Die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren: Möglichkeiten und Grenzen moderner Kollisionsnormen im Hinblick auf unterschiedliche materiellrechtliche Berechtigungen an Wertpapieren [1 ed.] 9783428534593, 9783428134595

Wertpapiere des Kapitalmarkts werden kaum noch einzeln verbrieft und verwahrt, sondern als Globalurkunden bzw. in elektr

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German Pages 486 Year 2011

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Die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren: Möglichkeiten und Grenzen moderner Kollisionsnormen im Hinblick auf unterschiedliche materiellrechtliche Berechtigungen an Wertpapieren [1 ed.]
 9783428534593, 9783428134595

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 44

Die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren Möglichkeiten und Grenzen moderner Kollisionsnormen im Hinblick auf unterschiedliche materiellrechtliche Berechtigungen an Wertpapieren

Von

Bernd Wust

Duncker & Humblot · Berlin

BERND W UST

Die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 44

Die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren Möglichkeiten und Grenzen moderner Kollisionsnormen im Hinblick auf unterschiedliche materiellrechtliche Berechtigungen an Wertpapieren

Von

Bernd Wust

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13459-5 (Print) ISBN 978-3-428-53459-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-83459-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

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Meinen Eltern

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/2010 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich weitgehend auf dem Stand von August 2010. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., der die Arbeit angeregt und in unkomplizierter Weise betreut hat. Seine jederzeitige Gesprächsbereitschaft, seine zahlreichen Anregungen und der große inhaltliche Freiraum, den er mir gewährt hat, waren der Entwicklung der Arbeit sehr förderlich. Herrn Prof. Dr. Boris P. Paal, M.Jur., bin ich für die Übernahme und die äußert zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu großem Dank verpflichtet. Dank gebührt ferner Herrn Prof. Dr. Rolf Stürner, der mich nicht nur durch die Erstellung mehrerer Gutachten sehr gefördert hat. Danken möchte ich darüber hinaus dem Deutschen Akademischen Austauschdienst für die Gewährung eines Stipendiums für ein LL.M. Studium an der Columbia Law School, New York, im Zuge dessen ich mein Verständnis für die Materie sehr vertiefen konnte. Die Arbeit entstand zu großen Teilen während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Arbeitsrecht sowie Rechtsphilosophie bei Herrn Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Claus-Wilhelm Canaris sowie seinem Nachfolger Herrn Prof. Dr. Hans Christoph Grigoleit, LL.M., an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihnen sowie allen Kollegen am Lehrstuhl, insbesondere dem Leiter des Examinatoriums Zivilrecht Herrn Dr. Carsten Herresthal, LL.M., danke ich für die fachlich sehr anregende und persönlich außerordentlich schöne Zeit. Der Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort GmbH hat die vorliegende Veröffentlichung dankenswerterweise mit einem Druckkostenzuschuss unterstützt. Ich danke auch den Herausgebern dieser Schriftenreihe für die Aufnahme der Arbeit. Großen Dank schulde ich Frau Ursula Streckert, die mich in der Abschlussphase bei der Korrektur des Manuskripts außerordentlich unterstützt hat. In besonderer Weise danke ich meiner Ehefrau Lilli Wust, die mir stets liebevoll mit Rat und Tat zur Seite steht. Sie hat die Erstellung des Werkes von den Anfängen bis zu seinem Abschluss nicht nur als sachkundige Gesprächspartnerin, sondern auch mit großer Geduld begleitet.

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Vorwort

Mein größter Dank gilt meinen Eltern Gertraud und Erich Wust für ihr vorbehaltloses Vertrauen und ihre großzügige Unterstützung, die sie mir nicht nur während der Promotionszeit, sondern auf meinem gesamten Ausbildungsweg zukommen lassen haben. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. .

München, im September 2010

Bernd Wust

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Problemstellung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Wandel bei der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . 27 2. Überblick über die besonderen Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Wertpapierübertragungen und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung . . . . . . . . . 28 a) Praktische Bedeutung grenzüberschreitender Buchungsvorgänge . . . . . . . . . 28 b) Hindernisse bei grenzüberschreitenden Wertpapierübertragungen . . . . . . . . . 30 aa) Überblick über Untersuchungen internationaler Expertengruppen . . . . . 30 bb) Erster Bericht der Giovannini Group . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Maßnahmen zur Beseitigung der Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Begriff und Funktion von Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Effektenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Funktionen der Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Gründe für die Rationalisierung des Wertpapierverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Kennzeichen und Entwicklung des modernen Effektenverkehrs . . . . . . . . . . . . . 46 a) Moderne Effektenverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Immobilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Zentralisierte Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Intermediäre Wertpapierverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 dd) Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . 51 b) Entmaterialisierung und körperlose Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Sammel- und Globalurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

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Inhaltsverzeichnis bb) Körperlose Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Verwahrungs- und Verbriefungsformen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Sonderverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Sammelurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Unverbriefte Schuldbuchforderungen (Wertrechte) . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Beteiligte des Abwicklungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Emittenten und Investoren als Nutzer der Kapitalmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Clearinghäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Wertpapiersammelbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Zwischenverwahrende Depotbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Internationale Zentralverwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Risiken bei der Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Gegenparteirisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 aa) Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (1) Marktrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (2) Erfüllungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Liquiditätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Verwahrungs- und Verwaltungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 c) Risiken bei der Zahlungsabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 d) Operationelles Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 e) Rechtsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 f) Systemrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 g) Besondere Risiken grenzüberschreitender Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 77 4. Einzelne Schritte des Nachhandelsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Handelsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Abgleich, Übermittlung und Freigabe der Geschäftsdaten . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Clearing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Zwecke des Nettings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Inhaltsverzeichnis

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(2) Formen des Nettings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (a) Settlement-Netting und Novationsnetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (b) Bilaterales und multilaterales Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Zentrale Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (1) Modelle des Eintritts zentraler Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Funktionen von zentralen Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (a) Risikokontrolle und Erfüllungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (b) Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (c) Anonymität bei der Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (d) Operationelle Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (3) Risikokontrolle durch zentrale Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (a) Anforderungen an die Clearingmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . 94 (b) Sicherheiten für offene Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (c) Regeln zur Verlusttragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Übertragung der Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Settlementfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Zyklische und kontinuierliche Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (3) Effektenübertragung im CASCADE System von Clearstream . . . . . 102 bb) Geldseitige Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Zahlung in Zentral- oder Geschäftsbankgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Delivery versus Payment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (3) Zahlungen im CASCADE System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (4) Grenzüberschreitende Zahlungsabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Unterstützende Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Verwahrung und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Ablauf der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Direkter Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Einschaltung einer lokalen Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Global Custodians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Internationale Zentralverwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5. CSD-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

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Inhaltsverzeichnis

C. Materiellrechtliche Konzepte der Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Einführung und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Girosammelverwahrung bei inlandsverwahrten Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Eigentumslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Besitzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Voraussetzungen für den mittelbaren Besitz der Hinterleger . . . . . . . . . . 126 bb) Depotgesetzliche Auslieferungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) § 7 Abs. 1 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) § 8 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Eignung der Auslieferungsansprüche zur Begründung mittelbaren Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Richtiges Bezugsobjekt des mittelbaren Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Prinzip der gelockerten Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (3) Mittelbarer Besitz unabhängig von den depotgesetzlichen Auslieferungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 dd) Problem des gleichzeitigen Eigen- und Fremdbesitzes . . . . . . . . . . . . . . 139 ee) Mittelbarer Besitz an Dauerglobalurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ff) Mittelbarer Besitz an Sammelschuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Konzept des Effektengiroverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Herkömmliche Konstruktion der Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Dingliche Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Besitzverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Eigentumsübertragung zwischen Kunden derselben Depotbank . . . . . . . 147 dd) Sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Eigentumsübertragung bei Einschaltung einer zentralen Gegenpartei . . . . . . 148 aa) Dingliche Einigung über die zentrale Gegenpartei . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Zwischenbuchung auf dem Konto der zentralen Gegenpartei . . . . . . . . . 150 cc) Erfüllung der beim Clearing verrechneten Positionen . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Gutgläubiger Erwerb im Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Übertragung durch die Wertpapiersammelbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Übertragung durch eine Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis

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cc) Verteilung des Rechtsverlustes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 dd) Gutgläubiger Erwerb über eine zentrale Gegenpartei . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Keine Saldierung der Lieferverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (2) Vollständige Saldierung der Lieferverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 159 (3) Teilweise Saldierung von Lieferverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 160 (4) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Verpfändung von Sammeldepotanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Bestellung eines Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Nach § 1205 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 cc) Nach § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 dd) Nach § 1206 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 ee) Nach §§ 1274 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Umfang des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Verwertung des Pfandgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Allgemeine Verwertungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Verwertungsbefugnis in der Insolvenz des Verpfänders . . . . . . . . . . . . . . 171 (1) Verwertungsbefugnis nach § 166 Abs. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) Verwertungsbefugnis nach §§ 173 Abs. 1, 166 Abs. 1 InsO . . . . . . . 173 4. Vollstreckung in Sammeldepotanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5. Verwahrung und Übertragung von ausländischen Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland . . . . . . . . . . . . 184 aa) Kein Eigentum des Depotkunden bei der Auslandsverwahrung . . . . . . . 184 bb) Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) Figur der Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Fiduziarische Treuhand beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren . . . 188 (3) Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (a) Treuhandrechtliches Unmittelbarkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 191 (b) Offenkundigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (c) Bestimmtheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (d) Jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . 194 (e) Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

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Inhaltsverzeichnis cc) Rechtsstellung der Depotkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 dd) Treuhandgiroverkehr unter Zwischenschaltung der Wertpapiersammelbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 ee) Verpfändung einer WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (1) Bestellung des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 ff) Pfändung einer WR-Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Anschaffung und Verwahrung ausländischer Effekten im Inland . . . . . . . . . . 208 aa) Direkte Einbeziehung ausländischer Effekten in den inländischen Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Zweitverbriefung ausländischer Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 cc) Gegenseitige Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG . . . . . . . . . . . 211 (1) Grundkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (2) Voraussetzungen für gegenseitige Kontoverbindungen . . . . . . . . . . . 213 (3) Praktische Bedeutung von § 5 Abs. 4 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6. Entwicklungsmöglichkeiten für das deutsche Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Ausgangspunkt: Funktionsverlust von Effektenurkunden . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Die Möglichkeit eines papierfreien Effektensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Einwände der Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 cc) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Abkehr von der sachenrechtlichen Erfassung des Effektengiroverkehrs . . . . 227 aa) Ungeeignetheit der sachenrechtlichen Verwahrkonstruktion . . . . . . . . . . 227 bb) Alternativen zur sachenrechtlichen Verwahrkonstruktion . . . . . . . . . . . . 228

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . 230 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Direktes Verwahr- und Übertragungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Indirektes Verwahr- und Übertragungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung der intermediären Wertpapierverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Konzept des security entitlements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Verfügungen über security entitlements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Veräußerung von security entitlements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Sicherungsrechte an security entitlements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

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d) Sicherung des security entitlements durch den Deckungsbestand . . . . . . . . . 243 e) Rechtsnatur des security entitlements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 f) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 IV. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Kollisionsrechtliche Grundlagen der Berechtigungen an Wertpapieren . . . . . . . . . . 258 1. Dingliche Berechtigungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Wertpapierrechtsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Wertpapiersachstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Schuldrechtliche Berechtigungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Schuldvertragsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Zessionsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Spezielle Kollisionsvorschriften im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . 264 3. Insolvenzstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung im internationalen Effektenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Allgemeine Rechtfertigung des Belegenheitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Bedeutung des Wertpapiersachstatuts für den internationalen Effektenverkehr . . 270 3. Nachteile des Belegenheitsprinzips im internationalen Effektenverkehr . . . . . . . 272 a) Ermittlung des Ortes der Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Heterogene Depots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Internationalisierte Sammelverwahrung nach § 5 Abs. 4 DepotG . . . . . . . . . 274 d) Wertrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 e) Grundsatz der engsten Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4. Rechtsunsicherheit als Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5. Entwicklung alternativer Anknüpfungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

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Inhaltsverzeichnis 2. Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Hintergrund und Zielsetzung der Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Wesentliche Inhalte der Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c) Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . 283 aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (1) Dingliche Sicherungsrechte an intermediär verwahrten Wertpapieren 284 (2) Rechtsbegründende Eintragung oder Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (3) Keine Beschränkung auf Insolvenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 cc) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 d) Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Hintergrund und Zielsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . . . . . . 289 b) Wesentliche Inhalte der Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Anwendungsbereich von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 cc) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 d) Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Art. 24 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Hintergrund der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 d) Verhältnis zu Art. 21 Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie . . . . . . . 301 5. Zusammenfassung der europäischen Kollisionsrechtsvorgaben . . . . . . . . . . . . . . 303 V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Anwendungsbereich von § 17 a DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 a) Verfügungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 aa) Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (1) Eigenständiger Wertpapierbegriff in § 17 a DepotG . . . . . . . . . . . . . 306 (2) Keine Einbeziehung sonderverwahrter Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . 307 bb) Sammelbestandanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

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b) Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 aa) Grundsatz: rechtsgeschäftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 bb) Analoge Anwendung auf gesetzliche Erwerbstatbestände . . . . . . . . . . . . 309 cc) Rechtsnatur des Buchungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (1) Beschränkung auf Verfügungen über dingliche Rechte . . . . . . . . . . . 309 (2) Problem der Einordnung ausländischer Berechtigungsformen . . . . . 311 (a) Grundsatz der funktionalen Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (b) Abhängigkeit der Rechtsnatur des Buchungsrechts von ausländischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (c) Tendenz der Annäherung von schuldrechtlichen und dinglichen Rechtskonzepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (d) Vorteil einer einheitlichen Anknüpfung für schuldrechtliche und dingliche Rechtspositionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 c) Buchung oder Registereintrag mit rechtsbegründender Wirkung . . . . . . . . . . 318 aa) Rechtsbegründende Eintragungen oder Buchungen im deutschen Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (1) Buchungen nach § 24 Abs. 2 DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (2) Rechtsgeschäftliche Übertragung von Sammeldepotanteilen . . . . . . 319 (a) Rechtsbegründende Eigenschaft der Buchungen im deutschen Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (b) Vergleich der Sprachfassungen von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 (c) Funktionale Bedeutung der Eintragung oder Buchung . . . . . . . . 323 bb) Verfügungen ohne Buchung oder Registereintrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 d) Bestimmung der Reichweite von § 17 a DepotG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 aa) Prinzip der rechtlichen Einheitlichkeit eines Sammelbestandes . . . . . . . 326 bb) Verhältnis zwischen Belegenheitsrecht und Buchungsrecht . . . . . . . . . . 327 cc) Schwierigkeiten der Anwendung deutschen Sachenrechts auf die Übertragung eines ausländischen dinglichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 331 e) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 4. Bewertung und Ausblick für das deutsche Wertpapierkollisionsrecht . . . . . . . . . 335 a) Mängel in der Formulierung der Kollisionsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 b) Folgen des erweiterten Anwendungsbereiches von § 17 a DepotG . . . . . . . . 336 c) Mangelnde Anerkennung der Regel im europäischen und außereuropäischen Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

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VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 1. Hintergrund, Zielsetzung und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. Anwendungsbereich der Kollisionsregel des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 aa) Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 (1) Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 (2) Begriff des Intermediärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (3) Intermediär verwahrte Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 (4) Einbeziehung schuldrechtlicher und dinglicher Berechtigungsformen 347 bb) Einzelne Anknüpfungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 (1) Rechtsnatur und Wirkungen einer Gutschrift von Wertpapieren . . . . 349 (2) Rechtsnatur und Wirkungen einer Verfügung über Wertpapiere . . . . 350 (3) Drittwirkung von Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 (4) Keine Anwendung auf die Depotabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 3. Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 a) Grundsätzliche Rechtswahlfreiheit der Depotvertragsparteien . . . . . . . . . . . . 353 b) Einschränkungen der Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 c) Sonderregel des Art. 4 Abs. 3 HWpÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 d) Subsidiäre Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 aa) Ort der die Kontovereinbarung abschließenden Geschäftsstelle . . . . . . . 359 bb) Gründungs- bzw. Organisationsort oder Geschäftssitz des Intermediärs . 360 e) Nicht zu berücksichtigende Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4. Weitere Regelungen des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 a) Bestandsschutz für Drittrechte bei nachträglicher Änderung der Rechtswahl 361 b) Verhältnis des Übereinkommens zum Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 c) Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 aa) Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 bb) Ordre public und international zwingende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . 365 cc) Sonderbestimmungen für Mehrrechtsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 d) Übergangsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 e) Schlussbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

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5. Bewertung des Haager Wertpapierübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 a) Allgemeine Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 b) Parteiautonome Anknüpfung des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 aa) Begriff der Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 bb) Parteiautonomie für schuldrechtliche Berechtigungsformen . . . . . . . . . . 371 cc) Parteiautonomie für dingliche Berechtigungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . 372 (1) Parteiautonomie im Sachenrecht im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . 372 (a) Grundsätzliche Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 (b) Bereichsspezifische Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 (c) Rechtswahl beschränkt auf inter partes Wirkungen . . . . . . . . . . . 375 (d) Rechtswahl beschränkt auf Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (e) Zusammenfassung und Bewertung im Hinblick auf eine Rechtswahl für intermediär verwahrte Wertpapiere . . . . . . . . . . . 378 (2) Parteiautonomie für dingliche Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (a) Gründe für eine Rechtswahlmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (b) Einwand der Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . 381 (3) Abschließende Bewertung zur Frage der Parteiautonomie . . . . . . . . 386 c) Separate Anknüpfung auf jeder Stufe der Verwahrkette . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 bb) Separate Anknüpfung bei schuldrechtlichen Berechtigungsformen . . . . 388 cc) Separate Anknüpfung bei dinglichen Berechtigungsformen . . . . . . . . . . 389 (1) Rechtsnatur der Berechtigung (statische Sachverhalte) . . . . . . . . . . . 389 (2) Verfügungen (dynamische Sachverhalte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 (a) Problem: Anwendung mehrerer Rechtsordnungen auf eine einheitliche Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 (b) Gespaltenes Verfügungsstatut oder Doppelanknüpfung? . . . . . . . 393 (c) Tatsächliche Unterschiede der Übertragungskonstruktionen . . . . 395 (d) Unterschiedliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Verfügung . 395 (e) Lösung des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 dd) Gesamtergebnis zur Frage der separaten Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 6. Ratifizierung des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 b) Ratifizierung des Übereinkommens in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 aa) Kompetenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 bb) Verzögerung des Prozesses der Zeichnung und Ratifikation . . . . . . . . . . 406

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VII. Ergebnis und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 E. Ansätze zur internationalen Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 II. Die Genfer Wertpapierkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 1. Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 2. Methodischer Ansatz: funktionale Mindestharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 3. Regelungen der Genfer Wertpapierkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 a) Begriff der intermediated securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 b) Erwerb und Veräußerung von intermediated securities . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 aa) Erwerb und Veräußerung durch Buchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 bb) Bestellung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 cc) Redlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 c) Integrität des intermediären Verwahrsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 aa) Verbot des upper-tier attachment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 bb) Bestandserhaltungspflicht des Intermediärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 cc) Folgen der Insolvenz des Intermediärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 dd) Verhältnis zum Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 d) Besondere Regelungen für Sicherheiten an intermediated securities . . . . . . . 432 III. Die Arbeiten der Legal Certainty Group . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 1. Hintergrund und Zielsetzung der Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 2. Empfehlungen der Arbeitsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Gemeinschaftsweiter Rechtsrahmen für intermediär verwahrte Wertpapiere . 434 b) Begriff der book-entry securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 c) Erwerb und Veräußerung von book-entry securities und Bestellung von Sicherungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 d) Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 e) Integrität des intermediären Verwahrungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 IV. Vergleichende Bewertung der beiden Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 F. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . 444

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Abkürzungsverzeichnis a.A. abgedr. ABl. Abs. Abschn. AcP AG AGB AJP AktG Alt. Anh. Ariz. J. Intl & Comp. L. Art. Aufl. BB Bd. Begr. begr. Bem. BGH BGHZ BIS BKR BörsG BSchuWG BT-Drucks. Bus. Law. BWpVerwG bzw. Can. Bus. L. J. Cardozo L. Rev. CBF CBL CCP CESAME CESR cmt. Columb. Bus. L. Rev.

anderer Ansicht abgedruckt Amtsblatt Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktuelle Juristische Praxis Aktiengesetz Alternative Anhang Arizona Journal of International and Comparative Law Artikel Auflage Betriebsberater Band Begründer begründet Bemerkung Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bank for International Settlements/Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz Bundesschuldenwesengesetz Bundestags-Drucksache The Business Lawyer Bundeswertpapierverwaltungsgesetz beziehungsweise Canadian Business Law Journal Cardozo Law Review Clearstream Banking Frankfurt Clearstream Banking Luxemburg Central Counterparty/Zentrale Gegenpartei Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Experts Group Committee of European Securities Regulators Comment Columbia Business Law Review

Abkürzungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Cornell Intl L. J. CSD DB DepotG ders. DGVZ d. h. dies. Doc. DTC DTCC Duke J. Comp. & Intl L. Duke L. J. DvP EACH EBLR ECB ECSDA EFMLG EG EGBGB EG-InsVO EGV Einl. EMI ESCB ESF EU EuGH EWiR EZB f., ff. FISCO Fla. St. U. L. Rev. Fn. FS gem. GS GS-Anteil GS-Gutschrift HGB h.M. Hrsg. hrsg. HWpÜ HWWA ICLQ ICSD

Cornell International Law Journal Central Securities Depository Der Betrieb Depotgesetz derselbe Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt dieselbe Document The Depository Trust Company (USA) The Depository Trust and Clearing Corporation (USA) Duke Journal of Comparative and International Law Duke Law Journal Delivery versus Payment European Association of CCP Clearing Houses European Business Law Review European Central Bank European Central Securities Depositories Association European Financial Market Lawyers Group Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Insolvenzverordnung EG-Vertrag Einleitung European Monetary Institute European System of Central Banks European Securities Forum Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische Zentralbank folgende, fortfolgende Fiscal Compliance Group Florida State University Law Review Fußnote Festschrift gemäß Gedächtnisschrift Girosammeldepotanteil Girosammelgutschrift Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Haager Wertpapierübereinkommen Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv International and Comparative Law Quarterly International Central Securities Depository

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Idaho L. Rev. i.E. IFLR InsO Intl Law. IOSCO IPRax ISSA i.V.m. Jap. Ann. Int. L. JBFLP JbItalR JhJb JIBFL JIBLR JuS JW JZ Kap. KritV KTS KWG LMCLQ Loy. L.A. L. Rev. Miss. L. J. m.w.N. NJW NJW-RR Nr. NSCC NYSE NZG NZI ÖBA Okla. City U. L. Rev. OLG Prel. Q.B.D. RabelsZ RDBB R.E.D.I. RegBegr. RegE RFS RIW RL

Abkürzungsverzeichnis Idaho L. Rev. im Ergebnis International Financial Law Review Insolvenzordnung The International Lawyer International Organization of Securities Commissions Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts International Securities Services Association in Verbindung mit The Japanese Annual of International Law Journal Banking and Finance – Law and Practice Jahrbuch für Italienisches Recht Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Butterworths Journal of International Banking and Financial Law Journal of International Banking Law and Regulation Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konkurs, Treuhand, Sanierung. Zeitschrift für Insolvenzrecht Gesetz über das Kreditwesen, Kreditwesengesetz Lloyds Maritime and Commercial Law Quarterly Loyola of Los Angeles Law Review Mississippi Law Journal mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Zivilrecht Nummer National Securities Clearing Corporation (USA) New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Österreichisches Bank-Archiv. Zeitschrift für das gesamte Bankund Börsenwesen Oklahoma City University Law Review Oberlandesgericht Preliminary Law Reports, Queens Bench Division Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revista de Derecho Bancario y Burstil Revista EspaÇola de Derecho International Regierungsbegründung Regierungsentwurf The Review of Financial Studies Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie

Abkürzungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Rn. Rpfleger S. SachenR SJZ Slg. sog. Stan. J.L. Bus. & Fin. STP str. SZW u. u. a. UCC UCC L.J. UCLA L. Rev. UNIDROIT Unif. L. Rev. U.S.C. v. vgl. vol. WM WpHG WPR WR-Gutschrift YbPIL z. B. ZBB ZEuP ZEuS ZfRV ZGR ZHR ZInsO ZIP zit. ZKW ZPO ZVglRWiss ZZP

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Randnummer Der Deutsche Rechtspfleger Seite Sachenrecht Schweizerische Juristen-Zeitung Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs so genannte, -r, -s Stanford Journal of Law, Business & Finance Straight Through Processing strittig Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht und unter anderem, und andere Uniform Commercial Code Uniform Commercial Code Law Journal University of California, Los Angeles Law Review International Institute for the Unification of Private Law Uniform Law Review United States Codes von, vom vergleiche volume Wertpapiermitteilungen. Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierrecht Gutschrift in Wertpapierrechnung Yearbook of Private International Law zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (vor 1962: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zivilprozessordnung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß

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A. Einleitung I. Problemstellung und Einordnung 1. Wandel bei der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren Die Praxis der Verbriefung, Verwahrung und Übertragung von Aktien und Anleihen unterlag in der Vergangenheit einem großen Wandel. Ursprünglich wurden diese Wertpapiere des Kapitalmarktes einzeln verbrieft und die Urkunden zu ihrer Übertragung vom Veräußerer an den Erwerber übergeben. Die Verbriefung von Rechten in Wertpapieren dient grundsätzlich dazu, unkörperliche Anteilsrechte, Forderungen und sonstige Rechte körperlich greifbar zu machen und mit der Verkehrsfähigkeit von Sachen auszustatten. Im Massenverkehr der Kapitalmärkte haben sich die Einzelverbriefung von Rechten und die physische Übergabe der Wertpapierurkunden im Rahmen der Übereignung jedoch als Hindernisse erwiesen, die die Funktionsfähigkeit der Märkte insgesamt gefährdeten. Im modernen Wertpapierverkehr haben Wertpapierurkunden deswegen nur noch untergeordnete Bedeutung. Wertpapiere werden dauerhaft und ungetrennt von anderen gleichartigen Papieren in Tresoren aufbewahrt und für ihre Übertragung nicht bewegt. Auch ist man dazu übergegangen, Rechte nicht mehr einzeln zu verbriefen, sondern ganze Emissionen in Sammeloder Globalurkunden zu verkörpern. Zum Teil werden kapitalmarktfähige Rechte überhaupt nicht mehr verbrieft, sondern in besondere Register eingetragen und durch gesetzliche Anordnung verbrieften Rechten gleichgestellt. Derart immobilisierte und entmaterialisierte Werte können nicht mehr durch Einigung und tatsächliche Übergabe einer Wertpapierurkunde übereignet werden. Man ersetzt die physische Übergabe stattdessen durch elektronische Buchungen auf Wertpapierkonten, die Anleger bei Depotbanken und vergleichbaren Instituten führen. Die Depotbanken halten die Werte in der Regel über eigene Konten bei einem zentralen Sammelverwahrinstitut oder anderen Depotbanken. In ihrer Funktion als Buchungsstellen werden die Banken als Intermediäre bezeichnet. Man spricht deshalb von intermediär verwahrten Wertpapieren. In den meisten Staaten wurden spezielle Systeme entwickelt, die auf dieser Grundlage die buchungsbasierte Abwicklung von börslichen oder außerbörslichen Wertpapierhandelsgeschäften ermöglichen. Der Nachhandelsprozess zur Erfüllung von Wertpapiergeschäften, der neben anderen Schritten insbesondere die Verrechnung offener Positionen (Clearing) und die anschließende Abwicklung (Settlement) der Geschäfte umfasst, ist für börsliche Geschäfte jeweils national durch gesetzliche Vorschriften und Regeln der Abwicklungsinstitute standardisiert. In vielen Staaten ist

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A. Einleitung

die gesetzliche Erfassung der Wertpapierverbuchung jedoch hinter den tatsächlichen Entwicklungen zurückgeblieben. Häufig werden die Buchungsvorgänge rechtlich nach wie vor als eine Form der Besitzverschaffung an den Wertpapierurkunden eingeordnet. Durch die Immobilisierung und Entmaterialisierung der Wertpapiere entfällt jedoch zunehmend deren Eignung als Anknüpfungspunkt gesetzlicher Übertragungsvorschriften. Auch die steigende Intermediatisierung, d. h. die Zwischenschaltung weiterer Buchungsstellen zwischen dem Investor und dem Emittenten, wird von den gesetzlichen Vorschriften oft nicht adäquat wiedergegeben. Teilweise bestehen keine spezifischen gesetzlichen Bestimmungen über die Rechtsnatur der Berechtigung, die ein Anleger an buchungsmäßig gehaltenen Wertpapieren innehat. Auch die rechtliche Bedeutung der Buchungsvorgänge für die Übertragung der Berechtigungen an Wertpapieren ist häufig gesetzlich nicht oder jedenfalls nicht zufriedenstellend geregelt. Obgleich die gesetzlichen Vorschriften der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren in vielen Staaten nicht ausreichend an den modernen Wertpapierverkehr angepasst sind, funktioniert die praktische Abwicklung von nationalen Wertpapierhandelsgeschäften in den meisten Staaten relativ störungsfrei. Wertpapiere werden jedoch auch grenzüberschreitend verbucht. Dabei ergeben sich zahlreiche Schwierigkeiten, die aus operationellen Unterschieden zwischen den nationalen Abwicklungssystemen und der unterschiedlichen rechtlichen Erfassung des buchungsmäßigen Wertpapierverkehrs in den einzelnen Staaten resultieren. Aus rechtlicher Sicht liegen die Probleme sowohl im Bereich des materiellen Rechts der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren als auch im Bereich des internationalen Wertpapierprivatrechts. Die rechtlichen Herausforderungen bei der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren sowie denkbare Lösungswege sind Gegenstand dieser Arbeit. 2. Überblick über die besonderen Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Wertpapierübertragungen und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung a) Praktische Bedeutung grenzüberschreitender Buchungsvorgänge Wertpapiergeschäfte können zahlreiche internationale Berührungspunkte haben. Beispielsweise können die Parteien ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben, ein Geschäft über ausländische Wertpapiere abschließen oder den Handelsabschluss an einem ausländischen Markt vornehmen. Im Fokus dieser Arbeit stehen Geschäfte, deren Abwicklung die Rechtsordnungen mehrerer Staaten tangiert. Um eine grenzüberschreitende Abwicklung handelt es sich grundsätzlich dann, wenn Veräußerer oder Erwerber ihr Depotkonto nicht in dem Staat führen, in dem die Wertpapiere verwahrt werden, und im Zuge der Abwicklung eines Geschäftes Gutschriften und Belastungsbuchungen in mehreren Staaten vorgenommen werden müssen. Eine grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren ist in erster Linie nötig, wenn der Käufer auslandsverwahrte Wertpapiere auf einem ausländischen Markt von einem

I. Problemstellung und Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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dort ansässigen Verkäufer oder einem Verkäufer aus einem Drittstaat erwirbt. Lässt sich der Käufer die auslandsverwahrten Wertpapiere im Inland gutschreiben, müssen sie grenzüberschreitend verbucht werden.1 Aber auch Transaktionen, die sich auf schuldrechtlicher Ebene als rein nationales Geschäfte darstellen, können in ihrer Abwicklung grenzüberschreitende Züge aufweisen. Beispielsweise können Wertpapiere, die effektiv im Ausland lagern, auf einem inländischen Markt zwischen inländischen Marktteilnehmern gehandelt werden. Auch wenn sich die Buchungsvorgänge zur Abwicklung dieses Geschäfts ausschließlich im Inland abspielen, so beziehen sich die Buchungsrechte von Veräußerer und Erwerber doch auf auslandsverwahrte Wertpapiere.2 Zu denken ist ferner an die Bestellung von Sicherungsrechten an Wertpapieren, sei es, dass Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer ihren Sitz in unterschiedlichen Rechtsordnungen haben, oder dass sich das Sicherungsrecht auf Wertpapiere bezieht, die effektiv im Ausland lagern.3 Keine grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren ist hingegen bei der Übertragung ausländischer Wertpapiere nötig, die effektiv im Inland lagern und zwischen inländischen Vertragsparteien übertragen werden. Gleiches gilt auch, wenn Gegenstand der Übertragung ein inlandsverwahrter Depotschein (depository receipt) oder eine zweitverbriefende Urkunde über ausländische Wertpapiere ist.4 Der grenzüberschreitende Handel von Wertpapieren und die praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Abwicklung dieser Geschäfte sind keineswegs neue Phänomene. Sie sind aber erst in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus von Gesetzgebern und Expertengruppen aus der Praxis geraten, weil der Umfang grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte und ihr Anteil am Wertpapierhandel insgesamt stark zugenommen haben.5 Ein signifikanter und wachsender Anteil der Wertpapierbestände wird heute grenzüberschreitend verbucht und verwahrt. Schätzungen zufolge werden derzeit weltweit ungefähr ein Drittel aller Staatsanleihen, ein Viertel aller Aktien und ein Fünftel aller Anleihen und Schuldverschreibungen privater Emittenten von ausländischen Investoren gehalten.6 Die Gründe dafür sind vielfältig. Insgesamt ist die Bedeutung der Finanzierung über Kapitalmärkte gegenüber der Bankenfinanzierung gestiegen.7 Anstoß für eine Investition gerade in ausländische Wertpapiere ist dabei die Suche nach besseren Anlagemöglichkeiten und höheren Renditen als im Inland.8 Auch die Diversifizierung von Risiken innerhalb eines Wertpapierportfolios ist insbesondere für institutionelle Investoren ein Anreiz, ihr Vermögen nicht nur in unterschiedlichen Marktsegmenten und Anlageformen, sondern auch 1

Vgl. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 8; Kröpfl, S. 49; Brunner, S. 14 f. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 8; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 378. 3 Paech, Die Bank 2003, 616. 4 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 8. 5 Löber, Unif. L. Rev. 2005, 155; Legal Certainty Group, Second Advice, S. 16. 6 McKinsey Global Institute, Mapping Global Capital Markets, S. 15. 7 Norman, S. 7 f. 8 Acker/Gossen, ZKW 1999, 1392. 2

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A. Einleitung

auf Märkten verschiedener Staaten zu investieren.9 In tatsächlicher Hinsicht förderte vor allem die moderne Informationstechnologie den Anstieg des internationalen Wertpapierverkehrs. Denn erst sie ermöglicht den Handel, die Abwicklung und die effektive Verwaltung von Wertpapieren auf globaler Ebene zu vertretbaren Kosten.10 Die Globalisierung des Wertpapiergeschäfts wurde auch durch die Liberalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte und den Wegfall staatlicher Zugangsbeschränkungen gefördert.11 In der Europäischen Währungsgemeinschaft waren darüber hinaus die Einführung des Euro und die damit einhergehende Ausschaltung von Wechselkursrisiken mit ausschlaggebend für den Anstieg des grenzüberschreitenden Wertpapierhandels.12 Im Ergebnis ist die Nationalität der Marktteilnehmer an vielen Märkten kaum mehr relevant.13 Der Integrationsprozess ist auch in Europa noch nicht abgeschlossen, so dass davon auszugehen ist, dass der Anteil grenzüberschreitender Wertpapiertransaktionen weiter ansteigen wird.14 b) Hindernisse bei grenzüberschreitenden Wertpapierübertragungen Der internationale Handel von Wertpapieren ist nur dann effektiv, wenn auch die schnelle und rechtssichere grenzüberschreitende Geschäftsabwicklung und anschließende Wertpapierverwaltung gewährleistet wird. Die Entwicklung der Systeme für die grenzüberschreitende Abwicklung und ihrer Rechtsgrundlagen konnte aber nicht mit der Entwicklung auf Seiten des Handels Schritt halten. Die Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen ist komplexer als die von nationalen Geschäften, weil mehr Beteiligte involviert sind, die ihre Tätigkeit aufeinander abstimmen müssen.15 Sowohl bei der Lieferung als auch bei der Zahlung sind verschiedene Rechtsordnungen und Abwicklungssysteme betroffen. Die nationalen Abwicklungssysteme und die zugrundeliegenden rechtlichen Vorgaben haben sich jedoch unabhängig voneinander entwickelt und weisen deswegen erhebliche Unterschiede auf.16 aa) Überblick über Untersuchungen internationaler Expertengruppen Erst in jüngerer Zeit hat sich der Blick der Marktteilnehmer sowie der staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen vom Handel auf den Nachhandelsprozess verschoben. Man ist auf operationelle und rechtliche Barrieren aufmerksam geworden, die den reibungslosen Fluss der Finanzinstrumente über Grenzen hinweg beeinträchti9

Thomas, S. 8; Acker/Gossen, ZKW 1999, 1392. Benjamin, 35 Intl Law. 31 (2001); McKinsey Global Institute, Mapping Global Capital Markets, S. 43. 11 Acker, S. 3 f.; Benjamin, 35 Intl Law. 32 (2001); Giovannini Group, 2001 Report, S. 7. 12 Giovannini Group, 2001 Report, S. 7; Löber, S. 31. 13 Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 685 (2001). 14 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 24. 15 Vgl. Giovannini Group, 2001 Report, S. 12 ff. 16 Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 686 (2001); Löber, S. 32. 10

I. Problemstellung und Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gen. Verschiedene Expertengremien und Interessengruppen haben Untersuchungen über die grenzüberschreitende Wertpapierübertragung durchgeführt und Vorschläge zur Harmonisierung der nationalen Wertpapierabwicklungssysteme gemacht. Die erste dieser Untersuchungen, der Report der Group of Thirty aus dem Jahr 1989, bezog sich noch vorwiegend auf die Standardisierung operationeller Aspekte. ACHTUNGREEmpfohlen wurden unter anderem die standardmäßige Immobilisierung der Wertpapierurkunden bei Wertpapiersammelbanken, kürzere, einheitliche Abwicklungszeiträume sowie der Einsatz von Verrechnungssystemen, Systemen, die eine Lieferung Zug-um-Zug gegen Zahlung gewährleisten und Systemen zur Wertpapierleihe.17 Der Report über das grenzüberschreitende Clearing und Settlement, der 1995 vom Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme (Committee on Payment and Settlement Systems, CPSS) der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Bank for International Settlements, BIS) veröffentlicht wurde, problematisierte erstmals nationale Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung der Position, die ein Investor durch eine Buchungsgutschrift erlangt.18 Auch die Empfehlungen der International Securities Services Association (ISSA) und die gemeinsamen Empfehlungen der BIS und der International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) aus dem Jahr 2001 hoben neben zahlreichen Aspekten operationeller Art die Bedeutung klarer und eindeutiger gesetzlicher Grundlagen der Wertpapierabwicklung hervor. Die BIS/IOSCO-Empfehlungen wurden anschließend von der Europäischen Zentralbank und dem Committee of European Securities Regulators (CESR) in ihren 2004 veröffentlichten Standards für das Clearing und Settlement in der EU an die Anforderungen der europäischen Abwicklungslandschaft angepasst.19 In rechtlicher Hinsicht betonten die drei Dokumente insbesondere die Bedeutung des Schutzes der Rechtsposition der Investoren vor Zugriffen Dritter und die Endgültigkeit von Buchungsgutschriften.20 Die Dokumente erkennen ein Bedürfnis nach harmonisierten materiellen und international-privatrechtlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich.21 Die Group of Thirty veröffentlichte 2003 weitere Empfehlungen zur Harmonisierung operationeller Aspekte der Wertpapierabwicklung, in dem sie aber auch die gegenwärtig fehlende Homogenität der nationalen Rechtsordnungen in Bezug auf die Wertpapierabwicklung kritisierte.22

17

Group of Thirty, 1989 Report, S. 3 ff.; die Begriffe werden im Laufe der Arbeit erläutert. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 50 ff. 19 Vgl. dazu auch Löber, Unif. L. Rev. 2005, 186 f. 20 ISSA, Recommendations 2000, S. 29 ff; BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 8 f., 18 f.; ESCB/CESR Standards, S. 15 ff., 59 ff. 21 ISSA, Recommendations 2000, S. 29; BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 9; ESCB/CESR, Standards, S. 19. 22 Group of Thirty, Plan of Action, S. 3. 18

32 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einleitung

bb) Erster Bericht der Giovannini Group In der Europäischen Union waren die Berichte der von der Europäischen Kommission eingesetzten Giovannini Group besonders einflussreich. Die Gruppe arbeitete in ihrem ersten Bericht 15 Hindernisse für ein effektives grenzüberschreitendes Clearing und Settlement in Europa heraus, die sie in drei Kategorien unterteilte: Als Erstes nennt der Bericht Hindernisse, die aus der technischen Ausgestaltung der Wertpapierabwicklung und bestimmten Marktpraktiken resultieren. Kritisiert werden unter anderem inkompatible Informationstechnologien, unterschiedliche Betriebszeiten der Infrastruktur, unterschiedliche Marktusancen und Abwicklungsfristen sowie Zugangsbeschränkungen für ausländische Teilnehmer zu nationalen Abwicklungssystemen.23 Als Zweites geht der Bericht auf steuerrechtliche Barrieren ein.24 Als Drittes werden rechtliche Hindernisse aufgezeigt, die die Sicherheit grenzüberschreitender Wertpapierübertragungen beeinträchtigen. Diese Hindernisse resultieren sowohl aus dem materiellen Sachrecht als auch aus dem internationalen Privatrecht der einzelnen Staaten. In materiellrechtlicher Hinsicht betrachtet der Bericht vor allem die unterschiedliche rechtliche Einordnung der Buchungen der Verrechnungs- und Abwicklungssysteme und der anderen Intermediäre durch die beteiligten Rechtsordnungen als Hindernis für die grenzüberschreitende Verbuchung von Rechten an Wertpapieren. Die nationalen Rechtsordnungen wurden zwar (meistens) in einem gewissen Umfang an die Erfordernisse der intermediären Wertpapierverwahrung angepasst, jedoch ist die Entwicklung nicht homogen verlaufen. Die Rechtsposition, die der Anleger durch eine Gutschrift auf seinem Wertpapierkonto erlangt, wird national unterschiedlich charakterisiert. Dementsprechend unterscheiden sich auch die rechtlichen Erklärungen der buchungsmäßigen Übertragungsvorgänge. Darüber hinaus bestehen Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung und Einordnung der Wertpapiere selbst sowie die Form ihrer Verbriefung oder Registrierung. Dies führt zu Rechtsunsicherheit, wenn es im Rahmen einer grenzüberschreitenden Abwicklung zu Buchungen in verschiedenen Rechtsordnungen kommt.25 Von Bedeutung sind diese Unterschiede auch bei der Bestellung von Sicherheiten an Wertpapieren und in der Insolvenz eines Verwahrers. In kollisionsrechtlicher Hinsicht bemängelt der Bericht, dass häufig bereits die Frage, welcher Rechtsordnung ein Buchungsrecht unterliegt und nach welchem Recht es übertragen wird, nicht eindeutig beantwortet werden kann. Die Ursachen dieser Rechtsunsicherheit liegen zum einen im tatsächlichen Bereich, insbesondere wenn zur Bestimmung des auf ein dingliches Recht anwendbaren Rechts ermittelt werden muss, wo sich ein verbuchtes Wertpapier tatsächlich befindet. Zum anderen resultieren Rechtsunsicherheiten aus der unterschiedlichen und oft unklaren 23 24 25

Giovannini Group, 2001 Report, S. 44 ff. Giovannini Group, 2001 Report, S. 50 ff. Giovannini Group, 2001 Report, S. 54 ff.

I. Problemstellung und Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ACHTUNGREmateriellrechtlichen Ausgestaltung der Buchungsrechte, die den international-privatrechtlichen Qualifikationsvorgang erschwert. So ist mitunter nicht klar, welche Kollisionsnorm überhaupt einschlägig ist.26 Das internationale Privatrecht für Wertpapierübertragungen ist in Europa und darüber hinaus auch nicht einheitlich, so dass bei grenzüberschreitenden Transaktionen immer die Gefahr besteht, dass die eigene kollisionsrechtliche Einordnung von einer anderen Rechtsordnung nicht anerkannt wird. In Anbetracht dieser Barrieren kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass die europäische Clearing- und Settlement Infrastruktur in operationeller und rechtlicher Sicht nach wie vor von großen Unterschieden geprägt ist, die sich auf die Kosten grenzüberschreitender Wertpapierübertragungen auswirken.27 Die höheren Kosten lassen sich aufteilen in direkte Kosten in Form von höheren Gebühren, die durch die Einbindung zusätzlicher Intermediäre anfallen, indirekte Kosten zur Unterhaltung geeigneter back-office Systeme sowie Verluste durch die ineffiziente Verwendung von Sicherheiten, fehlgeschlagene oder nicht ausgeführte Geschäfte und aufwendige vertragliche Sicherungen.28 Ein signifikanter Teil der Ineffizienz wird nach allgemeiner Ansicht durch die unterschiedlichen materiellrechtlichen und kollisionsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Staaten und die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten verursacht.29 Die Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapierhandelsgeschäfte ist in Europa folglich ineffizienter als die Abwicklung nationaler Geschäfte.30 Eine genaue Bezifferung der höheren Kosten ist schwierig, da sich die Gebühren der beteiligten Institutionen häufig nicht einzelnen Tätigkeiten zuordnen lassen und zudem Unterschiede zwischen den gehandelten Gegenständen und den beteiligten Institutionen bestehen.31 Es wird jedoch geschätzt, dass die Kosten der grenzüberschreitenden Übertragung von Aktien in Europa ohne Berücksichtigung der nachfolgenden Verwahrungs- und Verwaltungskosten zwei bis sechs mal höher als entsprechende nationale Übertragungen und bis zu acht mal höher als Binnentransaktionen in den USA sind.32 In der Harmonisierung und Integration des Nachhandelsprozesses wird ein Einsparpotenzial von 7 bis 18 % der gesamten Transaktionskosten gesehen, was in absoluten Zahlen europaweit zwei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr ausmachen würde.33 Die unsichere Rechtslage und die höheren Abwicklungskosten 26

Giovannini Group, 2001 Report, S. 57 f. Vgl. auch Löber, S. 31. 28 CESAME, CESAME Report, S. 13. 29 Haentjens, S. 3. 30 Giovannini Group, 2001 Report, S. 36 ff.; Norman, S. 7; Legal Certainty Group, Second Advice, S. 16. 31 Europäische Kommission, Competition in EU securities trading and post-trading, S. 10 ff.; gegenwärtig wird auf europäischer Ebene versucht, eine verlässliche Methode zur Beurteilung der Kostenentwicklung für Nachhandelsdienstleistungen zu erarbeiten, vgl. ACHTUNGRECESAME, CESAME REPORT, S. 75 f. 32 CESAME, CESAME Report, S. 13. 33 CESAME, CESAME Report, S. 14. 27

34 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einleitung

belasten den Wert der gehandelten Instrumente und schlagen letztlich auf die Kapitalkosten für Emittenten durch.34 Das Clearing und Settlement hat damit erhebliche Bedeutung für die Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes und für seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen vergleichbaren Märkten außerhalb Europas. Neben der reinen Kostenfrage ist die Rechtssicherheit bei der Verrechnung und Abwicklung von Wertpapiergeschäften wegen der enormen involvierten Summen und der immanenten systemischen Risiken auch von großer Bedeutung für die Stabilität des Wirtschaftssystems insgesamt.35 c) Maßnahmen zur Beseitigung der Hindernisse Die Integration der europäischen Nachhandelsprozesse lässt sich grundsätzlich auf zwei Wegen erreichen. Denkbar sind zunächst Zusammenschlüsse und Kooperationen der Institutionen, die die Infrastruktur zur Geschäftsabwicklung zur Verfügung stellen. Obwohl es in den letzten Jahren zu einer gewissen Konsolidierung in diesem Bereich kam, ist die Abwicklungsinfrastruktur noch immer sehr fragmentiert.36 Erforderlich ist deswegen die Angleichung der tatsächlichen Abläufe und der rechtlichen Grundlagen der Wertpapierabwicklung. Die Giovannini Group hat in einem zweiten Bericht Vorschläge zur Beseitigung der gefundenen Hindernisse erarbeitet, die dafür verantwortlichen Institutionen benannt und einen Zeitplan zur Erreichung der Ziele vorgeschlagen. Zur Beseitigung der technischen und operationellen Hindernisse sieht sie in erster Linie die Betreiber der Infrastruktur zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften in der Pflicht. Steuerrechtliche und sonstige rechtliche Barrieren müssen demgegenüber von den zuständigen Rechtsetzungsorganen und Regulierungsbehörden beseitigt werden. Zur Beseitigung der rechtlichen Barrieren sieht die Gruppe die Notwendigkeit, einen gemeinschaftsweiten Rechtsrahmen hinsichtlich der materiellrechtlichen Behandlung von (Eigentums-)Rechten an intermediär gehaltenen Wertpapieren zu erarbeiten.37 Die Europäische Kommission in Reaktion auf diese Untersuchungen Maßnahmen zur Beseitigung der Hindernisse für das grenzüberschreitende Clearing und Settlement innerhalb der Gemeinschaft in Aussicht gestellt.38 Nach ihrer Auffassung ist es notwendig, die Wertpapierclearing- und -abwicklungssysteme durch umfassende Zugangsrechte zu liberalisieren und ihre technische Integration voranzutreiben, um so die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern von Abwicklungsdienstleistungen zu schaffen. Zudem sieht sie das Bedürfnis für einen gemeinsamen Regulierungs- und Aufsichtsrahmen für die an der Abwicklung beteiligten In-

34 35 36 37 38

Goode/Kanda/Kreuzer, Int-2; Norman, S. 8. Kronke, in: Aufbruch nach Europa, S. 762. Löber, Unif. L. Rev. 2005, 171. Giovannini Group, 2003 Report, S. 14 ff. Europäische Kommission, Clearing und Abrechnung in der EU, S. 9 ff.

I. Problemstellung und Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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stitutionen sowie für geeignete Governance Regelungen.39 Zunächst sah sie den Erlass einer Rahmenrichtlinie zur Regelung der wettbewerbsspezifischen Aspekte der Wertpapierabwicklung vor. Davon hat sie jedoch mittlerweile Abstand genommen. Das Gemeinschaftsrecht enthält deshalb nur in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFiD)40 Regelungen über den Zugang von Wertpapierfirmen zu ausländischen Clearing- und Abwicklungssystemen sowie deren Möglichkeit, selbst auf ausländischen geregelten Märkten tätig zu werden.41 Die Wertpapierindustrie hat sich ihrerseits in einem von den drei wichtigsten europäischen Infrastrukturverbänden erarbeiteten Verhaltenskodex selbst verpflichtet, die Voraussetzungen für den wechselseitigen Zugang zu ihren Systemen herzustellen und Transparenz hinsichtlich der Preise der Wertpapierabwicklung zu gewährleisten, um so die Voraussetzungen für größeren Wettbewerb zu schaffen.42 Die Kommission hat zur weiteren Untersuchung der Barrieren und der Überwachung ihrer Behebung verschiedene Sachverständigengruppen eingesetzt: Die im Jahr 2004 eingesetzte Gruppe CESAME (European Commissions Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Experts) stellt eine informelle Beratungs- und Überwachungsgruppe der Kommission dar. Sie ist vor allem mit Vertretern der Industrie besetzt und soll als Schnittstelle zwischen den am Prozess der Beseitigung der Barrieren beteiligten Organen und privaten Institutionen dienen.43 Sie soll insbesondere die Beseitigung der durch technische Hemmnisse und Marktpraktiken bedingten Barrieren durch den Privatsektor koordinieren und überwachen. Die Gruppe, deren Mandat 2008 verlängert wurde (CESAME II), hat Ende 2008 einen umfassenden Bericht veröffentlicht, in dem sie die bislang erreichten Ergebnisse zusammenfasst und weitere erforderliche Schritte benennt.44 Eine weitere Sachverständigengruppe soll steuerrechtliche Hindernisse und die Einhaltung von Steuervorschriften untersuchen (Fiscal Compliance Group, FISCO).45 Darüber hinaus wurde im Jahr 2005 eine Sachverständigengruppe zur Evaluierung der Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf 39 Europäische Kommission, Clearing und Abrechnung in der EU, S. 15 ff.; dazu Löber, S. 45 f. 40 Richtlinie 2004/39/EG vom 21. 4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU 2004, Nr. L 145 v. 30. 4. 2004, S. 1 ff. 41 Art. 34 u. 46 RL 2004/39/EG. 42 European Code of Conduct for Clearing and Settlement vom 7. 11. 2006, veröffentlicht von der Federation of European Securities Exchanges (FESE), der European Association of Central Counterparty Clearing Houses (EACH) und der European Central Securities Depositories Association (ECSDA); vgl. auch die dazugehörige Access and Interoperability ACHTUNGREGuideline, beides abrufbar unter www.fese.be. 43 Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/04/935 v. 16. 7. 2004; vgl. auch dies., Clearing und Abrechnung in der EU, S. 14 f. 44 CESAME, CESAME Report. 45 Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/05/435 v. 15. 4. 2005; die Arbeitsgruppe hat mittlerweile konkrete Empfehlungen zur Beseitigung steuerrechtlicher Hindernisse veröffentlicht, vgl. FISCO, Solutions to fiscal compliance barriers, S. 12 ff.

36 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einleitung

die Rechte der Investoren an intermediär verwahrten Wertpapieren eingesetzt.46 Der Fokus dieser „Arbeitsgruppe Rechtssicherheit“ (Legal Certainty Group) soll auf den allgemeinen Vorschriften des Sachen-, Wertpapier- und Insolvenzrechts liegen. Untersucht werden Fragen der Rechtsnatur von Buchungsrechten, des Zeitpunkts ihres Erwerbs, ihrer Insolvenzfestigkeit, ihres Verhältnisses zu Rechten Dritter und des auf sie anwendbaren Rechts. Die Gruppe soll auf Grundlage ihrer Ergebnisse Vorschläge zur Steigerung der Rechtssicherheit bei der grenzübergreifenden Wertpapierabwicklung erarbeiten.47 Sie hat eine umfassende Untersuchung der nationalen Rechtsordnungen der EU durchgeführt und zuletzt einen Bericht herausgegeben, in dem sie Empfehlungen zur Harmonisierung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung und -übertragung der Mitgliedsstaaten macht.48 Diese Empfehlungen werden die Grundlage für das weitere Vorgehen der Kommission bilden. Die Arbeiten der Legal Certainty Group stehen inhaltlich in engem Zusammenhang mit einem Projekt zur Harmonisierung des materiellen Rechts für intermediär verwahrte Wertpapiere, das seit 2001 bei UNIDROIT (International Institute for the Unification of Private Law) verfolgt wird. Ende 2009 wurde auf einer Diplomatischen Konferenz ein abschließendes Übereinkommen verabschiedet (UNIDROIT Convention on Substantive Rules for Intermediated Securities, „Genfer Wertpapierkonvention“), das im Falle seiner Zeichnung die Signatarstaaten an bestimmte Mindeststandards bei der buchungsmäßigen Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren binden würde. Sowohl das Projekte der Legal Certainty Group als auch die UNIDROITKonvention sehen sich jedoch dem Problem ausgesetzt, dass das Recht der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren in den meisten Rechtsordnungen eng mit Grundprinzipien des nationalen Rechts verbunden ist. Eine Harmonisierung oder gar Vereinheitlichung dieser Rechtsbereiche ist sehr schwierig. Der Erfolg dieser Projekte ist deswegen keinesfalls gesichert. Man hat aus diesem Grund von Anfang an der Harmonisierung des internationalen Privatrechts für Wertpapierübertragungen größere Erfolgschancen beigemessen, da dieses schlanker und weniger an dogmatische Grundsätze gebunden ist.49 Dem lag die Überlegung zugrunde, dass die Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Verbuchungsvorgängen bereits dann gesteigert werde, wenn das anzuwendende Recht klar und von allen Beteiligten anerkannt sei. Infolgedessen hat es in den vergangenen Jahren im Bereich des internationalen Wertpapierprivatrechts einige beachtenswerte Entwicklungen gegeben. Für den gemeinschaftsrechtlichen Bereich wurden in einigen Rechtsakten spezielle kollisionsrechtliche Vorschriften aufgenommen, die das bisher geltende Prinzip der lex rei sitae für dingliche Rechte an Wertpapieren ablösen. Stattdessen werden dingliche Rechtsübertragungen grundsätzlich dem Recht am Ort der Kontobuchung zugunsten des Er-

46

Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/05/123 v. 1.2.2005. Vgl. Europäische Kommission, Clearing und Abrechnung in der EU, S. 26 ff. 48 Legal Certainty Group, Second Advice. 49 Kronke, in: Aufbruch nach Europa, 769; Löber, BKR 2003, 266; Schefold, in: FS Jayme, S. 805; Girsberger, in: FS Schnyder, S. 80 f. 47

II. Gegenstand und Gang der Untersuchung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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werbers unterworfen.50 Daneben wurde auf der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Ende 2002 ein Übereinkommen verabschiedet, das auch über die Grenzen der EU hinaus eine einheitliche Regel zur Bestimmung der Rechtsordnung durchsetzen soll, die auf Buchungsrechte an intermediär verwahrten Wertpapieren und ihre Übertragung anzuwenden ist.51 Das Übereinkommen, das innerhalb eines außerordentlich kurzen Zeitraumes erarbeitet worden ist, konnte noch nicht in Kraft treten. Aus Sicht der europäischen Staaten stellen sich nach wie vor zahlreiche Fragen hinsichtlich der Auswirkungen, die eine Implementierung des Übereinkommens in das Gemeinschaftsrecht hätte.

II. Gegenstand und Gang der Untersuchung Die Ausführungen geben einen ersten Eindruck von den vielfältigen Problemkreisen, die sich im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren ergeben. Die Probleme sind sowohl technisch-operationeller als auch rechtlicher Natur. Gerade die rechtlichen Fragen der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren sind aufgrund des Zusammentreffens verschiedener und inhaltlich unterschiedlicher Rechtsordnungen sehr kompliziert und international umstritten. Die Arbeit möchte diese Diskussionen aufgreifen und einen Beitrag aus deutscher Sicht zur Beurteilung der europäischen und internationalen Bemühungen zur Harmonisierung des Sach- und Kollisionsrechts der Wertpapierverwahrung leisten. Der Fokus der Arbeit liegt auf Fragen der Modernisierung und Harmonisierung des internationalen Privatrechts für grenzüberschreitende Wertpapierübertragungen, da in diesem Bereich in den vergangen Jahren einige Fortschritte erzielt werden konnten, die es kritisch zu beleuchten gilt. Die wertpapierkollisionsrechtlichen Regelungen des Gemeinschaftsrechts, ihre Umsetzung in Deutschland und auch das Haager Wertpapierübereinkommen werden auf ihre Wirkungsweise hin untersucht und miteinander verglichen. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob bzw. unter welchen Umständen eine Umsetzung des Haager Wertpapierübereinkommens in Deutschland bzw. in der EU empfehlenswert ist. Die Regelungen des internationalen Privatrechts lassen sich jedoch nur vor dem Hintergrund der materiellrechtlichen Ausgestaltung von Buchungsrechten verstehen. Die Arbeit unternimmt deswegen eine grundlegende und auch kritische Bestandsaufnahme des materiellen Rechts der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren in Deutschland und stellt diese Ergebnisse in den Kontext internationaler Rechtsentwicklungen. Durch die zusammenhängende Betrachtung von materiellem Recht und internationalem Privatrecht will die Arbeit die Frage beantworten, inwieweit die kollisionsrechtlichen In50

Vgl. im Einzelnen unten D.IV. Der Text des Übereinkommens ist abrufbar unter www.hcch.net; abgedr. auch in RabelsZ 68 (2004), 757 ff. 51

38 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einleitung

strumente in der Lage sind, die Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen zu erhöhen und inwieweit eine Harmonisierung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung notwendig ist. Die Arbeit gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil (B.) behandelt die Kennzeichen der modernen Verwahrung, Verwaltung und Übertragung von Kapitalmarktpapieren (Effekten) in tatsächlicher Hinsicht. Zunächst werden das Konzept der Verbriefung von Rechten in Wertpapieren und die mit der Verbriefung verfolgten Zwecke erläutert. Anschließend werden die modernen Formen der Verbriefung, Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren dargestellt. Es werden die verschiedenen Schritte der Übertragung von Wertpapieren durch Clearing- und Settlementsysteme aufgearbeitet, sowie die am Abwicklungsprozess beteiligten Parteien benannt. Auch die mit der Abwicklung einhergehenden Risiken sowie Techniken zur Risikobewältigung werden analysiert. Abschließend werden die Kanäle der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren beschrieben. Im Rahmen dieser Ausführungen werden auch die angesprochenen operationellen Barrieren für die grenzüberschreitende Wertpapierübertragung und die Maßnahmen zu ihrer Beseitigung näher erläutert, um so die Einordnung der folgenden rechtlichen Ausführungen in den Gesamtzusammenhang zu ermöglichen. Der zweite Teil der Arbeit (C.) beschäftigt sich sodann mit den materiellrechtlichen Grundlagen der Sammelverwahrung und buchungsmäßigen Übertragung von Wertpapieren. Dabei wird zunächst ein Schwerpunkt auf das deutsche materielle Recht der Girosammelverwahrung und des Effektengiroverkehrs gelegt, da dies für den deutschen Rechtsanwender von besonderem Interesse ist. Der Effektengiroverkehr auf sachenrechtlicher Grundlage ist als Ergebnis einer langjährigen rechtswissenschaftlichen Diskussion heute weitgehend anerkannt und wird auch von der Praxis grundsätzlich als taugliches Rechtskonstrukt angesehen. Eine kritische Untersuchung seiner Rechtsgrundlagen ist gleichwohl gerechtfertigt, weil von Teilen der Wissenschaft immer wieder dogmatische Schwächen bemängelt werden. Hinzu kommt, dass jüngere und jüngste Entwicklungen des nationalen und internationalen Wertpapierverkehrs die Funktionsfähigkeit der sachenrechtlichen Erfassung des Effektengiroverkehrs neu in Frage stellen. In tatsächlicher Hinsicht zwingt vor allem der Einsatz zentraler Gegenparteien auf vielen Wertpapiermärkten dazu, die Dogmatik des Effektengiroverkehrs neu zu hinterfragen. Aber auch das kollisionsrechtliche ACHTUNGREHaager Wertpapierübereinkommen gibt Anlass, die materiellrechtliche Ausgestaltung des Effektengiroverkehrs zu überdenken. Aus diesem Grund werden im zweiten Teil der Arbeit auch alternative, nicht sachenrechtlich strukturierte Konzepte der rechtlichen Erfassung des Effektenverkehrs vorgestellt. Darunter fällt zum einen das Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung, die deutschen Anlegern erteilt wird, wenn ihre Depotbank für sie im Ausland Wertpapiere anschafft und dort verwahren lässt. Diese Rechtsfigur ist aus deutscher Sicht zentral für den grenzüberschreitenden Wertpapierverkehr. Daneben wird insbesondere das US-amerikanische Recht der Verwahrung und Übertragung von Effekten vorgestellt. Das amerikanische Recht ist von besonderem Interesse, weil es als eine der wenigen Rechtsordnungen

II. Gegenstand und Gang der Untersuchung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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weltweit ein in sich geschlossenes rechtliches System für den modernen Effektenverkehr aufweist. Es ist international sehr einflussreich und könnte auch Vorbildwirkung für Modernisierungsüberlegungen im deutschen Recht entfalten.52 Ferner hatten die theoretischen Grundlagen des amerikanische Rechtskonzeptes erheblichen Einfluss auf die neue Anknüpfungsregel des Haager Wertpapierübereinkommens, so dass sein Verständnis auch die Auslegung des Übereinkommens erleichtert. Der dritte Teil der Arbeit (D.) behandelt sodann das internationale Privatrecht der Wertpapiere. Gerade auf diesem Gebiet hat die nationale und internationale Rechtssetzung in den vergangenen zehn Jahren eine beachtenswerte Dynamik entwickelt. Diese Entwicklungen sind naturgemäß vor allem für grenzüberschreitende Transaktionen von Bedeutung, haben aber auch Rückwirkungen auf die Ausgestaltung nationaler Transaktionen. International-privatrechtlicher Ausgangspunkt ist das Prinzip der lex rei sitae, wonach dingliche Rechte an Wertpapieren immer der Rechtsordnung des Staates unterliegen, in dem die Papiere verwahrt werden. Diese Anknüpfungsregel hat sich für den internationalen Wertpapierverkehr jedoch aus verschiedenen Gründen, die im Einzelnen dargestellt werden, zunehmend als untauglich herausgestellt. In der Folge wurde auf nationaler, europäischer und globaler Ebene nach alternativen Anknüpfungsregeln gesucht. Das Ergebnis sind bereichsspezifische Anknüpfungsregeln im europäischen Gemeinschaftsrecht sowie das genannte Haager Wertpapierübereinkommen. Diese Anknüpfungsregeln werden im Einzelnen dargestellt, auf ihre Auswirkungen hin untersucht und verglichen. Der vierte Teil der Arbeit (E.) gibt einen Ausblick auf die gegenwärtigen Projekte zur Harmonisierung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung und -übertragung, die bei UNIDROIT und in der EU unternommen werden. Darin wird insbesondere der Frage nachgegangen, inwieweit diese Projekte nach ihrem gegenwärtigen Stand in der Lage sein werden, offene Zweifelsfragen zu lösen, die trotz der Fortschritte im Bereich des internationalen Privatrechts bestehen bleiben. Das Schlusskapitel (F.) führt die gewonnenen Ergebnisse zusammen und gibt eine Empfehlung ab, wie aus Sicht des deutschen Rechts weiter vorgegangen werden kann.

52

Kronke, in: Aufbruch nach Europa, S. 763.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1. Begriff und Funktion von Effekten a) Effektenbegriff Die an den Wertpapiermärkten gehandelten Instrumente bezeichnet man als Kapitalmarktpapiere oder Effekten.1 Bei dem Begriff der Effekten handelt es sich um einen bankrechtlichen Wertpapierbegriff, der teils enger und teils weiter ist als der allgemeine Begriff des Wertpapiers.2 Nach allgemeinem Verständnis ist ein Wertpapier eine Urkunde, die ein privatrechtliches Recht in der Weise verbrieft, dass zur Geltendmachung dieses Rechts die Innehabung des Papiers erforderlich ist.3 Nach Art des verbrieften Rechts lassen sich Mitgliedschaftspapiere, forderungsrechtliche Papiere und sachenrechtliche Papiere unterscheiden. Der Effektenbegriff ist demgegenüber enger, weil er nur vertretbare Wertpapiere erfasst, die der mittel- und langfristigen Kapitalbildung und -aufbringung dienen und auf einem Markt gehandelt werden können. Darunter fallen insbesondere Aktien, Schuldverschreibungen und Investmentzertifikate.4 Es ist Ausdruck ihrer wirtschaftlichen Funktion, dass sie auf den periodischen Ertrag eines Anlagekapitals in Form von Dividenden oder Zinsen lauten.5 Für ihre Handelbarkeit auf einem Markt ist darüber hinaus die Austauschbarkeit (Fungibilität) der Wertpapiere erforderlich. Austauschbar sind Wertpapiere, wenn sie wegen ihrer gleichartigen Ausstattung im Verkehr nur nach Stückzahl oder Nennbetrag be-

1

Zur Herkunft des Wortes Achterberg/Lanz, S. 448. Assmann/Schütze/Roth, § 11, Rn. 5; Baumbach/Hopt/Hopt, DepotG, § 1, Rn. 1. 3 Brunner, in: Endemann, 2. Bd., S. 147; Jacobi, in: Ehrenberg, 4. Bd., S. 233 ff.; Hueck/ Canaris, S. 1; Richardi, S. 15; Zöllner, S. 17 f.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 11; Roth, S. 12 f.; Brox, Rn. 511; Staudinger/Marburger, vor §§ 793 – 808, Rn. 1; für einen engeren Wertpapierbegriff, der auf die Möglichkeit einer sachenrechtlichen Übertragung abstellt: ACHTUNGRERaiser, ZHR 101 (1935), S. 61 ff.; Ulmer, S. 20. 4 Vgl. die Begriffsbestimmungen in § 1 Abs. 11 KWG und § 1 Abs. 1 DepotG; darüber hinaus Canaris, Rn. 1810 ff.; Schönle, S. 222; Hueck/Canaris, S. 14; Zöllner, S. 2 f.; Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, § 16, Rn. 1 ff.; MünchKommHGB/EkkenACHTUNGREga, Effektengeschäft, Rn. 12 ff.; Assmann/Schütze/Roth, § 11, Rn. 25 ff.; MünchKommBGB/Hüffer, § 793, Rn. 26 ff. 5 Zöllner, S. 15; Assmann/Schütze/Roth, § 11, Rn. 6; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 22. 2

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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stimmt werden und damit vertretbar im Sinne von § 91 BGB sind.6 Zu den Effekten zählen deshalb Inhaber- und blankoindossierte Orderpapiere, da diese nur nach Art und Zahl bestimmt werden. Nicht zu den Effekten zählen hingegen indossierte Orderpapiere sowie Rektapapiere, da diese den Berechtigten namentlich nennen und deswegen nicht untereinander austauschbar sind. Der Effektenbegriff ist gegenüber dem allgemeinen Wertpapierbegriff aber auch weiter, da er unter bestimmten Umständen auch unverbriefte Berechtigungsformen erfasst. Da sich diese Arbeit ausschließlich mit der Verwahrung und Übertragung von Effekten beschäftigt, wird der Begriff der Wertpapiere gleichbedeutend mit dem Begriff der Effekten gebraucht, sofern nicht ausdrücklich auf ein anders Begriffsverständnis hingewiesen wird. b) Funktionen der Verbriefung Die Verbriefung von bestimmten Rechten in Urkunden erfüllt verschiedene Funktionen. Durch die unterschiedlich starke Ausprägung verschiedener Wertpapierfunktionen lassen sich verschiedene Arten von Wertpapieren unterscheiden. Im Folgenden werden diejenigen Funktionen benannt, die sich insbesondere der Effektenhandel zunutze macht. Die zentrale und weitaus wichtigste Funktion der Verbriefung von Rechten liegt in der Transportfunktion.7 Eine Urkunde erfüllt diese Funktion, wenn zur Übertragung eines verbrieften Rechts (auch) die Übereignung der verbriefenden Urkunde erforderlich ist. Diese Bindung des Rechts an das Papier ist bei den einzelnen Wertpapierarten unterschiedlich ausgestaltet. Am stärksten ausgeprägt ist die Transportfunktion bei Inhaberpapieren. Hier bewirkt die wirksame Übereignung des Papiers auch die Übertragung des verbrieften Rechts. Bei Orderpapieren ist zur Übertragung des verbrieften Rechts neben der Übereignung des Papiers ein schriftlicher Übertragungsvermerk auf der Urkunde (Indossament) erforderlich. Durch ein Blankoindossament kann ein Orderpapier aber funktionell einem Inhaberpapier angenähert werden, da es damit jeden Inhaber legitimiert.8 Keine Transportfunktion erfüllt die Verbriefung hingegen bei Rektapapieren. Hier kann das verbriefte Recht nur durch Abtretung übertragen werden. Mit der Zession geht gemäß § 952 BGB auch das Eigentum am Papier über. Bei der Übertragung eines in einem Inhaber- oder Orderpapier verbrieften Rechts steht somit die Übereignung der verbriefenden Urkunde im Vordergrund. Man spricht deshalb auch von der Verkörperungswirkung dieser Wertpapiere. Entscheidend für die Transportfunktion von Wertpapieren und damit für die wirtschaftliche Bedeutung von Effekten für den Kapitalmarkt ist, dass die auf die Urkunde als Sache anzuwen-

6 Brink, S. 66; Bosch, in: Hellner/Steuer, Rn. 10/4; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 10; Eder, NZG 2004, 110; vgl. auch Goode, in: Oditah, S. 116 f. 7 Hueck/Canaris, S. 11. 8 Zöllner, S. 14.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

denden Regeln mittelbar auch auf die verbrieften Rechte selbst Anwendung finden.9 Durch die Anwendung sachenrechtlicher Übertragungsvorschriften anstelle des Zessionsrechts haben Effekten eine gesteigerte Umlauffähigkeit, d. h. sie werden leichter übertragbar.10 So ist mit dem Besitz der Urkunde die Eigentumsvermutung nach § 1006 BGB verbunden. Dies ist Grundlage für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigen sowie für den gutgläubigen lastenfreien Erwerb. Der gutgläubige Erwerb bezieht sich dann nicht nur auf das Eigentum an der Urkunde, sondern auch auf das verbriefte Recht selbst.11 Praktisch werden damit das Papier zur Haupt- und das Recht zur Nebensache.12 So ist es möglich, Rechtsbeziehungen der unterschiedlichsten Art als Wirtschaftsgüter handelbar zu machen, selbst wenn die verbrieften Rechte einer fremden Rechtsordnung unterstehen.13 Gerade der anonymisierte Börsenhandel wäre unter Anwendung der Zessionsvorschriften nur schwer vorstellbar, wenn nicht sogar unmöglich. Das Bild der Verkörperung eines Rechts in einer Urkunde ist Gegenstand einer langen Diskussion.14 Es darf nicht zu Fehlschlüssen hinsichtlich der Grenzen des Zusammenhangs zwischen Papier und Recht verleiten. Wie die Möglichkeiten eines Aufgebotsverfahrens oder einer Kraftloserklärung der Urkunde zeigen, ist das Papier für den Bestand eines Rechts nicht immer entscheidend. Umgekehrt geht das Eigentum an einer verbriefenden Urkunde nicht automatisch mit dem Erlöschen des verbrieften Rechts auf den Schuldner über.15 Allgemein kann man unter der Verkörperungswirkung damit nicht mehr verstehen, als dass das verbriefte Recht hinsichtlich Bestand, Ausübung und Übertragung jedenfalls zu einem gewissen Grad an das Schicksal des Papiers gebunden wird.16 Eine weitere Funktion der Verbriefung ist die Möglichkeit des Rechtsinhabers, sich durch Vorlage der Urkunde dem Emittenten gegenüber als Berechtigter auszuweisen (Legitimationsfunktion). So genügt vielfach die Inhaberschaft der Urkunde zur Begründung der widerleglichen Vermutung, dass der Inhaber auch materiell Berechtigter des verbrieften Leistungsversprechens ist.17 Die Legitimation ist die Basis für weitere Funktionen: Von der Präsentationsfunktion spricht man, wenn der Schuld-

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Jacobi, in: Ehrenberg, S. 342; Brink, S. 68; Richardi, S. 20; Meyer-Cording/Drygala,

S. 3. 10

Hueck/Canaris, S. 8 f.; Ulmer, S. 20; Zöllner, S. 22 ff.; Koller, Gutachten, S. 1491. Ausführlich Micheler, S. 70 ff.; vgl. auch Körner, S. 30; Richardi, S. 21; Baumbach/ Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 4. 12 Brink, S. 70; ähnlich Zöllner, in: FS Raiser, S. 250. 13 Than, in: FS Schimansky, S. 823. 14 Grundlegend Savigny, S. 99; kritisch zum Begriff Brunner, in: Endemann, 2. Bd., S. 143 ff.; Jacobi, in: Ehrenberg, 4. Bd., S. 342 f.; Ulmer, S. 18. 15 Hueck/Canaris, S. 5 ff. 16 Zöllner, in: FS Raiser, S. 249, Fn. 1. 17 Beispielsweise nach § 793 Abs. 1 S. 1 BGB oder Art. 16 Abs. 1 WG. 11

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ner nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet ist.18 Dies schützt den Schuldner davor, bei einer Leistung an den Berechtigten oder nicht Berechtigten ein weiteres Mal in Anspruch genommen zu werden. Kann der Schuldner im Vertrauen auf die Berechtigung des vorlegenden Inhabers der Urkunde in Abweichung von § 362 BGB auch dann mit befreiender Wirkung leisten, wenn dieser nicht der materiell Berechtigte ist, so erfüllt die Verbriefung eine Liberationsfunktion.19 Dies schützt den Emittenten vor mehrfacher Inanspruchnahme. Ferner korrespondiert damit auch der Schutz des Erwerbers vor einer befreienden Leistung des Schuldners an den früheren Inhaber nach §§ 407, 408 BGB, der die Urkunde nicht vorlegen kann (Rechtssicherungsfunktion).20 Die Verbriefung hat darüber hinaus eine Garantie- oder Gewährleistungsfunktion. Der Erwerber einer Urkunde kann sich darauf verlassen, dass das in der Urkunde bezeichnete Recht tatsächlich und mit diesem Inhalt besteht. Dies wird auch als skripturale Haftung bezeichnet.21 Der Erwerber muss sich darüber hinaus grundsätzlich keine unbenannten Einwendungen des Emittenten gegenüber dem Veräußerer entgegenhalten lassen.22 Zusammenfassend dient die Verbriefung damit der Bewältigung von Gefahren und Unsicherheiten, die dem Wirtschafts- und Rechtsverkehr im Umgang mit unkörperlichen Rechten drohen. Die Unsicherheiten sind besonders groß, wenn Rechte massenhaft emittiert werden und für den anonymisierten Umlauf bestimmt sind. Die Verbindung des Rechts mit einer körperlichen Urkunde und die damit erzielten Rechtswirkungen vermögen diese Unsicherheiten zu reduzieren.23 Durch die Verbriefung kann das Recht zwischen dem ursprünglichen Gläubiger und dem Schuldner verselbstständigt werden, so dass ein neuer Gläubiger zum Nachweis seiner Legitimation vorangegangene Übertragungen nicht nachweisen muss. Dem Schuldner können darüber hinaus Einreden, die in der Person des ursprünglichen Gläubigers begründet sind, abgeschnitten werden. Die Bindung des Rechts an das Papier ist eine bemerkenswerte juristische Entwicklung. Die Verkörperungswirkung von Effekten ist aber auch entscheidend für die Erfüllung der wirtschaftlichen Funktionen des Kapitalmarktes, da sie die rechtstechnische Grundlage für die breit gestreute Finanzierung der modernen Wirtschaft darstellt; die Aufteilung der Kapital- und Kreditmasse auf viele Personen und die Möglichkeit des Kapitalgebers, sich jederzeit durch die Übertragung der Rechte von seinem Verpflichtungsverhältnis zu lösen, ohne das primäre Schuldverhältnis selbst aufkündigen zu müssen, bewirkt eine Ausweitung des Kreises potentieller Kapitalgeber und eine langfristige Verfügbarkeit des Kapitals für den Ka18 So nach §§ 797, 1144, 1160, 1161 BGB; Art. 39 Abs. 1 WG; Art. 34 Abs. 1 ScheckG; vgl. dazu Richardi, S. 19; Zahn/Kock, WM 1999, 1962. 19 Vgl. § 793 Abs. 1 S. 2 BGB und Art. 40 Abs. 3 WG; dazu Roth, S. 7. 20 Richardi, S. 20; Micheler, S. 132. 21 Zahn/Kock, WM 1999, 1962. 22 Vertiefend Lenenbach, Rn. 2.7. 23 Hueck/Canaris, S. 8.

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pitalnehmer. Letztlich wird dadurch auch die Schaffung von breit gestreutem Privateigentum an Produktionsmitteln ermöglicht.24 2. Gründe für die Rationalisierung des Wertpapierverkehrs Ausgangspunkt des Wertpapierverkehrs war, dass der Wertpapiereigentümer seine Papiere selbst verwahrt und zur Veräußerung an den Erwerber übergibt. Gerade aufgrund der Umlauffähigkeit der Effekten und der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, der gemäß § 935 Abs. 2 BGB auch bei abhanden gekommenen Inhaberpapieren möglich ist, ist es im Hinblick auf die hohen Werte der verbrieften Rechte aber naheliegend, dass die Verwahrung von Kreditinstituten übernommen wird.25 Möglich ist dies zum einen in Form der Sonderverwahrung. Dabei werden die Effekten getrennt von den Werten anderer Hinterleger aufbewahrt. In Deutschland werden die Papiere durch ein beschriftetes Streifband für einen bestimmten Hinterleger markiert, woraus die Bezeichnung Streifbandverwahrung entstanden ist. Auch in diesem Fall ist zur Übertragung die Übergabe der Papiere an den Verwahrer des Erwerbers erforderlich, jedenfalls aber eine Änderung der Streifbandmarkierung. Die Verbriefung einer großen Zahl von Rechten in einzelnen Urkunden hat sich schon früh als Hemmnis für das Streben nach Rationalisierung im Massenverkehr erwiesen. Die Verbriefung, die die Umlauffähigkeit der verbrieften Rechte aus rechtlicher Sicht steigern sollte, ist im Massenverkehr aus praktischen Gründen gerade ein Hindernis für die Umlauffähigkeit der Rechte.26 Mit dem Anstieg des Effektenhandels an den Kapitalmärkten hat sich deswegen eine Tendenz zur Reduzierung des Verkörperungselements entwickelt.27 Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Praxis damit begonnen, die Grundidee der Einzelverbriefung und -verwahrung weiterzuentwickeln und Prozesse zu schaffen, durch die Rechte an Effekten ohne deren physische Bewegung in großen Mengen übertragen werden können. In Deutschland war dies aufgrund der steigenden Wertpapiermengen bereits in der Zeit der Geldinflation der 20er Jahre notwendig.28 International verlangte vor allem der drastische Anstieg der Handelsvolumina in Effekten in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts eine weitere Rationalisierung des Effektenverkehrs.29 Insbesondere Massenemissionen, bei denen Effekten in großer Zahl zu Teilbeträgen hergestellt und an ein breites Anlegerpublikum ausgegeben werden, brachten verschiedene Probleme bei Herstellung, Verwahrung, Verwaltung und 24

Sombart, S. 185 f., 222 f.; Drobnig, in: Kreuzer, S. 13; Brunner, S. 74 f. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG handelt es sich in Deutschland dabei um ein genehmigungspflichtiges Bankgeschäft. 26 Brink, S. 77; Hueck/Canaris, S. 14. 27 Eingehend hierzu Brink, S. 77 ff.; Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 ff.; Einsele, WertpaACHTUNGREpierACHTUNGRErecht als Schuldrecht, S. 12 ff.; dies., WM 2001, 7 ff.; Staudinger/Marburger, Vor § 793, Rn. 32 ff. 28 Vgl. Opitz, Abhandlungen, S. 318, 388, 428, 469. 29 Drobnig, in: Kreuzer, S. 14; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 689. 25

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Übertragung der Effekten mit sich.30 Die Gründe für die Steigerung der Wertpapiermengen lagen unter anderem im Anstieg des Kapitalbedarfs von Wirtschaft und Staat sowie in technischen Entwicklungen, wie beispielsweise der kleineren Stückelung von Emissionen zum Zwecke einer besseren Aufnahmefähigkeit im Markt. In jüngerer Zeit lagen die Gründe auch im generellen Bedeutungsgewinn der Kapitalmärkte durch neue Finanzprodukte und Anlagemöglichkeiten, insbesondere der Verbriefung von Forderungen und anderen Vermögenswerten (securitisation).31 Der Druck von Urkunden in großer Zahl war nicht nur zeitaufwendig, sondern auch kostenintensiv. Darüber hinaus musste die wachsende Zahl an Urkunden in sicheren Tresorräumen vor Verlust, Diebstahl und Beschädigung geschützt werden. Im Rahmen der Wertpapierverwaltung musste sichergestellt werden, dass Investoren die zahlreichen verbrieften Rechte auch ausüben konnten. Vor allem aber die Abwicklung von Geschäften über Effekten durch die physische Übergabe von Urkunden vom Veräußerer an den Erwerber stieß an ihre Grenzen, als die Beteiligten immer mehr Transaktionen über immer größere Distanzen in kürzeren zeitlichen Intervallen zu bewältigen hatten.32 Die jeweils einzelne Verbriefung, Verwahrung und physische Übergabe von Effekten hat sich dabei nicht nur als arbeitsintensiv, zeitraubend und teuer erwiesen, sondern war ab einem bestimmten Punkt von den auf einer physischen Übertragung von Urkunden basierenden Systemen logistisch nicht mehr zu bewältigen.33 Dies führte in einigen Staaten zu erheblichen Lieferverzögerungen und Zusammenbrüchen der Abwicklungssysteme.34 Symbolhaft dafür stehen die Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Geschäften an der New Yorker Wall Street Ende der 60er Jahre, die als „paperwork crunch“ bekannt wurden.35 Die durchschnittliche Zahl der täglich an der New Yorker Börse (NYSE) gehandelten Effekten belief sich zu dieser Zeit auf 10 bis 15 Millionen Stücke (im Vergleich zu einem täglichen Umsatz von 1,6 Milliarden Stücke im Jahr 2005).36 Die physische Übergabe der einzelnen Urkunden war bei diesem Umfang in den damals vorgegebenen Abwicklungszeiträumen von vier Tagen nicht mehr zu schaffen. Um die Rückstände aufzuholen, musste die Börse an bestimmten Wochentagen schließen, die täglichen Handelszeiten verkürzen und die vorgeschriebenen Abwicklungszeiträume verlängern. Dieser Zustand brachte die Funktionsfähigkeit des Börsenhandels zunehmend in Gefahr. Problematisch war insbesondere der Umstand, dass die Effekten durch den langen Übertragungsprozess nicht schnell genug für weitere Transaktionen zur Verfügung standen.37 Zu einem 30

Vgl. Mahler, S. 8; Zöllner, S. 5. Vgl. auch Brunner, S. 74 ff. 32 Goode, in: Oditah, S. 110; Zöllner, S. 5 f. 33 Benjamin, JIBFL 2003, 127; Mahler, S. 9. 34 Drobnig, in: Kreuzer, S. 14 f. 35 Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev., 310 f.; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, S. 14 f.; Benjamin, S. 141. 36 Vgl. NYSE Historical Statistics, abrufbar unter www.nyse.com; Rogers, 31 Idaho L. Rev 691 (1995). 37 Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 2. 31

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weiteren Zusammenbruch der Wertpapierwicklung kam es in den USA im Jahr 1987, als die New Yorker Börse Verkaufsaufträge über 1,3 Milliarden US $ nicht erledigen konnte und der Handel in zahlreichen Werten vorübergehend eingestellt werden musste.38 Viele Staaten haben durch gesetzliche, regulatorische und operative Fortentwicklungen im Bereich des Effektenverkehrs auf diese Entwicklungen reagiert. Es wurden nationale Formen des Effektenverkehrs geschaffen, die es ermöglichen, Effekten ohne deren physische Bewegung zu übertragen. Das Ergebnis sind elektronische Abwicklungssysteme, deren Kennzeichen im Folgenden dargestellt werden.

3. Kennzeichen und Entwicklung des modernen Effektenverkehrs Die moderne Wertpapierpraxis hat das Grundkonzept der Übertragung von Effekten durch Einigung und Übergabe aus den soeben genannten Gründen beträchtlich fortentwickelt und modifiziert. Prägende Kennzeichen des heutigen Effektenverkehrs, die man in ähnlicher Form an allen entwickelten Kapitalmärkten der Welt beobachten kann,39 sind die Immobilisierung der physischen Urkunden an zentralen Stellen, die fortschreitende Entmaterialisierung der Effekten sowie eine starke Intermediatisierung bei der Abwicklung von Effektentransaktionen. Diese Entwicklungen führten zu einem praktischen Bedeutungsverlust der Effektenurkunden. Darüber hinaus erforderten sie vielfach eine Änderung der rechtlichen Einordnung der Vorgänge bei der Abwicklung von Effektengeschäften. Die Rechtsentwicklung ist international jedoch nicht homogen verlaufen. Zudem entspringt das Recht der Wertpapiere und ihrer Übertragung oft unterschiedlichen Rechtstraditionen.40 Aus diesem Grund ist die folgende Darstellung der praktischen Abläufe bewusst abstrakt gehalten und verschiebt die detaillierte rechtliche Analyse des Beschriebenen auf den Folgeteil der Arbeit. a) Moderne Effektenverwahrung aa) Immobilisierung Das entscheidende Merkmal der modernen Abwicklung von Effektengeschäften ist die Immobilisierung der Effektenurkunden.41 Darunter versteht man das dauerhafte Einlagern von Wertpapieren bei einem Verwahrungsinstitut mit dem Zweck, die 38

Drobnig, in: Kreuzer, S. 15; Brunner, S. 75. UNIDROIT Secretariat, Unif. L Rev. 2005, 38; zu einzelnen Rechtsordnungen vgl. die Länderberichte bei Potok, S. 69 ff.; monographische Abhandlungen bieten zum französischen Recht Meiski, S. 104 ff.; zum italienischen Recht Rückert, S. 18 ff.; v. Criegern, S. 111 ff.; zum spanischen Recht Heesen, S. 35 ff.; zum schweizerischen Recht Brunner, S. 7 ff.; Girsberger/ Hess, AJP 2006, 992 ff. 40 Kanda, Jap. Ann. Int. L. 46 (2003), 46 f.; Saager, Die Bank 4/2005, 22. 41 Goode, S. 75 f.; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 10; UNIDROIT Secretariat, Unif. L. Rev. 2005, 40. 39

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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physische Bewegung der Papiere im Rahmen der Übertragung oder Beleihung durch bloße Kontobuchungen zu ersetzen.42 Dieser Vorgang hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Art und den Umfang der Verbriefung einzelner Rechte. Mit der Immobilisierung entfällt lediglich das Element der physischen Übergabe zur Übertragung einer Berechtigung an dem Papier. An die Stelle der Übergabe tritt ein Übertragungssystem, das den unmittelbaren Besitz zum Nachweis einer Berechtigung und die physische Übergabe zur Übertragung der Berechtigung durch (elektronische) Buchungen auf Wertpapierkonten ersetzt (book-entry system).43 Sowohl die Rechtsnatur der Buchberechtigungen als auch die rechtliche Form ihrer Übertragung ist in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet und im Einzelnen häufig umstritten.44 Allgemein kann man nur festhalten, dass die Übertragung einer Berechtigung bestimmte Buchungen des Verwahrers erfordern, welche die Berechtigung vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen lassen bzw. die Berechtigung des Veräußerers erlöschen lassen und auf Seiten des Erwerbers eine neue Berechtigung schaffen. Gerade das Fehlen der physischen Übergabe als Ausdruck eines (sachenrechtlichen) Übertragungsvorgangs führt zu rechtlichen Folgefragen, auf die einzugehen sein wird. bb) Zentralisierte Sammelverwahrung Mit der Immobilisierung der Effekten geht praktisch immer eine Form der Sammelverwahrung einher. Darunter versteht man, dass Effekten derselben Gattung, die verschiedene Investoren bei einem Verwahrinstitut hinterlegt haben, nicht physisch getrennt voneinander aufbewahrt werden, sondern gemeinsam und ungetrennt voneinander in einem einheitlichen Sammelbestand verwahrt werden.45 In die Sammelverwahrung können Effekten grundsätzlich auf zwei Wegen gelangen. Zunächst ist denkbar, dass ein Anleger einzelverbriefte Werte in Sammelverwahrung gibt. Der Regelfall ist jedoch, dass der Emittent die Effekten im Rahmen der Emission direkt bei einem Sammelverwahrinstitut deponiert. Die Anleger halten die Urkunden damit nie in den eigenen Händen.46 Viele Rechtsordnungen sehen zwar auch die Möglichkeit der Sonderverwahrung von Effekten für einen einzelnen Anleger vor; in der Praxis hat die Sonderverwahrung jedoch kaum Bedeutung, da sie umständlicher und kostenaufwendiger ist. Zudem sind sammelverwahrte Effekten bei Börsengeschäften leichter lieferbar.47 Da die Papiere bei dieser Form der Verwahrung nicht nach Nummern spezifiziert werden, ist es nach der Zusammenfassung der Papiere verschiedener Berechtigter zu 42 Group of Thirty, 1989 Report, S. 83; BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 47; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-21; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 381. 43 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 45. 44 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Int-19; Girsberger, in: FS Schnyder, S. 78. 45 Heinsius/Horn/Than, § 5, Rn. 15; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 39. 46 Goode/Kanda/Kreuzer, 2-15. 47 Vgl. Drobnig, in: Kreuzer, S. 18.

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einem einheitlichen Bestand nicht mehr möglich, die Berechtigung Einzelner an bestimmten Papieren festzustellen. Sowohl nach Prinzipien des kontinentaleuropäischen Rechts als auch des angelsächsischen Rechts endet die Einzelberechtigung der Inhaber an den Papieren in dem Moment, in dem die Papiere mit gleichartigen und damit austauschbaren Papieren anderer Berechtigter zusammengefasst werden.48 Aus diesem Grund geht mit dem Schritt zur Sammelverwahrung ein Wechsel zu einer wie auch immer ausgestalteten geteilten Berechtigung aller vormalig Einzelberechtigten am gesamten Sammelbestand der jeweiligen Wertpapiergattung einher.49 Die Rechtsnatur der anteiligen Berechtigung am Sammelbestand bereitet in vielen Rechtsordnungen große Einordnungsprobleme. Aufgrund der ungetrennten Sammelverwahrung können die einzelnen Depotinhaber auch keinen Anspruch auf Auslieferung genau der eingelieferten Effektenurkunden haben. Allenfalls kommt ein Anspruch auf Auslieferung artgleicher Effekten aus dem Sammelbestand in Betracht. Wegen der Austauschbarkeit der Effektenurkunden wird ein Wertpapiersammelbestand im Englischen als „fungibel pool“ bezeichnet.50 Das Prinzip der Sammelverwahrung hat sich in praktisch allen für den Effektenverkehr relevanten Rechtsordnungen durchgesetzt.51 Bedeutend für diese Entwicklung waren insbesondere die Empfehlungen der Group of Thirty von 1989, welche die Einführung zentraler Wertpapiersammelbanken für alle nationalen Kapitalmärkte forderte.52 In vielen Ländern hat sich nur eine zentrale Stelle zur Sammelverwahrung von Effekten herausgebildet. Eine solche zentrale Wertpapiersammelbank (Central Securities Depository oder CSD) verwahrt monopolartig alle massenhaft gehandelten Effekten des jeweiligen Kapitalmarktes.53 Die Verwahrung der Effektenurkunden an wenigen Stellen bezeichnet man auch als Zentralisierung.54 Die zentralisierte Sammelverwahrung von Effekten ermöglicht es, die Effizienzvorteile der Sammelverwahrung im größtmöglichen Maße auszuschöpfen. cc) Intermediäre Wertpapierverwahrung Effekten werden also nicht von den Anlegern selbst, sondern von Wertpapiersammelbanken verwahrt. Da die Effekten in der Regel dauerhaft eingelagert sind, steht das verwahrende Institut zumindest faktisch zwischen Anleger und Emittent. Hinsichtlich der Rechte des Anlegers gegenüber dem Emittenten übernimmt es eine vermittelnde Funktion, die rechtlich unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Die Wertpa48 Guynn, S. 20; Guynn/Marchand, in: van Houtte, S. 56; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, S. 21. 49 Vgl. Drobnig, in: Kreuzer, S. 19; Brunner, S. 19 f.; Goode, JIBFL Special Supplement/ September 1998, 23; ders., S. 77. 50 Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 14. 51 Drobnig, in: Kreuzer, S. 18. 52 Group of Thirty, 1989 Report, S. 7. 53 Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 8. 54 de Carvalho, S. 14; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-21.

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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piersammelbank wird deshalb als Intermediär bezeichnet. In der Regel können aber nur Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute Vertragspartner von Wertpapiersammelbanken sein und dort Depotkonten führen.55 Sie werden als Mitglieder oder Teilnehmer des von der Wertpapiersammelbank betriebenen Abwicklungsund Verwahrungssystems bezeichnet.56 Insbesondere aufgrund von Zulassungskriterien, die beispielsweise auf die finanzielle Ausstattung oder die nationale Herkunft der Mitglieder abstellen, haben sich in vielen Staaten mehrstufige Systeme für die Verwahrung von Wertpapieren etabliert. Anleger halten Wertpapiere auf Konten bei Kreditinstituten (Depotbanken), die ihrerseits entweder selbst oder über weitere zwischengeschaltete Institute Konten bei Wertpapiersammelbanken unterhalten. Bildlich stellen sich nationale Verwahrsysteme damit als eine Pyramidenstruktur dar, deren Basis aus einer Vielzahl von Anlegern gebildet wird, die über eine kleinere Zahl von Depotbanken mit einer Wertpapiersammelbank an der Spitze verbunden sind.57 Damit fungieren auch die zwischengeschalteten Depotbanken als Mittler bzw. Intermediäre. Sie werden als Zwischenverwahrer bezeichnet, obgleich sie selbst keine Effekten in ihren eigenen Tresoren verwahren.58 Jedes Glied der Verwahrkette steht dabei nur mit dem jeweils über- und untergeordneten Mitglied der Kette in Kontakt. Dies hat zur Folge, dass sich die Person des letztlich Berechtigten und der Umfang seiner Berechtigung nicht mehr aus den Unterlagen der Wertpapiersammelbank erkennen lassen, sondern nur in den Büchern der Depotbank des Anlegers am Ende der Buchungskette ersichtlich sind.59 Nur in wenigen Systemen führen Wertpapiersammelbanken Depotkonten unmittelbar für Anleger oder Unterkonten, aus denen die Anleger selbst hervorgehen. Aber auch in solchen so genannten transparenten Systemen sind Dienstleister nötig, welche die tägliche Verwaltung der Konten gegenüber der Wertpapiersammelbank übernehmen.60 Ein Zwischenverwahrer, der ein Konto bei der Wertpapiersammelbank führt, verbucht auf diesem Konto alle Werte, die er für sich selbst und seine Kunden hält, gemeinsam und nicht nach seinen einzelnen Kunden getrennt (sog. omnibus account).61 Allenfalls wird zwischen Kundenwerten und eigenen Werten des Intermediärs unterschieden.62 Ebenso verfahren die übrigen zwischengeschalteten Verwahrer. Aus Sicht des Emittenten hat diese Struktur den Vorteil, dass er sich im Rahmen der Wertpapierverwaltung in vielen Fra-

55

Vgl. Nr. 2 Abs. 1 AGB Clearstream; Benjamin, 35 Intl Law. 34 (2001). Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 13. 57 Einsele, WM 2001, 2416; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-18. 58 Kritisch zu diesem Begriff deshalb Reuschle, BKR 2003, 566. 59 Reuschle, BKR 2003, 562; UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 6; Paech/Löber, JIBFL 2007, 9 f. 60 Solche Systeme bestehen beispielsweise in Finnland, Griechenland und China; vgl. UNIDROIT, Study LXXVIII – Doc. 88; Legal Certainty Group, Second Advice, S. 33. 61 Goode, S. 207; Paech, Unif. L. Rev. 2002, 1148; Haentjens, S. 32. 62 Reuschle, BKR 2003, 562. 56

50 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

gen mit einer einzigen Institution auseinandersetzen muss, nämlich der jeweiligen Wertpapiersammelbank.63 Auch die nationalen Wertpapiersammelbanken verwahren die effektiven Stücke nicht zwingend in ihren eigenen Tresoren, sondern können wiederum bei anderen ausländischen oder internationalen Zentralverwahrern Depotkonten unterhalten.64 Dies gilt insbesondere für ausländische Werte. Über Depotkontenbeziehungen werden so nationale und internationale Verwahrketten gebildet.65 Insgesamt ergibt sich dadurch ein Netz an Sammelverwahrern und zwischenverwahrenden Depotbanken, das nicht nur für den Anleger am Ende der Verwahrkette, sondern auch für die beteiligten Intermediäre schwer zu überblicken ist.66 Wegen der vermittelnden Funktion der Finanzinstitute für das Verhältnis zwischen Anleger und Emittent spricht man von intermediär verwahrten Wertpapieren.67 Im Englischen wird auch der Begriff book-entry securities verwendet. Geläufig ist daneben auch der Begriff des indirekten Verwahrsystems (indirect holding system). Bei der Verwendung dieser Begriffe ist jedoch insoweit Vorsicht geboten, als ihre konkrete Bedeutung häufig von der Rechtsordnung beeinflusst wird, auf die sich der Verwender des Begriffes bezieht.68 Nach manchen Rechtsordnungen haben die Anleger bei der intermediären Wertpapierverwahrung beispielsweise keine Eigentums- und Besitzrechte an den zugrundeliegenden Effekten, sondern in erster Linie Ansprüche gegenüber ihrer eigenen Depotbank. Vor diesem Hintergrund drückt der Begriff der indirekten Verwahrung neben der Einschaltung mehrerer Intermediäre zumeist gerade auch die rechtliche Durchbrechung der Beziehung des Anlegers zu den zugrundeliegenden Effekten oder auch zum Emittenten selbst aus.69 Im deutschen Recht hingegen bleibt die grundsätzliche eigentumsrechtliche Zuordnung der Effektenurkunden zu den Hinterlegern trotz der Zwischenschaltung von Intermediären unberührt. Vor diesem Hintergrund liegt dem Begriff der indirekten Wertpapierverwahrung eher ein faktisches und damit weiteres Verständnis zugrunde. Der Begriff bezeichnet nur den Umstand, dass ein Anleger nicht direkt mit der unmittelbar verwahrenden Stelle verbunden ist, sondern dass weitere Buchungsstellen zwischengeschaltet sind. Die Qualifikation der rechtlichen Beziehung des Anlegers zu den zugrundeliegenden Ef63

Goode, JIBFL Special Supplement/September 1998, 23; Bernasconi, YbPIL 3 (2001),

68. 64

Benjamin, Rn. 1.99. Benjamin, 35 Intl Law. 34 f. (2001); Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 18; vgl. auch das Beispiel bei Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 15 ff. 66 Bertschinger, in: FS Kramer, S. 468. 67 Zum Ganzen Guynn, S. 21 ff.; Guynn/Marchand, in: van Houtte, Rn. 3.01 ff.; Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Rn. 2.18 ff.; Goode, in: Heere, S. 244 f. 68 Vgl. auch die Stellungnahme Finnlands bei den Beratungen zum Haager Wertpapierübereinkommen, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 9, S. 11. 69 In diesem Sinne Benjamin, Rn. 1.96; Potok/Moshinsky, JIBFL Special Supplement/ September1998, 10; Austen-Peters, Rn. 1.38; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 2 f.; Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. (2003), 667 f. 65

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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fekten oder zum Emittenten bleibt dabei grundsätzlich unberührt.70 Soweit nicht anders angezeigt, werden die Begriffe in dieser Arbeit im Sinne eines faktischen und damit rechtlich neutralem Verständnis verwendet. dd) Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren Zu ihrer Übertragung werden die Effekten nicht mehr physisch übergeben oder überhaupt bewegt. Stattdessen werden auf den Depotkonten der verschiedenen Stufen der Verwahrkette Gutschriften und korrespondierende Belastungsbuchungen vorgenommen. In der Regel werden die Umbuchungen der Effekten mit den Zahlungsvorgängen synchronisiert.71 Die Übertragung von Effekten durch kontobasierte Buchungssysteme bezeichnet man in Deutschland als stückelosen Effektenverkehr oder Effektengiroverkehr. Derartige auf Buchungen basierende Verwahr- und Übertragungssysteme haben sich im Lauf der Zeit an allen Kapitalmärkten der Welt herausgebildet.72 Der Umstand, dass die Depotbanken der Anleger die Kundenwerte nicht nach einzelnen Kunden getrennt bei übergeordneten Depotstellen halten, hat den Vorteil, dass die Depotbanken Werte vom Depot eines Kunden auf das eines anderen umbuchen können, ohne dass übergeordnete Intermediäre eingeschaltet werden müssen.73 Wenn Veräußerer und Erwerber ihre Depotkonten bei unterschiedlichen Intermediären führen, kommt es zu Umbuchungen innerhalb der Verwahrkette bis zum niedrigsten gemeinsamen Intermediär. Diesem Grundprinzip folgt nicht nur die Übertragung von Inhaberpapieren, sondern auch die von Namenspapieren. Bei Namensaktien bestehen dabei sowohl Systeme, bei denen im Aktienbuch des Emittenten der Endanleger jeweils selbst eingetragen ist,74 als auch Systeme, in denen generell nur die endverwahrende Wertpapiersammelbank bzw. ein von ihr eingesetzter Nominee im Aktienbuch registriert ist.75 Die rechtliche Ausgestaltung dieser in tatsächlicher Hinsicht sehr ähnlichen Verwahr- und Übertragungssysteme variiert in den einzelnen Staaten nicht unerheblich. Die zentrale Frage ist, welcher Natur die Rechtposition ist, die dem Anleger an den zugrundeliegenden sammelverwahrten Effekten eingeräumt wird. In Betracht kommen (mit-)eigentumsrechtliche Berechtigungsformen, obligatorisch ausgestaltete Rechtspositionen oder auch spezielle Mischformen.76 Die rechtlichen Unterschiede

70

Vgl. Paech, Unif. L. Rev. 2002, 1144. Benjamin, JIBFL 2003, 128. 72 Goode/Kanda/Kreuzer, Int-22; Sager, Die Bank 4/2005, 22. 73 Guynn, S. 23; Guynn/Marchand, in: van Houtte, Rn. 3.05; Reuschle, BKR 2003, 563. 74 So im Übertragungssystem für Namensaktien CASCADE-RS, das die Clearstream Banking AG auf dem deutschen Wertpapiermarkt betreibt, vgl. unten B.II.4.d)cc). 75 So beispielsweise in den USA, vgl. unten C.III.3. 76 Goode/Kanda/Kreuzer, Int-22 f.; vgl. im Einzelnen unten C. 71

52 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

zwischen einzelnen Berechtigungsformen stellen ein zentrales Hindernis bei der grenzüberschreitenden Abwicklung von Effektengeschäften dar.77 b) Entmaterialisierung und körperlose Effekten Werden Effektenurkunden dauerhaft an zentralen Stellen eingelagert und zu ihrer Übertragung nicht mehr bewegt, besteht auch kein praktisches Bedürfnis mehr, einzelne Rechte einzeln zu verbriefen und platzraubend zu verwahren. Bereits vor längerer Zeit ist man deswegen dazu übergegangen, größere Blockposten von gleichartigen Einzelrechten in einer einzigen Urkunde zusammenzufassen. Diesen Prozess kann man als Entmaterialisierung bezeichnen. Heute geht man sogar immer mehr dazu über, Rechte überhaupt nicht mehr zu verbriefen, sondern nur in (elektronische) Register einzutragen und damit gänzlich zu dematerialisieren.78 Gerade weil das Bedürfnis der Einzelverbriefung mit dem Übergang zu einer zentralisierten Sammelverwahrung entfällt, kann man die Immobilisierung und Zentralisierung der Effekten als Zwischenphase vor der Ent- und Dematerialisierung begreifen.79 Die Zurückdrängung des Verkörperungselements ist in der Praxis noch nicht abgeschlossen. Neue Möglichkeiten moderner Informationstechnologie haben den allgemeinen Trend zur Zurückdrängung des Verkörperungselements vor allem seit Anfang der 90er Jahre weiter verstärkt.80 aa) Sammel- und Globalurkunden Der erste Schritt dieser Entwicklung lag darin, große Zahlen von Einzelrechten in Sammel- oder Globalurkunden gemeinsam zu verbriefen. In der deutschen Rechtssprache werden die beiden Begriffe synonym gebraucht.81 Im Englischen sind die Bezeichnungen global note oder jumbo certificate geläufig.82 Die Entwicklung von Sammelurkunden nahm ihren Ausgang in dem Problem, dass bei einer Effektenemission die einzelnen Zertifikate noch nicht gedruckt waren, die Effekten aber bereits in den börslichen Handel eingeführt werden sollten. Diese zeitliche Kluft ließ sich vorübergehend mit einer Sammelurkunde überbrü-

77

Vgl. Giovannini Group, 2001 Report, S. 54 ff. Hierfür hat sich noch kein einheitlicher deutscher Sprachgebrauch herausgebildet. Die vorliegende terminologische Unterscheidung zwischen Ent- und Dematerialisierung geschieht in Anlehnung an das Englische, wo zumeist nur bei völlig körperlosen Effekten von „dematerialisation“ gesprochen wird, vgl. Group of Thirty, 1989 Report, S. 82; dem folgend BIS/ IOSCO, Recommendations for SSS, S. 46; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-21; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 381; wie hier auch Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 498. 79 Group of Thirty, 1989 Report, S. 56; Benjamin/Yates/Montagu, S. 142. 80 Vgl. bereits Bruns, ZKW 1972, 760 f.; Benjamin/Yates/Montagu, S. 14. 81 Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, Fn. 1; Micheler, S. 151. 82 Drobnig, in: Kreuzer, S. 20 f.; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 9. 78

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cken.83 Teilweise bezweckte die vorübergehende Verbriefung von Rechten in einer Sammelurkunde auch, bei Emissionen amerikanischer Schuldner außerhalb der USA den Rückfluss der Werte in die USA für eine bestimmte Zeit (lock-up period) zu unterbinden.84 Eine solche Interims-Globalurkunde oder Zwischensammelurkunde wurde dann aber durch Einzelurkunden ersetzt.85 Erst nach und nach hat man die Sammelverbriefung auch dauerhaft aufrechterhalten. Auch dann, wenn Rechte grundsätzlich dauerhaft in Sammelurkunden verbrieft werden, kann man die Urkunden danach unterscheiden, ob der Investor trotz der Globalverbriefung das Recht hat, sich Einzelzertifikate ausstellen zu lassen (semi-permanent global note), oder ob dieses Recht dauerhaft ausgeschlossen ist. Im letzten Fall spricht man von einer Dauerglobalurkunde (permanent global note).86 Aus rechtspraktischer Sicht ist der Schritt von der Sammelverwahrung zu Sammelurkunden, unabhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Sammelurkunde, nicht groß. Die Sammelurkunde tritt als Bezugspunkt für die wie auch immer ausgestaltete anteilige Berechtigung eines Investors an die Stelle des Sammelbestandes an Einzelurkunden. Wenn die jeweilige Rechtsordnung die Berechtigung des Anlegers als (Mit-)Eigentumsrecht einordnet, wird dieses Konzept durch die Einführung von Sammelurkunden nicht berührt. Im Gegensatz zu völlig dematerialisierten Effekten bieten Sammelurkunden nach wie vor einen physischen Anknüpfungspunkt für Eigentumsrechte, wenn auch in stark reduzierter Form. Aufgrund dieses relativ problemlosen Übergangs der Verbriefungsformen haben Sammelurkunden in der Praxis eine sehr bedeutende Stellung eingenommen. Der Umstand, dass eine immobilisierte Sammelurkunde die ursprünglich mit der Verbriefung von Rechten bezweckten Funktionen kaum noch erfüllt, ruft allerdings die Frage hervor, ob eine solche reduzierte Form der Verbriefung überhaupt erforderlich ist.87 bb) Körperlose Effekten Von Dematerialisierung spricht man, wenn Rechte überhaupt nicht mehr verbrieft, sondern stattdessen nur in (elektronischen) Registern erfasst werden. Die Eintragung in ein Register ersetzt die Wirkung der Verbriefung vollständig. Die Gleichstellung unverbriefter Rechte mit verbrieften Effekten und ihre Abgrenzung zu sonstigen Forderungsrechten wird zumeist durch gesetzliche Sondervorschriften erreicht. In vielen Staaten werden Anleihen der öffentlichen Hand auf diese Weise emittiert. In manchen

83

Ein internationaler Überblick zu diesem Phänomen findet sich bei Drobnig, in: Kreuzer,

S. 21. 84

Benjamin, JIBFL Special Supplement/September 1998, 36, Fn. 67. Than, in: FS Heinsius, S. 815 f. 86 Goode, in: Oditah, S. 111; ders., JIBFL Special Supplement/September 1998, 23. 87 Zur Möglichkeit der Einführung eines vollkommen papierlosen Effektensystems vgl. unten C.II.6.b). 85

54 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Staaten, beispielsweise in Frankreich,88 Spanien,89 Italien90 und in einigen skandinavischen Staaten91 ist der Effektenverkehr auch für Werte privater Emittenten vollständig oder teilweise auf Bucheffekten umgestellt. Für den Emittenten kann die Emission unverbriefter Effekten durch Eintragung in ein Register dann fakultativ oder obligatorisch ausgestaltet sein. Zwingend ist die papierlose Emission beispielsweise in Frankreich. Obgleich die Bedeutung körperloser Effekten zunimmt, stellen sie jedenfalls bislang in den meisten Rechtsordnungen gleichwohl noch nicht die Regelform dar. In tatsächlicher Hinsicht ist der Unterschied zwischen der Verbriefung von Rechten in Dauerglobalurkunden und der Emission bloßer Wertrechte nicht besonders groß. Bereits bei der Dauerglobalurkunde ist das Verbriefungselement auf das Äußerste reduziert. Die Dauerglobalurkunde ist auch nicht zum Umlauf bestimmt. Die praktischen Abläufe beim brieflosen Effektenverkehr entsprechen deshalb in vielerlei Hinsicht den beschriebenen Abläufen des Giroverkehrs mit verbrieften Effekten.92 Meistens werden nicht individuell bestimmte Berechtigte in das jeweilige Effektenregister eingetragen, sondern ein zentraler Verwalter, in der Regel die nationale Wertpapiersammelbank. Auch unverbriefte Effekten bilden damit eine ungeschiedene Gesamtheit, an der die einzelnen Anleger eine wie auch immer ausgestaltete geteilte Mitberechtigung haben. Dies wird mit dem Begriff der Sammelverwaltung deutlich. Die einzelnen Mitberechtigungsanteile werden auf Konten bei einem zentralen Sammelverwalter geführt und durch Gutschriften und Belastungsbuchungen übertragen. Auch in diesem Zusammenhang ergeben sich Verwahr- bzw. Verwaltungsketten, da die Anleger lediglich Konten bei zwischengeschalteten Instituten, nicht aber bei der sammelverwaltenden Institution selbst führen. Die Bankpraxis betrachtet sammelverwahrte Briefeffekten und Bucheffekten deshalb auch als völlig gleichwertig. In rechtlicher Hinsicht scheint der Schritt zu unverbrieften Wertrechten jedoch auf den ersten Blick gewaltig. Durch den Wegfall des letzten Verkörperungselements entfällt auch der tatsächliche Anknüpfungspunkt der sachenrechtlichen Vorschriften, auf die der Wertpapierverkehr vieler Staaten gestützt ist. Soweit Rechtsordnungen aber bei der Verwahrung von Effekten im Übrigen einer sachenrechtlichen Konstruktion folgen, ist die Rechtsposition des Inhabers unverbriefter Wertrechte derjenigen eines Eigentümers verbriefter Effekten zumeist gesetzlich so weit angeglichen, dass von einer speziellen Form des Eigentums bzw. Miteigentums gesprochen werden

88 Vgl. Art. 94 II Loi de finances pour 1982 n8 81-1160 du 30 dcembre 1981; Art. 1 Dcret n8 83-359 du 2 mai 1983; die Vorschriften finden sich heute in Art. L. 211-4 Code Montaire et Financier (CMF) und Art. L. 228-1 Code de Commerce (CC); dazu Brunner, S. 89 ff.; Maffei, Unif. L. Rev. 2005, 237 ff. 89 Art. 5 Ley 24/1988, de 28 de julio, del Mercado de Valores; dazu Heesen, S. 35 ff. 90 Art. 28 ff. Decreto Legislativo 24 Giugno 1998, N. 213. 91 Brunner, S. 103 m.w.N. 92 Drobnig, S. 23 f.

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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kann.93 Die Ersetzung der Verbriefung durch eine einfache Registereintragung ändert daher regelmäßig wenig an der juristischen Grundkonstruktion der Verwahrung und Übertragung von Effekten. Bei genauer Betrachtung ist der entscheidende rechtliche Schritt bereits mit dem Übergang zur Sammelverwahrung von verbrieften Effekten gemacht.94 Denn wenn Effektenurkunden einzelnen Inhabern nicht mehr individuell zugeordnet werden können und zur Übertragung nicht mehr bewegt werden, können sie die Funktionen, die ihnen durch die Verbriefung zugedacht war, praktisch nicht mehr verwirklichen.95 Bei der Sammelverwahrung ist die Form der „verwahrten“ Effekten letztlich unerheblich. Die zu bewältigenden rechtlichen und tatsächlichen Probleme bleiben gleich. Der endgültige Verzicht auf die Verbriefung bewirkt nur die äußerliche Bestätigung des bereits durch die Sammelverwahrung eingetretenen Funktionsverlustes der Effektenurkunden.96 c) Verwahrungs- und Verbriefungsformen in Deutschland Die beschriebenen Kennzeichen der modernen Verwahrung von Effekten und der Art ihrer Verbriefung lassen sich anhand der praktischen und rechtlichen Entwicklungen der Effektenverwahrung in Deutschland verdeutlichen. aa) Sonderverwahrung Leitbild des Depotgesetzes von 1937 und bis 1994 gesetzliche Grundform der Effektenverwahrung war die Sonderverwahrung. Dabei werden Wertpapiere gesondert von den Beständen des Verwahrinstituts und von denen anderer Kunden – insbesondere in Streifbändern oder Mappen – aufbewahrt (§ 2 DepotG). Die Hinterleger bleiben dabei Alleineigentümer und mittelbare Eigenbesitzer der von ihnen eingebrachten Stücke.97 bb) Sammelverwahrung Tatsächliche und seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz98 auch rechtliche Regelform der Verwahrung ist jedoch die Sammelwahrung von Effekten bei einer Wertpapiersammelbank (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 DepotG). Bei der Einlieferung der Effekten in den Wertpapiersammelbestand verliert ein Hinterleger bzw. Eigentümer das Alleineigentum an den jeweiligen Stücken. Er erhält stattdessen Miteigentum 93

MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 208. So auch UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 6. 95 Zum Funktionsverlust von Effektenurkunden ausführlich unten C.II.6.a). 96 Ähnlich Drobnig, S. 24; Goode, in: Oditah, S. 110. 97 Heinsius/Horn/Than, § 2 Rn. 8; Westermann, RabelsZ 49 (1985), 221; Kümpel, Rn. 11.20 f. 98 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. 7. 1994, BGBl. I, 1749. 94

56 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

an den zum Sammelbestand beim Verwahrer gehörenden Papieren derselben Art (§§ 1008, 741 BGB, § 6 Abs. 1 DepotG). Die Höhe des Miteigentumsanteils entspricht dabei der Summe der hinterlegten Stücke. Die Miteigentumsanteile der Hinterleger werden als Girosammeldepotanteile (GS-Anteile) bezeichnet.99 Bereits 1882 richtete der Berliner Kassenverein erfolgreich ein Sammeldepot für die Eigenbestände der Berliner Banken ein.100 Obgleich das Depotgesetz von 1896 die Sammelverwahrung allgemein erlaubte, wurde sie von den Banken aufgrund der weiterhin unklaren Gesetzeslage hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse der Hinterleger bis auf weiteres nur für Wertpapiere praktiziert, deren Inhaber die Banken selbst waren.101 Diese Praxis wurde jedoch bereits ab 1925 und damit früher als in vielen anderen Staaten auf Kundenwerte ausgedehnt. Grund dafür war vor allem ein Anstieg der Wertpapierbestände, der durch die Geldinflation nach dem Ersten Weltkrieg ausgelöst wurde.102 Die Fragen nach der eigentumsrechtlichen Stellung der Hinterleger und der Übertragung der Effekten im Effektengiro waren zwar Gegenstand von Rechtsgutachten,103 blieben aber gleichwohl zunächst zweifelhaft und umstritten.104 Sie wurden erst durch das Depotgesetz von 1937105 gesetzlich bis heute gültig geregelt. Sammelverwahrfähig sind ausschließlich vertretbare Wertpapiere (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG). Darunter fallen jedenfalls Inhaberpapiere. Namensaktien und andere Orderpapiere sind sammelverwahrfähig, wenn sie mit einem Blankoindossament versehen und damit Inhaberpapieren angenähert sind.106 Namensaktien waren in Deutschland traditionell kaum verbreitet, werden aber vor allem seit der Geltung des Namensaktiengesetzes107 stärker genutzt. Der Grund für die Zunahme von Namensaktien liegt neben der heutzutage leichteren Übertragung durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel im Wunsch zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Emittenten und Investor nicht zuletzt in der Eignung von Namensaktien für den Handel auf dem

99 BGH, WM 1975, 1259, 1261; Heinsius/Horn/Than, § 6 Rn. 9 ff.; Kümpel, Rn. 11.218; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn 39. 100 Heinsius/Horn/Than, § 5, Rn. 3; Than, in: FS Schimansky, S. 827. 101 Büchner, S. 20; Delorme, S. 11; Einsele, WM 2001, 7. 102 Lemaitre, S. 10 ff.; Kiesow, S. 1 ff.; Schütz, Bankarchiv 23 (1923/24), 129; Fabricius, AcP 162 (1963), 457. 103 Vgl. insbesondere Opitz/Schultz, Bankarchiv 24 (1925), Sonderbeilage zu Nr. 16. 104 Vgl. Lemaitre, S. 46 ff.; Kiesow, S. 76 f.; Metze, ZHR 90 (1927), 382 ff. 105 Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. 2. 1937, RGBl. I, 171. 106 Vgl. Nr. 46 Abs. 1 AGB Clearstream; Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 286 f.; Hüffer, § 68, Rn. 3. 107 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) vom 18. 1. 2001, BGBl. I, 123; dazu Noack, ZIP 1999, 1993 ff.; Goedecke/Heuser, BB 2001, 369 ff.; Seibert, ZIP 2001, 53 ff.

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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US-amerikanischen Markt.108 Anders als in den USAwird bei sammelverwahrten Namensaktien in Deutschland nicht die Wertpapiersammelbank ins Aktienregister eingetragen. Das von der Clearstream Banking AG betriebene Abwicklungssystem für Namensaktien CASCADE-RS ermöglicht es den Depotbanken, nach der Übertragung der Eigentumsrechte an den verbriefenden Urkunden die persönlichen Daten des Erwerbers über Clearstream an den Führer des Aktienbuchs beim Emittenten weiterzuleiten.109 Sofern der Aktionär nicht selbst eingetragen sein will, kann er jedoch auch seine Depotbank ermächtigen, sich für ihn eintragen zu lassen und treuhänderisch seine Rechte gegenüber der Emittentin auszuüben.110 Zuletzt wurde diese Möglichkeit jedoch durch das Risikobegrenzungsgesetz111 unter den Vorbehalt von Beschränkungen durch die Satzung der Gesellschaft gestellt.112 Eine Vinkulierung der Namensaktien gemäß § 68 Abs. 2 AktG steht ihrer Einbeziehung in die Girosammelverwahrung nicht entgegen, sofern die Namensaktien globalverbrieft sind und auf den Namen von Clearstream Banking Frankfurt lauten.113 Ausländische Namensaktien werden nur dann in die inländische Girosammelverwahrung einbezogen, wenn sie auf den Namen eines aus- oder inländischen Kreditinstituts oder Clearstreams lauten, nicht vinkuliert und darüber hinaus mit einem Blankoindossament versehen sind.114 .

cc) Sammelurkunden Sammel- oder Globalurkunden fanden in Deutschland während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg Verbreitung.115 Wegen der stark steigenden Zahl der zirkulierenden Kapitalmarktpapiere116 und der damit verbundenen Kosten für Druck und Verwahrung ging es der Praxis nicht mehr um die Vermeidung einer Stückebewegung im Zuge einer Verfügung, sondern um eine Reduzierung der Stückemassen an sich.117 Die zunächst unklare Rechtsstellung der Anleger118 wurde im Rahmen der

108 Ausführlich zu weiteren Motiven für die Umstellung auf Namensaktien Merkt, in: v. Rosen/Seifert, S. 87 f.; Kölling, NZG 2000, 635. 109 Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 285. 110 Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 307 ff. 111 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) v. 12. 8. 2008, BGBl. I, 1666. 112 Vgl. § 67 Abs. 1 S. 3 AktG. 113 Vgl. Nr. 48 AGB Clearstream; Heißel/Kienle, WM 1993, 1910; Jütten, Die Bank 1997, 112 f.; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/85 b ff. 114 Nr. 57 Abs. 1 AGB Clearstream. 115 Zur Entwicklung Than, in: FS Heinsius, S. 812 ff.; ders., in: FS Schimansky, S. 828. 116 Vgl. die Daten bei Bruns, S. 86 ff.; Zöllner, in: FS Raiser, S. 252. 117 Vgl. Andreas/Schmidtgall, ZKW 1972, 816 ff.; Blitz, WM 1997, 2211. 118 Dazu Stüdemann, S. 54 ff.; Keßler, ZKW 1964, 830 ff.; Büchner, S. 35 ff.; Pleyer/ Schleiffer, DB 1972, 78.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Depotgesetznovelle von 1972 klargestellt.119 Der dabei eingeführte § 9 a DepotG ordnet die sinngemäße Geltung der Vorschriften über die Sammelverwahrung an. Danach ist eine Sammelurkunde ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten.120 Die erfassten Einzelrechte verlieren dadurch nicht ihre rechtliche Selbstständigkeit und werden auf der Sammelurkunde nach ihren Nennbeträgen bzw. Stückzahl angegeben.121 Die Sammelurkunde kann eine ganze oder auch nur einen Teil einer Emission verbriefen.122 Sowohl Inhaber- als auch Namensaktien können globalverbrieft werden, wobei im letzteren Fall die Wertpapiersammelbank namentlich in der Urkunde aufgeführt wird.123 Grundsätzlich kann der dinglich Berechtigte aber die Auslieferung von Einzelurkunden verlangen. Der Anspruch auf Auslieferung von Einzelurkunden kann jedoch in dem der Emission zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ausgeschlossen werden (§ 9 a Abs. 3 S. 2 DepotG). Eine solche Sammelurkunde, die man auch als Dauerglobalurkunde bezeichnet, ist gezwungenermaßen in Form der Sammelverwahrung zu halten; man spricht deshalb von einem Zwangsgiro.124 Bei den verschiedenen Formen von Schuldverschreibungen kann der Anspruch auf Einzelverbriefung in den Ausgabebedingungen ausgeschlossen werden.125 Für Aktien wurde der Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung lange Zeit für unzulässig gehalten.126 Erst seit der 1994 eingefügte127 und 1998 erweiterte128 § 10 Abs. 5 AktG dies im Rahmen der Satzung der Aktiengesellschaft zulässt, wird die Dauerglobalurkunde für Aktien verstärkt genutzt. Auch bei der Einführung ausländischer, nicht fungibler Werte an inländischen Börsen durch Zweitverbriefung in Inhabersammelzertifikaten werden Dauerglobalurkunden verwendet.129 Aus rechtlicher Sicht können in Deutschland damit für alle dem DepotG unterliegenden Effekten Dauerglobalurkunden eingesetzt werden.130 119 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24. 5. 1972, BGBl. I, 801. 120 Zu verschiedenen effektentechnischen Verwendungsmöglichkeiten von Sammelurkunden vgl. Than, in: FS Heinsius, S. 817 ff.; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 51 ff. 121 Kümpel, in: Hellner/Steuer, 8/88. 122 MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 49. 123 Heißel/Kienle, WM 1993, 1912; Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 289. 124 Heinsius/Horn/Than, § 9 a, Rn. 55; Einsele, WM 2001, 8; Schwennicke, AG 2001, 122. 125 Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 77; Than, in: FS Heinsius, S. 827. 126 Bremer, AG 1972, 365; Than, in: FS Heinsius, S. 825; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 199; a.A. bereits vor der Einführung von § 10 Abs. 5 AktG Canaris, Rn. 2135. 127 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. 8. 1994, BGBl. I, 1961. 128 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. 4. 1998, BGBl. I, 786; zum Ausschluss des Verbriefungsanspruchs im Aktienrecht vgl. Seibert, DB 1999, 267 ff.; MünchKommAktG/Heider, § 10, Rn. 55 ff. 129 Keßler, ZKW 1990, 126; zur Praxis der Zweitverbriefung siehe unten C.II.5.b)bb); vgl. darüber hinaus Nr. 57 Abs. 2 a AGB Clearstream. 130 Micheler, S. 157.

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Das Konzept der Sammelurkunde wurde vielfach als unnötiger und rechtsdogmatisch abzulehnender Umweg zu einem papierfreien Effektenwesen kritisiert.131 Die von Anfang an geführte rechtpolitische Diskussion, ob man an dem Konzept der Sammelverbriefung zumindest bis auf weiteres festhalten solle,132 oder ob auch für private Emittenten ein völlig wertpapierfreies Bucheffektensystem zu bevorzugen sei,133 ist noch nicht abgeschlossen.134 Gleichwohl hat sich das Konzept trotz anfänglichen Zögerns in der Praxis stetig durchgesetzt.135 Da der Gesetzgeber bislang für Emissionen privater Emittenten zumindest an diesem reduzierten Verbriefungserfordernis festgehalten hat und auch keinen Anlass für eine Änderung des derzeitigen Systems sieht,136 werden Neuemissionen mittlerweile fast ausschließlich in Dauerglobalurkunden ausgegeben.137 dd) Unverbriefte Schuldbuchforderungen (Wertrechte) Unter Wertrechten versteht man unverbriefte, sammelverwaltete Rechte, die kraft gesetzlicher Anordnung den sammelverwahrten Wertpapieren gleichgestellt sind.138 Der Begriff entstammt der von Opitz begründeten Wertrechtslehre. Danach soll ein unverbrieftes Anteils- oder Gläubigerrecht, das einem Sammelverwahrinstitut im Sinne des Depotgesetzes treuhänderisch zur Sammelverwahrung anvertraut ist, den verbrieften Rechten desselben Leistungsanspruchs auch ohne gesonderte gesetzliche Grundlage gleichstehen.139 Die Theorie von Wertrechten, die ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung sachenrechtlichen Vorschriften unterliegen sollen, hat sich jedoch in der wissenschaftlichen Literatur nicht durchgesetzt.140 Wertrechte werden als solche nur kraft gesetzlicher Anordnung anerkannt.

131 Kritisch insbesondere Fabricius, AcP 162 (1963), 481 f.; Zöllner, in: FS Raiser, S. 255; Canaris, Rn. 2042. 132 In diesem Sinne Kümpel, WM 1982, 736 ff.; Pleyer, in: FS Werner, S. 648 ff.; Drobnig, in: Kreuzer, S. 40 f.; Keßler, ZKW 1990, 130; Than, in: FS Schimansky, S. 834 ff.; Einsele, WM 2001, 10. 133 Canaris, Rn. 2042; Delorme, ZKW 1980, 610 ff.; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 153 ff.; ders., Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S. 34 ff.; Zahn/Kock, WM 1999, S. 1963 ff.; Habersack/Meyer, WM 2000, 1684. 134 Zur Möglichkeit eines papierfreien Effektensystems vgl. unten C.II.6.b). 135 Zur Entwicklung Keßler, ZKW 1978, 104 f.; ders., ZKW 1990, 126 ff.; Delorme, Die Bank 1981, 433; Than, in: FS Heinsius, S. 812. 136 Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 194. 137 Blitz, WM 1997, 2211; Habersack/Meyer, WM 2000, 1678. 138 Heinsius/Horn/Than, § 42, Rn. 29; Delorme, Die Bank 1981, 435; Kümpel, Rn. 11.251; weiter Canaris, Rn. 2045; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 6, die die Sammelverwaltung nicht als Begriffsmerkmal von Wertrechten ansehen. 139 Opitz, Abhandlungen, S. 430 ff., 583 ff.; ders., DepotG, § 42, Bem. 12. 140 Ablehnend Büchner, S. 174 ff., 194 f.; Fabricius, AcP 162 (1963), 464 f.; Körner, S. 100 ff., 117 f.; Koller, DB 1972, 1906, Fn. 87; Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 79; Schönle, S. 276; Heinsius/Horn/Than, § 42, Rn. 28.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Rechtsgrundlage für die Emission von Wertrechten durch den Bund war seit dem 1. 1. 2002 das Bundeswertpapierverwaltungsgesetz (BWpVerwG).141 Das BWpVerwG stellte die vorher auf verschiedenen, hauptsächlich vorkonstitutionellen Gesetzen und Verordnungen basierende Praxis auf eine zeitgemäße RechtsgrundACHTUNGRElage.142 Grundlegende materielle Änderungen waren dabei nicht beabsichtigt.143 Zum 1. 8. 2006 wurde das BWpVerwG durch das Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) abgelöst,144 wobei die für Wertrechte wesentlichen Vorschriften inhaltsgleich übernommen wurden. Nach § 5 BSchuWG kann der Bund Anleihen und andere Verbindlichkeiten durch Eintragung in das Bundesschuldbuch ohne weitere Verbriefung als Schuldbuchforderung emittieren. Für unverbriefte Anleihen der Länder, die seit der Depotgesetznovelle von 1972 ebenfalls den bundesrechtlichen Vorschriften unterliegen,145 bestehen die nach § 15 BWpVerwG aufgehobenen Regelungen bis Ende 2008 fort, soweit Landesgesetze auf ihre Geltung verweisen (§ 9 Abs. 2 BSchuWG). Das Bundesschuldbuch ist ein öffentliches Register, das von der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH (Deutsche Finanzagentur) mit Sitz in Frankfurt a. M. zentral für das gesamte Bundesgebiet geführt wird. Kern des Konzeptes von Wertrechten im Sinne von unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen ist, dass sie ohne wertpapiermäßige Grundlage durch die gesetzliche Anordnung in § 6 Abs. 2 BSchuWG als Wertpapiersammelbestände gelten und auch als solche behandelt werden. Bei der Emission von Sammelschuldbuchforderungen wird die deutsche Wertpapiersammelbank in das Bundesschuldbuch eingetragen. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 BSchuWG ist die Wertpapiersammelbank aber nicht selbst Berechtigte der Sammelschuldbuchforderung, sondern fungiert lediglich als ermächtigte Treuhänderin für die Anleger.146 Die jeweiligen Anteilsgläubiger einer Emission bilden dabei eine Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB.147 Seit jeher umstritten ist die Frage der dogmatischen Qualifikation von Wertrechten. Nach einer Ansicht sind Wertrechte durch § 6 Abs. 2 S. 1 BSchuWG kraft Fiktion zu einer beweglichen Sache geworden, so dass deswegen fiktives Miteigen-

141

Gesetz zu Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundeswertpapierverwaltungsgesetz – BWpVerwG) vom 11. 12. 2001, BGBl. I, 3519. 142 Ausführlich noch zur alten Rechtslage Mahler, S. 66 ff.; vgl. darüber hinaus zur Entwicklung unverbriefter Effekten in Deutschland Meder/Ernst, S. 17 ff.; Saalfrank, WM 1960, 1142 ff.; Wessely, WM 1969, 1094 ff.; Müncks, ZKW 1971, 944 ff.; Körner, S. 35 ff.; Wanner, Die Bank 1985, 305 ff.; Zahn/Kock, WM 1999, 1957 ff. 143 Vgl. BT-Drucks. 14/7010 S. 15; Than, in: FS Kümpel, S. 546 f. 144 Enthalten in Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldenwesens des Bundes (Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz) vom 12. 07. 2006, BGBl. I, 1466. 145 Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24. 05. 1972, BGBl. I, 801. 146 Vgl. dazu bereits Wessely, WM 1969, 1098 f.; Büchner, S. 164 ff.; Körner, S. 83 ff.; Delorme, S. 19; Zahn/Kock, WM 1999, 1959. 147 Büchner, S. 167.

I. Effekten als Gegenstand der Verwahrung und Übertragung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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tum daran besteht.148 Nach der aus dogmatischen Gründen zu bevorzugenden Gegenansicht bewirkt die Gleichstellung hingegen lediglich eine Rechtsfolgenanordnung, wonach bestimmte Forderungen den sachenrechtlichen Vorschriften unterliegen, ohne deswegen selbst verdinglicht zu sein.149 Die Frage hat keine praktischen Auswirkungen, weil sammelverwaltete Schuldbuchforderungen in ihrer rechtlichen Behandlung keine Besonderheiten gegenüber einzel- oder globalverbrieften sammelverwahrten Wertpapieren aufweisen.150 Schuldverschreibungen des Bundes werden seit 1972 ausschließlich in Form von Schuldbuchforderungen begeben.151 Auch die Europäische Zentralbank kann auf diese Weise unverbriefte Schuldtitel emittieren.152 Die Emission unverbriefter Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte durch private Emittenten ist auf der gegenwärtigen gesetzlichen Grundlage nicht möglich. Es ist für einen Anleger auch möglich, selbst als Inhaber einer Einzelschuldbuchforderung gemäß § 7 BSchuWG in das Bundesschuldbuch eingetragen zu sein.153 Dies ist aber in der Regel kaum interessant, da damit keine Gleichstellung mit einem Wertpapier erreicht wird und die börsenmäßige Lieferbarkeit des Instruments verloren geht.154 Die Einzelschuldbuchforderung wird dementsprechend nach zessionsrechtlichen Grundsätzen übertragen und verpfändet. Die entsprechende Eintragung in das Schuldbuch hat dabei nur deklaratorische Wirkung. Es empfiehlt sich aber, den Rechtsübergang auch im Bundesschuldbuch einzutragen, da das Schuldbuch als öffentliches Register öffentlichen Glauben genießt und infolgedessen den gutgläubigen Erwerb vom Buchinhaber gemäß § 8 BSchuWG schützt.155

148 In diesem Sinne BGHZ 5, 27, 31; Opitz, Abhandlungen, S. 518; ders., DepotG, § 42, Bem. 12B; Meder/Ernst, S. 23; Büchner, S. 197 ff.; Heinsius/Horn/Than, § 42, Rn. 30; Schönle, S. 303; Fabricius, AcP 162 (1963), 470 ff.; Körner, S. 118; ebenso mit Blick auf die insoweit gleichlautende Fassung in § 8 Abs. 2 S. 1 BWpVerwG Kümpel, Rn. 11.263. 149 So etwa Canaris, Rn. 2053; Brink, S. 74; Koller, Gutachten, S. 1494. 150 Einsele, WM 2001, 9. 151 Kümpel, Rn. 11.254. 152 Art 10 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der EZB vom 19. Dezember 1998, BGBl. II, 2995. 153 Dazu Schmidtgal, Bank-Betrieb 1973, 426 ff. 154 Than, in: FS Schimansky, S. 832; Kümpel, Rn. 11.272; vgl. auch § 12 Abs. 2 Bedingungen für Geschäfte an der FWB. 155 Vgl. Meder/Ernst, S. 38 ff.; Heinsius/Horn/Than, § 42, Rn. 4.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1. Einführung Effektengeschäfte zwischen den Handelsteilnehmern einer Börse oder eines außerbörslichen Handelsplatzes werden durch einen institutionalisierten Prozess abgewickelt. Dieser umfasst alle erforderlichen Maßnahmen, um Liefer- und Zahlungsverpflichtungen aus dem Geschäft effizient und sicher zu erfüllen.156 Im Einzelnen fallen darunter die Übermittlung, der Abgleich und die Freigabe der Geschäftsdaten durch die Beteiligten (Confirmation bzw. Matching), die Verrechnung gegenseitiger Verbindlichkeiten und Forderungen (Abrechnung oder Clearing) und die Erfüllung der Geschäfte durch die Lieferung von Wertpapieren und die Zahlung des Geldgegenwerts (Abwicklung oder Settlement). Im weiteren Sinne ist auch die anschließende Verwahrung und Verwaltung der Effekten (Custody) erfasst. Häufig wird der gesamte Prozess zwischen Handelsabschluss und endgültiger Erfüllung der Geschäfte einfach als Clearing und Settlement bezeichnet.157 Da diese Begriffe zwar wesentliche, aber gleichwohl nur einzelne Schritte im Rahmen des Erfüllungsprozesses einer Effektentransaktion betreffen, empfiehlt es sich, den Gesamtprozess der Abwicklung von Wertpapiergeschäften allgemein als Nachhandelsprozess (post-trading process) zu bezeichnen.158 Für das Verständnis der konkreten Ausgestaltung des Nachhandelsprozesses ist es hilfreich, sich zunächst Klarheit über die Beteiligten des Prozesses zu verschaffen. Ebenso muss Klarheit über einige Risiken herrschen, die im Zuge der Abwicklung von Wertpapiergeschäften auftreten und durch die Ausgestaltung des Abwicklungsprozesses beherrscht werden sollen. 2. Beteiligte des Abwicklungsprozesses Die am Abwicklungsprozess beteiligten Institutionen und ihre Funktionen unterscheiden sich nicht nur nach nationalen Begebenheiten in den einzelnen Staaten, sondern auch danach, ob es sich um eine nationale oder um eine grenzüberschreitende Transaktion handelt. a) Emittenten und Investoren als Nutzer der Kapitalmärkte Nutzer der Kapitalmärkte sind Wertpapieremittenten und Investoren. Emittenten nehmen Kapital auf, indem sie Effekten auf den Primärmärkten emittieren, und schaffen dadurch die Grundlage für den Handel auf den börslichen oder außerbörslichen Sekundärmärkten. Bei der Emission werden die Effekten im Normalfall unmittelbar 156 157 158

S. 2.

Giovannini Group, 2001 Report, S. 4; Jaskulla, ZEuS 2004, 503. Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 496. Vgl. Europäische Kommission, Competition in EU securities trading and post trading,

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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bei einer Wertpapiersammelbank in Sammelverwahrung gegeben. Die Ersterwerber der Effekten können damit von Anfang an nur eine Berechtigung am jeweiligen Sammelbestand erwerben. An Sekundärmarkttransaktionen und ihrer Abwicklung sind die Emittenten grundsätzlich nur insoweit beteiligt, als dass sich die Verfügungsvorgänge auf die von ihnen emittierten Werte beziehen. Emittenten werden deshalb als mittelbare Teilnehmer der Sekundärmärkte bezeichnet.159 In den Übertragungsvorgang sind Emittenten lediglich dann involviert, wenn dazu, wie beispielsweise bei Namensaktie die Umschreibung eines von ihnen geführten Registers notwendig ist. Sie sind darüber hinaus Adressaten aller Maßnahmen der Wertpapierverwaltung, die den Anlegern durch zwischengeschaltete Intermediäre vermittelt werden. Als Anleger treten individuelle (private) und institutionelle Investoren auf. Zu den institutionellen Investoren zählen unter anderem Kapitalanlagegesellschaften, Pensionsfonds, Banken, Versicherungsgesellschaften, Industrieunternehmen oder auch die öffentliche Hand.160 Auf sie entfällt der größte Anteil der Kapitalmarkttransaktionen. Obgleich wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Motivation zum Handel und der Höhe der Transaktionen zwischen beiden Anlegergruppen bestehen, unterscheidet sich die Abwicklung der Geschäfte kaum. Beide Gruppen können häufig nicht direkt an allen Kapitalmarktprozessen teilnehmen, sondern bedürfen dafür bestimmter Institutionen als Vermittler. Dies gilt zunächst für die Frage des Marktzugangs, der sowohl bei börslichen als auch bei außerbörslichen Märkten und sonstigen alternativen Handelssystemen auf bestimmte Teilnehmergruppen beschränkt sein kann. Die Investoren benötigen deswegen die Dienste eines Marktintermediärs, die typischerweise von Kreditinstituten angeboten werden.161 Darüber hinaus können Investoren in der Regel nicht selbst Teilnehmer eines Clearingsystems und Inhaber eines Wertpapierdepots bei einer Wertpapiersammelbank sein. Sie sind damit auch zur Abwicklung von Wertpapierhandelsgeschäften auf die Dienste von Intermediären angewiesen. Typischerweise setzen die Anleger die Intermediäre, die die Ausführung der Handelsgeschäfte übernehmen, auch zur Verwahrung und Verwaltung der Werte ein.162 b) Clearinghäuser Ein Clearinghaus ist eine Organisation, die als Verrechnungsstelle die offenen Positionen der einzelnen Handelsteilnehmer auf Brutto- oder Nettobasis ermittelt und gegebenenfalls auch als zentrale Gegenpartei zwischen die Parteien des Handelsgeschäfts tritt. Clearinghäuser sind nicht an der Verwahrung und Verwaltung von Effekten beteiligt, sondern lediglich am vorgelagerten Abwicklungsprozess. Ihre Funktion als zentrale Gegenpartei ist ursprünglich als Instrument zur Risikosteuerung bei Termingeschäften entstanden, hat aber in den letzten Jahren auch im Rahmen der Ab159 160 161 162

Lenenbach, Rn. 2.58; Kümpel, Rn. 8.248 ff. Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 25 f. de Carvalho, S. 12; Lenenbach, Rn. 2.60. Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 25.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

wicklung von Effektenhandelsgeschäften eine gesteigerte Bedeutung erlangt. Die einzelnen Funktionen von Clearinghäusern werden im Rahmen der Beschreibung des Ablaufs des Nachhandelsprozesses beschrieben. In Deutschland fungiert die Eurex Clearing AG als Clearinghaus und zentrale Gegenpartei für den Terminmarkt und den Kassamarkt der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB). Sie ist eine Tochtergesellschaft der Eurex Frankfurt AG, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft der Eurex Zürich AG ist. Letztere gehört je zur Hälfte zur Deutschen Börse AG und zur Schweizer Börsenbetreiberin SXW Swiss Exchange AG.163 In Deutschland wurde erstmals mit der Gründung der Deutschen Terminbörse (DTB) im Jahr 1990 ein Clearinghaus als zentrale Gegenpartei zur Besicherung und Abrechnung von Finanztermingeschäften eingeführt. Die DTB und ihr Clearinghaus wurde 1994 mit der Deutscher Kassenverein AG und der Auslandskassenverein AG unter dem Dach der Gruppe Deutsche Börse zusammengefasst. Aus der Fusion der DTB mit der zur SWX Swiss AG gehörenden Terminbörse SOFFEX164 ging 1998 die Eurex Gruppe hervor. Die Funktion der Eurex Clearing AG wurde in der Folgezeit auf die Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften ausgedehnt. Seit 2002 agiert sie als Clearinghaus und zentrale Gegenpartei für Handelsabschlüsse über Xetra und den Parketthandel der FWB.165 Die Geschäftsführung der FWB bestimmt die Wertpapiere, die von der zentralen Gegenpartei abgerechnet werden.166 Dies sind derzeit alle deutschen und ausländischen Aktien, die in die Girosammelverwahrung einbezogen sind. Mit Ausnahme der Xetra-Geschäfte an der Düsseldorfer Börse bedienen sich die übrigen deutschen Regionalbörsen keiner zentralen Gegenpartei.167 In Europa bestehen an vielen, jedoch nicht an allen Wertpapiermärkten kleinere, vorwiegend nationale Clearingorganisationen, die auch als zentrale Gegenpartei agieren.168 In den vergangenen Jahren war jedoch ein starker Trend zur Konsolidierung im Bereich von Clearingdienstleistungen zu beobachten.169 Neben der Eurex Clearing AG hat sich dabei unter anderem LCH.Clearnet als weitere transnationale Clearingorganisationen herausgebildet. Sie ist 2003 aus dem britischen London ACHTUNGREClearing House (LCH) und dem 2001 entstandenen französisch-belgisch-niederländischem Clearinghaus Clearnet SA hervorgegangen. Sie wird anteilig von den Börsenbetreibern, Clearingmitgliedern und Euroclear gehalten.170 LCH.Clearnet fungiert als Clearinghaus unter anderem für die europäischen Börsenplätze der Börsen163 Ein Überblick über die Unternehmensstruktur der Eurex ist abrufbar unter www.eurexchange.com. 164 Swiss Options and Financial Futures Exchange. 165 Zur Gesamtentwicklung vgl. auch Beck, in: FS Horn, S. 669 f. 166 § 14 Abs. 3 BörsO FWB. 167 Assmann/Schütze/Franke, § 2, Rn. 140. 168 Vgl. den Überblick bei London Economics, S. 29; zu den letzten Entwicklungen vgl. CESAME, CESAME Report, S. 78. 169 Vgl. Schmiedel/Schönenberger, S. 15. 170 London Economics, S. 31.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gruppe NYSE Euronext (Paris, Brüssel, Amsterdam, Lissabon), die London Stock ExACHTUNGREchange (LSE), die internationale Handelsplattform Virt-X der Schweizer Börse sowie die elektronische Handelsplattform für Staatsanleihen MTS.171 Außerhalb Europas ist insbesondere auf die amerikanische Depository Trust and Clearing Corporation (DTCC) hinzuweisen. Sie ist 1999 aus dem Zusammenschluss des Zentralverwahrers The Depository Trust Company (DTC) und des Clearinghauses National Securities Clearing Corporation (NSCC) hervorgegangen und fungiert als zentrale Gegenpartei an allen bedeutenden US-amerikanischen Börsenplätzen. Auf die große Zahl weiterer Clearinghäuser außerhalb Europas kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.172 c) Wertpapiersammelbanken Wertpapiersammelbanken oder Zentralverwahrer (Central Securities Depository, CSD) sind das Herzstück der intermediären Wertpapierverwahrung. Sie haben eine doppelte Funktion: Zum einen agieren sie als Endverwahrer der eingelagerten Urkunden (custody). Sofern Effekten in unverbriefter Form emittiert werden, sind Wertpapiersammelbanken zumeist als Nominee in die jeweiligen Register eingetragen. Auch bei Namensaktien sind mitunter Wertpapiersammelbanken als Nominee in das entsprechende Register des Emittenten eingetragen. Eng verknüpft mit der Verwahrung ist die Verwaltung der Effekten durch Wertpapiersammelbanken. Dies umfasst die Abwicklung von Zins- und Dividendenzahlungen, Tilgungen von Anleihen oder Kapitalveränderungen.173 Zum anderen ermöglichen Wertpapiersammelbanken durch Buchungen auf den von ihnen geführten Wertpapierkonten die stückelose Übertragung von Wertpapieren (settlement).174 Obwohl die Funktionen der Verwahrung und der Abwicklung von Wertpapiergeschäften auch von unterschiedlichen Akteuren ausgeführt werden können,175 stellen die Wertpapiersammelbanken zumeist die jeweiligen nationalen Wertpapierabwicklungssysteme (security settlement systems) zur Verfügung. Zwar können Effekten auch übertragen werden, indem ein nachgeordneter Intermediär Werte vom Depotkonto eines Kunden auf das eines anderen Kunden umbucht. Dies wird als Internalisierung (internalisation) bezeichnet.176 Der Erwerber erlangt in diesem Fall jedoch grundsätzlich nur dann ein Recht an den Effekten, wenn der umbuchende Intermediär selbst Werte in entsprechendem Umfang auf seinem Depotkonto bei der Wertpapiersammelbank hält.177 Wertpapiersammelbanken unterstützen die Abwicklung von Wertpapiergeschäften mitunter durch zusätzliche 171 172 173 174 175 176 177

London Economics, S. 31 f.; vgl. weiterführend unter www.lchclearnet.com. Vgl. aber den Überblick über ausländische Clearinghäuser bei Ripatti, S. 59 ff. Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 497; Kröpfl, S. 29; vgl. Nr. 30 ff. AGB Clearstream. London Economics, S. 8 f.; Beck, in: FS Horn, S. 673; ESCB/CESR, Standards, Rn. 73. So zum Beispiel in den USA bis zur Fusion der DTC mit der NSCC im Jahre 1999. Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 23. London Economics, S. 9.

66 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Dienstleistungen, wie die Möglichkeit der Wertpapierleihe und der Gewährung von Krediten. Sie können in dieser Funktion selbst Kredit- und Liquiditätsrisiken ausgesetzt sein. Wertpapiersammelbanken sind meist privatrechtlich organisierte Unternehmen, die der Aufsicht und Überwachung von Aufsichtsbehörden und den Zentralbanken unterliegen.178 Als weltweit erste Institution dieser Art gilt der Wiener Giro- und Kassenverein, der 1872 gegründet wurde. In Deutschland hat der Berliner Kassenverein im Jahre 1882 eine ähnliche Funktion übernommen. In den USA kam es erst nach dem so genannten paperwork crunch in den späten 60er Jahren zur Errichtung der heute weltweit größten nationalen Wertpapiersammelbank The Depository Trust Company (DTC). Beschleunigt durch Empfehlungen von Expertengruppen179 haben sich zentrale Wertpapiersammelbanken schließlich in den 90er Jahren in fast allen Staaten durchgesetzt.180 In Deutschland agiert die Clearstream Banking AG derzeit als einzige nationale Wertpapiersammelbank. Sie gehört ebenfalls zur Deutschen Börse AG. Sie entstand aus sieben regionalen Wertpapiersammelbanken, die bis Ende 1989 an den inländischen Börsenplätzen mit Ausnahme Bremens tätig waren.181 Diese Institute, die sich aus historischen Gründen meist Kassenvereine nannten, wurden Anfang 1990 zur Frankfurter Kassenverein AG verschmolzen.182 Unter dem Dach der Deutschen Börse AG firmierte sie später als Deutscher Kassenverein AG. Auch die Deutsche Auslandskassenverein AG, die bis dahin den Treuhand-Giroverkehr für auslandsverwahrte Werte durchführte und als Treuhänder bei der Zulassung ausländischer Wertpapiere auf die inländischen Märkte fungierte,183 wurde 1996 mit der neuen Wertpapiersammelbank vereinigt. Das neue Unternehmen nannte sich ab 1997 Deutsche Börse Clearing AG (DBC AG). Im Jahr 2000 fusionierte DBC AG mit dem luxemburgischen internationalen Zentralverwahrer Cedel International SA zu dem paritätischen Gemeinschaftsunternehmen Clearstream International SA. Als deutsche Wertpapiersammelbank entstand dabei die Clearstream Banking AG. Sie unterliegt als Kreditinstitut (§ 1 Abs. S. 1 Nr. 5 KWG) der allgemeinen Bankenaufsicht sowie der speziellen Depotprüfung (§ 29 Abs. 2 S. 2 DepotG). Die Deutsche Börse AG übernahm die Clearstream Gruppe im Juli 2002 vollständig und kontrolliert damit sowohl den internationalen Zentralverwahrer Clearstream Banking SA (Luxemburg) als auch die beiden nationalen Wertpapiersammelbanken LuxClear und Clearstream Banking AG.184 178

de Carvalho, S. 14. Insbesondere Group of Thirty, 1989 Report. 180 Guynn, S. 21, 24; Benjamin, JIBFL 2003, 128; Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 7. 181 Than, in: Obst/Hintner, S. 847. 182 Vgl. dazu Jeck, Die Bank 1990, 437 ff.; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/48b. 183 Ausführlich Heinsius, ZKW 1971, 21 ff. 184 Zu Entwicklung und gegenwärtigem Stand vgl. London Economics, S. 35; Beck, in: FS Horn, S. 670. 179

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

67

Durch fortlaufende nationale Fusionen und Übernahmen hat sich auch in den meisten anderen Staaten jeweils eine einzige nationale Wertpapiersammelbank herausgebildet.185 Diese nationalen Verwahr- und Abwicklungssysteme sind überwiegend selbstständig und voneinander unabhängig.186 Eine Ausnahme dazu bildet neben der soeben angesprochenen Clearstream Gruppe die Euroclear Gruppe. Unter ihrem Dach befinden sich unter anderem die nationalen Wertpapiersammelbanken Frankreichs (Euroclear France SA), der Niederlande (Euroclear Nederlands), Belgiens (Euroclear Belgium), sowie die Wertpapiersammelbank Euroclear UK & Ireland Ltd. Darüber hinaus gehört auch der internationale Zentralverwahrer EuroACHTUNGREclear Bank SA/NV zu dieser Unternehmensgruppe.187 d) Zwischenverwahrende Depotbanken Wertpapiersammelbanken stellen im modernen Wertpapierverkehr das notwendige Bindeglied zwischen Anlegern und Emittenten dar. Jedoch ist der Zugang zu den Dienstleistungen einer Wertpapiersammelbank zumeist auf eine beschränkte Zahl von Institutionen beschränkt, die einer ausreichenden Kontrolle unterliegen, eine hinreichende Kapitalausstattung haben und die technischen Zugangsvoraussetzungen erfüllen.188 In Deutschland können beispielsweise nur Kreditinstitute ein Depotkonto bei Clearstream eröffnen, die der gesetzlichen Depotprüfung nach § 29 KWG oder einer entsprechenden Prüfung nach dem Recht ihres Herkunftsstaates unterliegen und zur Teilnahme am Geldverrechnungsverkehr ein Konto bei der Deutschen Bundesbank unterhalten.189 Es bedarf deshalb weiterer Intermediäre, die den Anlegern den Zugang zu Wertpapiersammelbanken und den von ihnen betriebenen Abwicklungssystemen vermitteln. Diese Verbindung schaffen zwischenverwahrende Depotbanken (subcustodians). Die Funktion wird von Banken und Wertpapierhändlern wahrgenommen.190 Im Rahmen der Wertpapierverwahrung unterhalten sie Depotkonten bei der jeweiligen Wertpapiersammelbank, auf denen die Werte ihrer Kunden sowie gegebenenfalls auch Eigenwerte verbucht sind. Die Depotbanken führen wiederum Konten für ihre Kunden. Inhaber dieser Konten sind entweder Investoren oder weitere Kreditinstitute, die die Werte selbst auf Konten ihrer Kunden weiterverbuchen. Ausländische Depotbanken können auf diesem Weg lokale Beratung und Zugang zum nationalen Verwahr- und Abwicklungssystem erlangen.191

185

Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 22. Überblick bei London Economics, S. 33 f. 187 Ein Überblick über die Unternehmensstruktur der Euroclear Gruppe ist abrufbar unter www.euroclear.com. 188 Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 10. 189 Nr. 3 f. AGB Clearstream. 190 Eine Auflistung der bedeutendsten Depotbanken in und außerhalb der EU liefern Chan/ Fontan/Rosati/Russo, S. 44 ff. 191 Schmiedel/Schönenberger, S. 15. 186

68 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Die zentrale Funktion von Zwischenverwahrern ist damit das buchungsmäßige Verwahren von Effektenbeständen bei einer Wertpapiersammelbank für ihre Kunden. In dieser Tätigkeit unterliegen sie in der Regel der Regulierung und Überwachung durch staatliche Aufsichtsbehörden.192 Teil des Verwahrungsgeschäfts (custody) ist auch die Verwaltung der verbuchten Effekten, wie beispielsweise der Einzug und die Weiterleitung von Dividenden, Zinsen oder sonstigen Erträgen, die Ausübung von Stimmrechten im Namen der Anleger oder die Durchführung von Kapitalmaßnahmen.193 Banken, die Verwahrungs- und Verwaltungsfunktionen übernehmen, sind zumeist gleichzeitig im Effektengeschäft selbst tätig, d. h. sie übernehmen auch Funktionen der Anlageberatung, der Ausführung von börslichen und außerbörslichen Handelsgeschäften und der Abrechnung und Abwicklung dieser Geschäfte. Wie dargelegt, können in der Verwahrkette zwischen der Wertpapiersammelbank und dem Anleger mehrere Depotbanken zwischengeschaltet sein. Aus Sicht des Anlegers spielt die Depotbank, bei der er selbst sein Depotkonto führt, eine besondere Rolle. In aller Regel ergibt sich allein aus den Daten dieses Intermediärs der genaue Umfang der Berechtigung eines Anlegers.194 Gerade die Buchungen dieses Intermediärs haben deswegen aus rechtlicher und insbesondere aus international-privatrechtlicher Sicht immer mehr Bedeutung erlangt. Der Intermediär, bei dem ein Anleger sein Depotkonto führt, wird zumeist als unmittelbarer oder maßgeblicher Intermediär (immediate intermediary) bezeichnet. Im Hinblick auf grenzüberschreitende Transaktionen nehmen international tätige Zwischenverwahrer, die als Global Custodians bezeichnet werden, eine besondere Stellung ein. Sie reagieren auf das Bedürfnis international aktiver Investoren, Zugang zu einer Vielzahl von nationalen Verwahr- und Abwicklungssystemen zu haben. Diese Institute unterhalten über eigene Zweigstellen, Tochtergesellschaften oder lokale Zwischenverwahrer (subcustodians) Verbindungen zu einer Vielzahl von nationalen Abwicklungssystemen. Sie sind damit in der Lage, ihren Kunden über eine einzige Kontoverbindung Zugang zu diesen Abwicklungssystemen zu verschaffen.195 Bei Global Custodians handelt es sich in der Regel um weltweit tätige Banken, die ihre Dienstleistungen vor allem für institutionelle Investoren anbieten und für diese eine große Bandbreite an Finanzinstrumenten halten.196

e) Internationale Zentralverwahrer Eine besondere Stellung nehmen zwei internationale Zentralverwahrer (International Central Securities Depository, ICSD) ein. Namentlich sind dies Clearstream Banking Luxembourg SA und die Euroclear Bank SA/NV in Brüssel. Bei beiden han192 193 194 195 196

Vgl. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 30 f. Kübler, Die Bank 2007, 42 ff.; de Carvalho, S. 13; Beck, in: FS Horn, S. 673. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 30. Deutsche Bank Research, S. 4; de Carvalho, S. 13; Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 13. Schmiedel/Schönenberger, S. 16.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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delt es sich um privatwirtschaftliche Organisationen, die Ende der 60er Jahre von Banken zur internationalen Abwicklung von Geschäften in Eurobonds eingerichtet wurden. Ihre Organisationsform hat sich seither mehrmals geändert.197 Eurobonds sind Anleihen, die von internationalen Emissionskonsortien begeben und in mehreren Ländern gleichzeitig zum Verkauf angeboten werden. Sie lauten in der Regel auf bedeutende Währungen und werden vor allem zwischen institutionellen Investoren auf außerbörslichen Märkten gehandelt.198 Da sie in mehreren Staaten gleichzeitig emittiert werden, können Eurobonds nicht einer nationalen Wertpapiersammelbank und einem nationalen Abwicklungssystem zugeordnet werden. Mangels geeigneter Strukturen für die grenzüberschreitende Abwicklung zwischen den einzelnen nationalen Abwicklungssystemen übernahmen internationale Zentralverwahrer einige Funktionen nationaler Wertpapiersammelbanken. Sie ermöglichen die Übertragung dieser Effekten durch entsprechende Buchungen auf den bei ihnen geführten Depotkonten, gleichen Kreditrisiken aus und operieren in verschiedenen Währungen.199 Sie verwahren die Effekten allerdings nicht selbst, sondern lassen sie bei nationalen Wertpapiersammelbanken verwahren.200 Zu ihrem Kundenkreis gehören nicht nur Kreditinstitute, sondern auch institutionelle Investoren.201 Internationale Zentralverwahrer haben zunehmend auch Funktionen als zwischenverwahrende Depotbanken für andere Werte als Eurobonds übernommen. Sie wickeln auch Geschäfte in europäischen Staatsanleihen und anderen nationalen Effekten ab und übernehmen deren laufende Verwaltung. Sie treten dabei in direkte Konkurrenz zu Global Custodians.202 3. Risiken bei der Abwicklung Bevor die praktischen Abläufe des Nachhandelsprozesses bei nationalen und grenzüberschreitenden Transaktionen erläutert werden, ist es notwendig, sich die Risiken zu vergegenwärtigen, mit denen sich die Beteiligten auseinanderzusetzen haben. Naturgemäß entstehen beim Abschluss eines Geschäftes bestimmte Erfüllungsrisiken, wenn sich die Handelspartner nicht sicher sein können, ob ihr Gegenüber die eingegangene Verpflichtung auch erfüllen kann. Diese Risiken sind bei Effektenhandelsgeschäften besonders groß. Die Gründe dafür liegen im Umfang der Geschäfte, im anonymisierten Geschäftsabschluss und in der Abwicklung in einem regelmäßig mehrtägigen Prozess. Hinzu kommen zusätzliche Risiken, die gerade aus der massenhaften elektronischen Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften re197 198 199 200 201 202

S. 10.

Eingehend BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 16. Zur Entwicklung von Eurobonds Norman, S. 18 f.; Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 9. Beck, in: FS Horn, S. 674. Verhagen, EBLR 11 (2000), 112. Kröpfl, S. 30. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 10; Norman, S. 16; London Economics,

70 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

sultieren. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen sind die Parteien generell mit denselben Risiken konfrontiert, die dann jedoch schwerer kalkulierbar sein können. Dies folgt daraus, dass bei grenzüberschreitenden Transaktionen eine größere Zahl von Intermediären und Abwicklungssystemen beteiligt sind, die auch nach verschiedenen Rechtsordnungen und Marktpraktiken agieren und die Abläufe dadurch komplexer machen.203 Das Verfahren des Vertragsschlusses auf einem börslichen oder ACHTUNGREaußerbörslichen Markt und die Abläufe des Nachhandelsprozesses müssen deshalb ACHTUNGREdarauf gerichtet sein, auftretende Risiken zu kontrollieren und wenn möglich zu reduzieren. Die folgende Benennung der Geschäfts- und Abwicklungsrisiken dient deswegen dem Verständnis für die einzelnen Schritte des Nachhandelsprozesses. a) Gegenparteirisiken In einem anonymisierten Markt besteht insbesondere für die unmittelbaren Handelsteilnehmer das Problem, dass sie keinen Einfluss auf die Auswahl der Gegenpartei haben. Sie haben auch keine Möglichkeit, Risiken im Zusammenhang mit ihrer Gegenpartei abzuschätzen. Beispielsweise kann bei Geschäftsabschluss das konkrete Risiko der Erfüllungsunfähigkeit des Kontrahenten aufgrund dessen Insolvenz bis zum Tag der Geschäftsabwicklung nicht beurteilt werden. Umso wichtiger ist es, bestimmte Gegenparteirisiken im Rahmen des Nachhandelsprozesses zu minimieren. Aufgrund der automatisierten und institutionalisierten Prozessabläufe haben die Parteien jedoch auch in diesem Stadium kaum eigene Einflussmöglichkeiten. Deshalb müssen die Mechanismen des Abwicklungsprozesses selbst in einer Art und Weise gestaltet sein, die Gegenparteirisiken so weit wie möglich reduziert. Dabei sind folgende Aspekte von Gegenparteirisiken zu berücksichtigen: aa) Ausfallrisiko Unter dem Ausfall- oder Kreditrisiko (credit risk) versteht man die Gefahr, dass eine Partei nach Vertragsschluss dauerhaft nicht in der Lage oder willens ist, die eingegangene Verpflichtung zu erfüllen.204 Die dauerhafte Leistungsunfähigkeit ist in der Regel Folge der Insolvenz einer Partei. Betroffene des Ausfallrisikos sind zum einen die Kontrahenten der Effektengeschäfte, die die ausgefallene Partei abgeschlossen hat. Darüber hinaus können auch Clearing- und Settlementsysteme und sonstige Intermediäre betroffen sein, wenn sie einem insolventen Mitglied Kredit gewährt haben. Je nach Stadium des Abwicklungsprozesses können Ausfallrisiken unterschiedliche Gestalt annehmen.

203 204

Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 16. BIS, Angell-Report, S. 9; Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 16.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(1) Marktrisiko Die Leistungsunfähigkeit kann zu einem Zeitpunkt erkennbar werden, zu dem noch nicht mit dem Erfüllungsprozess begonnen wurde und damit noch keine Partei in Vorleistung gegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt besteht keine Gefahr, trotz eigener Leistung die Gegenleistung nicht zu erhalten. Für den Kontrahenten der nicht leistenden Partei besteht aber das Risiko, Gewinne aus dem Geschäft nicht realisieren zu können. Muss diese Partei wegen der Nichtleistung ein Ersatzgeschäft abschließen, trägt sie auch das Risiko einer zwischenzeitlich eingetretenen nachteiligen Marktentwicklung. Dieses Risiko wird als Markt-205 oder Wiederbeschaffungsrisiko206 bezeichnet (pre-settlement risk, replacement-cost risk). Es besteht zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Erfüllung. Der Umfang korrespondiert damit direkt mit der vereinbarten Erfüllungsfrist.207 Bei fallenden Marktpreisen wirkt sich dieses Risiko negativ auf die Kalkulation des Verkäufers aus, bei steigenden Preisen auf die des Käufers. Der Grund für den Ausfall der Leistung der Gegenpartei liegt zumeist in deren Insolvenz. Ursächlich können aber auch fehlende Sanktionsmechanismen gegenüber einer leistungsunwilligen Partei oder technische Defekte im Abwicklungssystem sein. Neben dem Abwicklungszeitraum hängt die Größe des Marktrisikos von der Bonität der Gegenpartei und der Volatilität des Wertpapierpreises ab.208 Bei grenzüberschreitenden Transaktionen kommt zum Risiko einer Marktpreisänderung der Effekten das Risiko von Währungsschwankungen hinzu.209 Das Marktrisiko kann handelsseitig durch Anforderungen an die Kapitalausstattung der Markteilnehmer reduziert werden. Daneben bestehen abwicklungsspezifische Instrumente zur Risikominimierung, wie beispielsweise die Verkürzung der Abwicklungszeiträume, die Implementierung bindender Nettingsysteme und der Einsatz zentraler Gegenparteien.210 (2) Erfüllungsrisiko Geht eine Partei in Vorleistung, so ist sie dem Risiko der Nichtleistung ihrer Gegenpartei ausgesetzt. Für den Verkäufer besteht die Gefahr, Effekten zu liefern, ohne die entsprechende Zahlung zu erhalten; umgekehrt besteht für den Käufer die Gefahr, den Kaufpreis zu bezahlen, ohne die Effekten geliefert zu bekommen. Das Risiko des wirtschaftlichen Verlustes des gesamten Wertes der Vorleistung bezeichnet man als Erfüllungsrisiko (settlement risk, principal risk).211 Die Höhe hängt von der Bonität der Gegenpartei, dem Gegenwert der Transaktion und der Zeitspanne zwischen Vor205 206 207 208 209 210 211

Thomas, S. 13. Kröpfl, S. 107 f. Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1440. BIS, DVP, S. 13; Kröpfl, S. 109 ff.; Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. (2000), 628. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 3; Thomas, S. 15. Benjamin, JIBFL 2003, 129. BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 39; Benjamin, JIBFL 2003, 129.

72 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

und Gegenleistung ab.212 Das Risiko hat sich beim Zusammenbruch des Bankhauses Herstatt im Jahre 1974 realisiert. Hier hatten zum Zeitpunkt der Schließung des Bankhauses einige Handelspartner von Herstatt aufgrund der Zeitverschiebung Devisengeschäfte bereits erfüllt, ohne die Gegenleistung erlangt zu haben. Bezogen auf Devisengeschäfte wird dieser Risikotyp deshalb als Herstatt-Risiko bezeichnet.213 Bei einer unmittelbaren und physischen Geschäftsabwicklung können die Parteien eine Leistung Zug-um-Zug oder eine Sicherheitsleistung vor der eigenen Vorleistung verlangen. Bei Effektenhandelsgeschäften haben die Parteien aufgrund des weitgehend automatisierten Erfüllungsprozesses aber kaum Möglichkeiten, den Zeitpunkt oder die Umstände ihrer Leistung im Rechtssinne zu steuern. Die nationalen Abwicklungssysteme gewährleisten deshalb durch ihre tatsächliche und rechtliche Ausgestaltung zumeist selbst eine Erfüllung Zug-um-Zug (delivery versus payment oder DVP).214 Ein weiteres Instrument zur Steuerung des Erfüllungsrisikos sind zentrale Gegenparteien. Diese können das Risiko des Ausfalls eines Systemteilnehmers zwar nicht ausschalten, ermöglichen aber durch ein besonderes Risikomanagement die Kontrolle und Standardisierung dieses Risikos. bb) Liquiditätsrisiko Neben den Ausfallrisiken besteht die Gefahr, dass der Schuldner die geschuldete Leistung zwar erbringt, jedoch zu einem späteren als dem vereinbarten Abwicklungszeitpunkt. Der Käufer, der die geschuldeten Effekten nicht rechtzeitig erhält, läuft Gefahr, seine eigenen Verpflichtungen aus Folgegeschäften nicht rechtzeitig erfüllen zu können. Er kann gezwungen sein, die Effekten anderswo für den Verzugszeitraum zu leihen. Entsprechend besteht für den Wertpapierverkäufer das Risiko, den geschuldeten Geldbetrag nicht rechtzeitig zu erhalten. In beiden Fällen benötigen die Betroffenen ausreichend Liquidität, um den Verzugszeitraum zu überbrücken und nicht selbst in Verzug zu geraten. Dies verursacht Kosten für den jeweiligen Marktteilnehmer.215 Die aus der verspäteten Leistung des Kontrahenten resultierende Gefahr wird deshalb als Liquiditätsrisiko bezeichnet (liquidity risk).216 Der Begriff ist zu unterscheiden vom Marktliquiditätsrisiko, also dem Risiko, dass bestimmte Werte nur mit Abschlägen am Markt veräußert werden können.217 Bei Marktturbulenzen können bereits kleinere Verzögerungen Liquiditätsengpässe für das gesamte Abwicklungssystem hervorrufen, weil die Beteiligten nicht in der Lage sind, Verzögerungen aufzufangen. Solche Systemrisiken entstehen auch dann, wenn die Verzögerung eines Teilnehmers das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Zuverlässigkeit der Vertrags212 213 214 215 216 217

Kröpfl, S. 99 f. BIS, DVP, S. 13; Binder, S. 332 f. Vgl. Group of Thirty, A Plan of Action, Recommendation 11; Wendt, S. 4. BIS, DVP, S. 14. Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 16. In diesem Sinne Benjamin, JIBFL 2003, 129.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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partner generell gefährdet und sie veranlasst, eigene Verpflichtungen zurückzuhalten und keine weiteren Geschäfte abzuschließen.218 Ein wichtiges Instrument zur Steuerung des Liquiditätsrisikos liegt in der Wertpapierleihe. Sie ermöglicht dem von der Leistungsverzögerung betroffenen Gläubiger, sich die betreffenden Effekten kurzeitig zu beschaffen und so eine eigene Leistungsverzögerung zu vermeiden.219 b) Verwahrungs- und Verwaltungsrisiko Nach dem Abschluss des Abwicklungsprozesses sind Investoren Risiken im Rahmen der fortlaufenden Verwahrung und Verwaltung der Effekten ausgesetzt (custody oder intermediary risk). Zwar dient die intermediäre Wertpapierverwahrung gerade der Reduzierung dieser Risiken, indem sie die sichere Verwahrung der Werte, ihre schnelle und kostengünstige Übertragung sowie eine professionelle Verwaltung ermöglicht. Damit gehen aber neue Risiken einher. Zum einen besteht die Gefahr einer Pflichtverletzung der Wertpapiersammelbank oder eines zwischengeschalteten Intermediärs bei der Verwaltung der Effekten. So kann ein Intermediär bestimmte Informationen nicht oder nicht zeitgerecht weiterleiten, Erträge nicht einziehen oder die zwischenverwahrten Werte unberechtigt veräußern. Entscheidend für dieses Risiko ist vor allem, wie das anwendbare Recht die Pflichten der Intermediäre ausgestaltet und wie die Einhaltung der Pflichten überwacht wird. Von zentraler Bedeutung ist daneben das Risiko, dass andere Gläubiger eines Zwischenverwahrers bei dessen Insolvenz oder im Rahmen der Zwangsvollstreckung auf die zwischenverwahrten Effekten zugreifen.220 Ausfälle von Banken, Brokern oder sonstigen Intermediären sind keine Seltenheit. Für den Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsschutz des Anlegers kommt es neben dem anzuwendenden Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungsrecht in erster Linie auf die Ausgestaltung Berechtigung durch das materielle Depotrecht an. Werden die verbuchten Werte effektiv im Ausland verwahrt, ist die Beurteilung des Risikos schwerer kalkulierbar, weil dann mehr Intermediäre in die Verwahrkette eingebunden sind und die einzelnen Rechtsordnungen unterschiedliche Wege zu Gewährleistung des Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsschutzes vorsehen.221 Mit dem steigenden Anteil ausländischer Werte in inländischen Wertpapierportfolios steigt damit auch das Interesse der Berechtigten an der Ausgestaltung des ausländischen Depotrechts.

