingt durch die föderale Struktur gelang die Reichseinigung auch nach innen nicht vollständig. Zwar zielte der von Wilhelm II. verfolgte „Neue Kurs“ durchaus auf Ausgleich und Versöhnung ab, allerdings wurden die angestrebten Reformen nur mäßig umgesetzt. Zu dieser unausgeglichenen innenpolitischen Lage kam das immer instabiler werdende Bündnissystem der Außenpolitik hinzu, in welchem sich das Deutsche Reich seit ca. 1890 wiederfand.1360 Während diese Probleme bis 1914 mehr oder minder unter der Oberfläche geschwelt hatten, wurden sie im Laufe des Krieges immer akuter und trugen maßgeblich zum Ende der deutschen Monarchien bei. Die zermürbend lange Dauer des Stellungskrieges, der keine eindeutigen Siege mit sich brachte, und die sich zuspitzende Situation an der Heimatfront, die letztlich in einer Ernährungskrise gipfelte, belasteten zunehmend auch die bis dahin nur marginal kritisierte Stellung der Monarchen. Hinzu kam das gesellschaftsverändernde Potential des Krieges, der das Versagen der alten Eliten offenbarte. Durch die Anforderungen des totalen Krieges und die Mobilisierung fast der gesamten Bevölkerung war es schier unmöglich, nach dem Waffenstillstand zum gesellschaftlichen Status quo zurückzukehren. Bereits 1914 beschlich etwa Großadmiral Alfred von Tirpitz die Ahnung, dass es mit dem bisherigen Kasten- und Klassenwesen vorbei sei.1361 Zudem befürchteten mit zunehmender Kriegsdauer immer mehr Politiker, dass ein Systemumsturz unausweichlich sei, wenn die Heimkehrer aus den Schützengräben zuhause die gleichen Bedingungen vorfänden wie vor 1914.1362 Die Geschichte des 19. Jahrhunderts hatte gezeigt, dass die Monarchien durchaus in der Lage waren, revolutionäre Unruhen wie jene von 1848/49 zu überstehen. Wesentlich dafür war allerdings, dass sie sich dabei immer auf eine loyale Armee stützen konnten, die in der Lage war, den Aufstand notfalls militärisch zu unterdrücken. Diese Ergebenheit der Armee war aber 1918 nicht mehr vorhanden, sondern einem schleichenden Autoritätsverlust gewichen, der am Ende die unverhüllte Gegnerschaft zahlreicher Soldaten gegen das staatliche Herrschaftssystem zur Folge hatte. Dazu hatte unter anderem die Erfahrung beigetragen, dass sogar beim Tod im Felde häufig eine große Ungleichheit zwischen einfachen Soldaten 1359

1360

1361 1362

Vgl. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2003, S. 161. Vgl. Alexander Gallus: Deutsche Revolution 1918/19. Die Etablierung der Weimarer Republik, in: Ders. (Hrsg.): Deutsche Zäsuren. Systemwechsel seit 1806, Köln u. a. 2006, S. 133–163, hier S. 139 ff. Zitiert nach Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 2003, S. 161. Diese Ansicht vertrat etwa der Sozialdemokrat Eduard David, vgl. ebd.

8. WIRKUNGSLOSE INSZENIERUNG? – ZUR ABSETZUNG DER BUNDESFÜRSTEN 1918

337

und den bevorzugt behandelten Offizieren bestand. Auch kam es immer wieder zu Misshandlungen durch Vorgesetzte, Hunger- und Krankheitsphasen sowie dem Gefühl der militärischen Instrumentalisierung, die langfristig das Loyalitätsgefühl untergruben.1363 Als schließlich der militärisch sinnlose Befehl zum Auslaufen der Flotte gegen England mit der Meuterei der Kieler Matrosen beantwortet wurde, fanden sich in beinahe allen militärischen Einheiten des Heimatheeres schnell Sympathisanten, die zur Formierung von Arbeiter- und Soldatenräten aufriefen und nicht mehr zur Verteidigung der Landesherren bereit waren.1364 Des Weiteren gilt es zu beachten, dass der Systemumsturz kein deutsches Phänomen blieb. Vielmehr hatte keiner der Verliererstaaten des Ersten Weltkrieges eine demokratische Grundordnung. Als Folge der Niederlage wurde die Monarchie dann auch in allen diesen Ländern abgeschafft. Bis 1914 war es allerdings den jeweils herrschenden Klassen gelungen, ihre Vormachtstellung und Privilegien weitestgehend zu behaupten, während diese in den Siegstaaten England und Frankreich nach und nach abgeschafft worden waren. Der Krieg wurde damit zur Bewährungsprobe für alle Gesellschaftsformen, an der die konstitutionellen Monarchien letztlich scheiterten.1365 Die zweite Krise betraf den Verfall der Reichsmonarchie selbst und das offenkundige Scheitern der Legitimitätsstrategie Wilhelms II.1366 Dieser hatte sich immer wieder als erfolgreicher Heerführer und Garant für die deutsche Vormachtstellung inszeniert, um dann bereits 1915 an diesem Anspruch zu scheitern1367 und 1916 durch die Oberste Heeresleitung faktisch entmachtet zu werden.1368 Das Paradoxe an dieser Entwicklung war, dass Wilhelm II. durchaus die Anforderungen an einen modernen Monarchen erfüllte, in gewissem Maße in einigen Bereichen sogar übererfüllte. Durch seine intensive Nutzung der Medien erzeugte er den Eindruck eines nicht nur örtlich, sondern auch in allen thematischen Fragen der Zeit omnipräsenten Herrschers.1369 Wie Martin Kohlrausch aber richtig feststellt, hatte dieses stark auf die Person Wilhelms II. zugeschnittene Amtsverständnis

1363 1364 1365

1366

1367 1368 1369

Vgl. ebd., S. 186 f. Vgl. Gerhard A. Ritter: Die deutsche Revolution 1918–1919. Dokumente, Hamburg 1975, S. 41–51. Vgl. Heinz Gollwitzer: Die Endphase der Monarchie in Deutschland, in: Ders.: Weltpolitik und deutsche Geschichte. Gesammelte Studien hg. von Hans-Christof Kraus, Göttingen 2008, S. 363–384, hier S. 382. Zu den monarchischen Verliererstaaten gehörten Russland, Deutschland, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reiche und Bulgarien. In Letzterem kam es nur zur Abdankung des Zaren zugunsten seines Sohnes. Vgl. Bernd Sösemann: Der Verfall des Kaisergedankens im Ersten Weltkrieg, in: Röhl: Der Ort, 1991, S. 145–170, hier S. 158; Gollwitzer: Die Endphase, 2008, S. 376; Martin Kohlrausch: Die Flucht des Kaisers – Doppeltes Scheitern adlig-bürgerlicher Monarchiekonzepte, in: Heinz Reif (Hrsg.): Adel und Bürgertum in Deutschland. Bd. 2 Entwicklungslinien und Wendepunkte im 20. Jahrhundert, Berlin 2001, S. 65–101, hier S. 75, 97. Vgl. ebd., S. 92. Vgl. Gallus: Deutsche Revolution, 2006, S. 142. Vgl. Kohlrausch: Monarchische Repräsentation, 2005, S. 100 ff.

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„das Kaiseramt über die Grenzen der traditionellen konstitutionellen Unverletzlichkeit hinausgedrängt“.1370 In der Konsequenz musste die vom Kaiser selbst hervorgerufene Leistungserwartung nicht nur zwangsläufig enttäuscht werden. Sie führte im Verlauf des Krieges, dem dabei eine „katalytische Funktion“1371 zukam, auch zu einer bisher nie dagewesenen Kritik, die sich direkt auf die Person Wilhelms II. bezog.1372 Dabei ist auffällig, dass sogar zahlreiche Monarchisten in die Rufe nach einer Abdankung oder gar eines Fronttodes1373 des Kaisers einstimmten, da sie hofften, so die Institution der Monarchie an sich noch retten zu können.1374 Die radikalen Monarchiegegner wurden hingegen maßgeblich durch die Forderungen der Alliierten, insbesondere die Wilson-Noten, gestärkt. Sie forderten immer vehementer die Abdankung des Kaisers, bis schließlich die letzte WilsonNote vom 23. Oktober 1918 die Verhandlung mit einer demokratisch gewählten Vertretung zur Bedingung einer Beendigung des Krieges machte.1375 Der kurz vor Kriegsende erfolgte, von der Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommene Wechsel von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie erwies sich angesichts dieses Drucks als zu späte und symbolpolitisch nicht ausreichende Maßnahme zur Rettung des alten Systems.1376 Der Rücktritt Wilhelms II. war damit unausweichlich geworden, auch wenn er selbst sich dieser Einsicht noch versperrte. Insgesamt wirkte sich dieses unentschlossene und langwierige Taktieren im Herbst des Jahres 1918 auch negativ auf die Stellung der Bundesfürsten aus. Diese waren in der problematischen Situation, dass einerseits durchaus einige von ihnen die gefährliche Lage einer zu lange hinausgezögerten Abdankung Wilhelms II. für ihre eigene Stellung erkannten, dass sich andererseits aber keiner von ihnen bereitfand, diese dem Kaiser anzutragen. Zum einen war dies nicht mit ihrem Souveränitätsverständnis vereinbar, zum anderen wollte auch keiner die Rolle eines Verräters einnehmen. Zu denen, welche den Thronverzicht Wilhelms II. als logische Konsequenz der innenpolitischen Umstände und des außenpolitischen Drucks forderten, gehörte die bayerische Regierung unter Ministerpräsident Dandl. Der Reichskanzler Prinz Max von Baden erhoffte sich zudem Unterstützung durch den hessischen Großherzog Ernst Ludwig. Auch dieser erkannte die Notwendigkeit des kaiserlichen Rücktritts, wollte aber nicht der Überbringer dieser Nachricht sein. Ebenso scheute die bayerische Regierung mit Hinblick auf das dann drohende

1370 1371 1372 1373 1374 1375 1376

Kohlrausch: Die Flucht, 2001, S. 91. Gallus: Deutsche Revolution, 2006, S. 143. Vgl. Kohlrausch: Die Flucht, 2001, S. 74, 90. Vgl. ebd., S. 77 ff., 83. Vgl. Gallus: Deutsche Revolution, 2006, S. 146. Vgl. Ritter: Die deutsche, 1975, S. 28 ff. Vgl. Gallus: Deutsche Revolution, 2006, S. 145.

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zerrüttete Verhältnis zwischen Bayern und Preußen vor konkreten Schritten zurück.1377 Letztlich blieb es doch dem der Situation kaum gewachsenen und von Nervenzusammenbrüchen geplagten Max von Baden überlassen, die Abdikation des Kaisers zu verkünden, bevor dieser sich dazu durchgerungen hatte.1378 Die dritte Krise gründete im persönlichen Unvermögen der Bundesfürsten, ihrer drohenden Absetzung zu entgehen und einer Phase akuter Unpopularität, die bedingt war durch die sich zuspitzenden Zustände an Kriegs- und Heimatfront sowie fehlende Handlungskonzepte der Herrschenden. Ein gern zitiertes Fazit,1379 wenn es um die Bedeutung der letzten Landesherren in Deutschland geht, kam aus der Feder eines ihrer Vertreter, des hessischen Großherzogs Ernst Ludwig: „[W]enn ich zu Kaisers Geburtstag in Berlin weilte, fand ich oft, daß viele von meinen sogenannten Kollegen noch so rückständig in ihren Anschauungen waren, daß ich mich als reiner Sozialist fühlte. Sie begriffen so garnicht die Frage, wie man mit der Zeit gehen muß, wenn man zuletzt nicht von ihr übergangen werden will. Leider bewies es die Zeit der Revolution: Sie wurden weggefegt ohne irgendetwas zurückzulassen, weil sie doch zu große Nullen waren, wenn sie auch anständig dachten.“1380

Bei der Bewertung dieser Äußerung muss beachtet werden, dass diese in einigem zeitlichen Abstand, nämlich Anfang der 1930er-Jahre gemacht wurde.1381 Ernst Ludwigs Feststellung war geprägt durch die Erfahrungen der Weimarer Republik, in welcher es scheinbar kaum noch spürbare Hinterlassenschaften der abgesetzten Monarchen gab.1382 Durch diesen Zeitabstand kam es aber zu einer verzerrten Darstellung des Stimmungsbildes vor dem Weltkrieg. Zudem waren die Memoiren des hessischen Großherzogs in erster Linie als Rechenschaftsbericht seines eigenen Lebens für seine Nachkommen gedacht. Wenngleich an der staatsmännischen Qualität einiger Bundesfürsten Zweifel durchaus berechtigt sind, war es zunächst 1377

1378 1379 1380 1381 1382

Vgl. Lothar Machtan: Dynastiepolitische Bestrebungen zur Rettung der Monarchie in Deutschland und das Haus Hessen, in: Heidenreich: Kronen, Kriege, 2009, S. 205–219, hier S. 210–213. Siehe auch Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 189 f., 222. Zu Max von Baden siehe Machtan: Prinz Max, 2013. Vgl. Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 13; Horn: Zwischen Abdankung, 2010, S. 267. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein: Erinnertes, 1983, S. 110. Vgl. ebd., S. 17. Tatsächlich brach der gesellschaftliche Einfluss einiger Bundesfürsten 1918 nicht ab. Insbesondere im kulturellen Bereich behielten einige Familien ihre fördernde Rolle bei, vgl. Franz: Das Haus, 2005, S. 187–206; Reiner Groß: Die Wettiner, Stuttgart 2007, S. 267–282. Aber auch während der Zeit des Nationalsozialismus versuchten ehemalige Angehörige des Hochadels ihre Verbindungen zum eigenen Vorteil zu nutzen, vgl. Christian Goeschel/Jonathan Petropoulos: Das Haus Hessen im Dritten Reich. Anmerkungen zu Prinz Philipp und Prinz Christoph von Hessen, in: Heidenreich: Kronen, Kriege, 2009, S. 262–283; Karina Urbach: Go-betweens for Hitler, Oxford 2015, S. 176. Wie groß der Wirkungsradius heute noch amtierender Monarchen tatsächlich ist, bleibt schwierig zu ermitteln. Dieser sollte allerdings nicht unterschätzt werden, vgl. dazu den Tagungsbeitrag: Marc von Knorring: Nur Moderatoren und Medienstars? Europäische Herrscherfamilien seit dem Zweiten Weltkrieg, Passau 24.09.2015 (Publikation in der Reihe der Forschungen der Prinz-Albert-Gesellschaft geplant).