218

BIS, DVP, S. 13 f.; BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 40. Vgl. ESCB/CESR, Standards, Rn. 63. 220 Goode, in: Oditah, S. 117 f.; Schwarcz/Benjamin, 12 Duke J. Comp. & Int L. 309 (2002). 221 Schwarcz, 50 Duke L.J. 1554 (2001); BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 20; Kröpfl, S. 103 f. 219

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

c) Risiken bei der Zahlungsabwicklung Neben den Gegenparteirisiken sind bei der Abwicklung von Effektengeschäften auch Risiken im Zusammenhang mit dem Zahlungsvorgang relevant. Die Zahlungen werden in der Regel von Kreditinstituten durchgeführt, die Geldkonten für die Beteiligten führen. Zahlungsempfänger tragen damit das Risiko des Ausfalls eines Kreditinstituts. Die Stabilität dieser Kreditinstitute ist deshalb von besonderer Bedeutung für die Stabilität des Abwicklungssystems insgesamt. Das Risiko eines Ausfalls der Zahlungsbank kann reduziert werden, wenn die Geschäfte über Konten bei der jeweiligen Zentralbank abgewickelt werden.222 Ist dies nicht möglich, kann das Zahlungsrisiko durch den Einsatz verschiedener Geschäftsbanken zumindest diversifiziert werden. Weitere Mechanismen zur Reduzierung des Risikos eines Ausfalls auf Zahlungsseite sind besondere Anforderungen an die Finanzkraft der eingeschalteten Banken, Begrenzungen der Höhe offener Zahlungsposten oder die Verpflichtung der Banken, offene Positionen durch Sicherheiten ihrer Kunden abzudecken.223 d) Operationelles Risiko Unter dem operationellen Risiko (operational risk) versteht man die Gefahr unerwarteter Verluste, die durch defizitäre technische Abwicklungssysteme, fehlerhafte interne Kontrollsysteme, menschliche Fehler, Managementversagen oder andere externe Gründe verursacht werden.224 Unmittelbare Adressaten zur Steuerung operationeller Risiken sind die Träger der Abwicklungsinfrastruktur, also insbesondere die nationalen und internationalen Wertpapiersammelbanken und die übrigen Intermediäre. Größte Risikoquelle bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften ist menschliches Versagen. Menschliche Fehler können durch die Steigerung der Automatisierung und der Reduzierung unmittelbarer menschlicher Einwirkungen auf den Abwicklungsprozess reduziert werden.225 Zu bedenken ist jedoch, dass mit der Automatisierung und der Konsolidierung der Abwicklungssysteme gleichzeitig die Auswirkungen von Hard- oder Softwaredefekten oder von fehlerhaften Kommunikationssystemen steigen.226 Entscheidend ist deshalb die regelmäßige Überwachung 222

BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 40; vgl. Nr. 9 Abs. 1 a AGB Clearstream. BIS, DVP, S. 28. 224 Ein Beispiel für solche operationelle Risiken aus der jüngern Vergangenheit stellt der Fehleingabe des japanischen Wertpapierunternehmens Mizuho Securities dar, bei der anstelle einer Order zum Verkauf einer Aktie des Unternehmens J-Com für 610.000 japanischer Yen (ca. 4200 Euro) eine Order zum Verkauf von 610.000 Aktien zum Preis von einem Yen abgegeben wurde. Die Order ließ sich nicht mehr stornieren, verursachte erhebliche Marktturbulenzen und führte zu einem Verlust von ca. 40 Mrd. Yen (rund 280 Mill. Euro) für Mizhou Securities; vgl. „Handelspanne stürzt Börse Tokio in die Krise“, Handelsblatt v. 13. 12. 2005; Haentjens, S. 51; siehe auch die beispielhafte Aufzählung möglicher Ursachen für operationelle Risiken bei BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 17 f. 225 Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 18. 226 Benjamin, JIBFL 2003, 129. 223

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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und Verbesserung der Systeme. Die Frage der Aufrechterhaltung der Systeme nach externen Ereignissen wurde in den vergangenen Jahren vor allem in den USA aufgrund der Terroranschläge am 11. September 2001 diskutiert. Sie gewinnt aber auch in Europa zunehmend an Bedeutung.227 e) Rechtsrisiko Im Zentrum dieser Arbeit steht die Bewältigung rechtlicher Risiken im Rahmen der Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften. Alle abgeschlossenen Handelsgeschäfte unterliegen der Grundannahme, dass eine rechtssichere Übertragung der Rechte an den jeweiligen Effekten gewährleistet ist. Unter dem Rechtsrisiko (legal risk) versteht man die Gefahr, dass eine Partei einen Verlust erleidet, weil die buchungsmäßigen Übertragungs- und Verwahrungsvorgänge rechtlich nicht anerkannt werden.228 Zu denken ist auch an die Gefahr der Nichtanerkennung eines vermeintlich rechtswirksam bestellten Sicherungsrechts oder eines Aussonderungsrechts im Fall der Insolvenz der zwischenverwahrenden Depotbank oder die Gefahr, dass deren Gläubiger auf höherer Verwahrstufe auf die Werte zugreifen.229 Rechtsunsicherheiten stellen damit auch einen Faktor des bereits genannten Verwahrungsrisikos dar. Rechtliche Risiken des nationalen Wertpapierverkehrs rühren in vielen Staaten daher, dass die Entwicklung des Wertpapierrechts mit den tatsächlichen Entwicklungen, wie sie oben beschrieben wurden, nicht mithalten konnte. Vielfach bestehen unklare oder unvollständige Regelungen, so dass die die tatsächlichen Vorgänge materiellrechtlich nicht klar eingeordnet werden können.230 Bei grenzüberschreitenden Verbuchungen resultieren rechtliche Risiken aus der Inkompatibilität der beteiligten Rechtsordnungen und unklaren Regeln zur Bestimmung des anwendbaren Rechts.231 Auch Wertpapierübertragungen, die sich aus Sicht der Beteiligten als nationale Geschäfte darstellen, können eine ausländische Rechtsordnung berühren, etwa wenn die Wertpapiere effektiv im Ausland verwahrt werden.232 Rechtliche Risiken führen bei ihrer Realisierung zu individuellen Verlusten der betroffenen Parteien und können im Einzelfall die Funktionsfähigkeit der Abwicklungssysteme insgesamt beeinträchtigen. Ferner führen sie vor allem bei internationalen Geschäften zu höheren Transaktionskosten und können die Beteiligten gegebenenfalls auch vom Abschluss bestimmter Geschäfte abhalten.233

227 228 229 230 231 232 233

Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 18. BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 40. Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 33. UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 7. Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 401 (2008). Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 392 (2008). UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, 11.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

f) Systemrisiko Unter dem Systemrisiko (systemic risk) versteht man die Gefahr, dass der Ausfall eines Marktteilnehmers negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit anderer Teilnehmer hat und diese damit „ansteckt“. Durch eine Kettenreaktion können sich die Probleme auf den gesamten Markt und auf andere Märkte ausdehnen. Bezogen auf die Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften meint das Systemrisiko damit die Gefahr, dass ein Teilnehmer eines Abwicklungssystems seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann und damit eine Ursache für die Unfähigkeit anderer Systemteilnehmer setzt, ihren eigenen Verpflichtungen nachzukommen. Dies kann durch eine Kettenreaktion die Funktionsfähigkeit des gesamten Abwicklungssystems in Gefahr bringen. Von einem Systemrisiko spricht man also, wenn sich die Verwirklichung einer der oben genannten spezifischen Risiken nicht auf den jeweils betroffenen Beteiligten beschränkt, sondern Auswirkungen auf das System als solches hat.234 Besonders systemrelevant sind das Erfüllungsrisiko235 und die Risiken aus dem Ausfall eines Intermediärs. Das Systemrisiko steigt mit der Konsolidierung der Kapitalmärkte, da einzelne Teilnehmer dann einen größeren Teil des Marktes repräsentieren.236 Insbesondere der Ausfall eines zentralen Systemmitgliedes, wie beispielsweise eines zentralen Kontrahenten, würde ein Abwicklungssystem zusammenbrechen lassen.237 Die tatsächliche und rechtliche Ausgestaltung der Clearing- und Settlementsysteme hat insoweit eine entscheidende Rolle, da sie Systemrisiken im negativen Fall verstärken, im positiven Fall aber begrenzen kann.238 Systemrisiken im Rahmen des Nachhandelsprozesses von Effektenhandelsgeschäften können auch auf andere, verbundene Systeme übergreifen. So hängt beispielsweise die Funktionsfähigkeit von Zahlungssystemen besonders von der Funktionsfähigkeit der Wertpapierabwicklungssysteme ab, da Effekten häufig als Sicherheiten in Zahlungssystemen verwendet werden. Darüber hinaus hätte eine Störung der Abwicklungssysteme auch schwere Auswirkungen auf die Liquidität der Wertpapiermärkte an sich, da die Handelstätigkeit der Marktteilnehmer wesentlich von der Gewissheit der rechtzeitigen und sicheren Abwicklung der Geschäfte abhängt. Das Systemrisiko steigt mit der Integration der Kapitalmärkte, da der Ausfall eines bedeutenden Systemteilnehmers bzw. die Störung eines Systems durch die Vernetzung von Abwicklungssystemen im Rahmen von grenzüberschreitenden Transaktionen auch Systeme in einem anderen Staat in Mitleidenschaft ziehen kann.239

234 235 236 237 238 239

130.

BIS, Lamfalussy Report, S. 6 f.; Micheler, S. 230. BIS, DVP, S. 1. Haentjens, S. 50. Ripatti, S. 21 f.; BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 11. Rogers, 43 UCLA L. Rev. (1996), 1437 f. Schwarcz/Benjamin, 12 Duke J. Comp. & Int L. 309 f. (2002); Benjamin, JIBFL 2003,

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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g) Besondere Risiken grenzüberschreitender Transaktionen Der Natur nach bestehen bei Geschäften mit ausländischen Handelspartnern oder auf ausländischen Märkten sowie bei der Abwicklung dieser Geschäfte dieselben ACHTUNGRERisiken wie bei reinen Inlandsgeschäften. Jedoch sind diese Risiken häufig größer und schwerer kontrollierbar.240 So kann beispielsweise die Einschätzung der Leistungsfähigkeit potentieller ausländischer Handelspartner aufgrund abweichender Rechtsvorschriften und geringerer Information schwieriger sein als bei inländischen Handelspartnern.241 Gleichzeitig ist gerade die systeminterne Kontrolle von Gegenparteirisiken bei internationalen Transaktionen schwieriger. Auch Verwahrungs- und Verwaltungsrisiken sind bei grenzüberschreitenden Verbuchungen größer. Dies liegt einerseits daran, dass hier in der Regel eine größere Zahl von Intermediären eingeschaltet werden muss, die unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen können.242 Bei der Zahlungsabwicklung von grenzüberschreitenden Transaktionen ist nicht nur die Zentralbank eines Staates beteiligt, sondern auch die Zentralbanken und möglicherweise Privatbanken anderer Staaten. Der Einsatz von DvP Systemen gestaltet sich dann schwieriger oder ist ausgeschlossen.243 Dies erhöht die Risiken bei der Zahlungsabwicklung. Da der Grad der Automatisierung bei grenzüberschreitenden Transaktionen nach wie vor niedriger als bei Inlandsgeschäften ist, ist die Gefahr von individuellen Fehleingaben und anderen operationellen Störungen ebenfalls höher.244 Besondere groß sind schließlich rechtliche Risiken im Rahmen von grenzüberschreitenden Transaktionen. Aus Sicht des Anlegers stellt sich zum einen die Frage des anwendbaren Rechts. So kann bei auslandsverwahrten Effekten unklar sein, welcher Rechtsordnung seine Rechtsposition an den Effekten unterliegt und nach welchem Recht diese zu übertragen ist. Gegebenenfalls müssen mehrere anzuwendende Rechtsordnungen miteinander in Einklang gebracht werden.245 Zahlreiche Fragen des Wertpapierkollisionsrechts sind nicht ausreichend geklärt und erhöhen das Rechtsrisiko. Selbst wenn das anzuwendende Recht klar ist, kann diese Rechtsordnung inhaltlich unvertraut und ihre Anwendung deshalb schwierig sein. Inkompatibilitäten mit dem inländischen Recht sind geeignet, Risiken für die Übertragung und die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Systeme zu schaffen. Durch den Anstieg der grenzüberschreitenden Bestellungen von Sicherheiten und von Transaktionen, die grenzüberschreitend abgewickelt werden müssen, steigt das Bedürfnis der Kontrolle derartiger Rechtsrisiken. Gegenwärtig sind verschiedene Projekte zur Harmonisierung nationaler Sachrechte und der Vereinheitlichung und Modernisierung des inter-

240

Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 19. EZB, Monatsbericht August 2001, S. 81; Hess, AJP 2004, 697. 242 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 4. 243 Nicht möglich ist DvP beispielsweise bei Buchungen zwischen Clearstream und dem US-amerikanischen Sammelverwahrer DTC, vgl. Gruson, AG 2004, 375. 244 Scherff, S. 20 f. 245 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 19. 241

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

nationalen Wertpapierprivatrechts im Gange, die in den weiteren Teilen dieser Arbeit vorgestellt werden. 4. Einzelne Schritte des Nachhandelsprozesses Der Prozess zur Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften umfasst verschiedene Stufen, die im Folgenden beschrieben werden. Dabei ist beachten, dass sich eine einheitliche Terminologie in diesem Bereich nicht vollständig durchsetzen konnte.246 Auch die Zuordnung mancher Funktionen zu bestimmten Ablaufstufen wird nicht einheitlich vorgenommen.247 Zudem unterscheiden sich die Abläufe nach Art der gehandelten Instrumente – Aktien und andere Eigenkapitalinstrumente, festverzinsliche Papiere oder Derivate – und danach, ob es sich um ein rein nationales oder ein grenzüberschreitendes Geschäft handelt.248 a) Handelsabschluss Ausgangspunkt ist der Abschluss eines Wertpapierhandelsgeschäftes. Dabei verpflichten sich der Verkäufer zur Lieferung von Effekten und der Käufer zur Zahlung des vereinbarten Gegenwertes. Grundsätzlich gleichgültig ist, ob das abzuwickelnde Geschäft an einer institutionalisierten Börse oder an einem außerbörslichen Markt (over-the-counter, OTC) abgeschlossen wird.249 In beiden Fällen kommen die gleichen Abrechnungs- und Abwicklungssysteme zum Einsatz.250 In Europa werden ca. 90 % aller Aktiengeschäfte und 25 % aller Geschäfte in Anleihen an institutionalisierten Wertpapierbörsen abgeschlossen.251 Da die Investoren meist nicht selbst zum Handel an dem betreffenden Markt zugelassen sind, benötigen sie die Dienste eines Marktintermediärs.252 Aufgabe dieser Mittelspersonen ist das Effektengeschäft, also die Anschaffung oder Veräußerung von Wertpapieren für andere.253 Dafür kommen Kreditinstitute oder Broker in Betracht.254 Beim Börsenhandel wird die vertragliche Beziehung zwischen dem Investor und seinem Intermediär als Börsenaußengeschäft 246 Beachte aber die Fortschritte zur terminologischen Vereinheitlichung durch die Giovannini Group, 2001 Report, S. 4 ff.; weitere Beiträge zur Systematisierung der Materie und der Terminologie lieferten außerdem BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 37 f. 247 London Economics, S. 3. 248 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Rn. 249; Ruland, S. 162 ff. 249 Zu den unterschiedlichen Organisationsformen von Wertpapiermärkten Schwark, WM 97, 293 ff.; Kümpel, Rn. 8.182 ff., 17.115 ff.; Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Vor § 104, Rn. 23 ff. 250 Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 498. 251 Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 21. 252 Kümpel, Rn. 8.267; einen direkten Zugang für Privatanleger bietet beispielsweise das Handelsystem Quotrix der Börse Düsseldorf; dazu Rinker, S. 155 ff. 253 Assmann/Schütze/Roth, § 10, Rn. 1. 254 Ruland, S. 97.

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bezeichnet. In Deutschland ist das Kommissionsgeschäft gemäß §§ 383 ff. HGB die Regelform der Erledigung von Kundenaufträgen.255 Dabei haben die Banken regelmäßig kein Recht zum Selbsteintritt nach § 400 HGB.256 Alternativ besteht die Möglichkeit des Festpreisgeschäftes, bei der die Bank dem Kunden gegenüber unmittelbar als Verkäuferin bzw. Käuferin auftritt.257 Wirtschaftlich ist ein Börsenaußengeschäft auf ein an einem börslichen oder außerbörslichen Handelsplatz zu tätigendes Geschäft gerichtet (Börseninnengeschäft).258 Den am Markt im eigenen Namen auftretenden Intermediär bezeichnet man als direkten und den Investor als indirekten Marktteilnehmer.259 Abzugrenzen davon sind Eigen- oder Nostrogeschäfte der Banken, die sie für ihren eigenen Bestand ohne einen direkten Zusammenhang mit einem Kundenauftrag tätigen. An einer Börse werden die von den Marktintermediären abgegebenen deckungsgleichen Kauf- und Verkaufsorder durch einen Börsenmakler oder ein elektronisches Handelssystem zusammengeführt (Matching).260 Im Grundfall kommt ein Kaufvertrag zwischen den betreffenden Handelsteilnehmern zustande.261 Kommt eine zentrale Gegenpartei zum Einsatz, bestehen die Verpflichtungen hingegen nur zwischen dieser und den Handelsteilnehmern. b) Abgleich, Übermittlung und Freigabe der Geschäftsdaten Zwischen Handelsabschluss und Beginn der eigentlichen Abwicklung kommt es zu einer Reihe von Kommunikations- und Abstimmungsprozessen zwischen den Beteiligten. Ziel dieser Datenübermittlungen ist es, die Eckdaten des Geschäftes zwischen den Vertragsparteien untereinander und ihren jeweiligen Kunden abzugleichen. Überprüft werden insbesondere Art, Menge und Preis der gehandelten Effekten, Währung, Handels- und Abwicklungsdatum und gegebenenfalls die Zielkonten, auf

255 Vgl. Nr. 1 Abs. 1 S. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; zu den Einzelheiten des Finanzkommissionsgeschäfts nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG siehe Kümpel/Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 104, Rn. 106 ff. 256 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; vgl. Assmann/Schütze/ Roth, § 10 Rn. 47 ff. 257 Nr. 9 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; dazu Assmann/Schütze/Roth, § 10, Rn. 54 ff. 258 MünchKommBGB/Schnyder, IntKapMarktR, Rn. 59. 259 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 9. 260 Zum Begriff des Matchings vgl. Wastl/Schlitt, WM 2001, 1705 ff.; Kümpel, Rn. 2.1005; Lenenbach, Rn. 4.39. 261 Der Börsenmakler fungiert dabei als Empfangsvertreter beider Parteien, vgl. Kümpel, WM 1991, Sonderbeilage Nr. 4, 8; Lenenbach, Rn. 4.39; ob dies auch für das elektronisches Handelssystem Xetra der Frankfurter Wertpapierbörse gilt, ist umstritten; befürwortend Rinker, Rn. 271 ff.; ablehnend Alfes, S. 79 ff., 107 ff.; ebenso zum Xetra Vorgängersystem IBIS Kümpel, WM 1991, Sonderbeilage Nr. 4, 6 f.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

die Wertpapiere sowie die Gegenleistung zu verbuchen sind.262 Damit können mögliche Fehler beim Handelsabschluss und Falscherfassungen in einem frühen Stadium aufgedeckt und Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Geschäfte vermieden werden. Darüber hinaus werden die Daten an die Abwicklungsinstitutionen übermittelt. Gegebenenfalls sind die Geschäftsabschlüsse auch den zuständigen Aufsichtsbehörden mitzuteilen.263 Der Datenabgleich ist in den verschiedenen Handels- und Abwicklungssystemen unterschiedlich organisiert und abhängig von der Art des gehandelten Gegenstandes und der Frage, ob es sich um ein nationales oder grenzüberschreitendes Geschäft handelt. Trotz der uneinheitlichen Terminologie kann man folgende Aspekte unterscheiden: Zunächst wird den am Ausführungsgeschäft beteiligten Kontrahenten der Geschäftsabschluss bestätigt (trade verification). Die Bestätigung wird vom jeweiligen Handelssystem auf Grundlage der von den direkten Marktteilnehmern eingegebenen Daten erstellt. Bei elektronischen Handelssystemen geschieht dies automatisch.264 An außerbörslichen Märkten müssen sich die Marktteilnehmer die Eckdaten des Handelsabschlusses meist gegenseitig bestätigen.265 Die unmittelbaren Markteilnehmer übermitteln die Transaktionsdaten sodann an ihre Kunden und bestätigen damit die Ausführung des Auftrags (notice of execution).266 Auch die Kunden, beispielsweise die Hausbank eines Anlegers, gleichen die Daten mit ihren eigenen Auftragsdaten ab und leiten Instruktionen zur Verbuchung an die depot- und kontoführenden Stellen weiter. Je nach System muss der Kunde übereinstimmende Geschäfte ausdrücklich genehmigen (affirmation) oder lediglich fehlerhaften Transaktionsdaten widersprechen.267 Gleichzeitig werden Abwicklungsinstruktionen durch die direkten Marktteilnehmer oder die Handelsplattform an die Abrechnungs- oder Abwicklungsstelle übermittelt.268 Sofern beide Kontrahenten die jeweiligen Zahlungs- und Lieferinstruktionen einzeln übermitteln, muss das System die korrespondierenden Instruktionen miteinander verknüpfen und auf ihre Kongruenz abgleichen (Matching).269 Der Vorgang stellt sicher, dass die Abwicklungsmodalitäten den Vereinbarungen zwischen den Kontrahenten entsprechen und schafft die Voraussetzungen für eine Lieferung Zug-um-Zug gegen Zahlung. Notwendig ist dieser Vorgang in erster Linie bei

262

BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 37; de Carvalho, S. 14; vgl. auch ClearACHTUNGREstream, Customer Handbook, 3-13. 263 Vgl. § 9 WpHG. 264 Vgl. § 2 Abs. 3 Bedingungen für Geschäfte an der FWB; Ruland, S. 178. 265 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, 37; Giovannini Group, 2001 Report, S. 5. 266 Scherff, S. 9; Oxera, Same-day affirmation, S. 4 f. 267 Wechsler, S. 53; BIS, DVP, S. 10. 268 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 37; de Carvalho, S. 14; Lenenbach, Rn. 4.35. 269 Blitz, in: Moormann/Fischer, S. 668; Kröpfl, S. 18; ESF/ECSDA, Matching Standards Proposal, S. 2.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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OTC-Transaktionen, die eine Lieferung gegen Zahlung vorsehen.270 Bei elektronischen Handelsplattformen wie Xetra ist ein solcher Abgleich nicht mehr nötig, da die Daten bereits als Transaktionspaar an die jeweilige Abwicklungsstelle übermittelt werden.271 In diesem Fall spricht man von „locked-in“ oder „matched input“ Verbindungen.272 Aber auch hier ist eine Lieferfreigabe durch den Depotkunden erforderlich. Die Depotbanken erhalten entsprechende Geschäftsinformationen vom Handelssystem oder dem Abwicklungssystem und gleichen sie mit ihren Daten ab. Je nach Lieferfreigabeverfahren muss die Depotbank die Geschäfte kennzeichnen, die erfüllt werden sollen (Positivverfahren), oder nicht freigegebene Geschäfte sperren (Negativverfahren).273 Der Verkäufer hat dabei zu überprüfen, ob in seinem Depotbestand ausreichende Bestände zur Lieferung vorhanden sind. Verzögerungen können auftreten, wenn der Verkäufer die Effekten selbst noch nicht aus einem vorangegangenen Geschäft erhalten hat, oder wenn die Stücke erst von der Depotstelle seines Kunden zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Geschäfte können nicht freigegeben werden.274 Insgesamt handelt es sich hierbei um operationelle Abläufe, die aus rechtlicher Sicht von untergeordneter Relevanz sind.275 Diskutiert werden in diesem Zusammenhang Fragen der Automatisierung der Datenübermittlungs- und -abgleichungsvorgänge sowie der Nutzung gemeinsamer Kommunikationsstandards. Die meisten der angesprochenen Kommunikationsschritte werden im modernen Massenverkehr automatisch vorgenommen. Durch die Reduzierung menschlicher Einwirkungen auf die Datenübermittlungen können operationelle Risiken reduziert werden. Es werden so auch höhere Übertragungsraten und damit kürzere Abwicklungszeiten erzielt sowie Prozesskosten reduziert.276 Ein anzustrebender Idealzustand ist die vollständige elektronische Verarbeitung einer Wertpapiertransaktion über den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Handelsinitiierung bis zum Settlement ohne manuelle Eingriffe.277 Man bezeichnet dies als Straight Through Processing (STP).278 Die Daten werden dabei nur einmal von den Handelsparteien in das System eingegeben und anschließend für alle Nachhandelsprozesse verwendet.279 Vollständiges STP ist jedoch schwer zu erreichen, da dazu alle Beteiligten kompatible Systeme und ge270

Clearstream, Customer Handbook, 3-13. Blitz, in: Moormann/Fischer, S. 669. 272 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 9; Hess, AJP 2004, 689; ECSDA, CSD Links, S. 16. 273 Clearstream, Customer Handbook, 3-3; Ruland, S. 183. 274 Ruland, S. 184. 275 Vgl. aber § 2 Abs. 1 Bedingungen für Geschäfte an der FWB, wonach ein Geschäft erst mit Versenden der Geschäftsbestätigung zustande kommt. 276 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 10; ESCB/CESR, Standards, Rn. 44; Oxera, Same-day affirmation, S. 22 ff. 277 ESF/ECSDA, Matching Standards Proposal, S. 5. 278 Kumar/David, S. 6; Scherff, S. 9. 279 ESCB/CESR, Standards, Rn. 44. 271

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

meinsame Kommunikationsstandards verwenden müssen.280 Verhältnismäßig einfach lässt sich dies noch für die wichtigsten Marktsegmente im nationalen Bereich implementieren. Es wird erleichtert, wenn Handel, Clearing und Settlement von einem einzigen Anbieter bzw. einer Unternehmensgruppe durchgeführt werden. Solche Strukturen, die als vertikale Silos bezeichnet werden, stehen jedoch in der Kritik, den Wettbewerb zwischen den Anbietern zu beschränken. Gerade aus Wettbewerbsgründen wird der Standardisierung der Übermittlungsprozesse zwischen den Anbietern von Abwicklungsdienstleistungen besonderer Stellenwert beigemessen.281 Größer sind die Schwierigkeiten der Datenübermittlung bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Aufgrund der Beteiligung von mehr Intermediären sind auch mehr Datenübermittlungs- und Bestätigungsvorgänge nötig.282 Probleme entstehen, wenn der Datenübermittlungsprozess nicht von allen Beteiligten automatisiert vorgenommen wird, oder wenn unterschiedliche, nicht kompatible technische Systeme zum Einsatz kommen.283 Häufig fehlt es auch an einheitlichen Kommunikationsstandards.284 Die Fragmentierung der Datenübertragungssysteme erfordert mehr manuelle Eingaben und führt damit zu höheren Kosten, längeren Bearbeitungszeiten und größeren Fehlerrisiken.285 Es wurde deshalb vielfach gefordert, kompatible Datenübertragungssysteme zu schaffen und einheitliche Kommunikationsstandards zu verwenden.286 Nur so könne der Grad der Automatisierung erhöht, operationelle Risiken und Kosten internationaler Transaktionen gesenkt und die Voraussetzungen für Wettbewerb zwischen den Beteiligten geschaffen werden.287 Die Einführung einheitlicher Systeme ist aber schwierig, da große Intermediäre häufig unter hohem Kostenaufwand eigene Systeme implementiert haben und diese weiterverwenden wollen.288 Für kleinere Marktteilnehmer lohnt sich auf der anderen Seite die Investition in automatische Abwicklungssysteme kaum, so dass es hier häufiger zu manuellen Eingriffen in den Abwicklungsvorgang kommt.289 Derzeit wird versucht, die anerkannten Kommunikationsstandards ISO 15022 und ISO 20022 europaweit für alle Fragen der Übertragung und Verwaltung von Wertpapieren durchzusetzen.290

280

Vgl. Scherff, S. 10 ff. Deutsche Bank Research, S. 5. 282 Vgl. Giovannini Group, 2001 Report, S. 12 ff.; ECSDA, CSD Links, S. 29. 283 Kumar/David, S. 50; Blitz, in: Moormann/Fischer, S. 678. 284 BIS/IOSCO Recommendations for SSS, S. 21 f.; Giovannini Group, 2001 Report, S. 45; Leinonen, S. 25. 285 Giovannini Group, 2003 Report, S. 7; Kumar/David, S. 18 f.; Scherff, S. 21. 286 BIS/IOSCO Recommendations for SSS, S. 21 f.; ESCB/CESR, Standards, Rn. 172 ff.; Group of 30, A Plan of Action, S. 8; ESF/ECSDA, Matching Standards Proposal, S. 4 ff.; zu einzelnen Initiativen vgl. Kumar/David, S. 72 ff. 287 Giovannini Group, 2003 Report, S. 7 f. 288 CESAME, CESAME Report, S. 33. 289 Scherff, S. 28 ff. 290 Ausführlich dazu CESAME, CESAME Report, S. 26 ff.; Leinonen, S. 26 f. 281

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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c) Clearing Unter dem Begriff des Clearings versteht man allgemein den Abrechnungsschritt zwischen dem schuldrechtlichen Abschluss eines Effektenhandelsgeschäfts und der Erfüllung der daraus resultierenden Zahlungs- und Lieferverpflichtungen (Settlement).291 Im Rahmen des Clearings werden die der Clearingstelle übermittelten Daten der einzelnen Geschäftsabschlüsse der Handelsteilnehmer auf ihre Richtigkeit überprüft, aufgeschlüsselt und auf den Positionskonten der beteiligten Parteien verbucht. Darüber hinaus werden fällige Forderungen und Verbindlichkeiten verschiedener Kontrahenten miteinander verrechnet und anschließend die endgültigen Lieferund Zahlungsverpflichtungen der Parteien bestimmt (Netting).292 Eine zentrale Bedeutung nimmt ferner das Risikomanagement ein, das Clearinghäuser in der Funktion als zentrale Gegenpartei gewährleisten. Mit Blick auf die beiden letzten Funktionen versteht man unter dem Clearing auch die Gesamtheit aller Prozesse, die der Kontrolle der Risiken zwischen dem Abschluss eines Kapitalmarktgeschäftes und seiner Erfüllung dienen.293 Clearingfunktionen werden in einem separaten Prozessschritt von Clearinghäusern wahrgenommen. Diese verlangen eine eigene Mitgliedschaft, die nicht automatisch aus der Zulassung zum Handel an einem bestimmten Markt resultiert, sondern an bestimmte Zulassungsvoraussetzungen geknüpft ist. Clearinghäuser können rechtlich und organisatorisch selbstständig oder im Unternehmensverbund mit Sammelverwahrinstituten oder Wertpapier- und Terminbörsen organisiert sein. Soweit kein spezielles Clearinghaus eingeschaltet ist, können Clearingfunktionen auch im Rahmen der Transaktionsnachbearbeitung der Börsen oder als vorbereitender Schritt im Rahmen des Settlements ausgeführt werden.294 aa) Netting Netting ist die Saldierung einzelner Positionen zwischen zwei Vertragsparteien oder zwischen mehreren Teilnehmern eines Abrechnungssystems. Durch die Verrechnung wird aus einer größeren Zahl von Transaktionen eine Nettoposition ermittelt.295 Neben gesetzlichen Vorschriften unterliegt die Verrechnung wechselseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten vor allem vertraglichen Nettingabreden zwischen den Parteien, die insbesondere in den Clearingvereinbarungen enthalten 291 Jaskulla, ZEuS 2004, 504; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 250. 292 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 37; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 77; de Carvalho, S. 15; Beck, in: FS Horn, S. 671; Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 9. 293 Benjamin/Yates/Montagu, S. 142. 294 Beck, in: FS Horn, S. 671. 295 Bosch, WM 1995, 367; Böhm, S. 22 f.; Kröpfl, S. 18; Kronke/Haubold, in: Kronke/ Melis/Schneyder, Teil L, Rn. 270.

84 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

sind.296 Der Begriff des Nettings ist nicht im Sinne einer juristischen Definition trennscharf abzugrenzen, sondern wird für unterschiedliche Formen der Verrechnung verwendet.297 Nettingvereinbarungen finden vor allem im Zahlungsverkehr und bei der Abwicklung von Geschäften in Finanzderivaten Anwendung und wurden bisher auch vorwiegend in diesem Zusammenhang wissenschaftlich untersucht.298 Bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften haben Nettingverfahren erst in jüngerer Zeit größere Bedeutung erlangt.299 Die Verrechnung bezieht sich aber auch hier auf schuldrechtliche Forderungen. Die Grundsätze des Zahlungsverkehrsnettings sind deshalb grundsätzlich auf entsprechende Verrechnungsverfahren bei der Abwicklung von Effektengeschäften übertragbar.300 (1) Zwecke des Nettings Schließt ein Handelsteilnehmer in einer bestimmten Handelsperiode mit einem oder verschiedenen anderen Handelsteilnehmern mehrere, aus seiner Sicht gegenläufige Transaktionen über dieselbe Effektengattung ab, so können diese unabhängig voneinander und nacheinander abgerechnet und abgewickelt werden (trade-fortrade-settlement).301 Diese Abwicklungsmethode mag bei umsatzschwachen Märkten ausreichend sein.302 An umsatzstärkeren Märkten und insbesondere an Märkten, an denen viele Transaktionen zwischen verhältnismäßig wenigen Handelsteilnehmern durchgeführt werden, können Nettingabreden für die Beteiligten demgegenüber zahlreiche Vorteile bringen. Zunächst wirken sich Nettingvereinbarungen liquiditätssparend aus. Dies wird deutlich, wenn ein Teilnehmer an einem Handelstag mehrere Kauf- und Verkaufsaufträge über den gleichen Wert abgegeben hat und die eigenen Zahlungs- und Lieferpflichten durch die gegenläufigen Geschäfte erfüllen will (sog. back-to-back-Geschäfte). Da eine verknüpfte Abwicklung der Geschäfte nicht immer gewährleistet ist, muss der Teilnehmer über Reserven verfügen, um Liquiditätslücken auffangen zu können, die aufgrund einer verzögerten Leistung oder Zahlung einer Gegenpartei auftreten. Das Kapital, das für die Bereitstellung der Finanzmittel oder eine zwischenzeitliche Wertpapierleihe notwendig ist, kann durch Nettingvereinbarungen gesenkt werden.303 Ferner müssen die Teilnehmer gegenüber dem Abwicklungspartner nach der Verrechnung ihrer Positionen weniger Sicherheiten für ihre offenen Positionen hinterlegen.304 Der Hauptvorteil der Saldierung 296

Böhm, S. 69. Zum Begriff vgl. auch Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 114, Rn. 131; Kunz, S. 332 ff. 298 Vgl. BIS, Netting Schemes; dies., Lamfalussy Report; Böhm, S. 30 ff. 299 Vgl. BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 37. 300 Wechsler, S. 63 f.; Kieper, S. 144. 301 Haentjens, S. 44. 302 Group of Thirty, 1989 Report, S. 37. 303 Group of Thirty, 1989 Report, S. 37; Zobl/Werlen, S. 3; Wechsler, S. 60; Böhm, S. 26. 304 Vgl. Group of Thirty, 1989 Report, S. 37. 297

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gegenläufiger Geschäfte mit derselben Gegenpartei liegt damit für beide Seiten in der Reduzierung der mit der Gegenpartei verbundenen Ausfall- und Liquiditätsrisiken. Abhängig von der rechtlichen Konstruktion der Nettingvereinbarungen kann das Ausfall- und das Liquiditätsrisiko vom Brutto- auf den Nettoumfang der offenen Positionen beschränkt werden.305 Damit reduzieren sich auch die Anforderungen an das regulatorische Eigenkapital für die Kreditinstitute und sonstigen Intermediäre, was vor allem bei Finanztermingeschäften von großer Bedeutung ist.306 Die Saldierung führt zudem zu einer Reduzierung des Umfangs der tatsächlich abzuwickelnden Transaktionen und ermöglicht so Effizienzsteigerungen bei der Abwicklung bei einem geringeren Fehlerrisiko.307 Nettingvereinbarungen erreichen das Ziel der Reduzierung von Gegenparteirisiken aber nur dann, wenn die Teilnehmer auf ihre Bestandskraft vertrauen können. Da die Teilnehmer aufgrund einer Nettingvereinbarung in der Regel nur die Risiken berücksichtigen, die aus den Nettopositionen resultieren, kann eine nicht belastbare Vereinbarung tatsächliche Risiken verschleiern und die Risiken für das System insgesamt sogar vergrößern.308 Entscheidend sind in diesem Zusammenhang die rechtliche Anerkennung einer Nettingvereinbarung und ihre rechtliche Durchsetzbarkeit im Falle der Insolvenz eines Teilnehmers.309 (2) Formen des Nettings Das Netting im Rahmen der Abrechnung von Zahlungs-, Termin- oder Wertpapiergeschäften basiert vor allem auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten und kann deswegen unterschiedlich ausgestaltet sein. Zu unterscheiden ist zwischen der Verrechnung der geldseitigen Zahlungsverpflichtungen und der Verrechnung der Lieferpflichten hinsichtlich einzelner Wertpapiergattungen.310 Neben dem vor allem in den Fällen der Insolvenz einer Partei relevanten Liquidationsnetting differenziert man zwischen dem Settlement-Netting und dem Novationsnetting.311 Da das Liquidationsnetting bei dem hier untersuchten regulären Ablauf der Abwicklung keine Rolle spielt, wird hier nur auf die beiden letzteren Nettingformen eingegangen.312 Beide sind als bilaterales und multilaterales Netting möglich.

305

BIS, Angell-Report, S. 10; Patrikis/Cook, in: Hadding/Schneider, S. 393 f.; Bosch, WM 1995, 367; Norton/Reed/Walden, S. 225 f.; Böhm, S. 25 f. 306 Patrikis/Cook, in: Hadding/Schneider, S. 392; Böhm, S. 27; Benjamin, JIBFL 2003, 128; Ripatti, S. 19. 307 Böhm, S. 27 f.; Ripatti, S. 11. 308 BIS, Angell-Report, S. 14; Wechsler, S. 63. 309 BIS, Angell-Report, S. 6. 310 Jaskulla, ZEuS 2004, 504. 311 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 38; Benjamin/Yates/Montagu, S. 143; ACHTUNGRERipatti, S. 11; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schneyder, Teil L, Rn. 270 ff. 312 Zum Liquidationsnetting im Clearingprozess vgl. Kunz, S. 348 ff.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

(a) Settlement-Netting und Novationsnetting Beim Settlement-Netting wird vereinbart, dass wechselseitige, gleichartige Liefer- oder Zahlungsforderungen mit gleicher Fälligkeit am Fälligkeitstag miteinander verrechnet werden. Rechtlich liegt dem eine Aufrechnung zugrunde.313 Im Rahmen der Abwicklung werden dann nur die verbleibenden Spitzen durch tatsächliche Lieferung von Effekten oder Zahlung ausgeglichen.314 Diese Form des Nettings wird auch als administratives bzw. abwicklungstechnisches Netting oder Positions-Netting bezeichnet.315 Bei der Verrechnung von Zahlungsverpflichtungen spricht man auch vom Zahlungsverkehrsnetting (payment netting).316 Da die Wirkung der Verrechnung erst am Fälligkeitstag eintritt, bleiben die Verpflichtungen der Handelsteilnehmer bis zum Tag der Abwicklung unberührt.317 Die von der Clearingstelle ermittelten Nettopositionen sind bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Rechnungsposten. Aus diesem Grund bewirkt das Settlement-Netting grundsätzlich keine Verringerung des Risikos eines Ausfalls der Gegenpartei vor dem Fälligkeitstag. Es ermöglicht lediglich die Senkung von Abwicklungskosten und Liquiditätsrisiken.318 Eine weitergehende Wirkung hat demgegenüber das Novationsnetting (netting by novation). Hier werden Liefer- oder Zahlungsforderungen bereits vor dem Fälligkeitstag verrechnet und durch eine Gesamtforderung je Effektengattung bzw. durch eine einzige Zahlungsforderung ersetzt.319 Der aus dem Verrechnungsvorgang resultierende Saldo tritt an die Stelle der ursprünglichen Lieferverpflichtungen.320 Die mit der Gegenpartei verbundenen Ausfallrisiken entfallen in der Höhe, in der die Verrechnung zu einer Reduzierung der offenen Verpflichtungen führt.321 Die Geschäfte sind insoweit als erfüllt anzusehen. Dies ist gerade im Hinblick auf die Anforderungen an die Eigenkapitalquote der Teilnehmer von Bedeutung.322 Im Übrigen führt auch das Novationsnetting zu einer Reduzierung der weiteren Abwicklungskosten. Man bezeichnet diese Form des Nettings auch als vertragliches Netting (contractual netting, obligation netting, trade netting).323 Aus rechtlicher Sicht kann das Novati-

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Vgl. Hess, AJP 2004, 702. Zobl/Werlen, S. 4; Berger, S. 29 f.; Böhm, S. 69 f., 84; Benjamin, JIBFL 2003, 128; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 271. 315 Bosch, WM 1995, 367; Hess, AJP 2004, 716; Jahn, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 114, Rn. 132. 316 CPPSS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 38; Böhm, S. 84. 317 Böhm, S. 70, 86; Hess, AJP 2004, 716 f.; Wechsler, S. 61; Ripatti, S. 11. 318 BIS, Angell-Report, S. 11, 14; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 114, Rn. 132; Wechsler, S. 61. 319 Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 114, Rn. 133; Böhm, S. 70; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/SchnyACHTUNGREder, Teil L, Rn. 273. 320 Vgl. Kap. I, Abschn. 1.4 Clearing-Bedingungen Eurex; Wechsler, S. 64. 321 BIS, Angell-Report, S. 12. 322 Ripatti, S. 19. 323 Zobl/Werlen, S. 4; Hess, AJP 2004, 714; Benjamin, JIBFL 2003, 128. 314

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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onsnetting als Aufrechnungsvereinbarung324, einseitige Aufrechnungsbefugnis oder auch als Schuldersetzung, d. h. als Begründung eines neuen Schuldverhältnisses qualifiziert werden. Am Börsenplatz Frankfurt bietet die Eurex Clearing AG eine Form des Novationsnettings an.325 (b) Bilaterales und multilaterales Netting Neben dem Zeitpunkt der Verrechnung kann man Nettingsysteme danach unterscheiden, ob es zu einer bilateralen oder einer multilateralen Verrechnung kommt. Bei bilateralen Nettingvereinbarungen werden die gegenseitigen Liefer- und ACHTUNGREZahlungspflichten zwischen zwei Vertragsparteien zu einer Nettoposition je Wertpapierart zusammengefasst.326 Die paarweise Verrechnung zwischen den einzelnen Teilnehmern eines Marktes ist die einfachste Form des Nettings. Dadurch können signifikante Effizienzgewinne erreicht werden, wenn zwischen einer relativ kleinen Teilnehmerzahl viele Handelsabschlüsse über die gleichen Werte getroffen werden.327 Bilaterales Netting kann in der Form des Settlement-Nettings oder in der Form des Novationsnettings ausgestaltet sein. Nach dem bilateralen Netting ist in der Regel zwischen allen vertraglich verbundenen Parteien zumindest ein Übertragungs- und Zahlungsvorgang je gehandelter Wertpapiergattung notwendig. Beim multilateralen Netting werden alle Liefer- und Zahlungspflichten der Teilnehmer eines Abrechnungssystems miteinander verrechnet. Dies führt zu einer weiteren Reduzierung der abzuwickelnden Positionen. Dazu werden hinsichtlich eines bestimmten Wertes die Nettoforderungen und -verbindlichkeiten eines jeden Teilnehmers gegenüber der gesamten Clearing-Gruppe zu einem bestimmten Fälligkeitstag berechnet und anschließend zwischen den Nettoschuldnern und -gläubigern abgewickelt.328 Im Idealfall bleibt für jeden Teilnehmer nur eine einzige Forderung oder Verbindlichkeit je Wertpapiergattung und Fälligkeitstag gegenüber einem anderen Teilnehmer bestehen.329 Dieses komplizierte Verrechnungsverfahren wird als Skontration bezeichnet.330 Es wird unter anderem im Abrechnungsverkehr zwischen Banken und auch im Terminhandel eingesetzt.331 Rechtlich kann eine solche Vereinbarung als multilateraler Aufrechnungsvertrag eingeordnet werden, bei dem auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit verzichtet wird und deshalb auch Leistungen der übrigen Ver-

324 Vgl. Berger, S. 32 f.; Böhm, S. 108 ff.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 273, Alfes, S. 172 ff.; Kunz, S. 337 f. 325 Zur rechtlichen Konstruktion im Einzelnen vgl. Kunz, S. 344. 326 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 77 ff.; Kröpfl, S. 19; Wechsler, S. 62. 327 Group of Thirty, 1989 Report, S. 38. 328 Vgl. BIS, Angell-Report, S. 16; DTCC, CCP White Paper, S. 18. 329 Wood, Rn. 12-12; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79. 330 Canaris, WM 1976, 997; ders., Rn. 885; Berger, S. 354 ff.; Böhm, S. 87 f. 331 Staudinger/Gursky, Vorbem zu §§ 387 ff., Rn. 93.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

tragspartner in die Verrechnung einbezogen werden können.332 Da die Gegenparteien der Handelsteilnehmer für den abschließenden Spitzenabgleich im Zuge der multilateralen Verrechnung nicht identisch mit den ursprünglichen Vertragspartnern sind, ACHTUNGREerfordern multilaterale Nettingsysteme eine differenzierte Behandlung von Gegenparteirisiken.333 Der Ausfall einer Partei kann sich auf die gesamte Verrechnung auswirken und systemische Störungen hervorrufen.334 Aus diesem Grund wird beim ACHTUNGREmultilateralen Netting meist eine zentrale Gegenpartei eingeschaltet.335 Die zentrale Gegenpartei ist als Vertragspartner eines jeden Teilnehmers auch jedem zur Leistung verpflichtet und trägt grundsätzlich die Ausfall- und Liquiditätsrisiken. Soll das Novationsnetting zwischen allen Teilnehmern eines Abrechnungssystems multilateral durchgeführt werden, so wird praktisch immer eine zentrale Gegenpartei zwischengeschaltet.336 .

bb) Zentrale Gegenparteien Clearinghäuser oder auch die Börsen selbst übernehmen zunehmend eine Funktion als zentrale Gegenpartei (Central Counterparty, CCP). Gleichbedeutend ist der Begriff des zentralen Kontrahenten. Eine zentrale Gegenpartei ist ein Rechtssubjekt, das als Vertragspartei zwischen Käufer und Verkäufer eingeschoben wird. Sie fungiert aus Sicht des kaufenden Markteilnehmers als Verkäufer und aus Sicht des verkaufenden Marktteilnehmers als Käufer, ohne dabei jedoch ein wirtschaftliches Eigeninteresse zu verfolgen. Die zentrale Gegenpartei übernimmt die gegenseitigen Verpflichtungen der Marktteilnehmer, zwischen denen dann keine direkten vertraglichen Beziehungen mehr bestehen.337 Sie schließt also zwei im Rahmen des Matchingvorgangs definierte, deckungsgleiche Geschäfte ab, jeweils als Käufer für die eine und Verkäufer für die andere Seite. Zentrale Gegenparteien wurden bereits Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts an verschiedenen Rohstoffbörsen eingeführt.338 Sie dienen der Kontrolle von Gegenparteirisiken und sind deshalb vor allem bei der Abwicklung von Geschäften in börsengehandelten Derivaten verbreitet.339 Aufgrund der langen Abwicklungszeiten besteht hier ein besonderes Bedürfnis für eine effektive Kontrolle der Gegenpar-

332 BGH WM 1972, 1379; WM 1987, 400; Canaris, WM 1976, 997; ders., Rn. 885 ff.; Berger, S. 366; Staudinger/Gursky, Vorbem zu §§ 387 ff., Rn. 93; Kunz, S. 341. 333 Group of Thirty, 1989 Report, S. 40; Böhm, S. 87. 334 BIS, Angell-Report, S. 17. 335 Böhm, S. 88; Blitz, ZKW 2001, 1247; Alfes, S. 63. 336 Ripatti, S. 11. 337 Vgl. § 1 Abs. 31 KWG; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 4; Kunz, S. 57 ff. 338 Göppert, S. 259 f.; zur historischen Entwicklung zentraler Gegenparteien Kroszner, in: EZB, Central Counterparties, S. 30 ff. 339 Vgl. Kindermann, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 2, S. 22 ff.; Kunz, S. 61.

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teirisiken.340 Es werden jedoch zunehmend auch außerbörslich abgeschlossene Terminkontrakte über zentrale Gegenparteien abgewickelt.341 Zur Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften setzt man zentrale Gegenparteien erst seit wenigen Jahren ein.342 In Frankreich fungierte Clearnet erstmals im Jahr 1990 als zentrale Gegenpartei für den Wertpapierhandel.343 An der Londoner Börse bietet das London Clearing House (LCH) seit 2001 die Funktion eines zentralen Kontrahenten zur Abrechnung von Effektenhandelsgeschäften an.344 Am Börsenplatz Frankfurt übernimmt die Eurex Clearing AG seit dem Jahr 2003 die gleiche Funktion für viele Wertpapierarten.345 Damit bedienen sich die bedeutendsten europäischen Wertpapiermärkte einer zentralen Gegenpartei.346 Häufig übernimmt eine zentrale Gegenpartei das Clearing für verschiedene Märkte, mitunter auch in verschiedenen Ländern.347 (1) Modelle des Eintritts zentraler Gegenparteien Man unterscheidet zwei Modelle für den Eintritt der zentralen Gegenpartei. Beim so genannten Novation-Modell schließen die Handelsteilnehmer zunächst einen bilateralen Kaufvertrag über ein börsliches oder außerbörsliches Handelssystem. Die Verpflichtungen aus diesem Vertrag werden sodann aufgehoben und durch gegenläufige Verpflichtungen zwischen jeweils einem Handels- bzw. Clearingteilnehmer und der zentralen Gegenpartei ersetzt. Dieses Verfahren wird im Englischen als Novation bezeichnet.348 Der Begriff ist untechnisch zu verstehen und kann nicht unbesehen mit einer Novation im Rechtssinne (Schuldersetzung) gleichgesetzt werden. Entscheidend ist, wie das anzuwendende Recht die konkreten Vereinbarungen zwischen den Parteien in den Clearingbedingungen einordnet. Das Novationsmodell findet vor allem dann Anwendung, wenn die Parteien Effektengeschäfte außerhalb eines börslichen Handelssystems abgeschlossen haben (Off Order Book Trade) und die zentrale Gegenpartei nachträglich zum Clearing der Geschäfte einsetzen wollen. Die Einbeziehung außerbörslicher Effektenhandelsgeschäfte ist jedoch nicht von allen

340

Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 162; Ripatti, S. 21; Wendt,

S. 3. 341

Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 12. Knott/Mills, Financial Stability Review, Dezember 2002, 162; Schmiedel/Schönenberger, S. 14. 343 DTCC, CCP White Paper, S. 7; Ripatti, S. 14, Fn. 11. 344 Wendt, S. 3. 345 Ausführlich zu den betreffenden Regelungen der Frankfurter Wertpapierbörse Kunz, S. 77 ff. 346 Group of Thirty, Interim Report 2005, S. 18; vgl. den Überblick über zentrale Gegenparteien für Effektenmärkte in der EU bei London Economics, S. 29 f.; zum außereuropäischen Bereich vgl. Ripatti, S. 59 ff. 347 ECSDA, CSD Links, S. 21. 348 BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 13; Benjamin/Yates/Montagu, S. 143; ACHTUNGRERipatti, S. 20 f.; Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 6. 342

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

zentralen Gegenparteien vorgesehen.349 Beim Clearing von Börsengeschäften ist das Novation-Modell weniger verbreitet.350 Die Eurex Clearing AG agiert an deutschen Handelsplätzen demgegenüber nach dem Open-Offer-Modell. Dabei wird sie mit der Zusammenführung der übereinstimmenden Order unmittelbar als Vertragspartei gegenüber den jeweiligen Clearingteilnehmern berechtigt und verpflichtet.351 Das Open-Offer Modell ist beim Clearing von börslichen Handelsgeschäften international vorherrschend, da in einem institutionalisierten Verfahren die unmittelbare Verpflichtung der zentralen Gegenpartei organisatorisch keine Probleme bereitet.352 (2) Funktionen von zentralen Gegenparteien (a) Risikokontrolle und Erfüllungsgarantie Die hauptsächliche Motivation für den Einsatz einer zentralen Gegenpartei liegt in der Übernahme und Standardisierung des Gegenparteirisikos. Das Bedürfnis zur Kontrolle des Gegenparteirisikos durch eine zentrale Gegenpartei ist an den Kassamärkten aufgrund der geringeren Volatilität und der kürzeren Abwicklungszeiträume zwar grundsätzlich geringer als an Terminmärkten.353 Jedoch hat mit der Einführung des Euro und der steigenden Bedeutung elektronischer Handelsplattformen ein starker Anstieg der Handelsvolumina stattgefunden. Damit hat auch die Bedeutung eines effektiven Risikomanagements zum Schutz der Handelsteilnehmer und der Stabilität der Märkte insgesamt zugenommen.354 Gleichzeitig gewährleisten die meisten elektronischen Handelsplattformen die gegenseitige Anonymität der Handelsteilnehmer. Sie verhindern dadurch die individuelle Auswahl eines Vertragspartners und das bilaterale Risikomanagement.355 Auch die steigende Zahl ausländischer Handelspartner bewirkt, dass die Einschätzung des Gegenparteirisikos für die beteiligten Intermediäre schwieriger wird.356 Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Teilnahme am Handel eines Marktes können nur ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Leistungs349

Zulässig ist es beispielsweise bei SIS x-clear, SIS x-clear, Dienstleistungsbeschreibung, S. 25; nach den Clearingbedingungen der Eurex Clearing AG ist ein nachträgliches Eintreten in außerbörslich abgeschlossene Effektenhandelsgeschäfte hingegen nicht vorgesehen. 350 DTCC, CCP White Paper, S. 4; Jaskulla, ZEuS 2004, 505. 351 Vgl. Kap. I, Abschn. 1.2.1 Abs. 1 Clearing-Bedingungen Eurex; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 4; Beck, in: FS Horn, S. 672; ausführlich zur rechtstechnischen Konstruktion des Vertragsschlusses Kunz, S. 277 ff. 352 Zur rechtskonstruktiven Begründung des Vertragsschlusses im deutschen Recht vgl. Kümpel, WM 1991, Sonderbeilage Nr. 4, 6; Rinker, Rn. 323 ff.; Alfes, S. 105 ff. 353 Vgl. Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, S. 124. 354 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 77, 81; Hess, AJP 2004, 687; Preuß, ZBB 2007, 153. 355 BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 6; Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 162 f.; Alfes, S. 60 f. 356 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 81; Hess, AJP 2004, 697; Ripatti, S. 14; Kunz, S. 63.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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fähigkeit sicherstellen.357 Die Möglichkeit der Geschäftsabwicklung Zug-um-Zug mag zwar das Erfüllungsrisiko kontrollierbar machen, nicht aber das Marktrisiko.358 Indem ein zentraler Kontrahent die vertraglichen Verpflichtungen aus den Geschäften der Handelsteilnehmer übernimmt und ihre Erfüllung garantiert, fallen ihm auch die mit den Geschäften verbundenen Gegenparteirisiken zu. Anstelle des individuellen Risikos vieler Vertragspartner sehen sich die Marktteilnehmer allein dem standardisierten Risiko des Ausfalls der zentralen Gegenpartei ausgesetzt.359 Eine zentrale Gegenpartei stellt damit ein Instrument der kollektiven Risikokontrolle dar, das mit einem Versicherungsunternehmen vergleichbar ist.360 Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit einer zentralen Gegenpartei kann insbesondere bei angespannten Marktsituationen positive Wirkungen für die Marktliquidität haben.361 Zentrale Gegenparteien sichern damit die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte bei sinkenden Transaktionskosten.362 Ein einheitliches, zentralisiertes Risikomanagement durch die zentrale Gegenpartei führt auch in der Summe zu einem reduzierten Aufwand für die Risikosteuerung.363 Hinzu kommt, dass die zentrale Gegenpartei selbst das Ausfallrisiko eines Marktteilnehmers mitunter besser als die übrigen Marktteilnehmer einschätzen kann. Denn zum einen hat sie Einblick in die Summe der offenen Positionen eines Teilnehmers auf dem entsprechenden Markt. Zum anderen steht sie nicht im Wettbewerb mit den Handelsteilnehmern, was deren Bereitschaft zur Informationsübermittlung positiv beeinflusst.364 Damit zentrale Gegenparteien als sichere Abwicklungspartner angesehen werden, bedarf es ausgeprägter Sicherungsmechanismen. Kommt es trotz der zentralen Risikoüberwachung zum Ausfall eines Mitgliedes, der nicht durch Sicherheitsleistungen aufgefangen werden kann, so ist der Verlust nicht von einzelnen Marktteilnehmern, sondern anteilig von allen ACHTUNGREClearing-Mitgliedern zu tragen. Es kommt zu einer Risikoverteilung, die sich positiv auf den Markt insgesamt auswirkt.365 Indem dadurch die Gefahr verringert wird, dass Handelspartner eines insolventen Marktteilnehmers

357 Vgl. die Anforderungen an das Eigenkapital und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Handelsteilnehmer gem. § 14 Abs. 1 BörsO FWB. 358 Kunz, S. 64; zu den Begriffen siehe oben B.II.3.a)aa). 359 DTCC, CCP White Paper, S. 8 f.; Benjamin/Yates/Montagu, S. 142; Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 162; Wendt, S. 3; Brass/Tiedemann, ZBB 2007, 258. 360 Bernanke, RFS 1990, Vol. 3, Nr. 1, S. 141. 361 Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 130; DTCC, CCP White Paper, S. 9. 362 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 80; Ripatti, S. 26. 363 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79; Ripatti, S. 18; Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 6. 364 Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 128; Evanoff/Russo/ Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 7; auch skeptisch im Hinblick auf die Konzentration von Marktinformation DTCC, CCP White Paper, S. 10. 365 Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 128.

92 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

selbst in Verzug geraten und eine Kettenreaktion auslösen, bewirkt die Risikoverteilung insgesamt eine Sicherung der Marktstabilität.366 (b) Netting Als bedeutendster Vorteil zentraler Gegenparteien wird das effektivere Netting ACHTUNGREgesehen.367 Multilaterales Netting setzt zwar nicht zwingend die Einschaltung einer zentralen Gegenpartei voraus, jedoch werden die Nettingabläufe dadurch erheblich vereinfacht. Im Gegensatz zu Skontrationsvereinbarungen ist es damit möglich, alle Abschlüsse eines Teilnehmers über eine Wertpapierart zu einem bestimmten ACHTUNGREFälligkeitstag auf eine einzige Nettoposition gegenüber demselben Abwicklungspartner zusammenzuführen.368 Bei der Verrechnung durch eine zentrale Gegenpartei wird häufig von multilateralem Netting gesprochen.369 Diese Bezeichnung ist jedoch etwas ungenau, da bei der Abrechnung über eine zentrale Gegenpartei von vornherein nur Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dieser und dem jeweiligen Clearingteilnehmer verrechnet werden. Aus rechtlicher Sicht liegt damit eine Form des bilateralen Nettings vor. Man kann allenfalls von unechtem multilateralem Netting370 oder multiplem bilateralem Netting371 sprechen. Zentrale Gegenparteien können die positiven Wirkungen des Nettings steigern. Die Anzahl und das Volumens der tatsächlich abzuwickelnden Transaktionen lassen sich weiter reduzieren. So erreichte die Eurex Clearing AG im Jahr nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit als zentrale Gegenpartei für den Aktienhandel in Xetra und auf dem Parkett der FWB eine Nettingeffizenz von 95 %.372 Dies führt zu erheblichen Kostenersparnissen beim Settlement und zur weiteren Reduzierung von Kontrahentenrisiken.373 Eine hohe Nettingquote ist auch für die Stabilität der zentralen Gegenpartei selbst von Bedeutung. Die Clearingmitglieder profitieren davon, indem für die reduzierte Zahl offener Positionen auch niedrigere Sicherheiten gegenüber der zentralen Gegenpartei zu bestellen sind.374 Dieser Effekt wird gesteigert, wenn die zentrale Gegenpartei zur Berechnung der Sicherheitsleistungen eines Clearingmitgliedes offene Positionen hinsichtlich verschiedener Produkte aus verschiedenen Märkten berück366

Alfes, S. 61. EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79; Benjamin/Yates/Montagu, S. 143; de Carvalho, S. 13, Wendt, S. 3, 368 Kröpfl, S. 20; Alfes, S. 63; vgl. die Modelle von Zahlungsströmen bei Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 124; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 78; Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, 163. 369 Wood, Rn. 12-13; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79; Wendt, S. 3; ESCB/CESR, Standards, Rn. 55. 370 Le Guen, in: Hadding/Schneider, S. 437 f.; Berger, S. 28; Böhm, S. 88. 371 Norton/Reed/Walden, S. 221 f. 372 Deutsche Börse, Geschäftsbericht 2003, S. 39 (abrufbar unter www.deutsche-boerse.com). 373 Deutsche Bank Research, S. 3. 374 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79; de Carvalho, S. 13; Kunz, S. 66. 367

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sichtigt (cross margining).375 Auch sind die Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung bei offenen Positionen gegenüber zentralen Gegenparteien niedriger.376 (c) Anonymität bei der Abwicklung Durch die Zwischenschaltung einer zentralen Gegenpartei bleiben die Handelspartner nicht nur beim Geschäftsabschluss, sondern auch während der Abwicklung anonym (post-trade-anonymity).377 Das ist für Handelsteilnehmer von Vorteil, die ihre Identität nicht preisgeben wollen, weil sie eine Reaktion des Marktes auf ihre Handelstätigkeit befürchten.378 Damit werden Marktverzerrungen vermieden379 und die Liquidität auf den Märkten erhöht.380 (d) Operationelle Vorteile Abschließend bewirkt der Einsatz einer zentralen Gegenpartei auch Kostenvorteile im operationellen Bereich. Grund dafür ist, dass sich die Clearingmitglieder bei der Abwicklung nicht mit einer Vielzahl von Teilnehmern auseinandersetzen müssen und Datenübertragungen und Prozessabläufe standardisieren können.381 Darüber hinaus übt die zentrale Gegenpartei viele Funktionen zentralisiert und damit in der Summe kostengünstiger aus. Bei der Insolvenz eines Clearingmitglieds müssen nicht alle dessen Handelspartner die zur Sicherung notwendigen Schritte einleiten, sondern allein die zentrale Gegenpartei.382 Auch Sicherheiten für offene Positionen sind allein gegenüber der zentralen Gegenpartei zu bestellen.383 (3) Risikokontrolle durch zentrale Gegenparteien Zentrale Gegenparteien sind den gleichen Abwicklungsrisiken ausgesetzt wie andere Marktteilnehmer auch.384 Die Übernahme dieser Gegenparteirisiken führt aber zu einer Konzentration bei der zentralen Gegenpartei.385 Da der Ausfall einer zentra375

Alfes, S. 67; Kunz, S. 67 f. Vgl. §§ 49 Abs. 2 Nr. 7, 100 Abs. 10 SolvV, wonach die Bemessungsgrundlage bei Verträgen mit einer zentralen Gegenpartei Null ist; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79; Ripatti, S. 19; Alfes, S. 72 f.; Kunz, S. 69. 377 Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 163; London Economics, S. 7. 378 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 79; Alfes, S. 68 f.; Kunz, S. 64 f. 379 Hess, AJP 2004, 698; Brass/Tiedemann, ZBB 2007, 258. 380 BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 1; Wendt, S. 3; Ripatti, S. 16. 381 Ripatti, S. 17. 382 Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 7. 383 Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, S. 125; Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 163. 384 Vgl. BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 8 f. 385 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 86; Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 163 f.; Hess, AJP 2004, 705. 376

94 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

len Gegenpartei aufgrund ihrer Schlüsselstellung für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften zu erheblichen Störungen des Marktes insgesamt führen würde, sind Mechanismen zur Kontrolle und Steuerung dieser Risiken erforderlich. Zentrale Gegenparteien müssen die Gegenparteirisiken für und anstelle der Clearingmitglieder aktiv kontrollieren und Verluste notfalls auf alle Clearingmitglieder verteilen.386 Die bisher seltenen Zusammenbrüche zentraler Gegenparteien waren größtenteils auf Fehler beim Risikomanagement zurückzuführen.387 Marktteilnehmer, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden schenken dem Thema der Risikokontrolle deswegen große Aufmerksamkeit. Dies liegt auch daran, dass zentrale Gegenparteien zunehmend in weiteren Marktsegmenten tätig werden, beispielsweise dem OTC-Derivatenhandel. Da ihre Effizienz mit ihrer Teilnehmerzahl und der Abwicklungsmasse steigt, kam es in jüngerer Zeit zu einer stetigen Konsolidierung. Damit steigen auch die denkbaren Auswirkungen eines Ausfalls einer zentralen Gegenpartei auf das Finanzsystem insgesamt.388 Marktverwerfungen sind nicht nur möglich, wenn eine zentrale Gegenpartei ausfällt, sondern bereits dann, wenn sie unvorhergesehen oder in übermäßigem Umfang Sicherheitsleistungen ihrer Mitglieder verlangt und den Märkten damit Liquidität entzieht.389 Wegen der Verbindungen zwischen verschiedenen zentralen Gegenparteien und ihrer Tätigkeit in verschiedenen Marktsegmenten, besteht auch die Gefahr des Übergreifens von Marktstörungen auf andere Marktsegmente.390 Die Strategien zentraler Gegenparteien zur Risikokontrolle knüpfen an drei Ebenen an.391 Zunächst ist die Zulassung zum Clearing an bestimmte Anforderungen geknüpft. Darüber hinaus müssen die Clearingmitglieder für ihre offenen Positionen Sicherheiten hinterlegen. Nicht abgedeckte Verluste werden schließlich möglichst so auf die übrigen Clearingmitglieder verteilt, dass es zu keiner systemischen Beeinträchtigung des Marktgeschehens kommt.392 (a) Anforderungen an die Clearingmitgliedschaft Clearingmitglieder sind die Börsenteilnehmer, die eine Clearinglizenz besitzen. Für die Erteilung einer solchen Lizenz müssen besondere Anforderungen hinsichtlich 386

Wendt, S. 4; Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 13; Kunz,

S. 71 f. 387 Zum Ausfall der Caisse de Liquidation, Paris (1974), des Kuala Lumpur Commodity Clearing House (1983) und der Hong Kong Futures Guarantee Corporation (1987): Hills/Rule/ Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 129 f.; Ripatti, S. 55 ff. 388 EZB, Monatsbericht August 2001, S. 77. 389 Bernanke, RFS 1990, vol. 3, Nr. 1, 147. 390 Kunz, S. 72; zum Risikomanagement zwischen zentralen Gegenparteien vgl. EACH, Inter-CCP Risk Management Standards, S. 6 ff. 391 Zur optimalen Gewichtung der einzelnen Strategien vgl. Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 128; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 86; Knott/ Mills, Financial Stability Review December 2002, 172. 392 Vgl. allg. Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 127 f.; DTCC, CCP White Paper, S. 5; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 80; Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, S. 163; Ripatti, S. 23.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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des haftenden Eigenkapitals,393 des Ratings oder des Zugangs der Mitglieder zu Finanzierungsquellen erfüllt sein.394 Beim Clearing über die Eurex Clearing AG müssen die Mitglieder außerdem Institute sein, die von der zuständigen Stelle ihres Herkunftsstaates zum Betrieb des Depotgeschäfts, des Kreditgeschäfts und zur Entgegennahme von Sicherheitsleistungen zugelassen wurden und entsprechend beaufsichtigt werden.395 Weitere Anforderungen betreffen Pfanddepots, Wertpapierdepots und Geldkonten zur Abwicklung der Geschäfte sowie angemessene technische backoffice-Einrichtungen.396 Die Clearinglizenzen der Clearinghäuser unterscheiden sich nach den einbezogenen Produkten und danach, ob ein Mitglied nur eigene Geschäfte oder auch Geschäfte Dritter abrechnen kann. Clearingmitglieder, die nur eigene Handelsabschlüsse, Kundengeschäfte und Abschlüsse konzernverbundener Börsenteilnehmer ohne eigene Clearinglizenz über den zentralen Kontrahenten abrechnen können, heißen Direct Clearing Members (DCM)397 oder Individual Clearing Members (ICM).398 Mitglieder, die zusätzlich auch Handelsabschlüsse von dritten Handelsteilnehmern abrechnen können, die keine eigene Clearinglizenz besitzen (Non Clearing Members, NCM) werden als General Clearing Members (GCM) bezeichnet.399 Sie können durch die Clearing-Bedingungen verpflichtet werden, mit allen Nichtclearingmitgliedern, die die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen zum Handel erfüllen, Vereinbarungen zur Abrechnung derer Geschäfte abzuschließen.400 Diese zweigeteilte Struktur eröffnet Handelsteilnehmern, für die sich eine eigene Clearingmitgliedschaft nicht lohnt, die Möglichkeit ihre Geschäfte günstiger über den zentralen Kontrahenten abzurechnen. Das ist wichtig, da an vielen Märkten die Abrechnung über ein bestimmtes ACHTUNGREClearinginstitut einschließlich der zentralen Gegenpartei eine Voraussetzung zur Zulassung zum Handel darstellt.401 Häufig wählen ausländische Handelsteilnehmer die Form des indirekten Zugangs. Als General Clearing Member kann in diesem Fall auch eine ausländische zentrale Gegenpartei fungieren, die ausländischen Handelsteilnehmern so den Zugang zur inländischen zentralen Gegenpartei herstellt.402 Fak393

Vgl. Kap. I, Abschn. 2.2, Abs. 1 Clearing-Bedingungen Eurex. BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 16 ff.; Eurex, Risk Based Margining, S. 6; Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 127; EZB, Monatsbericht August 2001, S. 80; Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 6. 395 Kap. I, Abschnitt 2.1, Abs. 3 Clearing-Bedingungen Eurex. 396 Kap. I, Abschnitt 2.2, Abs. 4 Clearing-Bedingungen Eurex; zur Frage der Zulässigkeit dieser Anforderungen als zusätzliche Börsenzulassungsvoraussetzungen vgl. Kunz, S. 208 ff. 397 Vgl. Kap I. Abschnitt 2.1, Abs. 2 Clearing-Bedingungen Eurex. 398 Vgl. Nr. 2 AGB x-clear. 399 Eurex, Risk Based Margining, S. 8; Ripatti, S. 10; London Economics, S. 8; Alfes, S. 46 f. 400 Vgl. Kap. I, Abschn. 9.2.1 Clearing-Bedingungen Eurex; zur Zulässigkeit dieser Verpflichtung vgl. Alfes, S. 149 ff. 401 Vgl. § 14 Abs. 3 BörsO FWB; Alfes, S. 41. 402 ECSDA, CSD Links, S. 16, 24. 394

96 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

tisch sind damit nur die bedeutendsten Handelsteilnehmer eines Marktes selbst ACHTUNGREClearingmitglieder. Dies fördert eine Mitgliederstruktur des Clearinghauses mit möglichst vergleichbarer Kreditwürdigkeit. Dadurch und durch die individuelle Berechnung von Sicherheitsleistungen wird einer Entwicklung entgegengewirkt, bei der Teilnehmer von überdurchschnittlicher Kreditwürdigkeit ihre Geschäfte bevorzugt bilateral abrechnen.403 Durch die zweistufige Mitgliedschaftsstruktur wird der Konflikt zwischen den Zielen einer hohen Nettingquote durch eine möglichst große Teilnehmerbasis einerseits und einer soliden Kreditwürdigkeit der Mitglieder andererseits bewältigt.404 Gleichzeitig kommt es dabei aber zu einer zusätzlichen Konzentration von Risiken bei den Clearingmitgliedern, da diese im Ergebnis das Risiko des Ausfalls eines Nichtclearingmitglieds zu tragen haben.405 (b) Sicherheiten für offene Positionen Vielfach bestehen Obergrenzen für offene Positionen der Mitglieder.406 Zusätzlich verlangen zentrale Gegenparteien die Hinterlegung von Sicherheiten (margins) zur Deckung des aus den Geschäften der Mitglieder resultierenden Ausfallrisikos (risk based margining).407 Die Risikoübernahme auf gedeckter Basis ist das zentrale Element zur Risikokontrolle. Hinsichtlich des gesicherten Anteils der offenen Positionen eines Clearingmitglieds reduziert sich das Kreditrisiko der zentralen Gegenpartei auf die mit den Sicherheiten zusammenhängenden Markt- und Liquiditätsrisiken.408 Da mögliche Ausfallschäden in Höhe der Sicherheiten vom ausfallenden Mitglied selbst getragen werden, spricht man von einem defaulter-pays-Prinzip.409 Sicherheiten sind in Bargeld oder liquiden Effekten zu stellen,410 die bei Bedarf schnell verwertet werden können.411 Die Clearingmitglieder haben dazu in der Regel Pfanddepots bei einer Wertpapiersammelbank und Geldkonten bei der jeweiligen Nationalbank oder einer Geschäftsbank zu unterhalten.412 Sicherheiten werden zu verschiedenen Zeitpunkten angefordert (margin calls). Die erste Sicherheitsleistung ist beim Abschluss eines Handelsgeschäftes durch ein Clearingmitglied oder ein verbundenes Nicht-Clearingmitglied notwendig ACHTUNGRE(clearing margin oder initial margin). Die Sicherheiten werden in der Regel am 403

Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 126; Ripatti, S. 21; Kunz, S. 73. 404 Vgl. BIS, Angell-Report, S. 19. 405 Alfes, S. 155. 406 Dazu BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 10. 407 Eingehend Eurex, Risk Based Margining, S. 14 ff. 408 Hess, AJP 2004, 708. 409 Ripatti, S. 28; Hess, AJP 2004, 706. 410 Vgl. Kap. I, Abschn. 3.3 f. Clearing-Bedingungen Eurex. 411 Bernanke, RFS 1990, vol. 3 Nr. 1, 142; BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 21 f.; Eurex, Risk Based Margining, S. 56; Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 127. 412 Ruland, S. 217.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Ende eines Handelstages berechnet und sind am darauffolgenden Tag zu leisten.413 Manche ACHTUNGREClearinghäuser bewerten offene Positionen im Lauf der Abwicklungsphase neu (sog. ACHTUNGREmarking-to-market Verfahren) und verlangen daraufhin gegebenenfalls Nachschusssicherheiten (additional margin oder variation margin).414 Teilweise werden den ACHTUNGREClearingmitgliedern, deren offene Positionen sich in der Zwischenzeit zu ihren Gunsten verändert haben, auch überschüssige Sicherheiten zurückerstattet.415 Auch die bestellten Sicherheiten selbst unterliegen einer täglichen Neubewertung hinsichtlich ihres Marktpreises und sind im Falle einer Abwertung (haircut) aufzustocken.416 Die Neubewertung der offenen Position findet normalerweise am Ende eines jeden Handelstages statt. An sehr volatilen oder illiquiden Märkten können auch während eines Handelstages Nachschusssicherheiten verlangt werden (intraday margin).417 Durch diese Positionsverwaltung reagiert die zentrale Gegenpartei auf veränderte Risiken durch negative Kursentwicklungen und gewährleistet eine möglichst risikoadäquate Besicherung.418 Sie kann so Schwierigkeiten eines Clearingmitglieds bereits zu einem frühen Zeitpunkt erkennen.419 Die Berechnung der Sicherheitsleistung ist abhängig vom gehandelten Produkt,420 dessen Börsenkurs und seiner ACHTUNGREhistorischen Volatilität sowie der individuellen Risikosituation des jeweiligen Mitglieds.421 Sicherheitsleistungen können auf Brutto- oder auf Nettobasis berechnet werden. In der Praxis überwiegen Clearingsysteme, die Sicherheitsleistungen auf Nettobasis berechnen.422 Der konkrete Schutz durch das risk based margining hängt von der Güte der Berechnungsmethode, der Frequenz der Neubewertung, der Qualität der Sicherheiten und nicht zuletzt von der Anerkennung des Sicherungsrechts durch das anzuwendende Recht ab.423 Schwierigkeiten können sich bei grenzüberschreitenden Handelsgeschäften ergeben, wenn ein ausländischer Handelsteilnehmer Sicherungsrechte an Werten bestellen will, die in seinem Heimatland verbucht sind.424 Das Problem ist einfach zu überwinden, wenn die zentrale Gegenpartei auch auf dem Heimatmarkt des 413

Vgl. Kap. I, Abschn. 3.1, Abs. 1 Clearing-Bedingungen Eurex; Wendt, S. 6; Ripatti,

S. 10. 414

Vgl. Kap. I, Abschn. 3.1, Abs. 3 Clearing-Bedingungen Eurex. Wood, Rn. 12-21; Ripatti, S. 10. 416 BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 22; Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 6. 417 Wendt, S. 7 ff.; Eurex, Risk Based Margining, S. 15 f.; Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, S. 127. 418 Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparties, S. 7. 419 Wendt, S. 10 ff. 420 DTCC, CCP White Paper, S. 6. 421 Vgl. Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, 165 ff.; Hess, AJP 2004, 707; Ripatti, S. 21; Ruland, S. 217; Eurex, Risk Based Margining, S. 17 f. 422 Knott/Mills, Financial Stability Review December 2002, 163; Wendt, S. 6. 423 BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 11; DTCC, CCP White Paper, S. 6. 424 ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 10. 415

98 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

ausländischen Teilnehmers operiert. In diesem Fall können ihr die Sicherheiten dort bestellt werden. Ebenso ist denkbar, dass zwei zentrale Gegenparteien eine Verbindung einrichten, indem sie sich gegenseitig als General Clearing Member akzeptieren. Jede Gegenpartei kann dann Sicherheiten ihrer Teilnehmer dazu verwenden, um die Geschäfte der Teilnehmer auf dem jeweils ausländischen Markt abzusichern. Beide Varianten bieten den Teilnehmern den Vorteil, dieselben Sicherheiten für inländische und ausländische Transaktionen verwenden zu können.425 Arbeitet die zentrale Gegenpartei jedoch nur auf einem Markt, so kann der ausländische Teilnehmer seine Geschäfte über ein lokales Clearingmitglied abrechnen lassen oder selbst Mitglied im Clearingsystem werden. In beiden Fällen kann es erforderlich sein, Sicherungsrechte an Wertpapieren grenzüberschreitend zu bestellen. (c) Regeln zur Verlusttragung Die zu hinterlegenden Sicherheiten werden so berechnet, dass sie die meisten vorhersehbaren Preisbewegungen, nicht aber alle denkbaren Entwicklungen abdecken.426 Für den Fall, dass Verluste nicht durch Sicherheiten aufgefangen werden können, stellt sich die Frage, wer diese Verluste zu tragen hat. Teilweise werden dazu Eigenmittel des zentralen Kontrahenten herangezogen. Verluste können auch ganz oder teilweise von einer Drittpartei, beispielsweise einer Versicherung aufgefangen werden (insurance-pays-Prinzip).427 Gängig ist auch eine zumindest partielle Verlusttragung durch die übrigen Clearingmitglieder (survivor pays-Prinzip).428 Grund für solche Vereinbarungen zur Verlustverteilung ist der Gedanke, dass die Gemeinschaft Verluste besser absorbieren kann als einzelne Clearingteilnehmer; damit wird die Ansteckungsgefahr, also die Gefahr von Kettenreaktionen als Folge des Ausfalls einzelner Clearingmitglieder, reduziert.429 Zu diesem Zweck halten zentrale Gegenparteien Clearing-Fonds (default funds) vor. Sie werden aus Beiträgen aller Clearingmitglieder in Form von Bankgarantien oder Sicherheiten in Geld oder Wertpapieren vorab gespeist und können bei ungesicherten Verlusten der zentralen Gegenpartei angegriffen werden.430 Denkbar sind auch nachträgliche Einstandspflichten der übrigen Mitglieder, die ebenfalls durch Pfandrechte gesichert sein können.431 Die Beitragshöhe richtet sich nach der Art der Clearingmitgliedschaft und dem Umfang der Tätigkeit eines Mitglieds.432

425

ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 11. BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S 11. 427 Hills/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 126; Hess, AJP 2004, 706. 428 Hess, AJP 2004, 706; Evanoff/Russo/Steigerwald, in: EZB, Central Counterparty, S. 7. 429 Hess, AJP 2004, 707. 430 Vgl. Kap. I, Abschn. 6.1 Clearing-Bedingungen Eurex; Nr. 7.6.2 AGB x-clear. 431 Hill/Rule/Parkinson/Young, Financial Stability Review June 1999, 127 f.; BIS/IOSCO, Recommendations for CCP, S. 11; Hess, AJP 2004, 708. 432 Hess, AJP 2004, 708. 426

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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d) Settlement Unter dem Begriff der Abwicklung (Settlement) versteht man die Erfüllung der nach dem Clearingvorgang feststehenden Verpflichtungen. Wertpapiergeschäfte werden erfüllt, indem der Verkäufer dem Käufer eine bestimmte Berechtigung an den nach Art und Menge bezeichneten Wertpapieren verschafft und der Käufer dem Verkäufer den vereinbarten Gegenwert bezahlt, soweit ein solcher vereinbart wurde.433 Zur Übertragung der Berechtigung an den Effekten kommen buchungsbasierte Wertpapierliefersysteme zum Einsatz. Die Zahlung wird im Rahmen von Zahlungssystemen vorgenommen. Der Settlement-Prozess gilt erst als abgeschlossen, wenn beide Transaktionen endgültig abgeschlossen sind.434 In der Regel sind die Zahlungs- und Wertpapierliefersysteme so miteinander verbunden, dass eine Lieferung der Wertpapiere Zug-um-Zug gegen Zahlung möglich ist (delivery versus payment, DVP).435 aa) Übertragung der Effekten Nach dem Grundkonzept des Wertpapierrechts werden die Wertpapiere zur Erfüllung von Handelsgeschäften vom Verkäufer physisch an den Käufer übergeben und übereignet. Man spricht deswegen auch noch heute von der Lieferung der Effekten (delivery), obwohl die Urkunden selbst nicht mehr bewegt werden, sondern durch buchungsbasierte Wertpapierliefersysteme übertragen werden. An zentraler Stelle steht dabei die Wertpapiersammelbank, bei der die betreffenden Effekten verwahrt werden. Im einfachsten Fall unterhalten die Depotbank des Veräußerers und die des Erwerbers ein Wertpapierkonto bei derselben Wertpapiersammelbank. Auf Anweisung der Depotbank des Veräußerers wird das Abwicklungssystem ihr Konto um die entsprechende Lieferverpflichtung belasten und die Effekten auf dem Konto der Depotbank des Erwerbers gutschreiben. Die Intermediäre nehmen sodann selbst entsprechende Buchungen auf den Depotkonten vor, die sie für ihre Kunden (Investoren oder weitere zwischengeschaltete Intermediäre) führen. Schwieriger gestaltet sich die Situation bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Hier sind neben der endverwahrenden Wertpapiersammelbank und den lokalen Intermediären gegebenenfalls weitere Wertpapiersammelbanken, internationale Zentralverwahrer, Global Custodians oder andere depotführende Stellen in die Buchungskette eingebunden.436 Problematisch ist dabei unter anderem, wenn die Rechtsnatur der Berechtigung, die durch die Buchungsvorgänge übertragen wird, national unterschiedlich ausgestaltet ist.

433 Giovannini Group, 2001 Report, S. 5; London Economics, S. 8; Benjamin, JIBFL 2003, 127; Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 496. 434 Giovannini Group, 2001 Report, S. 6; Wechsler, S. 71. 435 Kümpel, Rn. 10.301. 436 Zum Ablauf der grenzüberschreitenden Wertpapierübertragung siehe unten B.III.

100 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

(1) Settlementfrist Unter der Abwicklungs- oder Settlementfrist versteht man den Zeitraum zwischen dem Tag des Geschäftsabschlusses (trade date „T“) und der Beendigung des Abwicklungsvorganges. Der Zeitraum wird für die Übermittlung und den Abgleich der Daten, eine eventuelle Verrechnung und die Bereitstellung der geschuldeten Werte benötigt.437 Die Abwicklung innerhalb einer bestimmten Frist nach Geschäftsabschluss (rolling settlement) hat sich weitgehend gegenüber der Abwicklung aller Geschäftsabschlüsse einer bestimmten Periode an einem festen Tag (account day settlement) durchgesetzt.438 Bei Börsengeschäften werden die Abwicklungsfristen von den Regularien der jeweiligen Börse festgelegt. Im außerbörslichen Bereich können sie von den Vertragsparteien auch frei vereinbart werden. Für Aktiengeschäfte ist international ein dreitägiger Abwicklungszeitraum üblich (T+3).439 In Deutschland ACHTUNGREermöglicht Clearstream eine Erfüllung innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Geschäftsschluss (T+2).440 Während des Abwicklungszeitraums tragen die Handelspartner oder gegebenenfalls die zentrale Gegenpartei das Risiko des Ausfalls der ACHTUNGREGegenpartei. Die Verkürzung dieses Zeitraums führt damit unmittelbar zu einer Reduzierung von Gegenparteirisiken und, soweit offene Positionen mit Risikokapital unterlegt werden müssen, auch zur Erhöhung der Liquidität der Teilnehmer.441 Immer wieder werden deshalb Anstrengungen zur Verkürzung der Abwicklungsfristen angeregt.442 Dies ist bei grenzüberschreitenden Transaktionen schwieriger zu erreichen als im nationalen Bereich. Grund dafür ist die größeren Zahl involvierter Intermediäre, die mehr Zeit für Abgleichungs- und Bestätigungsprozesse benötigen. Hinzu kommen unterschiedlichen Zeitzonen und nationalen Feiertagsregelungen.443 Für eine schnellere grenzüberschreitende Abwicklung ist deshalb vor allem die technische Fortentwicklung der Abwicklungssysteme entscheidend.444 Unabhängig von der Dauer sind bei grenzüberschreitenden Transaktionen aber bereits unterschiedliche Abwicklungsfristen und Zeitpunkte, zu denen die Übertragungen endgültig wer-

437

Wechsler, S. 70. In diesem Sinne bereits die Empfehlung der Group of Thirty, 1989 Report, S. 14, 43 f.; Kröpfl, S. 36; abweichend davon besteht beispielsweise an der Pariser Börse noch die Möglichkeit, Aufträge erst am letzten Handelstag des Monats abwickeln zu lassen (deferred settlement and delivery), vgl. Euronext, Rule Book, Book II, French regulated markets, Article P 2.2.1. (Stand. 15. 1. 2009), abrufbar unter www.euronext.com. 439 CESAME, CESAME Report, S. 45; einen Überblick über Abwicklungszeiträume im Ausland gibt Ruland, S. 113 f. 440 Clearstream, Customer Handbook, 3-3. 441 Thomas, S. 22. 442 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 10; zu notwendigen Strukturveränderungen für die Abwicklung in T+0, vgl. Leinonen, S. 23 ff. 443 BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 10. 444 Giovannini Group, 2003 Report, S. 9. 438

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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den, hinderlich.445 Deutlich wird dies bei Arbitragegeschäften, bei denen Effekten auf einem Markt erworben werden, um sogleich auf einem anderen Markt wieder verkauft zu werden. Aus der Perspektive international tätiger Investoren ist deshalb eine Vereinheitlichung nationaler Abwicklungsfristen mindestens ebenso wichtig wie ihre Verkürzung.446 (2) Zyklische und kontinuierliche Abwicklung Generell kann man zwischen einer zyklischen und einer kontinuierlichen Abwicklung unterscheiden.447 Bei der traditionellen zyklischen Abwicklung werden alle innerhalb eines bestimmten Zeitraums ordnungsgemäß erteilten Aufträge, die zusammengeführt und freigegeben wurden, zu einem festen Zeitpunkt gleichzeitig verarbeitet. Dies wird als Massen- oder Batchverarbeitung bezeichnet.448 Sofern die einzelnen Transaktionen nicht bereits auf Ebene des Clearings durch einen zentralen Kontrahenten verrechnet wurden, besteht auch hier noch die Möglichkeit, Lieferund/oder Zahlungsverpflichtungen auf Nettobasis abzuwickeln. Dies ist bei klassischen zyklischen Abwicklungssystemen die Regel.449 Wenn hingegen für die Lieferbzw. Zahlungsverpflichtungen kein Settlement-Netting vorgesehen ist, müssen die Teilnehmer vor Beginn des Abwicklungszyklus ausreichend Liquidität vorhalten, um sicherzustellen, dass ihre offenen Verpflichtungen auch unabhängig von der Erfüllung gegenläufiger Geschäfte auf Bruttobasis erfüllt werden können. Kurzzeitigen Unterdeckungen kann auf Wertpapierseite durch das Instrument der Wertpapierleihe, auf Zahlungsseite durch Kreditlinien begegnet werden. Darüber hinaus sehen manche Abwicklungssysteme auch die Möglichkeit einer lediglich partiellen Abwicklung vor. Abwicklungssysteme können zudem Sortieralgorithmen vorsehen und Prioritäten festlegen, durch die die Reihenfolge der Transaktionen beeinflusst und so die Anzahl abwickelbarer Transaktionen maximiert werden.450 Vielfach sehen zyklische Abwicklungssysteme für einen Erfüllungstag mehrere Abwicklungszyklen vor. Dies verhindert, dass Geschäfte, die beim ersten Abwicklungsverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, bis zum nächsten Erfüllungstag offen bleiben.451 Darüber hinaus stehen Effekten so am selben Geschäftstag für die Abwicklung weiterer Transaktionen zur Verfügung (same-day-turnaround). 445

BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 7; Giovannini Group, 2001 Report, S. 48; vgl. auch Gruson, AG 2004, 375 am Beispiel der unterschiedlichen Abwicklungsfristen in Deutschland und den USA. 446 Zum Stand der Vereinheitlichung der Abwicklungsfristen in Europa vgl. CESAME, CESAME Report, S. 45 ff. 447 Zum Einsatz der beiden Systemtypen in europäischen Abwicklungssystemen vgl. Kröpfl, S. 42. 448 Clearstream, Customer Handbook, 1-8. 449 Kröpfl, S. 38 f. 450 BIS, DVP, S. 18; Wechsler, S. 73; Kröpfl, S. 39; vgl. auch EZB, Blue Book Juni 2001, S. 153. 451 Kröpfl, S. 37.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Bei der kontinuierlichen Abwicklung werden die Abwicklungsaufträge demgegenüber fortlaufend und nacheinander erfüllt, sobald sie ordnungsgemäß erteilt worden sind. Eine Verrechnung mit anderen Transaktionen ist dabei jedenfalls auf Stufe der Abwicklung nicht mehr möglich.452 Die geldseitige Abwicklung ist davon grundsätzlich unabhängig. Nur soweit keine signifikante Zeitspanne zwischen der Freigabe der Transaktion und ihrer finalen Verarbeitung liegt, spricht man von einem EchtzeitBruttoabwicklungssystem (Real-Time Gross Settlement, RTGS).453 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass auch die geldseitige Abwicklung unmittelbar abgeschlossen werden kann. Ein RTGS System wickelt damit kontinuierlich einzelne Transaktionen mit unmittelbar finaler Wirkung ab. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit des ACHTUNGRENettings auf Abwicklungsebene stellen kontinuierliche Abwicklungssysteme hohe Anforderungen an die Liquidität der Teilnehmer.454 Sie sind damit einem größeren Risiko von Settlementblockaden ausgesetzt und eignen sich deswegen eher für Kapitalmärkte mit niedrigen Volumina. Durch das Instrument der Wertpapierleihe kann die kontinuierliche Abwicklung auch auf größeren Märkten sinnvoll eingesetzt werden.455 Werden die Geschäftsabschlüsse beim Clearing von einer zentralen Gegenpartei verrechnet, so werden anschließend allein die abzuwickelnden Spitzen an das Abwicklungssystem weitergeleitet. Die Spitzen werden dort meist ausschließlich im Rahmen einer zyklischen Abwicklung verbucht.456 Die kontinuierliche Abwicklung würde in diesem Fall keinen besonderen Sinn machen, da die errechneten Spitzen von der zentralen Gegenpartei ohnehin zur gleichen Zeit in das Abwicklungssystem eingestellt werden.457 (3) Effektenübertragung im CASCADE System von Clearstream Es ist an dieser Stelle weder möglich noch erforderlich, die Abwicklungsverfahren verschiedener Abwicklungssysteme im Einzelnen darzustellen. Lediglich die Grundzüge sollen am Beispiel des Abwicklungssystems CASCADE der Clearstream ACHTUNGREBanking AG Frankfurt (CBF) veranschaulicht werden.458 Das CASCADE System eignet sich dafür sehr gut, da es sowohl auf Wertpapierseite als auch auf Zahlungsseite verschiedene Abwicklungsverfahren vorsieht. Über die CASCADE Plattform werden börsliche und außerbörsliche Geschäfte über Wertpapiere abgewickelt, die sich in Deutschland in Girosammelverwahrung befinden. Geschäfte über Wertpapiere, die im Ausland angeschafft und verwahrt wer452

Kröpfl, S. 40. ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 9; de Carvalho, S. 16. 454 BIS, DVP, S. 17; de Carvallho, S. 19. 455 Kröpfl, S. 41; de Carvallho, S. 19. 456 Vgl. Clearstream, Customer Handbook, 3-33. 457 Wechsler, S. 73. 458 CASCADE steht für Central Application for Settlement, Clearing and Depository Expansion. 453

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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den und über die der Kunde eine Gutschrift in Wertpapierrechnung erhält, werden über die Abwicklungsplattform Creation bei Clearstream Banking Luxemburg abgewickelt.459 Bei CASCADE bestehen auf Wertpapierseite kontinuierliche und zyklische Abwicklungsverfahren. Für jeden Erfüllungstag sind drei Zyklen für die Massenverarbeitung vorgesehen. Beim ersten Verarbeitungsdurchgang werden Aufträge berücksichtigt, die der CBF bis 19.00 Uhr am Vortag des Erfüllungstages erteilt werden. Diese Aufträge werden noch am selben Abend in der Nachtverarbeitung verbucht (Standard Settlement Batchverarbeitung). Noch nicht freigegebene Geschäfte können in zwei weiteren Durchgängen (10:00 Uhr und 13:15 Uhr) im Rahmen der Tagesverarbeitung am Erfüllungstag reguliert werden (Same-Day-Settlement Batchverarbeitung).460 Zwischen den einzelnen Massenverarbeitungen ist es auch möglich, Aufträge kontinuierlich einzeln und nacheinander abzuwickeln (Standard und SameDay Continous Settlement). Dabei kann die Zahlung je nach Auftrag des Kunden unverzüglich oder erst nach Abschluss aller wertpapierseitigen Buchungen ausgeführt werden. Im ersten Fall kann man von einem Real-Time Gross Settlement sprechen. In welchem Verfahren ein Auftrag zur Abwicklung kommt, hängt zum einen vom Auftrag des Abwicklungsteilnehmers ab. Für die Teilnahme am Real-Time Settlement ist eine besondere Anmeldung erforderlich. Die kontinuierliche Abwicklung kommt vor allem für OTC Geschäfte in Betracht, während die große Zahl der Börsengeschäfte in der Massendisposition verarbeitet wird.461 Darüber hinaus kommt es darauf an, ob eine zentrale Gegenpartei zwischengeschaltet ist, um welche Effekten es sich handelt und ob die Lieferung im DvP Verfahren ausgeführt werden soll.462 bb) Geldseitige Regulierung (1) Zahlung in Zentral- oder Geschäftsbankgeld Das Abwicklungssystem kann selbst Konten zur Geldregulierung führen. Meist werden jedoch andere Banken eingeschaltet, die Geldkonten für die Mitglieder des Abwicklungssystems führen. Das Abwicklungssystem unterhält dann lediglich interne Verrechnungskonten, die der Dokumentation der abwicklungsbezogenen Zahlungsvorgänge dienen.463 Bei fast allen europäischen Abwicklungssystemen werden Effektentransaktionen mit Guthaben und Kreditfazilitäten auf den Geldkonten bei der jeweiligen Zentralbank abgewickelt (central bank money).464 Die Teilnehmer am Abwicklungsprozess führen dabei entweder selbst ein Zentralbankkonto oder nutzen das

459 Blitz, in: Moormann/Fischer, S. 666 f.; zur Gutschrift in Wertpapierrechnung unten C.II.5.a)bb). 460 Ruland, S. 185. 461 Blitz, in: Moormann/Fischer, S. 670. 462 Zu den verschiedenen Fallgruppen Clearstream, Customer Handbook, 3-1 ff. 463 Vgl. Nr. 4 Abs. 2 AGB Clearstream. 464 Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 17; EZB, Blue Book, August 2007, S. 64.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Konto einer Drittbank.465 Durch die Nutzung von Zentralbankgeld werden vor allem Ausfall- und Liquiditätsrisiken auf der Zahlungsseite reduziert.466 Darüber hinaus haben die Banken so die Möglichkeit, zur Überwindung kurzeitiger Liquiditätslücken besicherte Kreditlinien der Zentralbanken zu nutzen (Spitzenrefinanzierungsfazilität). In manchen Systemen ist auch die Zahlung über Geldkonten bei privaten Banken möglich (commercial bank money). Dies gilt vor allem bei Abwicklungssystemen, die von internationalen Zentralverwahrern geführt werden, da deren Mitglieder ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben und deswegen keine Konten bei der gleichen Zentralbank führen.467 Über die jeweiligen Geldkonten können nicht nur die Gegenwerte für Wertpapiergeschäfte abgerechnet werden, sondern auch Zinsen, Dividenden und andere Erträge sowie Gebühren und Courtagen im Zusammenhang mit der Verwahrung und Verwaltung der Effekten. Die im Einzelnen komplizierten Zahlungsvorgänge sind in den nationalen Abwicklungssystemen unterschiedlich ausgestaltet. Abweichungen können darüber hinaus auch innerhalb eines Systems zwischen verschiedenen Effektenabwicklungsverfahren bestehen. (2) Delivery versus Payment Einen großen Stellenwert nimmt die Verknüpfung von Lieferung und Zahlung im Sinne einer Zug-um-Zug Erfüllung ein (delivery versus payment, DvP). Eine Lieferung, deren Wirksamkeit rechtlich nicht von einer gegenläufigen Zahlung abhängig ist, bezeichnet man demgegenüber als free of payment (FoP).468 DvP ist die effektivste Möglichkeit, die liefer- und zahlungsseitigen Erfüllungsrisiken für die Teilnehmer oder den zentralen Kontrahenten wirksam zu reduzieren.469 Ein DvP-System stellt sicher, dass im Zuge des Austausches der Leistungen kein Teilnehmer seine Werte durch die Insolvenz der Gegenpartei verliert. Es wirkt dadurch zu einem gewissen Grad auch dem Liquiditätsrisiko entgegen, indem es Marktteilnehmer davon abhält, bei Marktturbulenzen eigene Leistungen aufgrund der Sorge zurückzuhalten, die Gegenleistung nicht zu erhalten.470 DvP ist gewährleistet, wenn die Lieferung der Effekten und ihre Bezahlung erst dann rechtlich unwiderruflich und unbedingt (final) sind, wenn auch die andere Seite ihrer Leistungspflicht in unwiderruflicher und unbedingter Weise nachgekommen ist.471 Keine Seite soll gleichzeitig Wertpapiere und Gegenleistung innehaben.

465 466 467 468 469 470 471

Vgl. Nr. 4 Abs. 3 AGB Clearstream. BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 17 f.; ECSDA, CSD Links, S. 40. Norman, S. 13 f.; Kröpfl, S. 29. Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 9. Blitz, in: Moormann/Fischer, S. 668 f.; Than, Unif. L. Rev. 2005, 268. BIS, DVP, S. 15. BIS, DVP, S. 15; ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 8.

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Eine Transaktion auf Ebene der Wertpapiersammelbank besteht im Ergebnis aus vier Buchungen, nämlich einer Gutschrift und einer Belastung auf Wertpapierseite und einer Gutschrift und einer Belastung auf Geldseite. DvP ließe sich am einfachsten bewerkstelligen, wenn sowohl die wertpapier- als auch die geldseitigen Buchungen zur gleichen Zeit vorgenommen würden. Dies ist jedoch praktisch schwer zu verwirklichen.472 In der Regel werden die geldseitigen Buchungen von den Zentralbanken oder Geschäftsbanken vorgenommen. Folglich ist eine Abstimmung zwischen Abwicklungs- und Zahlungssystem notwendig.473 DvP kann dadurch gewährleistet werden, dass Effekten vor dem Abschluss des Zahlungsvorgangs lediglich provisorisch auf das Zielkonto oder ein Sonderkonto des Abwicklungssystems umgebucht werden. Die Wirksamkeit der Belastungsbuchung hängt dann von der Zahlung durch die Gegenpartei ab. Alternativ können sie auch auf dem Depotkonto des Intermediärs auf Veräußererseite verbleiben, aber für weitere Transaktionen gesperrt werden.474 Nach der Umbuchung bzw. Sperrung der Effekten kann das Abwicklungssystem den Teilnehmern und den beteiligten Zahlungsbanken die zum Ausgleich erforderlichen Geldbeträge mitteilen. Die Teilnehmer können sodann die notwendigen Zahlungsinstruktionen erteilen. Der Zahlungsausgleich kann auf Brutto- oder Nettobasis vorgenommen werden. Mit der Umbuchung der Geldbeträge durch die Bank werden auch die Effektenübertragungen rechtswirksam.475 Es ist naheliegend, den Abwicklungsvorgang mit der provisorischen Umbuchung der Effekten zu beginnen, weil sie das weniger liquide Gut sind. Die Effekten können darüber hinaus vom Abwicklungssystem selbst gesperrt werden, während eine Reservierung von Geldbeträgen grundsätzliche die Mitwirkung der Zahlungsbanken erfordert.476 Zur Vermeidung von Rückabwicklungen auf Wertpapierseite wegen eines Fehlers auf Zahlungsseite ist aber auch möglich, dass die Teilnehmer vor Beginn des Abwicklungsvorganges die erforderlichen Geldbeträge auf ihrem Geldkonto reservieren lassen müssen (prefunded settlement). Dazu berechnet das Abwicklungssystem bereits vorab den zum Zahlungsausgleich voraussichtlich erforderlichen Betrag (cash forecast). Mit der Reservierungszusage garantiert die Bank die anschließende Erfüllung der Zahlungsverpflichtung. Anschließend werden die Effekten und die erforderlichen Geldbeträge verbucht. Mit Abschluss beider Buchungsseiten ist die Transaktion rechtlich unbedingt und unwiderruflich. Generell ist ein schneller Abwicklungsprozess wichtig, bei dem die Werte möglichst kurz in einem Schwebezustand gebunden sind. Ein schneller Abwicklungsprozess senkt den Liquiditätsbedarf der Teilnehmer und ermöglicht die Weiterverwendung der Werte am selben Geschäftstag. Bei grenzüberschreitenden Geschäften können die beteiligten Systeme und RechtsACHTUNGREordnungen unterschiedliche Voraussetzungen für eine finale, also unwiderruf472 473 474 475 476

ECSDA, CSD Links, S. 35. BIS, DVP, S. 17. ESCB/CESR, Standards, Rn. 85. Vgl. EZB, Blue Book Juni 2001, S. 153; ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 8. ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 24.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

liche und unbedingt rechtswirksame Wertpapier- oder Zahlungsbuchung vorsehen.477 Im Konfliktfall kann die Finalität eines Buchungserwerbs und damit auch die Wirksamkeit einer DvP Vereinbarung nach den beteiligten Rechtsordnungen streitig sein. Für die Europäische Union soll die Finalitätsrichtlinie in diesem Bereich für Klarheit sorgen.478 (3) Zahlungen im CASCADE System Beispielhaft seien die Zahlungsvorgänge am Beispiel des CASCADE Systems von Clearstream dargestellt. In Deutschland hat man sich grundsätzlich für die Abwicklung mit Zentralbankgeld entschieden.479 Dazu hat der Teilnehmer selbst oder eine von ihm zur Zahlungsabwicklung eingeschaltete Drittbank einen Abbuchungsauftrag an Clearstream für ein Bundesbankkonto zum Zweck der Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen zu erteilen. Clearstream verrechnet alle zahlungsseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten eines Teilnehmers zu einem positiven oder negativen Saldo und leitet den Ausgleich durch das Bundesbankkonto ein. Clearstream ist insoweit als Treuhänderin des Kunden tätig.480 Bei der Nachtverarbeitung kommt das Zahlungssystem TARGET2 zum Einsatz. Dabei muss der Kunde vor dem Start der Nachverarbeitung um 19.00 Uhr des Erfüllungsvortages auf einem bei TARGET2 geführten Konto (dem sog. RTGS-Hauptkonto) für ausreichend Liquidität durch die Deutsche Bundesbank sorgen (prefunded liquidity). Der Kunde kann dazu Guthaben auf seinem Bundesbankkonto oder eine besicherte Kreditlinie der Bundesbank in Anspruch nehmen. Gleichzeitig muss er den zur Abwicklung voraussichtlich erforderlichen Betrag im CASCADE System reservieren. Bei der Ermittlung des Zahlungsbetrages wird der Kunde durch die Cash-Forecast Funktion von CASADE unterstützt. Die eigentliche Regulierung der Liefer- und Zahlungsaufträge kann sodann in der ersten Massenverarbeitung von 19.00 bis 21.00 Uhr durch Clearstream vorgenommen werden. Reservierte Liquidität, die nach der Massenverarbeitung noch zur Verfügung steht, kann für weitere Abwicklungen im Rahmen der kontinuierlichen Übernachtverarbeitung herangezogen werden.481 Durch die vorangehende Bereitstellung von Zentralbankliquidität besteht beim Massenverfahren bereits mit Abschluss der Verrechnung um 21.00 Uhr des Erfüllungsvortages Gewähr für die Erfüllung der Geschäfte, auch wenn Finalität im rechtlichen Sinne erst mit dem Abschluss der Geldverrechnung durch TARGET2 um 7.00 Uhr des Folgetages eintritt.482 Bei den beiden Massenverarbeitungen und den jeweils vorangehenden kontinuierlichen Verarbeitungen am Erfüllungstag wird TARGET2 bislang noch nicht einge-

477 478 479 480 481 482

ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 8 f. Vgl. dazu unten D.IV.2. Blitz, ZKW 2001, 1244. Nr. 9 Abs. 1 (a) AGB Clearstream. Sog. New German Settlement Model (NGSM), Clearstream, Customer Handbook, 4-3 f. Clearstream, Customer Handbook, 1-8.

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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setzt.483 Hier werden die Effekten zunächst durch das CASCADE System provisorisch verbucht und anschließend die erforderlichen Geldsalden berechnet. Die Salden werden sowohl dem Kunden als auch der Deutschen Bundesbank mitgeteilt. Die Deutsche Bundesbank prüft die Konten der Kunden auf ausreichende Deckung und bucht die entsprechenden Belastungen und Gutschriften. Das jeweilige Mitglied hat für ausreichende Deckung auf seinem Konto zu sorgen. Gegebenenfalls gewährt Clearstream auch einen kurzzeitigen Überbrückungskredit.484 Die rechtliche Erfüllung der Geschäfte tritt mit der Bestätigung durch die Deutsche Bundesbank nach dem jeweiligen Abwicklungszyklus ein.485 Beim kontinuierlichen Realtime-Settlement am Erfüllungstag hingegen sperrt Clearstream die Effekten auf Verkäuferseite und leitet die Zahlung durch die Bundesbank ein. Nach der Bestätigung der Zahlung durch die Bundesbank werden die Effekten mit sofortiger Erfüllungswirkung im CASCADE System verbucht.486 Schließlich führt Clearstream auch selbst Geldkonten für seine Mitglieder, die zur Abwicklung von Effektengeschäften herangezogen werden können. Dies ist beispielsweise bei der Abwicklung von Geschäften über ausländische Effekten nötig, die in Wertpapierrechnung verwahrt oder in die Girosammelverwahrung einbezogen sind.487 Diese Geschäfte werden über die Plattform Creation abgewickelt, die von Clearstream Luxemburg betrieben wird.488 (4) Grenzüberschreitende Zahlungsabwicklung Zusätzlichen rechtlichen und operationellen Schwierigkeiten unterliegt der Zahlungsvorgang bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Grund dafür ist, dass die Geldmittel nicht innerhalb eines nationalen Zahlungssystems umgebucht werden, sondern von einem System in ein anderes transferiert werden müssen.489 Es ist denkbar, dass ein ausländischer Teilnehmer seine Geschäfte über ein Konto bei der Zentralbank im Land des Abwicklungsinstituts abrechnet. In der Regel kann ein ausländischer Teilnehmer, der einen Direktzugang zum inländischen Abwicklungssystem nutzt, jedoch kein Konto bei der inländischen Zentralbank eröffnen oder zumindest deren Kreditfazilitäten nicht in gleichem Umfang wie eine inländische Bank in Anspruch nehmen. Die unmittelbare Nutzung von Zentralbankgeld und die Teilnahme an der institutionalisierten Zahlungsabwicklung sind deshalb nur beschränkt mög-

483 Die Umstellung der Geldverrechnung bei der Tagesverarbeitung auf TARGET2 war für Mitte 2008 vorgesehen, Deutsche Bundesbank, Elektronische Wertpapierverrechnung, S. 3. 484 Nr. 9 Abs. 2 AGB Clearstream. 485 Clearstream, Customer Handbook, 4-8; Deutsche Bundesbank, Elektronische Wertpapierverrechnung, S. 2. 486 Clearstream, Customer Handbook, 4-9. 487 Nr. 4 Abs. 1 AGB Clearstream. 488 Clearstream, Customer Handbook, 4-9; 4-11. 489 ECSDA, CSD Links, S. 40.

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

lich.490 Praktisch muss ein ausländischer Abwicklungsteilnehmer entweder ein Konto bei dem Abwicklungsinstitut selbst führen oder eine inländische Zahlungsbank einschalten, um deren Zugang zu Zentralbankliquidität zu nutzen.491 In Ausnahmefällen wird die Geldverrechnung auch über eine Kontoverbindung zwischen der abwickelnden Wertpapiersammelbank und der Heimatwertpapiersammelbank des ausländischen Teilnehmers abgewickelt.492 Häufig wird ein ausländischer Teilnehmer nicht ausreichend Finanzmittel im Land der Abwicklung vorhalten und deswegen bei der Abwicklung auf zusätzliche Liquidität in einem anderen Staat zurückgreifen müssen. Die dabei erforderlichen Devisengeschäfte stellen ein zusätzliches Abwicklungsrisiko dar. Deswegen und aufgrund unterschiedlicher Geschäftszeiten der Zahlungssysteme kann die Gewährleistung von DvP bei grenzüberschreitenden Transaktionen beeinträchtigt werden.493 Innerhalb des Euroraumes konnten die Währungsprobleme durch die Einführung des Euro als gemeinsame Währung behoben werden. Eine vereinfachte Nutzung ausländischer Liquidität wurde hier ferner durch das Zahlungssystem TARGET2 erreicht. Dieses System, das den Betrieb Ende 2007 aufgenommen hat, macht Geldmittel und Kreditfazilitäten, die ein ausländischer Teilnehmer bei seiner Heimatzentralbank vorhält, auch für Zahlungen in ausländischen Abwicklungssystemen verfügbar.494 Ein ähnliches Ergebnis wurde bereits vorher durch das sog. Guarantee Concept von ACHTUNGREClearstream und der Deutschen Bundesbank erreicht. Dies ermöglichte ausländischen Wertpapierhändlern, Liquidität bei ihrer Heimatzentralbank direkt zur Abrechnung von Geschäften durch Clearstream heranzuziehen. Sofern zwischen ihrer Heimatzentralbank und der Deutschen Bundesbank eine entsprechende Vereinbarung bestand, konnten ausländische Abwicklungsteilnehmer ihre Heimatzentralbanken dazu veranlassen, gegenüber der Deutschen Bundesbank eine Garantie zugunsten des ausländischen Teilnehmers abzugeben. Anschließend konnte die Geldverrechnung in Zentralbankgeld stattfinden. Nach Abschluss des Abwicklungsvorganges wurden die jeweiligen Salden zwischen den Zentralbanken ausgeglichen.495 Mit der Einführung von TARGET2 hat dieses Konzept an Bedeutung verloren; es wird aber weiterhin ein nützliches Instrument für Abwicklungsteilnehmer sein, die von außerhalb des Eurosystems aus agieren.496

490

Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 19. Giovannini Group, 2001 Report, S. 48; ECSDA, CSD Links, S. 36. 492 ECSDA, CSD Links, S. 37 f. 493 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 19 f. 494 Vgl. Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 19; ECSDA, CSD Links, S. 42 ff.; CESAME, CESAACHTUNGREME Report, S. 54 f. 495 London Economics, S. 75; ECSDA, CSD Links, S. 41; Clearstream, Clearstream and Bundesbank simplify cross-border settlement, joint media release by Deutsche Bundesbank and Clearstream, 6. September 2006 (abrufbar unter: www.clearstream.com). 496 ECSDA, CSD Links, S. 41. 491

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cc) Unterstützende Dienstleistungen Weitere, den Settlementprozess unterstützende Dienstleistungen werden unter dem Begriff des Liefermanagements zusammengefasst. Beispielsweise können die Teilnehmer in den Abwicklungsverlauf eingreifen, etwa durch die Freigabe bzw. ACHTUNGREBlockade einzelner Lieferungen, der Vergabe besonderer Lieferprioritäten oder der Festlegung einer bestimmten Abwicklungsreihenfolge zur Regulierung von Kettengeschäften (back-to-back-Geschäfte).497 Hinzu kommen Vorabberechnungen der anstehenden Liefer- und Zahlungsverpflichtungen sowie die Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Teilnehmer.498 Die zur Abwicklung erforderlichen Werte werden gegebenenfalls markiert oder gesperrt. Zusätzliche Dienstleistungen der Intermediäre sind bei der Übertragung von Namensaktien in Deutschland erforderlich. Anders als beispielsweise in den USA wird hier der Anleger selbst oder seine Depotbank im Aktienbuch des Emittenten eingetragen. Dazu gibt die Depotbank des Empfängers einen entsprechenden Umschreibungsauftrag mit den einzutragenden Daten des neuen Inhabers an das Abwicklungssystem CASCADE-RS ab, das die Clearstream Banking AG für die Abwicklung von Geschäften in Namensaktien betreibt.499 Der Auftrag und die Daten werden von ACHTUNGREClearstream an den Führer des Aktienbuchs bei der Emittentin weitergeleitet und dort elektronisch verarbeitet.500 Ferner werden sowohl auf Liefer- wie auch auf Zahlungsseite Instrumente zur Überbrückung vorübergehender Unterdeckungen angeboten.501 Bei einer zahlungsseitigen Unterdeckung können besicherte Kreditlinien durch die jeweilige Zentralbank oder gegebenenfalls vom Betreiber des Abwicklungssystems selbst in Anspruch genommen werden. Zur Überbrückung lieferseitiger Unterdeckungen besteht das Instrument der Wertpapierleihe.502 Wertpapierleihe (securities lending) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen der zeitweiligen, entgeltlichen Überlassung von Effekten an einen anderen Marktteilnehmer.503 In Deutschland versteht man darunter ein Sachdarlehen über börsengehandelte Wertpapiere gegen ein laufzeitabhängiges Entgelt (§ 607 BGB).504 Anhand der rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltung unterscheidet man Wertpapierdarlehensgeschäfte und Wertpapierpensionsgeschäfte (repurchase agreements).505 Der Darlehensgeber kann durch solche Geschäfte die 497

Kröpfl, S. 21. Kröpfl, S. 21 f. 499 Clearstream, Customer Handbook, 7-4. 500 Vgl. Nr. 46 Abs. 3 AGB Clearstream; Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 290 f.; Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 502. 501 Deutsche Börse, European Post-Trade Markets, S. 9. 502 Beck, in: Brunner/Vollath, S. 89 f. 503 Zur rechtlichen Gestaltung Acker, S. 33 ff. 504 Dörge, S. 39 ff.; Häuselmann, in: Gerke/Steiner, S. 2258 f. 505 Zur Abgrenzung vgl. Acker/Gossen, ZKW 1999, 1392; Acker, S. 75 ff. 498

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Rendite seines Portfolios verbessern und seine Depotgebühren senken.506 Aus Sicht des Darlehensnehmers dient die Wertpapierleihe als Instrument zur Risikoabsicherung (Hedging) oder für bestimmte Handelsstrategien, wie beispielsweise Arbitragegeschäfte zwischen Termin- und Kassamarkt.507 Die traditionelle Funktion von Wertpapierleihgeschäften liegt aber in der Überbrückung von Lieferverzögerungen bei der Abwicklung von Wertpapierhandelsgeschäften.508 Dazu kann es kommen, weil der Verkäufer bei mehreren hintereinandergeschalteten Geschäften über dasselbe Wertpapierkontingent die Werte selbst noch nicht erhalten hat. Diese Funktion ist bei grenzüberschreitenden Transaktionen von großer Bedeutung, da es hier aufgrund ACHTUNGREunterschiedlicher Börsenusancen, Erfüllungsfristen und Abwicklungsverfahren der einzelnen Handelsplätze häufiger zu Verzögerungen kommt.509 Ein Leihsystem zur Unterstützung des Settlementablaufes ist damit ein elementarer Bestandteil des Abwicklungsgeschäfts eines nationalen oder internationalen Zentralverwahrers.510 Bei der institutionalisierten und automatisierten Wertpapierleihe durch Wertpapiersammelbanken ist der Zentralverwahrer regelmäßig nicht selbst wirtschaftlicher Entleiher, sondern er fungiert als Vermittler oder zentraler Kontrahent.511 Die Werte, die Gegenstand der Leihgeschäfte sind, werden von den Teilnehmern zu diesem Zweck in einem Leihpool zur Verfügung gestellt.512 Die Darlehensnehmer haben Sicherheiten zur Deckung ihrer Rückübertragungspflichten zu leisten. Auch nationale und internationale Großbanken bieten als Bestandteil ihres Global Custody Services Wertpapierleihsysteme an. Sie treten dabei entweder selbst als Entleiher auf oder vermitteln bilaterale Leihgeschäfte zwischen ihren Kunden.513 e) Verwahrung und Verwaltung Zum Nachhandelsprozess gehören im weiteren Sinne auch alle Dienstleistungen, die im Rahmen der Verwahrung und Verwaltung der Effekten notwendig sind. Kapitalmarktwertpapiere werden fast ausschließlich sammelverwahrt. Bei unverbrieften Effekten ist vielfach die Wertpapiersammelbank als treuhänderische Inhaberin in das entsprechende Register eingetragen. Denkbare Berechtigungsformen, die der Investor im Rahmen der intermediären Wertpapierverwahrung erlangen kann, sind Gegenstand des folgenden Teils der Arbeit.

506

Dörge, S. 30 f.; Acker/Gossen, ZKW 1999, 1394. Beck, in: Brunner/Vollath, S. 90. 508 Group of Thirty, 1989 Report, S. 47 f.; Häuselmann, in: Gerke/Steiner, S. 2259 f.; Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 9. 509 Acker, S. 13 f.; ESCB/CESR, Standards, Rn. 63. 510 Acker/Gossen, ZKW 1999, 1394; Norman, S. 15. 511 Häuselmann, in: Gerke/Steiner, S. 2261. 512 Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 9. 513 Acker, S. 29 f.; Häuselmann, in: Gerke/Steiner, S. 2262. 507

II. Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Sofern es sich nicht um Namensaktien handelt, bei denen der Aktionär selbst im Aktienbuch eingetragen ist, kennt der Emittent die Identität des letztlich Berechtigten in der Regel nicht. Da sich der Berechtigte aber auch nicht unmittelbar durch Vorlage der Wertpapierurkunde legitimieren kann, erfordert Ausübung der verbrieften Rechte und die Durchführung anderer Verwaltungsmaßnahmen die Mitwirkung der verwahrenden Wertpapiersammelbank und der nachgeordneten Depotbanken. Aufgrund des Legitimationserfordernisses hat die Wertpapiersammelbank eine zentrale Rolle bei der Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen gegenüber dem Emittenten.514 Die zwischengeschalteten Depotbanken müssen vermittelnd tätig werden. Investoren stehen in der Regel auch im Rahmen der Wertpapierverwaltung nur mit ihrem unmittelbaren Intermediär in Verbindung, auch wenn die betreffenden Rechte und Pflichten direkt zwischen ihnen und dem Emittenten bestehen.515 Die einzelnen Verwaltungspflichten sind entweder gesetzlich festgelegt oder vertraglich in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart. Ein wichtiger Teil der Verwaltungstätigkeit betrifft zunächst die Abrechnung von Zins- und Dividendenausschüttungen und anderen Erträgen sowie die Gutschrift dieser Werte (Inkassopflichten). In Deutschland sorgt Clearstream für das Zins- und Dividendeninkasso sammelverwahrter Effekten. Es zieht die Beträge ein und schreibt sie der jeweiligen Depotbank gut, welche die Werte ihrerseits an ihre Kunden weiterleitet. Erforderliche Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die termingerechte Abtrennung und Einlösung von Zins- und Dividendenscheinen oder die Erhebung neuer Zins- oder Gewinnanteilsbogen.516 Die Depotbanken übernehmen ferner den Einzug fälliger Wertpapiere, wenn diese nach Auslosung oder Kündigung zur Rückzahlung fällig sind.517 Wertpapiersammelbanken und Depotbanken haben darüber hinaus eine Vermittlungsfunktion bei Kapitalmaßnahmen (corporate actions). Darunter fallen Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen, Aktiensplits, der Aktientausch im Rahmen von Fusionen, die Ausgabe von Bonusaktien oder der Bezugsrechtehandel.518 In Deutschland gehört zur Verwaltung generell eine ordnungsgemäße Berichterstattung über relevante Geschäftsvorgänge, die in den Wertpapier-Mitteilungen veröffentlicht werden.519 Die Depotbanken benachrichtigen ihre Kunden, übermitteln notwendige Informationen und fordern sie gegebenenfalls zur Erteilung von Weisungen auf.520 Gehen keine Weisungen ein, hat die Bank nach bestem Ermessen zu verfahren, sofern

514

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 153. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 78. 516 Vgl. Nr. 14, 33, 34 AGB Clearstream; Nr. 14 Abs. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 517 Nr. 14 Abs. 3 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 518 Beck, in: FS Horn, S. 673. 519 Vgl. Nr. 17 AGB Clearstream. 520 Vgl. im Einzelnen Than, in: Obst/Hintner, S. 854 ff.; Gericke/Saager, WM 2008, 625 ff. 515

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

damit keine Anlageentscheidung des Kunden verbunden ist. Bezugsrechte kann sie beispielsweise selbstständig verkaufen.521 Die Depotbanken müssen Aktionäre darüber hinaus im Vorfeld von Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften mit den notwendigen Informationen versorgen und die Ausübung ihrer Rechte ermöglichen. In Deutschland können Depotbanken die Aktionäre in der Hauptversammlung vertreten und als Bevollmächtigte deren Stimmrechte ausüben (§ 135 AktG).522 Der Aktionär kann gemäß § 134 Abs. 3 AktG grundsätzlich jeden Dritten zur Stimmrechtsvertretung bevollmächtigen, nicht jedoch die Gesellschaft selbst.523 Die Bevollmächtigung von Kreditinstituten, Aktionärsvereinigungen und anderen geschäftsmäßigen Stimmrechtsvertretern muss schriftlich erfolgen und kann jederzeit widerrufen werden (§ 134 Abs. 3 AktG).524 Die Vollmacht kann unbefristet erteilt werden. Das Kreditinstitut hat dem Depotkunden die ihm von der Gesellschaft nach § 125 AktG zugegangenen Mitteilungen zur Unterrichtung von Hauptversammlungen zu übermitteln (§ 128 Abs. 1 AktG). Die Unterrichtungspflicht trifft die Depotbank auch dann, wenn die Aktien von ClearACHTUNGREstream sammelverwahrt werden.525 Beabsichtigt die Depotbank, das Vollmachtsstimmrecht auszuüben, so hat sie dem Aktionär Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu machen und das Stimmrecht nach dessen Weisungen auszuüben. (§ 128 Abs. 2 AktG). Zur Legitimation des Bevollmächtigten (und auch des Aktionärs selbst) genügt vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung die Vorlage einer Hinterlegungsbescheinigung des depotführenden Instituts (§ 124 Abs. 3 S. 2 AktG). Bei Namensaktien gilt allein § 67 II AktG.526 Weitere Pflichten der Wertpapiersammelbank und der Depotbanken betreffen ACHTUNGREVerlustmeldungen (Opposition), Zahlungssperren und Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung von Wertpapierurkunden.527 Daneben haben die Depotbanken ein Depotbuch nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung zu führen. Die Depotbuchführung dient dem Kundenschutz und schafft die Grundlage für die ordnungsgemäße Überwachung und Verwaltung der verwahrten Effekten.528 Andere Aspekte der Wertpapierverwaltung betreffen schließlich die Unterstützung der Kunden bei Übersetzungen, Bewertung des Portfolios oder dem Management von Sicherheiten.529 Nicht zu den aus dem Depotvertrag resultierenden Verwaltungspflichten 521

Nr. 15 f. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. Zur rechtspolitischen Diskussion um das Vollmachtsstimmrecht der Banken vgl. MünchKommAktG/Schröer, § 135, Rn. 15 ff. 523 Henn, S. 396; Hüffer, § 134, Rn. 26a f.; § 135 Rn. 3a; MünchKommAktG/Schröer, § 135, Rn. 22. 524 Zu den Einzelheiten der Vollmachtserteilung vgl. Hüffer, § 135, Rn. 10 ff. 525 Hüffer, § 128, Rn. 3; MünchKommAktG/Kubis, § 128, Rn. 5. 526 Hüffer, § 67, Rn. 14. 527 Nr. 30 Abs. 4 AGB Clearstream; Nr. 17 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 528 Than, in: Obst/Hintner, S. 589. 529 Deutsche Bank Research, S. 4; Deutsche Börse, European Post-Trade Market, S. 10. 522

III. Ablauf der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gehört hingegen die Beratung über Anlageentscheidungen oder drohende Kursverluste. Dazu muss ein besonderer Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen werden.530 Bei der grenzüberschreitenden Wertpapierverwahrung, bei der Intermediäre in verschiedenen Staaten in die Verwahrkette eingeschaltet sind, können unterschiedliche nationale Marktpraktiken und divergierende rechtlichen Vorgaben der Wertpapierverwaltung zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Unterschiede resultieren ACHTUNGREbereits daraus, dass manche Rechtsordnungen den Investor als Eigentümer der Wertpapiere sehen, während andere Rechtsordnungen einen Zwischenverwahrer als Eigentümer und den Investor nur als wirtschaftlich Berechtigten einordnen. Davon hängt dann beispielsweise ab, ob die Depotbank bei der Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Emittenten in eigenem oder in fremdem Namen tätig wird.531 Darüber hinaus können Unterschiede in der Durchführung der Kommunikation zwischen Emittent und Investor eine effektive Wertpapierverwaltung beeinträchtigen. Nationale Unterschiede bestehen beispielsweise hinsichtlich des Umfangs der Informationspflichten der Intermediäre oder hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem ein Investor gegenüber dem Emittenten als Inhaber des Wertpapiers bzw. Adressat von Verwaltungsmaßnahmen gilt (record date).532 In technischer Hinsicht stellen sich in diesem ACHTUNGREZusammenhang auch die bereits angesprochenen Schwierigkeiten, die aus der Verwendung unterschiedlicher Kommunikationsstandards durch die Intermediäre resultieren. Für den Bereich der EU sind zahlreiche Bemühungen im Gange, die Wertpapierverwaltung gemeinschaftsweit zu erleichtern. Die Wertpapierindustrie versucht unter Koordination der CESAME-Gruppe einheitliche Marktstandards zur Wertpapierverwaltung zu schaffen.533 Zur Harmonisierung der rechtlichen Vorgaben ist auf die Richtlinie zur Ausübung von Aktionärsrechten534 sowie auf die Empfehlungen der Legal Certainty Group zu verweisen.535

III. Ablauf der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung Damit die Marktteilnehmer am grenzüberschreitenden Effektenhandel teilnehmen können, beispielsweise ein Wertpapier auf dem Markt eines andern Staates erwerben oder verkaufen können, benötigen sie den Zugang zur Infrastruktur des jeweiligen Marktes. Sie müssen sich Zugang zur jeweiligen Handelsplattform sowie zu den

530

BGH WM 2005, 270; Than, in: Obst/Hintner, S. 852. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 84 f. 532 Giovannini Group, 2001 Report, S. 47; CESAME, CESAME Report, S. 94 f. 533 Vgl. CESAME, CESAME Report, S. 33 ff. 534 Richtlinie 2007/36/EG vom 11. 07. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184 vom 14. 7. 2007, S. 17 ff. 535 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 77 ff. 531

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

Clearing- und Settlement Systemen verschaffen.536 Im Fokus des folgenden Abschnittes stehen die Möglichkeiten eines Investors oder Wertpapierhändlers, Zugang zu den Abwicklungs- und Verwahrstrukturen in einem anderen Staat zu erlangen. Prinzipiell werden fünf Zugangskanäle unterschieden.537 1. Direkter Zugang Zunächst kann eine ausländische Bank oder ein ausländischer Wertpapierhändler direkt Mitglied des nationalen Verwahr- und Abwicklungssystems werden, in dem das jeweilige Wertpapier verwahrt wird. Dazu müssen die vom Verwahrsystem aufgestellten Mitgliedschaftsvoraussetzungen erfüllt sein und die erforderlichen technischen Schnittstellen eingerichtet werden. Bisher mussten ausländische Teilnehmer dazu häufig eine lokale Zweigstelle bzw. Tochtergesellschaft am Ort des Abwicklungssystems unterhalten.538 Dies ist jedoch mit hohen Kosten verbunden und deswegen nur für global tätige Akteure an besonders wichtigen Märkten interessant. Der Direktzugang war deswegen traditionell ein wenig verbreiteter Zugangskanal zu ausländischen Verwahrsystemen. In der EU sind diskriminierende Zugangsbeschränkungen und Auflagen für Teilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten unzulässig. Art. 34 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)539 gewährt Wertpapierfirmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf einen nichtdiskriminierenden und transparenten Zugang zu zentralen Gegenparteien sowie Clearing- und Abrechnungssystemen. Damit besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Wertpapiergeschäfte auch ohne eine eigene physische Präsenz an einem Abrechnungs- und Abwicklungssystem der Europäischen Union regulieren zu lassen (remote membership). Die Teilnehmer müssen jedoch die technischen Verbindungsvoraussetzungen und Schnittstellen zu den verschiedenen nationalen Verwahrsystemen schaffen und unterhalten. Auch müssen sie die Abwicklung nach den jeweiligen Regeln überwachen. Die Kosten für eine direkte Mitgliedschaft werden deswegen oft nicht durch das Engagement eines einzelnen Wertpapierhändlers auf dem jeweiligen Markt gerechtfertigt. Auch aus diesem Grund sind bei der grenzüberschreitenden Abwicklung nach wie vor oft weitere Intermediäre zwischengeschaltet.540 2. Einschaltung einer lokalen Depotbank Vor allem bei der Abwicklung von Aktiengeschäften machen ausländische Teilnehmer häufig von lokalen und Finanzintermediären und Depotbanken Gebrauch 536

Giovannini Group, 2001 Report, S. 7; Haentjens, S. 48. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 13; Giovannini Group, 2001 Report, S. 8 f. 538 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 14. 539 Richtlinie 2004/39/EG vom 21. 4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU 2004, Nr. L 145 vom 30. 4. 2004, S. 1 ff. 540 Schmiedel/Schönenberger, S. 21. 537

III. Ablauf der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(lokal agent oder subcustodian). Die zwischengeschaltete Depotbank führt ein Depotkonto bei der jeweiligen Wertpapiersammelbank und ist Mitglied des von ihr betriebenen Abwicklungssystems. Sie vermittelt dem ausländischen Marktteilnehmer die Abwicklungs-, Verwahrungs- und Verwaltungsdienstleistungen auf dem betreffenden Markt und fungiert damit als Schnittstelle. Hinzu kommen zusätzliche Dienstleistungen wie die Übernahme der Zahlungsabwicklung, Gewährung von Geldkrediten, Wertpapierleihe oder die Durchführung der für die grenzüberschreitenden Abwicklung notwendigen Devisengeschäfte.541 Ein ausländischer Investor oder Händler wird damit zu einem mittelbareren Teilnehmer der inländischen Abwicklungsstruktur.542 Die Verbindung mit einen lokalen Intermediär ist die traditionell gängigste Methode des Zugangs zu einem ausländischen Abwicklungssystem.543 Lokale Intermediäre, die solche grenzüberschreitenden Dienstleistungen anbieten, stellen dabei ihre Erfahrung hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen, Marktusancen und Risiken eines bestimmten Marktes zur Verfügung.544 Sie profitierten lange von der Fragmentierung der Abwicklungssysteme in Europa. Durch die Bemühungen für eine weitere Harmonisierung der Prozesse verliert dieses Geschäftsmodell jedoch an Bedeutung. Für Investoren, die auf einer Vielzahl von Märkten aktiv sind, ist das Modell darüber hinaus teuer, da jeweils eigene Verbindungen und technische Schnittstellen zu den lokalen Intermediären geschaffen und unterhalten werden müssen. 3. Global Custodians Zugang zu einer Vielzahl von nationalen Verwahr- und Abwicklungssystemen über eine einige Kontoverbindung können Globalverwahrer (Global Custodians) verschaffen. Diese Intermediäre unterhalten Verbindungen zu möglichst vielen Wertpapiersammelbanken und Abwicklungssystemen. Sie errichten dazu entweder eigene Zweigstellen oder Tochtergesellschaften an den jeweiligen Orten der Abwicklungssysteme oder schalten lokale Depotbanken als zusätzliche Intermediäre ein.545 Aus Sicht eines international aktiven Investors ist der vereinheitlichte Zugang zu verschiedenen Abwicklungs- und Verwahrsystemen die entscheidende Dienstleistung, die ein Global Custodian im Gegensatz zu anderen Intermediären bietet. Gerade bei der Verwaltung international diversifizierter Aktienportfolios ist die vermittelnde Tätigkeit von Global Custodians von Vorteil.546 Obgleich ihre Tätigkeit erhebliche Investitio541

Kröpfl, S. 53. Vgl. aber BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 22. 543 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 15. 544 Deutsche Bank Research, S. 4. 545 BIS, Cross-Border Securities Settlement, S. 15; Deutsche Bank Research, S. 4 f.; eine Auflistung der international bedeutendsten Global Custodians findet sich bei Chan/Fontan/ Rosati/Russo, S. 14. 546 Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 21. 542

116 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

nen in Informationstechnologie und Kommunikationssysteme erfordert, können Global Custodians ihren Kunden durch Größen- und Verbundvorteile die Abwicklung in verschiedenen Systemen zu günstigen Konditionen anbieten.547 Aufgrund der oft großen Kundenzahl sind viele Global Custodians in der Lage, Geschäfte zu internalisieren, also in ihren eigenen Büchern abzuwickeln.548 Zusätzliche Dienstleistungen von Global Custodians liegen im Management und Umtausch der Barmittel der Kunden in die verschiedenen Währungen.549 Da das Einschalten eines Global Custodians in der Regel eine zusätzliche Verwahrebene bedeutet, steigt damit aber auch das Verwahrungsrisiko für die Investoren.550 4. Internationale Zentralverwahrer Eine ähnliche Möglichkeit, grenzüberschreitende Effektentransaktionen abzuwickeln, liegt in der Einschaltung eines internationalen Zentralverwahrers. Diese haben ihr Dienstleistungsangebot von der ursprünglichen Abwicklung und Verwahrung von Eurobonds schrittweise auf andere Finanzinstrumente ausgeweitet.551 Sie verfügen über ein Netz von direkten und indirekten Kontoverbindungen zu nationalen Wertpapiersammelbanken und Abwicklungssystemen. Darüber hinaus sind die beiden internationalen Zentralverwahrer selbst durch eine Kontoverbindung miteinander verknüpft (Bridge). Ähnlich wie Global Custodians können sie ihren Kunden über eine einzige Kontoverbindung kostengünstigen Zugang zu den Abwicklungssystemen verschiedener Märkte bieten. Investoren haben dies bisher vorwiegend zur Abwicklung von Geschäften in Staatsanleihen und anderen festverzinslichen Wertpapieren genutzt.552 Durch die Ausweitung ihres Angebotes auf Aktien treten sie zunehmend in Konkurrenz zu Global Custodians und sind funktional schwerer von ihnen unterscheidbar. 5. CSD-Verbindungen Schließlich besteht die Möglichkeit, grenzüberschreitende Transaktionen über die Kontoverbindungen abzuwickeln, welche die nationalen Wertpapiersammelbanken untereinander unterhalten. Man unterscheidet unilaterale und bilaterale Verbindungen. Eine unilaterale Verbindung liegt dann vor, wenn nur die Wertpapiersammelbank des ausländischen Teilnehmers (Investor CSD) ein Depotkonto bei der Wertpapiersammelbank, welche die Effekten tatsächlich verwahrt (Issuer CSD), unterhält. Besteht auch in die umgekehrte Richtung ein Kontoverhältnis, so liegt eine bilaterale

547 548 549 550 551 552

Kröpfl, S. 53 f. de Carvalho, S. 22. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 16. BIS, Cross-Border Securities Settlement, S. 24. de Carvalho, S. 22. BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 16.

III. Ablauf der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Verbindung vor.553 Die Wertpapiersammelbank agiert in diesen Fällen ähnlich einem Global Custodian, da sie ihren Kunden über eine einzige Schnittstelle Zugang zu verschiedenen ausländischen Abwicklungssystemen verschafft.554 Gegebenenfalls kann bei einer Verbindung zwischen zwei Wertpapiersammelbanken auch eine lokale Depotbank zwischengeschaltet sein. Denkbar, aber für die Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften praktisch noch nicht relevant, sind auch Verbindungen, bei der Wertpapiersammelbanken nicht direkt, sondern indirekt über Kontoverbindungen zu einer dritten Wertpapiersammelbank verbunden sind (Relayed Link).555 Kontoverbindungen zwischen den nationalen Wertpapiersammelbanken bestehen schon seit längerem. Insbesondere die deutsche Sammelverwahrbank Clearstream unterhält traditionell eine Vielzahl von Kontoverbindungen zu ausländischen Sammelverwahrinstituten.556 Verbindungen zwischen Wertpapiersammelbanken werden zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Zum einen können darüber Sicherheiten zur Absicherung von Krediten übertragen werden. Dies ist insbesondere bei Kreditgeschäften im Rahmen des Eurosystems von Bedeutung. Dabei kommen allerdings nur Sammelverwahrinstitute und direkte bzw. indirekte Verbindungen in Betracht, die bestimmte Standards der Europäischen Zentralbank erfüllen.557 Die Standards, deren Einhaltung einer regelmäßigen Überprüfung durch die EZB unterliegen, sollen Risiken im Zusammenhang mit der Abwicklung von Kreditgeschäften und der Bestellung von Sicherheiten im Rahmen dieser Geschäfte reduzieren. Zum anderen können über solche Kontoverbindungen Effektenhandelsgeschäfte abgewickelt werden. In diesem Zusammenhang dienten die Verbindungen bisher vor allem dazu, den inländischen Handel mit ausländischen Wertpapieren zu ermöglichen. Ziel war es, diese Geschäfte durch das inländische Abwicklungssystem intern regulieren zu können. Lediglich mittelbar sollten die Verbindungen auch den grenzüberschreitenden Handel und die grenzüberschreitende Abwicklung zwischen Mitgliedern verschiedener Zentralverwahrer erleichtern. Die Verbindungen konnten deshalb häufig nur für die Verbuchung von Effekten verwendet werden, die auf beiden Märkten gehandelt werden.558 Die Kontoverbindungen unterscheiden sich im Übrigen danach, ob sie auch die Geldverrechnung einbeziehen und damit DvP ermöglichen oder nicht.559 Für einen Investor ist diese Form der Abwicklung sehr einfach und bei einem effektiven Abwicklungsverfahren auch kostengünstig. Sie ermöglicht, jedenfalls die Lieferseite der Geschäfte über das eigene System und ohne die Zwischenschaltung zusätzlicher Intermediäre in ausländischen Abwicklungssystemen regulieren zu las553

ECSDA, CSD Links, S. 9; Deutsche Bank Research, S. 8. Manhold, ZKW 1997, 920; Kröpfl, S. 55; Chan/Fontan/Rosati/Russo, S. 16. 555 Vgl. ECSDA, Cross-Border Settlement, S. 47 ff.; ESCB/CESR, Standards, Rn. 197. 556 EZB, Blue Book June 2001, S. 152. 557 EMI, Standards, S. 10 ff.; die aktuelle Auflistung zugelassener Verbindungen ist abrufbar unter: www.ecb.int. 558 BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 17. 559 ECSDA, DVP Links, S. 35 ff. 554

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B. Die praktischen Kennzeichen der modernen Verwahrung

sen. Allerdings bleibt der Umfang der Verwaltungsdienstleistungen häufig hinter dem anderer Abwicklungskanäle zurück.560 Ferner sind die Verbindungen zwischen nationalen Wertpapiersammelbanken nach wie vor lückenhaft und operieren nicht immer nach den gleichen Standards.561 Diese Verbindungen werden deshalb verhältnismäßig wenig genutzt, um grenzüberschreitende Wertpapiergeschäfte abzuwickeln.562 In Europa bestehen Pläne, CSD-Verbindungen durch eine einheitliche technische Plattform zu unterstützen, über die Wertpapierübertragungen gegen Zahlung zwischen Zentralverwahrern standardisiert abwickelt werden können (TARGET2-Securitites). Die genaue Ausgestaltung eines solchen Systems ist derzeit aber noch unklar. Nach derzeitigen Schätzungen kann das System seinen Betrieb frühesten im Jahr 2013 aufnehmen.563

IV. Zusammenfassung und Würdigung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der moderne Effektenverkehr weit vom ursprünglichen Bild der Übereignung physischer Effektenurkunden durch Einigung und Übergabe entfernt hat. Effekten werden nicht mehr einzeln verbrieft, individuell verwahrt und zu ihrer Übereignung übergegeben. Stattdessen werden sie in Sammelurkunden verbrieft oder in Register eingetragen und von einer Wertpapiersammelbank dauerhaft verwahrt bzw. verwaltet. Die Übertragung der Effekten wird durch Buchungen auf Depotkonten vollzogen. Ihre Verwahrung und Verwaltung durch Wertpapiersammelbanken dient dem Schutz vor Diebstahl und Fälschung und beschleunigt die Abwicklung von Effektenhandelsgeschäften. Dies senkt die Abwicklungskosten und ermöglicht die Funktionsfähigkeit der heutigen Kapitalmärkte.564 Gleichzeitig birgt bzw. steigert die Verwahrung und Übertragung von Effekten durch Intermediäre zahlreiche Risiken, die im Rahmen der Verrechnung und Abwicklung durch unterschiedliche operationelle Instrumente kontrolliert werden müssen. Der Nachhandelsprozess kann in verschiedene Schritte unterteilt werden. Dem ersten Schritt des Abgleichs und der Freigabe der Geschäftsdaten kommt die Funktion der Abstimmung zwischen den beteiligten Parteien zu. Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil am Prozess der buchungsmäßigen Übertragung eine Vielzahl von Personen in unterschiedlicher Funktion beteiligt ist. Der Schritt des Clearings dient der Be- und Verrechnung der offenen Positionen der Parteien sowie dem zentralen Risikomanagement durch eine zentrale Gegenpartei. Das Settlement ist die eigentliche Übertragung von Rechten an Effekten. Es wird durch Abwicklungssysteme durchgeführt, die dazu unterschiedliche Abwicklungsformen vorsehen können. Von 560

BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 17; Deutsche Bank Research, S. 8. Zu Vorschlägen zur Standardisierung von CSD-Verbindungen vgl. ECSDA, CrossBorder Settlement, S. 18 ff. 562 Schmiedel/Schönenberger, S. 21. 563 Vgl. dazu CESAME, CESAME Report, S. 72 f.; Norman, S. 14; Chan/Fontan/Rosati/ Russo, S. 8. 564 Goode/Kanda/Kreuzer, Int-32; Ooi, LMCLQ 2005, 468. 561

IV. Zusammenfassung und Würdigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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besonderer Bedeutung ist die Verknüpfung der Übertragung von Effekten mit der Zahlung ihres Gegenwertes (DvP). Im Rahmen der anschließenden Effektenverwaltung kommen den Intermediären und insbesondere der Wertpapiersammelbank zahlreiche Pflichten zu, die daraus resultieren, dass sich der Investor vielfach nicht selbst gegenüber dem Emittenten legitimieren kann. Darunter fallen Inkassopflichten, Benachrichtigungspflichten sowie die Pflicht zur Stimmrechtsausübung für den Investor. Für grenzüberschreitende Übertragungen von Effekten gibt es keine einheitlichen Systeme und Kanäle. Vielmehr bestehen unterschiedliche und vielfach auch unübersichtliche Wege, über die Rechte an Effekten grenzüberschreitend verbucht werden können. Insgesamt ist damit festzustellen, dass Effektenurkunden für den Handel und die Abwicklung von Handelsgeschäften aus praktischer Sicht keine nennenswerte Bedeutung mehr haben. Ihre Funktion wurde durch Buchungssysteme ersetzt. Aus praktischer Sicht ist es gleichgültig, ob Effekten einzeln oder in einer Globalurkunde verbrieft sind oder in Registern als Buchrechte geführt werden. Es drängt sich deswegen die Frage auf, inwieweit Effektenurkunden noch rechtliche Funktionen bei ihrer Übertragung erfüllen. Dem wird im folgenden Abschnitt nachgegangen.

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C. Materiellrechtliche Konzepte der Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren I. Einführung und Überblick Im folgenden Teil der Arbeit werden verschiedene Möglichkeiten der materiellrechtlichen Ausgestaltung der intermediären Verwahrung und buchungsmäßigen Übertragung von Effekten herausgearbeitet. Untersucht werden dabei Rechtsnatur und Inhalt verschiedener Berechtigungsformen und die Voraussetzungen der Übertragung oder Beleihung der Rechte. Die Rechtsnatur der Buchungsrechte kann national unterschiedlich ausgestaltetet sein. Demgemäß unterscheiden sich auch die rechtlichen Einordnungen der buchungsmäßigen Übertragungsvorgänge. Die materiellrechtliche Ausgestaltung eines Buchungsrechts ist auch entscheidend für die Frage, welches Recht nach den Regeln des internationalen Privatrechts auf einen Übertragungsvorgang Anwendung findet. Die kollisionsrechtlichen Fragen, die bei grenzüberschreitenden Verbuchungen im Vordergrund stehen, können somit nicht ohne eine vorherige Analyse des materiellen Rechts der Verwahrung und Übertragung von Effekten behandelt werden. Hinsichtlich der Rechtsposition, die ein Anleger an sammelverwahrten Effekten hält, gilt zunächst, dass die Einzelberechtigung eines Hinterlegers an den Urkunden in dem Moment enden muss, in dem diese in Sammelverwahrung gegeben und mit anderen gleichartigen Urkunden ununterscheidbar zusammengefasst werden. Das Erlöschen der Einzelberechtigung mag spezialgesetzlich geregelt sein,1 der Sache nach liegt dem der Gedanke der Vermischung zugrunde.2 Dieses Prinzip ist sowohl in kontinentaleuropäischen als auch in angelsächsischen Rechtsordnungen bekannt („commingling“).3 Jedoch bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, wie die aus dieser „Vermischung“ resultierenden Ansprüche des Anlegers gegenüber seiner Depotbank, der Wertpapiersammelbank oder Dritten ausgestaltet werden können. Denkbar wäre, dass der Anleger jegliches Eigentumsrecht an den Urkunden verliert und auf schuldrechtliche Herausgabeansprüche gegenüber seinem Intermediär oder der Wertpapiersammelbank verwiesen wäre.4 Nach deutschem Recht entspräche dies einer unregelmäßigen Verwahrung nach § 700 BGB.5 Der Anleger wäre dann je1 2 3 4 5

In Deutschland § 6 Abs. 1 DepotG. Vgl. § 948 BGB. Vgl. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 19. Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 166 f. Vgl. auch Goode/Kanda/Kreuzer, 2-48; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 23.

I. Einführung und Überblick 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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doch mit dem vollen Insolvenzrisiko seiner Depotbank belastet.6 Da Insolvenzen von Banken, Brokern und anderen Intermediären nicht ausbleiben, läge darin ein bedeutender Nachteil im Vergleich zur Einzelverwahrung. Deshalb existieren weder in Europa noch darüber hinaus Systeme, die dem Anleger eine rein schuldrechtliche Position ohne irgendeine Art von Insolvenzschutz gewähren.7 Gerade aus Gründen des Insolvenzschutzes ist es naheliegend, dem Anleger bei der Sammelverwahrung anstelle des Alleineigentums ein anteilsmäßiges Miteigentumsrecht am gesamten Sammelbestand einer Effektenart zu gewähren. Ein solchermaßen sachenrechtlich strukturiertes System lässt dem Grunde nach alle Vorteile bestehen, die ursprünglich mit der Verbriefung von Rechten bezweckt wurden. Neben dem Insolvenzschutz ist dies insbesondere die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Miteigentumsrechtliche Verwahrungskonstruktionen sind international sehr verbreitet. Es finden sich sowohl gesetzlich geregelte Konzepte als auch unkodifizierte Fortentwicklungen allgemeiner sachenrechtlicher Vorschriften.8 Sachenrechtlich strukturierte Verwahrungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Investor am Ende der Verwahrkette eine direkte und dingliche Rechtsposition an den sammelverwahrten Effekten hält, die ihm von den Zwischenverwahrern und der Wertpapiersammelbank vermittelt wird. Die Anleger bleiben damit auch unmittelbar Inhaber der verbrieften forderungs- oder mitgliedschaftsrechtlichen Rechtsposition.9 Die zwischengeschalteten Intermediäre haben für die dingliche Berechtigung des Anlegers an den Wertpapierkunden nur eine buchhalterische Funktion (record keepers).10 Ein solches Konzept liegt dem deutschen Recht der Girosammelverwahrung zugrunde. Es wird im Folgenden ausführlich untersucht, weil es gerade für inländische Investoren am bedeutendsten ist. Neben miteigentumsrechtlichen Verwahrkonstruktionen haben sich alternative Konzepte für die Berechtigung des Anlegers herausgebildet, welche die spezifischen Phänomene der intermediären Effektenverwahrung ohne einen Rückgriff auf sachenrechtliche Konzepte zu erfassen versuchen. Diese Berechtigungsformen gewähren dem Anleger in erster Linie schuldrechtliche Ansprüche gegenüber seinem unmittelbaren Intermediär. Der Anleger wird jedoch in der Insolvenz des Intermediärs oder im Fall der Zwangsvollstreckung durch Dritte in dessen Vermögen durch besondere Vorbzw. Abwehrrechte geschützt. Der Schutz kann durch treuhandrechtliche Konstruktionen oder spezialgesetzliche Regelungen erreicht werden. Diese Berechtigungsformen werden international als Rechte sui generis bezeichnet, weil sie konzeptionell zwischen miteigentumsrechtlichen und rein schuldrechtlichen Konstruktionen stehen. Im deutschen Recht ist in diesem Zusammenhang die so genannte Gutschrift in Wertpapierrechnung zu nennen, die Depotbanken ihren Kunden erteilen, wenn 6

Goode, in: Oditah, S. 119; Guynn, S. 29. Europäische Kommission, Legal assessment, S. 11; Wood, Rn. 6-31. 8 Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 21. 9 Goode/Kanda/Kreuzer, Int. 29. 10 Goode/Kanda/Kreuzer, Int. 22. 7

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

sie für diese Effekten im Ausland anschaffen und dort treuhänderisch verwahren. Auch diese Konstruktion wird ausführlich untersucht, da sie aus deutscher Sicht für den grenzüberschreitenden Effektenverkehr besonders relevant ist. Darüber hinaus wird das US-amerikanische Recht für Buchungsrechte an Effekten analysiert, das ebenfalls nicht eigentumsrechtlich strukturiert ist. Es ist derzeit die international bedeutendste Kodifikation und hat folglich großen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen des internationalen Wertpapierrechts.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht Die Tätigkeit der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere wird in Deutschland als Depotgeschäft bezeichnet.11 Das bankmäßige Depotgeschäft beschränkt sich aber nicht auf das Verwahrungsverhältnis nach dem BGB im Sinne einer Raumgewährung und Obhut bei fortdauerndem Eigentum des Hinterlegers oder eines Dritten. Es umfasst ferner zum einen Tatbestände, die der Verwahrung physischer Effektenurkunden rechtlich oder wirtschaftlich vergleichbar sind, beispielsweise die Verwaltung von unverbrieften Wertrechten oder die Anschaffung und treuhänderische Verwahrung ausländischer Effekten im Ausland, die im Inland in Wertpapierrechnung gutgeschrieben werden.12 Zum anderen schließt das Depotgeschäft auch zahlreiche Verwaltungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Effektenverwahrung ein.13 Rechtsgrundlagen des Depotgeschäfts sind die Bestimmungen des BGB zum Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB) sowie zum Geschäftsbesorgungsvertrag hinsichtlich der Verwaltungspflichten (§ 675 BGB). Diese Vorschriften werden ergänzt durch das insoweit speziellere Depotgesetz sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute.14 Im Rahmen seines Anwendungsbereichs verdrängt das DepotG die handelsrechtlichen Vorschriften des Lagervertrages (§§ 467 ff. HGB).15 Wegen seiner Marktbezogenheit ist das Depotgeschäft rechtssystematisch dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen.16 1. Girosammelverwahrung bei inlandsverwahrten Effekten Die am Kapitalmarkt gehandelten Effekten werden fast ausschließlich in Form der Girosammelverwahrung gehalten. Dabei werden die artgleichen Effekten unterschiedlicher Hinterleger ungetrennt voneinander verwahrt. Im Regelfall verwahrt 11

Vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG; § 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG. Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/6. 13 Vgl. Nr. 13 ff. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; dazu Wagner, in: Hellner/ Steuer, Rn. 7/158 ff. 14 Insbesondere der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, vgl. Than, in: Obst/ Hintner, S. 843. 15 Schlegelberger/Schröder, § 416, Rn. 3. 16 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/10a ff. 12

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die Depotbank eines Anlegers die Effekten nicht selbst, sondern gibt sie unter eigenem Namen bei der deutschen Wertpapiersammelbank Clearstream in Drittverwahrung gemäß § 3 DepotG. Dazu ist sie auch ohne Einwilligung des hinterlegenden Kunden ermächtigt.17 Die Depotbank schließt mit der Wertpapiersammelbank einen Depotvertrag und hat ihr gegenüber damit die Rechtstellung eines Hinterlegers.18 Die Girosammelverwahrung erfüllt zwei Funktionen: Sie ist zum einen kostengünstiger und effizienter als die Einzelverwahrung. Zum anderen sind die Wertpapiersammelbestände notwendige Grundlage für den buchungsmäßigen Effektengiroverkehr.19 a) Eigentumslage Wenn einzelverbriefte Effekten in Sammelverwahrung gegeben werden, verliert der Eigentümer das Alleineigentum an den Effektenurkunden. Er erhält stattdessen kraft Gesetzes Miteigentum nach Bruchteilen an allen Urkunden des Sammelbestandes in Gemeinschaft mit den anderen Miteigentümern des betreffenden Effektensammelbestandes (§§ 1008, 741 BGB, § 6 Abs. 1 DepotG).20 Der Eigentumsverlust tritt nicht erst mit der tatsächlichen Vermengung mit den Urkunden anderer Hinterleger ein, sondern bereits zum Zeitpunkt des Eingangs der Effekten beim sammelverwahrenden Institut. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Erwerbstatbestand, der im Gegensatz zu den allgemeinen Regelungen der Vermischung den Vorzug der Praktikabilität und Rechtsklarheit genießt.21 Die Höhe des Miteigentumsanteils wird ziffernmäßig anhand des Wertpapiernennbetrags und bei Wertpapieren ohne Nennbetrag nach der Stückzahl der vom Depotkunden eingelieferten Effekten im Verhältnis zum Gesamtbestand bestimmt (§ 6 Abs. 1 S. 1 DepotG). Er ist der ursprünglichen Rechtsposition damit wirtschaftlich gleichwertig.22 Die Höhe des Miteigentumsbruchteils eines Hinterlegers ergibt sich letztlich nur aus der Gesamtschau der Aufzeichnungen der Wertpapiersammelbank und derjenigen der zwischengeschalteten Depotbanken.23 Ändert sich der Gesamtbestand der verwahrten Effekten durch Ein- oder Auslieferung für andere Depotkunden, so ändert sich im Wege der Anbzw. Abwachsung auch die Zusammensetzung der Bruchteilsrechte.24 .

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Vgl. die amtliche Begründung zu § 3 DepotG bei Opitz, DepotG, S. 93 f.; Kümpel, Rn. 11.194. 18 Lenenbach, Rn. 219. 19 Canaris, Rn. 2158; Kümpel, Rn. 11.174. 20 BGH WM 1975, 1259, 1261; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 9 ff.; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 80; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 39; Kümpel, Rn. 11.209. 21 Canaris, Rn. 2104. 22 Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Bem. 8, 13, 15. 23 Lenenbach, Rn. 5.57. 24 Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Bem. 8; Kümpel, Rn. 11.211.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über das Bruchteilseigentum sind aufgrund der besonderen Ziele des Effektengiroverkehrs zum großen Teil durch spezielle Regelungen verdrängt.25 So kann der Hinterleger nicht gemäß §§ 432, 741, 1001 BGB die Auslieferung an alle Miteigentümer gemeinschaftlich verlangen. Er kann allenfalls die Auslieferung von Wertpapieren bis zur Höhe seines Sammeldepotguthabens an sich selbst verlangen, sofern der Auslieferungsanspruch nicht gemäß § 9 Abs. 3 S. 2 DepotG völlig ausgeschlossen ist. Auch die mit der Auslieferung von Effektenurkunden einhergehende Umwandlung von Miteigentum in Alleineigentum an den ausgelieferten Effekten und die entsprechende Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse am verbleibenden Sammelbestand erfordert in Abweichung von § 747 S. 2 BGB keine Mitwirkung der verbleibenden Miteigentümer (§ 6 Abs. 1 S. 2 DepotG).26 Manche sprechen deshalb von einer Bruchteilsgemeinschaft „eigener Art“,27 einem Sonderinstitut des „depotrechtlichen Miteigentums“28 oder einer „depotrechtlichen Sammelbestandsgemeinschaft“.29 Unabhängig von der Terminologie ist jedenfalls festzuhalten, dass die depotgesetzlichen Vorschriften in erster Linie auf das Verhältnis zwischen Miteigentümer und Sammelverwahrer ausgerichtet sind, während die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften eher das Verhältnis der Miteigentümer untereinander im Auge haben. Durch die wenn auch modifizierte eigentumsrechtliche Ausgestaltung wird die Insolvenzfestigkeit der Werte der Anleger im Fall der Insolvenz der Depotbank gewährleistet.30 Es bestehen widersprüchliche Auffassungen über den konkreten Anknüpfungspunkt der anteilsmäßigen Miteigentumsrechte der Anleger. Nach der herkömmlichen, am Wortlaut von § 6 Abs. 1 DepotG angelegten Meinung bestehen die Eigentumsrechte des Kunden anteilsmäßig an jeder einzelnen sammelverwahrten Urkunde.31 Über diese einzelnen Anteilsrechte kann jedoch in Abweichung von § 747 BGB nicht selbstständig verfügt werden, so dass aus praktischer Sicht allein die Summe der einzelnen Anteile, bezeichnet als Girosammeldepotanteil (GS-Anteil), von Relevanz ist.32 Darüber erteilen die Depotbanken ihren Kunden nach der Einlieferung in die Girosammelverwahrung eine Girosammelgutschrift (GS-Gutschrift). Es wird deshalb häufig von Miteigentum am Sammelbestand gesprochen, wenn eigentlich die 25

Vgl. im Einzelnen Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 17 ff.; Kümpel, WM 1980, 432. Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/51. 27 Opitz, DepotG, §§ 6,7,8, Bem. 6; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 16. 28 Kümpel, WM 1980, 433. 29 Lenenbach, Rn. 5.29. 30 Zu den rechtlichen und technischen Möglichkeiten des Anlegers, im Falle eines Moratoriums über die Depotbank über seine Werte zu verfügen vgl. Geier, BKR 2010, 144 ff. 31 Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Bem. 1; Pikart, WM 1975, 403; Kümpel, WM 1976, 947; ders., Rn. 11.209; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 8; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 205; Schwintowski/Schäfer, § 17, Rn. 16; Hirte/Knof, WM 2008, 9. 32 Canaris, Rn. 2115, 2117; Schulze-Osterloh, S. 148 f.; MünchKommBGB/K. Schmidt, § 1008, Rn. 31; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/50b; Baumbach/Hopt/Hopt, § 6 DepotG, Rn. 2. 26

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Summe der Miteigentumsrechte an den einzelnen Effekten gemeint ist.33 Diese terminologische Ungenauigkeit hat dazu geführt, dass neuere Stimmen die rechtliche Selbstständigkeit der einzelnen Effekten nicht mehr anerkennen und stattdessen den Sammelbestand als einheitlichen Anknüpfungspunkt von Rechten sehen.34 Diese Ansicht, die meist nicht begründet wird, widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut von § 6 Abs. 1 DepotG. Darüber hinaus werden Effekten bei der Einlieferung in einen Wertpapiersammelbestand nach einhelliger Auffassung nicht wie bei der Vermischung gemäß § 948 BGB zu einer einheitlichen Sache verbunden.35 Der Sammelbestand stellt vielmehr eine Sachgesamtheit dar, an dem selbst keine Rechte erworben werden können. Bezugspunkt der Rechte bleiben die zu der Sachgesamtheit gehörenden Einzelsachen.36 Gegenstand der Miteigentumsrechte der Anleger sind damit die einzelnen Effekten und nicht der Sammelbestand als solcher. Die eigentumsrechtlichen Vorschriften gelten auch für unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen. Dies folgt aus der gesetzlichen Anordnung in § 6 Abs. 2 BSchuWG. Danach gelten die Gläubiger der Sammelschuldbuchforderung als Miteigentümer nach Bruchteilen, wobei sich ihr Anteil nach dem Nennbetrag der für den Gläubiger in Sammelverwaltung genommenen Schuldbuchforderung bestimmt. Die Fiktion führt zu einem praktischen Gleichlauf der Girosammelverwahrung unabhängig von der Verbriefung der Rechte. b) Besitzlage Rechtsprechung, Bankpraxis und größtenteils auch die Literatur gehen von mittelbarem Mitbesitz der Hinterleger an den sammelverwahrten Effektenurkunden aus.37 Clearstream sei als Wertpapiersammelbank unmittelbare Allein- und Fremdbesitzerin der Effekten und mittle den Besitz für die bei ihr geführten Depotinhaber. Da die Anleger jedoch selbst kein Konto bei Clearstream führen können, stünden die Depotbanken als Zwischenverwahrer nach § 3 Abs. 1 DepotG als Besitzmittler zwischen Anleger und Wertpapiersammelbank. Danach liege generell mehrstufiger mittelbarer Besitz des Depotkunden gemäß § 871 BGB vor. In der Grundform sei die Depotbank mittelbare Fremdbesitzerin der ersten Stufe und der Depotkunde mittelbarer Eigen33

Vgl. beispielsweise Baumbach/Hopt/Hopt, § 6 DepotG, Rn. 1: „Miteigentümer des Sammelbestandes“. 34 Lenenbach, Rn. 5.26, 5.28; Dittrich, S. 67; Mahler, S. 44. 35 Vgl. BGH WM 1957, 676; Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Bem. 6; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 3; zur Debatte vor Einführung von § 6 DepotG vgl. Heinsius/Horn/Than, § 5, Rn. 7; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 24. 36 Kümpel, WM 1980, 424; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 40 f.; Palandt/ Heinrichs, Überbl. v. § 90, Rn. 5. 37 RGRK/Kregel, § 868, Rn. 13; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 33; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 8; Kümpel, Rn. 11.197; MünchKommBGB/K. Schmidt, § 1008, Rn. 30; Schwintowski/Schäfer, § 17, Rn. 11; Eder, NZG 2004, 110 f.; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 101; Bintz, S. 50 f.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

besitzer der zweiten Stufe.38 Die Besitzleiter habe weitere Stufen, wenn in der Verwahrkette weitere Zwischenverwahrer eingeschaltet sind. Die Besitzkonstruktion ist entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs auf sachenrechenrechtlicher Grundlage und insbesondere für die ACHTUNGREMöglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten.39 Es wird jedoch von ACHTUNGREanderer Seite immer wieder bezweifelt, ob die tatsächlichen Gegebenheiten des ACHTUNGREEffektengiroverkehrs den Anforderungen an den mittelbaren Besitz im Sinne von § 868 BGB genügen. Aufgrund der Bedeutung der Besitzkonstruktion ist diesen ACHTUNGREZweifeln nachzugehen. aa) Voraussetzungen für den mittelbaren Besitz der Hinterleger Voraussetzung für den mittelbaren Besitz ist nach allgemeiner Ansicht neben dem unmittelbaren Fremdbesitz einer Person ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis, kraft dessen der unmittelbare Besitzer sein Besitzrecht zeitlich begrenzt oder jedenfalls beendbar aus der Rechtsstellung des mittelbaren Besitzers ableitet.40 Das Besitzmittlungsverhältnis begründet konkrete Rechte und Pflichten im Bezug auf den Besitz und ist damit Ausdruck des Besitzmittlungswillens des unmittelbaren Besitzers und der Sachherrschaft des mittelbaren Besitzers.41 Es kann dem Erwerb des mittelbaren Besitzes in Form eines antizipierten Besitzkonstituts zeitlich vorgelagert sein oder auch durch eine erlaubtes Insichgeschäft (§ 181 BGB) begründet werden.42 Notwendig ist zudem ein Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegen den unmittelbaren Besitzer, der bedingt, betagt oder von der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhängig sein kann.43 Gerade darin kommen die grundsätzliche zeitliche Begrenzung des mittelbaren Besitzes und die Möglichkeit des mittelbaren Besitzers, die Sachherrschaft tatsächlich auszuüben, zum Ausdruck. Das Erfordernis eines Herausgabeanspruchs wird auch in § 870 BGB deutlich, wonach der mittelbare Besitz durch Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen werden kann. Der Herausgabeanspruch ergibt sich grundsätzlich aus dem vertraglichen oder gesetzlichen Besitzmitt38

Kümpel, Rn. 11.197 f.; Hirte/Knof, WM 2008, 10; Berger, WM 2009, 579. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 66. 40 Vgl. allgemein zu den Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes Baur/Stürner, § 7, Rn. 36 ff.; Westermann, S. 108 ff.; Soergel/Stadler, § 868, Rn. 4 ff.; Bamberger/Roth/Fritzsche, § 868, Rn. 3 ff. 41 Soergel/Stadler, § 868, Rn. 8; Staudinger/Bund, § 868, Rn. 16. 42 RGZ 140, 223, 229; BGH NJW 1989, 2542, 2543; Baur/Stürner, § 7, Rn. 38, Soergel/ Stadler, § 868, Rn. 5; MünchKommBGB/Joost, § 868, Rn. 12. 43 So die ganz überwiegende Ansicht, vgl. Erman/Lorenz, § 868, Rn. 10; Staudinger/Bund, § 868, Rn. 23; MünchKomm/Joost, § 868, Rn. 16; a.A. aber Wieling, S. 76; ders., AcP 184 (1984), 445 ff., wonach allein die Bereitschaft des Besitzmittlers, die Sache unter bestimmten Umständen herauszugeben, entscheidend ist; dem folgend Bamberger/Roth/Fritzsche, § 868, Rn. 17. 39

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lungsverhältnis. Ist dieses unwirksam,44 genügt auch ein Herausgabeanspruch aus §§ 985, 823, 812 BGB oder aus den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag.45 Wendet man diese Grundsätze auf die Girosammelverwahrung an, so können die für den mittelbaren Besitz erforderlichen Besitzmittlungsverhältnisse in den auf den einzelnen Stufen der Verwahrkette abgeschlossenen Verwahrverträgen gesehen werden. Der Besitzmittlungswille der Wertpapiersammelbank richtet sich dabei nicht auf Besitzmittlung für die am Ende der Verwahrkette stehenden Effekteninhaber. Deren Identität geht aus den Depotunterlagen der Wertpapiersammelbank in der Regel nicht hervor. Vielmehr mittelt sie den Besitz allein für die mit ihr unmittelbar verbundenen Depotbanken. Dies ist grundsätzlich ausreichend, da die Besitzmittlungsverhältnisse und der jeweilige Besitzmittlungswille auf jeder Stufe der Besitzmittlungskette selbstständig beurteilt werden können. Nur in sachlicher Hinsicht müssen die Besitzmittlungsverhältnisse auf denselben Besitzgegenstand gerichtet sein.46 Fraglich ist jedoch, ob dem Hinterleger auch ein für den mittelbaren Besitz erforderlicher Herausgabeanspruch zusteht. Die ganz h.M. greift dazu auf die speziellen depotrechtlichen Auslieferungsansprüche zurück. bb) Depotgesetzliche Auslieferungsansprüche (1) § 7 Abs. 1 DepotG Der Hinterleger, der nicht zwingend gleichzeitig Miteigentümer der sammelverwahrten Effekten sein muss, hat zunächst einen schuldrechtlichen Anspruch gegen seine Depotbank auf vollständige oder teilweise Auslieferung der ihm gebührenden Wertpapiermenge gemäß § 7 Abs. 1 DepotG. Dem Grunde nach entspricht der Anspruch dem verwahrungsrechtlichen Rückübertragungsanspruch nach § 695 BGB.47 Er setzt dementsprechend die Wirksamkeit des Depotvertrages voraus. Ist der Verwahrungsvertrag unwirksam, kommt § 812 BGB als Grundlage für den Auslieferungsanspruch in Betracht. Der Auslieferungsanspruch unterscheidet sich vom Anspruch aus § 695 BGB jedoch insoweit, als der Hinterleger nicht genau die von ihm eingelieferten Stücke zurückverlangen kann. Die Effekten können bei der Sammelverwahrung nicht voneinander unterschieden werden. Der verwahrungsrechtliche Rückübertragungsanspruch ist damit an die Interessenlage der Girosammelver-

44 Nach ganz überwiegender Ansicht ist die Wirksamkeit des Besitzmittlungsverhältnisses keine zwingende Voraussetzung für den mittelbaren Besitz, solange der Besitzmittler ein nur vermeintliches Besitzmittlungsverhältnis anerkennt, vgl. BGH NJW 1955, 499; WM 1985, 1433; BGHZ 85, 263, 265; Westermann, S. 109; Baur/Stürner, § 7, Rn. 44; Soergel/Stadler, § 868, Rn. 7; einschränkend noch die frühere Rspr., vgl. RGZ 86, 262, 265; 98, 131, 133 sowie die Nachweise aus der älteren Literatur bei Staudinger/Bund § 868, Rn. 16. 45 Soergel/Stadler, § 868, Rn. 10; Erman/Lorenz, § 868, Rn. 10. 46 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 10; vgl. allg. BGH JZ 1964, 130; Staudinger/ Bund, BGB, § 871, Rn. 2; MünchKommBGB/Joost, § 871, Rn. 2. 47 Canaris, Rn. 2119; Kümpel, WM 1980, 430; Dittrich, S. 122.