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Ernst Ludwigs Absicht, sich von seinen „Kollegen“ positiv abzuheben, um selbst als geeigneter Herrscher zu erscheinen. Vorausgesetzt, dass diese Selbsteinschätzung den Tatsachen entsprach, ist das Zitat durchaus weiterführend in der Frage nach dem Ende der Monarchie in Deutschland. Denn obschon sich Ernst Ludwig gleich einem parlamentarischen Monarchen kaum noch in tagesaktuelle politische Fragen einmischte, dagegen aber engagiert für die Bedeutung Hessen als Kulturund Industrielandschaft stritt und sich für soziale Fragen einsetzte – seine Absetzung konnte dies ebenso wenig verhindern. Dabei war der hessische Großherzog nicht der einzige Fürst, dessen Popularität keine Garantie für seinen Machterhalt darstellte. Auch dem beliebten württembergischen König Wilhelm II. wurde durch revolutionäre Demonstranten seine verfassungstreue und liberale Regierung positiv beschieden. Trotz aller persönlichen Liebenswürdigkeit müsse er aber, so formulierte es der Spartakist Seebacher, „wegen dem Sischtem“ abdanken.1383 Dass für die Revolutionäre bei der Frage des Machterhalts ihres Souveräns dessen Eignung, Regierungsverhalten und Beliebtheit keine Rolle spielten, bezeugt die Qualität des fundamentalen Wandels, der sich im Herbst 1918 in Deutschland vollzogen hatte. War die Abdankung der Bundesfürsten etwa bis zum Jahresende 1917 nie gefordert worden, hatte sich die Lage im letzten Kriegsjahr auch angesichts fehlender politischer Konzepte der Monarchen so zugespitzt, dass der Thronverlust nicht mehr abzuwenden war. Aber gerade weil die Auswirkungen des Krieges einen so erheblichen Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung und Stimmung in Deutschland hatten, kann die Situation der Bundesfürsten 1918 nicht als Folge ihrer mangelnden Bedeutung und Wertschätzung vor dem Krieg angesehen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf ihre aktive und häufig erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit und Mediennutzung sowie der damit eng verbundenen Popularität. Auch ohne solche außergewöhnlichen Beeinflussungen, wie sie ein totaler Krieg mit sich brachte, war die Beliebtheit eines Staatsoberhauptes Phasen der Hoch-, aber auch der Missstimmung unterworfen. Dabei ließen sich die Reaktionen der Anhänger und Gegner nicht immer voraussagen; beeinflusst durch weitere Umstände konnte zuweilen sogar das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung eintreten. Zudem wurde die Popularität der Bundesfürsten im Verlauf des Ersten Weltkrieges einer großen Bewährungsprobe ausgesetzt, für die sich Beispiele des Bewährens, wie etwa die Verwundetenpflege der Bundesfürstinnen,1384 noch mehr aber des Scheiterns finden lassen, wie etwa die unangebracht aufwändige Feier der Goldenen Hochzeit des bayerischen Königspaars im Februar 1918.1385

1383

1384 1385

Paul Sauer: Württembergs letzter König. Das Leben Wilhelms II., Stuttgart 1994, S. 290. Die „Bürgerlichkeit“ des württembergischen Königs hebt auch hervor: Machtan: Der erstaunlich, 2010, S. 51. Der württembergische Ministerpräsident von Weizsäcker war der Ansicht, ein Sturz des Kaisers stelle für seinen König keine Bedrohung dar, vgl. Horn: Zwischen Abdankung, 2010, S. 277. Vgl. Kapitel 5.2. Vgl. Kapitel 4.4.

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Große Auswirkungen auf die Beliebtheit der Bundesfürsten hatte der bereits geschilderte Legitimitätsverlust des Kaisers. Aber nicht erst dessen hinausgezögerte Abdankung, sondern auch der sich bereits seit 1915 dramatisch vollziehende Ansehensverlust Wilhelms II. wirkten sich auf die Stellung der Bundesfürsten aus. Zu einer nicht unerheblichen Bedrohung der monarchischen Position trugen auch die Vorkriegsskandale bei, in welche Wilhelm II. immer wieder, häufig auch aus eigenem Verschulden, verwickelt wurde. Besonders die Daily-Telegraph-Affäre 1908, in deren Folge erstmals die Abdankung des Kaisers gefordert worden war, stellte einen entscheidenden Wendepunkt im Umgang mit dem Herrscher und eine drastische Erweiterung der Möglichkeiten von Kritik an der höchsten Person dar.1386 Diese Kritik am Kaiser eröffnete auch den Raum für direkte Missbilligungen der bundesfürstlichen Herrschaft und wirkte sich damit langfristig negativ auf die Stellung der Landesherren aus. Es lag in der Natur der Sache, dass für die meisten Untertanen schlicht keine Trennung zwischen kaiserlich-monarchischem und landesherrlich-monarchischem Kapital möglich war. Dazu waren die Bundesfürsten als Garanten der Reichsstabilität viel zu sehr mit den Hohenzollernschen Trägern der Kaiserwürde verwoben. Zudem gab es Bereiche, in denen Kaiser und Bundesfürsten gleichermaßen der Kritik ausgesetzt waren. Dazu gehörte während des Krieges insbesondere der Nimbus des militärischen Oberbefehls. Zwar hatte sich keiner der Landesherren in gleicher Weise wie Wilhelm II. als glorreicher Heerführer stilisiert, es ist aber augenfällig, dass sich insgesamt nur wenige Bundesfürsten bzw. engere Familienmitglieder direkt am Kampfgeschehen beteiligten.1387 So zogen 1914 nur sieben Bundesfürsten1388 mit ihren Truppen ins Feld und verbrachten ihre Zeit dort meist als unterbeschäftigte Stabs- und Ordonnanzoffiziere, sodass sich bei vielen von ihnen bald ein Gefühl der Nutzlosigkeit breit machte und sie nach Hause zurückkehrten. Nur Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach bemühte sich um ein aktives Truppenkommando, welches ihm aber, vermutlich aus mangelnder Eignung, verwehrt wurde.1389 Während die bayerischen und württembergischen Könige für den Frontdienst zu alt waren, lehnte der 51-jährige Friedrich August III. von Sachsen den militärischen Oberbefehl für seine Truppen komplett ab.1390 Lange Zeit erfolgreich im aktiven Einsatz waren dagegen der Herzog von SachsenAltenburg und der bayerische Kronprinz Rupprecht. Auch andere nachgeordnete Prinzen standen durchaus im Feuergefecht und zogen sich dabei Verwundungen 1386

1387 1388

1389 1390

Vgl. Peter Winzen: Das Kaiserreich am Abgrund: Die Daily-Telegraph-Affäre und das HaleInterview von 1908. Darstellung und Dokumentation, Stuttgart 2002; Kohlrausch: Der Monarch, 2005, S. 243–262. Vgl. Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 92 ff. Dies waren die Großherzöge Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin, Adolf Friedrich von Mecklenburg-Strelitz und Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach sowie die Herzöge Ernst August von Braunschweig, Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha und Fürst Heinrich XXVII. von Reuß, vgl. ebd., S. 94. Vgl. ebd., S. 94. Vgl. Groß: Die Wettiner, 2007, S. 264.

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zu oder ließen sogar ihr Leben, wie etwa Prinz Heinrich von Bayern.1391 Insgesamt starben dreizehn Männer des Hochadels, diese Quote lag jedoch deutlich unter der des restlichen Adels bzw. der normalen Mannschaftsdienstgrade.1392 Trotz aller Kritik am offensichtlichen Fernbleiben vieler Bundesfürsten muss dieser Punkt differenziert bewertet werden. Zwar hatten in der Erinnerung vieler Zeitgenossen Vertreter des Hochadels eine wichtige militärische Rolle in den Einigungskriegen von 1849 bis 1871 gespielt, jedoch war es keineswegs so, dass sich jeder Herrscher an diesen Kriegshandlungen aktiv beteiligt hatte.1393 Dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 blieben etwa die Könige Bayerns, Sachsens1394 und Württembergs genauso fern wie deren Nachfolger im Jahr 1914. Zudem hatte sich die Kriegsführung so dramatisch geändert, dass etwa die für den Hochadel typische Truppengattung der Kavallerie bereits während der ersten Gefechte 1914 ihre Bedeutung verloren hatte.1395 Auch darüber hinaus war die sich zunehmend spezialisierende und sich verwissenschaftlichende Kriegskunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr mit der des 19. Jahrhunderts zu vergleichen. Anstelle universalistisch gebildeter Monarchen, die ein Gespür für Taktik hatten und mit Gewehr und Pferd umzugehen wussten, waren nun im Kriegshandwerk ausgebildete und erfahrene Berufssoldaten, die sich ausschließlich dieser Aufgabe widmeten, notwendig, um erfolgreich zu sein. Dass auch diese Militärs im Laufe des Krieges immer wieder versagten, verschärfte die Probleme der Kriegsführung nur noch. Die Erziehung und Ausbildung der Söhne des Hochadels war jedenfalls so breit gefächert, dass sie zwar in allen wichtigen Staatsbereichen Erfahrungen sammelten, sich aber in keinem Gebiet spezialisieren konnten.1396 Obschon die militärische Dienstzeit immer ein wichtiger Bestandteil der fürstlichen Erziehung war, bereitete diese kaum mehr ausreichend auf einen Kriegseinsatz vor, wie er 1914 anstand. Aus diesem Grund waren nur wirklich passionierte Soldaten wie etwa Kronprinz Rupprecht von Bayern in der Lage, den militärischen Anforderungen gerecht zu werden.1397 Die zu Hause gebliebenen Bundesfürsten entschieden sich hingegen auch während der Kriegsjahre dafür, lieber als symbolische Repräsentanten ihrer Länder bei 1391 1392 1393

1394 1395 1396

1397

Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 303–309. Vgl. Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 104 ff. Machtan etwa schätzt den militärischen Einsatz der Bundesfürsten 1870/71 größer ein als 1914–1918, vgl. ebd., S. 103 f. Dabei scheint dieses Urteil aber eher auf einem persönlichen Eindruck als auf belastbaren Zahlen zu beruhen. Insgesamt fehlen für diesen Bereich Untersuchungen, die einen stichhaltigen Vergleich erlauben. Für Sachsen kämpften dagegen Kronprinz Albert und Prinz Georg. Vgl. Jörn Leonhard: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkrieges, München 2014, S. 186. Vgl. Yvonne Wagner: Prinzenerziehung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zum Bildungsverhalten des preussisch-deutschen Hofes im gesellschaftlichen Wandel, Frankfurt/M. u. a. 1995, S. 308 ff. Vgl. Dieter J. Weiß: Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869–1955). Eine politische Biografie, Regensburg 2007.

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Frontbesuchen ihre kämpfenden Untertanen moralisch zu stärken, statt aktiv in das politische bzw. militärische Geschehen einzugreifen. Diese Visiten beschränkten sich auf das ungefährlichere Hinterland, auf Inspektionen der Truppen und Ordensverleihungen. Dabei fiel das Engagement bezüglich dieser Fronteinsätze unterschiedlich aus. Von den untersuchten Bundesfürsten verbrachte Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha die meiste Zeit an der Front. Bereits am 7. August 1914 begab er sich an die West-, am 14. September dann an die Ostfront. Insgesamt brachte er es auf 18 Einsätze, die immerhin 38 % der Zeit der Kriegsjahre, darunter auch die Weihnachtsfeste 1914 bis 1916 ausmachten.1398 Friedrich August III. von Sachsen besuchte die Frontabschnitte insgesamt 16 Mal, stellte diese Reisen aber im Frühjahr 1917 aufgrund der Kritik an deren aufwändiger Vorbereitung und Durchführung ein.1399 Der über siebzigjährige König Ludwig III. von Bayern stattete der Front elf Besuche ab, was eine Steigerung im Vergleich zu den üblichen Landesreisen bedeutete.1400 Prinzipiell hätte sich die bundesfürstliche Beschränkung auf Frontbesuche anstelle von Einsätzen nicht zwangsläufig negativ auswirken müssen. Sie war vielmehr Ausdruck ihrer seit 1871 verstärkt eingenommen Rolle als repräsentatives Landesoberhaupt, die ohnehin zukunftsfähigste Funktion, welche die Bundesfürsten nach 1918 noch hätten erfüllen können. Symbolpolitisch äußerst fragwürdig war allerdings die Verleihung von zahlreichen Orden wie des Pour le Mérite an die drei der Front ferngebliebenen Könige im Jahre 1916 sowie des Eisernen Kreuzes, welches für Tapferkeit im Felde gedacht war, aber dennoch an die die Front nur besuchenden Fürsten verliehen wurde. Da auch den Soldaten die Diskrepanz zwischen Ordensverleihung und belohnter Tat bewusst war, schlug der durch die Auszeichnung beabsichtigte Reputationsgewinn eher in einen Reputationsverlust um.1401 Dabei war die Ordensverleihung symptomatisch dafür, dass sich die Bundesfürsten in einigen Bereichen nicht von traditionell-etablierten, aber überholten Handlungsmustern lösen konnten. Auf einer allgemeineren Ebene äußerte sich dies in ihrer Weigerung, die sich schon seit 1871 in kleinen Schritten, aber trotz allem kontinuierlich vollzogene Machtverschiebung von einer politisch-souveränen hin zu einer rein repräsentativen Rolle auch nach außen hin sichtbar, etwa durch eine Verfassungsänderung, zu demonstrieren. Da dies unterblieb, manifestierte sich der Eindruck einer um jeden Preis an der Macht hängenden Herrscherelite, die den Ansprüchen, welche an moderne politische Führer gestellt wurden, nicht mehr gewachsen war. Letztlich befanden sich die Bundesfürsten in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in einer Zwischenposition. Zum einen hatten sie sich mit der neuen Rolle als repräsentative Vertreter ihrer Länder arrangiert und waren darin häufig sehr erfolgreich gewesen. Zum anderen hatten sie aber nach wie vor eine verfassungsmäßig starke Stellung inne, die sie zwar aufgrund 1398 1399 1400 1401

Vgl. Sandner: Hitlers Herzog, 2010, S. 141–153, 164. Vgl. Groß: Die Wettiner, 2007, S. 262. Vgl. März: Das Haus, 2013, S. 248–258. Vgl. Machtan: Die Abdankung, 2008, S. 97.

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ihrer neuen Rolle im Reich kaum ausnutzten, von der sie sich jedoch auch nicht öffentlichkeitswirksam lösten. Dieses Versäumnis sollte letztlich maßgeblich zu ihrem Thronverlust beitragen. Es stellt sich die Frage, warum es hierzu kam. Denkbar ist, dass gerade die von den Untertanen positiv rezipierte Öffentlichkeitsarbeit und ihre Popularität den Bundesfürsten einerseits suggerierte, fest in ihrer Position verankert zu sein, sodass sie die Notwendigkeit einer Modernisierung der Staatsform Monarchie übersahen oder übersehen wollten. Möglicherweise gefielen sich die in ihrer politischen Macht stark eingeschränkten Bundesfürsten auch in dieser unpolitischen Rolle und hatten kein Verständnis dafür, weshalb gerade von ihnen politische Reformimpulse ausgehen sollten. Andererseits gilt es zu bedenken, dass die Anpassung der über Jahrhunderte verankerten monarchischen Herrschaftsform auch nicht ohne weiteres zu bewältigen gewesen wäre wie die Weiterentwicklung der herrschaftlichen Inszenierungsformen. Eine Reform des Staatswesens wäre in Bezug auf das Deutsche Reich auch kaum für einen Bundesfürsten im Alleingang zu lösen gewesen, sondern hätte einer gemeinsamen Anstrengung unter Einschluss des Deutschen Kaisers bedurft. In vielen Fällen wurden Reformen darüber hinaus von einem die Ersten Kammern dominierenden, konservativen Adel verhindert. Da sich die Bundesfürsten nicht genügend von diesem distanzierten, fiel die Kritik am Adel auch stets auf sie selbst zurück. So sehr es den Bundesfürsten daher gelungen sein mochte, als Person und Symbol der Region geschätzt und erfolgreich zu sein, so wenig konnte dieser Sachverhalt darüber hinwegtäuschen, dass das System Monarchie nicht modernisiert worden war. Gewissermaßen fielen die Bundesfürsten daher ihrer eigenen Popularität zum Opfer: War vor Kriegsbeginn eine Reform noch nicht als notwendig erschienen, war es im Jahr 1918 – als sich die Stimmung gegen die Bundesfürsten wandte – dafür zu spät. Die drei aufgezeigten Krisen, die zum Ende der Monarchie in Deutschland führten, waren zwar in ihrer Grundstruktur systemgefährdend, aber eben nicht prinzipiell unüberwindbar. Problematischer als die vorübergehende Phase der Unpopularität der Monarchen waren die gesellschaftlichen Spannungen, die durch den Krieg sowie die folgende Niederlage massiv verschärft worden waren. Durch eine vor 1914 erfolgte Einräumung politischer Mitbestimmungsrechte für alle Bürger sowie die Umstellung auf eine parlamentarische Monarchie hätte dieser Gefahr jedoch durchaus begegnet werden können. Dass sich eine demokratische Gesellschaftsordnung und ein monarchisches Staatsoberhaupt nicht ausschließen, belegen noch heute zahlreiche Länder in Europa und der Welt. Auch kann keinesfalls gesichert davon ausgegangen werden, dass 1918 mit einem Male alle Sympathien für die Bundesfürsten verschwunden waren. Immerhin hatte es bis Ende 1917 keine nennenswerten Abdankungsforderungen gegeben und ein Großteil der Bevölkerung hatte die Monarchie wenn nicht bejaht, so doch zumindest als gegeben hingenommen. Auch gibt es letztlich keine Klarheit über die Frage, ob die Mehrheit der Landeskinder für die Absetzung der Monarchen

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war.1402 Der Historiker Friedrich Meinecke etwa war der Ansicht, dass die meisten Deutschen monarchisch empfanden, diese Einstellung aber durch die Flucht Wilhelms II. den Todesstoß erhalten hätte.1403 Auch Max Weber war von den monarchischen Gefühlen der Deutschen überzeugt, die aber den politischen Erfordernissen hätten weichen müssen.1404 Die in einigen Ländern wie Württemberg oder Bayern geforderten Volksabstimmungen über den Fortbestand der Monarchie fanden letztlich nicht mehr statt, da aktuelle Ereignisse diese Fragen von der Tagesordnung verdrängten. Auch die einberufenen Landesversammlungen nahmen sich – bis auf die Schwarzburgischen Fürstentümer, welche sich für die Republik entschieden – dieser Frage nicht mehr an.1405 Im Gegensatz zum Kaiser verblieben aber die meisten Bundesfürsten und ihre Familien in ihren ehemaligen Ländern und bewohnten nun statt der Residenz ein ehemaliges Sommerschloss oder einen Landsitz. Für die neugebildeten Regierungen wurden sie nur noch einmal relevant, als es darum ging, eine geregelte Aufteilung zwischen Staats- und Privatbesitz zu finden. Diese Verfahren, welche die Bundesfürsten finanziell entschädigten, waren aber meist in den 1920er-Jahren abgeschlossen.1406 In der Zeit der Weimarer Republik gab es durchaus Strömungen, die sich eine Wiederherstellung der Monarchie wünschten. Insbesondere die innenpolitischen Umbrüche und Reparationsforderungen belasteten die junge Republik und erzeugten bei vielen Menschen ein Zurücksehnen nach der untergegangenen Epoche. Doch trotz dieser weit verbreiteten Sehnsucht, die sich etwa im Feiern des Kaisergeburtstages,1407 aber auch in den von zahlreichen Menschenmassen begleiteten Beerdigungen der ehemaligen Bundesfürsten zeigte,1408 gab es kaum aktive Versuche einer Restauration. Aufgrund mehrerer Strukturdefizite konnte der Monarchismus in der Weimarer Republik keine politische Wirkung mehr entfalten. Dabei bestand eines dieser Probleme gerade in der dynastischen Vielfalt des deutschen Raumes, was zu zahlreichen regionalen Aufspaltungen des Monarchismus führte. Durch die Diskreditierung, die Wilhelm II. und der Kronprinz erfahren hatten, war 1402 1403 1404

1405 1406

1407

1408

Vgl. Horn: Zwischen Abdankung, 2010, S. 273 f. Vgl. Friedrich Meinecke: Verfassung und Verwaltung der deutschen Republik, in: Ders. (Hrsg.): Politische Schriften und Reden, Darmstadt 1958, S. 280–298, hier S. 281. So schrieb Weber Ende 1918 in der Frankfurter Zeitung: „Wir waren ihnen [den Dynastien, A. S.] treu, aus geschichtlichen Erinnerungen, in Baden auch infolge der Volkstümlichkeit und Korrektheit der dortigen Dynastie. Heute aber können nur politische Erwägungen zu Worte kommen. Die Interessen und Aufgaben der Nation stehen uns turmhoch über allen Gefühlen.“, Max Weber: Deutschlands künftige Staatsform, Frankfurt/M. 1919, S. 1. Vgl. Horn: Zwischen Abdankung, 2010, S. 277 f. Vgl. dazu Cajetan von Aretin: Vom Umgang mit gestürzten Häuptern: Zur Zuordnung der Kunstsammlungen in deutschen Fürstenabfindungen 1918–1924, in: Biskup u. a.: Das Erbe, 2008; Norbert Stieniczka: Die Absetzung des letzten Großherzogs von Hessen und ihre vermögensrechtlichen Folgen, in: Heidenreich: Kronen, Kriege, 2009. Vgl. Monika Wienfort: Monarchie und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik der 1950er Jahre. Die Wahrnehmung der Thronwechsel in Belgien und Großbritannien in der deutschen Presse, in: Biskup u. a.: Das Erbe, 2008, S. 138–160, hier S. 138 f. Vgl. Kapitel 4.3.

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zudem auch die Suche nach einem gesamtdeutschen Anwärter wesentlich erschwert. Insgesamt waren in Bayern die Anhänger einer Wiederherstellung der Monarchie am stärksten vertreten. Da sich aber der Thronprätendent Rupprecht gegen eine auf einem Staatsstreich beruhende Machtergreifung aussprach, konnte auch dort keine Restauration gelingen.1409 Mit dem sich langsam vollziehenden Generationenwechsel und dem Sterben der Zeitgenossen des Kaiserreichs wurde schließlich das Nachwuchsproblem des Monarchismus deutlich. Für die Jüngeren, die keine Erinnerungen mit dem Kaiserreich verbanden, war die Wiedererrichtung einer Monarchie erst recht keine Option.1410 Während die Monarchen in der Tagespolitik nach 1918 keine nennenswerte Rolle mehr spielten, waren sie aus dem Bereich der politischen Kultur und der Unterhaltung dagegen nie ganz verschwunden. Hier konnte insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg in der frühen Bundesrepublik an Entwicklungen angeknüpft werden, die schon während der Herrschaft der Bundesfürsten eingesetzt hatten. Zahlreiche veröffentliche Biografien und Erinnerungen aus den Reihen des ehemaligen Hochadels zeugten vom nach wie vor existierenden Interesse der Öffentlichkeit am Thema. In den Gesellschaftsteilen der Tageszeitungen sowie der Illustrierten waren die Monarchen stets präsent. Allerdings dominierte hierbei der europäische Adel gegenüber den ehemaligen Bundesfürsten. Während diese sich zum einen weniger in der Öffentlichkeit zeigten, sich zum anderen aber auch bürgerlichen Lebensentwürfen anpassten oder sogar in der Kernfamilie ausstarben,1411 wurden in der bundesdeutschen Öffentlichkeit stattdessen die europäischen Dynastien gewissermaßen als deren Erben angenommen; verwandtschaftliche Beziehungen, die diese Assoziation nahelegten, gab es immerhin genug. Wie Monika Wienfort angesichts der Thronbesteigungen des belgischen Königs Baudouin 1951 und der britischen Königin Elisabeth 1952 herausgearbeitet hat, wirkten die ausländischen Monarchen dabei freilich nicht mehr als nationale Symbole, faszinierten aber immer noch wegen ihrer Fähigkeit, Politik zu personalisieren und anschaulich werden zu lassen. Dabei war es insbesondere das „Zusammenwirken von Charisma und Alltäglichkeit“, was bis heute die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die Herrscher und ihre Familien sichert.1412 Obschon das Interesse an diesen meist unpolitisch blieb, führte ein in Deutschland gänzlich fehlendes republikanisches Pathos, wie es etwa in Frankreich existiert, dazu, dass die Monarchien Europas zum „abendländisch-europäische[n] Gemeinbesitz“ avancierten, deren Geschicke 1409 1410

1411 1412

Vgl. Weiß: Zwischen Revolution, 1997. Vgl. Arne Hofmann: Obsoleter Monarchismus als Erbe der Monarchie. Das Nachleben der Monarchie im Monarchismus nach 1918, in: Biskup u. a.: Das Erbe, 2008, S. 241–260, hier S. 241–247. Ausführlicher zum Bund der Aufrechten, dem stärksten Verband der Monarchisten, siehe Arne Hofmann: „Wir sind das alte Deutschland, das Deutschland, wie es war …“. Der „Bund der Aufrechten“ und der Monarchismus in der Weimarer Republik, Frankfurt/M. u. a. 1998. Nach dem Tod Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen 1937 starb einen Monat später fast dessen gesamte Familie bei einem Flugzeugabsturz. Wienfort: Monarchie und, 2008, S. 141.