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wahrung angepasst.48 Insoweit ähnelt er dem Rückübertragungsanspruch bei der unregelmäßigen Verwahrung gemäß § 700 BGB. Anders als bei der unregelmäßigen Verwahrung erwirbt die Depotbank jedoch kein Eigentum an den Effekten. Die Auslieferung der Effekten an den Hinterleger führt zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft zwischen den am Sammelbestand beteiligten Miteigentümern. Der Sammelverwahrer ist nach § 6 Abs. 1 S. 2 DepotG selbstständig zur Auslieferung befugt, ohne dass eine gemeinschaftliche Verfügung aller Miteigentümer nach § 747 S. 2 BGB erforderlich wäre. Damit wird auch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft nach den §§ 749 ff. BGB für die Bedürfnisse der Girosammelverwahrung modifiziert. Da bei der Girosammelverwahrung das verwahrte Gut im Miteigentum mehrerer steht, enthält der Anspruch aus § 7 Abs. 1 DepotG sowohl Elemente des verwahrungsrechtlichen Rückübertragungsanspruchs als auch des Anspruchs auf Teilung nach der Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft. In der mehrstufigen Verwahrkette richtet sich der Anspruch gegen die Depotbank des Anlegers, da er nur mit dieser ein Vertragsverhältnis hat.49 Zur Erfüllung des Anspruchs muss die Depotbank ihren eigenen Auslieferungsanspruch aus § 7 Abs. 1 DepotG gegen den nächsthöheren Zwischenverwahrer geltend machen.50 Mit dem Ausgang der Einzelstücke beim Sammelverwahrer wandelt sich das Miteigentum an den ausgelieferten Stücken in Alleineigentum des bisherigen Miteigentümers um. Dies folgt aus der Umkehr des Gedankens von § 6 Abs. 1 S. 1 DepotG.51 Der Auslieferungsanspruch kann auch durch Umbuchung der Effekten auf ein anderes Depotkonto erfüllt werden. Dies ist der praktische Regelfall. Für die Übertragung auf ein anders Depotkonto kann die Depotbank jedenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kein Entgelt vereinbaren, weil sie dadurch keine Dienstleistung auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbringt, sondern allein ihre gesetzliche Verpflichtung zur Herausgabe erfüllt.52 Strittig ist, ob der Hinterleger den Anspruch aus § 7 Abs. 1 DepotG in entsprechender Anwendung der §§ 546 Abs. 2, 604 Abs. 4 BGB auch direkt gegenüber der Wertpapiersammelbank geltend machen kann.53 In Betracht käme ein solcher Anspruch

48 Canaris, Rn. 2119; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 86; Kümpel, Rn. 11.215. 49 Heinsius/Horn/Than, § 7, Rn. 4; Scherer, in: Ebenroth/Boujong/Joost, BankR, Rn. VI 370. 50 Gößmann/Klanten, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 86. 51 Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 65; Canaris, Rn. 2123; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 406, Rn. 286; Baumbach/Hopt/Hopt, § 6 DepotG, Rn. 3. 52 BGH, WM 2005, 272, 273. 53 Dafür sprechen sich aus Opitz, DepotG, §§ 6,7,8, Bem. 25; Wolter, S. 316; Schönle, S. 299; Canaris, Rn. 2119; Kümpel, Rn. 11.201; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 205; Eder, NZG 2004, 110; Baumbach/Hopt/Hopt, § 7 DepotG, Rn. 1; Lenenbach, Rn. 5.31; Schwintowski/ Schäfer, § 17, Rn. 19; Geier, BKR 2010, 149; dagegen Quassowski/Schröder, § 7, B I 4 a; Heinsius/Horn/Than, § 7, Rn. 4; Zöllner, in: FS Raiser, S. 264 f.; Becker, S. 52; Einsele,

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nach der Beendigung des Verwahrverhältnisses zwischen Hinterleger und seiner Depotbank. Für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften bei der Girosammelverwahrung wird angeführt, dass ein Direktanspruch für den bürgerlich-rechtlichen Verwahrungsvertrag der allgemeinen Meinung entspreche und eine differenzierte Behandlung bei der Sammelverwahrung nicht angezeigt sei.54 Im Übrigen ACHTUNGREerfordere der Schutz des Hinterlegers einen Anspruch gegen die Wertpapiersammelbank, wenn er nicht zugleich Miteigentümer des Sammelbestandes sei und damit keinen Anspruch aus § 8 DepotG habe. Er wäre dann allein auf die Abtretung des Auslieferungsanspruches des Zwischenverwahrers gegen die Wertpapiersammelbank angewiesen.55 Dabei wird bereits von der zweifelhafte Prämisse ausgegangen, § 8 ACHTUNGREDepotG gewähre dem dinglich berechtigten Miteigentümer einen Auslieferungsanspruch gegen die Wertpapiersammelbank. Vorzugswürdig ist jedoch, dem Hinterleger einen schuldrechtlichen Direktanspruch gegenüber der Wertpapiersammelbank auf Auslieferung grundsätzlich zu versagen. Dies entspricht der hierarchischen Stufung der Effektenverwahrung, bei der die einzelnen Glieder der Verwahrkette nur mit den jeweils vor- und nachgeordneten Gliedern in Verbindung stehen. Die einzelnen Verwahrverhältnisse stehen selbstständig nebeneinander. Die Geltendmachung von Ansprüchen über die einzelnen Glieder der Verwahrkette hinweg würde die Funktionsfähigkeit des Effektenverkehrs stören.56 Bereits rechtspraktisch stünde einem ACHTUNGREDirektanspruch des Hinterlegers entgegen, dass aufgrund der Buchungsweise von ACHTUNGREClearstream die Anteile der Kunden der Depotbanken aus den Unterlagen bei ClearACHTUNGREstream nicht hervorgehen. Der Kunde wäre also auch in diesem Fall auf die Mitwirkung seiner Depotbank angewiesen, um den Anspruch durchzusetzen.57 Im Ergebnis ist ein Direktanspruch des Hinterlegers gegen die Wertpapiersammelbank deswegen abzulehnen. (2) § 8 DepotG Daneben macht § 8 DepotG deutlich, dass auch die Ansprüche des Miteigentümers oder sonst dinglich Berechtigten nur in der von §§ 6 Abs. 2 S. 1, 7 DepotG bestimmten Form geltend gemacht werden können. § 8 DepotG ist von Bedeutung, wenn der Eigentümer nicht selbst Hinterleger ist und deshalb außerhalb des vertraglichen Verwahrungsverhältnisses steht. Der Wortlaut legt nahe, dass die Vorschrift keinen neuen Anspruch gewährt, sondern das Bestehen von Ansprüchen des EigenWertpapierrecht als Schuldrecht, S. 77 f.; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 86; Mahler, S. 29. 54 Canaris, Rn. 2119, 2163; zum Herausgabeanspruch gegen den Drittverwahrer beim allgemeinen VerwahrungsACHTUNGREvertrag nach §§ 688 ff. BGB vgl. MünchKommBGB/Hüffer, § 695, Rn. 5; Erman/Herrmann, § 691, Rn. 3. 55 Kümpel, Rn. 11.201. 56 Zöllner, in: FS Raiser, S. 264 f.; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 81. 57 Schönle, S. 299; dies erkennt auch Kümpel, Rn. 11.205, der für diesen Fall einen vertraglichen Anspruch des Hinterlegers gegen seine Depotbank auf Ausstellung eines Legitimationsnachweises annimmt.

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tümers voraussetzt, die dann den genannten Bestimmungen unterworfen werden.58 Die dogmatische Einordnung der Vorschrift bzw. der Ansprüche, die von § 8 DepotG erfasst werden, ist jedoch umstritten. Nach überwiegender Ansicht wird dadurch jedenfalls der Aufhebungs- und Teilungsanspruch des Miteigentümers nach §§ 749, 752 BGB modifiziert59 bzw. ersetzt.60 Der Miteigentümer kann jederzeit die Auslieferung einer seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Stückzahl von Wertpapieren verlangen, ohne dass die Miteigentümergemeinschaft als solche berührt wird. Der Anspruch richtet sich dabei nicht gegen die übrigen Miteigentümer, sondern unmittelbar gegen die Depotbank des Hinterlegers.61 Fallen die Personen des Hinterlegers und des Miteigentümers auseinander, so besteht zwischen ihnen Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB hinsichtlich ihrer Auslieferungsansprüche. Die Depotbank kann nach ihrer Wahl an einen von beiden leisten und wird dann auch gegenüber dem anderen von der Leistungspflicht befreit.62 Ganz überwiegend sieht man in § 8 DepotG auch eine besondere Ausformung bzw. Abwandlung des dinglichen Herausgabeanspruchs des Eigentümers nach § 985 BGB. Man bezeichnet den Anspruch deswegen als dinglichen Auslieferungsanspruch.63 Er soll sich nicht nur gegen die Depotbank des Hinterlegers richten, sondern auch direkt gegen die Wertpapiersammelbank.64 Gesetzliche Grundlage des Herausgabeanspruchs soll § 985 BGB bleiben. Die Wertpapiersammelbank soll jedoch aus der Kette von Depotverträgen ein Besitzrecht im Sinne von § 986 Abs. 1 BGB ableiten können, so dass der Anspruch kaum praxisrelevant sei.65 Die Einordnung von § 8 DepotG als dinglicher Anspruch ist jedoch fragwürdig. Generell ist es problematisch, den Anspruch gleichzeitig als Abwandlung des gemeinschaftsrechtlichen Aufhebungs- und Teilungsanspruchs und des dinglichen Herausgabeanspruchs gegen einen Dritten zu qualifizieren. Die Ansprüche verfolgen ganz unterschiedliche Zielrichtungen. Während der Aufhebungsanspruch zur Been58

Heinsius/Horn/Than, § 8, Rn. 1. Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 25, § 8, Rn. 1; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 72, Rn. 88. 60 Canaris, Rn. 2120. 61 Das ist strittig; wie hier MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 83; nach a.A. richtet sich der Anspruch hingegen jedenfalls auch gegen die Wertpapiersammelbank, vgl. Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 25; Kümpel, Rn. 11.200 ff.; Schwintowski/Schäfer, § 17, Rn. 19. 62 Canaris, Rn. 2120; Lenenbach, Rn. 5.30; ähnlich Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/16, der ein gesamtgläubigerähnliches Verhältnis annimmt. 63 In diese Richtung geht auch die amtliche Begründung zu § 8 DepotG, abgedr. bei Opitz, DepotG, §§ 6,7,8; vgl. ders., §§ 6,7,8, Bem. 19; Grathwohl, S. 85; Kümpel, WM 1980, 430; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 205; Baumbach/Hopt/Hopt, § 8 DepotG, Rn. 1; Dittrich, S. 123; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 88; Heinsius/Horn/Than, § 8 Rn. 1; Geier, BKR 2010, 149; zustimmend auch Canaris, Rn. 2120, der in der Vorschrift jedoch eine eigenständige Anspruchsgrundlage sieht; ebenso Micheler, S. 177 f. 64 Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 25; Kümpel, Rn. 11.200 ff. 65 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/53; Heinsius/Horn/Than, § 8, Rn. 1; Dittrich, S. 123; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 88. 59

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digung der Gemeinschaft führt, richtet sich der Herausgabeanspruch zunächst allein gegen den mittelbaren oder unmittelbaren Besitzer der Gemeinschaftssache. Seine Ausübung lässt den Bestand der Bruchteilsgemeinschaft grundsätzlich unberührt. Dieser Gedanke kommt bei § 1011 BGB zum Ausdruck, der nur die Herausgabe der Sache an alle Miteigentümer gemeinsam anordnet und damit die Aufrechterhaltung der Bruchteilsgemeinschaft vorsieht. Auch wenn die gleichzeitige Geltendmachung von Herausgabe- und Teilungsansprüchen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, so vermischt die h.M. doch die Zielrichtungen der beiden Ansprüche. Denn der Umstand, dass sich der Anspruch aus § 8 DepotG nicht unmittelbar gegen die Miteigentümer richtet, spricht nicht zwingend dafür, dass mit der Vorschrift der dingliche Herausgabeanspruch des Eigentümers gegenüber dem mittelbaren oder unmittelbaren Besitzer gemeint ist. Vielmehr kommt darin die bereits im Zusammenhang mit § 7 DepotG angesprochene Modifikation des Aufhebungs- und Teilungsanspruches des Miteigentümers zum Tragen. Der Verwahrer handelt insoweit als „Repräsentant“ der übrigen Miteigentümer.66 Gegen eine Einordnung von § 8 DepotG als dingliche Anspruchsgrundlage spricht vor allem, dass sich der dingliche Herausgabeanspruch des Eigentümers allein auf die konkret bestimmte Sache beziehen kann, auf die sich auch das Eigentumsrecht des Eigentümers erstreckt. Ein Anspruch auf Auslieferung eines anderen Gegenstandes kann nicht mehr als Ausdruck einer dinglichen Berechtigung an einer Sache aufgefasst werden. Das Eigentumsrecht des Anlegers bezieht sich jedoch nicht auf einzelne Wertpapierurkunden. Das Auseinanderfallen von Eigentumsgegenstand und Gegenstand der Herausgabe wird besonders dann deutlich, wenn im Fall einer Globalurkunde Effektenurkunden ausgeliefert werden, die während der Dauer der Verwahrung noch nicht existieren, sondern erst nach Geltendmachung des Auslieferungsanspruchs hergestellt werden. Der Grundsatz, wonach Eigentumsgegenstand und Gegenstand eines Herausgabeanspruches übereinstimmen müssen, wird zwar auch durch § 1011 BGB dahingehend modifiziert, dass der Anspruchsinhaber, obgleich er nur Eigentümer eines ideellen Bruchteils ist, die Herausgabe der ganzen Sache verlangen kann. Jedoch kann er nur Herausgabe an alle anderen Miteigentümer gemeinsam verlangen. Die Modifikation ist erforderlich, weil ein Eigentumsbruchteil der Natur der Sache nach nicht isoliert herausgegeben werden kann. Die Vorschrift stellt damit sicher, dass die Herausgabeansprüche aller dinglich Berechtigten gleichzeitig erfüllt werden, so dass nicht ein Mitberechtigter auf Kosten der übrigen Miteigentümer Alleinbesitz an der Sache ergreifen kann. § 1011 BGB führt damit im Ergebnis nicht zu einem unzulässigen Auseinanderfallen von Eigentumsgegenstand und Gegenstand des Herausgabeanspruchs. Für dieses Ergebnis spricht eine weitere Erwägung. Nach h.M. soll die Wertpapiersammelbank bzw. die Depotbank des Hinterlegers als Schuldnerin des Auslieferungsanspruchs dem Miteigentümer ein Besitzrecht im Sinne von § 986 BGB entgegenhalten können, das aus einem gültigen Verwahrverhältnis zwischen dem Hinterleger und 66

Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 25.

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der Depotbank resultiert.67 Von einem Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB kann man jedoch nur dann sprechen, wenn sich die Depotbank des Hinterlegers bzw. die Wertpapiersammelbank auf eine Kette von gültigen Besitzmittlungsverhältnissen stützen kann, die bis zum dinglich Berechtigten reicht. Bereits eine Lücke in dieser Kette von Besitzmittlungsverhältnissen steht einem Besitzrecht der Wertpapiersammelbank entgegen, auch wenn die übrigen Verwahrungsverträge wirksam sind.68 Insbesondere wäre die Wertpapiersammelbank bereits dann zur Auslieferung an den Miteigentümer verpflichtet, wenn der Hinterleger im Verhältnis zum Miteigentümer nicht zum Besitz berechtigt ist. Da aber bereits ein wirksamer Verwahrungsvertrag zwischen Hinterleger und seiner Depotbank dem Anspruch aus § 8 ACHTUNGREDepotG entgegenstehen soll, und dem ist wegen der hierarchischen Stufung der Sammelverwahrung zuzustimmen, dann kann es sich bei dem Auslieferungsanspruch systemgerecht nicht um eine besondere Ausformung von § 985 BGB handeln. Vielmehr gewährt § 8 DepotG „nur“ einen schuldrechtlichen Anspruch, der § 7 Abs. 1 ACHTUNGREDepotG entspricht. Der Anspruch besteht allein gegen die Depotbank des Hinterlegers, nicht aber gegen den Drittverwahrer.69 Ein Bezug zum dinglichen Herausgabeanspruch des Miteigentümers gemäß §§ 985, 1011 BGB besteht richtigerweise insofern, als dass dieser Anspruch von § 8 DepotG beschränkt wird.70 Solange die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs gewährleistet ist und sich der Sammelbestand im unmittelbaren Besitz der Wertpapiersammelbank befindet, kann der dinglich berechtigte Miteigentümer nicht die Herausgabe des Sammelbestandes an alle Miteigentümer verlangen, sondern ist auf den depotgesetzlichen Auslieferungsanspruch verwiesen. Der dingliche Herausgabeanspruch aus §§ 985, 1011 BGB behält daneben nur einen äußerst beschränkten Anwendungsbereich für Fälle, in denen ein Dritter, beispielsweise ein Dieb, unberechtigt Besitz vom Sammelbestand ergreift. cc) Eignung der Auslieferungsansprüche zur Begründung mittelbaren Besitzes Es ist sehr umstritten, ob die depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche geeignet sind, den mittelbaren Besitz der Hinterleger an den sammelverwahrten Effekten zu begründen. Problematisch an der Konstruktion der h.M. ist insbesondere, dass sich die Ansprüche aus §§ 7 Abs. 1, 8 DepotG auf die Auslieferung einzelner Urkunden (in Höhe des Nennbetrags bzw. in Höhe der Stückzahl der eingelieferten Urkunden) beziehen. Bezugsobjekt des Besitzes der Hinterleger sind jedoch nicht einzelne Urkunden. Dies deutet darauf hin, dass die Auslieferungsansprüche kein Ausdruck ver-

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Kümpel, Rn. 11.202 f. Vgl. nur MünchKommBGB/Medicus, § 986, Rn. 4. Ebenso MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 83. Ähnlich MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 84.

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geistigter Sachherrschaft der Hinterleger über den Sammelbestand sind und für die Begründung des mittelbaren Besitzes folglich ungeeignet sind. (1) Richtiges Bezugsobjekt des mittelbaren Besitzes Klärungsbedürftig ist zunächst, worin überhaupt das richtige Bezugsobjekt einer Besitzstellung der Hinterleger bzw. Miteigentümer der sammelverwahrten Effekten liegt. Nach überwiegender Ansicht kommt dazu allein der gesamte Sammelbestand in Betracht, an dem die Hinterleger gemeinsamen mittelbaren Besitz ausüben. Eine dem Miteigentum nach ideellen Bruchteilen korrelierende Besitzposition in Form eines ideellen Bruchteilsmitbesitzes ist dem BGB demgegenüber unbekannt.71 Der Grund dafür liegt darin, dass sich der Besitz als eine an der Verkehrsanschauung orientierte tatsächliche Sachherrschaft nur auf eine Sache als Ganzes und nicht auf ideelle Bruchteile davon beziehen kann. Die tatsächliche Sachherrschaft lässt sich begriffslogisch nicht in einzelne Bruchteile unterteilen und wird im Fall des Mitbesitzes nur gemeinsam über die gesamte Sache ausgeübt.72 Dies wird auch von den §§ 1011, 432 BGB bestätigt. Denn diese Vorschriften sehen nur die Herausgabe der ganzen Sache an alle Miteigentümer vor. Überträgt man dies auf sammelverwahrte Wertpapiere, so kann nur der Sammelbestand als Einheit Bezugspunkt für den Besitz sein.73 Demgegenüber wird jedoch auch die Auffassung vertreten, dass der mittelbare Mitbesitz im Allgemeinen, jedenfalls aber in Bezug auf Sammeldepotanteile auch in ideelle Bruchteile aufspaltbar sei.74 Zur Begründung wird die vor allem in der früheren Literatur angestellte Überlegung vorgebracht, wonach es sich beim mittelbaren Besitz nicht um eine tatsächliche, sondern um eine lediglich vergeistigte und damit juristisch überformte Sachherrschaft handele, bei der im Gegensatz zum unmittelbaren Besitz ein Bruchteilsbesitz begriffslogisch gerade nicht ausgeschlossen sein müsse.75 Mit Blick auf die Besonderheiten des Effektengiroverkehrs stellt man darüber hinaus darauf ab, dass ein Wertpapiersammelbestand aus einzelnen Anteilsrechten bestehe, die nur aufgrund gesetzlicher Anordnung zu einem einheitlichen Sammelbestand zusammengefasst würden. Da dieser Bestand schon nach der gesetzlichen Intention und im Gegensatz zu anderen Besitzobjekten gerade einer Vielzahl 71

RG JW 1936, 251; BGHZ 85, 263, 264. BGHZ 85, 263, 264; vgl. bereits Wolff, JhJb 44 (1902), 160 ff.; ebenso Koller, JZ 1972, S. 649; Brunner, S. 22 f.; Soergel/Stadler, § 865, Rn. 2; MünchKommBGB/Joost, § 866, Rn. 1; Palandt/Bassenge, § 866, Rn. 1; Staudinger/Bund, § 866, Rn. 2 f.; Wolff/Raiser, S. 38; Erman/ Lorenz, § 866, Rn. 1. 73 Koller, DB 1972, 1861, 1905; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 33; Brink, S. 53; Wolter, S. 326 f.; Dittrich, S. 124; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 208. 74 Insbesondere Becker, S. 34 ff.; dem folgend Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 14; Mahler, S. 48 ff. 75 Becker, S. 37; er stützt sich dabei auf Stimmen des älteren Schrifttums, die einen ideellen Bruchteilsbesitz für möglich halten, weil es sich dabei um eine Rechtsposition bzw. um juristischen Besitz handele, insbesondere auf Kress, S. 285 ff.; in diesem Sinne auch v. Gierke, S. 222, Fn. 54; Planck/Brodmann, § 866, Rn. 1. 72

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

von Berechtigten anteilsmäßig zustehen solle, müsse berücksichtigt werden, dass die Hinterleger auch nur in Höhe ihres Anteils besitzen wollen.76 Die Höhe der Besitzbruchteile errechne sich wie der Miteigentumsanteil aus Stückzahl bzw. Nennbetrag der jeweils hinterlegten Effekten.77 Durch die Regelung der Depotbuchungen in § 14 DepotG, die Ausdruck über die Höhe der Besitzbruchteile seien, habe der Gesetzgeber den Mitbesitz nach Bruchteilen anerkannt.78 Für diese Ansicht spricht auf den ersten Blick, dass der dingliche Herausgabeanspruch aus §§ 985, 1011, 432 BGB bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren durch die depotrechtlichen Auslieferungsansprüche beschränkt wird und die Miteigentümer grundsätzlich gerade nicht die Herausgabe des Sammelbestandes an alle Miteigentümer verlangen können. Die Ansprüche der Hinterleger bzw. Miteigentümer auf Auslieferung von Wertpapieren an sich selbst könnten Anhaltspunkt dafür sein, dass das Auslieferungsverlangen bei der Sammelverwahrung kein Ausdruck gemeinschaftlich ausgeübter Sachherrschaft ist und es sich folglich nicht um gemeinschaftlichen mittelbaren Mitbesitz der Miteigentümer am Sammelbestand handelt. Gleichwohl ist dieser Ansicht nicht zu folgen. Zunächst ist zu bemerken, dass auch die Annahme eines mittelbaren Bruchteilsmitbesitzes nicht über das Problem hinweg hilft, dass ein solcher Besitzgegenstand nicht mit dem Gegenstand der depotrechtlichen Auslieferungsansprüche korreliert. Denn ein Bruchteilsmitbesitz müsste sich entsprechend den Ausführungen zum Miteigentum auf ideelle Bruchteile an jeder einzelnen Effektenurkunde beziehen. Gegenstand der Auslieferungsansprüche sind hingegen einzelne Effektenurkunden. Geht man von der Möglichkeit eines ideellen Bruchteilsmitbesitzes aus, so ist ein solches AuseinACHTUNGREanderfallen zwingend, weil sich ein Herausgabeanspruch immer nur auf einen konkreten Gegenstand und nicht auf einen ideellen Bruchteil beziehen kann. Aus diesem Grund nehmen auch die Stimmen der früheren Literatur, die einen mittelbaren Besitz nach ideellen Bruchteilen grundsätzlich nicht für ausgeschlossen halten, keine Teilung des auf eine unteilbare Leistung gerichteten Herausgabeanspruchs an.79 Die Theorie des ideellen Bruchteilsmitbesitzes ist gerade aus diesem Grund generell abzulehnen. Sie ist unvereinbar mit dem Konzept des mittelbaren Besitzes. Denn obgleich die Sachherrschaft in diesem Fall eine vergeistigte oder rechtlich vermittelte Form annimmt, handelt es sich nach wie vor um eine tatsächliche Herrschaft über eine Sache (ausgeübt durch eine andere Person) und nicht lediglich um deren Fiktion.80 Die Sachherrschaft des mittelbaren 76

Becker, S. 38 ff.; Mahler, S. 54 f. Becker, S. 40. 78 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 14. 79 Kress, S. 287. 80 Die Kontroverse um die Rechtsnatur des mittelbaren Besitzes reicht weit zurück; wie hier jedenfalls die weit überwiegende Ansicht, vgl. v. Gierke, S. 222; Wolff/Raiser, S. 35; Westermann, § 17, 5; RGRK/Kregel, § 868, Rn. 3; Staudinger/Bund, § 868, Rn. 5; Soergel/Stadler, § 868, Rn. 2; Palandt/Bassenge, § 868, Rn. 1; insbesondere in der älteren Literatur wird demgegenüber eine tatsächliche Sachherrschaft des mittelbaren Besitzers abgelehnt bzw. als Fiktion betrachtet, vgl. Siebert, ZHR 93 (1929), 18 ff.; Plank/Brodmann, § 868, Rn. 1; Wieling, S. 73 f.; 77

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Besitzers manifestiert sich dadurch, dass der unmittelbare Besitzer seinen Besitz durch Anerkennung eines Besitzmittlungsverhältnisses zugunsten des mittelbaren Besitzers abschwächt.81 Ausdruck und Möglichkeit der Ausübung der Sachherrschaft ist darüber hinaus ein jedenfalls rechtlich möglicher Herausgabeanspruch bezogen auf die ganze Sache. Ohne einen solchen Herausgabeanspruch wäre die Sachherrschaft nicht durchsetzbar.82 Da im Falle des ideellen Bruchteilsbesitzes ein Anspruch auf Herausgabe des Bruchteils logisch nicht möglich ist, wäre eine so verstandene Sachherrschaft tatsächlich eine bloße Fiktion. Dies wird auch daran deutlich, dass im Fall des ideellen Bruchteilsbesitzes nicht erkennbar wäre, auf welchen tatsächlichen Teil der Sache sich die Sachherrschaft beziehen soll. Das stünde nicht im Einklang mit dem Besitzverständnis, das dem BGB zugrunde liegt. Der dingliche Herausgabeanspruch aus einem Miteigentumsanteil vermag den Miteigentümern gemeinsamen mittelbaren Mitbesitz an der ganzen Sache zu verschaffen. Lediglich die Ausübung dieser Sachherrschaft ist zum Schutz der anderen Miteigentümer durch die §§ 1011, 432 BGB modifiziert.83 Als Gegenstand des mittelbaren Besitzes der Hinterleger kommt damit allein der Sammelbestand als Ganzes in Betracht. (2) Prinzip der gelockerten Identität Damit ist noch nicht die Frage beantwortet, ob die depotrechtlichen Ansprüche auf AusliefeACHTUNGRErung einzelner Effekten geeignet sind, tatsächliche Sachherrschaft und damit mittelbaren Besitz der Hinterleger am Sammelbestand zu begründen. Daran sind Zweifel angebracht, weil die Miteigentümer im Regelfall weder Herausgabe des gesamten Sammelbestandes an sich selbst, noch nach § 1011 BGB an alle Miteigentümer gemeinsam verlangen können. Die überwiegende Ansicht im Schrifttum interpretiert die depotrechtlichen AuslieferungsansprüACHTUNGREche jedoch als spezialgesetzliche Modifikationen allgemeiner sachenrechtlicher Grundsätze. Diese Modifikationen seien aufgrund der besonderen Umstände der Girosammelverwahrung notwendig und auch möglich.84 Die depotgesetzlichen Vorschriften dürften deshalb nicht einseitig an allgemeinen Grundsätzen des Sachenrechts gemessen werden. Vielmehr sei der Charakter des Depotgesetzes als Sondergesetz zu respektieren.85 Die §§ 6 ff. DepotG verdrängACHTUNGREten danach die §§ 1008 ff. BGB.86 Zwischen dem Gegenstand des mittelbaren BesitACHTUNGREzes und den Auslieferungsansprüchen bestünde eine „gelockerte Identität“. Obgleich dies an dogmatischer Stringenz hinter den besitzrechtlichen Regeln des ders., AcP 194 (1984) S. 439; ähnlich MünchKommBGB/Joost, § 868, Rn. 5, der den mittelbaren Besitz als bloßes Rechtsverhältnis qualifiziert in Anlehnung an RG JW 1931, 2904, 2906. 81 BGH NJW 1955, 499. 82 Staudinger/Bund, § 868, Rn. 23. 83 So auch Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 83. 84 Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 33; Kümpel, Rn. 11.197; Schwintowski/Schäfer, § 17, Rn. 11; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 13; Dittrich, S. 124; Eder, NZG 2004, 111; Hoffmann, WM 2007, 1549 f. 85 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 13. 86 Baumbach/Hopt/Hopt, § 6, Rn. 2.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

BGB zurückbleibe, stünde es mit diesen nicht im Widerspruch.87 Das Prinzip der gelockerten Identität wird in einer gesteigerten Form auch bei Globalurkunden herangezogen.88 Hier ist das AuseinanderACHTUNGREfallen des Bezugsobjekts des Besitzes (Globalurkunde) und des Gegenstandes der Auslieferungsansprüche (einzelne Urkunden, die gegebenenfalls erst noch hergestellt werden müssen) noch deutlicher. Für das Ergebnis wird auch vorgebracht, dass die Annahme des mittelbaren Besitzes der Hinterleger für die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs schlicht unverzichtbar sei.89 Im Rahmen einer einheitlichen Rechtsanschauung ergäbe sich das gegenständliche Auseinanderfallen nur aus Gründen der technischen Gestaltung des EfACHTUNGREfektengiroverkehrs. Im Ergebnis seien die depotrechtlichen Auslieferungsansprüche jedenfalls die Grundlage zur Begründung des mittelbaren Besitzes der Miteigentümer. Die Heranziehung der depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche zur Begrünung des mittelbaren Besitzes der Hinterleger am Sammelbestand kann jedoch nicht überzeugen. Der Auslieferungsanspruch aus § 7 Abs. 1 DepotG begründet keinen Besitz des Hinterlegers am Sammelbestand. Grundsätzlich ist der verwahrungsrechtliche Rückgewähranspruch nach § 695 BGB zwar geeignet, mittelbaren Besitz des Eigentümers am verwahrten Gut zu begründen. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn sich der Rückgewähranspruch nicht auf bestimmte Gegenstände bezieht, sondern den Verwahrer lediglich zur Rückgewähr von Sachen bestimmter Art und Güte verpflichtet. § 7 Abs. 1 DepotG ist insoweit vergleichbar mit dem Rückgewähranspruch auf Sachen gleicher Art, Güte und Menge bei der unregelmäßigen Verwahrung nach § 700 BGB, der anerkanntermaßen keinen mittelbaren Besitz des Hinterlegers am verwahrten Gut begründet.90 Gegen den Vergleich mit § 700 BGB lässt sich nicht einwenden, dass der Hinterleger, der vormals Alleineigentümer der Wertpapiere war, bei der Sammelverwahrung anders als bei der unregelmäßigen Verwahrung Miteigentümer des Sammelbestandes bleibe.91 Die Eigentumsverhältnisse sind für die Frage eines besitzbegründenden verwahrungsrechtlichen Herausgabeanspruchs unerheblich. Entscheidend ist allein, ob sich der Herausgabeanspruch auf eine konkret bestimmte Sache bezieht. Dies ist bei der Sammelverwahrung von Wertpapieren gerade nicht der Fall, da die Papiere nicht einzelnen mittelbaren Besitzern zugeordnet werden können.92 Besonders deutlich wird dies, wenn anstelle von einzelnen Urkunden lediglich eine Sammelurkunde verwahrt wird. Zwar bestehen auch in diesem Fall grundsätzlich die Auslieferungsansprüche der Anleger aus §§ 7 Abs. 1, 8 DepotG. Gemäß § 9 a Abs. 3 S. 1 DepotG kann die Depotbank des Kunden lediglich die Auslieferung für den zur Herstellung effektiver Einzelstücke erforderlichen Zeitraum verweigern. Noch deutlicher als bei der Sammelverwahrung einzelverbriefter Rechte 87

Opitz, DepotG, §§ 6,7,8, Rn. 25; Habersack/Mayer, WM 2000, 1680; Dittrich, S. 124. Hirte/Knof, WM 2008, 11. 89 Koller, DB 1972, 1861. 90 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 85; dies., WM 2001, 11; dem folgend Micheler, S. 178 f. 91 So aber Mahler, S. 56 f. 92 Koller, DB 1972, 1861. 88

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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weichen hier allerdings die Bezugsobjekte der einzelnen Rechtspositionen voneinander ab: Während sich Auslieferungsansprüche auf eine bestimmte Anzahl von Einzelurkunden richten, die gegebenenfalls erst noch hergestellt werden müssen, müsste sich der gemeinsame Mitbesitz der Hinterleger auf die Globalurkunde selbst beziehen. Zwar sind die Einzelurkunden als dingliches Surrogat der Globalurkunde anzusehen. Jedoch kann ein Anspruch auf Auslieferung zukünftig herzustellender Urkunden keine Sachherrschaft über die ursprünglich vorhandene Globalurkunde begründen. Der Besitz als tatsächliche Sachherrschaft an bestimmten Gegenständen kann nicht durch einen Anspruch auf Auslieferung einer anderen Sache hergestellt werden.93 Gleiches gilt für den Auslieferungsanspruch des Miteigentümers aus § 8 DepotG. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei in erster Linie um den modifizierten Anspruch des Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft und Teilung des Miteigentumsgutes handelt.94 Der Anspruch ist hinsichtlich der Art der Aufhebung sowie der Person des Anspruchsgegners abgewandelt. Der Anspruch auf Teilung begründet als solcher jedoch keine gemeinsame tatsächliche Sachherrschaft der Miteigentümer über die im Miteigentum stehenden Sachen.95 Eine Sachherrschaft der Miteigentümer könnte der Anspruch allenfalls dann begründen, wenn man in ihm auch eine Ausformung des dinglichen Herausgabeanspruchs aus §§ 985, 1011 BGB sähe. Dies ist jedoch nach der obigen Begründung abzulehnen. Daraus folgt, dass die depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche nicht geeignet sind, eine mittelbare Besitzerstellung der Hinterleger am Sammelbestand zu begründen. Sie verschaffen dem Hinterleger keine tatsächliche Sachherrschaft über bestimmte Wertpapiere, sondern lediglich einen Anspruch auf wertmäßige Beteiligung am Sammelbestand.96 Die Ansicht, wonach die Auslieferungsansprüche mittelbaren Besitz des Hinterlegers begründen, weil der Gesetzgeber eine gelockerte Identität zwischen Herausgabeanspruch und Gegenstand des Besitzes angeordnet habe, ist dogmatisch nicht haltbar.97 (3) Mittelbarer Besitz unabhängig von den depotgesetzlichen Auslieferungsansprüchen Aus diesen Überlegungen wurde der Schluss gezogen, dass der mittelbare Besitz des Hinterlegers am Sammelbestand ausgeschlossen sei.98 Die derzeitige Konstruk-

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Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 87 f.; zustimmend Hirte/Knof, WM 2008,

11. 94

Vgl. oben C.II.1.b)bb)(2). Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 84; dies., WM 2001, 11; a.A. Dittrich, S. 127. 96 So MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 83. 97 Kritisch auch Canaris, Rn. 2120. 98 So insbesondere Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 88. 95

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

tion des Effektengiroverkehrs auf sachenrechtlicher Grundlage könnte dann nicht aufrechterhalten werden. Dieser Schluss ist jedoch voreilig. Denn auch wenn der Hinterleger bzw. dinglich berechtigte Miteigentümer im ordentlichen Ablauf der Girosammelverwahrung auf die depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche verwiesen ist, so stellt sich doch die Frage, ob daneben nicht echte Herausgabeansprüche bezogen auf einen Sammelbestand als Ganzes bzw. eine Globalurkunde bestehen. Daran müsste man insbesondere dann denken, wenn die Wertpapiersammelbank aufgelöst würde oder ihre Funktionsfähigkeit verlöre, beispielsweise im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen. Wenn in einer solchen Situation die Auslieferung einzelner Urkunden an einzelne Hinterleger oder bereits die Herstellung von Einzelurkunden aus praktischen Gründen nicht mehr möglich wäre, so müssen die Hinterleger bzw. Miteigentümer zumindest einen Anspruch darauf haben, den Sammelbestand gemeinsam in Besitz zu nehmen. Insbesondere von Koller wurde für diese Fälle ein verwahrungsrechtlicher Anspruch aller Hinterleger auf gemeinsame Inbesitznahme des Sammelbestandes aus den einzelnen Verwahrverträgen angenommen.99 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Anspruch steht jedem Hinterleger bzw. den an die Wertpapiersammelbank angeschlossenen Depotbanken zu und kann von ihnen jeweils selbstständig geltend gemacht werden.100 Der Hinterleger kann jedoch nicht Herausgabe des gesamten Sammelbestandes an sich selbst verlangen, sondern entsprechend § 1011 BGB nur an alle Hinterleger gemeinschaftlich. Für die übrigen Hinterleger können dabei auch deren Depotbanken Besitz am Sammelbestand ergreifen. Daneben besteht auch der dingliche Herausgabeanspruch der Miteigentümer gemäß §§ 985, 1011 BGB fort. Der Anspruch ist zwar in der Praxis zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs von den depotgesetzlichen Auslieferungsansprüchen verdrängt. Er bleibt jedoch rechtlich weiterhin bestehen, bedingt für den Fall, dass die Auslieferungsansprüche aus den genannten Gründen nicht erfüllt werden können.101 Auch wenn ein Dritter unberechtigt Besitz vom Sammelbestand bzw. einer Sammelurkunde ergreift, könnte ein Miteigentümer nach §§ 985, 1011 BGB Herausgabe an alle Miteigentümer bzw. an die Wertpapiersammelbank verlangen.102 Abwegig wäre in diesem Fall die Annahme, dass jeder Miteigentümer von dem Dritten, beispielsweise einem Dieb, Herausgabe des ihm zustehenden Anteils verlangen könnte. Stattdessen kommt nur die Herausgabe an alle Miteigentümer gemeinsam oder an die Wertpapiersammelbank in Betracht. Gerade dieser zugegebe-

99 Koller, DB 1972, 1861; ähnlich Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/101 b, wonach neben § 7 Abs. 1 DepotG auch der allgemeine verwahrungsrechtliche Rückforderungsanspruch nach § 695 BGB fortbesteht; zustimmend Berger, WM 2009, 582; kritisch hierzu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 85 ff. 100 Anders Koller, DB 1972, 1861, der wohl von einer gemeinsamen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs ausgeht; kritisch auch Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 86. 101 Vgl. bereits Quassowski/Schröder, § 6, Rn. C III 3. 102 Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 32; Kümpel, WM 1980, 430.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nermaßen theoretische Fall macht deutlich, dass der dingliche Herausgabeanspruch der Miteigentümer trotz § 8 DepotG dem Grunde nach fortbesteht. Die genauen Voraussetzungen für den Rückgriff auf den verwahrungsrechtlichen oder den dinglichen Herausgabeanspruch sind an dieser Stelle nicht entscheidend. Ebenso wenig ist relevant, dass die Ansprüche praktisch nie geltend gemacht werden und deswegen auch nicht zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs führen. Entscheidend ist allein, dass die Ansprüche jedenfalls rechtlich für bestimmte Fälle fortbestehen und nicht gänzlich ausgeschlossen sind.103 Derart bedingte Herausgabeansprüche genügen für die Begründung des mittelbaren Mitbesitzes der Hinterleger.104 Nicht in ihrer Begründung, aber doch im Ergebnis verdient die Ansicht der h.M. somit Zustimmung, die den Hinterleger bei der Sammelverwahrung als mittelbaren Besitzer der Werte sieht. Dem hat sich sowohl die Praxis105 als auch die Rechtsprechung angeschlossen, soweit die Frage im Kontext der einschlägigen Entscheidungen106 aufgetreten ist. Die Begründung, wonach der mittelbare Besitz durch die depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche begründet wird, kann jedoch nicht aufrecht erhalten werden. Die gegen die Lehre von der gelockerten Identität zwischen Objekt des Besitzes und Gegenstand der Auslieferungsansprüche vorgebrachten Einwände sind stichhaltig. Stattdessen kann zur Begründung des mittelbaren Besitzes allein auf die neben den depotgesetzlichen Auslieferungsansprüchen fortbestehenden verwahrungsrechtlichen und dinglichen Herausgabeansprüche abgestellt werden. Dabei ist es unerheblich, ob die Werte einzeln oder in einer Global- bzw. Dauerglobalurkunde verbrieft sind. dd) Problem des gleichzeitigen Eigen- und Fremdbesitzes Problematisch ist jedoch der Fall, in dem eine Depotbank sowohl für ihre Kunden als auch für sich selbst Anteile an einem Sammelbestand hält. In der Praxis ist es üblich, dass Zwischenverwahrer auch Werte auf eigene Rechnung halten. Die Konstellation bereitet aus besitzrechtlicher Sicht Schwierigkeiten, weil die Depotbank dann gleichzeitig mittelbare Eigen- und Fremdbesitzerin wäre. Ob ein Besitzmittler gleichzeitig auch Eigenbesitz an einer Sache halten kann, ist jedoch umstritten. Die Problematik wird überwiegend im Zusammenhang mit der Verwahrung von Globalurkunden diskutiert; sie tritt aber genauso bei einem einheitlichen Sammelbestand aus einzelverbrieften Rechten auf, da auch hier der Sammelbestand den einheitlichen Bezugspunkt der Besitzrechte darstellt. Außerhalb der Girosammelverwahrung wurde die Frage im Fall der Teilabtretung einer Briefgrundschuld erörtert, bei der die Ausstellung und Übergabe eines Teilbriefes dadurch ersetzt werden soll, dass 103

Dagegen Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 85. Vgl. allg. BGHZ 1, 81, 87; MünchKommBGB/Joost, § 868, Rn. 16; Soergel/Stadler, § 868, Rn. 10. 105 Vgl. Nr. 8 Abs. 1 AGB Clearstream. 106 Vgl. BGH, NJW 1997, 2110, 2111; OLG Karlsruhe, WM 1999, 2451, 2455; LG München, WM 1951, 296, 298. 104

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ein Teilgläubiger den Brief für den anderen mitverwahrt.107 Der BGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass ungleichstufiger Besitz in Form des gleichzeitigen Eigen- und Fremdbesitzes am Grundschuldbrief als einheitliche Sache ausgeschlossen ist und das Übergabeerfordernis deswegen nicht erfüllt sei.108 Der Verwahrer und unmittelbare Besitzer des Grundschuldbriefes könne nicht nebeneinander Eigen- und Fremdbesitzwillen haben. Der Eigenbesitz des Besitzmittlers verhindere die tatsächliche Sachherrschaft des Oberbesitzers. Daraus wird zum Teil abgeleitet, dass diese Besitzkonstellation auch bei der Girosammelverwahrung ausgeschlossen sei.109 Die herrschende Gegenansicht geht jedoch davon aus, dass die genannte Entscheidung des BGH keine Auswirkungen auf die Praxis der Girosammelverwahrung hat. Sie verweist darauf, dass sich der BGH in seiner Entscheidung nur auf den unmittelbaren, nicht aber auf den mittelbaren Besitz bezogen habe und mithin das Nebeneinander von mittelbarem Eigen- und Fremdbesitz gerade nicht ausdrücklich ausgeschlossen habe.110 Da nur die Wertpapiersammelbank, die praktisch nicht selbst Aktionärin einer Gesellschaft sei, als unmittelbare Fremdbesitzerin auftrete, sei die Entscheidung für die Girosammelverwahrung nicht relevant. Darüber hinaus seien die Besonderheiten der Globalurkunde zu berücksichtigen. Diese verbriefe nämlich im Gegensatz zu einem Grundschuldbrief gerade kein einheitliches Recht, sondern eine Vielzahl von Rechten, die bestimmungsgemäß einer Vielzahl von Berechtigten zustehen sollen. Gerade weil bei Sammelurkunden bzw. bei Sammelbeständen der unterschiedliche Besitzmittlungswille anders als bei Grundschuldbriefen anhand von Depotbuchungen unterschieden werden könne und die Anteile bestimmungsgemäß im Giroverkehr übertragen würden, sei die Situation bei der intermediären Wertpapierverwahrung nicht mit dem vom BGH entschiedenen Fall vergleichbar. Aufgrund der Buchungsunterlagen trete hier gerade ein unterschiedlicher Besitzmittlungswille nach außen.111 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Der Entscheidung des BGH ist keine eindeutige Aussage zur Frage des ungleichstufigen mittelbaren Mitbesitzes zu entnehmen. Soweit die Rechtsprechung in anderen Entscheidungen auf die rechtliche Ausgestaltung der Girosammelverwahrung eingegangen ist, ist sie im Übrigen grundsätzlich von einer besitzrechtlichen Stellung der Hinterleger ausgegangen, ohne die Frage des ungleichstufigen mittelbaren Besitzes zu problematisieren.112 Generell ist darüber hinaus anzumerken, dass die Einwände gegen den ungleichstufigen Mitbesitz nicht in der Befürchtung unzuträglicher Rechtsfolgen be107 Vgl. Hummel, NJW 1965, 2376 ff.; Abel, NJW 1966, 2045 f.; Baur, NJW 1967, 22 f.; MünchKommBGB/ Eickmann, § 1154, Rn. 20. 108 BGHZ 85, 263, 265 f.; dazu K. Schmidt, JuS 1983, 308; kritisch Baur/Stürner, § 37, Rn. 44; Staudinger/Bund, § 866, Rn. 21; Soergel/Stadler, § 866, Rn. 4. 109 Habersack/Mayer, WM 2000, 1681. 110 Mahler, S. 60; Berger, WM 2009, 580; gegen eine solche Differenzierung aber Habersack/Mayer, WM 2000, 1681. 111 Eder, NZG 2004, 113 f.; Mahler, S. 60 f.; ähnlich Berger, WM 2009, 581. 112 Vgl. BGHZ 160, 121; BGH, NJW 2005, 1275; 1997, 2110, 2111; OLG Karlsruhe, WM 1999, 2451, 2455; LG München, WM 1951, 296; so auch Berger, WM 2009, 681 f.

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gründet, sondern vorwiegend dogmatisch-konstruktiver Natur und damit keinesfalls zwingend sind.113 So erscheint es schwer begründbar, warum es der Depotbank möglich sein soll, den Besitz am Sammelbestand für mehrere Depotkunden zu vermitteln und zu Gunsten unterschiedlicher Personen Fremdbesitzmittlungswillen zu haben, gleichzeitig aber nicht auch für sich selbst besitzen zu können.114 Entscheidend dürfte auch sein, dass es sich in diesem Fall nicht um ein Nebeneinander von Eigen- und Fremdbesitz hinsichtlich ideeller Bruchteile an derselben Sache handelt (dies wäre in der Tat ausgeschlossen), sondern um zwei Formen des mittelbaren Besitzes, die sich jeweils auf die ganze Sache beziehen und die beide mittelbare Besitzer nur zur gemeinsamen Inbesitznahme der Sache berechtigen. Denn im (unwahrscheinlichen) Fall, in dem der Hinterleger oder dinglich Mitberechtigte die Herausgabe des Sammelbestandes verlangen und damit seine Sachherrschaft ausüben könnte, käme nur eine Herausgabe an alle Mitberechtigten gemeinsam in Betracht. Die Sachherrschaft der Depotbank wird damit durch die Sachherrschaft der übrigen Berechtigten beschränkt, bzw. kann nur gemeinsam mit den übrigen Mitberechtigten ausgeübt werden.115 Das Nebeneinander von mittelbarem Eigen- und Fremdbesitz des Zwischenverwahrers an einer Sammelurkunde ist deswegen nicht ausgeschlossen.116 ee) Mittelbarer Besitz an Dauerglobalurkunden Bei Dauerglobalurkunden vermag auch die Theorie der h.M. von einer gelockerten Identität zwischen Gegenstand der Auslieferungsansprüche und besitzrechtlichem Bezugsobjekt keine besitzrechtliche Stellung der Hinterleger begründen. Denn in diesem Fall ist jeglicher Anspruch auf Auslieferung einzelner Urkunden gemäß § 9 a Abs. 3 Satz 2 DepotG in Verbindung mit den zugrundeliegenden Emissionsbedingungen auf Dauer ausgeschlossen. Zahlreiche Stimmen gehen deswegen davon aus, dass der Anleger keinen mittelbaren Besitz an einer Dauerglobalurkunde haben könne.117 Die Übertragung des Miteigentumsanteils soll dann nach den Grundsätzen der Übertragung besitzloser Sachen durch bloße dingliche Einigung und ohne eine Form der Besitzübertragung möglich sein.118 Vertreten wird auch, dass die Depotbuchung die Funktion des Besitzes ersetze.119 Teilweise wird aber auch bei einer Dauerglobalurkunde mittelbarer Besitz des Anlegers für möglich gehalten. Nach 113

Staudinger/Bund, § 866, Rn. 21; Soergel/Stadler, § 866, Rn. 4. So auch Berger, WM 2009, 580. 115 In diesem Sinne bereits Baur, NJW 1967, 23. 116 So i.E. auch Pleyer, in: FS Werner, S. 644 f. 117 So z. B. Canaris, Rn. 2124; Westermann, RabelsZ 49 (1985), S. 226 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 72 ff.; Meiski, S. 56 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1681; Dittrich, S. 127; Apfelbaum, S. 86 f.; Lenenbach, Rn. 5.73; Micheler, S. 180; i.E. ebenso, aber mit abweichender Empfehlung an die Praxis Mentz/Fröhling, NZG 2002, 210; offen gelassen bei Hirte/Knof, WM 2008, 11 f. 118 MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 101. 119 Canaris, Rn. 2020; Dittrich, S. 127 f. 114

142 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

einer Ansicht ist dafür ein Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers aufgrund der gesetzgeberischen Vorstellung schlicht nicht erforderlich. Schließlich habe der Gesetzgeber die Dauerglobalurkunde besitz- und eigentumsrechtlich nicht ungleich behandelt wissen wollen.120 Im Übrigen entspräche nur dies den Vorstellungen der Beteiligten des Effektengiroverkehrs.121 Nach einer anderen Ansicht soll an die Stelle des Herausgabeanspruchs die Rechtsmacht des Hinterlegers treten, im Effektengiro über seine Anteile zu verfügen.122 Daneben wird als Hilfskonstruktion auch die Möglichkeit der Vereinigung aller in einer Dauerglobalurkunde verbrieften Rechte in einer Person genannt; dieser Inhaber aller Einzelrechte soll dann einen Anspruch auf Herausgabe der Sammelurkunde haben. Ein derart bedingter Herausgabeanspruch genüge zur Begründung des mittelbaren Besitzes.123 Nach der hier vertretenen Ansicht ergeben sich hinsichtlich der Begründung des mittelbaren Besitzes bei der Dauerglobalurkunde keine Unterschiede zu sonstigen Verbriefungsformen. Denn auch insoweit kann auf die für den Fall einer schwerwiegenden Funktionsstörung des Effektengiroverkehrs fortbestehenden dinglichen und verwahrungsrechtlichen Ansprüche auf Herausgabe der Sammelurkunde an alle Miteigentümer bzw. Hinterleger abgestellt werden.124 ff) Mittelbarer Besitz an Sammelschuldbuchforderungen Eine unmittelbare oder mittelbare Besitzerstellung an Sammelschuldbuchforderung ist von vornherein ausgeschlossen, da es hier an einem körperlichen Gegenstand fehlt, der Anknüpfungspunkt für den Besitz sein könnte. Die rechtliche Gleichstellung von Sammelschuldbuchforderungen mit sonstigen Sammelbeständen muss damit als gesetzliche Fiktion der entsprechenden besitzrechtlichen Stellungen der Beteiligten verstanden werden. Dies ist dogmatisch angreifbar. In der Praxis ergibt sich daraus aber kein Unterschied, da auch bei Sammelbeständen verbriefter Urkunden der tatsächliche Besitz keine praktische Funktion mehr erfüllt. Diese Funktionen werden von den Depotbuchungen übernommen.125

120

Mahler, S. 65. Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 16. 122 Dechamps, S. 43. 123 Becker, S. 53 f.; ebenso, unter Verweis auf die im Jahre 2001 eingeführte Möglichkeit des Squeeze-out gem. §§ 327a ff. AktG Modlich, DB 2002, 674; Eder, NZG 2004, 113; ablehnend Apfelbaum, S. 80. 124 Ähnlich Becker, S. 54; mit abweichender Begründung auch Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/101 b; Berger, WM 2009, 580. 125 Kümpel, Rn. 11.268; ausführlich zum Funktionsverlust von Wertpapierurkunden unten C.II.6.a). 121

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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2. Konzept des Effektengiroverkehrs Die Übertragung von dinglichen Rechten an Wertpapiersammelbeständen richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der Eigentumsübertragung in den §§ 929 ff. und 1204 ff. BGB.126 Dies gilt für alle Formen von sammelverwahrten Effekten. Erfasst sind insbesondere auch Rechte an Dauerglobalurkunden und wegen der gesetzlichen Gleichstellung nach § 6 Abs. 2 BSchuWG auch unverbriefte Wertrechte. Im Effektengiroverkehr vollzieht sich die Übertragung der Depotanteile nach überwiegender Ansicht gemäß § 929 S. 1 BGB.127 Dabei werden Lieferansprüche nicht durch physische Lieferung von Effektenurkunden erfüllt, sondern durch Kontobuchungen auf den bei der Wertpapiersammelbank und den Depotbanken geführten Konten. Die Subsumtion der tatsächlichen Abläufe des Effektengiroverkehrs unter die Begriffe Einigung und Übergabe als rechtliche Übereignungsvoraussetzungen des § 929 S. 1 BGB erfordert einen gewissen Begründungsaufwand. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte dieser Begründung dargelegt. Dabei wird zunächst die herkömmliche Konstruktion der Eigentumsübertragung beschrieben. Sodann werden die notwendigen Modifikationen herausgearbeitet, die sich aus Einschaltung einer zentralen Gegenpartei ergeben. Die Darstellung beschränkt sich auf die Übertragung von Sammeldepotanteilen im Rahmen des Effektengiroverkehrs. Auf die Möglichkeiten der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Sammeldepotanteilen außerhalb des Effektengiroverkehrs nach anderen Übertragungstatbeständen der §§ 929 ff. BGB wird aufgrund der geringen Praxisrelevanz nicht eingegangen.128 Neben der rechtsgeschäftlichen Übertragung sieht § 24 Abs. 2 DepotG auch eine gesetzliche Form des Eigentumsübergangs vor. Diese Vorschrift knüpft an den Realakt der Eintragung des Übertragungsvermerks im Verwahrungsbuch des Kommissionärs an. Die Vorschrift gelangt allerdings nicht zur Anwendung, wenn das Eigentum bereits vorher rechtsgeschäftlich auf den Kommittenten übergegangen ist. Da bei § 24 DepotG als gesetzlicher Erwerbstatbestand die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ausgeschlossen ist, haben die Beteiligten im Regelfall ein Interesse an einem vorherigen Eigentumserwerb nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften.129 In der Praxis des Effektengiroverkehrs hat § 24 Abs. 2 DepotG deshalb kaum Relevanz,130 so dass hier nicht weiter darauf einzugehen ist.

126

MünchKommBGB/K. Schmidt § 1008, Rn. 29. Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 84; Than, in: FS Schimansky, S. 828; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/BunACHTUNGREte/Lwowski, § 72, Rn. 102; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 11; Kümpel, Rn. 11.347; für eine Übertragung nach § 931 BGB dagegen Becker, S. 58 ff.; MeyerCording/Drygala, S. 23. 128 Vgl. dazu Modlich, DB 2002, 674 ff.; Eder, NZG 2004, 111; Kümpel, Rn. 11.357 ff. 129 Heinsius/Horn/Than, § 24, Rn. 27; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 94. 130 Kümpel, WM 1976, 952; Einsele, WM 2001, 2416. 127

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

a) Herkömmliche Konstruktion der Eigentumsübertragung aa) Dingliche Einigung Man ist sich im Ergebnis darüber einig, dass sich die dingliche Übertragung von Sammeldepotanteilen unmittelbar zwischen Verkäufer und Käufer vollzieht und weder die zwischengeschalteten Depotbanken noch die Wertpapiersammelbank Durchgangseigentum an den verbuchten Effekten erlangen sollen. Dazu nimmt man zunächst an, dass die Depotbank des Veräußerers durch die Verkaufsorder ihres Kunden gemäß § 185 BGB konkludent ermächtigt ist, in eigenem Namen ein Übereignungsangebot abzugeben.131 Dies entspricht den allgemeinen Prinzipien der Verkaufskommission.132 Auch bei Festpreisgeschäften soll sich daran nichts ändern, weil die Veräußererbank kein eigenes Interesse an einem Durchgangserwerb habe, sondern die Geschäfte wirtschaftlich betrachtet nur vermittle. Der Kunde sei hingegen aus Gründen des Insolvenzschutzes an der möglichst langen Aufrechterhaltung seines Eigentums interessiert.133 Soweit keine zentrale Gegenpartei zwischengeschaltet ist, wird das Angebot konkludent im Zuge eines entsprechenden Buchungsauftrages an die Wertpapiersammelbank abgegeben.134 Die Wertpapiersammelbank handelt bei der Entgegennahme der ÜberACHTUNGREeignungsofferte nach h.M. als Empfangsvertreterin der Erwerberbank. Das Angebot wirkt dabei nach den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, unmittelbar zugunsten des Erwerbers.135 Darin liegt zwar eine Abweichung vom allgemeinen Grundsatz des Kommissionsrechts, wonach der Kommissionär zunächst selbst Eigentum am Kommissionsgut erlangt und dieses durch ein besonderes Rechtsgeschäft auf den Kommittenten zu übertragen hat.136 Bei einem Festpreisgeschäft wäre der Durchgangserwerb noch naheliegender. Jedoch ist dem Veräußerer die Person des Erwerbers gleichgültig, da die Auswahl des Vertragspartners an der Börse nicht nach individuellen Kriterien erfolgt. Auch die Depotbank des Erwerbers hat grundsätzlich den Willen, das Eigentum für den Kunden zu erwerben, so dass die Voraussetzungen zur Annahme eines Geschäfts für den, den es an-

131 Koller, in: Großkomm. HGB, § 384, Rn. 35; Schlegelberger/Hefermehl, § 384, Rn. 4; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 102; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, S. 26; auf die konkrete Ausgestaltung und Auslegung des Depotvertrages abstellend Geier, BKR 2010, 145. 132 BGH, WM 1959, 1004, 1006; Koller, in: Großkomm. HGB, § 383, Rn. 86; Baumbach/ Hopt/Hopt, § 383, Rn. 22. 133 Canaris, Rn. 2000; Wolter, S. 185; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 11; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 24; a.A. OLG München, WM 1956, 876; kritisch dazu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 43 f. 134 Canaris, Rn. 1998; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 84; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 11; Kümpel, Rn. 11.372; Lenenbach, Rn. 5.56. 135 Allg. Baur/Stürner, § 51, Rn. 43; MünchKommBGB/Schramm, § 164, Rn. 47 ff.; ACHTUNGRESoergel/Leptien, vor § 164, Rn. 34 ff. 136 Allg. Baumbach/Hopt/Hopt, § 383, Rn. 25; Koller, in: Großkomm. HGB, § 383, Rn. 87.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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geht, gegeben sind.137 Dies gilt auch dann, wenn auf Erwerberseite mehrere Einkaufskommissionäre eingeschaltet sind.138 Aufgrund der Stellvertretung durch die Wertpapiersammelbank wird das Angebot nicht erst mit Übermittlung an die Käuferbank, sondern bereits mit Zugang bei der Wertpapiersammelbank wirksam (§§ 145, 164 Abs. 2 BGB).139 Nach h.M. nimmt die Wertpapiersammelbank das Angebot in Vertretung der Erwerberbank konkludent an, indem sie die entsprechenden Anteile auf deren Depotkonto gutschreibt.140 Die Annahme ist nach den Gepflogenheiten des Effektengiroverkehrs nicht zugangsbedürftig (§ 151 BGB).141 Die Befugnis, die Erwerberbank insoweit passiv und aktiv zu vertreten, wird der Wertpapiersammelbank im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses mit der Depotbank des Erwerbers verliehen.142 Nach einer anderen Ansicht agiert die Wertpapiersammelbank hingegen lediglich als Empfangsbotin für die Erwerberbank. Dieser gehe das Angebot erst mit der Übermittlung der Listen der vorgenommenen Buchungen zu. Die Käuferbank soll die Annahme des Übereignungsangebots danach konkludent dadurch erklären, dass sie sich vorbehaltlos den mittelbaren Besitz an den Effekten einräumen lässt.143 Diese auf den ersten Blick lediglich rechtskonstruktive Abweichung kann durchaus bedeutend sein, beispielsweise hinsichtlich des Zeitpunktes des Eigentumsübergangs oder hinsichtlich der Frage, auf welche Person bei Willensmängeln oder für die Redlichkeit beim gutgläubigen Erwerb abzustellen ist.144 Die letztgenannte Auffassung ist jedoch mit Blick auf die tatsächliche Funktion von Clearstream abzulehnen. Diese führt die Umbuchungen der Effekten selbstständig und, soweit man von der Bezahlung des Gegenwertes absieht, ohne die Mitwirkung der Erwerberbank aus. Die Erwerberbank wird faktisch erst mit Abschluss des Übertragungsvorgangs davon in Kenntnis gesetzt.145 Im Übrigen besteht ein Interesse des Erwerbers, über die verbuchten Effekten mög-

137 Wolter, S. 177 ff.; Heinsius/Horn/Than, § 24, Rn. 36; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 11; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 24 f.; Geier, BKR 2010, 145. 138 Kümpel, Rn. 11.398 f. 139 Canaris, Rn. 2019; Wolter, S. 229 ff.; Einsele, WM 2001, 12. 140 Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 84; Canaris, Rn. 2019; Drobnig, in: FS Zweigert, S. 83 f.; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 102; Eder, NZG 2004, 111 f.; Kunz, S. 403 ff. 141 Kümpel, Rn. 11.375. 142 Wolter, S. 234 f. 143 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 11; Kümpel, WM 1976, 953; ders., in: Hellner/ Steuer, Rn. 8/338 f.; anders hingegen ders., Rn. 11.373 (Empfangsvertreter); ähnlich, aber eine Ermächtigung der Wertpapiersammelbank zur Abgabe der Einigungserklärung abstellend Büchner, S. 110 f.; Koller, DB 1972, 1858 f.; Schönle, S. 299; Brink, S. 93. 144 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 60. 145 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 62 f.; vgl. auch Nr. 8 Abs. 1 AGB ClearACHTUNGREstream.

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lichst frühzeitig weiterverfügen zu können.146 Clearstream muss damit die Stellung eines Stellvertreters der Erwerberbank zugesprochen werden.

bb) Besitzverschaffung Der Besitz an den Effekten wird durch die Änderung des tatsächlichen Besitzmittlungswillens der Wertpapiersammelbank in Richtung der Käuferbank übertragen. Nach dem Grundkonzept weist die Depotbank des Veräußerers die Wertpapiersammelbank als unmittelbare Besitzerin an, den Sammeldepotanteil nunmehr nicht mehr für sie, sondern für die Depotbank des Erwerbers zu besitzen und mit dieser ein neues Besitzmittlungsverhältnis zu begründen. Die Wertpapiersammelbank stellt das Besitzmittlungsverhältnis um, indem sie das Depotkonto der Veräußererbank belastet und der Erwerberbank eine entsprechende Gutschrift auf deren Depotkonto erteilt.147 Diese Buchungen drücken den Willen der Wertpapiersammelbank aus, das Besitzmittlungsverhältnis mit der Veräußererbank hinsichtlich der zu liefernden Depotanteile vollständig zu beenden und durch ein gestattetes Insichgeschäft (§§ 688, 164, 181 BGB) ein neues Besitzmittlungsverhältnis mit der Depotbank des Käufers einzugehen.148 Unschädlich ist, wenn der Veräußerer nur einen Teil seines Miteigentumsanteils veräußern will und folglich nicht den gesamten mittelbaren Besitz am Sammelbestand verliert. Zwar erfordert die Besitzübergabe grundsätzlich die vollständige Besitzaufgabe des Veräußerers;149 jedoch kann ein Miteigentümer einen Teil seines Miteigentums durch Verschaffung des Mitbesitzes übertragen, selbst wenn er gleichfalls Mitbesitz behält.150 Der Besitzübergang wird grundsätzlich mit der Umbuchung der Depotanteile wirksam.151 Die Rechtswirksamkeit der Umstellung der Besitzvermittlungsverhältnisse kann aber an Bedingungen geknüpft werden, beispielsweise an die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen im Rahmen des Geldclearingprozesses.152 Nach den bereits angesprochenen Grundsätzen über das Geschäft für den, den es angeht, erwirbt die Depotbank des Erwerbers kein Durchgangseigentum an den betreffenden Sammelbestandsanteilen. Vielmehr soll der kaufende Depotkunde bereits mit der Umbuchung durch die Wertpapiersammelbank Miteigentum an dem Effektensammelbestand erwerben.153 Erforderlich dafür ist, dass auch der Depotkunde zumindest mittelbaren Besitz an dem betreffenden Effektensammelbestand erlangt. Der Besitz wird durch die Depotbank vermittelt, indem diese die Werte 146

Kümpel, Rn. 11.374; Kunz, S. 404. Vgl. Nr. 8 Abs. 1 AGB Clearstream. 148 Canaris, Rn. 2020; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/336; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 9; Eder, NZG 2004, 112. 149 MünchKommBGB/Quack, § 929, Rn. 114. 150 Dechamps, S. 63. 151 Kümpel, Rn. 11.356; Nr. 8 AGB Clearstream. 152 Vgl. Nr. 8 Abs. 1, Nr. 9 AGB Clearstream; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/337 ff.; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 207. 153 Kümpel, Rn. 11.396. 147

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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auf dem Depotkonto des Kunden verbucht (§ 871 BGB). Die Begründung eines entsprechenden Besitzmittlungsverhältnisses kann auf ein gestattetes Insichgeschäft (§§ 688, 164, 181 BGB) oder auf ein antizipiertes Besitzkonstitut bei Abschluss des Kommissionsvertrages (§ 930 BGB) gestützt werden.154 Bei einem Insichgeschäft hält man grundsätzlich für erforderlich, dass das Insichgeschäft nach außen ACHTUNGREerkennbar in Erscheinung tritt, insbesondere wenn es sich um ein dingliches Rechtsgeschäft handelt.155 Auch bei einem antizipierten Besitzkonstitut wird die Erkennbarkeit jedenfalls insoweit für notwendig gehalten, wie es zur Bestimmbarkeit des Verfügungsgegenstandes erforderlich ist.156 Der letztgenannte Aspekt ist gerade im Effektengiroverkehr von Relevanz, da die Depotbank bei der gemeinsamen Ausführung von unterschiedlichen Kundenaufträgen zu erkennen geben muss, mit welchem Kunden sie ein Besitzmittlungsverhältnis begründen will. Die entsprechende Verlautbarung ist in der Gutschrift der Werte auf dem Depotkonto des Erwerbers zu sehen.157 Damit erwirbt der Depotkunde erst dann Eigentum an den verbuchten Effekten, wenn die Buchungskette vollständig ist, also wenn sowohl die Wertpapiersammelbank als auch die Depotbank des Erwerbers die entsprechenden Gutschriften vorgenommen haben. cc) Eigentumsübertragung zwischen Kunden derselben Depotbank Sind Veräußerer und Erwerber Kunden derselben Depotbank, so kann das Eigentum an den sammelverwahrten Effekten auch ohne Mitwirkung der Wertpapiersammelbank verschafft werden. Hierbei ist die Depotbank durch den Verkaufsauftrag des Kunden als konkludent ermächtigt anzusehen, ein Einigungsangebot an den Erwerber abzugeben, das sie im Zuge eines gestatteten Insichgeschäfts als Stellvertreterin des Erwerbers sogleich annimmt.158 Zur Besitzübertragung ist in diesem Fall nur erforderlich, dass die Depotbank ihren Besitzmittlungswillen vom Veräußerer auf den Erwerber durch entsprechende Buchungen umstellt.159 Zu solchen Umbuchungen zwischen den Kunden einer Depotbank kommt es insbesondere in dem Umfang, in dem Kauf- und Verkaufsaufträge, die diese Depotbank im Namen ihrer Kunden abgibt, von einer zentralen Gegenpartei verrechnet werden.

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Kümpel, Rn. 11.404; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 116 ff. RGZ 116, 198, 202; Staudinger/Schilken, § 181, Rn. 65 f.; MünchKommBGB/ Schramm, § 181, Rn. 62; Palandt/Heinrichs, Rn. 181, Rn. 23. 156 Baur/Stürner, § 51, Rn. 31; MünchKommBGB/Quack, § 930, Rn. 35. 157 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 9; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, 72, Rn. 108; Kümpel, Rn. 11.404 ff. 158 Becker, S. 59; Kunz, S. 408. 159 Dazu und zu weiteren Konstellationen Mahler, S. 101 f.; vgl. auch Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 9. 155

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dd) Sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz Der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, wonach das Verfügungsobjekt in den Einigungserklärungen individuell bestimmt sein muss, gilt im Effektengiroverkehr in einer modifizierten Form, da nicht Alleineigentum, sondern Miteigentum an den Teilen einer Sachgesamtheit übertragen wird.160 Aus diesem Grund kann nicht auf die Wertpapierstückenummer zurückgegriffen werden. Der zu übertragende Miteigentumsanteil lässt sich jedoch durch die Effekten, die den Sammelbestand ausmachen, sowie die Miteigentumsquote definieren.161 Die sammelverwahrten Effekten, auf die sich das Miteigentumsrecht bezieht, werden durch Bezeichnung der EffekACHTUNGREtenart mittels der Wertpapierkennnummer und des konkreten Sammelbestandes hinreichend bestimmt.162 Hinsichtlich der Quote des Miteigentums an jedem einzelnen Wertpapier genügt Bestimmbarkeit durch einen Rückgriff auf die Depotunterlagen der eingeschalteten Banken.163 Die Angabe des Nennbetrags bzw. die Anzahl der Wertpapiere ist damit zur Bestimmung des zu übertragenden Bruchteils ausreichend. b) Eigentumsübertragung bei Einschaltung einer zentralen Gegenpartei aa) Dingliche Einigung über die zentrale Gegenpartei Bei der Einschaltung einer zentralen Gegenpartei werden gegenläufige Geschäfte der Clearingmitglieder miteinander verrechnet und nur die verbleibenden Spitzen durch buchungsmäßige Lieferungen durch die Wertpapiersammelbank ausgeglichen. Die entsprechenden Daten werden von der zentralen Gegenpartei nach Abschluss des Nettingverfahrens an Clearstream übermittelt.164 Die Wertpapierbuchungen in ACHTUNGRECASCADE und die Geldverrechnung über die Deutsche Bundesbank werden jeweils auf dem Konto der zentralen Gegenpartei vorgenommen.165 Die der Veräußererbank abgebuchten Effekten werden also für eine kurze Zeit auf dem Depotkonto der zentralen Gegenpartei gutgeschrieben, bevor sie auf das Depotkonto der Erwerberbank weiterverbucht werden. Die Zwischenbuchung ist erforderlich, da nach Abschluss des Nettingverfahrens die den Nettoveräußerern abgebuchten Effektenposten auf die Konten der Nettoerwerber zu verteilen sind. Da beim multilateralen Netting über eine zentrale Gegenpartei keine schuldrechtlichen Ansprüche zwischen den einzelnen ClearACHTUNGREingmitgliedern bestehen, kann auch nicht bestimmt werden, welcher Nettoerwerber die Effekten welches Nettoveräußerers erhalten soll. Folglich müssen 160 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/67; vgl. allg. Koller, JZ 1972, 647; Staudinger/ Wiegand, § 929, Rn. 11; Baur/Stürner § 4 III; Westermann, S. 20 f. 161 Vgl. BGHZ 5, 27, 35; Dechamps, 70 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 40 f.; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, 72, Rn. 103; Micheler, S. 165. 162 Kümpel, WM 1980, 426; Grathwohl, S. 158; Modlich, DB 2002, 676. 163 Koller, DB 1972, 1861; Dechamps, S. 71 f.; Kümpel, WM 1980, 426. 164 Vgl. im Einzelnen Kunz, S. 426. 165 Clearstream, Customer Handbook, 3-33.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die für den Spitzenausgleich erforderlichen Werte zunächst auf dem Depotkonto der zentralen Gegenpartei zusammengefasst werden, bevor sie weiterverbucht werden können. Das Verfahren gewährleistet auch den anonymisierten Effektenumlauf.166 Trotz der Zwischenverbuchung geht man davon aus, dass die zentrale Gegenpartei kein Durchgangseigentum an den zwischenverbuchten Effekten erlangt. Vielmehr soll sich das dingliche Geschäft zwischen den Endanlegern vollziehen.167 Hinsichtlich der dinglichen Einigung ist zunächst festzuhalten, dass die Depotbank des VerACHTUNGREäußerers bei der Einschaltung einer zentralen Gegenpartei keinen eigenen Umbuchungsauftrag an die Wertpapiersammelbank abgibt, da die Daten für den Spitzenausgleich von der zentralen Gegenpartei übermittelt werden. Die zentrale Gegenpartei handelt insoweit als Vertreterin des Veräußerers.168 Für die dingliche Einigung soll deshalb die zentrale Gegenpartei funktional an die Stelle der Wertpapiersammelbank treten.169 Danach übermittelt die Depotbank des Veräußerers mit dem Abschluss des Handelsgeschäftes ein Übereignungsangebot in eigenem Namen an die zentrale Gegenpartei, wozu sie vom Veräußerer ermächtigt ist. Mit Blick auf die Clearingbedingungen ist das Übereignungsangebot auf den Umfang beschränkt, der zum Ausgleich der Spitzen erforderlich ist. Strittig ist auch hier, ob die zentrale Gegenpartei hinsichtlich des Angebots Empfangsvertreterin der jeweiligen Empfängerbank170 oder lediglich deren Empfangsbotin ist.171 Mit obiger Begründung ist auch hier von einer Stellvertretung auszugehen. Die zentrale Gegenpartei erklärt die Annahme als Vertreterin der Empfängerbank konkludent durch das Versenden der IstLieferreports, welche die tatsächlich belieferten Geschäfte ausweisen.172 Dafür spricht insbesondere, dass der Eigentumserwerb nach den Clearing-Bedingungen der Eurex frühestens dann wirksam wird, wenn die wertpapier- und geldseitigen Buchungen abgeschlossen sind und die Eurex den betreffenden Mitgliedern einen IstLieferreport bereitgestellt hat.173 Auch hier wirkt das Angebot nach den Grundsätzen des Geschäfts für den, den es angeht, unmittelbar zugunsten des Erwerbers.174

166 Die Anonymisierung ist aber entgegen Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 19 f. nicht alleiniger Zweck dieser technischen Zwischenbuchung. 167 Kap. 1, Abschn. 1.5, Abs. 3 Clearing-Bedingungen Eurex. 168 Clearstream, Customer Handbook, 3-32. 169 Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 107; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 19, Kümpel, Rn. 11.386; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 27. 170 So Kümpel, Rn. 11.387; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 27. 171 So Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 107; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 19. 172 Ebenso Kunz, S. 428 ff. 173 Kap. 1, Abschn. 1.5, Abs. 4 Clearing-Bedingungen Eurex. 174 Kümpel, Rn. 11.387; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 27.

150 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

bb) Zwischenbuchung auf dem Konto der zentralen Gegenpartei Der Umstand, dass der Spitzenausgleich im Rahmen des zyklischen Batchverfahrens des Abwicklungssystems von CASCADE sowohl hinsichtlich erworbener als auch hinsichtlich veräußerter Effekten gegenüber dem Depotkonto der zentralen Gegenpartei bei Clearstream ausgeführt wird, erfordert, dass die Werte auf diesem Konto zumindest für eine kurze Zeit zwischenverbucht werden. Trotz ihres technischen Charakters kann diese Zwischenbuchung sachenrechtlich nicht vernachlässigt werden.175 Vielmehr ist zunächst davon auszugehen, dass die zentrale Gegenpartei durch die Zwischengutschrift mittelbaren Besitz an den verbuchten Effekten erhält. Denn die Wertpapiersammelbank mittelt den Besitz für alle Depotkunden und damit auch für die zentrale Gegenpartei. Geht man weiter davon aus, dass die zentrale Gegenpartei den Besitz weitervermitteln will, stellt sich die Frage, ob sie dies für die Erwerber- oder für die Veräußererbank macht. Die Besitzmittlung für die Erwerberbank muss ausscheiden, da bei der Gutschrift der Werte auf dem Konto der zentralen Gegenpartei noch nicht feststeht, welcher Erwerberbank die entsprechenden Effekten gutgeschrieben werden. Es spricht deshalb vieles dafür, die zentrale Gegenpartei besitzrechtlich auf die Seite der veräußernden Depotbank zu stellen. Das erforderliche Besitzmittlungsverhältnis nach § 686 BGB kann aufgrund der Clearingvereinbarung zwischen der Depotbank und dem zentralen Kontrahenten bereits als vorab geschlossen betrachtet werden, da das Clearingsystem eben diese Zwischenverbuchung vorsieht.176 Solange die Werte noch nicht auf dem Depotkonto der Erwerberbank verbucht sind, behält die Veräußererbank damit mittelbaren Besitz daran, der zusätzlich durch die zentrale Gegenpartei vermittelt wird.177 Erst mit der Gutschrift der Werte auf dem Depotkonto der Erwerberbank erlangt diese mittelbaren Besitz an dem betreffenden Effektensammelbestand, den sie nach den oben geschilderten Grundsätzen an die betreffenden Depotkunden weitervermitteln kann. Der Erwerb des Eigentums durch den Empfänger erfordert damit die Umbuchung der Spitzen durch Clearstream, den Abschluss des Geldverrechnungsprozesses und die Versendung des Ist-Lieferreports durch die Eurex Clearing AG sowie die Weiterverbuchung der Werte durch die Zwischenverwahrer. cc) Erfüllung der beim Clearing verrechneten Positionen Der soeben beschriebene Ablauf betrifft nur die Eigentumsübertragung hinsichtlich der Spitzen, die nach dem Nettingverfahren durch die zentrale Gegenpartei noch durch Umbuchung durch die Wertpapiersammelbank zu erfüllen sind. Die Forderungen und Verbindlichkeiten, die zwischen der Depotbank als Clearingmitglied und der 175

So aber offensichtlich Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 108; unklar Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 31. 176 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 20; Kümpel, Rn. 11.390. 177 Bestätigt durch Kap. 1, Abschn. 1.5, Abs. 3 Clearing-Bedingungen Eurex; ebenso Kunz, S. 435.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zentralen Gegenpartei im Rahmen des Nettings verrechnet wurden, sind im Verhältnis der Bank und ihren Kunden gleichwohl durch entsprechende Buchungen zu erfüllen. Denn die Möglichkeit der Verrechnung zwischen der zentralen Gegenpartei und dem Clearingmitglied entsteht erst dadurch, dass die Kunden des Clearingmitglieds insgesamt gegenläufige Geschäfte abschließen. Auf Ebene der Zwischenverwahrer sind die Geschäfte grundsätzlich in vollem Umfang durch buchungsmäßige Lieferung zu erfüllen. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich auch auf dieser Ebene Aufrechnungsmöglichkeiten ergeben, etwa weil die Kunden selbst gegenläufige Geschäfte abgeschlossen haben oder ihrerseits für Dritte tätig sind.178 Bei der Eigentumsübertragung auf Ebene der Zwischenverwahrer spielt die zentrale Gegenpartei keine Rolle. Der Zwischenverwahrer ist durch den Verkaufsauftrag des Kunden als konkludent ermächtigt anzusehen, ein Einigungangebot an den Erwerber abzugeben, das er sodann im Rahmen eines Insichgeschäfts als Stellvertreter des Erwerbers annimmt.179 Die Übergabe wird bewerkstelligt, indem der Zwischenverwahrer seinen Besitzmittlungswillen in entsprechendem Umfang von den Veräußerern auf die Erwerber umstellt. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Besitzmittlungswille des Sammelverwahrers quantitativ den Werten entspricht, für die der nächste Zwischenverwahrer seinen Depotkunden den Besitz vermittelt oder die er in Eigenbesitz hält. Demgegenüber hat der Besitzänderungswille auf jeder Ebene der Verwahrkette einen unterschiedlichen Umfang. Während sich der Besitzänderungswille des Zentralverwahrers nur auf den Spitzenausgleich zwischen den Banken bezieht, die bei ihm ein Depotkonto führen, bezieht sich der Besitzänderungswille der zwischenverwahrenden Banken auch auf Bestände, an denen die Depotbank bereits vorher mittelbaren Besitz hatte. Diese Disparität bei der Umstellung des Besitzmittlungswillens ist für den Eigentumserwerb des Kunden grundsätzlich unbedenklich. Denn hierfür ist eine Mitwirkung der Wertpapiersammelbank als Besitzmittlerin erster Stufe an der Umstellung des Besitzmittlungswillens des Besitzmittlers zweiter Stufe nicht erforderlich. Der Besitzmittler erster Stufe muss eine weitere Besitzmittlung nicht in seinen Willen aufnehmen.180 Für die Verschaffung des Eigentums genügt damit, dass die zwischenverwahrende Depotbank bei der Umbuchung ausreichend Deckung auf ihrem Depotkonto bei der Wertpapiersammelbank unterhält.181 Der Empfänger erwirbt mit der Umbuchung der Werte Miteigentum. c) Gutgläubiger Erwerb im Effektengiroverkehr Da sich die Übertragung von Sammeldepotanteilen nach den §§ 929 ff. BGB vollzieht, soll die beschriebene Konstruktion nach überwiegender Auffassung auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Sammeldepotanteilen gewährleisten. 178 179 180

Kümpel, Rn. 11.386; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 18. Kunz, S. 431. BGH JZ 1964, 130; MünchKommBGB/Joost, § 868, Rn. 17; Staudinger/Bund, § 871,

Rn. 2. 181

Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 18 f.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Grundsätzlich steht dem gutgläubigen Erwerb einer Miteigentumsposition zwar entgegen, dass der bloße Mitbesitz des Veräußerers allein keine ausreichende Rechtsscheinsgrundlage für die Höhe des Miteigentumsanteils bietet.182 Zum Ausgleich werden im Rahmen des Effektengiroverkehrs jedoch die Buchungen der Verwahrinstitute herangezogen, die als Rechtsscheinsträger entweder neben den Mitbesitz183 oder sogar an dessen Stelle184 treten sollen und Aufschluss über die Höhe der Miteigentumsquote geben. Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften zur Depotprüfung185 und anderer Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen sollen die Buchungen ein ebenso verlässlicher Rechtsscheinsträger wie der Besitz oder Register des öffentlichen Glaubens sein.186 Die Heranziehung von Depotgutschriften als Rechtsscheinsgrundlage für den Gutglaubenserwerb stößt jedoch auch auf grundsätzliche Kritik. Es wird vorgebracht, dass es an einer gesetzlichen Gleichstellung von Buchung und Besitz fehle und die Anerkennung eines entsprechenden Rechtsscheinstatbestandes im Ergebnis auf eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung hinauslaufe. Dabei würde man mit zentralen sachenrechrechtlichen Prinzipien brechen.187 Insbesondere seien die Anforderungen des sachenrechtlichen Publizitätsprinzips an einen Rechtsscheinsträger bei Buchungen der Wertpapiersammelbank nicht erfüllt.188 Das Publizitätsprinzip verlange die allgemeine Erkennbarkeit und Offenkundigkeit des Rechtsscheinsträgers, um dadurch auf die sachenrechtliche Zuordnung schließen zu können.189 Daran fehle es bei den Depotbuchungen der Wertpapiersammelbank bereits aufgrund des Bankgeheimnisses.190 Die Vertreter der h.M. lassen es demgegenüber genügen, dass der Rechtsscheinstatbestand nur für den Erwerber bzw. dessen Vertreter erkennbar ist.191 Im Übrigen bestehe ein „unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs“ für

182 Koller, JZ 1972, 649; MünchKommBGB/K. Schmidt, § 747, Rn. 20; RGRK/Pikart, § 1008, Rn. 35. 183 Koller, DB 1972, 1905; RGRK/Pikart, § 1008, Rn. 35; Than, in: FS Schimansky, 833; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 14; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/73; MünchKommBGB/K. Schmidt, § 1008, Rn. 31; Eder, NZG 2004, 112. 184 Fabricius, AcP 162 (1963), 482; Canaris, Rn. 2027; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 91; Brink, S. 102 f.; Wolter, S. 306; Dechamps, S. 119 f.; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 406, Rn. 327. 185 Zur Depotprüfung vgl. Lenenbach, Rn. 5.92; Kümpel, Rn. 11.451 ff. 186 Canaris, Rn. 2027; Heinsius/Horn/Than, § 6 Rn. 91; Horn WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 14 f.; Lenenbach, Rn. 5.73. 187 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 159 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1682; vgl. auch Zöllner, in: FS Raiser, S. 262 ff. 188 Habersack/Mayer, WM 2000, 1682. 189 Einsele, JZ 1990, 1006; vgl. auch Westermann, S. 18. 190 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 176; dies., WM 2001, 13; Habersack/ Mayer, WM 2000, 1683. 191 Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 15 unter Berufung auf BGH JZ 1964, 130; ähnlich zum schweizerischen Recht Brunner, S. 36.

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diese Rechtsfortbildung, da der gutgläubige Erwerb elementar für die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs sei.192 aa) Übertragung durch die Wertpapiersammelbank Es sind grundsätzlich drei Fallgruppen denkbar, in denen ein Dritter als Nichtberechtiger über Sammeldepotanteile verfügen kann. Eine Verfügung eines Nichtberechtigten liegt zunächst vor, wenn ein Dritter, beispielsweise ein Scheinerbe, der Depotbank einen Übertragungsauftrag erteilt, ohne dazu berechtigt zu sein, und dieser von der Depotbank weitergeleitet wird.193 Damit vergleichbar ist der Fall, dass der Depotkunde seine Anteile außerhalb des Effektengiroverkehrs veräußert, anschließend aber die Depotbank gleichwohl zur Übertragung an einen Dritten anweist.194 Ferner ist es möglich, dass der Depotkunde seine Bank zur Übertragung anweist, obgleich sein Konto kein entsprechendes Depotguthaben aufweist, die Depotbank aber gleichwohl irrtümlich die Übereignung zu Lasten ihres Depotkontos bei der Wertpapiersammelbank vornimmt.195 Schließlich kann auch ein Mitarbeiter der Depotbank eine Übereignungserklärung an die Wertpapiersammelbank abgeben, ohne vom Depotkunden angewiesen worden zu sein oder entsprechende bankeigene Bestände zu haben. In allen Fällen übermittelt die Depotbank einen Übertragungsauftrag an die Wertpapiersammelbank, ohne dafür von ihrem Depotkunden wirksam ermächtigt worden zu sein. Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein ist jeweils der Mitbesitz der Depotbank des Veräußerers am Sammelbestand und deren Sammeldepotguthaben, wie es im Verwahrbuch von Clearstream ausgewiesen ist.196 Am erforderlichen Rechtsschein fehlt es damit, wenn das Depotkonto der Veräußererbank bei der Wertpapiersammelbank keine ausreichende Deckung aufweist. Da die Wertpapiersammelbank bei der dinglichen Einigung als Vertreterin der Käuferbank tätig wird, ist für den gutgläubigen Erwerb gemäß § 166 Abs. 1 BGB die Gutgläubigkeit der Wertpapiersammelbank zum Zeitpunkt der Umbuchung erforderlich.197 Auf die Gutgläubigkeit des

192 Koller, DB 1972, 1905; Canaris, Rn. 2026; Drobnig, in: Kreuzer, S 29; Than, in: FS Schimansky, S. 832 f.; Kümpel, Rn. 11.411; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 72, Rn. 114; v. Criegern, S. 65 f.; Eder, NZG 2004, 112. 193 Koller, DB 1972, 1907. 194 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 172. 195 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/77; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12. 196 Koller, DB 1972, 1858; Eder, NZG 2004, 112; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 113. 197 Canaris, Rn. 2029; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 91; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 113; Lenenbach, Rn. 5.73; soweit die Wertpapiersammelbank lediglich als Empfangsbotin der Erwerberbank qualifiziert wird, soll § 166 Abs. 1 BGB analog anzuwenden sein, vgl. Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12; Kümpel, in: Hellner/ Steuer, Rn. 8/76; a.A. aber Micheler, S. 217, die Gutgläubigkeit der Erwerberbank verlangt.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Erwerbers selbst kommt es grundsätzlich nicht an.198 Im Ergebnis verlässt sich die Wertpapiersammelbank damit auf den Rechtsschein der von ihr selbst erstellten Buchungsunterlagen.199 Dies lässt die Eignung der Buchungsgutschriften als Rechtsscheinstatbestand grundsätzlich unberührt.200 Der gute Glaube der Wertpapiersammelbank kann sich zum einen auf eine Verfügungsbefugnis der Depotbank richten, die dieser durch einen Übertragungsauftrag von ihrem Depotkunden eingeräumt wurde (§ 366 Abs. 1 HGB). Alternativ kann die Wertpapiersammelbank auch darauf vertrauen, dass die Depotbank die zu veräußernden Anteile auf eigene Rechnung hält und damit über eigene Eigentumsanteile verfügt (§ 932 Abs. 1 BGB). Die beiden Gutglaubenstatbestände können nebeneinander zur Anwendung kommen.201 Hinsichtlich ihres Vertrauens in die Verfügungsbefugnis der veräußernden Depotbank kann die Wertpapiersammelbank grundsätzlich auf die Erklärung der Depotbank vertrauen und ist nicht zu Nachforschungen verpflichtet, ob der Kunde des Zwischenverwahrers einen Übertragungsauftrag erteilt hat.202 Sonstige Organisationsmängel bei der Führung der Depotunterlagen durch die Wertpapiersammelbank gehen zu Lasten des Erwerbers, wenn sie über die Grenze der groben Fahrlässigkeit im Sinne von § 932 Abs. 2 hinausgehen.203 Kein gutgläubiger Erwerb tritt hingegen ein, wenn die Wertpapiersammelbank ohne Anweisung (irrtümlich) Anteile von einem Depotkonto auf ein anderes umbucht; in diesem Fall fehlt es bereits an einer für eine Einigung nach § 929 S. 1 BGB erforderlichen Übereignungsofferte. Unerheblich ist, ob die Werte des Sammelbestandes einzeln oder global verbrieft sind. Auch auf Sammelschuldbuchforderungen sind die allgemeinen Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb aufgrund der Gleichstellungsanordnung gemäß § 6 Abs. 2 BSchuWG anzuwenden.204 Nicht zur Anwendung kommt dabei die spezielle Regelung über den öffentlichen Glauben des Bundesschuldbuchs in § 8 Abs. 2 BSchuWG, da die Anteilsrechte im Effektengiroverkehr außerhalb des Bundesschuldbuchs übertragen werden. Da die Wertpapiersammelbank in der Regel keine Anhaltspunkte hinsichtlich einer Nichtberechtigung des veräußernden Zwischenverwahrers hat, ist die Voraussetzung der Gutgläubigkeit in der Regel gegeben. Im Ergebnis hängt die Sicherheit des Eigentums der Anleger damit vollständig von der Zuverlässigkeit der Zwischen-

198 Vgl. Baur/Stürner, § 52, Rn. 32; Soergel/Leptien, § 166, Rn. 12; a.A. aber Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12. 199 Koller, DB 1972, 1905. 200 Koller, DB 1972, 1097; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 174 f.; kritisch aber Hager, S. 326, der es angesichts der Funktion des Rechtsscheins für eine zumindest zweischneidige Vorstellung hält, dass die Wertpapiersammelbank auf einen Rechtsschein setzt, den sie selbst erschaffen hat. 201 BGHZ 77, 274, 276; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/77. 202 Heinsius/Horn/Than, § 4 Rn. 8; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12. 203 Canaris, Rn. 2029; vgl. auch Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 178 f. 204 Heinsius/Horn/Than, § 42, Rn. 32; Canaris, Rn. 2055; Kümpel, Rn. 11.413 f.

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verwahrer ab. Trotz des Eigentums besteht praktisch kein dinglicher Schutz vor pflichtwidrigen Verfügungen der Zwischenverwahrer. bb) Übertragung durch eine Depotbank Fraglich ist, ob ein gutgläubiger Erwerb auch bei Wertpapierübertragungen zwischen Kunden derselben Bank durch bloße Umbuchung durch die Depotbank möglich ist. Die Frage stellt sich beispielsweise bei der Abwicklung außerbörslicher Geschäfte zwischen zwei Kunden einer Depotbank. Rechtsscheinsgrundlage müsste in diesem Fall das Depotguthaben des veräußernden Kunden auf dem bei der Bank geführten Konto sein.205 Unklar ist aber schon, ob einer Gutschrift auf einem Konto bei einer Depotbank überhaupt die gleiche Rechtsscheinswirkung wie dem Depotguthaben auf dem von der Wertpapiersammelbank geführten Konto beizumessen ist. Zumeist wird das zwar nicht ausdrücklich, wohl aber stillschweigend angenommen. Soweit man die Buchungen der Zwischenverwahrer ausdrücklich auch als rechtsscheinsbegründend ansieht, verweist man zur Begründung vor allem auf den Willen des Gesetzgebers, der den Verkehrsschutz als besonders Ziel des Depotgesetzes im Auge gehabt habe. Dies erfordere aber gerade, auch Buchungen auf niedrigeren Verwahrstufen rechtsscheinsbegründende Wirkung beizumessen.206 Aufgrund der staatlichen Aufsicht über die beteiligten Banken und der Kontrolle bei der Depotführung könnten Fehlbuchungen der Depotbanken vernachlässigt werden.207 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, denn die Gründe, die für das relativ hohe Maß an Zuverlässigkeit der Buchungen der Wertpapiersammelbank sprechen, gelten grundsätzlich auch für Buchungen der Zwischenverwahrer.208 Selbst wenn man den Buchungen der Zwischenverwahrer rechtsscheinsbegründende Wirkung beimisst, werden in vielen Fällen der Verfügung Nichtberechtigter die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb fehlen. Denn bei der dinglichen Einigung zur Erfüllung von offenen Positionen durch interne Umbuchungen wird die Depotbank als Vertreterin des Erwerbers betrachtet. Für den redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten kommt es somit auf ihren guten Glauben an. Am guten Glauben fehlt es aber in der Fallgruppe der eigenmächtigen und nicht autorisierten Veräußerung von Kundenwerten durch einen Mitarbeiter der Depotbank.209 In der weiteren Fallgruppe, in der die Depotbank die Übertragungsanweisung eines Kunden ausführt, obwohl dessen Konto keine ausreichende Deckung in der betreffenden Wertpapiergattung aufweist, liegt kein geeigneter Rechtsscheinstatbestand vor, der Grundlage

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Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12. Mahler, S. 134; vgl. auch Koller, Gutachten, S. 1504. 207 Dechamps, S. 121 ff.; Mahler, S. 135; a.A. Hager, S. 327. 208 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 173, die sich i.E. jedoch gleichwohl gegen eine Gleichstellung ausspricht. 209 Zur Wissenszurechnung bei Banken vgl. MünchKommBGB/Schramm, § 166, Rn. 32 ff. 206

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eines gutgläubigen Erwerbs sein könnte.210 Somit bleibt allein die Fallgruppe der Verfügung eines nichtberechtigten Dritten (z. B. eines Scheinerben) über die Werte des Depotkunden, in der ein gutgläubiger Erwerb auf Ebene der Depotbanken überhaupt denkbar ist. In diesem Fall sind aber hohe Anforderungen an die Redlichkeit der Depotbank zu stellen, da sie gerade bei einer Verfügung durch eine andere Person als dem Depotinhaber zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der Rechtsmacht des Verfügenden verpflichtet ist. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass selbst unter Anerkennung der theoretischen Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs über eine Depotbank die Voraussetzungen dafür meist nicht gegeben sind. Ein Verkehrsschutz bei hausinternen Umbuchungen ist damit nur sehr eingeschränkt gewährleistet. cc) Verteilung des Rechtsverlustes Klärungsbedürftig ist, wer den Verlust zu tragen hat, der aufgrund des gutgläubigen Erwerbs von Sammeldepotanteilen eintritt. Unstrittig ist zunächst, dass derjenige Depotinhaber einen Verlust zu tragen hat, bezüglich dessen Depot ein Nichtberechtigter Dritter einen Übertragungsauftrag abgegeben hat, der von der Depotbank weitergeleitet wurde.211 Sofern jedoch keine Zuordnung des Verlustes zu einem einzelnen Depotkonto möglich ist, haben nach h.M. alle Depotkunden der Veräußererbank nach dem Gedanken des § 7 Abs. 2 S. 1 DepotG den Verlust anteilig zu tragen. Dies gilt vor allem dann, wenn das Depotkonto des Kunden keine entsprechende Deckung aufweist oder wenn die Depotbank im Zuge einer Unterschlagungshandlung Werte übertragen hat, ohne ein bestimmtes Kundenkonto zu belasten.212 Der Umstand, dass es in diesem Fall an einem eindeutig identifizierbaren Verfügungsobjekt fehlt, weckt zwar Zweifel daran, ob die Verfügung überhaupt bestimmt genug ist, um wirksam zu sein.213 Richtigerweise liegt darin aber lediglich die konsequente Fortführung der Modifizierung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes für die Zwecke des Effektengiroverkehrs.214 Die Kunden tragen somit gemeinschaftlich das Risiko, dass ihre Depotbank nicht autorisierte Verfügungen trifft.215 Ermöglicht jedoch eine Belastungsbuchung der Depotbank eine Zuordnung des Verlustes zu einem einzelnen Depotkonto, so soll nach überwiegender Ansicht der betroffene Depotinhaber den

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Ebenso Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12, der allerdings die dritte Fallgruppe übersieht und deshalb die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs auf Ebene der Depotbanken kategorisch ausschließt. 211 Koller, DB 1972, 1907; Canaris, Rn. 2030; Habersack/Mayer, WM 2000, 1683. 212 Eingehend Koller, DB 1972, 1907 f.; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 12; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/77; Brink, S. 105 f.; a.A. Einsele, S. 187 ff., wonach es in diesem Fall an einer vollständigen Besitzaufgabe fehle und der gutgläubige Erwerb demnach ausgeschlossen sei. 213 So Habersack/Mayer, WM 2000, 1683. 214 Vgl. auch Koller, DB 1972, 1907 f. 215 Canaris, Rn. 2030; Micheler, S. 218.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Verlust tragen.216 Sofern der belastete Depotkunde die Transaktion nicht veranlasst, sondern die Depotbank ein beliebiges Kundendepot belastet hat, wird diese Verlustzuweisung vereinzelt als unbillig kritisiert. Dagegen spreche insbesondere, dass der Betroffene keine Einwirkungsmöglichkeiten zur Verhinderung des Rechtsverlustes habe.217 Stattdessen wird vorgeschlagen, ein solcher Verlust solle ebenfalls anteilig von allen über die betreffende Depotbank am Sammelbestand beteiligten Depotinhabern getragen werden.218 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass es beim gutgläubigen Erwerb auch nach den allgemeinen Vorschriften nicht darauf ankomme, ob der Eigentümer die Transaktion in irgendeiner Form veranlasst hat oder hätte verhindern können. Mit der Belastungsbuchung erkläre die Depotbank konkludent, wessen Sammeldepotanteil veräußert werden solle. Im Übrigen sei allein der betroffene Depotinhaber in der Lage, die Abbuchung auf seinem Depot zu bemerken und gegebenenfalls rechtzeitig Schadensersatzansprüche durchzusetzen.219 dd) Gutgläubiger Erwerb über eine zentrale Gegenpartei Die Einschaltung einer zentralen Gegenpartei in den Abwicklungsvorgang hat erhebliche Auswirkungen auf Frage des gutgläubigen ACHTUNGREErwerbs von Sammeldepotanteilen. Der Grund dafür liegt darin, dass das beschriebene Prinzip des gutgläubigen ACHTUNGREErwerbs grundsätzlich die Umbuchung von Sammeldepotanteilen durch die Wertpapiersammelbank als Ausdruck der Besitzübertragung voraussetzt. Mit der Einführung einer zentralen Gegenpartei und dem damit verbundenen Nettingverfahren werden die einzelnen schuldrechtlichen Positionen der Teilnehmer jedoch zu einer einzigen Verbindlichkeit oder Forderung zusammengeführt. Zu einer Umbuchung durch die Wertpapiersammelbank und damit zu einer Besitzübertragung zwischen einzelnen Depotbanken kommt es dann nur noch in dem Umfang, der erforderlich ist, um die Salden auszugleichen, die nach der Aufrechnung bestehen bleiben. Nach Abschluss des Verrechnungsvorgangs kann sich für die unberechtigt veräußernde Depotbank ein positiver, negativer oder ausgeglichener Saldo ergeben. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs hängt in erster Linie davon ab, inwieweit die offenen Positionen der unberechtigt veräußernden Depotbank in der entsprechenden Effektengattung durch das Nettingverfahren aufgehoben werden bzw. inwieweit die Depotbank offene Positionen durch effektive Lieferungen zu erfüllen hat.

216 Koller, DB 1972, 1907; Canaris, Rn. 2030; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 91; § 7, Rn. 18; Brink, S. 103. 217 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 192. 218 Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Bem. 37; wohl auch Gößmann/Klanten, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 87; de lege ferenda ebenso Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 192. 219 Koller, DB 1972, 1907; Canaris, Rn. 2030; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/77; Micheler, S. 219 f.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

(1) Keine Saldierung der Lieferverbindlichkeiten Zunächst ist die Situation in den Blick zu nehmen, in der die übrigen Kunden der unberechtigt veräußernden Depotbank nur Verkaufs- und keine Kaufgeschäfte in der jeweiligen Wertpapiergattung getätigt haben und es folglich nicht zu einer Verrechnung offener Positionen kommt. Dieser Fall mag praktisch zwar nicht allzu häufig auftreten, soll an dieser Stelle jedoch der Klarheit halber als Prototyp eines negativen Saldos der veräußernden Depotbank und der daraus resultierenden Lieferverpflichtung herangezogen werden. Aus Sicht der veräußernden Depotbank ergeben sich hier nur geringe Unterschiede zu den allgemeinen Ausführungen. Wie dargelegt, tritt die zentrale Gegenpartei für die dingliche Einigung funktional an die Stelle der Wertpapiersammelbank. Sie nimmt das auf den Spitzenausgleich beschränkte Übereignungsangebot durch Versendung der Ist-Lieferreports an. Dabei agiert sie als Vertreterin aller Erwerber, so dass es für den gutgläubigen Erwerb auf ihre die Gutgläubigkeit ankommt.220 Für den Rechtsscheinstatbestand kann nicht mehr unmittelbar auf das Depotguthaben der Veräußererbank bei der Wertpapiersammelbank zurückgegriffen werden, da die zentrale Gegenpartei keinen Einblick in die Depotunterlagen der Wertpapiersammelbank hat. An die Stelle des Depotguthabens muss deswegen die Zwischenbuchung der Wertpapiersammelbank auf dem Depotkonto der zentralen Gegenpartei treten.221 Denn durch die Zwischenbuchung erlangt diese kurzeitig mittelbaren Besitz am Effektenbestand, den sie der Veräußererbank vermittelt. Sie darf deshalb darauf vertrauen, dass die Depotbank des Veräußerers bei der Wertpapiersammelbank den zur Erfüllung erforderlichen Effektenbestand unterhält und das Übereignungsangebot mit einer wirksamen Ermächtigung des Veräußerers abgegeben hat. Damit ist die Möglichkeit des Gutglaubenserwerbs grundsätzlich auch bei Einschaltung einer zentralen Gegenpartei in die Abwicklung der Transaktionen eröffnet. Im Unterschied zum herkömmlichen Effektengiroverkehr kann hier jedoch kein einzelner Empfänger bestimmt werden, der gutgläubig vom Nichtberechtigten erwirbt. Die Geschäfte kommen von Anfang an allein mit der zentralen Gegenpartei zustande. Aufgrund des Netting- und Buchungsverfahrens können auch in dinglicher Hinsicht Belastungsbuchungen und Gutschriften auf den Konten der Depotbanken bei der Wertpapiersammelbank weder einander noch einzelnen Handelsabschlüssen zugeordnet werden.222 Vielmehr werden die Werte zunächst von den Konten aller Depotbanken mit negativen Salden abgebucht, sodann auf dem Depotkonto der zentralen Gegenpartei zwischenverbucht und erst anschließend den Depotbanken mit positiven Salden gutgeschrieben. Aufgrund der Zusammenfassung aller transferierten 220 Vgl. Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 19, der den zentralen Kontrahenten jedoch als Empfangsboten des Erwerbers einordnet. 221 Ungenau Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 19, der die Lieferlisten der Wertpapiersammelbank als Rechtsscheinsträger qualifizieren will. Diese sind aber nur das Medium, über die der zentrale Kontrahent über die vorgenommenen Buchungen in Kenntnis gesetzt wird, nicht der Rechtsscheinsträger selbst. 222 So auch Goode/Kanda/Kreuzer, Int-39; Goode, in: Heere, S. 245.

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Anteile muss man davon ausgehen, dass die Werte, die vom Nichtberechtigen veräußert werden, allen Depotbanken mit positiven Salden in der entsprechenden Wertpapiergattung im Verhältnis dieser Salden gutgeschrieben werden. Zwischen den Kunden der Erwerberdepotbanken kommt es sodann zu einer entsprechenden Verteilung des gutgläubig erworbenen Anteils. Im Ergebnis wird der vom Nichtberechtigten veräußerte Anteil damit auf eine Vielzahl von gutgläubigen Erwerbern verteilt. (2) Vollständige Saldierung der Lieferverbindlichkeiten Dem ist sodann der Fall gegenüberzustellen, in dem sich aus Sicht der unberechtigt veräußernden Depotbank nach der Verrechnung von Kauf- und Verkaufsaufträgen ein ausgeglichener oder positiver Saldo ergibt. In diesem Fall kommt es zu keinen Abbuchungen auf ihrem Konto bei Clearstream, die zur Begründung eines gutgläubigen Erwerbs herangezogen werden könnten. Vielmehr bleibt die Depotbank mittelbare Besitzerin desselben Sammeldepotanteils und muss die verrechneten Kaufaufträge durch Umstellung ihres eigenen Besitzmittlungswillens, also durch Umbuchungen auf den von ihr für ihre Kunden geführten Konten, erfüllen. Die Eigentumsübertragung findet damit zwischen den Kunden dieser Depotbank statt. Die übrigen Käufer dieser Wertpapiergattung, die nicht über die Veräußererbank am Wertpapierhandel und an der Erfüllung der Geschäfte teilnehmen, erhalten die ihnen gebührenden Anteile durch ordnungsgemäße Umbuchungen im Rahmen des Spitzenausgleichs durch die zentralen Gegenpartei bzw. durch die Ausgleichsbuchungen ihrer eigenen Banken. Sie erwerben damit vom Berechtigten und sind nicht auf die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten angewiesen. Auswirkungen ergeben sich jedoch für die Käufer, die ebenfalls über die unberechtigt veräußernde Depotbank am Handel und an der Abwicklung teilnehmen. Aufgrund der vollständigen Saldierung der offenen Positionen durch die zentrale Gegenpartei kommt es zu einer Unterdeckung im Effektenbestand, den die Depotbank für ihre Kunden verwahrt. Die Depotbank kann die offenen Positionen der Erwerber nur dann vollständig erfüllen, wenn auch im Rahmen ihrer Umbuchungen ein gutgläubiger Erwerb möglich ist. Grundsätzlich ist zwar auch auf Ebene der nachrangigen Verwahrer die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs denkbar. Es wurde jedoch bereits aufgezeigt, dass die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb bei einer bloßen Besitzumstellung durch die Depotbank von einem Kunden auf einen anderen meist nicht gegeben sind, weil die Depotbank entweder bösgläubig ist oder kein Rechtsscheinstatbestand vorliegt.223 Allein in dem Fall, in dem ein außenstehender, nichtberechtigter Dritter über Werte des Depotkunden verfügt, ist gutgläubiger Erwerb überhaupt denkbar. Da ein gutgläubiger Erwerb damit meist ausscheidet, ist die Unterdeckung von allen in diesem Transaktionszyklus erwerbenden Kunden der betreffenden Effektengattung im Verhältnis zu ihren Erwerbsansprüchen aufzuteilen. Die Alteigentümer verlieren ihre Rechte insoweit nicht. Die von der Depotbank vorgenomme-

223

Vgl. oben C.II.2.c)bb).

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

nen Buchungen verlautbaren die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse lediglich fehlerhaft. (3) Teilweise Saldierung von Lieferverbindlichkeiten Schließlich ist die Situation zu betrachten, in der sich aus Sicht der unberechtigt veräußernden Depotbank nach dem Nettingverfahren ein negativer Liefersaldo ergibt, der hinter der Brutto-Lieferpflicht zurückbleibt. In diesem Fall sind die Ergebnisse der beiden eben geschilderten Fallgruppen gemeinsam anzuwenden. Dabei muss der vom Nichtberechtigten veräußerte Sammeldepotanteil gedanklich aufgeteilt werden. Soweit nach der Verrechnung eine effektive Lieferpflicht der Depotbank bestehen bleibt, besteht die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs der Kunden, die über andere Depotbanken am Abwicklungsprozess beteiligt sind und Werte der entsprechenden Effektengattung gutgeschrieben bekommen. Soweit es jedoch zu einer Saldierung der offenen Positionen kommt, verbleibt der unberechtigt zu veräußernde Sammeldepotanteil im mittelbaren Besitz der veräußernden Depotbank. Ob der Anteil von deren sonstigen Kunden gutgläubig erworben werden kann, bestimmt sich nach den oben aufgezeigten Grundsätzen. Wie beschrieben, werden die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs häufig nicht erfüllt sein. Im Ergebnis kann es damit dazu kommen, dass die Verfügung des Nichtberechtigten zum Teil wirksam und zum anderen Teil unwirksam ist. Die Höhe des Bruchteils des Sammeldepotanteils, der über die Buchung der Wertpapiersammelbank gutgläubig erworben werden kann, entspricht dem Verhältnis zwischen der Bruttolieferpflicht der Depotbank gegenüber dem zentralen Kontrahenten und den nach der Saldierung effektiv durch Buchung übertragenen Anteilen. (4) Bewertung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einführung einer zentralen Gegenpartei erhebliche Auswirkungen auf den durch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs zu gewährleistenden Verkehrsschutz hat. Soweit offene Positionen nicht durch den zentralen Kontrahenten verrechnet werden können, bleibt der gutgläubige Erwerb weiterhin nach den bekannten Grundsätzen möglich, mit dem Unterschied, dass der unberechtigt veräußerte Anteil auf eine Vielzahl von Erwerbern verteilt wird. Soweit offene Positionen jedoch verrechnet werden, kommt es für die erwerbenden Kunden anderer Depotbanken nicht mehr auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs an. Sie sind vielmehr gerade durch das Nettingverfahren geschützt und erwerben damit generell vom Berechtigten. Die Frage des Verkehrsschutzes konzentriert sich stattdessen bei denjenigen Erwerbern, die ebenfalls über die unberechtigt veräußernde Depotbank am Effektengiroverkehr teilnehmen. In diesem Zusammenhang kann die Institution des gutgläubigen Erwerbs den Verkehrsschutz aber nur sehr eingeschränkt gewährleisten, da ihre Voraussetzungen in den meisten nach dem alten System erfassten Fällen nicht erfüllt sind. Im Ergebnis geht mit der Einführung eines zentralen Kontrahenten damit jedenfalls rechtskonstruktiv eine Verlagerung des Ver-

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kehrsrisikos auf die Kunden einer unberechtigt veräußernden Depotbank sowie eine Senkung des Verkehrsschutzes einher. Da an vielen Märkten tatsächlich ein Großteil der Geschäfte durch zentrale Kontrahenten verrechnet werden können, scheint die Reduktion des Verkehrsschutzes nicht unerheblich. Problematisch ist vor allem, dass der Verkehrsschutz letztlich davon abhängt, wie viele Kunden der nichtberechtigt veräußernden Depotbank zufällig gleichzeitig Wertapiere kaufen bzw. verkaufen. Letztlich hängt es damit von der Zufälligkeit der Verrechnung ab, welcher Kunde den Verlust aus eine Veruntreuung von Kundenwerten durch die Depotbank zu tragen hat. Es ist jedoch auch anzumerken, dass die Notwendigkeit des redlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten aus Verkehrsschutzgründen zwar traditionell postuliert wird, von einigen Stimmen jedoch als überbewertet angesehen wird.224 Grund dafür ist, dass sammelverwahrte Urkunden nicht physisch verloren gehen, gestohlen oder sonst abhanden kommen können. Durch die Kontrollmechanismen der Banken werden Verfügungen Nichtberechtigter in den meisten Fällen verhindert. Fälle, die Anlass für das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs geben, kommen praktisch selten vor.225 In diesem Licht stellt sich die Diskussion um den gutgläubigen Erwerb eher als rechtstheoretisches Problem dar. Für die Praxis hat die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von Sammeldepotanteilen allenfalls psychologische Bedeutung.226 3. Verpfändung von Sammeldepotanteilen Im Folgenden wird untersucht, wie die Besonderheiten der Sammelverwahrung bei der Verpfändung von Effekten rechtlich zu bewältigen sind. Die Verpfändung von Effekten ist im Wirtschaftsleben von großer Bedeutung, weil Effekten grundsätzlich leichter als andere Sicherungsmittel verwertbar sind und bei der Bestellung eines Pfandrechts keine Formvorschriften zu beachten sind. Gerade bei Aktien bietet die Verpfändung gegenüber der Sicherungsübereignung den Vorteil, dass dem Pfandgeber die aus der Mitgliedschaft resultierenden Rechte, insbesondere die Stimm- und Bezugsrechte, erhalten bleiben.227 Neben der Verpfändung durch den Eigentümer besteht auch die Möglichkeit der Verpfändung von Kundenwerten durch den Verwahrer. Gemäß § 12 DepotG kann die Depotbank Kundenwerte an ein anderes Verwahrinstitut verpfänden, um einen Kredit zu refinanzieren, den sie dem Kunden eingeräumt hat. Die verpfändende Depotbank bedarf dazu jeweils einer Ermächtigung durch den Hinterleger. Die Ermächtigung kann nach § 12 Abs. 2 bis 4 DepotG in unterschiedlichem Umfang erteilt werden.228 Abgesehen von dem Fall des § 12 Abs. 3 224

Vgl. Zobl/Lambert, SZW 1991, 134 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1682; Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 7; Micheler, S. 168. 225 Ebenso Micheler, S. 168; Meiski, S. 91 ff. 226 So Horn, WM 2002, Sonderbeilage Nr. 2, 7. 227 Stupp, DB 2006, 657; weiterführend zu den Vorteilen der Aktienverpfändung NoACHTUNGREdouACHTUNGREshani, WM 2007, 290 f. 228 Vgl. Canaris, Rn. 2147; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/24.

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ACHTUNGREDepotG muss die Ermächtigung ausdrücklich und schriftlich erteilt werden. Fehlt es an der Ermächtigung durch den Hinterleger, kann der Dritte wegen der Fremdvermutung des § 4 DepotG nicht auf das Eigentum der Depotbank vertrauen; jedoch kommt ein gutgläubiger Erwerb nach § 366 HGB in Betracht, soweit der Dritte auf die Verfügungsmacht des Verwahrers vertraut.229 Nach § 12 a DepotG hat die Depotbank ferner die Möglichkeit, Kundenwerte an eine Börse oder eine Clearingstelle zu verpfänden. Dies erleichtert die Ausführung von Kundenaufträgen, da die Depotbank damit die Sicherheitsleistungen erfüllen kann, die im Rahmen des Clearings für ihr Gesamtengagement erforderlich sind.230 Die verpfändeten Effekten dürfen jedoch nur in Höhe der Verbindlichkeiten des Kunden gegenüber der Depotbank aus dem jeweiligen Geschäft in Anspruch genommen werden, was die Depotbank gemäß § 12a Abs. 2 S. 1 DepotG auch gegenüber dem Pfandgläubiger sicherstellen muss.231 a) Bestellung eines Pfandrechts Auch wenn häufig von der Verpfändung von Effekten gesprochen wird, sind im Fall der Sammelwahrung nicht einzelne Effekten Gegenstand eines Pfandrechts, sondern der Miteigentumsanteil des Hinterlegers am jeweiligen Sammelbestand. Die Verpfändung eines Miteigentumsanteils ist gemäß § 1258 BGB möglich. Da das Miteigentum nach Bruchteilen rechtlich wie Volleigentum zu behandeln ist, unterliegt die Pfändung grundsätzlich den gleichen Vorschriften wie die Pfändung einzelner Urkunden.232 Im Ergebnis wird der Miteigentumsanteil im Wege der Fiktion wie eine individualisierbare Anzahl konkreter Urkunden behandelt.233 Für die Verpfändung von Inhaberpapieren gelten gemäß § 1293 BGB die Vorschriften über die Verpfändung beweglicher Sachen (§§ 1204 ff. BGB). Dies schließt auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eines Pfandrechts ein (§§ 1207, 932 ff. BGB). Nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert die Bestellung eines Pfandrechts eine Einigung sowie die Übergabe des Pfandgutes. Die Übergabe kann durch verschiedene Übergabesurrogate ersetzt werden. Orderpapiere, wie beispielsweise Namensaktien, können nach § 1292 BGB entweder nach den Vorschriften über die Verpfändung von Rechten (§§ 1273 ff. BGB) oder durch Einigung und Übergabe der mit einem offenen oder verdeckten Pfandindossament versehenen Urkunde verpfändet werden.234 Ein solches Indossament ist bei sammelverwahrten Namensaktien immer gegeben, da diese sonst nicht in die Gi-

229

Canaris, Rn. 2146. Kümpel, Rn. 11.81; Nodoushani, WM 2007, 295. 231 Baumbach/Hopt/Hopt, § 12a DepotG, Rn. 1. 232 MünchKommBGB/K. Schmidt, § 1008, Rn. 16; Berger, WM 2009, 578. 233 Gursky, JZ 1997, 1163; Hirte/Knof, WM 2008, 10. 234 Palandt/Bassenge, § 1292, Rn. 2 ff.; zur Verpfändung vinkulierter Aktien vgl. auch Stupp, DB 2006, S. 658 f.; Hoffmann, WM 2007, 1553. 230

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rosammelverwahrung einbezogen werden können.235 Die Übergabe kann auch hier durch die Surrogate der §§ 1205 f. BGB ersetzt werden.236 Sammelverwahrte Namensaktien werden damit im Ergebnis genauso verpfändet wie Inhaberpapiere. Auch bei der Verpfändung von verbrieften Rechten wird damit deren Verkörperung in einer beweglichen Sache fruchtbar gemacht.237 Für die Praxis ist unerheblich, ob die Werte einzeln verbrieft oder in einer (Dauer-)Globalurkunde zusammengefasst sind. Aber auch unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen werden aufgrund der gesetzlichen Gleichstellung mit verbrieften Rechten nach den sachenrechtlichen Vorschriften verpfändet.238 Hinsichtlich der denkbaren Übergabesurrogate ist zwischen unterschiedlichen Pfandrechtsgläubigern zu unterscheiden, nämlich zwischen der Depotbank des Anlegers einerseits und sonstigen Pfandrechtsgläubigern andererseits. Die unterschiedlichen Varianten der Pfandrechtsbestellung werden im Folgenden aufgezeigt. Hinsichtlich des sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernisses gelten jeweils die Ausführungen zur Vollrechtsübertragung entsprechend. Einer Verpfändungsanzeige nach § 1280 BGB an den Schuldner des verbrieften Rechts bedarf es im Übrigen grundsätzlich nicht. Eine solche Anzeige verfolgt nur in den Fällen, in denen ein Pfandrecht durch bloße Einigung bestellt werden kann, den Zweck, die Aussonderung aus dem Vermögen des Schuldners erkennbar zu machen.239 Nur wenn dem Pfandgläubiger auch Dividenden und andere Nutzungen des Pfandes zustehen sollen (§ 1213 BGB), ist eine Verpfändungsanzeige an den Emittenten ratsam, damit dieser nicht nach §§ 413, 407 BGB mit befreiender Wirkung an den Gläubiger leisten kann.240 aa) Nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB In allen Fällen ist zunächst eine dingliche Einigung zwischen Schuldner und Pfandgläubiger erforderlich. Daneben erfordert § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich die Übergabe der Pfandsache an den Pfandgläubiger. Entsprechend den Ausführungen zur Eigentumsübertragung im Effektengiroverkehr kann die Besitzverschaffung praktisch dadurch ersetzt werden, dass die Effekten auf ein Depotkonto des Pfandnehmers umgebucht werden.241 Wenn dieser das Pfanddepot bei derselben Depotbank wie der Schuldner führt, genügt die Umstellung des Besitzmittlungswillens durch eine Umbuchung dieser Depotbank. Mit der Umbuchung begründet die Depot235

Nr. 46 Abs. 1 AGB Clearstream; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 37; Hoffmann, WM 2007, 1551. 236 MünchKommBGB/Damrau, § 1292, Rn. 5. 237 Hirte/Knof, WM 2008, 8. 238 BGH NJW 1996, 1675; LG Konstanz, WM 1988, 818; Gursky, JZ 1997, 1164. 239 Staudinger/Wiegand, § 1280, Rn. 1. 240 Groß, in: Happ, S. 639; Hoffmann, WM 2007, 1552. 241 Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 115; diese Möglichkeit übersieht offensichtlich Stupp, DB 2006, 568, indem er bei Dauerglobalurkunden nur die Möglichkeit der Rechtsverpfändung sieht.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

bank ein neues Besitzmittlungsverhältnis mit dem Pfandgläubiger. Wird das Pfandkonto hingegen bei einer anderen Depotbank geführt, so müssen auch die übergeordneten Depotbanken und insbesondere die Wertpapiersammelbank eingeschaltet werden. Nach einer Ansicht liegt bei einer solchen Umbuchung ein Fall der Verpfändung nach § 1205 Abs. 2 BGB vor, weil lediglich mittelbarer Besitz übertragen werde. Eine Verpfändung von Sammeldepotanteilen nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB wäre danach nicht denkbar.242 Richtigerweise ist die Verpfändung durch Umbuchung jedoch § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB zuzuordnen, weil dabei kein mittelbarer Besitz übertragen wird, sondern der bisherige mittelbare Besitz aufgegeben und neuer mittelbarer Besitz für den Erwerber begründet wird.243 Auch wird nur so ein Gleichlauf mit der Begründung der Übereignung nach § 929 S. 1 BGB gewährleistet. Bei der Umbuchung der Werte auf ein Depotkonto des Pfandnehmers ist nach außen nicht ersichtlich, dass es sich um eine Verpfändung und nicht um eine Vollrechtsübertragung handelt. Dies ist problematisch, wenn dem Eigentümer weiterhin die Aktionärsrechte, insbesondere Stimm- und Bezugsrechte sowie das Recht auf Dividende, zustehen sollen. Die Praxis sieht daher in der Regel von einer Umbuchung des Pfandgutes ab.244 Häufiger werden Sammeldepotanteile stattdessen nach § 1205 Abs. 2 BGB i.V.m § 870 BGB verpfändet. bb) Nach § 1205 Abs. 2 BGB Nach dem dargestellten herrschenden Verständnis ist der Hinterleger bei der Girosammelverwahrung mittelbarer Mitbesitzer des Sammelbestandes. Nach § 1205 Abs. 2 BGB kann das Pfandrecht durch Übertragung dieses mittelbaren Besitzes an den Pfandgläubiger und die Anzeige der Verpfändung gegenüber dem Besitzmittler bestellt werden. Nach h.M. muss der Hinterleger dazu seine Auslieferungsansprüche gegen die Depotbank an den Pfandgläubiger abtreten. Da die h.M. den Auslieferungsanspruch aus § 8 DepotG als dinglichen Anspruch qualifiziert, geht sie davon aus, dass er sich nicht durch Abtretung vom Miteigentum trennen lässt und für die Verpfändung folglich nicht herangezogen werden kann.245 In Betracht kommt damit nur der Anspruch aus § 7 Abs. 1 DepotG. Sofern der Auslieferungsanspruch nicht besteht, weil sich der Sammeldepotanteil auf eine Dauerglobalurkunde oder eine unverbriefte Sammelschuldbuchforderung bezieht, soll an seine Stelle der Anspruch des Hinterlegers gegen die Depotbank auf Umbuchung der entsprechenden Werte treten. 242

RGZ 103, 151, 153; MünchKommBGB/Damrau, § 1205, Rn. 18; Mahler, S. 172 f.; vgl. auch Wieling, AcP 1984, 452, 456. 243 Staudinger/Wiegand, § 1205, Rn. 24; Westermann, § 128 II 3; Palandt/Bassenge, § 1205, Rn. 9; Soergel/Habersack, § 1205, Rn. 25; Apfelbaum, S. 59 f. 244 Nodoushani, WM 2007, 295; Kümpel, Rn. 11.61; Dittrich, S. 102 f.; Apfelbaum, S. 60. 245 MünchKommBGB/Damrau, § 1205, Rn. 17; Nodoushani, WM 2007, 295.

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Nach der hier vertretenen Auffassung sind nicht die depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche entscheidend für den mittelbaren Besitz des Hinterlegers, sondern vielmehr die daneben bestehenden, bedingten verwahrungsrechtlichen und dinglichen Ansprüche des Hinterlegers auf Herausgabe des Sammelbestandes an alle ACHTUNGREHinterleger.246 Zur Bestellung des Pfandrechts nach § 1205 Abs. 2 BGB genügt die Abtretung des verwahrungsrechtlichen Anspruches. Für die Praxis hat diese abweichende rechtskonstruktive Begründung keine Auswirkungen, da sich in Verpfändungsverträgen zumeist offene Formulierungen finden, wonach der Verpfänder sämtliche ihm zustehenden Herausgabeansprüche an den Pfandgläubiger abtritt. Die nach § 1205 Abs. 2 BGB erforderliche Verpfändungsanzeige braucht nur gegenüber der Depotbank des Verpfänders und nicht gegenüber höherstufigen Besitzern abgegeben werden.247 Eine Bevollmächtigung des Pfandgläubigers durch den Verpfänder zur Abgabe der Anzeige ist möglich und üblich.248 Die Verpfändungsanzeige enthält zudem regelmäßig das Gesuch an die Depotbank, für die Dauer der Verpfändung ihr AGB-Pfandrecht zurücktreten zu lassen.249 Um Verfügungen des Verpfänders über die verpfändeten Werte auszuschließen, wird das Depot in der Praxis mit einem Sperrvermerk versehen oder fortan als Pfanddepot geführt.250 Diese Maßnahmen dienen lediglich der Dokumentation der durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs vollzogenen Rechtsänderung und sind daher nicht konstitutiv.251 cc) Nach § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB Werden die Effekten an die Depotbank des Anlegers verpfändet, genügt eine dingliche Verpfändungsabrede. Eine buchungsmäßige Übergabe der Urkunden ist gemäß § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB entbehrlich, da die Depotbank als Pfandgläubigerin bereits Besitzerin der Werte ist. Unerheblich ist, dass es sich dabei lediglich um mittelbaren Besitz handelt. Entscheidend ist allein, dass der Besitz nicht vom Verpfänder als Eigentümer, sondern von der übergeordneten Verwahrstelle vermittelt wird und die Depotbank den Besitz im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung erlangt.252 Einer Anzeige der Verpfändung gegenüber der nächsthöheren Verwahrstelle bedarf es ebenfalls nicht.253

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Vgl. oben C.II.1.b)cc)(3). OLG Karlsruhe, WM 1999, 2451, 2455; ebenso für Schuldbuchforderungen LG Konstanz, WM 1988, 818; MünchKommBGB/Damrau, § 1205, Rn. 22. 248 Vgl. das Muster einer Verpfändungsabrede bei Groß, in: Happ, S. 633 ff. 249 Hoffmann, WM 2007, 1550. 250 Kümpel, Rn. 11.61; Hoffmann, WM 2007, 1552; Dittrich, S. 102. 251 Hoffmann, WM 2007, S. 1553; missverständlich insoweit Nr. 43 Abs. 1 AGB ClearACHTUNGREstream, wonach für den Übergang des Mitbesitzes nach § 1205 Abs. 2 BGB die Verbuchung auf ein Pfandkonto erforderlich sei. 252 Hoffmann, WM 2007, 1550; Bunte, Nr. 14 AGB-Banken, Rn. 326. 253 BGH NJW 1997, 2110; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 123. 247

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Eine Verpfändungsabrede ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken enthalten.254 Durch das AGB-Pfandrecht der Banken, das von der Rechtsprechung stets für zulässig gehalten wurde,255 werden alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Bank gegen den Kunden aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung abgesichert. Erfasst sind grundsätzlich sowohl Werte, die zum Zeitpunkt der Einigung schon auf dem Depotkonto des Kunden verbucht sind, als auch solche, die erst zukünftig als Guthaben auf dem Depotkonto verbucht werden.256 Grundsätzlich ist auch in diesem Fall ein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts vom Nichtberechtigten möglich; jedoch muss dies praktisch ausscheiden, da die Depotbank den mittelbaren Besitz nicht vom verpfändenden Hinterleger oder auf dessen Veranlassung erlangt, sondern von der übergeordneten Verwahrstelle. Es fehlt deswegen an einem geeigneten Rechtsscheinstatbestand.257 Verpfändet eine Depotbank Werte an ihren Drittverwahrer ist darüber hinaus die Fremdvermutung des § 4 DepotG zu beachten. Die Vorschrift verhindert den Pfandrechtserwerb des Drittverwahrers aufgrund des guten Glaubens an das Eigentum des Zwischenverwahrers. Unberührt bleibt jedoch der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Zwischenverwahrers, so dass gutgläubiger Erwerb nach § 366 HGB grundsätzlich möglich ist.258 Im Übrigen kann die Fremdvermutung nach Abs. 2 der Vorschrift durch eine Eigenanzeige entkräftet werden.259 Bei Drittverwahrung im Ausland wird die Fremdvermutung durch eine besondere „Drei-Punkte-Erklärung“ sichergestellt.260 dd) Nach § 1206 BGB Gerade bei der Verwahrung der Effekten durch eine Depotbank ist gemäß § 1206, Alt. 2 BGB auch die Einräumung von Mitbesitz an den Pfandgläubiger als Übergabesurrogat denkbar.261 Von dieser Möglichkeit wird jedoch in der Praxis kein Gebrauch gemacht, da sie eine aktive Miteinbeziehung der Depotbank als Partei des Pfandhaltervertrags erfordert. Außerdem könnte die Verwertung unnötig erschwert werden, da der Pfandnehmer zur Geltendmachung des Herausgabeanspruchs der Mitwirkung des Verpfänders bedürfte.262

254

Nr. 14 AGB-Banken; Nr. 21 AGB Sparkassen. Vgl. BGH WM 1983, 926; BGH WM 1988, 859; BGH WM 1995, 375, 377; kritisch zuletzt aber PiekenACHTUNGREbrock, WM 2009, 49 ff. 256 Bunte, Nr. 14 AGB-Banken, Rn. 324; Bintz, S. 40. 257 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 123 f.; MünchKommBGB/Damrau, § 1207, Rn. 4. 258 Baumbach/Hopt/Hopt, § 5 DepotG, Rn. 2. 259 Zur Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs bei unrichtiger Eigenanzeige vgl. Canaris, Rn. 2172; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/30. 260 Dazu unten C.II.5.a)bb)(3)(b). 261 Vgl. Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/222. 262 Hoffmann, WM 2007, 1550; Hirte/Knof, WM 2008, 13. 255

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ee) Nach §§ 1274 ff. BGB Ob neben der Verpfändung des Miteigentumsanteils auch eine Verpfändung der verbrieften Mitgliedschafts- oder Forderungsrechte nach den Vorschriften der Rechtsverpfändung (§§ 1273 ff. BGB) möglich ist, ist lebhaft umstritten. Einigkeit herrscht zunächst darüber, dass die Verpfändung eines Mitgliedschaftsrechts nach den Regeln der Rechtsverpfändung zumindest dann möglich ist, solange dieses noch nicht verbrieft ist.263 Generell sind auch die in Orderpapieren wie beispielsweise in Namensaktien verbrieften Rechte nach den Regeln der Rechtsverpfändung verpfändbar, da diese Form der Verpfändung durch § 1292 BGB nicht ausgeschlossen wird.264 Gleiches muss wohl auch für Rechte gelten, die in Inhaberpapieren verbrieft werden. Denn geht man davon aus, dass die Verbriefung lediglich eine zusätzliche, mit größerer Rechtssicherheit ausgestatte Übertragungsmöglichkeit schaffen will, so besteht kein Grund, die ohne die Verbriefung bestehenden Übertragungsformen auszuschließen.265 Nach überwiegender Ansicht ist für eine wirksame Rechtspfändung in diesem Fall aus Gründen der Rechtsklarheit aber auch erforderlich, dass die verbriefende Urkunde übergeben wird oder die Übergabe durch eines der beschriebenen Surrogate ersetzt wird.266 Jedenfalls erstreckt sich das Pfandrecht entsprechend § 952 BGB auch auf die verbriefende Urkunde, so dass ein Auseinanderfallen der Rechtsinhaberschaft des verbrieften Rechts und der Urkunde verhindert wird.267 Da ein gutgläubiger Erwerb auf diesem Weg nicht möglich ist, hat die Verpfändung von Effekten nach den Regeln der Rechtsverpfändung praktisch keine Bedeutung.268 Lediglich die Stimmen der Literatur, die eine Besitzposition des Hinterlegers an den sammelverwahrten Effekten generell oder jedenfalls bei Dauerglobalurkunden ablehnen, müssen auf die Verpfändung der in den Effekten verbrieften Rechte nach §§ 1274, 398 BGB ausweichen.269 263

Hoffmann, WM 2007, 1547. MünchKommBGB/Damrau, § 1292, Rn. 17; unstrittig ist die Möglichkeit der Vollrechtsübertragung durch Abtretung des verbrieften Rechts, vgl. RGZ 77, 268, 276; RGZ 86, 154, 157. 265 Stupp, DB 2006, 657; ebenso, aber hinsichtlich der Vollrechtsübertragung Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 14, Rn. 5; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 202; Eder, NZG 2004, 111; Hüffer, § 68, Rn. 3; a.A. MünchKommBGB/ Füller, § 952, Rn. 8. 266 Für den Wechsel entspricht dies der st. Rspr, vgl. RGZ 88, 290, 292; RGZ 160, 338; 341; BGH NJW 1958, 302, 303; BGH WM 70, 145; BGHZ 104, 145, 149 f.; ebenso für Namensaktie KG NJW-RR 2003, 542; Hoffmann, WM 2007, 1548; die Gegenansicht hält eine Übergabe für entbehrlich, da es andernfalls zu einer Vermischung der Übertragungsformen käme, vgl. Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner § 14, Rn. 13; MünchKommAktG/ Bayer, § 68, Rn. 30; KölnKommAktG/Lutter, § 68, Rn. 15; Apfelbaum, S. 30. 267 Staudinger/Gursky, § 952, Rn. 5; Hirte/Knof, WM 2008, 9. 268 Stupp, DB 2006, 657. 269 So Habersack/Mayer, WM 2000, 1684; MünchKommBGB/Damrau, § 1293, Rn. 9; daneben wird auch die Pfändung des Auslieferungsanspruchs des Depotinhabers gegen seine Depotbank gemäß §§ 1274 Abs. 1 S.1, 1280 BGB vorgeschlagen, vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 127 ff.; dies., Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 28. 264

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

b) Umfang des Pfandrechts Gemäß § 1296 BGB erstreckt sich das Pfandrecht auch auf Zins-, Renten- oder Dividendenscheine, wenn diese dem Pfandgläubiger mit übergeben werden. Jedoch hat der Verpfänder nach § 1296 S. 2 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Scheine vor Pfandreife mit der Folge der Enthaftung. Bei einer Verpfändung an die Bank wird dieser Anspruch durch Nr. 14 Abs. 4 AGB-Banken abbedungen. Soweit keine selbstständigen Scheine ausgestellt wurden, sind Zinsen gemäß § 1289 BGB vom Pfandrecht erfasst. Diese Vorschrift bezieht sich zwar nicht auf Gewinnanteile, jedoch muss das Dividendenrecht bei der Verpfändung einer Aktie ohne Dividendenschein im Umkehrschluss zu § 1296 BGB bzw. in analoger Anwendung von § 1289 BGB ebenso als mitverpfändet gelten.270 Im Übrigen erstreckt sich das Pfandrecht an einer Aktie grundsätzlich nicht auf Bezugsrechte, die in der Praxis deswegen zusätzlich mitverpfändet werden. Nach teilweise vertretener Ansicht soll sich das Pfandrecht aber am Erlös aus dem Verkauf des Bezugsrechts oder einem diesem Wert ACHTUNGREentsprechenden Teil der neuen Aktien fortsetzen, weil diese Werte einen vermögenswerten Teil des verpfändeten Mitgliedschaftsrecht darstellten.271 Mangels einer gesetzlichen Grundlage hierfür ist jedoch der Gegenauffassung beizupflichten, wonach lediglich eine Pflicht des Verpfänders zur entsprechenden Erweiterung des Pfandrechts besteht.272 Das Stimmrecht des Aktionärs verbleibt beim Verpfänder, da das Pfandrecht nur zur Befriedigung aus dem verpfändeten Gegenstand berechtigt, nicht hingegen zur Nutzung oder Mitverwaltung.273 Werden die Werte auf ein Depotkonto des Pfandgläubigers verbucht, hat dieser dem Verpfänder die Ausübung des Stimmrechts zu ermöglichen.274

c) Verwertung des Pfandgutes aa) Allgemeine Verwertungsvorschriften Der Pfandrechtsgläubiger hat verschiedene Möglichkeiten, sich aus den verpfändeten Effekten oder Rechten zu befriedigen. Grundsätzlich bestimmt die Art der Pfandrechtsbestellung auch die gesetzlich mögliche Form der Verwertung.275 Sofern der Miteigentumsanteil nach den Regeln der Sachpfändung verpfändet wurde, richtet sich die Verwertung des Pfandrechts zunächst nach § 1258 BGB. Danach kann der 270 Wiedemann, S. 426; Staudinger/Wiegand, § 1296, Rn. 2; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner § 14, Rn. 67; a.A. aber Apfelbaum, S. 142 f. 271 MünchKommBGB/Damrau, § 1293, Rn. 8; KölnKommAktG/Lutter, § 186, Rn. 21; Hoffmann, WM 2007, 1554. 272 Ausführlich Apfelbaum, S. 154 ff.; Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 14, Rn. 68; Hüffer, § 186, Rn. 22. 273 Apfelbaum, S. 107 ff.; MünchKommBGB/Damrau, § 1293, Rn. 8; Hüffer, § 118, Rn. 15. 274 Münch.Hdb.GesR IV/Wiesner, § 14, Rn. 68; MünchKommAktG/Hüffer, § 245, Rn. 27. 275 Apfelbaum, S. 286.

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Verpfänder mit dem Eintritt der Verkaufsberechtigung grundsätzlich die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft verlangen (§ 1258 Abs. 2 BGB). An die Stelle des Aufhebungsanspruchs tritt bei der Girosammelverwahrung in sinngemäßer Anwendung der §§ 7 Abs. 1, 8 DepotG jedoch ein Anspruch auf Auslieferung einzelner Effekten aus dem Sammelbestand.276 Nach ganz h.M. setzt sich das Pfandrecht nach der Auslieferung der Effekten automatisch an den ausgelieferten Papieren fort, ohne dass es, wie es der Wortlaut von § 1258 Abs. 3 BGB nahelegt, einer neuerlichen Pfandrechtsbestellung bedarf.277 Der Pfandrechtsgläubiger kann die ausgelieferten Effekten sodann nach den allgemeinen Vorschriften verwerten. Die Auslieferung einzelner Effekten ist jedoch sehr umständlich und für kapitalmarktgehandelte Werte unpraktikabel. Bei Dauerglobalurkunden und unverbrieften Bucheffekten ist sie von vornherein ausgeschlossen. Praktisch relevant ist deswegen allein die zweite Verwertungsalternative, nämlich der Verkauf des Miteigentumsanteils durch den Pfandgläubiger gemäß § 1258 Abs. 4 BGB. Für die Verwertung des Miteigentumsanteils bzw. der einzelnen Effekten kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Die praktisch relevanteste Form der Verwertung von Effekten ist der freihändige Verkauf. Die Befugnis zum freihändigen Verkauf folgt bei Inhaberpapieren aus § 1221 BGB, bei Orderpapieren aus § 1295 BGB. Grundsätzlich ist der freihändige Verkauf nur durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler (§ 93 HGB) oder eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person möglich. Erforderlich sind darüber hinaus die Pfandreife sowie eine vorherige Androhung des Verkaufs gegenüber dem Eigentümer gemäß § 1234 BGB. Wesentliche Erleichterungen von diesen Beschränkungen wurden im Jahr 2004 durch die Einführung von § 1259 BGB und die Anpassungen der §§ 1279, 1295 BGB erreicht. Die Änderungen setzen Art. 4 Abs. 1 und 3c der Finanzsicherheitenrichtlinie um,278 sind in ihrem Anwendungsbereich jedoch nicht auf Finanzinstrumente beschränkt. Nach § 1259 BGB können Unternehmer oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen in der Sicherungsabrede oder auch später vereinbaren, dass Pfandrechte an Gütern mit einem ACHTUNGREBörsen- oder Marktpreis bei Fälligkeit ohne die Einschränkungen der §§ 1221 und 1234 ff. BGB durch den Pfandgläubiger oder einen Dritten zum laufenden Preis veräußert werden können. Darüber hinaus können diese Parteien abweichend von § 1229 BGB die Möglichkeit der Aneignung durch den Pfandgläubiger vereinbaren (Verfallvereinbarung). Dem Pfandgläubiger kann auch ein Wahlrecht zwischen freihändigem Verkauf und Aneignung eingeräumt werden.279 Eine Verfallvereinbarung kann 276

MünchKommBGB/Damrau, § 1258, Rn. 9. BGHZ 52, 99, 105 ff. m. Anm. Wellmann, NJW 1969, 1903; Staudinger/Wiegand, § 1258, Rn. 11; MünchKommBGB/Damrau, § 1258, Rn. 9; Erman/Michalski, § 1258, Rn. 3; a.A. noch RGZ 84, 395, 397, wonach lediglich ein Anspruch auf erneute Pfandrechtsbestellung besteht; dem folgend Heinsius/Horn/Than, § 6 DepotG, Rn. 48, § 8 DepotG, Rn. 6. 278 Richtlinie 2002/47/EG vom 6. 6. 2002 über Finanzsicherheiten, ABl. EG Nr. L 168 vom 27. 6. 2002, S. 43 ff. 279 Bamberger/Roth/Sosnitza, § 1259, Rn. 10. 277

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

rechtskonstruktiv als aufschiebend bedingte Übereignung nach §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB oder als ausnahmsweise bindendes Übereignungsangebot aufgefasst werden.280 Die Vereinbarung kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen werden. Unter einer Verfallvereinbarung erwirbt der Pfandgläubiger den verpfändeten Miteigentumsanteil mit Pfandreife und gegebenenfalls einer entsprechenden Annahmeerklärung; bleibt die zugrundeliegende Forderung hinter dem Wert des verpfändeten Miteigentumsanteils zurück, so erwirbt der Pfandgläubiger nur einen entsprechenden Anteil des verpfändeten Sammeldepotguthabens. Die Vorschriften zielen insbesondere auf die Bestellung von Pfandrechten zwischen Kreditinstituten, Wertpapierfirmen, Finanzinstituten und Versicherungsunternehmen. Der Verzicht auf Schutzvorschriften zugunsten des Pfandgebers soll ein rasches und unbürokratisches Verwertungsverfahren ermöglichen und so die Stabilität der Finanzmärkte sichern. Erforderlich dafür ist, dass das Pfandgut einen Börsenoder Marktpreis hat. Börsenpreise sind Preise, die während der Börsenzeit an einer Börse festgestellt werden (§ 24 Abs. 1 S. 1 BörsG). Marktpreise sind Durchschnittspreise, die sich aus einer größeren Anzahl gleichartiger Geschäfte am Verkaufsort der jeweiligen Pfandgegenstände berechnen lassen.281 Bei Effekten, für die mangels Börsennotierung kein Börsenpreis besteht, oder für die kein täglicher Börsenpreis gebildet wird, ist jedenfalls eine wirtschaftliche Bewertung möglich, so dass zumindest ein Marktpreis gebildet werden kann.282 Problematisch kann dies allenfalls bei der Verpfändung bedeutender Unternehmensbeteiligungen sein, deren Wert nicht unbedingt vom Kurswert der Aktie abhängt, sondern anderen Preisfindungsregeln unterliegt.283 Neben dem freihändigen Verkauf stehen dem Pfandgläubiger auch die übrigen pfandrechtlichen Verwertungsformen zur Verfügung. Für Inhaberpapiere, die den Vorschriften der Verpfändung beweglicher Sachen unterliegen, ist ein Verkauf im Wege der öffentlichen Versteigerung denkbar (§§ 1228 ff., 1235 BGB). Für Namensaktien und andere Orderpapiere scheidet diese Möglichkeit jedoch aus, selbst wenn sie blankoindossiert sind.284 Verbriefte Forderungsrechte, können gemäß § 1294 BGB bereits vor Pfandreife (§ 1228 Abs. 2 BGB) vom Pfandgläubiger eingezogen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Werte nach den Vorschriften der Sachoder Rechtspfändung verpfändet wurden. Die Einziehung verbriefter Forderungen ist im Vergleich zur Einziehung sonstiger Forderungen mit Blick auf die §§ 1281, 1282 Abs. 1 S. 3 und 1283 BGB wesentlich erleichtert. Hat der Gläubiger einen Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung erlangt, ist daneben auch eine Verwertung nach den zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften möglich. Dies folgt 280

Erman/Michalski, § 1259, Rn. 9. So bereits RGZ 34, 117, 121 f. 282 Kollmann, WM 2004, 1019; Bamberger/Roth/Sosnitza, § 1259, Rn. 7; vgl. auch die Begründung zum Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1853, S. 17, wonach zur Bestimmung des Marktpreises auf einen von einer amtlichen Stelle veröffentlichten Preis oder den Mittelwert des von zwei Kreditinstituten angebotenen Kurses abgestellt werden kann. 283 Primozic/Voll, NZI 2004, 363. 284 MünchKommBGB/Damrau, § 1295, Rn. 2; Erman/Michalski, § 1295, Rn. 1. 281

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für Orderpapiere aus § 1277 S. 1 BGB und für Inhaberpapiere aus § 1233 Abs. 2 BGB.285 Sofern nicht die verbriefende Urkunde bzw. ein Miteigentumsanteil daran, sondern das verbriefte Recht selbst nach § 1274 BGB verpfändet wurde, etwa weil man dies aufgrund der fehlenden Besitzstellung des Hinterlegers als einzige Verpfändungsart sieht, kommt grundsätzlich gemäß § 1277 S. 1 BGB nur eine Verwertung nach den zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften in Betracht (§§ 828 ff. ZPO). Danach ist neben einem vollstreckbaren Titel auf Gestattung der Zwangsvollstreckung ein Pfändungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts, verbunden mit einer geeigneten Verwertungsanordnung, erforderlich.286 Zulässig sind jedoch auch Vereinbarungen über andere Verwertungsformen.287 bb) Verwertungsbefugnis in der Insolvenz des Verpfänders In der Insolvenz des Sicherungsgebers werden die bürgerlich-rechtlichen Verwertungsvorschriften vom Insolvenzrecht überlagert. Sammeldepotanteile des Schuldners fallen gemäß § 35 InsO in die Insolvenzmasse. Gemäß § 50 Abs. 1 InsO besteht jedoch ein Absonderungsrecht zugunsten des Pfandnehmers. Von zentraler Bedeutung ist vor allem die Frage, ob der Pfandgläubiger die Effekten auch in der Insolvenz des Schuldners verwerten darf, oder ob die Verwertungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergeht. Die Verwertung durch den Insolvenzverwalter führt zwar nicht zu einer Umverteilung von Vermögenswerten von gesicherten auf die ungesicherten Gläubiger und damit nicht zu einem Sonderopfer für den Pfandgläubiger. Gleichwohl hat die Frage erhebliche praktische Bedeutung für den Pfandgläubiger. Dies liegt nicht nur an den nach § 170 Abs. 1 InsO vom Erlös abzuziehenden Feststellungsund Verwertungskosten, sondern auch daran, dass das Recht zur Bestimmung des Zeitpunkts und des Verfahrens der Verwertung sowie des Erwerbers großen Einfluss auf die Werthaltigkeit der Sicherung haben kann.288 Die Verwertungsbefugnis steht dem Pfandgläubiger nur zu, soweit kein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters besteht (§ 173 Abs. 1 InsO). Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters richtet sich nach § 166 InsO. Wem das Verwertungsrecht an sammelverwahrten Wertpapieren zusteht, ist Gegenstand einer intensiven Diskussion.

285 Baur/Stürner, § 62 B III 1; MünchKommBGB/Damrau, § 1293, Rn. 4; Soergel/Habersack, § 1293, Rn. 3; die Gegenansicht zieht hingegen ebenfalls § 1277 S. 1 BGB heran, vgl. Erman/Michalski, § 1293, Rn. 3; Palandt/Bassenge, § 1293, Rn. 3; Staudinger/Wiegand, § 1293, Rn. 7. 286 Dazu C.II.4.bb). 287 MünchKommBGB/Damrau, § 1277, Rn. 5; Erman/Michalski, § 1277, Rn. 2. 288 Berger, ZIP 2007, 1533.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

(1) Verwertungsbefugnis nach § 166 Abs. 3 InsO Für den Finanzsektor ist zunächst die Sondervorschrift des § 166 Abs. 3 InsO von Bedeutung. Sie entzieht dem Insolvenzverwalter von vornherein die Verwertungsbefugnis für bestimmte Formen von Kreditsicherheiten und weist sie dem Pfandgläubiger zu. § 166 Abs. 3 Nr. 1 und 2 InsO dienen der Umsetzung der Finalitätsrichtlinie,289 Nr. 3 der Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie.290 Nr. 1 betrifft Sicherheiten von Teilnehmern an Zahlungs-, Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen, die der Europäischen Kommission als solche gemeldet wurden.291 Erfasst werden nur Sicherheiten zur Sicherung von Ansprüchen aus einem solchen System. Da Teilnehmer solcher Systeme nur Kreditinstitute sein können, hat die Vorschrift nur im Interbankenverkehr Bedeutung.292 Gleiches gilt für Sicherheiten zugunsten einer Zentralbank eines Mitgliedstaates der EU oder der Europäischen Zentralbank nach Nr. 2, da deren Sicherungsgeber ebenfalls ausschließlich Kreditinstitute sind. Nr. 3 entzieht auch Finanzsicherheiten im Sinne von § 1 Abs. 17 KWG dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters. Unter den Begriff der Finanzsicherheit fallen dingliche Sicherungsrechte an Barguthaben, Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und sonstigen Schuldscheindarlehen einschließlich damit im Zusammenhang stehender Rechte. Damit eine Sicherheit als Finanzsicherheit im Sinne der Vorschrift gilt, müssen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer grundsätzlich Banken, Wertpapierunternehmen oder sonstige Institute des Finanzsektors sein. Ausnahmsweise kommen als Sicherungsgeber auch sonstige juristische Personen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften außerhalb des Finanzsektors in Betracht, jedoch nur, wenn die Sicherheit der Besicherung banknaher Geschäfte wie dem An- und Verkauf von FinanzACHTUNGREinstrumenten, Wertpapierpensionsgeschäften oder dem finanzierten Erwerb von FinanzACHTUNGREinstrumenten dienen. Für Sicherheiten im Rahmen üblicher Betriebsmittelkredite von Wirtschaftsunternehmen bleibt es dagegen bei den allgemeinen Vorschriften, so dass auch diese Vorschrift außerhalb des Interbankenverkehrs keine besondere Bedeutung entfaltet.293 Entscheidend ist, dass das Verwertungsrecht in den Fällen des § 166 Abs. 3 InsO generell dem Sicherungsnehmer zugewiesen wird, und zwar unabhängig von der rechtstechnischen Art der Sicherungsbestellung. Insbesondere kommt es im Gegensatz zu § 166 Abs. 1 InsO nicht darauf an, ob es sich um ein besitzgebundenes oder

289 Richtlinie 98/26/EG vom 19. 5. 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen, ABl. EG Nr. L 166 vom 11. 6. 1998, S. 45 ff.; vgl. dazu unten D.IV.2. 290 Richtlinie 2002/47/EG vom 6. 6. 2002 über Finanzsicherheiten, ABl. EG Nr. L 168 vom 27. 6. 2002, S. 43 ff.; vgl. dazu unten D.IV.3. 291 Vgl. § 1 Abs. 16 KWG. 292 HK-InsO/Landfermann, § 166, Rn. 32; Obermüller, ZIP 2003, 2339. 293 Primozic/Voll, NZI 2004, 367; Zypries, ZIP 2004, 51.

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besitzloses Sicherungsrecht handelt. Die Vorschrift ist deshalb vor allem bei sicherungsübereigneten Effekten von Bedeutung.294 (2) Verwertungsbefugnis nach §§ 173 Abs. 1, 166 Abs. 1 InsO Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 166 Abs. 3 InsO ist für die Frage Verwertungsbefugnis für verpfändete Sammeldepotanteile auf § 166 Abs. 1 InsO zurückzugreifen. Die Vorschrift weist die Verwertungsbefugnis für eine mit einem Absonderungsrecht belastete bewegliche Sache dem Insolvenzverwalter zu, wenn sie sich in dessen Besitz befindet. Nach allgemeinem Verständnis ist dazu in erster Linie auf den Besitz des Insolvenzschuldners oder des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzustellen.295 Da Sammeldepotanteile nach den Vorschriften über die Verpfändung beweglicher Sachen verpfändet werden, ist § 166 Abs. 1 InsO für die Frage der Verwertungszuständigkeit einschlägig. Dies gilt jedenfalls für Inhaberpapiere, nach zutreffender Ansicht aber auch für sammelverwahrte Orderpapiere, da sie im Ergebnis wie Inhaberpapiere übertragen werden.296 Unerheblich ist dabei grundsätzlich, ob es sich um einen Anteil an einer Dauerglobalurkunde oder einer Sammelschuldbuchforderung handelt.297 Umstritten ist jedoch, ob § 166 Abs. 1 InsO für das Verwertungsrecht den unmittelbaren Besitz des Insolvenzverwalters an der Sache verlangt, oder ob unter bestimmten Umständen auch mittelbarer Besitz genügt. Unstreitig ist zunächst die ACHTUNGREVerwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters an Gegenständen, an denen er unmittelbaren Besitz hat;298 genauso unstreitig ist die Verwertungsbefugnis des Sicherungsnehmers an Gegenständen in seinem unmittelbaren Besitz, also beispielsweise im Fall eines klassischen Faustpfandrechts.299 Zur Begründung wird in erster Linie auf die Ratio der Vorschrift abgestellt. § 166 Abs. 1 InsO verfolgt den Zweck, die technisch-organisatorische Einheit des Schuldnerunternehmens zur Unternehmensfortführung oder zur geordneten Abwicklung durch den Insolvenzverwalter zu erhalten, um so die optimale Verwertung von Sachverbünden zu ermöglichen.300 Jedenfalls hinsichtlich der Gegenstände, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im unmittelbaren Besitz des Schuldners bzw. des vorläufigen Insolvenzverwalters standen, besteht eine Regelvermutung dafür, dass sie zur technisch-organisatorischen Einheit des Schuldnerunternehmens gehören. Der Zugriff absonderungsACHTUNGREbe-

294 Vgl. RegBegr., BT-Drucks. 15/1853, S. 16; kritisch zu dieser Sonderbehandlung von Wertpapieren Nerlich/Römermann/Berger, § 166, Rn. 62. 295 Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 166, Rn. 6. 296 Primozic/Voll, NZI 2004, 366. 297 Berger, ZIP 2007, 1534. 298 Gaul, ZInsO 2000, 260 f.; Smid/Smid, § 166, Rn. 6; Gottwald/Gottwald, § 42, Rn. 109. 299 So auch Berger, WM 2009, 584. 300 Vgl. RegBegr. InsO, BT Drucks. 12/2443, S. 87.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

rechtigter Gläubiger auf diese zur Betriebsfortführung erforderlichen Gegenstände soll deshalb vorläufig gesperrt werden.301 Umstritten ist jedoch, wem das Verwertungsrecht an Gegenständen zusteht, die im unmittelbaren Besitz eines Dritten stehen. In diesem Fall sind Insolvenzschuldner und -gläubiger allenfalls mittelbare Besitzer. Überwiegend wird vertreten, dass der mittelbare Besitz des Insolvenzschuldners jedenfalls dann das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters begründet, wenn der unmittelbar besitzende Dritte sein Besitzrecht vom Insolvenzschuldner ableitet.302 Derselbe Gedanke kommt auch in der Formulierung zum Ausdruck, wonach der Dritte bei Ableitung seines Besitzrechts vom Insolvenzschuldner in dessen Lager stünde303 oder der Insolvenzverwalter das „bessere Besitzrecht“ habe.304 Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Besitzeinräumung im Rahmen des normalen Geschäftsgangs des schuldnerischen Unternehmens erfolge und der Gegenstand deswegen zur Fortführung des Geschäftsbetriebes erforderlich sei.305 Der BGH hat gerade den letzten Gedanken aufgegriffen und in seiner jüngeren Rechtsprechung das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters jedenfalls für den Fall bestätigt, in dem der Schuldner einen mit einem Sicherungsrecht belasteten Gegenstand im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit an einen Dritten vermietet oder verleast306 bzw. zur Weitervermietung im Namen des Schuldners307 überlassen hat. Bei einem rechtsgeschäftlich bestellten Pfandrecht kann nach diesen Grundsätzen generell nicht von einer Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausgegangen werden.308 Denn in diesem Fall wird die Pfandsache durch die gemäß §§ 1205 ff. BGB zur Bestellung erforderliche Besitzübertragung gerade aus der organisatorisch-technischen Einheit des Unternehmens des Schuldners ausgegliedert, so dass typischerweise davon auszugehen ist, dass es für den organisatorischen Verbund des Schuldnerunternehmens verzichtbar ist. Zwar bleibt auch der Pfandgeber mittelbarer Besitzer des Pfandgutes, jedoch leitet er sein Besitzrecht nur vom Pfandgläubiger ab. Die Bestellung eines Pfandrechts durch Einräumung eines Besitzkonstituts durch den Pfandgeber ist gerade ausgeschlossen.309 Selbst wenn der Pfandnehmer wie im 301

Berger, WM 2009, 583. Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 166, Rn. 4; Smid, WM 1999, 1142; Smid/Smid, § 166, Rn. 7; Berger, WM 2009, 583; unmittelbaren Besitz forderte demgegenüber noch MünchKommInsO/ Lwowski, 2. Aufl., § 166, Rn. 37; weniger restriktiv jetzt MünchKommInso/Lwowski/Tetzlaff, § 166, Rn. 15. 303 Marotzke, ZZP 109 (1996), 443 f. 304 Bork, in: FS Gaul, S. 76; HK-InsO/Landfermann, § 166, Rn. 14. 305 Gaul, ZInsO 2000, 263; Braun/Dithmar, § 166, Rn. 7; Obermüller, Rn. 6.320c; Nerlich/ Römermann/Becker, § 166, Rn. 17. 306 BGHZ 166, 215, 223; kritisch Zahn, ZIP 2007, 365 ff.; MünchKommInsO/Lwowski/ Tetzlaff, § 166, Rn. 15a f. 307 BGH WM 2007, 172; dazu Ganter, ZInsO 2007, 846 f.; Berger, WM 2009, 583. 308 HK-InsO/Landfermann, § 166, Rn. 9; Berger, ZIP 2007, 1536; Obermüller, Rn. 6.352. 309 Hirte/Knof, WM 2008, 53. 302

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Fall der Verpfändung eines Sammeldepotanteils nicht unmittelbarer Besitzer des Pfandgutes wird, muss eine Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausscheiden. Der Pfandnehmer leitet sein Besitzrecht in diesem Fall nicht vom Pfandgeber, sondern vom unmittelbar besitzenden Dritten ab, und mittelt seinerseits dem Pfandgeber den Besitz. Er hat somit jedenfalls das bessere Besitzrecht.310 Im Ergebnis führt § 166 Abs. 1 InsO damit nur bei besitzlosen Sicherheiten wie beispielsweise der Sicherungsübereignung, den gesetzlichen Pfandrechten des Vermieters und Verpächters oder gegebenenfalls dem Pfändungspfandrecht zu einem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters.311 Verpfändete Sammeldepotanteile können danach vom Pfandnehmer selbstständig verwertet werden.312 Dieses Ergebnis wurde in jüngerer Zeit bestritten. Zum einen wird eingewandt, ein größerer Wertpapierposten, der an verschiedene Sicherungsnehmer verpfändet wurde, müsse durch den Insolvenzverwalter verwertet werden, da dieser durch Verwertung des gesamten Pakets einen höheren Preis erzielen könne. Eine unkoordinierte Verwertung durch die Einzelgläubiger könne demgegenüber zu einem kurzfristigen Überangebot auf dem Markt und damit zu einem spontanen Kursdruck führen.313 Dabei wird von der durchaus zutreffenden Prämisse ausgegangen, dass bei größeren Aktienpaketen und anderen Unternehmensbeteiligungen erfahrungsgemäß erhebliche Paketzuschläge auf den Börsen- oder Marktpreis gezahlt werden. Da es nach den Vertretern dieser Ansicht bei kleineren Aktienmengen aber bei der Verwertungsbefugnis des Pfandgläubigers bleiben soll,314 würde dies zu einer gespaltenen Verwertungsbefugnis und einer damit einhergehenden Rechtsunsicherheit führen. Dies ist bedenklich, zumal § 166 InsO nicht nur das Innenverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Absonderungsberechtigten betrifft, sondern auch im Außenverhältnis Verkehrssicherheit im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis schaffen muss. Für einen Erwerber ist jedoch nicht erkennbar, ob es sich bei den veräußerten Aktien um ein kleines oder ein großes Aktienpaket handelt, zumal wenn es marktschonend in kleineren Einheiten veräußert wird.315 Dem könnte auch nicht durch vertragliche Regelungen begegnet werden, da die Frage der Verwertungsbefugnis vertraglich nicht vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden kann.316 Es ist darüber hinaus generell zweifelhaft, ob allein der Umstand, dass Pfandgüter, die an verschiedene Sicherungsnehmer verpfändet wurden, allein deshalb vom Insolvenzverwalter verwertet werden dürfen, weil eine Verwertung als Paket einen höheren Erlös verspricht. 310

Primozic/Voll, NZI 2004, 365; Wimmer, ZInsO 2004, S. 4; Berger, ZIP 2007, 1535; ders., WM 2009, 584. 311 Smid/Smid, § 166, Rn. 4 f.; HK-InsO/Landfermann, § 166, Rn. 12. 312 Ebenso Wimmer, ZInsO 2004, 4; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 126. 313 Hirte/Knof, WM 2008, 54 f. 314 Hirte/Knof, WM 2008, 55. 315 Ebenso Berger, WM 2009, 585. 316 Nerlich/Römermann/Becker, § 166, Rn. 6; Gottwald/Gottwald, § 42, Rn. 162; lediglich nachträgliche Verwertungsvereinbarungen sind zulässig und in der Praxis auch gängig, vgl. Primozic/Voll, NZI 2004, 363; Berger, ZIP 2007, 1534.

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Das Ziel der gemeinsamen Verwertung zusammengehöriger, aber an unterschiedliche Gläubiger verpfändeter Gegenstände mag durchaus wünschenswert sein. Aus dem Wortlaut und der Ratio des § 166 Abs. 1 InsO kann diese Rechtsfolge aber nicht abgeleitet werden. Die Vorschrift will das Unternehmen des Schuldners davor schützen, dass zur Fortführung notwendige Einzelbestandteile willkürlich herausgerissen werden und die Fortführung oder effektive Verwertung des Unternehmens dadurch gestört wird. Ihr unterfallen nur Sicherungsgegenstände, mit denen der Schuldner auch nach der Bestellung der Sicherheit im Rahmen der Unternehmensführung wirtschaftet. Der Besitz des Insolvenzverwalters dient als Anknüpfungspunkt für die Regelvermutung, dass der Gegenstand für die Unternehmensfortführung notwendig ist. Über die Wirtschaftlichkeit der Verwertung von Gegenständen, die nach dieser Vermutung nicht zur technisch-organisatorische Betriebseinheit zählen, trifft die Vorschrift keine Aussage.317 Als weiterer Einwand gegen die Verwertungsbefugnis des Pfandnehmers wird vorgetragen, dass die besitzrechtliche Stellung des Hinterlegers von Sammeldepotanteilen aufgrund der oben ausführlich behandelten Modifikationen318 nur noch als theoretisches Konstrukt bestehe, das in keinem Zusammenhang mehr mit § 166 Abs. 1 InsO stehe. Der mittelbare Besitz des Pfandnehmers könne deshalb nicht als Vermutungsbasis für die Frage der Verwertungsbefugnis herangezogen werden, selbst wenn er rechtlich konstruiert werden könne.319 Deshalb müsse die Auslegung des § 166 Abs. 1 InsO funktional-teleologisch erfolgen. Anstelle des Besitzes an der Urkunde sei das verbriefte Recht selbst in den Vordergrund zu rücken. Insbesondere bei Aktien soll der Umstand, dass das Recht zur Ausübung der einzelnen Mitgliedschaftsrechte weiterhin dem Verpfänder zusteht, auf ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters hindeuten. Dies lasse sich damit begründen, dass sich auch die Anknüpfung an den Besitz in § 166 Abs. 1 InsO allein daraus rechtfertige, dass mit dem Besitz auch die Nutzungsmöglichkeit einhergehe. Da der Besitz bei sammelverwahrten Wertpapieren seine Funktion verloren habe, sei allein auf die Möglichkeit der Nutzung des verbrieften Rechts und damit der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte abzustellen.320 Dieser Auffassung ist jedoch aus drei Gründen zu widersprechen. Zum einen ist die Prämisse, dass der Grund für Regelung des § 166 Abs. 1 InsO weniger im Besitz als solchem liegt, sondern vielmehr vorrangig in der damit verbundenen konkreten oder abstrakten Nutzungsmöglichkeit der Sache, nicht zwingend. Eine im Einzelfall von der besitzrechtlichen Situation abweichende, allein an der Nutzungsmöglichkeit orientierte Beurteilung der Verwertungsbefugnis ist bedenklich, weil die Norm mit dem Abstellen auf die Besitzlage ein eindeutiges, auch für Dritte erkennbares Kriterium aufstellt und damit auch dem Verkehrsschutz dient. Dem würde eine im Einzel317 318 319 320

Ungenau deshalb Smid/Smid, § 166 Rn. 3; ähnlich wie hier Berger, ZIP 2007, 1536. Zur Besitzlage oben C.II.1.b). So Hirte/Knof, WM 2008, 55. Hirte/Knof, WM 2008, 53.