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weiterhin öffentlich verfolgt werden.1413 Ganz besonders deutlich wurde dies auch immer wieder bei den Besuchen ausländischer Monarchen in Deutschland, allen voran Königin Elisabeths II. von Großbritannien. Deren erster Besuch im Jahre 1965 dauerte elf Tage lang, kostete knapp 1,5 Millionen Mark und stand hauptsächlich im Zeichen der Versöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern. Nicht nur Politiker wie Bundeskanzler Ludwig Erhard oder Willy Brandt, der damalige Oberbürgermeister Berlins, konkurrierten um den Sitzplatz neben der Königin; auch bei Jugendlichen belegte einem Meinungsforschungsinstitut zufolge die Queen in diesem Jahr Platz 2 bei der Frage nach persönlichen Vorbildern – auf Platz 1 stand die eigene Mutter.1414 Zweifellos erfüllte Elisabeth dabei alle Anforderungen des modernen Starkults. Trotzdem fühlen sich einige Berichterstatter angesichts dieser Besuche stets aufs Neue bemüßigt zu konstatieren, dass Deutschland „[i]rgendwo in einem fernen Herzenswinkel […] eine heimliche Monarchie geblieben sein [muss], selbst wenn der letzte Kaiser 1918 auf seiner Flucht nach Holland alle hoheitsvolle Haltung hinter sich“ gelassen hatte.1415 Ob dies den tatsächlichen Stimmungen entspricht oder nur Teil der journalistischen Akzentuierung und Polarisierung ist, soll dahingestellt bleiben. Viel aufschlussreicher ist, dass die ausführlichen Berichterstattungen über die Besuche Elisabeths in einer historischen Linie mit den Bemühungen der letzten deutschen Monarchen nach einer für alle sichtbaren Inszenierung standen und dass sich an der prinzipiellen Empfänglichkeit der Menschen für diese nichts geändert hat.

1413 1414

1415

Ebd., S. 143. Wolfgang Klauser: Deutschlands letzte Königin? Die Deutschlandbesuche Elisabeths II. im Spiegel ihres politisch-medialen Umfeldes, in: Kroll u. a.: Hannover – Coburg-Gotha, 2015, S. 317–334, hier S. 323–330. Angesichts der kollektiven Begeisterung, die der Besuch auslöste, verwendete die Deutsche Wochenschau die Umschreibung, „dass die Alpen gewackelt hätten“ als Elisabeth in München empfangen wurde, zitiert nach ebd., S. 322. Joachim Fritz-Vannahme: Königlicher Glanz über grauer Politik, in: Die Zeit, 23.10.1992.

9.

Schluss

Die Inszenierung, politische Repräsentation und Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Bundesfürsten wurde in dieser Studie über den langen und sich politisch stark wandelnden Zeitraum von 1848 bis 1918 untersucht. Dabei stellten die Revolution von 1848/49, der Deutsche Krieg 1866, die Reichsgründung 1871, der Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. 1888 sowie der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 die wichtigsten Zäsuren dar, die sich auch auf die Stellung der Bundesfürsten und ihre daraus resultierende Inszenierung auswirkten. Trotz diverser Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten, individuellen Monarchen und Arten der Selbstdarstellung, war es den Bundesfürsten in ihrer Gesamtheit gelungen, ihre Stellung und Regierung durch eine adäquate Repräsentation zu inszenieren. Dabei nutzten sie alle zur Verfügung stehenden Mittel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ihrer Zeit aus. Eine wichtige Bedingung dieses bewussteren Umgangs mit der Öffentlichkeit war eine gestiegene Sensibilität der Bundesfürsten für die Bedeutung der eigenen Popularität und deren Auswirkung auf die eigene Legitimität. Wie am Beispiel König Maximilians II. von Bayern gezeigt werden konnte, waren diese Überlegungen zur Beliebtheit des Monarchen bereits um 1850 sehr weit gediehen. Um das monarchische Gefühl sowie die königstreue Haltung der Bevölkerung zu festigen, setzte man auf eine symbolische Politik, die sich hauptsächlich in der häufigeren Präsenz des Monarchen, der Förderung des Geschichts- und Heimatbewusstseins und promonarchischer Pressebeeinflussung niederschlug. Ebenso wurde die traditionelle repräsentative Ausgestaltung lebensgeschichtlicher Ereignisse wie Geburt und Taufe, Hochzeit und Beerdigung dem sich bis 1918 vollziehenden rasanten Wandel in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur angepasst. Während Geburt und Hochzeit erst um 1900 zunehmend im Hinblick auf eine Beteiligung der Öffentlichkeit inszeniert wurden, stellte die Beerdigung den Höhe- und Endpunkt der Inszenierung im Herrscherleben dar. Dieses Ereignis wurde im gesamten Untersuchungszeitraum von allen Bundesfürsten aufwändig zelebriert. Wie zu keinem anderen Zeitpunkt wurde sich der Loyalität und emotionalen Verbundenheit der Untertanen in diesem Moment des Machtübergangs auf den Nachfolger versichert. Der Popularitätssteigerung dienten des Weiteren die monarchischen Landesreisen, welche, auch begünstigt durch die Entwicklungen im Verkehrssektor, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stark zugenommen hatten und erheblich zur Präsenz der Bundesfürsten in der Region beitrugen. Von der Prämisse ausgehend, dass eine persönliche Begegnung mit dem Herrscher bei den Untertanen eine besonders starke Wirkung entfalten konnte, da sie eine wechselseitige Wertschätzung zwischen Besucher und Besuchten implizierte, etablierten sich Reisen in den größeren

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9. SCHLUSS

Territorialstaaten zu wichtigen Instrumenten monarchischer Öffentlichkeitsarbeit. Da um 1850 viele Monarchen ein paternalistisches Herrschaftsverständnis vertraten, hatten die Landesreisen zu dieser Zeit noch einen stark ausgeprägten Inspektionscharakter, indem der Herrscher vor Ort die Funktion der obersten Prüfinstanz gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Prozesse einnahm. Mit dem Verlust großer Teile der politischen Souveränität der Bundesfürsten und aufgrund der sich daraus ergebenden Verlagerung auf eine eher repräsentative Funktion im Staatswesen veränderten auch die Reisen der Monarchen ihre Prägung, insofern der Herrscher nun als führender Repräsentant der regionalen Identität und Gemeinschaft vor Ort auftrat. Für sozial-humanitäre Maßnahmen, wie etwa die Wohltätigkeit der Bundesfürstinnen, wie für alle weiteren im 19. Jahrhundert begründeten Bemühungen zur Steigerung monarchischer Sichtbarkeit galt gleichermaßen, dass diese für die nachfolgenden Herrschergenerationen einen normativen Charakter annahmen und sich daraus ein Verhaltenskatalog entwickelte, an dessen Einhaltung sich die Erwartungen der Untertanen knüpften. Um 1900 waren die gut fünfzig Jahre vorher verstärkt begonnenen Bemühungen zur Popularitätssteigerung bereits so etabliert, dass ein Abweichen oder Nichteinhalten dieser Kriterien die Gefahr des Skandals oder der öffentlich vorgebrachten Kritik in sich barg. Um einer solchen potentiellen Unannehmlichkeit zu begegnen, die stets in Legitimationskrisen enden konnte, wurde das vorbildliche Verhalten und Leben der Monarchen von diesen nun auch verstärkt in veröffentlichten Briefwechseln, anlassgebundenen Jubiläumsschriften oder Memoiren demonstriert. Zur Vergegenwärtigung des nicht überall in Erscheinung tretenden Souveräns bedienten sich die Bundesfürsten der Herrscherporträts. Neben der Beibehaltung des klassischen Bildkanons von Staats- oder Reiterporträt wurde dieser um Schreibtisch-, Genre- und Familienbild erweitert. Noch wichtiger war in diesem Zusammenhang allerdings die massenhafte Verbreitung des Herrscherbildes durch die Weiterentwicklung von Drucktechniken und der Erfindung der Fotografie. Die lebensnahere Darstellungsart, die durch die Eröffnung von Fotoateliers nun auch den Untertanen zur Verfügung stand, ermöglichte durch die allgemeine Verfügbarkeit und Ähnlichkeit in der Abbildungsweise eine viel tiefgehendere Identifikation der Untertanen mit ihrem Herrscher. Insbesondere die um 1890 aufgekommenen Bildpostkarten, welche die Monarchen in den unterschiedlichsten Situationen zeigten und die gesamte Herrscherfamilie in den Fokus stellten, trugen sehr zur Popularisierung der ersten Familie des Landes bei. Eine vergleichbare Bedeutung für die zunehmende Präsenz des Landesherrn in der Erfahrungswelt der Untertanen hatten die um 1850 entstandenen Familienblätter und Illustrierten. Diese verschafften den Monarchen eine öffentliche Bühne, über welche sie in dieser Form bisher nicht verfügt hatten. Vermittelt durch die mediale Berichterstattung konnte nun bei jedem unter Beteiligung des Herrschers stattfindenden Ereignis das anwesende, unmittelbar beobachtende Publikum durch ein abwesendes, vermittels der Zeitung rezipierendes erweitert werden.

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Aufgrund der bis 1900 stark zunehmenden Quantität der Medienberichte, insbesondere aber dank der Ergänzung der Reportagen durch aussagekräftige Bilder, konnten die Monarchen von großen Teilen der Bevölkerung das erste Mal als facettenreiche Personen wahrgenommen werden. Da den Illustrierten mit den zahlreichen regierenden Häusern Deutschlands ein bei den Lesern beliebtes Sujet zur Verfügung stand, wurde die Berichterstattung über diese immer ausführlicher und thematisierte nun zunehmend auch die vermeintlich privaten, d. h. der Öffentlichkeit bisher verborgenen Aspekte des herrschaftlichen Lebens. Obwohl sich die Illustrierten ab 1900 in ihrem Erscheinungsbild stark wandelten, blieben Berichte über die regionalen Bundesfürsten weiterhin ein wichtiger Bestandteil der überregionalen Zeitschriftenlandschaft. Wenngleich insbesondere Kaiser Wilhelm II. für die Bundesfürsten ein starker Konkurrent war, der den Anforderungen der modernen Medien nach prononcierten, wirkungsmächtigen Auftritten in herausstechender Weise nachkam, führte dies nicht zu einer Verdrängung der Bundesfürsten aus dem Bereich der öffentlichen Wahrnehmung. Vielmehr blieb deren überregionale Sichtbarkeit trotz aller politischen Umbrüche von 1848 bis 1918 auf einem konstanten Niveau. Diese hier näher untersuchten Maßnahmen belegen, dass sich die Bundesfürsten ungeachtet ihrer jeweiligen politischen Stellung aller ihnen zur repräsentativen Ausgestaltung ihrer Rolle zur Verfügung stehenden Mittel bedienten. Dies galt für traditionelle wie innovative Elemente der Öffentlichkeitsarbeit gleichermaßen. Sie beschritten damit in Inszenierungsfragen den gleichen Weg wie die kaiserliche Dynastie der Hohenzollern, aber auch den der den Ersten und Zweiten Weltkrieg überstehenden west- und nordeuropäischen Monarchien. Dadurch blieben sie trotz aller Einschnitte in ihre politische Souveränität in ihrer gesellschaftlich-kulturellen Rolle weitgehend unangetastet und konnten ihre Funktion als Identifikationsfigur der Region – die ihnen für einige Gebiete erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugefallen war – festigen und behaupten. Der seitens der Bundesfürsten immer wieder beschworene Bund zwischen Untertanen und angestammtem Herrscherhaus wurde von der Bevölkerung positiv rezipiert und bei allen sich bietenden Gelegenheiten, wie den Ereignissen im Herrscherhaus, den Landesreisen, den fürstlichen Engagements zum Wohle der Bevölkerung, aber auch anderen regionalen Begebenheiten betont. Durch die mithilfe technischer Neuerungen viel einfacher zu erreichende leibliche und bildliche Präsenz des Herrschers und seiner Familie in der Region konnten die Monarchen die Anforderungen an die Rolle als regionale Gemeinschaft versinnbildlichende Identifikationsfiguren besser erfüllen. In der sich etablierenden, von komplexen Strukturen gekennzeichneten Moderne verkörperten sie dadurch als leicht zu erkennende Symbolfiguren Stabilität und Gewissheit. Daran änderte auch die Reichsgründung von 1871 nur wenig, da der Fortbestand der zu dieser Zeit noch existierenden Bundesstaaten durch die Verfassung gesichert und die Bundesfürsten zum Träger der Reichsstabilität erklärt wurden. Da der Reichsgedanke eben nicht nur mit dem als Deutschen Kaiser fungierenden