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fall von der Besitzlage abweichende Zuweisung der Verwertungsbefugnis allein anhand der Nutzungsmöglichkeiten nicht gerecht, da das Insolvenzverfahren und die Verwertung dadurch mit Ungewissheiten belastet wären, die den wirtschaftlichen Ertrag der Masseverwertung schmälern würden.321 Die Auffassung ist zudem inkonsequent, weil sie sich allein auf die Probleme bei der Begründung der Besitzerstellung bei der intermediären Wertpapierverwahrung stützt und das Verwertungsrecht bei verpfändeten sonderverwahrten Wertpapieren folglich beim Pfandnehmer belässt. Jedoch steht auch in diesem Fall die Nutzung des verbrieften Rechts, beispielsweise die Ausübung von Stimm- oder Bezugsrechten dem Pfandgeber zu.322 Wäre der Rückgriff auf die Berechtigung zur Ausübung des verbrieften Rechts für die Verwertungsbefugnis entscheidend, so müsste man alle Effekten gleich behandeln. Die Art der Verbriefung und Verwahrung und der daraus resultierende rechtstechnische Ablauf der Verpfändung können keinen Unterschied für die Verwertungsbefugnis machen.323 Wollte man eine Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters für Aktien begründen, müsste man ehrlicherweise die Verbriefung und die Frage des Besitzes an der verbriefenden Urkunde generell ausblenden und in allen Fällen allein auf die Ausübung des Mitgliedschaftsrecht selbst abstellen. Stellt man anstelle des Besitzes an Wertpapierurkunden auf die verbrieften Mitgliedschaftsrechte selbst ab, ist zudem zu bedenken, dass die Frage, wem das Verwertungsrecht an Unternehmensbeteiligungen und anderen „sonstigen Rechten“ zusteht, sehr umstritten ist.324 § 166 InsO erfasst nach seinem Wortlaut nur Sachen und Forderungen, so dass allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht käme. Eine pauschale Antwort scheint ausgeschlossen. Richtigerweise ist auf die Bedeutung des sonstigen Rechts für das Unternehmen des Schuldners abzustellen. Die Regelung des § 166 Abs. 1 InsO zielt in erster Linie auf den Zusammenhalt des Umlauf- und Anlagevermögens des Schuldners ab, also auf die Gegenstände, die im Rahmen seines Geschäftsbetriebs benötigt werden.325 „Sonstige Rechte“ fallen damit nur dann unter die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters, wenn der Schuldner mit ACHTUNGREdiesen Rechten wirtschaftet, sie mithin zum technisch-organisatorischen Verbund des Schuldnerunternehmens gehören und betriebsnotwendig sind.326 Dies kann bei-

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Berger, WM 2009, 384 f. Vgl. oben C.II.3.b). 323 So i.E. auch Nerlich/Römermann/Becker, § 166, Rn. 36. 324 Für eine grundsätzliche Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters unter analoger Anwendung von § 166 Abs. 1 InsO Gottwald/Gottwald, § 42, Rn. 152; ebenso, unter analoger Anwendung von § 166 Abs. 2 InsO, Marotzke, ZZP 109 (1996), 449 f.; generell für eine Verwertungsbefugnis des Pfandgläubigers hingegen Wallner, ZInsO 1999, 454 f.; Obermüller, Rn. 6.347; ders., ZIP 2003, 2337; Berger, ZIP 2007, 1536 ff.; Tetzlaff, ZInsO 2007, 483; mit Verweis auf bislang fehlende Rechtsprechung unentschieden Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 166, Rn. 14. 325 RegBegr. InsO, BT Drucks. 12/2443, S. 87 f. 326 In diesem Sinne auch Häcker, Rn. 746, 756 f.; Uhlenbruck, ZInsO 2008, 116. 322

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spielsweise bei verpfändeten Marken-, Urheber- oder Patentrechten der Fall sein.327 Die Ausübung der in Aktien verbrieften Mitgliedschaftsrechte ist in aller Regel aber nicht wie das sonstige Umlauf- oder Anlagevermögen notwendig, um den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens aufrecht zu erhalten und fortzuführen.328 Auch aus ACHTUNGREdiesem Grund vermag das Abstellen auf die Möglichkeit der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht für eine Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters sprechen.329 Wenn man bei Schuldverschreibungen und anderen verbrieften Forderungsrechten die Verbriefung ausblendet und auf das Recht selbst abstellt, ergibt sich dieses Ergebnis bereits unmittelbar aus § 166 Abs. 2 InsO.330 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das Verwertungsrecht bei verpfändeten Sammeldepotanteilen generell dem Sicherungsnehmer zusteht. 4. Vollstreckung in Sammeldepotanteile Von erheblicher Bedeutung insbesondere für ungesicherte Gläubiger ist schließlich der ZuACHTUNGREgriff auf Sammeldepotanteile des Schuldners im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Von der Vollstreckung in einen Sammeldepotanteil abzugrenzen ist zunächst die Vollstreckung eines Titels, der auf die Übertragung sammelverwahrter Wertpapiere gerichtet ist.331 Dazu muss der Schuldner den Anspruch des Gläubigers gegen seine Depotbank auf Umbuchung der Werte in entsprechender Anwendung von § 886 ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.332 a) Pfändung Die Vollstreckung in Miteigentumsanteile an beweglichen Sachen wegen Geldforderungen folgt anders als die Verpfändung von Miteigentumsanteilen nicht den Vorschriften über bewegliche Sachen, sondern unterliegt den Regeln über die Pfändung sonstiger Vermögensrechte (§§ 857 Abs. 1, 828 ff. ZPO).333 Grundsätzlich ist der 327 HK-InsO/Landfermann, § 166, Rn. 25; a.A. MünchKommInsO/Lwowski/Tetzlaff, § 166, Rn. 64 ff.; vgl. auch Lwowski/Hoes, WM 1999, 776, die zwar ein Bedürfnis für die Verwertung durch den Insolvenzverwalter sehen, jedoch aufgrund des Wortlauts die Anwendung von § 166 InsO auf sonstige Rechte ablehnen. 328 Eine Ausnahme ließe sich allenfalls für den Sonderfall einer Holdingsgesellschaft begründen, vgl. Primozic/Voll, NZI 2004, 364; kritisch Berger, ZIP 2007, 1536. 329 I.E. auch Primozic/Voll, NZI 2004, 365 f.; Berger, ZIP 2007, 1538. 330 Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 166, Rn. 13. 331 Zur Tenorierung eines solchen Titels vgl. BGH WM 1975, 1259. 332 BGHZ 160, 121, 125 f., mit Anm. Pamp, EWiR § 886 ZPO 1/05, 95; MünchKommZPO/ Smid, § 857, Rn. 15. 333 BGH, NJW 2006, 849; BGH, WM 2008, 400; Opitz, DepotG, §§ 6,7,8, Bem. 36; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 50; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 132; Erk, RPfleger 1991, 236; Stöber, Rn. 1548; Stein/Jonas/Brehm, § 857, Rn. 17; Baumbach/Hopt/

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Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bei der Pfändung eines Miteigentumsanteils den übrigen Miteigentümern gemäß § 829 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzustellen.334 Denn als Drittschuldner gilt hier jeder, der an dem gepfändeten Vermögensrecht irgendwie rechtlich beteiligt ist.335 Dies wäre bei der Pfändung eines Sammeldepotanteils aufgrund der Anzahl der Mitberechtigten und des Bankgeheimnisses praktisch schwer durchführbar.336 Aufgrund der rechtlichen Sonderstellung der Sammeldepotgemeinschaft ist die Zustellung an die übrigen Miteigentümer aber auch nicht nötig. Vielmehr genügt die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Depotbank des Schuldners. Denn der Hinterleger kann im Gegensatz zu den bürgerlichrechtlichen Vorschriften über das Bruchteilseigentum keine Aufhebung der Depotgemeinschaft verlangen, sondern hat lediglich einen Anspruch auf Auslieferung einzelner Papiere gegenüber seiner Depotbank.337 Diese Beschränkungen gelten auch für den pfändenden Gläubiger. Die Überweisung des Miteigentumsanteils zur Einziehung gibt dem Pfändungspfandgläubiger das Recht, den Auslieferungsanspruch des Hinterlegers geltend zu machen. Im Übrigen sind die anderen Miteigentümer weder zuständig noch in der Lage, einen Verlust des Sammelbestandes (etwa durch Pfändung und Verwertung von Anteilen, die dem Schuldner nicht gebühren) zu verhindern, da sie keinen Einblick in die Depotunterlagen haben. Sie könnten damit auch keine Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abgeben. Im Innenverhältnis bestehen somit keinerlei Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten, so dass ein Pfandrecht an einem Anteil die Rechte der übrigen Anteilsinhaber nicht berührt.338 Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist damit allein der Depotbank des Schuldners zuzustellen, da diese als Schuldnerin des depotrechtlichen Auslieferungsanspruchs als Drittschuldnerin im Sinne von § 829 Abs. 2 ZPO anzusehen ist.339 Eine Zustellung an die unmittelbar besitzende Wertpapiersammelbank ist nicht erforderlich,340 da die gegen sie theoretisch denkbaren Auslieferungsansprüche praktisch Hopt, § 6, Rn. 2; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 808, Rn. 13; a.A. aber Marotzke, in: FS Schwab, S. 279 ff., der eine analoge Anwendung der §§ 808 f. ZPO befürwortet. 334 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 857, Rn. 10; Stöber, Rn. 1548; Stein/Jonas/Brehm § 857, Rn. 97; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 857, Rn. 31. 335 Baur/Stürner/Bruns, Rn. 32.4. 336 In der früheren Literatur wurde eine Pfändung des Sammeldepotanteils deshalb für unpraktikabel gehalten und stattdessen die Pfändung des Herausgabeanspruchs des Hinterleger gegen seine Depotbank befürwortet, vgl. Opitz/Schulz, JW 1926, 479. 337 Siehe oben C.II.1.b)bb). 338 Opitz, DepotG, §§ 6,7,8, Bem. 36; Stöber, Rn. 1787e; Apfelbaum, S. 298. 339 Kunst, S. 166 f.; Hasselblatt/Sternal/Sternal, Formularhandbuch Zwangsvollstreckung, Form H.VI.11, Anm. 9; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/79a; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 50; dieses Ergebnis wird auch durch eine stillschweigenden Ermächtigung der Wertpapiersammelbank zum Empfang des Überweisungsbeschlusses begründet, vgl. Baumbach/Hopt/ Hopt, § 6 DepotG, Rn. 2; Wieczorek/Schütze/Lüke, § 808, Rn. 13; kritisch hierzu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 133. 340 So aber Becker, JuS 2005, 235; Musielak/Becker, § 821, Rn. 5; Quassowski/Schröder, § 8, C 3; offenbar auch Baumbach/Hopt/Hopt, § 6 DepotG, Rn. 2; unklar bei Apfelbaum, S. 297.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

nicht geltend gemacht werden können.341 Dies wäre mit der hierarchischen Stufung der Wertpapierverwahrung unvereinbar, da die Wertpapiersammelbank aus ihren Unterlagen die Person des Endinvestors nicht erkennen kann und damit ebenso außerstande wäre, eine Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abzugeben.342 Eine Zustellung an den Emittenten des verbrieften Rechts ist ebenfalls nicht erforderlich, da formal-rechtlich das Miteigentum an der verbriefenden Urkunde und nicht das verbriefte Recht Gegenstand der Pfändung ist.343 Festzuhalten ist damit, dass die Pfändung des Sammeldepotanteils, obgleich sie rechtlich als Pfändung eines sonstigen Vermögensrechts nach § 857 ZPO einzuordnen ist, strukturelle Ähnlichkeit zur Pfändung eines Herausgabeanspruchs nach §§ 846 f. ZPO aufweist. Auch dort ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss lediglich dem herausgabepflichtigen Dritten zuzustellen.344 Diese strukturelle Ähnlichkeit wird auch bei der Verwertung des Sammeldepotanteils deutlich, die jedenfalls entsprechend § 847 ZPO möglich ist. Mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entsteht ein Pfändungspfandrecht an dem Miteigentumsanteil des Schuldners. Dies gilt aufgrund der gesetzlich angeordneten Gleichstellung in § 6 Abs. 2 BSchuWG auch für unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen. Eine genaue Bezeichnung der verbuchten Wertpapiere oder die Nennung der Depotnummer ist für die Entstehung des Pfändungspfandrechts grundsätzlich nicht erforderlich.345 Entsprechend der Rechtslage bei der Pfändung eines Miteigentumsanteils umfasst das Pfandrecht auch den depotrechtlichen Auslieferungsanspruch, selbst wenn dieser nicht, wie in der Praxis üblich, im Pfändungsbeschluss ausdrücklich erwähnt wird.346 Gleiches gilt für die Ansprüche des Depotinhabers auf Gutschrift und Auskehrung der bereits eingezogenen Erträge, sonstiger Ausschüttungen oder Rückzahlungsbeträge.347 Demgegenüber sind künftig einzuziehende Erträge oder Erlöse für Rückzahlungen vom Pfändungsbeschluss nur erfasst, wenn sie darin ausdrücklich benannt sind.348 b) Verwertung Nicht hinreichend geklärt sind zentrale Fragen der Verwertung gepfändeter Sammeldepotanteile. Vielfach wird nur eine Verwertung analog § 847 ZPO in Betracht gezogen.349 § 847 Abs. 1 ZPO sieht neben der Überweisung des Miteigentumsanteils 341

Heinsius/Horn/Than, § 8, Rn. 8. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 48. 343 Apfelbaum, S. 299. 344 MünchKommZPO/Smid, § 847, Rn. 4. 345 Vgl. BGH, WM 2008, 400. 346 BGHZ 160, 121, 126; vgl. Stöber, Rn. 1548; Becker, JuS 2005, 235. 347 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 808, Rn. 13; Stöber, Rn. 1787c; Kunst, S. 167. 348 OLG Karlsruhe, NJW 1993, 242. 349 Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Bem. 36; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/79a; Wieczorek/ Schütze/Lüke, § 857, Rn. 33; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 134. 342

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die gleichzeitige Anordnung zur Auslieferung einer dem Anteil entsprechenden Zahl von Wertpapierurkunden an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher vor.350 Der Auslieferungsanspruch ist gegebenenfalls im Klagewege gegen die Depotbank des Schuldners durchzusetzen. Mit der Herausgabe an den Gerichtsvollzieher erlangt der Schuldner Alleineigentum an den Urkunden, das mit einem Pfändungspfandrecht zugunsten des vollstreckenden Gläubigers belastet ist.351 Nach § 847 Abs. 2 ZPO können die Werte im Anschluss wie gepfändete Einzelurkunden verwertet werden. Gängiges Verwertungsverfahren für Inhaberpapiere ist ein freihändiger Verkauf gemäß § 821 ZPO. Nur wenn die Wertpapiere ausnahmsweise keinen Börsen- oder Marktpreis haben, ist eine Verwertung durch öffentliche Versteigerung notwendig.352 Dies gilt auch für Orderpapiere, die keine Forderungen verbriefen, wie beispielsweise Namensaktien.353 Die Verwertung indossabler Forderungspapiere wird hingegen gemäß §§ 831, 835 ff. ZPO durch Überweisung der verbrieften Forderung vorgenommen.354 Die Auslieferung einzelner Urkunden aus der Sammelverwahrung zu ihrer Verwertung ist jedoch äußerst umständlich und beeinträchtigt die börsenmäßige Lieferbarkeit der Werte. Soweit sich der Sammeldepotanteil auf Dauerglobalurkunden oder unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen bezieht, ist eine Auslieferung einzelner Effekten ohnehin ausgeschlossen. Deswegen sollte konsequenterweise auch die Pfändung und Verwertung von Sammeldepotanteilen sachenrechtlich durch Buchungsvorgänge abgebildet werden. Anstelle der Einziehung und Verwertung einzelner Urkunden bietet sich deshalb die Verwertung des Miteigentumsanteils selbst an. In Betracht kommt eine andere Art der Verwertung nach §§ 857 Abs. 1, 844 ZPO. Anstelle der Überweisung zur Einziehung kann danach die freihändige Veräußerung oder öffentliche Versteigerung des Miteigentumsanteils selbst angeordnet werden, wenn die Einziehung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Dass der Verkauf des gemäß § 747 S. 1 BGB veräußerbaren Miteigentumsanteils als Verwertungsform möglich ist, stellt auch § 857 Abs. 5 ZPO klar.355 Notwendig ist ein Antrag des Gläubigers an das Vollstreckungsgericht auf eine bestimmte andere Verwertungsart.356 Besondere Schwierigkeiten im Sinne von § 844 ZPO liegen jedenfalls dann vor, wenn sich der Sammeldepotanteil auf Dauerglobalurkunden und unverbriefte Wertrechte bezieht, da eine Einziehung in diesem Fall bereits nach der Natur der

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Stöber, Rn. 1787 f.; Kunst, S. 168. BGHZ 67, 378, 383; 72, 334, 336. 352 Hezel, Rpfleger 2006, 108. 353 MünchKommZPO/Gruber, § 821, Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, § 821, Rn. 3; Hezel, Rpfleger 2006, 109. 354 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 821, Rn. 1; Becker, JuS 2005, 233; Stein/Jonas/Brehm, § 844, Rn. 8, 12. 355 Schuschke/Walker/Walker, § 857, Rn. 9. 356 Vgl. i.E. MünchKommZPO/Smid, § 844, Rn. 4; Schuschke/Walker/Schuschke, § 844, Rn. 3. 351

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Sache ausscheidet.357 Aber selbst wenn die Auslieferung einzelner Effektenurkunden möglich ist, ist dies für die Verwertung unzweckmäßig, da durch die Girosammelverwahrung auch die börsenmäßige Lieferbarkeit der Werte erleichtert wird. Derartige Zweckmäßigkeitserwägungen genügen für die Anordnung einer anderen Verwertungsart gemäß § 844 ZPO, wenn die Interessen des Schuldners an einer wertgerechten Veräußerung gewahrt bleiben.358 Dies ist bei den zur Verwertung von Sammeldepotanteilen in Betracht kommenden Verwertungsformen gegeben, so dass eine andere Verwertung von Sammeldepotanteilen nach § 844 ZPO grundsätzlich möglich ist.359 Regelmäßig wird der freihändige Verkauf an einem geeigneten börslichen oder außerbörslichen Markt durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 821 ZPO angeordnet werden, ausnahmsweise auch eine öffentliche Versteigerung.360 Das Vollstreckungsgericht kann dabei auch die Befugnisse bei den Regelformen der Verwertung verändern.361 Der Erwerber erlangt den Miteigentumsanteil durch entsprechende Umbuchungen nach den beschriebenen Grundsätzen des buchungsmäßigen Effektengiroverkehrs. Die Befugnis des Gerichtsvollziehers, die Depotbank zur Umbuchung der Werte anzuweisen, entspricht dabei der Befugnis, die Herausgabe der Werte nach § 847 ZPO zu verlangen. Sie kann aus der Anordnung des Vollstreckungsgerichts hergeleitet werden.362 Es wird eingewandt, die Verwertung von Miteigentumsanteilen nach §§ 857 Abs. 5, 844 ZPO sei ausgeschlossen, weil die Übertragung des Miteigentumsanteils nach einem freihändigen Verkauf oder einer öffentlichen Versteigerung die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Sache auf den Erwerber verlange.363 Daraus wird gefolgert, dass auch die Verwertung von Sammeldepotanteilen nach § 844 ZPO ausgeschlossen sei.364 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Zwar versteht man unter dem Begriff der Ablieferung im Sinne von § 817 Abs. 2 ZPO grundsätzlich die Einräumung des unmittelbaren Besitzes. Jedoch soll ausnahmsweise auch die Verschaffung bloß mittelbaren Besitzes genügen, wenn die Einräumung des unmittelba-

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Erk, Rpfleger 1991, 237. MünchKommZPO/Smid, § 844, Rn. 2; Stöber, Rn. 1466; i.E. ebenso Thomas/Putzo/ Hüßtege, § 844, Rn. 1. 359 I.E. ebenso Ascher, S. 23; RGRK-HGB/Ratz, Anh. II zu § 424, Rn. 88; Stöber, Rn. 1787 h; Hasselblatt/SterACHTUNGREnal/Sternal, Formularhandbuch Zwangsvollstreckung, Form H.VI.11, Anm. 10; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 844, Rn. 1; wohl auch Becker, JuS 2005, 235, Fn. 44; ebenso, aber mit teilweise abweichender Begründung Kunst, S. 168 f. 360 Erk, Rpfleger 1991, 238; Stöber, Rn. 1472 ff.; auch ein freihändiger Verkauf durch eine Privatperson ist denkbar, Schuschke/Walker/Schuschke, § 844, Rn. 4. 361 Wieczorek/Schütze/Lüke, § 844, Rn. 11. 362 Erk, Rpfleger 1991, 237 f. 363 Blomeyer, Vollstreckungsverfahren, § 65 I 1 b; Brox/Walker, Rn. 803; vgl. bereits RGZ 153, 257, 261. 364 So Apfelbaum, S. 299 f. 358

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ren Besitzes aufgrund von Transportproblemen schwierig ist.365 Gleiches gilt, wenn sich der Gegenstand bestimmungsgemäß dauerhaft an einem festen Ort befindet und nach der Übertragung wieder dorthin verbracht werden müsste.366 Dies muss erst recht gelten, wenn die Vorschriften über die Versteigerung erst aufgrund einer besonderen Anordnung nach § 844 ZPO zur Anwendung kommen. Denn gerade bei einer anderen Verwertung nach § 844 ZPO ist auf die Eigenheiten des Verwertungsgegenstandes Rücksicht zu nehmen und die für diesen Verwertungsgegenstand geeignete und übliche Übertragungsform zu wählen. Erst recht gilt dies bei einem freihändigen Verkauf der Werte nach § 821 ZPO, da das Verwertungsverfahren insoweit ohnehin weniger formalisiert ausgestaltet ist. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, die Verwertung sei unwirksam, weil es mangels Auslieferung der Urkunden und Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher nicht zur Begründung eines Pfändungspfandrechts daran komme.367 Denn vorliegend geht es gerade nicht um die Pfändung und Verwertung einzelner Effektenurkunden, sondern um die Pfändung und Verwertung des Miteigentumsanteils. Für dessen Pfändung ist eine Inbesitznahme gemäß § 857 ZPO gerade nicht erforderlich.368 Auch für eine Verwertung des Anteilsrechts nach § 844 ZPO ist ein Pfändungspfandrecht an den zugrundeliegenden Urkunden nicht erforderlich. 5. Verwahrung und Übertragung von ausländischen Effekten Die bisherigen Ausführungen bezogen sich allein auf die rechtliche Ausgestaltung der Verwahrung und Übertragung von inlandsverwahrten Effekten im deutschen Recht. Im Folgenden wird nun die Rechtsposition eines Anlegers untersucht, der über seine inländische Bank Effekten ausländischer Emittenten erwirbt. Werden Wertpapiere an einem ausländischen Markt erworben, wäre es naheliegend, sie anschließend ins Inland zu liefern, hier zu verwahren und damit dem deutschen Sachenrecht zu unterwerfen. Dies wäre jedoch äußerst unpraktikabel. Mit der Lieferung der Urkunden ins Inland wären Verlustrisiken, Zeitverzögerungen sowie zusätzliche Kosten für Transport und Versicherung verbunden. Ferner ermöglicht die Aufbewahrung der Effekten im Land des Emittenten bzw. der Heimatbörse der Effekten eine fachkundigere und rationellere Wertpapierverwaltung sowie die Mög-

365 Stein/Jonas/Münzberg, § 817, Rn. 22; Musielak/Becker, § 817, Rn. 4; Rosenberg/Gaul/ Schilken, § 53 III 1 b; Baur/Stürner/Bruns, Rn. 29.7, Fn. 26; Brox/Walker, Rn. 411; enger OLG München, MDR 1971, 1018; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 812, Rn. 8. 366 So z. B., wenn Sache bereits Scheinbestandteil eines Grundstücks im Eigentum des Erstehers ist, vgl. OLG Köln, DGVZ 1996, 59; MünchKommZPO/Gruber, § 817, Rn. 11. 367 So aber Apfelbaum, S. 300. 368 Nicht erforderlich ist aus diesem Grund auch die Begründung von Kunst, S. 168 f., die eine Auslieferung einzelner Effektenurkunden nach § 847 ZPO dadurch ersetzen will, dass sie die Depotbank des Schuldners als Verwahrer die Effekten für den Gerichtsvollzieher einordnet.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

lichkeit des schnellen Wiederverkaufs.369 Es gilt deswegen der Grundsatz, Handelsgeschäfte in ausländischen Effekten in einer Weise zu erfüllen, die es erlaubt, die Urkunden selbst im Land des Emittenten bzw. der Heimatbörse, an welcher der aktivste Handel stattfindet, zu belassen. Die Werte werden stattdessen im Inland nur buchungsmäßig gehalten. Das deutsche Recht sieht dazu verschiedene Möglichkeiten vor. a) Anschaffung und Verwahrung von Wertpapieren im Ausland Zunächst wird der Grundfall herangezogen, in dem ausländische Wertpapiere, also Urkunden, die ein Recht verbriefen, das einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt,370 nicht im Inland im amtlichen Verkehr, sondern an einem ausländischen Wertpapiermarkt gehandelt werden. Deutsche Investoren kaufen die Effekten im Normalfall durch Einschaltung eines inländischen Kreditinstituts, das für den Zugang zum ausländischen Markt unter Umständen weitere ausländische Intermediäre zwischenschaltet. Zur Erfüllung der Pflichten aus dem kommissions- oder kaufrechtlichen Verhältnis mit ihrem Kunden kann das deutsche Kreditinstitut die Effekten sodann im Ausland anschaffen. Darunter ist zu verstehen, dass sie sich eine nach dem Recht am ausländischen Verwahrungsort ausgestaltete Rechtsposition an den Effekten einräumen lässt. Die Effekten werden dabei nicht ins Inland geliefert, sondern im Ausland verwahrt und verwaltet. Die Verwaltung durch den ausländischen Verwahrer an der Heimatbörse der Werte bietet erhebliche Vorteile im Vergleich zu einer direkten Verwaltung durch einen deutschen Intermediär, weil Inkasso-, Prüfungs- und Benachrichtigungspflichten von dem ausländischen Verwahrer fachkundiger, schneller und kostengünstiger ausgeführt werden können.371 Die deutschen Banken bezeichnen diesen Vorgang als Auslandsgeschäft in Wertpapieren.372 aa) Kein Eigentum des Depotkunden bei der Auslandsverwahrung Das DepotG regelt die Rechtsposition des Kunden im Fall der Auslandsverwahrung nur ansatzweise. Lediglich § 22 Abs. 1 DepotG entbindet die Depotbank von der Verpflichtung zur Übersendung eines Verzeichnisses über die gekauften Stücke, solange der Kunde dies nicht ausdrücklich verlangt. Dies ist vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass das Depotgesetz im Interesse des Kundenschutzes einen gesetzlichen Eigentumserwerb an die Übersendung des Stückverzeichnisses des Kunden knüpft (§ 18 Abs. 3 DepotG). Die Norm hat freilich aufgrund der in der Praxis zeitlich vorgelagerten rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung nach den §§ 929 ff. BGB nur geringe Relevanz. Aus der gesetzlichen Aussetzung der Verpflichtung zur Übersendung des Stückeverzeichnisses wird übereinstimmend der Schluss gezogen, dass 369 Vgl. Räbel, ZKW 1968, 817; Heinsius, ZKW 1971, 22; Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 30; Kümpel, WM 1976, 946; ders., in: Hellner/Steuer, Rn. 8/104. 370 Heinsius/Horn/Than, § 1, Rn. 22. 371 Hellner, in: FS Heinsius, S. 223 f.; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/106. 372 Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 1; Hellner, in: FS Heinsius, S. 214.; v. Criegern, S. 88.

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die Depotbank bei der Anschaffung und Verwahrung von Effekten im Ausland ohne eine entsprechende Aufforderung durch den Kunden jedenfalls depotgesetzlich nicht zur Eigentumsverschaffung an ihren Kunden verpflichtet ist.373 Der Kunde erwirbt folglich kein Eigentum an den auslandsverwahrten Effektenurkunden, sondern wird auf vertragliche Ansprüche gegen seine Bank verwiesen, welche die ausländischen Werte treuhänderisch für ihn hält. Dies ist vor dem Hintergrund verständlich, dass sich die Rechtsposition des Anlegers an auslandsverwahrten Effekten nach der Rechtsordnung am Ort der Verwahrung und nicht nach deutschem Recht richtet. Ausländischen Rechtsordnungen ist der Eigentumserwerb durch Übersendung eines Stückeverzeichnisses aber in der Regel nicht bekannt.374 Auf Grundlage des Prinzips der lex rei sitae kann der deutsche Gesetzgeber generell weder den Übergang des Eigentums an auslandsverwahrten Effekten regeln, noch kann er den Umfang der Pflichten des ausländischen Verwahrers bestimmen.375 Die Verschaffung von (Mit-)Eigentum an auslandsverwahrten Effekten nach ausländischem Rechte wäre für die Bank kompliziert, unpraktikabel und gegebenenfalls sogar unmöglich.376 Vielfach geht man sogar davon aus, dass der Ausschluss der Eigentumsverschaffungspflicht dem Interesse des Kunden entspreche. Denn aus wirtschaftlicher Sicht stünde bei ausländischen Wertpapieren neben der Beteiligung an der Ertragskraft des ausländischen Unternehmens häufig die Ausnutzung von Kurs-, Zins-, und Währungsschwankungen im Vordergrund, die das Interesse an einem unmittelbaren Eigentumserwerb oder einer gesellschaftsrechtlichen Teilhabe des Anlegers an dem Unternehmen in den Hintergrund drängten.377 Jedenfalls können sich für den Kunden als rechtlichen Effekteneigentümer Umschreibungs- und Übertragungskosten, steuerliche Konsequenzen sowie auch Komplikationen bei der Nachlassabwicklung ergeben.378 Aus kollisionsrechtlicher Sicht haben schuldrechtliche Ansprüche gegen die Depotbank für den deutschen Anleger den Vorteil, dass das auf ihre Einräumung und Übertragung anzuwendende Recht mit der Bank vereinbart werden kann und somit sicher deutsches Recht zur Anwendung kommen kann.379

373 BGH WM 1988, 402, 404; vgl. auch Räbel, ZKW 1960, 188; Schindelwick, WM 1960, Sonderbeilage Nr. 10, 24; Kümpel, ZKW 1973, 172; Paul, WM 1975, 2; Brink, S. 127. 374 Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 138. 375 Brink, S. 125; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 136. 376 Vgl. Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 4; Kümpel, WM 1976, 943; Hellner, in: FS Heinsius, S. 215 f.; v. Criegern, S. 90 ff. 377 Vgl. bereits Opitz, DepotG, § 22, Bem. 2; Brink, S. 127; Hellner, in: FS Heinsius, S. 215; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 136. 378 Ziganke, WM 1961, 227; Räbel, ZKW 1968, 817; Kümpel, ZKW 1973, 214; Heinsius/ Horn/Than, § 22, Rn. 30; Paul, WM 1975, 3. 379 Maier, WM 1961, 625; ders., Bank-Betrieb 1967, 137; Kümpel, DB 1973, 755.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

bb) Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung Die deutsche Kreditwirtschaft hat die Bedeutung des Erwerbs ausländischer Werte für eine ausgewogene Vermögensanlage frühzeitig erkannt und die gesetzliche Regelungslücke für Auslandsgeschäfte durch ein gemeinsames vertragliches Regelwerk für Wertpapiergeschäfte geschlossen. Bereits 1960 wurden die „Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren“ in Form vertraglich zu vereinbarender allgemeiner Geschäftsbedingungen als Grundlage für das Depotgeschäft mit ausländischen Werten eingesetzt.380 Die Sonderbedingungen sollten den Auslandsverkehr auf eine sichere und tragfähige rechtlich Grundlage stellen. Die Regelungen wurden mehrfach angepasst381 und 1995 in die für alle Wertpapiergeschäfte der Banken geltenden „Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte“ überführt.382 Nach den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ist die Depotbank verpflichtet, sich selbst nach pflichtgemäßem Ermessen unter Wahrung der Interessen des Kunden Eigentum, Miteigentum oder eine andere am Lagerort übliche, gleichwertige Rechtstellung an den angeschafften Effekten zu verschaffen.383 Die genaue Ausgestaltung der Rechtsstellung der Depotbank hängt vom anwendbaren ausländischen Recht und den ausländischen Usancen und technischen Einrichtungen ab.384 Die Depotbank überträgt diese Rechtstellung jedoch nicht auf ihren Kunden, sondern hält sie für ihn als uneigennützige, fiduziarische Treuhänderin. (1) Figur der Treuhand Die Figur der Treuhand ist im deutschen Recht gesetzlich zwar nicht im Einzelnen geregelt, jedoch sind bestimmte von Literatur und Rechtsprechung herausgearbeitete Fallgruppen anerkannt.385 Typischerweise verwaltet der Treunehmer längerfristig einzelne Rechte oder auch ein ganzes Vermögen als Rechtsträger für den Treugeber.386 Nach ihrem Zweck unterscheidet man die regelmäßig im Interesse des Treunehmers begründete und deshalb eigennützige Sicherungstreuhand von der den Zwecken des Treugebers dienenden fremdnützigen Verwaltungstreuhand.387 Die Figur der Verwaltungstreuhand wird im Effektengiroverkehr an verschiedenen Stellen herangezogen. Man unterscheidet die fiduziarische Treuhand (echte Treuhand, Vollrechtstreuhand) von der Ermächtigungstreuhand (unechte bzw. uneigentliche Treu380

Abgedruckt bei Ziganke, WM 1961, 228 f.; vgl. auch Maier, WM 1961, 622 ff. Zur Anpassung von 1973 vgl. Steuer, Bank-Betrieb 1973, 20 ff.; Kümpel, ZKW 1973, 170 ff., 213 ff.; zum Stand von 1977 vgl. Coing, WM 1977, 466 ff. 382 Die derzeit aktuelle Fassung (Stand November 2007) ist abrufbar unter www.bankenverband.de. 383 Nr. 12 Abs. 3 S. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 384 Coing, WM 1977, 468. 385 Zur Entwicklung vgl. Henssler, AcP 196 (1996), 37 ff. 386 Larenz/Wolf, § 46, Rn. 62. 387 Gernhuber, JuS 1988, 356 f.; Henssler, AcP 196 (1996), 42 f. 381

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hand).388 Gemeinsames Charakteristikum ist, dass der Treugeber dem Treunehmer (aus seinem Vermögen) eine Rechtsposition überträgt oder eine Rechtsmacht einräumt, von der der Treunehmer nur nach Maßgabe einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag) Gebrauch machen darf.389 Nach der Rechtsprechung wird ein Treuhandverhältnis durch zwei Komponenten geschaffen: Erforderlich ist zum einen eine obligatorische Treuhandabrede. Zum anderen ist ein dingliches Verfügungsgeschäft notwendig, durch das die Rechte an einem Gegenstand auf den Treuhänder verlagert und ihm so anvertraut werden, dass er seine Befugnisse nur in einer mit dem Treugeber abgestimmten Art und Weise ausüben darf.390 Bei der fiduziarischen Treuhand ist dem Treuhänder das Treugut im Außenverhältnis zu vollem Recht übertragen. Der Treuhänder ist Rechtsinhaber und kann in eigenem Namen Rechtsgeschäfte über das Treugut abschließen. Er ist nur im Innenverhältnis an die Vorgaben und Zweckbindungen des Treuhandvertrages gebunden. Der Treuhandvertrag dient der konkreten Bestimmung des Treuguts und regelt die obligatorische Bindung des Treugebers sowie Einzelheiten im Hinblick auf seine persönliche Stellung wie Entgelt oder Beendigungsgründe.391 Er entfaltet nur relative Wirkung (§ 137 BGB) und vermag die Rechtsmacht des Treugebers im Außenverhältnis nicht zu begrenzen. Die Rechtsmacht des Treuhänders im Außenverhältnis geht damit regelmäßig über die schuldrechtliche Bindung im Innenverhältnis hinaus.392 Vor einer pflichtwidrigen oder missbräuchlichen Verwendung der Treuhandstellung ist der Treugeber nur nach Maßgabe der §§ 134 und 138 BGB sowie mittelbar durch vertragliche oder gesetzliche Schadensersatzansprüche geschützt.393 In der Insolvenz des Treuhänders oder bei der Einzelzwangsvollstreckung in dessen Vermögen kommt dem Treugeber ein besonderer Schutz aus der Treuhandabrede zugute. Denn hinsichtlich des Treugutes wird nicht auf dessen rechtliche, sondern auf die wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit abgestellt. Bei der fiduziarischen Verwaltungstreuhand stehen dem Treugeber deshalb ein Aussonderungsrecht aus § 47 InsO sowie die Dritt-

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Demgegenüber stellt die sog. Vollmachtstreuhand kein Treuhandverhältnis im engeren Sinne dar, sondern unterliegt allein dem Stellvertretungsrecht, vgl. Staudinger/Schilken, Vor § 164, Rn. 48; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 73; Erman/Palm, Vor § 164, Rn. 16; Larenz/ Wolf, § 46, Rn. 65; anders aber BGH WM 1964, 318. 389 Vgl. RGZ 84, 214, 217; 127, 341, 345; 133, 84, 87; BGH WM 1960, 325; 1965, 173; 1972, 383; grundlegend Siebert, S. 99 ff.; MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164, Rn. 28; Staudinger/Schilken, Vor § 164, Rn. 48; Palandt/Bassenge, § 903, Rn. 33. 390 Zuletzt BGHZ 155, 227, 231; vgl. auch Coing, WM 1977, 467 f.; Ganter, ZInsO 2004, 1221. 391 Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 58 f. 392 Peters, WM 1976, 894. 393 Henssler, AcP 196 (1996), 66 ff.; MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164, Rn. 33; eine Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht wird jedenfalls in Bezug auf einen fiduziarischen Treuhänder von der h.M. abgelehnt, vgl. BGH NJW 1968, 1471; Beuthien, ZGR 1974, 60 f.; MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164, Rn. 35; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 60, jeweils mit weiteren Nachweisen zum Streitstand.

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widerspruchsklage nach § 771 ZPO zu.394 Das an sich obligatorische Treuhandverhältnis ist insoweit mit quasi-dinglicher Wirkung ausgestattet.395 Demgegenüber verbleibt bei der Ermächtigungstreuhand das volle materielle Recht am Treugut beim Treugeber.396 Durch eine Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB erlangt der Treuhänder lediglich die Befugnis, bestimmte Rechte am Treugut in eigenem Namen auszuüben. Es entsteht damit eine Art Doppelzuständigkeit zwischen Treugeber und Treunehmer für das Treugut.397 Die Verfügungsmacht des Treuhänders unterliegt gleichfalls der obligatorischen Bindung durch die Treuhandabrede. Da jedoch die Ermächtigung selbst nach Inhalt und Umfang im Außenverhältnis beliebig ausgestaltet und beschränkt werden kann, deckt sich bei der Ermächtigungstreuhand in der Regel das rechtliche Können im Außenverhältnis mit dem rechtlichen Dürfen im Innenverhältnis.398 Da das Eigentum bei der Ermächtigungstreuhand beim Treugeber verbleibt, kommt diesem unmittelbar der insolvenz- und zwangsvollstreckungsrechtliche Schutz zu.399 Im Effektengiroverkehr findet die Figur der Ermächtigungstreuhand beispielsweise bei der Wertpapierverwaltung durch die Wertpapiersammelbank Anwendung.400 Diese ist berechtigt, soweit sie es im Rahmen der ACHTUNGREVerwaltung für erforderlich hält, Dritten gegenüber die Rechte eines Wertpapiereigentümers geltend zu machen.401 Dies umfasst jedoch keine Verfügungsberechtigung über die Werte. Die Ermächtigung ist bereits Teil des Depotvertrages zwischen dem Anleger und seiner Depotbank und wird von der Depotbank an die Wertpapiersammelbank weitergegeben. Es besteht folglich eine Kette von Ermächtigungstreuhandverhältnissen.402 (2) Fiduziarische Treuhand beim Auslandsgeschäft in Wertpapieren Die Figur der fiduziarischen Treuhand wird bei der Anschaffung und Verwahrung ausländischer Effekten im Ausland herangezogen. Treunehmerin und rechtsformale Inhaberin der Berechtigung an den auslandsverwahrten Effekten ist die inländische Depotbank. Die dem Treuhandverhältnis zugrundeliegende obligatorische Treuhandabrede stellt eine Geschäftsbesorgungsvereinbarung zwischen der Depotbank

394 RGZ 84, 214, 218; 153, 366, 369; BGH NJW 1959, 1224; 1993, 2622; 1996, 1543; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 69; Larenz/Wolf, § 46, Rn. 67. 395 Peters, WM 1976, 893 ff.; Gernhuber, JuS 1988, 358 f.; Henssler, AcP 196 (1996), 48 ff. 396 RGZ 118, 330, 332. 397 Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 72. 398 Larenz/Wolf, § 46, Rn. 68. 399 Peters, WM 1976, 895; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 72. 400 Canaris, Rn. 2036; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 148 ff.; Coing, S. 69 f.; Büchner, S. 93 ff.; Koller, Gutachten, S. 1496; Micheler, S. 262. 401 Nr. 30 Abs. 3 AGB Clearstream. 402 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 555.

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und ihrem Kunden gemäß § 675 BGB dar.403 Sie ist Teil des Depotvertrages und erfährt ihre inhaltliche Ausgestaltung durch die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, die dem Vertrag in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugrunde liegen.404 Die Effekten befinden sich im Ausland in aller Regel in einer Form der Sammelverwahrung, so dass die Depotbank einen Miteigentumsanteil oder eine entsprechende anteilige Rechtsposition erwirbt. Die inländische Bank ist dabei entweder unmittelbar an das ausländische Verwahrinstitut angeschlossen oder schaltet dazu weitere nationale oder internationale Zwischenverwahrer ein.405 Sie erwirbt die ausländische Rechtsposition im eigenen Namen. Die erworbenen Werte unterliegen unmittelbar der Treuhandabrede zwischen dem Anleger und der Depotbank. Mit dem Erwerb der ausländischen Werte durch die Depotbank erlangt der Kunde somit einen aus der Treuhandabrede resultierenden, auftragsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe dieser Rechtsposition als Treugut (§§ 667, 675 Abs. 1 BGB).406 Ob dieser Anspruch auch die effektive Auslieferung von Effektenurkunden umfasst, hängt davon ab, ob die von der Depotbank treuhänderisch gehaltene Rechtsposition einen solchen Anspruch einschließt.407 Jedenfalls hätte der Kunde die durch die Verbringung der Werte ins Inland entstehenden Kosten zu tragen. Zur buchhalterischen Erfassung und Dokumentation des Anspruchs erteilt die Depotbank dem Kunden eine Gutschrift auf seinem Wertpapierkonto. Diese Gutschrift bezeichnet man als Gutschrift in Wertpapierrechnung (WR-Gutschrift).408 Klärungsbedürftig ist, wie sich der auftragsrechtliche Herausgabeanspruch aus dem Treuhandverhältnis zu den aus dem Anschaffungsverhältnis resultierenden Lieferansprüchen verhält. Dem Anschaffungsverhältnis kann ein Effektenkommissionsoder ein Festpreisgeschäft zugrunde liegen. Daraus resultiert ein Lieferanspruch des Kunden in Form eines Herausgabeanspruchs bei der Effektenkommission (§§ 667 BGB, 384 Abs. 2 HGB) bzw. eines kaufrechtlichen Übereignungsanspruchs beim Festpreisgeschäft (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB).409 Beide Ansprüche beinhalten eine Eigentumsverschaffungspflicht der Depotbank. Diese Pflicht wird von § 22 DepotG nicht berührt, da sich diese Norm nur auf den depotgesetzlichen Eigentumsverschaf-

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Paul, WM 1975, 4; Coing, WM 1977, 468; vgl. allgemein Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 57. 404 Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 25 ff.; Kümpel, Rn. 11.299. 405 Zu den Zugangsmöglichkeiten zu ausländischen Verwahrinstitutionen vgl. oben B.III. 406 BGHZ 85, 245, 248; BGHZ 127, 168, 170; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 57. 407 Coing, WM 1977, 469. 408 Nr. 12 Abs. 3 S. 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; Hellner, in: FS Heinsius, S. 222; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 145; die Gegenansicht misst der Gutschrift in Anlehnung an den Geldgiroverkehr die Wirkung eines abstrakten Schuldanerkenntnisses bei, vgl. Brink, S. 130 f.; Einsele, WM 2005, 1113; überzeugend dagegen Dittrich, S. 82. 409 Kümpel, Rn. 11.336.

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fungsanspruch richtet.410 Die Einbeziehung der im Ausland erworbenen Rechtsposition in die treuhänderische Verwaltung und die damit einhergehende Einräumung des treuhandrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe des Treugutes stellt hinsichtlich des Lieferanspruchs des Depotkunden aus dem Anschaffungsverhältnis eine Leistung an Erfüllungs statt dar (§ 364 Abs. 1 BGB). Dies ist jedenfalls seit der Neufassung der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte im Jahre 1995 allgemein anerkannt.411 Die davor geltenden Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren bestimmten in Nr. 1 Abs. 2 S. 4 noch, dass das Recht des Kunden auf Verschaffung des Eigentums nach Maßgabe des § 22 DepotG unberührt bleibt. Man ging deshalb früher überwiegend von einer bloßen Leistung erfüllungshalber aus, die die Lieferansprüche aus dem Anschaffungsverhältnis lediglich suspendiert.412 Die Erfüllungsansprüche aus dem Anschaffungsverhältnis blieben danach gegebenenfalls über Jahre hinweg unerfüllt. Mit der Neufassung der Sonderbedingungen hat sich diese Frage erledigt.413 Obgleich es sich bei dem Erfüllungssurrogat ebenfalls um eine lediglich schuldrechtliche Position des Kunden gegenüber seiner Bank handelt, wird seine Gläubigerposition dennoch wesentlich gestärkt. Denn aufgrund der Treuhandabrede erfährt der Anspruch bei Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die treuhänderisch verwahrende Depotbank nach einhelliger Ansicht einen dem rechtsformalen (Mit-)Eigentum entsprechenden Schutz gemäß § 47 InsO und § 771 ZPO.414 Die Position des Depotkunden wird deshalb als wirtschaftliches Eigentum bezeichnet.415 Die treuhandrechtliche Beziehung kann erst mit dem tatsächlichen Erwerb des Treuguts durch die inländische Depotbank entstehen, da die Depotbank erst dadurch die Verfügungsmacht über das Treugut erlangt. Unerheblich ist insoweit, wenn die Bank dem Kunden aus technisch-organisatorischen Gründen bereits vorab eine WR-Gutschrift erteilen.416 Aus einer solchen vorab erteilten Gutschrift erwirbt der Kunde keine weitergehenden Rechte. Der aus dem Anschaffungsverhältnis resultierende Lieferanspruch besteht solange fort, bis die Depotbank das Treugut aus dem Deckungsgeschäft erlangt. Insbesondere erwirbt der Kunde in diesem Fall grundsätzlich keine treuhandrechtliche Mitberechtigung an den vom Intermediär bereits für andere Kunden gehaltenen artgleichen Effekten. Etwas anderes gilt allenfalls, wenn die 410

Vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 412 ff. MünchKommHGB/Ekkenga, Effektengeschäft, Rn. 261; Kümpel, Rn. 11.338 f.; DittACHTUNGRErich, S. 83 f. 412 Vgl. BGH WM 1988, 402, 404; Sattler, S. 43 f.; Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 33; Hellner, in: FS Heinsius, S. 223; gleichwohl eine Leistung an Erfüllung statt befürworteten aber Coing, WM 1977, 470; Brink, S. 130; Ziganke, WM 1971, 985; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 417 ff. 413 Nach wie vor für eine Leistung erfüllungshalber aber Gößmann/Klanten, in: SchimansACHTUNGREki/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 155. 414 Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 44; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/137; zur Frage der Vereinbarkeit dieser Lösung mit § 28 DepotG vgl. nur Dittrich, S. 83 f. 415 Räbel, ZKW 1968, 872; Ziganke, WM 1971, 984; Brink, S. 130. 416 Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 148. 411

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Bank durch interne Buchungsvorgänge deutlich macht, dass sie einen Teil des Treugutes künftig nicht mehr für ihre anderen Kunden, sondern für den Erwerber halten will. (3) Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzschutz (a) Treuhandrechtliches Unmittelbarkeitsprinzip Im Ergebnis wird kaum bestritten, dass den Anlegern bezüglich ihrer Rechte in der Insolvenz der inländischen Depotbank ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO und bei Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Depotbank ein Widerspruchsrecht gemäß § 771 ZPO zusteht.417 Nicht vollends geklärt ist jedoch die Begründung des Ergebnisses vor dem Hintergrund des treuhandrechtlichen Unmittelbarkeitsprinzips. Denn für die Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzfestigkeit des Treugutes verlangt die Rechtsprechung bei der fiduziarischen Treuhand nach wie vor grundsätzlich, dass der Treunehmer das Treugut aus der Hand des Treugebers und damit unmittelbar aus dessen Vermögen erworben habe.418 Das Reichsgericht begründete den Grundsatz der Unmittelbarkeit damit, dass der Begriff des Treuhandverhältnisses ansonsten „ins Unbestimmte zerfließen“ würde und insbesondere eine Abgrenzung zu den Fällen ausgeschlossen wäre, in denen jemand im Auftrag und auf Rechnung eines anderen, aber im eigenen Namen handelt. Dies würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit im Geschäfts- und Kreditverkehr führen. Die zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Vorrechte seien nicht zu gewähren, wenn der Widersprechende nur eine persönliche Forderung auf Übergabe und Übereignung von Gegenständen habe, die noch zum Vermögen des Schuldners gehören, wie es insbesondere bei der mittelbaren Stellvertretung der Fall sei.419 (b) Offenkundigkeitsprinzip Bei der Anschaffung und Verwahrung von Effekten im Ausland ist das Unmittelbarkeitserfordernis nicht erfüllt, da die Depotbank das Treugut im Rahmen des Ausführungsgeschäftes nicht unmittelbar von ihrem Kunden, sondern direkt vom jeweiligen Verkaufskontrahenten erwirbt. Bei uneingeschränkter Geltung dieses Prinzips käme der Rechtsposition des Kunden damit kein Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzschutz zu. Einen Ausweg aus dieser Problematik haben Literatur und Praxis in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu offenen Treuhandkonten gefun417

Paul, WM 1975, 3 f.; Brink, S. 131 f.; Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 44; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/31; Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 47, Rn. 51. 418 RGZ 84, 214, 216; 91, 12, 14; 127, 341, 344 f.; 133, 84, 89; der BGH ist dem im Grundsatz gefolgt, vgl. BGH WM 1960, 325, 326; BGH WM 1964, 179, 179; BGH NJW-RR 1995, 766, 767; offen gelassen hingegen bei BGH, NJW 1971, 559, 560; zur Entwicklung der Rspr. vgl. auch Coing, S. 44 ff.; Bitter, S. 52 ff. 419 Vgl. RGZ 84, 215, 217 f.; 133, 84, 89; diese Argumente wurden auch von Teilen der Literatur aufgegriffen, vgl. Siebert, 106 ff.; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 771, Rn. 22; Wieczorek/Schütze/Salzmann, § 771, 60; i.E. auch Erman/Palm, Vor § 164, Rn. 15; vgl. auch die Nachweise bei Scharrenberg, S. 65 ff.

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den.420 Der Bundesgerichtshof anerkennt die Treubindung, wenn Dritte Geld auf ein Anderkonto oder anderes Sonderkonto einzahlen oder überweisen, welches der Treunehmer bei einer Bank offenkundig zu dem Zweck führt, fremde Gelder zu verwalten. Auf eine unmittelbare Übertragung der Werte vom Treugeber auf den Treunehmer komme es dann nicht an.421 Darauf basierend wurde der Grundsatz formuliert, wonach der Mangel an Unmittelbarkeit durch die Offenkundigkeit der treuhänderischen Bindung kompensiert werde.422 Das Offenkundigkeitserfordernis wurde vereinzelt im Sinne einer sachenrechtlichen Publizität gegenüber der Allgemeinheit interpretiert, weil mit der Treuhandabrede quasi-dingliche Rechte begründet würden.423 Die weit überwiegende Ansicht und auch die Praxis lassen jedoch die Offenkundigkeit der Treuhandvereinbarung gegenüber der kontoführenden Stelle genügen.424 Die genannten Entscheidungen gingen nicht ausdrücklich auf die Frage ein.425 Gerade weil es beim Treuhandkonto an einem für jedermann erkennbaren Publizitätsakt fehlt ist, ist jedoch die zweite Ansicht näherliegend. Die depotrechtliche Literatur geht davon aus, dass diese Rechtsprechung auch auf Effekten anwendbar sei, die treuhänderisch auf einem ausländischen Wertpapierkonto werden.426 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, da kein insoweit entscheidender Unterschied zwischen einem Geldkonto und einem Wertpapierkonto ersichtlich ist. Zur Begründung des Treuhandverhältnisses wird es demnach als erforderlich aber auch ausreichend angesehen, dass der ausländischen Depotbank erkennbar gemacht wird, dass es sich bei den verwahrten Werten um Kundenwerte handelt, welche die inländische Depotbank treuhänderisch verwahrt.427 Dies stellen die inländischen Banken durch die Einholung einer sog. „Drei-Punkte-Erklärung“ von den ausländischen Verwahrstellen sicher. Diese Erklärung wird von der Bankwirtschaft seit der 420

Ausführlich zum Treuhandkonto Coing, in: Liber Amicorum Cohn, S. 23 ff.; Ganter, ZInsO 2004, 1217 ff. 421 BGH NJW 1954, 190; entsprechend für ein vom Treuhänder besonders angelegtes Postscheckkonto BGH NJW 1959, 1223; vgl. auch BGHZ 61, 72, 77; BGH, WM 1993, 83, 84. 422 Canaris, in: FS Flume, 413 f.; Heinsius, in: FS Henckel, S. 399; Kümpel, Rn. 11.301. 423 Canaris, in: FS Flume, S. 411 ff., allerdings mit sehr niedrigen Anforderungen an die Publizität; so sollen natürliche äußere Tatbestände, insbesondere das Gewerbe oder der Beruf des Treuhänders als Publizitätsträger ausreichen; ders., Rn. 280; Larenz/Wolf, § 46, Rn. 66, wonach erforderlich sei, dass der Dritte die Rechte an den Treuhänder objektiv erkennbar als Treugut überträgt; Thomas, NJW 1968, 1709 verlangt hingegen zumindest Erkennbarkeit als Treugut für die Gläubiger des Treunehmers. 424 Coing, in: Liber Amicorum Cohn, S. 29; Gernhuber, JuS 1988, 361. 425 Zweifelnd auch Obermüller, DB 1973, 1834. 426 Obermüller, DB 1973, 1834; Paul, WM 1975, 4; Canaris, Rn. 2099; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/132; Heinsius/Horn/Than, § 22 DepotG, Rn. 44; zweifelnd Einsele, WM 2005, 1113. 427 Paul, WM 1975, 4; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 149; v. Criegern, S. 104; i.E. auch Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 44, die zwar das Erfordernis einer Offenkundigkeit gegenüber jedermann postulieren, dieses aber bereits dann als erfüllt ansehen, wenn die entsprechenden Konten in den Verwahrungsbüchern als „Kundendepots“ bezeichnet werden.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Schließung des Herstatt Bankhauses im Jahre 1974 einheitlich verwendet und dem Depotverhältnis mit den ausländischen Verwahrern zugrunde gelegt.428 Die ausländischen Verwahrer bestätigen darin ihre Kenntnis, dass es sich bei den verwahrten Effekten um Bestände von Kunden der inländischen Depotbank handelt. Ferner erklären sie, Pfand-, Zurückbehaltungs- und ähnliche Rechte an den verwahrten Werten nur wegen Forderungen geltend zu machen, die sich aus der Anschaffung, Verwaltung und Verwahrung dieser Effekten ergeben, sowie die inländische Depotbank unverzüglich von Pfändungen und sonstigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in die verwahrten Werte durch Dritte zu unterrichten. Darüber hinaus gewährleisten sie, die verwahrten Effekten nicht ohne die Zustimmung der Depotbank von einem Dritten verwahren zu lassen oder in ein anderes Land zu verbringen.429 (c) Bestimmtheitsprinzip Es existiert jedoch auch eine andere Strömung in der Literatur, die das Unmittelbarkeitsprinzip im Recht der Treuhand generell ablehnt und folglich auch keine Kompensation durch die Publizität oder Offenkundigkeit der Treubindung verlangt. Danach sei für ein insolvenz- und zwangsvollstreckungsrechtlich wirksames Treuhandverhältnis neben der Treuhandabrede lediglich die Bestimmtheit des Treugutes und seine Unterscheidbarkeit zum sonstigen Vermögen des Treuhänders erforderlich.430 Zur Begründung wird angeführt, dass die durch das Unmittelbarkeitsprinzip verfolgte Abgrenzung zwischen mittelbarer Stellvertretung und Treuhand nicht geboten sei, da die beiden Rechtsfiguren unterschiedliche Funktionen hätten und vielfach sogar zusammentreffen könnten. Die Verwaltungstreuhand sei ein auf die Zuordnung des Treugutes und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten bezogener Zustand, während sich die mittelbare Stellvertretung auf den Abschluss eines bestimmten Rechtsgeschäfts beziehe.431 Auch der mittelbar Vertretene verdiene den zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Schutz, soweit er auch Treugeber sei.432 Zudem lasse sich das Unmittelbarkeitsprinzip durch bloße Hin- und Herübertragungen leicht umgehen.433 Hinsichtlich der Offenkundigkeit des Treuhandverhältnisses wird vorgetragen, dass die Gefährdung von Gläubigern durch eine Fehleinschätzung von Haf428 Hellner, in: FS Heinsius, S. 231; zu den inhaltlichen Anforderungen an die Erklärung vgl. auch Nr. 3 Abs. 4 der Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen über die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäfts und der Erfüllung von Wertpapierlieferverpflichtungen vom 21. 12. 1998, abgedruckt bei Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/376; abrufbar auch unter www.bafin.de. 429 Ein Beispiel einer Drei-Punkte-Erklärung ist abgedruckt bei Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/182. 430 Assfalg, NJW 1963, 1585 f.; Coing, S. 178 f.; Beuthien, ZGR 1974, 69; Walter, S. 150 ff.; Gernhuber, JuS 1988, 361 f.; Einsele, JZ 1990, 1011 f.; Henssler, AcP 196 (1996), 58 ff.; Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 762; Grundmann, S. 318 ff.; K. Schmidt, in: FS Wiegand, S. 955 ff.; Soergel/Leptien, Vor § 164, Rn. 54, 56; MünchKommInsO/Ganter, § 47, Rn. 358. 431 Coing, S. 102; MünchKommHGB/K. Schmidt, Vor § 230, Rn. 48. 432 Beuthien, ZGR 1974, 71. 433 Heinsius, in: FS Henckel, S. 397; Ganter, ZInsO 2004, 1223.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

tungsmassen vom BGB auch an anderer Stelle in Kauf genommen werde und es keinen Anlass gebe, die fiduziarische Treuhand aus Gründen des Gläubigerschutzes zu beschränken. Gerade § 771 ZPO zeige, dass im Zwangsvollstreckungsrecht das Vertrauen des Gläubigers, dass ein Gegenstand zum Schuldnervermögen zählt, nicht geschützt sei.434 Das sachenrechtliche Publizitätsprinzip sei zudem bereits vom Gesetz nicht strikt durchgehalten und finde auch nur auf Sachen, nicht aber auf Forderungen Anwendung.435 Im Ergebnis handele es sich bei dem Treugut um anvertrautes Sondervermögen, auf das die Gläubiger des Treunehmers nicht zugreifen dürfen, gleich ob es sich um unmittelbar erworbenes oder offensichtliches Treugut handle oder nicht.436 (d) Jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der BGH ist dem in seiner jüngeren Rechtsprechung zunehmend gefolgt und hat das Erfordernis der Offenkundigkeit des Treuhandcharakters für die Wirksamkeit der Treuhandabrede weitgehend fallengelassen. Jedenfalls verlangt er jetzt ausdrücklich nicht die generelle Publizität des Treuhandkontos gegenüber der Allgemeinheit. DaACHTUNGRErüber hinaus sei auch die Offenlegung des Treuhandcharakters gegenüber der kontoführenden Bank für die Wirksamkeit des Treuhandverhältnisses nicht erforderlich. Sie entscheide lediglich darüber, ob der kontoführenden Bank ein vertragliches Pfandrecht am Kontoguthaben sowie ein Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht für eigene Ansprüche gegen den Kontoinhaber zustehen könne.437 Der BGH hat damit das Offenkundigkeitsprinzip für die Treuhand aufgegeben.438 Zum Teil hat die Rechtsprechung zwar wiederum die Mittelherkunft in den Blick genommen und ein Treuhandverhältnis angenommen, wenn das Kontoguthaben auf der Erfüllung von Forderungen beruht, die nicht in der Person des Treuhänders, sondern als Forderungen des Treugebers entstanden sind.439 Bei der Anschaffung von Wertpapieren im Ausland wäre eine solche Voraussetzung nicht erfüllt, da die Bank insoweit im eigenen Namen handelt und der Erfüllungsanspruch damit nicht in der Person des Kunden entsteht.440 Jedoch ist davon auszugehen, dass die Frage, in wessen Person die Forderung entstanden ist, auch für die Rechtsprechung allenfalls indizielle Bedeutung im Einzelfall hat und keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Treuhandabrede darstellt. Andernfalls würde ein großer Bereich praktischer Fallgestaltungen der Treu434

Beuthien, ZGR 1974, 71; Henssler, AcP 196 (1996), 57; vgl. auch Bitter, S. 80 ff., 145 f. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 427. 436 Coing, S. 178. 437 BGHZ 61, 72, 79; BGH NJW 1993, 2622; BGH NJW 1996, 1543; BGH ZInsO 2004, 879, 880; ebenso OLG Hamm, WM 1999, 1111, 1112; OLG Naumburg, WM 2003, 1668, 1669. 438 Henssler, AcP 196 (1996), 56; Hadding/Häuser, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 37, Rn. 30. 439 Vgl. BGH NJW 1959, 1223, 1225; OLG Naumburg, WM 2003, 1668, 1969; BGH ZInsO 2005, 879, 880; auch im Fall BGH NJW 1996, 1543 wurden vom Treuhänder lediglich dem Treugeber zustehende Forderungen eingezogen. 440 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 430. 435

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hand ausgeschlossen.441 Im Übrigen wäre ein solches Erfordernis lediglich eine andere Ausgestaltung des kritisch zu betrachtenden Unmittelbarkeitsprinzips.442 Der BGH hat zuletzt auch das Erfordernis der Bestimmtheit des Treugutes aufgegriffen und ein Aussonderungsrecht des Treugebers in einem Fall abgelehnt, in dem es an der kontenmäßigen Trennung zwischen Eigenvermögen des Treuhänders und den dem Treugeber gebührenden Geldbeträgen und damit an der Bestimmtheit des Treugutes fehlte.443 Bereits in früheren Entscheidungen hat der BGH für die Anerkennung eines Treuhandkontos die kontenmäßige Trennung des Treugutes vom sonstigen Vermögen verlangt.444 Der BGH anerkennt jedoch die Treubindung bei gemischten Treuhandkonten, auf die Werte verschiedener Treugeber verbucht werden. Die ungetrennte Verwahrung von Kundenwerten auf ausländischen Depotkonten entspricht auch der gängigen Praxis im Auslandsgeschäft der Banken.445 Für die im Auslandgeschäft in Wertpapieren tätigen Banken bedeutet dies, dass sie auf einem bei einer ausländischen Verwahrstelle geführten Depotkonto zwar Werte zugunsten verschiedener inländischer Kunden ungetrennt voneinander halten dürften, nicht jedoch gemeinsam mit eigenen Werten. Dazu wäre ein weiteres Depot zu eröffnen. (e) Zusammenfassung und Würdigung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der BGH im Zuge seiner uneinheitlichen und zum Teil etwas beliebig wirkenden Rechtsprechung noch nicht generell vom Unmittelbarkeitsprinzip gelöst hat. Jedoch hält er zumindest in den angesprochenen und hier relevanten Fallgruppen nicht daran fest.446 Die Rechtsprechung zu Treuhandkonten ist grundsätzlich auch auf Situationen übertragbar, in denen ACHTUNGREinländische Banken als fiduziarische Treuhänder für ihre Kunden Wertpapiere im Ausland halten. Zur Begründung eines Treuhandverhältnisses mit quasi-dinglicher Wirkung gegenüber Dritten ist es dabei nach der jüngeren Rechtsprechung nicht erforderlich ist, dass die Treuhandvereinbarung der ausländischen Bank gegenüber offengelegt wird. Die gängige Praxis der Kundenschutzerklärung ist gleichwohl im Hinblick auf den Ausschluss von Pfand- und Zurückbehaltungsrechten des ausländischen Verwahrers nach dessen Rechtsordnung fortzuführen. Die Anerkennung einer zwangsvollstreckungs- und insolvenzfesten Rechtsposition der inländischen Anleger ist nach dieser Rechtsprechung gesichert.447

441

Kritisch deshalb auch K. Schmidt, in: FS Wiegand, S. 948 ff.; der Mittelherkunft allenfalls indizielle Bedeutung beimessend auch MünchKommInsO/Ganter, § 47, Rn. 357a. 442 Bitter, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 33, Rn. 105; a.A. Ganter, ZInsO 2004, 1223, der es als Ausdruck des Vermögenstrennungsprinzips auffasst. 443 BGH WM 2003, 1641. 444 BGHZ 61, 72, 78; BGH NJW 1971, 559, 560; BGH NJW 1988, 709, 710. 445 Coing, WM 1975, 468; Kümpel, Rn. 11.308. 446 So ausdrücklich BGHZ 155, 227, 231; Heinsius, in: FS Henckel, S. 392 f.; vgl. auch Bitter, S. 89 ff. 447 Vgl. BGH WM 1988, 402, 404.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Erforderlich ist nach der Rechtsprechung allerdings, dass die Depotbank eigene Werte und Kundenwerte im Ausland auf unterschiedlichen Konten hält. Gegen dieses Trennungserfordernis lässt sich jedoch einwenden, dass das Bestimmtheitsprinzip die kontenmäßige Trennung von Eigen- und Kundenwerten nicht unbedingt verlangt. Aufgrund der internen Buchungsunterlagen der Depotbank ist eine Zuordnung der Werte auch dann möglich, wenn diese auf einem gemeinsamen Konto verbucht werden.448 Das Erfordernis einer kontenmäßigen Trennung erscheint auch widersprüchlich, wenn gleichzeitig die Vermischung von Werten mehrerer Treugeber auf einem Konto zugelassen wird.449 Letztlich kann das Erfordernis der getrennten Verbuchung der Werte auf Ebene der ausländischen Depotbank nur dann zu einer erhöhten Klarheit hinsichtlich Rechtszuordnung führen, wenn gleichzeitig offengelegt wird, dass die auf einem bestimmten Konto verbuchten Werte nicht zum Vermögen der Bank gehören. Verzichtet man jedoch auf dieses Offenkundigkeitserfordernis, lässt sich auch auf das Erfordernis einer getrennten Verbuchung der Werte verzichten. Insgesamt haben die Ausführungen jedoch auch gezeigt, dass bislang noch keine endgültige Klarheit über das eigentlich ausschlaggebende Kriterium für die Anerkennung des Vollstreckungsschutzes für eine an sich schuldrechtliche Rechtsposition des Treugebers und zur Abgrenzung zu sonstigen schuldrechtlichen Ansprüchen erreicht wurde. Auch wenn diese grundsätzliche Frage im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend beantwortet werden kann, so sind doch einige Punkte festzuhalten. Das Unmittelbarkeitskriterium ist nicht nur leicht umgehbar, sondern legt für die Frage des ACHTUNGREVollstreckungsschutzes zu großes Gewicht auf den Weg, auf dem das Treugut zum Treunehmer gelangt ist. Es lässt sich jedoch schwer begründen, warum die Art des Rechtserwerbs für die wirtschaftliche Zugehörigkeit des Treuguts zum Vermögen des Treugebers entscheidend sein soll.450 Es überrascht deswegen nicht, dass die Rechtsprechung das Prinzip nicht konsequent durchhält, sondern davon abweicht, wo es ihr sachgerecht erscheint.451 Es überzeugt ebenfalls nicht, stattdessen bzw. alternativ die Offenkundigkeit der Treubindung zur Voraussetzung des Vollstreckungsschutzes zu erheben, da sich dies praktisch schwer verwirklichen lässt und die Zuordnung von Vermögenswerten auch außerhalb von Treuhandkonstellationen für Gläubiger nicht immer ersichtlich ist. Es ist deswegen nicht begründbar, weshalb der ACHTUNGREVollstreckungsschutz auf der Offenkundigkeit oder Publizität der Treuhandabrede aufbauen soll. Die Forderung nach der Bestimmtheit des Treugutes und die damit einhergehende Notwendigkeit einer Vermögenstrennung stellt demgegenüber nicht mehr als die Minimalforderung zur Anerkennung dinglicher Rechtswirkungen dar.452 Sie ist deswegen eine notwendige, aber gleichwohl nicht hinreichende Bedin448

Ebenso zum Treuhandkonto im Allgemeinen Canaris, Rn. 280; K. Schmidt, in: FS Wiegand, S. 961 f.; Hadding/Häuser, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 37, Rn. 2; ablehnend aber Ganter, ZInsO 2004, 2123. 449 Bitter, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 33, Rn. 106. 450 So auch Beuthien, ZGR 1974, 68. 451 Vgl. Bitter, S. 86 ff. 452 Henssler, AcP 196 (1996), 58.

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gung zur Anerkennung der Treubindung, da sie kein Kriterium zur Abgrenzung zu sonstigen schuldrechtlichen Ansprüchen auf einen bestimmten Gegenstand liefert.453 Auch das Bestimmtheitsprinzip lässt damit den eigentlichen Grund für die Sonderstellung der Ansprüche des Treugebers gegenüber anderen Inhabern schuldrechtlicher Herausgabeansprüche im Dunkeln. Von grundlegender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der auftragsrechtlichen Rechtsposition des Treugebers trotz ihrer Bezeichnung als quasidingliche Rechtsposition gleichwohl um einen lediglich schuldrechtlichen Herausgabeanspruch handelt.454 Die Bezeichnung als wirtschaftliches Eigentum oder quasidingliche Rechtsposition umschreibt lediglich den besonderen zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Schutz, den der Rechtsverkehr dieser Rechtsposition gewährt. Sie kann aber nicht als Rechtfertigung für diesen Schutz herangezogen werden.455 Der Schutz des Treugebers beruht entgegen der Ansicht der Rechtsprechung nicht auf einer dinglichen Rechtsposition, sondern besteht gerade trotz des Fehlens einer solchen. Es kann deswegen auch nicht auf eine irgendwie geartete frühere dingliche Rechtsübertragung vom Treugeber auf den Treunehmer ankommen.456 Auch der bloße Umstand der Vermögenstrennung hat keinen Einfluss auf die dingliche Zuordnung des Treugutes.457 Der Schutzanspruch ist vielmehr in erster Linie aus dem Inhalt der schuldrechtlichen Treuhandabrede abzuleiten.458 Darin müssen die Beteiligten vereinbaren, dass ein bestimmter Vermögenswert, der rechtlich dem Treuhänder gehört, wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen ist. Zum Teil sieht man die Berechtigung zur Aussonderung als Ergebnis einer Billigkeitserwägung459 oder Gewohnheitsrecht.460 Sucht man die Berechtigung jedoch in der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung, so müsste man danach fragen, ob diese schuldrechtliche Vereinbarung aufgrund ihrer Wirkungen bei einer wertenden, am Normzweck orientierten Betrachtungsweise ausnahmsweise mit einer dinglichen Vermögenszuordnung gleichgestellt werden kann.461 Als Grundlage für eine solche Gleichstellung wurde das Element der Gefahrtragung vorgeschlagen: Aus dem Umstand, dass der dinglich Berechtigte im Regelfall die Gefahr des zufälligen Untergangs zu tragen hat, wird geschlossen, dass einem bloß schuldrechtlich Berechtigten dann das Drittwiderspruchs- und Aussonderungsrecht zu gewähren ist, wenn dieser 453

Bitter, S. 181 f. Ebenso Ganter, ZInsO 2004, 1221. 455 Bitter, S. 272. 456 Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 672; Stein/Jonas/Münzberg, § 771, Rn. 25; Bitter, S. 281. 457 So aber Ganter, ZInsO 2004, 1222. 458 In diese Richtung Beuthien, ZGR 1974, 68; Scharrenberg, S. 121 ff.; Grundmann, S. 87 ff.; Henssler, AcP 196 (1996), 51 ff.; K. Schmidt, in: FS Wiegand, S. 963; ablehnend Ganter, ZInsO 2004, 1222. 459 Kötz, S. 128; Walter, S. 73 ff.; Beuthien, S. 68. 460 Coing, S. 44; Henssler, AcP 196 (1996), 50; von einer richterlichen Rechtsfortbildung spricht Gernhuber, JuS 1988, 358. 461 Walter, S. 56 ff.; Henssler, AcP 196 (1996), 51 ff.; Bitter, S. 307. 454

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ausnahmsweise die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt.462 Voraussetzungen für eine vollstreckungsfeste Treuhand sind danach ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung einer Rechtsposition sowie die Trennung von dinglicher Rechtsinhaberschaft und Gefahrtragung. Die in der Treuhandabrede vereinbarte Weisungsbindung des dinglichen Rechtsträgers sowie die Nutzungszuweisung zum schuldrechtlich berechtigten Hintermann sollen dabei zwar keine notwendigen Voraussetzungen einer vollstreckungsfesten Treuhand sein, jedoch aber Indizwirkung haben.463 Jedenfalls die treuhandrechtliche Konstruktion der Verwahrung von Effekten im Ausland würde einem solchen Ansatz gerecht, da die Gefahr des zufälligen Untergangs nach den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte dem schuldrechtlich berechtigten Depotkunden obliegt. cc) Rechtsstellung der Depotkunden Der einheitliche Treugutbestand, den die inländische Depotbank für ihre Kunden auf einem ausländischen Depotkonto hält, dient zur Deckung der aus den einzelnen Treuhandverhältnissen resultierenden Herausgabeansprüche und wird deshalb als ACHTUNGREDeckungsbestand bezeichnet.464 Jeder Depotkunde hat einen eigenen Anspruch auf ACHTUNGREHerausgabe des ihm gebührenden Teils des Treuguts einschließlich der Effektenerträge sowie der Bezugsrechte. Die Depotkunden stehen in Teilgläubigerschaft gemäß § 420 BGB nebeneinander und können ihre Ansprüche somit selbstständig geltend machen oder darüber verfügen.465 Die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte stellen klar, dass die Bank Auslieferungsansprüche des Kunden aus der ihm erteilten WR-Gutschrift nur aus dem im Ausland für die Bank verwahrten Deckungsbestand aus den Effekten derselben Gattung erfüllen muss.466 Diese Beschränkung ergibt sich bereits daraus, dass die WRGutschrift nach der hier vertretenen Auffassung lediglich eine buchhalterischen Erfassung und Dokumentation des auftragsrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe des Treuguts darstellt. Denn dieser Herausgabeanspruch bezieht sich nur auf das, was der Treuhänder tatsächlich innehat, und ist deswegen von vornherein auf die von der Bank im Ausland gehaltenen Rechtspositionen beschränkt.467 Der vielfach vertretenen Meinung, wonach durch diese Klausel und die Angabe des Lagerlandes bei der Gutschriftserteilung eine Gattungsschuld bezüglich der zu liefernden Werte auf eine auf den Deckungsbestand im Lagerland beschränkte Vorratsschuld gemäß § 243 Abs. 2 BGB reduziert und ein Übergang der Leistungsgefahr von der Depotbank auf den De462

Bitter, S. 278 ff. Bitter, S. 321 ff. 464 Vgl. Nr. 12 Abs. 4 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; Kümpel, Rn. 11.311. 465 Paul, WM 1975, 4; Kümpel, Rn. 11.310; Gößmann/Klanten, in: Schimanski/Bunte/ Lwowski, § 72, Rn. 151. 466 Nr. 12 Abs. 4 S. 1 u. 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 467 Ebenso Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/139; ders., Rn. 11.312. 463

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potkunden bewirkt werde,468 ist deshalb nicht mehr zu folgen. Diese Auffassung erklärt sich vor dem Hintergrund der früher geltenden Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren, bezüglich derer man annahm, dass der treuhandrechtliche Herausgabeanspruch dem Depotkunden lediglich erfüllungshalber eingeräumt werde. Man ging deswegen auch nach der Verschaffung des Anspruchs auf Herausgabe des Treuguts vom Bestehen des Lieferanspruchs aus dem Anschaffungsverhältnis aus.469 Sofern das Anschaffungsverhältnis nicht kommissionsrechtlich, sondern kaufrechtlich ausgestaltet war, war es in der Tat geboten, die aus § 433 Abs.1 BGB resultierende Gattungsschuld auf den ausländischen Deckungsbestand zu beschränken. Sieht man den Lieferanspruch aus dem Anschaffungsverhältnis aber mit der Erteilung der WR-Gutschrift als erfüllt an, besteht von vornherein keine lediglich gattungsmäßige Schuld der Depotbank mehr. Mit der Einräumung des auftragsrechtlichen Herausgabeanspruchs geht vielmehr die Leistungsgefahr von der Depotbank auf den Depotkunden über. Die Angabe des Lagerlandes bei der Erteilung der Gutschrift dient folglich nur noch dazu, den Depotkunden auf die Rechtsordnung sowie Risiken des Lagerlandes hinzuweisen.470 Richtig bleibt damit, dass die auf das Treugut gerichteten Herausgabeverpflichtungen durch den Umfang des Treugutes, also durch den im Ausland unterhaltenen Deckungsbestand begrenzt werden.471 Die Depotkunden tragen die Gefahr des zufälligen Untergangs des Deckungsbestandes und bilden insoweit eine Gefahrengemeinschaft.472 Nach den Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte ist bei Verlusten, für die der Depotkunde die Gefahr zu tragen hat, auch die Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises ausdrücklich ausgeschlossen.473 Auch diese Klausel ist überflüssig und dient allenfalls der Klarstellung. Das Ergebnis folgt ebenfalls bereits daraus, dass die WR-Gutschrift eine Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Anschaffungsverhältnis darstellt.474 Die Bank hat in diesem Fall nur etwa bestehende Ansprüche gegen Dritte an ihre Kunden abzutreten.475 Im Ergebnis werden die Anleger damit in wirtschaftlicher Hinsicht wie rechtsformale Eigentümer gestellt, ohne zugleich die Nachteile einer rechtsformalen Eigentümerposition im Ausland tragen zu müssen. Ihrer Rechtsposition kommt ein dem Eigentum entsprechender Schutz zu und sie können wie ein Eigentümer über die Werte disponieren. Es ist daher konsequent, die Depotkunden 468 Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 37; Hellner, in: FS Heinsius, S. 225; Gößmann/Klanten, in: Schimanski/BunACHTUNGREte/Lwowski, § 72, Rn. 152. 469 Vgl. oben C.II.5.a)bb)(2). 470 Coing, WM 1977, 469; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/139. 471 Ziganke, WM 1961, 234; Räbel, ZKW 1968, 818; Kümpel, ZKW 1973, 172 f.; Coing, WM 1977, 470. 472 Vgl. auch die (lediglich der Klarstellung dienende) Haftungsfreizeichnung in Nr. 12 Abs. 4 S. 3 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 473 Vgl. Nr. 12 Abs. 5 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 474 Vgl. Coing, WM 1977, 470; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 420; a.A. Gößmann/Klanten, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 154. 475 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 420.

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auch hinsichtlich der Nachteile einem Eigentümer gleich zu stellen und mit den Risiken zu belasten, die mit dem Eigentumserwerb in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht verbunden sind.476 Da die Bank bei der Auslandsaufbewahrung keine eigene Verwahrtätigkeit unternimmt, tritt der das Treuhandverhältnis begründende Geschäftsbesorgungsvertrag an die Stelle eines Verwahrungsvertrages.477 Statt der Verwahrung von Effekten richten sich die vertraglichen Pflichten der Bank vorrangig auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung eines geeigneten ausländischen Verwahrers.478 Die Haftung der Bank ist dementsprechend auf ein Verschulden bei der Auswahl des ausländischen Verwahrers beschränkt.479 Der Haftungsausschluss ist mit § 309 Nr. 7b BGB vereinbar, weil der ausländische Verwahrer aufgrund des beschränkten Pflichtenkreises der inländischen Depotbank nicht als deren Erfüllungsgehilfe angesehen werden kann.480 Ist hingegen, wie im Regelfall, die inländische Wertpapiersammelbank oder eine ausländische Geschäftsstelle der Depotbank zwischengeschaltet, so haftet die Depotbank auch für deren Verschulden.481 Die Verwaltung der Wertpapiere obliegt primär dem ausländischen Verwahrer. Er nimmt insbesondere Maßnahmen gegenüber dem Emittenten wahr, wie die Einlösung von Zins-, Gewinnanteil- und Ertragscheinen sowie von rückzahlbaren Wertpapieren bei deren Fälligkeit oder die Bogenerneuerung.482 Die inländische Depotbank leitet die Erträge lediglich an den Depotkunden weiter. Ausländische Bezugsrechte lässt sie nach den im Ausland geltenden Usancen verwerten.483 Auch Informationen über Abfindungs- oder Umtauschangebote oder Sanierungsverfahren, die ihr vom ausländischen Verwahrer übermittelt werden, gibt sie an ihre Kunden weiter.484 Für die Frage der Stimmrechtsausübung für ausländische Aktien sind nicht die Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes, sondern das auf die Gesellschaft anwendbare Gesellschaftsrecht maßgeblich. Wenn Clearstream als Zwischenverwahrer eingeschaltet ist, übt sie das Stimmrecht auf Weisung ihrer Kunden aus oder ermöglicht dem Kunden bzw. einem von ihm benannten Dritten die Ausübung des Stimmrechts, soweit dies nach dem maßgeblichen ausländischen Recht und den Gesellschaftsstatuten zulässig ist.485

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Hellner, in: FS Heinsius, S. 226 f. Coing, WM 1977, 467; Kümpel, Rn. 11.304. 478 Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 147. 479 Vgl. Nr. 19 Abs. 1 S. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte; Kümpel, Rn. 11.304. 480 Ausführlich Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/176 f. 481 Nr. 19 Abs. 1 S. 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 482 Nr. 14 Abs. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 483 Nr. 15 Abs. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 484 Vgl. im Einzelnen Nr. 16 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 485 Nr. 68 Abs. 2 i.V.m. Nr. 57 Abs. 8 AGB Clearstream. 477

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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In zahlreichen Staaten sind Aktiengesellschaften berechtigt oder verpflichtet, bestimmte Informationen über die wirtschaftlichen Inhaber der Aktien einzuholen.486 Die Depotbanken behalten sich daher das Recht vor, Informationen über ihre inländischen Kunden an die ausländische Gesellschaft weiterzugeben, soweit dies zur Erfüllung einer nach der ausländischen Rechtsordnung bestehenden gesellschaftsrechtlichen Auskunftspflicht notwendig ist. Vor einer Weitergabe des Namens des Kunden sind sie verpflichtet, diesen zu benachrichtigen.487 Auskunftspflichten können außerdem gegenüber ausländischen Steuerbehörden, Finanzaufsichtsbehörden oder anderen staatlichen Stellen bestehen. Auf diese nach ausländischem Recht bestehenden Auskunftspflichten braucht die inländische Depotbank grundsätzlich nicht gesondert hinzuweisen, da der Depotkunde bei Gutschrift der Werte auf den ausländischen ACHTUNGRELagerort und damit auch die dort geltenden Rechtsvorschriften hingewiesen wird.488 dd) Treuhandgiroverkehr unter Zwischenschaltung der Wertpapiersammelbank Die Depotbanken halten die Bestände zur Deckung der von ihnen erteilten WRGutschriften regelmäßig nicht direkt bei ausländischen Korrespondenzbanken, sondern über die inländische Wertpapiersammelbank.489 Zu diesem Zweck unterhält ACHTUNGREClearstream Banking Luxemburg Kontoverbindungen zu mehr als 40 ausländischen Verwahrinstituten.490 Clearstream erwirbt die entsprechenden Werte im Ausland und hält sie treuhänderisch für die Depotbank des Kunden.491 Dabei entsteht ein zweistufiges Treuhandverhältnis, das den beschriebenen abgestuften Besitzverhältnissen bei der Girosammelverwahrung ähnelt. Die Depotbank als Kontoinhaberin bei der Wertpapiersammelbank ist hierbei Treugeberin der ersten Stufe und gleichzeitig Treuhänder im Verhältnis zu ihrem Kunden. Der Kunde ist Treugeber der zweiten Stufe.492 Das von der Depotbank gehaltene Treugut sind die aufgrund der Treuhandabrede mit der Wertpapiersammelbank insolvenz- und vollstreckungsfesten schuldrechtlichen Herausgabeansprüche der Depotbank gegen die Wertpapiersammelbank.493 Die von den Depotbanken bei der Wertpapiersammelbank unterhaltenen WR-Guthaben bilden die Grundlage für einen nationalen Giroverkehr, der zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen aus dem inländischen nicht-amtlichen Handel in den auslän486

Kümpel, Rn. 11.322 nennt beispielhaft Großbritannien, Australien und Malaysia; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 78. 487 Nr. 20 Abs. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 488 Zum Verhältnis derartiger Auskunftspflichten zum deutschen Bankgeheimnis vgl. Kümpel, Rn. 11.324; ders., in: Hellner/Steuer, Rn. 8/127 c. 489 Vgl. Nr. 12 Abs. 2 S. 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 490 Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 503. 491 Nr. 8 Abs. 2 AGB Clearstream. 492 Kümpel, Rn. 11.328; vgl. entsprechend zur früher praktizierten Zwischenschaltung des deutschen Auslandskassenvereins Paul, WM 1975, 5. 493 Paul, WM 1975, 5; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/168.

202 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

dischen Werten genutzt werden kann.494 Die WR-Guthaben können durch Umbuchung durch die Wertpapiersammelbank übertragen werden, ohne dass das ausländische Verwahrinstitut eingeschaltet werden muss. Man bezeichnet dies als Treuhandgiroverkehr495 oder Inhouse-Clearing.496 Die Wertpapier- und Geldabwicklung von Geschäften über auslandsverwahrte Wertpapiere wird von Clearstream nicht über das Abwicklungssystem für inlandsverwahrte Effekten CASCADE vorgenommen, sondern an das Abwicklungssystem Creation bei Clearstream Banking Luxemburg weitergeleitet. Die Depot- und Geldkonten bei Creation sind dem CASCADE Hauptkonto des jeweiligen Teilnehmers zugeordnet und werden technisch und rechtlich als eigener Kontenkreis neben den übrigen luxemburgischen Konten geführt. Sie unterliegen deutschem Recht.497 Die Erteilung von Aufträgen und Lieferinstruktionen erfolgt gegenüber dem CASCADE-System und ist identisch mit den Abläufen bei der Übertragung inländischer Sammeldepotanteile. Auch hier stehen mehrere Verarbeitungszyklen zur Verfügung.498 Rechtlich folgt die Übertragung von WR-Guthaben nicht den Regeln der Forderungsabtretung, sondern den Grundsätzen des Geldgiroverkehrs.499 Die einzelnen Buchungsvorgänge sind damit folgendermaßen einzuordnen: Beauftragt ein Kunde seine Depotbank mit der Veräußerung der Werte, so muss diese die Werte nicht zwangsläufig auf der ausländischen Heimatbörse veräußern, sondern kann auch im Inland außerhalb des amtlichen Börsenhandels ein Verkaufsgeschäft abschließen. Mit der Auftragsausführung erwirbt die veräußernde Depotbank einen geschäftsbesorgungsvertraglichen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Form der Lieferung gleichartiger Werte gemäß §§ 675, 670 BGB.500 Mit diesem Anspruch kann sie gegen den aus dem Treuhandverhältnis resultierenden Herausgabeanspruch ihres Kunden aufrechnen. Sie erklärt die Aufrechnung, indem sie das Konto ihres Kunden um die entsprechenden Werte belastet. Gleiches gilt, wenn der Depotkunde das ACHTUNGREVerkaufsgeschäft selbst abgeschlossen hat. In diesem Fall gibt er einen Überweisungsauftrag an seine Depotbank, die mit der Ausführung ihrerseits einen Anspruch auf Vorschuss bzw. Aufwendungsersatz erlangt, der sie zur Aufrechnung berechtigt.501 .

494

Delorme, S. 28 f., 40 f. Nr. 64 Abs. 1 AGB Clearstream; Kümpel, Rn. 11.447; Than, in: FS Kümpel, S. 549; Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 48. 496 Blitz, in: Gerke/Steiner, S. 498. 497 Clearstream, Customer Handbook, 2-7. 498 Zu den Einzelheiten vgl. Clearstream, Customer Handbook, 3-6. 499 Brink, S. 139; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/357; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 439 f. 500 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/144. 501 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 74. 495

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Zur Erfüllung ihrer Lieferpflicht weist die veräußernde Depotbank Clearstream an, ihr Konto zu belasten und der Erwerberbank eine korrespondierende WR-Gutschrift zu erteilen. Mit der Gutschrift zugunsten der Erwerberbank drückt ACHTUNGREClearstream aus, dass sie die entsprechenden Werte fortan als Treuhänderin für die Erwerberbank hält. Die Gutschrift soll damit unmittelbar rechtserzeugend sein und der Erwerberbank einen zwangsvollstreckungs- und insolvenzfesten Anspruch auf Herausgabe des Treugutes gegen die Wertpapiersammelbank geben.502 Dabei wird stillschweigend davon ausgegangen, dass die Begründung eines Treuhandverhältnisses durch Einräumung eines Herausgabeanspruchs gegenüber dem neuen Treugeber möglich ist. Problematisch könnte jedoch die Nähe zur so genannten Vereinbarungstreuhand sein. Eine zwangsvollstreckungs- und insolvenzfeste Treuhandposition, bei der der bisherige Vollrechtsinhaber lediglich schuldrechtlich vereinbaren würde, sein Recht nunmehr als Treuhänder im Interesse des anderen zu verwalten, wird von der Rechtsprechung503 und Teilen der Literatur504 nämlich bislang abgelehnt. Der BGH begründet dies mit dem System des Gläubigerschutzes in der Insolvenz, wonach schuldrechtliche Beschränkungen der Befugnisse des vormals uneingeschränkt berechtigten Eigentümers generell nicht zur Insolvenzaussonderung berechtigten. Andernfalls entstünden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, die der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abträglich wären.505 Selbst wenn man dem im Grundsatz folgt, stehen diese Bedenken der Wirksamkeit der Treuhandvereinbarung mit Clearstream nicht entgegen. Denn im Unterschied zu den herkömmlichen Fällen der Vereinbarungstreuhand hat Clearstream zu keinem Zeitpunkt eine uneingeschränkte Rechtsposition an den auslandsverwahrten Werten. Durch die Umstellung des Treuhandverhältnisses ändert sich lediglich die Person des Aussonderungsberechtigten. ClearACHTUNGREstream unterhält generell keine Werte auf eigene Rechnung. Stellt man für die Begründung eines Treuhandverhältnisses im Übrigen nicht auf den Weg ab, auf dem der Treunehmer das Treugut erworben hat, sondern rückt man, wie oben ausgeführt, die Treuhandabrede in den Vordergrund, so vermögen die generellen Einwände gegen eine Vereinbarungstreuhand ohnehin nicht zu überzeugen.506 Die erwerbende Bank kann nun ihrerseits ihrem Kunden eine entsprechende ACHTUNGREGutschrift erteilen. Der Käufer erwirbt also nicht die Forderung des verkaufenden Kunden gegen dessen Depotbank, sondern einen originären Anspruch gegen seine eigene Bank.507 Die Gutschrift auf dem Konto der Erwerberbank wird als Leistung an Erfüllungs statt hinsichtlich des treuhandrechtlichen Herausgabeanspruchs der veräußernden Depotbank eingeordnet, so dass ClearACHTUNGREstream deren Konto entspre502 503 504 505 506 507

Brink, S. 138. BGHZ 155, 227, 231 ff. Ganter, ZInsO 2004, 1222. BGHZ 155, 227, 233. Vgl. Bitter, S. 338 ff.; K. Schmidt, in: FS Wiegand, S. 938. MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 200.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

chend belasten darf. Eine Aufrechnung als rechtskonstruktive Erklärung der Belastungsbuchung kommt in diesem Verhältnis nicht in Betracht, da ClearACHTUNGREstream durch die Gutschrift keinen Lieferanspruch gegen die veräußernde Depotbank erwirbt, sondern allenfalls einen auf Geld gerichteten Wertersatzanspruch.508 Die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten ist in diesem Zusammenhang generell ausgeschlossen, da keine Miteigentumsrechte übertragen werden, sondern lediglich treuhandrechtliche und damit schuldrechtliche Herausgabeansprüche gegen Clearstream bzw. die erwerbende Depotbank begründet werden. Aus Erwerbersicht führt dies jedoch grundsätzlich nicht zu einem geringeren Verkehrsschutz im Vergleich zum Erwerb von Miteigentumsanteilen an Sammelbeständen. Denn den Fällen, in denen die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs girosammelverwahrter Wertpapiere thematisiert wird, ist gemeinsam, dass die Depotbank des Veräußerers eine Umbuchungsanweisung an Clearstream abgibt, ohne dazu wirksam ermächtigt worden zu sein (d. h. eigenmächtig oder im Vertrauen auf eine Anweisung eines unzuständigen Dritten). Aufgrund der fehlenden Ermächtigung der Veräußererbank stellt sich dort die Frage eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigen. Im Fall der treuhänderischen Verwahrung ausländischer Effekten stellt sich diese Frage von vornherein nicht, da die Depotbank Vollrechtsinhaberin des Treugutes ist und damit formal-rechtlich immer ein Erwerb vom Berechtigten gegeben ist. Bei einer wirksamen Umbuchung der Werte ist es somit aus Sicht der Erwerberbank gleichgültig, ob die veräußernde Bank von ihrem Kunden zur Übertragung der Werte beauftragt wurde, oder ob sie treuwidrig gehandelt hat. Das Risiko einer treuwidrigen Übertragung des Treugutes trägt der Kunde bzw., wenn kein einzelnes Depotkonto als belastet individualisiert werden kann, anteilig alle Kunden, die von der veräußernden Bank WR-Gutschriften der jeweiligen Wertpapiergattung erhalten haben. Wie bei der Girosammelverwahrung hängt die Sicherheit der Werte des Kunden und Treugebers damit auch bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung vollständig von der Integrität der zwischenverwahrenden Bank ab. ee) Verpfändung einer WR-Gutschrift (1) Bestellung des Pfandrechts Mit der steigenden Zahl von ausländischen Werten in den Portfolios deutscher Investoren steigt auch die Bedeutung ausländischer Werte als Kreditsicherungsmittel. Da es sich bei dem Verschaffungsanspruch des Anlegers gegen die Depotbank um eine schuldrechtliche Rechtsposition handelt, kann er nach den Regeln der Forderungspfändung verpfändet werden. Die Voraussetzungen der Verpfändung unterliegen gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB dem Statut, dem auch die verpfändete Forderung unterliegt.509 Da die Herausgabeansprüche deutschem Recht unterliegen, richtet sich

508 509

Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/357. Palandt/Heldrich, Art. 33 EGBGB, Rn. 2.

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auch die Verpfändung nach deutschem Recht.510 Gerade darin liegt ein entscheidender Vorteil der treuhandrechtlichen Konstruktion bei der Auslandsverwahrung von Effekten.511 Die Verpfändung richtet sich nach §§ 1273 ff., 398 ff. BGB. Neben der Verpfändungsabrede ist gemäß § 1280 BGB eine Anzeige an die Depotbank des Sicherungsgebers erforderlich. Nach außen hin unterscheidet sich die Verpfändung einer Gutschrift in Wertpapierrechnung damit nicht von der Verpfändung eines Sammeldepotanteils, da beide durch die Anzeige der Verpfändung an die Depotbank deutlich gemacht werden. Jedoch ist die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eines Pfandrechts an einem treuhandrechtlichen Herausgabeanspruch vom Nichtberechtigten ausgeschlossen. Pfandgläubiger kann ein außenstehender Dritter oder die Depotbank des Verpfänders selbst sein. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass die von der Bank im Ausland verwahrten Wertpapiere ausdrücklich von der allgemeinen Pfandklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken ausgenommen sind.512 Das scheint selbstverständlich, da die im Ausland erworbenen Rechtspositionen formal-rechtlich ohnehin der Bank als Treuhänderin zustehen und ein Pfandrecht an eigenen Sachen nach deutschem Recht grundsätzlich ausgeschlossen ist.513 Im Übrigen würde sich die Entstehung rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Pfandrechte an auslandsverwahrten Wertpapieren durch die Bank den meisten Fällen nach ausländischem Recht richten. Denkbar wäre jedoch eine Verpfändung der schuldrechtlichen Herausgabeansprüche der Depotkunden gegen die Depotbank. Der Umstand, dass die Bank in diesem Fall nicht nur Pfandgläubigerin, sondern gleichzeitig Schuldnerin der verpfändeten Forderung wäre, stünde einer Pfandrechtsbestellung nicht entgegen.514 Lediglich die Pflicht zur Anzeige der Verpfändung an den Schuldner gemäß § 1280 BGB entfiele in diesem Fall.515 Nach überwiegender Ansicht erfasst der Ausschluss aber auch diese schuldrechtlichen Herausgabeansprüche.516 Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass einige ausländische Rechtsordnungen den Treuhandcharakter nicht anerkennen, wenn der Treunehmer eigene wirtschaftliche Interessen mit dem Treugut verbindet.517 Es bestünde somit die Gefahr des Zugriffs der Auslandsgläubiger der Banken auf die Werte.518 Im Einzelfall können jedoch die Ansprüche auf

510

Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 49; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/126. Vgl. Kümpel, DB 1973, 755. 512 Nr. 14 Abs. 3 S. 2 AGB-Banken; Nr. 21 Abs. 2 S. 2 AGB-Sparkassen. 513 MünchKommBGB/Damrau, §1204, Rn. 13. 514 Vgl. RGZ 116, 198, 207; BGH, WM 1956, 217, 218; BGH NJW 1983, 2701, 2702; BGHZ 93, 71, 76; MünchKommBGB/Damrau, § 1273, Rn. 5. 515 RGZ 116, 198, 207; MünchKommBGB/Damrau, § 1280, Rn. 7. 516 Maier, Bank-Betrieb 1967, 139; Sattler, S. 63 ff.; Heinsius/Horn/Than, § 22 DepotG, Rn. 49; Hellner, in: FS Heinsius, S. 250. 517 Gößmann, in: Hellner/Steuer, Rn. 1/147; Gößmann/Klanten, in: Schimanski/Bunte/ Lwowski, § 72, Rn. 161. 518 Hellner, in: FS Heinsius, S. 251. 511

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ACHTUNGREHerausgabe des Treugutes durch einen besonderen Verpfändungsvertrag an die Bank verpfändet werden.519 (2) Verwertung Zur Verwertung des Pfandrechts an dem Herausgabeanspruch kommt zunächst gemäß § 1277 BGB eine Befriedigung nach den Regeln der Zwangsvollstreckung in Betracht. Dafür ist ein Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das verpfändete Recht erforderlich. Ein solcher Titel kann sich unter anderem auch analog § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aus einer vollstreckbaren Urkunde ergeben. Die Verwertung erfordert ferner einen Pfändungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts,520 wobei sich der Rang des Pfandrechts nach h.M. nach dem Zeitpunkt der Verpfändung und nicht dem der Pfändung richtet.521 Da es sich bei den durch die Gutschrift in Wertpapierrechnung dokumentierten Forderungen zumeist um Herausgabeansprüche handelt, kommt eine Verwertung nach § 847 ZPO in Betracht. Danach wären die Effektenurkunden durch die Depotbank an den vom Gläubiger beauftragten Gerichtsvollzieher herauszugeben. Das Pfandrecht an der Forderung würde sich anschließend gemäß § 1287 BGB an den Wertpapieren fortsetzen, jedenfalls soweit die Wertpapiere im Inland ausgeliefert werden.522 Sie könnten sodann vom Gerichtsvollzieher nach § 821 ZPO freihändig verkauft werden.523 Diese Art der Verwertung wäre jedoch äußerst umständlich und ineffektiv, da die Papiere zum Verkauf umgehend wieder ins Ausland verbracht werden müssten. Voraussetzung wäre im Übrigen ein eigener Anspruch der Depotbank auf Herausgabe einzelner Effektenurkunden gegen den ausländischen Verwahrer. Näherliegend ist deshalb auch hier eine andere Art der Verwertung gemäß § 844 ZPO. Aufgrund der praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Einziehung des Herausgabeanspruchs ist die Vorschrift in der vorliegenden Konstellation anwendbar. Das Vollstreckungsgericht kann die unmittelbare Verwertung der Effekten im Ausland durch den Gerichtsvollzieher, gegebenenfalls unter Einschaltung der Depotbank anordnen. Wenn die Depotbank selbst Pfandgläubigerin ist, kommt auch eine Anordnung in Betracht, wonach die Bank die Werte selbst im Ausland veräußern darf.524 Alternativ kann der Gläubiger den verpfändeten Herausgabeanspruch gegen die Depotbank nach Pfandreife gemäß § 1282 BGB einziehen und nach den allgemeinen Vorschriften verwerten. Auch hier würde sich das Pfandrecht an der Forderung nach 519 Ausführlich Sattler, S. 73 ff.; vgl. auch Maier, Bank-Betrieb 1967, 139; Hellner, in: FS Heinsius, S. 250; ein Muster einer solchen Verpfändungserklärung findet sich bei Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/128. 520 RGRK/Kregel, § 1277, Rn. 1; Soergel/Habersack, § 1277, Rn. 3. 521 Staudinger/Spreng, § 1277, Rn. 5. 522 Maier, Bank-Betrieb 1967, 139; zur Möglichkeit eines Surrogationserwerbs bei einer Auslieferung im Ausland, vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 444 ff. 523 Sattler, S. 87. 524 Sattler, S. 87 f.

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§ 1287 BGB auf die im Inland ausgelieferten Wertpapiere erstrecken.525 Auch diese Lösung brächte die genannten Nachteile mit sich, da hier eine effektive Auslieferung der Papiere im Inland erforderlich wäre. Man geht deshalb davon aus, dass jedenfalls die Depotbank als Pfandgläubigerin mit dem Verpfänder eine direkte freihändige Verwertung aus dem ausländischen Deckungsbestand vereinbaren kann, ohne dass die Wertpapiere ins Inland geliefert werden müssen.526 Ob eine solche von den gesetzlichen Verwertungsregeln abweichende Vereinbarung zwischen Pfandgeber und Pfandnehmer im Rahmen von § 1284 BGB ohne weiteres zulässig ist, erscheint aber durchaus fraglich.527 Der freihändige Verkauf kann jedenfalls nicht als Maßnahme der Einziehung betrachtet werden.528 Eine solche Vereinbarung könnte somit gegen das grundsätzliche Erfordernis einer öffentlichen Versteigerung nach § 1235 Abs. 1 BGB verstoßen, auf das gemäß §§ 1245 Abs. 2, 1277 S. 2 BGB nicht vor Eintritt der Pfandreife verzichtet werden kann. Diese Schranke gilt auch bei einer abweichenden Vereinbarung nach § 1284 BGB.529 Nur wenn das Pfandgut einen Börsenoder Marktpreis hat, gelten die Verwertungserleichterungen nach §§ 1221 und 1295 BGB sowie gegebenenfalls nach § 1259 BGB. Unmittelbar anwendbar wäre die Schranke des § 1235 Abs. 1 BGB, wenn der Herausgabeanspruch gegen die Depotbank selbst verwertet werden sollte. Es spricht jedoch einiges dafür, diese, den Verpfänder vor einer Verschleuderung seines Vermögens schützenden Vorschriften auch bei der Verwertung der hinter dem Herausgabeanspruch stehenden Effekten zu berücksichtigen. Denn wirtschaftlich gesehen stehen bei der Verpfändung der Herausgabeansprüche gegen die Depotbank die auslandsverwahrten Effekten selbst im Vordergrund.530 Die analoge Anwendung dieser Schutzvorschriften auf die Verwertung des Deckungsbestandes im Ausland rechtfertigt sich aus der entsprechenden Interessenlage bei einer Verwertung im Inland. Es kann für den Schuldnerschutz keinen Unterschied machen, ob die Wertpapiere ins Inland verbracht und hier unter Anwendung inländischer Verwertungsvorschriften verwertet werden, oder ob die Verwertung direkt im Ausland durchgeführt wird. Da es sich bei den ausländischen Wertpapieren um Güter mit einem Börsen- oder Marktpreis handelt, wäre gemäß §§ 1221 bzw. 1295 BGB zwar ausnahmsweise ein freihändiger Verkauf zulässig, jedoch nicht vom Pfandgläubiger selbst, sondern nur durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler oder eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person. Die Verwertung soll nicht vollständig in die Hände des Pfandgläubigers gelegt werden, sondern einer gewissen öffentlichen Kontrolle unterliegen. Der Verkauf der Effekten auf dem inländischen oder ausländischen Markt ist demzufolge von einer der in § 1221 BGB 525

Heinsius/Horn/Than, § 22, Rn. 49. Kümpel, DB 1973, 756; Hellner, in: FS Heinsius, S. 251; Gößmann/Klanten, in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 72, Rn. 162. 527 Ablehnend Sattler, S. 88 f. 528 Sattler, S. 91 f. 529 Sattler, S. 88 f.; MünchKommBGB/Damrau, § 1284, Rn. 2. 530 So auch Kümpel, DB 1973, 755, der von einer mittelbaren Verpfändung der ausländischen Effekten spricht. 526

208 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

zugelassenen Personen einzuleiten. Diese könnte aber zur technischen Durchführung gerade bei einem Verkauf im Ausland die inländische Depotbank einschalten. Lediglich dann, wenn sowohl Verpfänder als auch Pfandnehmer Unternehmer, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind, ist gemäß § 1259 BGB bereits vor Eintritt der Pfandreife eine Vereinbarung über den freihändigen Verkauf zum laufenden Preis durch den Pfandgläubiger selbst zulässig. ff) Pfändung einer WR-Gutschrift Zwangsvollstreckungen von Gläubiger des Depotkunden in die WR-Gutschriften unterliegen den für Forderungen geltenden Bestimmungen der §§ 829 ff. ZPO.531 Hinsichtlich der Verwertung ist nach den obigen Ausführungen allein eine andere Verwertung gemäß § 844 ZPO praxisgerecht. Dazu kann das Vollstreckungsgericht die unmittelbare Verwertung des dem Herausgabeanspruch zugrundeliegenden Deckungsbestandes auf einem in- oder ausländischen Markt durch einen Gerichtsvollzieher oder durch die Depotbank selbst anordnen.532 b) Anschaffung und Verwahrung ausländischer Effekten im Inland Die beschriebene treuhänderische Lösung ist nur möglich, wenn die Werte an ausländischen Märkten oder im inländischen Freiverkehr gehandelt werden. Werden ausländische Effekten jedoch im Inland auf einem amtlichen oder geregelten Markt erworben, müssen dem Kunden Miteigentumsanteile an einem Girosammelbestand oder börsenmäßig lieferbare effektive Stücke im Inland geliefert werden.533 Ein schuldrechtlicher Anspruch in Form einer WR-Gutschrift genügt dafür nicht. Die ausländischen Effekten müssen in die inländische Girosammelverwahrung einbezogen werden. Dafür bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten. aa) Direkte Einbeziehung ausländischer Effekten in den inländischen Effektengiroverkehr Zunächst besteht natürlich die Möglichkeit, die ausländischen Originaleffekten nach Deutschland zu verbringen und hier verwahren zu lassen. Dies war nach der Liberalisierung der deutschen Devisengesetzgebung Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts durchaus üblich.534 Die Übertragung der Effekten im Inland bereitet in diesem Fall keine Schwierigkeiten, da sie deutschem Recht unterliegt. Jedoch sind nicht alle ausländischen Effekten geeignet, in Deutschland in die Girosammelver531

Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/144. Vgl. oben C.II.4.bb). 533 Vgl. § 12 Abs. 2 Bedingungen für Geschäfte an der FWB; Keßler, Die Bank 1985, 443; Kümpel, WM 1985, 1383; Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 91; Dittrich, S. 29. 534 Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 86. 532

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wahrung einbezogen zu werden. Es ist erforderlich, dass es sich bei den Effekten um vertretbare Wertpapiere im Sinne von § 1 Abs. 1 DepotG handelt. Ob es sich bei einer ein Recht verbriefenden Urkunde um ein Wertpapier handelt, welcher Art dieses Wertpapier ist und wie das verbriefte Recht übertragen wird, bestimmt sich nach dem Wertpapierrechtsstatut. Wertpapierrechtsstatut ist die Rechtsordnung, die auf das in dem Papier verbriefte Rechtsverhältnis Anwendung findet.535 Danach stellen manche ausländische Urkunden keine Wertpapiere, sondern bloße Beweisurkunden dar.536 Bei ausländischen Inhaberurkunden handelt es sich regelmäßig um vertretbare Wertpapiere.537 Problematischer sind auf den Namen lautende Urkunden wie beispielsweise US-amerikanische Share Certificates. Hier wird die Vertretbarkeit und damit die Sammelverwahrfähigkeit durch die Eintragung einer ausländischen oder inländischen Depotbank bzw. Sammelverwahrbank als einheitlicher Nominee in das Aktienregister des Emittenten sowie dessen Blankoindossament gewährleistet.538 Die Banken übernehmen mit der Eintragung als Nominee jedenfalls nach deutschem Recht die Funktion einer ermächtigten Treuhänderin.539 Selbst wenn es sich bei den Urkunden um vertretbare Wertpapiere handelt, ist die direkte Einbeziehung ausländischer Effekten in die deutsche Girosammelverwahrung äußerst unpraktikabel. Zum einen führt sie zu erheblichen Transportkosten und -risiken. Zum anderen ist die Verwaltung der Wertpapiere wesentlich aufwendiger. Ferner sind dabei Arbitragegeschäfte zwischen Handelsplätzen in verschiedenen Staaten kaum möglich, da die Wertpapiere nicht innerhalb der börslichen Erfüllungsfristen ins Ausland geliefert werden können.540 Die direkte Einbeziehung ausländischer Wertpapiere in die inländische Sammelverwahrung widerspricht damit dem Grundsatz, wonach Effekten grundsätzlich im Heimatland des Emittenten bzw. im Land der Heimatbörse zu verwahren sind. Aus diesem Grund werden ausländische Wertpapiere eher in Form der Zweitverbriefung und vor allem durch gegenseitige Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG in den inländischen Effektengiroverkehr einbezogen. bb) Zweitverbriefung ausländischer Effekten Die Technik der Zweitverbriefung wird vor allem für die inländische Börseneinführung von Urkunden angewandt, die nach deutschem Verständnis keine Wertpapiere, sondern lediglich Beweisurkunden darstellen. Entsprechendes gilt für Effekten, 535

Vgl. ausführlich unten D.II.1.a). Beispielhaft genannt werden englische Share Certificates oder spanische Extractos de Inscripcin, vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 216; Heinsius/Horn/Than, § 1, Rn. 36; Dittrich, S. 137. 537 Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 86. 538 Vgl. Nr. 57 Abs. 1 AGB Clearstream; Brink, S. 116 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 405 f.; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/108b. 539 Vgl. Nr. 57 Abs. 2a AGB Clearstream; Heinsius, ZKW 1971, 24; Brink, S. 116 f.; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 54. 540 Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 88. 536

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

die nicht in einer für den deutschen Handel verständlichen Schrift und Sprache abgefasst sind.541 Beim Konzept der Zweitverbriefung ist die deutsche Wertpapiersammelbank CHTUNGREfA ormelle Inhaberin der Rechtsposition, die ihr von der ausländischen Verwahrstelle vermittelt wird.542 Bei Aktien nimmt sie die Stellung einer Aktionärin ein. Bei Namensaktien wird sie gegebenenfalls selbst als Nominee in das Aktienregister des Emittenten eingetragen. Als fiduziarische Treuhänderin vermittelt sie den inländischen Anlegern soweit möglich alle mit der ausländischen Rechtsposition verbundenen Rechte und Pflichten.543 Die Stellung der Wertpapiersammelbank entspricht bei der Zweitverbriefung somit vollständig ihrer Stellung bei den im Ausland angeschafften und verwahrten Effekten. Anders als bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung werden in diesem Fall die schuldrechtlichen Ansprüche der Anleger gegen die Treuhänderin in einem Inhabersammelzertifikat verbrieft.544 Das Inhabersammelzertifikat stellt ein Forderungspapier dar, dessen Rechtsstatut gemäß Art. 27 ff. EGBGB deutsches Recht ist.545 Es handelt sich um eine Dauerglobalurkunde im Sinne von § 9 a Abs. 3 S. 2 DepotG, die nach den oben beschriebenen Prinzipien in die nationale Girosammelverwahrung einbezogen und im Rahmen des Effektengiroverkehrs anteilsmäßig übertragen werden kann.546 Änderungen an dem zugrundeliegenden Deckungsbestand im Ausland können durch Depotauszüge dargestellt werden, die das Inhabersammelzertifikat ergänzen und als dessen Bestandteil angesehen werden. Sie zeigen den jeweils aktuellen Umfang des in dem Inhabersammelzertifikat verbrieften ausländischen Effektenbestandes.547 Der für diese Technik gängige Begriff der Zweitverbriefung ist etwas missverständlich, da nicht die in den ursprünglichen Effekten verbrieften Rechte, sondern andere, davon abgeleitete Ansprüche verbrieft werden.548 Beim Kauf zweitverbriefter ausländischer Werte erwirbt der Anleger Miteigentum an dem zweitverbriefenden Inhabersammelzertifikat, das einen treuhandrechtlichen und damit zwangsvollstreckungs- und insolvenzfesten Herausgabeanspruch hinsichtlich der zugrundeliegenden Rechtsposition verbrieft.549 Dieser Herausgabeanspruch richtet sich immer gegen die deutsche Wertpapiersammelbank und nicht, wie bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung, gegen die Depotbank des Anlegers. Das Treuhandverhältnis wird inhaltlich durch die Zertifikatsbedingungen ausgestal541 Beispielsweise japanische Aktien, vgl. Heinsius, ZKW 1971, 24; Heinsius/Horn/Than, § 1, Rn. 26; Than, in: FS Heinsius, S. 832. 542 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 451; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/361. 543 Nr. 57 Abs. 6b AGB Clearstream; Brink, S. 120 f. 544 MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 9 f. 545 Dittrich, S. 139. 546 Vgl. Nr. 57 Abs. 2b AGB Clearstream; Than, in: FS Heinsius, S. 832 f.; Dittrich, S. 138; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 56. 547 Than, in: FS Heinsius, S. 833. 548 Vgl. ausführlich Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 453 f. 549 Brink, S. 119; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 209.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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tet und entspricht weitgehend der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses durch die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte.550 Die Zertifikatsbedingungen werden entweder zwischen der Wertpapiersammelbank und dem antragstellenden Kreditoder Finanzdienstleistungsinstitut oder Emittenten ausgehandelt, oder richten sich nach den Musterbedingungen der Wertpapiersammelbank.551 Durch die mittelbare Einbeziehung in die deutsche Girosammelverwahrung erlangen die ausländische Namens- und Inhaberpapiere ihre börsenmäßige Lieferbarkeit in Deutschland und können gleichzeitig dauerhaft im Ausland verwahrt werden. Die Einführung der Dauerglobalurkunde hatte somit große Bedeutung für den Handel ausländischer Aktien in Deutschland.552 Gegenstand des Börsenhandels und des kommissionsrechtlichen oder kaufrechtlichen Anschaffungsverhältnisses zwischen dem Anleger und der anschaffenden Bank sind zwar die ausländischen Effekten. Die Lieferung von Miteigentumsanteilen an den Zweiturkunden ist aber als Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 2 BGB einzuordnen.553 Hinsichtlich des Erwerbs von Miteigentumsanteilen an dem Inhabersammelzertifikat bestehen keine Unterschiede zu anderen inländischen Sammelurkunden. Da die Inhabersammelzertifikate im Inland verwahrt werden, können sie bereits nach dem Grundsatz der lex rei sitae nach deutschem Recht übertragen werden. Die Praxis behandelt deshalb Aktien und aktienvertretende Zertifikate gleich. cc) Gegenseitige Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG Beim Handel auf einem Markt außerhalb des Heimatmarktes sind Arbitragegeschäfte von besonderer Bedeutung. Dabei werden Kursunterschiede an den verschiedenen Börsenplätzen durch gegenläufige Geschäfte an diesen Märkten ausgenutzt und auch ausgeglichen.554 Dies gewährleistet die weitgehende Einheitlichkeit der Kurse auf den einzelnen Märkten und garantiert die Liquidität auf dem regelmäßig kleineren ausländischen Markt.555 Für Arbitragegeschäfte ist es erforderlich, dass Effekten, die auf einem Markt erworben werden, auch fristgerecht auf dem anderen Markt geliefert werden können. Würden ausländische Effekten, die in Deutschland gehandelt werden, auch hier physisch verwahrt, wären Arbitragegeschäfte praktisch ausgeschlossen. Bei der Einbeziehung zweitverbriefender Inhabersammelzertifikate in die Girosammelverwahrung sind Arbitragegeschäfte leichter möglich, da Ein- und Auslieferungen aus dem Depot, das die Wertpapiersammelbank im Ausland unter550 Ausführlich zu den Rechtsbeziehungen der Beteiligten Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 90. 551 Nr. 57 Abs. 6 AGB Clearstream; vgl. das Beispiel eines Inhabersammelzertifikats bei Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 87. 552 Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 86. 553 Dittrich, S. 139. 554 Kümpel, WM 1985, 1283; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 407. 555 Keßler, Die Bank 1985, 443; Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 88; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 455.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

hält, durch ergänzende Depotauszüge relativ einfach umgesetzt werden können. Jedoch ist auch dieses Vorgehen zeit- und kostenträchtig.556 (1) Grundkonzept Das Problem sollte durch die Einführung von § 5 Abs. 4 DepotG im Jahr 1985 gelöst werden.557 Die Vorschrift ermöglicht es der deutschen Wertpapiersammelbank, Sammelbestände ohne besondere Ermächtigung durch die Kunden teilweise oder vollständig bei ausländischen Verwahrern in Sammelverwahrung zu geben. Die Wertpapiersammelbank richtet dazu eine Kontoverbindung mit dem ausländischen Verwahrinstitut ein, das die Werte in Drittverwahrung hält. Die bei der Wertpapiersammelbank im Inland verwahrten Effekten sollen gemeinsam mit den beim ausländischen Verwahrer gehaltenen Depotanteilen artgleicher Effekten einen einheitlichen, grenzüberschreitenden Girosammelbestand bilden.558 Dies ermöglicht es der Wertpapiersammelbank sodann, Effektengeschäfte an ausländischen und inländischen Börsenplätzen durch Kontobuchungen auf den ausländischen Depotkonten abzuwickeln. So kann sie den inländischen Wertpapiermarkt im Rahmen des deutschen Effektengiroverkehrs mit ausländischen Effekten in Form von Girosammeldepotanteilen beliefern, auch wenn die maßgeblichen Effektenbestände teilweise oder sogar vollständig bei ausländischen Verwahrern lagern und dort verwaltet werden.559 Anders als beim treuhandrechtlichen Giroverkehr erhält der Erwerber damit keine bloß schuldrechtlichen Ansprüche, sondern dingliche Rechte am ausländischen Effektenbestand. § 5 Abs. 4 DepotG ermöglicht so die fristgerechte Abwicklung von Arbitragegeschäften im Rahmen des Effektengiroverkehrs.560 Eine gegenseitige Kontoverbindung, bei der das ausländische Verwahrinstitut auch ein Depotkonto bei der deutschen Wertpapiersammelbank unterhält, ist dabei entgegen dem Wortlaut von § 5 Abs. 4 DepotG nach überwiegender Ansicht und gängiger Praxis nicht erforderlich.561 Das Konzept eines einheitlichen, aber gleichwohl an verschiedenen Orten verwahrten Wertpapiersammelbestandes ähnelt dem System des platzübergreifenden Effektengiroverkehrs, das die deutschen Kassenvereine vor ihrer Fusionierung zur Deutschen Kassenverein AG betrieben haben.562 Zwischen den sechs deutschen Kas556

Vgl. Delorme, ZKW 1980, 608; Keßler, Die Bank 1981, 379 ff.; ders., Die Bank 1985, 443 f. Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 89. 557 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren soACHTUNGREwie anderer wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 17.7.1985, BGBl. I, 1507; vgl. dazu Keßler, Die Bank 1985, 443 ff.; Kümpel, WM 1985, 1381 ff. 558 Vgl. Nr. 29 S. 3 AGB Clearstream; Keßler, Die Bank 1985, 443; Kümpel, Rn. 11.275. 559 Hellner, in: FS Heinsius, S. 218; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/58. 560 BT-Drucks. 10/1904, S. 7; Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 89. 561 Kümpel, Rn. 8/59d; Dittrich, S. 142; eine lediglich einseitige Kontoverbindung bestand beispielsweise bis 1998 zwischen dem Deutschen Kassenverein und der DTC in New York, vgl. Meyer-Sparenberg, WM 1996, 1118; Gruson, AG 2004, 374. 562 Vgl. dazu Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 83; Kümpel, WM 1976, S. 948 f.

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senvereinen existierten gegenseitige Kontoverbindungen, über die Wertpapiergeschäfte zwischen Kontoinhabern verschiedener Kassenvereine buchungsmäßig abgewickelt werden konnten. Zur Erfüllung einer Lieferverbindlichkeit belastete der Kassenverein auf Seiten des Veräußerers das Konto der Depotbank des Veräußerers und schrieb die Werte auf dem Konto des Kassenvereins auf Seiten des Erwerbers gut. Dieser konnte die Werte sodann der Erwerberbank gutschreiben.563 Rechtlich wurde die Gutschrift des Sammeldepotanteils auf dem Konto des Kassenvereins des Erwerbers als Einlieferung in dessen Sammelbestand im Sinne von § 6 Abs. 1 ACHTUNGREDepotG qualifiziert.564 Die auf dem Konto des Kassenvereins des Erwerbers gutgeschriebenen Anteile wurden damit Teil eines einheitlichen Sammelbestandes dieses Kassenvereins.565 Die Miteigentumsanteile aller Berechtigten am Sammelbestand des Kassenvereins auf Erwerberseite bezogen sich sodann anteilsmäßig nicht nur auf den bisherigen, von dem Kassenverein unmittelbar gehaltenen Sammelbestand, sondern, entsprechend einer normalen Einlieferung zusätzlicher Wertpapiere in einen Sammelbestand, auch auf den „auswärtigen“ Sammeldepotanteil. Mit einer solchen Transaktion ging folglich eine Umstrukturierung der Miteigentumsanteile am Sammelbestand einher.566 Die Grundsätze des platzübergreifenden Effektengiroverkehrs sind auf gegenseitige Kontoverbindungen zwischen Wertpapiersammelbanken in verschiedenen Ländern nach § 5 Abs. 4 DepotG übertragbar. Der von Clearstream verwaltete Sammelbestand setzt sich damit rechtlich aus den von ihr selbst verwahrten Effekten und den auf ausländischen Konten unterhaltenen Sammeldepotanteilen artgleicher Wertpapiere zusammen.567 Praktisch werden aber ausländische Wertpapiere kaum noch in Deutschland verwahrt. Etwaige Handbestände zur Erfüllung von Herausgabebegehren einzelner Anleger werden zunehmend abgeschafft.568 Ein grenzüberschreitender Sammelbestand befindet sich damit faktisch vollständig im Ausland. (2) Voraussetzungen für gegenseitige Kontoverbindungen Die Regelung zielte zunächst allein auf die Abwicklung von Arbitragegeschäften und war deshalb ursprünglich auf Effekten beschränkt, die sowohl im Inland als auch im Sitzstaat des ausländischen Verwahrers an einem geregelten Markt gehandelt

563

Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 92; Canaris, Rn. 2023; Kümpel, Rn. 11.421. Kümpel, Rn. 11.422. 565 So jedenfalls die h.M., vgl. Büchner, S. 112; Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 92; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/340; a.A. Brink, S. 99 f.; Wolter, S. 324; Becker, S. 74 ff., die von einem einheitlichen Sammelbestand aller Kassenvereine ausgingen. 566 Canaris, Rn. 2023. 567 Vgl. BT-Drucks. 10/1904, S. 7; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/62; Saager, S. 104 f.; a.A. MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 178, wonach nicht nur die für Clearstream im Ausland verbuchten Anteile, sondern der gesamte ausländische Sammelbestand Teil eines gemeinsamen Sammelbestandes wird. 568 Dittrich, S. 142; Ege, S. 21. 564

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A urden.569 Diese Beschränkung wurde jedoch angesichts der steigenden Zahl grenzCHTUNGREw überschreitender Transaktionen und weiter gefasster ausländischer Regelungen durch Änderungen im Depotgesetz 1994570 und 1998571 schrittweise aufgehoben. Heute können grundsätzlich auch Geschäfte im außerbörslichen Handel über den grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr abgewickelt werden.572 Abgesehen von dem Erfordernis, dass die ausländischen Effekten vertretbar sein müssen und von einem ausländischen Sammelverwahrer verwahrt und verwaltet werden müssen, überlässt es der Gesetzgeber den beteiligten Verwahrinstituten, welche Effekten in die grenzüberschreitende Girosammelverwahrung einbezogen werden können.573 Jenseits des Kreises einbeziehungsfähiger Effekten macht die Vorschrift einige anlegerschützende Vorgaben: Nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 DepotG muss der ausländische Verwahrer in seiner Funktion im Wesentlichen auf die Sammelverwahrung von Wertpapieren beschränkt sein und einer für den Anlegerschutz ausreichenden Aufsicht unterliegen.574 Durch die Beschränkung auf die Tätigkeit der Sammelverwahrung sollen Kreditrisiken ausgeschlossen werden, die aus einer anderweitigen Tätigkeit des Verwahrers resultieren können. Darüber hinaus dürfen der Auslieferung der auslandsverwahrten Effekten nach Nr. 3 der Vorschrift keine devisenrechtlichen oder anderen öffentlich-rechtlichen Verbote des Sitzstaates entgegenstehen.575 Zentral für den Schutz des Depotkunden ist jedoch die materielle Ausgestaltung der Berechtigung an den auslandsverwahrten Effekten. § 5 Abs. 4 Nr. 2 DepotG verlangt deshalb eine dem Depotgesetz gleichwertige Rechtsstellung des Hinterlegers. Kriterien für die Gleichwertigkeit sind insbesondere die Insolvenz- und Vollstreckungsfestigkeit.576 Überwiegend wird deshalb verlangt, dass dem Anleger nach der ausländischen Rechtsordnung insolvenz- und vollstreckungssicheres Miteigentum oder eine funktional gleichwertige Rechtsstellung zu verschaffen ist.577 Die Werte des Anlegers dürfen weder dem Zugriff durch andere Gläubiger des endverwahrenden Instituts unterliegen, noch von einem Sicherungsrecht zugunsten des Verwahrers für andere Ansprüche als solchen aus dem Verwahrungsverhältnis selbst erfasst sein.578 Das Vorliegen der genannten 569

BT-Drucks. 10/1904, S. 11. Art. 7 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. 7. 1994, BGBl. I, 1749. 571 Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz – HRefG) vom 22. 6. 1998, BGBl. I, 1474. 572 Weiterführend zur Rechtsentwicklung Dittrich, S. 140 f.; Kümpel, Rn. 11.278. 573 Vgl. BT-Drucks. 13/8444, S. 82; Dittrich, S. 141. 574 Vgl. BT-Drucks. 10/1904, S. 10; Saager, S. 101. 575 Dazu Keßler, Die Bank 1985, S. 444 f. 576 BT-Drucks. 10/1904, S. 7; mitunter wird auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs für erforderlich gehalten, vgl. Dittrich, S. 145. 577 Vgl. BT-Drucks. 10/1904, S. 10 f.; Kümpel, Rn. 11.282. 578 Than, in: Guynn, S. 74. 570

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Voraussetzungen wird vor der Begründung einer Kontoverbindung durch rechtsvergleichende Gutachten sichergestellt.579 Soweit dieser Schutz gewährleistet ist, kommt es nicht darauf an, wie die Rechte verbrieft sind oder ob sie überhaupt verbrieft sind.580 Klärungsbedürftig ist, ob § 5 Abs. 4 DepotG verlangt, dass das ausländische Verwahrsystem sachenrechtlich strukturiert ist und dem Anleger ein dingliches Recht an den zugrundeliegenden Effekten verschafft, oder ob bei entsprechender rechtlicher Ausgestaltung (etwa durch eine treuhandrechtliche Insolvenzsicherung) auch schuldrechtliche Ansprüche einbezogen werden können. Die Gesetzesbegründung zu der Vorschrift ging davon aus, dass auch im Ausland Miteigentum gewährt werden müsse.581 Die Literatur hält jedoch zumeist auch Kontoverbindungen zu schuldrechtlich ausgestalteten Verwahrsystemen für möglich und begnügt sich damit, dass die im Ausland gewährte Rechtsposition der inländischen funktional gleichwertig ist.582 In der Praxis bestehen in der Tat Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG zu Verwahrsystemen, bei denen die Wertpapiersammelbank selbst als Inhaber des Vollrechts gilt und den Anlegern lediglich schuldrechtliche Ansprüche zukommen, die mit einem gewissen Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsschutz ausgestattet sind. Dies ist beispielsweise bei der Verbindung zwischen Clearstream und dem US-amerikanischen Sammelverwahrer DTC der Fall.583 Nach amerikanischem Recht hat der Anleger keine dinglichen Rechte an den sammelverwahrten Wertpapierurkunden, sondern ist auf einen spezialgesetzlich ausgestalteten schuldrechtlichen Anspruch gegen seinen Intermediär beschränkt (security entitlement).584 Werden Wertpapiere nach Deutschland verbucht, die bei der DTC sammelverwahrt werden und in die gegenseitige Kontoverbindung nach § 5 Abs. 4 DepotG einbezogen sind, so schreibt die DTC auf dem von ihr für Clearstream geführten Konto eine entsprechende Anzahl an security entitlements gut. Clearstream schreibt die Werte der bei ihr angeschlossenen Depotbank gut, die die Werte ihrerseits ihrem Kunden gutschreibt. Problematisch ist aber, dass die beiden Gutschriften in Deutschland als Gutschriften über einen Girosammeldepotanteil und damit als Miteigentumsanteil an den amerikanischen Wertpapierurkunden eingeordnet werden. Die Anteile werden in Deutschland auch nach den Vorschriften des Sachenrechts übertragen oder verpfändet. Unabhängig von der höchst komplizierten Frage, welche Rechtsordnung auf den Übertragungsvorgang anzuwenden ist, ist dieses Ergebnis bereits aus materiellrechtlicher Sicht höchst fragwürdig. Obgleich der amerikanische Sammelverwahrer DTC der ClearACHTUNGREstream nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen sich selbst einräumen kann, wird die Rechtsposition in Deutschland in den inländischen sachenrechtlich strukturierten Effektengiroverkehr einbezogen und als dingliches Recht behandelt. Rechtssystema579 BT-Drucks. 10/1904 S. 7; Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 89; ders., in: FS Kümpel, S. 550. 580 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/59b. 581 BT-Drucks. 10/1904 S. 11. 582 Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/62; Than, in: FS Kümpel, S. 550; Saager, S. 100. 583 Gruson, AG 2004, 374. 584 Ausführlich zum US-amerikanischen Recht unten C.III.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

tisch ist dies aber schlechterdings ausgeschlossen. Gewährt das ausländische Verwahrsystem Clearstream lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch, so mag dieser Anspruch durch die Regeln der Treuhand oder spezialgesetzliche Anordnungen einem Miteigentumsrecht funktional gleichwertig sein. Clearstream kann dem deutschen Kunden dann jedoch allenfalls diesen Anspruch gegenüber dem ausländischen Sammelverwahrer, nicht jedoch Miteigentum an den Effektenurkunden verschaffen.585 Es ist nicht möglich, die Rechte in den sachenrechtlich organisierten inländischen Effektengiroverkehr einzubeziehen.586 Aus rechtssystematischen Gründen muss das ausländische Verwahrsystem deshalb ebenfalls dinglich strukturiert sein, damit ein grenzüberschreitender Wertpapiersammelbestand entstehen kann. Die Stellung des Anlegers, dem von einer deutschen Depotbank Sammeldepotanteile an US-verwahrten Effekten gutgeschrieben werden, ist damit völlig unklar. Einerseits erlangt er nach den obigen Ausführungen jedenfalls kein Miteigentumsrecht an den zugrunde liegenden Effekten. Seine Rechtsposition ist in der Insolvenz seiner eigenen Depotbank aber auch nicht nach den treuhandrechtlichen Regeln der ACHTUNGREGutschrift in Wertpapierrechnung geschützt, da zwischen ihm und seiner Bank kein Treuhandverhältnis besteht und auch keine Gutschrift in Wertpapierrechnung erteilt wurde. Aus den gleichen Gründen erwirbt er auch kein vertragliches security entitlement gegen seine eigene Depotbank. Zweifelhaft ist auch, ob das schuldrechtliche security enACHTUNGREtitleACHTUNGREment, dass Clearstream gegenüber der DTC erworben hat, überhaupt nach sachenrechtlichen Grundsätzen auf den Erwerber übertragen werden könnte. Letztlich sind in der Insolvenz der inländischen Depotbank damit weder die eigentumsrechtlichen Insolvenzsicherungsmechanismen noch diejenigen des Treuhandrechts noch diejenigen des US-amerikanischen Rechts des security entitlements anwendbar. Die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung der beteiligten Verwahrsysteme führt hier zu einer Perplexität, die rechtskonstruktiv nicht befriedigend bewältigt werden kann. (3) Praktische Bedeutung von § 5 Abs. 4 DepotG Clearstream unterhält zu mehreren ausländischen Sammelverwahrinstituten gegenseitige Kontoverbindungen im Sinne von § 5 Abs. 4 DepotG.587 Angaben aus der Praxis zufolge können von den ausländischen, nicht direkt in die deutsche Girosammelverwahrung einbezogenen Effekten, die die deutschen Kreditinstitute für ihre Kunden halten, circa 75 – 80 % als Girosammelgutschrift aufgrund einer gegenseitigen Kontoverbindung im Sinne von § 5 Abs. 4 DepotG verbucht werden. Der verbleibende Anteil wird treuhänderisch in Form der Gutschrift in Wertpapierrechnung 585

So auch Einsele, WM 2005, 1111. Dittrich, S. 145. 587 Derzeit werden gegenseitige Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG zum niederländischen, französischen, österreichischen, belgischen, schweizerischen, finnischen, spanischen, japanischen und italienischen Zentralverwahrer sowie zur DTC in New York unterhalten, vgl. MünchKommBGB/Wendehorst, Art, 43 EGBGB, Rn. 209, Fn. 361. 586

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ACHTUNGREgehalten.588 Die internationalisierte Girosammelverwahrung setzt sich damit zunehmend gegenüber der Verwahrung nach § 22 Abs. 1 DepotG durch.589 Keine Kontoverbindungen im Sinne von § 5 Abs. 4 DepotG stellen jedoch die Verbindungen zwischen der deutschen Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG und den ACHTUNGREbeiden internationalen Zentralverwahrern Clearstream Banking Luxembourg und Euroclear dar. Letztere verwahren die von ihnen verbuchten Wertpapiere nicht selbst, sondern lassen sie wiederum von anderen Verwahrinstituten verwalten. Bei den Geschäften, die über internationale Zentralverwahrer abgewickelt werden, werden den Anlegern grundsätzlich keine Miteigentumsanteile, sondern lediglich schuldrechtliche Lieferansprüche verschafft.590 Gegenseitige Kontoverbindungen ermöglichen es somit, ausländische Wertpapiere an deutschen Börsen zu handeln und die Geschäfte im Effektengiroverkehr durch Sammeldepotgutschriften zu erfüllen. Auch Arbitragegeschäfte zwischen dem deutschen und dem ausländischen Handelsplatz werden dadurch problemlos ermöglicht. Soweit die ausländischen Rechtsordnungen dies zulassen, können die Kontoverbindungen auch für den Handel deutscher Effekten im Ausland genutzt werden.591 Die praktische Bedeutung der Vorschrift steht im direkten Gegensatz zur Rechtsklarheit hinsichtlich ihrer Grundlagen. Neben der angesprochenen der Verbuchung ausländischer schuldrechtlicher Rechtspositionen ist beispielsweise auch unklar, ob man ohne weiteres auslandsverwahrte Depotanteile und inlandsverwahrte Effekten zu einem Sammelbestand im Rechtssinne zusammenfügen kann. Denn die Rechtsposition, welche die inländische Wertpapiersammelbank im Ausland hält, ist kein Miteigentum im deutschen Rechtssinne, sondern allenfalls eine vom ausländischen Recht ausgestaltete gleichwertige dingliche Rechtsposition. Es ist zweifelhaft, ob eine dem Miteigentum lediglich gleichwertige ausländische Rechtsposition ohne weiteres im Inland als Miteigentumsanteil an einem Sammeldepot im Sinne des deutschen Sachen- und Depotrechts verbucht werden kann.592 Damit korrespondieren auch kollisionsrechtliche Probleme, da auf Grundlage des Prinzips der lex rei sitae nicht klar ist, ob eine Verfügung über einen derartigen grenzüberschreitenden Sammelbestand deutschem Recht oder dem Recht am ausländischen Verwahrungsort unterliegt. Nimmt man den Grundsatz der lex rei sitae ernst, so wären in dem Fall, in dem sich tatsächlich Teile des Sammelbestandes im Geltungsbereich beider Rechtsordnungen befinden, auch beide Rechtsordnungen auf eine Übertragung oder Belastung eines Anteilsrechts anzuwenden.593 Diese Fragen werden durch moderne kollisionsrechtliche Regeln für intermediär verwahrte Wertpapiere angesprochen, die das Prinzip der lex rei sitae zu einem gewissen Grad ablösen. Sie werden im dritten Teil der 588 589 590 591 592 593

Vgl. Saager, S. 99. Dittrich, S. 31. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 409; Saager, S. 102; Dittrich, S. 146 f. Than, WM 1994, Festgabe Hellner, S. 90. So aber v. Criegern, S. 108. Ausführlich zu diesem Problem unten D.III.3.b).

218 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Arbeit behandelt. Ungeklärt sind ferner zentrale Fragen der Zwangsvollstreckung in einen grenzüberschreitenden Sammeldepotanteil. Fraglich ist beispielsweise, wessen Vollstreckungsorgane für die Pfändung eines grenzüberschreitenden Sammeldepotanteils zuständig sind und nach welchem Recht sich die Wirksamkeit von Pfändungsmaßnahmen richtet. Zur Pfändung beweglicher Sachen sind grundsätzlich die Vollstreckungsorgane befugt, in deren Hoheitsgebiet sich die Sache befindet.594 Näherliegend ist aber auch hier, entsprechend den Grundsätzen zur Pfändung deutscher Sammeldepotanteile die Regeln über die Pfändung sonstiger Vermögensrechte heranzuziehen. Dafür wären die deutschen Vollstreckungsorgane zuständig.595 6. Entwicklungsmöglichkeiten für das deutsche Wertpapierrecht Im vorstehenden Teil der Arbeit wurde dargelegt, dass Effektenurkunden für die praktischen Abläufe des buchungsmäßigen Wertpapierverkehrs keine Bedeutung mehr haben. Aber auch aus rechtlicher Sicht scheint die auf das Notwendigste zurückgedrängte Verkörperung von Effekten die ursprünglichen Funktionen der Verbriefung nicht mehr voll zu erfüllen. Dieser Frage ist im Folgenden nachzugehen. Darauf aufbauend werden einige Überlegungen hinsichtlich zweier denkbarer Entwicklungsmöglichkeiten des deutschen Wertpapierrechts angestellt. In Betracht kommt zum einen ein völlig papierfreies Effektenwesen. Zum anderen ist auch eine alternative, nicht sachenrechtlich strukturierte Buchungskonstruktion denkbar. a) Ausgangspunkt: Funktionsverlust von Effektenurkunden Der Funktionsverlust der Wertpapierurkunden im Effektengiroverkehr kann anhand der eingangs erwähnten Wertpapierfunktionen belegt werden. Zunächst werden die Effektenurkunden für ihre Übertragung nicht mehr tatsächlich übergeben. Vielmehr werden Voll- und Teilrechtsübertragungen durch Buchungsvorgänge vollzogen. Dabei wird kein Alleineigentum an einzelnen Wertpapierurkunden übertragen, sondern ideell geteiltes Bruchteilseigentum an allen den Sammelbestand konstituierenden Urkunden. Das kann aber nicht bedeuten, dass auch die einzelnen verbrieften Rechte allen Miteigentümern nach ideellen Bruchteilen zustehen. Dies hätte kaum mehr fassbare Konsequenzen etwa für Dividendenoder Zinsansprüche oder die praktische Ausübung des Stimmrechts.596 Es ist vielmehr anerkannt, dass die verbrieften Rechte den einzelnen Miteigentümern jeweils ungeteilt als Ganzes zustehen.597 Der Übergang des verbrieften Rechts ist daher nicht mehr

594 595 596 597

Geimer, Rn. 3204. Vgl. Geimer, Rn. 3211 ff. Vgl. Dechamps, S. 17. Canaris, Rn. 2197; Westermann, RabelsZ 49 (1985), 233; Dechamps, S. 17.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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vollständig an die Übereignung des verbriefenden Papiers gebunden.598 Die Transportfunktion der Effektenurkunden ist eingeschränkt. Neben diese eher rechtsdogmatische Überlegung treten aber auch praktische Aspekte. So wird die im Vergleich zu unverbrieften Rechten erhöhte Umlauffähigkeit nicht mehr durch die Eigentumsvermutung aufgrund des Besitzes an der Urkunde gemäß § 1006 Abs. 1 BGB gewährleistet. Stattdessen dienen einzig die Buchungsunterlagen der involvierten Depotbanken als Vertrauensgrundlage für den gutgläubigen Erwerb.599 Die Depotbuchungen haben damit die Funktion der Wertpapierurkunde für den gutgläubigen Erwerb übernommen. Dies ist insoweit bemerkenswert, als dadurch auch der gutgläubige Erwerb eines Miteigentumsanteils ermöglicht wird, was aufgrund des bloßen Mitbesitzes nach allgemeinen Grundsätzen nicht möglich ist.600 Die Effektenurkunden haben damit bei der Eigentumsübertragung keine tatsächliche Funktion mehr. Man könnte die Transportfunktion zwar in rechtlicher Hinsicht noch für gegeben halten, da die Übertragung des Rechts nach wie vor an den Übergang des Sacheigentums an den immobilisierten Effektenurkunden gebunden ist. Die verkehrsfreundlichen sachenrechtlichen Vorschriften werden durch die Verbriefung überhaupt erst auf die verbrieften Rechte anwendbar.601 Jedoch besteht auch eine solche, auf die bloße Eröffnung der sachenrechtlichen Übertragungsvorschriften beschränkte Transportfunktion nicht für alle Effekten. Denn auch völlig unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen können auf die gleiche Art und Weise übertragen werden. Gerade an den ACHTUNGREunverbrieften Sammelschuldbuchforderungen wird deutlich, dass die Wertpapierurkunden für die Übertragung der Effekten und den Verkehrsschutz jegliche tatsächliche Funktion verloren haben und auch in rechtlicher Hinsicht entbehrlich sind. Gerade der Verkehrsschutz stützt sich nicht auf die Existenz oder gar Sichtbarkeit besitzrechtlicher Beziehungen, sondern auf die Depotbuchungen und damit im Ergebnis auf das Vertrauen, dass die involvierten Banken im Rahmen dieser Transaktionen genießen.602 Der Funktionsverlust von Effektenurkunden wird auch an der Legitimationsfunktion deutlich. So haben die Inhaber der Rechte jedenfalls bei der Globalurkunde keine Möglichkeit, sich durch Vorlage der Urkunde dem Emittenten gegenüber als Berechtigte auszuweisen. Soweit sich die Anleger gegenüber dem Emittenten legitimieren müssen, etwa bei der Ausübung des Aktionärsstimmrechts, treten an die Stelle der verbrieften Urkunden gemäß § 123 Abs. 2 S. 2 AktG Hinterlegungsbescheinigungen, die von den verwahrenden Hinterlegungsstellen ausgestellt werden. Auch für die Erstellung dieser Bescheinigungen sind die Wertpapierurkunden nicht von Bedeutung, da die depotführenden Stellen dazu ausschließlich auf ihre Buchungsunterlagen zu598

Brink, S. 79 spricht von einer Lockerung der Verknüpfung von Recht und Papier in der Sammelverwahrung. 599 Vgl. oben C.II.2.c); Zahn/Kock, WM 1999, 1964; Reuschle, BKR 2003, 563. 600 Hueck/Canaris, S. 16. 601 So Kümpel, WM 1982, 737, der deswegen nicht von einem Funktionsverlust, sondern allenfalls von einer Funktionsschwäche der Verbriefung spricht. 602 Zöllner, in: FS Raiser, S. 267; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 185.

220 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

rückgreifen.603 Ähnliches gilt bei der Umschreibung des Aktienbuchs bei der Übertragung von Namensaktien. Auch hier kommt es nicht zur Vorlage der Aktienurkunde bei der Emittentin. Stattdessen bestätigt Clearstream den Rechtsübergang, wobei sie sich auch hier nicht auf die bei ihr ohnehin dauerverwahrte Globalurkunde verlassen kann, sondern allein auf ihre eigenen Buchungsunterlagen, in denen sie eine zum Aktienbuch parallele Datei über die Aktionäre führt.604 Allenfalls im Verhältnis zwischen der Wertpapiersammelbank und dem Emittenten könnte die Legitimationsfunktion fortbestehen, wenn diese als ermächtigte Treuhänderin die verbrieften Rechte im eigenen Namen ausübt. Dies ist etwa beim Einzug von Zinsen und Dividenden der Fall. Insoweit könnte sich die Vermutung der Legitimation der Wertpapiersammelbank auf ihren Besitz an den Urkunden stützen.605 Jedoch legitimiert sich die Wertpapiersammelbank gegenüber dem Emittenten allein mit einer Bestätigung, wonach sie die Mäntel und Zins- oder Dividendenscheine verwahrt. Sie übernimmt dabei die Gewähr, dass Zins- und Dividendenscheine nicht in den Verkehr gelangen.606 Zu einer tatsächlichen Vorlage, die Grundlage für eine Legitimationsfunktion wäre, kommt es nicht.607 Auch bei der Ausstellung dieser Bestätigung stützt sich die Wertpapiersammelbank allein auf ihre Buchungsunterlagen.608 Damit ist auch die Präsentationsfunktion von Effektenurkunden entfallen.609 Das Vertrauen in das Bestehen eines Rechts wird nicht mehr durch die Vorlage einer Urkunde geschützt, sondern durch das Vertrauen in das Abwicklungssystem ersetzt.610 Im modernen Effektenverkehr können Effekten auch die Gewährleistungsfunktionen nicht mehr vollständig erfüllen. Selbst wenn die genauen Merkmale eines verbrieften Rechts, beispielsweise einer Schuldverschreibung, auf der Urkunde dokumentiert sind oder mit einer Sammelurkunde in Verwahrung gegeben werden, hat der Erwerber keine Möglichkeit, davon Kenntnis zu nehmen. Er erlangt seine Kenntnis von den genauen Ausstattungsmerkmalen einer Emission nicht durch die Urkunde, sondern entnimmt diese Informationen einem Börsenzulassungs- bzw. Verkaufsprospekt oder anderen Mitteilungen.611 .

603

Zöllner, in: FS Raiser, S. 260; Hueck/Canaris, S. 15; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 157. 604 Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 290 f. 605 In diesem Sinne Koller, Gutachten, S. 1496; Lütticke, S. 137, 141; Kümpel, WM 1982, 730 f.; Pleyer, in: FS Werner, S. 650. 606 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 153. 607 Heinsius/Horn/Than, § 6, Rn. 52; Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 80; Zöllner, in: FS Raiser, S. 260; Keßler, ZKW 1990, 128; Dechamps, S. 15 f.; Zahn/Kock, WM 1999, 1963. 608 Hueck/Canaris, S. 16. 609 Zahn/Kock, WM 1999, 1963. 610 Brink, S. 76. 611 Zahn/Kock, WM 1999, 1963.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Im Ergebnis ist die Funktion der Verbriefung eines Rechts in einer Urkunde weitgehend durch Buchungsakte der Banken ersetzt worden.612 Die Verbriefung kann ihre Funktion für die Erleichterung des Umlaufs und der Ausübung von Rechten nicht mehr erfüllen, sondern hat sich zunehmend zu einem Hindernis für den Wertpapierverkehr entwickelt. Die Wertpapierurkunde wurde im Effektengiroverkehr zu einem größtenteils sinnentleerten Papier.613 Wenn man die Verkörperungswirkung von Wertpapieren darin sieht, dass das verbriefte Recht hinsichtlich Bestand, Ausübung und Übertragung zu einem gewissen Grad an das Schicksal des Papiers gebunden wird, so trat die Zurückdrängung des Verkörperungselements bei Wertpapieren614 nicht erst mit der Einführung von Sammelurkunden oder unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen ein. Vielmehr ist sie bereits darin zu sehen, dass einzelverbriefte Rechte in Sammelverwahrung genommen werden. Denn bereits mit diesem Schritt werden die Funktionen der Einzelurkunden durch andere Mechanismen, insbesondere das Buchungssystem ersetzt. Der entscheidende Schritt der stufenweisen Rationalisierung des Effektenwesens lag damit nicht in der Einführung von Sammelurkunden oder unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen, sondern bereits in der Einführung der Sammelverwahrung. Es ist in gewisser Weise ironisch, dass der bedeutungsvolle Schritt zur Sammelverwahrung bereits zu einer Zeit gemacht wurde, zu der die Lehre von der Verkörperungswirkung gerade erst allgemeine Anerkennung gefunden hatte.615 b) Die Möglichkeit eines papierfreien Effektensystems Aus dem Funktionsverlust der Urkunden im Effektenwesen folgt gleichzeitig, dass auch das Institut der Sammelurkunde keine für den Effektenverkehr notwendige Funktion erfüllt.616 Letztlich bewirkt die Sammelurkunde eher eine Verschleierung des tatsächlichen Zustandes.617 Es stellt sich deshalb zwangsläufig die Frage, ob für den Bereich der Kapitalmarkt„papiere“ überhaupt noch an einer zumindest rudimentären Form der Verbriefung festzuhalten ist, oder ob sich nicht stattdessen ein Übergang auf ein vollkommen wertpapierfreies Effektenwesen nach dem Vorbild unverbriefter Sammelschuldbuchforderungen empfiehlt.618 So wird immer wieder vorgetragen, dass die Sammelurkunde vor dem Hintergrund ihrer Funktionslosigkeit ebenso gut durch eine Eintragung in ein Register und damit durch reine Buchungsakte 612

Fabricius, AcP 162 (1963), 481; Canaris, Rn. 2040. Brink, S. 78; ähnlich Drobnig, in: Kreuzer, S. 22. 614 Die plastische Formulierung geht zurück auf Zöllner, in: FS Raiser, S. 251 ff. 615 Micheler, S. 159. 616 Ebenso, jedenfalls hinsichtlich der Transportfunktion Pleyer, in: FS Werner, S. 650. 617 Schlegelberger/Hefermehl, § 406 Anh., Rn. 299. 618 Befürwortend Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 155; Delorme, ZKW 1980, 610 f.; aus der jüngeren Zeit vgl. insbesondere Zahn/Kock, WM 1999, 1262 ff.; Habersack/ Mayer, WM 2000, 1684; Arora, Die Bank 2009, 14; offen dahingehend auch Than/Hannöver, in: v. Rosen/Seifert, S. 292 f. 613

222 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

der Banken ersetzt werden könnte.619 Da es sich bei den Miteigentumsanteilen an Sammerkunden praktisch bereits jetzt um Bucheffekten handle, sei der Schritt zu einem echten papierlosen System nicht mehr groß.620 Auf dem Weg zu einem in Wahrheit angestrebten und verdeckt bereits anerkannten papierlosen System sei die Sammelurkunde nichts weiter als ein fauler Kompromiss mit sachenrechtlichen Traditionen,621 eine geistige Krücke, an der weder aus rechtssystematischen noch aus praktischen Gründen festgehalten werden müsse.622 Den kunstvollen rechtskonstruktivistischen Umweg der Sammelurkunde könne man sich ersparen und auch privaten Emittenten die Emission unverbriefter Wertrechte erlauben.623 Man sieht darin auch weiteres Kostensenkungspotential für den Effektenverkehr.624 aa) Ausgestaltungsmöglichkeiten Fraglich wäre natürlich die Ausgestaltung eines solchen papierlosen Effektensystems. Grundsätzlich könnte man sich am Modell der Sammelschuldbuchforderung orientieren und damit weiterhin sachenrechtliche Übertragungsgrundsätze anwenden. Nach der überwiegenden Ansicht bedürfte es für die Emission unverbriefter Wertrechte durch private Emittenten ebenso einer gesetzlich angeordneten Gleichstellung solcher Effekten mit verbrieften Werten.625 Demgegenüber meinen andere, dass die sachenrechtlichen Normen aufgrund der faktischen Funktionsgleichheit von Verbriefung und Buchung bereits jetzt analog auf unverbriefte Effekten privater Emittenten angewendet werden könnten, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen gesetzlichen Gleichstellung bedürfe.626 Aus Gründen der Rechtssicherheit und in Anbetracht der gesetzlichen Regelung für staatliche Schuldtitel kann dem aber jedenfalls aus praktischer Sicht nicht zugestimmt werden. Eine gesetzliche Gleichstellungsregelung wäre notwendig. Zu klären wäre darüber hinaus, wer das Register führen sollte, in das die unverbrieften Rechte einzutragen wären. In Betracht käme zunächst eine staatliche oder zumindest staatlich kontrollierte Registerführung, etwa durch Gerichte oder durch 619 Fabricius, AcP 162 (1963), 481 f.; Zöllner, in: FS Raiser, S. 258; ders., S. 7; Canaris, Rn. 2042; Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S. 26 ff.; Schönle, S. 274; Zahn/ Kock, WM 1999, 1962 ff. 620 MünchKommBGB/Hüffer, vor § 793, Rn. 36 ff.; Staudinger/Marburger, vor § 739, Rn. 39. 621 Canaris, Rn. 2042. 622 Zöllner, in: FS Raiser, S. 255; Walz, KritV 1986, 137. 623 Körner, S. 166 f.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1684; Schwennicke, AG 2001, 124; Heesen, S. 201 ff. 624 Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 38 f.; ders., Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S. 40 f. 625 Körner, S. 154 ff.; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 193 f.; ders., Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S. 38. 626 Canaris, Rn. 2050.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die Deutsche Finanzagentur (ehemals Bundesschuldenverwaltung).627 Überwiegend sieht man in der Registerführung jedoch keine Aufgabe, die zwingend von einer öffentlichen Stelle übernommen werden müsse.628 Es bestehe kein Grund für die Schaffung eines zusätzlichen Verwaltungsapparats.629 Stattdessen soll die Registerführung dem Emittenten selbst anvertraut werden. Für Fremdemissionen hat man auch die Registerführung durch die konsortialführende Bank in Betracht gezogen.630 Bei Aktien soll das Aktienbuch als Grundlage dienen, während bei Anleihen ein eigenes Register zu schaffen wäre.631 Wie bei den Sammelschuldbuchforderungen der öffentlichen Hand könne auch hier eine Wertpapiersammelbank als Nominee und ermächtigter Treuhänder für die materiell berechtigten Anleger eingetragen werden. Der Handel könne sodann außerhalb des Registers über Konten bei der Wertpapiersammelbank abgewickelt werden.632 Dieses Vorgehen bedürfte natürlich einer Anpassung zum Recht des Aktienbuches, da Eintragungen hierin derzeit nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch wirken. Zutreffend wird dagegen allerdings eingewandt, dass ein Wertrechtsregister unter Führung privater Emittenten die Gefahr von Interessenkonflikten berge. Denn während der Anleger am Nachweis eines bestehenden Rechts interessiert sei, liege die Nichtexistenz dieses Rechtes gerade im Interesse des Emittenten. Deswegen sei die Registerführung durch eine andere Person als den Schuldner oder den Gläubiger zu befürworten.633 Auch bei einer Registerführung durch Konsortialbanken drohen Interessenskonflikte im Zusammenhang mit der Übernahme der Emission und dem anschließenden Verkauf am Sekundärmarkt.634 Zwar gelte der Einwand möglicher Interessenskonflikte streng genommen auch für die Führung des Bundesschuldbuchs durch die Deutsche Finanzagentur, da auch diese dem Emittenten zuzurechnen sei.635 Jedoch kann die Deutsche Finanzagentur als Dienstleistungsunternehmen, das sich in staatlicher Hand befindet, keine Vorbildwirkung für die Auswahl des Registerführers bei privaten Emissionen entfalten. Viele sehen deshalb Clearstream als geeignete Registerführerin an, da die deutsche Sammelverwahrung ohnehin bei ihr zentralisiert ist.636 Dafür spricht nicht zuletzt, dass Clearstream über ausreichende Erfahrung im Bereich der Wertpapierver627 Pleyer, in: FS Werner, S. 654; in diese Richtung auch Habersack/Mayer, WM 2000, 1684; jedenfalls ein zentrales Register befürwortet Arora, Die Bank 2009, 16. 628 Zahn/Kock, WM 1999, 1965. 629 Vgl. Dechamps, S. 155. 630 Büchner, S. 231; Körner, S. 150 f.; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 161 f.; Lütticke, S. 210; Dechamps, S. 154 f. 631 Körner, S. 153; kritisch Zahn/Kock, WM 1999, 1964 f. 632 Büchner, S. 231; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 157. 633 Vgl. Pleyer, in: FS Werner, S. 653; Koller, Gutachten, S. 1497; Kümpel, WM 1982, 734; Zahn/Kock, WM 1999, 1964 f. 634 Zahn/Kock, WM 1999, 1965, Fn. 110. 635 So zur früheren Bundesschuldenverwaltung Koller, Gutachten, S. 1499. 636 Delorme, ZKW 1980, 612; Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten, S. 39; Zahn/ Kock, WM 1999, 1965; Schwennicke, AG 2001, 124.

224 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

waltung verfügt und darüber hinaus aufgrund der umfangreichen aufsichtsrechtlichen Vorschriften besonders vertrauenswürdig ist. Letztlich kann man Eintragung von Bucheffekten in ein von Clearstream geführtes Register mit der Einlieferung von Wertpapierurkunden in die Sammelverwahrung gleichsetzen.637 Zwar ist auch diese Lösung dem Einwand möglicher Interessenkonflikte ausgesetzt, da ClearACHTUNGREstream der Gläubigersphäre zuzurechnen ist. Als Inkassoermächtigte und gleichzeitige Registerführerin könnte sie ihre eigene Legitimation gegenüber den Emittenten selbst herbeiführen.638 Der Einwand hat jedoch nur geringe Durchschlagskraft, da auch bei der gegenwärtigen Praxis die Legitimationsfunktion der Urkunde durch entsprechende Bestätigungen von Clearstream ersetzt wird. Clearstream führt also bereits jetzt ihre eigene Legitimation herbei, was offensichtlich bisher nicht zu besonderen Problemen geführt hat.639 Sieht man die Einwände jedoch als durchschlagend an, so wäre nach einer anderen neutralen Stelle zur Registerführung zu fragen. Diese müsste von entsprechend guter Bonität sein, da sie für etwaige Schäden aus fehlerhaften Eintragungen einzustehen hätte.640 Klärungsbedürftig wäre darüber hinaus die Frage, ob und in welcher Weise in einem solchen System ein gutgläubiger Erwerb an Bucheffekten möglich wäre. Die Frage stellt sich zunächst für Übertragungen innerhalb des Registers, in das die Rechte wie beim Bundesschuldbuch zu ihrer Begründung eingetragen werden. Das Bundesschuldbuch genießt nach § 8 Abs. 2 BSchuWG öffentlichen Glauben und ermöglicht damit den gutgläubigen Erwerb von Einzelschuldbuchforderungen. Fraglich ist, ob eine solche Regelung auch für ein nicht von einer öffentlichen Stelle geführtes Register für Emissionen privater Emittenten zu befürworten wäre. Denn das Vertrauen in die Richtigkeit öffentlicher Register beruht vor allem darauf, dass sie staatlichen Institutionen anvertraut sind, die keinen Anweisungen unterliegen und auf keine geschäftlichen oder sonstigen Interessen Rücksicht nehmen müssen.641 Zum Teil wird gerade mit diesem Argument die Führung eines Wertrechtsregisters durch eine unabhängige, öffentliche Stelle befürwortet.642 Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass auch ein privater Registerführer, der wie beispielsweise eine Wertpapiersammelbank einer engen öffentlichen Aufsicht unterliegt, in ausreichendem Umfang Vertrauen genießt, um den öffentlichen Glauben eines von ihm geführten Registers zu begründen. In praktischer Hinsicht wäre der öffentliche Glaube eines solchen Registers jedoch ohnehin nicht von ausschlaggebender Relevanz. Denn soweit die Wertpapiersammelbank einheitlich als Nominee in das Register eingetragen wäre, käme es bei der Abwicklung von Effektengeschäften nicht zu einer Änderung des Wertrechtsregisters. Auch heute beruht der Gutglaubensschutz beim Erwerb von 637

Delorme, ZKW 1980, 612. Koller, Gutachten, S. 1497; Kümpel, WM 1982, 735; Pleyer, in: FS Werner, S. 653. 639 Zahn/Kock, WM 1999, 1965; vgl. auch Dechamps, S. 156, der eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Führung der Wertrechtsregister im Rahmen der Depotprüfung vorschlägt. 640 Koller, Gutachten, S. 1498; Kümpel, WM 1982, 735. 641 Pleyer, in: FS Werner, S. 653. 642 Pleyer, in: FS Werner, S. 654. 638

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Anteilen an Sammelschuldbuchforderungen nicht auf dem öffentlichen Glauben des Bundesschuldbuchs nach § 8 Abs. 2 BSchuWG, sondern auf den wegen der Gleichstellungsfiktion des § 6 Abs. 2 BSchuWG anwendbaren §§ 932 ff. BGB. Soweit eine derartige Gleichstellung auch für Wertrechte privater Emittenten angeordnet wird, wäre der Verkehrsschutz nach den aufgezeigten allgemeinen Grundsätzen gewährleistet. Wünschenswert wäre jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung der Verknüpfung der Übertragungsvorgänge mit dem Register, insbesondere hinsichtlich des Erwerbs vom Nichtberechtigten.643 bb) Einwände der Gegenansicht Die Gegenansicht sieht demgegenüber keinen Anlass, dass bewährte, vorwiegend auf der Sammelverwahrung von Dauerglobalurkunden basierende System in naher Zukunft auf ein papierloses Effektensystem umzustellen. Hauptargument ist letztlich, dass die Globalurkunde trotz allem die direkte Anwendung der verkehrsfreundlichen sachenrechtlichen Vorschriften erlaube, auch wenn die Begründung mitunter komplex und etwas gekünstelt erscheine. Dem Bedürfnis nach Verkehrsschutz sowie Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsfestigkeit könne damit in bewährter Form nachgekommen werden.644 Demgegenüber sei die fiktive Gleichstellung von Registereintragungen mit beweglichen Sachen nicht weniger, sondern noch mehr gekünstelt als die zur Globalurkunde entwickelten Rechtsauffassungen.645 Darüber hinaus sieht man in der allgemeinen Einführung unverbriefter Wertrechte kein nennenswertes Potential für eine weitere Rationalisierung und Kostenersparnis im Effektenverkehr. Die bei Globalurkunden anfallenden Druck- und Verwahrungskosten fielen kaum ins Gewicht und die Verlustgefahr solcher Urkunden sei minimal.646 Eine vollständige Umstellung auf unverbriefte Effekten sei demgegenüber mit zusätzlichen Kosten und einem erheblichen gesetzgeberischen Aufwand verbunden.647 Angesichts des Umstandes, dass das gegenwärtige System in der deutschen Praxis keine Probleme bereite, sei eine Umstellung weder erforderlich noch sinnvoll.648 Aus Sicht der Praxis sei ohnehin kaum ein Unterschied zwischen dauerhaft globalverbrieften und unverbrieften Effekten erkennbar, da auch Wertrechte ein Mindestmaß an Dokumentation benötigten.649 Im Ergebnis ermögliche die Globalurkunde einen Kompromiss zwischen der Verbriefung von Rechten mitsamt den daran anknüpfenden Folgen und den Rationalisierungsbedürfnissen des Kapitalmarktes. Sie sei damit ein adäquater

643

Vgl. Pleyer, in: FS Werner, S. 652. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 194. 645 Vgl. Pleyer, in: FS Werner, S. 652. 646 Koller, Gutachten, S. 1498; Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 80; Than, in: FS Heinsius, S. 838 f.; Seibert, DB 1999, 269; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 210; Mahler, S. 72. 647 Pleyer, in: FS Werner, S. 654; Than, in: FS Schimansky, 836. 648 Seibert, DB 1999, 269. 649 Kümpel, WM 1982, 737. 644

226 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Ersatz für Einzelurkunden.650 Auch psychologische Aspekte der Anleger, die eine effektive Verbriefung ihrer Rechte wünschten, seien nicht zu unterschätzen.651 Generell sei das Konzept der Wertrechte auch noch nicht ausreichend wissenschaftlich durchdrungen, um bereits eingeführt werden zu können.652 Nicht umsonst habe der Gesetzgeber auch in jüngeren Gesetzesänderungen an einer minimalen Form der Verbriefung festgehalten.653 Zum Teil wurde sogar gefordert, unverbriefte Sammelschuldbuchforderungen ebenfalls in Form von Dauerglobalurkunden zu verbriefen.654 Dieser Forderung ist der Gesetzgeber jedoch mit der Zulassung unverbriefter Schuldtitel durch die Europäische Zentralbank und der mehrfachen gesetzlichen Bestätigung des Konzeptes der Sammelschuldbuchforderung nicht nachgekommen. cc) Eigene Ansicht Der beschriebene Funktionsverlust der Verbriefung im Effektenverkehr kann nicht angezweifelt werden. Dass die Verbriefung von Rechten weder aus praktischer noch aus rechtlicher Sicht eine für den Effektengiroverkehr notwendige Funktion erfüllt, zeigt schon die Erscheinung unverbriefter Wertrechte.655 Wenn man akzeptiert, dass sachenrechtliche Grundsätze bereits jetzt stark modifiziert und an die Bedürfnisse der Sammelverwahrung, Globalverbriefung und buchungsmäßigen Übertragung von Effekten angepasst werden müssen, dann sprechen weder tatsächliche noch rechtliche Gründe gegen einen Übergang auf ein völlig wertpapierfreies Effektensystem nach dem Vorbild der Sammelschuldbuchforderungen. Gleichwohl ist es zutreffend, dass die Figur der Dauerglobalurkunde die praktischen Rationalisierungsbedürfnisse adäquat erfüllt und damit die Notwendigkeit einer völligen Dematerialisierung entfallen lässt. Dass es sich dabei nur um eine Behelfskonstruktion und letztlich doch um Quasi-Bucheffekten handelt, ist für die Praxis bedeutungslos. Es ist zwar richtig, dass auf Grundlage des gegenwärtigen, an einer Sache anknüpfenden Rechts und im Hinblick auf die Rechtssicherheit Bucheffekten privater Emittenten nur durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen eingeführt werden können. Der Anstoß dafür muss nichts desto trotz aus der Bankenpraxis kommen.656 Da von dieser Seite aus den genannten Gründen kein Bedürfnis für eine Abkehr von Globalurkunden gesehen wird, steht jedenfalls im nationalen Bereich auf absehbare Zeit kein vollständiger Übergang auf unverbriefte Effekten zur Debatte. Eine vollständige Umstellung des Effektenwesens auf Registerrechte nach dem Vor650

Blitz, WM 1997, 2211. Mahler, S. 73. 652 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 194; Mentz/ Fröhling, NZG 2002, 210; Mahler, S. 71 f. 653 Vgl. Beschlussfassung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/10038, 25; Than, in: FS Schimansky, S. 835. 654 Koller, Gutachten, S. 1499. 655 So auch Walz, KritV 1986, 137. 656 In diesem Sinne auch Blitz, WM 1997, 2211; Than, in: FS Schimansky, S. 836. 651

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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bild der Sammelschuldbuchforderung kann im Übrigen nicht die angedeuteten dogmatischen Schwierigkeiten der sachenrechtlichen Erklärung der Buchungsvorgänge beseitigen. Von größerer Relevanz als die Diskussion um die Art der Verbriefung von Effekten ist deswegen die Frage nach Alternativen zur sachenrechtlichen Erfassung des Effektengiroverkehrs. c) Abkehr von der sachenrechtlichen Erfassung des Effektengiroverkehrs aa) Ungeeignetheit der sachenrechtlichen Verwahrkonstruktion Unabhängig von der Art der Verbriefung wurde deutlich, dass mit der Zurückdrängung des Verkörperungselements bei Wertpapieren der sachenrechtlichen Konstruktion des Effektengiroverkehrs zunehmend der Boden entzogen wird. Wie dargelegt, hält der Anleger beim deutschen Konzept der Girosammelverwahrung nach weit überwiegender Ansicht ein dingliches Recht am zugrundeliegenden Sammelbestand, gleich ob dieser aus Einzel- oder Sammelurkunden oder unverbrieften Wertrechten besteht. Dieses Konzept ist das Ergebnis einer stetigen Fortentwicklung der rechtlichen Grundlagen der Verwahrung und Übertragung von Effekten im 20. Jahrhundert. Die rechtliche Entwicklung ist allerdings der Fortentwicklung der Wertpapierpraxis regelmäßig hinterhergehinkt und konnte oft nur versuchen, nachträglich die rechtlichen Grundlagen und Erklärungen für neue praktische Erscheinungen zu entwickeln.657 Man hat dabei immer an der Grundidee eines Eigentumsrechts der Anleger an den Wertpapierurkunden festgehalten und die rechtlichen Grundlagen nur so weit wie nötig an die Bedürfnisse der indirekten, mehrstufigen Sammelverwahrung von Effekten angepasst, obwohl die Urkunde als Sache bei den praktischen Vorgängen eine immer unbedeutendere Rolle spielt.658 Es wurde aufgezeigt, dass die Erfassung der tatsächlichen Buchungsvorgänge mit den Mitteln des Sachenrechts sehr ergebnisorientiert, rechtskonstruktivistisch und künstlich ist und mitunter an der Grenze zur Fiktion verläuft.659 Die rechtliche Beschreibung einer direkten dinglichen Beziehung zwischen Anleger und Wertpapier über zahlreiche Glieder einer Verwahrkette bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Die Charakterisierung und Zuordnung der einzelnen Rechtspositionen sowie die entsprechenden Verfügungen darüber stoßen an die Grenzen des klassischen Sachenrechts.660 Eigentumsrechte an Wertpapieren werden letztlich nicht mehr durch Einigung und Besitzverschaffung übertragen, sondern durch Einigung und Umbuchung.661 Angesichts des Funktionsverlustes der Effektenurkun657

Saager, Die Bank 4/2005, 22. Girsberger, in: FS Schnyder, S. 79; ders., in: FS Nygh, S. 141. 659 Zu ähnlichen Gesamtbewertungen kommen Canaris, Rn. 2022; Drobnig, in: Kreuzer, S. 22; Walz, KritV 1986, 137 f.; Roth, S. 145; Habersack/Meyer, WM 2000, 1684; Mentz/ Fröhling, NZG 2002, 209 f.; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 94; Micheler, S. 180. 660 Hoffmann, WM 2007, 1549. 661 Canaris, Rn. 2022; Lenenbach, Rn. 5.75; Baumbach/Hefermehl/Casper, WPR, Rn. 93. 658

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

den hat die sachenrechtliche Konstruktion unabhängig von den rechtskonstruktivistischen Schwierigkeiten selbst einen Großteil ihrer Funktionen verloren. Das eigentliche Wesen des Sachenrechts, nämlich die Gewährung absoluter Herrschaftsrechte einer Person über eine Sache, ist bei den praktischen Abläufen des Wertpapierverkehrs nicht mehr berührt. Die Bedeutung des Sachenrechts ist auf die Gewährleistung des Anlegerschutzes im Falle der Insolvenz eines Zwischenverwahrers sowie der Gewährleistung einer redlichen Erwerbsmöglichkeit vom Nichtberechtigten beschränkt. Wie das Modell der Gutschrift in Wertpapierrechnung und auch verschiedene ausländische Verwahrkonzepte zeigen, ist die sachenrechtliche Konstruktion der Girosammelverwahrung aber nur eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten, diese Schutzziele zu erreichen.662 Die Miteigentumskonstruktion geht vielfach an den tatsächlichen Vorstellungen der Beteiligten vorbei. Denn für einen Depotinhaber steht meist nicht ein dinglicher Miteigentumsanteil an einer Globalurkunde oder seine direkte Beziehung zum Emittenten im Vordergrund, sondern die Beziehung zu seinem eigenen, mit ihm unmittelbar verbundenen Intermediär. Der Intermediär ist Adressat für alle Maßnahmen der Verwaltung der Effekten und für Verfügungen über den Effektenbestand. Zusätzlich verkompliziert wird die Rechtslage durch das daneben bestehende schuldrechtlich ausgestaltete Parallelsystem für auslandsverwahrte Wertpapiere.663 Dieser Zustand konnte letztendlich auch durch die Einführung grenzüberschreitender Kontoverbindungen nicht überwunden werden. bb) Alternativen zur sachenrechtlichen Verwahrkonstruktion Es erscheint daher überlegenswert, die in tatsächlicher Hinsicht zentrale Beziehung zwischen Anleger und seinem Intermediär auch in den Mittelpunkt der rechtlichen Erfassung des Effektenverkehrs zu stellen. Ein Beispiel für ein solches Konzept liefert im deutschen Recht die treuhandrechtliche Konstruktion der Gutschrift in Wertpapierrechnung für auslandsverwahrte Wertpapiere. Gerade weil eine dingliche Rechtsposition des inländischen Anlegers an auslandsverwahrten Effekten und die damit zwangsweise einhergehende Einwirkung ausländischen Rechts im Massenverkehr schwer handhabbar ist, beschränkt sich die Rechtsposition des Kunden weitgehend auf Wirkungen gegenüber seiner inländischen Depotbank. Der Depotkunde hat keine dinglichen Rechte an den zugrundeliegenden Wertpapieren, die sich durch die gesamte Verwahrkette hindurch ziehen. Die Verwahrkette kann vielmehr auch materiellrechtlich auf den einzelnen Verwahrstufen separat erfasst werden. Auch in verschiedenen ausländischen Rechtsordnungen wird die Rechtsposition des Anlegers von den zugrundeliegenden Wertpapierurkunden oder Registerrechten abgekoppelt. Ein Beispiel bietet seit längerem das belgische Recht. In Belgien wurden durch das 1967 verabschiedete und mehrfach modifizierte Königliche Dekret (ArrÞt Royal) No. 62 spezielle Vorschriften für die Sammelverwahrung und bu662 663

In diesem Sinne auch MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 215. Kritisch dazu Pleyer, S. 12.

II. Intermediäre Wertpapierverwahrung im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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chungsmäßige Übertragung von Wertpapieren eingeführt.664 Darin wird die Rechtsposition, die ein Anleger durch eine Gutschrift von Wertpapieren auf seinem Depotkonto erwirbt, zwar als eine Art von Miteigentum (coproprit) bezeichnet. Jedoch entfaltet die Rechtsposition grundsätzlich nur Wirkungen gegenüber dem unmittelbar gutschreibenden Intermediär des Anlegers.665 Der Anleger kann im Regelfall keine Rechte gegenüber Dritten, insbesondere nicht gegenüber höherstufigen Verwahrern geltend machen. Er kann beispielsweise von vornherein nur von seiner Depotbank Herausgabe einer den hinterlegten Effekten entsprechenden Zahl artgleicher Effekten verlangen. Damit werden die allgemeinen Regeln des belgischen Sachenrechts bestätigt, wonach der Hinterleger bei der ungetrennten Verwahrung von Effekten sein ACHTUNGREEigentum an den eingelieferten Urkunden verlieren würde und auf schuldrechtliche Ansprüche gegenüber seinem Verwahrer verwiesen wäre. Der eigentumsrechtliche Charakter der Berechtigung bezieht sich nur auf den Fall der Insolvenz des gutschreibenden Zwischenverwahrers. Die Anleger haben dann einen gemeinsam auszuübenden Anspruch auf Herausgabe der zugunsten des insolventen Intermediärs beim nächsthöheren Zwischenverwahrer zur Deckung ihrer Depotgutschriften gehaltenen Werte (droit de revendication).666 Das Eigentumsrecht bezieht sich damit auf die Buchungsgutschriften, die der Intermediär selbst für alle seine Depotkunden gemeinsam bei einer übergeordneten Verwahrstelle hält.667 Dieser Deckungsbestand gilt als fiktiver Wertpapiersammelbestand,668 an dem der Anleger ein Miteigentumsrecht besitzt, das durch die Gutschrift auf seinem Depotkonto repräsentiert wird.669 Gegenstand des Eigentumsrechts sind damit gerade nicht die zugrundeliegenden physischen oder dematerialisierten Effekten.670 Unerheblich für die Rechtsposition des Kunden ist insbesondere, wo sich diese Effektenurkunden tatsächlich befinden. Genügen die vom Intermediär auf höherer Verwahrstufe gehaltenen Werte nicht, um die Ansprüche seiner Depotkunden zu befriedigen, so ist die Unterdeckung anteilsmäßig unter den Anlegern aufzuteilen.671 In diesem insolvenzrechtlichen Aussonderungsrecht wird das zentrale Element gesehen, das eine Wertpapierberechtigung nach belgischem Recht von einem schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem gutschreibenden Intermediär unterscheidet und

664

ArrÞt royal No 62 du 10 novembre 1967 favorisant la circulation des valeurs mobilires; zur Entwicklung Haentjens, S. 59 f. 665 Art. 10 Abs. 1 AR No. 62; De Ghenghi/Servaes, JIBFL 1999, 86. 666 Art. 10 Abs. 2 AR No. 62. 667 Van der Haegen, Revue de la Banque 1994, 139; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 22; Haentjens, S. 73. 668 Im Englischen spricht man von einem „notional pool of securities“, vgl. De Ghenghi/ Servaes, JIBFL 1999, 86; Verhagen, EBLR 2000, 116. 669 Guynn/Marchand, in: van Houtte, Rn. 3.13; Devos/Servaes, in: Potok, S. 115. 670 Guynn, S. 43; Potok, 15 JBFLP (2004), 210 f.; Haentjens, S. 74. 671 Art. 10 Abs. 3 AR No. 62.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

zu einer (eigentumsrechtlichen) Berechtigungsform sui generis macht.672 Die praktischen Unterschiede zum deutschen Recht der Girosammelverwahrung mögen gering sein, weil der Anleger seine Rechte auch im deutschen Recht praktisch nur gegenüber seinem eigenen Intermediär geltend machen kann. Entscheidend ist aber, dass der Anleger nach belgischem Recht kein Eigentumsrecht an den zugrundeliegenden Wertpapieren erwirbt. Unabhängig von der Bezeichnung als coproprit handelt es sich bei der Berechtigung eher um eine schuldrechtliche Berechtigung, die ähnlich der Gutschrift in Wertpapierrechnung im deutschen Recht durch eigene Buchungsrechte des Intermediärs auch in dessen Insolvenz gedeckt ist. Weil die Rechtsposition aber gesetzlich als Sonderform eines unkörperlichen Eigentumsrechts eingeordnet wird, unterliegt ihr Erwerb nach dem Prinzip der lex rei sitae dem Recht am Ort der Buchungsgutschrift.673 Das belgische Konzept fällt in eine Gruppe von Rechtsordnungen, die auch als security entitlement Konzepte bezeichnet werden. Eine vergleichbare Rechtslage besteht in Luxemburg674 und in den USA. Das US-amerikanische Recht der intermediären Wertpapierverwahrung wird im Folgenden ausführlicher aufgearbeitet. Ihm wird heute Modellcharakter beigemessen, weil es sich dabei um ein umfassendes und zusammenhängendes System von Regelungen handelt, das spezifisch auf die Eigenheiten der intermediären Wertpapierverwahrung zugeschnitten ist. International ist dieser Teil des amerikanischen Rechts von großer Bedeutung, weil er Vorbildcharakter für alle gegenwärtigen nationalen und internationalen Bemühungen um eine Modernisierung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung hat. Darüber hinaus hatte er erheblichen Einfluss auf die Regel zur Bestimmung des auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren anzuwendenden Rechts im Haager WertpapierACHTUNGREüberACHTUNGREeinkommen. Sein Verständnis erleichtert deswegen die anschließende Untersuchung dieses Übereinkommens.

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1. Einführung In den USA fallen sowohl große Teile des Rechts der Aktiengesellschaften als auch die handelsrechtlichen Grundlagen der Übertragung von Effekten in die Gesetzgebungskompetenz und gerichtliche Zuständigkeit der Einzelstaaten. Die dadurch bestehende Rechtszersplitterung wird durch bundesrechtliche Einflüsse verstärkt. Zur Harmonisierung der Rechtslage wurden Modellgesetze erarbeitet, nämlich der Revised Model Business Corporation Act sowie der Uniform Commercial Code 672 Van der Haegen, Revue de la Banque 1994, 143; De Ghenghi/Servaes, JIBFL 1999, 85; Verhagen, EBLR 2000, 116; Haentjens, S. 75. 673 De Ghenghi/Servaes, JIBFL 1999, 85 f. 674 Vgl. dazu Guynn, S. 44 f.; Hautekiet/Dupont, in: Potok, S. 380 ff.

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(UCC). Während die gesellschaftsrechtlichen Modellvorschriften bislang kaum einheitlich umgesetzt worden sind, hat der UCC großen Anklang gefunden. Er wird von der National Conference of Commissioners on Uniform State Laws (NCCUL) und dem American Law Institute erarbeitet und regelmäßig überarbeitet. Die Übernahme der Regelungen steht den einzelnen Bundesstaaten frei, wobei auch Änderungen der Vorgaben des UCC möglich sind. Die Rechtsgrundlagen für die Emission, Übertragung und Beleihung von Effekten finden sich in Art. 8 UCC. Dieser wurde in der aktuellen Fassung fast unverändert von allen Bundesstaaten übernommen, insbesondere auch vom Staat New York, dessen Rechtsvorgaben mit Blick auf grenzüberschreitende Effektentransaktionen besonders bedeutsam sind.675 Aus diesem Grund wird in der Literatur zumeist das Modellgesetz selbst und nicht ein einzelner Umsetzungsakt zitiert.676 Art. 8 UCC wurde ursprünglich in den 1940er und 50er Jahren entworfen und 1978 und 1994 grundlegend novelliert. Der Regelungskomplex enthält spezifische Bestimmungen für die Emission und Übertragung von Kapitalmarktpapieren (investment securities), die in ihrem Anwendungsbereich lex specialis zu den allgemeinen wertpapierrechtlichen Bestimmungen in Art. 3 UCC sind. Ähnlich dem deutschen Recht erfasst der Effektenbegriff auch im amerikanischen Recht vertretbare Wertpapiere bzw. unverbriefte Wertrechte einer Klasse oder Serie, die eine Verpflichtung oder ein Anteilsrecht verbriefen, auf einem Wertpapiermarkt gehandelt werden und der Kapitalanlage dienen.677 Die zulässigen Wertpapiergattungen und ihre Eigenschaften unterliegen mit Ausnahme von Schuldverschreibungen der US-Regierung dem Recht der einzelnen Staaten. Die meisten Kapitalmarktpapiere des amerikanischen Marktes sind Namens- oder Orderpapiere. Inhaberaktien sind in den Aktiengesetzen der meisten Bundesstaaten nicht vorgesehen, lediglich Schuldverschreibungen werden sowohl in Form von Inhaber- als auch Namensschuldverschreibungen emittiert.678 Grundsätzlich unterscheidet der UCC zwischen verbrieften und unverbrieften Effekten (certificated und uncertificated securities) sowie zwischen zwei Formen der Verwahrung, nämlich dem direkten Verwahrsystem (direct holding system) und dem indirekten Verwahrsystem (indirekt holding system). 2. Direktes Verwahr- und Übertragungssystem Dem direkten Verwahr- und Übertragungssystem liegen die traditionellen, an der Sacheigenschaft der Urkunde anknüpfenden Regeln zur Übereignung von Effekten zugrunde. Generelles Kennzeichen des direkten Verwahrsystems ist die direkte Be675 Fortlaufende Informationen zum Umsetzungsprozess des UCC finden sich auf der ACHTUNGREInternetseite der National Conference of Commissioners on Uniform State Laws, www. ACHTUNGREnccusl.org. 676 Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, S. 162. 677 § 8-102 (a) (15) UCC; Vaaler, 66 Miss. L. J. 277 f. (1996); Einsele, RIW 1997, 207. 678 Donald, WM 2008, 527; zu den historischen Gründen hierfür vgl. Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, S. 145 ff.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

ziehung des Anlegers zum Emittenten, die bei verbrieften Rechten darin zum Ausdruck kommt, dass der Anleger im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz der Effektenurkunde ist und diese zu ihrer Übertragung an den Erwerber übergibt. Die vorherrschenden „registered securities“, die mit deutschen Orderpapieren vergleichbar sind,679 müssen im direkten Verwahrsystem zudem grundsätzlich beim Emittenten unter dem Namen des Inhabers registriert sein.680 Grundsätzlich werden Wertpapiere durch die tatsächliche, vom Übereignungswillen getragene Übergabe der Effektenurkunde (delivery) an den Käufer übertragen. Der Käufer kann zur Übergabe auch eine von ihm bestimmte Person einsetzen.681 Bei registered securities ist ein Indossament (indorsement) zwar keine zwingende Voraussetzung für die Übertragung der Urkunde, jedoch ist die Indossierung an den Erwerber notwendig, um einen gutgläubigen Erwerb zu gewährleisten682 und die Eintragung im Register des Emittenten zu bewirken.683 Der Erwerber hat deshalb gegen den Veräußerer einen Anspruch auf eine indossierte Urkunde.684 Das Indossament kann an den Inhaber (indorsement to bearer) oder an eine bestimmte Person lauten (special indorsement) oder als Blankoindossament (indorsement in blank) ausgestaltet sein. Es kann sich auf der Effektenurkunde selbst oder auch auf einer separaten Ermächtigungsurkunde (stock power) befinden, die das Wertpapier, Veräußerer und Erwerber sowie die Absicht der Übertragung des Papiers eindeutig dokumentiert.685 Die Registrierung des Erwerbers einer verbrieften „registered security“ ist zwar keine Übertragungsvoraussetzung, jedoch hat sie Legitimationsfunktion gegenüber dem Emittenten. Der Emittent darf den eingetragenen Inhaber als berechtigt zur Stimmrechtsausübung, zum Bezug von Erträgen und zur Geltendmachung sonstiger Rechte ansehen.686 Das Gesetz gewährt dem Erwerber deswegen einen Anspruch gegen den Veräußerer auf Mitwirkung bei der Registerumschreibung.687 Voraussetzung für die Eintragung des Erwerbers im Register ist unter anderem die Vorlage des indossierten Papiers sowie die generelle Rechtmäßigkeit der Übertragung, gegebenenfalls nach den Regeln des gutgläubigen Erwerbs.688 Auch im direkten Verwahr- und Übertragungssystem ist es nicht zwingend, dass die Urkunde an den eigentlichen Anleger übergeben wird oder dass dieser im Register 679

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 311. Vgl. Art. 8 UCC, Pref. Note I D; zur historischen Entwicklung dieser Parallelität von „Wertpapiersystem“ und „Registersystem“ vgl. Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 690 f. (2001); Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev., 305 ff. 681 § 8-104 (a) (1) UCC i.V.m. § 8-301 UCC; Donald, WM 2008, 527. 682 Vgl. § 8-303 (a) (3) i.V.m. § 8-106 (b) (1) UCC; vgl. auch § 8-304 (d) UCC. 683 § 8-401 (a) (2) UCC. 684 § 8-304 (d) UCC; vgl. dazu auch Gruson, AG 2004, 369. 685 Donald, WM 2008, 527. 686 § 8-207 (a) UCC. 687 § 8-307 UCC. 688 Vgl. § 8-401 UCC; zur erforderlichen Dokumentation vgl. Donald, WM 2008, 528. 680

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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eingetragen wird. Zulässig ist auch die Zwischenschaltung eines Dritten und dessen Eintragung als Nominee. Der Dritte darf jedoch grundsätzlich kein Finanzintermediär sein, der gewerbsmäßig Wertpapierdepots für andere hält (securities intermediary), da andernfalls die spezielleren Regeln der indirekten Verwahrung Anwendung finden.689 Diese Personengruppe kann im direkten Verwahrsystem nur dann Besitzmittler sein, wenn die Namens- oder Orderpapiere im Namen des Käufers registriert und auf ihn indossiert sind.690 Die Novelle des UCC im Jahr 1978 war eine Antwort auf die praktischen Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Geschäften über einzeln verbriefte Wertpapiere im Massenverkehr. Man ging zu dieser Zeit davon aus, dass sich in Zukunft ein wertpapierfreies Effektenwesen etaACHTUNGREblieren würde und ergänzte die damals bestehenden Vorschriften um entsprechende Regelungen für unverbriefte Wertrechte.691 Danach werden unverbriefte Wertrechte durch Eintragung in den beim Emittenten geführten ACHTUNGREBüchern emittiert und durch Umschreibung des Registers übertragen.692 Die neu eingeführten Regelungen unterscheiden sich von den herkömmlichen Vorschriften letztlich nur dadurch, dass das Recht des Anlegers nicht durch eine physische Urkunde, sondern durch eine Eintragung in ein beim Emittenten geführtes Register dokumentiert wird. Das Gesetz ging weiter von einem direkten Verwahrsystem aus, bei dem die Anleger grundsätzlich selbst im Register eingetragen werden. Zur Übertragung im direkten Verwahrsystem muss der Veräußerer den Emittenten bzw. dessen Registerführer (transfer agent) anweisen, den Erwerber als Inhaber in das (Aktien-)Register einzutragen.693 Anders als bei verbrieften Rechten ist in diesem Fall die Eintragung allerdings notwendige Voraussetzung für den Rechtserwerb, da eine physische Übergabe von Urkunden entfällt.694 Auch bei unverbrieften Effekten besteht die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten.695 An Stelle des Inhabers kann grundsätzlich auch ein Dritter als Nominee eingetragen werden. Ein gewerbsmäßiger Wertpapierintermediär scheidet hierfür aber aus, da dann die Vorschriften über die indirekte Verwahrung Anwendung finden.696

689

Zum Beispiel Banken oder Broker-Dealer, vgl. § 8-102 (a) (14) UCC. § 8-301 (a) (3) UCC; Gruson, AG 2004, 369. 691 Vgl. Art. 8 UCC, Pref. Note I B; Vaaler, 66 Miss. L. J. 255 (1996); Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 668 (2003). 692 § 8-301 (b) UCC; vgl. auch Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1443 (1996). 693 § 8-401 UCC. 694 Bains v. Piper, Jaffray & Hoppwood, Inc., 497 N.W. 2.d, 263, 267 (Minn. App. 1993). 695 Zu den Einzelheiten vgl. Donald, WM 2008, 528. 696 § 8-104 (a) (1) i.V.m. § 8-301 (b) (1) und (2). 690

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

3. Indirektes Verwahr- und Übertragungssystem a) Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung der intermediären Wertpapierverwahrung Entgegen den Erwartungen konnte sich ein wertpapierfreies Effektensystem jedoch nicht durchsetzen. Lediglich amerikanische Staatsanleihen werden seit Ende der 1970er Jahre ausschließlich in Form von Bucheffekten emittiert.697 Der Grund für das Scheitern lag zum einen darin, dass zahlreiche Bundesstaaten in ihren gesellschaftsrechtlichen Vorschriften lange Zeit keine unverbriefte Effekten privater Emittenten zugelassen oder den Anlegern zumindest einen Anspruch auf Verbriefung gewährt haben.698 Im Übrigen bestand auch bei den Aktiengesellschaften selbst kein großes Interesse, in jeden Übertragungsvorgang selbst eingeschaltet zu sein.699 Anstelle einer völligen Dematerialisierung des Effektenwesens hatte sich bereits unmittelbar nach dem paperwork crunch und damit vor der Reform des UCC von 1978 ein indirektes Verwahrsystem (indirect holding system) etabliert. Dieses System besteht bis heute und basiert auf immobilisierten und überwiegend globalverbrieften Wertpapieren, die allein durch Buchungen in den Büchern der Intermediäre übertragen werden.700 Eine klare gesetzliche Grundlage dafür bestand jedoch nicht.701 Die Sammelverwahrung für Effekten des amerikanischen Marktes und ihre Verwaltung übernimmt vorwiegend die zentrale Verwahrungsstelle Depository Trust Company (DTC), die gemeinsam mit dem zentralen Kontrahenten National Securities Clearing Corporation (NSCC) der Firmengruppe Depository Trust and Clearing Corporation (DTCC) angehört. In diesem System sind 99 % der sammelverwahrfähigen Wertpapiere des amerikanischen Marktes verwahrt.702 Im Register der Emittenten ist dabei sowohl bei verbrieften Orderpapieren als auch bei unverbrieften Effekten jeweils ihr Nominee Cede & Co. eingetragen. Die Geschäfte in sammelverwahrten Wertpapieren werden ausschließlich in den Büchern der DTCC und der angeschlossenen Finanzinstitute abgewickelt. Damit entfällt nicht nur die Notwendigkeit einer physischen Bewegung der Effektenurkunden, sondern auch das Bedürfnis, bei jedem Eigentümerwechsel das beim Emittenten geführte Register zu ändern. Anders als im Übertragungssystem für Namensaktien, das von Clearstream in Deutschland betrieben wird, erscheint der Aktionär bei der indirekten Verwahrung von Namensaktien in den USA nicht im Aktienbuch des Emittenten. Die Identität des Anlegers ergibt sich wie bei Inhaberpapieren allein aus den Buchungsunterlagen der Banken. Jedoch kann die Depotbank dem Emittenten auf dessen Anforderung hin die Identität der wirt697

Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1443 (1996). Vaaler, 66 Miss. L. J. 256 (1996); Donald, WM 2008, 528. 699 Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, S. 170. 700 Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev., 322 f.; Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/ Seifert, S. 171. 701 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 668 f. (2003). 702 Donald, WM 2008, 529. 698

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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schaftlichen Eigentümer mitteilen, wenn diese einer solchen Mitteilung nicht widersprochen haben.703 Die Unterscheidung zwischen verbrieften und unverbrieften Effekten ist für Übertragungen im indirekten Verwahrsystem grundsätzlich nicht relevant; wie im deutschen Recht äußert sich der Unterschied allein auf der höchsten Stufe der Verwahrkette, also im Verhältnis zwischen dem Sammelverwahrer und dem Emittenten.704 Mit diesen Kennzeichen ist das indirekte Verwahrungssystem beschrieben, dessen Unterscheidung zum direkten Verwahrsystem ein wesentliches Strukturmerkmal der heutigen Fassung von Art. 8 UCC ist. Das direkte Verwahrsystem spielt in der amerikanischen Wertpapierpraxis daneben keine große Rolle mehr.705 Grund für die Reform von Art. 8 UCC im Jahr 1994 war, dass Effektenübertragungen im indirekten Verwahrsystem zwar schneller und effektiver ausgeführt werden konnten, die herkömmlichen, auf einer direkten Verwahrung basierenden Rechtsvorschriften jedoch eine gewisse Rechtsunsicherheit hervorriefen. Man war sich nicht sicher, was für eine Art von Recht durch eine Kontogutschrift geschaffen wurde, welche Rechte dem Kontoinhaber gegenüber dem Emittenten, dem Verwahrinstitut und den weiteren Intermediären zustanden, oder welche Konsequenzen sich ergaben, wenn ein Intermediär eine Buchungsgutschrift erteilte, ohne die entsprechenden Werte selbst zu erwerben.706 Unklar war, ob die Anleger nach Abschluss der Buchungstransaktionen selbst (Mit-)Inhaber des verwahrten Sammelbestandes würden.707 Es kam auch kaum zu Rechtsprechung, die insoweit Klarheit schaffte.708 Die Rechtsunsicherheit war auch in der uneinheitlichen Übernahme der Modellvorschriften des Art. 8 UCC in den einzelnen Bundesstaaten begründet.709 Man befürchtete, dass die nicht vollständig geklärten rechtlichen Grundlagen der Abwicklung von Effektengeschäften die mit der intermediären Wertpapierverwahrung verbundenen Risiken verschleiern und im Ernstfall zu einem generellen Systemrisiko für Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssysteme werden könnten.710

703

Diese Anleger werden als Non-Objecting Beneficial Owners (NOBO) bezeichnet, vgl. Wunderlich/LabermeiACHTUNGREer, in: v. Rosen/Seifert, S. 160. 704 Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1455 (1996). 705 Von begrenzter Bedeutung ist lediglich das Direkteintragungssystem „Treasury Direct“ für amerikanische Staatsanleihen (Treasury securities), vgl. dazu Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 673 f. (2000); Donald, WM 2008, 532 f. 706 Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 359 f. 707 Der Rechtserwerb richtete sich nach § 8-313 (1) (d) (iii) UCC, der im Zuge der Reform aufgehoben wurde, vgl. Rogers, 31 Idaho L. Rev. 693 (1995); Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 669 f. (2003). 708 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 678 (2003). 709 Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1542 (1996); Darmstädter, 57 Bus. Law. 1742 (2002). 710 Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1535 ff. (1996); Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 364 f.; kritisch demgegenüber Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 624 (2000), der eine unzureichende empirische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Systemrisiken in Wertpapierabwicklungssystemen und Art. 8 UCC in seiner alten wie neuen Form bemängelt.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Die Novelle des UCC von 1994 hatte deswegen zum Ziel, der seit langem praktizierten Abwicklung von Geschäften im börslichen Effektenverkehr in den Büchern der Finanzinstitute eine sichere rechtliche Anerkennung zu verleihen, ohne die Marktpraxis als solche zu verändern. Mit Artikel 8 Part 5 UCC wurde deswegen ein eigener Regelungskomplex für die Verwahrung und buchungsmäßige Übertragung indirekt gehaltener Effekten neben die in diesem Zuge stark verschlankten Vorschriften über die direkte Verwahrung gestellt.711 b) Konzept des security entitlements Das amerikanische Konzept für indirekt gehaltene Wertpapiere basiert auf verschiedenen Strukturbegriffen. Die Funktionsträger im indirekten Verwahrsystem sind Wertpapierintermediäre (securities intermediary), die gewerblich Depotkonten für andere führen.712 Als Depotkonto (securities account) im Sinne von § 8 UCC gilt ein Konto, auf dem Wertpapiere und anderes Finanzvermögen (financial assets)713 gutgeschrieben werden, wobei sich der Kontoführer vertraglich verpflichtet, den Kontoinhaber als berechtigt anzusehen, die aus den verbuchten Werten resultierenden Rechte auszuüben.714 Soweit die Werte verbrieft sind, werden die Urkunden durch die DTC sammelverwahrt. Bei registered securities und unverbrieften Rechten ist der Nominee der DTC Cede & Co in die jeweiligen Register eingetragen. Die DTC verbucht die Anteile, welche die bei ihr angeschlossenen Systemteilnehmer halten, auf deren Depotkonten. Dabei unterliegen die von der DTC geführten Konten nicht vollständig den Vorschriften des UCC, da dieser den eigenen Regeln der DTC und der NSCC einen Geltungsvorrang einräumt.715 Daraus ergibt sich in der Sache aber kaum ein Unterschied, da insbesondere die Regeln der DTC in den Kernpunkten nicht vom New Yorker Uniform Commercial Code (NYUCC) abweichen und mitunter sogar auf ihn verweisen.716 Die Depotkunden der DTC führen ihrerseits Depotkonten für Endanleger oder weitere Intermediäre. Zentrales rechtliches Strukturelement dieser Buchungsketten sind dabei security entitlements. Dies ist die Bezeichnung des Gesetzes für die Rechtsposition, die der Kontoinhaber durch eine Gutschrift von Vermögenswerten auf dem bei seinem übergeordneten Intermediär geführten Depotkonto erwirbt. Security entitlements richten sich grundsätzlich allein gegen die jeweils 711

Grundlegende Vorüberlegungen für die Reform stammten von Mooney, 12 Cardozo L. Rev. 379 ff. (1990). 712 § 8-102 (a) (14) UCC. 713 Darunter fallen nach der weiten Definition in § 8-102 (a) (9) UCC Wertpapiere, handelbare Forderungen und Gesellschaftsanteile sowie andere Investmentformen; nach h.M. sind auch Anteile an einer nicht öffentlich gehandelten Gesellschaft (closely held corporation) erfasst, vgl. Wittie, 55 Bus. Law. 2032 ff. (2000) m.w.N. 714 § 8-501 (a) UCC. 715 Vgl. § 8-111 UCC. 716 Die Rules and Procedures der DTC sind abrufbar unter www.dtcc.com; dazu und zum Verfahren der Verabschiedung Donald, WM 2008, 531.

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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kontoführende Depotbank und bestehen damit auf jeder Stufe der Buchungskette. Jedes Glied der Buchungskette hält security entitlements gegenüber dem jeweils übergeordneten Intermediär. Nur das Sammelverwahrinstitut an der Spitze der Verwahrpyramide ist der nach außen legitimierte Inhaber der Werte.717 Security entitlements sind der Schlüssel zur Übertragung der Berechtigungen an den innerhalb des Systems verwahrten Wertpapieren.718 Das Gesetz lässt die genaue dogmatische Einordnung eines security entitlements offen und beschreibt lediglich einzelne Eigenschaften dieser Rechtsposition. Danach ist ein security entitlement ein Bündel von Rechten, die sich in erster Linie gegen den unmittelbar übergeordneten Intermediär richten.719 Dieser ist verpflichtet, dem Inhaber (entitlement holder) alle wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Ansprüche, die aus dem verbuchten Wertpapier resultieren, weiterzuleiten.720 Dies umfasst gemäß § 8-505 UCC den Einzug und die Weiterleitung der Erträge aus dem verbuchten Vermögensgegenstand. Gemäß § 8-506 UCC muss der Intermediär dem Inhaber die Ausübung der verbrieften Rechte ermöglichen oder diese Rechte auf Weisung des Inhabers ausüben. Dies erfasst insbesondere die Ausübung des Aktionärstimmrechts oder die Ausübung von Bezugs- oder Wandlungsrechten.721 Der Berechtigte kann im Übrigen die Einräumung einer für die konkrete Effektenart zulässigen direkten Form der Inhaberschaft verlangen, also insbesondere die Auslieferung einer entsprechenden Anzahl von Effektenurkunden oder die persönliche Eintragung in das entsprechende Register.722 Einziger Anspruchsgegner für diese Ansprüche ist jeweils der Intermediär, der das security entitlement durch eine Gutschrift begründet hat. Auch wenn der Intermediär seinen Pflichten nicht nachkommt, können keine eigenen Ansprüche gegen höherstufige Intermediäre oder den Emittenten geltend gemacht werden.723 Die Frage, wann ein Intermediär diesen Pflichten in ausreichendem Umfang nachgekommen ist, richtet sich nach allgemeinen handelsrechtlichen Sorgfaltserfordernissen (due care in accordance with reasonable commercial standards)724 sowie den außerhalb des UCC bestehenden gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben, insbesondere den durch die SEC gesetzten Regeln.725 Soweit keine solchen verbindlichen Vorgaben bestehen, kann der Pflichtenumfang durch depotvertragliche Verein-

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Vgl. auch Vaaler, 66 Miss. L. J. 280 (1996); Haentjens, S. 181. Donald, WM 2008, 530. 719 § 8-102 (a) (17) UCC; vgl. auch § 8-501 UCC, cmt. 5. 720 Vgl. auch Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 692 ff. (2003). 721 § 8-506 UCC, cmt. 3. 722 § 8-508 UCC. 723 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 689 f. (2003). 724 Vgl. §§ 8-505 (a) (2), 8-506 (2), 8-507 (a) (2), 8-508 (2), 8-509 (b) UCC. 725 § 8-509 (a) UCC; solche Vorgaben bestehen insbesondere bei der Einschaltung des Intermediärs zur Ausübung des Stimmrechts bei Aktiengesellschaften, vgl. Vaaler, 66 Miss. L. J. 255 (1996) m.w.N. 718

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

barungen ausgestaltet, erweitert oder auch begrenzt werden,726 wobei jeweils der im UCC verankerte Grundsatz von Treu und Glauben als Grenze vertraglicher Vereinbarungen zu beachten ist.727 Begründet wird ein security entitlement grundsätzlich durch eine einfache Gutschrift auf einem von einem Intermediär geführten Depotkonto.728 Es ist ausdrücklich keine Voraussetzung für die wirksame Begründung, dass der Intermediär die von ihm gutgeschriebenen Werte selbst unmittelbar oder in Form von eigenen security entitlements bei einem höherstufigen Intermediär hält.729 Vielmehr ist der Intermediär lediglich gesetzlich verpflichtet, die zur Deckung der von ihm erteilten security entitlements erforderlichen Werte zu erwerben und fortan zu halten.730 Der Intermediär kann die Werte unmittelbar halten oder selbst entsprechende security entitlements bei einem höherstufigen Intermediär erwerben. Ob es sich um verbriefte oder unverbriefte Effekten handelt, ist gleichgültig. Auch hinsichtlich des Erwerbs und Erhalts des Deckungsbestandes richten sich die Pflichten des Intermediärs im Einzelnen nach den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Depotkunden, den sonstigen gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für Intermediäre sowie dem allgemeinen handelsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab. Dies bezieht sich sowohl auf die eigene Verwahrtätigkeit des Intermediärs als auch auf die sorgfältige Auswahl des übergeordneten Verwahrinstituts.731 Sofern den Intermediär danach kein Auswahlverschulden hinsichtlich der übergeordneten Buchungsstelle trifft, ist er auch bei einem Ausfall des übergeordneten Intermediärs nicht zum Ausgleich eines dadurch entstandenen Defizits seiner Deckungsmasse verpflichtet.732

726 Vgl. §§ 8-505 (a) (1), 8-506 (1), 8-507 (a) (1), 8-508 (1) UCC; aus Gründen des Kundenschutzes für bedenklich hält dies Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 748 ff. (2003). 727 §§ 1-302 (b), 1-304, 8-102 (a) (10) UCC; Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1503 ff. (1996). 728 § 8-501 (b) (1) UCC; ausnahmsweise erwirbt der Anleger auch ohne Buchungsgutschrift ein security entitlement, wenn der Intermediär von oder für ihn einen Vermögenswert erwirbt und zugunsten seines Kontos annimmt (§ 8-501 (b) (2) UCC), sowie dann, wenn eine sonstige Rechtspflicht zur Gutschrift besteht (§ 8-501 (c) (3) UCC); die beiden Vorschriften ergänzen den Anlegerschutz insoweit, als sie dem Anleger auch dann ein Recht gewähren, wenn es der Intermediär versäumt, einer Pflicht zur Einräumung eines security entitlements nachzukommen, vgl. § 8-501 UCC, cmt. 2. 729 § 8-501 (c) UCC; dies übersieht Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 140. 730 § 8-504 (a) UCC. 731 § 8-504 UCC cmt. 4 f. 732 Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 668 f. (2000); dies verkennt Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 686 (2003), der von einer Garantie des unmittelbaren Intermediärs für höherstufige Intermediäre ausgeht; ebenso bereits Mooney, 12 Cardozo L. Rev. 380 (1990).

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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c) Verfügungen über security entitlements aa) Veräußerung von security entitlements Die buchungsmäßige Übertragung eines security entitlements wird durch eine Anweisung des Depotinhabers an die kontoführende Stelle eingeleitet (entitlement order).733 Der Intermediär muss einer solchen Anweisung gemäß § 8-507 (a) UCC nachkommen, wenn sie von der zuständigen Person (appropriate person) erteilt und autorisiert wurde. Dies ist allein der Inhaber des security entitlements oder dessen Erbe oder gesetzlicher Vertreter.734 Zwar ist auch die Weisung eines rechtsgeschäftlichen Vertreters des Inhabers wirksam (effective), jedoch ist der Intermediär in diesem Fall nicht gesetzlich, sondern allenfalls vertraglich zur Übertragung verpflichtet. Überträgt der Intermediär das security entitlement aufgrund einer unwirksamen Weisung (ineffective entitlement order), beispielsweise aufgrund fehlender Vertretungsmacht, so ist er im Verhältnis zum Depotkunden verschuldensunabhängig auf eigene Kosten zur Wiedereinräumung des security entitlements verpflichtet.735 Der Intermediär kann deshalb die Befugnis des Auftraggebers prüfen und eine Garantie der Unterschrift verlangen.736 Im Rahmen der Übertragung erlangt der Erwerber jedoch nicht das security entitlement des Veräußerers. Vielmehr erlischt durch die Belastungsbuchung das security entitlement des Veräußerers gegenüber seiner Depotbank, während die Depotbank dem Erwerber originär ein neues security entitlement einräumt.737 Ein Verfügungsgeschäft zwischen Käufer und Verkäufer kommt damit nicht zustande.738 Übertragungen zwischen Kunden verschiedener Depotbanken können entsprechend durch Buchungen entlang der Verwahrkette abgebildet werden. Da der Kunde die aus der Gutschrift resultierenden Rechte gegen den Intermediär auch dann erwirbt, wenn dieser keinen ausreichenden Deckungsbestand vorhält, stellt sich die Frage des gutgläubigen Erwerbs an sich nicht.739 Allerdings kann nach den Grundsätzen des angloamerikanischen Rechts auch bei originärer Einräumung eines security entitlements ein Dritter (dingliche) Gegenrechte (adverse claims) geltend machen, wenn der Erwerb des Rechts in nachvollziehbarer Weise aus der Verletzung seines Eigentums oder einer anderen ihm zustehenden Rechtsposition stammt.740 In 733

§ 8-102 (a) (8) UCC. § 8-107 (a) (3) – (5) UCC. 735 § 8-505 (b) UCC; vgl. Powers v. American Express Financial Advisors, 82 F. Supp. 2d 448; dazu Darmstadter, 56 Bus. Law. 1825 f. (2001). 736 Donald, WM 2008, 531. 737 § 8-501 UCC, cmt. 5. 738 Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev. 370 f.; Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 706 (2001). 739 Einsele, RIW 1997, 171 f.; ungenau Donald, WM 2008, 530, wonach gerade dadurch ein gutgläubiger Erwerb innerhalb des Verwahrsystems ermöglicht werde. 740 Vgl. Rogers, 31 Idaho L. Rev. 696 (1995). 734

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Betracht kommt ein solches Gegenrecht etwa, wenn die Anweisung zur Umbuchung von einer nicht verfügungsberechtigten Person stammt741 oder wenn die Effektenurkunden von einem Dieb gestohlen und bei einem Intermediär in Verwahrung gegeben werden, der anschließend diesbezüglich ein security entitlement gutschreibt.742 Unklar, aber im Ergebnis wohl zu bejahen ist die Frage, ob nach diesen Grundätzen ältere entitlement holder Ansprüche gegen jüngere entitlement holder mit dem Argument geltend machen können, dass das security entitlement ohne einen Deckungskauf des Intermediärs geschaffen wurde und deshalb die Rechtsposition der älteren Berechtigten schmälert.743 Obgleich das security entitlement originär erworben und deshalb nicht identisch mit der verletzten Rechtsposition ist, kann der Erwerb des security entitlements insbesondere nach den principles of equity mit einem solchen GeACHTUNGREgenACHTUNGRErecht belastet sein. Der Erwerber hält das security entitlement dann unter einem constructive trust, also einer Art faktischen Treuhand, die ihn zur Herausgabe verpflichtet.744 Zur Überwindung derartiger adverse claims besteht nach § 8-502 UCC die Möglichkeit des gutgläubigen einredefreien Erwerbs, wenn der Erwerber das security entitlement entgeltlich (for value) und ohne Kenntnis (without notice)745 des Gegenrechts erwirbt. Im Ergebnis wird durch diese Art von gutgläubigem Erwerb die Gefahr reduziert, dass die Finalität des Erwerbs eines security entitlements durch einen adverse claim beeinträchtigt wird. Gleichwohl ist die praktische Bedeutung der Vorschrift im Effektenverkehr gering, da bereits die Struktur der Abwicklungssysteme einen umfangreichen Schutz des Erwerbers gewährt. Denn aufgrund der Nettingverfahren ist es in der Regel nicht nachweisbar, aus welcher Quelle die Werte stammen, die einem Anleger im Zuge der Erfüllung seiner Ansprüche gutgeschrieben wurden. Damit fehlt es praktisch immer an einer nachvollziehbaren Verletzung einer Rechtsposition und somit bereits am Tatbestand eines adverse claims.746 bb) Sicherungsrechte an security entitlements Daneben kann der Berechtigte ein Sicherungsrecht (security interest) an seinen security entitlements zugunsten Dritter bestellen. Das Recht der Kreditsicherheiten ist in Art. 9 UCC geregelt, der ebenfalls an die Neuregelungen in Art. 8 UCC angepasst wurde. Art. 9 UCC unterscheidet verschiedene Arten von Sicherungsgütern und ordnet security entitlements der Gruppe investment property zu.747 Ein security inte741

§ 8-502 UCC, cmt. 2; aufgrund des Anspruchs des Depotkunden gegen den Intermediär auf Wiedereinräumung eines security entitlements gemäß § 8-507 (b) UCC ist das Gegenrecht in diesem Fall nur in der Insolvenz des Intermediärs von Bedeutung. 742 Vgl. weitere Beispiele bei § 8-502 UCC, cmt. 3. 743 So Vaaler, 66 Miss. L. J. 307 f. (1996). 744 § 8-502 UCC, cmt. 2. 745 Zu den Voraussetzungen der Kenntnis vgl. § 8-105 UCC; Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 676 f. (2003). 746 § 8-502 UCC, cmt. 2; vgl. auch Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. (2003), 711 f. 747 Art. § 9-102 (a) (49) UCC.

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rest wird grundsätzlich durch einen zweiaktigen Bestellungsakt bestehend aus attachment und perfection bestellt.748 Mit dem attachment wird das Sicherungsrecht zwischen den Parteien wirksam, während die perfection für die Herbeiführung einer Drittwirkung erforderlich ist.749 Neben einer Sicherungsvereinbarung (security agreement), die grundsätzlich auch die dingliche Einigung erhält,750 erfordert ein wirksames attachment gemäß § 9-203 (b) UCC das Bestehen einer valutierten Forderung (value),751 die Berechtigung des Schuldners am Sicherungsgut (right of the debtor in the collateral) sowie ein Beweiszeichen, das eine Zuordnung des Sicherungsgutes ermöglicht. Die einfachste Möglichkeit der Zuordnung ist die Beschreibung des Sicherungsgutes in der Sicherungsabrede (description), die bereits dann erfüllt ist, wenn sie eine vernünftige Identifizierung des Sicherungsguts zulässt.752 Alternativ führt auch die Einräumung von Kontrolle (control) über das security entitlement zu einem wirksamen attachment.753 Die Einräumung von Kontrolle bewirkt dabei gleichzeitig die perfection des Sicherungsrechts und führt damit die Drittwirkung herbei.754 Der Begriff der Kontrolle taucht an verschiedenen Stellen des UCC auf und beschreibt eine Einwirkungsmacht des Sicherungsnehmers, die funktional in etwa dem Besitz im deutschen Recht entspricht. Da das amerikanische Recht der intermediären Wertpapierverwahrung nicht vom Besitz der Depotinhaber an einzelnen Wertpapierurkunden ausgeht, hat man die Kategorie der Kontrolle eingeführt und für jede Verwahrform im Einzelnen bestimmt, wann eine derartige Einwirkungsmacht besteht.755 Für die Frage, wann der Sicherungsnehmer Kontrolle über ein security entitlement erlangt, verweist § 9-106 UCC auf die Sondervorschriften in ACHTUNGRE§ 8-106 UCC.756 Das Prinzip der Kontrolle verlangt grundsätzlich, dass die gesicherte Partei in einer Position stehen muss, in der sie das Sicherungsgut ohne weitere Mitwirkung des Sicherungsgebers verwerten kann.757 Fortbestehende Einwirkungsmöglichkeiten des Sicherungsgebers oder auch die parallel mögliche Kontrolle einer dritten Partei sind unschädlich.758 Kontrolle über ein security entitlement ist nach ACHTUNGRE§ 8-106 (d) UCC zum einen dann gegeben, wenn der Sicherungsnehmer sich die Werte in den Büchern des Intermediärs auf seinen Namen umschreiben lässt und damit selbst zum Inhaber des security entitlements wird (outright transfer). Zum anderen hat der Sicherungsneh748

Vgl. § 9-308 (a) UCC. § 9-308 UCC, cmt. 2; White/Summers, S. 711. 750 Art. 9-102 (a) (73) UCC. 751 Zu Akzessorietät des security interests generell vgl. Rott, S. 74 ff. 752 § 9-108 UCC; White/Summers, S. 751 f.; ausreichend für die Beleihung eines Depotkontos als Ganzes ist beispielsweise die Benennung des kontoführenden Intermediärs, Wittie, 53 Bus. Law. 1519 (1998). 753 § 9-203 (b) (3) (D) UCC. 754 §§ 9-310 (b) (8); 9-314 (a) UCC. 755 § 8-106 UCC, cmt. 7; Saager, S. 163. 756 § 9-106 (a) UCC. 757 Vgl. § 8-106 UCC, cmt. 1; ausführlich Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev. 385 ff. 758 Vgl. § 8-106 (f) UCC. 749

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

mer Kontrolle, wenn sich der übergeordnete Intermediär in einer dreiseitigen Vereinbarung (tripartite agreement) bereit erklärt, fortan die Weisungen des Sicherungsnehmers zu befolgen, ohne dass der Sicherungsgeber zustimmen muss. Grundsätzlich nicht ausreichend ist hingegen eine bloße Verpfändungsvereinbarung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer (agreement to pledge).759 Zulässig ist aber die Ausübung der Kontrolle durch einen Dritten für die gesicherte Partei.760 Erforderlich ist damit generell die Mitwirkung des Intermediärs, der die security entitlements erteilt hat.761 Neben der perfection des Sicherungsrechts hat die Kontrolle über das Sicherungsgut eine Reihe weiterer Rechtsfolgen. Das Erlangen der Kontrolle über das security entitlement ermöglicht die Abwehr von Gegenrechten Dritter an dem security entitlement oder der dafür vorgehaltenen Deckungsmasse und damit den gutgläubigen Erwerb eines Sicherungsrechts in Form eines security interests oder im Rahmen eines repurchase agreements. Voraussetzung ist, dass der Erwerber eine Gegenleistung (in Form der Valutierung der besicherten Forderung) erbringt und keine Kenntnis von dem adverse claim hat.762 Darüber hinaus hat ein Sicherungsnehmer, der die Kontrolle über das Sicherungsgut erlangt hat, Vorrang vor nichtkontrollierenden Sicherungsnehmern, selbst wenn er die Kontrolle in Kenntnis dieser älteren Sicherungsrechte erwirbt.763 Haben mehrer Sicherungsnehmer die Kontrolle über ein security entitlement erlangt, so gebührt dem zeitlich früheren Sicherungsrecht der Vorrang.764 Besonderheiten ergeben sich, wenn der Zwischenverwahrer als Sicherungsnehmer oder Sicherungsgeber involviert ist. Sollen Sicherungsrechte an security entitlements zugunsten des Intermediärs bestellt werden, der diese gutgeschrieben hat, so genügt eine Verpfändungsvereinbarung, da der Intermediär in diesem Fall naturgemäß Kontrolle über die security entitlements besitzt.765 Zur Absicherung offener Verbindlichkeiten aus der Anschaffung von Wertpapieren erlangt der Intermediär gemäß § 9-206 UCC ein gesetzliches Sicherungsrecht an den angeschafften Werten. In Abweichung von der sonst üblichen zeitlichen Prioritätsregel hat das Sicherungsrecht eines Intermediärs darüber hinaus unabhängig vom Zeitpunkt seiner Bestellung generell Vorrang vor Sicherungsrechten Dritter, obwohl der Intermediär im Regelfall sogar Kenntnis von älteren Sicherungsrechten hat.766 Der Grund für diese Bevorzu759

Vgl. Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1525 f. (1996); Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 363 f. § 8-106 (d) (3) UCC; dazu Wittie, 53 Bus. Law. 1513 (1998). 761 Nicht ausreichend ist damit, wenn die Bestellung des Sicherheitsrechts dem Intermediär lediglich mitgeteilt wird, vgl. First Nat. Bank of Palmerton v. Donaldson, Lufkin & Jenrette Securities Corp., 38 U.C.C. Rep. Serv. 2d (West) 564, 569 (E.D. Pa., 1999); vgl. auch § 8-106 UCC, cmt. 5. 762 § 8-510 (a) UCC; Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 716 ff. (2003). 763 §§ 8-510 (c), 9-328 (1) UCC; dazu und zu weiteren Rangfragen Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 704 ff. (2003). 764 §§ 8-510 (c); 9-328 (2) UCC. 765 § 8-106 (e) UCC. 766 §§ 8-510 (d), 9-328 (3) UCC; kritisch hierzu Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 768 ff. (2003). 760

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gung von Intermediären liegt in der Eingrenzung des Systemrisikos. Die am Abwicklungsverfahren teilnehmenden Intermediäre sollen sich auf die ihnen gewährten Sicherheiten verlassen können, auch wenn dies zulasten von anderen Sicherungsnehmern des Depotinhabers geht.767 Ist der Zwischenverwahrer hingegen in der Position des Sicherungsgebers, unterliegt die Sicherungsbestellung den erleichterten Voraussetzungen der so genannten automated perfection. Die Drittwirkung tritt dabei unmittelbar mit dem attachment ein, ohne dass eine weitere Einräumung der Kontrolle nötig wäre.768 Jedoch ist die Kontrolle des Sicherungsnehmers gleichwohl Voraussetzung für die Priorität des Sicherungsrechts vor anderen nichtkontrollierenden Sicherungsnehmern.769 Von Relevanz ist die Kontrolle darüber hinaus im Verhältnis zu den Depotkunden des Sicherungsgebers, wenn dieser die verpfändeten security entitlements gleichzeitig als Deckungsbestand für die security entitlements seiner Kunden hält. Nur ein kontrollierender Sicherungsnehmer hat auch Vorrang vor den Inhabern dieser weiteren security entitlements.770

d) Sicherung des security entitlements durch den Deckungsbestand Der Bestand, den der Intermediär zur Deckung der von ihm erteilten security entitlements unterhält, ist seinem allgemeinen Vermögen und damit dem Zugriff der sonstigen Gläubiger des Intermediärs entzogen. Der Deckungsbestand ist damit zwangsvollstreckungs- und insolvenzfest. § 8-503 (a) UCC formuliert diesen Grundsatz allerdings etwas verklausuliert. Danach sind die Werte, die der Intermediär unmittelbar oder in Form von eigenen security entitlements bei einem anderen Intermediär hält, jedenfalls soweit sie zur Deckung der security entitlements notwendig sind, kein Eigentum des Intermediärs und stehen nicht zur Befriedigung seiner Gläubiger zur Verfügung. Auf eine erkennbare Trennung von eigenen Vermögensbeständen kommt es nicht an.771 Nach § 8-503 (b) UCC erhalten die Depotinhaber durch das security entitlement stattdessen ein anteilsmäßiges Eigentumsinteresse (pro rata property interest) an den zur Deckung angeschafften Werten. Der gesamte Bestand an Effekten einer Gattung eines Intermediärs steht zur Deckung der von ihm für diese Effekten erteilten security entitlements zur Verfügung, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Deckungsbestand erworben oder das security entitlement erteilt wurde. § 8-503 (c) UCC schränkt dieses Eigentumsinteresse aber sogleich insoweit ein, als dass der Rechtsinhaber es grundsätzlich nur gegenüber seinem eigenen Intermediär ausüben kann. Lediglich im Fall der Insolvenz des Intermediärs 767

So Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 770 f. (2003), der darin aber eine unangemessene Bevorzugung der Finanzwirtschaft sieht. 768 § 9-309 (10) UCC. 769 Mehrere in Form der automated perfection bestellte Sicherungsrechte sind gleichrangig, § 9-328 (6) UCC. 770 § 8-511 (b) UCC. 771 § 8-503 UCC, cmt. 1.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

ist es den Depotkunden möglich, die zur Deckung bei übergeordneten Intermediären gehaltenen security entitlements gemeinsam geltend zu machen.772 Aus der Gesamtschau dieser Vorschriften folgt zum einen, dass die Einräumung eines zusätzlichen security entitlements durch den Intermediär ohne einen gleichzeitigen Deckungskauf die zur Verfügung stehende Deckungsmasse auch für die bereits vorher Berechtigten schmälert.773 Insbesondere sind zeitlich früher eingeräumte gleichrangig mit später eingeräumten Gutschriften, so dass letztlich alle entitlement holder bezüglich einer Wertpapierart gleichrangig nebeneinander stehen.774 Zum andern folgt aus der lediglich schuldrechtlichen Bestandserhaltungsverpflichtung des Intermediärs, dass dieser ohne Zustimmung der jeweils Berechtigten Teile der Deckungsmasse rechtswirksam veräußern kann, selbst wenn dadurch eine Unterdeckung hervorgerufen wird. Er ist in diesem Fall lediglich gesetzlich verpflichtet, wieder einen Ausgleich des Deckungsbestandes herbeizuführen. Die Inhaber der security entitlements haben grundsätzlich keine Möglichkeit, die Übertragung der Deckungsmasse im Außenverhältnis zu unterbinden oder gegen den Erwerber der Deckungsmasse vorzugehen. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Erwerber von der Pflichtverletzung des veräußernden Zwischenverwahrers wusste. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn im Fall der Insolvenz des Intermediärs der vorhandene Bestand einer Effektengattung nicht zur Deckung der darüber erteilten security entitlements ausreicht und der Intermediär unter Verstoß gegen seine Erhaltungspflichten Teile der Deckungsmasse veräußert hat. In diesem Fall können die entitlement holder gemäß § 8-503 (d) UCC Rückgewähransprüche gegen den Erwerber der Werte geltend machen. Jedoch ist ein solcher Anspruch gegenüber Dritten bereits dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber entgeltlich Kontrolle über die Werte erlangt hat und dabei nicht kollusiv775 mit dem veräußernden Intermediär bei der Verletzung von dessen BestandsACHTUNGREerhaltungspflicht zusammengewirkt hat. Da diese Ausschlussgründe im regelmäßigen Handelsverkehr gegeben sind, dürften auch im Fall der Insolvenz des Intermediärs nur in extrem außergewöhnlich gelagerten Fällen direkte Ansprüche der entitlement holder gegen einen Erwerber von Anteilen der Deckungsmasse bestehen.776 Die Regel der Kollusion weicht vom sonst üblichen Maßstab der Kenntnis von einem Gegenrecht als Grenze für den gutgläubigen Erwerb ab. Die niedrigeren Anforderungen für einen bestandskräftigen Erwerb vom Intermediär sollen konkrete Prüfungspflichten des Erwerbers vermeiden, um ein zügiges Abwicklungsverfahren zu ACHTUNGREgewährleisten.777 Ferner sollen die Geschäfte, die ein Intermediär pflichtwidrig abgeschlossen hat, auch im Fall seiner Insolvenz zum Schutz vor Systemrisiken grundsätz772

Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 362. § 8-502 UCC, cmt. 4. 774 Vaaler, 66 Miss. L. J. 297 f. (1996). 775 Sog. „Bad Actor Transferee Exception“, vgl. Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1530 ff. (1996); vgl. dazu auch DarmACHTUNGREstadter, 57 Bus. Law. 1747 (2002). 776 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 691 (2003). 777 § 8-503 UCC, cmt. 3; Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1532 f. (1996); mit beachtlichen Argumenten dagegen Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 759 ff. (2003). 773

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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lich bestandskräftig bleiben. Dadurch wird der Schutz des Systems beim Ausfall eines Intermediärs über den Schutz der Anleger vor Veruntreuungen des Deckungsbestandes gestellt.778 Außer durch eine Vollrechtsübertragung kann die depotführende Bank die Deckungsmasse auch dadurch schmälern, dass sie Dritten Sicherheiten daran gewährt. Für die Verpfändung von Werten, die der Intermediär zur Deckung von security entitlements hält, bedarf er zwar der Erlaubnis des Kunden. Eine solche Erlaubnis erteilen die Depotinhaber beispielsweise, um dem Intermediär die Refinanzierung von Krediten zu ermöglichen, die dieser seinen Depotkunden erteilt.779 Jedoch wirken eine solche Erlaubnis und auch regulatorische Obergrenzen, bis zu denen ein Intermediär überhaupt Kundenwerte verpfänden darf,780 nur im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis ist die Bestellung einer Sicherheit durch den Intermediär auch ohne eine derartige Erlaubnis grundsätzlich wirksam.781 Genügt der Deckungsbestand in einem solchen Fall nicht zur Befriedigung der security entitlements und der Sicherungsrechte von Gläubigern des Intermediärs, wird das Verhältnis zwischen entitlement holder und Sicherungsnehmer zunächst nicht von § 503 (d) und (e) UCC geregelt, sondern richtet sich nach § 8-511 UCC. Nach Absatz (a) hat grundsätzlich die Erfüllung der security entitlements Vorrang vor den Interessen von Sicherungsnehmern. Jedoch gebührt der Vorrang gemäß § 511 (b) UCC einem Sicherungsnehmer, wenn dieser die Kontrolle gemäß § 8-106 UCC über das Sicherungsgut erlangt hat. Hat der Sicherungsnehmer Kontrolle über das Sicherungsgut erlangt, verbleibt dem entitlement holder lediglich die Möglichkeit, gemäß § 8-503 (d) und (e) UCC gegen den Sicherungsnehmer vorzugehen, wenn dieser bei der Pflichtverletzung des verpfändenden Intermediärs kollusiv mitgewirkt hat; diese Möglichkeit lässt § 8-511 (b) UCC unberührt.782 Praktisch wird damit auch bei der Bestellung von Sicherheiten am Deckungsbestand regelmäßig dem Sicherungsnehmer Vorrang vor einem Anleger eingeräumt.783 Die entstehende Schutzlücke wird im amerikanischen Recht zum Teil von Vorschriften geschlossen, die Intermediären im Rahmen ihrer Verwahrtätigkeit zum Erhalt des Deckungsbestandes verpflichten und pflichtwidrige Veräußerungen unter Strafe stellen.784 Zudem kommt den Depotinhabern im Fall der Insolvenz des Inter778

Vgl. Vaaler, 66 Miss. L. J. 299 (1996); Darmstadter, 57 Bus. Law. 1746 f. (2002). Vgl. § 8-504 UCC cmt. 2. 780 Der Intermediär darf generell nur in Höhe der Summe aller Kredite, die er seinen Depotkunden gewährt hat, Kundenwerte vermischen und zur gemeinsamen Besicherung einsetzen, vgl. 17 C.F.R. §§ 240.8c-1, 240.15c2-1. 781 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 751 (2003). 782 So deutlich § 8-511 UCC, cmt. 1; Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 779 f. (2003); zweifelnd aber Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 668 (2000). 783 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 734 (2003); kritisch mit Blick auf den Rechtsschutz für individuelle Investoren Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 714 f. (2000). 784 Vgl. die zum Securities Exchange Act von 1934 erlassenen SEC Rules zur Verpfändung von Kundenwerten (17 C.F.R. §§ 240.8c-1, 240.15c.2-1) und zur Erhaltung des Deckungsbe779

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

mediärs ein gewisser Schutz durch den Securities Investors Protection Act von 1970 (SIPA) zu.785 Dieser wurde in Reaktion auf die vorangegangenen Störungen der Abwicklungssysteme erlassen und sieht verschiedene Sicherungsmechanismen vor, die bereits im Vorfeld den Konkurs eines Brokers verhindern sollen. Dabei wurde die Securities Investor Protection Corporation (SIPC) geschaffen.786 Hierbei handelt es sich um eine gemeinnützige Körperschaft, bei der grundsätzlich alle unter dem Securities Exchange Act von 1934 registrierten Broker und Händler Mitglied sein müssen. Die SIPC unterhält einen Fond, der durch Einlagen der Intermediäre gespeist wird und aus dem die Insolvenzmasse eines Mitgliedes im Falle einer Unterdeckung zugunsten von Wertpapierinhabern aufgestockt werden kann.787 Sollte dies unzureichend sein, kann die amerikanische Finanzaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) weitere Gelder einschießen, die sie durch die Ausgabe von Staatsanleihen erlöst und durch Sondertransaktionsgebühren auf den Effektenmärkten refinanzieren kann.788 e) Rechtsnatur des security entitlements Unklar ist die Rechtsnatur des security entitlements. Da es sich offensichtlich nicht um ein Miteigentumsrecht oder eine Besitzposition an den sammelverwahrten Effektenurkunden handelt und es grundsätzlich nur gegenüber dem eigenen Intermediär ausgeübt werden kann, spricht vieles dafür, es als schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Intermediär einzuordnen. Gleichwohl ist es mit dem zwangsvollstreckungsund insolvenzrechtlichen Schutz eines dinglichen Rechts ausgestattet und wird vom Gesetz selbst als Eigentumsinteresse bezeichnet. Seine Einordnung ist deswegen umstritten. In der amerikanischen Literatur wird es zumeist als Eigentumsrecht sui generis bezeichnet.789 Andererseits wird aber auch hervorgehoben, dass dem Inhaber fast ausschließlich persönliche Ansprüche gegen seinen Intermediär zustehen.790 In der deutschen Literatur wurde es als anteilsmäßige dingliche Berechtigung am Wertpapierbestand des Zwischenverwahrers aufgefasst.791 Vielfach lässt man die dogmatische Einordnung schlicht offen792 oder zieht sich auf die Aussage zurück, dass der standes (17 C.F.R. §§ 240.15c3-3 sowie die Strafbewährung in § 32 Securities Exchange Act; dazu Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 679 ff. (2000). 785 15 U.S.C. §§ 78 aaa – lll; vgl. dazu Don/Wang, 12 Cardozo L. Rev. 509 ff. (1990). 786 15 U.S.C. §§ 78 ccc. 787 Danach sind Defizite bis zu einer Höhe von 500.000 US $ pro Kunde abgesichert, zu den Einzelheiten vgl. Don/Wang, 12 Cardozo L. Rev. 513 ff. (1990); Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev. 463 ff.; Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 735 ff. (2003). 788 15 U.S.C. §§ 78 ddd (g) und (h); dazu Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 736 ff. (2003). 789 Mooney/Rocks/Schwartz, 49 Bus. Law. 1894 (1994); Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1518 (1996); Vaaler, 66 Miss. L. J. 255 (1996). 790 Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev. 500. 791 Dittrich, S. 91; Donald, WM 2008, 530 fasst es als sachenrechtliches Eigentumsinteresse auf. 792 Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 696 (2001); Saager, S. 160.

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Gesetzgeber zu dogmatischer Folgerichtigkeit letztlich nicht verpflichtet sei.793 Wenig aussagekräftig ist auch die Einordnung des security entitlements als wirtschaftliches Eigentum.794 Die Rechtsfigur lässt sich im amerikanischen Recht nicht in das allgemeine Eigentumsrecht einordnen, sondern soll ein selbstständiges, allein Art. 8 UCC unterliegendes Eigentumsrecht darstellen.795 Um aus dem amerikanischen Rechtskonzept Schlüsse für eine Fortentwicklung der deutschen Rechtsgrundlagen für die Verwahrung und Übertragung von Effekten ziehen zu können, ist eine Zuordnung der Rechtsfigur im amerikanischen Recht aber nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, anhand der Funktionen, die einem security entitlement nach dem UCC zukommen, zu prüfen, ob eine solche Figur nach deutschem Recht schuldrechtlich oder dinglich einzuordnen wäre. Dabei ist äußert fraglich, worin gerade die Eigenschaft eines security entitlements liegen soll, welche diese Rechtsposition trotz seiner Benennung als property interest aus dem Kreis schuldrechtlicher Rechtsbeziehungen zwischen Depotinhaber und Intermediär heraushebt und zu einem gegen Dritte wirkenden Eigentumsrecht macht.796 Rechtlicher Inhaber des Deckungsbestandes sind gerade nicht die Depotkunden, sondern der Intermediär selbst. Formeller Eigentümer der Wertpapierurkunden bzw. unverbrieften Registerrechte ist der record owner und damit Cede & Co als Nominee von DTC.797 Dies wird auch an zahlreichen Stellen der offiziellen Kommentierung von § 8 UCC deutlich.798 Dass die Inhaber eines security entitlements nicht Inhaber der zur Deckung angeschafften Werte sind, ist auch daran zu erkennen, dass ein security entitlement wirksam begründet werden kann, ohne dass sich die Werte überhaupt bereits im Bestand des gutschreibenden Intermediärs befinden. Der Intermediär ist lediglich schuldrechtlich verpflichtet, einen ausreichenden Deckungsbestand vorzuhalten. Ihm steht die alleinige Verfügungsbefugnis über den Deckungsbestand zu.799 Führt er durch eine Veräußerung des Deckungsbestandes eine Unterdeckung im Hinblick auf die erteilten security entitlements herbei, so begeht er dadurch möglicherweise eine Pflichtverletzung gegenüber den Depotinhabern. Die Wirksamkeit der Verfügung ist davon jedoch nicht betroffen. Der Inhaber des security entitlements kann seine Rechte im Übrigen allein gegenüber seinem unmittelbaren Intermediär ausüben.800 Wäre er auch selbst Mitinhaber der Deckungsmasse, so müsste er die 793

Donald, WM 2008, 530, Fn. 78. Einsele, RIW 1997, 271; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 211. 795 Vgl. § 8-503 UCC, cmt. 2. 796 Auch aus der Sicht des amerikanischen Rechts werden diese Zweifel erhoben, vgl. Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 745 (2003). 797 Vgl. County of Orange, 219 B.R. 543, 553 f. (Bkrtcy. C.D.Cal., 1997); Wunderlich/ Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, S. 173; Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 361. 798 Vgl. z. B. § 8-502 UCC, cmt. 1. 799 § 8-503 UCC, cmt. 3. 800 Vgl. § 8-503 UCC, cmt. 2. 794

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

darin liegenden Rechtspositionen rechtlich grundsätzlich auch gegenüber höherrangigen Intermediären und letztlich gegenüber dem Emittenten ausüben können, auch wenn er durch die Ausgestaltung des intermediären Verwahrsystems faktisch gezwungen wäre, dazu seine Depotbank zu ermächtigen. Dass der UCC diese Möglichkeit aber bereits rechtlich ausschließt, spricht dafür, dass der Depotkunde gerade nicht selbst Mitinhaber des Deckungsbestandes ist. Der Inhaber eines security entitlements kann damit lediglich den wirtschaftlichen Nutzen aus den verbuchten Werten ziehen, ohne selbst deren rechtlicher Inhaber zu sein. Die Möglichkeit, kraft des security entitlements Rechte am Deckungsbestand gegen einen Dritten geltend zu machen, dem der Intermediär pflichtwidrig Teile des Deckungsbestandes veräußert hat, sind extrem limitiert und gehen nicht über die im deutschen Treuhandrecht bestehende Grenze der Sittenwidrigkeit bei der Veräußerung des Deckungsbestandes durch den Treuhänder hinaus. Im Ergebnis beschränkt sich die Rechtsmacht, die ein Depotinhaber durch die Einräumung eines security entitlements erlangt, auf persönliche Ansprüche gegen den Intermediär.801 Der dingliche Schutz der Rechtsposition des Anlegers reduziert sich auf ein Abwehrrecht vor Zugriffen sonstiger Gläubiger der Depotbank auf den Deckungsbestand und ähnelt damit stark einem insolvenzrechtlichen Aussonderungsrecht bzw. zwangsvollstreckungsrechtlichen Widerspruchsrecht nach deutschem Recht.802 Dafür spricht die Formulierung in § 8-503 (a) UCC, wonach die Werte nur insoweit nicht „Eigentum“ des Intermediärs sein sollen, als sie zur Deckung von erteilten security entitlements benötigt werden. Eine derartige relative und gegebenenfalls wechselnde Rechtszuordnung wäre jedoch äußerst fragwürdig. Im Ergebnis handelt es sich bei einem security entitlement deshalb um eine schuldrechtliche Position, der unter bestimmten Umständen ein gewisser dinglicher Schutz zukommt.803 Die Rechtsposition ist insoweit vergleichbar mit dem treuhandrechtlichen Herausgabeanspruch aus einer Gutschrift in Wertpapierrechnung nach deutschem Recht.804 f) Bewertung Die Reform des UCC ist weltweit beachtet und vielfach auf Zustimmung gestoßen.805 Begrüßenswert ist es in der Tat, dass dadurch ein Rechtsrahmen speziell für die intermediäre Wertpapierverwahrung geschaffen wurde, der nicht mehr auf einer direkten dinglichen Rechtsbeziehung des Anlegers zu einem Wertpapier beruht, die in modernen Verwahrketten rechtlich schwer konstruierbar ist. Die entscheidende

801

Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 692 (2003). In diesem Sinne auch Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 362. 803 So auch Ooi, Rn. 11.04; Verhagen, EBLR 11 (2000), 115; Einsele, WM 2001, 16; anders aber Donald, WM 2008, 530, der es als dingliches Recht mit schuldrechtlichen Eigenschaften bezeichnet. 804 Zugestanden auch von Dittrich, S. 93. 805 Vgl. Goode, JIBFL Special Supplement/September 1998, 23; Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 366. 802

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Beziehung ist vielmehr diejenige zwischen Depotinhaber und seinem Intermediär.806 Das Konzept setzt damit die faktischen Gegebenheiten moderner, intermediärer Wertpapierverwahrung rechtlich um.807 Die Möglichkeit eines früheren Berechtigten, gegen den Erwerber eines Buchungsrechts adverse claims geltend zu machen, stellt dabei zwar einen systematischen Fremdkörper dar, hat aber rechtspraktisch keine große Bedeutung.808 Der Regelungskomplex erfasst die Charakteristika der intermediären Wertpapierverwahrung in einer pragmatischen Art und Weise und läuft deshalb weniger Gefahr, die damit zusammenhängenden Rechtsunsicherheiten und -risiken zu verschleiern.809 Insbesondere das Risiko der Veruntreuung der Werte durch den Intermediär wird klar offengelegt.810 Die bereichsspezifischen Übertragungsregeln erhöhen die Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Die Vorschriften gewährleisten zudem die Finalität von Buchungen, weil sich der Erwerber eines security entitlements durch den weitgehenden Ausschluss von adverse claims grundsätzlich auf die Beständigkeit einer Buchungsgutschrift verlassen kann.811 Hervorzuheben ist zudem die relative Offenheit der Regelungen. Zum einen ermöglichen sie neben der indirekten Verwahrung weiterhin auch die Verwahrung, bei der der Anleger selbst rechtlicher Inhaber der Werte ist. Wichtiger noch ist, dass das Modell des security entitlements verbriefte und unverbriefte Effekten oder auch inländische oder ausländische Werte aufnehmen kann. Der Begriff der financial assets, die die Deckungsmasse der security entitlements darstellen, ist sehr weit und bewahrt sich damit eine Neutralität und große Flexibilität für zukünftige Marktentwicklungen und Verbriefungsformen.812 Durch die Durchbrechung der rechtlichen Beziehung des Anlegers zur Deckungsmasse ist die konkrete Ausgestaltung der zur Deckung angeschafften Werte für die Rechtsnatur des security entitlements nicht relevant. Die Parallele zur treuhandrechtlichen Gutschrift in Wertpapierrechnung nach deutschem Recht drängt sich auf. Auch hier dient die Durchbrechung der rechtlichen Beziehung des Anlegers zu den auslandsverwahrten Werten gerade dazu, die Rechtsposition des deutschen Anlegers unabhängig von der Rechtsnatur der auslandsverwahrten Werte zu machen. Zusammenfassend kann man festhalten, dass ein Depotkonto, auf dem security entitlements verbucht werden, eher einem Geldkonto als einem klassischen Wertpapierdepot entspricht.813 Unterschiede zu einem Bankkonto liegen jedoch in der Pflicht des Intermediärs zur vollen Deckung der Gutschriften im Gegensatz zu einer bloßen Pflicht zur Unterhaltung von Mindestreserven, im Insolvenzschutz des Kontoinha806

Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 361. Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1455 (1996). 808 Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 704 f. (2001). 809 Mooney/Rocks/Schwartz, 49 Bus. Law. 1894 (1994). 810 Mooney/Rocks/Schwartz, 49 Bus. Law. 1902 (1994). 811 Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1461 f. (1996). 812 Vgl. § 8-103 UCC; Vaaler, 66 Miss. L. J. 321 (1996); Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 684 (2003). 813 Vgl. Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 367; so auch bereits Mooney, 12 Cardozo L. Rev. 403 f. (1990). 807

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

bers sowie in den Verwaltungspflichten des Intermediärs.814 Durch den Schutz der Inhaber von security entitlements vor Zugriffen durch Gläubiger des Intermediärs auf die ihnen gebührenden Werte ähnelt das Konzept dem Recht der Treuhand.815 Obgleich man die Reform von Art. 8 UCC im Ganzen weitgehend begrüßt hat, wurden in der jüngeren US-amerikanischen Literatur Befürchtungen laut, dass die Vorschriften den Inhaber eines security entitlements und insbesondere individuelle Investoren gegenüber dem depotführenden Intermediär und der Wertpapierindustrie generell benachteiligen könnten.816 Bedenken ruft zum einen die Möglichkeit hervor, Pflichten des Intermediärs und damit den Inhalt eines security entitlements zum Teil der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien zu überlassen. So könnte die Finanzwirtschaft Risiken der intermediären Wertpapierverwahrung über Gebühr auf ihre Depotkunden abwälzen.817 Privilegiert würde die Finanzwirtschaft darüber hinaus beim Erwerb von Werten, die ein Intermediär zur Deckung von security entitlements hält, da der Schutz vor dinglichen Gegenrechten der Anleger nicht von der sonst üblichen Redlichkeitsvoraussetzung der fehlenden Kenntnis von Gegenrechten abhängt (no notice), sondern gemäß § 8-503 (d) und (e) bereits dann gewährt wird, wenn der Erwerber nicht kollusiv an der Pflichtverletzung des veräußernden Intermediärs mitwirkt.818 Auch der damit korrespondierende Vorrang von kontrollierenden Sicherungsnehmern des Deckungsbestandes gegenüber den Depotinhabern gemäß § 8-511 (b) UCC stelle eine fragwürdige Bevorzugung der Finanzwirtschaft dar.819 Das Gleiche gelte für den generellen Vorrang der Sicherungsinteressen des Intermediärs an den von ihm verbuchten security entitlements vor den Sicherungsinteressen anderer Sicherungsnehmer gemäß §§ 8-510 (d), 9-328 (3) UCC.820 Diese Risiken, die sich überwiegend dann realisieren, wenn der Intermediär pflichtwidrig über den Deckungsbestand verfügt, könnten auch nicht vollumfänglich durch Einrichtungen wie die SIPC abgesichert werden, da insoweit Deckungsgrenzen und weitere Beschränkungen bestünden.821 Die Kritiker führen diese Risikoverlagerung zulasten der Anleger auf den Prozess der Reform von Art. 8 UCC zurück, bei dem neben Akademi814

Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 695 (2001); Haentjens, S. 41. Sommer, 53 Bus. Law. 1201 (1998); Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, S. 171. 816 Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 617 (2000); Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 784 f. (2003). 817 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 748 ff. (2003). 818 Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 707 f. (2000); Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 758 ff. (2003); kritisch, die Regelung i.E. aber gleichwohl befürwortend Schroeder, 1994 Colum. Bus. L. Rev. 490 f. 819 Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 711 ff. (2000) regt an, eine Ausnahme von der Vorrangregel zugunsten von Privatanlegern in einer bestimmten Höhe einzuführen oder entitlement holder generell zu bevorzugen. 820 Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. 767 ff. (2003) schlägt deshalb vor, den Vorrang auf Sicherheiten zu beschränken, die im Rahmen des Abwicklungsvorgangs bestellt werden. 821 Beispielsweise müssen nicht alle Zwischenverwahrer Mitglied der SIPC sein; darüber hinaus gilt ein Treuhänder, der Werte für mehrere Einzelpersonen hält, als ein einziger Kunde im Sinne der Vorschrift, vgl. Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 689 ff. (2000). 815

III. Intermediäre Wertpapierverwahrung im US-amerikanischen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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kern zwar Interessenvertreter der Finanzwirtschaft, nicht aber Interessenvertreter für individuelle Investoren und Verbraucher beteiligt waren.822 Die Einwände richten sich nicht gegen das Konzept als solches, sondern gegen Einzelfragen der Ausgestaltung, die auch anders geregelt werden könnten. Sie sind deswegen für die im Rahmen dieser Arbeit verfolgte generelle Unterscheidung möglicher Berechtigungsformen nicht entscheidend. Zutreffend ist aber in der Tat, dass der Deckungsbestand nach dem UCC im Außenverhältnis rechtlich nicht den Depotinhabern zugewiesen ist, so dass sie pflichtwidrigen Verfügungen durch den Intermediär zunächst schutzlos ausgeliefert sind. Solche pflichtwidrigen Verfügungen können in der Veräußerung des Deckungsbestandes oder in die Bestellung von Sicherungsrechten liegen. Der Intermediär ist insoweit einem Treuhänder vergleichbar. Die Anleger tragen darüber hinaus gemeinsam das Risiko pflichtwidrig unterlassener Deckungskäufe bei der Gewährung neuer security entitlements. Bedeutsam werden die Risiken allein in der Insolvenz des Intermediärs. Die Möglichkeiten der Anleger, in diesem Fall Ansprüche gegen den Erwerber der Deckungsmasse durchsetzen zu können, sind faktisch vernachlässigbar. Diese mit der Auswahl des Intermediärs verbundene Risiken (intermediary risks) mögen auf den ersten Blick aus Anlegerschutzaspekten kritikwürdig erscheinen. Zweifel an dem Konzept ergeben sich gerade im Vergleich mit Konzepten wie der Girosammelverwahrung im deutschen Recht. Da die Anleger hier dingliche Rechte an den zugrundeliegenden Wertpapieren halten, sind unberechtigte Verfügungen des Intermediärs nur in den Grenzen des gutgläubigen Erwerbs wirksam.823 Jedoch ist zu bedenken, dass die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nach deutschem Recht tatsächlich in aller Regel vorliegen. Da im anonymisierten Wertpapierverkehr in der Regel keine Anhaltspunkte zur Begründung einer eventuellen Bösgläubigkeit bestehen, macht es aus Sicht des Depotkunden keinen Unterschied, ob der Intermediär als Nichtberechtigter oder aber pflichtwidrig als Berechtigter Werte veräußert, die an sich dem Kunden zustehen. Pflichtwidrige Handlungen des Zwischenverwahrers führen auch nach deutschem Recht in der Regel zu Verlusten der Depotkunden.824 In beiden Systemen kann ein Intermediär auf höherer Verwahrstufe aus praktischen Gründen nicht erkennen, ob ein angeschlossener Intermediär bei einer Verfügung über Kundenwerte tatsächlich von seinem Kunden autorisiert wurde oder nicht.825 Beide Systeme bürden dem Anleger das Risiko einer Veruntreuung durch den Intermediär auf, um die Finalität von dessen Verfügungen und damit einen flüssigen Ablauf der Wertpapierabwicklung zu gewährleisten. Letztlich ist der Anleger immer gezwungen, auf die Zuverlässigkeit seines Intermediärs und den gesetzlichen und regulatorischen Rahmen zu vertrauen, unter dem der Intermediär agiert. 822

Facciolo, 27 Fla. St. U. L. Rev. 697 ff. (2000); a.A. aber Mooney, 27 Okla. City U. L. Rev. 576 ff. (2002); vgl. auch bereits Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1544 f. (1996). 823 So Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, S. 173 f., die darin einen Nachteil des amerikanischen Systems sehen. 824 Ebenso Einsele, RIW 1997, 272; Ege, S. 29. 825 So auch Rogers, 43 UCLA L. Rev. 1537 (1996); Reitz, Unif. L. Rev. 2005, 365.

252 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

IV. Zusammenfassung und Würdigung Die Ausführungen haben unterschiedliche Möglichkeiten zur materiellrechtlichen Erfassung von Berechtigungen an verbuchten Wertpapieren aufgezeigt. Das Recht der Verwahrung ist in erster Linie Anlegerschutzrecht. Primäres Ziel aller Rechtskonstruktionen ist der Schutz der Rechte des Inhabers vor zwangsvollstreckungs- oder insolvenzrechtlichen Zugriffen Dritter auf das Vermögen des maßgeblichen Intermediärs oder einer anderen zwischenverwahrenden Depotbank.826 Des Weiteren wird versucht, das Vertrauen in einen wirksamen Rechtserwerb durch eine Gutschrift zu schützen. Im deutschen Recht der Girosammelverwahrung ist die Rechtsposition des Anlegers als Miteigentumsrecht an den sammelverwahrten Wertpapieren ausgestaltet. Das Eigentumsrecht gewährleistet sowohl Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzschutz als auch die grundsätzliche Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Hochgradig umstritten ist die für die Übertragung des Miteigentumsanteils rechtstechnisch notwendige Besitzerstellung des Anlegers. Es wurde dargelegt, dass sich die depotgesetzlichen Auslieferungsansprüche, soweit sie überhaupt bestehen, entgegen der h.M. nicht zur Begründung des mittelbaren Besitzes eignen. Jedoch kann zur Begründung des mittelbaren Besitzes auf die neben den depotgesetzlichen Auslieferungsansprüchen fortbestehenden verwahrungsrechtlichen und dinglichen Ansprüche auf Herausgabe des Sammelbestandes an alle Hinterleger abgestellt werden. Dabei ist es unerheblich, ob die Werte einzeln oder in einer Global- bzw. Dauerglobalurkunde verbrieft sind. Die direkte rechtsgeschäftliche Übertragung von Miteigentumsanteilen an Sammeldepotbeständen ohne einen Zwischenerwerb der eingeschalteten Banken ist nach den § 929 S. 1 BGB möglich. Auch die Verpfändung und Pfändung der Werte sowie ihre Verwertung ist nach den allgemeinen sachenrechtlichen Vorschriften begründbar. Das Verwertungsrecht des rechtsgeschäftlichen Pfandnehmers wird in der Insolvenz des Sicherungsgebers nicht von einer Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters verdrängt. Trotz der beschränkten Publizität der Buchungsvorgänge ist grundsätzlich auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten gewährleistet. Werden die Werte durch die Wertpapiersammelbank umgebucht, kommt es aufgrund deren Stellung als Vertreterin des Erwerbers auf den guten Glauben von Clearstream an. Dieser wird immer gegeben sein, solange das Konto der ohne Ermächtigung ihres Kunden handelnden Veräußererbank bei Clearstream eine ausreichende Deckung aufweist. Die dingliche Verwahrkonstruktion gewährleistet damit keinen Schutz vor einer Veruntreuung der Werte durch die Depotbank. Die Einschaltung einer zentralen Gegenpartei bei der dinglichen Einigung und Besitzübertragung kann rechtskonstruktiv bewältigt werden. Da es in Höhe der aufgerechneten Positionen jedoch nicht zu Umbuchungen durch die Wertpapiersammelbank kommt, sind die Grundsätze zum gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten erheblich zu modifizieren. Da die von der zentralen Gegenpartei verrechneten Positionen zwischen den Kunden der Depotbank umgebucht werden, bei diesen Buchungsvorgän826

Than, in: FS Schimansky, S. 832; ders., in: v. Rosen/Seifert, S. 286.

IV. Zusammenfassung und Würdigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gen die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs aber in den meisten Fällen nicht vorliegen, erfährt der Verkehrsschutz erhebliche Einschränkungen. Das Problem, dass die Zuordnung von Verlusten, die aus einer Veruntreuung der Werte durch die Depotbank resultierenden, von Zufälligkeiten abhängt, wird dadurch verstärkt. Der Umstand, dass es grundsätzlich möglich ist, den Effektengiroverkehr rechtstechnisch auf sachenrechtlicher Grundlage zu erfassen, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die sachenrechtliche Konstruktion der Girosammelverwahrung hochgradig künstlich und lebensfremd ist. Die direkte Übertragung von Miteigentum und Mitbesitz an einem Wertpapiersammelbestand durch eine Kette von Zwischenverwahrern erfordert erhebliche Modifikationen allgemeiner sachenrechtlicher Grundsätze. Insgesamt ist die dingliche Rechtsposition des Anlegers in vielerlei Hinsicht einem schuldrechtlichen Anspruch gegenüber seinem maßgeblichen Intermediär angenähert, da er seine Rechte praktisch nur gegenüber dem Intermediär ausüben kann. Auch Dritte, die im Wege der Zwangsvollstreckung auf die Werte zugreifen wollen, können die Werte nur beim maßgeblichen Intermediär pfänden. Es erscheint paradox, dem Wertpapierinhaber eine Rechtsposition zu gewähren, die zwar grundsätzlich gegenüber jedermann ausgeübt werden kann, diese in ihren Wirkungen aber in weiten Teilen einem schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem maßgeblichen Intermediär anzugleichen.827 Das Konzept der Girosammelverwahrung hat im Ergebnis kaum noch Berührungspunkte mit dem eigentlichen Wesen des Sachenrechts, das absolute Herrschaftsrechte einer Person über eine Sache regelt.828 Besondere Probleme bereitet die sachenrechtliche Konstruktion, wenn Wertpapiere verbucht werden, die sich im Ausland in Sammelverwahrung befinden. Die Probleme werden umgangen, wenn dem Anleger im Inland kein eigentumsrechtlicher Sammeldepotanteil, sondern eine treuhandrechtliche Gutschrift in Wertpapierrechnung gutgeschrieben wird. Über § 5 Abs. 4 DepotG können jedoch auch Rechte an Wertpapieren im inländischen sachenrechtlich strukturierten Effektengiroverkehr verschafft werden, die effektiv im Ausland lagern. Ist das ausländische Recht ebenfalls sachenrechtlich strukturiert, stellen sich bei der Gutschrift der Werte in Deutschland vor allem kollisionsrechtliche Fragen, die Gegenstand des folgenden Teils der Arbeit sein werden. Rechtskonstruktiv fragwürdig und letztlich nicht haltbar ist jedoch die Praxis, im Inland eigentumsrechtliche Girosammelanteile über Wertpapiere gutzuschreiben, die in einem ausländischen Verwahrsystem verwahrt werden, das Clearstream nur einen schuldrechtlichen Anspruch verschaffen kann. Neben der sachenrechtlichen Konstruktion des deutschen Effektengiroverkehrs ist es auch möglich, die Rechtsposition des Anlegers als lediglich schuldrechtlichen Anspruch gegenüber seiner Bank auszugestalten und diesem Anspruch durch bestimmte Mechanismen einen gewissen Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsschutz zukommen zu lassen. Ein solches Konzept liegt dem deutschen Recht der Gutschrift in Wertpapierrechnung zugrunde, die dem Anleger von seiner Bank erteilt wird, wenn diese 827 828

Schwarcz, 50 Duke L.J. 1592 f. (2001). MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43, Rn. 215.

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

Wertpapiere im Ausland anschafft und dort verwahrt. Der schuldrechtliche Anspruch des Anlegers ist durch die Werte, die die Depotbank im Ausland als Treuhänderin hält, gedeckt. Der Insolvenzschutz wird hier durch die Treuhandkonstruktion erreicht, die dem Anleger nach deutschem Insolvenzrecht ein Aussonderungsrecht in Bezug auf die Deckungsmasse gewährt. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ist dabei zwar nicht gewährleistet; jedoch besteht dafür auch kein Bedürfnis, da eine Bank, die die Deckungsmasse ohne einen Auftrag ihres Kunden veräußert, gleichwohl im Außenverhältnis als Berechtigte handelt. Der durch eine unberechtigte Veräußerung der Deckungsmasse hervorgerufene Verlust ist nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Girosammelverwahrung entweder einem Kunden zuzuordnen oder, falls dies nicht möglich ist, auf alle Kunden, die Gutschriften über die entsprechenden Wertpapiere halten, anteilig zu verteilen. Das vertraglich geregelte Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung hat sich in der jahrzehntelangen Praxis bewährt. Zweifelsfragen bestehen jedoch gleichwohl, da bestimmte Praktiken des Wertpapierverkehrs in einem Spannungsverhältnis zu den im Einzelnen umstrittenen Grundsätzen des Treuhandrechts stehen. Weitestgehende Übereinstimmung herrscht noch über die Abkehr vom Erfordernis der unmittelbaren Übertragung des Treuguts vom Treugeber auf den Treunehmer. Nicht hinreichend geklärt sind die Anforderungen an eine buchungsmäßige Trennung der Kundenwerte von eigenen Werten der Bank. Weitere nicht vollständig geklärte Fragen betreffen die Verlustverteilung bei einer unberechtigten Veräußerung der Deckungsmasse auf die Kontoinhaber oder die Wirkungen einer Buchungsgutschrift ohne ein korrespondierendes Erwerbsgeschäft der Depotbank. Mangels einschlägiger Rechtsprechung zum internationalen Wertpapierverkehr wäre eine gesetzliche Fixierung des Rechts des Treuhandgiroverkehrs wünschenswert. Einen neuen Weg im Recht der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren geht das US-amerikanische Recht. Die Rechtsposition des Anlegers wird hier zwar vom Gesetz als Sonderform einer eigentumsrechtlichen Position (property interest) bezeichnet. Nach deutschem Rechtsverständnis liegt darin aber ein lediglich schuldrechtlicher Anspruch des Anlegers gegenüber seiner Depotbank. Diesem Anspruch kommt allerdings durch Insolvenzvorrechte hinsichtlich der Deckungsmasse ein gewisser dinglicher Schutz zu. Man kann allenfalls von wirtschaftlichem Eigentum sprechen. Das amerikanische Konzept ähnelt in seiner Wirkung dem treuhandrechtlichen Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung. Es greift aber nicht auf die Figur der Treuhand zurück und vermeidet damit Konflikte, die aus dem Zusammentreffen des allgemeinen Treuhandrechts mit den besonderen Bedürfnissen des Wertpapierverkehrs entstehen können. Ähnlich ist die Rechtslage in den Rechtsordnungen Belgiens und Luxemburgs.829 Auch hier wird die Berechtigung des Anlegers zwar als Eigentum bezeichnet, jedoch bezieht sich das Eigentumsrecht auf einen fiktiven Eigentumsgegenstand, der sich aus dem Deckungsbestand des gutschreibenden Intermediärs zusammensetzt. Außer in der Insolvenz des Intermediärs kann es auch nur 829

Vgl. auch Devos, Mlanges Louis, S. 263.

IV. Zusammenfassung und Würdigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gegenüber dem Intermediär ausgeübt werden, so dass es trotz seiner Bezeichnung eher als gedeckter schuldrechtlicher Anspruch (security entitlement) zu bezeichnen ist. Die letztgenannten Konzepte knüpfen allesamt nicht mehr an die Vorstellung einer besitzrechtlichen Stellung des Investors an den zugrundeliegenden Wertpapieren an. Während im deutschen Recht der Girosammelverwahrungen Buchungsgutschriften den mittelbaren Besitz nur repräsentieren, wird der Besitz hier durch Gutschriften ersetzt. Die genannten Rechtsordnungen erfüllen gleichermaßen das primäre Ziel des Insolvenzschutzes des Kontoinhabers. Trotz der Verfügungsbefugnis des Intermediärs über den Deckungsbestand im Außenverhältnis ist der Anleger im Übrigen auch nach den letztgenannten Konzepten nicht weniger vor eigenmächtigen Veräußerungen des Deckungsbestandes durch den Intermediär geschützt, als wenn ihm die Werte dinglich zugeordnet wären. Denn auch bei der deutschen sachenrechtlichen Ausgestaltung der Girosammelverwahrung führen eigenmächtige Umbuchungsaufträge des Intermediärs an Clearstream praktisch immer zum gutgläubigen Erwerb und damit zum Rechtsverlust des Altinhabers. Dieser Aspekt des Verwahrungsrisikos wird damit in beiden Systemen nicht durch die Ausgestaltung des Buchungsrechts, sondern durch die Integrität der zwischenverwahrenden Institutionen und deren Regulierung und Überwachung beherrscht.830 Das treuhandrechtliche System der Gutschrift in Wertpapierrechnung oder die beschriebenen security entitlement Konzepte setzen sich jedoch nicht den konstruktivistischen Begründungsschwierigkeiten aus, die aus der sachenrechtlichen Erfassung des Wertpapierverkehrs resultieren. Diese Konzepte versuchen nicht, eine dingliche Rechtsposition des Anlegers an den zugrunde liegenden Wertpapierurkunden über mehrere Buchungsstufen hinweg zu begründen, sondern setzten rechtlich an der auch in tatsächlicher Hinsicht im Vordergrund stehenden Beziehung zwischen Depotbank und Depotkunde an. Insgesamt kann man beobachten, dass das Wertpapierrecht, das ursprünglich die Idee verfolgte, obligatorische Rechte den Vorschriften des Sachenrechts zu unterwerfen, immer mehr vom Schuldrecht beherrscht wird.831 Es wurde deshalb vorgeschlagen, im deutschen Recht das treuhandrechtliche System für auslandsverwahrte Wertpapiere auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und auch auf inlandsverwahrte Wertpapiere zu erstrecken. Dadurch könnten die dogmatischen Schwächen der sachenrechtlichen Konstruktion für inlandsverwahrte Effekten überwunden und eine Vereinheitlichung der verschiedenen Verwahrformen erreicht werden.832 Eine solche Reform des deutschen Rechts würde auch dem internationalen Trend folgen. Denn international stellen sich insbesondere diejenigen Rechtssysteme als modern und an den Bedürfnissen der intermediären Wertpapierverwahrung orientiert heraus, bei denen der Anleger keine dinglichen Rechte an den Wertpapierurkunden selbst 830

Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 426 (2008). Goode, S. 77. 832 Vgl. insbesondere Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 561 ff.; dies., in: Baums/ Kahn, S. 14 ff.; HauACHTUNGREbACHTUNGREold, RIW 2004, 660. 831

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C. Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren

hält, sondern auf Ansprüche gegen seinen direkten Intermediär beschränkt ist. Jedoch blieben die Befürworter einer solchen Reform bislang in der Minderzahl. Zu groß sind nach wie vor die Bedenken gegen eine Aufgabe des bekannten sachenrechtlichen Verwahrkonzeptes. Auch wenn die treuhandrechtliche Aufteilung von dinglichen Rechten dem deutschen Recht nicht grundsätzlich fremd ist, scheut man sich doch, ein Treuhandkonzept für einen so wichtigen Bereich des Wirtschaftslebens einzuführen. Es kann nicht geleugnet werden, dass die aufgezeigten Begründungsschwierigkeiten bereits aus nationaler Sicht durchaus für eine Abkehr von einer sachenrechtlichen Ausgestaltung des Effektengiroverkehrs sprechen. Jedoch sollen diese Vorschläge an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Denn aufgrund der internationalen Verflechtungen im Wertpapierverkehr sind bei einer Modernisierung des Wertpapierrechts vor allem auch internationale Rechtsentwicklungen und Bemühungen zur Harmonisierung der nationalen Kollisions- und Sachrechte zu berücksichtigen. Diese Entwicklungen sind zunächst im Folgenden zu untersuchen.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere I. Einführung Im Folgenden werden die international-privatrechtlichen Grundlagen in Bezug auf die Berechtigungen der Investoren an intermediär verwahrten Wertpapieren dargestellt und die jüngeren Entwicklungen im nationalen und internationalen Wertpapierkollisionsrecht aufgearbeitet und bewertet. Die Ausführungen konzentrieren sich auf die Frage, welcher Rechtsordnung eine auf einem Depotkonto geführte Berechtigung an Effekten hinsichtlich Begründung, Inhalt und Übertragung unterliegt. Außer Betracht bleiben Fragen des anwendbaren Rechts im Rahmen des schuldrechtliche Anschaffungsverhältnisses zwischen dem Investor und seinem Kreditinstitut1 und im Rahmen der Ausführungsgeschäfte im grenzüberschreitenden börslichen oder außerbörslichen Wertpapierhandel.2 Ebensowenig ist das auf die Verrechnungsvorgänge im Rahmen des Clearings anzuwendende Recht Gegenstand der Arbeit.3 Zunächst wird anhand der obigen Klassifizierung der Berechtigungsformen ein struktureller Überblick über das Wertpapierkollisionsrecht und die betroffenen Kollisionsnormen gegeben. Im Anschluss wird das Prinzip der lex rei sitae, das die bislang herrschende Anknüpfungsregel für dingliche Berechtigungen an Effekten ist, dargestellt und seine allgemeine Rechtfertigung sowie seine Schwächen im Zusammenhang mit intermediär verwahrten Wertpapieren erläutert. Darauf aufbauend werden die derzeit geltenden alternativen Anknüpfungsregeln im europäischen Gemeinschaftsrecht und im deutschen internationalen Privatrecht untersucht. Abschließend wird das Haager Wertpapierübereinkommen analysiert und eine Bewertung zu Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des internationalen Wertpapierprivatrechts abgegeben.

1 Vgl. dazu Schuster, in: van Houtte, Rn. 4.25; MünchKommBGB/Schnyder, IntKapMarktR, Rn. 60; Soergel/v. Hoffmann, Art. 28 EGBGB, Rn. 334; Dittrich, S. 43 f.; Kronke/ Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 114 f., 122. 2 Dazu Soergel/von Hoffmann, Art. 28, Rn. 366; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/ Schnyder, Teil L, Rn. 117 ff.; Schuster, in: van Houtte, Rn. 4.23 f.; Staudinger/Magnus, Art. 28 EGBGB, Rn. 581; MünchKommBGB/MarACHTUNGREtiny, Art. 28 EGBGB, Rn. 377. 3 Dazu Böhm, S. 71 ff.; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 380.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

II. Kollisionsrechtliche Grundlagen der Berechtigungen an Wertpapieren 1. Dingliche Berechtigungsformen Die international-privatrechtliche Einordnung der Rechtsverhältnisse im Wertpapierrecht beruht zunächst auf der Trennung zwischen dem Wertpapierrechtsstatut und dem Wertpapiersachstatut. Dem Wertpapierrechtsstatut unterliegt das verbriefte Recht, also das Recht aus dem Papier, während dingliche Rechte am Papier dem Wertpapiersachstatut unterliegen. Das Wertpapierkollisionsrecht spiegelt damit die ein Wertpapier konstituierenden Elemente eines verbrieften Rechts einerseits und einer verbriefenden Urkunde andererseits wider.4 a) Wertpapierrechtsstatut Das Wertpapierrechtsstatut oder Hauptstatut ist für das in dem Wertpapier verbriefte Recht und dessen Inhalt entscheidend. Ihm unterliegen die Entstehung und der Untergang des Rechts, der Akt der Verbriefung und die Möglichkeit der Heilung von Mängeln des Begebungsvertrages durch einen gutgläubigen Erwerb des Papiers. Außerdem beurteilt sich danach, ob die verbriefende Urkunde die Rechtsqualität eines Wertpapiers besitzt und welcher Art dieses Papier ist.5 Das Wertpapierrechtsstatut bestimmt die Möglichkeiten der Übertragung des Rechts. Es legt insbesondere fest, ob eine Verfügung über das verbriefte Recht durch eine Verfügung über das verbriefende Wertpapier möglich ist, und ob für den Rechtserwerb neben der Übereignung des Papiers weitere Voraussetzungen wie beispielsweise ein Registereintrag notwendig sind.6 Im Ergebnis bestimmt das Wertpapierrechtsstatut die Bedeutung, die der Urkunde für das verbriefte Recht im Rechtsverkehr zukommt. Es entscheidet damit auch über die praktische Bedeutung des Wertpapiersachstatuts für das verbriefte Recht. Das Wertpapierrechtsstatut richtet sich nach dem Statut des verbrieften Rechts. Es bestimmt sich also danach, welche Rechtsordnung nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätzen auf das in einem Wertpapier verbriefte Rechtsverhältnis Anwendung findet. Je nachdem, ob es sich bei dem verbrieften Recht um eine Forderung (z. B. bei Schuldverschreibungen, Wechseln, Schecks), ein Mitgliedschaftsrecht (z. B. bei Aktien) oder um ein Sachenrecht (z. B. bei Investmentzertifikaten, Hypotheken- und Grundschuldbriefen, Konnossementen) handelt, ist das Wertpapierrechts4 BGHZ 108, 353, 356; BGH NJW 194, 939 940; Kassaye, S. 255 ff.; Schefold, IPRax 2000, 469; Lorenz, NJW 1995, 176; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 412; MünchKommBGB/ Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 194. 5 Lorenz, NJW 1995, 177; Einsele, IPRax 1995, 164; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 195. 6 Kassaye, S. 259; Soergel/Lüderitz, Art. 38 EGBGB, Anh. II, Rn. 15; MünchKommBGB/ Kindler, IntGesR, Rn. 586; ebenso aus Sicht des englischen Rechts Goode, JIBFL Special Supplement/September 1998, S. 24.

II. Kollisionsrechtliche Grundlagen der Berechtigungen an Wertpapieren 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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statut das Vertragsstatut, das Gesellschaftsstatut oder das Sachstatut.7 Bei Forderungspapieren können die Parteien das Recht aus dem Papier damit grundsätzlich einer von ihnen gewählten Rechtsordnung unterstellen.8 Dabei ist jedoch zu beachten, dass Art. 37 Nr. 1 EGBG die typisch wertpapierrechtlichen Verpflichtungen von Inhaber- und Orderpapieren, die im Interesse der Verkehrsfähigkeit besonders ausgestaltet sind, aus dem Anwendungsbereich von Art. 27 ff. EGBGB herausnimmt. Sie unterliegen besonderen staatsvertraglichen Regelungen sowie den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Schuldvertragsrechts.9 Hinsichtlich der Wirksamkeit von Rechtswahlvereinbarungen ergeben sich daraus grundsätzlich keine negativen Auswirkungen.10 Rechte aus Aktien oder anderen Wertpapieren, die ein Mitgliedschaftsrecht an einer Gesellschaft verbriefen, richten sich nach dem Gesellschaftsstatut der betreffenden Gesellschaft.11 Verbriefte dingliche Rechte wiederum unterliegen dem Recht am Belegenheitsort der betreffenden Sache.12 b) Wertpapiersachstatut Sachenrechtliche Beziehungen hinsichtlich des Papiers selbst unterliegen dem Wertpapiersachstatut. Das Sachstatut entscheidet über dingliche Rechte und Pflichten, die sich rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes aus dem Erwerb und Verlust des Eigentums oder eines beschränkt dinglichen Rechts an der Wertpapierurkunde ergeben. Auch die Wirkungen des Besitzes an der Urkunde, wie beispielsweise eine an den Besitz anknüpfende Eigentumsvermutung,13 unterliegen dem Wertpapiersachstatut. Nach ihm sind Voraussetzungen, Rang und Verwertung von Pfandrechten an Wertpapieren sowie die Möglichkeit und die Voraussetzungen eines Gutglaubenserwerbs zu beurteilen.14 Formvorschriften für dingliche Rechtsgeschäfte unterliegen ebenfalls dem Wertpapiersachstatut. Zu einer gesonderten Anknüpfung kommt es jedoch für Fragen der Rechts- und Geschäftsfähigkeit und der Stellvertretung.15 Das Zusammenspiel von Rechts- und Sachstatut des Wertpapiers wird in erster Linie durch die Vorschriften des Wertpapierrechtsstatuts geregelt. Denn inwieweit 7

MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 194. Zur Rechtswahl für eine Wechselforderung vgl. BGHZ 104, 145, 147; vgl. auch BGHZ 108, 353, 356. 9 Vgl. auch Art. 1 Abs. 2 c) EVÜ; zur Reichweite des Ausschlusses vgl. Staudinger/ACHTUNGREMagACHTUNGREnus, Art. 37 EGBGB, Rn. 47; Weber, in: van Houtte, Rn. 2.04; v. Bar, in: FS Lorenz, S. 284 ff. 10 v. Bar, in: FS Lorenz, S. 286 f.; Dittrich, S. 36. 11 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 415; v. Bar, in: FS Lorenz, S. 281; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 379 f.; zur Ablösung der früher herrschenden Sitztheorie durch die Gründungstheorie zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts vgl. MünchKommBGB/Kindler, IntGesR, Rn. 331 ff. 12 v. Bar, in: FS Lorenz, S. 216; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 398. 13 BGH NJW 1994, 939; Lorenz, NJW 1995, 177; Einsele, IPRax 1995, 164. 14 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 413; Dittrich, S. 34. 15 Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 706. 8

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

sich Änderungen hinsichtlich der dinglichen Berechtigung an der Wertpapierurkunde auch auf das verbriefte Recht selbst erstrecken, wird vom Wertpapierrechtsstatut bestimmt. Es regelt mit anderen Worten, in welchem Umfang das verbriefte Recht in dem Papier verkörpert wird.16 Das Wertpapiersachstatut ist hinsichtlich des Schicksals des verbrieften Rechts nur kraft der Verweisung des Hauptstatuts berufen und lebt insoweit von der „Gnade“ des Hauptstatuts und dessen Unterwerfung unter das Sachstatut.17 Nach dem Hauptstatut kann die Verknüpfung des Rechts aus dem Papier mit dem Recht am Papier auch wieder gelöst werden, beispielsweise durch eine Kraftloserklärung oder eine Zahlungssperre.18 Soweit das verbriefte Recht nach dem Wertpapierrechtsstatut an das Schicksal der Urkunde geknüpft ist, entscheidet allein das Wertpapiersachstatut über die Anforderungen an eine wirksame Übertragung des Eigentums. Ihm unterliegt beispielsweise die Frage eines gutgläubigen Erwerbs, auch wenn dieser nach dem Statut des Rechts im konkreten Fall ausgeschlossen19 bzw. möglich20 wäre. Es ist auch das Wertpapiersachstatut, das darüber entscheidet, ob über ein dingliches Recht an einem Wertpapier durch Buchung oder Registereintragung verfügt werden kann.21 Die Abhängigkeit der Bedeutung des Wertpapiersachstatuts für das verbriefte Recht vom Hauptstatut manifestiert sich anhand der verschiedenen Wertpapiertypen. So werden Rechte, die in Inhaberpapieren und blanko indossierten Orderpapieren verbrieft sind, durch Übereignung der Urkunde nach dem Wertpapiersachstatut übertragen. Bei Rektapapieren stellt sich die Situation hingegen umgekehrt dar: Darin verbriefte Rechte werden allein nach den zessionsrechtlichen Bestimmungen übertragen, die sich aus dem Wertpapierrechtsstatut ergeben. Das Wertpapiersachstatut kann hier den Übergang dinglicher Rechte an der Wertpapierurkunde durch eine Vorschrift wie § 952 BGB an den Übergang des Rechts binden. In diesem Fall verweist damit das für dingliche Rechte an der Wertpapierurkunde berufende Sachstatut auf das Wertpapierrechtsstatut. Im Übrigen bestimmt sich das sachenrechtliche Schicksal der Wertpapierurkunde nach überwiegender Ansicht aber weiter nach dem Wertpapiersachstatut.22 Inwieweit es bei Wertrechten zu einer Aufspaltung zwischen Rechts16

Vgl. BGH NJW 1994, 939, 940; Kassaye, 259 f.; Lorenz, NJW 1995, 177; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 200. 17 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 412, 417. 18 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 419 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 258. 19 Vgl. zu dieser Konstellation die Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts in NiemZ 1900, 316, 317; dazu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 401 f. 20 Vgl. dazu die englische Entscheidung Picker v. The London & County Banking Co. (1887) 18 Q.B.D. 515 – 521 (C.A.); Duden, S. 88 f.; Schmigelsky, S. 36; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 418; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 200. 21 Verfehlt deshalb MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 180, die diese Frage dem Wertpapierrechtsstatut unterstellen will. 22 Frankenstein, S. 58 f.; 119; Duden, S. 90 ff.; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 413; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 199; Dittrich, S. 32; die Gegenansicht möchte demgegenüber die materiellrechtlich begründete wirtschaftliche Einheit von Recht und

II. Kollisionsrechtliche Grundlagen der Berechtigungen an Wertpapieren 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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statut und „fiktivem Sachstatut“ kommt, ist ungeklärt.23 Naheliegend ist aber, aufgrund der Gleichstellungsfiktion das Schuldbuch selbst als die insoweit entscheidende Sache anzusehen.24 Wertpapiersachstatut war traditionell die Rechtsordnung des Staates, in der die Wertpapierurkunde tatsächlich aufbewahrt wird. Denn nach den allgemein anerkannten Grundsätzen des internationalen Mobiliarsachenrechts unterliegen dingliche Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Ortes, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbs- oder Verlusttatbestandes befindet (lex rei sitae).25 Dem Prinzip der lex rei sitae folgen die meisten Rechtsordnungen.26 Im deutschen internationalen Privatrecht hatte die Regel lange Zeit gewohnheitsrechtlichen Rang,27 bis sie 1999 in Art. 43 ff. EGBGB auch gesetzlich bestätigt wurde.28 Von einer Spezialregelung des Wertpapiersachstatuts hat man dabei jedoch abgesehen. Die Zurückhaltung war vor allem in dem (vermeintlich) fehlenden Regelungsbedürfnis begründet,29 darüber hinaus aber auch in der Absicht, beginnende internationale Harmonisierungsbestrebungen abzuwarten.30 Die Regel, wonach Rechte an Effektenurkunden als bewegliche Sachen der Rechtsordnung an ihrem Belegenheitsort unterliegen, wird auch als Prinzip der lex cartae sitae bezeichnet.31 Bei der sachenrechtlich konstruierten intermediären Wertpapierverwahrung führt dieses Prinzip zur Anwendung des Rechts am Ort der endverwahrenden Wertpapiersammelbank.32 Bei Wertrechten ist das Recht des Staates anwendbar, in dem das Register oder Schuldbuch geführt wird (lex libri sitae).33 Angesichts der befriedigenden Ergebnisse dieser Regel für direkt gehaltene Wertpapiere bestand lange kein Bedürfnis für eine spezielle Kollisionsnorm für Wertpapiere. Auch für den nationalen Verkehr von intermediär verwahrten Wertpapieren führt die Regel zu brauchbaren Ergebnissen. Dingliche Papier auch kollisionsrechtlich berücksichtigen und dingliche Rechte am Papier generell dem Wertpapierrechtsstatut unterwerfen, vgl. Ferid, Rn. 7-93; v. Bar, in: FS Lorenz, S. 294; MünchKommBGB/Kreuzer, 3. Aufl., Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 118. 23 Vgl. MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 202. 24 Dittrich, S. 176; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 715. 25 Zur Entwicklung vgl. Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 146 ff. 26 Johnson, in: van Houtte, Rn 1.11; Pfeiffer, IPRax 2000, 271; Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 161; Kropholler, § 54 I. 27 BGHZ 39, 173, 174; 73, 391, 395; 100, 321, 324; BGH NJW 1989, 3105. 28 Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5. 1999, BGBl. 1999 I, S. 1026; dazu allgemein Spickhoff, NJW 1999, 2214; Stoll, IPRax 2000, 259 ff.; Pfeiffer, IPRax 2000, 270 ff. 29 Vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks 14/343, S. 14 f. 30 Vgl. Kreuzer, in: Henrich, S. 50 f.; Dittrich, S. 33. 31 RGZ 11, 52, 55; 28, 109, 111; BGHZ 108, 353, 356; BGH NJW 1994, 939, 940; OLG Köln, ZIP 1994, 1459, 1460; Maier, WM 1961, 619; Lorenz, NJW 1995, 177; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 413. 32 Benjamin, JIBFL 1998, 85 f. 33 Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 214; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 381; für die Anwendung des Rechts des veräußernden Intermediärs hingegen Brunner, S. 106 f.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Rechte an Effekten, die sich in Deutschland in Girosammelverwahrung befinden, richten sich danach nach deutschem Recht. Das Prinzip der lex rei sitae führt jedoch dann zu Schwierigkeiten, wenn dingliche Rechtspositionen an Effektenurkunden außerhalb des Landes ihrer Verwahrung verbucht werden. 2. Schuldrechtliche Berechtigungsformen a) Schuldvertragsstatut Das Wertpapiersachstatut ist nur für sachenrechtliche Berechtigungsformen an Effekten von Bedeutung. Es erfasst keine schuldrechtliche Berechtigungsformen. Da diese im Ergebnis vertragliche Forderungen des Investors gegen seine Depotbank darstellen, unterliegen sie hinsichtlich Begründung und Inhalt dem Vertragsstatut. Vorbehaltlich spezieller Anknüpfungsregeln sind die allgemeinen Vorschriften des internationalen Schuldvertragsrechts anwendbar. Das internationale Schuldvertragsrecht wurde von den EU-Mitgliedstaaten durch das Römische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 6. 1980 (EVÜ)34 staatsvertraglich vereinheitlicht. Deutschland hat die Regelungen in Art. 27 ff. EGBGB umgesetzt.35 Danach können die Parteien eines Vertrages das auf den Vertrag anzuwendende Recht grundsätzlich frei vereinbaren. Depotbank und Investor können damit das auf den Depotvertrag und damit auch das auf die daraus resultierenden schuldrechtlichen Berechtigungen an Wertpapieren anzuwendende Recht vereinbaren. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel der Gutschrift in Wertpapierrechnung im deutschen Recht. Die Rechtsposition des Treugebers wird maßgeblich von der im Depotvertrag enthaltenen Treuhandabrede und dem daraus resultierenden Anspruch auf Herausgabe des Treugutes bestimmt. Sie unterliegt damit dem Recht, dem auch der Depotvertrag und die Treuhandabrede unterliegen. Das anzuwendende Recht bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Schuldvertragsrechts.36 Gemäß Art. 27 EGBGB ist vorrangig eine konkludente oder ausdrückliche Rechtswahl der Parteien entscheidend. Demgemäß sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken die Anwendung deutschen Rechts auf die Treuhandabrede vor.37 Gemäß Art. 27 Abs. 1 S. 3 EGBGB könnten der Depotvertrag und die treuhand34

ABl. EG 1980 Nr. L 266 vom 19. 10. 1980, S. 1 ff.; aufgrund zahlreicher Änderungen und Beitritte gilt eine konsolidierte Fassung, ABl. EG 1998 Nr. C 27 vom 26. 1. 1998, S. 34 ff. 35 BGBl. 1986 II, S. 809 ff. 36 Coing, S. 209 f.; ders., ZfRV 1974, 85; das „Haager Übereinkommen über das auf trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung“ wurde von Deutschland nicht ratifiziert, jedoch würden sich auch darunter keine wesentlichen Unterschiede zum deutschen internationalen Schuldvertragsrecht ergeben, vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 435 f. 37 Vgl. Nr. 6 Abs. 1 AGB-Banken; Nr. 6 Abs. 1 AGB-Sparkassen; allg. zur Wirksamkeit von Rechtswahlvereinbarungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen BGHZ 123, 380, 383; MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 31, Rn. 43 ff.; zur Einbeziehung der AGB-Banken gegenüber ausländischen Vertragspartnern Dittrich, S. 43 f.

II. Kollisionsrechtliche Grundlagen der Berechtigungen an Wertpapieren 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rechtlichen Herausgabeansprüche aber auch unterschiedlichen Rechtsordnungen unterworfen werden. Mangels Rechtswahl wäre gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB das Recht am Ort der Niederlassung der treuhänderisch haltenden Depotbank anzuwenden, da sie mit der Verwaltung des Treuhandvermögens die charakteristische Leistung erbringt.38 Eine Anknüpfung an den Ort der Belegenheit des Treuguts aufgrund einer engeren Verbindung gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB müsste schon deshalb ausscheiden, weil auf einem Konto WR-Gutschriften über Werte in verschiedenen Staaten verbucht sein können. Es wäre somit keine einheitliche Anknüpfung gewährleistet. Der Umstand, dass der Rechtsposition quasi-dinglicher Schutz zukommt, führt für sich genommen nicht dazu, sie kollisionsrechtlich als dingliches Recht zu behandeln und der lex rei sitae zu unterstellen. Denn die „Verdinglichung der Rechtsposition“, namentlich die Aussonderungsfähigkeit der Deckungsmasse in der Insolvenz, ist eine Frage des Insolvenzstatuts. Sie resultiert aus der vom deutschen Insolvenzrecht angeordneten Berücksichtigung der schuldrechtlichen Treuhandabrede im Verhältnis zu Dritten.39 Das Recht, das auf den von der Depotbank im Ausland vorgehaltenen Deckungsbestand und dessen Übertragung anzuwenden ist, richtet sich zunächst nach der Rechtsnatur der ausländischen Rechtsposition. Soweit es sich dabei um ein dingliches Recht handelt, unterliegt dieses dem Wertpapiersachstatut. Nach dem Prinzip der lex rei sitae ist dies die Rechtsordnung am Ort der Verwahrung. Handelt es sich bei der ausländischen Rechtsposition ebenfalls um eine schuldrechtliche Berechtigungsform, so unterliegt diese aus deutscher Sicht dem Vertragsstatut. Bei Wertpapieren, die über eine ausländische Depotbank gehalten werden, ist dies im Regelfall ebenfalls ein ausländisches Recht. Die Wirksamkeit einer Verfügung des Treuhänders über den ausländischen Deckungsbestand einer Gutschrift in Wertpapierrechnung unterliegt damit im Regelfall ausländischem Recht. Dies gilt auch dann, wenn der Treuhänder mit der Veräußerung gegen eine Pflicht aus der Treuhandabrede verstößt. Während sich das rechtliche Dürfen des Treuhänders also nach deutschem Recht richtet, beurteilt sich das rechtliche Können nach ausländischem Recht. Das ausländische Recht kann jedoch bei der Frage der Wirksamkeit der Übertragung der Werte die Einhaltung von Treupflichten berücksichtigen und einer treuwidrigen Verfügung die Wirksamkeit versagen.40 Vertragliche Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung der Treuhandabrede unterliegen deutschem Recht. b) Zessionsstatut Die Übertragung einer schuldrechtlichen Berechtigung an Wertpapieren durch Zession richtet sich gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach dem Recht, dem die abgetretene Forderung unterliegt. Die Abtretung eines Anspruchs aus einer dem deutschen 38 39 40

Vgl. Coing, ZfRV 1974, 85 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 434. Siebert, S. 97 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 433 f. Coing, S. 212.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Recht unterliegenden Gutschrift in Wertpapierrechnung folgt damit deutschem Recht.41 Das Zessionsstatut ist jedoch nur bei Sicherungsabtretungen und Übertragungen von Gutschriften in Wertpapierrechnung, die ohne Umbuchung vollzogen werden, von Relevanz.42 Wie bereits dargelegt, wird eine Umbuchung der treuhänderisch gehaltenen Werte im deutschen Recht nicht als Abtretung eingeordnet. Vielmehr erlöschen die Ansprüche auf Veräußererseite durch Aufrechnung bzw. Leistung an Erfüllungs statt und werden auf Erwerberseite neu begründet.43 Die Erlöschenstatbestände unterliegen gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB dem Recht der erlöschenden Forderung,44 während die Erwerbstatbestände dem zwischen der gutschreibenden Bank und dem Kunden vereinbartem Recht unterliegen. Auch diese Form der „Übertragung“ einer Gutschrift in Wertpapierrechnung unterliegt in Deutschland damit insgesamt deutschem Recht. c) Spezielle Kollisionsvorschriften im US-amerikanischen Recht Ausländischen Rechtsordnungen, die Berechtigungen an intermediär verwahrten Wertpapieren durch spezialgesetzliche Regelungen in einer Weise ausgestalten, die hier als grundsätzlich schuldrechtlich eingeordnet wurde, können auch spezielle Kollisionsvorschriften für diese Berechtigungsformen vorsehen. So finden sich in § 8110 UCC eigenständige Kollisionsvorschriften für security entitlements. Da das security entitlement seiner Rechtsnatur nach als schuldrechtliche Rechtsposition einzuordnen ist, kann man die kollisionsrechtliche Regelung als spezielle Ausformung des Vertragsstatuts betrachten. Nach § 8-110 (b) UCC unterliegen der Erwerb eines security entitlements sowie die daraus resultierenden Rechte und Pflichten des Intermediärs und des Depotkunden der „Rechtsordnung des Intermediärs“ (securities intermediarys jurisdiction). Dieser Rechtsordnung unterliegen auch Gegenrechte (adverse claims), die Dritte gegenüber dem Intermediär oder einem Erwerber des security entitlements geltend machen. Auch Sicherungsrechte an security entitlements richten sich gemäß § 9-305 (a) (3) UCC nach dieser Rechtsordnung. Die securities intermediarys jurisdiction ist nicht gleichzusetzen mit der Rechtsordnung an dem Ort, an dem der betreffende Intermediär seinen Sitz hat. Vielmehr sieht § 8-110 (e) (1) – (5) UCC eine Reihe nacheinander anwendbarer Anknüpfungsmomente vor. Die auf die in § 8-110 (b) UCC ACHTUNGREgenannten Aspekte anzuwendende Rechtsordnung kann zunächst zwischen Intermediär und Depotkunde frei vereinbart werden. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung ist das Recht anwendbar, dem, ebenfalls kraft ausdrücklicher Vereinbarung, der De41

MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 202; Reuschle, RabelsZ 68 (2004),

707. 42 43 44

Ege, S. 52. Siehe oben C.II.5.a)dd). MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 32 EGBGB, Rn. 63.

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potvertrag im Ganzen unterliegt. Fehlt es auch an einer solchen Vereinbarung, so ist das Recht am Ort der Niederlassung oder der Zweigstelle anzuwenden, die im Depotvertrag ausdrücklich als kontoführend bezeichnet wurde. Hilfsweise kann auch auf eine Bezeichnung als depotführende Stelle in den Depotauszügen zurückgegriffen werden. Als Auffangtatbestand ist schließlich das Recht am Hauptverwaltungssitz des Intermediärs anzuwenden. Intermediär und Depotkunde können damit die Rechtsordnung, der ein security entitlement unterliegt, frei bestimmen. Dies entspricht den Grundsätzen des internationalen Schuldvertragsrechts. Es wird ausdrücklich bestimmt, dass das security entitlement nicht zwingend dem gleichen Recht unterliegen muss wie der Depotvertrag. Auch wenn der Rechtswahl inhaltlich keine Grenzen gesetzt sind, kommt praktisch nur das Recht eines US-Bundesstaates in Betracht, da andere Rechtsordnungen keine Vorschriften über security entitlements enthalten. Die Vorschrift sieht im Übrigen spezielle Regelungen für den Fall vor, in dem es an einer Rechtswahl durch die Parteien fehlt. Diese Regelungen machen spezifische Eigenschaften der intermediären Wertpapierverwahrung zu Anknüpfungskriterien. 3. Insolvenzstatut Die obigen Ausführungen bezogen sich auf die Frage, welchem Recht der Erwerb einer Berechtigung an intermediär verwahrten Wertpapieren durch einen Anleger oder einen Sicherungsnehmer und die Wirkungen dieser Berechtigung im normalen Geschäftsverkehr unterliegen. In einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des gutschreibenden Intermediärs wird dieses Recht jedoch vom Insolvenzstatut überlagert. Dem Insolvenzstatut unterliegen die Anerkennung der Anlegerberechtigung und ihre Wirkungen sowie die Anerkennung und Verwertbarkeit von Sicherheiten, die der insolvente Intermediär Dritten gewährt hat.45 Nach dem Insolvenzstatut richtet sich beispielsweise, welche Vermögenswerte zur Masse gehören, Aus- oder Absonderungsrechte Dritter, Fragen der Insolvenzanfechtung und Zuständigkeiten und Ablauf bei der Verwertung des Vermögens und der Sicherheiten. Insolvenzstatut ist gemäß § 335 InsO grundsätzlich das Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (lex fori concursus). Dieser Grundsatz ist international anerkannt und ergibt sich im Gemeinschaftsrecht allgemein aus Art. 4 Abs. 1 der Verordnung über Insolvenzverfahren (EG-InsVO)46 sowie speziell für die Insolvenz von Kreditinstituten aus Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie.47 Gemäß Art. 9 dieser Richtlinie sind allein die Behörden oder Gerichte des Herkunftsmitgliedstaates des Kreditinstituts für die Verfahrenseröffnung zuständig, 45

Coing, ZfRV 1974, 89; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 118. Verordnung EG 1346/2000 vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. EG Nr. L 160 vom 30. 6. 2000, S. 1 ff.; hierzu Kemper, ZIP 2001, 1609 ff. 47 Richtlinie 2001/24/EG vom 4. 4. 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. EG Nr. L 125 vom 5. 5. 2001, S. 15 ff. 46

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

so dass das im Insolvenzverfahren anwendbare Recht dasjenige des Herkunftsmitgliedstaates des insolventen Kreditinstituts ist.48 Schwierigkeiten bereitet dabei seit jeher die Behandlung dinglicher (Sicherungs-) Rechte an beweglichen Sachen, die sich außerhalb des Staates der Konkurseröffnung befinden und nach dem Prinzip der lex rei sitae damit auch nach einer anderen Rechtsordnung bestellt wurden. Die Beschränkung der Sicherungsrechte durch die lex fori concursus steht im Widerspruch zum Schutzbedürfnis der gesicherten Gläubiger, die sich gerade für den Fall der Insolvenz absichern wollen, das anwendbare Insolvenzrecht aber im vorhinein nicht erkennen können. Da Sicherungsnehmer die Bestandskraft und Verwertbarkeit des Sicherungsrechts in der Regel nach dem Insolvenzrecht am Belegenheitsort des Sicherungsguts beurteilen, ist seit jeher umstritten, ob dingliche Rechte an Gegenständen im Ausland in der Insolvenz nach dem Universalitätsgedanken der lex fori concursus, aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Schutzes wohlerworbener Rechte der lex rei sitae oder einer Kombination von beiden ACHTUNGREunterliegen sollten.49 Das Gemeinschaftsrecht löst den Konflikt zwischen Gläubigergleichbehandlung nach der lex fori concursus und dem Schutz von dinglichen Sicherungsrechten vor Beschränkungen nach einem ausländischen Insolvenzrecht, indem es anordnet, dass dingliche Rechte von Gläubigern oder Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat befinden, von der Eröffnung des Verfahren nicht berührt werden.50 Nicht berührt werden insbesondere Verwertungs- und Befriedigungsrechte aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek, das Recht, eine Forderung aufgrund eines Pfandrechts oder einer Sicherungsabtretung einzuziehen sowie drittwirksame Herausgabeansprüche geltend zu machen oder dingliche Rechte zur Fruchtziehung.51 Möglich bleibt allerdings die Insolvenzanfechtung.52 Hinsichtlich des Kriteriums der Belegenheit wird für Forderungen an den Sitz des Drittschuldners angeknüpft.53 Die Bedeutung der „nicht-berührt“ Formel ist jedoch unklar.54 Nach überwiegender Ansicht wird das ausländische Sicherungsrecht damit keinerlei insolvenzrechtlichen Beschränkungen unterworfen.55 Jedoch bedeutet dies nicht, dass der Sicherungsgegenstand nicht von der Insolvenz betroffen wäre. Er wird wegen des Universalitätsprinzips gleichwohl 48

Vgl. § 46e Abs. 1 KWG. Vgl. Taupitz, ZZP 111 (1998), 330 ff. 50 Art. 5 Abs. 1 EG-InsVO; Art. 21 Abs. 1 RL 2001/24/EG; vgl. auch Art. 9 Abs. 1 RL 98/ 26/EG. 51 Art. 5 Abs. 2 EG-InsVO; Art. 21 Abs. 2 RL 2001/24/EG. 52 Art. 5 Abs. 4 EG-InsVO; Art. 21 Abs. 4 RL 2001/24/EG; ausgeschlossen ist sie aber, soweit Sicherungsrechte nach Art. 9 Abs. 1 RL 98/26/EG unberührt bleiben, vgl. Sauer, S. 34 ff. 53 Kieper, S. 182. 54 Vgl. dazu Wimmer, NJW 2002, 2429 f. 55 Taupitz, ZZP 111 (1998), 336; Huber, ZZP 114 (2001), 154 ff.; Paulus, NZI 2001, 513; Keller, BKR 2002, 350; kritisch Leible/Staudinger, KTS 2000, 552 f., die die Regelung angesichts des Zieles des Schutzes von Sicherungsrechten für zu weitgehend halten. 49

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Massebestandteil. Das Universalitätsprinzip wird nur dahingehend eingeschränkt, dass die Verwertung des belasteten Gegenstandes durch den Sicherungsnehmer nicht durch die lex fori concursus beschränkt werden darf. Ein Mehrerlös ist jedoch zugunsten des ausländischen Insolvenzverfahrens herauszugeben.56 Zudem besteht nach Art. 3 Abs. 2 EG-InsVO auch die Möglichkeit, das lokale Insolvenzrecht durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens am Belegenheitsort des Sicherungsguts zur Anwendung zu bringen.57 Gleichwohl kann diese Regelung zu einer erheblichen Benachteiligung für die Insolvenzmasse führen. Dies gilt insbesondere bei Bankeninsolvenzen, da nach der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie die Möglichkeit eines Sekundärinsolvenzverfahrens ausgeschlossen. Es wird deswegen erwogen, das ausländische Sicherungsrecht nicht vollkommen unberührt von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu lassen, sondern lediglich einen in einem vergleichbaren lokalen Verfahren gewährten Schutz als Mindestgrenze zu garantieren.58 Dagegen wird jedoch zutreffend eingewandt, dass dies angesichts der Vielzahl der möglicherweise erforderlich werdenden Anpassungen zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen würde, die der Rechtssicherheit abträglich wären.59 Neben diesen allgemeinen Ausnahmen vom Prinzip der lex fori concursus enthält Art. 24 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie eine insolvenzrechtliche Sonderanknüpfung für Buchungsrechte an intermediär verwahrten Wertpapieren. Diese wird im Zusammenhang mit der Untersuchung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zum internationalen Wertpapierprivatrecht erläutert.60

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung im internationalen Effektenverkehr Die Frage, welche Rechtsordnung nach dem Wertpapiersachstatut zur Anwendung gelangt, ist für intermediär verwahrte Wertpapiere in den letzten Jahren in Fluss geraten. Im modernen Effektengiroverkehr, bei dem der Belegenheitsort der Effektenurkunden aufgrund der langen Verwahrketten für die Beteiligten häufig nicht ersichtlich ist und praktisch an Bedeutung verloren hat, ist diese Anknüpfungsregel unpraktikabel. Die Gründe dafür werden im Folgenden aufgezeigt. Aus diesem Grund wurden in jüngerer Zeit andere Anknüpfungskonzepte für dingliche Rechte an Wertpapieren diskutiert und auch eingeführt. Für eine kritische Diskussion dieser neuen Anknüpfungskonzepte ist es sinnvoll, zunächst die Rechtfertigung des Belegenheitsprinzips im internationalen Sachenrecht nachzuzeichnen. Denn erst vor diesem Hintergrund lässt sich prüfen, inwieweit diese Rechtfertigung auch für dingliche 56 57 58 59 60

Gottwald/Gottwald, § 129, Rn. 26; Huber, ZZP 114 (2001), 158; Kieper, S. 184. Taupitz, ZZP 111 (1998), 333 ff. Flessner, IPRax 1997, 7 f. Binder, S. 689 f. Siehe unten D.IV.4.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Rechtsübertragungen im internationalen Effektenverkehr trägt, und ob alternative Anknüpfungskonzepte das Belegenheitsprinzip adäquat zu ersetzen vermögen. 1. Allgemeine Rechtfertigung des Belegenheitsprinzips Das Prinzip, wonach Rechte an einer Sache dem am Lageort der Sache geltenden Recht unterstehen (lex rei sitae oder lex situs), ist für Immobilien bereits seit dem Mittelalter anerkannt.61 Insoweit erscheint eine andere Anknüpfungsregel auch kaum denkbar.62 Für bewegliche Sachen hat sich das Belegenheitsprinzip erst im Laufe des 19. Jahrhunderts etabliert.63 Es hat sich gegenüber älteren Lehren durchgesetzt, wonach bei Rechten an beweglichen Sachen das Personalstatut des Eigentümers ausschlaggebend war.64 Das Belegenheitsprinzip ist weltweit anerkannt.65 International vereinheitlichtes, von dieser Regel abweichendes Kollisionsrecht für Sachen existiert bislang nur für wenige Einzelbereiche.66 Die Anwendung der lex rei sitae für dingliche Rechte an Sachen wird mit dem Schutz des Rechtsverkehrs gerechtfertigt.67 Rechtsverhältnisse an Sachen wirken gegenüber jedermann und müssen deswegen auch allgemein erkennbar sein. Die allgemeine Erkennbarkeit, wem eine Sache gehört und welche dinglichen Rechte an ihr bestehen, wird durch das sachenrechtliche Publizitäts- oder Offenkundigkeitsprinzip gewährleistet. Als Publizitätsmittel wirken im materiellen Recht der Besitz an beweglichen Sachen und die Eintragung in das Grundbuch oder ein vergleichbares Register bei Grundstücken.68 Auch Rechtsänderungen unterliegen entsprechenden Publizitätserfordernissen, da sie in der Regel die Übergabe der Sache oder die Änderung des jeweiligen Registers erfordern. Nur aufgrund dieser Publizität kann das Gesetz Vermutungs- und Gutglaubenswirkungen an den Besitz bzw. eine Registereintragung knüpfen.69 Indem dingliche Rechte gegenüber jedermann wirken, müssen die denkbaren Arten dinglicher Zuordnungen bekannt sein. Die Rechtsordnungen erkennen 61

v. Caemmerer, in: FS Zepos, Bd. II, S. 25; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 124. Vgl. aber die Diskussion alternativer Ansätze bei Flessner, RabelsZ 34 (1970), 571. 63 Wegbereitend hierfür v. Savigny, S. 169 ff.; v. Wächter, AcP 24 (1841), 291 ff. 64 Teilweise findet sich diese Lehre noch in ausländischen Kollisionsrechtsordnungen, vgl. Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 127; Kegel/Schurig, S. 766; Wolff, S. 172 f. 65 Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Rn. 2.4. 66 Für einen Überblick über bereichsspezifische internationale Abkommen vgl. Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 438 f.; Kegel/Schurig, S. 778 ff. 67 Vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/343, S. 15; v. Caemmerer, in: FS Zepos, S. 25; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 125; Rott, S. 14; Kropholler, § 54 I; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 4; Kegel/Schurig, S. 765; kritisch hierzu Flessner, RabelsZ 34 (1970), 570; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 465. 68 MünchKommBGB/Rinne, Einl. SachenR, Rn. 21; Baur/Stürner, S. 31; Schwab/Prütting, S. 14. 69 Baur/Stürner, S. 32 f. 62

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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deswegen nur einen beschränkten und im Einzelnen ausgestalteten Kreis dinglicher Rechte an (numerus clausus der Sachenrechte).70 Damit der Rechtsverkehr die Publizitätsakte aber überhaupt zuordnen kann, muss im Moment der Begründung eines dinglichen Rechts grundsätzlich für jedermann erkennbar sein, welcher Rechtsordnung dingliche Berechtigungen an einer Sache überhaupt unterliegen. Das materiellrechtliche Publizitätsprinzip lässt sich damit nur durch ein kollisionsrechtliches Äquivalent sinnvoll durchsetzen. Die Anknüpfung an den Ort der Belegenheit ist in besonderem Maße erkennbar und unabhängig von nationalen Systemvorstellungen.71 Im Ergebnis findet das materiellrechtliche Publizitätsprinzip damit seine Fortführung in der kollisionsrechtlichen Anknüpfung an den Ort der Belegenheit einer Sache. Bei Immobilien findet das Belegenheitsprinzip seine Rechtfertigung zudem darin, dass öffentliche Register, in denen dingliche Rechte an Grundstücken einzutragen sind, ausschließlich am Belegenheitsort geführt werden. Auch Störungen von dinglichen Rechten an Grundstücken haben ihren Schwerpunkt am Belegenheitsort und können regelmäßig nur mit Hilfe der Rechtsschutzorgane des Belegenheitsstaates abgewehrt werden.72 Gerichtsentscheidungen über dingliche Rechte an Grundstücken lassen sich nur in dem Staat effektiv durchsetzen, in dem sich das Grundstück befindet.73 Die meisten Rechtsordnungen sehen deshalb auch eine ausschließliche Zuständigkeit des Belegenheitsstaates für Streitigkeiten über dingliche Rechte an Grundstücken vor.74 Die Anwendung des Rechts am Belegenheitsort des Grundstückes gewährleistet damit einen wünschenswerten Gleichlauf zwischen internationaler ACHTUNGREZuständigkeit und anwendbarem Recht und damit auch die Anerkennung von Entscheidungen im Belegenheitsstaat.75 Diese Aussagen gelten im Grundsatz auch für bewegliche Sachen, jedoch mit einigen Einschränkungen.76 Hauptgrund dafür ist, dass bewegliche Sachen jederzeit in ein anderes Rechtsgebiet verbracht werden können. Das Statut, dem dingliche Rechte an Mobilien unterliegen, ist damit wandelbar. Damit ist auch die Durchsetzbarkeit von gerichtlichen Entscheidungen über dingliche Rechtsverhältnisse nicht zwangsläufig an Rechtsschutzorgane eines einzelnen Staates gebunden.77 Dies spiegelt sich zivilprozessual regelmäßig im Fehlen eines ausschließlichen Gerichtsstands für Mobilien wider.78 Sinnvolle Entscheidungen über

70

Wilhelm, Rn. 13. MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 4. 72 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 124. 73 v. Caemmerer, in: FS Zepos, S. 25; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 4; v. Hoffmann/Thorn, S. 513; kritisch Flessner, RabelsZ 34 (1970), 571 f. 74 Vgl. § 24 ZPO; zu entsprechenden Regelungen in anderen Rechtsordnungen siehe Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 125. 75 v. Hoffmann/Thorn, S. 443. 76 Wolff, S. 173; Kropholler, § 54 I. 77 Flessner, RabelsZ 34 (1970), 571 f.; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 126. 78 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 464. 71

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

dingliche Rechtsbeziehungen können deshalb auch außerhalb der Rechtsordnung ergehen, in dem sich die eine Sache befindet.79 Als weitere Rechtfertigung für das Prinzip der lex rei sitae dient der Gedanke, dass die zwingende Anknüpfung an den Belegenheitsort aus den angesprochenen Gründen weltweit anerkannt ist und damit den internationalen Entscheidungsgleichklang garantiert.80 Deshalb entspricht die Geltung des Rechts am Lageort im Zweifel am ehesten den Erwartungen der Parteien.81 Mit Blick auf dingliche Sicherungsrechte wird das Belegenheitsprinzip außerdem durch das Interesse des Lageortstaates gerechtfertigt, seine Vorstellung über die nationale Gläubigerordnung verwirklichen zu können.82 Im Ergebnis erscheint die sachenrechtliche Anknüpfung an den Ort der Belegenheit einer beweglichen Sache damit zwar weniger zwingend als bei Immobilien, aber gleichwohl naheliegend und sinnvoll. Das Prinzip der lex rei sitae wird deshalb im Grundsatz nicht in Frage gestellt,83 jedenfalls soweit es um Mobilien geht, die nicht dazu bestimmt sind, Staatsgrenzen und damit die Grenzen einer Rechtsordnung zu überschreiten.84 Ausnahmen werden lediglich für spezifische Fallgruppen diskutiert, in denen die Zweckbestimmung einer Sache zwangsläufig zu Lageort- und damit Statutenwechseln führt.85

2. Bedeutung des Wertpapiersachstatuts für den internationalen Effektenverkehr Vor der Darlegung spezifischer Defizite des Prinzips der lex rei sitae als Wertpapiersachstatut für intermediär verwahrte Wertpapiere ist zunächst grundsätzlich auf die Bedeutung des Wertpapiersachstatuts für den internationalen Effektenverkehr einzugehen. Denn das Wertpapiersachstatut kommt nur bei dinglichen Verfügungen über Wertpapierurkunden zum Tragen. Problematisch sind davon aber grundsätzlich nur die Fälle, in denen das Wertpapiersachstatut auf eine aus Sicht der Rechtsinhaber ausländische Rechtsordnung verweist, weil die Effektenurkunden im Ausland verwahrt werden. Entscheidend ist also die Einräumung, Übertragung oder Belastung eines dinglichen Rechts an auslandsverwahrten Wertpapieren. Es wurde dargelegt, dass das deutsche Depotrecht zwar sachenrechtlich konstruiert ist und dem Anleger eine dingliche Rechtsposition an den sammelverwahrten Ef79

Vgl. Kassaye, S. 19 f.; Ritterhoff, S. 58; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 126. Vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/343, S. 15; v. Bar, Rn. 753; ähnlich Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 441; kritisch Stoll, IPRax 2000, 264. 81 MünchKommBGB/Kreuzer, 3. Aufl., nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rn. 14; kritisch Ritterhoff, S. 59 f. 82 v. Wilmowksy, S. 122. 83 v. Caemmerer, in: FS Zepos, S. 26. 84 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 129; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 443. 85 Dazu ausführlich unten D.VI.5.b)cc)(1)(b). 80

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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fekten einräumt. Soweit aber ausländische Effekten zugunsten eines deutschen Anlegers verbucht werden, erlangt dieser in vielen Fällen keine dingliche Rechtsposition an den auslandsverwahrten Urkunden. Verbleiben die Wertpapiere in der Auslandsverwahrung, so wird dem inländischen Käufer lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch eingeräumt, der ihm aufgrund der Treuhandkonstruktion einen insolvenzfesten Aussonderungsanspruch in Bezug auf die von seinem Intermediär im Ausland ACHTUNGREgehaltene Rechtsposition gewährt. Der mit der Gutschrift in Wertpapierrechnung dokumentierte Anspruch unterliegt dem Schuldvertragsstatut und ist damit unabhängig von der Rechtsordnung am Ort der Belegenheit der Wertpapierurkunde.86 Die Abkoppelung der inländischen Rechtsposition vom Wertpapiersachstatut ist gerade ein Hauptgrund für die Konstruktion der Gutschrift in Wertpapierrechnung. Auch wenn die Ansprüche gegen die Wertpapiersammelbank im Inland zweitverbrieft werden, beziehen sich die dinglichen Rechte der Anleger auf eine im Inland verwahrte Urkunde und unterliegen damit immer inländischem Recht. Das Gleiche gilt, wenn die ausländischen Wertpapiere ins Inland verbracht und hier in die Sammelverwahrung einbezogen werden.87 In all diesen Fällen kommt die Regel der lex rei sitae als Wertpapiersachstatut entweder nicht zur Anwendung oder verweist auf deutsches Recht. Dingliche Rechte an auslandsverwahrten Wertpapieren werden in diesen Fällen nicht eingeräumt oder übertragen. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass sich eine Diskussion um das Prinzip der lex rei sitae insoweit erübrige, weil es praktisch nicht zur Anwendung komme. Denn zunächst ist zu bedenken, dass diese Lösungen nicht zuletzt deswegen geschaffen wurden, um zu vermeiden, dass dingliche Rechte an auslandsverwahrten in Deutschland verbucht werden müssen. Sie stellen letztlich Hilfskonstruktionen dar, um die mit dem Prinzip der lex rei sitae verbundenen praktischen Anwendungsschwierigkeiten zu umgehen. Die Diskussion um alternative Anknüpfungsformen für das Wertpapiersachstatut kann deswegen auch unter dem Blickwinkel gesehen werden, diese Konstruktionen ein Stück weit überflüssig zu machen. Von Bedeutung ist das Wertpapiersachstatut aus deutscher Sicht im Übrigen aber im Rahmen von grenzüberschreitenden Kontoverbindungen gemäß § 5 Abs. 4 ACHTUNGREDepotG.88 Werden die über eine solche Kontoverbindung verbuchten Effekten effektiv im Ausland aufbewahrt, unterliegt die dingliche Rechtsposition des inländischen Anlegers nach dem Prinzip der lex rei sitae dem Recht am ausländischen Verwahrungsort. Wenn der Sammelbestand an unterschiedlichen Orten im In- und Ausland verwahrt wird, stellt sich die Frage, ob bei einer Verfügung über einen Miteigentumsanteil an einem solchen grenzüberschreitenden Sammelbestand nach dem Belegen86 Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 30; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 714; MünchKommBGB/Wendhorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 213; abzulehnen ist demgegenüber die Ansicht von Guynn/Marchand, in: van Houtte, Rn. 3.10, wonach „lex rei sitae“ dann das Recht am Ort des verbuchenden Intermediärs sei. 87 Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 712 f. 88 Keller, WM 2000, 1281 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Scherer, BankR VI, Rn. 433; Haubold, RIW 2005, 657.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

heitsprinzip die inländische, die ausländische oder sogar beide Rechtsordnungen herangezogen werden müssen. Die gleichen Probleme treten auf, wenn Rechte an so genannten Global Shares verbucht werden, die in Form von mehreren Globalurkunden in verschiedenen Staaten verwahrt werden.89 Relevant ist das Wertpapiersachstatut darüber hinaus für die Banken, die an den von ihnen für sich selbst oder ihre Kunden im Ausland erworbenen Wertpapieren gegebenenfalls Eigentum oder eine andere dingliche Rechtposition halten.90 Das Wertpapiersachstatut kommt im Übrigen vor allem auch bei der Bestellung von Sicherheiten an den auslandsverwahrten Werten zum Tragen, etwa zur Absicherung offener Positionen im Rahmen des Clearingprozesses. Aus internationaler Sicht ist darüber hinaus festzustellen, dass nicht alle Staaten vertragliche Lösungen zur Umgehung des Wertpapiersachstatuts bei der Verbuchung ausländischer Wertpapiere kennen. Soweit ausländische Verwahrungssysteme auf rein sachenrechtlicher Grundlage aufgebaut sind, führt die Verbuchung von in Drittstaaten verwahrten Wertpapieren nach dem Prinzip der lex rei sitae notwendigerweise zur Anwendung ausländischen Rechts.91 Erst aus diesem Blickwinkel wird die Diskussion verständlich, die bis heute um alternative Konzepte für das Wertpapiersachstatut geführt wird. 3. Nachteile des Belegenheitsprinzips im internationalen Effektenverkehr Soweit es bei internationalen Effektentransaktionen danach auf das Wertpapiersachstatut ankommt, weil die Verwahrungssysteme sachenrechtlich ausgestaltet sind und nach dem Belegenheitsprinzip das Recht am Verwahrungsort der Urkunde heranzuziehen ist, stehen die Beteiligten vor erheblichen praktischen und rechtlichen Problemen. Anders als bei internationalen Verkehrsgeschäften oder den res in transitu liegen die Ursachen für die Komplikationen hier nicht darin, dass die Effekten zeitnah zur Verfügung in eine andere Rechtsordnung verbracht werden. Aufgrund der Immobilisierung der Wertpapiere bei Sammelverwahrinstituten ist gerade das Gegenteil der Fall. Probleme bereitet der Grundsatz der lex rei sitae vielmehr aus Gründen, die mit der mehrstufigen, intermediären Verwahrung zusammenhängen. a) Ermittlung des Ortes der Verwahrung Fundamentales Problem ist bei mehrstufigen Verwahrketten zunächst die Ermittlung des tatsächlichen Belegenheitsortes eines Wertpapiers. Die Rechtspraktiken zur Verwahrung und Registrierung von Wertpapieren variieren in den einzelnen Staaten. Es gibt keine weltweit bindende Regel, wonach Wertpapiere an einem Ort oder in einem Register im Land des Emittenten verwahrt oder verbucht sein müssen. Die 89 90 91

Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 714; Ebenroth/Boujong/Joost/Scherer, BankR, Rn. 433. Ebenroth/Boujong/Joost/Scherer, BankR, Rn. 433. Schefold, in: FS Kümpel, S. 466.

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Emittenten sind gegenwärtig frei, den Endverwahrer zu bestimmen.92 Praktisch müssten Erwerber und Veräußerer die einzelnen Glieder der Verwahrkette zurückverfolgen, um so die Endlagerstelle eines Wertpapiers aufzufinden (sog. „look through approach“).93 Nicht selten bestehen Verwahrketten jedoch aus einer Vielzahl von Intermediären in verschiedenen Staaten,94 so dass dieses Zurückverfolgen sehr umständlich und zeitaufwendig ist. Mitunter kann es aufgrund beschränkter Möglichkeiten der Informationsbeschaffung überhaupt schwer durchführbar sein.95 Man ist sich deshalb einig, dass bei modernen Verwahrstrukturen alle Versuche des „Hindurchguckens“ auf den tatsächlichen Belegenheitsort der Urkunden weder praktikabel noch im Ergebnis sicher sind.96 Indem sich sammelverwahrte und entmaterialisierte Effekten im internationalen Verkehr nur noch bedingt zur Bestimmung des auf eine Transaktion anzuwendenden Rechts eignen, setzt sich der Funktionsverlust der Effektenurkunden auch auf Ebene des Kollisionsrechts fort. Der Funktionsverlust lässt damit nicht nur Zweifel an der traditionellen Rechtsdogmatik des inländischen Effektengiroverkehrs aufkommen, sondern stellt letztlich auch die innere Berechtigung des Prinzips der lex rei sitae für den Effektengiroverkehr in Frage.97 b) Heterogene Depots Dieses Problem mag noch als überwindbar erscheinen. Ein weitaus größeres Problem stellt sich jedoch bei der Übertragung von Rechten an zusammengesetzten Wertpapierportfolios. Darunter versteht man Wertpapierdepots, in denen Effekten verbucht wurden, die in verschiedenen Rechtsgebieten emittiert wurden und an unterschiedlichen Orten verwahrt werden. Solche heterogene Depotkonten werden in der Bankpraxis häufig insgesamt verpfändet oder mit einem sonstigen Sicherungsrecht belastet.98 Praktisch bezieht sich ein dingliches Sicherungsrecht dann auf die jeweiligen Wertpapiere bzw. Sammeldepotanteile, die auf dem Depotkonto verbucht wurden. Wendete man hier die Belegenheitsregel an, müssten eine Vielzahl von Rechtsordnungen aufwendig ermittelt und inhaltlich berücksichtigt werden.99 Ein einheitlicher Geschäftsvorfall unterläge dann auf dinglicher Ebene unterschiedlichen 92

Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 216. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 28 f.; Reuschle, BKR 2003, 563; Schefold, in: FS Jayme, S. 808. 94 Vgl. die Beispiele bei Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, S. 33 ff. 95 Eingehend Rogers, JIBFL Special Supplement/September 1998, 47 ff.; Benjamin, 35 Intl Law. 43 (2001); Bernasconi/Potok, IFLR 2003, 11 f.; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-38. 96 Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 42. 97 So auch Horn, in: FS Hadding, S. 894; Than, in: FS Kümpel, S. 546. 98 Potok, IFLR 12/1999, 12; Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 216 f. 99 Benjamin, JIBFL 1998, 86; Guynn/Marchand, in: van Houtte, Rn. 3.16; Einsele, WM 2001, 2418; dies., WM 2003, 2349; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), S. 42; Reuschle, BKR 2003, 563 f.; ders., RabelsZ 68 (2004), 713; Schefold, in: FS Jayme, S. 808; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 525; Peyer, AJP 2007, 959. 93

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Rechtsordnungen. Ein deutsches Kreditinstitut könnte sich bei der Verbuchung auslandsverwahrter Effekten auch nicht ohne weiteres auf das formlose deutsche AGBPfandrecht berufen.100 Gerade bei der Gewährung von Sicherheiten an Wertpapieren ist darüber hinaus zu bedenken, dass der zur Sicherung dienende Bestand laufend Änderungen unterliegen kann. Die Frage des anwendbaren Rechts würde damit zur Momentaufnahme und ein effektives Management von Kreditsicherheiten praktisch unmöglich.101 Die Beleihung von Wertpapieren spielt an internationalen Finanzmärkten eine große Rolle.102 Hinsichtlich der Voraussetzungen zur Bestellung von Sicherheiten an Wertpapieren bestehen jedoch vielfach große Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen.103 Der effiziente Einsatz von Wertpapieren zur Kreditsicherung wäre damit praktisch ausgeschlossen. Die ökonomische Komponente der schnellen und rechtssicheren Bestimmung des anwendbaren Rechts wird damit nur allzu deutlich.104 c) Internationalisierte Sammelverwahrung nach § 5 Abs. 4 DepotG Weitere Probleme ergeben sich, wenn Berechtigungen an Effektenbeständen verbucht werden, die nicht gemeinsam im selben Staat verwahrt werden. Hält ein Zwischenverwahrer Anteile an den Sammelbeständen in beiden Staaten und schreibt diese einem anderen Zwischenverwahrer gemeinsam gut, so kann dann, wenn ein Teil dieser Werte auf einer niedrigeren Verwahrstufe weiterverbucht wird, nicht mehr festgestellt werden, ob dieser Teil dem einen oder dem anderen Sammelbestand zuzuordnen ist.105 Rechtlich bezieht sich ein Miteigentumsrecht dann anteilig auf beide Sammelbestände, so dass auf eine solche Verfügung streng genommen die Rechtsordnungen an beiden Belegenheitsorten kumulativ anzuwenden sind. Das Problem stellt sich aus deutscher Sicht im Zusammenhang mit der Bildung grenzüberschreitender Sammelbestände gemäß § 5 Abs. 4 DepotG oder der Ausgabe von Globalurkunden an verschiedenen Orten.106 Da sich ein Wertpapiersammelbestand in diesem Fall rechtlich aus Beständen in verschiedenen Staaten zusammensetzt, müssten bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem solchen Bestand trotz eines einheitlichen Geschäftsvorfalls mehrerer Rechte nebeneinander zur Anwendung gelangen.107 Dies gilt auch bei rein innerstaatlichen Transaktionen, da sich auch hier die an allen Urkunden bestehenden Miteigentumsquoten von Veräußerer und Erwerb än100

Keller/Langner, BKR 2003, 619. Rogers, JIBFL Special Supplement/September 1998, 50 f.; Schefold, IPRax 2000, 470; Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 217; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 121 f. 102 Reuschle, IPRax 2003, 496. 103 Einsele, WM 2003, 2349; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 212. 104 Verhagen, EBLR 11 (2000), 117 f.; Girsberger, in: FS Schnyder, S. 80. 105 Rogers, 39 Cornell Int L.J. 298 (2006); Haentjens, S. 37 f. 106 Schefold, IPRax 2000, 470; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 714; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 525. 107 Bernasconi, YbPIL 3 (2001), 78; Einsele, WM 2001, 2418; Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/341. 101

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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dern.108 Dem Problem kann nicht durch gesetzliche Erwerbstatbestände im deutschen Recht begegnet werden,109 da auch diese nach dem Belegenheitsprinzip nicht auf im Ausland belegene Übertragungsgegenstände anwendbar sind. Das Problem mag bei bilateralen Kontoverbindungen zwischen zwei Sammelverwahrinstituten durch entsprechende Rechtsgutachten in den Griff zu bekommen sein, solange die Institute ihre Teilbestände ausschließlich in ihrem Land lagern. Unterhalten die Institute jedoch weitere Kontobeziehungen zu Verwahrern in Drittländern und lassen Wertpapiere des Sammelbestandes dort verwahren, so wird die Anerkennung buchmäßiger Übertragungen und Verpfändungen von Effekten nach allen beteiligten Rechtsordnungen zunehmend fraglich.110 Nach der lex cartae sitae käme man zu einer Kumulation von Wirksamkeitserfordernissen, da Verfügungen dann den Sachenrechten all dieser Staaten entsprechen müssten.111 Besonders misslich ist dies bei Bestellung von Sicherheiten an Wertpapieren, da die sachenrechtlichen Vorschriften der verschiedenen Staaten in diesem Bereich noch mehr divergieren als bei der Vollrechtsübertragung.112 Vertragliche Abstimmungen zwischen den beteiligten Verwahrinstituten zum Zweck der Schaffung eines Gleichklanges der Rechtsvorschriften ist angesichts von Formvorschriften und des sachenrechtlichen Typenzwangs nicht vielversprechend.113 d) Wertrechte Bei Buchrechten, die überhaupt nicht mehr verbrieft werden und in materieller Hinsicht nur aufgrund gesetzlicher Anordnungen dem Sachenrecht unterliegen, erscheint die Anwendung der lex rei sitae aus rechtsdogmatischer Sicht fragwürdig.114 Denn während Globalurkunden tatsächlich wie rechtlich noch eine verkörperte Grundlage für die Anknüpfung an den Belegenheitsort bieten, fehlt dieses Element bei Wertrechten vollständig. Die Verkörperung müsste damit fingiert werden.115 Es wird zwar vorgebracht, dass Wertrechte historisch nur aus Gründen der Rationalisierung an die Stelle von echten Wertpapieren getreten seien. Die Buchungsvorgänge seien damit sachenrechtlichen Verfügungsakten funktional vergleichbar bzw. kraft gesetzlicher Fiktion gleich gestellt. Dies würde ein fiktives Sachstatut rechtfertigen.116 Gleichwohl hat das Belegenheitsprinzip in diesem Zusammenhang seine Vor108

Einsele, RIW 1997, 274. So aber Kümpel, in: Hellner/Steuer, Rn. 8/341; ders., Rn. 11.425, wonach ein deutscher Käufer mit der Gutschrift der Werte jedenfalls kraft Gesetzes (§ 24 Abs. 2 S. 1 DepotG) Miteigentum an den auslandsverwahrten Werten erlange. 110 Than, in: FS Kümpel, S. 551. 111 Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 714. 112 Einsele, WM 2003, 2349. 113 Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 714. 114 Schefold, in: FS Kümpel, S. 464; ders., in: FS Jayme, S. 808; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 43. 115 Verhagen, EBLR 11 (2000), 114. 116 MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 202. 109

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aussetzung, nämlich das Vorhandensein einer Urkunde, verloren.117 Allenfalls kann man im Sinne eines Buchstatuts an den Belegenheitsort der Schuldbücher oder Register anknüpfen.118 e) Grundsatz der engsten Verbindung Neben diesen zutiefst praktischen Problemen ist ganz grundsätzlich zweifelhaft, ob die Anknüpfung an den Lageort der Effekten im internationalen Effektengiroverkehr noch dem Grundsatz entspricht, wonach das Recht des Staates zur Anwendung kommen soll, mit dem ein Sachverhalt die engste Bindung aufweist.119 Denn gerade bei grenzüberschreitenden Effektentransaktionen im elektronischen Verkehr fallen der Ort der maßgeblichen Geschäftsabwicklung und der Verwahrungsort der Effektenurkunden häufig auseinander. In vielen Fällen führt die Anknüpfung an den Belegenheitsort einer Urkunde deshalb zu zufälligen Ergebnissen. Es ist eine verständliche Frage, warum bei der Übertragung von Eurobonds eines französischen Emittenten, die auf den Konten von Euroclear in Brüssel oder Clearstream Banking Luxemburg verbucht sind, englisches Recht anzuwenden ist, nur weil die entsprechende Globalurkunde bei einer Bank in London in Verwahrung gegeben wurde.120 Es kann nicht bestritten werden, dass der wirtschaftliche Schwerpunkt des Erfüllungsgeschäftes einer derartigen Transaktion nicht am Ort der Verwahrung einer Effektenurkunde liegt, sondern dort, wo die Berechtigung an den Effekten zugunsten des Erwerbers oder des Veräußerers letztendlich verbucht wird.121 Denn wie dargestellt ergibt sich der Umfang der Berechtigung des Anlegers allein aus der Buchung auf seinem eigenen Depotkonto. Praktisch im Vordergrund steht damit die Beziehung des Investors zu seinem unmittelbaren Intermediär und weniger seine Beziehung zu den zugrundeliegenden Effektenurkunden. Ziel der Intermediäre ist es ferner, ihren Kunden die gleiche Rechtsstellung für alle von ihnen zwischenverwahrten Wertpapiere zu verschaffen, unabhängig davon, wo die Urkunden tatsächlich verwahrt werden, damit diese ihre Berechtigung unter einer einheitlichen Rechtsordnung verpfänden oder übertragen können.122 Nach dem Prinzip der lex rei sitae ist das jedoch nicht möglich. Auch der Gedanke, wonach dingliche Rechte an Sachen grundsätzlich am Ort ihrer Belegenheit durchgesetzt werden müssen und deshalb sinnvollerweise dem Recht an diesem Ort unterliegen sollten, greift bei intermediär verwahrten Wertapieren nicht durch. Denn sowohl die Anleger als auch Dritte, die in die Rechtsposition vollstrecken wollen, sind zur Durchsetzung ihrer Rechte in aller Regel zunächst auf den Interme117

Horn, in: FS Hadding, S. 894; Rentsch, S. 50. So Dittrich, S. 176; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 715. 119 Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 42 f.; Girsberger/Hess, AJP 2006, 996. 120 Weber, in: van Houtte, Rn. 2.09; Schefold, IPRax 2000, 470; Than, in: FS Kümpel, S. 551. 121 Ähnlich Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 711. 122 Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 381. 118

III. Das Belegenheitsrecht als Wertpapiersachstatut und seine Ablösung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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diär verwiesen, bei dem der Anleger sein Depotkonto führt. Selbst wenn es nach dem auf das Verwahrungssystem anzuwendenden materiellen Recht zulässig ist, Ansprüche auch auf einer höheren Ebene der Verwahrkette geltend zu machen (sog. uppertier attachment), wird dies in aller Regel aus praktischen Gründen nicht ACHTUNGREmöglich sein. Denn da die Intermediäre die Werte ihrer Depotkunden bei den übergeordneten Intermediären in aller Regel ungetrennt voneinander auf einem einzigen Kundendepot verbuchen lassen (omnibus accounts), existieren auf den höheren Verwahrstufen keine Daten über die Berechtigung von einzelnen Anlegern. Diese Daten ergeben sich allein aus den Büchern der unmittelbar mit dem Endanleger verbundenen Depotbank.123 Damit können dingliche Rechte an den zugrundeliegenden Effekten bereits rechtspraktisch nicht direkt am Ort ihrer tatsächlichen Belegenheit durchgesetzt werden. Jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht ist das eigentliche Interesse des Anlegers damit nicht am Belegenheitsort der Wertpapiere zu verorten, sondern bei seiner Depotbank. 4. Rechtsunsicherheit als Folge Die Ausführungen zeigen, dass das Prinzip der lex rei sitae als Anknüpfungsregel bei der Übertragung von intermediär verwahrten Effekten nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn Effekten nicht mehr physisch, sondern grenzüberschreitend in Form von elektronischen Daten gehalten werden, erlaubt es keine rechtssichere Anknüpfung.124 Die Rechtsunsicherheit erhöht sich auch dadurch, dass nicht in allen Rechtsordnungen der Ort der Verwahrung einer Urkunde als situs im Sinne der Belegenheitsregel angesehen wird. Beispielsweise wird in angelsächsischen Rechtsordnungen dann, wenn das Recht neben der Verbriefung auch in ein Register einzutragen ist, auch der Ort, an dem das Register geführt wird oder an dem der Emittent seinen Sitz hat, als situs der Berechtigung des Anlegers im Sinne der Belegenheitsregel in Betracht gezogen.125 Bei einem solchen Verständnis steht nicht die Wertpapierurkunde (certificate) als Objekt des Übertragungsvorgangs im Vordergrund, sondern das verbriefte Anteils- oder Forderungsrecht (security) selbst. Das Problem der Rechtsunsicherheit erhöht sich mit dem Anstieg des internationalen Effektenhandels. Zwar stellen sich Fragen hinsichtlich der Wirksamkeit von buchungsmäßig übertragenen Rechten und ihrem Verhältnis zu Berechtigungen Dritter in der Regel erst, wenn über den Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Konsequenzen der Rechtsunsicherheiten sind gleichwohl auch im täglichen Abwicklungsverkehr zu spüren. Umfangreiche tatsächliche und rechtliche Untersuchungen im Vorfeld von Transaktionen führen zu erheb-

123 Potok/Moshinsky, JIBFL Special Supplement/September 1998, 14 f.; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 28; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-39; Bertschinger, in: FS Kramer, S. 469; vgl. dazu beispielhaft die US-amerikanische Entscheidung Fidelity Partners, Inc. v. First Trust Co., 58 F.Supp.2d 52 (S.D.N.Y.,1997). 124 Benjamin, JIBFL 1998, 87. 125 Rogers, JIBFL Special Supplement/September 1998, 47; Benjamin, ICLQ 47 (1998), 925 ff.; Austen-Peters, Rn. 10.24 f.

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lich höheren Transaktionskosten.126 Dies gilt bei der Übertragung von Vollrechten, vor allem aber bei der Bestellung von Sicherheiten an sammelverwahrten Effekten. Besonders bei der Bestellung von grenzüberschreitenden Finanzsicherheiten im Rahmen von Pfand-, Wertpapierleih- und Pensionsgeschäften sowie repurchase agreements schlägt sich die Rechtsunsicherheit nieder. Diese Geschäfte finden häufig außerhalb standardisierter Abwicklungsverfahren statt. Hier stellt sich neben der generell relevanten Frage der Insolvenzfestigkeit auch die Frage nach der Rangstellung des Sicherungsrechts.127 Darüber hinaus besteht in manchen Rechtsordnungen das Risiko, dass eine Vollrechtsübertragung wegen ihres Sicherungszwecks in ein beschränkt dingliches Sicherungsrecht umqualifiziert wird und aufgrund dessen anderen und weitergehenden Formvorschriften unterliegt (recharacterisation risk).128 Das Risiko der Einwirkung unbekannter oder unerwünschter Rechtsordnungen auf ein Sicherungsgeschäft schlägt sich in einer niedrigeren Bewertung der entsprechenden Sicherheiten nieder.129 Zur Kompensation dieses Risikos verlangen Sicherungsnehmer entweder höhere Entgelte bzw. Zinsen oder zusätzliche Sicherheiten, was die Effektivität der Transaktionen senkt.130 Aufgrund der hohen Transaktionsvolumina haben verbleibende Rechtsrisiken auch das Potential, die Funktionsfähigkeit der Abwicklungssysteme zu bedrohen. Sie müssen damit als systemische Risiken betrachtet werden.131 5. Entwicklung alternativer Anknüpfungsmöglichkeiten Die Diskussion über alternative Anknüpfungsmöglichkeiten für dingliche Berechtigungen an Effektensammelbeständen, die zunächst im angloamerikanischen Rechtskreis geführt wurde,132 war anfangs auf Sicherungsrechte beschränkt.133 Erst später rückte die Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren im Allgemeinen in den Fokus.134 Da neue Kollisionsregeln nur dann ein höheres Maß an Rechtssicherheit schaffen können, wenn sie im Konfliktfall auch von ausländischen Gerichten anerkannt werden, müssen sie von einer möglichst großen Zahl an Staaten einheitlich eingeführt werden.135 Bedeutende Initiativen zur (Teil-)VereinheitACHTUNGRElACHTUNGREichung des Wertpapierkollisionsrechts gab es im europäischen Gemeinschaftsrecht. Auf glo126

Guynn, S. 27 f.; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 29; Rogers, 39 Cornell Int L.J. 290 f. (2006). 127 Benjamin, JIBFL 1998, 85. 128 Ausführlich zu diesem Problem im englischen Recht Fentiman, JIBFL 1998, 38 f.; Benjamin, JIBFL Special Supplement/September 1998, 30 ff. 129 Bernasconi/Potok, IFLR 2003, 11. 130 Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 213. 131 Potok, 15 JBFLP (2004), 205; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-33 f. 132 Vgl. beispielsweise „The Oxford Colloquium on Collateral and Conflict of Laws“, in: JIBFL Special Supplement/September 1998. 133 Vgl. Benjamin, ICLQ 47 (1998), 923 ff. 134 Reuschle, RabelsZ (68) 2004, 690 f. 135 Bernasconi/Potok/Morton, in: Potok, Rn. 2.121.

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baler Ebene wurde von der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht der Versuch der globalen Vereinheitlichung des Wertpapierkollisionsrechts unternommen. Gemeinsamer Ausgangspunkt dieser Reformprojekte war die Erkenntnis, dass aufgrund der geschilderten Probleme des Belegenheitsprinzips eine Anknüpfung an den Ort der Verwahrung für dingliche Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren ausscheiden muss. Stattdessen versuchte man, der Verwahrungskette folgend auf der Ebene der Depotkonten anzusetzen, auf denen Rechte an Wertpapieren letztendlich zugunsten des Inhabers verbucht werden. Diese Überlegung ist grundsätzlich zu begrüßen. Denn die Depotinhaber stehen in verwahrungsrechtlicher Hinsicht allein mit ihrer depotführenden Stelle in Verbindung. Für den Anleger ist der tatsächliche Lageort der Effektenurkunde in der Regel weder ersichtlich noch von besonderem Interesse. Bei anonymisierten Börsengeschäften ist regelmäßig auch der wirtschaftliche Veräußerer der Effekten unbekannt, so dass für die Beteiligten vor allem das Verhältnis zu ihren jeweiligen Intermediären im Vordergrund steht. Unabhängig von der zugrundeliegenden rechtlichen Konstruktion der Verwahrung und Übertragung der Effekten, ist die Buchung auf dem Depotkonto des Anlegers aus dessen Sicht entscheidend. Gerade bei der Umbuchung der Werte zwischen Kontoinhabern desselben Intermediärs sind höherrangige Verwahrstellen im In- oder Ausland überhaupt nicht betroffen, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb die Voraussetzungen und Folgen einer solchen Umbuchung ausländischem Recht unterliegen sollen.136 Um die einheitliche Übertragung von Rechten an heterogenen Wertpapierportfolios zu gewährleisten, muss an einem Aspekt angeknüpft werden, der allen Bestandteilen des jeweiligen Portfolios gemeinsam ist. Dieser gemeinsame Aspekt kann nur in der Verbuchung auf dem eigenen Depotkonto des Investors gefunden werden.137 Man war sich über die Notwendigkeit eines Wechsels von einem „paper-based approach“ hin zu einem „record-based approach“ oder „intermediary approach“ einig.138 Für eine Regel, nach der für die Frage des anwendbaren Rechts am Ort des Intermediärs anzusetzen ist, bei dem der Endanleger sein Depotkonto führt, hat sich die Bezeichnung „Place of the Relevant Intermediary Approach“ (PRIMA) eingebürgt. Obgleich man vielfach von dem PRIMA-Prinzip spricht, ist eine solche Anknüpfungsregel in zahlreichen Varianten denkbar.139 Verschiedene Ausprägungen des PRIMA-Prinzips werden im Folgenden dargestellt.

136

Vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 466 f. Potok/Moshinsky, JIBFL Special Supplement/ September 1998, 15. 138 Grundlegend Guynn, S. 35 ff.; vgl. auch Benjamin, JIBFL 1998, 86 f.; Potok/Moshinsky, JIBFL Special Supplement 9/1998, 14 ff. 139 MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 218. 137

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IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1. Überblick Eine bedeutsame Entwicklung für das internationale Privatrecht für Wertpapiere in der Europäischen Union begann Ende der 90er Jahre. Entscheidende Impulse für die Ausfüllung des Wertpapiersachstatuts durch das PRIMA-Prinzip brachten Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie aus dem Jahr 1998140 und Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie aus dem Jahr 2002.141 Zu nennen ist ferner Art. 24 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie.142 Diese bereichsspezifischen Kollisionsvorschriften und ihre Umsetzung in das deutsche Recht werden im Folgenden untersucht. Weitere gemeinschaftsrechtliche Kollisionsvorschriften, die zum Teil mit dem PRIMA-Prinzip in Zusammenhang gebracht werden, wie etwa Art. 31 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie sowie Art. 25 c) der Versicherungssanierungs- und Liquidationsrichtlinie,143 werden aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung nicht erörtert.144

2. Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie a) Hintergrund und Zielsetzung der Finalitätsrichtlinie Die Finalitätsrichtlinie wurde vor dem Hintergrund von Systemrisiken in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen erlassen. Die Risiken, denen Zahlungssysteme im Interbankenverkehr unterliegen, wurden Anfang der 1990er Jahre in zwei Berichten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich aufgezeigt.145 Diese Untersuchungen bezogen sich zwar vornehmlich auf Zahlungssysteme. Da sie aber in ähnlicher Form auch bei Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen auftreten, wurde der Regelungsbereich der Richtlinie im Laufe der Vorarbeiten auch auf Letztere erstreckt.146 Die Finalitätsrichtlinie adressiert die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssysteme agieren. Man sah die Gefahr, dass Kredit- und Liquiditätsrisiken, die sich im 140

Richtlinie 98/26/EG vom 19. 5. 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen, ABl. EG Nr. L 166 vom 11. 6. 1998, S. 45 ff. 141 Richtlinie 2002/47/EG vom 6. 6. 2002 über Finanzsicherheiten, ABl. EG Nr. L 168 vom 27. 6. 2002, S. 43 ff. 142 Richtlinie 2001/24/EG vom 4. 4. 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. EG Nr. L 125 vom 5. 5. 2001, S. 15 ff. 143 Richtlinie 2001/17/EG vom 19. 3. 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, ABl. EG Nr. L 110 vom 20. 4. 2001, S. 28 ff. 144 Vgl. dazu Ege, S. 79 ff.; Schefold, in: FS Kümpel, S. 469. 145 BIS, Report on Netting Schemes, (Angell Report); dies., Report of the Committee on Interbank Netting Schemes of the Central Banks of the Group of Ten Countries (Lamfalussy Report). 146 Vgl. Erwägungsgrund (2) RL 98/26/EG; zur Entwicklungsgeschichte der Richtlinie Keller, WM 2000, 1269; Dittrich, S. 51 f.

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Ausfall eines großen Kreditinstituts realisieren, durch unpassende oder unklare Rechtsvorschriften verstärken, auf andere Systemteilnehmer ausweiten und damit das System insgesamt gefährden könnten. Nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers erforderte die Verringerung des Systemrisikos beim Ausfall eines Systemteilnehmers insbesondere die Sicherstellung der Wirksamkeit von Übertragungsaufträgen und Verrechnungen sowie die Bestandskraft und Verwertbarkeit der dinglichen Sicherheiten.147 Genau darin liegt der Kerngehalt des Konzeptes der Finalität. Dieser aus der Bankenpraxis stammende Begriff beschreibt einen Zustand, in dem eine Übertragung von Geld oder Wertpapieren endgültig und unwiderruflich ist.148 Die Unwiderruflichkeit von Zahlungen und Wertpapierübertragungen ist für die Empfänger im Rahmen von Finanz- und Kapitalmarkttransaktionen besonders wichtig, da sie sehr schnell und mitunter auch vorab über die erhaltenen Mittel weiterdisponieren. Wenn aber die Übertragung der Mittel, die dem Empfänger bereits zur Verfügung standen, mit ex tunc Wirkung wieder beseitigt wird, kann der Empfänger möglicherweise seine in der Zwischenzeit eingegangenen Verpflichtungen selbst nicht mehr erfüllen. Dies kann zu Liquiditätsengpässen im gesamten Bankensystem führen und im ungünstigsten Fall eine Kettenreaktion von Insolvenzen auslösen. Ein solcher Dominoeffekt würde die Funktionsfähigkeit des Systems insgesamt gefährden (Systemrisiko).149 Zu einer rückwirkenden Beseitigung bereits abgewickelter Übertragungen kann es beispielsweise im Falle der Insolvenz des Leistenden kommen, wenn das anwendbare Insolvenzrecht vorsieht, dass Verfügungen des Gemeinschuldners, die dieser am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in einem bestimmten Zeitraum davor getroffen hat, mit Verfahrenseröffnung rückwirkend unwirksam werden. Das systemische Risiko kann sich auch realisieren, wenn die im Rahmen des Nettings bereits abgeschlossenen Aufrechungen rückwirkend aufgehoben werden und die miteinander verrechneten Bruttoverbindlichkeiten dadurch wieder aufleben.150 Diese Gefahren bestehen nicht nur im nationalen Kontext, sondern auch und insbesondere für grenzüberschreitend tätige Systemteilnehmer, die mit ausländischen Rechtsvorschriften weniger vertraut sind. Defizitäre Rechtgrundlagen eines Systems können sich so auch auf Systeme in anderen Staaten oder Marktsegmenten auswirken.151 Man kam deswegen zu dem Schluss, dass systembedeutsame Rechtsrisiken effektiv nur durch die Harmonisierung der relevanten nationalen materiell- und kollisionsrechtlichen Vorschriften adressiert werden können.152

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Vgl. Erwägungsgrund (9) RL 98/26/EG. BIS/IOSCO, Recommendations for SSS, S. 47; Micheler, S. 229 ff. BIS, Lamfalussy Report, S. 11 f. Micheler, S. 231; Horn, in: FS Hadding, 896. Jergitsch, ÖBA 1999, 539. BIS, Lamfalussy Report, S. 11 f.; Löber, Unif. L. Rev. 2005, 163.

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b) Wesentliche Inhalte der Finalitätsrichtlinie Die Finalitätsrichtlinie hat also zum Ziel, Systemrisiken im Zusammenhang mit Zahlungs- und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen zu reduzieren, insbesondere den Schutz der Systeme und der Teilnehmer in der Insolvenz eines Teilnehmers zu gewährleisten und Rechtssicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts in der Insolvenz eines Teilnehmers zu schaffen.153 Dazu werden verschiedene Vorschriften des nationalen materiellen Insolvenzrechts sowie des insolvenzrechtlichen und sachenrechtlichen Kollisionsrechts vereinheitlicht. Die Richtlinie schützt insbesondere die Bestandskraft von Nettingvereinbarungen in der Insolvenz eines Teilnehmers154 und verhindert den Widerruf von Zahlungs- und Übertragungsaufträgen, die vor der Insolvenzeröffnung wirksam in ein System im Sinne der Richtlinie eingestellt worden sind.155 Ausgeschlossen werden auch andere rückwirkende Eingriffe in abgeschlossene Transaktionen zwischen den Teilnehmern.156 Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie bleiben dingliche Sicherheiten, welche die Teilnehmer im Rahmen des Systems zur Absicherung ihrer offenen Positionen an Clearingstellen, Zentralbanken und andere Teilnehmer geleistet haben, von einer Insolvenzeröffnung generell unberührt. Die Richtlinie schützt die Systeme und ihre Teilnehmer ferner vor den Unwägbarkeiten fremder Insolvenzordnungen, indem sie in der Insolvenz eines ausländischen Teilnehmers die Rechte und Pflichten aus der Teilnahme an dem System dem für das System geltenden Insolvenzrecht unterwirft und so der lex fori concursus entzieht.157 Die aus Sicht des Wertpapierkollisionsrechts entscheidende Regelung findet sich in Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie. Diese Vorschrift entzieht bestimmte dem Wertpapiersachstatut unterliegende Fragen dem Geltungsbereich des Prinzips der lex rei sitae und führt eine an dem beschriebenen PRIMA-Grundsatz orientierte Anknüpfung ein. Danach werden dingliche Sicherheiten an Wertpapieren zugunsten von Teilnehmern an Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, Zentralbanken oder der Europäischen Zentralbank, die mit rechtsbegründender Wirkung in einem Register eingetragen oder auf einem Konto bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht werden, dem Recht des Mitgliedstaates unterworfen, in dem sich das jeweilige Register, Konto oder Verwahrsystem befindet.

153 Erwägungsgründe (2), (4) u. (17) RL 98/26/EG; vgl. auch BT-Drucks. 14/1539, S. 5; Keller, WM 2000, 1269; Reuschle, RabelsZ 68 (2004). 154 Art. 3 RL 98/26/EG. 155 Art. 5 RL 98/26/EG. 156 Art. 7 RL 98/26/EG. 157 Art. 8 RL 98/26/EG; dazu Devos, in: Giovanoli/Heinrich, S. 318 f.; trotz der weit formulierten VerweisACHTUNGREung auf das „für das System maßgebliche Recht“ meint die Vorschrift nur das Insolvenzrecht der für das System maßgeblichen Rechtsordnung, vgl. Erwägungsgrund (17) RL 98/26/EG.

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

283

c) Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie Der Anwendungsbereich der Kollisionsvorschrift ist in persönlicher wie sachlicher Hinsicht stark beschränkt, wobei sich die Beschränkungen bereits aus dem eingeschränkten Anwendungsbereich der Richtlinie insgesamt ergeben.

aa) Persönlicher Anwendungsbereich Die Richtlinie erfasst ausschließlich systembezogene Sicherungsgeschäfte. Der Sicherungsnehmer muss Teilnehmer eines Systems im Sinne der Richtlinie, Zentralbank eines Mitgliedstaates oder die Europäische Zentralbank sein. Unter einem System versteht die Richtlinie gemäß Art. 2 a) eine förmliche Vereinbarung zwischen mindestens drei Teilnehmern, die gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für die Ausführung- von Zahlungs- und Übertragungsaufträgen vorsieht und dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegt.158 Hintergrund dieser Beschränkung sind rechtspolitische Vorbehalte verschiedener Mitgliedstaaten gegen die Schaffung von Insolvenzprivilegien für den Finanzsektor.159 Die Systembeschränkung ist jedoch zumindest formal etwas aufgelockert worden, indem die Mitgliedstaaten die Vorschriften auf bilaterale Systeme ausweiten können, sofern dies unter dem Aspekt des Systemrisikos gerechtfertigt erscheint. Um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschriften zu erhöhen, wird eine entsprechende Vereinbarung nur dann als System im Sinne der Richtlinie anerkannt, wenn es die Mitgliedstaaten im Rahmen eines Meldeverfahrens bei der Kommission angezeigt haben, nachdem sie sich von der Zweckdienlichkeit der Regeln des Systems überzeugt haben.160 Dieses auch in anderem Zusammenhang bekannte Notifizierungsverfahren hat für den Anwendungsbereich der Richtlinie damit konstitutive Wirkung.161 In Deutschland wurden für die Wertpapierabwicklung die Abwicklungssysteme der Clearstream Banking AG CASCADE und CREATION sowie die von der Eurex ACHTUNGREClearing AG betriebenen Clearingsysteme angezeigt.162 Teilnehmer eines solchen Systems sind gemäß Art. 2 f) der Richtlinie zum einen die Anbieter der Clearing-Infrastruktur, also zentrale Vertragsparteien, Verrechnungsstellen und Clearinginstitute.163 Zum anderen werden die Kunden dieser Infrastruktur erfasst. Dies können Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, öffentlich-rechtliche Körperschaften und Unternehmen, die mit einer öffentlich-rechtlichen Garantie ausgestattet sind, sowie entsprechend tätige Unternehmen mit der Hauptverwaltung au158 Vgl. auch Jergitsch, ÖBA 1999, S. 540; Schefold, IPRax 2000, 273; kritisch zu dieser Beschränkung Keller, WM 2000, 1270. 159 Keller, BKR 2002, 351. 160 Art. 10 RL 98/26/EG; in Deutschland ist gemäß § 24b Abs. 1 S. 2 KWG die Deutsche Bundesbank zuständig für die Anzeige. 161 Keller, WM 2000, 1270. 162 Eine Liste der europaweit angezeigten Systeme findet sich unter www.ec.europa.eu. 163 Vgl. dazu Art. 2 c) – e) RL 98/26/EG.