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9. SCHLUSS

König von Preußen, sondern auch mit allen übrigen Monarchen der Bundesstaaten verbunden war, behielten diese ihre Rolle für das jeweilige regionale Bewusstsein und darüber hinaus in ihrem Zusammenwirken auch für das deutsche Nationalbewusstsein bei. Der in Deutschland erst langsam aufkommende, ab ca. 1890 durch den Imperialismus bestärkte Nationalismus schloss aus diesem Grund die regionalen Identitäten und ihre bundesfürstlichen Vertreter nicht aus, sondern integrierte diese. Obwohl Wilhelm I. nach der Ernennung zum Deutschen Kaiser eine ungemeine Popularität entwickelte, stellte er für die Bedeutung der Bundesfürsten in ihren Staaten keine ernsthafte Bedrohung dar. Der Reichsgründung kam demnach auch für die Positionierung der regionalen Herrscher weniger Bedeutung zu als dem Regierungsantritt Wilhelms II. 1888, der die Rolle des obersten nationalen Monarchen weit mehr beanspruchte als sein Großvater. Ungeachtet aller Versuche des letzten Deutschen Kaisers, durch seine Reisen, Auftritte, markanten Reden, Technikförderung, Marineausbau und Weltmachtstreben als nationales Symbol des Reiches zu wirken und die Bedeutung der Bundesfürsten zu minimieren, gelang ihm Ersteres nur zeitweise, Letzteres dagegen in den Bundesstaaten außerhalb Preußens nie. Dafür war erstens allen Bemühungen Wilhelms II. zur Überwindung des Raumes zum Trotz das Deutsche Reich schlicht zu groß, als dass die Präsenz der Bundesfürsten vor Ort durch den Kaiser hätte übertrumpft werden können. Zweitens war die traditionelle Bindung an die angestammten Herrscherhäuser sowie die regionalen Eigenheiten zu stark, als dass die noch junge Bindung an die Person des Kaisers und an das Kaisertum diese hätte ablösen können. Nicht zuletzt waren drittens in einigen Ländern die antipreußischen Ressentiments noch immer zu ausgeprägt. Die nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. scheinbar folgende gesamtgesellschaftliche Hochphase nationaler Begeisterung – die sich, wie aufgezeigt wurde, jedoch nur in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen manifestierte – war für die Bundesfürsten daher nicht herrschaftsgefährdend. Ihre Popularität in den Bundesstaaten blieb trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ungebrochen, wie an zahlreichen Beispielen belegt werden konnte. Diese etablierte und wenig kritisierte Stellung der Bundesfürsten gründete dabei nicht ausschließlich auf deren öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen, sondern war auch begünstigt durch die von Frieden, Fortschritt und zunehmendem Wohlstand geprägte Zeit von 1871 bis 1914, von der – trotz gravierender Klassenunterschiede – alle Deutschen profitierten. Die fehlende politische Mitsprache und die schlechteren Lebensbedingungen in den unteren Schichten wurden zwar beispielsweise seitens der Sozialdemokratie immer wieder angeprangert, führten aber nicht zu einer Infragestellung der Monarchie an sich. Schließlich kann die Situation der Monarchie im Jahre 1918 auch kaum mit der Ausgangslage vor dem Ersten Weltkrieg verglichen oder die Abdankung der Bundesfürsten als Gradmesser für ihre Inszenierung herangezogen werden. Die hier aufgezeigten Initiativen und Rezeptionen monarchischer Öffentlichkeitsarbeit zeigen größtenteils eine ausgeprägte Sensibilität der Monarchen und ihrer Höfe für

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die eigene Popularität und für die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Inszenierung von Herrschaft. Angesichts des komplexen Zusammenspiels von kriegsbedingten gesellschaftlichen Umbrüchen, der Krise der Reichsmonarchie sowie einer zum Teil auch selbstverschuldeten Unpopularität in den letzten Kriegsjahren, die aus einem nicht an die Kriegssituation angepassten Verhalten resultierte, war die realpolitische Gemengelage in Kombination mit einer nicht mehr zu lenkenden, revolutionären Erhebung so fatal, dass keine noch so innovative Inszenierung die Monarchie in Deutschland 1918 vor der in diesem Moment geforderten Abdankung hätte bewahren können. Dabei war das Ende der bundesfürstlichen Herrschaft in Deutschland nicht das kausale Ergebnis einer prinzipiell mangelnden Akzeptanz dieser Monarchen oder deren Regierungs- und Repräsentationsunfähigkeit, sondern ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass den deutschen Monarchen zwar die Modernisierung ihrer Inszenierung gelang, die Modernisierung des Systems Monarchie allerdings ausblieb.

Stammbäume

Diese Stammbäume zeigen die untersuchten Bundesfürsten und ihre in diesem Kontext relevanten Verwandten. Es werden dabei nicht alle Nachkommen aufgezeigt.

Bayern – Haus Wittelsbach

Ludwig I. 1786–1868 König von 1825–1848 ∞ 1810 Therese von SachsenHildburghausen

Maximilian II. 1811–1864 König seit 1848 ∞ 1842 Marie von Preußen

Ludwig II. 1845–1886 König seit 1864

Luitpold 1821–1912 Regent seit 1886 ∞ 1844 Auguste v. ÖsterreichToskana

Otto 1848–1916 König von 1886–1913 regierungsunfähig

Ludwig III. 1845–1921 Regent seit 1912 König von 1913–1918 ∞ 1868 Marie Therese von Österreich-Este Rupprecht 1869–1955 Kronprinz von Bayern ∞ 1900 Marie Gabriele in Bayern ∞ 1921 Antonia v. Luxemburg und Nassau

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STAMMBÄUME

Sachsen – Haus Wettin (albertinische Linie)

Maximilian 1759–1838 Prinz von Sachsen ∞ 1792 Carolina von Parma

Friedrich August II. 1797–1854 König seit 1836 ∞ 1819 Maria Karoline von Österreich ∞ 1833 Maria Anna von Bayern

Johann 1801–1873 König seit 1854 ∞ 1822 Amalie Auguste von Bayern

Albert 1828–1902 König seit 1873 ∞ 1853 Carola v. Wasa-HolsteinGottorp

Georg 1832–1904 König seit 1902 ∞ 1859 Maria Anna v. Portugal

Friedrich August III. 1865–1932 König von 1904–1918 ∞ 1891 Luise von ÖsterreichToskana

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STAMMBÄUME

Hessen – Haus Hessen

Ludwig II. 1777–1848 Großherzog von 1830–1848 ∞ 1804 Wilhelmine von Baden

Ludwig III. 1806–1877 Großherzog seit 1848 ∞ 1833 Mathilde von Bayern

Karl 1809–1877 Prinz von Hessen und bei Rhein ∞ 1836 Elisabeth von Preußen

Ludwig IV. 1837–1892 Großherzog seit 1877 ∞ 1862 Alice von Großbritannien

Ernst Ludwig 1868–1937 Großherzog von 1892–1918 ∞ 1894 Victoria Melita von S.-Coburg und Gotha ∞ 1904 Eleonore zu SolmsHohensolms-Lich

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STAMMBÄUME

Sachsen-Coburg und Gotha – Haus Wettin (Zweig der ernestinischen Linie)

Ernst I. 1784–1844 Herzog von S.-Coburg-Saalfeld seit 1806 Herzog von S.-Coburg und Gotha seit 1826 ∞ 1817 Luise von Sachsen-GothaAltenburg

Ernst II. 1818–1893 Herzog seit 1844 ∞ 1842 Alexandrine von Baden

Albert 1819–1861 ∞ 1840 Victoria v. Großbritannien

Alfred 1844–1900 Herzog seit 1893 ∞ 1874 Maria von Russland

Leopold 1853–1884 Duke of Albany ∞ 1882 Helene zu Waldeck u. Pyrmont

Alexandra 1878–1942 ∞ 1896 Ernst II. zu HohenloheLangenburg Regent von 1900–1905

Carl Eduard 1884–1954 Herzog von 1905–1918 ∞ 1905 Viktoria Adelheid v. Schleswig-Holstein-SonderburgGlücksburg

Kurzbiografien

Bayern Ludwig I. (1786–1868) L. war König von Bayern von 1825 bis zu seiner Abdankung infolge revolutionärer Unruhen um die Affäre Lola Montez 1848. Er setzte sich besonders für die Förderung der Künste ein und war für viele Museumsgründungen in München verantwortlich (Alte und Neue Pinakothek, Glyptothek). Seit 1810 war er verheiratet mit Therese von Sachsen-Hildburghausen. Der Ehe entsprangen neun Kinder, darunter die Söhne Maximilian (II.) und Luitpold.

Maximilian II. (1811–1864) M. war von 1848 bis 1864 König von Bayern. Er setzte sich besonders für eine selbständige Stellung Bayerns im Deutschen Bund ein. Dafür wollte er im Rahmen seiner Trias-Politik Bayern als Führer der Mittelstaaten neben Österreich und Preußen etablieren. Innenpolitisch setzte er sich besonders für die Förderung der Wissenschaften und eine Stärkung des bayerischen Brauchtums ein. Seit 1842 war er verheiratet mit Marie Friederike von Preußen. Der Ehe entsprangen die Söhne Ludwig (II.) und Otto.

Ludwig II. (1845–1886) L. war von 1864 bis 1886 König von Bayern. Nach dem überraschenden Tod seines Vaters Maximilian II. kam L. im Alter von 18 Jahren auf den Thron. Für den schwärmerisch veranlagten L. führten die erzwungene Trennung von seinem Idol Richard Wagner sowie die Niederlage Bayerns im Deutschen Krieg von 1866 und die damit besiegelte preußische Vormachtstellung in Deutschland zu einem von Enttäuschung geprägten Rückzug aus der Öffentlichkeit. Er widmete sich daraufhin u. a. dem Bau der Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee. Da die Baukosten die Staatskasse in den Ruin getrieben hatten, wurde L. am 9. Juni 1886 für regierungsunfähig erklärt. Er ertrank vier Tage später unter ungeklärten Umständen im Starnberger See. Eine 1867 erfolgte Verlobung mit Sophie in Bayern hatte L. wieder gelöst.

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KURZBIOGRAFIEN

Otto (1848–1916) O. war von 1886 bis 1913/16 formal König von Bayern. Aufgrund seiner Regierungsunfähigkeit übernahmen sein Onkel Luitpold und für kurze Zeit sein Cousin Ludwig die Regentschaft.

Luitpold (1821–1912) L. führte von 1886 bis 1912 die Regentschaft für seine regierungsunfähigen Neffen Ludwig II. und Otto. Obwohl L. aufgrund der Umstände der Absetzung Ludwigs II. von einigen Bevölkerungsgruppen zunächst stark angefeindet wurde, erreichte er gegen Ende seiner Regentschaft durch seine Volkstümlichkeit eine große Popularität. Seit 1844 war er verheiratet mit Auguste von Österreich-Toskana. Der Ehe entsprangen vier Kinder, darunter Ludwig (III.).

Ludwig III. (1845–1921) L. regierte seit 1912 als Prinzregent von Bayern. 1913 wurde durch eine Verfassungsänderung die Regentschaft für Otto als beendet erklärt und L. regierte bis zu seinem Thronverzicht im Jahre 1918 als König von Bayern. Seit 1868 war er verheiratet mit Marie Therese von Österreich-Este. Der Ehe entsprangen dreizehn Kinder, darunter der Kronprinz Rupprecht.

Sachsen Friedrich August II. (1797–1854) F. A. war seit 1830 Prinz-Mitregent seines Vorgängers König Anton und von 1836 bis 1854 König von Sachsen. In seine Regierungszeit fallen die Ausarbeitung der Sächsischen Verfassung 1831 sowie die blutige Niederschlagung des Dresdner Maiaufstandes 1849. Ebenso wurden die Grundlagen der führenden Industrierolle Sachsens unter F. A. gelegt. F. A. starb überraschend während eines Unfalls in Tirol. Von 1819 bis zu ihrem Tode 1832 war F. A. verheiratet mit Maria Karoline von Österreich, seit 1833 mit Maria Anna von Bayern. Beide Ehen blieben kinderlos.

KURZBIOGRAFIEN

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Johann (1801–1873) J. war von 1854 bis 1873 König von Sachsen. Er galt als Inbegriff eines Gelehrten auf dem Thron. So übersetzte er etwa unter dem Synonym Philaletes Dantes Göttliche Komödie in einer noch heute maßgebenden Version ins Deutsche. Obwohl die Popularität der sächsischen Königsfamilie seit der Revolution von 1848/49 stark gelitten hatte, gelang es Johann durch zahlreiche Maßnahmen, die Beliebtheit der Wettiner wieder zu steigern. Auch stieg Sachsen unter seiner Herrschaft zu einem der führenden Industriezentren auf. Seit 1822 war er verheiratet mit Amalie Auguste von Bayern. Der Ehe entsprangen neun Kinder, darunter Albert und Georg.