284 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

ßerhalb der EU sein.164 Unmittelbar eingeschlossen sind jedoch nur die direkten Teilnehmer des Clearingprozesses. Indirekt an einem System Beteiligte, die lediglich über eine vertragliche Beziehung über einen direkten Teilnehmer mit dem System verbunden sind (beispielsweise Nicht-Clearingmitglieder), sind nicht unmittelbar von der Richtlinie erfasst.165 Sie können jedoch von den Mitgliedstaaten zu Teilnehmern erklärt werden, wenn dies unter dem Aspekt des Systemrisikos gerechtfertigt ist und der indirekte Teilnehmer dem System bekannt ist.166 Auch der Sicherungsgeber muss Teilnehmer eines Systems im Sinne der Richtlinie sein.167 Dies ergibt sich aus der Beschränkung auf Sicherheiten, die der Besicherung von Rechten und Verbindlichkeiten dienen, die sich in Verbindung mit dem System ergeben können.168 Bankkunden, die Effekten in Wertpapierdepots halten, haben generell weder direkten noch indirekten Zugang zu den Übertragungssystemen und sind damit keine Systemteilnehmer.169 Räumen sie ihrem Vertragspartner eine dingliche Sicherheit an intermediär verwahrten Effekten ein, so fällt dieses Geschäft von vornherein nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie. Die Richtlinie führt folglich zu einem gespaltenen Kollisionsrecht. Die Beschränkung auf direkte Systemteilnehmer wurde deshalb vielfach kritisiert und eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie befürwortet.170 bb) Sachlicher Anwendungsbereich (1) Dingliche Sicherungsrechte an intermediär verwahrten Wertpapieren Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie ist relativ eng gezogen: Erfasst sind nur dingliche Aspekte von Sicherungsgeschäften. Für die dingliche Erfüllung von Wertpapierkaufverträgen will die Richtlinie nicht in das nationale Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten eingreifen.171 Der Anspruch auf die Bestellung der Sicherheit muss sich aus dem Clearingvertrag oder einer anderen systembegründenden Vereinbarung ergeben.172 Hinsichtlich der Technik der Bestellung ist der Begriff der dinglichen Sicherheit weit zu verstehen. Es fallen nicht nur beschränkt dingliche Rechte an Wertpapieren darunter, sondern auch Vollrechtsübertragungen, die beispielsweise bei Wertpapierpensionsgeschäften (repurchase agreements), Si164

Art. 2 b) RL 98/26/EG. Einsele, WM 2001, 2418 f.; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 718; Schefold, in: FS Kümpel, S. 467. 166 Art. 2 f) RL 98/26/EG. 167 Reuschle, IPRax 2003, 497. 168 Vgl. Art. 2 m) RL 98/26/EG; Schefold, IPRax 2000, 473. 169 Micheler, S. 227. 170 Potok, IFLR 12/1999, 13 ff.; Jergitsch, ÖBA 1999, 543 f.; Schefold, IPRax 2000, 473; Keller, WM 2000, 1274; Pfeiffer, IPRax 2000, 280. 171 Vgl. Erwägungsgrund (21) RL 98/26/EG. 172 Jergitsch, ÖBA 1999, 543; Dittrich, S. 57 f. 165

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cherungsübereignungen und vergleichbaren, nach nationalem Sachrecht möglichen Sicherungstechniken vorkommen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift hängt damit nicht von der Art des dinglichen Rechts ab, sondern vom Zweck seiner Einräumung.173 Diese Unterscheidung ist jedoch nicht sonderlich überzeugend, da buchungsmäßige Eigentumsübertragungen identisch durchgeführt werden und im ACHTUNGREÜbrigen die gleichen Systemrisiken wie bei Sicherungsgeschäften drohen.174 Die Kollisionsvorschrift formuliert ihre Reichweite im Hinblick auf derartige Sicherungsrechte sehr vage, indem sie allgemein von den Rechten des Sicherungsnehmers spricht. Aus den Erwägungsgründen wird aber deutlich, dass davon neben den Fragen der Verwertung des Sicherungsrechts auch die Voraussetzungen für seine wirksame Begründung umfasst sind.175 Darüber hinaus fallen darunter Fragen der Priorität des Sicherungsrechts gegenüber Dritten.176 Als Sicherungsgegenstand nennt die Vorschrift zunächst ganz allgemein Wertpapiere oder Rechte an Wertpapieren.177 Sie unterscheidet dabei weder zwischen verbrieften und unverbrieften Werten, noch nach der Art ihrer Verwahrung bzw. Verwaltung.178 Dingliche Sicherheiten an sonderverwahrten Wertpapieren fallen jedoch nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie und werden von den nationalen Umsetzungsakten auch ausgenommen.179 Denn aus der etwas schemenhaften Formulierung in Erwägungsgrund (19) der Richtlinie ergibt sich, dass die Kollisionsnorm nur für ein Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem Geltung beansprucht, welches das Bestehen von Eigentumsrechten an den betreffenden Wertpapieren bzw. Ansprüche auf Lieferung oder Übertragung belegt. Solche Register, Konten oder Verwahrsysteme bestehen aber nicht für sonderverwahrte Wertpapiere, sondern sind das Charakteristikum der intermediären Wertpapierverwahrung.

173

Devos, in: Giovanoli/Heinrich, S. 321. Kritisch auch Ege, S. 68. 175 Vgl. Erwägungsgrund (20) RL 98/26/EG, wonach für die Gültigkeit und Verwertbarkeit einer dinglichen Sicherheit ausschlaggebend ist, dass sie nach dem Recht des Staates gültig und wirksam ist, in dem sich das betreffende Konto, Register oder zentrale Verwahrsystem befindet; a.A. aber Saager, S. 132; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 221, die Fragen der wirksamen Bestellung des Sicherungsrechts weiterhin dem Recht am Verwahrungsort unterwerfen wollen. 176 Ege, S. 69. 177 Zur genaueren Bestimmung verweist Art. 2 h) RL 98/26/EG auf Abschnitt B des Anhangs der Richtlinie 93/22/EG vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. EG Nr. L 141 vom 11. 06. 1993, S. 27 ff. 178 Vgl. Franz, S. 44 ff. 179 So beispielsweise § 17 a DepotG, vgl. Schefold, IPRax 2000, 476; Keller, WM 2000, 1281; Einsele, WM 2001, 15; a.A. jedoch Franz, S. 112, der davon ausgeht, dass auch sonderverwahrte Wertpapiere erfasst sind. 174

286 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

(2) Rechtsbegründende Eintragung oder Buchung Das dingliche Sicherungsrecht muss darüber hinaus mit rechtsbegründender Wirkung in ein solches Register eingetragen oder auf einem solchen Konto oder einem zentralen Verwahrsystem verbucht sein.180 Welche Register oder Konten dafür im Einzelfall in Betracht kommen, lässt sich exakt nur mit Blick auf die nationalen Sachrechte bestimmen. Hinsichtlich des Tatbestandes der Registereintragung ist zunächst denkbar, dass Sicherungsrechte zu ihrer Begründung in den Schuldbüchern und sonstigen Registern für unverbriefte Wertrechte eingetragen werden.181 In Deutschland ist dies nicht der Fall, so dass das Bundesschuldbuch kein für Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie relevantes Register ist. Der Umstand, dass der Emittent für die Werte ein Aktienregister führt, wird in diesem Zusammenhang meist auch nicht von Bedeutung sein, da dingliche Sicherheiten an Wertpapieren in der Regel nicht in das Aktienregister eingetragen werden. So ist das Aktienregister in Deutschland lediglich im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär von Bedeutung, nicht jedoch für die wirksame Übertragung von Namensaktien.182 Ebenfalls nicht relevant sind allgemeine formelle Registrierungspflichten für die Bestellung dinglicher Sicherheiten, die nicht Bestandteil der Übertragung des Sicherungsgegenstandes sind, sondern zusätzlich dazu bestehen, wie beispielsweise eine neben einer Buchung erforderliche Eintragung in ein öffentliches Register.183 Derartige Formerfordernisse dürften in den Mitgliedstaaten jedoch kaum noch bestehen, da die Wirksamkeit einer Sicherheit gemäß Art. 3 Finanzsicherheitenrichtlinie nicht davon abhängig sein darf.184 Den praktischen Regelfall stellt demgegenüber die Verbuchung von Rechten an verbrieften und unverbrieften Werten auf den Depotkonten der beteiligten Parteien dar. Inwieweit derartige Buchungen auch zur Bestellung dinglicher Sicherheiten vorgenommen werden, ist Frage der Ausgestaltung des nationalen Rechts. Es drängt sich hier aber die Frage auf, inwieweit die Vorschrift auch dingliche Sicherheiten an intermediär verwahrten Wertpapieren erfasst, die, wie beispielsweise im deutschen Recht, völlig ohne Registereintragung oder Umbuchung bestellt werden können. Insoweit wird auf die Ausführungen zur deutschen Umsetzung der Richtlinie verwiesen, da sich die Frage gerade beim deutschen Pfandrecht stellt.185 Das dingliche Sicherungsrecht unterfällt der Kollisionsregel des Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie nach seinem Wortlaut nur, wenn die Registereintragung oder Verbuchung rechtsbegründende Wirkung hat. Dieses Merkmal wurde bei der deutschen Umsetzung in § 17 a DepotG wörtlich übernommen. Es hat zu einer intensiven Dis180 Mit diesem Verständnis auch Schefold, IPRax 2000, 472; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 719; Than, in: FS Kümpel, S. 552. 181 So beispielsweise im spanischen Recht, vgl. Heesen S. 152 ff. 182 A.A. Franz, S. 87 ff. 183 Ege, S. 73, Fn. 365; a.A. aber Schefold, in: FS Kümpel, S. 468; Reuschle, IPRax 2003, 497. 184 Vgl. hierzu Erwägungsgrund (10) RL 2002/47/EG. 185 Unten D.V.2.c)bb).

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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kussion in der deutschen Literatur geführt, die ebenfalls im Zuge der Ausführungen zum deutschen Recht nachgezeichnet wird.186 (3) Keine Beschränkung auf Insolvenzfälle Es wurde vertreten, dass Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie das Recht, das auf dingliche Sicherheiten an Wertpapieren anzuwenden ist, als Insolvenzstatut nur im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers bestimmt.187 Dafür spricht die Stellung der Vorschrift in Abschnitt IV der Richtlinie, deren Überschrift „Schutz der Rechte der dinglich gesicherten Gläubiger vor den Auswirkungen einer Insolvenz des Sicherheitsleistenden“ lautet.188 Darüber hinaus ist die Ausrichtung der Finalitätsrichtlinie generell auf das Insolvenzrecht beschränkt, so dass auch eine sachenrechtliche IPR Regel dieser Beschränkung unterliegen könnte.189 Die h.M. geht demgegenüber aber von einer allgemein geltenden Kollisionsregel aus, die die Bestellung von dinglichen Sicherheiten allgemein erfasst, da im Interesse der Rechtssicherheit auch außerhalb von Insolvenzverfahren Klarheit bestehen müsse, nach welchem Recht sich die Wirksamkeit von Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere richtet.190 Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung eine Beschränkung auf Insolvenzfälle jedenfalls abgelehnt.191 .

cc) Räumlicher Anwendungsbereich Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie ist, dass sich das Register, Konto oder Verwahrsystem, in dem die betreffende dingliche Sicherheit eingetragen bzw. auf dem sie verbucht wurde, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union befindet. Unerheblich ist dann, ob die am Sicherungsgeschäft beteiligten Teilnehmer des Systems ihren Sitz in der Europäischen Union oder einem Drittland haben.192 Insoweit geht die Vorschrift über die Regelung reiner Binnensachverhalte hinaus und weist einen gewissen räumlichen Bezug zu Nicht-EUStaaten auf. Nicht anwendbar ist die Vorschrift aber, wenn Sicherungsgeber und Si186

Unten D.V.2.c). Dittrich, S. 58; Schefold, IPRax 2000, 472 f.; ebenso Sauer, S. 40 ff., der aber eine weitergehende Umsetzung befürwortet, die auch den Rechtserwerbs erfasst. 188 Schefold, IPRax 2000, 472 f. 189 Vgl. auch Erwägungsgrund (18) RL 98/26/EG, wonach bei der Insolvenz eines Teilnehmers die von ihm geleisteten dinglichen Sicherheiten von der Anwendung des Insolvenzrechts auf den insolventen Teilnehmer nicht berührt werden sollen. 190 Vgl. Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 716 f.; Franz, S. 118; Girsberger/Hess, AJP 2006, 1004; Ege, S. 70 f. 191 BT-Drucks. 14/1539, S. 16. 192 Erwägungsgrund (6) RL 98/26/EG; Unternehmen mit Hauptverwaltung außerhalb der Gemeinschaft können Systemteilnehmer im Sinne der Richtlinie sein, wenn ihre Tätigkeit der eines Kreditinstituts oder einer Wertpapierfirma der Gemeinschaft entspricht, Art. 2 lit. b), Spiegelstrich 4 RL 98/26/EG; dazu Einsele, WM 2001, 2419. 187

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

cherungsnehmer ihren Sitz zwar innerhalb der Europäischen Union haben, die Werte aber in einem Drittstaat verbucht oder eingetragen werden.

d) Anknüpfungsmoment Nach der Kollisionsregel bestimmen sich die Rechte des Sicherungsnehmers an intermediär verwahrten Effekten nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sich das Register, Konto oder zentrale Verwahrsystem befindet, in das die dingliche Sicherheit mit rechtsbegründeter Wirkung eingetragen bzw. auf das sie mit rechtsbegründender Wirkung verbucht wird. Wird das Sicherungsgut also auf ein Depotkonto des Sicherungsnehmers übertragen, so ist die Gutschrift auf dessen Depotkonto ausschlaggebend für die Anwendung des Rechts des Mitgliedstaates, in dem sich das Depotkonto befindet. Auf den Belegenheitsort der Effektenurkunden oder des Schuldbuchs kommt es nicht an. Damit wird ein Teil des Wertpapiersachstatuts vom Prinzip der lex rei sitae herausgenommen und einer Form der moderneren PRIMA-Regel unterworfen. Die Existenz einer inländischen Zwischenverwahrstelle soll zur Anwendung inländischen Rechts auf die Bestellung des Sicherungsrechts und seinen Rechtswirkungen führen, ohne dass auf die Vorschriften am Belegenheitsort der Effektenurkunde Rücksicht zu nehmen wäre.193 Die Bestimmung des anwendbaren Rechts ACHTUNGREerfolgt damit ebenfalls objektiv. Da die Regel nur anwendbar ist, wenn sich das betreffende Register, Konto oder zentrale Verwahrsystem in einem Mitgliedstaat befindet, erklärt sie ausschließlich Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten für anwendbar. Sie hat damit nur europäische Reichweite.194 Im Gegensatz zu vorangehenden Regelungsvorschlägen wurde mit der Anknüpfungsregel nicht lediglich das Prinzip der lex rei sitae in dem Sinne fortentwickelt, dass das betreffende Register, Konto oder Verwahrsystem als fiktiver Belegenheitsort der Wertpapiere gilt.195 Vielmehr wurde damit eine echte Abkehr vom Prinzip der lex rei sitae für das internationale Sachenrecht festgeschrieben und, wenn auch nur für einen beschränkten Anwendungsbereich, ein Sonderstatut für dingliche Sicherungsrechte an Wertpapieren begründet.196 Aufgrund des Vereinheitlichungszwecks der Richtlinie ist es unbestritten, dass Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie eine Sachnormverweisung intendiert.197 193

Keller, WM 2000, 1274. Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 41. 195 So aber Jayme/Kohler, IPRax 2003, 487; in diese Richtung auch Erwägungsgrund (8) RL 2002/47/EG; kritisch Than, in FS Kümpel, S. 558, mit dem zutreffenden Hinweis, das es nicht sicher sei, ob man eine Depotbuchung als „res“ im Sinne der Belegenheitsregel behandeln kann. 196 Ebenso Schefold, IPRax 2000, 472; ders., in: FS Jayme, S. 813; Jergitsch, ÖBA 1999 S. 543; Dittrich, S. 55. 197 Keller, WM 2000, 1274; Ooi, Rn. 12.60; Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok, Rn. 12.38; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 723 f.; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 225. 194

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3. Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie a) Hintergrund und Zielsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie Eine weitere Regelung des PRIMA-Prinzips findet sich in Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie. Für die Bestellung von Sicherheiten zwischen den Teilnehmern der Finanz- und Kapitalmärkte sind Geldguthaben, Wertpapiere, Kreditforderungen und andere Finanzinstrumente, die bei Banken unterhalten werden, aufgrund ihrer leichten Be- und Verwertbarkeit besonderes geeignet. Solche „Finanzsicherheiten“ werden deshalb bei den verschiedensten Transaktionen unter Anwendung unterschiedlicher rechtlicher Techniken als Sicherheiten eingesetzt.198 Bei Zahlungs- und Wertpapierübertragungssystemen und insbesondere bei Clearinghäusern ist die Besicherung offener Positionen durch Barguthaben und liquide Wertpapiere das wichtigste Instrument zur Risikokontrolle.199 Damit Sicherheiten an Wertpapieren ihre Zwecke erfüllen, muss gewährleistet sein, dass der Bestellungsakt gegenüber dem Sicherungsgeber und gegenüber Dritten wirksam ist und eine zügige Verwertung gewährleistet ist. Die Rechtsvorschriften und Praktiken der Mitgliedstaaten der EU zur Bestellung von Finanzsicherheiten variierten jedoch mitunter stark. Dies führte gerade bei grenzüberschreitenden Bestellungen von Sicherheiten, die spätestens ab der Jahrtausendwende zunehmend an Bedeutung gewannen,200 zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Unterschiede bestanden zum einen hinsichtlich formaler Voraussetzungen der Bestellung und Verwertung von Finanzsicherheiten, zum anderen hinsichtlich der Anerkennung nachgeschobener oder ausgetauschter Sicherheiten. In manchen Staaten musste die Bestellung von Sicherheiten notariell beurkundet werden; andere Rechtsordnungen erkannten die Vollrechtsübertragung nicht als Sicherungsmittel an oder beschränkten die Aufrechungsmöglichkeiten im Insolvenzfall.201 Kreditinstitute bevorzugten deshalb lange im Inland belegene Wertpapiere als Sicherheiten, auch wenn bei Auslandskunden hinreichende und günstigere ausländische Sicherheiten vorhanden waren.202 Wurden Sicherheiten hingegen grenzüberschreitend bestellt, kam es häufig zu Verzögerungen und höheren Kosten im Vergleich zu rein nationalen Geschäften.203 Oft war es auch schwierig, im Vorfeld eines Besicherungsgeschäfts festzustellen, welche Rechtsordnung auf die einzelnen Aspekte einer Transaktion anzuwenden war.204 Die Regeln für Finanzsicherheiten im Rahmen der Finalitätsrichtlinie wurden

198

Vgl. Devos, in: Mlanges Louis, S. 259; Löber, S. 20. Zum Risikomanagement von Clearinghäusern oben B.II.4.c)bb)(3); Löber, BKR 2001, 118; ders., S. 20; Löber/Klima, JIBLR 2006, 203. 200 Europäische Kommission, Bewertungsbericht über die Richtlinie über Finanzsicherheiten S. 5. 201 Keller/Langner, BKR 2003, 618; Devos, in: Mlanges Louis, S. 261. 202 Löber, BKR 2001, 118. 203 Vgl. EFMLG, Collateralisation, S. 5 ff.; EZB, Cross-Border Use of Collateral, S. 6; Löber, S. 20. 204 Löber/Klima, JIBLR 2006, 203. 199

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

aufgrund ihres auf Teilnehmer bestimmter Systeme beschränkten Anwendungsbereiches als nicht ausreichend empfunden.205 Die Europäische Kommission entschloss sich deshalb im Rahmen des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen aus dem Jahr 1999 zu einer weiteren Rechtsharmonisierung auf diesem Gebiet.206 Die Finanzsicherheitenrichtlinie wurde daraufhin in sehr kurzer Zeit und unter starker Einbeziehung des Finanzsektors erarbeitet. Sie trat im Juni 2002 in Kraft. Der Umsetzungsprozess in den Mitgliedstaaten litt an einigen Verzögerungen und war erst Ende 2005 überall abgeschlossen.207 In Deutschland wurde die Richtlinie zum 9. 4. 2004 umgesetzt.208 Ende 2006 gab die Kommission nach einer Konsultation der Mitgliedstaaten und der Industrie eine erste Bewertung der Richtlinie ab, die grundsätzlich positiv ausfiel.209 Die aus dieser Bewertung resultierende Änderungsrichtlinie aus dem Jahres 2009210 betraf neben einigen Randaspekten in erster Linie die Ausweitung des Schutzes der Finanzsicherheitenrichtlinie auf Kreditforderungen. Die Finanzsicherheitenrichtlinie will die Rahmenbedingungen für die Absicherung von Kreditrisiken durch Finanzsicherheiten vereinfachen und europaweit ACHTUNGREvereinheitlichen, um so die Integration des Finanzmarktes und die Stabilität der ACHTUNGREFinanzsysteme innerhalb der Gemeinschaft zu stärken.211 In der Tat spielen Finanzsicherheiten gerade für die Absicherung von Kreditrisiken aus Geld- und Kapitalmarktgeschäften eine besondere Rolle.212 Im klassischen Unternehmenskreditgeschäft ist die Bedeutung der Besicherung von Krediten durch Wertpapiere und andere Finanzinstrumente geringer, so dass die Richtlinie die Übernahme ihrer Regelungen für diesen Bereich in das Ermessen der Mitgliedstaaten stellt. Die Bestellung von Finanzsicherheiten soll einfacher und billiger gestaltet werden.213 Darüber hinaus will sie die Anerkennung marktüblicher Besicherungsvereinbarungen und ihre effektive Verwertung in der Insolvenz des Sicherungsgebers sicherstellen.214 Die Richtlinie be205

Löber, BKR 2001, 119. Mitteilung der Kommission, KOM (1999) 232 v. 11. 5. 1999, S. 8. 207 Zur Entstehungsgeschichte und der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten ausführlich Löber/Klima, JIBLR 2006, 204. 208 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur ÄnderACHTUNGREung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze vom 5. 4. 2004, BGBl. I, 502 ff.; dazu Löber, JIBLR 2005, 72 ff. 209 Europäische Kommission, Bewertungsbericht über die Richtlinie über Finanzsicherheiten. 210 Richtlinie 2009/44/EG vom 6. 5. 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen, ABl. EU Nr. L 146 vom 16. 6. 2009, S. 37 ff. 211 Erwägungsgründe (3), (9) und (10) RL 2002/47/EG. 212 Kollmann, WM 2004, 1016. 213 Kieper, S. 217. 214 Erwägungsgrund (5) RL 2002/47/EG. 206

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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trifft damit die Funktionsfähigkeit des gesamten Rahmens, in dem die Abwicklung von Wertpapiergeschäften stattfindet. Wie bereits die Finalitätsrichtlinie setzt die Finanzsicherheitenrichtlinie dazu in methodischer Hinsicht weniger auf Minimalstandards und gegenseitige Anerkennung, sondern vielmehr auf die volle Harmonisierung materiellrechtlicher Vorschriften.215

b) Wesentliche Inhalte der Finanzsicherheitenrichtlinie Was Finanzsicherheiten sind, bestimmt sich in erster Linie nach dem Sicherungsgut. Dies können Barsicherheiten, Finanzinstrumente216 oder Kreditforderungen217 sein. Als Barsicherheit kommt nur ein auf einem Konto gutgeschriebener Geldbetrag in Betracht, nicht aber Bargeld.218 Unter den BeACHTUNGREgriff der Finanzinstrumente fallen alle Arten verbriefter oder unverbriefter handelbarer Effekten, die eine Beteiligung, eine Verbindlichkeit oder ein Recht zum Erwerb solcher Wertpapiere begründen, sowie jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang hiermit.219 Damit sind neben Aktien und Schuldverschreibungen auch Optionsanleihen, Optionsscheine, Wandelschuldverschreibungen und Anteile an Investmentvermögen erfasst.220 Eine bestimmte Verkörperungswirkung, wie sie dem deutschen Wertpapierbegriff zugrunde liegt, fordert das Gemeinschaftsrecht nicht, da es alle Formen von handelbaren Werten der Mitgliedstaaten erfassen muss. Eingeschlossen in diesen wirtschaftlich orientierten Begriff sind damit beispielsweise auch Urkunden, die lediglich Beweisfunktion haben, wie beispielsweise englische share certificates, solange sie auf einem Markt gehandelt werden können. Eigene Anteile des Sicherungsgebers und Anteile an mit ihm verbundenen Unternehmen können von den Mitgliedstaaten jedoch vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden.221 Ob die Sicherheit im Wege einer Vollrechtsübertragung oder in Form eines beschränkt dinglichen Rechts geleistet wurde, ist für den Begriff der Finanzsicherheit unerheblich.222 Aus deutscher Sicht fallen damit jedenfalls Pfandrechte, Sicherungsübereignungen und -zessionen sowie Wertpapierpensionsgeschäfte in den Kreis der erfassten Sicherungstechniken. 215

Löber, S. 21. Art. 1 Abs. 4 a) RL 2002/47/EG; Deutschland hat die Definition in § 1 Abs. 17 KWG weitestgehend übernommen. 217 Art. 2 Abs. 4 c) RL 2009/44/EG. 218 Vgl. Art. 2 Abs. 1 d) und Erwägungsgrund (18) RL 2002/47/EG 219 Vgl. Art. 2 Abs. 1 e) RL 2002/47/EG; Herring/Cristea, ZIP 2004, 1628. 220 Obermüller/Hartenfels, BKR 2004, 442; Franz, S. 43 ff. 221 Art. 1 Abs. 4 b) RL 2002/47/EG; von dieser Ausschlussmöglichkeit wurde in den nationalen Umsetzungsakten kaum Gebrauch gemacht, vgl. Löber, S. 22; Deutschland ist einen Mittelweg gegangen: Gemäß § 1 Abs. 17 S. 3 KWG gelten Sicherheiten an Anteilen des Sicherungsgebers oder Anteile an verbundenen Unternehmen im Sinne von § 290 Abs. 2 HGB nur innerhalb des Interbankenverkehrs als Finanzsicherheiten im Sinne der Richtlinie, nicht aber wenn der Sicherungsgeber eine Person im Sinne von Art. 1 Abs. 2 e) RL 2002/47/EG ist; vgl. dazu Kollmann, WM 2004, 1017. 222 Art. 2 Abs. 1 a) – c) RL 2002/47/EG. 216

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Inhaltlich ordnet Art. 3 der Richtlinie zunächst an, dass die Bestellung von Finanzsicherheiten sowie die prozessuale Beweisführung bei einer Finanzsicherheit nicht von Formerfordernissen abhängig sein dürfen. Unzulässig wären beispielsweise eine Pflicht zur notariellen Beurkundung, öffentlichen Bekanntgabe oder Beglaubigung sowie sonstige Registerpflichten.223 Dies entspricht der seit jeher bestehenden deutschen Rechtslage für die Bestellung von Pfandrechten an Effekten oder ihre Sicherungsübereignung.224 Wie Art. 6 der Richtlinie klarstellt, kann eine Sicherheit sowohl als beschränkt dingliches Recht als auch in Form einer Vollrechtsübertragung bestellt werden.225 Art. 4 der Richtlinie schützt marktübliche Vereinbarungen über die Verwertung von Finanzsicherheiten durch Verkauf oder Aneignung und anschließender Verrechnung ihres Wertes. Bei Barsicherheiten ist auch die Aufrechnung gegen die besicherte Verbindlichkeit möglich. Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie erlaubt zwar Mitgliedstaaten, denen die Verwertung von Sicherheiten durch Aneignung traditionell fremd ist, dies nicht zu erlauben. Diese opt-out Möglichkeit wurde aber in keinem Mitgliedstaat genutzt,226 so dass die Regelung im Zuge der Überarbeitung 2009 gestrichen wurde.227 Zusätzlich schützt Art. 7 der Richtlinie die Wirksamkeit von vertraglich vereinbarten Aufrechnungsmechanismen im Fall der Insolvenz einer Partei (close-out-Netting) und trägt damit der Praxis Rechnung, Gegenparteirisiken auf Netto-Basis zu kalkulieren.228 Gemäß Art. 5 sind ferner Vereinbarungen zulässig, die den Sicherungsnehmer ermächtigen, bereits vor dem Verwertungsfall über das Sicherungsgut weiterzuverfügen (Rehypothecation).229 Der Sicherungsnehmer ist dann verpflichtet, spätestens zum Fälligkeitstermin Sicherheiten derselben Art zu beschaffen, die dann an die Stelle der ursprünglichen Sicherheit treten.230 Alternativ kann der Sicherungsnehmer den Wert der Sicherheit auch mit der maßgeblichen Verbindlichkeit aufrechnen oder die Sicherheiten an Zahlungs statt verwenden.231 Die generelle Möglichkeit der Weiterverfügung über dingliche Sicherheiten war vielen

223

Vgl. Erwägungsgrund (10) RL 2002/47/EG; Löber, S. 23; Sauer, S. 52. Kollmann, WM 2004, 1017. 225 Die Vorschrift zielt insbesondere auf das englische Recht, unter dem das Risiko bestand, dass Vollrechtsübertragungen nicht als Sicherungsrechte anerkannt werden (recharacterisation risk), vgl. Eder/Zwitter-Tehovnik, ÖBA 2003, 349; Benjamin/Yates/Montagu, S. 52; für Deutschland bestand insoweit kein Anpassungsbedarf, vgl. Keller, BKR 2002, 353; Kollmann, WM 2004, 1018. 226 Löber/Klima, JIBLR 2006, 209; Deutschland hat die Vorschrift in § 1259 BGB und §§ 21 Abs. 2 S. 2, 166 Abs. 3 InsO umgesetzt. 227 Art. 2 Abs. 7 c) RL 2009/44/EG. 228 Vgl. Erwägungsgrund (14) RL 2002/47/EG sowie § 96 Abs. 2 InsO; Keller, BKR 2002, 353; Kollmann, WM 2004, 1020; zum Close-out Netting generell Jahn, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, § 114, Rn. 134. 229 Herring/Cristea, ZIP 2004, 1629. 230 Löber, BKR 2002, 602. 231 Keller, BKR 2002, 353. 224

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Mitgliedstaaten bislang fremd.232 Sie soll zu einer Senkung der Finanzierungskosten und einer Erhöhung der Marktliquidität beitragen, setzt den Sicherungsgeber aber gleichzeitig erhöhten Risiken hinsichtlich der Rückgewähr der Sicherheiten aus.233 Klassische Pfandrechte werden aus wirtschaftlicher Sicht dadurch dem Wertpapierpensionsgeschäft angenähert, so dass es für das Sicherheiten-Management des Sicherungsnehmers nicht mehr entscheidend auf die rechtliche Form der bestellten Sicherheit ankommt.234 Bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften ist eine solche ACHTUNGRERegelung sehr sinnvoll, damit ein Intermediär oder zentraler Kontrahent die ihm zur Absicherung offener Positionen von seinem Kunden gewährten Sicherheiten im Rahmen des Abwicklungsverfahrens selbst zur Besicherung nutzen kann.235 Art. 8 der Richtlinie stellt schließlich sicher, dass die Bestellung einer Sicherheit nicht durch automatisch auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung rückwirkende insolvenzrechtliche Bestimmungen unwirksam oder nichtig wird236 und Finanzsicherheiten darüber hinaus noch am Tag nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom Sicherungsnehmer gutgläubig erworben werden können. Dieser Schutz wird in Art. 8 Abs. 3 auch auf Nachschuss- und Austauschsicherheiten erstreckt.237 Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie greift schlussendlich die von der Finalitätsrichtlinie eingeführte Anknüpfungsregel für dingliche Sicherungsrechte an intermediär verwahrten Wertpapieren auf und erweitert ihren Anwendungsbereich auf alle Sicherungsgeschäfte zwischen den von der Richtlinie erfassten Personen.238 Danach unterliegen im Hinblick auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere bestimmte, in Abs. 2 der Vorschrift einzeln aufgezählte Gegenstände dem Recht des Landes, in dem das maßgebliche Konto geführt wird.

232 Devos, in: Mlanges Louis, S. 266; Löber/Klima, JIBLR 2006, 209; für Deutschland bestand nach Auffassung des Gesetzgebers kein Umsetzungsbedarf, da die Rechtsfolge durch die gewohnheitsrechtlich anerkannte Figur des irregulären Pfandrechts erreicht werden könne, vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zur Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie, ZIP 2003, 1567; Keller, BKR 2002, 353; zur Zulässigkeit eines irregulären Pfandrechts Staudinger/Wiegand, § 1204, Rn. 54; Soergel/Habersack, § 1204, Rn. 30; MünchKommBGB/ Damrau, § 1204, Rn. 9. 233 Herring/Cristea, ZIP 2004, 1629; vgl. auch Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/ Schnyder, Teil L, Rn. 296. 234 Löber, BKR 2002, 602. 235 ECSDA, CSD Links, S. 24 f.; zur Übertragung von Kundensicherheiten von SIS x-clear auf LCH-Clearnet vgl. Hess, AJP 2004, 708; vgl. auch Kap. I, Abschnitt 3.5.1, Abs. 1 ClearingBedingungen Eurex. 236 Z.B. durch sog. zero-hour-rules, nach denen die Insolvenzwirkungen auf den Beginn des Tages der Insolvenzeröffnung zurückwirken, vgl. dazu Devos, in: Mlanges Louis, S. 270; zur Umsetzung in Deutschland vgl. § 81 Abs. 3 InsO. 237 Keller, BKR 2003, 481; Horn, in: FS Hadding, S. 900 ff.; Deutschland hat die Vorschrift in § 130 Abs. 1 S. 2 InsO umgesetzt. 238 Erwägungsgründe (7) RL 2002/47/EG.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

c) Anwendungsbereich von Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie aa) Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich der Kollisionsvorschrift ist durch den Anwendungsbereich der Richtlinie selbst beschränkt. Diese ist nur dann auf die Bestellung von Finanzsicherheiten anwendbar, wenn sowohl Sicherungsnehmer als auch Sicherungsgeber einer der von der Richtlinie in Art. 1 Abs. 2 aufgezählten Institutionen angehören. Die Liste umfasst unter anderem öffentlich-rechtliche Körperschaften, Zentralbanken, die Europäische Zentralbank, weitere supranationale Bankorganisationen, beaufsichtigte Finanzinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen, zentrale Vertragsparteien, sowie Verrechnungs- und Clearingstellen.239 Die in der Finalitätsrichtlinie enthaltene Beschränkung auf bestimmte Systeme ist nicht mehr enthalten. Erfasst sind damit alle Bestellungen von Finanzsicherheiten im Interbankenverkehr. Darüber hinaus können auch sonstige juristische Personen außerhalb des Bankenbereichs sowie Einzelkaufleute und Personengesellschaften Partei der Bestellung einer Finanzsicherheit im Sinne der Richtlinie sein, wenn die andere Vertragspartei einer der vorgenannten Kategorien unterfällt.240 Jedoch können die Mitgliedstaaten die Anwendung der Richtlinie in diesen Fall gemäß ihrem Art. 1 Abs. 3 ausschließen und ihre Anwendung damit vollständig auf den Interbankenverkehr beschränken. Nur die Besicherungen zwischen zwei Nicht-Bankunternehmen und Besicherungen, bei denen eine natürliche Person ohne Kaufmannseigenschaft beteiligt ist, fallen von vornherein aus dem persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie. Ausgeschlossen ist damit insbesondere das Privatkundengeschäft der Banken.241 Die Möglichkeit der Beschränkung der Richtlinie auf den Interbankenverkehr ist das Resultat eines Kompromisses. Befürworter eines weiten Anwendungsbereichs der Richtlinie sahen in der Vereinfachung der Bestellung von Kreditsicherheiten für Unternehmen einen Weg zur Senkung der Finanzierungskosten und zur Schaffung stabiler und effizienter Kreditmärkte. Skeptiker befürchteten jedoch eine Beeinträchtigung des insolvenzrechtlichen Prinzips der Gläubigergleichbehandlung sowie die Gefahr der Masseschmälerung und der Vereitlung von Sanierungschancen.242 Demgemäß variiert die Nutzung dieser Beschränkungsmöglichkeit durch die Mitgliedstaaten sehr stark. Während einige Staaten derartige Sicherheiten unter Beteiligung von Nicht-Bankunternehmen generell nicht als Finanzsicherheiten im Sinne der Richtlinie ansehen, haben andere Staaten die Richtlinie sogar überschießend umgesetzt und auch Sicherungsvereinbarungen zwischen zwei Nicht-Bankunternehmen 239

Ausführlich zu den einzelnen Vertragsparteien Obermüller/Hartenfels, BKR 2004, 441. Art. 1 Abs. 2 e) RL 2002/47/EG. 241 Kritisch hierzu, da dies jedenfalls nicht mit Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden könne, Löber, BKR 2002, 602. 242 Vgl. Gemeinsamer Standpunkt des Rates (EG) Nr. 32/2002 vom 5. 3. 2002, ABl. Nr. C 119 E v. 22. 5. 2002, S. 21; Devos, in: Mlanges Louis, S. 265: Löber, S. 22. 240

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einbezogen.243 Deutschland ist bei der Umsetzung nach intensiver öffentlicher Diskussion244 einen Mittelweg gegangen und stellt auf den Sicherungszweck ab. Gemäß § 1 Abs. 17 S. 2 KWG fällt eine Besicherung mit einem der genannten Sicherungsgegenstände, an denen ein Nicht-Bankunternehmen beteiligt ist, nur dann unter den Begriff einer Finanzsicherheit, wenn sie der Besicherung von Verbindlichkeiten aus Verträgen über die Übertragung und Finanzierung bestimmter Finanzinstrumente dient.245 Allerdings bezieht sich diese Beschränkung nicht auf die Kollisionsnorm des Art. 9 Abs. 2 Finanzsicherheitenrichtlinie, die im deutschen Recht mit einem wesentlich weiteren Anwendungsbereich versehen wurde. bb) Sachlicher Anwendungsbereich Die Kollisionsnorm erfasst einzeln aufgezählte Aspekte in Bezug auf „im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“. Die in Abs. 2 der Vorschrift beschriebenen Anknüpfungsgegenstände sind jedoch nicht unmittelbar verständlich, sondern erschließen sich erst in Zusammenschau mit den vorangestellten Legaldefinitionen der einzelnen Begriffe. Zum Teil ist auch ein Vergleich mit anderen Sprachfassungen der Richtlinie erforderlich. Nach Art. 9 Abs. 2 a) der Richtlinie sollen zunächst Rechtsnatur und dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren dem von der Vorschrift bestimmten Recht unterliegen. Danach scheint die bislang dem Wertpapierrechtsstatut unterworfene Frage, ob es sich bei dem Sicherungsgegenstand überhaupt um ein Wertpapier handelt, fortan dem durch Art. 9 der Richtlinie bestimmten Recht zu unterliegen.246 Eine solche Vorschrift über die Rechtsnatur von Wertpapieren im Allgemeinen ginge jedoch weit über den übrigen, auf Finanzsicherheiten beschränkten Regelungsbereich der Richtlinie hinaus. Es wäre auch äußert unpraktikabel, wenn sich die Rechtsnatur eines Sicherungsgegenstandes mit weiteren Buchungen verändern könnte. Zweifel an einem solchen Verständnis ergeben sich jedoch daraus, dass in dogmatischer Hinsicht zwar dingliche Rechte an Wertpapieren erworben und übertragen werden können, eine dingliche Wirkung von Wertpapieren als solche aber 243

Einen Überblick liefert Löber, S. 22; vgl. auch Kollmann, WM 2004, 1014. Eine Beschränkung wurde insbesondere von Seiten der Insolvenzverwalter aufgrund der Befürchtung gefordert, dass es andernfalls zu einer insolvenzrechtlichen Privilegierung der Bankenwirtschaft zulasten der übrigen Gläubiger komme, vgl. Hölzle, ZIP 2003, 2148; Ehricke, ZIP 2003,1072 ff; ders., ZIP 2003, 2141; Zypries, ZIP 2004, 51; Meyer/Rein, NZI 2004, 370; mit beachtenswerten Argumenten dagegen Obermüller, ZIP 2003, 2338 ff.; Wimmer, ZInsO 2004, 2 f.; Kollmann, WM 2004, 1012 f.; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 125; einen Überblick zum Umsetzungsprozess liefert Löber, JIBLR 2005, 73 f. 245 Damit konnte sich die Ansicht nicht durchsetzen, wonach in der Finanzsicherheitenrichtlinie generell, also auch für Besicherungen im Interbankenverkehr, eine Beschränkung auf Verbindlichkeiten aus Verträgen über Finanzinstrumente angelegt sei, vgl. insoweit Kieper, ZInsO 2003, 1116; Ehricke, ZIP 2003, 2142. 246 So in der Tat Schefold, in: FS Jayme, S. 814; Franz, S. 127; Haubold, in: Gebauer/ Wiedmann, Kap. 30, Rn. 295. 244

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

nicht existiert. Aufgrund des generellen Regelungsbereichs der Richtlinie wäre es deshalb näherliegend, dass das berufene Recht nur die Rechtsnatur des Sicherungsrechts, nicht aber die Rechtsnatur der verwahrten Effekten selbst bestimmen soll. Der Vergleich mit anderen Sprachfassungen zeigt, dass es sich insoweit um einen Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung handelt. Die dort zu findenden Formulierungen des Regelungsgegenstands in Art. 9 Abs. 2 a) würde man im Deutschen eher mit „Rechtsnatur und dingliche Wirkung von Sicherheiten an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren“ wiedergeben.247 Auch in Abs. 1 der Vorschrift ist in den anderen Sprachfassungen nur von Sicherheiten an im Effektengiroverkehr übertragbaren Wertpapieren und nicht von Wertpapieren selbst die Rede. Darüber hinaus fällt auch in der deutschen Fassung die fehlerhafte Übersetzung auf, da in Art. 2 Abs. 1 g) der Richtlinie „Im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“ gerade selbst als „Finanzsicherheiten“ definiert werden, die durch Registereintrag oder Buchung nachgewiesen werden. Es ist damit festzuhalten, dass in der Richtlinie an der Stelle von „im Effektengiroverkehr übertragbare Wertpapiere“ stets „Sicherheiten an im Effektengiroverkehr übertragbaren Wertpapieren“ zu lesen ist.248 Im Effektengiro übertragbare Wertpapiere im Sinne der Richtlinie sind damit nur diejenigen Finanzinstrumente, bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden. Nur auf dingliche Rechte an solchen Finanzsicherheiten bezieht sich die Kollisionsvorschrift des Art. 9. Besteht das Sicherungsgut hingegen lediglich aus schuldrechtlichen Ansprüchen, werden beispielsweise treuhandrechtliche Ansprüche aus einer Gutschrift in WertACHTUNGREpaACHTUNGREpierACHTUNGRErechnung verpfändet, so fällt eine solche Transaktion nicht unter Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie. Eine solche Gutschrift ist zwar ein Finanzinstrument im Sinne der Richtlinie,249 weist aber kein Eigentumsrecht nach.250 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Buchungsgutschrift, mit der die Eigentumsverhältnisse an einem Finanzinstrument nachgewiesen werden, rechtsbegründend oder lediglich deklaratorisch ist. Legt man dieses Verständnis zugrunde, unterliegen der Kollisionsregel gemäß Art. 9 Abs. 2 a) der Richtlinie Fragen der Rechtsnatur eines Sicherungsrechts an Ei247 Die entsprechende Formulierung lautet in der englischen Version: „book entry securities collateral“; in der französischen Version: „garantie sous forme dinstruments financiers transmissibles par inscription en compte“; in der spanischen Version: „garanta prendaria de anotaciones en cuenta“; in der italienischen Version: „garanzia su strumenti finanziari in forma scritturale“. 248 So auch Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 183; Sauer, S. 68. 249 So auch Obermüller/Hartenfels, BKR 2004, 442. 250 A.A. Herring/Cristea, ZIP 2004, 1633; Ege, S. 93 ff.; sie sehen auch Sicherheiten an schuldrechtlichen Berechtigungen an Wertpapieren von der Vorschrift erfasst. Sie leiten dieses Ergebnis aus der Gleichbehandlung von verbrieften und unverbrieften Werten ab; die Verbriefungsform hat jedoch keinen Einfluss auf die Frage, ob eine Rechtsordnung die Rechtsposition des Anlegers als dinglich oder schuldrechtlich einordnet.

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gentumsrechten an intermediär verwahrten Wertpapieren und der dinglichen Wirkungen des Sicherungsrechts. Ferner unterfallen ihr die Anforderungen an die wirksame Bestellung einer Finanzsicherheit, das Verhältnis von Sicherungsrechten zu dinglichen Rechten Dritter, sowie die zur Verwertung der Finanzsicherheit notwendigen Schritte.251 cc) Räumlicher Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich der Kollisionsnorm wird von der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgegeben. Die Kollisionsnorm ist jedenfalls anwendbar auf dingliche Finanzsicherheiten zwischen zwei Parteien, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben. Die Vorschrift verlangt für ihre Anwendbarkeit darüber hinaus nicht, dass der Registrierungs- oder Verbuchungsort in einem Mitgliedstaat liegt. Damit ist sie auch dann anwendbar, wenn die Sicherheit selbst auf einem Register oder Konto in einem Drittstaat verbucht wird. Fraglich ist, ob die Vorschrift auch Geltung für dingliche Finanzsicherheiten zwischen zwei Parteien verlangt, von denen nur eine ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat.252 Die Liste möglicher Parteien einer Vereinbarung über Finanzsicherheiten umfasst zwar einerseits einige supranationale Organisationen, die keine Institutionen der EU sind,253 der praktisch bedeutsamste Kreis möglicher Parteien sind jedoch allesamt Bank-, Finanz-, und Versicherungsinstitute, die von einem Mitgliedstaat zugelassen bzw. beaufsichtigt werden.254 Keine Vorgaben macht die Richtlinie über die Herkunft sonstiger Nicht-Bankunternehmen, sofern die Mitgliedstaaten diese überhaupt in den Geltungsbereich der Richtlinie einbeziehen. Eine Kompetenz der Gemeinschaft zur Regelung einer auch Drittstaatenverhältnisses betreffenden Kollisionsregel für intermediär verwahrte Wertpapiere wäre in Art. 95 EGV jedenfalls enthalten, da divergierende Kollisionsvorschriften in diesem Bereich zumindest eine mittelbare Beeinträchtigung des Binnenmarktziels darstellen.255 Richtigerweise ist mangels einer ausdrücklichen anderweitigen Regelung aber davon auszugehen, dass die Frage der Anwendung der kollisionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie auf Sicherungsvereinbarungen unter Beteiligung von Parteien aus Drittstaaten den Mitgliedstaaten überlassen wurde.256 Diese können die Vorschrift also als allgemeine Kollisionsnorm ausgestalten oder auf Binnenverhältnisse beschränken.

251

Art. 9 Abs. 2 b) – d) RL 2002/47/EG. Offengelassen auch bei Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 133. 253 Art. 1 Abs. 2 b) RL 2002/47/EG nennt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, multilaterale Entwicklungsbanken, den Internationalen Währungsfonds und die Europäische Investitionsbank. 254 Vgl. Art. 1 Abs. 2 c) und d) RL 2002/47/EG. 255 Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 133 f.; Basedow, in: FS Lorenz, S. 471. 256 Löber, BKR 2002, 602. 252

298 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

d) Anknüpfungsmoment Die so umschriebenen Rechtsmaterien unterliegen nach Art. 9 Abs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie dem Recht des Landes, in dem das maßgebliche Register oder Konto geführt wird. Maßgeblich ist nach Art. 2 Abs. 1 h) der Richtlinie das Register oder Konto, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung vorgenommen wird, aufgrund deren der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt. Die Finanzsicherheitenrichtlinie wählt damit eine andere Formulierung der Anknüpfungsregel als die Finalitätsrichtlinie. Jedoch weist auch sie auf das Register oder Konto hin, auf dem die Eintragung oder Buchung vorgenommen wird, die für den Rechtserwerb entscheidend ist. Der Begriff der maßgeblichen Eintragung bzw. Buchung weicht im Ergebnis nicht von dem der rechtsbegründenden Eintragung bzw. Buchung ab, so dass die Anknüpfungsregeln insoweit sachlich übereinstimmen.257 Anwendbar auf das gesamte dingliche Rechtsgeschäft ist also auch hiernach das Recht an dem Ort, an dem das Depotkonto des Verfügungsempfängers geführt wird.258 Auch hier handelt es sich um eine objektive Anknüpfungsregel. Allenfalls mittelbar hat der Depotinhaber durch die Möglichkeit, seine Werte auf einem ausländischen Depotkonto zu verwahren, eine gewisse Einflussmöglichkeit auf das anzuwendende Recht.259 Anders als Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie setzt Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie für seine Anwendbarkeit nicht voraus, dass der Verbuchungsoder Registrierungsort in einem Mitgliedstaat liegt. Das anwendbare Recht kann damit auch das Recht eines Drittstaates sein. Die Vorschrift hat damit anders als Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie universelle Reichweite.260 Auch hier stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung anzuwenden ist, wenn das Sicherungsrecht, obgleich es sich auf intermediär verwahrte Wertpapiere bezieht, völlig ohne Eintragung oder Umbuchung begründet wird. Es wurde vorgetragen, dass die Kollisionsnorm etwa auf nach außen nicht erkennbare Sicherheitsübereignungen mangels Umbuchung von vornherein nicht anwendbar sei.261 Diese Auffassung ist jedoch nicht haltbar, weil der Begriff des maßgeblichen Kontos nicht für den Anwendungsbereich der Kollisionsnorm entscheidend ist (hierfür genügt, dass eine Sicherheit an intermediär verwahrten Effekten bestellt wird), sondern allein für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Wie dieses mangels Buchung zu bestimmen ist, wird im Zuge der Erläuterung der deutschen Umsetzung erörtert.262 Die Vorschrift stellt im Übrigen in Abs. 1 S. 2 ausdrücklich klar, dass sie als Sachnormverweisung zu verstehen ist und damit jegliche Rück- oder Weiterverweisung ausschließt. 257 258 259 260 261 262

Potok, 15 JBFLP (2004), 212. Sauer, S. 71. Bariatti, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, S. 21. Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 133; Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 42. Ege, S. 92. Vgl. unten D.V.2.c)bb).

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

299

4. Art. 24 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie a) Hintergrund der Richtlinie Weitere Regelungen, die den Gedanken des PRIMA-Prinzips aufgreifen, finden sich in der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie. Die Richtlinie gilt für Sanierungsmaßnahmen und Liquidationsverfahren für Kreditinstitute, die in einem Mitgliedstaat gegründet und zugelassen sind und mindestens in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweigstelle unterhalten.263 Sie erfasst damit grundsätzlich auch die Folgen der Insolvenz von Finanzinstituten, die im Depotgeschäft tätig sind. Die Rechtsfolgen der Insolvenz eines Kreditinstituts wurden vom Anwendungsbereich der EG-InsVO ausgenommen und in dieser Richtlinie einer gesonderten Regelung unterworfen. Zuständig für Sanierungs- und Liquidationsmaßnahmen sind dabei die Behörden und Gerichte des Herkunftsmitgliedstaates, in dem das Kreditinstitut die aufsichtsrechtliche Genehmigung zum Geschäftsbetrieb erlangt hat und von dessen Behörden es beaufsichtigt wird.264 Das Recht dieses Mitgliedstaates ist grundsätzlich für alle Rechtswirkungen des Insolvenzverfahrens maßgeblich. Die Maßnahmen, die nach dem Recht dieses Mitgliedstaates getroffen wurden, werden in den anderen Mitgliedstaaten ohne weitere Formalitäten wirksam, auch wenn dies im Widerspruch zum Recht eines anderen Mitgliedstaates steht, in dem eine Zweigstelle des insolventen Kreditinstituts geführt wird.265 Sekundär- oder Partikularinsolvenzverfahren am Ort einer Zweigstelle sind anders als nach der EG-InsVO nicht zulässig. Das Universalitäts- und Einheitsprinzip ist hier somit strenger durchgehalten als in der EGInsVO.266 Dadurch soll eine einheitliche Sanierung oder Liquidation von Kreditinstituten gewährleistet werden, die Zweigstellen in mehreren Mitgliedstaaten unterhalten.267 Insbesondere soll ein Gleichlauf mit den aufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten hergestellt werden, die ebenfalls dem Herkunftsprinzip unterliegen. b) Anwendungsbereich der Vorschrift Ähnlich wie die EG-InsVO sieht die Richtlinie Durchbrechungen des Universalitätsprinzips hinsichtlich bestimmter Rechtsverhältnisse vor. So findet sich in Art. 24 der Richtlinie eine Sonderanknüpfung für intermediär verwahrte Wertpapiere. Danach ist für die Ausübung von Eigentumsrechten oder anderen Rechten an Instrumenten, deren Existenz oder Übertragung die Eintragung in ein in einem Mitgliedstaat geführtes Register oder Konto oder bei einer zentralen Verwahrstelle eines Mitgliedstaates voraussetzt, das Recht desjenigen Mitgliedstaates maßgeblich, in dem sich das betreffende Register, Konto oder die zentrale Verwahrstelle befindet, in dem bzw. bei 263 264 265 266 267

Vgl. Art. 1 Abs. 1 RL 2001/24/EG. Art. 3 Abs. 1 und 9 Abs. 1 RL 2002/24/EG. Art. 3 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1 RL 2001/24. Binder, S. 686. Vgl. Erwägungsgrund (4) RL 2002/24/EG; Keller, BKR 2002, 349.

300 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

der die betreffenden Rechte eingetragen wurden.268 Die Vorschrift formuliert eine dem PRIMA-Prinzip entsprechende Regelung. Ihre Überschrift, die lex rei sitae lautet, lässt dies zwar nicht erkennen. Jedoch rührt diese Bezeichnung daher, dass die Vorarbeiten zu dieser Richtlinie bereits zu einer Zeit begonnen wurden, als das PRIMA-Prinzip vor allem in England noch als Präzisierung der Belegenheit von Wertpapieren nach dem traditionellen Prinzip der lex rei sitae betrachtet wurde.269 Das PRIMA-Prinzip wurde erst im Laufe der Zeit als eigenständiges Anknüpfungskonzept anerkannt. Die Vorschrift ist in ihrem Anwendungsbereich nicht auf bestimmte Systeme und deren Teilnehmer oder auf bestimmte Arten von Sicherungstransaktionen beschränkt. Der Anwendungsbereich ist insoweit weiter gezogen als in den beschriebenen Regelungen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie. Mit der Umschreibung „Instrumente, deren Existenz oder Übertragung ihre Eintragung in ein Register oder Konto oder bei einer zentralen Verwahrstelle voraussetzt“, meint die Vorschrift allgemein intermediär verwahrte Wertpapiere.270 Eine konstitutive Wirkung der Eintragung für die Existenz oder Übertragung der Rechte ist, anders als der Wortlaut vermuten lässt, nicht erforderlich.271 Rechte an sonderverwahrten Wertpapieren unterfallen damit nicht der Vorschrift.272 Wie aus der Gleichstellung von Eigentumsrechten oder anderen Rechten an intermediär verwahrten Wertpapieren hervorgeht, sieht die Vorschrift keine Beschränkung auf dingliche Berechtigungsformen vor.273 Der Anwendungsbereich der Regelung ist nicht auf Rechte zu Sicherungszwecken beschränkt, sondern erfasst auch Vollrechte an intermediär verwahrten Wertpapieren. Die Vorschrift ist eine Regelung des internationalen Insolvenzrechts und damit nur in Insolvenzfällen von Bedeutung. Sie erfasst nicht die Frage, nach welchem Recht das Buchungsrecht erworben wurde, sondern in erster Linie die Frage, welcher Rechtsordnung die Auswirkungen der Insolvenz der verbuchenden Stelle auf ein bereits vor der Insolvenz wirksam erworbenes Buchungsrecht an intermediär verwahrten Wertpapieren unterliegen. Die Vorschrift nimmt damit auch in Kauf, dass das ACHTUNGREBuACHTUNGREchungsrecht nach einem anderen Recht, etwa dem Recht am Belegenheitsort der Urkunde, erworben wurde.274

268

Unklar ist, ob das auf der Rechtsfolgenseite nur einen Verweis auf das lokale Insolvenzrecht bedeutet, oder, wohl eher, entsprechend der Regelung in Art. 21 die völlige Unberührtheit vom ausländische Insolvenzverfahren; vgl. dazu Keller, BKR 2002, 350. 269 Vgl. Benjamin, JIBFL Special Supplement/September 1998, 36. 270 Ege, S. 84; Sauer, S. 86. 271 Vgl. Gemeinsamer Standpunkt des Rates, Nr. 43/2000 vom 17. 7. 2000, ABl. C 300 v. 20. 10. 2000, S. 29; Ege, S. 84; Sauer, S. 85 f. 272 Werden diese außerhalb des Staates der Verfahrenseröffnung verwahrt, so werden dingliche Rechte daran nach Art. 21 RL 2002/24/EG nicht berührt. 273 Sauer, S. 85. 274 Ebenso Sauer, S. 89 f., der jedoch eine Umsetzung befürwortet, die auch den Erwerb des Buchungsrechts erfasst.

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

301

In räumlicher Hinsicht ist Art. 24 der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie anwendbar, wenn sich das Register, Konto oder die zentrale Verwahrstelle in einem Mitgliedstaat der EU befindet. Es ist dann aber unerheblich, ob die auf dem Konto verbuchten Effekten innerhalb oder außerhalb der EU verwahrt werden. c) Anknüpfungsmoment Art. 24 Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie unterwirft die Ausübung von Rechten an intermediär verwahrten Wertpapieren dem Recht des Ortes, an dem sich das Register, Konto oder die zentrale Verwahrstelle befindet, in bzw. bei der die betreffenden Rechte eingetragen werden. Sie übernimmt damit den kollisionsrechtlichen Ansatz von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie,275 so dass die dortigen Ausführungen entsprechend herangezogen werden können. Auch diese Verweisung ist im Sinne der Vorhersehbarkeit des anzuwendenden Rechts als Sachnormverweisung zu verstehen.276 d) Verhältnis zu Art. 21 Bankensanierungsund Liquidationsrichtlinie Problematisch ist das Verhältnis der Vorschrift zu Art. 21 der Bankensanierungsund Liquidationsrichtlinie. Danach werden dingliche Rechte eines Gläubigers oder eines Dritten an einem Gegenstand, der sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befindet, generell nicht berührt. Die Vorschrift übernimmt die entsprechende Regelung des Art. 5 EG-InsVO.277 Sieht man in Art. 24 Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie generell einen Verweis auf das lokale Insolvenzrecht am Ort der Verbuchung einer Berechtigung im Ausland, so wären Wertpapiersicherheiten gegenüber sonstigen Auslandssicherheiten schlechter gestellt, da diese von den Insolvenzwirkungen gänzlich nicht berührt werden. Die isolierte Anwendung des lokalen ausländischen Insolvenzrechts auf eine einzelne Sache wäre jedoch praktisch schwierig.278 Zur Auflösung des Problems sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Zunächst ist denkbar, dass ausländische Wertpapiere im Herkunftsland des insolventen Kreditinstituts verbucht werden. Hier stellt Art. 24 der Richtlinie klar, dass die Buchungsrechte in der Insolvenz der lex fori concursus unterliegen, obwohl die zugrunde liegenden Wertpapiere im Ausland verwahrt werden. Ohne diese Regelung könnte man versucht sein, dingliche Rechte an auslandsverwahrten, aber im Inland verbuchten Wertpapieren gemäß Art. 21 der Richtlinie von der Insolvenz generell unberührt zu lassen. Die Vorschrift stellt hier klar, dass das Recht am Belegenheitsort der Wertpapiere keine 275 Vgl. dazu auch Erwägungsgründe (25 f.) RL 2002/24/EG; Schefold, in: FS Kümpel, S. 469. 276 Sauer, S. 88. 277 Vgl. § 351 InsO; vgl. dazu oben D.II.3. 278 Keller, BKR 2002, 350.

302 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Bedeutung hat und sichert die Anwendung der lex fori concursus. Sind die Wertpapiere hingegen bei einer ausländischen Zweigstelle des insolventen Intermediärs verbucht, ist die Vorschrift in der Tat nicht entscheidend. Denn solche Buchungsrechte bleiben bereits nach Art. 21 der Richtlinie von der Insolvenzeröffnung im Herkunftsmitgliedstaat der verbuchenden Stelle unberührt. Wie aus der Gesamtschau der Kollisionsregeln in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie, Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie und Art. 24 Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie folgt, tritt bei intermediär verwahrten Wertpapieren in Art. 21 Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie der Buchungsort an die Stelle des Belegenheitsortes.279 Art. 24 Bankensanierungsund Liquidationsrichtlinie ist dann lediglich als Klarstellung aus Sicht der depotführenden Zweigstelle zu verstehen, dass im Falle des Zusammenbruchs des Kreditinstituts auf jeden Fall die lokalen insolvenzrechtlichen Sicherungen zur Anwendung kommen.280 Dies gilt selbst dann, wenn die Effekten physisch im Geltungsbereich der lex fori concursus verwahrt werden. In beiden Fällen ist aber zu beachten, dass die Regelungen der Bankensanierungsund Liquidationsrichtlinie hinter den spezielleren Vorgaben der Finalitätsrichtlinie zurücktreten, die auf die Teilnahme an Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen gerichtet sind.281 Danach werden dingliche Sicherheiten an intermediär verwahrten Wertpapieren, die im Rahmen eines solchen Systems oder zugunsten einer nationalen Zentralbank oder der Europäischen Zentralbank bestellt werden, von der Insolvenz des Sicherungsgebers unabhängig vom Buchungsort nicht berührt.282 Sie können vom Sicherungsnehmer verwertet werden, als fände kein Insolvenzverfahren statt.283 Dadurch wird verhindert, dass die Durchsetzung und Verwertung von Sicherungsrechten durch insolvenzrechtliche Regelungen verboten oder verzögert wird und sich daraus Gefahren für die Stabilität des Systems insgesamt ergeben. Für den Geltungsbereich der Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie ist damit jedenfalls sichergestellt, dass ein Kunde, der sich im Herkunftsstaat seines Kreditinstitutes Wertpapiere gutschreiben lässt, die im Ausland verwahrt werden, im Falle der Insolvenz die Sicherungsmechanismen der lex fori concursus in Anspruch nehmen kann. Hält der Kunde die Papiere hingegen über die inländische Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts, so bleibt seine Rechtsposition unberührt von etwaigen Insolvenzbeschränkungen der lex fori concursus. Ein deutscher Kunde, der sein Wertpapierkonto im Inland führt, kann sich somit sicher sein, dass sowohl darauf verbuchte Miteigentumsanteile an Wertpapieren als auch Gutschriften in WertACHTUNGREpapierACHTUNGRErechnung in der Insolvenz des Zwischenverwahrers ein insolvenzrechtliches Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO gewährleisten. Die deutschen Insolvenzsicherun279 280 281 282 283

Keller, BKR 2002, 349; Kieper, S. 182; Sauer, S. 77 f. Insoweit zutreffend Keller, BKR 2002, 350. Vgl. Erwägungsgründe (25) und (26) RL 2002/24/EG. Art. 9 Abs. 1 RL 98/26/EG; vgl. dazu Devos, in: Giovanoli/Heinrich, S. 320. Sauer, S. 32.

IV. Das PRIMA-Prinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gen greifen unabhängig davon, ob es sich um ein in- oder ausländisches Kreditinstitut handelt oder ob die Wertpapiere physisch im In- oder im Ausland verwahrt werden.284

5. Zusammenfassung der europäischen Kollisionsrechtsvorgaben Die Anknüpfungsregeln haben viel Lob, aber auch Kritik hervorgerufen. Begrüßt wurde generell, dass erstmals eine Alternative zum überkommenen Prinzip der lex rei sitae für intermediär verwahrte Wertpapiere in einer Regelung von internationaler Bedeutung Anerkennung gefunden hat. Allgemein wurde erwartet, dass dies die Rechtssicherheit bei der Beleihung von Wertpapieren erhöhen und die Bestellung solcher Sicherheiten verbilligen würde. Nicht unberechtigte Kritik hat jedoch der beschränkte Anwendungsbereich der Vorschriften in der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie hervorgerufen.285 Insbesondere die Beschränkung auf bestimmte Systeme nach der Finalitätsrichtlinie lässt weite Anwendungsbereiche des Belegenheitsprinzips auch für Besicherungstransaktionen unberührt und schafft subjektiv gespaltenes Kollisionsrecht. Art. 9 ACHTUNGREFinanzsicherheitenrichtlinie hat zwar einen subjektiv weiteren Anwendungsbereich, lässt aber auch Sicherungstransaktionen unter Beteiligung von Privatpersonen unberücksichtigt. Die jeweiligen Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Richtlinien mögen sich dadurch rechtfertigen lassen, dass systemfremde Insolvenzprivilegien nur insoweit gewährt werden sollen, wie es zur Stabilität der Verrechnungs- und Abwicklungssysteme notwendig ist. Für eine allgemeine sachenrechtliche Kollisionsregel sind die Beschränkungen jedoch nicht notwendig, da allein durch die Frage des auf eine Verfügung anzuwendenden Rechts kein Beteiligter oder Dritter unmittelbar bevorzugt oder benachteiligt wird. Vielmehr stehen hier nicht zuletzt Fragen der Bestimmbarkeit des anzuwendenden Rechts im Vordergrund. Die aufgezeigten Schwierigkeiten der lex rei sitae bleiben somit außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien weiter unbeantwortet. Generell kritisiert wurde darüber hinaus die kollisionsrechtliche Trennung zwischen Sicherungsübereignungen einerseits und Vollrechtsübertragungen zur Erfüllung von Wertpapierhandelsgeschäften andererseits.286 Deutschland ist bei seiner Umsetzung an dieser Stelle stark über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinausgegangen und hat in § 17 a DepotG alle Arten von dinglichen Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere einbezogen. Dadurch werden aus Sicht des deutschen Rechts zwar Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden. Anders als bei Sicherungsgeschäften ist bei der Erfüllung von Effektenhandelsgeschäften aber regelmäßig eine viel größere Zahl an Intermediären involviert, so dass sich insoweit ein voll284

Keller, BKR 2002, 350; Ege, S. 83. Kronke, in: Aufbruch nach Europa, 765. 286 Kritisch auch die überwiegende Ansicht in der Literatur, vgl. Potok, IFLR 12/1999, 12; Keller, WM 2000, 1274; Pfeiffer, IPRax 2000, 280; Schefold, IPRax 2000, 473; ders., in: FS Kümpel, S. 467. 285

304 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

kommen anders strukturierter Anwendungsbereich der Vorschrift ergibt. Inwieweit der gemeinschaftsrechtliche PRIMA-Ansatz hierfür eine geeignete kollisionsrechtliche Lösung bietet, wird im Rahmen der Darstellung von § 17 a DepotG erörtert.287 Ferner wurde Kritik an der technischen Ausgestaltung der Anknüpfungsregel geübt. Vielfach wurde vorgetragen, dass die Vorschriften nicht deutlich machten, welche Buchung bzw. welches Konto in einer Kette von Buchungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts heranzuziehen sei.288 Diese Kritik erscheint jedoch nicht recht nachvollziehbar, da in beiden Vorschriften und den begleitenden Erwägungsgründen deutlich zum Ausdruck kommt, dass jeweils die Buchung auf dem Depotkonto, das der Erwerber des Sicherungsrechts bei seinem Intermediär führt, für das auf die gesamte Transaktion anzuwendende Recht entscheidend sein soll.289 Gerade darin liegt der Kern des PRIMA-Prinzips. Unklar ist allenfalls die Behandlung von Sicherungsrechten, die gänzlich ohne Registereintragung oder Kontobuchung bestellt werden. Diese sind zwar jeweils vom Anwendungsbereich der Norm erfasst, mangels Buchung zugunsten des Sicherungsnehmers führt die Anknüpfungsregel aber zu keinem eindeutigen Ergebnis. Hier kommt allein in Betracht, auf das Konto abzustellen, auf dem die Werte zugunsten des Sicherungsgebers verbucht sind. Problematisch kann darüber hinaus generell die Bestimmung des Ortes sein, an dem sich ein Register oder Depotkonto „befindet“ oder „geführt wird“.290 Die unterschiedliche Formulierung in den beiden Vorschriften soll keinen Unterschied in der Sache ausmachen.291 Bei Registern ist es dabei naheliegend, auf den aufsichtführenden Staat zurückzugreifen. Wo sich ein Depotkonto befindet, das im Kern nichts weiter als ein Schuldverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem betreffenden Verwahrer ist,292 ist hingegen weniger klar.293 Die Finanzsicherheitenrichtlinie ist insofern fortschrittlicher, als sie auf den Ort der Kontoführung abstellt. Dieser ist zwar grundsätzlich objektiv bestimmbar, jedoch kann auch diese Anknüpfungsregel Zweifel aufwerfen. Die Verwaltung von ACHTUNGREDepotkonten hat in der modernen Finanzwelt Bezugspunkte zu einer Vielzahl von Ländern und Rechtsordnungen. International tätige Unternehmen bündeln einzelne Aspekte der Depotverwaltung länderübergreifend an bestimmten Orten oder lagern bestimmte Aufgaben an externe Dienstleister aus.294 Welche dieser Tätigkeiten für den Ort der eigentlichen Kontoführung ausschlaggebend sein soll, kann unklar sein. Die Richtlinie gibt diesbezüglich keine Anhaltspunkte.295 Vorzugswürdig wäre eine Anknüpfung am Sitz des Intermediärs bzw. dessen Zweigstelle, bei 287

Unten D.V.4. Einsele, WM 2001, 2423; Dittrich, S. 104. 289 MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 223. 290 Löber, BKR 2001, 123; Schefold, in: FS Kümpel, S. 468; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 223; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 188. 291 Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 8; Potok, 15 JBFLP (2004), 212. 292 Sommer, 53 Bus. Law. 1183 (1998). 293 Zweifelnd auch Kieper, S. 230; Rogers, 39 Cornell Int L.J. 304 (2006). 294 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, 4-5, 4-11. 295 Potok, 15 JBFLP (2004), 213. 288

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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der ein Depotkunde sein Konto eröffnet hat.296 Der Problematik der Verortung eines Depotkontos war man sich bei den Vorarbeiten zur Finanzsicherheitenrichtlinie zwar durchaus bewusst. Jedoch hat man von einer im ursprünglichen Entwurf noch enthaltenen Regelung abgesehen, wonach der Ort der Kontoführung die in der Kontovereinbarung angegebenen Zweigstelle oder Niederlassung des maßgeblichen Intermediärs sein sollte.297 Dies geschah im Hinblick auf die parallel stattfindenden Arbeiten am Haager Wertpapierübereinkommen, für die man den Mitgliedstaaten und der Kommission keine hinderlichen Vorgaben machen wollte. Stattdessen sollte die Frage der Bestimmung des Ortes eines Depotkontos dem Haager Wertpapierübereinkommen überlassen werden und dann einheitlich in das Gemeinschaftsrecht importiert werden.298 Festgelegt hat man sich lediglich auf eine Abkehr von der Anwendung der lex rei sitae hin zu einer Fortentwicklung des bereits in der Finalitätsrichtlinie eingeführten PRIMA-Prinzips.299 Bei der Haager Konferenz hat man jedoch eine gänzlich andere Form der Anknüpfung gewählt, die auf eine Rechtswahl der Parteien des Depotvertrages abstellt. Dieser Ansatz ist unvereinbar mit der objektiven Ausgestaltung des PRIMA-Prinzips der beiden Richtlinien und wurde deswegen auch bislang nicht in das Gemeinschaftsrecht eingeführt.300 Die Finanzsicherheitenrichtlinie wurde jedoch ebensowenig nachgebessert, so dass mögliche Zweifel bei der Verortung eines Depotkontos weiterhin unbeantwortet bleiben.

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1. Einführung Deutschland hat die Finalitätsrichtlinie noch im Jahr 1999 umgesetzt301 und zur Erfüllung der kollisionsrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie § 17 a DepotG geschaffen. Der Platz der Kollisionsvorschrift im DepotG ist etwas überraschend, da das DepotG die Frage der Übertragung von Effekten nur ansatzweise regelt (vgl. §§ 18 Abs. 3, 24 Abs. 2 DepotG). Näherliegend wäre eine Ergänzung der erst kurz vorher eingeführten Vorschriften zum internationalen Sachenrecht im EGBGB gewesen.302

296

Ähnlich Schefold, in: FS Kümpel, S. 468. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten vom 27. 3. 2001, ABl. Nr. C 180 E vom 26. 6. 2001, S. 312. 298 Vgl. Gemeinsamer Standpunkt des Rates (EG) Nr. 32/2002 vom 5. 3. 2002, ABl. Nr. C 119 E v. 22. 5. 2002, S. 25; Reuschle, RabelsZ 58 (2004), 724. 299 Löber, BKR 2001, 123. 300 Vgl. auch Schefold, in: FS Jayme, S. 820 f.; Horn, in: FS Hadding, S. 902. 301 Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften vom 8. 12. 1999, BGBl. I, 2384. 302 Schefold, IPRax 2000, 474. 297

306 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Nach § 17 a DepotG unterliegen Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt. § 17 a DepotG hat einen wesentlich weiteren Anwendungsbereich, als er von Art. 9 Abs. 2 der Finalitätsrichtlinie vorgegeben wurde. Die Norm ist nicht auf Transaktionen zwischen Teilnehmern bestimmter Systeme beschränkt. In sachlicher Hinsicht erfasst sie nicht nur Verfügungen zu Sicherungszwecken, sondern regelt auf den ersten Blick alle Verfügungen über Wertpapiere und Sammelbestandanteile. Der deutsche Gesetzgeber behandelt damit alle Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere gleich. Er begründet diesen Schritt mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit auch außerhalb des engen Anwendungsbereichs der Finalitätsrichtlinie.303 Aufgrund dieser weitgehenden Regelung sah man in Bezug auf das Wertpapierkollisionsrecht keinen weiteren Handlungsbedarf, als die Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie und der Bankensanierungsund Liquidationsrichtlinie anstand. § 17 a DepotG ist deshalb seit seiner Einführung unverändert geblieben. Die überschießende Umsetzung hat Auswirkungen auf die Auslegung von § 17 a DepotG. Nur soweit die Vorschrift Gemeinschaftsrecht umsetzt, besteht die Notwendigkeit der richtlinienkonformen Auslegung. Für den überschießenden Teil genügen grundsätzlich die Auslegungsprinzipen des nationalen Rechts.304 Jedoch besteht auch insoweit grundsätzlich ein Bedürfnis zur einheitlichen Auslegung, da andernfalls die Gefahr der Rechtszersplitterung droht.

2. Anwendungsbereich von § 17 a DepotG Anknüpfungsgegenstand der Vorschrift sind nach ihrem Wortlaut alle Verfügungen über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden. a) Verfügungsgegenstände aa) Wertpapiere (1) Eigenständiger Wertpapierbegriff in § 17 a DepotG Als ersten Verfügungsgegenstand nennt die Vorschrift allgemein Wertpapiere. Der depotrechtliche Wertpapierbegriff umfasst gemäß § 1 Abs. 1 DepotG Inhaber- und 303

BT-Drucks. 14/1539, S. 16. Ausführlich zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Richtlinienumsetzung Mayer/SchürnACHTUNGREbrand, JZ 2004, 550 ff. 304

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Namensaktien, (mittlerweile praktisch bedeutungslose) Kuxe, Zwischenscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, Inhaber- und Orderschulverschreibungen sowie andere vertretbare Wertpapiere. Unter den Auffangtatbestand der vertretbaren Wertpapiere fallen insbesondere Anteilscheine von Kapitalanlagegesellschaften.305 Maßgeblich für den Wertpapierbegriff des Depotgesetzes ist damit die Vertretbarkeit gemäß § 91 BGB. § 1 Abs. 1 DepotG umschreibt nach überwiegender Ansicht den weiten Wertpapierbegriff, wonach ein Wertpapier dann vorliegt, wenn es ein Recht in der Weise verbrieft, dass zur Ausübung des Rechts die Innehabung des Papiers notwendig ist.306 Entscheidend ist also die Verkörperungswirkung der Verbriefung, die sich nach dem Wertpapierrechtsstatut richtet. Mangels Verkörperungswirkung unterfallen deshalb grundsätzlich bloße Beweisurkunden, wie beispielsweise englische share certificates307 oder spanische extractos de inscripcin, nicht dem Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 1 DepotG. Übertrüge man dieses Verständnis auf § 17 a DepotG, widerspräche dies den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, die insoweit von einem weiteren Wertpapierbegriff ausgehen. Dieser umfasst auch bloße Beweisurkunden als Wertpapiere im Sinne der Kollisionsnorm, solange sie auf einem Kapitalmarkt gehandelt werden können.308 Es wird deshalb nicht bestritten, dass sich die Auslegung des Wertpapierbegriffs des § 17 a DepotG an den europäischen Vorgaben orientieren und damit zu einem weiteren Wertpapierbegriff führen muss, als derjenige des § 1 Abs. 1 DepotG.309 Entscheidend für die Einbeziehung ist nach dem Gemeinschaftsrecht ausdrücklich nur die Handelbarkeit der Papiere auf einem Kapitalmarkt. Die Ausgestaltung der Papiere durch das Wertpapierrechtsstatut und insbesondere ihre Verkörperungswirkung sind insoweit nicht erheblich. Jedoch bleibt der Anwendungsbereich des Wertpapierrechtsstatuts als solcher unberührt. Es entscheidet weiterhin über die Frage, ob die Urkunde das Recht verkörpert, insbesondere ob der Erwerb der Urkunde auch zum Erwerb des verbrieften Rechts führt.310 Generelle Voraussetzung ist aber gleichwohl die intermediäre Verwahrung und buchungsmäßige Übertragbarkeit der Urkunden. (2) Keine Einbeziehung sonderverwahrter Wertpapiere Verfügungen über sonderverwahrte Wertpapiere sind nicht vom Anwendungsbereich der Kollisionsnorm erfasst. Dieser Schluss läge zwar nahe, da die Vorschrift ausdrücklich zwischen Wertpapieren und Sammelbestandanteilen unterscheidet. Rechte 305

MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 5. Heinsius/Horn/Than, § 1, Rn. 3; a.A. aber Baumbach/Hopt/Hopt, § 1 DepotG, Rn. 1. 307 Vgl. Heinsius/Horn/Than, § 1, Rn. 27; Ege, S. 109. 308 Vgl. insbesondere den Begriff der Finanzinstrumente in Art. 1 Abs. 1 e) RL 2002/47/EG. 309 Ege, S. 109; a.A. aber wohl MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 183. 310 Verfehlt deshalb Mahler, S. 196, der diese Frage ebenfalls § 17 a DepotG unterstellen will; zumindest missverständlich auch die Begründung des Regierungsentwurfs, wonach die Differenzierung der unterschiedlichen Statute bei intermediär verwahrten Wertpapieren nicht mehr sachgerecht sei, BT-Drucks. 14/1539, S. 15; wie hier Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok, Rn. 12.28 ff.; Saager, S. 146. 306

308 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

an sammelverwahrten Wertpapieren sowie sammelverwalteten Wertrechtrechten nach deutschem Recht können generell unter den Begriff „Sammelbestandteile“ subsumiert werden, so dass der weitere Begriff „Wertpapiere“ jedenfalls mit Blick auf das deutsche materielle Recht nur für sonderverwahrte Wertpapiere einen eigenen Anwendungsbereich zu haben scheint.311 Jedoch ist auch hier der kollisionsrechtliche Charakter der Norm zu bedenken. Die Vorschrift muss auch auf ausländische Berechtigungsformen anwendbar sein. Da Sammelbestandanteile jedoch eine durch das deutsche materielle Recht speziell ausgestaltete Rechtsposition sind, hat der Gesetzgeber einen weiteren, materiellrechtsneutraleren Begriff hinzugefügt, unter den ausländische Berechtigungsformen subsumiert werden können. Richtigerweise trifft der Begriff der Wertpapiere für sich genommen keine Aussage über die Verwahrungsform.312 Das nur intermediär gehaltene Wertpapiere gemeint sind, folgt in erster Linie durch den zweiten Teil des ersten Halbsatzes, wonach nur Verfügungen erfasst sind, die mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden. Solche Verfügungen beziehen sich generell nicht auf sonderverwahrte Wertpapiere. Unter diesem Blickwinkel hätte der Begriff „Wertpapiere“ für die Zwecke der Kollisionsnorm genügt. Der Begriff „Sammelbestandanteile“ dient danach lediglich der weiteren Klarstellung für das deutsche Recht. Das Ergebnis, dass sonderverwahrte Wertpapiere nicht unter den Anwendungsbereich von § 17 a DepotG fallen, stimmt auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift überein, die lediglich eine sachenrechtliche Sonderanknüpfung für den Bereich des Wertpapiersachstatuts treffen wollte, der mit dem Prinzip der lex rei sitae nicht mehr adäquat erfasst werden kann.313 bb) Sammelbestandanteile Damit ist bereits geklärt, dass sich der Begriff „Sammelbestandanteile“ vor allem auf die Form der Berechtigung eines Anlegers im Rahmen der Sammelverwahrung nach dem deutschen DepotG bezieht. Umfasst sind auch Miteigentumsanteile an unverbrieften Sammelschuldbuchforderungen, die kraft gesetzlicher Gleichstellung als Sammelbestandanteile gelten.314

311

So in der Tat Franz, S. 112. A.A. Franz, S. 59. 313 Vgl. auch BT-Drucks. 14/1539, S. 16; ebenso Keller, WM 2000, 1281; Schefold, IPRax 2000, 476; Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok, Rn. 12.33; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 721; Ebenroth/Boujong/Joost/Scherer, DepotG, Rn. 433; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 204, 241. 314 Keller, WM 2000, 1281; Schefold, IPRax 2000, 475; Dittrich, S. 64. 312

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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b) Verfügung aa) Grundsatz: rechtsgeschäftlicher Erwerb Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, durch die bestehende Rechte mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert werden.315 Gegenstand einer Verfügung können sowohl dingliche Rechte an Sachen als auch Forderungen sein.316 bb) Analoge Anwendung auf gesetzliche Erwerbstatbestände Mit der Beschränkung des Verfügungsbegriffs auf rechtsgeschäftliche Formen der Übertragung von Rechten an Effekten stellt sich unmittelbar die Frage, ob gesetzliche Erwerbstatbestände weiterhin dem Prinzip der lex rei sitae unterliegen sollen. Im deutschen Recht ist ein gesetzlicher Erwerb von Sammeldepotanteilen in § 24 Abs. 2 DepotG vorgesehen. Auf einen solchen Erwerbsvorgang ist § 17 a DepotG nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Man ist sich jedoch im Ergebnis einig, dass die Vorschrift insoweit analoge Anwendung finden muss. Denn das Wertpapiersachstatut erfasst generell auch gesetzliche Erwerbstatbestände. Der deutsche Gesetzgeber wollte eine umfassende kollisionsrechtliche Neuregelung für grenzüberschreitende Übertragungen von Rechten an intermediär verwahrten Wertpapieren einführen, so dass davon auszugehen ist, dass es sich insoweit um eine planwidrige Regelungslücke handelt. Auch im Fall des § 24 Abs. 2 DepotG gibt allein die den gesetzlichen Rechtserwerb begründende Buchung das Bestehen der Berechtigung wieder. Auch insoweit erlaubt das Prinzip der lex rei sitae keine sichere Bestimmung des auf den Erwerb anwendbaren Rechts. Es besteht folglich die gleiche Interessenlage wie bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen. Das Erfordernis der analogen Anwendung ergibt sich im Übrigen, jedenfalls soweit es um ebenfalls denkbare gesetzliche Sicherungsrechte geht, auch aus dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung, da weder die Finalitätsrichtlinie, noch die Finanzsicherheitenrichtlinie eine Beschränkung ihres Anwendungsbereiches auf rechtsgeschäftlich bestellte Sicherungsrechte vorsehen. Den Stimmen der Literatur, die eine analoge Anwendung von § 17 a DepotG auf den gesetzlichen Erwerbstatbestand befürworten,317 ist damit beizupflichten. cc) Rechtsnatur des Buchungsrechts (1) Beschränkung auf Verfügungen über dingliche Rechte Fraglich ist, ob die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich auf Verfügungen über dingliche Rechte an Wertpapieren und Sammelbestandanteilen beschränkt ist oder ob 315 BGHZ 1, 264, 304; 75, 221, 226; Staudinger/Gursky, § 185, Rn. 4; MünchKommBGB/ Schramm, § 185, Rn. 6. 316 Staudinger/Gursky, § 185, Rn. 6; MünchKommBGB/Schramm, § 185, Rn. 7a f. 317 Dittrich, S. 98; Franz, S. 84 f.

310 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

sie auch schuldrechtliche Berechtigungsformen dem von ihr bestimmten Recht unterwerfen will. Der Wortlaut gibt keinen Aufschluss, weil sich der Begriff Verfügung sowohl auf ein dingliches Recht als auch auf einen schuldrechtlichen Anspruch beziehen kann. Eine Einbeziehung schuldrechtlicher Berechtigungsformen, wie beispielsweise eines treuhandrechtlichen Anspruchs in Form einer Gutschrift in Wertpapierrechnung, wäre jedoch überraschend, weil solche Verfügungen bislang nicht der lex rei sitae unterlagen. Schuldrechtliche Berechtigungsformen richten sich jeweils nur gegen den Verwahrer der Verwahrkette, mit dem der Depotinhaber unmittelbar verbunden ist. Für ihre unmittelbare Einräumung galt bislang das Schuldvertragsstatut, für ihre Übertragung das Zessionsstatut. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Anleger in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht an der Deckungsmasse zusteht. Da das Wertpapiersachstatut insoweit nicht betroffen ist, stellen sich auch nicht die mit der Anwendung des Belegenheitsprinzips verbundenen Rechtsunsicherheiten.318 Die europäischen Vorgaben verlangen insoweit keine Änderung, da sie sich jeweils nur auf dingliche Berechtigungsformen beziehen.319 Es besteht deswegen weitgehende Einigkeit, dass § 17 a DepotG ein rein sachenrechtliches Sonderstatut darstellt und die kollisionsrechtliche Behandlung schuldrechtlicher Berechtigungsformen unberührt lässt.320 Dieses Verständnis wird vor allem auch durch die Auffassung des Gesetzgebers gestützt, der lediglich sachenrechtliche Verfügungen, nicht aber Verfügungen über „Wertrechtsgutschriften“ – gemeint sind Gutschriften in WertpapierACHTUNGRErechACHTUNGREnung – als von der Vorschrift erfasst betrachtet.321 Anzumerken ist freilich, dass die Auswirkungen einer Erstreckung von § 17 a DepotG auf schuldrechtliche Berechtigungsformen wohl gering wären, da diese in aller Regel kraft Rechtswahl ohnehin dem Recht des Staates unterliegen, in dem die gutschreibende Bank ihren Sitz hat.322 Aus Sicht des deutschen Sachrechts sind aus diesem Blickwinkel jedenfalls Eigentumsübertragungen im Rahmen des Effektengiroverkehrs nach den §§ 929 ff. BGB sowie Verpfändungen nach den §§ 1205 ff. BGB vom Anwendungsbereich der Kollisionsnorm erfasst. Auch Verfügungen über Sammeldepotanteile, die in die internationalisierte Sammelverwahrung gemäß § 5 Abs. 4 DepotG einbezogen sind, fallen unter die Vorschrift, sofern Clearstream eine dingliche Rechtsposition am auswärtigen Teil des Sammelbestandes hält. Dies ist die Fallgruppe, in der durch § 17 a DepotG ein vom Belegenheitsprinzip abweichendes Ergebnis erzielt wird. Nicht erfasst sind hingegen treuhandrechtliche Berechtigungen an auslandsverwahrten Werten,

318

Ausführlich Dittrich, S. 78 f. A.A. hinsichtlich der Finanzsicherheitenrichtlinie aber Herring/Cristea, ZIP 2004, 1633; Ege, S. 93 f. 320 Franz, S. 85 f.; Dittrich, S. 80; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 179; Rögner, ZBB 2006, 101; a.A. Ege, S. 112 f. 321 BT-Drucks. 14/1539, S. 16. 322 Vgl. Nr. 6 Abs. 1 AGB-Banken; Nr. 6 Abs. 1 AGB-Sparkassen. 319

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die in Form einer Gutschrift in Wertpapierrechnung gehalten werden.323 Die Aussonderungsfähigkeit des Deckungsbestandes in der Insolvenz der Depotbank nähert die Rechtsposition zwar einem dinglichen Recht teilweise an;324 die Zuerkennung einzelner dinglicher Eigenschaften und die damit einhergehende Verdinglichung obligatorischer Rechte ändert jedoch nichts an ihrer dem Grunde nach schuldrechtlichen Natur. (2) Problem der Einordnung ausländischer Berechtigungsformen Ob die Rechtsposition, die der Erwerber durch eine mittels Buchung oder Registereintragung vollzogene Verfügung erhält, ihrer Natur nach als schuldrechtlich oder dinglich zu qualifizieren ist, wird nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sein. Wie bereits dargestellt sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Abwicklung grenzüberschreitender Effektentransaktionen in materieller Hinsicht häufig nicht ausreichend, um die tatsächlichen Abläufe adäquat wiederzugeben. Es kann deswegen bereits innerhalb einer nationalen Rechtsordnung unklar sein, welche tatsächlichen Rechtswirkungen einer Buchung innerhalb des betreffenden Sachrechts zukommen. Im deutschen Recht kann eine solche Einordnung noch geleistet werden, obgleich sie nicht unumstritten ist. Schwieriger ist der Qualifikationsvorgang jedoch bei Verfügungen, die mittels Buchungen im Ausland vorgenommen werden und damit bei Anwendung der Kollisionsnorm nicht deutschem Recht unterliegen. Bezieht sich eine solche Buchung auf Wertpapiere, die in Deutschland verwahrt werden, wäre aus deutscher Sicht zu fragen, ob das nach der Belegenheitsprinzip anzuwendende deutsche Recht dem nach dem PRIMA-Prinzip anzuwendenden Recht am Ort der Verbuchung weichen muss. (a) Grundsatz der funktionalen Qualifikation Es wurde bereits angesprochen, dass dingliche Berechtigungen an intermediär verwahrten Effekten im Sinne von § 17 a DepotG nicht nur diejenigen sein können, die der im deutschen Sachrecht geregelten Figur der Sammelbestandanteile unterfallen. Generell kann bei der Subsumtion ausländischer Sachverhalte unter eine Kollisionsnorm (Qualifikation) nicht allein von den Begrifflichkeiten des materiellen Rechts der Rechtordnung ausgegangen werden, unter deren Kollisionsnormen subsumiert wird. Eine rein am Begriffsverständnis des nationalen materiellen Rechts ausgerichtete Qualifikation wird, wenn das Gericht sein eigenes Kollisionsrecht anwendet, als Qualifikation nach der lex fori bezeichnet. Sie wäre sinnwidrig, da sie ausländische Rechtsformen, die im inländischen Recht nicht geregelt sind, sondern den ACHTUNGREnationalen Rechtsfiguren lediglich der Sache nach ähnlich sind, von vornherein ACHTUNGREausschlösse.325 Zwar ist eine Qualifikation nach der lex fori als Ausgangspunkt der 323 Dittrich, S. 86; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 179; vgl. auch MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 243; a.A. Ege, S. 112 f.; Sauer, S. 45. 324 Vgl. Canaris, in: FS Flume, S. 372, 410 ff. 325 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 509.

312 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

kollisionsrechtlichen Qualifikation durchaus anerkannt, weil sie einen richtigen Beobachtungskern und damit einen ersten Anhaltspunkt für das Qualifikationsproblem bietet.326 Generell stellt sich dabei jedoch das Problem, dass ausländische Rechtsfiguren, die dem nationalen Recht unbekannt sind, aus ihrem Zusammenhang gerissen und einseitig an dem geschlossenen Kreis rechtlicher Erscheinungen des nationalen Rechts gemessen würden. Gerade bei Kollisionsnormen, die einen staatsvertraglichen oder gemeinschaftsrechtlichen Ursprung haben, würde ein Rückgriff auf das Sachrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten jede Einheitlichkeit bei der Anwendung zerstören.327 Es ist deswegen anerkannt, dass dem Kollisionsrecht trotz seiner engen Verknüpfung mit dem jeweiligen materiellen Recht eine gewisse Autonomie bei der Bildung eigener, über die materiellrechtlichen Begriffe hinausgehender Systembegriffe zuzukommen hat.328 Autonom nennt man eine Qualifikation, die sich bei der Auslegung der in den Kollisionsnormen verwandten Begrifflichkeiten nicht an die Maßstäbe des eigenen oder eines fremden materiellen Rechts bindet, sondern stattdessen kollisionsrechtseigene Maßstäbe entwickelt.329 Die kollisionsrechtlichen Rahmenbegriffe müssen dazu meist weiter und offener sein als die entsprechenden Begrifflichkeiten des nationalen materiellen Rechts, um auch die dem inländischen Recht entsprechenden Erscheinungen im Ausland adäquat erfassen zu können.330 Bei Kollisionsnormen gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs folgt die Notwendigkeit der autonomen Qualifikation bereits daraus, dass die Kompetenz der letztverbindlichen Auslegung dem EuGH vorbehalten ist. Dieser kann bei der Auslegung zwar die nationalen Sachrechte rechtsvergleichend einbeziehen. Letztlich führt jedoch kein Weg an einer gemeinschaftsrechtsautonomen Begriffsbildung vorbei.331 Entscheidend sind die Maßstäbe einer autonomen Qualifikation. Der Theorie einer autonomen, vom materiellen Recht emanzipierten Qualifikation wurde insbesondere durch die Arbeit von Ernst Rabel zum Durchbruch verholfen;332 sein Vorschlag, den Sachbereich einer Kollisionsnorm rein durch Rechtsvergleichung zu ermitteln,333 konnte sich in dieser Form jedoch nicht durchsetzen. Gegen die reine rechtsvergleichende Qualifikation wurde zunächst vorgebracht, dass sie schon prak-

326 BGH 29, 137, 139; 44, 121, 124; BGH NJW 1993, 2305, 2306; BGH NJW 1996, 1411, 1414; Neuhaus, S. 123; Kegel/Schurig, S. 337 ff.; Gamillscheg, in: FS Michaelis, S. 79 f.; MünchKommBGB/Sonnenbeger, Einl. IPR, Rn. 509. 327 Vgl. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 330 f.; ders., S. 120; MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 540. 328 BGHZ 47, 324, 332; Kegel/Schurig, S. 339; Kropholler, 16 II 2; Palandt/Heldrich, Einl. v. Art. 3 EGBGB, Rn. 27. 329 Kegel/Schurig, S. 343. 330 Kropholler, § 16 II 2; v. Bar/Mankowski, S. 658. 331 Vgl. v. Bar/Mankowski, S. 657. 332 Vgl. insbesondere Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 ff, 287. 333 Rabel, RabelsZ 5 (1931), 267 f.

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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tisch undurchführbar sei.334 Entscheidend dürfte jedoch sein, dass im Zuge der Rechtsvergleichung zwar tatsächliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen materiellrechtlichen Begriffen verschiedener Rechtsordnungen beobachtet werden können. Jedoch ergibt sich allein aus der Beobachtung dieser Erscheinungen keine Antwort auf die rechtspolitisch zu entscheidende Frage der Qualifikation, also der Frage der Zuordnung und Verteilung der durch Rechtsvergleichung zusammengeführten bzw. voneinander abgegrenzten materiellrechtlichen Begriffe auf die Kollisionsnormen.335 Stattdessen weicht man in Fällen, in denen sich eine Qualifikation nach dem Grundsatz der lex fori als zu eng erweist, auf eine funktionale336 oder teleologische337 Qualifikation aus. Diese Theorie verbindet Elemente der Qualifikation anhand der lex fori mit der rechtsvergleichenden Qualifikation.338 Danach wird der rechtspolitische Maßstab für die Lösung des Qualifikationsproblems aus der Auslegung der Kollisionsnormen anhand der durch sie verfolgten Zwecke gewonnen. Die Interessen, denen die jeweilige Kollisionsnorm dient, sind damit der wichtigste Maßstab für den Inhalt und die Reichweite der verwandten Systembegriffe. Die autonome Begriffsbestimmung orientiert sich an der Funktion oder dem Zweck des in der Verweisungsnorm gewählten Begriffs und vergleicht diesen mit den Funktionen der in Frage stehenden materiellen Rechtsinstitute des ausländischen Rechts.339 Der Wortlaut der Kollisionsnorm kann zwar zur Bestimmung ihres Zwecks herangezogen werden; er kann darüber hinaus aber keine unüberwindbare Grenze für die Einbeziehung von Rechtsinstituten sein, die zwar nicht vom Wortlaut erfasst, unabhängig davon aber funktionsgleich sind. Es ist also zu fragen, ob die betreffende ausländische Rechtsposition ihrer Natur nach Funktionen erfüllt, die mit den Funktionen derjenigen Institute des deutschen Sachrechts vergleichbar sind, die dem deutschen Gesetzgeber bei Erlass von § 17 a DepotG vor Augen standen. Die rechtlichen Abläufe des ausländischen Rechts sind dabei vom Standpunkt des ausländischen Rechts zu würdigen und mit den Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen.340 Geht man davon aus, dass nach der deutschen Kollisionsnorm nur dingliche Berechtigungen erfasst sein sollen, stellt sich unmittelbar die Frage, wann eine dem deutschen Recht fremde Berechtigung als dinglich zu bezeichnen ist. Zur Erklärung und zum Wesen der Dinglichkeit

334

Vgl. Gamillscheg, in: FS Michaelis, 82 f. m.w.N.; v. Hoffmann/Thorn, S. 229. Vgl. v. Bar/Mankowski, S. 650 f.; Kegel/Schurig, S. 345 f.; MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 510. 336 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 514; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 38; Neuhaus, S. 127; v. Hoffmann/Thorn, S. 229. 337 Kegel/Schurig, S. 346 ff.; Neuhaus, S. 129. 338 v. Hoffmann/Thorn, S. 229; Erman/Hohloch, EGBGB, Einl. Art. 3, Rn. 39. 339 Kegel/Schurig, S. 346 ff.; v. Hoffmann/Thorn, S. 230; Kropholler, § 17 I. 340 BGHZ 29, 137, 139; BGH NJW 1967, 1177; BGHZ 47, 324, 332. 335

314 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

existieren zahlreiche Theorien.341 Überwiegend wird ein Recht dann als dinglich angesehen, wenn es dem Inhaber ein unmittelbares und absolutes Herrschaftsrecht an Sachen oder Rechten gewährt, also ein Recht mit Wirkung gegen einen unbestimmten Kreis von Personen.342 Die Wirkungen der Absolutheit äußern sich unter anderem in Herausgabe, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen gegenüber jedermann (sog. umfassender Klageschutz), im grundsätzlichen Schutz vor Verfügungen Nichtberechtigter sowie in der Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzfestigkeit.343 Ein BuACHTUNGREchungsrecht ist als dinglich zu qualifizieren, wenn ihm die anzuwendende ausländische Rechtsordnung diese Wirkungen grundsätzlich zuspricht. (b) Abhängigkeit der Rechtsnatur des Buchungsrechts von ausländischen Rechtsordnungen Allgemein ist also zu klären, wie die Wirkungen der erworbenen Rechtsposition innerhalb des materiellen Rechts am Ort ihrer Verbuchung ausgestaltet und eingeordnet werden. Dazu sind zunächst das rechtliche Grundgerüst des ausländischen nationalen Effektengiroverkehrs und die Wirkungen der Buchungsrechte im Rahmen der Effektenabwicklung zu untersuchen. Die Entscheidung hängt dabei auch wesentlich von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Anleger und seiner Depotbank ab. Wie bei der Einordnung der Buchungen nach deutschem Recht sind auch hier die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich daraus ergeben, dass die der Buchung zugrundeliegenden Effekten nicht bei einer Wertpapiersammelbank im Staat der Endverbuchung, sondern in einem Drittstaat verwahrt werden. Dann ist nämlich zu beachten, dass sich die Depotbank bei der Frage, welche Rechtsposition sie dem Depotinhaber vermitteln kann, selbst im Rahmen der Rechtsposition bewegen muss, die ihr von der übergeordneten Depotbank bzw. von der Wertpapiersammelbank eingeräumt werden.344 Sie kann dem Anleger keine umfassendere Rechtsmacht einräumen, als ihr selbst von der ausländischen Wertpapiersammelbank zur Verfügung gestellt werden.345 Über die Frage, ob in- oder ausländische Anleger eine dingliche Rechtsposition an einem Sammelbestand haben können, muss nach wie vor die Rechtsordnung am Ort der Verwahrung, also die lex rei sitae entscheiden. Diese Teilfrage des Wertpapiersachstatuts kann nicht nach einem PRIMA-Grundsatz ermittelt werden, da sonst möglicherweise unterschiedliche dingliche Rechtspositionen an einem einheitlichen Sammelbestand entstünden. Die einheitliche Sammelverwahrung gebietet insoweit auch eine rechtliche Einheitlichkeit. Auf das Gegenteil deutet zwar der deutsche Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 a) Finanzsicherheitenrichtlinie hin, wonach das nach der Kollisionsnorm anzuwendende Recht auch die Rechtsnatur von im Effektengiro 341

Vgl. Kühne, AcP 140 (1935), 11 ff.; Fabricius, AcP 192 (1963), 467 ff. MünchKommBGB/Rinne, Einl. SachenR, Rn. 4; Brehm/Berger, S. 6 ff. 343 Vgl. zu diesen Kategorien Canaris, in: FS Flume, S. 373 f. 344 Vgl. auch Goode, in: Oditah, S. 121 f.; Benjamin, JIBFL 1998, 86; Schödermeier/Löber/ Wortmann, in: Potok, Rn. 12.52 ff. 345 Ebenso Potok/Moshinsky, JIBFL Special Supplement/September 1998, 14; Moshinsky, JIBFL Special Supplement/September 1998, 21; Dittrich, S. 76. 342

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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übertragbaren Wertpapieren bestimme. Gemeint ist an dieser Stelle aber nur die Rechtsnatur von Sicherheiten an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren.346 Im Ergebnis ergibt sich daraus eine gewisse Spaltung des Wertpapiersachstatus in einen Teil, der weiterhin der lex rei sitae unterstellt ist, und einen anderen Teil, der dem neuen PRIMA-Prinzip folgt.347 Erhält die gutschreibende Depotbank vom ausländischen Sammel- oder Zwischenverwahrinstitut eine lediglich schuldrechtliche Rechtsposition, so kann sie ihrem Depotkunden von vornherein kein dingliches Recht an den zugrundeliegenden Effekten einräumen. In Deutschland könnte eine solche Rechtsposition praktisch nur in Form der Gutschrift in Wertpapierrechnung verbucht werden. § 17 a DepotG wäre auf diese Gutschrift nicht anwendbar. Sofern die gutschreibende Depotbank aber eine dingliche Rechtsposition erlangt, kann sie diese (mit oder ohne eigenen Durchgangserwerb) an ihren Depotkunden weiterreichen. Erwirbt beispielsweise eine ausländische Depotbank für ihren Kunden über Clearstream einen Sammeldepotanteil an in Deutschland verwahrten Effekten, und schreibt sie diesen Anteil ihrem Kunden ohne eigenen Durchgangserwerb gut, so unterliegt diese Verfügung aus Sicht des deutschen Kollisionsrechts der ausländischen Rechtsordnung. Gewährt die Depotbank ihrem Kunden aber nur eine treuhandrechtliche oder sonst schuldrechtliche Rechtsposition, unterliegt jedenfalls die unmittelbar zugunsten des Kunden erteilte Gutschrift nicht § 17 a DepotG. Der Erwerber erhält also nur dann eine dingliche Rechtsposition, wenn das ausländische Sammelverwahrinstitut eine solche gewährt und diese von den zwischenverwahrenden Depotbanken auch weitergereicht wird. Diese Abhängigkeit der Rechtsnatur einer Buchung oder Eintragung vom Recht am ausländischen Belegenheitsort und dem Recht der zwischenverwahrenden Intermediäre liegt im materiellen Recht der beteiligten Staaten und lässt sich durch eine kollisionsrechtliche Vorschrift nicht überwinden.348 Die dingliche Rechtsnatur der Buchung ist Voraussetzung und nicht Folge der Anwendung von § 17 a DepotG. Im Rahmen der Qualifikation der ausländischen Rechtsposition kann sich der Blick damit nicht allein auf das jeweils nationale Sachrecht beschränken, sondern muss jeweils die gesamte materiellrechtliche Ausgestaltung des grenzüberschreitenden Abwicklungsvorgangs berücksichtigen. (c) Tendenz der Annäherung von schuldrechtlichen und dinglichen Rechtskonzepten Eine große Schwierigkeit bei der funktionalen Qualifikation ausländischer Buchungsrechte ergibt sich aus der allgemeinen Tendenz, dass sich im Rahmen der Abwicklung von Wertpapiergeschäften schuldrechtliche und dingliche Rechtskonzepte zunehmend angenähert haben.349 Letztlich sind alle modernen Konzepte durch zwei, 346 347 348 349

Vgl. oben D.IV.3.c)bb); dies verkennt Ege, S. 118. Dazu ausführlich unten D.V.2.d). Ebenso Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 46. Vgl. auch Walz, KritV 1986, 140 ff.

316 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

an sich widersprüchliche Eigenschaften gekennzeichnet: Einerseits kann der Anleger seine Rechtsposition in aller Regel rechtlich oder zumindest praktisch nur gegenüber seinem unmittelbaren Intermediär ausüben. Dies spricht für eine schuldrechtliche Qualifikation. Andererseits kommt der Rechtsposition in der Insolvenz des Intermediärs aber regelmäßig auch ein gewisser dinglicher Schutz in Form eines Aussonderungsrechts oder einem ähnlichen Recht zu. Diese Annäherung wurde gerade an den beiden im deutschen Recht existierenden Berechtigungsformen deutlich. Auf der einen Seite wurden beim sachenrechtlich konzipierten Effektengiroverkehr die Rechtswirkungen, welche die Dinglichkeit einer Rechtsposition begründen, in Abweichung von allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen so weit beschränkt, dass manche die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs auf sachenrechtlicher Grundlage generell in Zweifel ziehen.350 Auf der anderen Seite hat die schuldrechtlich zu qualifizierende Gutschrift in Wertpapierrechnung durch ihre treuhandrechtliche Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzfestigkeit Eigenschaften eines dinglichen Rechts angenommen. Im deutschen Recht ist eine Abgrenzung schuldrechtlicher und dinglicher Rechtspositionen noch möglich, auch wenn dazu eine mitunter ausufernde Argumentation erforderlich ist. Bei einem funktionalen Vergleich mit ausländischen Rechtsinstituten kann diese Verschränkung der jeweiligen Rechtswirkungen zu erheblichen Schwierigkeiten führen.351 Das gilt insbesondere dann, wenn auch die ausländischen Rechtsinstitute eine Zwischenstellung zwischen obligatorischen und dinglichen Rechten einnehmen und sogar als Rechtsposition eigener Art eingeordnet werden. Es wurde dargelegt, dass beispielsweise die Einordnung des US-amerikanischen security entitlements als nach Maßstäben des deutschen Rechts primär schuldrechtliche Rechtsposition keineswegs unumstritten ist.352 Nach der hier vertretenen Auffassung unterfiele ein in den USA gutgeschriebenes security entitlement über in Deutschland verwahrte Wertpapiere nicht § 17 a DepotG, weil der amerikanische Intermediär seinem Kunden das in Deutschland gehaltene Miteigentumsrecht nicht weitergibt.353 Auch eine Gutschrift auf dem Depotkonto eines Anlegers über in den USA verwahrte Wertpapiere, die über eine Kontoverbindung nach § 5 Abs. 4 ACHTUNGREDepotG verbucht werden, unterfiele nicht § 17 a DepotG, weil dem Anleger dabei kein dingliches Recht an den zugrundeliegenden Wertpapieren verschafft wird.354 Häufig macht der Umstand, dass Investoren im Rahmen der intermediären Wertpapierverwahrung ihre Rechtspositionen nur gegen die direkt mit ihnen verbundene Depotbank ausüben können, eine dingliche Qualifikation ausländischen Buchungsrechten fragwürdig. Die Insolvenzfestigkeit der Rechtsposition kann jedenfalls allein nicht ausschlaggebend sein. Rechtsfortbildungen und spezifische materiellrechtliche 350

Insbesondere Einsele, S. 64 ff. Haentjens, S. 257. 352 Oben C.III.3.e). 353 Ebenso MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 183; a.A. aber Dittrich, S. 92 ff.; Gruson, AG 2004, 371. 354 Zum Problem der Aufnahme gegenseitiger Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG zu nicht sachenrechtlich strukturierten Verwahrstrukturen vgl. oben C.II.5.b)cc)(2). 351

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Neuregelungen der intermediären Wertpapierverwahrung lassen die Grenze zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Rechtsposition zunehmend verschwimmen. Eine Kollisionsregel, die auf die Dinglichkeit der verbuchten Berechtigung abstellt, wirft deswegen naturgemäß erhebliche Qualifikationsprobleme auf. Da im Rahmen der deutschen Diskussion um den Anwendungsbereich von § 17 a DepotG zumeist allein auf Buchungen nach deutschem Recht Bezug genommen wurde, hat man diese im materiellrechtlichen Bereich angesiedelte Schwierigkeit oft übersehen. Bei Berechtigungen an Effekten, die innerhalb der EU verbucht werden, wird vereinzelt versucht, das Qualifikationsproblem durch einen Verweis auf den Anwendungszielbereich der Finalitätsrichtlinie zu umgehen. Es wird argumentiert, dass die kollisionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie die herkömmlichen Verwahrund Abwicklungskonzepte innerhalb der EU erfassen wollten; neben der Insolvenzfestigkeit der Rechtsposition sei deshalb ausschlaggebend für die Anwendung von § 17 a DepotG, ob die Rechtsstellung für das betreffende System „maßgeblich“ sei. Ausgeschlossen seien dagegen bloße Hilfskonstruktionen wie die Gutschrift in Wertpapierrechnung.355 Diese Abgrenzung scheint jedoch allzu willkürlich. Die entscheidende Frage nach den Rechtswirkungen eines Buchungsrechts wird dadurch nicht beantwortet. Solange die Kategorien des Kollisionsrechts zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Rechtspositionen unterscheiden, müssen Berechtigungen an Effektenbeständen diesen Kategorien anhand ihrer Rechtswirkungen auch zugeordnet werden. (d) Vorteil einer einheitlichen Anknüpfung für schuldrechtliche und dingliche Rechtspositionen? Eine Antwort des Gesetzgebers auf diese Annäherungstendenzen könnte darin liegen, eine einheitliche Anknüpfungsregel für dingliche und schuldrechtliche Rechtspositionen einzuführen. Dies würde die beschriebene mühselige Abgrenzung auf internationalprivatrechtlicher Ebene ersparen. Gerade auch im Hinblick auf Verfügungen über heterogene Depots, auf denen sowohl dingliche als auch schuldrechtliche Berechtigungsformen verbucht sind, wurde eine einheitliche Anknüpfung befürwortet.356 Ob eine solche einheitliche Anknüpfung tatsächlich zu mehr Rechtsklarheit führen würde, ist indes zu bezweifeln. Denn selbst wenn sicher ist, dass auf eine Buchungsgutschrift beispielsweise deutsches Recht anzuwenden ist, so beantwortet dies nicht die Frage, ob damit das deutsche Sachenrecht oder das Schuld- bzw. Zessionsrecht zur Anwendung kommen soll. Oft mag dies praktisch zwar nicht von Relevanz sein, da Rechtsübertragungen in allen Fällen schlicht durch Umbuchungen vorgenommen werden, ohne dass es auf die rechtliche Deutung ankommt. Auch Verpfändungen laufen nach außen hin gleich ab, indem neben der Verpfändungsabrede vor allem die Anzeige der Verpfändung an die Depotbank erforderlich ist. Die Fragen 355

So Dittrich, S. 90; in diese Richtung auch Ege, S. 127. Reuschle, BKR 2003, 564; ders., RabelsZ 68 (2004), 722; ähnlich auch MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 215; Rentsch, S. 66; Sauer, S. 45. 356

318 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

nach der Rechtsnatur dessen, was der Berechtigte tatsächlich erlangt, nach dem Inhalt dieser Rechtsposition und seinen Wirkungen gegenüber höherstufigen Verwahrern oder Dritten können so aber nicht beantwortet werden. Entscheidend ist dies beispielsweise bei der Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich ist. Dazu ist eine Analyse der beteiligten materiellen Sachrechte bis hin zum Recht am Ort der Sammelverwahrung erforderlich. Eine Vereinfachung kann insoweit nur durch eine Vereinheitlichung des materiellen Rechts geschaffen werden. c) Buchung oder Registereintrag mit rechtsbegründender Wirkung Erforderlich für die Anwendung der Kollisionsnorm ist darüber hinaus, dass die Verfügung über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile mit rechtsbegründender Wirkung in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht wird. Zwar lässt der Wortlaut des ersten Halbsatzes der Norm unklar, ob sich das Erfordernis der Registereintragung oder Verbuchung auf den Verfügungsgegenstand (also Wertpapiere oder Sammeldepotanteile) bezieht oder auf die Verfügung selbst. Der zweite Halbsatz der Norm spricht jedoch von der rechtsbegründenden Eintragung bzw. Buchung unmittelbar zugunsten des Empfängers und macht damit deutlich, dass es gerade im Zuge der Verfügung zu einer Registereintragung oder Kontobuchung kommen muss. Für dieses Verständnis spricht auch ein Vergleich mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie geht davon aus, dass gerade die dingliche Sicherheit in einem Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht wird. Das Gleiche folgt aus der Definition des maßgeblichen Kontos in Art. 2 Abs. 1 h) Finanzsicherheitenrichtlinie. Aus dem Erfordernis einer rechtsbegründenden Registereintragung oder Buchung ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Zum einen ist fraglich, welche Anforderungen an die rechtsbegründende Eigenschaft der Eintragung oder Buchung zu stellen sind. Zum anderen stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der Norm, wenn über intermediär verwahrte Wertpapiere verfügt wird, ohne dass es zu Eintragungen oder Buchungen kommt, beispielsweise im Zuge der Verpfändung von Wertpapieren nach deutschem Recht. aa) Rechtsbegründende Eintragungen oder Buchungen im deutschen Effektengiroverkehr Versteht man die Tatbestandsvoraussetzung der rechtsbegründenden Registereintragung oder Kontobuchung wörtlich, dann wäre § 17 a DepotG als Kollisionsnorm nur dann einschlägig, wenn der Rechtserwerb vorbehaltlich anderer Voraussetzungen erst mit Vornahme der Registereintragung oder Kontobuchung wirksam werden kann. Buchung bzw. Eintragung müssten konstitutiver Bestandteil des Rechtserwerbs sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Rechtserwerb unabhängig von einer Kontobuchung oder Registereintragung wirksam wird. Solche Buchungs- oder Registrierungsakte haben dann nur rechtsbezeugende oder deklaratorische Wirkung hinsichtlich eines bereits eingetretenen Rechtszustandes.

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Die Frage, welches Recht über das Vorliegen der rechtsbegründenden Wirkung zu entscheiden hat, ist eine kollisionsrechtliche Erstfrage. Es liegt nahe, insoweit unselbstständig anzuknüpfen und die Frage dem für das Hauptstatut maßgeblichen Recht zu unterstellen. Maßgeblich ist also das gemäß § 17 a DepotG anzuwendende Recht.357 Ein unzulässiger Zirkelschluss, weil gerade das durch die Anknüpfungsregel berufene Recht über die Anwendungsvoraussetzung der rechtsbegründenden Wirkung zu entscheiden habe,358 liegt darin nicht. Vielmehr ist die unselbstständige Anknüpfung für Erstfragen auch in anderen Zusammenhängen zu beobachten. So gilt das Vertragsstatut auch für das Zustandekommen eines Vertrages, das gewählte Recht für die Wirksamkeit der Rechtswahl selbst,359 das Deliktsstatut für die Deliktsnatur oder das Vollmachtsstatut für die Gültigkeit einer Bevollmächtigung.360 Die Rechtsordnung kommt zum Zuge, weil durch die Buchung oder Registereintragung wenigstens der Anschein ihrer Geltung erweckt wurde. Es ist kein Verstoß gegen die Logik, die endgültige Entscheidung über die Berechtigung einer Qualifikation derjenigen Rechtsordnung zu überlassen, die gegebenenfalls zur Anwendung berufen wäre.361 Mit Blick auf Rechtsübertragungen im Rahmen des Effektengiroverkehrs nach deutschem Recht ist aber sehr strittig, inwieweit die hierbei vorgenommen Buchungen zur Übertragung von Sammeldepotanteilen überhaupt rechtsbegründende Wirkung haben und damit in den Anwendungsbereich der Kollisionsnorm fallen. (1) Buchungen nach § 24 Abs. 2 DepotG Nach deutschem Recht hat eine Depotkontobuchung jedenfalls im Fall des § 24 Abs. 2 DepotG rechtsbegründende Wirkung. Hier begründet gerade der buchungsmäßige Eintrag des Übertragungsvermerks im Verwahrbuch des Kommissionärs den Rechtsübergang, ohne dass weitere Handlungen der beteiligten Parteien notwendig wären.362 Wie bereits dargelegt, ist die praktische Bedeutung dieser Erwerbsvorschrift jedoch äußerst gering. Da sie keinen gutgläubigen Erwerb ermöglicht, werden Wertpapiere im Effektengiroverkehr vorrangig rechtsgeschäftlich nach den §§ 929 ff. BGB übertragen. (2) Rechtsgeschäftliche Übertragung von Sammeldepotanteilen Bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Sammeldepotanteilen nach den §§ 929 ff. BGB wird die Umbuchung durch die Wertpapiersammelbank als Ausdruck der Annahme des dinglichen Einigungsangebots und der Umstellung des Besitzmitt357

Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, 135. So Einsele, WM 2001, 2421; ähnlich Moshinsky, JIBFL Special Supplement/September 1998, 21. 359 MünchKommBGB/Martiny, Art. 27 EGBGB, Rn. 101. 360 Rabel, RabelsZ 5 (1931), 268. 361 Vgl. dazu auch v. Bar/Mankowski, S. 627. 362 Baumbach/Hopt/Hopt, § 24 DepotG, Rn. 2. 358

320 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

lungswillens zugunsten der Depotbank des Erwerbers gesehen. Die weiteren Buchungen der Depotbanken drücken deren Willen aus, den Besitz an den Sammeldepotanteilen zugunsten ihrer Kunden zu vermitteln. Es wurde häufig vorgebracht, dass diese Buchungen streng genommen lediglich rein deklaratorischer Natur hinsichtlich der Rechtsübertragung seien. Ihnen komme keine per se rechtsbegründende Wirkung zu, da sie nicht die Änderung des Besitzmittlungswillens begründen, sondern lediglich den geänderten Besitzmittlungswillen nach außen hin verlautbaren.363 Buchungen im Rahmen des normalen Effektengiroverkehrs unterfielen deswegen nicht § 17 a DepotG. Unbestritten ist demgegenüber, dass auch eine eventuelle Eintragung des Erwerbers von Namensaktien im Aktienregister gemäß § 67 AktG keine rechtsbegründende Funktion für den Erwerb der Aktie hat, sondern nur die Aktionärsstellung gegenüber der Emittentin belegt.364 Beließe man es dabei, hätte die Norm außerhalb des praktisch bedeutungslosen und auch nur im Wege einer Analogie erfassten § 24 Abs. 2 DepotG keinen nennenswerten Anwendungsbereich.365 Selbst bei Verfügungen über sammelverwaltete Wertrechte wäre die Vorschrift dann nicht anwendbar. Diese werden zwar durch Eintrag im Bundesschuldbuch begründet,366 jedoch folgt ihre Übertragung wegen der beschriebenen gesetzlichen Gleichstellung mit verbrieften Rechten den für diese geltenden allgemeinen Grundsätzen. Sie werden dementsprechend nicht durch Umschreibung im Bundesschuldbuch, sondern durch Einigung und Besitzumstellung durch die Wertpapiersammelbank gemäß §§ 929 ff. BGB übertragen.367 Ein solches wortgetreues Verständnis stünde zwar formal im Einklang mit der deutschen Fassung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie, der ebenfalls auf die rechtsbegründende Wirkung der Registereintragung oder Kontobuchung abstellt. Das Resultat wäre jedoch sehr unbefriedigend, weil es zum einen dem Willen des deutschen Gesetzgebers widerspräche, der gerade Verfügungen nach §§ 929 ff., 1204 ff. BGB von § 17 a DepotG erfasst wissen wollte.368 Zum anderen würde das Sachproblem, nämlich die Schaffung einer modernen Kollisionsregel für Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere, bereits im Ansatz verfehlt. Dies gilt auch deswegen, weil es auch nach dem Sachrecht der meisten anderen Mitgliedstaaten der EU zweifelhaft ist, inwieweit den dortigen Kontobuchungen rechtsbegründende Wirkung zu363 Vgl. Einsele, WM 2001, 15; dies., WM 2001, 2422; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 720; Herring/Cristea, ZIP 2004, 1633; Kümpel, Rn. 11.436 ff.; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/ Schnyder, Teil L, Rn. 186. 364 Hüffer, § 68, Rn. 3; MünchKommAktG/Bayer, § 67, Rn. 36. 365 So in der Tat Einsele WM 2001, 15; dies., WM 2001, 2421 f.; Than, in: FS Kümpel, S. 553; Baumbach/Hopt/Hopt, § 17 a DepotG, Rn. 1; Reuschle, IPRax 2003, 498; Rentsch, S. 64; Bintz, S. 148 f. 366 Büchner, S. 157; Zahn/Kock, WM 1999, 1956; a.A. aber MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 182, der der Eintragung von Clearstream in Bundesschuldbuch lediglich eine Legitimationswirkung zuerkennen will. 367 Schefold, IPRax 2000, 475; MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 182. 368 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks 14/1539, S. 15.

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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kommt.369 Zur Lösung bieten sich für das deutsche Recht auf den ersten Blick zwei Wege an: Zum einen kann man den Buchungen im Effektengiroverkehr nach deutschem Sachrecht bei genauerer Untersuchung doch eine, wenn auch reduzierte rechtsbegründende Funktion beimessen. Zum anderen wird im Vergleich von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie mit anderen Sprachfassungen der Norm fraglich, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber überhaupt das Erfordernis einer konstitutiven Registereintragung oder Buchung aufstellen wollte. (a) Rechtsbegründende Eigenschaft der Buchungen im deutschen Effektengiroverkehr Es wurden beträchtliche Zweifel an der These vorgebracht, wonach den Depotbuchungen im Rahmen des deutschen Effektengiroverkehrs keine im eigentlichen Sinne rechtsbegründende Wirkung beigemessen werden könne. Denn gerade durch diese Buchungen würden die Umstellung, Aufgabe oder Begründung des Besitzmittlungswillens durch die Wertpapiersammelbank und die beteiligten Depotbanken vollzogen. Die Buchungen dokumentierten damit nicht lediglich einen bereits vorher abgeschlossenen Rechtserwerb. Vielmehr trete der Rechtserwerb gerade mit der Buchung ein. Der Erwerber weise sich darüber hinaus im Rechtsverkehr allein durch die Kontobuchung als (Mit-)Eigentümer des Sammelbestandes aus.370 Aufgrund dieser tatsächlichen Funktion könne man Depotkontobuchungen im deutschen Effektengiroverkehr unabhängig von der rechtsdogmatischen Konstruktion durchaus als konstitutiv qualifizieren.371 Dieser durchaus zutreffenden Überlegung ist ein weiterer Aspekt hinzuzufügen: Es ist anerkannt, dass zur Begründung des mittelbaren Besitzes nicht nur die bloße Existenz eines Besitzmittlungsverhältnisses und der entsprechende Besitzmittlungswille erforderlich sind; der Besitzmittlungswille muss darüber hinaus zumindest dem mittelbaren Besitzer aus dem Verhalten des Besitzmittlers erkennbar sein.372 Innerhalb der Besitzkette wird der Besitzmittlungswille der Wertpapiersammelbank und den zwischenverwahrenden Depotbanken aber allein durch die entsprechenden Buchungen für den jeweiligen mittelbaren Besitzer erkennbar. Sofern die Wertpapiersammelbank bzw. eine zwischengeschaltete Depotbank also den Besitzmittlungswillen zugunsten eines Kontoinhabers begründet oder umstellt, dieses aber nicht nach außen durch eine entsprechende Buchung erkennbar werden lässt, kommt es auch nicht zum Rechtserwerb des Empfängers. Unter diesem Blickwinkel ist die Depotkontobuchung ein konstitutiver Bestandteil für den Rechtserwerb und insofern rechtsbegründend.373 369

Ausführlich Einsele, WM 2001, 15 f.; dies., WM 2001, 2422. Keller, BKR 2002, 351 f. 371 Horn, in: FS Hadding, S. 898 f.; i.E. auch Schefold, IPRax 2000, 475 f. 372 BGH NJW 1964, 398; Westermann, S. 119; Staudinger/Bund, § 868, Rn. 25; Palandt/ Bassenge, § 868, Rn. 6; MünchKommBGB/Joost, § 868, Rn. 17; vgl. auch Siebert, S. 135 ff. 373 In diesem Sinne auch FK-InsO/Wimmer, Anh. III nach § 358, Rn. 22; Keller, WM 2000, 1281; Kümpel, Rn. 11.440; kritisch MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 181, wonach dadurch das Ziel der Vorschrift verfehlt werde, nämlich die Anwendung des Rechts am 370

322 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Eine so verstandene rechtsbegründende Eigenschaft der Depotkontobuchungen im Rahmen des deutschen Effektengiroverkehrs würde es erlauben, alle dinglichen Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren als Verfügungsgegenstände zu erfassen. Jedenfalls mit Blick auf das deutsche Recht wäre damit ein sinnvoller und vom Gesetzgeber auch ins Auge gefasster Anwendungsbereich der Kollisionsnorm sichergestellt. Jedoch bestünde mit Blick auf ausländische dingliche Rechtskonstruktionen die Gefahr, dass die Kollisionsnorm bei einer derart konstruktivistischen Auslegung für nicht anwendbar erklärt werden könnte, weil eine Buchung auch insoweit nicht rechtsbegründend ist. Beließe man es bei den obigen Überlegungen, so würde man sich bei der Auslegung des Begriffs der rechtsbegründenden Wirkung einseitig an den Vorgaben des nationalen materiellen Rechts orientieren und damit möglicherweise ausländische Rechtskonzepte ausklammern, die nach dem Sinn und Zweck der Norm erfasst werden sollten. Die Kollisionsregel will das Prinzip der lex rei sitae als Wertpapiersachstatut für intermediär verwahrte Wertpapiere ablösen. Die rechtliche Qualität einer Buchung sollte dabei an sich keinen Unterschied machen. Letztlich stellt sich die Frage, ob die rechtsbegründende Wirkung der Buchung oder Eintragung nach dem Sinn und Zweck der Norm und den Vorstellungen des Normgebers überhaupt entscheidungserheblich sein sollte. (b) Vergleich der Sprachfassungen von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie Der Gedanke, dass es auf die rechtliche Qualität der Depotkontobuchung, jedenfalls aber auf ihre rechtsbegründende Eigenschaft nicht ankommt, lässt sich auf den Vergleich der deutschen Fassung von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie mit anderen Sprachfassungen stützen. Es bestehen in der Tat beträchtliche Zweifel daran, ob die Formulierung überhaupt adäquat ins Deutsche übertragen worden ist. Die entsprechenden Formulierungen anderer Fassungen würde man im Deutschen nämlich nicht mit dem Erfordernis einer rechtsbegründenden Eintragung bzw. Verbuchung wiedergeben, sondern eher einer rechtmäßigen oder gesetzmäßigen Eintragung.374 Es spricht deshalb einiges dafür, dass Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie entgegen seines deutschen Wortlautes keine im eigentlichen Sinne rechtsbegründende Eintragung oder Verbuchung voraussetzen wollte, sondern insoweit lediglich falsch ins Deutsche übersetzt wurde.375 Für diese Interpretation spricht auch Erwägungsgrund (19) FinaVerbuchungsort zugunsten des Anlegers; zur Begründung wird vorgebracht, dass allein der Umbuchung durch Clearstream die Bedeutung der Verlautbarung des Eigentumsübertragungswillens zukomme; dieser Einwand greift aber nicht für die hier entscheidende Entäußerung des Besitzmittlungswillens, die auf jeder Ebene der Verwahrkette erkennbar werden muss. 374 Die entsprechende Formulierung in Art. 9 Abs. 2 RL 98/26/EG lautet in der englischen Version: „ (…) is legally recorded on a register, account or centralized deposit system (…)“; in der französischen Version: „(…) est inscrit lgalement dans un registre, un compteau auprs dun systme de dpt centralis (…)“ ; in der spanischen Version: „(…) se inscriba legalmente en un registro, cuenta o sistema de deposito centralizado (…)“; in der italienischen Version: „(…)  legalmente registrato in un libro contabile, conto o sistema di deposito accentrato (…)“. 375 So auch Einsele, WM 2001, 2419; Franz, S. 101 ff.; Herring/Cristea, ZIP 2004, 1632; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 30, Rn. 303.

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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litätsrichtlinie, der auch in der deutschen Fassung betont, dass Art. 9 Abs. 2 nur für ein Register, Konto oder zentrales Verwahrsystem gilt, welches die Berechtigung an den Wertpapieren belegt. Danach würde § 17 a DepotG alle Verfügungen über Effekten erfassen, die rechtoder gesetzmäßig in einem Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, und zwar unabhängig von der rechtlichen Bedeutung der Eintragungen oder ACHTUNGREBuchungen. Es wurde deshalb vertreten, das Merkmal „rechtsbegründend“ hätte letztlich überhaupt keine eigenständige Bedeutung und müsste schlicht überlesen werden.376 Auch nach dieser Auslegung wären alle Formen der Übertragung von Wertpapieren im Rahmen des Effektengiroverkehrs nach deutschem Recht erfasst. Auch ausländische Formen der Übertragung von Wertpapieren, bei denen es zu einer Verbuchung oder Registereintragung kommt, würden problemlos unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Gleichwohl ist eine solche Auslegung fragwürdig. Denn wenn man dem Anknüpfungsmerkmal „rechtsbegründend“ überhaupt keine eigenständige Bedeutung beimisst, wäre schwer zu begründen, warum beispielsweise Verfügungen über sonderverwahrte Namensaktien nicht erfasst sein sollten, wenn der Erwerber durch eine rechtmäßige Eintragung in das Aktienregister aufgenommen wird.377 Zumindest die Funktion eines Ausschlusses sonderverwahrter Effekten aus dem Anwendungsbereich der Norm müsste dem Merkmal der Eintragung oder Verbuchung nach dem Sinn und Zweck der Norm sowie nach der Intention des Normgebers zukommen. (c) Funktionale Bedeutung der Eintragung oder Buchung Eine solche Ausschlussfunktion hinsichtlich sonderverwahrter Effekten kommt dem Erfordernis der Eintragung oder Verbuchung der Verfügung nur zu, wenn die ACHTUNGRERegistereintragung oder Kontobuchung die Verschaffung des tatsächlichen oder mittelbaren Besitzes an konkret individualisierbaren Stücken ersetzt. Denn nur dann handelt es sich um eine Übertragung von Rechten an intermediär verwahrten Wertpapieren, deren kollisionsrechtliche Behandlung die beschriebenen Schwierigkeiten hervorruft und von § 17 a DepotG erfasst werden sollte. Der Verweisungsgegenstand des § 17 a DepotG und der einschlägigen europäischen Vorgaben versucht, die international gängigen Praktiken des Effektengiroverkehrs auf sachenrechtlicher Basis zu erfassen und einer modernen Anknüpfungsregel zu unterwerfen; andererseits soll die Norm aber auch ausreichend Filterwirkung gegenüber auszuschließenden Formen der Sonderverwahrung von Effekten entfalten. Entscheidendes Kennzeichen von Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere ist, dass sie ohne die physische Übergabe der Urkunden vonstatten gehen. Die Rechtsübertragung wird stattdessen mittels Registereinträgen und Kontobuchungen 376

So Franz, S. 112. Für die Anwendung der Norm auf Verfügungen über sonderverwahrte Namensaktien deshalb Franz, S. 112. 377

324 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

bewerkstelligt.378 Deren rechtliche Einordnung ist in der deutschen und wohl auch in anderen Rechtsordnungen unklar. Im deutschen Recht resultiert dies daraus, dass der Effektengiroverkehr gesetzlich nicht eindeutig beschrieben ist. Stattdessen dient die Buchung nur als ein nach außen tretendes Kennzeichen eines gedanklich konstruierten Übergabesurrogats. Jedoch ist eine Aussage über die rechtliche Qualität der Einträge und Buchungen auch nicht erforderlich. Nach dem Zweck der Kollisionsnorm muss vielmehr entscheidend sein, ob die Buchungen und Registereintragungen im Rahmen der Rechtsübertragung eine die physische Bewegung von Effektenurkunden ersetzende Funktion erfüllen.379 Gerade am deutschen Recht wird deutlich, dass eine solche Funktion grundsätzlich unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Buchungen oder Eintragungen möglich ist. Dieser funktionale Ansatz wird gerade auch von den Erwägungsgründen der Finalitätsrichtlinie gestützt. Danach kann die Funktion der jeweiligen Registereintragungen und Kontobuchungen insbesondere darin liegen, die Rechtsinhaberschaft gegenüber jedermann zu belegen.380 Auch Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie soll anwendbar sein, sofern die Rechte des Sicherungsnehmers durch Registereintrag oder Buchung nachgewiesen werden.381 Beide Richtlinien stellen damit nicht auf die rechtliche Wirkung von Eintragungen und Buchungen im Rahmen der Rechtsübertragung ab, sondern auf ihre rein tatsächliche, funktionale Bedeutung. Ein davon abweichendes Verständnis für den Verweisungsgegenstand in § 17 a DepotG stünde damit jedenfalls innerhalb ihres Anwendungsbereiches im Widerspruch zu den beiden Richtlinien.382 Diese Überlegung stützt damit die anhand eines Vergleichs der verschiedenen Sprachfassungen aufgestellte These, dass es sich bei dem Wort „rechtsbegründend“ um eine jedenfalls unglückliche Übersetzung der Richtlinie ins Deutsche handelt. Sie geht jedoch über die bislang gezogenen Schlüsse hinaus, indem sie das Merkmal der rechtsbegründenden Wirkung nicht ersatzlos wegfallen lässt, sondern mit dem Abstellen auf die Funktion der Registereintragung oder Buchung ein brauchbares Abgrenzungsinstrument zur Lösung des Qualifikationsproblems an die Hand gibt. Bei dieser funktionalen Betrachtung wären mit Blick auf das deutsche Recht die Buchungen im Rahmen des Effektengiroverkehrs erfasst, nicht aber Eintragungen in das Aktienregister gemäß § 67 AktG, da diese gerade keine Funktion bei der eigentlichen Übertragung von Effekten erfüllen.

378

Ebenso Dittrich, S. 99 ff. Ähnlich MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 222, 246. 380 Erwägungsgrund (19) RL 98/26/EG. 381 Vgl. Art. 2 Abs. 1 g) RL 2002/47/EG. 382 I.E. auch Herring/Cristea, ZIP 2004, 1633; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/ Schnyder, Teil L, Rn. 186; Haubold, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 30, Rn. 304. 379

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bb) Verfügungen ohne Buchung oder Registereintrag Es wurde festgestellt, dass § 17 a DepotG nach seinem Wortlaut nur dann anwendbar ist, wenn sich der Rechtserwerb mittels einer die tatsächliche Übergabe individueller Wertpapierurkunden ersetzenden Registereintragung oder Buchung vollzieht. Im Anschluss daran stellt sich unmittelbar die Frage, ob die Vorschrift auch auf eine Verfügung anwendbar ist, die ausnahmsweise ohne Eintragung oder Buchung vonstatten geht. Im deutschen Recht können die auf einem Depotkonto verbuchten Werte beispielsweise gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB (sicherungs-)übereignet werden. In diesem Fall mittelt der Veräußerer dem Erwerber den Besitz, wobei es einer Umbuchung der Werte nicht bedarf. Auch bei einer Verpfändung des Depots nach den §§ 1205 ff. BGB werden die Wertpapiere in der Regel nicht umgebucht.383 Die Depotbank des Verpfänders versieht dessen Depotkonto lediglich mit einem Sperrvermerk und teilt dies dem Pfandgläubiger mit. Bei einer Teilverpfändung des Guthabens wird üblicherweise ein Unterkonto auf den Namen des Verpfänders errichtet, verpfändet und mit einem Sperrvermerk versehen.384 Der Sperrvermerk hat für die Pfandrechtsbestellung selbst keine rechtliche Bedeutung und kann wohl nicht als Buchung zugunsten des Verfügungsbegünstigten angesehen werden.385 Nach dem Wortlaut der Vorschrift wären solche Verfügungen mangels Buchung oder Registereintragung nicht erfasst. Auch die Vorgaben der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie gehen nach ihrem Wortlaut davon aus, dass die einschlägigen Verfügungen in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden. Für die analoge Anwendung der Kollisionsnorm auf solche Verfügungen sprechen im Wesentlichen zwei Aspekte: Zum einen treten die Schwierigkeiten des Belegenheitsprinzips bei Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere auch und gerade bei Bestellungen dinglicher Sicherheiten an Wertpapieren auf, da diese außerhalb der institutionalisierten Abwicklungssysteme stattfinden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung nimmt deshalb ausdrücklich auf die Verpfändung von Anteilen an Wertpapiersammelbeständen Bezug, freilich ohne darauf einzugehen, dass diese in der Praxis ohne eine Kontobuchung vollzogen werden.386 Zum anderen wollen die kollisionsrechtlichen Vorgaben der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie gerade ausschließlich dingliche Sicherungsrechte an Effekten erfassen. Gerade die Finanzsicherheitenrichtlinie betont, dass es dabei auf die Technik, nach der Sicherungsrechte bestellt werden, also ob beschränkt dingliche Rechte eingeräumt oder die Werte zum vollen Recht übertragen werden, nicht ankommen soll.387 Auch wenn der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften darauf schließen lassen mag, so wäre es doch sehr erstaunlich, wenn die Richtlinien „buchungslose“ Sicherheiten ge383 Anders nur bei einer Verpfändung zwischen zwei Depotkunden von Clearstream: hier ist gem. Nr. 43 AGB Clearstream ausnahmsweise eine Umbuchung der Werte vorgesehen. 384 Vgl. oben C.II.3.a). 385 Dittrich, S. 103. 386 BT-Drucks. 14/1539, S. 15 f. 387 Vgl. Art. 2 Abs. 1 a) RL 2002/47/EG.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

nerell ausschließen wollten. Solche Sicherungsrechte finden sich nämlich nicht nur im deutschen Recht, sondern auch in den Rechtsordnungen zahlreicher anderer Mitgliedstaaten.388 Man ist deswegen übereinstimmend der Ansicht, dass § 17 a DepotG analog auf die Fälle anzuwenden sei, in denen dingliche Sicherheiten an intermediär verwahrten Wertpapieren ohne Registereintrag oder Buchung bestellt werden.389 Gerade aufgrund der eindeutigen Zielrichtung der europäischen Vorgaben und der identischen Interessenlage ist dem zuzustimmen. Rechtfertigen ließe sich dies zusätzlich durch den Gedanken, dass obwohl keine Buchungen oder Registereintragungen die Verfügung selbst dokumentieren, allein die fortbestehende Gutschrift auf dem Wertpapierkonto zugunsten des Verfügenden das tatsächliche Bestehen und den Umfang der Berechtigung des Verfügungsbegünstigten am Effektenbestand belegt.390 Natürlich ergeben sich daraus Auswirkungen auf die Frage der Bestimmung des anzuwendenden Rechts, da die Vorschrift hierzu gerade auf den Staat der Registeraufsicht oder den Ort des kontoführenden Intermediärs abstellt. Dies bedarf der weiteren Untersuchung.391 d) Bestimmung der Reichweite von § 17 a DepotG aa) Prinzip der rechtlichen Einheitlichkeit eines Sammelbestandes Man geht überwiegend bewusst oder unbewusst davon aus, dass das neue Anknüpfungskonzept das Prinzip der lex rei sitae als Wertpapiersachstatut für bestimmte Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren vollständig ablöst und damit auch den Inhalt der dinglichen Berechtigung und ihre einzelnen Wirkungen bestimmen muss.392 Soweit dies überhaupt begründet wird, verweist man auf die Einheitlichkeit des Wertpapiersachstatus. Danach sei es schwer möglich, ein der inländischen Rechtsordnung unbekanntes, wenn auch dinglich zu qualifizierendes, ausländisches Rechtsinstitut nach den inländischen sachrechtlichen Vorschriften zu übertragen.393 Andere verweisen auf die insoweit angeblich eindeutigen europarechtlichen Vorgaben.394 Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch die Frage, ob beispielsweise eine in Deutschland gemäß § 5 Abs. 4 DepotG gutgeschriebene dingliche Rechtsposition an auslandsverwahrten Effekten tatsächlich völlig unabhängig vom Recht am Ort der Verwahrung als Miteigentumsanteil an einem Wertpapiersammelbestand ausgestaltet werden kann. Bereits der Umstand, dass nicht das deutsche Recht allein darüber 388

Guynn/Marchand, in: van Houtte, Rn. 3.02. Dittrich, S. 102 f.; Franz, S. 114. 390 Dittrich, S. 103. 391 Vgl. unten D.V.4.a). 392 Vgl. Keller, WM 2000, 1274; Löber, BKR 2002, 602; Than, in: FS Kümpel, S. 552; Reuschle, RabelsZ 58 (2004), 755; Mahler, S. 195. 393 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Teil L, Rn. 197 f., die aber gleichwohl die Ausübung der Rechtsposition gegenüber dem Zentralverwahrer nur in dem von der lex rei sitae gezogenen Rahmen zulassen wollen. 394 Saager, S. 150. 389

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entscheiden kann, ob durch eine derartige Gutschrift überhaupt ein dingliches Recht verbucht wird, sondern dass dies von der rechtlichen Ausgestaltung der Sammelverwahrung am Belegenheitsort abhängt,395 deutet an, dass intermediär verwahrte Wertpapiere in sachenrechtlicher Hinsicht nicht vollständig dem Recht am Ort ihrer Verbuchung unterliegen können. Es wäre bereits widersprüchlich, die ausländische Rechtsordnung über die Frage der Entstehung eines dinglichen Rechts mit entscheiden zu lassen, die genaue Ausgestaltung des Rechts und seine Wirkungen im Einzelnen dann aber dem Recht am Ort der Kontobuchung zu unterwerfen.396 Eine Regel, wonach das Recht am Ort der Verbuchung eigenständig darüber entscheiden könnte, ob damit ein dingliches Recht an einem im Ausland verwahrten Sammelbestand verschafft wird und welchen Inhalt es hat, wäre nicht tragbar, da sonst verschiedenste dingliche Rechte unterschiedlicher Rechtsordnungen an einem einheitlichen Sammelbestand bestünden.397 Die rechtliche Einheit eines in tatsächlicher Hinsicht vereinheitlichten Sammelbestandes fungibler Effekten ist jedoch eine Grundvoraussetzung für den Effektengiroverkehr.398 Teile eines einheitlichen Sammelbestandes verschiedenen Rechtsordnungen zu unterwerfen, die dem Sammelverwahrer selbst nicht bekannt sind, wäre weder praktisch realisierbar noch rechtlich zu bewältigen.399 Dies wird gerade am Beispiel der deutschen Girosammelverwahrung deutlich, deren rechtliche Erfassung ein hohes Maß an Rechtskonstruktivismus erfordert. Die Einwirkung ausländischer Sachenrechte würde sich damit nur schwer vertragen. Beispielsweise muss es sich allein nach deutschem Recht richten, ob dingliche Herausgabeansprüche direkt gegen den Sammelverwahrer geltend gemacht werden können, auch wenn die Werte auf einem ausländischen Depotkonto verbucht sind. Aufgrund des Erfordernisses der rechtlichen Einheit eines Sammelbestandes und der daran bestehenden Rechte muss der Sammelbestand weiterhin in einem bestimmten Umfang einem einheitlichen Recht unterliegen, das von der Kollisionsnorm des § 17 a DepotG unberührt bleiben muss. Dieses einheitliche Recht ist weiterhin das Recht am Belegenheitsort des Sammelbestandes. bb) Verhältnis zwischen Belegenheitsrecht und Buchungsrecht Das Verhältnis zwischen dem Recht am Ort der Verwahrung und dem am Ort der Verbuchung der Werte ist völlig ungeklärt. Eine solche Abgrenzung soll im Folgenden versucht werden. Als Richtlinie muss hierbei gelten, dass der lex rei sitae weiterhin alle diejenigen Aspekte des Wertpapiersachtstatuts unterliegen, die aus Gründen der rechtlichen Einheit des Sammelbestandes nicht dem Recht am VerbuchungsACHTUNGREort unterworfen werden können.

395 396 397 398 399

Vgl. oben D.V.2.b)cc)(2)(b). Allgemein MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 93. Vgl. Verhagen, EBLR 11 (2000), 117 ff. So auch Dittrich, S. 95. Haubold, RIW 2005, 659.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Danach unterliegt der lex rei sitae weiterhin die Frage, ob die Depotinhaber überhaupt dingliche (Miteigentums-)Rechte am Sammelbestand haben können, oder ob allein der Zentralverwahrer rechtlicher Eigentümer der Urkunden ist. Darüber hinaus bestimmt das Belegenheitsrecht weitgehend den Inhalt, den eine dingliche Rechtsposition des Anlegers haben kann. Insbesondere unterliegen ihm die Rechte, die ein Anleger gegen den Sammelverwahrer selbst geltend machen kann (insbesondere die aus einem Eigentumsrecht resultierenden Herausgabeansprüche gegen den Sammelverwahrer) sowie die Ausgestaltung des Verhältnisses der Mitberechtigten untereinander. Diese Rechte werden in der Regel durch spezielle gesetzliche Vorschriften, wie zum Beispiel dem deutschen Depotgesetz ausgestaltet.400 Werden auf einem inländischen Wertpapierkonto also auslandsverwahrte Werte gutgeschrieben, die über § 5 Abs. 4 DepotG in die internationalisierte Girosammelverwahrung einbezogen wurden, so erhält der Anleger kein deutsches Miteigentum, sondern er erwirbt lediglich die vom ausländischen Recht am Ort der Verwahrung gewährte und inhaltlich ausgestaltete dingliche Rechtsposition. § 17 a DepotG lässt den Inhalt der ausländischen Rechtsposition unberührt. Es werden also in gewisser Weise ausländische Rechtspositionen in das deutsche Sachenrecht importiert, so dass manche eine gewisse Parallele zum Institut des Statutenwechsels erkennen.401 Hier wie dort stellt sich die Frage, wie eine ausländische dingliche Rechtsfigur im Inland zu behandeln ist. Bei einem Statutenwechsel können gemäß Art. 43 Abs. 2 EGBGB abschließend begründete ausländische dingliche Rechte nicht im Widerspruch zum neuen Sachstatut ausgeübt werden. Vielmehr richtet sich die Ausübung nach den funktionsäquivalenten deutschen Sachrechtstypen.402 Anders als beim Statutenwechsel befinden sich die sammelverwahrten Wertpapiere jedoch weiterhin im Ausland. Dingliche Rechte an der Sache selbst, insbesondere Herausgabeansprüche gegen den Sammelverwahrer oder Ansprüche gegen andere Miteigentümer, können deswegen meist auch nur im Ausland geltend gemacht werden. Demgegenüber unterliegen die Rechtswirkungen des dinglichen Rechts im Inland weitgehend dem Recht am Buchungsort, wie sogleich dargelegt wird. Der inländische numerus clausus der Sachenrechte steht der Innehabung eines ausländischen Sachrechts solange nicht entgegen, wie es im Inland nicht ausgeübt wird.403 Es besteht folglich kein Bedürfnis für eine „nostrifizierte“ Ausübung des ausländischen Rechts. Die Parallele zur Figur des Statutenwechsels ist damit eher irreführend. Das Problem, dass die ausländische Rechtsposition dem inländischen Recht unbekannt sein könnte, wird im Übrigen dadurch entschärft, dass § 5 Abs. 4 DepotG für die Einbeziehung auslandsverwahrter Effekten in den inländischen Effektengiroverkehr eine dem Inlandsrecht vergleichbare Rechtsposition im Ausland verlangt. Am Erfordernis einer solchen Vergleichbarkeitsprüfung ist trotz § 17 a DepotG festzuhalten. 400

Vgl. Verhagen, EBLR 11 (2000), 117. Dies betont insbesondere Dittrich, S. 96; allg. zum Statutenwechsel Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 352. 402 MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 6. 403 v. Bar, Rn. 761. 401

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Das nach § 17 a DepotG anzuwendende Recht bestimmt demgegenüber die Voraussetzungen für eine wirksame Verfügung über ein ausländisches dingliches Recht. Eine Verfügung über einen Sammelbestandsanteil nach einer fremden Rechtsordnung beeinträchtigt weder die Natur der Anteilsgemeinschaft noch die grundsätzliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Mitberechtigten untereinander. Sie ist damit vereinbar mit dem Bedürfnis der rechtlichen Einheit des Sammelbestandes. Diese Trennung könnte man am Wortlaut von § 17 a DepotG festmachen, der nur von Verfügungen, und nicht wie Art. 43 Abs. 1 EGBGB, allgemein von Rechten an Sachen spricht.404 Dass der Anwendungsbereich der Vorschrift gleichwohl nicht auf Fragen der dinglichen Übertragung von Rechten beschränkt ist, sondern in gewissem Umfang auch Inhalt und Wirkung der verbuchten Rechte erfasst, erfordert schon die richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift. Denn Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie spricht allgemein von den Rechten des Anlegers, meint damit allerdings nur dingliche Sicherungsrechte. Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie nennt nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis darüber hinaus ausdrücklich Rechtsnatur und dingliche Wirkungen dinglicher Sicherungsrechte gegenüber Dritten. Es erscheint in der Tat nicht zwingend erforderlich, dass dingliche Sicherungsrechte an einzelnen Anteilen des Sammelbestandes zwangsweise dem gleichen Recht wie der Sammelbestand selbst unterliegen. Sie werden praktisch nicht in Form der Geltendmachung von Herausgabeansprüchen gegenüber dem Sammelverwahrer verwirklicht, sondern beispielsweise durch das Recht, die zwischenverwahrende Depotbank zur Umbuchung anzuweisen.405 Generell haben sich viele Wirkungen einer dinglichen Berechtigung an Effekten durch die besonderen materiellrechtlichen Eigenheiten der intermediären Wertpapierverwahrung vom Lageort zum letztendlichen Verbuchungsort verschoben. Innerhalb der Verwahrkette kann ein Anleger oder Sicherungsnehmer sein Recht praktisch nur gegenüber dem mit ihm unmittelbar verbundenen Intermediär geltend machen. Auch Dritte, die auf das Vermögen des Depotinhabers zugreifen wollen, müssen sich in aller Regel an die Depotbank halten, die für den Schuldner das Depotkonto führt. Ein Zugriff auf die Rechtspositionen eines Anlegers auf einer höheren Verwahrstufe (sog. upper-tier attachment) ist in den meisten Verwahrsystemen bereits praktisch ausgeschlossen, da die Intermediäre die Werte ihrer Depotkunden auf den höheren Verwahrstufen ungetrennt voneinander halten. Auch die Abwehrmöglichkeiten des Eigentümers intermediär verwahrter Wertpapiere gegen den Zugriff Dritter auf das allgemeine Vermögen eines höherrangigen Intermediärs im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzfall mögen zwar rechtlich am Ort der Verwahrung oder eventuellen Zwischenverbuchung bestehen; praktisch sind aber auch diese Rechte nur über die zwischenverwahrenden Intermediär durchsetzbar, da nur diese in den Unterlagen der jeweils nächsthöheren Intermediäre geführt werden. Die praktisch entscheidenden Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten liegen damit am Ort der

404

So Dittrich, S. 76. Vgl. zur Verwertung von Pfandrechten an Sammeldepotanteilen im deutschen Recht oben C.II.3.c). 405

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Verbuchung und nicht am Ort der Verwahrung der Werte.406 Es spricht deswegen nichts dagegen, diese Wirkungen eines dinglichen Rechts auch dem Recht am Ort der Verbuchung zu unterwerfen. § 17 a DepotG erfasst damit auch die Rechtsnatur von dinglichen Sicherungsrechten an Anteilen an intermediär verwahrten Wertpapieren, die Voraussetzungen für ihre Bestellung und ihren jeweiligen Inhalt. Wenn sich ein dingliches Sicherungsrecht im Einzelfall doch durch die Ausübung einzelner Rechte gegenüber dem Zentralverwahrer verwirklichen lässt, darf dies nicht die rechtliche Einheitlichkeit des Sammelbestandes beeinträchtigen. So können beispielsweise Herausgabeansprüche aufgrund des Sicherungsrechts auch im Verwertungsfall nur im Rahmen der von der lex rei sitae gezogenen Grenzen ausgeübt werden.407 Das Recht am Buchungsort bestimmt darüber hinaus Wirkungen des dinglichen Rechts gegenüber sonstigen Dritten. Dies ist für dingliche Sicherheiten in Art. 9 Abs. 2 a) Finanzsicherheitenrichtlinie ausdrücklich vorgesehen, muss aufgrund des Bedürfnisses nach einer einheitlichen Auslegung von § 17 a DepotG aber für alle Formen von dinglichen Berechtigungen gelten. Diesem Recht unterliegen damit insbesondere die Abwehrrechte des Inhabers gegenüber Pfändungszugriffen durch Drittgläubiger der Zwischenverwahrer oder des Sammelverwahrers auf einer höheren Ebene der Verwahrkette. Die Abwehrrechte können nach dem Konzept der Finanzsicherheitenrichtlinie über die nach dem Recht am Verwahrungsort bestehenden Rechte hinausgehen oder dahinter zurückbleiben. Die Pfändung des verbuchten Rechts unterliegt der Zuständigkeit der Vollstreckungsorgane des Staates, dessen Recht gemäß § 17 a DepotG auf das Buchungsrecht anwendbar ist. Auch insoweit muss die Zuständigkeit des Staates der Belegenheit der Wertpapiere zurücktreten. Dies ist auch die einzig praktikable Form des Pfändungszugriffes, da sich die Rechtsposition des Anlegers nur aus den Depotunterlagen der letztverbuchenden Bank ergibt. Die Pfändung eines ausländischen dinglichen Depotanteils durch die deutschen Vollstreckungsorgane muss wie bei deutschen Sammeldepotanteilen den Regeln der Pfändung sonstiger Vermögensrechte gemäß § 857 ZPO erfolgen. Zur Verwertung kommt im Regelfall allein eine andere Form der Verwertung nach § 844 ZPO in Betracht.408 Im Ergebnis liegt ein gespaltenes Wertpapiersachstatut vor. Die Spaltung resultiert nicht etwa daraus, dass es in der Natur der Sache läge, dass dingliche Rechtszuordnungen zwingend bis zu einem bestimmten Grad von der Rechtsordnung an ihrem Belegenheitsort bestimmt werden müssten. Grund für die Spaltung ist vielmehr das Bedürfnis der rechtlichen Einheitlichkeit eines Sammelbestandes. Die den einheitlichen Sammelbestand betreffenden Fragen müssen weiterhin der lex rei sitae un-

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So auch Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 464 ff. Ähnlich Dittrich, S. 97, die ganz generell von einer Art „Vetorecht der lex rei sitae“ spricht. 408 Dazu ausführlich oben C.II.4.bb). 407

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terstellt werden. Der Sache nach sind die nationalen Vorschriften, die die Einheitlichkeit des Sammelbestandes betreffen, international zwingend.409 cc) Schwierigkeiten der Anwendung deutschen Sachenrechts auf die Übertragung eines ausländischen dinglichen Rechts Trotz dieser Spaltung des Wertpapiersachstatuts ist auf die Verfügung über die ausländische Rechtsposition insgesamt grundsätzlich das nach § 17 a DepotG zu bestimmende Recht anwendbar. Werden auslandsverwahrte Effekten, die in die internationalisierte Sammelverwahrung nach § 5 Abs. 4 einbezogen sind, durch Buchungen in Deutschland übertragen, so unterliegt diese Verfügung deutschem Recht. Auch eine Verpfändung oder Sicherungsübereignung der Werte ist nach deutschem Recht möglich. Auch wenn die Werte vormals bei einem ausländischen Intermediär verbucht waren und im Rahmen einer Verfügung erstmals in Deutschland gutgeschrieben werden, unterliegt der gesamte dingliche Übertragungsakt vom Veräußerer auf den Erwerber (vorbehaltlich eines Durchgangserwerbs eines zwischengeschalteten Intermediärs) deutschem Recht. Die Buchungsvorgänge wären damit im Lichte der deutschrechtlichen Konstruktion des Effektengiroverkehrs aufzufassen.410 Auf den ersten Blick steht nicht zu befürchten, dass der Rechtserwerb aufgrund tatsächlicher Unterschiede der ausländischen Buchungspraxis nach der deutschen Konstruktion unwirksam wäre. Denn die praktischen Abläufe des Effektengiroverkehrs weisen generell weit weniger Unterschiede auf, als die Versuche und Konstruktionen zu ihrer rechtlichen Einordnung. Letztlich kommt es auf eine lückenlose Kette wirksamer Buchungsgutschriften bis zum Erwerber an. Trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit deutschen Sachrechts auf den Übertragungsvorgang ist für bestimmte Aspekte der Verfügung ausländisches Recht zu berücksichtigen. Bereits die Konstruktion der dinglichen Einigung, bei der die Wertpapiersammelbank als Vertreterin der Erwerberbank agiert, kann nicht unbesehen auf eine Verfügung übertragen werden, bei der eine ausländische Wertpapiersammelbank eingeschaltet ist. Zum einen unterliegt die Frage einer wirksamen Stellvertretung bei Mobiliarverfügungen nach überwiegender Ansicht nicht dem Sachstatut, sondern dem eigenständig zu bestimmenden Vollmachtsstatut.411 Zum anderen ist in tatsächlicher Hinsicht nicht gewährleistet, dass die Wertpapiersammelbank vor dem Hintergrund ihres eigenen Rechts überhaupt als Vertreter irgendeiner Partei handeln will. Das Zustandekommen einer dinglichen Einigung kann deshalb zweifelhaft sein. Zu bedenken ist ferner, dass zur Übertragung des Miteigentums an einem Effektensammelbestand nach deutschem Recht die Einräumung des mittelbaren Mitbesitzes am Sammelbestand notwendig ist. Ob der Erwerber Herausgabeansprüche in 409

Ähnlich EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 13. Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 134. 411 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 229; kritisch MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 212 f., der eine Anwendung des Sachstatuts befürwortet. 410

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Bezug auf den Sammelbestand und damit auch mittelbaren Besitz daran erlangt, ist bereits im deutschen Recht sehr umstritten. Bei ausländischen Sammelbeständen unterliegt die Frage nach Herausgabeansprüchen gegenüber der Sammelverwahrbank aber wie gezeigt der lex rei sitae. Da solche Herausgabeansprüche in der Regel (wie auch in Deutschland) jedenfalls praktisch ausgeschlossen sind, dürfte die Klärung der Frage schwierig sein, ob nach dem Recht am Verwahrungsort derartige besitzbegründende Herausgabeansprüche zumindest theoretisch denkbar sind. Weitere Einwirkungen ausländischen Rechts auf den Übertragungsvorgang bestehen bei der Frage, ob die zwischenverwahrenden Intermediäre dem Erwerber den zum Erwerb der Rechtsposition erforderlichen Mitbesitz am ausländischen Sammelbestand vermitteln. Ob ein wirksames Besitzmittlungsverhältnis und ein für den mittelbaren Besitz erforderlicher Herausgabeanspruch bestehen, hängt nicht vom deutschen Recht ab, sondern von dem Recht, dem die entsprechenden Depotverträge zwischen zwei Intermediären unterliegen.412 Streng genommen kann auch zweifelhaft sein, ob der Intermediär, der bei der Weiterverbuchung nicht zwangsweise die deutsche Rechtskonstruktion des Effektengiroverkehrs vor Augen hat, rein tatsächlich überhaupt den notwendigen Besitzmittlungswillen entwickelt. Jedoch dürfte diese Frage für die Praxis kaum ergiebig sein, da auch bei Transaktionen innerhalb Deutschlands praktisch die bloße Buchungsgutschrift durch einen Zwischenverwahrer genügt, ohne dass ein darüber hinausgehender tatsächlicher Besitzmittlungswille verlangt wird. Die Dogmatik des Effektengiroverkehrs geht bei Vorliegen einer Buchungsgutschrift schlicht von einem entsprechenden Willen aus. Der Zwischenverwahrer, der eine entsprechende Gutschrift erteilt, wird sich auch nicht darauf berufen können, tatsächlich keinen Besitzmittlungswillen gehabt zu haben. Diese Grundsätze sind auch auf Gutschriften ausländischer Zwischenverwahrer anzuwenden, so dass bei einer wirksamen Gutschrift eines Zwischenverwahrers auch von dessen Besitzmittlungswillen auszugehen ist. Letztlich zeigt sich an diesen Überlegungen, dass es im Einzelfall durchaus problematisch sein kann, die hochgradig rechtskonstruktivistische Erklärung der Übertragung girosammelverwahrter Effekten auf Buchungen ausländischer Sammel- und Zwischenverwahrer zu übertragen. Dies liegt daran, dass die rechtliche Erfassung der buchungsmäßigen Wertpapierübertragung nicht an den tatsächlichen Begebenheiten in Form der Buchungen ansetzt, sondern versucht, diese im Lichte der §§ 929 ff. BGB zu deuten. Dafür müssen aber Voraussetzungen wie ein Herausgabeanspruch oder ein Besitzmittlungsverhältnis gegeben sein, die ihrerseits jedoch nicht dem von § 17 a DepotG bestimmten Recht unterliegen. Die rechtliche Erfassung einer grenzüberschreitenden Verfügung nach deutschem Recht wird damit erheblich verkompliziert. Es zeichnet sich deshalb ab, dass größere Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Wertpapierübertragungen nicht allein durch eine Kollisionsvorschrift wie § 17 a 412 Vgl. Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 148; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9, Rn. 82; a.A. wohl Dittrich, S. 99, die besitzrechtliche Verhältnisse soweit sie für den Erwerbstatbestand relevant sind § 17 a DepotG unterwerfen will; wohl auch Haubold, RIW 2005, 658.

V. Das PRIMA-Prinzip im deutschen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ACHTUNGREDepotG erreicht werden kann, sondern auch eine Anpassung der sachrechtlichen Vorschriften an die moderne Buchungspraxis erfordert. Eine solche Modernisierung auf sachenrechtlicher Ebene müsste insbesondere die faktische Realität anerkennen, dass Sammeldepotanteile durch Einigung und Umbuchung übertragen werden; sie müsste die eigentumsübertragende Wirkung einer Buchung normieren, ohne auf den besitzrechtlichen Unterbau zurückgreifen zu müssen. e) Räumlicher Anwendungsbereich Im Gegensatz zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sieht § 17 a DepotG keine Beschränkungen in räumlicher Hinsicht vor. Unerheblich ist deswegen der Sitz der Parteien der Verfügung oder der Ort der Verwahrung der Wertpapiere. 3. Anknüpfungsmoment Nach § 17 a DepotG unterliegen die so definierten Anknüpfungsgegenstände dem Recht des Staates, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird, in dem unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers die rechtsbegründende Eintragung vorgenommen wird, oder in dem sich die kontoführende Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Verfügungsempfänger die rechtsbegründende Gutschrift erteilt. Auch wenn sich das Wort „unmittelbar“ nur auf Registereintragungen und nicht auf Kontobuchungen bezieht, ist man sich einig, dass bei mehreren Gutschriften in einer Kette von Depotkonten zwischen dem Sammelverwahrer und dem Anleger das Konto entscheidend ist, auf dem die Gutschrift unmittelbar zugunsten des Verfügungsempfängers vorgenommen wird.413 Weggefallen ist die in Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie vorgesehene Anknüpfung an den Ort, an dem sich das zentrale Verwahrsystem befindet, auf dem die Werte verbucht sind. Dies erklärt sich zum einen daraus, dass diese Anknüpfung überflüssig war, da auch die Verbuchung von Wertpapieren in einem solchen System letztlich eine Verbuchung auf einem von dem Systembetreiber für den Teilnehmer geführten Depotkonto darstellt. Da § 17 a DepotG darüber hinaus einen weiteren Anwendungsbereich hat und auch Buchungen außerhalb von Abwicklungssystemen erfasst, hätte die parallele Nennung von zentralen Verwahrsystemen und Depotkonten zu Irritationen hinsichtlich des anzuwendenden Rechts führen können.414 Mangels Registereintragungen, die speziell für die Übertragung von Effekten oder Rechten daran vorgenommen werden, ist für das deutsche Recht wie auch für die Abwicklungssysteme der meisten anderen Mitgliedstaaten vor allem die zweite Variante von praktischer Relevanz. Die Anknüpfungsregel weicht in gewisser Weise von den 413

Schefold, IPRax 2000, 467; Keller, WM 2000, 1281 f.; Kronke, in: Aufbruch nach Europa, S. 765; Kümpel, Rn. 11.429; Gruson, AG 2004, 371; Herring/Cristea, ZIP 2004, 1633; Haubold, RIW 2005, 657. 414 Ege, S. 120 f.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

europäischen Vorgaben ab, indem sie nicht auf den Ort abstellt, an dem sich ein Depotkonto befindet oder an dem es geführt wird, sondern auf den Ort der Haupt- oder Zweigstelle des gutschreibenden Intermediärs. Dieser Ort ist grundsätzlich leichter zu bestimmen als der Ort der Kontoführung, da die Tätigkeiten im Rahmen der Kontoführung auf verschiedene Funktionsträger an unterschiedlichen Orten aufgeteilt sein kann. Voraussetzung ist allerdings Klarheit darüber, welche Haupt- oder Zweigstelle welches Zwischenverwahrers gemeint ist. Klargestellt wird zunächst, dass es bei einer Kette von Buchungen auf den Intermediär ankommt, mit dem der Erwerber direkt verbunden ist, da nur dieser Intermediär gerade dem Verfügungsempfänger die entscheidende Gutschrift erteilt. Wie oben ausgeführt, muss die Gutschrift entgegen dem deutschen Wortlaut nicht rechtsbegründend im Sinne von konstitutiv wirken, sondern lediglich eine die effektive Übergabe der Effektenurkunden ersetzende Funktion erfüllen. Es kommt also nicht darauf an, dass gerade diese Buchung auch den Rechtsübergang bewirkt. Die Vorschrift trifft damit eine klare Entscheidung zugunsten der Rechtsordnung des Verfügungsempfängers. Um festzustellen, wer kontoführende Haupt- oder Zweigstelle dieses Verwahrers ist, wenn dieser international tätig ist, muss auf die äußeren Umstände abgestellt werden. Ausschlaggebend soll insbesondere sein, welche Stelle die Depotverwahrerklärung abgibt oder Depotauszüge im eigenen Namen gegenüber dem Depotkunden abgibt.415 Ein Indiz dafür, welche Stelle das Depotkonto führt, kann die ausdrückliche Benennung einer depotführenden Stelle im Verwahrungsvertrag sein; ausschlaggebend ist jedoch im Zweifel, welche Stelle das Depot tatsächlich führt.416 Damit wird eine objektive Anknüpfungsregel formuliert, die es nicht nur den Beteiligten erlaubt, das anzuwendende Recht unproblematisch zu ermitteln, sondern auch außenstehenden Dritten, sofern sie tatsächlich Kenntnis dieser objektiven Umstände haben.417 Unklar ist die Anknüpfung im Falle einer Verfügung, die sich ohne Buchung oder Registereintragung vollzieht, wie beispielsweise eine Verpfändung oder Sicherungsübereignung. Nach der überwiegend und auch hier vertretenen Ansicht ist § 17 a ACHTUNGREDepotG auf eine solche Verfügung analog anzuwenden.418 Der Wortlaut von § 17 a ACHTUNGREDepotG gibt für die Beantwortung dieser Frage genauso wenig her, wie seine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Letztlich kommt in diesen Fällen nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift allein die Anwendung des Rechts in Betracht, dem die Gutschrift auf dem Depotkonto des Verfügenden unterliegt. Anzuwenden ist also die Rechtsordnung des Staates, in dem sich die Haupt- oder Zweigstelle des Verwahrers befindet, die dem Veräußernden vorher die Werte gutgeschrieben hat. Dieses Recht setzt sich solange in Bezug auf weitere Verfügungen durch, bis es zu einer neuen Buchungsgutschrift bei einem anderen Intermediär kommt. Allgemein kann man sagen, 415 416 417 418

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/1539, S. 16. Schödermeier/Löber/Wortmann, in: Potok, Rn. 12.72. Ebenso Dittrich, S. 179 f. Vgl. oben D.V.2.c)bb).

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dass für die Anknüpfung dasjenige Konto maßgeblich ist, aus dem sich das wirtschaftliche Vollrecht ergibt.419 Dies ist das Konto am Ende einer Buchungskette. Weitere Berechtigungen, die nicht durch weitere Buchungen dokumentiert sind und nicht faktisch von einem Intermediär abgeleitet werden, können zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht berücksichtigt werden. 4. Bewertung und Ausblick für das deutsche Wertpapierkollisionsrecht § 17 a DepotG vollzieht die geforderte Ablösung vom Belegenheitsprinzip für dingliche Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren. Dies ist aufgrund der beschriebenen Probleme des Belegenheitsprinzips in diesem Bereich grundsätzlich begrüßenswert. Die Anknüpfung an den Ort des depotführenden Intermediärs, ist sinnvoll, weil allein die Gutschrift zugunsten des Anlegers für den Inhaber und den Rechtsverkehr im Allgemeinen entscheidend ist. Sowohl bei der Verwendung der Wertpapiere als Sicherheit als auch bei der Abwehr von Zugriffen Dritter dient das Depotguthaben zum Nachweis der Berechtigung. Auf den tatsächlichen BelegenACHTUNGREheitsACHTUNGREort der Wertpapierurkunden kommt es praktisch nicht mehr an. a) Mängel in der Formulierung der Kollisionsregel Die Kollisionsregel ist in ihrer Formulierung nicht besonders klar und wirft zahlreiche Fragen auf.420 Die am meisten diskutierte Frage, ob eine Registereintragung oder Kontobuchung tatsächlich rechtsbegründende Wirkung haben muss, konnte durch Auslegung einer adäquaten Antwort zugeführt werden. Ein konzeptioneller Fehler der Kollisionsregel liegt darin, dass sie nach ihrem Wortlaut in ihrem Anwendungsbereich auf Verfügungen beschränkt ist, die durch eine Kontobuchung oder Registereintragung vollzogen werden. Diese Beschränkung ist auf den ersten Blick naheliegend, da Verfügungsgegenstand intermediär verwahrte Wertpapiere sind, für die gerade kennzeichnend ist, dass für ihre Übertragung eine Buchung oder Registereintragung an die Stelle der physischen Übergabe tritt. Übersehen wird dabei aber, dass intermediär verwahrte Wertpapiere im Einzelfall auch ohne Umbuchung übertragen und beschränkt dingliche Rechte an ihnen auch ohne Umbuchung eingeräumt werden können. Insbesondere dingliche Sicherheiten werden zumeist ohne Umbuchung bestellt. Dieser Fehler ist bereits in den europäischen Vorgaben angelegt und wurde unbesehen in das deutsche Recht übernommen. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften wollen jedoch gerade die Bestellung dinglicher Sicherheiten erfassen. Nach der Finanzsicherheitenrichtlinie soll aber gleichwohl jede nach nationalem Recht zulässige Technik zur Bestellung einer Sicherheit erfasst sein.421 Es ist deshalb bereits im Ansatz fragwürdig, den Verweisungsgegenstand der Kollisionsvorschrift 419 420 421

Dittrich, S. 105; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43, Rn. 43. So auch Einsele, WM 2003, 2351. Keller, WM 2000, 1273; Einsele, WM 2001, 2418; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 717 f.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

über die Form einer Verfügung über intermediär verwahrte Wertpapiere zu bestimmen. Über die analoge Anwendung auf buchungslose Sicherheiten an intermediär verwahrten Effekten ist man sich deshalb einig. Unklarheiten ergeben sich dann jedoch auf Rechtsfolgenseite, da die Regel zur Bestimmung des anwendbaren Rechts wiederum gerade auf die Buchung oder den Registereintrag zugunsten des Empfängers abstellt. Es hätte sich deshalb empfohlen, im Rahmen des Anknüpfungsgegenstandes der Vorschrift nicht auf Verfügungen abzustellen, die durch Buchung oder ACHTUNGRERegistereintragung vollzogen werden, sondern allgemein von Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere zu sprechen. Diese lassen sich wiederum dadurch definieren, dass Berechtigungen an ihnen durch Buchungsgutschriften oder Registereinträge belegt werden, nicht aber dadurch, dass über sie ausschließlich durch Buchungen oder Registereintragungen verfügt werden kann. Man hätte die Regel auf Rechtsfolgenseite sodann insoweit ergänzen müssen, als dass in dem Fall, in dem die Verfügung ohne Buchung oder Registereintrag vollzogen wurde, auf das Konto bzw. Register abzustellen ist, in dem der Verfügungsgegenstand bereits vorher eingetragen war. b) Folgen des erweiterten Anwendungsbereiches von § 17 a DepotG Besonders bemerkenswert ist der im Vergleich zu den europäischen Vorgaben erweiterte Anwendungsbereich von § 17 a DepotG. Die Norm ist nicht auf dingliche Sicherungsrechte beschränkt, sondern erfasst alle Verfügungen über Sammelbestandanteile. Dies wurde vielfach sehr begrüßt. In der Tat scheint die Kollisionsregel damit die Frage des anwendbaren Rechts zu lösen, wenn Wertpapierhandelsgeschäfte mit Effekten erfüllt werden, die im Ausland verwahrt werden und in die internationalisierte Girosammelverwahrung gemäß § 5 Abs. 4 DepotG einbezogen sind. Die Vorschrift erlaubt es auf den ersten Blick, den internationalen Effektengiroverkehr zwischen sachenrechtlich strukturierten Rechtsordnungen auf eine einheitliche und rechtssichere Grundlage zu stellen. Dies könnte die Bedeutung der internationalisierten Girosammelverwahrung steigern. Es wurde aber bereits gezeigt, dass die Anwendung deutschen Rechts auf eine Effektenübertragung, bei der ausländische Intermediäre eingeschaltet sind, nicht unproblematisch ist. Zum einen können sich durch die unterschiedliche tatsächliche Abläufe der Verbuchung Kompatibilitätsprobleme mit der rechtlichen Erfassung nach deutschem Recht ergeben. Zum andern unterliegen nicht alle Aspekte der deutschen Konstruktion des Effektengiroverkehrs dem Wertpapiersachstatut, so dass es zur Einwirkung weiterer Rechtsordnungen auf den Übertragungsvorgang kommen kann.422 Darüber hinaus besteht generell das Problem, dass die Person des Erwerbers und dessen Depotbank für den Veräußerer und auch für die zwischenverbuchenden Intermediäre im Rahmen des anonymisierten Effektenverkehrs nicht ersichtlich sind. Dies wird bereits am Normalfall des internationalisierten Effektengiroverkehrs deutlich. 422

Vgl. oben D.V.2.d)cc).