Albert (1828–1902) A. war von 1873 bis 1902 König von Sachsen. Er wurde besonders als erfolgreicher Militärführer berühmt. Während er 1866 als sächsischer Befehlshaber auf der Verliererseite stand, errang er 1870 im Deutsch-Französischen Krieg große Erfolge bei Gravelotte, Beaumont und Sedan, woraufhin er zum Generalfeldmarschall befördert wurde. Seit 1853 war er verheiratet mit Carola von Wasa-Holstein-Gottorp. Die Ehe blieb kinderlos.

Georg (1832–1904) G. war von 1902 bis 1904 König von Sachsen. Der streng katholische auftretende G. hatte sich schon vor seiner Regierung durch die Einführung des Drei-KlassenWahlrechts 1896 für eine Beschneidung der demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten seiner Untertanen stark gemacht. Diese und weitere reaktionäre Maßnahmen trugen zu seiner erheblichen Unpopularität bei. Seit 1859 war er verheiratet mit Maria Anna von Portugal. Der Ehe entsprangen acht Kinder, darunter Friedrich August (III.).

Friedrich August III. (1865–1932) F. A. war von 1904 bis 1918 König von Sachsen. Im Gegensatz zu seinem reaktionären Vater, erfreute sich der unkonventionell und leutselig auftretende König großer Beliebtheit. Er beteiligte sich kaum an politischen Entscheidungen, sondern erfüllte zunehmend Repräsentativaufgaben. Seit 1891 war er verheiratet mit Luise von Toskana, die Ehe wurde nach der Flucht Luises vom Sächsischen Hof 1903 aufgehoben. Der Ehe entsprangen sechs Kinder.

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KURZBIOGRAFIEN

Hessen Ludwig III. (1806–1877) L. war von 1848 bis 1877 Großherzog von Hessen und bei Rhein. Im Zuge der Märzrevolution war er zum Mitregenten seines Vaters Ludwig II. ernannt worden und bestätigte die Märzforderungen der Revolution. Obwohl er die politische Hauptarbeit seinen Ministern überließ, votierte er für eine politische Orientierung Hessens an Österreich. Die durch die Niederlage 1866 erzwungene Annäherung an Preußen war daher nicht in seinem Sinne. Seit 1833 war er verheiratet mit Mathilde von Bayern. Die Ehe blieb kinderlos.

Ludwig IV. (1837–1892) L. war von 1877 bis 1892 Großherzog von Hessen und bei Rhein. Entgegen dem Standpunkt seines Onkels Ludwig III. vertrat er einen propreußischen Kurs und kämpfte erfolgreich im Deutsch-Französischen Krieg. Von Bedeutung war seine 1862 erfolgte Heirat mit Alice von Großbritannien und Irland, einer Tochter Königin Victorias. Alice setzte sich nicht nur für liberale Reformen in Hof und Gesellschaft ein, sondern verschaffte Hessen auch Aufmerksamkeit auf dynastischer Ebene. Der Ehe entsprangen sieben Kinder, darunter Ernst Ludwig und Alix, die spätere Zarin von Russland.

Ernst Ludwig (1868–1937) E. L. war von 1892 bis 1918 Großherzog von Hessen und bei Rhein. Er wurde besonders bekannt durch seine kulturpolitischen Maßnahmen wie die Förderung des Jugendstils. Durch die Gründung der Künstlerkolonie machte er Darmstadt zu einem wichtigen Anlaufpunkt für die avantgardistische Kunst um 1900. Von 1894 bis 1901 war er verheiratet mit Victoria Melita von Sachsen-Coburg und Gotha, einer Tochter Herzog Alfreds. Der geschiedenen Ehe entsprang die jung verstorbene Tochter Elisabeth. Seit 1904 war E. L. verheiratet mit Eleonore zu SolmsHohensolms-Lich. Der Ehe entsprangen die Söhne Georg Donatus und Ludwig.

KURZBIOGRAFIEN

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Sachsen-Coburg und Gotha Ernst II. (1818–1893) E. war von 1844 bis 1893 Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Eingeschränkt durch die politisch unbedeutende Rolle seines Herzogtums setzte sich E. für eine Nationalstaatsgründung unter preußischer Führung ein. Dabei unterstützte er aber weniger die Politik Bismarcks als vielmehr die Sänger-, Schützen- und Turnerbewegungen. Im Vergleich zu anderen Bundesfürsten regierte E. vergleichsweise liberal. Von Bedeutung war auch die Ehe seines Bruders Albert mit Königin Victoria von Großbritannien, welche sich auf die Nachkommenschaft im Herzogtum auswirken sollte. Seit 1842 war er verheiratet mit Alexandrine von Baden. Die Ehe blieb kinderlos.

Alfred (1844–1900) A. war von 1893 bis 1900 Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Er war ein Sohn der britischen Königin Victoria und ihres Mannes Albert, dem Bruder Ernsts II. Nachdem dieser ohne Nachkommen verstorben war, ging das Herzogtum auf die Linie Alberts über. Der Vorwurf, dass ausländische Fürsten einen deutschen Bundesthron besetzten, sorgte immer wieder für Konflikte. A. war ein passionierter Seemann und Großadmiral der britischen Flotte. Obwohl er in seiner Rolle als Herzog nie eine große Erfüllung fand, erfreute er sich gegen Ende seiner Herrschaft einer gewissen Popularität. Seit 1874 war er verheiratet mit Maria von Russland. Der Ehe entsprangen der bereits vor seinem Vater verstorbene Erbprinz Alfred sowie vier Töchter, darunter Victoria Melita, die erste Ehefrau Ernst Ludwigs von Hessen und bei Rhein.

Ernst zu Hohenlohe-Langenburg (1863–1950) E. war von 1900 bis 1905 Regent für den minderjährigen Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha. Durch seine seit 1896 bestehende Ehe mit Alexandra war er ein Schwiegersohn des verstorbenen Herzogs Alfred. Seine Regentschaft war geprägt durch einen liberalen Regierungsstil.

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KURZBIOGRAFIEN

Carl Eduard (1884–1954) C. E. war von 1900 bis 1918 Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, dabei führte bis zu seiner Volljährigkeit 1905 Ernst zu Hohenlohe-Langenburg die Regentschaft. C. E. regierte deutlich konservativer als sein Regent, weshalb es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit dem Landtag kam, die sich auch auf die Beliebtheit des Herzogs auswirkten. Nach seiner Abdankung gehörte er zu den frühen Unterstützern Hitlers und der NS-Bewegung. 1933 wurde er zum Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, 1938 zum SA-Obergruppenführer. Er vertrat das Deutsche Reich hauptsächlich im Ausland. Seit 1905 war er verheiratet mit Viktoria Adelheid von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Der Ehe entsprangen fünf Kinder.

Abbildungsverzeichnis und -nachweis

Schwarz-Weiß-Abbildungen im Text 1

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Herzog Ernst auf dem Totenbett. Nach einer Photographie von Rudolf Kühn in Erfurt und Friedrichroda Abgebildet in: Die Gartenlaube, 1893, Heft 37, S. 620 Der Besuch des Königs Johann von Sachsen in Leipzig: Ankunft vor dem Großen Blumenberge am Morgen des 19. September Abgedruckt in: Illustrirte Zeitung, Nr. 639, 01.10.1855, S. 209 Olaf Gulbransson: Kaisermanöver (Seine Majestät erklären dem Prinzen Ludwig von Bayern die feindlichen Stellungen) Abgedruckt in: Simplicissimus, Jg. 14, Heft 25, 20.09.1909, S. 424 James Aurig: S. M. König Friedrich August v. Sachsen in seinem Arbeitszimmer © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Schöbel Friedrich Gonne: König Johann, um 1855 Öl auf Leinwand, 223 x 156 cm, verschollen Abgedruckt in: Sponsel, Jean Louis: Fürsten-Bildnisse aus dem Hause Wettin, Dresden 1906, Tafel 90 Die königliche Familie, 1869 Fotomontage, 26 x 29 cm, Schloss Weesenstein, Inv.-Nr. V/004/K 7. © Schloss Weesenstein Verlag Elbert: Georg, Erbgrossherzog von Hessen und bei Rhein (handgeschrieben: „Ist er nicht herzig?“), um 1907 © HStAD, D 27 B, Nr. 1116 James Aurig: Prinzessinnen Margarete, Alix und Anna von Sachsen, um 1908 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Schöbel Grete Back: Prinzessin Margarethe von Sachsen, um 1917 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Schöbel

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS UND -NACHWEIS

I. K. H. Prinzessin Mathilde von Bayern, um 1906 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens Beatrice von Sachsen-Coburg und Gotha, um 1904 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens Prinzessin Rupprecht [Marie Gabriele] von Bayern, um 1910 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens Fotostudio Elvira: Prinzessin Marie Gabriele von Bayern mit Söhnen, 1906 © HStAD, R 4, Nr. 32574/64 A W. Zink & Sohn: S. K. H. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha mit Prinzessin Mathilde, 1918 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens Hahn Nachfolger: Die sächsischen Prinzen Georg, Friedrich Christian und Ernst Heinrich, 1906 (Ausschnitt) © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens Hahn Nachfolger: Prinzessinnen Margarethe und Alix, 1906 © HStAD, R 4, Nr. 32574/30 A James Aurig: Unser jüngstes Prinzess’chen Anna, 1909 © HStAD, D 27 A, Nr. 100/74 James Aurig: König Friedrich August v. Sachsen im Kreise seiner Kinder, um 1914 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Schöbel Prinzessin [Anna] Monica [Pia] von Sachsen, ca. 1905 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens Susanne Homann: Eleonore, Großherzogin von Hessen mit ihren Söhnen, 1914 © HStAD, D 27 A, Nr. 74/71 Susanne Homann: Motivserie Grossherzoglich Hessische Familie, 1909 21 © HStAD, R 4, Nr. 15053 22 © HStAD, R 4, Nr. 32571/88 23 © HStAD, D 27 B, Nr. 470 24 © HStAD, D 27 A, Nr. 100/29 25 © HStAD, D 27 A, Nr. 74/25 26 © HStAD, D 27 A, Nr. 74/24

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Verlag A. Grimm: Herzog Carl Eduard von SachsenCoburg und Gotha mit dem Erbprinzen Johann Leopold und Prinzessin Sybille, 1910 © HStAD, D 27 B, Nr. 2523 Atelier Rottmayer-Fernando: S. K. H. Prinz Luitpold von Bayern, 1910. © HStAD, D 27 B, Nr. 1915 O. Streich: Wintersport in Oberhof. – Prinz Dietmar, Erbprinz Johann Leopold, Prinzessin Sibylla von Sachsen-Coburg-Gotha, ca. 1914 © Zeitgenössische Postkarte, Sammlung Mertens F. I. Schneider: Das erste Schützenfest in Gotha: Zug der Schützen und Turner nach dem Schloßplatze am 8. Juli Abgebildet in: Illustrirte Zeitung, Nr. 943, 27.07.1861, S. 68 F. I. Schneider: Das erste Schützenfest in Gotha: Die Preisverleihung am 11. Juli Abgebildet in: Illustrirte Zeitung, Nr. 945, 10.08.1861, S. 101 Hermann Koczyk: Vom Besuch des Königs Friedrich August von Sachsen auf der Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft in Oschatz am 22. Juni Abgebildet in: Illustrirte Zeitung, Nr. 3549, 06.07.1911, S. 20 Eduard Uhlenhuth: Herzog Karl Eduard und Herzogin Viktoria Adelheid von Sachsen-Coburg und Gotha mit der Prinzessin August Wilhelm von Preußen im Hofe der Feste Coburg Abgebildet in: Illustrirte Zeitung, Nr. 3561, 28.09.1911, S. 511