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Beispielhaft sei anzunehmen, ein deutscher Intermediär kaufe auf einem ausländischen Markt von einem dort ansässigen Verkäufer Effekten, die in diesem Land sammelverwahrt werden und in die internationalisierte Girosammelverwahrung gemäß § 5 Abs. 4 DepotG einbezogen sind. Die Verfügung zur Erfüllung dieses Geschäftes unterliegt, sofern es nicht zum Durchgangserwerb eines Intermediärs kommt, gemäß § 17 a DepotG vollständig deutschem Recht. Für die veräußernde Depotbank ist die Anwendung deutschen Rechts aber nicht ersichtlich, so dass sich der Veräußerungsvorgang aus ihrer Sicht als „rechtlicher Blindflug“ darstellt.423 Problematisch ist auch, dass eine einzelne Umbuchung auf höherer Verwahrstufe auf tieferen Verwahrstufen zum Erwerb mehrere Anleger in unterschiedlichen Rechtsordnungen führen kann, wenn sich der Weg des Wertpapierpakets entlang der Buchungskette teilt. Bei der Buchung auf der höheren Verwahrstufe müssten dann theoretisch mehrere Rechtsordnungen gleichzeitig beachtet werden.424 Insgesamt ist es damit sehr fragwürdig, eine Kette von Buchungen einem einheitlichen Recht zu unterwerfen, wenn sich die Beteiligten in verschiedenen Rechtsordnungen aufhalten und das anzuwendende Recht nicht erkennen können.425 Zu bedenken ist auch, dass der Eigentumsübergang in diesem Fall durch eine Umbuchung des ausländischen Abwicklungssystems vollzogen wird. Die Anwendung deutschen Sachenrechts auf die Buchungen des ausländischen Systems kann den Abwicklungsvorgang beeinträchtigen.426 Beispielsweise kann die Funktion eines DvPSystems gestört werden, wenn das deutsche Sachenrecht den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs anders bestimmt, als das Recht, dem das Abwicklungssystem unterliegt. Auch umgekehrt ist es nicht wünschenswert, dass eine Umbuchung durch ACHTUNGREClearstream ausländischem Sachenrecht unterliegt, weil der Teilnehmer von ClearACHTUNGREstream die Werte ohne eigenen Durchgangserwerb seinem Kunden im Ausland gutschreibt. Die Konsequenzen, welche die Einwirkung fremden Sachenrechts auf die Tätigkeit eines Abwicklungssystems haben kann, können im Voraus kaum verlässlich abgeschätzt werden. Zu Recht fordern zahlreiche internationale Organisationen, dass DvP-Systeme eine sichere und einheitliche Rechtsgrundlage haben.427 Dieses Ziel wird durch § 17 a DepotG konterkariert. Im Ergebnis ist nicht nur die rechtliche Einheit eines Sammelbestandes erforderlich, sondern auch die rechtliche Einheitlichkeit eines zentralen Abwicklungssystems für Wertpapiere.428 Die Entscheidung, auf Ver423

Vgl. auch Ege, S. 123; Saager, S. 151; die beiden Autoren wollen jedoch über dieses Problem hinwegsehen, weil darin ein geringeres Übel liege, als wenn das anzuwendende Recht für den Empfänger unbekannt wäre; denn der Empfänger habe ein größeres Interesse an Rechtssicherheit als der Veräußerer, da dieser nur ein Recht verliere. 424 Haubold, RIW 2005, 658. 425 Ähnlich Sommer, 53 Bus. Law. 1206 f. (1998). 426 Ähnlich Haubold, RIW 2005, 657; ebenso die Delegation Finnlands zu den Beratungen zum Haager Wertpapierübereinkommen, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14, S. 41 f. 427 Vgl. ESCB/CESR, Standards, Rn. 37; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 17. 428 Vgl. EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 11.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

fügungen über dingliche Rechte an Effekten das Recht am Zielort der Buchungskette anzuwenden, bedeutet in der Konsequenz, dass im Rahmen der Abwicklung unterschiedliche Sachenrechte Einfluss nehmen können. Es drängt sich die Vermutung auf, dass diese Konsequenzen beim Erlass von § 17 a DepotG nicht vollumfänglich bedacht wurden. Im Rahmen von Sicherungsgeschäften, die allein im Fokus der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben standen, stellt sich dieses Problem in der Regel nicht, da sich Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer naturgemäß bekannt sind. Alle Beteiligten wissen damit um das anwendbare Recht. Darüber hinaus werden Sicherungsgeschäfte in der Regel nicht über mehrere Glieder einer Buchungskette hinweg abgewickelt, so dass die Möglichkeit der Einwirkung fremder Rechtsordnungen geringer ist. Für Sicherungstransaktionen bietet § 17 a DepotG damit eine sachgerechte Lösung, die für die Praxis echte Vorteile bringt. Die Entscheidung, § 17 a DepotG auf alle Arten von Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere auszudehnen, erscheint unter diesem Licht jedoch höchst fragwürdig. Die Ausführungen zeigen, dass das Anknüpfungskonzept praktisch nicht durchführbar ist.

c) Mangelnde Anerkennung der Regel im europäischen und außereuropäischen Ausland Ein generelles Problem des gemeinschaftsrechtlichen Wertpapierkollisionsrechts liegt darüber hinaus in seiner uneinheitlichen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten.429 Auch wenn die Beschränkung der Vorgaben der Richtlinie auf die Bestellung von dinglichen Sicherungsrechten von zahlreichen Literaturstimmen kritisiert wurde, haben sich die meisten Mitgliedstaaten bei der Umsetzung auf eine Kollisionsregel für dingliche Sicherheiten an Wertpapieren beschränkt. Die gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen des persönlichen Anwendungsbereiches wurden dabei nicht einheitlich umgesetzt.430 Neben Deutschland hat soweit ersichtlich nur Finnland eine allgemeine, für alle Arten von Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere geltende Kollisionsnorm eingeführt.431 Das Prinzip der lex rei sitae kann als Wertpapiersachstatut damit keineswegs als verdrängt angesehen werden.432 Innerhalb des Gemeinschaftsrechts besteht somit eine sehr heterogene kollisionsrechtliche Situation. Mindestens ebenso schwerwiegend ist, dass das gemeinschaftsrechtliche PRIMA-Konzept auch über die Grenzen der EU hinaus keine allgemeine Anerkennung erfahren hat. Damit stellt sich das Problem der Anerkennung einer Sicherungstransaktion, die auf den ersten Blick rein innergemeinschaftlich erscheint, weiterhin auch dann, wenn die zugrundeliegenden Urkunden außerhalb der EU verwahrt werden. Aus deutscher Sicht stellt sich das Problem auch bei Übertragungen 429 430 431 432

Than, in: FS Kümpel, S. 553; Reuschle, BKR 2003, 564; Einsele, WM 2001, 2419 ff. Europäische Kommission, Legal assessment, S. 5. Löber/Klima, JIBLR 2006, 211. So aber Saager, S. 153.

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ohne Sicherungscharakter, da die mit § 17 a DepotG eingeführte Regelung in dieser Anwendungsbreite auch innerhalb Europas kaum anerkannt ist.433 Eine nationale Kollisionsrechtsregelung, die über ihre eigenen Staatsgrenzen hinaus keine Anerkennung findet, vermag jedoch ihre Funktion nicht zu erfüllen, selbst wenn sie für sich genommen sinnvoll und zweckmäßig ist. Denn Funktion des internationalen Privatrechts ist die Koordination der nationalen Rechtsordnungen, um die sich aus der Verschiedenheit der Rechtsordnungen ergebenden Schwierigkeiten zu minimieren. Es versucht, die Kollision der betroffenen nationalen Rechtsordnungen zu vermeiden, indem es die divergierenden Sachrechtsordnungen auf möglichst weltweiter, zumindest aber regionaler Ebene koordiniert. Um diese Koordinationsfunktion zu erfüllen, muss grundsätzlich das Bestreben danach bestehen, das Kollisionsrecht weltweit einheitlich zu konzipieren. Unkoordinierte nationale Koordinierungsrechte sind widersinnig, da sie im Ausland keine Anerkennung finden und die Kollision der Rechtsordnungen folglich nicht vermeiden können.434 Dies gilt auch für ein regional vereinheitlichtes IPR im europäischen Rechtsraum, gleichgültig ob es nur die Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander oder auch diejenigen zu Drittstaaten begrifft.435 Divergierende Kollisionsnormen fördern darüber hinaus die Auswirkungen des forum shoppings, wenn der Kläger die Wahl zwischen Gerichtsständen in verschiedenen Staaten hat. Besitzen diese Staaten nämlich unterschiedliche Kollisionsrechte, so kann der Kläger durch die Wahl des Gerichtsstandes mittelbar gleichzeitig die maßgebenden Sachentscheidungsnormen beeinflussen.436 Aus diesem Blickwinkel ist das Streben nach gemeinschaftsweit einheitlichem Kollisionsrecht kritisch zu betrachten, wenn dabei nicht gleichzeitig nach einer weltweit einheitlichen Lösung gestrebt wird. Konkurrierende Regelungskomplexe für Binnensachverhalte und Sachverhalte mit Drittstaatenbezug führen zu Schwierigkeiten bei ihrer Abgrenzung und Handhabung. Mit Blick auf Europa stellt sich damit die Frage, ob die Regionalisierung des IPR in einer Zeit der Globalisierung überhaupt sinnvoll ist.437 Notwendig erscheint vielmehr ein möglichst weltweit einheitliches Kollisionsrecht.438 Noch viel mehr stellt sich die Frage, inwieweit die deutsche Regelung des § 17 a DepotG insbesondere im Hinblick auf Vollrechtsübertragungen intermediär verwahrter Wertpapiere ohne Sicherungscharakter ohne ihre gemeinschaftsweite oder gar internationale Anerkennung sinnvoll ist. Grundsätzlich sind zwei Szenarien denkbar. Wird ein Anteilsrecht einer Wertpapiergattung, die sich in deutscher Sammelverwahrung befindet, über eine Kontoverbindung gemäß § 5 Abs. 4 DepotG im Ausland 433 434 435

Einsele, WM 2001, 2424; Reuschle, BKR 2003, 564; Kümpel, Rn. 11.443. Vgl. bereits Batiffol S. 102 ff. Instruktiv Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 60 f.; vgl. auch Sigman/Bernasconi, IFLR 2005,

32 f. 436

Kreuzer, RabelsZ 70(2006), 79 f. Grundsätzlich ablehnend Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 61, 78 ff.; kritisch auch Jayme, in: Mansel, S. 38 f. 438 Vgl. bereits Kahn, S. 4 f.; zustimmend auch die Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 7. 437

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

dinglich verbucht, so findet aus Sicht des deutschen IPR ausländisches Recht Anwendung. Aus Sicht des ausländischen Rechts, das eine Regelung wie § 17 a DepotG nicht kennt und weiterhin dem Belegenheitsprinzip folgt, wäre auf die Verfügung jedoch deutsches Recht anwendbar. Die Folge ist ein Normenmangel. Umgekehrt sind aus ihrer jeweils eigenen Sicht beide Rechtsordnungen anwendbar, wenn die Werte effektiv im Ausland lagern, aber in Deutschland mit dinglicher Wirkung verbucht werden. Probleme ergeben sich hier, wenn ein nach deutschem Recht wirksamer Eigentumserwerb vom ausländischen Recht nicht anerkannt wird. Die Rechtsposition des Verfügungsempfängers kann dann beispielsweise in der Insolvenz eines Zwischenverwahrers durch die Anwendung der lex rei sitae durch ausländische Gerichte gefährdet werden.439 Das Problem des Normenmangels ließe sich dadurch mildern, für den Teil von § 17 a DepotG, der nicht gemeinschaftsrechtlich vorgegeben ist und überschießend umgesetzt wurde, entgegen der h.M.440 nicht den Charakter einer Sachnormverweisung anzunehmen, sondern es insoweit bei einer Gesamtverweisung zu belassen.441 Eine ausländische Rechtsordnung, in deren Geltungsbereich in Deutschland verwahrte Effekten mit dinglicher Wirkung verbucht werden, und die die Verweisung des deutschen Kollisionsrechts nicht annimmt, wird in aller Regel insoweit weiterhin dem Prinzip der lex rei sitae folgen. Durch eine deutsche Verweisung, die das ausländische Kollisionsrecht mit einschließt, käme es zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht. § 17 a DepotG wäre insoweit also sein (problematischer) überschießender Anwendungsbereich genommen. Es bliebe beim zumindest einheitlichen Belegenheitsprinzip. Das Problem der Normenhäufung lässt sich dadurch gleichwohl nicht lösen.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1. Hintergrund, Zielsetzung und Entstehungsgeschichte Parallel zu den Arbeiten an der Finanzsicherheitenrichtlinie wurde im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ein internationales Übereinkommen über die kollisionsrechtlichen Fragen der intermediären Wertpapierverwahrung erarbeitet („Haager Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte in Bezug auf intermediär verwahrte Wertpapiere anzuwendende Rechtsordnung“442). Das Haager Wertpapierübereinkommen sollte sich anders als die gemeinschaftsrechtlichen Regeln nicht nur auf kollisionsrechtliche Fragen bei der Bestellung von Sicherheiten be439

Vgl. auch MünchKommHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 184. Dittrich, S. 185 f.; MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 251; Schödermeier/Löber/WortACHTUNGREmann, in: Potok, Rn. 12.38; Ege, S. 126; Rentsch, S. 67. 441 Ebenso unter Verweis auf den Grundsatz des Art. 4 Abs. 1 EGBGB Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 723. 442 Im Folgenden: HWpÜ; das Übereinkommen ist abrufbar unter www.hcch.net. 440

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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schränken, sondern Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere im Allgemeinen erfassen. Die Beratungen wurden insbesondere von den Delegationen der USA, Großbritanniens und Australiens angestoßen, da die Diskussion um moderne IPR-Regeln in diesen Ländern bereits seit längerem im Gange war. Anlass zu dem Projekt gaben die aufgezeigten Schwierigkeiten der Anwendung traditioneller kollisionsrechtlicher Regeln auf buchungsmäßige Effektentransaktionen. Man hatte insbesondere die nachteiligen ökonomischen Auswirkungen vor Augen, die aus der Diskrepanz zwischen bestehenden kollisionsrechtlichen Vorschriften und den tatsächlichen Umständen, auf die sie angewendet werden, resultieren.443 Zum einen verursachten die zur Bestimmung und inhaltlichen Umsetzung des anzuwendenden Rechts erforderlichen Rechtsgutachten erhebliche Kosten. Die verbleibenden Risiken senkten zum anderen den Wert bestellter Finanzsicherheiten und konnten in Krisenzeiten systemischen Charakter annehmen.444 Durch die Verbesserung der Rechtssicherheit sollte – mit den Worten der ökonomischen Analyse des Rechts – der Kredit für alle Beteiligten verbilligt werden.445 Ziel des Projekts war es deshalb, die Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit bei der Abwicklung grenzüberschreitender Effektentransaktionen zu verbessern.446 Dazu wollte man eine international einheitliche und anerkannte Kollisionsregel für die Verwahrung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren formulieren. Eine moderne Anknüpfungsnorm sollte nicht nur Fragen der rechtswirksamen Übertragung von Effekten erfassen, sondern auch Wirkungen eines Buchungsrechts gegenüber dem verbuchenden Intermediär und gegenüber Dritten. Den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen stand man aufgrund ihres beschränkten Anwendungsbereiches kritisch gegenüber. Man wollte die Kollisionsnorm von Anfang an nicht auf einen bestimmten Personenkreis oder auf die Bestellung von Sicherheiten beschränken, sondern alle Arten von Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere erfassen. Die zu formulierende Regel sollte die Realität der intermediären Wertpapierverwahrung reflektieren; aus den bekannten Gründen war man sich einig, dass das Prinzip der lex rei sitae im Rahmen der intermediären Wertpapierverwahrung ungeeignet ist. Stattdessen bevorzugte man die Anwendung des Rechts an dem Ort, an dem Buchungsrechte durchgesetzt werden können. Damit war bereits früh abzusehen, dass die Kollisionsregel zumindest im Ansatz dem PRIMA-Prinzip folgen würde.447 Offen war jedoch die konkrete Ausgestaltung. Insbesondere die Formulierung eines weltweit akzeptablen Kriteriums zur Bestimmung und Lokalisierung des relevanten Depotkontos oder Intermediärs stellte sich als schwierig heraus. Aufgrund der Zunahme grenzüberschreitender Wertpapierhandelsgeschäfte und der großen Bedeutung von Wertpapiersicherungsgeschäften hielt man ein besonders 443 444 445 446 447

Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Int-3 ff. Goode/Kanda/Kreuzer, Int-34. Girsberger, in: FS Schnyder, S. 80, Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 525. Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 524 f.; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-50. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 30 ff.; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-41.

342 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

zügiges Vorgehen für erforderlich. Tatsächlich konnten die Arbeiten im Wege häufiger und informeller Beratungen auch in kürzester Zeit abgeschlossen werden. Die Vorarbeiten zu dem Übereinkommen begannen im Mai 2000. Es entstand in enger Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen, Vertretern der Wertpapierindustrie und ihr nahestehenden Verbänden, Vertretern der Staatsbanken und der Europäischen Union, Kollisionsrechtsspezialisten und Wirtschaftsanwälten.448 Das Übereinkommen konnte bereits am 13. 12. 2002 von 53 zustimmenden Staaten angenommen werden.449 Es liegt beim Verwahrer des Übereinkommens, dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande, zur Zeichnung und Ratifikation auf. Gemäß Art. 19 Abs. 1 HWpÜ tritt es am ersten Tag des Folgemonats nach einem dreimonatigen Zeitraum nach der dritten Ratifizierung des Übereinkommens in Kraft. 2. Anwendungsbereich der Kollisionsregel des Übereinkommens a) Sachlicher Anwendungsbereich Art. 4 und 5 HWpÜ bestimmen das anzuwendende Recht für eine Vielzahl von Aspekten im Zusammenhang mit intermediär verwahrten Wertpapieren. Die einzelnen Anknüpfungsgegenstände werden in der Liste in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ aufgezählt. Die Norm regelt gemeinsam die sachlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Konvention und die sachliche Reichweite des von der Konvention bestimmten Sachrechts.450 Diese Aspekte werden im Folgenden dargestellt. Sie beziehen sich allesamt auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren (securities held with an intermediary), so dass zunächst dieser Begriff näher zu bestimmen ist. Dazu hält Art. 1 HWpÜ eine umfangreiche Liste an Definitionen bereit. Die relativ ausführliche Begriffsbestimmung ist grundsätzlich zu begrüßen, da dadurch eine einheitliche, vom national-sachenrechtlichen Begriffsverständnis unabhängige Auslegung unterstützt wird. Das ist gerade deshalb von Bedeutung, da es sich vielfach um finanzwirtschaftliche Begriffe handelt, die in der kollisionsrechtlichen Terminologie noch nicht vollständig bekannt, jedenfalls aber nicht immer einheitlich verstanden werden. Gleichwohl sind einige der Formulierungen recht unbestimmt. Vielfach verweisen die Definitionen auch wechselseitig auf sich selbst, so dass sie die Rechtssicherheit nicht immer zu erhöhen vermögen.451 448

Vgl. die Liste der Teilnehmer der abschließenden Beratungen bei Goode/Kanda/Kreuzer, S. 179 ff.; zum Ablauf im Einzelnen vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Int-10 f. 449 Weiterführend zu diesem „fast-track procedure“ und zur Entstehungsgeschichte generell vgl. Garcimartn Alfrez, R.E.D.I. 2001, 306 ff.; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-6 ff.; zeitdruckbedingt Divergenzen und inhaltliche Mängel beklagt aber Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 203 f. 450 Kritisch hinsichtlich dieser Regelungstechnik Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 211 f. 451 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 529; ders., in: FS Yamauchi, S. 205; kritisch hinsichtlich der großen Zahl an unbestimmten Rechtsbegriffen auch Bertschinger, in: FS Kramer, S. 483.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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aa) Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren Art. 1 Abs. 1 f) HWpÜ definiert „intermediär verwahrte Wertpapiere“ als diejenigen Rechte, die ein Depotinhaber aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf seinem Depotkonto erlangt. Bereits diese Formulierung ist etwas unglücklich, da sie die verschiedenen Rechte, die aus einer Depotgutschrift resultieren, mit den zugrundeliegenden Wertpapieren als BezugsgegenACHTUNGREstand dieser Rechte gleich setzt. Diese beiden Aspekte sind aber streng genommen zu unterscheiden.452 Richtigerweise beschreibt Art. 1 Abs. 1 f) HWpÜ damit nicht, was intermediär verwahrte Wertpapiere sind, sondern was „Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren“ sind. Denn gerade das ist die allgemeingültige Bezeichnung für das, was ein Depotinhaber aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto erlangt. Deshalb beziehen sich die Regelungsgegenstände des Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens streng genommen auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren und nicht auf die Papiere selbst. Bereits der Titel des Übereinkommens macht deutlich, dass das Übereinkommen das anwendbare Recht für intermediär verwahrte Wertpapiere nicht im Allgemeinen, sondern nur für bestimmte Rechte in Bezug auf intermediär verwahrte Wertpapiere bestimmen will. (1) Wertpapiere Der Kreis der einer Gutschrift zugrundeliegenden Wertpapiere ist in Art. 1 Abs. 1 a) HWpÜ bewusst sehr weit gezogen und umfasst sämtliche Finanzinstrumente und Finanzanlagen sowie Rechte daran. Beispielhaft genannt werden lediglich Aktien und Schuldverschreibungen, ausgenommen sind ausdrücklich Barguthaben.453 Erfasst sind damit verbriefte, registrierte und unverbriefte Rechte, Finanzinstrumente, die dem deutschen Recht fremd sind, sowie auch Derivate.454 Typischerweise, aber nicht zwingend wird es sich um umlauffähige Rechte handeln, die in großer Zahl emittiert und ihrem Sinn und Zweck nach von einer Vielzahl von Investoren als Kapitalanlage gehalten und auf Kapitalmärkten gehandelt werden.455 Entscheidend ist nicht die rechtliche Unterscheidung zwischen einzelnen, in den jeweiligen Rechtsordnungen anerkannten Finanzinstrumenten, sondern der gemeinsame Aspekt, dass Berechtigungen an ihnen auf einem Depotkonto verbucht werden können.456 Gleichgültig sind insbesondere die Umstände der Emission und des Handels des jeweiligen Instruments sowie die Art der Verkörperung des Rechtes.457 Die Offenheit 452

Dies betont auch Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 168. Als weitere Beispiele nennt der Explanatory Report u. a. Investmentanteilsscheine, börsengehandelte Futures und Optionen, Kreditderivate, Commercial Papers, Optionsscheine, Hinterlegungsscheine sowie bestimmte Wertpapierformen nach islamischem Recht und American Depository Receipts, Goode/Kanda/Kreuzer, 1-2. 454 Löber, BKR 2003, 265; Bertschinger, in: FS Kramer, S. 464. 455 Goode/Kanda/Kreuzer, 1-2; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 44. 456 Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 168 f.; Goode/Kanda/Kreuzer, 1-1. 457 Goode/Kanda/Kreuzer, 1-2. 453

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

dieses Wertpapierbegriffs gewährleistet einerseits die gewünschte Flexibilität des Übereinkommens im Hinblick auf unbekannte oder neue Anlageformen.458 Sie birgt allerdings auch die Gefahr einer gewissen Rechtsunsicherheit bei der Anwendung.459 Der Zusatz „und Rechte daran“ soll deutlich machen, dass nicht nur dingliche Rechte an den Effekten selbst erfasst sind, sondern auch schuldrechtliche Verwahrkonstruktionen.460 Diese Ergänzung ist an dieser Stelle verfehlt. Sie vermischt unnötigerweise die Frage, welche Finanzinstrumente überhaupt in die intermediäre Wertpapierverwahrung im Sinne des Übereinkommens einbezogen sein können, mit der Frage, wie die Rechte des Anlegers im Rahmen dieser Verwahrungsform ausgestaltet sind. Die Frage der Rechtsnatur der Buchungsrechte ist aber eigenständig zu beantworten und hat zunächst nichts mit der Frage der zugrundeliegenden Finanzinstrumente zu tun. (2) Begriff des Intermediärs Ein Intermediär ist nach Art. 1 Abs. 1 c) HWpÜ eine Person, die nicht nur für sich selbst, sondern jedenfalls auch für fremde Rechnung Depotkonten führt und in dieser Eigenschaft tätig ist.461 Mit der allgemeinen Bezugnahme auf praktisch alle depotführenden Stellen462 vermeidet das Übereinkommen eine spezifischere Definition, um der Vielfalt der international tätigen Institutionen gerecht zu werden. In Betracht kommen nicht nur natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, sondern auch staatliche Behörden und andere Organisationsformen.463 Auf eine staatliche Zulassung, Aufsicht oder sonstige Regulierung kommt es nicht an.464 Eine Depotbank gilt nur dann als Intermediär im Sinne des Übereinkommens, wenn sie „in dieser Eigenschaft“ tätig ist, d. h. wenn sie Depotkonten für ihre Kunden führt. Im Verhältnis zu einer übergeordneten Verwahrstelle, bei der die Depotbank selbst ein Konto unterhält, gilt sie deswegen nicht als Intermediär, sondern als Kontoinhaber im Sinne von Art. 1 Abs. 1 d) HWpÜ.465 Für die Kunden, für die sie ein Depotkonto führt, ist die Depotbank gemäß Art. 1 Abs. 1 g) HWpÜ der „maßgebliche Intermediär“. Dies ist ein Schlüsselbegriff des Übereinkommens, weil er für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts entscheidend ist. Der maßgebliche Intermediär ist also nicht einheitlich die depotführende Stelle, die das Depotkonto für den Endanleger führt, sondern ist für jedes Kontoverhältnis innerhalb der Verwahrkette gesondert zu bestimmen. Jeder Intermediär ist maßgeblicher Intermediär, allerdings nur für das Verhältnis 458 Goode/Kronke/McKendrick/Wool, S. 732; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 132 f.; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 10. 459 Kritisch deshalb Kreuzer, in Mlanges Lagarde, 529. 460 Einsele, WM 2003, 2350; Goode/Kanda/Kreuzer, 1-4. 461 Goode/Kanda/Kreuzer, 1-11. 462 So Reuschle, IPRax 2003, 499. 463 Goode/Kanda/Kreuzer, 1-10. 464 Bertschinger, in: FS Kramer, S. 471. 465 Goode/Kanda/Kreuzer, 1-12.

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zu den Kontoinhabern, für die er ein Depotkonto führt.466 In diesem Verständnis ist eine Ausprägung des PRIMA-Prinzips angelegt, bei der das anzuwendende Recht auf jeder Stufe der Verwahrkette selbstständig zu bestimmen ist.467 Art. 1 Abs. 3 – 5 HWpÜ dienen der Klarstellung des Intermediärbegriffs im Hinblick auf spezielle Erscheinungen in einzelnen Rechtsordnungen. Nach Art. 1 Abs. 3 HWpÜ sind zunächst solche Stellen ausgenommen, die keine eigene Depotführung betreiben, sondern nur in verwaltender Eigenschaft in den Prozess eingebunden sind.468 Dies sind zunächst bloße Register- oder Übertragungsstellen (registrar or transfer agent), die Aktionärsregister oder sonstige Bücher des Emittenten führen.469 Auch Wertpapierdienstleister, die lediglich technische back-office-Funktionen für einen Verwahrer führen, fallen nicht unter den Begriff des Intermediärs.470 Ferner sind solche Stellen ausgenommen, welche die Konten, die ein Depotinhaber bei einem Intermediär führt, lediglich für den Depotinhaber verwalten und dabei gegebenenfalls parallele Aufzeichnungen über die Kontobewegungen bei dem eigentlichen Intermediär führen; dies zielt insbesondere auf Systeme im skandinavischen Raum. Dort besteht zwischen dem Anleger und der Wertpapiersammelbank ein direktes gesetzliches Sonderverhältnis. Dieses Depot muss aber von einer zwischengeschalteten Bank als Vertreterin des Depotinhabers verwaltet werden.471 Die verwaltenden Banken führen damit keine eigenen Depotkonten für den Anleger und sollen deswegen nicht unter den Begriff des Intermediärs fallen. Art. 1 Abs. 4 HWpÜ stellt klar, dass auch zentrale Sammelverwahrinstitute als Intermediäre gelten. Unerheblich ist dabei, ob der Sammelverwahrer die Werte als rechtlicher Eigentümer oder sonst im eigenen Namen hält, oder ob er lediglich Depotkonten zur buchungsmäßigen Übertragung von Effekten führt, die im Eigentum der letztendlichen Anleger stehen.472 Art. 1 Abs. 5 HWpÜ gibt den Vertragsstaaten schließlich die Möglichkeit, solche Verwahr- und Übertragungsstellen nicht als Intermediäre im Sinne des Übereinkommens zu bezeichnen, die Depotkonten lediglich auf Grundlage der Register des Emittenten oder anderer Aufzeichnungen führen, welche die maßgeblichen Eintragungen gegenüber dem Emittenten darstellen. Gedacht war dabei speziell an das englische Buchungssystem CREST, über das auch Effekten irischer Emittenten verbucht werden. Am Anschluss an die systeminterne Übertragung irischer Effekten leitet CREST die Daten an den irischen Emittenten weiter, der sie dort in das maßgebliche Primär466 467 468 469

ACHTUNGRE1-34. 470

Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 169. Goode/Kanda/Kreuzer, 1-17; Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 169. Reuschle, IPRax 2003, 499. Art. 1 Abs. 3 a) Haager Wertpapierübereinkommen; vgl. dazu Goode/Kanda/Kreuzer,

Ege, S. 139. Vgl. Reuschle, BKR 2003, 566; Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 170; Goode/Kanda/ Kreuzer, 1-35. 472 Goode/Kanda/Kreuzer, 1-36. 471

346 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

register einträgt.473 Obwohl damit faktisch zwar die Buchungen bei CREST ausschlaggebend für das Primärregister des Emittenten sind,474 soll in diesem Fall Irland als Vertragsstaat die Möglichkeit haben, die Buchungen zugunsten der Depotinhaber von CREST nicht englischem, sondern irischem Recht zu unterwerfen.475 CREST soll insoweit nicht als Intermediär im Sinne des Übereinkommens gelten, so dass das Übereinkommen nicht auf die Buchungen von CREST anwendbar ist. Anwendbar bleibt es jedoch für weitere Buchungsvorgänge auf den darunter folgenden Verwahrstufen.476 (3) Intermediär verwahrte Wertpapiere Damit der Anwendungsbereich des Übereinkommens eröffnet ist, müssen die Wertpapiere oder sonstigen Finanzinstrumente im obigen Sinne intermediär verwahrt werden. Dies setzt voraus, dass sie zumindest einmal von einem Intermediär auf einem Depotkonto verbucht und damit in das intermediäre Verwahrungssystem aufgenommen wurden.477 Auch der Begriff des Depotkontos in Art. 1 Abs. 1 b) ist recht unpräzise. Voraussetzung für ein Depotkonto im Sinne des Übereinkommens ist nur, dass es von einem Intermediär geführt wird und Wertpapiere darauf gutschrieben oder davon abgebucht werden. Die Kontoführungsvereinbarung zwischen dem Depotkunden und seinem Intermediär kann grundsätzlich mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden; denkbar sind aber auch gesetzlich angeordnete Depotverhältnisse.478 Eine besondere rechtliche Qualität der Gutschriften oder Belastungsbuchungen auf dem Depotkonto ist nicht erforderlich, insbesondere muss den Buchungen keine rechtsbegründende Wirkung für den Rechtserwerb zukommen.479 Ob überhaupt eine Verbuchung stattgefunden hat, unterliegt dem nach dem Übereinkommen anzuwendenden Recht (lex causae).480 Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind damit jedenfalls Effekten, die sich im Alleinbesitz des Berechtigten befinden oder in einem Register direkt auf seinen Namen eingetragen sind.481 Auch Berechtigungen an Effekten in Streifband- oder sonstiger Sonderverwahrung fallen nicht unter den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Zwar führt der Verwahrer in Deutschland auch für solche Effekten ein Verwahrbuch,482 so dass viele das Merkmal der Verbu473

Goode/Kanda/Kreuzer, 1-37 ff. Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 385. 475 Reuschle, IPRax 2003, 499; kritisch Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 41. 476 A.A. nur Franz, 171 f., wonach diese Effekten generell aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens herausgenommen seien. 477 Goode/Kanda/Kreuzer, 2-3. 478 Gesetzliche Depotverhältnisse existieren beispielsweise bei skandinavischen Zentralverwahrern, vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, 1-7. 479 Reuschle, IPRax 2003, 498; Goode/Kanda/Kreuzer, 1-8; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 530. 480 Goode/Kronke/McKendrick/Wool, S. 733. 481 Goode/Kanda/Kreuzer, 2-3. 482 § 14 DepotG. 474

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chung auch bei sonderverwahrten Effekten im deutschen Recht als erfüllt ansehen und das Übereinkommen deswegen auch darauf anwenden wollen.483 Dies widerspräche jedoch dem Sinn und Zweck des Übereinkommens, das sich speziell auf kollisionsrechtliche Probleme richtet, die durch die intermediäre Sammelverwahrung entstehen. Kennzeichen der intermediären Sammelverwahrung ist, dass die Anleger keine Rechte an einzelnen individualisierbaren Wertpapieren halten, sondern anteilig an einem gemeinsamen Bestand an Wertpapieren berechtigt sind und diesen ohne Bewegung der zugrundeliegenden Papiere übertragen. Sonderverwahrte Wertpapiere werden trotz der ergänzenden Führung eines Verwahrbuches richtigerweise nicht durch Verbuchung in ein intermediäres Verwahrsystem eingeführt und fortan durch weitere Buchungen übertragen. Sie sind deswegen nicht vom Anwendungsbereich des Übereinkommens erfasst.484 (4) Einbeziehung schuldrechtlicher und dinglicher Berechtigungsformen Wie bereits dargelegt wurde, beziehen sich die in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ genannten Anknüpfungsgegenstände bei genauer Lesart auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren. Unter solchen Rechten versteht das Übereinkommen gemäß Art. 1 Abs. 1 f) HWpÜ die Rechte, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde deutlich gemacht, dass die aus einer Depotgutschrift resultierende Berechtigung vom materiellen Sachrecht dinglich, schuldrechtlich oder auch als Rechtsposition sui generis ausgestaltet werden kann.485 Das Übereinkommen unterscheidet nicht zwischen der Rechtsnatur der Berechtigung, sondern ist auf dingliche und schuldrechtliche Berechtigungsformen gleichermaßen anwendbar.486 Dass sich das Übereinkommen nicht auf die dinglichen Aspekte einer Transaktion beschränkt,487 sondern auch auf Berechtigungsformen anwendbar ist, die vertraglicher Natur sind, stellt Art. 2 Abs. 2 HWpÜ noch einmal klar. Diese Klarstellung mag streng genommen überflüssig sein, weil sich das Ergebnis bereits aus den vorgenannten Vorschriften ergibt.488 Sie ist gleichwohl zu begrüßen, weil die kollisionsrechtliche Gleichbehandlung schuldrechtlicher und dinglicher Berechtigungsformen eine signifikante Neuerung gegenüber allen vorher bekannten Anknüpfungskonzepten darstellt. Aus Sicht des deutschen materiellen

483

Insbesondere Reuschle, RabelsZ 2004, 725; ders., BKR 2003, 565; Einsele, WM 2003, 1350; Ege, S. 139 f. 484 Wie hier Franz, S. 170; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-51, 2-14; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 2003, 40; a.A. aber Rentsch, S. 122. 485 Vgl. auch Goode/Kanda/Kreuzer, 1-16. 486 Goode/Kanda/Kreuzer, Int-20, Int-24, 4-2. 487 So aber noch einige Stimmen unmittelbar nach der Verabschiedung des Übereinkommens, vgl. Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 40; Reuschle, IPRax 2003, 495; ders., BKR 2003, 564; wohl auch Löber, BKR 2003, 265, der von „dinglichen Aspekten im weitesten Sinne“ spricht. 488 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 531.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Rechts besteht damit kein Zweifel, dass das Übereinkommen auch auf die Rechte aus einer Gutschrift in Wertpapierrechnung anzuwenden ist. Zwar hatten die an den Beratungen Beteiligten anfangs eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf dingliche Berechtigungsformen nach dem Vorbild des gemeinschaftsrechtlichen PRIMA-Prinzips vor Augen.489 Die neue Kollisionsregel sollte damit nur das für den Effektenverkehr problematische Prinzip der lex rei sitae ablösen.490 Man erkannte jedoch die im Rahmen des Qualifikationsvorganges auftretenden Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Berechtigungsformen in den nationalen Rechtsordnungen. Wie bereits an mehreren Stellen dieser Arbeit deutlich wurde, sind dingliche Berechtigungsformen dem Schuldrecht immer mehr angenähert. Gleichzeitig werden per se schuldrechtlichen Konzepten bestimmte dingliche Wirkungen zugesprochen, um sie zumindest insolvenzfest zu machen. Gerade bei ausländischen, dem inländischen Recht fremden Berechtigungsformen ist die Unterscheidung oft nur schwer und international möglicherweise nicht einheitlich durchführbar. Das Übereinkommen sieht eine Lösung dieser Problematik darin, sich selbst auf alle Arten von Berechtigungsformen, die aus einer Depotgutschrift folgen, für anwendbar zu erklären.491 Die Qualifikation der Rechtsnatur des Buchungsrechts ist damit auf kollisionsrechtlicher Ebene, also für die Frage der Anwendbarkeit des Übereinkommens, nicht mehr nötig. Gleichzeitig wird es als großer Vorteil betrachtet, dass nach diesem Konzept heterogene Depots, in die schuldrechtliche und dingliche Berechtigungen eingebucht sind, nach einer einheitlich zu bestimmenden Rechtsordnung übertragen und verpfändet werden können. Es entfällt insoweit auch das häufig als Zirkelschluss bezeichnete Problem, dass gerade das von der Kollisionsregel vermeintlich berufene Recht (lex causae) über die Frage der Dinglichkeit und damit über die Frage der Anwendbarkeit der Kollisionsnorm überhaupt (mit-)zubefinden hätte.492 Gleichwohl wurde bereits bei den Ausführungen zu § 17 a DepotG angedeutet, dass eine solche Gleichbehandlung die Schwierigkeiten der Qualifikation vielfach lediglich von der kollisionsrechtlichen Ebene auf die Ebene des materiellen Sachrechts verlagert. Denn wenn ein Sicherungsrecht an den auf einem Depotkonto verbuchten Werten bestellt werden soll, muss auch innerhalb eines einheitlich anzuwendenden materiellen Rechts unterschieden werden, ob das Sicherungsgut eine dingliche Rechtsposition oder eine bloße Forderung gegenüber dem zwischenverwahrenden Intermediär darstellt.493

489 490 491 492 493

Vgl. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 3, S. 10; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 528 f. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-4. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-12. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-5. Vgl. oben D.V.2.b)cc)(2)(d).

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349

bb) Einzelne Anknüpfungsgegenstände Die einzelnen Aspekte in Bezug auf Rechte, die sich aus der Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben und für die das Übereinkommen das anwendbare Recht bestimmen will, werden in Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens aufgelistet. Die Vorschrift beschreibt den Anwendungsbereich nicht wie die entsprechenden Regelungen im europäischen Gemeinschaftsrecht durch eine abstrakte ACHTUNGREFormulierung, sondern wählt eine konkret-pragmatische Aufzählung der erfassten Sachfragen. Dieses Vorgehen war der Schwierigkeit geschuldet, einen allgemeinen und abstrakten Gattungsbegriff zu finden, der nach allen Rechtsordnungen der Signatarstaaten jeweils alle zu regelnden Sachfragen, aber auch nur diese umfasst.494Auch der Umstand, dass das Übereinkommen nicht nur die dinglichen Wirkungen von Depotbuchungen erfassen soll, sondern auch schuldrechtliche Berechtigungsformen wie beispielsweise die Gutschrift in Wertpapierrechnung nach deutschem Recht, machte eine abstraktere Formulierung schwierig. Eine genaue Abgrenzung zwischen den einzelnen beschriebenen Aspekten wird problematisch sein und war auch von Anfang an nicht intendiert. Dies ist jedoch auch nicht nötig, da alle aufgelisteten Aspekte dem gleichen Recht unterliegen.495 (1) Rechtsnatur und Wirkungen einer Gutschrift von Wertpapieren Nach Art. 2 Abs. 1 a) HWpÜ unterliegen zunächst die Rechtsnatur der Rechte, die sich aus einer Gutschrift auf einem Depotkonto ergeben, und die Wirkung dieser Rechte gegenüber dem Intermediär und gegenüber Dritten dem nach dem Übereinkommen zu bestimmenden Recht. Insgesamt geht es hierbei um die Rechtsnatur einer Berechtigung in statischer Hinsicht, d. h., nachdem sie einmal verbucht worden ist.496 Die Frage, wann eine Berechtigung wirksam gutgeschrieben worden ist, unterliegt ebenfalls dem Übereinkommensrecht.497 Die schuldrechtliche oder dingliche Ausgestaltung der Rechtsposition des Depotinhabers und die von ihr ausgehenden dinglichen oder sonstigen Wirkungen bleiben damit der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung vorbehalten.498 Der Begriff der Wirkungen einer Berechtigung (effects) ist dabei sehr allgemein und will eine Bezugnahme auf konkrete inhaltliche AusgeACHTUNGREstaltungen in den nationalen Sachrechtsordnungen vermeiden.499 . .

494 495 496 497 498 499

Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 530. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-10. Reuschle, IPRax 2003, 498; Goode/Kanda/Kreuzer, 2-13. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-15 f.; vgl. dort auch das Beispiel 2-2. Reuschle, IPRax 2003, 498. Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 531.

350 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

(2) Rechtsnatur und Wirkungen einer Verfügung über Wertpapiere Nach Art. 2 Abs. 1 b) ist das nach dem Übereinkommen zu bestimmende Recht auch auf die dynamischen Aspekte der intermediären Wertpapierverwahrung anzuwenden, nämlich den Akt der Verfügung. Unter einer Verfügung (disposition) versteht das Übereinkommen gemäß Art. 1 Abs. 1 h) HWpÜ alle Vollrechtsübertragungen, ob uneingeschränkt oder zu Sicherungszwecken, sowie die Einräumung besitzgebundener und besitzloser Sicherungsrechte. Die Anwendbarkeit des Übereinkommens ist damit nicht durch die ökonomische Funktion oder rechtliche Einordnung einer Verfügung beschränkt.500 Art. 1 Abs. 2 a) und b) HWpÜ konkretisieren den Begriff der Verfügung über Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren, indem sie ausdrücklich Verfügungen über das Depotkonto selbst und, was selbstverständlich ist, Verfügungen zugunsten des unmittelbaren Intermediärs benennen. Art. 1 Abs. 2 c) HWpÜ weitet den Verfügungsbegriff darüber hinaus aus auf gesetzliche Pfandund Zurückbehaltungsrechte zugunsten des Intermediärs in Bezug auf Forderungen im Zusammenhang mit der Führung und Verwaltung des Depotkontos. Da sich eine Verfügung im Sinne des Übereinkommens nur auf Rechte an intermediär verwahrten und damit bereits verbuchten Effekten bezieht, ist es keine Anwendungsvoraussetzung des Übereinkommens, dass gerade die betreffende Verfügung selbst mittels einer Buchung vollzogen wird. Auch ein Rechtserwerb ohne Verbuchung zugunsten des Verfügungsempfängers ist erfasst.501 Das nach dem Übereinkommen anzuwendende Recht urteilt neben der nicht ausdrücklich genannten Frage der Wirksamkeit auch über die Rechtsnatur einer Verfügung über Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren und über die Wirkung einer solchen Verfügung gegenüber dem Intermediär und gegenüber Dritten. Damit ist zwar die nach einigen ausländischen Rechtsordnungen gegebene Gefahr der Umqualifizierung einer Sicherungsübereignung in ein besonderes Sicherungsrecht (recharacterisation) nicht ausgeschaltet. Zumindest steht aber von vornherein das Recht fest, dem diese Problematik unterliegt.502 Dem Übereinkommensrecht unterliegt auch die Frage, ob der Empfänger einer Sicherheit an intermediär verwahrten Effekten diese für eigene Zwecke weiterverwenden darf (rehypothecation).503 Das Gleiche gilt nach Art. 2 Abs. 1 f) HWpÜ für die Voraussetzungen der Verwertung einer Wertpapiersicherheit und die zulässigen Verwertungsformen. Ferner unterfällt dem Recht gemäß Art. 2 Abs. 1 g) HWpÜ auch die Frage der Reichweite einer Wertpapiersicherheit, also insbesondere, ob sie sich auch auf Dividenden und sonstige Rechte aus dem Papier erstreckt.504

500 501

Goode/Kanda/Kreuzer, 2-18. Reuschle, IPRax 2003, 499; ders., RabelsZ 68 (2004), 727; a.A. Einsele, WM 2003,

2352 f. 502 503 504

Goode/Kanda/Kreuzer, 2-19. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-20. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-29.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

351

(3) Drittwirkung von Verfügungen Art. 2 Abs. 1 c) HWpÜ macht ergänzend deutlich, dass auch die Voraussetzungen für die Herbeiführung der Drittwirkung einer Verfügung (perfection) dem nach dem Übereinkommen anzuwendenden Recht unterliegen. Mit Drittwirkung ist die Wirksamkeit einer Verfügung gegenüber Personen gemeint, die nicht Vertragspartei sind.505 Voraussetzungen für die Drittwirkung können beispielsweise Publizitätsoder Dokumentationsakte sein, die nach den Rechtsordnungen mancher Staaten nicht bereits als Voraussetzung einer wirksamen Verfügung selbst vorgesehen sind, sondern nur dazu führen, dass eine inter partes wirksame Verfügung auch gegenüber Dritten wirksam ist.506 Ob ein Buchungsrecht ein konkurrierendes Recht zum Erlöschen bringt oder ihm gegenüber zumindest Vorrang genießt, unterliegt dem Übereinkommensrecht nach Art. 2 Abs. 1 d) HWpÜ.507 Damit korrespondierend unterliegen dieser Rechtsordnung nach Art. 2 Abs. 1 e) HWpÜ auch die Pflichten des Intermediärs gegenüber anderen Personen als dem Depotinhaber, die ein konkurrierendes Recht an dem BuACHTUNGREchungsrecht oder den zugrundeliegenden Effekten geltend machen wollen. Dies betrifft auch die Frage des upper-tier attachment, also die Frage, ob ein Dritter auf die Berechtigungen des Depotinhabers nicht nur direkt bei dessen unmittelbarem Intermediär, sondern auch auf einer höheren Stufe der Verwahrkette zugreifen kann. Das Übereinkommen schließt den Zugriff auf höherer Verwahrstufe nicht von vornherein aus, sondern unterwirft seine Zulässigkeit und die Pflichten des betroffenen Intermediärs der Rechtsordnung, die auf die Berechtigungen, die auf der höheren Verwahrstufe verbucht sind, nach dem Übereinkommen anzuwenden ist.508 (4) Keine Anwendung auf die Depotabrede Art. 2 Abs. 3 HWpÜ enthält eine weitere Klarstellung dahingehend, dass das Übereinkommen nicht auf rein vertragliche Sachverhalte aus dem Depotverhältnis und zwischen Parteien einer Verfügung anzuwenden ist. Als Beispiele für solche rein vertraglichen Sachverhalte werden Inhalt und Häufigkeit von Depotkontoauszügen, der Sorgfaltsmaßstab des Intermediärs bei der Depotverwaltung oder der Mechanismus der Preisbildung bei einer Transaktion genannt.509 Auch Rechte und Pflichten des Emittenten oder des Registerführers unterfallen danach nicht der nach dem Übereinkommen anzuwendenden Rechtsordnung. Die negative Abgrenzung wäre nicht notwendig gewesen, da sich ihr Gehalt bereits aus einem Umkehrschluss aus dem in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ des Übereinkommens positiv beschriebenen Anwendungsbe-

505 506 507 508 509

Art. 1 Abs. 1 i) des Übereinkommens. Goode/Kanda/Kreuzer, 1-20; 2-21. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-23. Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-26 f. und dort insbesondere das Beispiel 2-10. Goode/Kanda/Kreuzer, 2-32.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

reich ergibt.510 Auch ist die Formulierung selbst wenig geglückt: die Abgrenzung zwischen rein vertraglichen oder sonst rein persönlichen Rechten und Pflichten aus einer Gutschrift von Wertpapieren (purely contractual or otherwise purely personal rights or duties, Art. 2 Abs. 3 a) HWpÜ) und Rechten aus einer Gutschrift von Wertpapieren, die vertraglicher Natur sind (contractual in nature, Art. 2 Abs. 2 HWpÜ), lässt sich letztlich nur treffen, wenn man auch ohne diese Vorgaben weiß, was gemeint ist.511 In dieser Form stiftet die Formulierung mehr Verwirrung als Klarheit.512 Jedenfalls im Deutschen sollte man deswegen besser von Berechtigungen aus einer Depotbuchung einerseits und Rechten und Pflichten aus dem Grundverhältnis oder Depotvertragsverhältnis andererseits sprechen. b) Räumlicher Anwendungsbereich Im Rahmen seines sachlichen Anwendungsbereichs ist das Übereinkommensrecht nach Art. 3 HWpÜ auf alle Sachverhalte anzuwenden, die eine Verbindung zu den Rechtsordnungen verschiedener Staaten aufweisen. Die Formulierung ist bewusst sehr breit gewählt und soll zu einer Anwendung des Übereinkommens in allen Fällen führen, in denen der geringste Anlass für Zweifel hinsichtlich des anzuwendenden Rechts besteht.513 Die Berührung mit einer ausländischen Rechtsordnung kann durch den ausländischen Sitz des veräußernden oder erwerbenden Depotkunden, eines Intermediärs oder des Emittenten begründet sein. Genauso genügt es, dass die Wertpapiere selbst im Ausland belegen sind oder ein Recht verbriefen, das einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt. Auch die wirksame Vereinbarung eines fremden Rechts kann eine ausreichende Verbindung zu einer ausländischen Rechtsordnung darstellen, selbst wenn es sich sonst um einen reinen Binnensachverhalt handelt.514 Zu beachten ist dabei aber, dass die Wirksamkeit einer Rechtswahl bereits nach dem Übereinkommen von bestimmten Voraussetzungen abhängt; erforderlich ist nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ insbesondere, dass der Intermediär in dem betreffenden Staat eine qualifizierende Geschäftsstelle unterhält (qualifying office). Darüber hinaus soll aber sogar eine Rechtswahlvereinbarung, die mangels einer solchen qualifizierenden Geschäftsstelle nach dem Übereinkommen selbst unwirksam ist, zur Anwendung des Übereinkommens führen.515 Dies dürfte allerdings zu weit führen, da dann praktisch jeder Binnensachverhalt ohne jeglichen Auslandsbezug von den Beteiligten den Kollisionsregeln des Übereinkommens (in diesem Fall Art. 5 HWpÜ) unterworfen werden könnte. Die objektive Rechtfertigung für die Anwendung internationaler kollisionsrechtlicher Regeln auf einen im Übrigen reinen 510

Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 531. Kritisch auch Goode/Kronke/McKendrick/Wool, S. 733; Goode/Kanda/Kreuzer, 2-7. 512 Vgl. beispielsweise Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 171 f. 513 Vgl. die Beispiele bei Goode/Kanda/Kreuzer, 3-6 ff. 514 Goode/Kronke/McKendrick/Wool, S. 734; Peyer, AJP 2007, 962; enger wohl Rocks, 36 UCC L.J.2 (2003). 515 Goode/Kanda/Kreuzer, 3-9; dem folgend Ege, S. 147 f. 511

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Binnensachverhalt kann hier aber allein darin liegen, dass der Intermediär eine ausländische Geschäftsstelle führt und seine Geschäftspraxis einheitlich dem dortigen Recht unterwerfen will. Fehlt es auch daran, ist kein Grund ersichtlich, die Frage des anwendbaren Rechts überhaupt zu stellen.516 Gleichwohl wird in solchen Fällen aufgrund der zunehmenden Verflechtung der Kapitalmärkte zumeist auch eine andere minimale Form der Auslandsberührung gegeben sein, so dass reine Binnensachverhalte praktisch nicht vorkommen.517 Häufig wird im Augenblick des Abschlusses eines Wertpapiergeschäfts überhaupt nicht vorauszusehen sein, ob das Geschäft letztendlich eine Verbindung zu einer ausländischen Rechtsordnung aufweisen wird oder nicht.518 3. Anknüpfungsmoment Das Übereinkommen sieht ein System von nacheinander anzuwendenden Anknüpfungsregeln vor. Zentrale Norm ist Art. 4 Abs. 1 HWpÜ, der es erlaubt, dass Depotinhaber und Intermediär das auf die in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ genannten Aspekte anzuwendende Recht selbst wählen. Jedoch werden die Wahlmöglichkeiten von Art. 4 Abs. 2 HWpÜ dadurch beschränkt, dass der Intermediär in dem Staat, dessen Rechtsordnung gewählt werden soll, eine Geschäftsstelle führt und darüber bestimmte, qualifizierende Tätigkeiten ausübt (reality test). Sollte eine Rechtswahl durch die Parteien unterblieben oder unwirksam sein, so sieht Art. 5 HWpÜ hilfsweise eine Reihe von Möglichkeiten vor, das auf die Gegenstände des Art. 2 Abs. 1 HWpÜ anzuwendende Recht objektiv zu bestimmen. a) Grundsätzliche Rechtswahlfreiheit der Depotvertragsparteien Die Hauptanknüpfungsregel und Zentralbestimmung des Übereinkommens findet sich in Art. 4 Abs. 1 HWpÜ. Dieser sieht eine Rechtswahl durch die Parteien vor, die auf zwei Arten erfolgen kann. Zunächst ist auf die in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ bezeichneten RegelungsgegenACHTUNGREstände grundsätzlich die geltende Rechtsordnung des Staates anzuwenden, dessen Rechtsordnung in der Kontovereinbarung ausdrücklich als für die Kontovereinbarung maßgebend vereinbart wurde. Dadurch kann ein kollisionsrechtlicher Gleichlauf zwischen den vertraglichen Aspekten des Grund- bzw. Depotverhältnisses und den auf dem Depotkonto verbuchten Rechten hergestellt werden. Durch die „depotvertragsstatut-akzessorische“ Anknüpfung können die Parteien der Depotvereinbarung über das auf die besonderen Regelungsgegenstände des Übereinkommens anzuwendende Recht entscheiden, ohne speziell auf diese Aspekte ein-

516

Reuschle, IPRax 2003, 499; ders., BKR 2003, 566; ders., RabelsZ 68 (2004), 730; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 532; wohl auch Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 137, Fn. 80. 517 Einsele, WM 2003, 2350. 518 Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 208.

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gehen zu müssen.519 Alternativ können sie aber für die Gegenstände des Art. 2 Abs. 1 HWpÜ auch eine andere Rechtsordnung als die, dem der Depotvertrag unterliegt, vereinbaren (selbstständige Anknüpfung). Eine solche gespaltene Anknüpfung dürfte in der Praxis kaum relevant werden. Die Variante dient in erster Linie dazu, die grundsätzlich freie Rechtswahl für den Depotvertrag nicht den Beschränkungen für die Buchungsrechte zu unterwerfen.520 Depotinhaber und Intermediär müssen das anzuwendende Recht ausdrücklich vereinbaren. Eine implizite oder konkludente Rechtswahl, etwa aufgrund des Ortes der Kontoführung, bleibt außer Betracht. Dies dient dem Interesse der Rechtssicherheit, die durch die Hilfsanknüpfung in Art. 5 HWpÜ des Übereinkommens im Falle des Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung über das anzuwendende Recht geschaffen wird. Die Rechtssicherheit soll nicht durch die Auslegung des konkludent erklärten Inhaltes der Kontovereinbarung durch die befassten Gerichte beeinträchtigt werden können.521 Das Erfordernis einer ausdrücklichen Vereinbarung wird auch mit ihrer Wirkung gegenüber Dritten begründet, die Rechte an den verbuchten Berechtigungen geltend machen wollen; gerade eine ausdrückliche Vereinbarung soll die Transparenz und Rechtssicherheit für Dritte erhöhen.522 Es darf jedoch bezweifelt werden, ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wird. Denn im Ergebnis können Dritte in den meisten Fällen auch keine Kenntnis von einer ausdrücklichen Rechtswahl zwischen den Parteien des Depotvertrages nehmen, solange die Rechtswahl nicht mit einem bestimmten Publizitätsakt verbunden ist.523 Im Übrigen kann die Rechtswahl schriftlich oder mündlich getroffen werden. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das HWpÜ ist nicht erforderlich.524 Auch eine Vereinbarung durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei ist möglich.525 Sonstige Voraussetzungen einer wirksamen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, beispielsweise die Anforderungen an eine wirksame Einigung, unterliegen kollisionsrechtlich dem allgemeinen Schuldvertragsstatut.526 Das deutsche Kollisionsrecht verweist insoweit gemäß Art. 27 Abs. 4, 31 Abs. 1 EGBGB auf das gewählte Recht.527 Das allgemeine Schuldvertragsstatut kann jedoch nicht die vom Übereinkommen gewährte Rechtswahlfreiheit als

519 Kritisch zu diesem Automatismus, da dieser eine „versteckte“ Rechtswahl ermögliche, Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 47 f. 520 Bertschinger, in: FS Kramer, S. 472. 521 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-17; Rogers, 39 Cornell Int L.J. 315 (2006). 522 Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 175 f. 523 Ausführlich zu den Auswirkungen einer Rechtswahlmöglichkeit auf den Drittschutz unten D.VI.5.b)cc)(2)(b). 524 Peyer, AJP 2007, 965. 525 Reuschle, IPRax 2003, 500; Bertschinger, in: FS Kramer, S. 471 f.; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/SchimanACHTUNGREsky, S. 138. 526 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-19. 527 Dazu, sowie zu den Ausnahmen vgl. Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 138.

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solche beschränken.528 Anzumerken ist darüber hinaus, dass das anzuwendende Recht für die in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ genannten Aspekte nur einheitlich geregelt werden kann. Eine spezielle Rechtswahlvereinbarung für einzelne dieser Aspekte wäre unwirksam.529 Damit ist gewährleistet, dass die wesentlichen Aspekte von Berechtigungen an intermediär verwahrten Wertpapieren nur einer einzigen Rechtsordnung unterliegen.530 Bei Mehrrechtsstaaten kann die Rechtsordnung, auf die verwiesen wird, gemäß Art. 12 Abs. 1 a) HWpÜ auch die Rechtsordnung nur einer Gebietseinheit sein. Die Formulierung „geltende Rechtsordnung“ in Art. 4 Abs. 1 S. 1 HWpÜ drückt aus, dass in diesem Fall grundsätzlich das Recht der betreffenden Gebietseinheit gilt, und das Recht des Gesamtstaates daneben nur anzuwenden ist, soweit es in dieser Gebietseinheit gilt.531 b) Einschränkungen der Rechtswahlfreiheit Bei der Wahl des anzuwendenden Rechts sind der Depotinhaber und der Intermediär jedoch nicht völlig frei. Für die Wahl in Betracht kommen nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ nur die Rechtsordnungen der Staaten, in denen der Intermediär eine Niederlassung oder Geschäftsstelle unterhält, die einen Bezug zu dessen Depotgeschäft hat. Dadurch soll die Vereinbarung von Rechtsordnungen ausgeschlossen werden, die völlig fernliegend sind, und mit dem zugrundeliegenden Depotverhältnis keinerlei Verbindung aufweisen (reality test). Eine Geschäftsstelle, welche diese Anforderungen erfüllt, wird als qualifizierende Geschäftsstelle (qualifying office) bezeichnet.532 Die Beschränkung ist eine Konzession an die Staaten, welche die durch eine Depotbuchung erworbene Berechtigung des Depotinhabers sachenrechtlich qualifizieren und in diesem Bereich deshalb bislang keine Parteiautonomie zugelassen haben.533 Zunächst muss der Intermediär in dem gewählten Rechtsgebiet überhaupt eine Geschäftsstelle oder Niederlassung führen. Dies setzt voraus, dass die betreffende Stelle dauerhaft und nicht nur vorübergehend tatsächlich selbst Aufgaben eines Intermediärs ausübt und rechtlich von der Hauptstelle abhängig ist.534 Wird in der Kontovereinbarung auf die Rechtsordnung einer Gebietseinheit eines Mehrrechtsstaates verwiesen, ist es grundsätzlich nicht nötig, dass der maßgebliche Intermediär die Geschäftsstelle gerade in dieser Gebietseinheit führt; gemäß Art. 12 Abs. 1 b) HWpÜ genügt 528

Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 176. Goode/Kanda/Kreuzer, 4-16 und Beispiel 4-2. 530 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-10. 531 Vgl. Art. 12 Abs. 2 a) des Übereinkommens; Goode/Kanda/Kreuzer, 4-15, 12-12 f. 532 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-21 ff. 533 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 534; Goode/Kanda/Kreuzer, 4-7. 534 Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 177; nicht erfüllt wird diese Voraussetzung, wenn der Intermediär im betreffenden Staat keine Geschäftsstelle oder Niederlassung unterhält, sondern eine Tochtergesellschaft, vgl. Peyer, AJP 2007, 964. 529

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

jede Geschäftsstelle innerhalb des Staatsgebiets des Mehrrechtsstaates.535 Allerdings kann der betreffende Mehrrechtstaat diese Regelung verschärfen und gemäß Art. 12 Abs. 4 HWpÜ das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle durch eine entsprechende Erklärung auf einzelne oder alle seiner Gebietseinheiten erstrecken.536 Damit die betreffende Geschäftsstelle des Intermediärs als qualifizierende Geschäftsstelle gilt, muss sie eine depotbezogen Tätigkeit ausüben.537 Darunter fallen nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 a) i) und ii) HWpÜ die Vornahme von Buchungen auf Depotkonten und ihre Überwachung sowie die Durchführung von Maßnahmen der Wertpapierverwaltung, wie beispielsweise die Abwicklung von Zahlungen oder anderer gesellschaftsbezogener Maßnahmen. Aufgrund des Auffangtatbestandes in Art. 4 Abs. 1 S. 2 a) iii) HWpÜ genügt auch die Übernahme anderer, nicht näher bestimmter Depotführungsaufgaben im Rahmen der regelmäßigen Tätigkeit des Intermediärs.538 Zur Begrenzung dieses Auffangtatbestandes enthält Art. 4 Abs. 2 HWpÜ eine „schwarze Liste“ an lediglich unterstützenden oder administrativen Tätigkeiten und Einrichtungen, die für sich allein genommen das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle nicht erfüllen.539 Darunter fällt etwa die technische Ausstattung zur Buchführung oder Datenverarbeitung, ein Call-Center, der Postversand oder die Lagerung und Archivierung von Akten.540 Ebenso wenig genügt es, wenn die Geschäftsstelle lediglich Aufgaben der Repräsentanz, Kundenwerbung oder Verwaltung wahrnimmt und keine Abschlussbefugnis für Kontovereinbarungen besitzt.541 Die ACHTUNGREbeschriebenen Anforderungen an eine Geschäftsstelle müssen im Zeitpunkt des Abschlusses der Rechtswahlvereinbarung vorliegen. Entfallen die Anforderungen nachträglich, so ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Rechtswahl.542 Zu einer Neubewertung kommt es aber dann, wenn die Kontovereinbarung geändert und die Rechtswahlklausel dabei ausdrücklich bestätigt wird.543 In der Gesamtschau vermögen diese Beschränkungen die grundsätzliche Rechtswahlfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 HWpÜ nur mäßig beschränken. Keine signifikanten Hürden stellen sie gerade für global tätige Intermediäre auf, die Geschäftsstellen in einer Vielzahl von Staaten betreiben.544 Dies gilt besonders auch deswegen, weil die Tätigkeiten der Depotführung häufig auf verschiedene Orte und Funktions535

Goode/Kanda/Kreuzer, 12-10. Goode/Kanda/Kreuzer, 12-23. 537 Reuschle, IPRax 2003, 500; Bertschinger, in: FS Kramer, S. 473. 538 Vgl. die beispielhafte Aufzählung von Depotführungsaufgaben bei Goode/Kanda/ Kreuzer, 4-37. 539 Kritisch zu dieser Regelungstechnik Girsberger, in: FS Schnyder, S. 87; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, 543. 540 Art. 4 Abs. 2 a) – c) HWpÜ. 541 Art. 4 Abs. 2 d) HWpÜ. 542 Bertschinger, in: FS Kramer, S. 475. 543 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-27. 544 Ähnlich Einsele, WM 2003, 2351; Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 221; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/SchiACHTUNGREmansky, S. 138; Bertschinger, in: FS Kramer, S. 475 f. 536

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träger verteilt sind. Für eine qualifizierende Geschäftsstelle ist es deswegen nicht schädlich, wenn die Tätigkeiten der Depotführung nicht ausschließlich und vollständig am Ort der betreffenden Geschäftsstelle ausgeführt werden.545 Auch muss die depotspezifische Tätigkeit durch die qualifizierende Geschäftsstelle keinen Bezug zum konkreten Depotkonto haben, auf das sich die Rechtswahl der Vertragsparteien bezieht. Dieses Depotkonto kann auch vollständig an einem anderen Ort geführt werden, sofern es überhaupt an einem einzigen Ort geführt wird.546 Lediglich manche Internet-Broker werden den reality test unter Umständen nicht erfüllen können, wenn sie ihre Depotverträge einem anderen Recht als dem ihrer physischen Geschäftsstelle unterwerfen wollen. Denn diese Intermediäre bedienen sich für ihre Auslandstätigkeit häufig lokaler Subunternehmer und übernehmen selbst keine Depotführungsaufgaben.547 Da es bei international tätigen Intermediären in der Regel an der erforderlichen Transparenz zur Prüfung der Voraussetzungen des reality tests fehlen wird, ist entgegen der Intention des Übereinkommens insoweit sogar eine gewisse Rechtsunsicherheit zu befürchten.548 Jedoch ist eine Prüfung dieser Voraussetzungen im Einzelfall nicht erforderlich, wenn die Geschäftsstelle durch eine spezielle Kennung als depotführende Geschäftsstelle in dem betreffenden Staat identifiziert ist. Dies gibt den zuständigen Regulierungsbehörden die Möglichkeit, Geschäftsstellen allgemein und im Voraus durch bestimmte Kennzeichen als qualifiziert im Sinne des Übereinkommens zu kennzeichnen.549 Ein System solcher Kennungen müsste allerdings erst geschaffen werden. Die existierenden Kennziffern IBAN (International Bank Account Number) und BIC (Bank Identifier Code), die in diesem Zusammenhang angesprochen werden,550 eignen sich dazu nicht; sie bezeichnen lediglich eine bestimmtes Bankkonto bzw. ein Kreditinstitut, geben aber keinen Aufschluss über eine depotführende Tätigkeit des entsprechenden Instituts.551 Fehlt es ausnahmsweise an den Voraussetzungen einer qualifizierenden Geschäftsstelle, sind zwei Folgen möglich: Haben die Beteiligten Parteien das anzuwendende Recht allein für die Kontovereinbarung (depotvertragsakzessorische Anknüpfung) oder ausschließlich für die Regelungsgegenstände des Art. 2 Abs. 1 HWpÜ (selbstständige Anknüpfung), so greift im Falle der Unwirksamkeit dieser Rechtswahl unmittelbar Art. 5 HWpÜ. Haben die Parteien jedoch unterschiedliche Rechtsordnungen für die Kontovereinbarung und die Regelungsgegenstände des Art. 2 545 Reuschle, BKR 2003, 567; Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 178; Goode/Kanda/ Kreuzer, 4-34. 546 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-23; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 125; Peyer, AJP 2007, 962. 547 Crawford, 38 Can. Bus. L.J. 187 f. (2003); Ege, S. 158. 548 So auch Peyer, AJP 2007, 964. 549 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-38. 550 Reuschle, IPRax 2003, 500; Franz, S. 176. 551 Ebenso Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 218 f.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Abs. 1 HWpÜ gewählt, ist zunächst auf letztere Rechtswahl zu blicken. Ist sie unwirksam, ist auf die allgemeine Rechtswahl für die Kontovereinbarung zurückzugreifen. Erst wenn auch diese mangels qualifizierender Geschäftsstelle im Staat der gewählten Rechtsordnung unwirksam ist, greift Art. 5 HWpÜ.552 c) Sonderregel des Art. 4 Abs. 3 HWpÜ Art. 4 Abs. 3 des Übereinkommens schafft eine Sonderregelung für die Bestellung von Sicherheiten durch den Depotinhaber an seinen eigenen Intermediär. Hierbei kann zweifelhaft sein, ob sich die Wirksamkeit der Verfügung nach der zwischen Depotinhaber und Intermediär vereinbarten Rechtsordnung richtet. Lässt der Intermediär die Werte nämlich beim nächsthöheren Zwischenverwahrer auf ein Eigendepot verbuchen, so kommt aus Sicht des Intermediärs hinsichtlich des Erwerbs des Sicherungsrechts auch die Anwendung der Rechtsordnung in Betracht, die er mit dem nächsthöheren Zwischenverwahrer vereinbart hat.553 Art. 4 Abs. 3 HWpÜ stellt klar, dass die Verfügung dem zwischen Sicherungsgeber und seinem Intermediär vereinbarten Recht unterliegt. Gleichgültig ist, ob die Werte dazu überhaupt von dem Depotkonto des Investors abgebucht werden. Im Fall einer solchen Abbuchung ist es ebenfalls irrelevant, ob der Intermediär die Werte intern auf ein für sich selbst geführtes Konto verbucht oder bei seinem höherstufigen Intermediär auf ein Eigendepot verbuchen lässt.554 Der Verlust der Rechtsposition durch den Investor und der korrespondierende Erwerb durch den maßgeblichen Intermediär unterliegen immer der Rechtsordnung, der auch die ursprüngliche Begründung der Berechtigung durch den Investor unterlag, nämlich derjenigen, die zwischen ihm und seinem maßgeblichen Intermediär vereinbart wurde.555 d) Subsidiäre Anknüpfung Für den Fall, dass die Parteien des Depotvertrages keine Rechtswahl hinsichtlich der Aspekte des Art. 2 Abs. 1 HWpÜ getroffen haben oder eine solche Rechtswahl unwirksam ist, sieht Art. 5 HWpÜ eine Reihe subsidiärer Anknüpfungsregeln (fall-back rules) vor. Die Ersatzregeln sind als Anknüpfungsleiter formuliert.556

552

Goode/Kanda/Kreuzer, 4-21 sowie Beispiel 4-5. Reuschle, BKR 2003, 567 f.; Rentsch, S. 142 f. 554 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, 4-41 f.; Potok, 15 JBFLP (2004), 216; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 125 f. 555 Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 179. 556 Häufig wird auch das aus dem französischen Schrifttum stammende Bild einer Kaskade gebraucht, vgl. Reuschle, IPRax 2003, 501; vgl. allgemein auch Kropholler, § 20 III. 553

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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aa) Ort der die Kontovereinbarung abschließenden Geschäftsstelle Nach Abs. 1 der Vorschrift gilt zunächst das Recht des Staates, in dem sich zum Zeitpunkt der Depoteröffnung die Geschäftsstelle befand, die in der schriftlichen Kontovereinbarung ausdrücklich und unmissverständlich als diejenige bezeichnet ist, über die der maßgebliche Intermediär die Kontovereinbarung abgeschlossen hat. Auch diese Geschäftsstelle muss zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen einer qualifizierten Geschäftsstelle im Sinne von Art. 4 Abs. 1 S. 2 a) HWpÜ erfüllen. Um Zweifel an einer solchen Bezeichnung auszuräumen und Rechtssicherheit zu schaffen, verlangt das Übereinkommen in diesem Fall, dass die Kontovereinbarung schriftlich abgeschlossen wurde. Dass der Depotvertrag über eine bestimmte Geschäftsstelle abgeschlossen wurde, muss zudem ausdrücklich und unmissverständlich erklärt werden. Das Übereinkommen nennt in Art. 5 Abs. 1 S. 2 HWpÜ einige Aspekte, die dabei nicht zu berücksichtigen sind. Ob eine solche „black-list“ tatsächlich notwendig ist, kann durchaus bezweifelt werden, da darin ausschließlich Aspekte genannt sind, die gerade nicht unmissverständlich ausdrücken, dass die Depotvereinbarung über eine bestimmte Geschäftsstelle abgeschlossen wurde.557 Genannt werden beispielsweise Zustellungsklauseln für Schriftstücke, Gerichtstandsvereinbarungen sowie Vereinbarungen über einzelne Pflichten, die der Intermediär von einer bestimmten Geschäftstelle aus wahrnehmen muss. Die Regelung des Art. 5 Abs. 1 HWpÜ geht maßgeblich auf die Vorschläge der deutschen Delegation zurück.558 Sie soll in den Fällen dem Schutz der berechtigten Interessen des Kunden dienen, in denen die abschließende Geschäftsstelle in einem anderen Rechtsgebiet liegt als dem des Gründungs- oder Verwaltungssitzes des Intermediärs.559 In diesem Fall ist die Anwendung des Rechts am Ort der abschließenden Zweigstelle näherliegend. Jedoch wird den berechtigten Erwartungen der Beteiligten danach nicht zwangsläufig Rechnung getragen. Indem neben der Bezeichnung der abschließenden Geschäftsstelle in der Kontovereinbarung nicht erforderlich ist, dass die Kontovereinbarung tatsächlich über diese Geschäftsstelle abgeschlossen wurde, formuliert Art. 5 Abs. 1 HWpÜ im Ergebnis ebenfalls eine parteiautonome Anknüpfungsregel. In der Kontovereinbarung kann auch eine andere als die tatsächlich eingeschaltete Geschäftsstelle als abschließende Geschäftsstelle benannt werden. In diesem Fall würden die mutmaßlichen Erwartungen und Interessen des Depotkunden gerade nicht berücksichtigt. Die Rechtswahl erscheint hier lediglich in einem anderen Gewand, da sie indirekt über die Bezeichnung einer bestimmten Geschäftsstelle getroffen und damit zum Teil auch verschleiert wird. Zu bevorzugen wäre deshalb eine klarere Anknüpfung an den Ort der Geschäftsstelle, über die der Kunde den Depotvertrag tatsächlich abgeschlossen hat. Immerhin unterliegt die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 5 Abs.1 HWpÜ den gleichen Beschränkungen wie eine direkte Rechtswahl. 557 558 559

Reuschle, IPRax 2003, 501. Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 737; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 537. Reuschle, IPRax 2003, 501; Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 180.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

bb) Gründungs- bzw. Organisationsort oder Geschäftssitz des Intermediärs Fehlt es auch an einer Bestimmung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 HWpÜ, erklärt Art. 5 Abs. 2 HWpÜ das Recht des Staates für anwendbar, in dem der maßgebliche Intermediär als juristische Person gegründet (incorporated) wurde oder in sonstiger Weise organisiert (otherwise organised) ist. Maßgebend ist also das Gründungs- bzw. Organisationsrecht des Intermediärs. Unter die Vorschriften fallen nicht nur Organisationsformen mit eigener Rechtspersönlichkeit, sondern beispielsweise auch Personengesellschaften und andere rechtlich anerkannte Organisationsformen.560 Anders als § 17 a DepotG unterscheidet Art. 5 Abs. 2 HWpÜ nicht ausdrücklich zwischen Haupt- und Zweigstellen des Intermediärs. Ausschlaggebend ist damit immer die Hauptstelle, auch wenn das Depotkonto tatsächlich über eine Zweigstelle in einem anderen Staat abgeschlossen wurde und von dort geführt wird.561 Dies beruht auf der Annahme, dass der Ort eines Depotkontos oder der Ort, an dem es geführt wird, nicht eindeutig zu bestimmen ist, so dass ein Verweis auf eine depotkontoführende Zweigstelle risikobehaftet ist. Der Rückgriff auf die Hauptstelle ist einerseits zwar gröber und entspricht weniger den Erwartungen der Parteien; er führt andererseits aber zu eindeutigen Ergebnissen. Nur wenn der maßgebliche Intermediär in keinerlei rechtlicher Organisationsform auftritt, ist nach Art. 5 Abs. 3 HWpÜ der Ort des Geschäftssitzes zur Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblich. Gemeint ist der tatsächliche Verwaltungssitz.562 Aufgrund der vorrangigen Anknüpfungsregeln wird Art. 5 Abs. 3 HWpÜ wohl kaum Bedeutung erlangen.563 e) Nicht zu berücksichtigende Kriterien Art. 6 HWpÜ des Übereinkommens enthält schließlich einige Klarstellungen hinsichtlich Kriterien, die bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht zu berücksichtigen sind. Genannt sind beispielsweise der Gründungs-, Organisations- oder Verwaltungsort des Emittenten, der Belegenheitsort der Effektenurkunden, der Ort einer Registerführung oder der Ort, an dem sich ein nicht maßgeblicher Intermediär befindet. Die Unerheblichkeit dieser Aspekte ergibt sich jedoch bereits aus den allgemeinen Regeln der Art. 4 und 5 HWpÜ, so dass diese „schwarze Liste“ im Ergebnis überflüssig ist.564 560 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 537; Goode/Kanda/Kreuzer, 5-8; auch eine teilrechtsfähige Außen-GbR nach deutschem Recht wäre erfasst, vgl. Ege, S. 166. 561 Kritisch Franz, S. 178; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 49. 562 Goode/Kanda/Kreuzer, 5-11. 563 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 537. 564 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, 533; Girsberger/Hess, AJP 2006, 999; vgl. aber Crawford, 38 Can. Bus. L.J. 180 (2003), der die dadurch vermittelte Rechtssicherheit betont; so auch Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 392.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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4. Weitere Regelungen des Übereinkommens a) Bestandsschutz für Drittrechte bei nachträglicher Änderung der Rechtswahl Mit der Eröffnung einer parteiautonomen Rechtswahlmöglichkeit für die Parteien des Depotvertrages stellte sich unmittelbar die Frage, wie sich eine Änderung der Kontovereinbarung hinsichtlich des anzuwendenden Rechts auf bereits verbuchte Berechtigungen auswirkt. Man war sich einig darüber, dass eine Änderung der vereinbarten Rechtsordnung jedenfalls dem Grundsatz nach möglich sein muss.565 Zu einem Wechsel der Rechtsordnung kommt es nicht nur, wenn eine Rechtswahlvereinbarung nachträglich wirksam geändert wird, sondern auch dann, wenn für Berechtigungen, die bislang einer nach Art. 5 HWpÜ bestimmten Rechtsordnung unterlagen, erstmalig eine Rechtswahl getroffen wird. Nach Art. 7 Abs. 3 HWpÜ ist bei einer Änderung des gewählten Rechts grundsätzlich das neugewählte Recht für die in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ genannten Aspekte hinsichtlich bereits bestehender und zukünftiger Buchungsrechte maßgebend. Das Statut, dem die Berechtigungen des Depotinhabers unterliegen, ist damit grundsätzlich wandelbar. Der Kontoinhaber und der maßgebliche Intermediär können das anzuwendende Recht jederzeit und ohne die Zustimmung Dritter neu bestimmen.566 Der Wechsel der anzuwendenden Rechtsordnungen stellt für die bestehenden Berechtigungen einen Statutenwechsel dar. Es stellt sich die Frage, wie sich ein solcher Statutenwechsel auf bereits bestehende Rechte Dritter an den Berechtigungen des Depotinhabers auswirkt. Unter der neuen Rechtsordnung könnte beispielsweise ein bestehendes Pfandrecht oder eine andere Sicherheit an den Buchungsrechten im Rang schlechter stehen oder aufgrund anderer Formalvoraussetzungen des neuen Rechts unwirksam sein.567 Art. 7 HWpÜ nimmt sich dieser Frage an. Dabei war bereits die Regelungsbedürftigkeit der Problematik selbst umstritten. Es wurde vorgebracht, ein Sicherungsnehmer könne sich selbst gegen eine nachträgliche Änderung des anzuwendenden Rechts schützen, indem er sich das Sicherungsgut auf sein eigenes Depot verbuchen lasse. Alternativ könne er auch in der Sicherungsabrede mit dem Sicherungsgeber oder mit dem Intermediär vereinbaren, dass das auf das Sicherungsgut anzuwendende Recht nicht verändert werde. Im Falle einer Zuwiderhandlung wäre er dann durch Schadensersatzansprüche geschützt.568 Dagegen wurde jedoch zutreffend eingewandt, dass ein schuldrechtlicher Schadensersatzanspruch in der Insolvenz des Sicherungsgebers bzw. des Intermediärs keinen ausreichenden Schutz bietet. Die Rechte von Sicherungsnehmern, die oft keine Kenntnis von einem gewillkürten Statutenwechsel haben und deswegen keine geeigneten Schutzmaßnahmen treffen können, sind deswegen auch auf Ebene des Internationa565 566 567 568

Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 181. Goode/Kanda/Kreuzer, 7-5. Reuschle, BKR 2003, 569. Vgl. Reuschle, IPRax 2003, 501 f.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

len Privatrechts zu schützen. Diese Funktion übernimmt Art. 7 des Übereinkommens. Die Vorschrift greift den allgemeinen Grundsatz des Schutzes wohlerworbener Rechte569 auf und begrenzt die Privatautonomie bei Vereinbarungen zulasten Dritter.570 Nach Art. 7 Abs. 4 HWpÜ bleibt die vor dem Statutenwechsel anzuwendende Rechtsordnung auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren, die nach der früheren Rechtsordnung begründet wurden, in einzelnen Aspekten anwendbar, sofern die jeweiligen Inhaber dieser Rechte dem Wechsel der Rechtsordnung nicht zugestimmt haben. Schutz besteht nach Abs. 4 a) für den Bestand von Rechten Dritter und ihrer Drittwirkung, wenn der Erwerbsvorgang vor dem Wechsel des anzuwendenden Rechts abgeschlossen war. Räumt beispielsweise ein Depotinhaber dem Sicherungsnehmer durch schriftlichen Vertrag ein nach deutschem Recht wirksames Pfandrecht über Wertpapiere ein, die auf einem Konto verbucht sind, das deutschem Recht unterliegt, so bleibt ein solches Pfandrecht auch dann Dritten gegenüber wirksam, wenn das Depotkonto später US-amerikanischem Recht unterworfen wird, welches für die Drittwirksamkeit die Kontrolle (control) des Sicherungsnehmers über das Sicherungsgut voraussetzt.571 Die Bestandsgarantie wird in Abs. 4 b) für bestimmte Fallgestaltungen konkretisiert. Zunächst wird klargestellt, dass die Rechtsnatur eines bestehenden (Sicherungs-)Rechts und seine Wirkungen gegenüber dem maßgeblichen Intermediär und anderen Parteien einer Verfügung (also insbesondere dem Sicherungsgeber) von einem Statutenwechsel nicht betroffen werden.572 Damit bleibt die alte Rechtsordnung im Verhältnis zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber und im Verhältnis zwischen Sicherungsnehmer und Dritten, beispielsweise dem Intermediär, anwendbar. Ob auch der Zweiterwerb eines nach der alten Rechtsordnung begründeten Sicherungsrechts nach dem Wechsel der Rechtsordnung dem alten Recht unterliegt, ist nicht ausdrücklich geregelt, aber im Ergebnis wohl zu bejahen, da der Zweiterwerber sein Recht aus der Rechtsposition des Ersterwerbers ableitet.573 Außerdem gilt die alte Rechtsordnung für die Rechtsnatur und die Wirkungen der (Sicherungs-)Rechte Dritter gegenüber einer Person, welche die Wertpapiere nach einem Statutenwechsel pfänden oder arrestieren lässt.574 Die alte Rechtsordnung entscheidet auch in einem Insolvenzverfahren, das nach dem Statutenwechsel eröffnet wird, über alle Fragen des Art. 2 Abs. 1 HWpÜ im Hinblick auf die nach der alten Rechtsordnung begründeten Rechte Dritter an den verbuchten Effekten.575 Pfändungsmaßnahmen oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unter einem 569 570

Vgl. allg. Kropholler, § 21 I. Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 535; Einsele, WM 2003, 2351; Reuschle, BKR 2003,

569. 571 572 573 574 575

Ege, S. 195. Art. 7 Abs. 4 b) i) HWpÜ. Vgl. Reuschle, IPRax 2003, 504. Art. 7 Abs. 4 b) ii) HWpÜ. Art. 7 Abs. 4 b) iii) HWpÜ.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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neuen Statut können die nach dem alten Statut wirksam begründeten Sicherungsrechte damit nur in dem durch das alte Recht zulässigen Rahmen beeinträchtigen.576 Der Bestandsschutz ist dabei auf Personen beschränkt, die gemäß der vor einem Statutenwechsel geltenden Rechtsordnung bereits Sicherungsrechte an dem Buchungsbestand erworben haben und dem Wechsel des anzuwendenden Rechts nicht zugestimmt haben.577 Der Depotinhaber selbst kann sich bei einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme oder in einem Insolvenzverfahren selbstverständlich nicht auf die alte Rechtsordnung berufen, da er dem Statutenwechsel zugestimmt hat. Hinsichtlich der Rangfolge verschiedener Rechte an den verbuchten Effekten ist zu unterscheiden. Das Rangverhältnis von Drittrechten, die unter dem alten Statut begründet wurden, unterliegt nach Art. 7 Abs. 4 c) HWpÜ auch nach dem Statutenwechsel der alten Rechtsordnung. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Prioritätsfragen zwischen einem Sicherungsrecht nach altem und einem Sicherungsrecht nach neuem Statut von dem neuen Statut beherrscht werden. Für die wirksame Entstehung des früheren Sicherungsrechts bleibt aber das alte Statut maßgeblich. Das neue Statut kann jedoch vorsehen, dass der Berechtigte das nach dem neuen Statut begründete Sicherungsrecht gutgläubig lastenfrei erworben hat.578 Nicht geklärt ist damit jedoch, welcher Rechtsordnung das Rangverhältnis unterliegt, wenn mehrere Sicherungsrechte nach altem Recht und neuem Recht begründet wurden. Fraglich ist insbesondere, ob das Rangverhältnis zwischen zwei Sicherungsrechten, die unter dem alten Statut begründet wurden, allein deshalb nach der neuen Rechtsordnung zu beurteilen ist, weil auch ein Sicherungsrecht nach dem neuen Statut besteht. Dafür spräche, dass nur so die Rangfolge nach einer einheitlichen Rechtsordnung beurteilt werden kann.579 Allerdings widerspricht dies dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 4 c) HWpÜ. Die Vorschrift zeigt außerdem gerade, dass das Übereinkommen das Vertrauen in eine zum Zeitpunkt der Begründung eines Sicherungsrechts bestehende Rangfolge gegenüber anderen zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechten ebenso schützt, wie den Bestand des Sicherungsrechts selbst. Lediglich hinsichtlich der Rangfolge gegenüber späteren Sicherungsrechten, die unter dem neuen Statut begründet wurden, besteht kein schützenswertes Vertrauen. Die Rangfolge zwischen den unter dem alten Statut begründeten Sicherungsrechten untereinander bestimmt sich damit auch in diesem Fall nach dem alten Statut.580 Dadurch können sich Fälle relativer Rangverhältnisse ergeben. Entsprechendes gilt, wenn von mehreren Drittberechtigten nach dem alten Statut nur einer dem Statutenwechsel zustimmt. In diesem Fall muss darüber hinaus auch der Rang des Sicherungsrechts des Zustimmenden im Verhältnis zu den übrigen Inhabern von Sicherungsrechten unter dem alten Statut nach dem

576 577 578 579 580

Vgl. Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 536; Reuschle, IPRax 2003, 504. Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, 7-21; a.A. aber Einsele, WM 2003, 2351. Reuschle, IPRax 2003, 502 f. Reuschle, IPRax 2003, 504. So auch Goode/Kanda/Kreuzer, Beispiel 7-8; a.A. Reuschle, IPRax 2003, 504.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

alten Statut bestimmt werden. Andernfalls könnten sich einzelne Sicherungsnehmer allein durch die Zustimmung zum Statutenwechsel einen Rangvorteil verschaffen.581 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Statutenwechsel Rechte, die nach altem Recht begründet wurden, unberührt lässt. Ein Sicherungsnehmer büßt den kollisionsrechtlichen Prioritätsschutz darüber hinaus einzig und allein gegenüber anderen Drittberechtigten ein, die ein Sicherungsrecht unter dem neuen Statut erworben haben. b) Verhältnis des Übereinkommens zum Insolvenzrecht Art. 8 HWpÜ legt das Verhältnis des Anwendungsbereichs des Übereinkommensrechts zum anwendbaren Insolvenzrecht fest. Die Vorschrift stellt sicher, dass sich die Existenz von Buchungsrechten, die nach dem Übereinkommensrecht wirksam erworben wurden, auch im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen eine der beteiligten Parteien weiterhin nach diesem Recht richtet und vom anwendbaren Insolvenzrecht zu respektieren ist. Die nach dem Übereinkommen anwendbare Rechtsordnung ist danach für alle in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ genannten Fragen in Bezug auf jedes Ereignis maßgebend, das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Mit dem Begriff „Ereignis“ meint die Vorschrift sowohl einen Vollrechtserwerb als auch den Erwerb eines Sicherungsrechts.582 Die Existenz eines Sicherungsrechts bleibt damit auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unberührt und wird nicht durch das anwendbare Insolvenzrecht neu beurteilt.583 Nach Art. 8 Abs. 2 HWpÜ berührt das Übereinkommen aber nicht die Anwendung der materiell- oder verfahrensrechtlichen Vorschriften der lex concursus, die die Wirkungen eines Sicherungsrechts betreffen. Beispielhaft genannt sind Rangordnungsvorschriften, Vorschriften über die Insolvenzanfechtung584 oder Verwertung von Sicherungsrechten in der Insolvenz. Auch der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung unterliegt der lex concursus. Diese Fragen werden weiterhin vom autonomen internationalen Insolvenzrechts bestimmt. Das Übereinkommen wird deswegen keine Auswirkungen auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens haben.585 Es unterliegt damit beispielsweise dem Übereinkommensrecht, ob ein Pfandrecht an intermediär verwahrten Wertpapieren wirksam bestellt wurde, während die Frage des Rangs oder seiner Anfechtbarkeit dem anwendbaren Insolvenzrecht unterliegt.

581 582 583 584 585

Goode/Kanda/Kreuzer, 7-23; in diesem Fall zustimmend Reuschle, IPRax 2003, 503. Goode/Kanda/Kreuzer, 8-1. Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 183; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 539. Goode/Kanda/Kreuzer, 8-5. Bariatti, JbItalR 18 (2005), S. 74; Goode/Kanda/Kreuzer, 8-1; Sauer, S. 115 f.

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c) Allgemeine Bestimmungen aa) Sachnormverweisung Nach Art. 10 HWpÜ ist die Kollisionsvorschrift des Übereinkommens als Sachnormverweisung anzusehen. Eine Rück- oder Weiterverweisung durch das eigene Kollisionsrecht der Rechtsordnung, auf die verwiesen wird, ist damit ausgeschlossen. Dies ist insbesondere im Blick auf Art. 9 HWpÜ von Bedeutung. Danach hat das Übereinkommen universelle Reichweite, d. h. seine Anknüpfungsregel greift auch, wenn sie auf die Rechtsordnung eines Staates verweist, welcher der Konvention nicht beigetreten ist und in diesem Bereich dementsprechend andere Kollisionsvorschriften vorsieht.586 Der Ausschluss einer Rück- oder Weiterverweisung dient damit dem Interesse der Rechtssicherheit bei der Anknüpfung. Lediglich in den engen Grenzen von Art. 12 Abs. 2 b) und Abs. 3 HWpÜ ist eine Weiterverweisung nach den internen Kollisionsregeln eines Mehrrechtsstaates und seiner Gebietseinheiten zulässig.587 bb) Ordre public und international zwingende Vorschriften Art. 11 HWpÜ sieht eine klassische Vorbehalts- oder ordre public-Klausel (Abs. 1) und einen Vorbehalt für international zwingende Normen des Forums (Abs. 2) vor, die inhaltlich dem Standard der Haager Konventionen entsprechen.588 Im Gegensatz zu früheren Übereinkommen werden aber negative und positive Funktionen des ordre public in einem Artikel zusammengeführt. Das Erfordernis der offensichtlichen Unvereinbarkeit des Übereinkommensrechts mit der lex fori macht deutlich, dass die ordre public-Klausel eng auszulegen ist.589 Insbesondere die Rechtsnatur einer Buchungsberechtigung an Wertpapieren kann nicht in den Kreis der ordre public Vorschriften einer Rechtsordnung einbezogen werden, auch wenn sachenrechtliche Regelungen in der Regel zum Kernbereich nationaler Privatrechtsordnungen gehören.590 Eine wichtige Einschränkung erfahren die beiden Vorschriften jedoch durch Art. 11 Abs. 3 HWpÜ. Danach können die Voraussetzung der Drittwirkung einer Verfügung und die Rangordnung von Buchungsrechten nicht durch ordre-public Klauseln oder international zwingende Normen der lex fori abweichend vom Konventionsrecht geregelt werden. Dadurch soll gerade in diesen bedeutsamen Regelungsbereichen eine erhöhte ex-ante Rechtssicherheit gewährleistet werden. Gedacht war dabei insbesondere an den Ausschluss abweichender Formvorschriften zur Herbeiführung 586

Haager Konferenz, Prel. Doc. No 13, S. 29 f.; Einsele, WM 2003, 2352. Goode/Kanda/Kreuzer, 10-2. 588 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 540. 589 Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 135; allg. zur Auslegung staatsvertraglicher Vorbehaltsklauseln Kropholler, § 36 VI. 590 Goode/Kanda/Kreuzer, 11-8; zum Inhalt des ordre public im deutschen Recht; MünchKommBGB/SonnenACHTUNGREberger, Art. 6 EGBGB, Rn. 49 ff. 587

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

der Drittwirkung, anderer Prioritätsregeln zugunsten staatlicher Ansprüche oder anderer aufsichtsrechtlicher Vorschriften mit international zwingendem Charakter.591 cc) Sonderbestimmungen für Mehrrechtsstaaten Art. 12 HWpÜ enthält eine Reihe von Sonderregelungen für Mehrrechtsstaaten. Darunter sind gemäß Art. 1 Abs. 1 m) HWpÜ Staaten zu verstehen, in dem zwei oder mehr Gebietseinheiten bzw. der Gesamtstaat und die Gebietseinheiten jeweils eigene Sachnormen in Bezug auf die in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ genannten Aspekte besitzen.592 Beispielhaft zu nennen sind die USA, Kanada593 oder Spanien.594 Auf die Anpassungen der Formulierungen der Anknüpfungsregeln in Art. 4 und 5 HWpÜ durch Art. 12 Abs 1, Abs. 2 a) und Abs. 4 HWpÜ wurde bereits hingewiesen. Art. 12 Abs. 2 b) HWpÜ lässt ausnahmsweise eine interne Weiterverweisung durch das Kollisionsrecht einer Gebietseinheit eines Mehrrechtsstaates zu, allerdings nur für einen sehr beschränkten Kreis an Sachfragen (Herbeiführung der Drittwirkung einer Verfügung durch öffentlich Anmeldung, Registrierung oder Eintragung). Grund für diese beschränkte Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluss des renvoi waren besondere Umstände im Recht der USA und Kanada.595 Darüber hinaus ermöglicht das Übereinkommen im Fall einer subsidiären Anknüpfung nach Art. 5 HWpÜ die Anwendung internen Kollisionsrechts zur Bestimmung des maßgeblichen gesamt- oder teilstaatlichen Sachrechts; diese Möglichkeit muss sich der jeweilige Mitgliedstaat bei der Ratifikation des Übereinkommens aber durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Minsiterium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande als Verwahrer des Übereinkommens offenhalten. d) Übergangsbestimmungen Übergangsbestimmungen sind in Art. 15 und 16 HWpÜ vorgesehen. Nach Art. 15 HWpÜ bestimmt sich das Verhältnis zwischen Rechten an intermediär verwahrten Wertpapieren, die vor Inkrafttreten des Übereinkommens in dem betreffenden Staat erworben wurden, zu Rechten, die nach diesem Zeitpunkt erworben wurden, nach dem Konventionsrecht. Art. 16 HWpÜ versucht ferner zu vermeiden, dass Depotvereinbarungen, die vor Inkrafttreten des Übereinkommens abgeschlossen wurden, angepasst oder neu abgeschlossen werden müssen.596 Nach Abs. 1 der Vorschrift ist das Übereinkommen auch auf Altkontovereinbarungen anwendbar. Nach Abs. 2 591

Goode/Kanda/Kreuzer, 11-12. Art. 1 Abs. 1 m) des Übereinkommens; vgl. auch Goode/Kanda/Kreuzer, 12-1. 593 Dazu Crawford, 38 Can. Bus. L.J. 192 ff. (2003). 594 Vgl. Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 184 f. 595 Vgl. dazu ausführlich Rocks, 36 UCC L.J. 10 f. (2003); Crawford, 38 Can. Bus. L.J. 194 f. (2003); Goode/Kanda/Kreuzer, 12-14. 596 Dazu Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 541; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 137; Girsberger/Hess, AJP 2006, 1005 f.; Peyer, AJP 2007, 967. 592

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ist die Anwendung des Übereinkommens unproblematisch, wenn in der Kontovereinbarung mit Blick auf ein zukünftiges Inkrafttreten der Konvention bereits entsprechende, auf das Übereinkommen Bezug nehmende Vereinbarungen getroffen wurden. Andernfalls sehen Abs. 3 und 4 besondere Auslegungshilfen vor, um gegenwärtig gängige Klauseln in Verbindung mit dem Übereinkommen zu setzen. Nach Abs. 3 gelten Rechtswahlvereinbarungen über lediglich einzelne der in Art. 2 Abs. 1 HWpÜ angesprochenen Aspekte, wie sie beispielsweise in US amerikanischen Kontovereinbarungen Verwendung finden,597 als Vereinbarungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 S. 1 HWpÜ. Nach Abs. 4 gilt dies entsprechend für ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen über den Ort der Depotkontenführung, die vor allem in Kontoverträge innerhalb der EU aufgenommen werden. Im Ergebnis bestehen damit mehrere Möglichkeiten, die Regelungen des Übereinkommens auf Altverträge anzuwenden, ohne diese im Fall der Umsetzung des Übereinkommens sofort anpassen zu müssen. e) Schlussbestimmungen Die Schlussbestimmungen in Art. 17 bis 24 HWpÜ weisen abgesehen von Art. 18 HWpÜ keine Besonderheiten auf. Art. 18 eröffnet erstmals Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration die Möglichkeit, Vertragspartei einer Haager Konvention zu werden, sofern diese Organisation für die durch das Übereinkommen erfassten Fragen Regelungs- und Abschlusskompetenz besitzt. Die Vorschrift will insbesondere der Europäischen Gemeinschaft den Beitritt ermöglichen, da diese bereits selbst Rechtsakte auf dem Regelungsgebiet des Übereinkommens erlassen hat. Aufgrund dieser Rechtsakte wäre den Mitgliedstaaten die Ratifikation des Übereinkommens ohne ein Tätigwerden der Gemeinschaft verwehrt.598 5. Bewertung des Haager Wertpapierübereinkommens a) Allgemeine Stellungnahmen Das Haager Wertpapierübereinkommen wurde in der deutschen und internationalen Literatur grundsätzlich sehr positiv aufgenommen. Es wurde begrüßt, dass die ACHTUNGREHaager Konferenz für Internationales Privatrecht mit dem Übereinkommen erstmals ein Thema des Wirtschafts- und Bankrechts zum Gegenstand eines Übereinkommens gemacht hat.599 Dabei wurde besonders die zügige und praxisorientierte ArbeitsmeACHTUNGREthode positiv bewertet.600

597

Goode/Kanda/Kreuzer, 16-15; Rocks, 36 UCC L.J. (2003), 13. Zur Umsetzungskompetenz in der EU vgl. unten D.VI.6.b)aa). 599 Vgl. Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 225; Mankowski, RIW 2004, 491. 600 Bernasconi/Potok, IFLR 2003, 12.; kritisch aber auch Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 542, der aufgrund der kurzen Beratungszeit eine gewisse formale und inhaltliche Unausgegorenheit bemängelt. 598

368 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

In technischer Hinsicht bemerkenswert ist die recht pragmatische Regelungstechnik des Übereinkommens.601 Zumeist positiv werden dabei die extensiven Definitionen gesehen, die eine autonome Auslegung des Übereinkommens erleichtern.602 Vorbehalte hat man lediglich gegenüber den zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen, die wohl dazu führen, dass erst die praktischen Erfahrungen mit dem Übereinkommen eine wirkliche Bewertung seiner Wirkungsweise zulässt.603 Besonders von kontinentaleuropäischer Seite haben demgegenüber die „black lists“ des Übereinkommens Kritik hervorgerufen (z. B. Art. 2 Abs. 3, 4 Abs. 2 HWpÜ). Diese Auslegungshilfen benennen einzelne Aspekte, die bei der Auslegung bestimmter Regelungen nicht zu berücksichtigen sind. Nach Ansicht mancher Kritiker folgen diese Ergebnisse in aller Regel bereits aus den positiven Definitionen der entsprechenden Begriffe, so dass die Klarheit der Regelung dadurch vielfach verwässert werde.604 Letztlich spiegeln sich auch in der Technik der Formulierung des Übereinkommens Kompromisse wider, die den unterschiedlichen Rechts- und Gesetzgebungskulturen geschuldet sind und auch Interessen der Industrie berücksichtigen.605 In inhaltlicher Hinsicht wurde von vielen Seiten der Versuch begrüßt, eine einheitliche Anknüpfungsregel für alle Berechtigungsformen an intermediär verwahrten Wertpapieren unabhängig vom Ort ihrer Verwahrung zu schaffen.606 Von der klareren Anknüpfungsregel sollen neben den Stellern und Empfängern von Finanzsicherheiten auch große Intermediäre profitieren, die ihr Verwahrgeschäft einfacher strukturieren können.607 Positiv bewertet wurde vor allem der im Vergleich zu den beschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften umfassendere persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens.608 Unterschiedlich wurde die Einführung einer beschränkten Parteiautonomie für dingliche Berechtigungsformen ACHTUNGREaufgenommen. Für die einen stellt dies eine grundsätzlich positive weil notwendige ACHTUNGREEntwicklung zur Erhöhung der Rechtssicherheit dar, obgleich eine parteiautonome Anknüpfung für viele kontinentaleuropäische Rechtsordnungen einen gewaltigen Bruch mit traditionellen sachenrechtlichen Konzepten bedeute.609Dem Übereinkommen wird insoweit auch eine Vorbildwirkung für andere Bereiche des Kollisionsrechts zugetraut, in denen eine Rechtswahl bislang nicht anerkannt ist.610 Andere erachten die Rechtswahlmöglichkeit für dingliche Berechtigungsformen hingegen als systemwidrig und sehen Verkehrs- und Drittinteressen gefährdet. Sie hätten bevor601

Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 204. Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 542 f. 603 Bertschinger, in: FS Kramer, S. 483. 604 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 542. 605 Girsberger, in: FS Schnyder, S. 88 ff. 606 Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 389. 607 Löber, BKR 2003, 572. 608 Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 389. 609 Rocks, 36 UCC L.J. 1 f. (2003); Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 47; Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 212 f.; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 137. 610 Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 220 f. 602

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zugt, wenn die gemeinschaftsrechtlichen Anknüpfungsregeln auf den Verkehr mit Drittstaaten erstreckt worden wären. Zum Teil sieht man in der Möglichkeit der Rechtswahl die Gefahr, dass branchenführende Intermediäre aus den USA, Großbritannien, Belgien oder Luxemburg einen Marktvorteil erlangen könnten, in dem sie die Möglichkeit haben, ihre Rechtsordnung durchzusetzen.611 Ferner befürchtet man, dass marktmächtige Depotkunden die Depotführung nach einem fremden Recht verlangen, und damit Grundpfeiler der nationalen Finanzinfrastruktur einem fremden Recht unterstellt werden.612 b) Parteiautonome Anknüpfung des Übereinkommens Die bedeutendste Neuerung des Haager Übereinkommens liegt in seinem subjektiven Anknüpfungskonzept. Das Prinzip der lex rei sitae wurde bei den Beratungen zum Übereinkommen aufgrund seiner Künstlichkeit und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit, Kosten und praktischen Anwendungsschwierigkeiten übereinstimmend abgelehnt.613 Auch eine Fortentwicklung des Prinzips dahingehend, den situs der Effekten rechtlich am Ort des verbuchenden Verwahrers zu definieren, hielt man nicht für alle beteiligten Staaten für erfolgversprechend. Stattdessen rückt das Übereinkommen die Depotbeziehung zwischen einem Intermediär und seinem Depotkunden in den Mittelpunkt der Betrachtung. Anders als die gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsregeln knüpft das Übereinkommen aber nicht objektiv an den Ort an, an dem ein Konto tatsächlich geführt wird; ebenso wenig dient der Sitz des Intermediärs, der das betreffende Depotkonto verwaltet, zur Anknüpfung. Entscheidend ist stattdessen grundsätzlich das zwischen Intermediär und Depotkunde auf der jeweiligen Stufe der Verwahrkette vereinbarte Recht. Das Haager Übereinkommen folgt damit nicht dem PRIMA-Prinzip im klassischen Sinne, bei dem es auf den Ort einer Verbuchung bzw. den Sitz des verbuchenden Intermediärs ankommt. Die Fortentwicklung dieses Ansatzes zu einer parteiautonomen Anknüpfung wird schon in der Präambel des Übereinkommens deutlich, wo es heißt, dass als Anknüpfungspunkt der Ort des maßgeblichen Intermediärs dienen solle, „wie er in der Kontovereinbarung mit Intermediären bestimmt wird“. Für die Rechtswahl ist der Sitz des verbuchenden Intermediärs von nachgeordneter Bedeutung, weil er nur für die Frage der Erfüllung des reality tests nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ relevant ist. Obgleich das Übereinkommen häufig als „PRIMA-Konvention“ bezeichnet wird,614 kann man 611

Girsberger, in: FS Schnyder, S. 90; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 144; kritisch diesbezüglich Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 33 f. 612 Keller/Langner, BKR 2003, 619. 613 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-3. 614 Rocks, 36 UCC L.J. 2 (2003); Eder/Zwitter-Tehovnik, ÖBA 2003, 350; Bernasconi/ Potok, IFLR 2003, 11; Potok, JBFLP 2004, 204; zumeist geht man jedenfalls davon aus, dass das Übereinkommen weiterhin auf der Idee des PRIMA-Prinzips basiere bzw. eine Fortentwicklung davon darstelle, vgl. Kanda, Jap. Ann. Int. L. 45 (2003), 53; Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 47; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-46.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

durchaus auf dem Standpunkt stehen, dass die vorliegende subjektive Anknüpfungsregel nicht mehr als Fortentwicklung des eigentlichen PRIMA-Prinzips anzusehen ist.615 Sie wurde deshalb auch als account agreement approach oder AAA-Prinzip bezeichnet.616 Die Auswirkungen einer beschränkten Rechtswahlmöglichkeit für Buchungsrechte an Wertpapieren unterscheiden sich nach der Rechtsnatur des Buchungsrechts. Während die Zulassung von Parteiautonomie im Bereich dinglicher Berechtigungsformen sehr ungewöhnlich ist, stellt sie für schuldrechtliche Berechtigungsformen die anerkannte Regel dar. Aus diesem Grund können die Auswirkungen der Anknüpfungsregel auch nur mit Blick auf die jeweilige Berechtigungsform beurteilt werden. aa) Begriff der Parteiautonomie Unter dem Begriff der Parteiautonomie versteht man zunächst allgemein die Freiheit, die auf ein Rechtsverhältnis anzuwendende Rechtsordnung selbst zu wählen. Sie ist das kollisionsrechtliche Äquivalent zur materiellrechtlichen Privatautonomie im Sinne einer Freiheit, den Inhalt eines Rechtsgeschäftes durch einzelne Festlegungen selbst zu bestimmen.617 Obgleich beide Rechtsinstitutionen der Durchsetzung individueller Freiheit der Parteien dienen, bestehen bedeutsame Unterschiede: Während die Privatautonomie eine individuelle Rechtsgestaltung nur im dispositiven Bereich einer Rechtsordnung erlaubt, ermöglicht die Parteiautonomie die Ausschaltung einer gesamten Rechtsordnung samt ihrer zwingenden und drittschützenden Vorschriften. Die Möglichkeiten, eine zulässige Rechtswahl durch zwingende materiellrechtliche Vorschriften wieder einzuschränken, sind sehr beschränkt.618 Aus diesem Grund ist die Reichweite des Anwendungsbereichs der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie nicht kongruent zu dem der materiellrechtlichen Privatautonomie. Eine Rechtswahl kann auch zulässig sein, wenn in materiellrechtlicher Hinsicht die Gestaltungsfreiheit fehlt und umgekehrt.619 Traditionelle Domäne der Parteiautonomie ist das Internationale Schuldvertragsrecht. In diesem Bereich ist die Parteiautonomie in allen europäischen Staaten und auch darüber hinaus fest verankert.620 Jedoch erfährt die Parteiautonomie auch in diesem Bereich Einschränkungen aus Gründen des Schutzes schwächerer Personen (Art. 29, 29 a, 30 EGBGB) sowie durch international zwingende ACHTUNGREEingriffsnormen (Art. 34 EGBGB). Aufgrund der Gefahr der Umgehung zwingender materiellrechtlicher Vorschriften bestanden seit jeher Vorbehalte gegen eine weitere Zulassung der Parteiautonomie für andere Bereiche des internationalen Privatrechts. 615

So Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 529. Mankowski, RIW 2004, 491; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 138 f.; MünchKommBGB/WenACHTUNGREdehorst, Art. 43 EGBGB, Rn. 219. 617 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 213; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 418. 618 Weber, RabelsZ 44 (1980), 512. 619 Weber, RabelsZ 44 (1980), 513; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 418. 620 Rühl, RabelsZ 71 (2007), 562. 616

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Jedoch ist in den letzten Jahren in den Bereichen des internationalen Delikts-621, Familien-622 und Erbrechts623 sowie mit der Durchsetzung der Gründungstheorie über die Sitztheorie im internationalen Gesellschaftsrecht624 ein Trend zu mehr Rechtswahlfreiheit erkennbar geworden. Im europäischen Kollisionsrecht zeichnet sich gegenwärtig eine Bestätigung dieser Entwicklung ab.625 bb) Parteiautonomie für schuldrechtliche Berechtigungsformen Für schuldrechtliche Berechtigungsformen ist die Möglichkeit der Rechtswahl bereits jetzt anerkannt. Jedoch weicht das Haager Wertpapierübereinkommen an einigen Stellen von den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts ab. In diesen Fällen kommt dem Haager Wertpapierübereinkommen als lex specialis Vorrang zu.626 So ist der bisherige Grundsatz der freien Rechtswahl in Art. 4 Abs. 1 HWpÜ dadurch beschränkt, dass der Intermediär im Geltungsbereich der gewählten Rechtsordnung eine qualifizierende Geschäftsstelle unterhalten muss. Man könnte sich fragen, worin die Rechtfertigung dafür liegt, die grundsätzlich uneingeschränkte Rechtswahlfreiheit im Schuldrecht dem Erfordernis einer qualifizierenden Geschäftsstelle des Intermediärs im Gebiet des gewählten Rechts zu unterwerfen.627 Die Einschränkungen durch Art. 4 Abs. 1 S. 2 HWpÜ sind in praktischer Hinsicht zwar nicht besonders einschneidend. Darüber hinaus legen jedenfalls deutsche Depotbanken den Gutschriften in Wertpapierrechnung bislang ohnehin deutsches Recht zugrunde. Letztlich liegt die Rechtfertigung für den reality test aber in der kollisionsrechtlichen Gleichbehandlung mit dinglichen Rechtspositionen, für die man eine gewisse Beschränkung der Rechtswahlfreiheit für erforderlich hielt. Die subsidiären Regelungen für den Fall, dass eine Rechtswahl ausbleibt oder unwirksam ist, weichen in ihrer Formulierung ebenfalls vom allgemeinen internationalen Schuldvertragsrecht ab. Während es dort auf die engste Verbindung mit einem Staat ankommt, ist im Rahmen des Übereinkommens gemäß Art. 5 HWpÜ auf den Ort der die Kontovereinbarung abschließenden Geschäftsstelle und hilfsweise auf deren Gründungs- bzw. OrganisationsACHTUNGREort abzustellen. Da die depotführende Stelle auch die vertragscharakteristische Leistung erbringt, wird sich für die Begründung einer schuldrechtlichen Berechtigung in den meisten Fällen aus Art. 5 HWpÜ das gleiche Ergebnis ergeben wie nach dem allgemeinen internationalen Schuldvertrags-

621

Art. 42 EGBGB. Art. 14 Abs. 2-4 und Art. 15 Abs. 2 EGBGB. 623 Art. 25 Abs. 2 EGBGB. 624 Vgl. allg. Einsele, RabelsZ 60 (1996), 421 ff. 625 Ausführlich Rühl, RabelsZ 71 (2007), 564 ff. 626 So auch Ege, S. 142; vgl. insoweit bereits die Stellungnahme der EZB, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 18, S. 18 f. 627 So Einsele, WM 2003, 2351. 622

372 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

recht.628 Jedoch wird durch das Übereinkommen klargestellt, dass insbesondere der Belegenheitsort der Wertpapierurkunden keine engere Verbindung mit einem anderen Staat und dessen Rechtsordnung begründen kann. Keine praktisch relevanten Unterschiede zwischen dem allgemeinen Schuldvertragsstatut und dem Konzept des Haager Wertpapierübereinkommens ergeben sich für die Übertragung einer schuldrechtlichen Rechtsposition an Wertpapieren. Wird eine solche Forderung durch Abtretung übertragen, so unterliegt die Zession jedenfalls dann, wenn es nicht zu einer Umbuchung der Werte kommt, sowohl gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB als auch gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 b) HWpÜ dem Recht, dem auch die Berechtigung selbst unterworfen ist. Lediglich dann, wenn es im Zuge einer Abtretung auch zu einer Umbuchung der Werte käme, unterläge der Rechtserwerb durch den Zessionar und auch die Berechtigung selbst nicht mehr dem Recht, das der Zedent mit seinem Intermediär vereinbart hatte, sondern dem Recht, das zwischen dem Zessionar und seiner Bank vereinbart wurde. Unterschieden sich diese Rechtsordnungen, so käme es für die Forderung zu einem Statutenwechsel; Entäußerungs- und Erwerbsakt der Zession unterlägen dann unterschiedlichen Rechtsordnungen. Jedoch wurde am Beispiel der Gutschrift in Wertpapierrechnung deutlich, dass Umbuchungen schuldrechtlicher Rechtspositionen materiellrechtlich nicht als Abtretung erklärt werden, sondern dass die Forderung gegenüber dem Intermediär auf Veräußererseite erlischt und mit dem Intermediär auf Erwerberseite neu begründet wird. Man kann dieses Prinzip durchaus zu einer allgemein gültigen Regel erheben, denn der Intermediär des Erwerbers will immer nur eine Forderung gegen sich selbst, nicht aber gegen den Intermediär des Veräußerers gutschreiben. Zur Neubegründung der Berechtigung kommt es in der Regel auch dann, wenn ein Intermediär (beispielsweise die Wertpapiersammelbank) die Werte vom Konto eines Depotkunden auf das Konto eines anderen Depotkunden umbucht. Das Zessionsstatut hat damit jedenfalls für die buchungsmäßige Übertragung schuldrechtlicher Berechtigungsformen keine Bedeutung.

cc) Parteiautonomie für dingliche Berechtigungsformen (1) Parteiautonomie im Sachenrecht im Allgemeinen (a) Grundsätzliche Ablehnung Der Gedanke einer parteiautonomen Anknüpfung im internationalen Sachenrecht stößt traditionell auf Ablehnung oder zumindest Zurückhaltung.629 Die Gründe, die gegen die Parteiautonomie im Sachenrecht sprechen, sind spiegelbildlich zu denje628

Vgl. Art. 28 Abs. 2 EGBGB. BGHZ 45, 95, 96 ff.; BGH NJW 1997, 461, 462; OLG Köln, IPRax 1990, 46; Lüderitz, in: Lauterbach, S. 190 f.; MünchKommBGB/Kreuzer, 3. Aufl., nach Art. 38 Anh. I, Rn. 67; v. Bar, Rn. 752 f.; Junker, RIW 2000, 251 f.; v. Hoffmann/Thorn, S. 514 f.; Kegel/Schurig, S. 766; MünchKommBGB/Wendehorst, Einl. IPR, Rn. 239; Palandt/Heldrich, Art. 43 EGBGB, Rn. 2. 629

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nigen, welche das Prinzip der lex rei sitae als Anknüpfungsregel für Sachenrechte überhaupt rechtfertigen.630 Als besonders bedeutsam wird der Aspekt der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes angesehen. Mit der absoluten Wirksamkeit dinglicher Rechte korreliere das Erfordernis, dass Existenz und typisierter Inhalt dinglicher Rechte Dritten möglichst leicht erkennbar sein müssen. Im materiellen Recht dienten der unmittelbare Sachbesitz oder Registereintragungen als Publizitätsmittel. Aber auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht erfordere das Publizitätsprinzip grundsätzlich die objektiv Feststellbarkeit und allgemeine Erkennbarkeit der Rechtsordnung, der dingliche Rechte an einer Sache unterliegen, da die Publizitätsmittel durch den Verkehr sonst materiellrechtlich nicht eingeordnet werden könnten.631 Dies sei nicht gewährleistet, wenn man das Sachstatut zur freien Disposition der Parteien stellt.632 Dritte müssten dann Kenntnis von den Einzelheiten eines Vertragsverhältnisses haben. Der numerus clausus der Sachenrechte könnte durch die Vereinbarung einer fremden Rechtsordnung mittelbar systemwidrig durchbrochen werden.633 Nach weit verbreiteter Ansicht würden Belange des Verkehrs- und Drittschutzes beeinträchtigt, wenn die Parteien nach einer fremden Rechtsordnung „geheime“ Sicherungsmittel vereinbaren könnten, die aus keinem Register ersichtlich seien und auch sonst keinen Publizitätsvorschriften unterlägen.634 Im Grundstücksrecht komme eine Rechtswahlfreiheit danach von vornherein nicht in Betracht.635 Aber auch im Mobiliarsachenrecht sei die zwingende Anknüpfung an den Belegenheitsort weltweit anerkannt und gewährleiste damit den internationalen Entscheidungsgleichklang.636 Die Zulassung der Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht brächte deshalb nur dann verlässliche Anknüpfungen, wenn sie international einheitlich eingeführt würde.637 Aus diesen Erwägungen heraus hat sich auch der deutsche Gesetzgeber bei der Regelung des internationalen Sachenrechts in Art. 43 ff. EGBGB generell gegen eine parteiautonome Anknüpfung entschieden. Auch international lässt keine Rechtsordnung generell eine auch gegenüber Dritten wirksame Wahl des auf dingliche Rechte anzuwendenden Rechts zu.638

630

Vgl. oben D.III.1. Lüderitz, in: Lauterbach, S. 188; v. Caemmerer, in: FS Zepos, S. 25; Stadler, S. 673; Sailer, S. 77; v. Hoffmann/Thorn, S. 515. 632 MünchKommBGB/Wendehorst, Vor Art. 43 EGBGB, Rn. 11; Schefold, IPRax 2000, 471; Rott, S. 13 f. 633 Lüderitz, in: Lauterbach, S. 188; Wagner, IPRax 1998, 435; darauf abstellend auch die Begründung zum Regierungsentwurf zu Art. 43 Abs. 2 EGBGB, BT-Drucks. 14/343, S. 16. 634 v. Bar, Rn. 753; kritisch auch Goode, JIBFL Special Supplement/September 1998, 27. 635 Weber, RabelsZ 44 (1980), 521; Ritterhoff, S. 281 f.; Stadler, S. 681; Kropholler, 54 II. 636 v. Bar, Rn. 753; Stadler, S. 674; ähnlich Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 441; kritisch aber Stoll, IPRax 2000, 264. 637 Kreuzer, in: Henrich, S. 75 ff. 638 Einen internationalen Überblick liefert Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), S. 441. 631

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(b) Bereichsspezifische Ausnahmen Die generelle kollisionsrechtliche Parteiautonomie für die Begründung oder Übertragung dinglicher Rechte an beweglichen Sachen wird denn auch kaum gefordert.639 Lediglich für besonders gelagerte Fallgruppen, in denen sich das Prinzip der lex rei sitae als nachteilig erweist, wird die beschränkte Zulassung der Wahl des anzuwendenden Rechts befürwortet. So diskutiert man die Rechtswahlmöglichkeit für Eigentumsübertragungen im Rahmen von internationalen Verkehrsgeschäften. Darunter versteht man Geschäfte über Sachen, die zum Zweck der Verfügung in das Rechtsgebiet eines anderen Staates verbracht werden, beispielsweise einen Versendungskauf.640 Die h.M. wendet hier nach dem Prinzip der lex rei sitae sukzessive die Rechtsordnung des Absende- und des Bestimmungslandes an, so dass mit jedem Grenzübertritt der Sache ein Statutenwechsel einhergeht.641 Wird eine Sache in ein Rechtsgebiet geliefert, das im Gegensatz zum deutschen Traditionsprinzip dem Konsensualprinzip folgt und zur Übereignung keine Übergabe der Sache verlangt, vollzieht sich der Eigentumsübergang ACHTUNGREdanach beim Passieren der Grenze, sofern das ausländische Recht eine im Inland vorgenommene Einigung anerkennt. Der Rechtsübergang zu diesem Zeitpunkt entspricht aber letztlich keiner der beiden Rechtsordnungen und bringt verschiedene Nachteile mit sich. Unter anderem ist der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs für die Parteien vielfach nicht erkennbar. Ferner setzen sich bei internationalen Verkehrsgeschäften dann regelmäßig die Rechtsordnungen für den Eigentumserwerb durch, die geringere Anforderungen daran stellen und folglich früher erfüllt sind als die Erwerbsvoraussetzungen anderer Rechtsordnungen.642 Aufgrund der Anpassungsprobleme zwischen den beteiligten Rechtsordnungen wurde deshalb schon länger vorgeschlagen, die sachenrechtliche Verfügung einer der beteiligten Rechtsordnungen zu unterwerfen, die objektiv zu bestimmen wäre.643 Einige Stimmen sprechen sich für diesen Fall aber auch für eine parteiautonome Bestimmung des Sachstatuts aus.644 Die Parteien sollten sich dann zwischen der Rechtsordnung des Abgangs- und des Be-

639 Am weitestgehenden noch v. Wilmowsky, S. 149 ff., der eine generelle Parteiautonomie bei Sicherungsrechten zur Verwirklichung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten befürwortet. 640 Stoll, RabelsZ 38 (1974), 452; Ritterhoff, S. 171 f. 641 Vgl. BGHZ 45, 95, 96 ff.; BGH WM 1967, 1198; Duden, S. 9 f.; MünchKommBGB/ Kreuzer, 3. Aufl., nach Art. 38 Anh. I, Rn. 72 ff.; Soergel/Lüderitz, Art. 38 Anh. II, Rn. 3; Junker, RIW 2000, 252. 642 Ausführlich Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 283; v. Caemmerer, FS Xenion, S. 26 f.; Ritterhoff, S. 294. 643 Zu den Ansätzen einer einheitlichen objektiven Bestimmung vgl. im Einzelnen Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 290; Rott, S. 26 ff. 644 Sovilla, S. 72 f.; Flessner, RabelsZ 34 (1970), 569 ff.; Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 292; Erman/Hohloch, Art. 43 EGBGB, Rn. 24; ablehnend aber die Begründung zum Regierungsentwurf zu Art. 43 EGBGB, BT-Drucks. 14/343, S. 16.

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stimmungslandes und allenfalls noch dem Recht, dem das Verpflichtungsgeschäft unterliegt, entscheiden können.645 Eine ähnliche Diskussion wird bei so genannten res in transitu geführt.646 Damit ist die Sonderform eines internationalen Verkehrsgeschäfts gemeint, bei der über Waren verfügt wird, während sich diese auf dem Transport durch verschiedene Rechtsgebiete befinden. Die kollisionsrechtliche Einordnung der dinglichen Rechtsänderungen ist dann problematisch, wenn der Ort, an dem sich die betreffende Sache zum Zeitpunkt der Verfügung befindet, unbekannt ist. Die Geltung des Sachenrechts eines Durchreiselandes für dingliche Rechtsbeziehungen an der Sache ist auch weit weniger als sonst gerechtfertigt, da dessen Rechtsverkehr kaum berührt ist. Die Beziehung der Sache zu dem vorübergehenden Lageort ist eher zufällig.647 Auch in diesem Zusammenhang wird eine Vielzahl objektiver Sonderanknüpfungen vorgeschlagen, wobei die überwiegende Ansicht das Recht des Bestimmungsortes der Sache zur Geltung kommen lassen möchte.648 Es mehren sich aber auch Stimmen, die in diesem Zusammenhang grundsätzlich ebenfalls eine parteiautonome Anknüpfung befürworten. Der Kreis der wählbaren Rechtsordnungen wird jedoch auch hier zumeist auf das Recht des Verpflichtungsgeschäfts sowie die Rechtsordnungen des Absende- und des Bestimmungslandes beschränkt.649 Lageortbezogene Aspekte, wie die Zwangsvollstreckung in die Sache oder gesetzliche Pfandrechte, sollen aber weiterhin der lex rei sitae unterstellt bleiben.650 (c) Rechtswahl beschränkt auf inter partes Wirkungen Daneben wurde auch die Möglichkeit einer Rechtswahl für dingliche Rechtsverhältnisse vorgeschlagen, die sich auf die Wirkungen im Verhältnis der Parteien untereinander beschränken und keine Wirkungen im Verhältnis zu Dritten entfalten solle.651 Dies ist beispielsweise im schweizerischen internationalen Sachenrecht für bewegliche Sachen vorgesehen, die vom Geltungsbereich einer Rechtsordnung 645

Vgl. Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 460 ff., ders., in: FS Kegel, S. 150 f.; Stoll, RabelsZ 38 (1974), 455 f. 646 Zum Begriff Ritterhoff, S. 150 ff. 647 Sailer, S. 72; Kassaye, S. 171 f.; Markianos, RabelsZ 33, (1958), 21 f. 648 Sailer, S. 78 f.; MünchKommBGB/Kreuzer, 3. Aufl., nach Art. 38 Anh. I, Rn. 127; Junker, RIW 2000, 252; Siehr, ZVglRWiss 104 (2005), 150; Kropholler, § 54 IV; einen Überblick über vorgeschlagene Sonderanknüpfungen liefert Ritterhoff, S. 154 f. 649 So Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 369; für die Wählbarkeit jeder Rechtsordnung, an der ein vernünftiges Interesse bestehe, Weber, RabelsZ 44 (1980) S. 528 ff.; lediglich für eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Recht des Absende- und Bestimmungslandes hingegen Drobnig, RabelsZ (32) 1968, 461; Kegel/Schurig, S. 774 f.; auch unter Einbeziehung des Rechts eines Durchgangslandes Wolff, S. 174; allein für die Wählbarkeit des Schuldvertragsstatuts Sovilla, S. 72 f.; Privat, S. 79 f.; die Parteiautonomie in diesem Zusammenhang generell ablehnend Markianos, RabelsZ 23 (1958), 34 f.; Palandt/Heldrich, Art. 43 EGBGB, Rn. 9. 650 Wolff, S. 174; Kegel/Schurig, S. 774. 651 Gottheiner, RabelsZ 18 (1953), 375; zustimmend zumindest als ersten Schritt zu einer einheitsrechtlichen Einführung ein drittwirksamen Rechtswahl Kreuzer, in: Henrich, S. 81 f.

376 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

in eine andere verbracht werden.652 Die Wahlmöglichkeit der Parteien ist auch hier auf das Recht des Abgangs- und des Bestimmungsstaates sowie das Recht des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts beschränkt. Auch der deutsche Gesetzgeber, der eine Abweichung von dem Prinzip der lex rei sitae gemäß Art. 46 EGBGB zumindest in besonderen, aber nicht näher benannten Ausnahmefällen für möglich hält, zog dabei insbesondere die Berücksichtigung des Willens der Parteien für ihre Beziehungen untereinander in Betracht.653 Wenigstens im Verhältnis zwischen den Parteien könnte damit ein kollisionsrechtlicher Gleichlauf zwischen schuldrechtlicher Verpflichtung und dinglicher Verfügung erreicht werden. Gleichzeitig wäre der Schutz von Verkehrs- und Drittschutzinteressen gewährleistet. Jedoch wäre den Parteien einer Verfügung mit einer solchen Lösung kaum gedient, da sich gerade Eigentumsrechte oder dingliche Sicherheiten gegenüber Drittrechten bewähren müssen.654 Der Vorschlag würde auch zu einer systemwidrigen Vermischung zwischen Schuld- und Sachenrecht führen.655 Gerade bei Verfügungsgegenständen, die häufig den Eigentümer wechseln, würde eine auf die Wirkung inter partes beschränkte Rechtswahl Verwirrung und Rechtsunsicherheit stiften.656 Im Ergebnis verlangt eine Verfügung über ein absolutes Recht auch eine gegenüber jedermann wirksame Bestimmung des anwendbaren Rechts. Aus diesen Gründen konnte sich der Vorschlag der Parteiautonomie mit inter partes Wirkung bislang nicht durchsetzen. (d) Rechtswahl beschränkt auf Verfügungen Anstelle einer Einschränkung der personalen Wirkung der Rechtswahl wurde auch eine Rechtswahlmöglichkeit für dingliche Rechte erwogen, bei der die Reichweite des gewählten Rechts in sachlicher Hinsicht beschränkt ist. Danach sollen der gewählten Rechtsordnung nur die Voraussetzungen der Begründung oder Übertragung eines dinglichen Rechts unterliegen, nicht jedoch der Inhalt und die Wirkungen des Rechts. Es käme also zu einer Spaltung des Sachstatuts: „dynamische“ Tatbestände, insbesondere eine Verfügung, unterlägen einem Sachenrechtsänderungs- oder Verfügungsstatut, während „statische“ Fragen hinsichtlich der Wirkungen eines Rechts einem Wirkungsstatut unterlägen.657 Als Wirkungsstatut komme allein die lex rei

652 653

Art. 104 Abs. 2 Schw. IPRG; dazu Peyer, AJP 2007, 959. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/343, S. 19; Pfeiffer, IPRax 2000,

247. 654 v. Bar, Rn. 753; ähnlich MünchKommBGB/Kreuzer, 3. Aufl., Nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rn. 74; kritisch mit Blick auf Art. 104 Abs. 2 Schw. IPRG Girsberger, SJZ 95 (1999), 219. 655 Privat, S. 68 f.; Weber, RabelsZ 44 (1980), 521; Pfeiffer, IPRax 2000, 274; kritisch auch Stoll, IPRax 2000, 264. 656 Stadler, S. 675; Sailer, S. 59; Junker, RIW 2000, 246. 657 Sovilla, S. 73 ff.; Ritterhoff, S. 299 f.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sitae in Betracht, da die Rechtsausübung einen engen Bezug zum jeweiligen Lageort einer Sache aufweise.658 Verfügungs- und Wirkungsstatut sollen dabei folgendermaßen ineinandergreifen: Nach dem Verfügungsstatut sollen sich alle Rechtsfragen richten, hinsichtlich derer das gewählte Recht bereits nach geltendem Kollisionsrecht durch ein (vorübergehendes) Verbringen der Sache in das entsprechende Rechtsgebiet zur Geltung gebracht werden könne.659 Ihm unterlägen damit formelle und materielle Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Sachenrechtsbegründung oder -übertragung. Dies wären beispielsweise die Fragen, ob zur Rechtsbegründung die Übergabe der Sache erforderlich ist,660 oder ob Mängel im Kausalverhältnis auf den Rechtserwerb durchschlagen. Auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten soll vom gewählten Recht abhängen, und zwar auch dann, wenn der gutgläubige Erwerb nach dem Recht am Ort der Belegenheit der Sache unwirksam wäre.661 Demgegenüber unterlägen dem Wirkungsstatut alle lageortbezogenen Fragen, insbesondere Inhalt und Wirkungen eines nach dem gewählten Statut begründeten dinglichen Rechts. Dadurch würden die Interessen des Verkehrsschutzes ausreichend berücksichtigt. Denn der Verkehr habe kein Interesse daran, dass eine Sache auf eine bestimmte Art und Weise übereignet werde, wohl aber daran, nicht mit unbekannten Rechten und Pflichten konfrontiert zu werden.662 Die Abwehrmöglichkeiten des Inhabers eines dinglichen Rechts gegen Zugriffe Dritter am Lageort, beispielsweise im Rahmen einer Zwangsvollstreckung in das Vermögen des unmittelbaren Besitzers oder in dessen Insolvenz, bestimmten sich damit nach der lex rei sitae. Diskrepanzen zwischen den beiden Statuten seien nach den Regeln des Statutenwechsels aufzulösen.663 Damit werde die Art eines dinglichen Rechts zwar von dem gewählten Recht bestimmt; es stehe aber unter dem Vorbehalt der Anerkennung durch das aktuelle Lageortrecht. Dem Vorwurf, die Rechtswahlfreiheit führe mittelbar zu einer sachenrechtlichen Typenfreiheit, sei damit abgeholfen.664 Dieser Ansatz eignet sich gerade für Verfügungen über Sachen auf dem Transport. Beispielsweise kann danach die Geltung des Rechts am Ort des Bestimmungslandes zeitlich vorgezogen und das Problem des Statutenwechsels ausgeschaltet werden. Die Frage der Anerkennung von bereits vorher begründeten Rechten durch das Recht am 658

Weber, RabelsZ 44 (1980) S. 524; Einsele, RabelsZ 60 (1996) S. 445; Siehr, ZVglRWiss 104 (2005) 154. 659 Maßgeblich auf diesen Gedanken stützt sich Einsele, RabelsZ 60 (1996) S. 441. 660 Vgl. Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 287, 294. 661 Zustimmend, soweit keine international zwingenden Normen der lex situs entgegenstehen Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 304; ähnlich, aber auf die Grenzen des ordre public verweisend Einsele, RabelsZ 60 (1996) S. 442 f.; zustimmend nur, solange sich die Sache nicht im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Berechtigten befindet Ritterhoff, S. 303 f.; unklar hingegen Weber, RabelsZ 44 (1980), 522, 524. 662 Einsele, RabelsZ 60 (1996) S. 441. 663 Einsele, RabelsZ 60 (1996) S. 441 f.; Ritterhoff, S. 300. 664 Ritterhoff, S. 300.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Zielort kann dadurch dem Zufall entzogen und für die Parteien steuerbar gemacht werden. Bei einem entsprechenden Bedürfnis kann so auch ein Gleichlauf zwischen Schuldvertrags- und Verfügungsstatut herbeigeführt werden. Deutlich erkennbar ist hier eine gewisse Parallele zur Spaltung des Wertpapiersachstatuts durch § 17 a ACHTUNGREDepotG, wie sie oben herausgearbeitet wurde.665 Beide Ansätze stützen sich auf die Erkenntnis, dass eine Verfügung über ein dingliches Recht durchaus einer anderen Rechtsordnung als der am Ort der Belegenheit der Sache unterworfen werden kann; Inhalt und Wirkungen eines dinglichen Rechts können demgegenüber kaum unabhängig vom Recht am Ort der Belegenheit ausgestaltet werden. (e) Zusammenfassung und Bewertung im Hinblick auf eine Rechtswahl für intermediär verwahrte Wertpapiere Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Möglichkeit der Parteiautonomie im Sachenrecht im Allgemeinen sehr kritisch gesehen wird. Wenn überhaupt, dann wirdsie nur in eng umrissenen Fallgruppen befürwortet. Notwendig dafür sei auch der Einklang mit der internationalen Rechtsentwicklung.666 Verbindendes Element dieser Fallgruppen ist meist ein voraussehbarer Gebietswechsel der Sache. Eine parteiautonome Anknüpfung dient damit in aller Regel der Vermeidung eines in der Zweckbestimmung der Sache angelegten Statutenwechsels oder darin, das Recht eines nur vorübergehenden Lageortes auszuschalten.667 Meist wird die Parteiautonomie auf eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Recht des Absende- und Bestimmungsstaates beschränkt.668 Das Recht, dem der zugrundeliegende Schuldvertrag unterliegt, wird zum Teil als zusätzliche Wahlmöglichkeit,669 zum Teil aber auch als einzige Alternative zum Recht am Belegenheitsort gesehen.670 In formeller Hinsicht soll die Rechtswahl häufig nicht konkludent, sondern nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung vorgenommen werden dürfen.671 Andere Vorschläge gehen dahin, eine parteiautonome Anknüpfung zwar in gewissen Fällen zuzulassen, deren Reichweite aber in persönlicher oder sachlicher Hinsicht zu beschränken. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Regelung des internationalen Sachenrechts überhaupt keine ausdrückliche Rechtswahlmöglichkeit vorgesehen. Rechtstechnisch ist eine parteiautonome An-

665

Vgl. oben D.V.2.d). MünchKommBGB/Kreuzer, Nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rn. 67. 667 Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 461; Kropholler, § 54 II; weitergehend Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 286; Ritterhoff, S. 310. 668 Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 461; weiter hingegen Ritterhoff, S. 309, die jede Rechtsordnung für wählbar hält, sofern die Parteien irgendeine Beziehung zu dem gewählten Recht haben. 669 Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 292. 670 Sovilla, S. 72 f.; Privat, S. 138; Stadler, S. 678 ff.; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001). 671 Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 461; ders., in: FS Kegel, S. 150; kritisch Staudinger/Stoll, Int SachenR, Rn. 292; ders., RabelsZ 38 (1974), 456. 666

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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knüpfung für das deutsche internationale Privatrecht deshalb nur in Ausnahmefällen im Rahmen der Ausweichklausel des Art. 46 EGBGB möglich.672 Festzuhalten ist damit, dass eine so weitreichende Form der Parteiautonomie für dingliche Rechte, wie sie im Haager Wertpapierübereinkommen vorgesehen ist, in Deutschland und auch international ohne Beispiel ist. Der Sache nach vermögen die beschriebenen Fallgruppen im Übrigen nur äußerst beschränkt Vorbildwirkung für die Zulassung weitergehender Rechtswahlmöglichkeiten für intermediär verwahrte Wertpapiere entfalten. Zwar werden im Rahmen des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs in verschiedenen Rechtsordnungen Berechtigungen an sammelverwahrten Effekten erworben; aufgrund der Immobilisierung der Effektenurkunden kommt es dabei aber gerade nicht zu der für die genannten Fallgruppen typischen Verbringung des Verfügungsgegenstandes in den Geltungsbereich einer anderen Rechtsordnung. Das Problem eines voraussehbaren Statutenwechsels aufgrund der Anwendung des Belegenheitsprinzips besteht im Rahmen des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs gerade nicht. Auch inhaltlich unterscheidet sich die Rechtswahlklausel des Haager Wertpapierübereinkommens in vielerlei Hinsicht von den diskutierten Rechtswahlmöglichkeiten. Einerseits sind die Parteien der Rechtswahl nicht identisch mit den Parteien der (sachenrechtlichen) Verfügung. Jedenfalls soweit es nicht zu einem Durchgangserwerb der zwischenverbuchenden Banken kommt, normiert das Haager Wertpapierübereinkommen damit kein Verfügungsstatut im eigentlichen Sinne.673 Ferner sieht das Haager Wertpapiereinkommen eine wesentlich größere Bandbreite an wählbaren Rechtsordnungen vor, als in den beschriebenen Fallgruppen befürwortet wird. Die Wahlfreiheit ist hier nur durch das Erfordernis einer qualifizierenden Geschäftsstelle beschränkt. Aufgrund dieser Unterschiede bedarf die parteiautonome Anknüpfung einer eigenständigen Rechtfertigung. (2) Parteiautonomie für dingliche Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren (a) Gründe für eine Rechtswahlmöglichkeit Im Bereich des Effektengiroverkehrs wurde eine parteiautonome Anknüpfung für dingliche Berechtigungsformen vor dem Haager Wertpapierübereinkommen kaum in Betracht gezogen. Bei den Beratungen ging der Entscheidung für ein subjektives Anknüpfungskonzept eine tiefgehende Diskussion zwischen den Delegationsparteien voraus. Die Entscheidung fiel erst zu einem sehr späten Zeitpunkt.674 Die subjektive 672 Vgl. BT-Drucks. 14/343, 16; zu den Anforderungen MünchKommBGB/Wendehorst, Art. 46 EGBGB, Rn. 18; Stoll, IPRax 2000, 265. 673 Aus diesem Grund stand man dem Begriff der Parteiautonomie als Bezeichnung für die vorliegende Rechtswahlmöglichkeit anfangs skeptisch gegenüber, vgl. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 2, S. 20 f. 674 Garcimartn Alfrez, R.E.D.I. 2001, 308; Goode/Kanda/Kreuzer, Int-14; zu den verschiedenen Optionen, die zur Debatte standen, vgl. Girsberger, in: FS Schnyder, S. 85 ff; ders., in: FS Nygh, S. 147 ff.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Anknüpfungsregel wurde vor allem von den Vertretern des angloamerikanischen Rechtskreises, insbesondere der USA, Kanadas und Englands befürwortetet. Das Konzept findet sein Vorbild in § 8-110 (e) UCC. In der Tat sprechen verschiedene Aspekte, die im IPR im Allgemeinen für Rechtswahlmöglichkeiten streiten, gerade im Bereich des Effektengiroverkehrs für eine subjektive Anknüpfungsregel. Parteiautonome Anknüpfungen erleichtern grundsätzlich die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts für die beteiligten Parteien und Gerichte und erhöhen damit die kollisionsrechtliche Rechtssicherheit. Dies wirkt sich besonders dann positiv aus, wenn objektive Anknüpfungskriterien nicht mit genügender Sicherheit oder in zumutbarer Weise bestimmt werden können.675 Die Befürworter einer Rechtswahllösung stellten in erster Linie auf diesen Aspekt ab. Aufgrund der international sehr variierenden rechtlichen Erfassung der intermediären Wertpapierverwahrung hielten sie es für schwierig, sich auf einen einheitlichen und überall praktikablen objektiven Ansatz zu einigen. Insbesondere die einheitliche Festlegung eines Ortes, an dem sich ein Depotkonto befindet bzw. an dem es von einem Intermediär geführt wird, schien nicht möglich. Es ist in der Tat zutreffend, dass die einzelnen Tätigkeiten der Kontoführung heutzutage oft nicht einer einzelnen Geschäftsstelle eines Intermediärs zugeordnet sind. Stattdessen werden häufig einzelne Tätigkeitsbereiche an bestimmten Standorten eines global tätigen Intermediärs zusammengefasst, so dass sich die Depotführung insgesamt auf unterschiedliche Länder verteilen kann. Teilbereiche der Depotverwaltung können zudem an andere Finanzdienstleistungsunternehmen ausgelagert sein. Auch die technischen Einrichtungen zur elektronischen Abwicklung der Kontoführung können sich in den Rechtsgebieten verschiedener Staaten befinden.676 Ferner kann ein Intermediär die interne Arbeitsverteilung und damit den Ort der tatsächlichen Depotführung jederzeit ändern.677 Damit lässt sich objektiv häufig nicht bestimmen, wo sich ein (nur als elektronischer Datensatz vorhandenes) Depotkonto „befindet“ oder an welchem Ort es tatsächlich geführt wird. Es existieren auch keine einheitlichen Bezeichnungen wie Kontonummern oder Bankleitzahlen, die der Identifizierung dienen könnten.678 Objektive Anknüpfungskriterien, wie sie dem Gemeinschaftsrecht zugrunde liegen, bergen damit die Gefahr, die Unsicherheit hinsichtlich des anzuwendenden Rechts eher zu verschleiern.679 Denkbar wäre zwar auch gewesen, den Ort der Kontoführung im Kontoführungsvertrag ausdrücklich festzulegen. Sofern eine solche Festlegung al675

Weber, RabelsZ 44 (1980), 511; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 418; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/SchiACHTUNGREmansky, S. 139. 676 Beispielhaft Goode/Kanda/Kreuzer, Int-44; vgl. Goode/Kronke/McKendrick/Wool, S. 732; Verhagen, EBLR 11 (2000), 116; Potok, 15 JBFLP (2004), 213 f.; zustimmend auch EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 8. 677 Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 219; Girsberger/Hess, AJP 2006, 998. 678 Girsberger/Hess, AJP 2006, 1005. 679 Vgl. auch Girsberger, in: FS Schnyder, S. 85; Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 175; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 389 f.; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 123; kritisch hinsichtlich dieser Bedenken aber Legal Certainty Group, Second Advice, S. 20.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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lein ausschlaggebend gewesen wäre, hätte man damit aber letztlich eine verdeckte Rechtswahl zugelassen.680 Man bevorzugte deswegen eine klare und unmittelbare Rechtswahlmöglichkeit. Ein weiterer grundsätzlicher Vorteil parteiautonomer Anknüpfungen liegt in der Möglichkeit, eine sachlich angemessene, besser ausgebaute oder zumindest für die Beteiligten vertraute Rechtsordnung zur Anwendung gelangen zu lassen.681 Die Anwendung einer für die Parteien bekannten oder an ihre speziellen Bedürfnisse angepassten Rechtsordnung senkt die Transaktionskosten, so dass die Rechtswahlmöglichkeit als ökonomisch effizientere Form der Bestimmung des anwendbaren Rechts angesehen werden kann. Da die nationalen Rechtsordnungen nicht immer zufriedenstellende Regelungen für die intermediäre Wertpapierverwahrung vorsehen, kann durchaus ein Bedürfnis für die Wahl einer anderen, besser geeigneten Rechtsordnung bestehen. Insbesondere können die Parteien dadurch schuldrechtliche und dingliche Rechtsbeziehungen einer Transaktion einem gemeinsamen Statut unterstellen. (b) Einwand der Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs Vertreter kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen standen der Einführung einer parteiautonomen Lösung gleichwohl lange Zeit ablehnend gegenüber. Aus ihrer Sicht sprachen zunächst rechtssystematische Bedenken gegen die Zulassung von Parteiautonomie für sachenrechtliche Fragen. Vor allem aber laufe sie den Verkehrsinteressen zuwider, weil das gewählte Recht für Dritte nicht erkennbar sei. Es wurde eingewandt, dass Gläubiger des Depotinhabers aufgrund des Bankgeheimnisses keinerlei Möglichkeit hätten, die zwischen Depotinhaber und seiner Bank vereinbarte Rechtsordnung zu erkennen.682 Die mit dem Prinzip der lex rei sitae bzw. dem objektiven PRIMA-Konzept des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich verbundene kollisionsrechtliche Publizität würde damit beeinträchtigt. Beispielsweise wäre es vorstellbar, dass der Kontoinhaber sein Konto unter einer Rechtsordnung führt, die den zwangsvollstreckungsrechtlichen Zugriff für Dritte erschwert. Das Erfordernis einer qualifizierenden Geschäftsstelle des Intermediärs im Geltungsbereich der gewählten Rechtsordnung hilft Dritten bei der Ermittlung des von den Parteien gewählten Rechts jedenfalls nicht weiter.683 Generell gilt, dass die Interessen Dritter eine Grenze für die Parteiautonomie darstellen.684 Zu bedenken ist jedoch auch, dass die dem Verkehrs- und Drittschutz die680

Eine solche verdeckte Rechtswahlmöglichkeit folgt aus Art. 5 Abs. 1 HWpÜ, vgl. oben D.VI.3.d); Rogers, 39 Cornell Int L.J. 313 (2006). 681 Weber, RabelsZ 44 (1980), 511 f.; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 418; Haentjens, S. 291. 682 Vgl. Löber, BKR 2003, 266; Franz, S. 184 f.; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 139; Rögner, ZBB 2006, 104; skeptisch auch Schefold, in: FS Jayme, S. 819 ff.; ähnliche Einwände werden auch gegen die Rechtswahlmöglichkeit in Art. 8-110 (e) UCC vorgebracht; auch hier sei das gewählte Recht für Inhaber von Gegenrechten (adverse claimants) nicht erkennbar, Hakes, 35 Loy. L.A. L. Rev. (2003), 707. 683 Ooi, LMCLQ 2005, 475. 684 MünchKommBGB/Wendehorst, Einl. IPR, Rn. 235; Kropholler, § 40 IV 2.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

nenden Publizitätsvorschriften des nationalen Sachenrechts und die objektiven ACHTUNGREAnknüpfungsregeln des Belegenheits- bzw. des gemeinschaftsrechtlichen PRIMAPrinzips bereits heute keinen uneingeschränkten Verkehrsschutz gewährleisten. Es ist deswegen konkret zu prüfen, inwieweit eine auf die vorliegenden Fallgestaltungen beschränkte Rechtswahlmöglichkeit überhaupt hinter dem Niveau des Drittschutzes objektiver Anknüpfungsmöglichkeiten zurückbleibt. Gegebenenfalls ist zu fragen, ob beschränkte Elemente des Drittschutzes unverzichtbar sind.685 Fraglich ist zunächst, wann Verkehrs- und Drittinteressen im Rahmen des Effektenverkehrs berührt sind. Von Fragen des Eigentumsübergangs an Effekten sind Dritte zwar grundsätzlich nicht betroffen, es sei denn, sie verlieren ihr Eigentum, beispielsweise im Rahmen eines gutgläubigen Erwerbs.686 Die Frage der Berechtigung an Wertpapieren ist für den Verkehr jedoch bei der Begründung von Pfandrechten und anderen Sicherungsrechten von Interesse. Will ein Dritter beispielsweise ein vertragliches oder gesetzliches Pfandrecht an Effekten erwerben oder will er diese pfänden oder arrestieren lassen, so muss er grundsätzlich wissen, wem die Effekten gehören und ob weitere Sicherungsinteressen zugunsten anderer Personen bestehen. ACHTUNGREDarüber hinaus muss er die Rechtsordnung kennen, die über die Rechtsnatur des BuACHTUNGREchungsrechts, die Art des Pfandrechts, seine Bestellung, das Verhältnis zu Sicherungsrechten anderer Personen und seine Verwertung bestimmt. Da vertragliche Sicherungsnehmer gegenüber ihrem Vertragspartner grundsätzlich einen Anspruch auf Mitteilung des anzuwendenden Rechts haben werden,687 sind an dieser Stelle insbesondere Inhaber gesetzlicher Sicherungsrechte sowie sonstige Gläubiger des Depotinhabers betroffen.688 Befinden sich die Wertpapiere im Besitz des Eigentümers, so wird das Interesse des Verkehrs, den Erwerb dinglicher Rechte Dritter an den Wertpapieren zu erkennen, grundsätzlich durch das sachenrechtliche Publizitätsprinzip geschützt. Das auf den Erwerb des Pfandrechts anzuwendende Recht ist mit dem Lageort der Papiere grundsätzlich ebenfalls allgemein erkennbar. Nun ergeben sich bereits im materiellen Recht bedeutende Grenzen des Drittschutzes. Generell ist für Dritte nicht allgemein erkennbar, ob der Besitzer einer Sache diese in Eigen- oder Fremdbesitz hat.689 Auch bei der Übertragung des Eigentums ist das Publizitätsprinzip im deutschen Sachenrecht an zahlreichen Stellen durchbrochen. Beispielsweise sind Übereignungen ohne Übergabe (§ 929 S. 2 BGB) oder durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (z. B. bei einer Sicherungsübereignung) bzw. unter einer aufschiebenden Bedingung (z. B. bei einem Eigentumsvorbehalt) möglich. In all diesen Fällen kann ein Dritter die nach außen tretende besitzrechtliche Lage nur zuordnen, wenn er den Inhalt der zugrundeliegenden Par685 Vgl. allg. auch Weber, RabelsZ 44 (1980), 520 ff.; Stoll, IPRax 1997, 412 f.; Staudinger/ Stoll, Int SachenR, Rn. 284. 686 Weber, RabelsZ 44 (1980), 522. 687 Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 34. 688 Vgl. EZB, Stellungnahme vom 17. 3. 2005, Rn. 13; Peyer, AJP 2007, 964 f. 689 Ritterhoff, S. 283 f.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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teivereinbarung kennt. Das Publizitätsprinzip gewährleistet damit keine generelle abstrakte Erkennbarkeit der dinglichen Zuordnung einer Sache und der beschränkt dinglichen Rechte daran. Der Verkehr ist immer dem Risiko der Zwangsvollstreckung in eine dem Schuldner nicht gehörende Sache ausgesetzt.690 Diese Einschränkungen der Publizität gelten im Besonderen für den Effektenverkehr. Auch die Übertragung von Wertpapieren im Effektengiroverkehr wird zwar rechtlich durch eine Besitzübertragung konstruiert, jedoch wird die Funktion des Besitzes durch Buchungen auf Depotkonten ersetzt. Der Besitz an sammelverwahrten Wertpapierurkunden hat seine Funktion als Träger eines Rechtsscheins zugunsten einer tatsächlichen Rechtsinhaberschaft und zur Übertragung der Rechte verloren. Die Buchungen der zwischengeschalteten Intermediäre, die den Besitz ersetzen sollen, sind für Dritte aufgrund des Bankgeheimnisses aber gerade nicht erkennbar.691 Der Effektenverkehr läuft damit vollkommen ohne allgemein erkennbare Publizitätsakte ab. Hinsichtlich der Bestellung von Sicherheiten an Wertpapieren verbietet Art. 3 Abs. 1 Finanzsicherheitenrichtlinie im Übrigen jegliche publizitätsrelevante Formvorschriften, die über die buchungsmäßige Besitzübertragung hinausgehen. In dem Umfang, in dem eine Rechtsordnung aber den dinglichen Rechtserwerb ohne Erfüllung jeglicher Publizitätsformen zulässt, ist der sachenrechtliche Drittschutz bereits von vornherein beschränkt. Daraus hat man schon länger den Schluss gezogen, dass dort, wo das Publizitätsprinzip materiellrechtlich nur beschränkt zur Geltung komme, auch keine unbedingte kollisionsrechtliche Publizität zwingend sei.692 Zutreffend ist in der Tat, dass aus Sicht des Verkehrsschutzes der Hauptzweck, dass sich Verfügungen nach einem nach außen erkennbaren Recht vollziehen, darin liegt, dass der Verkehr die erkennbaren Publizitätsakte auch rechtlich zuordnen kann. Daraus folgt aber umgekehrt, dass dann, wenn das materielle Recht dem Rechtsverkehr keine abstrakte Möglichkeit gibt, die dingliche Zuordnung einer Sache zu beurteilen oder eine Verfügung darüber zu erkennen, es auch nicht unbedingt notwendig ist, dass sich Übertragungen nach einem bestimmten Recht vollziehen. Dagegen könnte man zwar einwenden, dass der Schutz erwerbender Dritter im Rahmen von Verfügungen über eine Sache jedenfalls über die Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs an die tatsächliche Besitzlage anknüpft. Um sich auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs verlassen zu können, muss ein Käufer oder Sicherungsnehmer jedoch das auf die Verfügung anzuwendende Recht erkennen können. Gerade bei rechtsgeschäftlichen Übertragungen ist dafür aber kein objektives Anknüpfungsmerkmal erforderlich. Vielmehr kann diese Erkennbarkeit des anzuwendenden Rechts auch im Rahmen eines parteiautonomen Systems erreicht werden.693 Denn 690

Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 448; vgl. auch Ritterhoff, S. 284 ff. So auch Einsele, WM 2003, 2355; Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 732; Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 34. 692 Weber, RabelsZ 44 (1980), 522; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 440; Stadler, S. 676; Ritterhoff, S. 285; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 11; ablehnend Franz, S. 183. 693 Ritterhoff, S. 285 f. 691

384 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

entweder wird das auf die Übertragung anzuwendende Recht ohnehin zwischen Veräußerer und Erwerber vereinbart, oder der Veräußerer hat zumindest die vertragliche Nebenpflicht, dem Erwerber die Rechtsordnung mitzuteilen, die er mit seiner Depotbank vereinbart hat und der folglich ein zu verpfändendes Buchungsrecht unterliegt. Insgesamt sprechen diese Erwägungen für die Zulässigkeit der Wahl des Verfügungsstatuts. Unabhängig von der Frage, nach welchem Recht über eine Sache verfügt wird, liegt es aber grundsätzlich auch im Verkehrsinteresse, dass an einer Sache generell nur Rechte bestehen können, die einer allgemein erkennbaren Rechtsordnung unterliegen. Der Rechtsverkehr muss sich auf die zulässigen Arten und Wirkungen der Rechte einstellen können. Wer als Dritter ein Sicherungsrecht an einer Sache begründen will, muss beispielsweise wissen, welchem Recht die Sache unterliegt, welche Sicherungsrechte folglich zulässig sind, wie diese bestellt werden und welche konkurrierenden Rechte Dritter möglicherweise bestehen. Auch setzt die Bewertung der materiellrechtlichen Publizitätsmittel und der Frage einer möglichen Durchbrechung des materiellrechtlichen Publizitätsprinzips die Kenntnis des anzuwendenden Rechts und damit zumindest kollisionsrechtliche Publizität voraus. Nur wenn der Rechtsverkehr erkennen kann, dass ein bestimmtes Recht anwendbar ist, vermag er einzelne Publizitätsakte oder ihr Fehlen rechtlich einzuordnen und beispielsweise die Frage eines eventuellen gutgläubigen Erwerbs zu beurteilen.694 Im Normalfall wird diese Erkennbarkeit durch das Prinzip der lex rei sitae unbestritten am besten gewährleistet. Gewisse Beschränkungen bestehen zwar auch hier, da ältere Rechte, die an einem anderen Lageort unter einer anderen Rechtsordnung entstanden sind, auch am neuen Lageort fortbestehen können.695 In diesen Sonderfällen wird der Verkehr jedoch nach den Grundsätzen des Statutenwechsels geschützt. Anders stellt sich die Situation aber für intermediär verwahrte Wertpapiere dar. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass Drittinteressen an Berechtigungen an Wertpapieren praktisch nicht am Belegenheitsort der Papiere geltend gemacht werden, sondern dort, wo die Werte für den letztlichen Inhaber verbucht sind. Sowohl für den Inhaber als auch für Dritte, die gesetzliche oder vertragliche Sicherungsrechte halten oder in die Werte vollstrecken wollen, sind praktisch nicht die Wertpapiere selbst, sondern in erster Linie die Depotgutschriften von entscheidender Bedeutung. Das Belegenheitsprinzip hat hier seine Eignung für die allgemeine Erkennbarkeit der Rechtsordnung, die auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren anzuwenden ist, verloren. Der tatsächliche Belegenheitsort sammelverwahrter Wertpapiere, die zugunsten des Depotinhabers verbucht werden, ist für den Verkehr oft nicht allgemein erkennbar.696 Dies liegt sowohl an den beschriebenen tatsächlichen Schwierigkeiten, die Verwahrkette zum Endverwahrer zurückzuverfolgen als auch an den Vorschriften

694 695 696

Vgl. Ritterhoff, S. 285 f. Weber, RabelsZ 44 (1980), 522; vgl. auch Stadler, S. 676. Vgl. allgemein Weber, RabelsZ 44 (1980), 521; Stadler, S. 676.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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über das Bankgeheimnis.697 Unter dem Prinzip der lex rei sitae können damit regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Rechtsordnung gezogen werden, die auf dingliche Berechtigungen an Wertpapieren anwendbar ist. In der EU hat man sich deswegen dafür entschieden, die tatsächliche Bedeutung der Depotgutschriften auch kollisionsrechtlich zu respektieren. Man unterwirft dingliche Rechte an Wertpapieren daher dem Recht am Ort der Depotbuchung. Dass eine solche Anknüpfungsregel im Vergleich zum Prinzip der lex rei sitae sachgerecht ist, wird nicht bezweifelt. Zweifelhaft ist aber, ob der objektive PRIMA-Grundsatz ebenso wie das Belegenheitsprinzip die allgemeine Erkennbarkeit des anzuwendenden Rechts gewährleistet. Zwar kann es für Dritte grundsätzlich möglich sein, den Sitz eines Intermediärs zu ermitteln.698 Die Existenz eines Depotkontos bzw. einer darauf erteilten Gutschrift ist aber nicht allgemein erkennbar. Ebensowenig ist für die Allgemeinheit der Ort erkennbar, an dem ein Depotkonto geführt wird, da dazu Kenntnisse über die interne Verteilung der Verwahrfunktionen des Intermediärs erforderlich sind. Entscheidend ist aber vor allem, dass ein Dritter überhaupt wissen muss, dass der Schuldner ein Depotkonto unterhält und bei welchem Intermediär er dieses führt.699 Weder für die Gründung eines Depotkontos noch für die Verbuchung der Werte sind Publizitätsakte vorgesehen. Im Gegensatz zu Sachen ist bei verbuchten Wertpapierberechtigungen für den Rechtsverkehr damit weder die Existenz eines vermeintlichen Vollstreckungsgegenstandes noch der Ort, an dem er verbucht wurde, erkennbar. Obwohl er objektiv ausgestaltet ist, gewährleistet damit auch der PRIMA-Ansatz des Gemeinschaftsrechts keine allgemeine Erkennbarkeit des auf das Wertpapiereigentum eines Schuldners anzuwendenden Rechts.700 Hat ein Dritter Kenntnis von einem Depotkonto, auf dem dingliche Rechte an Wertpapieren verbucht sind, oder vermutet er dessen Existenz, so kann er jedenfalls bei einem standardisierten Kundendepot aus den allgemein verfügbaren Informationen über den Intermediär letztlich genauso einfach herausfinden, wo der Intermediär die Depotkonten führt oder welchem Recht er sie standardmäßig unterwirft. Wollen Depotkunde und Intermediär das anwendbare Recht allerdings verschleiern oder ein entferntes Recht zur Anwendung bringen, so können sie dies auch unter dem objektiven PRIMA-Prinzip erreichen. Der Intermediär muss das Depotkonto lediglich über eine ausländische Geschäftsstelle in der entsprechenden Rechtsordnung führen.701 Das Haager Übereinkommen erleichtert dies, indem die Geltung des ausländischen Rechts unmittelbar vereinbart werden kann. Für den Verkehr ist das anzuwendende Recht in beiden Varianten nicht ersichtlich. Erforderlich 697

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 473 f.; dies., WM 2003, 2355; Peyer, AJP 2007, 965. 698 So das Argument von Rögner, ZBB 2006, 104. 699 Ebenso Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 391; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 12. 700 Ähnlich auch Bertschinger, in: FS Kramer, S. 476; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 12; zum Teil zugestanden auch bei EZB, Stellungnahme vom 17. 3. 2005, Rn. 13; a.A. Rögner, ZBB 2006, 104. 701 So auch Bariatti, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, S. 21; Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 380 f.; in diese Richtung auch Girsberger/Hess, AJP 2006, 1005.