367 S. 288

S. 289

S. 290

S. 317

S. 317

S. 326

S. 328

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS UND -NACHWEIS

Farbabbildungen I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

Hyacinthe Rigaud: König Ludwig XIV. von Frankreich, 1701 Öl auf Leinwand, 277 x 194 cm, Musée du Louvre, Paris, Louis XIV., Inv.-Nr. 7492 © Musée du Louvre, Paris Max Slevogt: Prinzregent Luitpold bei der Seelenmesse der Georgi-Ritter, 1909 Öl auf Leinwand, 62,5 x 52 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, Inv-Nr-. 9090 © Blauel Gnamm – ARTOTHEK Max Haider: Maximilian II. von Bayern, 1850 Öl auf Leinwand, 161 x 120 cm, Münchner Stadtmuseum © Münchner Stadtmuseum Georg Schachinger: König Ludwig II. als Großmeister des St. Georgs-Ritterordens, 1887 Öl auf Leinwand, 257 x 173 cm, Inv. L.II.-Mus. 3186 bzw. 6 (ehem. BStGS Inv. 7814). Herrenchiemsee, Ludwig II.-Museum © Bayerische Schlösserverwaltung, Gunther Schmidt, München Paul Beckert: Ludwig III. als Großmeister des St.Georg-Ritter-Ordens, 1914 Abgebildet in: Illustrirte Zeitung, Nr. 3732, 07.01.1915, S. 7 Jaques Louis David: Napoleon in seinem Arbeitszimmer in den Tuilerien, 1812 Öl auf Leinwand, 203,9 x 125,1 cm, National Gallery of Art, Washington, Samuel H. Kress Collection Inv.-Nr. 1961.9.15 © National Gallery of Art, Washington Carl Christian Vogel von Vogelstein: Prinz Johann als Vorsitzender des Geheimen Finanz-Kollegiums, 1832 Öl auf Leinwand, 123 x 97 cm, Albertinum, Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 2210 © Foto: Albertinum, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Herbert Boswank Ludwig Rudow: Die sächsische Königsfamilie, 1885 Öl auf Leinwand, 151 x 232 cm, Schloss Weesenstein, Inv.Nr. V/094/K 1 © Schloss Weesenstein

ABBILDUNGSVERZEICHNIS UND -NACHWEIS

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

Heinrich von Angeli: Die Familie Großherzog Ludwigs IV. von Hessen, 1879 Öl auf Leinwand, 168 x 149,6 cm, Royal Collection, RCIN 408904 Royal Collection Trust/© HM Queen Elizabeth II 2017 Raden Saleh: Ernst II. und Alexandrine von SachsenCoburg und Gotha nach der Jagd auf der Terrasse von Schloss Rosenau, 1844 Öl auf Leinwand, 113 x 134 cm, Coburg Schloss Ehrenburg © Bayerische Schlösserverwaltung, Rainer Herrmann Raden Saleh: Löwenjagd, 1840 Öl auf Leinwand, 88 x 119 cm, Privatsammlung © VAN HAM Kunstauktionen, Saša Fuis Edwin Landseer: Windsor Castle in Modern Times, 1841–1843. Öl auf Leinwand, 113,4 x 144,3 cm, Royal Collection, RCIN 406903. Royal Collection Trust/© HM Queen Elizabeth II 2017 Franz von Stuck: Prinzregent Luitpold, um 1897 Öl auf Leinwand, 202 x 114 cm, LMU München © Uni-Galerie, LMU München Franz von Stuck: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, 1907 Öl auf Holz, 123 x 102 cm, Hessische Hausstiftung, Schlossmuseum Darmstadt © Hessische Hausstiftung, Schlossmuseum Darmstadt Zeitgenössische Postkarte mit Motiv des Prinzregenten Luitpold und den Jubiläumsbriefmarken, 1911 © Sammlung Jürgen Schmicke, Mönchengladbach

369

Quellenverzeichnis

BayHStA (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München) Abt. 2 (Neuere Bestände) Verkehrsministerium I (MV I), Nr. 1597, 1598 Ministerium des Innern (MInn), Nr. 45789, 46135 Ministerium des Kultus (MKult), Nr. 19025

Abt. 3 (Geheimes Hausarchiv = GHA) Kabinettsakten König Maximilians II., Nr. 34a–c, 37, 48, 49, 56, 75p, Nr. 76j–qu, u, x, 249g Kabinettsakten König Ludwigs II., Nr. 56, 221, 234, 251 Kabinettsakten König Ludwigs III., Nr. 1a, 2, 3, 25, 54, 131, 134 Obersthofmarschallstab S. M. des Königs Ludwig III. von Bayern, Nr. 645 Kopien, Drucke, Tafeln, Nr. 501

SächsHStA (Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden) Bestand 10697 Gesamtministerium, Nr. 0622 Bestand 10711 Ministerium des Königlichen Hauses, Loc. 40 Nr. 32 Bestand 10717 Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Nr. 2300a Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9534–50 Bestand 10988 Hauptzollamt Dresden II, Nr. 65 Bestand 11125 Ministerium des Kultus, Nr. 10296 Bestand 12557 Fürstennachlass Friedrich August II., König von Sachsen Bestand 12561 Fürstennachlass Johann, König von Sachsen Nr. 10a–r, 11 Bestand 12562 Fürstennachlass Albert, König von Sachsen Bestand 12567 Fürstennachlass Friedrich August III., König von Sachsen, Nr. 007 Bestand 13735 Fürstennachlass Mathilde, Prinzessin von Sachsen, Nr. 001

HStAD (Hessisches Staatsarchiv Darmstadt) Bestand E 3 A, 33/54, 97/26 Bestand D 8, 226/3 Bestand D 24, Großherzogliches Familienarchiv, Jüngerer Teil: 3/4, 9/7, 17/12, 19/9, 19/10, 29/6, 29/7, 31/2a, 31/5, 41/7, 43/6, 44/2 Bestand D 27 A, 74/24, 74/25, 74/71, 100/29, 100/74

372

QUELLENVERZEICHNIS

Bestand D 27 B, 470, 1116, 1915, 2523 Bestand G 15, Kreisamt Erbach, M 1675 Bestand G 15, Kreisamt Friedberg, A 7 Bestand G 15, Kreisamt Groß-Gerau, A 8, A 12 Bestand R 4, 15053, 32571/88, 32574/30 A, 32574/64 A

LATh – StA Gotha (Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha) Bestand 2-15-0183 Staatsministerium Departement I, Nr. 58, 59, 63, 148 Bestand 2-15-0199 Staatsministerium Departement C, Nr. 83, 112, 204, 218, 530a, 530b, 535 Bestand 2-17-0311 Oberhofmarschallamt, Nr. 258, 343, 345, 360–373

StACo (Staatsarchiv Coburg) Bestand Landesarchiv Lokat A (= LA A) Nr. 6911, 7106, 7147–7155, 7420, 9465, 13071, 13072, 13197, 13561–13570

Zeitungen Amtsblatt für Eibenstock Augsburger Postzeitung Bautzner Amtsblatt Bayerische Post Bayerische Verkehrsblätter Bayerischer Kurier Berliner Illustrirte Zeitung Coburger Zeitung Darmstädter Echo Darmstädter Zeitung Der Fortschritt auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens (Fürther Abendzeitung) Die Gartenlaube Die Volksstimme. Sozialdemokratisches Organ für Frankfurt a. M. Donau-Zeitung Dresdner Neueste Nachrichten Erzgebirgischer General-Anzeiger Gothaische Zeitung Hessischer Volksfreund – Organ für die Interessen des werktätigen Volkes Illustrirte Zeitung (Leipzig) Leipziger Neueste Nachrichten Leipziger Tageblatt

QUELLENVERZEICHNIS

Münchner Neueste Nachrichten Neue Hessische Volksblätter Pfälzische Presse Sächsische Arbeiterzeitung Saydaer Anzeiger Straubinger Tagblatt Tägliche Rundschau Über Land und Meer Wormser Zeitung Zittauer Morgenzeitung

373

Literaturverzeichnis

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Personenregister

Adam (Maler) 79 Adolph Friedrich VI., Großherzog von Mecklenburg-Strelitz 96 Albert, König von Sachsen 32, 115, 118 f., 131, 143, 145, 155, 163 f., 166, 168, 176, 180, 184, 199, 230 ff., 266 Albert, Joseph 34, 259 f. Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Prince Consort von Großbritannien 190, 198, 213 f., 231, 233, 235 ff., 259, 275, 363 Albrecht, Prinz von Preußen (1809–1872) 255 Alexander II., Kaiser von Russland 60, 149 Alexandra Viktoria von SchleswigHolstein-SonderburgGlücksburg, Prinzessin von Preußen 327 Alexandra von Sachsen-Coburg und Gotha, Fürstin zu HohenloheLangenburg 34, 363 Alexandra (Alix) von Hessen und bei Rhein, Kaiserin von Russland 33, 99 f., 362 Alexandrine von Baden, Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha 136, 139, 144, 146, 218, 234, 237, 314, 363 Alfred, Herzog von SachsenCoburg und Gotha 34, 56, 96, 119, 125, 127, 131, 133 ff., 137, 141, 145, 213 f., 233, 260, 275, 362 f. Alfred, Erbherzog von SachsenCoburg und Gotha 363

Alice von Großbritannien und Irland, Großherzogin von Hessen und bei Rhein 32, 47 f., 99, 101, 103, 109, 113, 123, 146, 153, 188–192, 195–199, 212, 214 f., 268, 275, 362 Alighieri, Dante 159, 213, 226, 361 Amalie Auguste von Bayern, Königin von Sachsen 134, 144, 163, 232, 361 Andres, Jan 180 Angeli, Heinrich von 215, 234 Anna Monika Pia von Sachsen, Erzherzogin von Österreich 271, 280 f., 294 Aretin, Karl Maria von 84 Arthur, Duke of Connaught and Strathearn 96 August Wilhelm, Prinz von Preußen (1887–1949) 327 f. Auguste Viktoria von SchleswigHolstein-SonderburgAugustenburg, Deutsche Kaiserin 140, 277 Auguste von Österreich-Toskana, Prinzessin von Bayern 360 Aurig, James 225, 271, 280, 365 f. Back, Grete 287 Ballin, Albert 248 f. Baudouin, König der Belgier 346 Baumgartner, Thomas 249 Beaton, Cecil 272 Beatrice von Sachsen-Coburg und Gotha, Prinzessin d’OrléansBourbon 272 f. Bebel, August 157, 166, 266

410 Beckert, Paul 223 Benjamin, Walter 277 f. Bethmann-Hollweg, Theobald von 266, 325 Bismarck, Otto von 43, 48, 62, 166, 248 f., 263, 266, 300, 363 Bodenstedt, Friedrich 80, 89 ff. Boelcke, Oswald 266 Bourdieu, Pierre 210 Brandt, Willy 347 Bredekamp, Horst 31 Brehm, Alfred 314 Brückner (Gemeindevorstand) 181 Büschel, Hubertus 29, 128 f. Cannadine, David 104 Canning, Charlotte 237 Carl August, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 128 Carl Eduard, Herzog von SachsenCoburg und Gotha 56, 96, 103, 105, 113 f., 121, 135, 141 f., 258, 275 f., 303, 328, 341, 343, 363 f. Carlowitz, von (Amtshauptmann) 173 Caroline von Wasa-HolsteinGottorp, Königin von Sachsen 115, 118, 145, 154, 163, 187 f., 199 f., 230 ff., 361 Constant, Benjamin 66 Couture, Thomas 110 Craushaar, von (Kreishauptmann) 173 Cunningham, Hugh 268 f., 276 Daguerre, Louis 65 Dalton, Edwin 214 Dalwigk, Reinhard Carl Friedrich von 47 Dandl, Otto Ritter von 248 f., 338 David, Jaques Louis 224 Diemer (Verleger) 244

PERSONENREGISTER

Dietmar, Prinz von SachsenCoburg und Gotha 290 Diez, Julius 250 Disdéri, André 259 Douglas-Hamilton, Archibald, 9. Duke of Hamilton 224 Durkheim, Emile 210 Eckardt, Sebastian 213 Edward VII., König von Großbritannien und Irland 120, 131, 323, 330 Eisner, Kurt 144 Eleonore zu Solms-HohensolmsLich, Großherzogin von Hessen und bei Rhein 56, 99, 110, 114, 188–192, 241 f., 244, 264, 283, 287, 326, 362 Elias, Norbert 14 Elisabeth, Prinzessin von Hessen und bei Rhein (1895–1903) 146, 362 Elisabeth II., Königin von Großbritannien 272, 346 f. Elisabeth in Bayern, Kaiserin von Österreich-Ungarn 67 ff., 102, 303 Elisabeth von Preußen, Prinzessin von Hessen und bei Rhein 191 Elisabeth von Sachsen, Herzogin von Genua 67, 116 f., 121, 123 Elisabeth von Thüringen 186 Erbach, Marie 189 Erhard, Ludwig 347 Ernst I., Herzog von SachsenCoburg-Saalfeld bzw. SachsenCoburg und Gotha 45, 136, 146 Ernst II., Fürst zu HohenloheLangenburg 56, 135, 363 f. Ernst II., Herzog von SachsenAltenburg 341

PERSONENREGISTER

Ernst II., Herzog von SachsenCoburg und Gotha 20, 24, 42, 45, 48, 53, 56, 105, 125, 127–138, 141, 143 f., 146, 151, 199, 201 ff., 212 ff., 218, 231, 233-237, 258, 275, 293, 302, 309 ff., 314 f., 319 ff., 331, 363 Ernst August I., König von Hannover 128 Ernst Heinrich, Prinz von Sachsen 278, 287 Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen und bei Rhein 19, 24, 33 f., 42, 45, 48, 56, 98, 100, 105, 110, 113 f., 116, 119, 121 ff., 142 f., 189 ff., 198 f., 213, 215 f., 238, 241–246, 275, 284, 287 f., 326, 338–341, 346, 362 f. Eugénie de Montijo, Kaiserin der Franzosen 110 Fang, Irving 64 Fechter, Paul 323 f. Feilitzsch, Max Freiherr von 142 f. Ferdinand I., Zar von Bulgarien 131 Ferdinand, Herzog von Genua 116 f. Feuerbach, Anselm 104 f. Firle, Walter 216 Fischer, F. 229 Forker-Schubacher, Maximilian 167, 172 Foucault, Michel 124 Franz Friedrich Anton, Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld 126 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich-Ungarn 140, 213, 324 Freytag, Gustav 20, 32, 320 f. Friedrich, Prinz von Hessen und bei Rhein (1870–1873) 109 Friedrich I. (Barbarossa), Kaiser des römisch-deutschen Reichs 318

411 Friedrich I., Großherzog von Baden 122, 131 Friedrich II., König von Preußen 254 Friedrich III., Deutscher Kaiser 145, 263 Friedrich August II., König von Sachsen 54, 59, 67, 113, 139, 153 f., 212, 250, 260, 360 Friedrich August III., König von Sachsen 32, 42, 70, 97 f., 101, 125, 140, 153, 155, 164, 168–182, 184, 187, 218, 225, 232, 279 ff., 291 ff., 326 f., 341, 343, 361 Friedrich Christian, Kurfürst von Sachsen 97 Friedrich Christian, Prinz von Sachsen (1893–1968) 278 Friedrich Franz IV., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 291 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 32, 149 Fröbel, Friedrich 186 Gadamer, Hans-Georg 206 Gagern, Heinrich von 45 Gainsborough, Thomas 269 Ganghofer, Ludwig 130 f., 246 f. Gebhardt, Hartwig 316 Geertz, Clifford 36 Gehlen, Arnold 209 Gennep, Arnold van 124 f., 128 Georg, König von Sachsen 164, 166 ff., 172, 176, 231 f., 361 Georg, Kronprinz von Sachsen 278 Georg II., Herzog von SachsenMeiningen 213 Georg III., König von Großbritannien und Irland 149, 231 Georg Donatus, Erbgroßherzog von Hessen und bei Rhein 98,

412 104, 106, 109, 266 f., 284, 287, 362 Gerstäcker, Friedrich 314, 319, 321 Giloi, Eva 29, 256, 258 Giron, André 281 Gonne, Friedrich 226, 228 f. Green, Abigail 28, 64 Gulbransson, Olaf 223 Habermann, Hugo von 216 Habermas, Jürgen 17 ff., 200 Habich, Georg 250 Habich, Ludwig 244 Häbler, Dr. (Fabrikant) 175 Haider, Max 220 Halem, Gerhard Anton von 17 Hallberger, Eduard 300 Halm, Peter 244 Hammer, Guido 310, 313 Hanfstaengl 226 Hanfstaengl, Franz 79, 260 Hanisch, Manfred 28, 82, 88 Hayter, George 213 Hecht, Wilhelm 222 Heinrich XIV., Fürst Reuß jüngere Linie 96 Heinrich XXIV., Fürst Reuß ältere Linie 96 Heinrich, Prinz von Bayern (1884–1916) 342 Heinrich, Prinz von Preußen (1862–1929) 131 Held, Louis 120 Helena von Großbritannien und Irland, Prinzessin von SchleswigHolstein-SonderburgAugustenburg 195 Hentschel (Gemeindevorstand) 178 Hermann, Emanuel 261 Hertling, Georg Freiherr von 43 Hildebrand, Adolf von 217, 250 Hildegard, Prinzessin von Bayern 192

PERSONENREGISTER

Hill, Octavia 190 Hindenburg, Paul von 266 Holmberg, August 217, 250 Homann, Susanne 286, 298 Humboldt, Wilhelm von 66 Hupp, Otto 250 Immelmann, Max 266 Irene von Hessen und bei Rhein, Prinzessin von Preußen 109 Johann, König von Sachsen 32, 59, 67 f., 113, 116–119, 139, 144, 147, 153–163, 212 f., 225 f., 228 ff., 232, 361 Johann II., König von Frankreich 204 Johann Georg, Prinz von Sachsen 166 Johann Leopold, Erbherzog von Sachsen-Coburg und Gotha 103, 288, 290 Junck, Hermann 167 Kania-Schütz, Monika 229 f. Kantorowicz, Ernst 124 Karl I., Kaiser von ÖsterreichUngarn 324 Karl, Prinz von Preußen (1801–1883) 255 Karl X., König von Frankreich 149 Kaulbach, Friedrich August von 215 f., 238, 240, 248, 250 f. Kaulbach, Wilhelm von 79 Keil, Ernst 299 f., 303, 314, 319 Kellner, Hermann 248 Key, Ellen 269 Kobell, Franz von 91 f. Kohlrausch, Martin 302, 337 Kölle, Christoph Frierdrich Karl von 74 Kreling, Wilhelm 247 f. Kretzschmer, Robert 314

PERSONENREGISTER

Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav 325 Kühn, Rudolf 130, 365 Landseer, Edwin 214, 236 Langewiesche, Dieter 22 Langhammer, Franz 276 László, Philip de 245 Lenbach, Franz von 215, 238 f. Leopold, Prinz von Großbritannien und Irland 96 Liebknecht, Wilhelm 266 Lincoln, Abraham 60 Lorenz, Ottokar 202 Ludwig, Prinz von Hessen und bei Rhein 107, 284, 362 Ludwig I., König von Bayern 11, 20, 43, 57, 73, 79 f., 83, 86, 93, 145, 213, 239, 303, 359 Ludwig II., Großherzog von Hessen und bei Rhein 362 Ludwig II., König von Bayern 34, 48 f., 62 f., 67, 69, 73, 83, 89, 103, 106, 108, 113, 125, 128, 142 f., 145, 221 ff., 231 f., 246 f., 260, 333, 359 f. Ludwig III., Großherzog von Hessen und bei Rhein 45, 47 f., 143, 362 Ludwig III., König von Bayern 144 f., 221 ff., 232, 248 f., 291, 340 f., 343 Ludwig IV., Großherzog von Hessen und bei Rhein 45, 47 f., 99, 109, 113, 123, 142, 146, 195 ff., 212, 233, 244, 275, 362 Ludwig XIV., König von Frankreich 14, 66, 206, 221 Ludwig XVI., König von Frankreich 149 Ludwig XVIII., König von Frankreich 149

413 Luise von Preußen, Großherzogin von Baden 122 Luise von Toskana, Kronprinzessin von Sachsen 20, 69 f., 101, 108 f., 187, 280 f., 361 Luitpold, Prinzregent von Bayern 42 f., 86, 93, 113, 125, 141, 143, 145, 216 f., 222 f., 238–241, 243, 247 f., 250 f., 253, 359 f. Luitpold, Prinz von Bayern 289 Margarete von Sachsen, Fürstin von Hohenzollern 271 ff., 294 Maria Alix von Sachsen, Fürstin von Hohenzollern 271, 294 Maria Anna von Bayern, Königin von Sachsen 134, 360 Maria Anna von Portugal, Prinzessin von Sachsen 101 Maria Karoline von Österreich, Königin von Sachsen 360 Maria Theresia, Kaiserin von Österreich 102, 230 Marie Friederike von Preußen, Königin von Bayern 88, 260 Marie Gabriele in Bayern, Prinzessin von Bayern 272 ff. Marie Therese von Österreich-Este, Königin von Bayern 144, 192, 360 Marie von Sachsen-Coburg und Gotha, Königin von Rumänien 33, 185, 187, 189 Marie von Russland, Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha 33, 135, 185 ff., 189, 363 Mathilde, Prinzessin von Sachsen 187, 218 Mathilde Karoline von Bayern, Großherzogin von Hessen und bei Rhein 362

414

PERSONENREGISTER

Mathilde von Sachsen-Coburg und Gotha, Gräfin von CastellRüdenhausen 290 Mathilde von Bayern, Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha 272 f. Matzerath, Josef 226 Max, Prinz von Baden 13, 338 f. Maximilian I. Joseph, König von Bayern 42, 152 Maximilian I., Kaiser des H. R. R. d. N. 204 Maximilian II., König von Bayern 11, 20, 32, 43, 57, 62 f., 67, 73–93, 108, 125, 130, 145, 153, 156, 158, 201, 220 f., 225, 260, 349, 359 May, Otto 263 Mayall, John Edwin 259 Mayer-Felice (Maler) 249 Meinecke, Friedrich 345 Mensdorff-Pouilly, Arthur von 218 Menzhausen, Joachim 226 Mertens, Claudia 265 Metzsch-Reichenbach, Georg von 172 Meyern-Hohenberg, Gustav von 314, 321 Meytens, Martin van 230 Miller, Ferdinand von 216 Montez, Lola 359 Montgelas, Maximilian von 42 Morris, Charles 37 Münkler, Herfried 204 f.

Nikolaus II., Kaiser von Russland 120 Nipperdey, Thomas 36

Napoleon I., Kaiser der Franzosen 60, 110 f., 149, 224 Napoleon III., Kaiser der Franzosen 110 f., 149, 156 Napoleon, Prince Impérial 110 f., 146 Nightingale, Florence 190

Saleh, Raden 218, 235 ff., 312 Salomon, Alice 191, 195 Salomon, Erich 330 Seebacher 340 Schachinger, Georg 221 f. Schacky, Eugen von 250 Scheidemann, Philipp 39

Olbrich, Joseph Maria 216 Oppelt, August 173 Osterhammel, Jürgen 57 Ostwald, Wilhelm 160 Otto, König von Bayern 359 f. Panofsky, Erwin 31, 37 Paul, Gerhard 31 Paulmann, Johannes 27, 36 Pensold, Wolfgang 329 Petzold, Dominik 29, 291, 324 Philipp I., Landgraf von Hessen 244 Philipps, Maximilian 236 Plunkett, John 305 Ponsonby, Henry 120 Radziwill, Eliza 303 Reh, Theodor 45 Reynolds, Joshua 269 Riehl, Wilhelm Heinrich von 80, 89 ff. Rigaud, Hyacinthe 206, 221 f. Ross, William 214 Rudolf IV., Herzog von Österreich 204 Rudow, Ludwig 231 Runge, Philipp Otto 269 Rupprecht, Kronprinz von Bayern 114, 248 f., 341 f., 346, 360

PERSONENREGISTER

Schenk zu Schweinsberg, Christa von 197 Schiller, Friedrich von 105 Schneider, F. I. 316 ff. Schoch, Rainer 31, 206 Schönberg, (Hauptmann) von 180 Schwengelbeck, Matthias 180 Schwind, Moritz von 79 Seckendorff-Aberdar, Freiherr von 249 Shorter, Edward 268 Sibylla von Sachsen-Coburg und Gotha, Erbprinzessin von Schweden 275 f., 303 Simmel, Georg 150 Slevogt, Max 216 f. Sörries, Reiner 125 f. Speth, Rudolf 209 Stadler, Anton 216, 250 Stahl, Friedrich Julius 40 Stephan, Heinrich von 261 Stieler, Joseph Karl 79 Stone, Lawrence 268 Stuck, Franz von 215 f., 221, 238–243, 250 Suppé, Franz von 121 Talbot, William Henry Fox 65 Therese von SachsenHildburghausen, Königin von Bayern 86, 359 Tirpitz, Alfred von 336 Uhlenhuth, Eduard 288, 328 Victoria, Königin von Großbritannien und Irland 32, 103, 120, 133, 149, 156, 191, 195, 198, 208, 213 f., 231, 233–237, 259, 275, 306, 330, 362 f. Victoria Melita von SachsenCoburg und Gotha, Großherzogin von Hessen und

415 bei Rhein, Großfürstin von Russland 34, 69, 99, 114, 119, 121, 189, 362 f. Victoria von Großbritannien und Irland, Deutsche Kaiserin 145, 214 f., 236 Viktoria Adelheid von SchleswigHolstein-SonderburgAugustenburg, Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha 99, 107, 328, 364 Viktoria Luise von Preußen, Herzogin von Braunschweig 122 Vitzthum von Eckstädt, Christoph Johann Friedrich 97 Vogel von Vogelstein, Carl Christian 226 Wagner, Richard 48, 121, 260, 359 Weber, Johann Jacob 297 Weber, Max 14, 39, 42, 345 Wienfort, Monika 346 Wilder, Dorothy 272 Wilhelm Ernst, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 123, 341 Wilhelm I., Deutscher Kaiser 18 f., 27, 32, 48, 129, 142 f., 152, 166, 196, 247, 255 f., 263 f., 275, 303, 308 ff., 332, 352 Wilhelm I., König von Württemberg 128 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 12, 28 ff., 41 f., 51, 54, 58, 120, 131, 141, 183 f., 206, 217, 221 f., 253, 263, 268, 291 ff., 321, 323 f., 330–333, 335–341, 345, 349, 351 f. Wilhelm II., König von Württemberg 340 f. Wilhelm, Deutscher Kronprinz 122, 291, 345

416 Wilhelm, Prinz von Preußen (1906–1940) 106 f. Wilhelmine von Baden, Großherzogin von Hessen und bei Rhein 186 Wilson, Wodrow 338

PERSONENREGISTER

Winterhalter, Franz Xaver 31, 214 f., 231, 275 Zimmermann (Maler) 79