386 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

ist in beiden Fällen lediglich die Existenz einer qualifizierenden, d. h. depotführenden Geschäftsstelle des Intermediärs im Geltungsbereich der betreffenden Rechtsordnung. Man kann also sagen, dass das Erfordernis der qualifizierenden Geschäftsstelle in Art. 4 HWpÜ gewährleistet, dass die Parteien die dinglichen Rechte keinem Recht unterwerfen, das sie nicht auch durch die tatsächliche Strukturierung ihrer Verwahrbeziehung erreichen können. Es bietet sich eine Parallele zu der zum Prinzip der lex rei sitae angestellten Überlegung an, dass das auf eine dingliche Verfügung anwendbare Recht insoweit wählbar sein sollte, wie die Geltung der gewünschten Rechtsordnung auch durch eine vorübergehende Verbringung der Sache in den Geltungsbereich dieser Rechtsordnung erreicht werden kann.702 Wenn im vorliegenden Fall die Geltung der gewünschten Rechtsordnung auch dadurch erreicht werden kann, dass bestimmte Depotführungsaufgaben von einer ausländischen Zweigstelle des Intermediärs wahrgenommen werden, so sprechen keine Gründe des Verkehrsschutzes dagegen, das anzuwendende Recht in diesem Rahmen von vornherein den Parteien des Depotvertrages zu überlassen. Eine Benachteiligung der Verkehrs- und Drittinteressen im Vergleich zum Belegenheitsprinzip oder einem objektiven PRIMA-Prinzip geht damit jedenfalls nicht einher.703 (3) Abschließende Bewertung zur Frage der Parteiautonomie Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass einer subjektiven Anknüpfungsregel für dinglich strukturierte Verwahrkonzepte Interessen des Verkehrs- und Drittschutzes nicht unüberwindbar entgegenstehen.704 Hervorzuheben ist jedoch auch, dass die unterschiedlichen Sichtweisen der Delegationen an diesem Punkt vor allem auf unterschiedliche rechtliche AusgeACHTUNGREstaltungen der intermediären Wertpapierverwahrung in den jeweiligen Rechtskreisen zurückzuführen sind. Nach der im angloamerikanischen Recht vorherrschenden Sichtweise dokumentiert das Depotkonto lediglich schuldrechtliche Ansprüche des Depotinhabers gegen seinen Intermediär. Eine grundsätzlich freie Rechtswahl der Parteien dieser schuldrechtlichen Beziehung ist deshalb nur naheliegend.705 Demgegenüber fassen die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen die Berechtigung des Depotinhabers als dingliches Miteigentumsrecht an den zugrundeliegenden Wertpapierurkunden auf. Die Möglichkeit einer Rechtswahl ruft hier erheblich größeren Diskussionsbedarf hervor. Erst zu einem sehr späten Zeitpunkt der Beratungen hat sich schließlich das angloamerikanische Modell durchgesetzt. Es wurde auch von vielen Interessenverbänden befürwortet.706 Gerade die einfache und klare Anwendung der Regel ohne aufwendige ACHTUNGREfaktische und rechtliche Recherchen im Vorfeld einer Transaktion und die damit 702

Vgl. Einsele, RabelsZ 60 (1996), 441. Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 391. 704 I. E. auch Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 19. 705 Rogers, 39 Cornell Intl L.J. 300 (2006); Crawford, 38 Can. Bus. L.J. 185 (2003); vgl. auch die Stellungnahme der Europäischen Zentralbank, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 18, S. 65. 706 Löber, BKR 2003, 265. 703

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einhergehende Rechtssicherheit empfand man als ausschlaggebenden Vorteil.707 Der Konflikt zwischen einer für schuldrechtliche Berechtigungsformen geeigneten Anknüpfungsregel und einer Regel, die eher auf sachenrechtliche Berechtigungsformen zugeschnitten ist, wurde damit eindeutig zugunsten Ersterer entschieden. Für sachenrechtlich strukturierte Verwahrkonzepte wurde die Einführung einer so weitgehenden kollisionsrechtlichen Parteiautonomie zu Recht als Revolution bezeichnet.708 Als Kompromiss hat man die beschriebene Einschränkung der Rechtswahlfreiheit durch das objektive Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle des Intermediärs im Gebiet der gewählten Rechtsordnung in das Übereinkommen aufgenommen. Aufgrund der niedrigen Anforderungen an den reality test dürfte der Drittschutzgehalt dieser Schranken zwar nicht besonders hoch sein,709 immerhin fällt er dadurch aber auch nicht hinter dem tatsächlichen Drittschutz zurück, den ein objektiver PRIMA-Ansatz verwirklicht. Allerdings ist die Beschreibung, was unter eine qualifizierten Geschäftsstelle zu verstehen ist, nicht besonders klar und liefert dem Einwand, dass eine objektive Anknüpfung in diesem Zusammenhang häufig keine absolute Rechtssicherheit schaffen kann, selbst Nahrung.710 c) Separate Anknüpfung auf jeder Stufe der Verwahrkette aa) Allgemein Eine weitere sehr bedeutsame Neuerung durch das Haager Wertpapierübereinkommen liegt darin, dass das anwendbare Recht nicht zwischen Veräußerer und Erwerber als Parteien einer Transaktion für die jeweilige Verfügung gewählt wird, sondern von den Parteien eines Depotverhältnisses. Dem anzuwendenden Recht unterliegen alle Rechte, die der Depotinhaber durch die Gutschrift von Werten auf dem Depot erlangt. Das von den Parteien des Depotvertrages gewählte Recht urteilt auch über die Verfügung selbst,711 eine abweichende Rechtswahl zwischen Veräußerer und Erwerber intermediär verwahrter Wertpapiere ist nicht möglich.712 Gewählt wird damit kein Verfügungsstatut, sondern ein Depotstatut. Ein individuelles Verfügungsstatut könnte von den Parteien einer Transaktion außerhalb von dinglichen Sicherungsrechten praktisch nicht parteiautonom bestimmt werden, da diese sich jedenfalls im anonymisierten Börsenverkehr nicht kennen.713 Entscheidend ist, dass 707

Goode/Kanda/Kreuzer, 4-6. Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 535. 709 Zweifelnd auch Bertschinger, in: FS Kramer, S. 476; positiver Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), wonach ein gewisser Drittschutz bereits dadurch gewährleistet werde, dass kein „künstliches“ Recht vereinbart werden könne, mit dem ein Dritter überhaupt nicht zu rechnen brauche; ähnlich Rocks, 36 UCC L.J. 4 (2003). 710 In diesem Sinne auch Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 176 f.; Bertschinger, in: FS Kramer, S. 483. 711 Einsele, WM 2003, 2351. 712 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-6, Fn. 25. 713 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 538. 708

388 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

die Rechtswahl für jedes Depotkonto und damit für jede bilaterale Beziehung innerhalb der Verwahrkette selbstständig getroffen wird (stage by stage approach). Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 HWpÜ i.V.m. der Bestimmung des maßgeblichen Intermediärs in Art. 1 Abs. 1 g) HWpÜ.714 Dadurch unterliegt eine Transaktion, die durch mehrere Depotbuchungen verschiedener Intermediäre vollzogen wird, nicht unbedingt einer einheitlichen Rechtsordnung.715 Denn gerade bei grenzüberschreitenden Transaktionen ist es wahrscheinlich, dass auf den einzelnen Stufen der Buchungskette unterschiedliche Rechtsordnungen vereinbart werden. Denkbar sind ebenso viele Rechtsordnungen, wie Zweierverhältnisse zwischen Depotinhabern und Intermediären im Rahmen einer Transaktion betroffen sind.716 Eine solche separate Anknüpfung auf jeder Stufe der Verwahrkette existiert bereits jetzt bei solchen Berechtigungsformen, bei denen der Anleger lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen seinen Intermediär erwirbt. Für dingliche Berechtigungsformen, bei denen die Berechtigung des Anlegers an den Wertpapieren selbst erst durch mehrere Buchungen auf unterschiedlichen Verwahrstufen begründet wird, ist sie ein Novum. Die Auswirkungen dieser separaten Anknüpfung sind folglich für die einzelnen Verwahrformen getrennt zu beurteilen. bb) Separate Anknüpfung bei schuldrechtlichen Berechtigungsformen Bei einer schuldrechtlichen Strukturierung der Verwahrkette ist die kollisionsrechtliche Selbstständigkeit jeder bilateralen Depotbeziehung nur naheliegend. Hier räumt jeder Intermediär seinem jeweiligen Kunden durch die Gutschrift eine schuldrechtliche Rechtsposition gegen sich selbst ein, die durch Werte, die der Intermediär bei einem übergeordneten Verwahrer im eigenen Namen hält, gedeckt sein und insolvenzfest ausgestaltet sein mag. Die schuldrechtliche Position kann unabhängig davon entstehen, ob der Intermediär die Werte zur Deckung selbst erwirbt oder nicht.717 Sie kann auch unabhängig von der Rechtsnatur und dem Inhalt des Deckungsbestandes eingeräumt werden. Der Intermediär kann eine dingliche oder ebenfalls nur eine schuldrechtliche Rechtsposition erwerben. Aufgrund dieser grundsätzlichen Unabhängigkeit von Buchungsrechten auf höherer Stufe der Verwahrkette kann die schuldrechtliche Position generell auch einem anderen Recht unterliegen als die Rechtsposition, die der Intermediär selbst zur Deckung bei einem übergeordneten Intermediär hält. Am Beispiel der Gutschrift in Wertpapierrechnung nach deutschem Recht lässt sich dies leicht nachvollziehen. Ein Grund für die Entwicklung dieser vertraglichen Konstruktion lag gerade darin, die Rechtsposition des Anlegers ge714

Goode, in: Heere, S. 246; Than, in: FS Kümpel, S. 558. Goode/Kanda/Kreuzer, 4-43. 716 Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 537. 717 So jedenfalls nach § 8-501(c) UCC; anders wohl bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung, da die Gutschrift hier nach h.M. lediglich die Dokumentation eines bereits vorher durch den tatsächlichen Erwerb der Deckungsmasse entstandenen treuhandrechtlichen HeACHTUNGRErausgabeanspruchs darstellt, vgl. oben C.II.5.a)bb)(2). 715

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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genüber seiner Depotbank deutschem Recht unterstellen zu können, unabhängig davon, welchem Recht die Position der Depotbank gegenüber dem ausländischen Verwahrinstitut unterliegt. Für schuldrechtliche Berechtigungsformen weicht das Haager Übereinkommen also auch durch den stage-by-stage-approach nicht von den bisherigen Grundsätzen ab. cc) Separate Anknüpfung bei dinglichen Berechtigungsformen Es drängt sich jedoch die Frage auf, wie sich eine solche separate Anknüpfung auf jeder Verwahrstufe auswirkt, wenn durch die Buchungsgutschriften ein dingliches Recht an sammelverwahrten Wertpapieren vom Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird. Denn ein solches dingliches Recht richtet sich nicht allein gegen den unmittelbaren Intermediär, sondern ist ein Recht an den zugrundeliegenden Wertpapieren selbst, und zwar unabhängig davon, aus wie vielen Intermediären die Verwahrkette besteht. (1) Rechtsnatur der Berechtigung (statische Sachverhalte) Es stellt sich bereits die Frage, welche Rechtsordnung darüber zu befinden hat, ob der Depotinhaber durch eine Depotgutschrift ein dingliches Recht an den zugrundeliegenden Wertpapieren oder lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber seiner Depotbank erwirbt. Nach Art. 2 Abs. 1 a) HWpÜ hat es zunächst den Anschein, als ob das gewählte Recht selbstständig über die Rechtsnatur des Buchungsrechts befinden könnte. Es wurde jedoch bereits im Zusammenhang mit § 17 a ACHTUNGREDepotG dargelegt, dass die Frage, ob durch eine Depotgutschrift ein dingliches Recht an einem Wertpapiersammelbestand eingeräumt wird, aus materiellrechtlicher Sicht nicht nur durch das Recht am Buchungsort bestimmt werden kann, sondern immer davon abhängt, ob der ausländische Sammelverwahrer ein dingliches Recht gewährt und die zwischenverwahrenden Institute dieses weiterleiten. Das Haager Wertpapierübereinkommen bestätigt diesen Grundsatz, indem es die Rechtsnatur des Buchungsrechts, das der unmittelbar mit dem sammelverwahrenden Institut verbundene Intermediär erwirbt, dem Recht unterwirft, das dieser Intermediär mit dem Sammelverwahrer vereinbart hat. Gleiches gilt für die Buchungsgutschriften durch die weiteren Zwischenverwahrer. Der Intermediär am Ende der Verwahrkette kann somit nur ein dingliches Recht verbuchen, wenn ihm die übergeordneten Intermediäre auch ein solches verschaffen.718 Wird eine übergeordnete Depotbuchung durch das darauf anwendbare Recht als lediglich schuldrechtlicher Anspruch gegenüber dem gutschreibenden Intermediär eingeordnet, so kann auf einer tieferen Verwahrstufe materiellrechtlich kein dingliches Recht verschafft werden.719 Werden beispielsweise in Deutschland Werte gutgeschrieben, die in den USA sammelverwahrt werden, so 718 So auch Haubold, RIW 2005, 658 f.; vgl. bereits Rogers, JIBFL Special Supplement/ September 1998, 48; Than, in: Guynn, S. 76. 719 Vgl. auch Crawford, 38 Can. Bus. L.J. 183 (2003); Ege, S. 168.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

kann der deutsche Anleger kein dingliches Miteigentumsrecht an den zugrundeliegenden Wertpapierurkunden erwerben, weil seine Depotbank bzw. Clearstream von der amerikanischen Zwischenverwahrstelle lediglich ein schuldrechtlich einzuordnendes security entitlement erlangt.720 Gleiches gilt, wenn die Werte über einen der beiden internationalen Sammelverwahrer gehalten werden, da diese nach belgischem bzw. luxemburgischem Recht keine dinglichen Berechtigungen an den in Drittstaaten verwahrten Wertpapieren verschaffen.721 Keine Probleme ergeben sich hingegen im umgekehrten Fall, in dem das Recht, dem das Depotkonto beim Sammelverwahrer unterliegt, eine dingliche Rechtsposition des Anlegers vorsieht, dieses aber von der zwischengeschalteten Depotbank im Ausland als schuldrechtliche Position gutgeschrieben wird. Unterhält beispielsweise ein amerikanischer Intermediär ein Depotkonto bei Clearstream in Deutschland, so kann er seinem Kunden in den USA ein security entitlement einräumen, während er nach deutschem Recht selbst als Miteigentümer der Werte gilt, die auf seinem Konto bei Clearstream verbucht sind.722 Im Unterschied zu § 17 a DepotG und seinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ist die Frage der Rechtsnatur des Buchungsrechts damit zwar nicht entscheidend für die Frage, ob die Kollisionsnorm Anwendung findet. Das Haager Wertpapiereinkommen ist auf dingliche wie schuldrechtliche Berechtigungsformen gleichermaßen anwendbar und verlangt damit aus kollisionsrechtlicher Sicht keine Einordnung der höherstufigen Buchungsrechte. Aus materiellrechtlicher Sicht ist es aber jedenfalls bei sachenrechtlichen Verwahrstrukturen auf der untersten Verwahrebene gleichwohl erforderlich, zum materiellen Recht „hindurchzublicken“, das auf den höherstufigen Verwahrebenen vereinbart wurde, um eine rechtliche Einordnung des Buchungsrechts zu ermöglichen.723 Nur so kann für das deutsche Recht entschieden werden, ob eine Girosammelgutschrift oder eine Gutschrift in Wertpapierrechnung erteilt werden kann, wie ein solches Recht zur Sicherheit übertragen oder verpfändet werden kann und auch wie darin vollstreckt werden kann. Aus praktischer Sicht stellt sich dieses Problem freilich dann nicht als besonders schwerwiegend dar, wenn man grenzüberschreitende Kontoverbindungen nach § 5 Abs. 4 DepotG nur mit solchen ausländischen Verwahrsystemen aufnimmt, die vergleichbar mit dem deutschen Recht sachenrechtlich strukturiert sind und Miteigentumsanteile oder vergleichbare dinglichen Rechtspositionen verbuchen. (2) Verfügungen (dynamische Sachverhalte) Doch selbst wenn die involvierten Rechtsordnungen eine dem deutschen Recht vergleichbare sachenrechtliche Struktur aufweisen und die Aufnahme gegenseitiger 720 Dies gilt auch, wenn die amerikanischen Werte gem. § 5 Abs. 4 DepotG in die deutsche GirosammelverwahrACHTUNGREung einbezogen sind; vgl. dazu oben C.II.5.b)cc)(2). 721 Vgl. oben C.II.6.c)bb). 722 Nicht nachvollziehbar insoweit die Bedenken von Haubold, RIW 2005, 659. 723 Zugestanden auch von Goode/Kanda/Kreuzer, Int-40.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Kontoverbindungen gemäß § 5 Abs. 4 DepotG ermöglichen, stellt sich die Frage, ob die separate Bestimmung des anzuwendenden Rechts auf jeder Stufe der Verwahrkette bei sachenrechtlichen Verwahrsystemen zu sinnvollen Ergebnissen führt. (a) Problem: Anwendung mehrerer Rechtsordnungen auf eine einheitliche Verfügung Gemäß Art. 2 Abs. 1 b) und c) HWpÜ unterliegt eine Verfügung über intermediär verwahrte Wertpapiere und ihre Drittwirksamkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 HWpÜ dem Recht, dass der Depotinhaber mit seinem Intermediär vereinbart hat. Problemlos anwenden lässt sich diese Regel auf Verfügungen, die nicht mittels einer Umbuchung der Werte vollzogen werden. Bestellt der Depotinhaber beispielsweise einem Dritten ein Sicherungsrecht an den verbuchten Werten, ohne dass es dabei zu einer Umbuchung der Werte kommt, so unterliegen Rechtsnatur und Wirksamkeit dieses Sicherungsrechts der Rechtsordnung, die der Sicherungsgeber mit seinem Intermediär vereinbart hat. Nicht von Relevanz ist dabei grundsätzlich die Rechtsordnung am Verwahrungsort der Wertpapiere oder am Ort der Kontoführung. Keine Anwendungsprobleme ergeben sich ferner, wenn die in einer Buchungskette zwischengeschalteten Intermediäre jeweils Durchgangseigentum an den sammelverwahrten Effekten erwerben. Hier richtet sich der Erwerb des Durchgangseigentums jeweils nach der Rechtsordnung, die für das Depotkonto vereinbart wurde, auf das die Werte im Rahmen dieser Verfügung verbucht werden. Wie bei der Verbuchung schuldrechtlicher Berechtigungsformen sind auch hier Verfügender und Verfügungsempfänger identisch mit den Parteien der Rechtswahlvereinbarung. Die in der Verwahrkette nacheinander vollzogenen Verfügungen können unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Insoweit besteht Übereinstimmung mit dem Anknüpfungskonzept des § 17 a DepotG, bei dem im Falle eines Durchgangserwerbes der zwischengeschalteten Banken ebenfalls unterschiedliche Rechtsordnungen auf nacheinander geschaltete Verfügungen denkbar sind.724 Schwieriger wird die Anwendung der Regel allerdings, wenn es im Rahmen einer einzigen Verfügung im Rechtssinne zu Depotkontobuchungen auf unterschiedlichen Ebenen der Verwahrkette kommt. Beispielhaft kann man die Konzeption des Effektengiroverkehrs nach deutschem Recht heranziehen. Danach wird eine Gesamtheit von Buchungen auf den verschiedenen Verwahrstufen rechtlich als eine einheitliche dingliche Verfügung erklärt, durch die das Eigentum des Veräußerers auf den Erwerber ohne Durchgangserwerb der zwischenverwahrenden Depotbanken übertragen wird. Eine einzelne Buchung auf einem Depotkonto stellt dabei allein keine sachenrechtliche Verfügung dar. Vielmehr lässt sich die Verfügung, d. h. die direkte Übertragung der Werte vom Veräußerer auf den Erwerber, nur aus der Gesamtheit der ACHTUNGREBuchungen konstruieren. Bereits im Rahmen der Diskussion um den erweiterten Anwendungsbereich von § 17 a DepotG wurde dargelegt, dass die Übertragung der deut724 Vgl. auch den Diskussionsbeitrag des Bundesverbandes deutscher Banken, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 5, S. 13 f.

392 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

schen Dogmatik des Effektengiroverkehrs auf ausländische Buchungen zu Anpassungsschwierigkeiten und zu Konflikten mit den Abläufen eines ausländischen Settlementsystems führen kann, selbst wenn man davon ausgeht, dass die ausländischen Buchungen gemeinsam mit den inländischen zu einer einheitlichen Verfügung im sachenrechtlichen Sinn führen.725 Diese Probleme scheint das Übereinkommen zu vermeiden, da es nicht das Recht des letztverbuchenden Intermediärs als Verfügungsstatut auf die Verfügung im Ganzen zur Anwendung bringt, sondern auf jeder Stufe der Verwahrkette eine selbstständige Bestimmung des anzuwendenden Rechts erlaubt. Eine einheitliche sachenrechtliche Verfügung, die durch eine Kette von Buchungen vollzogen wird, unterliegt damit nicht zwingend einer einheitlichen Rechtsordnung, sondern kann vielmehr mehreren Rechtsordnungen unterliegen.726 Im Maximalfall sind ebenso viele Rechtsordnungen denkbar, wie Depotverhältnisse in der Verwahrkette zwischen Veräußerer und Erwerber bestehen. Zur Verdeutlichung der Folgen einer solchen Stufenanknüpfung sei folgendes Beispiel gebildet: Angenommen, ein Depotinhaber hält Eigentumsrechte an Wertpapieren, die beim italienischen Zentralverwahrer sammelverwahrt werden und auf einem Depotkonto bei einem italienischen Intermediär verbucht sind. Die Buchungsrechte auf dem Depotkonto sollen kraft Vereinbarung italienischem Recht unterliegen; diese Werte sollen nun einem anderen Depotinhaber gutgeschrieben werden, der sein Depot unter deutschem Recht bei einer Depotbank in Deutschland führt. Die Eigentumsübertragung wird über das Abwicklungssystem des italienischen Zentralverwahrers vollzogen, an den die deutsche Depotbank unmittelbar oder mittelbar angeschlossen ist. Ist die deutsche Depotbank direkt an den italienischen Sammelverwahrer angeschlossen, bestehen in diesem Fall vier Depotverhältnisse, jeweils eines ACHTUNGREzwischen dem Zentralverwahrer und den beiden Depotbanken, sowie jeweils eines zwischen den Depotbanken und ihren Kunden. Ist die deutsche Depotbank hingegen nur mittelbar über Clearstream, weitere Zwischenverwahrer oder Global Custodians angebunden, bestehen weitere Depotverhältnisse. Jede dieser bilateralen Depotbeziehung der Verwahrkette kann einer anderen Rechtsordnung unterliegen. Nach der offiziellen Kommentierung des Haager Wertpapierübereinkommens und der überwiegenden Literaturansicht soll sich im vorliegenden Fall die Frage, ob der Käufer durch die Gutschrift der Werte auf seinem Depotkonto Rechte an den Wertpapieren erworben hat, allein nach dem Recht richten, das dieser mit seiner Depotbank vereinbart hat. Dies wäre deutsches Recht. Gleichzeitig soll sich aber aus Sicht des Veräußerers die Frage, ob dieser seine Rechte an den Wertpapieren durch die Belastungsbuchung verloren hat, allein nach dem zwischen ihm und seinem Intermediär vereinbarten Recht richten.727 Dies wäre italienisches Recht. Darüber 725

Oben D.V.4.b). Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 129; für eine einheitliche Anwendung des Rechts, das der Verfügende mit seiner Depotbank vereinbart hat aber Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 746 ff.; Rentsch, S. 149 ff.; ausführlich dagegen Ege, S. 184 ff.; für die Anwendung des Rechts des Verfügungsempfängers Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 10. 727 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-43 ff.; a.A. Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 746 ff. 726

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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hinaus sollen die auf die dazwischen weiter erforderlichen Buchungen anzuwendenden Rechtsordnungen die rechtliche Bedeutung der Zwischenbuchungen bestimmen. Auf den ersten Blick scheint es damit so, dass das Verfügungsstatut gespalten ist und Verlust- und Erwerbstatbestand der Verfügung unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen.728 Das Übereinkommen vollzieht damit einen Wechsel von einem reinen Verfügungsstatut, wie es im europäischen Gemeinschaftsrecht und in § 17 a DepotG vorgesehen ist, hin zu einem Depotstatut. Das Verfügungsstatut erfasst die rechtliche Einordnung aller Buchungsgutschriften, die für eine Verfügung zumindest faktisch erforderlich sind. Das Depotstatut erfasst lediglich einzelne Buchungen, gleich ob diese rechtlich eine selbstständige Verfügung darstellen oder nur Teil einer durch mehrere Buchungen vollzogenen Verfügung sind. (b) Gespaltenes Verfügungsstatut oder Doppelanknüpfung? Fraglich ist jedoch, in welchem Verhältnis die beteiligten Rechtsordnungen zueinander stehen. Zunächst könnte das Verfügungsstatut in einer Weise gespalten sein, in der jede in der Buchungskette anzuwendende Rechtsordnung darüber entscheidet, welche rechtliche Bedeutung sie einer Depotbuchung in ihrem Geltungsbereich im Hinblick auf eine Verfügung beimisst. Erst in der Summe der Wirkungen aller dieser Rechtsordnungen ließe sich dann beurteilen, ob eine Verfügung, die durch mehrere Buchungen vollzogen wird, rechtlich insgesamt wirksam ist oder nicht. Im obigen Beispiel könnte dann nicht allein nach deutschem Sachrecht beurteilt werden, ob der Depotinhaber durch die Gutschrift des deutschen Intermediärs ein Eigentumsrecht an den auslandsverwahrten Effekten erworben hat. Denn das deutsche Recht misst der Gutschrift des letztverbuchenden Intermediärs nur eine beschränkte Bedeutung zu. Erforderlich ist vielmehr, dass die zwischen den beteiligten Intermediären ausgetauschten Informationen als dingliche Einigung konstruiert werden können, und dass der Erwerber über seinen Intermediär mittelbaren Mitbesitz am Effektensammelbestand erwirbt. Entscheidend ist, dass der niedrigste gemeinsame Zwischenverwahrer seinen Besitzmittlungswillen von der Depotbank des Veräußerers auf die Depotbank des Erwerbers umstellt und eine durchgehende Kette von Besitzmittlungsverhältnissen zwischen dem unmittelbaren Besitzer des Sammelbestandes und dem Erwerber begründet. Im vorliegenden Fall wäre der niedrigste gemeinsame Zwischenverwahrer die italienische Wertpapiersammelbank, die die bei ihr geführten Depotkonten italienischem Recht unterwirft. Beispielsweise wäre dann die Frage, ob zwischen der italienischen Wertpapiersammelbank und den bei ihr angeschlossenen Depotbanken ein Besitzmittlungsverhältnis besteht und dieses von der Veräußererbank auf die Erwerberbank umgestellt wurde, allein nach italienischem Recht zu beurteilen, da die entsprechenden Buchungen nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 HWpÜ italienischem Recht unterliegen. Probleme ergäben sich aber, wenn das italienische oder ein anderes ausländisches Recht die Tatsache der Umbuchung nicht entsprechend 728

Vgl. auch Einsele, WM 2003, 2354, Kümpel, Rn. 11.445; Haubold, RIW 2005, 658.

394 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

dem deutschen Recht besitzrechtlich einordnen würde. So könnte aus Sicht des ausländischen Rechts auch eine besitzlose Form der Eigentumsübertragung vorliegen. Die zwischen den beteiligten Banken geschlossenen Depotverträge wären aus Sicht dieser Rechtsordnungen dann nicht als Besitzmittlungsverhältnis zu qualifizieren. Wäre das deutsche Recht für die Frage, ob eine wirksame Verfügung vorliegt, an die rechtliche Einordnung der ausländischen Buchungsvorgänge für ihre Bedeutung für den Verfügungsvorgang gebunden, so läge aus deutscher Sicht praktisch nur dann ein vollständiger Erwerbstatbestand vor, wenn die ausländische Dogmatik des Effektengiroverkehrs mit der deutschen vollständig übereinstimmte. Eine rechtssichere dingliche Übertragung der Werte wäre dann in den seltensten Fällen gewährleistet. Richtigerweise kann ein solches geteiltes Verfügungsstatut nicht im Sinne des Übereinkommens liegen, da es eine vollständige Harmonisierung der materiellen Sachrechte voraussetzen würde. Sinnvoller scheint es, aus Sicht der jeweiligen Depotinhaber zu fragen, ob nach dem auf ihr Depotkonto anzuwendenden Recht durch die Buchungsvorgänge in ihrer Gesamtheit eine Rechtsübertragung herbeigeführt wurde. Ob der deutsche Anleger durch die Umbuchung ein dingliches Recht am italienischen Sammelbestand erworben hat, wäre aus seiner Sicht vollständig nach deutschem Recht zu beurteilen. Soweit aus Sicht des deutschen materiellen Rechts ausländische Buchungsvorgänge oder andere im Ausland vorgefallenen Tatsachen für den Rechtsübergang erforderlich sind, so sind diese so zu beurteilen, als ob sie in Deutschland vorgefallen wären.729 Auch wenn das ausländische Recht einer Tatsache wie der Umbuchung der Werte eine andere rechtliche Bedeutung als das deutsche Recht beimisst, könnte so aus Sicht des deutschen Anlegers ein vollständiger Verfügungstatbestand nach deutschem Recht konstruiert werden. Lediglich dann, wenn bestimmte für den Rechtserwerb nach deutschem Recht relevante Tatsachen (beispielsweise eine Umbuchung) komplett fehlen, wäre ein Rechtserwerb ausgeschlossen. Umgekehrt würde das auf Veräußererseite anzuwendende Recht für die Frage, ob der Veräußerer seine Rechtsposition verloren hat, die tatsächlichen Übertragungsvorgänge der gesamten Buchungskette unter der Rechtsordnung beurteilen, der das Depotkonto des Veräußerers unterliegt. Dies würde es grundsätzlich ermöglichen, aus Sicht beider beteiligter Rechtsordnungen einen kompletten Verfügungstatbestand nach jeweils nur einer Rechtsordnung zu konstruieren, solange sich der tatsächliche Ablauf der Übertragung nicht unterscheidet. Folgt man dem, so kann man bei dinglichen Verwahrkonstruktionen nach dem Beispiel des deutschen Effektengiroverkehrs nicht von einer Aufspaltung des Verfügungsstatuts etwa in einen Verlustund einen Erwerbstatbestand sprechen. Vielmehr wird das gesamte Verfügungsstatut mehrfach angeknüpft.730 Die Verfügung kann sich aus dem Blick der jeweiligen Rechtsordnungen als wirksam oder unwirksam darstellen. Zwei Schwierigkeiten einer solchen Doppelanknüpfung sind offensichtlich: Zunächst können sich Probleme ergeben, wenn Buchungsvorgänge unter einer auslän729 730

So auch Rogers, 39 Cornell Intl L.J. 302 (2006). Ähnlich Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 141; Rögner, ZBB 2006, 105.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

395

dischen Rechtsordnung in tatsächlicher Hinsicht anders strukturiert sind, so dass sich ein ausländischer Buchungsvorgang nicht unter die deutsche Rechtskonstruktion des Effektengiroverkehrs fassen lässt. Ein weitaus schwerwiegenderes Problem stellt sich, wenn die beteiligten Rechtsordnungen die Wirksamkeit einer Verfügung unterschiedlich beurteilen. (c) Tatsächliche Unterschiede der Übertragungskonstruktionen Tatsächliche Unterschiede der Übertragung dinglicher Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren scheinen auf den ersten Blick kaum zu bestehen, da dingliche Rechte in allen Rechtsordnungen grundsätzlich durch eine Form der dinglichen Einigung und Umbuchung übertragen werden. Geht man jedoch von der deutschen Rechtskonstruktion aus, so resultieren Schwierigkeiten wiederum aus der besitzrechtlichen Erklärung der Verwahr- und Übertragungsvorgänge. Die Frage der Besitzmittlung durch die beteiligten Depotbanken ist nicht nur eine Frage der rechtlichen Einordnung tatsächlicher Buchungsvorgänge, sondern erfordert in tatsächlicher Hinsicht einen Besitzmittlungswillen der zwischengeschalteten Depotbanken und dessen Umstellung durch die Wertpapiersammelbank. Im Gegensatz zur rechtlichen Frage der Einordnung des Depotvertrages als Besitzmittlungsverhältnis stellt die Frage des Besitzmittlungswillens der beteiligten Depotbanken eine rein tatsächliche Begebenheit dar. Wenn nun aber das italienische Recht den Buchungsvorgang nicht besitzrechtlich konstruiert, würde die italienische Wertpapiersammelbank sowie die unter italienischem Recht verbuchenden Zwischenverwahrer vor dem Hintergrund ihrer Rechtsordnung und den darauf begründeten Vorstellungen vom rechtstechnischen Ablauf der Transaktion im Regelfall keinen Besitzmittlungswillen entwickeln.731 Selbst wenn man die ausländischen Buchungsvorgänge für die Frage des Rechtserwerbs des deutschen Depotkunden damit nach deutschem Recht beurteilte, wäre aus Sicht der deutschen Konstruktion ein Rechtserwerb dann ausgeschlossen. Ähnlich wie bei der Anwendung deutschen Sachenrechts auf die gesamte Buchungskette nach § 17 a DepotG würden sich auch hier die ausländischen Übertragungsvorgänge nicht unter die deutsche Dogmatik fassen lassen. Das deutsche Recht müsste dann entscheiden, ob es einen solchen Erwerbstatbestand entgegen der eigenen Dogmatik des Effektengiroverkehrs anerkennen will oder nicht. Es könnte beispielsweise die Besitzerstellung des Anlegers in Deutschland fingieren. Diese Überlegungen sind zugegebenermaßen sehr dogmatischer Natur, da der Besitzmittlungswillen der Depotbanken auch bei einer deutschen Binnentransaktion lediglich rechtskonstruktiv begründet wird und sich nicht auf eine tatsächliche Willensbetätigung zurückführen lässt. (d) Unterschiedliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Verfügung Jedoch führt die Beurteilung der Wirksamkeit einer Verfügung nach unterschiedlichen Rechtsordnungen jeweils aus der Sicht des Veräußerers und des Erwerbers 731

Haubold, RIW 2005, 658.

396 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

dann zu Unklarheiten, wenn die Rechtsordnungen die Wirksamkeit der Verfügung rechtlich unterschiedlich beurteilen oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten lassen. Wenn es sich bei diesen Vorgängen um den Erwerbs- bzw. Verlusttatbestand einer einzigen Verfügung handelt, kann die für den Veräußerer geltende Rechtsordnung den Verlust der dinglichen Wertpapierberechtigung noch nicht als wirksam oder endgültig unwirksam erachten, obgleich die für den Erwerber geltende Rechtsordnung diesem bereits den wirksamen Erwerb des Miteigentumsrechts zuspricht. Als plastischstes Beispiel sei die Verfügung eines Nichtberechtigten herangezogen, deren Wirksamkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 b) HWpÜ dem Übereinkommensrecht unterliegt. Hier kann die Rechtsordnung auf Seiten des Veräußerers einen gutgläubigen Erwerb ablehnen, während die Rechtsordnung auf Seiten des Erwerbers diesen bejaht. Anders als bei Anwendung einer einheitlichen Rechtsordnung auf eine Verfügung korrespondiert hier der wirksamen Gutschrift nach einer Rechtsordnung nicht zwangsläufig ein wirksamer Rechtsverlust nach einer anderen Rechtsordnung. Die Folge wäre eine mehrfache Rechtszuständigkeit.732 Ein ähnliches Problem entsteht, wenn der Veräußerer sein Eigentum nacheinander an zwei verschiedene Erwerber überträgt, die nach ihren eigenen Rechtsordnungen jeweils vorrangig vor dem anderen erwerben.733 In allen Fällen liegt aus objektiver Sicht nur dann ein eindeutig wirksamer Rechtserwerb vor, wenn eine Verfügung nach allen beteiligten Rechtsordnungen als wirksam angesehen wird.734 Umgekehrt kann auch die Rechtsordnung des Veräußerers aufgrund einer Belastungsbuchung einen Rechtsverlust annehmen, obgleich die auf Erwerberseite anzuwendende Rechtsordnung den Rechtserwerb (noch) nicht anerkennt. In diesem Fall würde die Wertpapierberechtigung quasi herrenlos.735 Es bestünde dann auch die Gefahr, dass in einem solchen Schwebezeitraum ein Dritter nach einer auf seine Depotbeziehung anwendbaren Rechtsordnung das entsprechende Recht erwirbt.736 Divergenzen können sich im Hinblick auf alle Rechtsfragen der jeweiligen nationalen Konstruktionen des Effektengiroverkehrs ergeben, die dem Übereinkommensrecht unterliegen. So kann es für den Eigentumserwerb nach einer Rechtsordnung allein auf eine entsprechende Umbuchung ankommen, nach einer anderen Rechtsordnung kann der Eigentumserwerb bereits vorher durch eine entsprechende Willensbetätigung eintreten und durch die Gutschrift lediglich dokumentiert werden. Auch unterschiedliche 732 So auch Stellungnahme der Delegation Japans, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 18, S. 82 ff.; vgl. auch Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 141, der allerdings ein Beispiel bildet, in dem der Erwerber ein security entitlement nach US-amerikanischem Recht erwirbt. Für den Erwerb dieser Rechtsposition kommt es aber gerade nicht auf die Rechtswirksamkeit übergeordneter Buchungen an. Insoweit handelt es sich gerade nicht um eine sachenrechtlich strukturierte Übertragung, vgl. oben C.III.3.c). 733 Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 141 f.; Rögner, ZBB 2006, 103 f. 734 Einsele, WM 2003, 2354. 735 Vgl. die Stellungnahme der Delegation der Schweiz, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 12, S. 43; Einsele, WM 2003, 2354; Haubold, RIW 2005, 659. 736 Rögner, ZBB 2006, 103.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Voraussetzungen für die Finalität einer Rechtsübertragung (beispielsweise den Abschluss der Geldverrechnung) und die Möglichkeiten ihrer Rückabwicklung können zu Divergenzen führen.737 Die geschilderten Probleme können im Übrigen auch bei Transaktionen auftreten, die keinerlei grenzüberschreitenden Charakter, wohl aber irgendeinen internationalen Berührungspunkt aufweisen. Denn aufgrund des weiten Anwendungsbereichs des Übereinkommens ist es theoretisch denkbar, dass die inländischen Parteien ein Depotverhältnis ausländischem Recht unterwerfen, obgleich darauf ausschließlich Girosammelanteile an inlandsverwahrten Effektenbeständen verbucht sind. Denn für die Wirksamkeit einer Rechtswahl genügt schon eine geringe Form der Auslandsberührung, die schon dann gegeben ist, wenn der Intermediär weitere Zweigstellen im Ausland unterhält.738 (e) Lösung des Übereinkommens Es drängt sich also die Frage auf, welcher Rechtsordnung im Fall solcher Divergenzen Vorrang zu gewähren ist. Eine ausdrückliche Regel für Konflikte dieser Art sieht das Übereinkommen leider nicht vor. Man ging davon aus, dass sie sich anhand der allgemeinen Anknüpfungsregeln des Übereinkommens lösen ließen.739 Ausgangspunkt ist danach, dass die Frage, ob der Erwerber eine dingliche Berechtigung an den sammelverwahrten Effekten frei von Rechten Dritter erworben hat, allein der Rechtsordnung unterliegt, die er mit seinem Intermediär diesbezüglich vereinbart hat. Diese Rechtsordnung soll sodann entscheiden, ob Mängel eines Übertragungsaktes auf höherer Ebene auf den Rechtserwerb durchschlagen.740 Ob jedoch auf einer höheren Verwahrstufe Mängel bestehen, wird allein von dem Recht bestimmt, dass auf die entsprechende höherstufige Buchungsgutschrift anwendbar ist. Für das Beispiel des gutgläubigen Erwerbs bedeutet dies auf den ersten Blick, dass der Erwerber letztlich auch dann gutgläubig erwerben kann, wenn die Rechtsordnung, dem das Depotkonto des Veräußerers unterliegt, einen gutgläubigen Erwerb nicht anerkennt. Ausreichend dafür ist, dass die zwischen Erwerber und seiner Depotbank vereinbarte Rechtsordnung den Mangel auf höherer Verwahrebene, hier also die fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers, nicht durchschlagen lässt. Gleiches gilt für Prioritätskonflikte zwischen zwei konkurrierenden Erwerbern. Das Haager Wertpapierübereinkommen versucht damit, die Anpassungsprobleme zwischen den beteiligten Rechtsordnungen von der kollisionsrechtlichen auf die materiellrechtliche Ebene zu verschieben und dort zu lösen.741 Vielfach geht man deshalb davon aus, dass es

737 738 739 740 741

BIS, Cross-Border Securities Settlements, S. 21; Einsele, WM 2003, 2354. Vgl. oben D.VI.2.b). Goode/Kanda/Kreuzer, 4-44. Goode/Kanda/Kreuzer, 4-45; Rogers, 39 Cornell Int L.J. 301 f. (2006). Haubold, RIW 2005, 659.

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D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

aus Erwerbersicht vorteilhaft sei, wenn sein Depotkonto einer Rechtsordnung unterliegt, die großzügige Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb kennt.742 Die Regelung, dass allein die Rechtsordnung über die Wirksamkeit eines BuACHTUNGREchungsrechts entscheidet, der das entsprechende Depotkonto unterliegt, hat auf den ersten Blick den Charme der Einfachheit und Klarheit.743 Bei genauerer Untersuchung erkennt man jedoch, dass der Ansatz bei einer Verfügung über dingliche Rechte nicht weiterführend ist. Denn für die Frage, ob der Veräußerer sein Eigentumsrecht verloren hat, soll aus seiner Sicht die auf sein Depotkonto anzuwendende Rechtsordnung ausschlaggebend bleiben, selbst wenn die Rechtsordnung auf Seiten des Erwerbers den Rechtserwerb anerkennt.744 Das Übereinkommen akzeptiert damit gerade, dass sich verschiedene Rechtsordnungen für die Frage des Eigentumsübergangs berufen fühlen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Der gutgläubige Erwerb des Eigentumsrechts nach der Rechtsordnung auf Erwerberseite hilft aber weder dem Erwerber noch dessen Intermediär, wenn der Erwerb nach dem Recht auf Veräußererseite keine Anerkennung findet.745 Das Übereinkommen bestätigt damit gerade nicht die Regel des Gemeinschaftsrechts, wonach sich im Konfliktfall das auf Erwerberseite anzuwendende Recht durchsetzt.746 Das Problem der Doppelberechtigung bzw. der „herrenlosen“ Rechte wird damit nicht gelöst, sondern zementiert.747 Letztlich verweigert das Anknüpfungskonzept des Übereinkommens damit seine Funktion als sachenrechtliche Kollisionsnorm, die darin bestünde, die Frage der Wirksamkeit einer Verfügung über intermediär verwahrte Wertpapiere einer bestimmten Rechtsordnung zu unterwerfen. Durch den Verweis auf gegebenenfalls widerstreitendes materielles Recht drückt es geradezu aus, dass für diesen Fall keine Kollisionsvorschrift besteht und die Rechtsordnungen deswegen tatsächlich kollidieren.748 Man wird nicht sagen können, dass ein solches widersinniges Ergebnis von den Schöpfern des Haager Wertpapierübereinkommens beabsichtigt war. Schließlich wurde während und nach den Verhandlungen vielfach betont, dass das Übereinkommen materiellrechts-neutral und auf dingliche wie schuldrechtliche Verwahrkonzepte gleichermaßen anwendbar sei.749

742 743 744 745 746 747 748

Vgl. Ooi, Rn. 1318 ; Ege, S. 190. Ooi, LMCLQ 2005, 475. Goode/Kanda/Kreuzer, 4-47. Einsele, WM 2003, 2355. So aber die Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 10. Ähnlich Ooi, Rn. 1318; Pöch, ÖBA 2004, 515. So auch der Hinweis der Delegation Dänemarks, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14,

S. 41. 749 Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 126; ebenso Rogers, 39 Cornell Int L.J. 303 (2006), der aber gleichwohl anerkennt, dass die unterschiedliche Berechtigungsformen mit jeweils anderen Kollisionsrechtskonzepten besser harmonieren.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Vielmehr ist davon auszugehen, dass die spezifischen Probleme bei der Übertragung dinglicher Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren zwar gesehen,750 in ihrer Tragweite letztlich aber doch verkannt wurden. Das Übereinkommen ist auf Konzepte ausgerichtet, bei denen bei einer Transaktion über mehrere Stufen einer Verwahrkette jeweils Rechte von einem Intermediär auf den nächsten übertragen werden.751 Diese Rechte können Eigentumsrechte an den Papieren selbst sein, in den meisten Fällen handelt es sich aber um Rechte schuldrechtlicher Natur. Das bereits an anderer Stelle gefundene Ergebnis, das das Übereinkommen in erster Linie auf schuldrechtliche Verwahrkonzepte ausgerichtet ist, bestätigt sich auch hier.752 Da bei schuldrechtlich strukturierten Verwahrsystemen im Rahmen der buchungsmäßigen Übertragung der Werte nicht derselbe Verfügungsgegenstand übertragen wird, können Verlust und Erwerb der Rechtsposition unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen.753 Das jeweils nationale materielle Recht kann selbstständig darüber entscheiden, ob der Kontoinhaber durch eine Gutschrift auch dann einen wie auch immer ausgestalteten, in der Insolvenz geschützten Anspruch erhält, wenn der Intermediär (aus welchen Gründen auch immer) den Deckungsbestand nicht erworben hat. Nach dem Konzept des Art. 8 Part 5 UCC erwirbt der Depotinhaber beispielsweise ein security entitlement unabhängig vom Erwerb der Deckungsmasse durch seinen Intermediär. Dieser Anspruch ist dann in der Insolvenz des Intermediärs zumindest anteilig durch die entsprechenden Werte gedeckt, die der Intermediär bereits vorher zur Deckung anderer security entitlements erworben hat. Gegenteilig fällt die Antwort hingegen bei der deutschen Gutschrift in Wertpapierrechnung aus, da die Gutschrift hier nur einen treuhandrechtlichen Herausgabeanspruch dokumentiert, der auf das gerichtet ist, was der Intermediär tatsächlich erlangt hat. Hat der Intermediär die Werte aber selbst nicht erworben, erlangt der Depotkunde jedenfalls keinen treuhandrechtlichen Herausgabeanspruch und ist im Fall der Insolvenz seines Intermediärs oder der Einzelzwangsvollstreckung in dessen Vermögen noch nicht geschützt. Die offizielle Kommentierung zum Übereinkommen verrät diese Vorprägung durch schuldrechtliche Konzepte auch selbst, indem sie betont, dass das Risiko, dass zwei Intermediäre wirksame Verpflichtungen gegenüber ihren Depotkunden haben, die auf dieselben Wertpapiere gerichtet sind, schon immer bestanden habe und nicht durch das Übereinkommen geschaffen worden sei.754 In diesem Fall sei es schlicht erforderlich, dass derjenige Intermediär, der die Werte selbst nicht erhalten

750 Vgl. insbesondere Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 37, aufgrund dessen das Problem der Stufenanknüpfung auch als „page 37-problem“ bezeichnet wird; vgl. auch Haager Konferenz, Prel. Doc. No 12, S. 5 ff.; dies., Prel. Doc. No 14, S. 40 ff. 751 So auch die Stellungnahme der Delegation Japans, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14 A, S. 5. 752 Deutlich Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 174; ähnlich Eidenmüller, in: Hadding/ Hopt/Schimansky, S. 142. 753 Haubold, RIW 2005, 659. 754 Goode/Kanda/Kreuzer, 4-49 sprechen von einem „risk of double liability“.

400 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

habe, diese auf dem Markt erwerbe.755 Letztlich tragen danach die Intermediäre das Risiko, dass die Rechtskonzepte nicht zueinander passen.756 Eine Verpflichtung des Intermediärs gegenüber den eigenen Depotkunden im Hinblick auf einen Wertpapierbestand ist jedoch gerade das Kennzeichen eines schuldrechtlichen Verwahrsystems. Hier bestand in der Tat schon immer das Risiko, dass ein Intermediär seinem Depotkunden eine schuldrechtliche Wertpapierberechtigung einräumt (etwa ein security entitlement), die Deckungsmasse dann aber nicht wirksam erwirbt. Der Intermediär kann dann tatsächlich zu weiteren Deckungskäufen verpflichtet sein. Bei dinglichen Verwahrsystemen kann diese Situation nicht eintreten. Denn da es sich um einen einheitlichen Verfügungsgegenstand handelt, kann dieser nach einer Buchungskette rechtlich dem Erwerber zugeordnet werden, oder aufgrund der Unwirksamkeit der Verfügung beim Veräußerer verblieben sein. Eine dingliche Verfügung kann gerade nicht für den Neueigentümer wirksam, für den Alteigentümer hingegen unwirksam sein. Die Situation, dass der Verfügungsgegenstand rechtlich sowohl Erwerber als auch Veräußerer zugeordnet wird, ist ausgeschlossen.757 Es ist deswegen nicht nachvollziehbar, wie aus der Frage des gutgläubigen Erwerbs oder der Priorität plötzlich eine Frage der Verpflichtung des Intermediärs zum Deckungskauf werden soll, obwohl die dingliche Verfügung nach der auf seine Gutschrift anzuwendenden Rechtsordnung wirksam ist und er keine Pflicht verletzt hat.758 Im Ergebnis wird das Problem einer mehrfachen Berechtigung bei dinglichen Verwahrsystemen gerade doch durch die mehrfache Anknüpfung durch das Haager Wertpapierübereinkommen verursacht. Letztlich wird auch an dem Konzept der Stufenanknüpfung deutlich, dass die Anknüpfungsregel in erster Linie auf schuldrechtliche Verwahrsysteme zugeschnitten ist.759 dd) Gesamtergebnis zur Frage der separaten Anknüpfung In der Gesamtschau zeigt sich, dass die separate Bestimmung des anwendbaren Rechts auf jeder Stufe der Verwahrkette bei schuldrechtlichen Verwahrformen mehr als naheliegend ist und insoweit abgesehen von dem Erfordernis des reality tests auch keine Neuerung darstellt. Für dingliche Berechtigungsformen ist ein ACHTUNGREsolches Konzept brauchbar, soweit es um Verfügungen geht, die sich ohne eine Umbuchung der Werte vollziehen (insbesondere als Sicherungstransaktionen) und bei Vollrechtsübertragungen mit Durchgangserwerb der zwischengeschalteten Depotbanken. Zu erheblichen und praktisch sowie theoretisch kaum überwindbaren rechtskonstruktiven Problemen führt die Regel allerdings, wenn sie auf Verfügungen angewandt wird, die sich durch eine Reihe von Buchungen vollziehen. Das vom Haager 755

Goode/Kanda/Kreuzer, 4-48. Rögner, ZBB 2006, 103; Haentjens, S. 290. 757 Vgl. auch die Stellungnahme der Delegation Japans, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14 A, S. 7. 758 Ooi, LMCLQ 2005, 485; ebenso die Delegation Japans, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14 A, S. 7 f. 759 Ebenso Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 141. 756

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Wertpapierübereinkommen geschaffene Depotstatut korreliert in diesem Fall nicht mit dem Verfügungsstatut. Als Folge entsteht gerade bei grenzüberschreitenden Transaktionen eine Häufung anwendbarer Rechtsordnungen. Nach der hier vertretenen Auffassung wird das Verfügungsstatut hierbei nicht in einzelne Bestandteile aufgespaltet, wie beispielsweise in einen Veräußerungs- oder Erwerbstatbestand. Das anwendbare Recht bestimmt sich vielmehr für die gesamte Verfügung, jedoch nur relativ für die an einem Depotverhältnis beteiligten Personen. Dabei können zwar die dogmatischen Konstruktionen des Effektengiroverkehrs der beteiligten nationalen Rechtsordnungen ungestört zur Anwendung kommen. Nicht gelöst ist jedoch die Frage, welche Rechtsordnung im Fall von Widersprüchen zwischen den nationalen Rechtsordnungen zur Anwendung kommen soll. Der Umstand, dass Buchungen beliebig vermehrbar sind, birgt die Gefahr der Entstehung konfligierender Rechte, wenn die Folgen, die das Recht an eine Depotbuchung knüpft, nicht aufeinander abgestimmt sind.760 Letztlich ist das Übereinkommen schlechterdings unvereinbar mit einer sachenrechtlichen Übertragungskonstruktion, wie sie dem deutschen Effektengiroverkehr zugrunde liegt.761 Das Konzept des Übereinkommens funktioniert reibungsfrei nur im Zusammenspiel mit Übertragungskonzepten, die auch materiellrechtlich einem stage-by-stage-approach folgen, und mit jeder Buchung innerhalb der Verwahrkette auch eine eigenständige Verfügung über ein dingliches Wertpapierrecht bzw. die Einräumung einer schuldrechtlichen Rechtsposition vollziehen.762 Bei den Beratungen hatte man bewusst oder unbewusst solche security entitlement-Konzepte vor Augen.763 Die dogmatischen Schwierigkeiten lassen sich auch nicht unter Verweis auf ein übergeordnetes Ziel einer leichteren Erkennbarkeit des anzuwendenden Rechts für die Beteiligten beiseite schieben.764 Wenn eine dingliche Verfügung durch mehrere Einzelbuchungen vollzogen wird, ist es unausweichlich, dass diese Buchungen auch einheitlich einer Rechtsordnung unterliegen.765 Dies war früher das Recht am Ort der Belegenheit der Wertpapierurkunden, heute ist es jedenfalls gemäß § 17 a DepotG das Recht des Ortes, an dem das Konto geführt wird, auf dem die Werte unmittelbar zugunsten des Erwerbers verbucht werden. Dass dieses Recht wie in § 17 a DepotG durch eine objektive Anknüpfungsregel bestimmt wird, ist nicht zwingend erforderlich. Eine solche, für alle im Rahmen einer Verfügung vorgenommenen Buchungen geltende Anknüpfungsregel wurde bei den Beratungen zum Haager Wertpapierübereinkommen zwar unter der Bezeichnung „Super760

Einsele, WM 2003, 2355. Einsele, WM 2003, 2356; i.E. auch Ooi, LMCLQ 2005, 477; selbst Potok, 15 JBFLP (2004), 211 gesteht schwerwiegende Probleme zu, ohne diese jedoch näher zu konkretisieren oder Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. 762 Ege, S. 180. 763 Ebenso die Stellungnahme der Delegation Japans, Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14 A, S. 3; Schefold, in: FS Jayme; S. 815. 764 So aber i.E. Than, in: FS Kümpel, S. 558. 765 So auch Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 142; Rögner, ZBB 2006, 106. 761

402 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

PRIMA“-Konzept diskutiert.766 Es hätte sich dabei jedoch zwangsweise um eine Regelung des Verfügungsstatuts und nicht des Depotstatuts handeln müssen. Sie wurde letztlich aufgrund der hier bereits im Rahmen von § 17 a DepotG diskutierten Schwierigkeiten fallengelassen. Insbesondere sah man es als hinderlich an, dass ein Intermediär auf höherer Verwahrstufe bei seiner Buchung nicht erkennen kann, welchem Recht eine auf tieferer Verwahrstufe vorgenommene Buchung unterliegt bzw. unterliegen wird.767 Im Fall einer Aufspaltung des Wertpapierpakets auf unterschiedliche Erwerber wären auf höherer Verwahrstufe dann sogar mehrere Rechtsordnungen zu beachten gewesen.768 Im Ergebnis mag das Haager Wertpapierübereinkommen zwar formal materiellrechts-neutral sein, weil es sowohl auf schuldrechtliche als auch auf dingliche Konzepte anwendbar ist.769 Da es aber konstruktiv gleichwohl von einer schuldrechtlichen Verwahrkonstruktion ausgeht, bei sachenrechtlich strukturierten Verwahrkonzepten aber nicht zu sinnvollen Ergebnissen führt, baut es auf letztere einen erheblichen Druck zu einer materiellrechtlichen Anpassung auf.770 Insofern kann es nicht als materiellrechts-neutral bezeichnet werden.771 Letztlich muss der Versuch, eine einheitliche Anknüpfungsregel für schuldrechtliche und dingliche Verwahrungsformen zu finden, als gescheitert angesehen werden. IPR Regeln sind nur dann passend und führen nur dann zu sinnvollen Ergebnissen, wenn betroffene Rechtsordnungen ein Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen.772 Im vorliegenden Fall wurde versucht, gleich zu behandeln, was nicht gleich behandelt werden kann. Das Ergebnis ist eine Kompromisslösung, die für sachenrechtliche Verwahrkonzepte völlig unbrauchbar ist und zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führt, solange die materiellen Sachrechte nicht harmonisiert sind.773 Aber auch für schuldrechtliche Verwahrkonzepte stellt das Konzept nicht die vorteilhafteste Lösung dar. Denn hier wird die grundsätzliche allgemeine Rechtswahlfreiheit durch das Erfordernis des reality tests unnötigen Beschränkungen unterworfen und damit auch mit Rechtsunsicherheiten belastet.

766

Vgl. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 14, S. 40 ff. Vgl. Haager Konferenz, Prel. Doc. No 3, S. 5 f. 768 Bernasconi, YbPIL 3 (2001), 91; Haager Konferenz, Prel. Doc. No 12, S. 7. 769 Die angebliche Neutralität hinsichtlich aller materiellrechtlicher Verwahrungsformen wird immer wieder von denjenigen betont, die maßgeblich an den Vorarbeiten zum Übereinkommen beteiligt waren, vgl. insbesondere Bernasconi/Van Loon, Schreiben vom 26. 22. 2004, S. 4 f.; Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 33. 770 Haubold, RIW 2005, 660; Potok, JBFLP 2004, 211; ebenso Rögner, ZBB 2006, 99. 771 Ebenso Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 384; ähnlich Eidenmüller, in: Hadding/ Hopt/Schimansky, S. 144, der wegen des Übereinkommens eine Dominanz des US-amerikanischen Rechts befürchtet, die mittelbar auch zu einem Verlust an Handelsvolumina an die USA führen kann; so auch Keller/Langner, BKR 2003, 619. 772 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, S. 404. 773 Ooi, LMCLQ 2005, 487; Rögner, ZBB 2006, 102. 767

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

403

6. Ratifizierung des Übereinkommens a) Überblick Der Erfolg des Übereinkommens hängt in erster Linie davon ab, ob es von den für den internationalen Wertpapierverkehr bedeutenden Staaten gezeichnet und ratifiziert wird. Es liegt zur Zeichnung und Ratifikation beim Niederländischen Außenministerium als Verwahrer aus.774 Es tritt in Kraft, wenn es von drei Staaten ratifiziert, angenommen oder genehmigt wurde oder wenn ihm drei Staaten beigetreten sind.775 Unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen waren viele der Meinung, dass einer raschen Zeichnung des Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten der Haager Konferenz nichts im Wege stünde.776 Viele empfahlen eine schnelle Umsetzung des Übereinkommens durch die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten, um die Dynamik des Modernisierungsprozesses für das Recht der intermediären Wertpapierverwahrung auszunutzen und Vorbildwirkung für andere Staaten zu entfalten. Angesichts der aufgezeigten mangelhaften Kompatibilität der Anknüpfungsregel mit zahlreichen materiellen Sachrechtsordnungen ist die anfängliche Euphorie jedoch einer erheblichen Skepsis gewichen.777 Für die EU wurde eine ausführliche Prüfung der Kompatibilitätsfrage angeregt, die gegebenenfalls in einer Anpassung des materiellen Rechts oder auch des Übereinkommens selbst münden soll.778 Infolgedessen stellt sich der Zeichnungs- und Ratifizierungsprozesses des Übereinkommens als sehr stockend dar. Bislang haben nur die Schweiz779 und Mauritius das Übereinkommen gezeichnet und ratifiziert.780 Ferner wurde es von den USA gezeichnet.781 b) Ratifizierung des Übereinkommens in Europa aa) Kompetenzfragen Zu klären ist, wem innerhalb der EU überhaupt die Kompetenz zur Zeichnung und Ratifikation zukommt. Grundsätzlich wären dazu zunächst die Mitgliedstaaten als Mitglieder der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht berufen. Die Mitgliedstaaten würden sich durch die Zeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens jedoch in einen Widerspruch zu den bestehenden gemeinschaftsrechtlichen 774

Art. 17 Abs. 4 des Übereinkommens. Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens. 776 Reuschle, BKR 2003, 572. 777 Schefold, in: FS Jayme, S. 822. 778 Rögner, ZBB 2006, 105 f. 779 In der Schweiz wurden die Regelungen des Übereinkommens in Art. 108 a) – d) IPRG als autonomes schweizerisches Recht bereits vor dessen völkerrechtlicher Verbindlichkeit umgesetzt, vgl. Peyer, AJP 2007, 960 f. 780 Eine aktuelle Übersicht über den Stand der Umsetzung findet sich unter www.hcch.net. 781 Zur Notwendigkeit von Anpassungen im US-amerikanischen Recht vgl. Hansen, in: Heere, S. 250 f. 775

404 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Vorgaben der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie setzen. Unzweifelhaft erfordert die Umsetzung des Übereinkommens eine Anpassung der Kollisionsnormen dieser Richtlinien.782 Zwar folgen auch diese Vorschriften im Grundsatz dem PRIMA-Prinzip, jedoch unterscheiden sie sich von dem Konzept des Übereinkommens durch dessen weiteren persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich, der parteiautonomen Anknüpfungsregel und der separaten Bestimmung des anwendbaren Rechts auf jeder Stufe der Verwahrkette. Gerade aufgrund der Bindung der Mitgliedstaaten an das Gemeinschaftsrecht gewährt der EuGH der Gemeinschaft unter Berufung auf den Grundsatz der Vertragstreue eine implizite und ausschließliche Vertragsschlusskompetenz, wenn für den Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrages eine entsprechende Binnenkompetenz der Gemeinschaft besteht und diese ausgeübt wurde.783 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sowohl die Finalitätsrichtlinie als auch die Finanzsicherheitenrichtlinie auf Art. 95 EGV (Art. 100 EGV a.F., jetzt Art. 114 AEUV) gestützt und dabei die darin mit enthaltene Kompetenz zur Vereinheitlichung des Wertpapierkollisionsrechts ausgeübt. Im Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsregeln besteht folglich von vornherein keine Kompetenz der Mitgliedstaaten zur Zeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens.784 Das Haager Wertpapierübereinkommen selbst trägt diesem Umstand Rechnung, indem es erstmals in der Geschichte der Haager Konferenz neben souveränen Staaten auch Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die von souveränen Staaten gebildet werden und für bestimmte, durch das Übereinkommen erfasste Fragen zuständig sind, gemäß Art. 18 Abs. 1 HWpÜ die Möglichkeit gibt, das Übereinkommen zu unterzeichnen, anzunehmen, zu genehmigen oder ihm beizutreten.785 Eine solche Organisation erwirbt dadurch im Rahmen ihrer Kompetenz dieselben Rechte und Pflichten wie ein anderer Staat, der das Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert hat.786 Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH bleibt die Vertragsschlusskompetenz jedoch insoweit bei den Mitgliedstaaten, wie der völkerrechtliche Vertrag in seinem Anwendungsbereich über bereits bestehende Rechtsakte des Gemeinschaftsrechts hinausgeht. Dies wäre vorliegend der Fall für Vollrechtsübertragungen ohne Sicherungscharakter sowie auch für dingliche Sicherungsgeschäfte, die nicht in den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 Finalitätsrichtlinie und Art. 9 Finanzsicherheitenrichtlinie fallen. Jedoch ist eine auf diese Bereiche beschränkte Ratifizierung des Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten gemäß 782 Löber, BKR 2003, 266; Mankowski, RIW 2004, 492; Devos, in: Mlanges Louis, S. 274; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 9. 783 EuGH v. 3. 3. 1971, Rs. 22/70 (AETR), Slg. 1971, S. 263, Rn. 15 ff.; EuGH v. 15. 11. 1994, Gutachten 1/94 (WTO/GATS/TRIPS), Slg. 1994, I-5267, Rn. 77; vgl. dazu auch Streinz/ Mögele, Art. 300 EGV, Rn. 24 ff.; Strycken, ZEuP 2004, 281 f. 784 Ebenso Merkt/Rossbach, ZVglRWiss 102 (2003), 48. 785 Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 207. 786 Goode/Kanda/Kreuzer, 18-3; allgemein zum Verhältnis zwischen der EU und der ACHTUNGREHaager Konferenz Strycken, ZEuP 2004, 284 ff.

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

405

Art. 21 HWpÜ ausgeschlossen. Fraglich ist deswegen, ob der Gemeinschaft auch für diese vom bisherigen Gemeinschaftsrecht nicht erfassten Bereiche eine Vertragsschlusskompetenz zukommt. Dies dürfte zu bejahen sein. Zwar besteht die Kompetenz der EG zur Angleichung des internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten gemäß Art. 95 und 65 b) EGV (Art. 114 und 81 Abs. 2 c) AEUV) nur in dem Umfang, wie es zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist.787 Daraus ergibt aber auch eine Kompetenz zur Harmonisierung der kollisionsrechtlichen Regelungen im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten, wenn dabei ein Binnenmarktbezug besteht.788 Ein solcher Bezug dürfte aufgrund der Verknüpfungen zwischen den europäischen Abwicklungssystemen gegeben sein.789 In diesem Umfang kommt der EG grundsätzlich auch eine Kompetenz zur staatsvertraglichen Regelung des Kollisionsrechts zu, auch wenn diese nicht ausdrücklich geregelt ist.790 Mangels eigener Rechtssetzung der EG in diesem Teilbereich wäre die Vertragsschlusskompetenz insoweit jedoch nicht ausschließlich, sondern konkurrierend.791 Bezogen auf das Übereinkommen im Ganzen handelt es sich deswegen um eine zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilte Außenkompetenz.792 Da aber auch den Mitgliedstaaten in diesem Bereich keinerlei ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zukommt, könnte die EG dem Übereinkommen unabhängig von den Mitgliedstaaten beitreten.793 Jedoch ist es in einem solchen Fall der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zulässig und üblich, den völkerrechtlichen Vertrag als gemischtes Abkommen auszuhandeln und umzusetzen. Dabei treten auf Gemeinschaftsseite sowohl die EG als auch die Mitgliedstaaten auf.794 Praktisch wird ein solches Übereinkommen in der Regel in vorheriger Abstimmung zeitgleich oder zumindest zeitnah von den Mitgliedstaaten und der EG ratifiziert bzw. angenommen.795

787 Allg. zum System der Gemeinschaftszuständigkeiten im Kollisionsrecht Basedow, in: Baur/Mansel, S. 30 ff. 788 Basedow, in: FS Lorenz, S. 471; Jayme, in: Mansel, S. 35; Strycken, ZEuP 2004, 279, wonach eher eine differenzierende Behandlung von Binnen- und Drittstaatenverhältnissen rechtfertigungsbedürftig wäre. 789 Vgl. auch Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 133 f. 790 EuGH v. 28. 3. 1996, Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, I-1763, Rn. 26; Basedow, in: FS Lorenz, S. 471 f.; Eidenmüller, in: Hadding/Hopt/Schimansky, S. 143; Schwarze/Terhechte, Art. 300 EGV, Rn. 6. 791 Basedow, in: FS Lorenz, S. 472. 792 EuGH v. 15. 11. 1994, Gutachten 1/94 (WTO/GATS/TRIPS), Slg. 1994, I-5267, Rn. 103 ff.; Degue, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, S. 37; Schwarze/Terhechte, Art. 300 EGV, Rn. 4. 793 Vgl. den Vorschlag der EG-Kommission für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Haager Wertpapierübereinkommens, KOM (2003) 783 endg., S. 4 f. 794 EuGH, v. 19. 3. 1993, Gutachten 2/91 (ILO), Slg. 1993, I-1061, Rn. 12; vgl. auch Potok, 15 JBFLP (2004), 212. 795 Streinz/Mögele, Art. 300 EGV, Rn. 34 f.; Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 300 EGV, Rd. 17; Schwarze/Terhechte, Art. 300, Rn. 11.

406 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Wenn die EG im Rahmen ihrer Außenzuständigkeit dem Haager Wertpapierübereinkommen beitritt, wird dieses gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV (Art. 216 Abs. 2 AEUV) zu unmittelbar geltendem Gemeinschaftsrecht.796 Es bestünde dann die ACHTUNGREMöglichkeit, die widersprechenden Kollisionsvorschriften im Gemeinschaftsrecht sowie in den nationalen Umsetzungsakten ersatzlos zu streichen. Alternativ wäre es auch möglich, die Vorschriften durch einen Verweis auf das Haager Wertpapierübereinkommen zu ändern.797 Ein solcher Verweis hätte dann lediglich deklaratorische Wirkung. Daneben wäre auch denkbar, dass die Gemeinschaft, ohne dem Übereinkommen formal beizutreten, schlicht dessen Inhalte explizit oder durch einen ACHTUNGREVerweis in die eigenen Richtlinien übernimmt und für die Mitgliedstaaten damit verbindlich macht.798 bb) Verzögerung des Prozesses der Zeichnung und Ratifikation Die Europäische Kommission hat zunächst im Jahr 2003 eine Empfehlung zur Unterzeichnung des Übereinkommens durch die Gemeinschaft an den Rat abgegeben und in Aussicht gestellt, Vorschläge zur Änderung der einschlägigen Vorschriften der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie zu machen.799 Nach der damaligen Auffassung wäre der Beitritt der EG zum Übereinkommen bzw. dessen Ratifizierung bereits Ende 2004 oder Anfang 2005 möglich gewesen. Im Anschluss daran entwickelte sich jedoch eine intensive Debatte über die möglichen Auswirkungen einer Übernahme des Übereinkommens, die den Unterzeichnungsprozess ins Stocken brachte. Bedenken wurden unter anderem von Seiten der Bankenwirtschaft und der Europäischen Zentralbank vorgebracht.800 Grundsätzlich begrüßte man zwar die Zielsetzung des Übereinkommens, einheitliche und klare Kollisionsregeln für den Bereich der intermediär verwahrten Wertpapiere zu schaffen. Aufgrund der bereits festgestellten Ausrichtung des Übereinkommens an security entitlement-Konzepten wie dem des US-amerikanischen Rechts befürchtete man aber einen Wettbewerbsnachteil für europäische Banken. Darüber hinaus rief die theoretische Möglichkeit, dass ein Zentralverwahrer oder ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem mit seinen Kunden unterschiedliche Rechtsordnungen vereinbaren kann, große Bedenken hervor. Dies erhöhe die Komplexität der Abwicklung und die damit verbundenen operationellen und systemischen Risiken.801 Ideal sei demgegenüber ein Zustand, in dem die Berechtigungen der Depotinhaber dem gleichen Recht unterlägen, dem auch die sonstigen vertraglichen Aspekte der Depotbeziehung sowie das System

796 797 798 799 800 801

105.

Calliess/Ruffert/Schmalenbach, Art. 300 EGV, Rn. 51; Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 79. Reuschle, BKR 2003, 571 f. Kreuzer, RabelsZ 70 (2006), 79. KOM (2003) 783 endg. Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 388; Ege, S. 210 ff. Löber, BKR 2003, 266; EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 11; Rögner, ZBB 2006,

VI. Das PRIMA-Prinzip im Haager Wertpapierübereinkommen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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selbst unterlägen.802 Weiterer Überprüfung bedürften ferner die bereits oben angesprochenen Fragen des Schutzes Dritter, die Rechte an den Wertpapieren haben oder diese pfänden oder arrestieren wollen. Nachteilig sei insbesondere, wenn Gerichte und Zwangsvollstreckungsorgane ausländisches Recht anwenden müssten.803 In Anbetracht des Umstandes, dass die gegenwärtigen Kollisionsvorschriften im Gemeinschaftsrecht zufriedenstellend seien, verlangte man deshalb vor der Umsetzung des Übereinkommens eine eingehende Folgenabschätzung.804 Auch wollte man die Ergebnisse der Expertengremien abwarten, die von der Gemeinschaft beauftragt wurden, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Wertpapierabwicklung in Europa zu untersuchen. Schließlich erwog man auch, die Harmonisierung des Kollisionsrechts zumindest auf Gemeinschaftsebene im Einklang mit der Harmonisierung des materiellen Rechts der intermediären Wertpapierverwahrung durchzuführen.805 Befürworter einer schnellen Ratifizierung entgegneten dem zwar, dass diese Bedenken zum Großteil bereits während der Verhandlungen zum Übereinkommen, an denen auch zahlreiche Vertreter der Bankenpraxis teilgenommen hätten, abschließend erörtert worden seien. Da das Übereinkommen einstimmig angenommen worden sei, sei eine weitere Überprüfung und Folgenabschätzung jetzt nicht mehr angezeigt.806 Das Übereinkommen jetzt nicht umzusetzen würde auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit der EG im Hinblick auf zukünftige Übereinkommen der Haager ACHTUNGREKonferenz erheblich schmälern.807 Eine Ausrichtung des Übereinkommens am US-amerikanischen Recht und daraus resultierende Wettbewerbsvorteile für USamerikanische Marktteilnehmer seien nicht ersichtlich. Außerdem könne ein europäischer Anleger bereits heute ein Depot bei einer amerikanischen Zweigstelle eines europäischen Intermediärs unter US-amerikanischem Recht eröffnen und europäische Banken ihr Geschäft künftig auch unter amerikanischem Recht führen.808 Darüber hinaus sei es aufgrund des eigenen Interesses an einheitlichen rechtlichen Grundlagen der Geschäftsführung nicht zu erwarten, dass ein Betreiber eines Wertpapierliefer- und -abwicklungssystems oder ein Zentralverwahrer verschiedene Kundenbeziehungen unterschiedlichen Rechtsordnungen unterwerfen werde.809 Dies 802 EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2001, Rn. 10; vgl. dazu bereits ESCB/CESR, Standards, Rn. 37. 803 EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 20. 804 European Banking Federation, Schreiben v. 13. 12. 2008; EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 13, 20; dem folgend auch das Europäische Parlament, Entschließung zu den Auswirkungen der Unterzeichnung des Haager Wertpapier-Übereinkommens vom 14. 12. 2006, P6_TA(2006)0608. 805 EZB, Stellungnahme v. 17. 3. 2005, Rn. 15. 806 Bernasconi/van Loon, Schreiben v. 26. 22. 2004, S. 1 f. 807 Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 394; Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 33. 808 Potok, 15 JBFLP (2004), 220; Bernasconi/van Loon, Schreiben vom 26. 22. 2004, S. 1 f.; Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 33 f. 809 Devos, in: Liber Amicorum Garavelli, S. 391; Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 126 f.; Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 18; Rogers, 39 Cornell Int L.J. 307 f. (2006).

408 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

könne auch im Zuge der Zulassung und Überwachung der Systembetreiber sichergestellt werden. Die Europäische Kommission nahm daraufhin eine weitere Beurteilung der rechtlichen Auswirkungen des Übereinkommens vor. Zunächst teilte die vorgetragenen Bedenken größtenteils nicht und blieb im Grundsatz bei ihrer Umsetzungsempfehlung.810 Lediglich zum Ausschluss der theoretischen Gefahr, dass Systembetreiber die von ihnen erteilten Berechtigungen unterschiedlichen, nicht kompatiblen Rechtsordnungen unterwerfen könnten, schlug die Kommission vor, Systeme unter der Finalitätsrichtlinie nur dann anzuerkennen, wenn sie die vom Haager Übereinkommen erfassten Aspekte einer einheitlichen Rechtsordnung unterstellen.811 Auf den Einwand der Unvereinbarkeit des Konzepts mit dem materiellen Sachenrecht Deutschlands und anderer Staaten ging sie dabei nur am Rande ein, ohne eine Lösung dieses Problems vorzuschlagen.812 Sie empfahl stattdessen die Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens sowohl durch die Gemeinschaft als auch durch die Mitgliedstaaten.813 Dazu ist es jedoch bislang nicht gekommen. Das Europäische Parlament teilte im Grundsatz die Bedenken der Europäischen Zentralbank und verlangte weitere Untersuchungen hinsichtlich der Auswirkungen des Übereinkommens.814 Im Rat war die Stimmung geteilt, wobei die Länder, die das Übereinkommen aufgrund der genannten Bedenken (noch) nicht zeichnen und ratifizieren wollen, die Zeichnung blockierten.815 Für die meisten dieser Staaten bedeuteten bereits die gemeinschaftsrechtlichen, objektiv ausgestalteten PRIMA-Regeln einen erheblichen Einschnitt in traditionelle kollisionsrechtliche Konzepte. Diesen Regelungen wurde aufgrund der praktischen Notwendigkeit zustimmt. Der sehr späte und insbesondere von den USA vorangetriebene Wechsel zu einer subjektiven Anknüpfungsregel im ACHTUNGREHaager Wertpapierübereinkommen ist für diese Staaten nicht mehr akzeptabel. Der europäische Ratifizierungsprozess ist damit zum Erliegen gekommen. Aufgrund der Arbeiten der Legal Certainty Group an einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung, Verwaltung und Übertragung von intermediär verwahrten Wertpapieren ist zuletzt auch die Europäische Kommission von dem Ziel einer isolierten Ratifizierung des Haager Wertpapierübereinkommens durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten abgerückt. Stattdessen sehen die Vorschläge der Legal Certainty Group, soweit sie bislang absehbar sind, vor, die kollisionsrechtlichen Fragen gemeinsam mit den materiellrechtlichen Aspekten in einem einheitlichen Rechtsakt der Gemeinschaft neu zu regeln. Aufgrund des Umstandes, dass sich die Regelung des Haager Wertpapierübereinkommens nicht 810

Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 23. Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 21. 812 Europäische Kommission, Legal Assessment, S. 10. 813 Europäische Kommission, Pressemitteilung v. 5.7.2006. 814 Europäisches Parlament, Entschließung zu den Auswirkungen der Unterzeichnung des Haager Wertpapier-Übereinkommens vom 14. 12. 2006, P6_TA(2006)0608. 815 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 20. 811

VII. Ergebnis und Würdigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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durchzusetzen vermochte, ist davon auszugehen, dass eine derartige kollisionsrechtliche Kompenente einer solchen Wertpapierrechtsrichtlinie an den Regelungen der Finalitäts- und Finanzsicherheitenrichtlinie angelehnt sein wird, freilich mit einem umfassenderen Anwendungsbereich. Zuletzt hat die Europäische Kommission ihre Umsetzungsempfehlung aus dem Jahr 2003 daher jedenfalls formell zurückgenommen.816

VII. Ergebnis und Würdigung Die Ausführungen zeigen, dass der Entwicklungsprozess im internationalen Privatrecht für Wertpapierübertragungen noch nicht abgeschlossen ist. Das internationale Wertpapierprivatrecht ist weltweit, aber gerade auch in Europa stark zersplittert. Ursächlich für die Rechtszersplitterung des Gemeinschaftsrechts sind die mangelhaften Vorgaben der Finalitäts- und der Finanzsicherheitenrichtlinie, die das internationale Wertpapierprivatrecht nur bereichsspezifisch regeln, opt-out Möglichkeiten lassen und zum Teil unpräzise formuliert sind. Das deutsche und europäische internationale Privatrecht der Wertpapierübertragung weist zudem erhebliche inhaltliche Schwächen auf. Auch das Haager Wertpapierübereinkommen konnte bislang nicht zu einer Verbesserung dieses Zustandes beitragen. Ausgangspunkt ist die kollisionsrechtlich getrennte Behandlung dinglicher und schuldrechtlicher Berechtigungsformen. Schuldrechtliche Berechtigungsformen, d. h. Berechtigungen, die keine dinglichen Rechte an den zugrundeliegenden Effekten selbst verschaffen, bereiten in ihrer internationalprivatrechtlichen Erfassung kaum Schwierigkeiten. Sie unterliegen hinsichtlich Begründung, Inhalt und Erlöschen dem Vertragsstatut. Anzuwenden sind entweder die allgemeinen Grundsätze des internationalen Vertragsrechts (z. B. in Deutschland) oder spezielle nationale Kollisionsregeln, die an die Umstände der intermediären Wertpapierverwahrung angepasst sind (z. B. in den USA). Dingliche Berechtigungsformen unterlagen hinsichtlich ihrer Begründung und Übertragung hingegen traditionell dem international herrschenden Prinzip der lex rei sitae. Aufgrund der Schwierigkeiten, die das Belegenheitsprinzip bei der Anwendung auf Verfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere bereitet, sucht man nach alternativen Anknüpfungskonzepten. Im Blickfeld dieser Ansätze steht vor allem die Beziehung zwischen dem Inhaber der Werte und seiner Depotbank. Das Prinzip der lex rei sitae, der auf dem Gemeinschaftsrecht basierende Ansatz des § 17 a DepotG sowie der Ansatz des Haager Wertpapierübereinkommens repräsentieren drei grundlegend verschiedene Konzepte zur Bestimmung des anwendbaren Rechts auf die grenzüberschreitende Verbuchung dinglicher Berechtigungen an Effekten. Nach dem Belegenheitsprinzip beherrscht die Rechtordnung am Ort der Verwahrung am Anfang der Verwahrkette den Inhalt dinglicher Berechtigungen an 816

S. 7 f.

Rücknahme überholter Kommissionsvorschläge, ABl. EU Nr. C 71 vom 25. 3. 2009,

410 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Effekten sowie alle Übertragungsvorgänge. § 17 a DepotG unterwirft eine Verfügung über dingliche Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren vollständig dem Recht am Ort des letztverbuchenden Intermediärs am Ende der Verwahrkette, selbst wenn die Verfügung durch mehrere Buchungen vollzogen wird. Zwar unterliegt eine Verfügung danach ebenfalls einer einheitlichen Rechtsordnung, jedoch können im Gegensatz zum Belegenheitsprinzip separate Verfügungen über den Sammelbestand unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Nach dem Haager Wertpapierübereinkommen wiederum kann auf jeder Stufe der Verwahrkette ein anders Recht zur Anwendung gebracht werden, und zwar unabhängig davon, ob eine Buchung eine eigenständige Verfügung darstellt oder nur Teil einer durch mehrere Buchungen vollzogenen Verfügung ist. Unabhängig von der Art der Bestimmung des jeweils anzuwendenden Rechts wurde deutlich, dass alle Konzepte zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit materiellrechtlichen Verwahrsystem führen, in dem dingliche Rechte an Effekten über mehrere Buchungsstufen hinweg vom Veräußerer auf den Erwerber übertragen werden. Die Probleme im Zusammenhang mit dem Belegenheitsprinzip sind seit langem bekannt. Schwierig ist hier nicht nur die Ermittlung des tatsächlichen Verwahrorts der Effektenurkunden. Auch der Umstand, dass auf Depotkonten meist Effekten verbucht werden, die in verschiedenen Staaten verwahrt sind, führt zur Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen auf die Erfüllung eines einheitlichen Geschäfts. Im Fall von § 5 Abs. 4 DepotG gilt dies gegebenenfalls sogar für Effekten eines im Rechtssinne einheitlichen Sammelbestandes. Diese Schwierigkeiten werden von § 17 a DepotG zwar vermieden, jedoch führt die Vorschrift zu einem spiegelbildlichen Problem. Wertpapiere eines einheitlichen Sammelbestandes sind meist auf Depotkonten verbucht, die sich in verschiedenen Staaten befinden. Die Anwendung der Rechtsordnung am Ort der Endverbuchung auf die dingliche Berechtigung des Erwerbers führt zur Einwirkung unterschiedlicher Rechtsordnungen auf einen einheitlichen Sammelbestand. Eine rechtssichere Abgrenzung des Geltungsbereichs der lex rei sitae und der Rechtsordnungen am Ort der Verbuchung ist nicht unproblematisch. Ferner ist das anzuwendende Recht am Ort der Verbuchung der Werte zugunsten des Erwerbers für den Veräußerer und die zwischengeschalteten Intermediäre regelmäßig nicht ersichtlich. Auch die einheitliche rechtliche Strukturierung des Übertragungsvorgangs durch das Abwicklungssystem am Ort der Verwahrung kann durch die Einwirkung verschiedener Rechtsordnungen am Zielort der Wertpapierberechtigungen beeinträchtigt werden, wenn der Übertragungsvorgang materiellrechtlich als Direkterwerb von Veräußerer auf den Erwerber ausgestaltet ist. Aus deutscher Sicht besonders problematisch ist zudem die fehlende Anerkennung der deutschen Kollisionsregel im außereuropäischen, aber zum Teil auch im europäischen Ausland. Die Lösung des Haager Wertpapierübereinkommens vermeidet zwar die Konflikte zwischen dem Recht am Ort der Verwahrung und dem Recht am Ort der Verbuchung zugunsten des Investors, indem sie auf jeder Stufe der Verwahrkette eine gesonderte

VII. Ergebnis und Würdigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

411

Anknüpfung zulässt. Dies führt aber dazu, dass auf eine einheitliche Verfügung im Rechtssinne gegebenenfalls unterschiedliche Rechtordnungen anzuwenden sind. Das Ziel des internationalen Privatrechts, klare Regelungen für den Konflikt zwischen verschiedenen Rechtsordnungen zu schaffen, wird damit gerade verfehlt. Es kann kaum bestritten werden, dass das Konzept des Übereinkommens an schuldrechtlich ausgestalteten Verwahrkonzepten am Vorbild des US-amerikanischen Rechts orientiert ist. Entscheidend ist, dass das amerikanische Recht davon ausgeht, dass jede Buchung auch eine selbstständige Verfügung im Rechtssinne darstellt. Bei der Anwendung auf sachenrechtlich strukturierte Systeme, bei denen eine Verfügung im Rechtssinne gegebenenfalls durch mehrere Buchungsvorgänge vollzogen wird, führt das Konzept zu unüberwindbaren Normenkollisionen. Der Ansatz des Haager Wertpapierübereinkommens, eine Kollisionsregel zu bieten, die auf alle nationalen Berechtigungsformen gleichermaßen anzuwenden ist, ist durchaus begrüßenswert. Letztlich zeigt sich aber, dass die Unterschiede zwischen dinglichen und grundsätzlichen schuldrechtlichen Berechtigungsformen so groß sind, dass sie kollisionsrechtlich nicht gleich behandelt werden können. In der Zusammenschau wird deutlich, dass keines der Konzepte eine taugliche Grundlage zur adäquaten kollisionsrechtlichen Erfassung grenzüberschreitender Wertpapierübertragungen auf sachenrechtlicher Grundlage bietet. Da die drei Konzepte das Spektrum theoretisch denkbarer Kollisionsvorschriften aber weitgehend abdecken, ist der Schluss zu ziehen, dass der grenzüberschreitende Wertpapierverkehr auf sachenrechtlicher Grundlage kollisionsrechtlich überhaupt nicht zufriedenstellend zu bewältigen ist. Eine geeignete Kollisionsregel für dingliche Rechte an ACHTUNGREintermediär verwahrten Wertpapieren müsste drei Voraussetzungen erfüllen. Sie müsste zum Ersten sicherstellen, dass Rechte an einem Wertpapiersammelbestand und Buchungen durch das örtliche Wertpapierabwicklungssystem einem einheitlichen Recht unterliegen. Zum Zweiten müsste sie gewährleisten, dass auch die Berechtigungen, die ein Investor durch Gutschriften auf seinem Depotkonto erwirbt, ACHTUNGREunabhängig vom Ort der Verwahrung einem einheitlichen Recht unterliegen. Zum Dritten müsste sie aber auch sicherstellen, dass materiellrechtlich einheitliche VerACHTUNGREfügungen über intermediär verwahrte Wertpapiere, die durch mehrere Buchungen ACHTUNGREvollzogen werden, einer einheitlichen und für alle Beteiligten erkennbaren Rechtsordnung unterliegen. Die Ausführungen haben deutlich gemacht, dass diese drei Voraussetzungen in einem logischen Widerspruch zueinander stehen. Eine Regel des internationalen Sachenrechts kann nicht gleichzeitig alle drei Voraussetzungen erfüllen. Bereits auf Ebene des materiellen Rechts wurde festgestellt, dass sich die Übertragung intermediär verwahrter Effekten mit den Mitteln des Sachenrechts nur schwer adäquat wiedergeben lässt. Dieses Ergebnis setzt sich auf Ebene des internationalen Privatrechts fort. Kollisionsrechtlich kann die direkte Übertragung dinglicher Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren nicht rechtssicher erfasst werden. Die beschriebenen Probleme bestünden selbst dann fort, wenn es gelänge, eine der beschriebenen Kollisionsvorschriften international einheitlich durchzusetzen.

412 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Kollisionsrecht der intermediär verwahrten Wertpapiere

Eine adäquate Antwort auf diese Schwierigkeiten fand man in Deutschland früh im Konzept der Gutschrift in Wertpapierrechnung. Mit der Einführung von § 5 Abs. 4 DepotG keimte jedoch die Hoffnung auf, dass das deutsche Konzept des Effektengiroverkehrs auf sachenrechtlicher Grundlage auch auf den grenzüberschreitenden Wertpapierverkehr erstreckt werden könnte. Dieser Versuch ist als gescheitert zu betrachten. Rechtssicherheit für die grenzüberschreitende Verwahrung und Übertragung lässt sich letztlich nur auf Grundlage einer schuldrechtlichen Rechtskonstruktion erreichen.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Ansätze zur internationalen Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren I. Einführung Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass die Rechtsunsicherheiten bei der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren allein mit Mitteln des internationalen Privatrechts nicht zu bewältigen sind. Modernes und harmonisiertes internationales Privatrecht kann nur dann zu mehr Rechtssicherheit führen, wenn auch das materielle Recht einen gewissen Gleichklang aufweist. Das ACHTUNGREHaager Wertpapierübereinkommen kann nicht für mehr Rechtssicherheit bei der Frage des anzuwendenden Rechts sorgen, solange seine Regelungsgegenstände in den einzelnen Rechtsordnungen materiellrechtlich fundamental anders eingeordnet werden.1 Um grenzüberschreitende Verbuchungen von Wertpapieren rechtlich adäquat zu erfassen, ist es deswegen erforderlich, neben der Modernisierung des internationalen Privatrechts auch das materielle Recht der Wertpapierverwahrung der einzelnen Staaten zu harmonisieren und zu modernisieren.2 Wesentliche Aufgabe einer Harmonisierung des materiellen Rechts muss nach den bis hierher angestellten Überlegungen die Vereinheitlichung der Rechtsnatur von Buchungsrechten sein.3 Die Untersuchungen zum internationalen Privatrecht haben gezeigt, dass vor allem sachenrechtlich ausgestaltete Verwahrstrukturen bei grenzüberschreitenden Verbuchungen zu Problemen führen. In Deutschland äußern sich diese Probleme, wenn dingliche Rechte an ausländischen Wertpapierbeständen gutgeschrieben werden, die ClearACHTUNGREstream über eine Kontoverbindung nach § 5 Abs. 4 DepotG im Ausland hält. Neben verschiedenen nationalen Projekten zur Modernisierung des Rechts der Verwahrung und Übertragung von Kapitalmarktwertpapieren4 sind gegenwärtig auch zwei internationale Harmonisierungsprojekte im Gange. Auf globaler Ebene wurde beim International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT) nach mehrjähriger Arbeit eine Konvention zur globalen Harmonisierung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung verabschiedet. Auf europäischer Ebene hat 1

Sommer, 18 Ariz. J. Intl & Comp. L. 702 f. (2001). Ähnlich Löber, BKR 2003, 266; Garcimartn Alfrez, RDBB 2003, 167; Kreuzer, in: Mlanges Lagarde, S. 544. 3 Vgl. bereits Haager Konferenz, Prel. Doc. No 1, S. 61. 4 Für einen Überblick über gegenwärtige nationale Reformprojekte vgl. Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 395 f. (2008). 2

414 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

die von der Europäischen Kommission eingesetzte Legal Certainty Group eine ACHTUNGREUntersuchung der nationalen Sachrechte unternommen und Leitlinien für eine europäische Harmonisierung formuliert. Beide Projekte werden im Folgenden kurz vorgestellt und im Rahmen einer ersten Einschätzung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, auf einen möglichen Anpassungsbedarf des deutschen Rechts hin untersucht. Dabei wird der Fokus insbesondere darauf gerichtet, ob sich durch ihre ACHTUNGREUmsetzung die bei der Untersuchung des Haager Wertpapierübereinkommens aufgezeigten Kompatibilitätsprobleme lösen lassen.

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1. Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der Konvention Am 9. 10. 2009 wurde auf einer Diplomatischen Konferenz ein UNIDROIT-Übereinkommen zur Harmonisierung materiellrechtlicher Normen für intermediär verwahrte Wertpapiere verabschiedet (UNIDROIT Convention on Substantive Rules für Intermediated Securities). Das Übereinkommen stellt das erste globale Abkommen im Bereich des materiellen Kapitalmarkt- und Finanzdienstleistungsrechts dar.5 UNIDROIT ist eine internationale Organisation mit derzeit 63 Mitgliedern, darunter die meisten Mitgliedstaaten der EU, die wichtigsten außereuropäischen Wirtschaftsnationen sowie zahlreiche Staaten aus Wachstumsmärkten. Sie beschäftigt sich mit der Ausarbeitung internationaler Übereinkommen im Bereich des Zivil- und Handelsrechts und gilt als Schwesterorganisation der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht.6 Mit der Verabschiedung der Konvention wurde ein Projekt zu einem vorläufigen Ende geführt, an dem bereits seit dem Jahr 2002 gearbeitet wurde. Zur Vorbereitung der Konvention wurde zunächst eine international besetzte Expertengruppe (Study Group) eingesetzt, die den sachlichen Umfang der künftigen Konvention umriss, grundlegende Fragestellungen klassifizierte und erste Lösungsansätze erarbeitete.7 Die Gruppe legte Ende 2004 einen Konventionsentwurf zu weiteren zwischenstaatlichen Verhandlungen vor.8 Diese Verhandlungen fanden in regelmäßigen Abständen in einer Gruppe von Experten aus den einzelnen Staaten statt (Committee of Governamental Experts). Der Text wurde in insgesamt vier Sitzungen weiter fortentwickelt. Für die Teile des Entwurfs, die Gegenstand des europäischen Gemeinschaftsrechts sind, wurde die Europäische Kommission zur Führung der Verhandlungen ermächtigt.9 Das Komitee legte sodann einen Textentwurf vor, der von der Diplomatischen Konferenz in ihrer zweiten, abschließenden Sitzung am 9. 10. 2009 nach 5

Kronke, WM 2010, 1625. Paech, Die Bank 2003, 618. 7 UNIDROIT, Study LXXVIII – Doc. 8. 8 UNIDROIT, Study LXXVIII – Doc. 18; zur Entwicklung vgl. UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 1 ff.; Pöch, in: GS Gruson, S. 304 f. 9 Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/05/1637 v. 20.12.2005. 6

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Vornahme weiterer Änderungen angenommen wurde.10 Die Diplomatische Konferenz hat dabei die Kurzbezeichnung „Genfer Wertpapierkonvention“ (Geneva Securities Convention) empfohlen.11 Das Übereinkommen liegt seitdem bei UNIDROIT in Rom zur Zeichnung aus und wird gem. Art. 42 Abs. 1 nach Ablauf von sechs Monaten ab der dritten Ratifizierung, Annahme, Genehmigung oder Beitrittserklärung durch einen Vertragsstaat zum folgenden Monatsersten in Kraft treten. Ziel der Konvention es, die aus der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren resultierenden Rechtsrisiken zu reduzieren.12 Bei den Arbeiten ging man davon aus, dass die Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts für intermediär verwahrte Wertpapiere durch die Haager Konferenz zwar zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit des grenzüberschreitenden Wertpapierverkehrs beiträgt, letztlich aber nicht ausreichend ist.13 Als problematisch erachtete man zum einen, dass die buchungsmäßige Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren in manchen Rechtsordnungen überhaupt nicht, unzureichend oder aufgrund von veralteten Vorschriften inhaltlich unschlüssig geregelt ist. Ein Ziel der Konvention ist deswegen die Förderung moderner und intern schlüssiger nationaler Rechtskonzepte (internal soundness).14 Angestrebt wurden einfache und klare Regeln für Erwerb, Verwahrung, Veräußerung und Verwertung von Effekten sowie der Schutz der Anleger in der Insolvenz des Intermediärs. Zum anderen sah man ein Problem darin, dass im grenzüberschreitenden Wertpapierverkehr vertragsrechtliche, eigentumsrechtliche, insolvenzrechtliche und gesellschaftsrechtliche Fragen sowie andere Aspekte des materiellen Rechts unterschiedlichen Kollisionsregeln unterliegen. Da diese Kollisionsregeln auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweisen, entstehen Widersprüche, die die grenzüberschreitende Verbuchung und Verwaltung von Wertpapieren erschweren und mit erheblichen Rechtsunsicherheiten belasten.15 Zudem bestehen unterschiedliche Ansätze hinsichtlich der Rechtsnatur von Wertpapieren und des Umfangs der Verbriefung bzw. Dematerialisierung.16 Auch in Anbetracht der Stufenanknüpfung des Haager Wertpapierübereinkommens ist es deswegen Ziel der Konvention, einheitliche materiellrechtliche Standards zwischen den Rechtsordnungen zu schaffen, um ihre Kompatibilität und ihr reibungsloses Ineinandergreifen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu verbessern (compatibility).17 Die Konvention will den Schutz der Werte vor Zugriffen Dritter, sachgerechte Regeln zur Verteilung von Verlusten und klare Methoden für den rechtswirksamen Erwerb und die Veräußerung der Werte und zur Bestellung von 10 11 12 13 14 15 16 17

UNIDROIT, Conf. 11/2 – Doc. 42. UNIDROIT, Final Act, Resolution No. 1, S. 30. Zu den Rechtsrisiken vgl. oben B.II.3.e). UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 14 f. Paech, Unif. L. Rev. 2002, 1140. UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 10. Paech, Unif. L. Rev. 2002, 1156. Paech, WM 2005, 1102; Paech/Löber, JIBFL 2007, 10.

416 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

Sicherheiten gewährleisten sowie die effektive nationale und grenzüberschreitende Ausübung der verbrieften Rechte sicherstellen.18 2. Methodischer Ansatz: funktionale Mindestharmonisierung Kompatibilität der Verwahr- und Verwaltungsstrukturen für buchungsmäßig gehaltene Effekten ließe sich durch die Schaffung supranationalen oder vollständig vereinheitlichten nationalen Rechts erreichen. Da die Verwahrstrukturen der einzelnen Staaten jedoch eng mit den jeweiligen Rechtstraditionen verwurzelt sind und Verknüpfungspunkte mit zahlreichen Rechtsgebieten aufweisen, wäre der Versuch, eine Art supranationales Depotgesetz zu schaffen, praktisch nicht zu verwirklichen.19 Aufgrund einer Abwägung von Nutzen, Machbarkeit und Aufwand beschränkt sich die Konvention auf eine Mindestharmonisierung der nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich bestimmter Aspekte der Verwahrung, Übertragung und Verwaltung von Wertpapieren. An zahlreichen Stellen, an denen eine Rechtsvereinheitlichung aufgrund unterschiedlicher nationaler Rechtstraditionen nicht aussichtsreich erschien, wurden dem nationalen Recht ausdrücklich Regelungsfreiräume zugestanden.20 So verweist die Konvention für zahlreiche Fragestellungen ausdrücklich auf das unharmonisierte nationale Recht (non-convention law)21 und sieht für einzelne Teile eine opt-out Möglichkeit der Signatarstaaten vor, erlaubt also verschiedene Stufen der Harmonisierung.22 Ferner sieht die Konvention an zahlreichen Stellen vor, dass Regelwerke der nationalen Wertpapierclearing- und Settlementsysteme die Vorschriften der Konvention ausfüllen oder präzisieren oder sogar von ihnen abweichen.23 Von Anfang an hat man die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Verwahrsystemen, die dem Endanleger ein Eigentumsrecht an den zugrundeliegenden Effekten zusprechen, und solchen, bei denen der Anleger lediglich in irgendeiner Form gesicherte schuldrechtliche Ansprüche gegen seinen unmittelbaren Intermediär erwirbt, als besonders bedeutsam für die Beurteilung der rechtlichen Risiken grenzüberschreitender Transaktionen betrachtet.24 Es wurde aber auch deutlich, dass die Verwahrstrukturen zu tief in den jeweiligen Rechtsordnungen verwurzelt sind, als dass man sich auf eines der beiden Grundmodelle hätte einigen können.25 Um die nationalen Grundkonzepte der Wertpapierverwahrung unberührt zu lassen, verfolgt die Konven18

Paech, WM 2005, 1103. Kreuzer, in: FS Yamauchi, S. 227; Rogers, 39 Cornell Int L.J. 293 f. (2006). 20 Vgl. Mülbert, Arbeitspapier 2009/1, S. 9; Keijser/Parmentier, BKR 2010, 153. 21 Vgl. Art. 1 (m) der Konvention. 22 Vgl. Art. 34 des Konventionsentwurfs betreffend die Regelungen über Finanzsicherheiten. 23 Dazu Keijser/Parmentier, BKR 2010, 154 f. 24 Paech, Unif. L. Rev. 2002, 1152; Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 401 ff. (2008). 25 Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 413 f. (2008). 19

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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tion einen funktionalen Harmonisierungsansatz (functional approach). Sie formuliert, anders als beispielsweise das Haager Wertpapierübereinkommen, keine konkreten Regelungen, die aus sich heraus unmittelbar anwendbar wären, wie dies bei einem Modellgesetz der Fall wäre. Stattdessen gibt sie lediglich Ziele vor, welche die nationalen Rechtsordnungen im Rahmen ihrer rechtlichen Gesamtstruktur umsetzen müssen.26 Dadurch soll vermieden werden, dass konzeptionelle Fremdkörper in die nationalen Rechtsordnungen importiert werden. Die Ziele sollen unabhängig von der Charakterisierung der Anlegerrechte verwirklicht werden können.27 Der Ansatz ist der einer Richtlinie im Europarecht vergleichbar. Die Konvention bedient sich dazu überwiegend einer beschreibenden Sprache und verwendet Systembegriffe, die keiner bestimmten Rechtsordnung entlehnt sind, um zu verhindern, dass die Konvention entsprechend der jeweiligen nationalen Hintergründe unterschiedlich interpretiert wird.28 Da die Konvention eine Vollharmonisierung der nationalen Verwahrrechte weder anvisiert noch erreichen kann, ist sie als materiellrechtliche Ergänzung zum Haager Wertpapierübereinkommen zu sehen und macht dieses nicht überflüssig. Die Konvention sieht keine inhaltliche Beschränkung auf internationale Sachverhalte vor. Vielmehr sind ihre Regelungen gemäß Art. 2 (b) auch bei rein nationalen Verwahrsituationen umzusetzen.29 Dies ist naheliegend, da nationale und internationale Sachverhalte praktisch schwer abzugrenzen sind. Auch resultieren die rechtlichen Probleme grenzüberschreitender Verbuchungen gerade aus der Inkompatibilität der nationalen Rechtsordnungen. Parallele Regelungen für nationale und internationale Sachverhalte sind deswegen nicht zu rechtfertigen.30 3. Regelungen der Genfer Wertpapierkonvention a) Begriff der intermediated securities Das erste Kapitel der Konvention enthält Definitionen und grundsätzliche Regelungen einschließlich Regelungen zum Anwendungsbereich der Konvention und zu ihrer Auslegung. Der Begriff der Wertpapiere (securities), auf den sich die Konvention bezieht, umfasst gemäß Art. 1 (a) der Konvention Aktien, Anleihen und andere Finanzinstrumente außer Geld, die auf Wertpapierkonten verbucht und gemäß den Vorschriften der Konvention erworben und veräußert werden können. Bis auf das einschränkende Kriterium der Übertragbarkeit ist er damit ebenso weit formuliert, wie derjenige des Haager Wertpapierübereinkommens. Auch hier kommt es letztlich auf die Verbuchbarkeit der Werte auf Wertpapierkonten an. Hintergrund ist auch hier die Vielfältigkeit nationaler Effektenformen und die Notwendigkeit, die Konvention 26 27 28 29 30

Christmann, BKR 2005, 249; Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 414 (2008). UNIDROIT, Explanatory Notes 2004, S. 19. Keijser/Parmentier, BKR 2010, 153. UNIDROIT, Draft Official Commentary, 2-9. Vgl. auch Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 416 (2008).

418 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

auch für zukünftig entwickelte Anlageformen offen zu halten.31 Die darüber hinaus definierten Begriffe des Wertpapierkontos (Art. 1 (c)), des Intermediärs (Art. 1 (d)), des maßgeblichen Intermediärs (Art. 1 (g)), des Kontoinhabers (Art. 1 (e)) und der Kontovereinbarung (Art. 1 (f)) stimmen im Wesentlichen mit denen des Haager Wertpapierübereinkommens überein, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen wird.32 Kernbegriff des Übereinkommens ist derjenige der intermediated securities. Nach Art. 1 (b) der Konvention sind darunter Wertpapiere zu verstehen, die auf einem Konto gutgeschrieben werden, sowie Rechte an Wertpapieren, die aus der Gutschrift von Wertpapieren auf einem Wertpapierkonto resultieren. Wie der Begriff der intermediär verwahrten Wertpapiere in Art. 1 Abs. 1 (f) HWpÜ soll auch der Begriff der intermediated securities als Platzhalter für diejenigen Rechte dienen, die der Inhaber eines Wertpapierkontos durch eine Gutschrift auf seinem Konto erwirbt.33 Dem funktionalen Ansatz folgend will die Konvention dabei nicht zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Berechtigungsformen unterscheiden. Im Hinblick darauf ist Definition jedoch etwas unglücklich formuliert, da sie im ersten Teil sehr an der Tradition von Verwahrsystemen erinnert, bei denen der Kontoinhaber dingliche Rechte an den zugrunde liegenden Wertpapierurkunden selbst erwirbt. Die Formulierung des ACHTUNGREHaager Wertpapierübereinkommens ist an dieser Stelle neutraler.34 Letztlich entscheidend für die Definition ist deshalb der zweite Halbsatz, der allein neutral formuliert ist. Danach sind intermediated securities diejenigen Rechte, die ein Anleger aus einer Buchungsgutschrift erwirbt, egal ob diese schuldrechtlicher oder dinglicher Natur sind. Nicht unter die Definition fallen sonderverwahrte Wertpapiere.35 Die Definition von intermediated securities ist im Zusammenhang mit dem zweiten Kapitel der Konvention zu lesen, in dem die Rechte des Kontoinhabers und damit der konkrete Inhalt von intermediated securities geregelt werden. Im Sinne des funktionalen Ansatzes werden in Art. 9 Abs. 1 (a) – (c) bestimmte Mindestrechte festgelegt, die die nationalen Rechtsordnungen gewährleisten müssen, ohne eine bestimmte Rechtsnatur eines Buchungsrechts vorzuschreiben.36 Jenseits dieser Mindestanforderungen obliegt die konkrete Ausgestaltung der Rechtsposition gemäß Art. 9 Abs. 1 (d) der Konvention dem nationalen Recht. Art. 9 stellt damit die Zentralnorm der Konvention dar.37 Nach Art. 9 Abs. 1 (a) der Konvention hat der Kontoinhaber zunächst das Recht, die verbrieften Ansprüche auf Dividenden, Zinsen und andere Erträge sowie Stimmrechte zu erlangen und auszuüben. Ist der Kontoinhaber jedoch selbst Intermediär, so 31 32 33 34 35 36 37

UNIDROIT, Draft Official Commentary, 1-5. Vgl. auch UNIDROIT, Draft Official Commentary, 1-15 ff. Paech/Löber, JIBFL 2007, 12; Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 421 f. (2008). Kritisch auch Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 431 (2008). Paech, WM 2005, 1104. UNIDROIT, Draft Official Commentary, 9-2 f. Ähnlich Mülbert, Arbeitspapier 2009/1, S. 9.

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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stehen ihm die Rechte nur endgültig zu, wenn er die Werte auf eigene Rechnung hält. Die Vorschrift will sicherstellen, dass die intermediäre Verwahrung von Wertpapieren die Zuordnung der verbrieften Rechte zum wirtschaftlich Berechtigten nicht verzerrt. Dabei scheint die Formulierung zwar davon auszugehen, dass der Kontoinhaber diese Rechte nicht unmittelbar mit der Gutschrift erwirbt, sondern nur einen Anspruch auf Einräumung der Rechte, etwa durch Abtretung oder Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht, erlangt. Ein solches Verständnis wäre jedoch zu einseitig an schuldrechtlichen Berechtigungen orientiert. Nach dem funktionalen Ansatz der Konvention ist vielmehr davon auszugehen, dass es den jeweiligen Rechtsordnungen überlassen bleiben soll, ob die verbrieften Rechte selbständig vom Intermediär auf den Kontoinhaber übertragen werden müssen, oder ob sie dem Kontoinhaber wie im deutschem Recht bereits kraft einer dinglichen Berechtigung an den Wertpapierurkunden zustehen und der Intermediär folglich nur eine organisatorische Funktion bei der Ausübung der Rechte übernimmt.38 Ob der Investor diese Rechte durch Weisungen an den Intermediär oder direkt gegenüber dem Emittenten ausüben kann, also die Entscheidung der Frage, wer im Rechtssinne Gläubiger des Emittenten ist, hängt nach Art. 9 Abs. 2 (b) der Konvention von den Emissionsbedingungen und dem anwendbaren nationalen Recht ab. Unberührt bleiben nach Art. 8 Abs. 1 ferner Rechte, die dem Investor etwa aufgrund einer Eintragung in ein beim Emittenten geführtes Register oder aus anderen Gründen direkt gegenüber dem Emittenten zustehen. Als weitere Mindestanforderungen muss nach Art. 9 Abs. 1 (b) der Konvention sichergestellt sein, dass der Kontoinhaber (hier auch in der Funktion als zwischengeschalteter Intermediär) durch Anweisung an seinen Intermediär nach den in Art. 11 und 12 der Konvention vorgesehenen Regelungen über seine Rechte verfügen und Sicherungsrechte daran bestellen kann. Der Kontoinhaber muss zudem eine andere Form der Inhaberschaft, wie beispielsweise die Auslieferung effektiver Stücke, verlangen können, soweit dies nach den jeweiligen Emissionsbedingungen, dem Wertpapierrechtsstatut, dem nationalen Verwahrungsrecht, dem Kontovertrag und den ACHTUNGRERegeln des nationalen Verwahrsystems grundsätzlich zulässig ist (Art. 9 Abs. 1 (c)). Dadurch wird das Fortbestehen der Möglichkeit gewährleistet, einzelverbriefte Effekten in Einzelverwahrung zu halten.39 Das Recht auf Übertragung oder Auslieferung kann nach Art. 7 Abs. 2 (c) jedoch generell nur gegenüber dem maßgeblichen Intermediär und nicht gegenüber Intermediären auf höheren Verwahrstufen geltend gemacht werden. Nach Art. 10 der Konvention ist schließlich sicherzustellen, dass der Intermediär die geeigneten Maßnahmen trifft, um dem Kontoinhaber den Erhalt und die Ausübung der in Art. 9 Abs. 1 genannten Rechte sicherzustellen. Im deutschen Recht der Girosammelverwahrung werden diese Mindestanforderungen an den Inhalt von Buchungsrechten durchweg erfüllt, so dass insoweit keine Anpassungen erforderlich sein werden. In der Praxis der Wertpapierverwaltung 38 UNIDROIT, Draft Official Commentary, 9–13; vgl. auch Than, Unif. L. Rev. 2005, 266 f.; Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 428 f. (2008). 39 Kronke, WM 2010, 1627.

420 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

ist grundsätzlich gewährleistet, dass die Anleger in den Genuss der Erträge der Anlage kommen und beispielsweise Stimmrechte ausüben können. Die miteigentumsrechtliche Stellung der Anleger ist dabei ein über die Mindestanforderungen der Konvention hinausgehendes und nicht mit ihr im Widerspruch stehendes zusätzliches Recht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 (d) der Konvention.40 Für sachenrechtlich strukturierte Systeme könnte jedoch die Beschränkung in Art. 9 Abs. 2 (c) problematisch sein, wonach Übertragungs- und Auslieferungsansprüche nur gegenüber dem unmittelbaren Intermediär geltend gemacht werden können. Denn Eigentumsrechte wirken gegenüber jedermann und müssen deswegen grundsätzlich auch gegenüber jedermann durchgesetzt werden können. Der absolute Ausschluss von Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten auf höherer Verwahrstufe könnte mit dem Konzept des Miteigentums im Sinne der §§ 903, 1008 BGB nicht vereinbar sein.41 Da die h.M. zum deutschen Recht dem Hinterleger grundsätzlich auch Auslieferungsansprüche gegen die Wertpapiersammelbank auf Grundlage der §§ 546 Abs. 2, 604 Abs. 4 BGB sowie § 8 DepotG zugestehen will, bestünde ein Konflikt mit dem Übereinkommensentwurf. Wie oben bereits ausgeführt, sind solche Direktansprüche jedoch auch für den deutschen Effektengiroverkehr abzulehnen.42 Da sie jedenfalls in der Praxis nicht geltend gemacht werden, dürfte das Übereinkommen an dieser Stelle nicht zwingend eine Anpassung im deutschen Recht erfordern. Denn letztlich folgt auch das deutsche Recht der Girosammelverwahrung dem Prinzip, dass sich jedes Glied der Verwahrkette für Übertragungs- und Herausgabeverlangen grundsätzlich nur an die jeweils nächsthöhere Stufe wenden kann. b) Erwerb und Veräußerung von intermediated securities aa) Erwerb und Veräußerung durch Buchungen Das dritte Kapitel regelt die Übertragung (transfer)43 von intermediated securities. Nach der zentralen Grundregel in Art. 11 Abs. 1 der Konvention erwirbt der Kontoinhaber intermediated securities durch eine Buchungsgutschrift auf seinem Wertpapierkonto. Nach Abs. 2 darf das nationale Recht oder das anwendbare Insolvenzrecht44 die Wirksamkeit des Rechtserwerbs gegenüber Dritten nicht an weitere Voraussetzungen als die Buchungsgutschrift knüpfen. Die Veräußerung erfolgt nach Abs. 3 durch eine gem. Art. 15 Abs. 1 vom Berechtigten autorisierte belastende Buchung auf dem Depotkonto des Veräußerers. Auch Sicherungsrechte an intermedia40

Ebenso Mülbert, Arbeitspapier 2009/1, S. 16; Pöch, in: GS Gruson, S. 309. So Einsele, WM 2005, 1114. 42 Vgl. oben C.II.1.b)bb). 43 Die Formulierung „transfer“ widerspricht dem sonst funktionalen Ansatz des Übereinkommens, da es zu einer Übertragung von Rechten regelmäßig nur bei sachenrechtlich strukturierten Verwahrkonzepten kommt, während schuldrechtliche Ansprüche in aller Regel erlöschen und an anderer Stelle neu begründet werden. 44 Zu beachten jedoch die Ausnahmen in Art. 14 Abs. 2 der Konvention. 41

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ted securities können gemäß Abs. 4 durch Buchungen erworben und veräußert werden. Die Frage, wann eine Buchung im Rechtssinne vorliegt, wird von der Konvention dabei nicht vorgeschrieben, sondern dem nationalen Recht überlassen.45 Das nationale Recht darf ferner gemäß Art. 13 (a) andere Formen des Erwerbs und der Veräußerung von intermediated securities zulassen. Die Anerkennung der Buchungsgutschrift des maßgeblichen Intermediärs als zentrales Merkmal des Rechtserwerbs ist ein bedeutendes Anliegen der Konvention. Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob eine Buchungsgutschrift nach der Konzeption des Übereinkommens in jedem Fall unabhängig von anderen Voraussetzungen zu einem Rechtserwerb des Kontoinhabers führen muss, oder ob der Rechtserwerb vom Eintritt weiterer Umstände abhängig gemacht werden kann. Die „no furter step-rule“ des Art. 11 Abs. 2 spricht für Ersteres. Ein Rechtserwerb allein durch eine Buchungsgutschrift ist konzeptionell aber nur bei schuldrechtlichen Systemen denkbar, bei denen der Kontoinhaber durch die Buchungsgutschrift lediglich einen Anspruch gegen seinen Intermediär erlangt. Beispielsweise wird ein security entitlement nach US-amerikanischem Recht allein durch eine entsprechende Gutschrift auf dem Konto des entitlement holder erworben, unabhängig davon, ob die gutschreibende Depotbank die Werte bei der DTC oder einem anderen Intermediär hält.46 Der eigene Erwerb der Werte durch die Depotbank ist hier lediglich eine Frage der Deckung des security entitlements, also des Insolvenzschutzes. Demgegenüber genügt bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung nach deutschem Recht die Buchungsgutschrift zugunsten des Anlegers nicht zum Erwerb von Treuhandeigentum, wenn die gutschreibende Depotbank die Werte selbst noch nicht erworben hat. Dies gilt unabhängig davon, ob man der Gutschrift lediglich deklaratorischen Charakter beimisst, oder in ihr ein abstraktes Schuldanerkenntnis der gutschreibenden Bank sieht. Vor allem aber bei sachenrechtlichen Systemen ist der Rechtserwerb, wie am Beispiel des deutschen Rechts ausgeführt wurde, neben der Gutschrift auch von einer dinglichen Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber und von Umbuchungen auf höherer Verwahrstufe abhängig. Es fragt sich deshalb, wie Art 11 Abs. 1 der Konvention damit in Einklang zu bringen ist. Nach dem funktionalen Ansatz sollte die Regelung mit allen dogmatischen Verwahrkonzepten gleichermaßen vereinbar sein.47 Dass dies vorliegend durchaus der Fall ist, ergibt sich aus drei Erwägungen: Zum einen wird die Frage, was überhaupt Voraussetzung einer Buchung als solche ist, von der Konvention offen gelassen und dem nicht harmonierten nationalen Recht überlassen.48 Zum anderen soll die „no further step-rule“ des Art. 11 Abs. 2 nur für weitere formale Anforderungen an den Rechtserwerb gelten, wie beispielsweise notarielle Beurkundungen, Registereintragungen oder behördlichen Anzeigen. Die Regelung hat in erster Linie vom common law beeinflusste Rechtsordnungen im Blick, die zur Herbeiführung der Drittwirksam45 46 47 48

UNIDROIT, Draft Official Commentary, 11-1. Siehe oben C.III.3.c). Davon ausgehend auch UNIDROIT, Draft Official Commentary, 11-4. UNIDROIT, Draft Official Commentary, 11-1.

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E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

keit einer Verfügung (perfection) oft derartige weitere Schritte verlangen. Zusätzlich erforderliche materiellrechtliche Anforderungen an die Rechtswirksamkeit einer Buchung sollen von Art. 11 Abs. 2 nicht ausgeschlossen werden.49 Desweiteren muss man, um die volle Bedeutung von Buchungen für den Erwerb und Verlust von intermediated securities erfassen zu können, Art. 11 gemeinsam mit Art. 16 der Konvention lesen. Darin erfährt der programmatische Grundsatz, wonach für den Erwerb von intermediated securities eine Buchungsgutschrift auf dem Wertpapierkonto des erwerbenden Investors genügt, eine erhebliche Einschränkung. Denn danach obliegt es der Entscheidung des nicht vereinheitlichten nationalen Rechts, inwieweit eine Gutschrift oder Lastschrift bzw. die Eintragung oder Löschung eines Pfändungsvermerks (designating entry) unwirksam, widerruflich oder bedingt sein kann und welche Wirkungen daran anknüpfen. Die Möglichkeit, die Wirksamkeit einer Gutschrift von einer Bedingung abhängig machen zu können, ist für viele Abwicklungssysteme von zentraler Bedeutung. Beispielsweise kann eine Gutschrift zur Verknüpfung von Lieferung und Zahlung in DvP-Systemen durch den Abschluss des Zahlungsvorgangs verknüpft werden.50 Ferner kann die Wirksamkeit der Gutschrift einer Depotbank daran geknüpft sein, dass die Depotbank die Werte selbst auf der nächsthöheren Stufe erlangt. In der Praxis schreiben deutsche Depotbanken ihren Kunden die Werte häufig bereits vor einer Umbuchung durch Clearstream mit der impliziten Bedingung gut, dass die Buchung erst dann wirksam wird, wenn auch Clearstream die Umbuchung vorgenommen hat.51 Bei sachenrechtlichen Verwahrsystemen ist die Wirksamkeit einer Buchung bereits von vornherein davon abhängig, dass auch die übergeordneten Depotbanken und insbesondere Clearstream entsprechende Umbuchungen vorgenommen haben, damit der Erwerber mittelbaren Besitz und damit Miteigentum am Sammelbestand erlangt. Eine isolierte Buchungsgutschrift durch seinen maßgeblichen Intermediär kann dem Erwerber in den meisten Fällen kein Miteigentum verschaffen. Praktisch ist hier der Rechtserwerb durch eine Gutschrift von einer (berechtigten oder unberechtigten) belastenden Gegenbuchung auf Veräußererseite abhängig. Die im Entwurf anfangs vorgesehene Regelung, die Wirksamkeit einer Buchungsgutschrift von einer korrespondierenden Belastungsbuchung abzukoppeln,52 wurde deshalb fallengelassen. Letztlich können durch Art. 16 der Konvention damit alle materiellen Voraussetzungen, die das nationale Recht derzeit neben der Buchungsgutschrift zugunsten des Anlegers für einen wirksamen Rechtserwerb vorsieht, fortbestehen. Gutschrift und Belastungsbuchung können damit auch zu einem einen derivativen Erwerb begrün-

49

UNIDROIT, Draft Official Commentary, 11-11; Kronke, WM 2010, 1629; kritisch zu dieser Einschränkung Mülbert, Arbeitspapier 2009/1, S. 14. 50 Than, Unif. L. Rev. 2005, 268.; Kronke, WM 2010, 1628. 51 Than, Unif. L. Rev. 2005, 268 f.; Kronke, WM 2010, 1628. 52 Dazu Paech, WM 2005, 1105; Einsele, WM 2005, 1113 f.; dies., Unif. L. Rev. 2005, 258; Saager, Die Bank 2005, 23.

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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denden, einheitlichen Übertragungsakt zusammengefasst werden.53 Der Konventionsentwurf formuliert damit in Art. 9 Abs. 1 zwar ein programmatisches Ziel, wonach es für den Rechtserwerb des Anlegers wie im amerikanischen Recht allein auf eine Gutschrift durch seinen unmittelbaren Intermediär ankommen soll. Die Zulassung jeglicher nationaler Unwirksamkeits- oder Aufhebbarkeitsgründe sowie Bedingungen schränkt dieses Prinzip aber sogleich wieder ein. Erforderlich ist lediglich, dass der Gutschrift nicht nur deklaratorische Wirkung zukommt. Sie muss vielmehr gemeinsam mit anderen Voraussetzungen konstitutiv wirken.54 Da die Gutschrift im deutschen Effektengiroverkehr zumindest den Besitzmittlungswillen der verbuchenden Bank für den Kontoinhaber zu erkennen gibt, ist die konstitutive Wirkung auch nach deutschem Recht zu bejahen.55 Nach Art. 15 Abs. 1 der Konvention darf der Intermediär eine Belastungsbuchung oder die Eintragung bzw. Löschung eines Sperrvermerks nur vornehmen, wenn sie von der zuständigen Person, also dem Kontoinhaber oder einem berechtigten Sicherungsnehmer, autorisiert worden ist. Der Kontoführer darf das Konto nicht einseitig oder aufgrund einer unwirksamen Anweisung belasten. Während frühere Fassungen der Konvention unautorisierte Lastschriften generell für unwirksam erklärt haben, wurde die Vorschrift zuletzt dahingehend geändert, dass Wirkungen einer solchen Lastschrift gemäß Abs. 2 nach dem nicht harmonisierten nationalen Recht bzw. der Kontovereinbarung oder den Regeln des Clearing- und Settlementsystems beurteilt werden.56 Nicht beantwortet wird damit die eigentlich entscheidende Frage, ob die Berechtigung trotz der Lastschrift rechtlich fortbesteht und der Kontoinhaber weiterhin am Insolvenzschutz der Deckungsmasse teilhat, oder ob lediglich ein Anspruch auf Wiedereinräumung der Gutschrift besteht. Letztlich reduziert sich der Harmonisierungsgehalt der Vorschrift auf die Aussage, dass der Intermediär nicht ohne wirksame Anweisungen Buchungen vornehmen darf. Dieser Grundsatz dürfte in den meisten Rechtsordnungen anerkannt sein. Anzumerken ist im Übrigen, dass auch eine Regelung, die eine nicht autorisierte Lastschrift für unwirksam erklärt, den Kontoinhaber nicht zu schützen vermag, wenn der Intermediär die zur Deckung vorgehaltenen Werte gleichwohl veräußert.

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UNIDROIT, Draft Official Commentary, 11-10; Kronke, WM 2010, 1630; a.A. aber Mülbert, Arbeitspapier 2009/1, S. 17 f., der davon ausgeht, dass Gutschrift und Belastungsbuchung zwingend jeweils für sich konstitutive Bedeutung entfalten müssten, so dass ein direkter Übergang der Werte vom Veräußerer auf den Erwerber ausgeschlossen sei. Diese Konsequenz geht jedoch nicht zwingend aus den genannten Regelungen hervor und ist gerade mit Blick auf den systemneutralen Ansatz der Konvention abzulehnen. 54 So Sauer, S. 142. 55 Str., vgl. oben D.V.2.c)aa)(2)(a). 56 Vgl. UNIDROIT, Draft Oficial Commentary, 15-4 ff.

424 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

bb) Bestellung von Sicherheiten Art. 12 des Konventionsentwurfs betrifft die Bestellung von Sicherheiten an intermediated securities. Die Vorschrift regelt jedoch nicht bestimmte Sicherungsrechte und ihren Inhalt, da diese in den einzelnen Rechtsordnungen höchst unterschiedlich ausgestaltet sind.57 Vielmehr beschränkt sie sich auf die Regelung einzelner Techniken der Bestellung von Sicherungsrechten, deren Wirksamkeit von allen Signatarstaaten anzuerkennen ist. Gemäß Art. 12 Abs. 1 (a) ist zur Bestellung eines Sicherungsrechts generell eine Sicherungsvereinbarung notwendig. Diese ist gemäß Abs. 2 (a) auch hinreichend, wenn die Sicherheit gegenüber dem maßgeblichen Intermediär bestellt wird. Ist eine dritte Person Sicherungsnehmer, muss diese eine Form der Kontrolle über die Werte erlangen. Gemäß Art. 12 Abs. 2 (b), (c) ist dies ist durch die Kennzeichnung des Sicherungsrechts auf dem Wertpapierkonto i.S.v. Art. 1 (l) der Konvention (designating entry) oder durch eine dreiseitige Vereinbarung zwischen Sicherungsgeber, Sicherungsnehmer und dem unmittelbaren Intermediär nach Art. 1 (k) der Konvention (control agreement) möglich. Um internationale Transparenz hinsichtlich der zulässigen Möglichkeiten der Bestellung von Sicherheiten zu gewährleisten, müssen die Signatarstaaten gemäß Abs. 5 erklären, welche Möglichkeiten der Sicherheitenbestellung nach dem nationalen Recht anerkannt werden. Gemäß Abs. 6 und 7 müssen sie in diesem Fall angeben ob die genannten Techniken die Wirkung haben, dass der Sicherungsgeber nicht mehr selbständig über seine Werte verfügen kann, oder ob sie dem Sicherungsgeber darüber hinaus ein eigenes Verfügungsrecht geben.58 Darüber hinaus kann ein beschränktes Sicherungsrecht gemäß Art. 11 Abs. 4 auch durch Verbuchung der Werte auf ein Wertpapierkonto des Sicherungsnehmers bestellt werden. Das nationale Recht darf gemäß Art. 12 Abs. 2 der Konvention keine weiteren als die genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen verlangen, kann jedoch weitere Möglichkeiten der Bestellung von Sicherungsrechten (Art. 13 Abs. 2) und auch gesetzliche Sicherungsrechte (Art. 12 Abs. 8) vorsehen. Vertragliche Sicherungsrechte, die nicht nach den in Art. 12 der Konvention vorgesehenen Formen bestellt wurden, stehen im Rang jedoch grundsätzlich hinter Sicherungsrechten, die entsprechend den Konventionsvorgaben bestellt wurden (Art. 19 Abs. 2). Im Übrigen richtet sich der Rang eines Sicherungsrechts gemäß Art. 19 Abs. 3 der Konvention vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen nach der zeitlichen Reihenfolge der Bestellung. Gemäß Art. 19 Abs. 4 verliert das Sicherungsrecht zugunsten des unmittelbaren Intermediärs jedoch seinen Vorrang, wenn der Intermediär später bei der Bestellung eines Sicherungsrechts zugunsten eines Dritten mitwirkt. Der Rang gesetzlicher Sicherungsrechte wird von der Konvention nicht vorgegeben (Art. 19 Abs. 5). Diese Vorschriften dürften keine größeren Anpassungen des deutschen Rechts erfordern. Zur Verpfändung von Miteigentumsanteilen oder Ansprüchen aus einer Gut57 58

Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 427 f. (2008). Vgl. dazu UNIDROIT, Draft Official Commentary, 12-32 f.

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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schrift in Wertpapierrechnung an den unmittelbaren Intermediär genügt nach deutschem Recht eine Verpfändungsabrede.59 Zur Verpfändung an Dritte ist in Deutschland neben der Verpfändungsabrede lediglich eine Anzeige an den unmittelbaren Intermediär notwendig.60 Die Eintragung eines Sperrvermerks auf dem Wertpapierkonto ist zwar gängige Praxis, jedoch keine notwendige Voraussetzung für den Erwerb des Pfandrechts. An dieser Stelle ist ein gesetzgeberisches Tätigwerden denkbar. Zum einen könnte der Sperrvermerk als verpflichtende Voraussetzung für den Pfandrechtserwerb ausgestaltet werden. Zum anderen könnte aber auch lediglich klargestellt werden, dass Pfandrechte, für die ein Sperrvermerk auf dem Depotkonto des Verpfänders eingetragen wurde, generell Vorrang vor Pfandrechten genießen, für die kein Sperrvermerk eingetragen wurde. Die Einräumung von Mitbesitz an einem Wertpapiersammelbestand durch eine dreiseitige Kontrollvereinbarung ist nach deutschem Recht möglich.61 cc) Redlicher Erwerb Art. 18 der Konvention sieht die Möglichkeit des redlichen Erwerbs von intermediated securities vor. In der funktionalen Sprachweise wird dies als acquisition by an innocent person bezeichnet. Der Begriff des gutgläubigen Erwerbs (good faith acquisition) wurde vermieden, da er in vielen Rechtsordnungen im Zusammenhang mit eigentums- und besitzrechtlichen Regelungen verwendet wird.62 Die Konvention möchte in Form eines Mindeststandards (safe harbour)63 sicherstellen, dass sich derjenige, der den von der Konvention vorgesehenen Tatbestand für den Erwerb von Wertpapieren erfüllt hat, auf seine Rechtsposition verlassen kann, sofern er nicht von entgegenstehenden Rechten Dritter oder Fehlern beim Erwerbsvorgang weiß oder wissen muss. Nach Art. 18 Abs. 1 ist ein lastenfreier und unwiderruflicher Erwerb möglich, wenn der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs keine Kenntnis von Rechten Dritter an den erworbenen Gegenständen und einer Verletzung dieser Rechte hat und auch keine Kenntnis davon haben muss. Der Erwerber ist dann nicht zur Rückgabe der Werte oder zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. Die Vorschrift schützt gemäß Art. 17 (a) sowohl Erwerber, die durch Umbuchung ein Vollrecht an den Werten erlangt haben, als auch Sicherungsnehmer, die gemäß Art. 12 ein Sicherungsrecht erworben haben. Ausgeschlossen ist nach Art. 14 Abs. 3 jedoch ein unentgeltlicher redlicher Erwerb.

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Oben C.II.3.a)cc) für Sammeldepotanteile und C.II.5.a)ee)(1) für Gutschriften in Wertpapierrechnung. 60 Oben C.II.3.a)bb) für Sammeldepotanteile und C.II.5.a)ee)(1) für Gutschriften in Wertpapierrechnung. 61 Oben C.II.3.a)dd). 62 Keijser/Parmentier, BKR 2010, 153. 63 Keijser/Parmentier, BKR 2010, 154.

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E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

Zum richtigen Verständnis der Regelung ist trotz des funktionalen Ansatzes der Konvention zunächst nochmals zu verdeutlichen, dass eine redliche Erwerbsmöglichkeit vom Nichtberechtigten konzeptionell nur in den Fällen möglich ist, in denen der Erwerber gerade die Rechtsposition des Veräußerers erwirbt. Dies ist jedenfalls bei sachenrechtlichen Verwahrstrukturen wie dem deutschen Depotrecht der Fall. Bei schuldrechtlichen Verwahrstrukturen kommt es auf eine redliche Erwerbsmöglichkeit nicht an, wenn dem Erwerber, wie es in der Regel der Fall ist, nicht der Anspruch übertragen wird, der vorher dem Veräußerer zustand, sondern ihm ein neuer Anspruch gegenüber seinem maßgeblichen Intermediär eingeräumt wird. Die Umbuchung schuldrechtlicher Ansprüche wird in der Regel als Erlöschen des Anspruchs des Veräußerers und Neubegründung eines Anspruchs des Erwerbers erklärt.64 Der Schutz des Erwerbers kann hier durch einen möglichst weitgehenden Ausschluss von Einwendungen des Intermediärs erzielt werden. In schuldrechtlichen Verwahrstrukturen hat die Figur des redlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten konzeptionell nur dann Bedeutung, wenn etwa Sicherungsrechte an schuldrechtlichen Berechtigungsformen bestellt werden, oder wenn Dritten die Möglichkeit gegeben wird, den Erwerb des schuldrechtlichen Anspruchs durch Gegenrechte (adverse claims) anzugreifen.65 Die Konvention gibt keinen genauen Maßstab dafür vor, wann ein Erwerber Kenntnis von Rechten Dritter haben muss. Der erst zuletzt eingefügte Art. 17 (b) verlangt lediglich, dass die Charakteristika der intermediären Wertpapierverwahrung gegenüber den herkömmlichen Gutglaubensvorschriften besonders zu berücksichtigen sind und keine allgemeinen Nachforschungspflichten verlangt werden dürfen. Unklar ist dabei, ob es nach der Vorschrift zulässig ist, dem Erwerber die Kenntnis eines Dritten, insbesondere eines Gliedes der Verwahrkette zuzurechnen. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass es aufgrund der Stellvertretungskonstruktion bei der Übertragung der Werte im deutschen Recht letztlich nicht auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankommt, sondern vielmehr die Gutgläubigkeit der Wertpapiersammelbank bzw. des zentralen Kontrahenten oder des maßgeblichen Intermediärs entscheidend ist. Im Hinblick auf den Wortlaut und den Zweck der Regelung erscheint es jedoch sehr zweifelhaft, ob es danach zulässig ist, die Bösgläubigkeit eines Glieds der Verwahrkette auf den Erwerb durchschlagen zu lassen und eine denkbare eigene Bösgläubigkeit nicht zu berücksichtigen. Abgesehen davon dürfte die im deutschen Recht anerkannte Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs den Anforderungen von Art. 18 Abs. 1 der Konvention genügen. Zu beachten ist, dass die Norm nur auf die Seite des Erwerbers eingeht, jedoch nichts darüber aussagt, ob korrespondierend zu diesem Erwerb ein Dritter ein Recht verlieren muss, wie es dem deutschen Rechtsverständnis entspricht. Es war bereits während der Erarbeitung des Übereinkommens umstritten, ob es durch die Re64 Vgl. insoweit zur Gutschrift in Wertpapierrechnung oben C.II.5.a)dd); zum Erwerb eines security entitlements nach US-amerikanischem Recht oben C.III.3.c)aa). 65 So beispielsweise im US-amerikanischen Recht, vgl. oben C.III.3.c)aa).

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gelung zu einer Vermehrung von Wertpapieren kommen kann (inflation of securities).66 Letztlich wurde die Frage dem nationalen Recht überlassen, so dass jedenfalls für das deutsche Recht des Effektengiroverkehrs diese Gefahr nicht besteht. Bemerkenswert ist ferner Art. 18 Abs. 2 der Konvention. Die Vorschrift erweitert den Verkehrsschutz für Fälle, in denen der Erwerber keine Kenntnis von einer früheren fehlerhaften Buchung hat. Eine fehlerhafte Buchung ist nach Art. 17 (d) jede unwirksame oder widerrufliche Buchung sowie jede bedingte Buchung, die aufgrund des Eintritts bzw. Nichteintritts der Bedingung unwirksam oder widerruflich wird. Die Vorschrift schützt das Vertrauen eines Erwerbers in eine Buchungsgutschrift, auch wenn in der Buchungskette Fehler aufgetreten oder Wirksamkeitsbedingungen nicht eingetreten sind. Sie versucht das Spannungsfeld aufzulösen zwischen der Notwendigkeit, im Rahmen der Wertpapierabwicklung bedingte oder provisorische Gutschriften zu erteilen, und dem Bedürfnis nach Schutz des Vertrauens des Empfängers oder Dritter in die Wirksamkeit einer solchen Buchung. Von Bedeutung ist dies beispielsweise bei der Bestellung von Sicherheiten an Buchungsrechten, die nur unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt wurden, da eine solche Bedingung für den Erwerber nicht erkennbar ist. Nach der Vorschrift würde der Sicherungsnehmer im Vertrauen auf die Buchungsgutschrift auch dann ein Sicherungsrecht erwerben, wenn die Buchung von Anfang an unwirksam oder mangels einer Gutschrift auf höherer Verwahrebene inhaltlich wertlos war.67 Auf Grundlage eines sachenrechtlichen Verwahrsystems, wie es dem deutschen DepotG zugrunde liegt, ist ein solches Ergebnis kaum erreichbar. Die Vorschrift würde hier beispielsweise verlangen, dass ein Sicherungsnehmer im Vertrauen auf eine Gutschrift der Depotbank des Sicherungsgebers ein Pfandrecht an einem Miteigentumsanteil erwirbt, den der Kontoinhaber selbst mangels einer Besitzumstellung durch Clearstream (noch) nicht erhalten hat. Eine solches Ergebnis ist nach deutschem Recht ausgeschlossen, da der Sicherungsgeber ohne eine durchgehende Buchungskette zur Wertpapiersammelbank selbst keinen mittelbaren Besitz am Sammelbestand erlangt hat und es somit an einem geeigneten Rechtsscheinsträger, der Grundlage eines gutgläubigen Erwerbs sein müsste, fehlt. Fraglich wäre ferner, zu wessen Lasten ein solcher Rechtserwerb ginge. Da auf höherer Verwahrebene noch kein Konto belastet wurde und ein Miteigentumsanteil auch nicht neu erschaffen werden kann, könnte man den gutgläubigen Rechtserwerb allenfalls mit einer verhältnismäßigen Reduktion der Bruchteilsquote der anderen Miteigentümer erklären, die artgleiche Wertpapiere über die betreffende Depotbank halten. Im Hinblick auf den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz ist jedoch zweifelhaft, ob die dingliche Einigung zwischen den Sicherungsparteien auf die Miteigentumsanteile der übrigen Depotinhaber bezogen werden kann.68 Erlangt die Depotbank später durch eine Um66

Pöch, in: GS Gruson, S. 314 f.; Keijser/Parmentier, BKR 2010, 154. Allg. Meinung, vgl. Paech, WM 2005, 1106; Paech/Löber, JIBFL 2007, 12; Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 438 f. (2008); Sauer, S. 149. 68 Kritisch auch Einsele, WM 2005, 1114. 67

428 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

buchung von Clearstream mittelbaren Besitz an den entsprechenden Anteilen, so müssten die Miteigentumsanteile den benachteiligten Depotinhabern wieder zufallen, ohne dass es zu einer entsprechenden Willensbetätigung des Intermediärs käme. Der von der Konvention vorgesehene Vertrauensschutz in die Fehlerfreiheit einer Gutschrift ist damit auf Grundlage des sachenrechtlich strukturierten DepotG dogmatisch nicht erreichbar.69 Zwar ergeben sich ähnliche Schwierigkeiten auch, wenn schuldrechtliche Berechtigungen unter der aufschiebenden Bedingung gutgeschrieben werden, dass der gutschreibende Intermediär die Werte selbst erhält. Problematisch ist hier bereits, dass ein gutgläubiger Erwerb von Forderungen allgemein nicht anerkannt ist. Zwar könnte man hier darauf abstellen, dass mit der Buchung ein Rechtsschein für das Bestehen der Forderung geschaffen wird. Jedoch würde sich der gutgläubige Erwerb in diesem Fall auf eine Forderung richten, die aufschiebend bedingt ist und damit rechtlich (noch) nicht besteht. Der Schutz des Vertrauens eines Sicherungsnehmers in die Wirksamkeit einer solchen Gutschrift könnte hier allenfalls dadurch geschützt werden, indem man die Forderung gegen den Intermediär, soweit sie für das Sicherungsrecht notwendig ist, auf Grundlage einer allgemeinen Rechtsscheinshaftung des Intermediärs als entstanden ansieht. Der Anspruch würde am insolvenzrechtlichen Schutz durch die Deckungsmasse teilhaben (und so, korrespondierend zu den obigen Überlegungen, das Insolvenzrisiko der übrigen Kontoinhaber, die artgleiche Wertpapiere halten, erhöhen). Die Haftung des Intermediärs ist gerechtfertigt, weil dieser durch die Gutschrift eines noch nicht bestehenden Anspruchs und seine Mitwirkung bei der Bestellung des Sicherungsrechts eine Grundlage für das Vertrauen des Sicherungsnehmers schafft. Der Intermediär kann sich vor dieser Vertrauenshaftung schützen, indem er die aufschiebende Bedingung im Zusammenhang mit der Gutschrift deutlich macht. Diese Überlegungen zeigen, dass der Vertrauensschutz, den Art. 18 Abs. 2 der Konvention gewährleisten will, letztlich zu Lasten der übrigen Kontoinhaber geht, die artgleiche Effekten über den betreffenden Intermediär halten. Dieser Schutz ist jedoch mit Mitteln des gutgläubigen Erwerbs i.S.d. §§ 932 ff. BGB kaum erreichbar. Da auf Grundlage von sachenrechtlichen Systemen ein dingliches Recht aber nur eingeräumt werden kann, wenn eine andere Person ein entsprechendes Recht verliert, kann ein Erwerberschutz nach Art. 18 Abs. 2 der Konvention nur durch gutgläubigen Erwerb gewährleistet werden. Sachenrechtliche Systeme dürften deswegen erhebliche Probleme haben, die Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 zu implementieren. In solchen Systemen ist es notwendig, dass eine Bedingung hinsichtlich einer Buchung auch gegenüber Dritten durchgesetzt werden kann.70 Für schuldrechtliche Verwahrsysteme stellen sich demgegenüber jedenfalls aus dogmatischer Sicht weniger Probleme. 69

Vgl. auch die Stellungnahme Deutschlands, UNIDROIT, Study LXXVIII – Doc. 21, S. 2. Than, Unif. L. Rev. 2005, 269; alternativ wäre in solchen Systemen lediglich denkbar, den Intermediär zu verpflichten, Wertpapiere ohne aufschiebende Bedingung gutzuschreiben und sich die zur Deckung erforderlichen Werte zwischenzeitlich über ein Leihgeschäft zu beschaffen, vgl. UNIDROIT, Study LXXVIII – Doc. 8, S. 25 f. 70

II. Die Genfer Wertpapierkonvention 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Zwei Erwägungen lassen dieses Problem als nicht besonders gravierend erscheinen: Zum einen sind nur solche Bestellungen von Sicherungsrechten geschützt, bei denen Intermediäre durch Umbuchung, Eintragung eines Pfändungsvermerks oder eine dreiseitige Vereinbarung mitwirken müssen. Intermediäre können und müssen dann auf eventuell fehlende Wirksamkeitsvoraussetzung hinweisen. Zum anderen erlaubt es Art. 18 Abs. 5 der Konvention, dass in den Regeln der Abwicklungssysteme und den Kontovereinbarungen von Abs. 2 abweichende Regelungen eingeführt werden können, soweit das nicht-harmonisierte nationale Recht dies zulässt. Letztlich wird die Vertrauensschutzregelung des Art. 18 Abs. 2 damit unter den Vorbehalt der Anerkennung durch das jeweilige nationale Recht gestellt. Auch diese Vorschrift ist damit auf ein programmatisches Ziel reduziert, das an schuldrechtlichen Verwahrsystemen orientiert ist und nicht zwingend umgesetzt werden muss. c) Integrität des intermediären Verwahrsystems Das vierte Kapitel der Konvention regelt unter dem Titel „Integrität des intermediären Verwahrsystems“ eine Reihe nicht unbedingt zusammenhängender Fragen, die die Zwangsvollstreckung in intermediated securities, Bestandserhaltungspflichten des Intermediärs, Folgen der Insolvenz eines Intermediärs sowie die Beziehung zwischen Anleger und Emittent betreffen. aa) Verbot des upper-tier attachment Art. 22 der Konvention betrifft das so genannte upper-tier attachment. Er stellt sicher, dass ein zwangsvollstreckungsrechtlicher Zugriff durch Gläubiger des Kontoinhabers auf dessen Werte nur auf Ebene des maßgeblichen Intermediärs und nicht auf höheren Verwahrstufen möglich ist. Das Problem des upper-tier attachment besteht an sich nur bei dinglichen Verwahrsystemen, da nur hier Rechte der Anleger durch die Verwahrkette hindurch bestehen. Zumeist ist aber auch hier ein Zugriff auf höheren Verwahrstufen aus praktischen Gründen ausgeschlossen. Erreicht ein Gläubiger eines Anlegers gleichwohl die Pfändung eines Depotkontos, das auf höherer Verwahrstufe geführt wird, so sind von dieser Pfändung nicht nur die Rechte eines einzelnen Anlegers betroffen, sondern die Rechte aller Anleger, die über dieses Depotkonto an dem betreffenden Wertpapiersammelbeständen beteiligt sind.71 Dies kann zum Stillstand der Tätigkeit des Verwahrers führen und systemische Risiken hervorrufen.72 Bei schuldrechtlichen Verwahrsystemen ist das Risiko des upper-tier attachment mangels eigener Rechte des Kontoinhabers auf höheren Verwahrstufen von vornherein geringer. Im Hinblick auf Aussonderungs- oder Vorzugsrechte, die bei Rechtspositionen sui generis häufig als Eigentumsinteressen bezeichnet werden, ist jedoch auch hier eine Klarstellung wünschenswert. Für Staaten mit so genannten transparenten 71 72

Einsele, Unif. L. Rev. 2004, 48; Saager, Die Bank 2005, 24. Kronke, WM 2010, 1629.

430 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

Systemen, in denen die Rechte der Anleger auch auf höheren Verwahrstufen ersichtlich sind, besteht nach Art. 22 Abs. 3 im Übrigen die Möglichkeit, das upper-tier attachment bei Zeichnung der Konvention ausdrücklich für zulässig zu erklären.73 Für das deutsche Depotrecht besteht insoweit kein zwingender Anpassungsbedarf, da Miteigentumsanteile an Wertpapiersammelbeständen gemäß §§ 857 Abs. 1, 828 ff. ZPO beim maßgeblichen Intermediär zu pfänden sind.74 bb) Bestandserhaltungspflicht des Intermediärs Gemäß Art. 23 der Konvention darf der Intermediär keinen Anweisungen anderer Personen als dem Kontoinhaber folgen. Dieser Grundsatz ist jedoch stark aufgeweicht. Dritte Personen können wirksame Instruktionen geben, wenn dies mit dem Kontoinhaber vereinbart ist, der Dritte ein Sicherungsnehmer ist, die Instruktion von einem zuständigen Gericht oder einer anderen zuständigen staatlichen Stelle abgegeben wird oder eine andere anwendbare Norm des nicht harmonisierten nationalen Rechts eine solche Instruktion zulässt. Nach Art. 24 Abs. 1 der Konvention muss der Intermediär einen Bestand an Wertpapieren einer Art vorhalten, der im Umfang den seinen Kunden gutgeschriebenen Werten entspricht. Er kann die Werte im Eigenbesitz haben, in Form von intermediated securities durch einen anderen Intermediär halten oder irgendeine andere geeignete Methode wählen. Im Falle einer Unterdeckung ist er grundsätzlich verpflichtet, den Fehlbestand in einem vom nationalen Recht vorgegebenen Zeitraum auszugleichen. Jedoch überlässt Art. 24 Abs. 4 der Konvention die Anforderungen an einen Intermediär zur Erfüllung der Bestandserhaltungspflicht und die Folgen eines Fehlbestandes letztlich wiederum dem nicht harmonisierten nationalen Recht.75 Gemäß Art. 25 der Konvention ist der Bestand an Werten, die ein Intermediär hält, grundsätzlich insoweit den Gutschriften zugunsten seiner Kontoinhabern zugeordnet (allocated), wie es zur Erfüllung der Bestandserhaltungspflicht des Art. 24 Abs. 1 (a) nötig ist. Die Werte zählen in diesem Umfang nicht zum Vermögen des Intermediärs und sind dem Zugriff durch dessen Gläubiger entzogen. Die Vermögenszuordnung dient vor allem dem Insolvenzschutz der Anleger. Die Art und Weise, wie diese Vermögenszuordnung rechtlich bewerkstelligt wird, bleibt den Signatarstaaten überlassen. Sie kann durch eine miteigentumsrechtliche Stellung des Kontoinhabers oder durch eine treuhandrechtliche Konstruktion erreicht werden oder schlicht gesetzlich angeordnet sein. Um die Zuordnung sicherzustellen, können die nationalen Rechtsordnungen nach Abs. 4 Regelungen vorsehen, die Intermediäre verpflichten, Kundenwerte getrennt von eigenen Werten und gegebenenfalls auch nach Kunden oder Kategorien von Kunden getrennt zu halten. Die Trennung der Eigenwerte des Inter-

73 74 75

Vgl. dazu UNIDROIT, Study LXXVIII – Doc. 88, S. 15 ff. Vgl. oben C.II.4.aa). Kritisch hierzu Pöch, in: GS Gruson, S. 315 f.

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mediärs von Kundenwerten ist sinnvoll, um eine Pfändung der Eigenwerte des Intermediärs zu ermöglichen. cc) Folgen der Insolvenz des Intermediärs Wie aus der Präambel deutlich wird, will die Konvention das nationale Insolvenzrecht nicht vereinheitlichen oder anderweitig beeinflussen, soweit dies nicht erforderlich ist, um die Wirksamkeit der unter der Konvention gewährten Rechte zu gewährleisten.76 Für den Fall der Insolvenz des Intermediärs stellt Art. 21 Abs. 1 zum Schutz der Anleger deshalb lediglich klar, dass die nach der Konvention wirksam erworbenen Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren in der Insolvenz des Intermediärs Bestand haben. Fragen der Insolvenzanfechtung oder hinsichtlich von Verwertungsrechten an Sicherheiten, die sich unter der Kontrolle des Insolvenzverwalters befinden, unterliegen nach Abs. 2 jedoch grundsätzlich dem anwendbaren Insolvenzrecht. Art. 26 der Konvention behandelt die Verlustverteilung, wenn die vom Intermediär gehaltenen Werte bei dessen Insolvenz hinter den (wirksamen) Gutschriften zugunsten seiner Kunden zurückbleiben. Die Vorschrift sieht grundsätzlich eine anteilsmäßige Verlusttragung aller Kontoinhaber vor, die von der Unterdeckung betroffen sind. Der Verlust kann jedoch einzelnen Kontoinhabern zugeordnet werden, wenn der Intermediär die Deckungsmasse nach einzelnen Kunden getrennt hält. Hält der Intermediär Kundenwerte getrennt von eigenen Werten, können Signatarstaaten gemäß Art. 25 Abs. 5 erklären, dass eigene Werte des Intermediärs nicht zur Deckung der Gutschriften zugunsten der Kunden herangezogen werden müssen. Für das deutsche Depotrecht und andere sachenrechtlich strukturierte Systeme hat die Regelung zunächst keine große Bedeutung. Denn aufgrund der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbes kann es in diesen Systemen praktisch nicht zur Unterdeckung wirksamer Eigentumsrechte kommen. Mit dem Verlust der Buchungsrechte beim Intermediär kommt es auch zum Erlöschen der Rechte der Anleger.77 Angesichts der Anordnung zu Verlustverteilung kann jedoch die zum deutschen Depotrecht herrschende Ansicht nicht aufrechterhalten werden, wonach der Intermediär bei einer eigenmächtigen Veräußerung von Kundenwerten allein durch die willkürliche Belastung eines Kundenkontos den Verlust diesem Kunden zuweisen kann.78 Vielmehr ist eine unberechtigte Lastschrift durch den Intermediär unwirksam (vgl. auch Art. 23 Abs. 1 der Konvention). Der Verlust ist anteilig von allen mitberechtigten Depotkunden dieses Intermediärs zu tragen. Ähnlich wie die Finalitätsrichtlinie sieht der Konventionsentwurf in Art. 27 Regelungen zur Gewährleistung der Wirksamkeit von Wertpapier- und Zahlungsbuchun76

Zur Entwicklungsgeschichte der Konventionsregeln betreffend die Insolvenz des Intermediärs vgl. Keijser/ParACHTUNGREmentier, BKR 2010, 155 f. 77 Einsele, Unif. L. Rev. 2004, 47. 78 Zur Verlusttragung beim gutgläubigen Erwerb im deutschen Depotrecht vgl. oben C.II.2.c)cc).

432 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

gen sowie Buchungsanweisungen in der Insolvenz eines Teilnehmers eines Wertpapierabwicklungssystems vor. Das anwendbare Insolvenzrecht darf Buchungen bzw. Buchungsanweisungen nicht für unwirksam erklären, wenn sie nach den Regeln des Systems wirksam geworden sind. dd) Verhältnis zum Emittenten Der Konventionsentwurf regelt ferner einige Wechselwirkungen zwischen der intermediären Wertpapierverwahrung und dem nationalen Gesellschaftsrecht. Gemäß Art. 29 der Konvention muss das nationale Recht die intermediäre Verwahrung und Verwaltung von Kapitalmarktwertpapieren zulassen und insbesondere sicherstellen, dass Intermediäre die verbrieften Stimmrechte für ihre einzelnen Kunden unterschiedlich ausüben können. Ferner dürfen gemäß Art. 30 Aufrechnungsmöglichkeiten, die einem Anleger gegenüber einem Emittenten (insbesondere von Schuldverschreibungen) zustehen, nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Anleger seine Werte über einen Intermediär hält.79 d) Besondere Regelungen für Sicherheiten an intermediated securities Im fünften Kapitel der Konvention werden Vorgaben zur Behandlung von Sicherungsrechten an intermediated securities gemacht, die vollständig den Regelungen der Finanzsicherheitenrichtlinie entsprechen. Sie betreffen die Verwertung von Sicherheiten durch freihändigen Verkauf oder Aneignung sowie die Anerkennung von Vereinbarungen über das Liquidationsnetting (Art. 33), das Recht, über die Sicherheiten weiterzuverfügen (Art. 34), sowie Regelungen über Nachschuss- und Austauschsicherheiten (Art. 36). Anders als die Finanzsicherheitenrichtlinie sind die Regelungen des Konventionsentwurfs in ihrem Anwendungsbereich nicht auf bestimmte Sicherungsnehmer oder Transaktionen mit einem bestimmten Sicherungszweck beschränkt. Jedoch können die Signatarstaaten die gesamten Regelungen des fünften Kapitels gemäß Art. 38 ausklammern oder mit Einschränkungen umsetzen.

III. Die Arbeiten der Legal Certainty Group 1. Hintergrund und Zielsetzung der Gruppe Die Legal Certainty Group ist eine Sachverständigengruppe, die von der Europäischen Kommission im Jahr 2005 eingesetzt wurde, um die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren zu untersuchen und gegebenenfalls Vorschläge für ein legis79 In manchen Verwahrsystemen führt die intermediäre Wertpapierverwahrung zu einem Wegfall des Gegenseitigkeitserfordernisses, vgl. dazu Paech, WM 2005, 1108.

III. Die Arbeiten der Legal Certainty Group 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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latives Tätigwerden der Gemeinschaft zu erarbeiten.80 Hintergrund der Beauftragung dieser Arbeitsgruppe waren die Berichte der Giovannini Group, die neben operationellen und steuerrechtlichen Barrieren auch verschiedene rechtliche Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Abwicklung von Wertpapiergeschäften aufgezeigt haben.81 Insgesamt kritisieren die Berichte das Fehlen eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens für intermediär verwahrte Wertpapiere. Die Giovannini Group betrachtete insbesondere die unterschiedliche Rechtsnatur der Buchungsrechte, die Anleger durch eine Gutschrift von Wertpapieren auf ihrem Depotkonto nach den einzelnen Rechtsordnungen erhalten, als hinderlich für den grenzüberschreitenden Wertpapierverkehr. Desweiteren hob die Giovannini Group die unklare Rechtssituation beim bilateralen Netting im Rahmen von Finanztransaktionen hervor, sowie Unsicherheiten bei der Frage, welchem Recht ein Buchungsrecht unterliegt und nach welchem Recht es übertragen wird.82 Von diesen drei grundsätzlichen rechtlichen Barrieren umfasst das Mandat der Legal Certainty Group ausschließlich die Frage des materiellrechtlichen Rechtsrahmens für Buchungsrechte. Da die meisten Unsicherheiten im Zusammenhang mit Nettingvereinbarungen von der Finanzsicherheitenrichtlinie beseitigt wurden, geht die Gruppe darauf nicht mehr ein. Auch die Fragen des anwendbaren Rechts bleiben ausgeklammert. Man ist sich zwar bewusst, dass der Rechtszersplitterung im gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsrecht und die unklare Lage bei der Umsetzung des Haager Wertpapierübereinkommens insgesamt nicht hingenommen werden können, sieht jedoch zunächst die Kommission in der Pflicht, über das weitere Vorgehen zu entscheiden.83 Das Mandat der Legal Certainty Group umfasst ergänzend Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Wertpapierverwaltung durch den Zwischenverwahrer (corporate action processing)84 sowie rechtliche Beschränkungen hinsichtlich des Verwahrungsortes von Wertpapieren.85

2. Empfehlungen der Arbeitsgruppe Die Gruppe hat eine umfassende Untersuchung nationaler Rechtsordnungen durchgeführt und zuletzt einen Bericht herausgegeben, in dem sie Empfehlungen zur Harmonisierung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung und -übertragung der Mitgliedstaaten macht.86 Diese Empfehlungen werden die Grundlage für das weitere Vorgehen der Kommission bilden. Sie sind als Vorschläge und Erwägungen formuliert, die bislang weitaus weniger konkret sind als die Genfer Wertpapierkon80 81 82 83 84 85 86

Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/05/123 v. 1.2.2005. Vgl. oben A.I.2.b). Giovannini Group, 2001 Report, S. 55 ff.; dies., 2003 Report, S. 12 ff. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 19 ff. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 77 ff. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 93 ff. Legal Certainty Group, Second Advice.

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E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

vention. Bestimmte Auswirkungen auf das nationale Recht sind deswegen nur schwer abzusehen. Die Europäische Kommission arbeitet auf Grundlage der Empfehlungen derzeit einen Richtlinienvorschlag aus.87 a) Gemeinschaftsweiter Rechtsrahmen für intermediär verwahrte Wertpapiere Grundsätzlich empfiehlt die Arbeitsgruppe ein gesetzgeberisches Tätigwerden der Gemeinschaft, um die Rechtswirkungen von Buchungen auf Wertpapierkonten in Bezug auf Erwerb, Veräußerung und Verpfändung von Wertpapieren gemeinschaftsweit einheitlich zu regeln.88 Sie begründet dies damit, dass die gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten zum Teil nicht ausreichend an die modernen Gegebenheiten des Wertpapierverkehrs angepasst sind oder unterschiedlich darauf reagieren. Sowohl inhaltlich unzureichende wie auch heterogene Regelungen behindern grenzüberschreitende Transaktionen und führen dazu, dass die grenzüberschreitende Verwahrung von Wertpapieren rechtlich zu einem hochkomplexen Unterfangen wird. Der bislang bestehende europäische Rechtsrahmen erfasst die Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren nur sehr lückenhaft. Beispielsweise regelt die Finalitätsrichtlinie zwar einige Fragen hinsichtlich der Finalität von Buchungsanweisungen in Wertpapierliefer- und Abwicklungssystemen; sie betrifft aber nur die Wirksamkeit von Anweisungen in der Insolvenz eines Teilnehmers und ist zudem in ihrem persönlichen Anwendungsbereich stark beschränkt. Die Finanzsicherheitenrichtlinie ACHTUNGREbezieht sich auf die Anerkennung von Sicherungsrechten an Wertpapieren zwischen bestimmten Parteien, regelt aber nicht die Grundfrage, wie Buchungsrechte rechtswirksam erworben oder veräußert werden können. Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFiD) enthält allgemeine Regelungen über die Gewährleistung der Sicherheit der Kundenwerte durch Depotbanken, macht aber keine konkreten Vorgaben hinsichtlich des Pflichtenkreises des Intermediärs.89 Eine mögliche gemeinschaftsweite Regelung soll sich in diesen Rechtsrahmen einpassen und die Rechtsgrundlagen für den buchungsmäßigen Effektenverkehr generell modernisieren und harmonisieren.90 Der gemeinschaftsweite Rechtsrahmen soll in weitestgehender Übereinstimmung mit der Genfer Wertpapierkonvention stehen. Der Regelungsbereich der beiden Projekte überschneidet sich zu großen Teilen.91 Jedoch ist von einem höheren Harmonisierungspotential im Gemeinschaftsrecht auszugehen, da hier eine kleinere Anzahl von Staaten involviert ist und institutionalisierte Mechanismen zur Schaffung und

87 88 89 90 91

Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/09/599 v. 20.4.2009. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 22. Art. 13 Abs. 7 RL 2004/39/EG. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 23. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 26.

III. Die Arbeiten der Legal Certainty Group 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Durchsetzung einheitlicher Regelungen bestehen.92 Die Genfer Wertpapierkonvention hätte aber im Falle ihrer Umsetzung durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten als völkerrechtlicher Vertrag Vorrang vor dem europäischen Rechtsrahmen, so dass das Gemeinschaftsrecht damit kompatibel sein muss. Isoliertes EG-Recht, das weltweit nicht kompatibel ist, wäre nicht zielführend. Die EU war auch bei den Verhandlungen bei UNIDROIT durch die Kommission eingebunden, da die ACHTUNGRERegelungsgegenstände ähnlich wie beim Haager Wertpapierübereinkommen zum Teil in die Kompetenz der Gemeinschaft und zum Teil in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen. .

b) Begriff der book-entry securities Im Zentrum einer zukünftigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung soll die Kontobeziehung zwischen Anleger und seiner kontoführenden Bank stehen.93 Was genau die konstituierenden Merkmale eines Wertpapierkontos sein sollen und wer als Kontoführer in Betracht kommt, soll den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Der Begriff der Wertpapiere, die auf solchen Konten verbucht werden, soll nach dem angestrebten gemeinschaftlichen Rechtsrahmen ähnlich wie in der Genfer Wertpapierkonvention sehr weit sein. Umfasst sollen alle Finanzinstrumente außer Bargeld sein, insbesondere Aktien, Anleihen und andere Schuldverschreibungen, Hinterlegungsscheine sowie möglicherweise auch Derivate. Einziges Kriterium der Einbeziehung ist, dass die Instrumente durch Buchungen auf einem Konto erworben und veräußert werden können.94 Ähnlich wie die Genfer Wertpapierkonvention sehen auch die Empfehlungen der Legal Certainty Group vor, dass die Rechte, die ein Kontoinhaber aus der Gutschrift von Wertpapieren auf seinem Wertpapierkonto erhält, einen bestimmten gesetzlichen Mindestinhalt haben sollen.95 Sichergestellt sein muss das Recht des Kontoinhabers, die verbrieften Rechte zu erhalten und auszuüben, soweit sie ihm nach nationalem Recht zustehen. Dies muss gerade bei grenzüberschreitenden Buchungssituationen sichergestellt sein. Ferner muss der Kontoinhaber, auch wenn er nur Zwischenverwahrer ist, das Recht haben, die Werte durch Anweisung an seine Bank zu veräußern oder zu verpfänden. Schließlich muss er berechtigt sein, die Werte über einen anderen Intermediär zu halten oder sich Einzelurkunden ausliefern zu lassen, bzw. sich selbst im Register des Emittenten eintragen zu lassen, soweit dies nach nationalem Recht zulässig ist. Diese Rechte können beschränkt werden, wenn der Kontoinhaber die Werte nur als Sicherheit hält. Buchungsrechte, die diese Anforderungen erfüllen, werden von der Arbeitsgruppe mit dem neutralen Begriff book-entry securities be-

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Haentjens, S. 252. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 29 ff. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 30. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 36 ff.

436 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

legt.96 Der Begriff entspricht damit dem der intermediated securities in der Genfer Wertpapierkonvention. Entscheidend ist, dass die Rechtsnatur einer Buchungsgutschrift auch nach den Vorstellungen der Legal Certainty Group den Mitgliedstaaten überlassen bleiben soll.97 Die europäischen Vorgaben sollen neutral ausgestaltet werden und es in die Entscheidung der Mitgliedstaaten stellen, auf welche rechtskonzeptionelle Weise dem Anleger die genannten Rechte vermittelt werden. Nach Auffassung der Arbeitsgruppe komme es für den Anleger vor allem auf den wirtschaftlichen Gehalt einer Buchungsgutschrift an. Entscheidend seien die Teilhaberechte an der Gesellschaft, der Erhalt von Dividenden und Zinsen, geeignete Veräußerungsformen, sowie die Möglichkeit des Sicherungsnehmers, die Werte schnell und effektiv zu verwerten. Wie dies konzeptionell erreicht werde und insbesondere welche Rechtsnatur das BuACHTUNGREchungsrecht habe, sei für den Anleger nicht entscheidend. Solange die genannten Mindestrechte vermittelt würden, sei es gleichgültig, ob das Recht als Eigentumsrecht, als Treuhandanspruch oder als Rechtsposition sui generis ausgestaltet sei.98 Die von manchen für erforderlich gehaltene vollumfängliche Erarbeitung eines eigenständigen europäischen Rechtskonzepts für Buchungsrechte an Wertpapieren würde zu lange dauern, da dabei die nationalen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müssten. Dies sei allenfalls für die weitere Zukunft überlegenswert, jetzt jedoch nicht angezeigt. c) Erwerb und Veräußerung von book-entry securities und Bestellung von Sicherungsrechten Nach dem künftigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsrahmen sollen bestimmte harmonisierte Methoden anerkannt sein, nach denen book-entry securities erworben und veräußert werden und nach denen Sicherungsrechte daran bestellt werden können. Genannt werden Gut- und Lastschriften auf einem Wertpapierkonto, die Eintragung von bestimmten (Sperr-)Vermerken (earmarking) sowie der Abschluss von Sicherungsvereinbarungen (control agreement) zwischen dem Kontoinhaber und einem Dritten oder dem Kontoführer.99 Auch bei Sicherungsvereinbarungen zwischen dem Kontoinhaber und einem Dritten muss der Kontoführer mitbeteiligt sein, sei es, dass er in die Sicherungsabrede einbezogen wird oder dass sie ihm zumindest zur Kenntnis gebracht wird.100 Diese Verfügungsmethoden sollen aber nur abstrakt beschrieben werden, ohne dass ihnen eine konkrete rechtliche Wirkung zugeordnet wird. Die Wirkungen von Buchungen oder anderen Einträgen auf einem Wertpapierkonto können in den einzelnen Staaten entsprechend der unterschiedlichen 96

Legal Certainty Group, Second Advice, S. 41. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 36. 98 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 37. 99 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 42 ff. 100 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 44. 97

III. Die Arbeiten der Legal Certainty Group 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

437

Rechtsnatur der Buchungsrechte unterschiedlich ausgestaltet sein. Dies gilt insbesondere für die verschiedenen Arten von Sicherungsrechten. Die rechtliche Ausgestaltung soll weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Die nationalen Rechtsordnungen müssen zwar nicht alle der genannten Verfügungs- und Bestellungsmethoden vorsehen, müssen aber Rechte, die nach ausländischen Rechtsordnungen danach erworben wurden, anerkennen. Werden Rechte nach anderen, nicht harmonisiere Verfügungsmethoden übertragen, sollen diese wie nach der Genfer Wertpapierkonvention generell nachrangig gegenüber Rechten sein, die durch eine der genannten Verfügungsmethoden bestellt werden.101 Auch die Legal Certainty Group möchte für den drittwirksamen Erwerb von bookentry securities grundsätzlich eine Buchungsgutschrift oder eine der anderen Übertragungsformen genügen lassen und den Rechtserwerb nicht an weitere Voraussetzungen knüpfen.102 Die Gutschrift zugunsten des Kontoinhabers soll im Zentrum des Rechtserwerbs stehen. Jedoch wird auch das praktische Bedürfnis nach Bedingungen anerkannt, an die die Wirksamkeit einer Buchung geknüpft sein kann, beispielsweise wenn Effekten bereits vor dem Abwicklungstag gutgeschrieben werden. Die Gruppe erwägt, ob eine solche aufschiebende oder auflösende Bedingung durch eine besondere Kennzeichnung auf dem Depotauszug kenntlich zu machen ist, und ob eine nicht kenntlich gemachte Bedingung Dritten möglicherweise nicht entgegengehalten werden kann. Einzelheiten einer zukünftigen Regelung sind jedoch noch offen. d) Gutgläubiger Erwerb Buchungen sollen aufhebbar (reversable) sein, wenn der Kontoinhaber zustimmt, die Buchung auf einem Irrtum des Kontoführers beruht oder keine wirksame Anweisung vorlag. Offen lässt die Arbeitsgruppe die Wirkungen einer solchen Aufhebung. Möglich wäre, dass eine aufhebbare Buchung von Anfang an keine Wirkung entfaltet und den eigentlichen Rechtszustand damit falsch verlautbart. Möglich wäre aber auch, dass eine aufhebbare Buchung zunächst alle Wirkungen einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Wertpapierkonto entfaltet (und im Fall einer Gutschrift damit zu einer Unterdeckung führt), die dann ex tunc oder auch nur ex nunc entfallen.103 Aus Gründen des Schutzes von Erwerbern, die zwischenzeitlich gutgläubig Rechte an aufhebbaren book-entry securities erwerben, neigt die Arbeitsgruppe der letzten Variante zu. Dies entspricht dem Grundansatz, die Gutschrift auf dem Wertpapierkonto des Anlegers zum zentralen Aspekt des Rechtserwerbs zu machen. Bereits zur Genfer Wertpapierkonvention wurde aufgezeigt, dass Vertrauensschutz in eine Buchung, die nur auf dem Irrtum des Kontoführers beruht, bei sachenrechtlich strukturierten Systemen kaum zu erreichen ist.104 Durch eine solche Buchung erlangt 101 102 103 104

Legal Certainty Group, Second Advice, S. 46. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 49 ff. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 53 f. Vgl. oben E.II.3.b).

438 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

der Kontoinhaber weder Besitz noch Eigentum am Sammelbestand, so dass keine Grundlage für den Vertrauensschutz zugunsten von Dritterwerbern wie beispielsweise Sicherungsnehmern besteht. Diese Überlegungen gelten hier entsprechend. Die Empfehlungen sehen den Schutz eines redlichen Kontoinhabers vor, dem book-entry securities gutgeschrieben werden, auch wenn die Transaktion durch die Verfügung eines Nichtberechtigten eingeleitet wurde. Die Arbeitsgruppe steht den traditionellen Regeln zum gutgläubigen Erwerb jedoch äußerst skeptisch gegenüber.105 Denn der dazu notwendige Besitz an Wertpapieren lasse sich im Rahmen der intermediären Wertpapierverwahrung nicht mehr adäquat konstruieren. Auch wenn der Besitz rechtlich konstruierbar sei oder fingert werde, könne der Erwerber, der allein seine Gutschrift sieht, nicht erkennen, wo die Werte herkommen und ob ihm tatsächlich Besitz vermittelt werde oder nicht. Beim gutgläubigen Erwerb führe der Rechtserwerb auf Seiten des Erwerbers zwangsläufig zu einem Rechtsverlust auf Seiten des Veräußerers, da Eigentumsrechte an Sachen nicht vervielfältigt werden können. Dies widerspreche aber der Realität der intermediären Wertpapierverwahrung, bei der Buchungen (nicht aber die zugrunde liegenden Wertpapiere) durchaus vervielfältigbar sind.106 Die Arbeitsgruppe möchte den Schutz des redlichen Erwerbers deswegen allein von seiner Gutgläubigkeit hinsichtlich der Richtigkeit der Gutschrift auf seinem Wertpapierkonto abhängig machen und beispielsweise nicht nach korrespondierenden Belastungsbuchungen auf höherer Verwahrstufe fragen.107 Sie nimmt dazu in Kauf, dass es für eine gewisse Zeit zu einer Unterdeckung durch den gutschreibenden Intermediär kommt, die dieser später ausgleichen muss. Nach Ansicht der Arbeitsgruppe soll auch die Zurechnung des Wissens des maßgeblichen Intermediärs oder eines höherstufigen Intermediärs ausgeschlossen sein, da der Erwerber dies ebenfalls nicht kontrollieren könne.108 Es liegt auf der Hand, dass ein solches Verkehrsschutzkonzept auf sachenrechtlicher Grundlage nicht durchführbar ist. Hier kann Verkehrsschutz eben nur auf Grundlage des traditionellen gutgläubigen Erwerbs gewährleistet werden. Soll hier dem gutgläubigen Erwerber ein Miteigentumsrecht eingeräumt werden, so muss dieses zwangsläufig an anderer Stelle verloren werden. Eine auch nur kurzzeitige Unterdeckung wirksamer Buchungsgutschriften ist denklogisch ausgeschlossen. Am Beispiel des deutschen Rechts wurde deutlich, dass es für den Erwerb vom Nichtberechtigten nicht nur auf die Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers ankommt, sondern dass insbesondere eine Umbuchung der Werte durch Clearstream erforderlich ist. Das Ziel der Arbeitsgruppe, das von ihr vorgesehene Verkehrsschutzkonzept funktional und neutral zu formulieren und dabei keinen Einfluss auf die traditionellen Rechtskonzepte der Mitgliedstaaten zu nehmen, kann deshalb nicht erreicht werden. Dieses 105 Dies ist jedoch innerhalb der Arbeitsgruppe sehr umstritten, vgl. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 58. 106 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 58. 107 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 60. 108 Legal Certainty Group, Second Advice, S. 62.

IV. Vergleichende Bewertung der beiden Projekte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Schutzkonzept würde sachenrechtlich strukturierte Verwahrsysteme vor erhebliche Probleme stellen, so dass das letzte Wort diesbezüglich noch nicht gesprochen sein dürfte. e) Integrität des intermediären Verwahrungssystems Eng in Zusammenhang damit stehen die Erwägungen der Arbeitsgruppe, die unter dem Titel „integrity of the issue“ geführt werden. Da es nach dem obigen Konzept zum Verkehrsschutz dazu kommen kann, dass eine größere Zahl wirksamer bookentry securities besteht als zugrunde liegende Wertpapiere existieren, ist eine Regelung nötig, die den Depotführer verpflichtet, einen ausreichenden Deckungsbestand für die von ihm erteilten Gutschriften vorzuhalten. Die Arbeitsgruppe erkennt an dieser Stelle an, dass es bei sachenrechtlichen Verwahrsystemen bereits konzeptionell nicht zu einer Unterdeckung kommen kann. Für den Fall einer Unterdeckung wird vorgeschlagen, fehlerhafte und irrtümliche Gutschriften soweit wie möglich aufzuheben, den Depotführer zum Nachkauf entsprechender Werte auf dem freien Markt zu verpflichten und Eigenwerte des Depotführers zur Deckung heranzuziehen. Für den Fall der Insolvenz des Depotführers werden verschiedene Mechanismen zur Verteilung von Verlusten diskutiert, wobei Einzelheiten noch offen sind. Ein einzelner Kontoinhaber soll das Ausfallrisiko jedoch grundsätzlich nicht deswegen tragen, weil seinem Depotkonto zufällig im Zusammenhang mit der Entstehung der Unterdeckung Werte gutgeschrieben oder abgebucht wurden und er deswegen näher an der Ursache der Unterdeckung steht.109 Schließlich soll in einer europäischen Rechtssetzungsmaßnahme der Ausschluss des upper-tier attachment klargestellt werden, gleich ob eine solche Regelung wie bei schuldrechtlichen Verwahrsystemen lediglich klarstellenden Charakter habe, oder wie bei dinglichen Verwahrsystemen durchaus auch rechtliche Wirkungen entfalten könne.110

IV. Vergleichende Bewertung der beiden Projekte Grundsätzlich kann die Inangriffnahme der beiden Projekte nur begrüßt werden. Unabhängig von ihrem konkreten Harmonisierungserfolg haben die Arbeiten die Diskussion um die rechtlichen Grundlagen der grenzüberschreitenden Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren intensiviert und zahlreiche Erkenntnisse über einzelne nationale Ausgestaltungsformen hervorgebracht. Ob die Projekte Erfolg haben werden, ist schwer abzusehen. Die UNIDROIT-Konvention wurde zwar Ende 2009 verabschiedet, jedoch dürfte die Abschätzung der Anpassungserfordernisse in den einzelnen Rechtsordnung und ihre Umsetzung noch einig Zeit in Anspruch nehmen und tiefgehende Diskussionen hervorrufen. Hinsichtlich der Empfehlungen der Legal Certainty Group ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission die Er109 110

Legal Certainty Group, Second Advice, S. 70. Legal Certainty Group, Second Advice, S. 73 f.

440 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

wägungen in den Vorschlag einer Richtlinie über Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren überführen wird.111 Es wäre nahe liegend, dass der Vorschlag einer solchen Wertpapierrechtsrichtlinie auch die derzeit offene Frage des internationalen Wertpapierprivatrechts aufgreift. Da die Vorschläge der Arbeitsgruppe weitaus weniger konkret als die Genfer Wertpapierkonvention sind, können zu diesem Zeitpunkt auch nur grobe Umrisse der künftigen Maßnahmen der Gemeinschaft erahnt werden. Es ist zu erwarten, dass die Erarbeitung, Verabschiedung und Umsetzung der Richtlinie aufgrund der Komplexität und Kontroversität des Themas einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Genfer Wertpapierkonvention und die Arbeiten der Legal Certainty Group zeigen, dass eine Harmonisierung oder gar Vereinheitlichung des materiellen Rechts der Wertpapierverwahrung sowohl auf globaler als auch auf europäischer Ebene äußert schwierig ist. Grund dafür ist, dass die Regeln der Verwahrung und buchungsmäßigen Übertragung von Wertpapieren in vielen Rechtsordnungen eng mit allgemeinen Rechtsprinzipien verknüpft sind, die sich schwer international harmonisieren lassen. In vielen Rechtsordnungen sind dies die Regeln des Sachenrechts. Andere Rechtsordnungen wenden die Grundprinzipien des Treuhandrechts an oder sehen, wie beispielsweise das US-amerikanische Recht, spezielle Regelungswerke vor. Die einzelnen Rechtsgebiete sind bereits für sich genommen schwer zu harmonisieren. Die Staaten sind darüber hinaus nicht bereit, ihre konzeptionellen Grundlagen des Verwahrungsrechts aufzugeben, so dass es notwendig ist, die konzeptionelle Einordnung des Verwahrungsrechts als Sachenrecht, Treuhandrecht, Schuldrecht oder als eine eigenständige Konzeption weiterhin dem nationalen Recht zu überlassen. Man beschränkt sich darauf, die einzelnen Rechtskonzepte in ihren Wirkungen zu vereinheitlichen, ohne Vorgaben für das Grundkonzept als solches zu machen. Es erscheint jedoch als ein noch komplizierteres Unterfangen, Ergebnisse, die in einer Rechtsordnung auf Grundlage des Sachenrechts erzielt werden, mit Ergebnissen zu harmonisieren, die eine andere Rechtsordnung auf Grundlage des Treuhandrechts oder durch eigenständige Regelungskomplexe erreicht.112 Deutlich wurde dies bei beiden Projekten am Beispiel der Frage des Vertrauensschutzes, der einer fehlerhaften Buchung zukommen soll. Dieser ist auf Grundlage eines sachenrechtlichen Verwahrsystems schwer zu erreichen. Da die Staaten an der rechtlichen Grundkonzeption des nationalen Wertpapierverkehrs festhalten wollen, versuchen beide Projekte, in einer abstrakten, neutralen und funktionalen Weise Mindestvorgaben zu formulieren, die die einzelnen Rechtsordnungen im Einklang mit der jeweiligen rechtlichen Gesamtstruktur erfüllen müssen. Es wird jeweils versucht, Kernelemente von Anlegerrechten festzumachen, ohne in die Rechtsnatur der Buchungsrechte selbst einzugreifen. Der funktionale Ansatz mag aufgrund der Grenzen des derzeit vorhandenen Harmonisierungswillens der Staaten das Maximum an praktisch möglicher Harmonisierung darstellen. Er wirft jedoch 111 112

Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/08/1271 v. 22. 8. 2008. Vgl. auch Bertschinger, in: FS Kramer, S. 484.

IV. Vergleichende Bewertung der beiden Projekte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zahlreiche Probleme auf und setzt dem Harmonisierungserfolg damit auch Grenzen.113 Zum einen sind die abstrakten Formulierungen in beiden Projekten nicht sehr verständlich.114 Vielfach lassen die Formulierungen große Interpretationsspielräume. Bei den Empfehlungen der Legal Certainty Group ist dies noch verständlich, da sich der europäische Rechtssetzungsprozess noch in einem früheren Stadium befindet. Jedoch gilt diese Kritik auch der Genfer Wertpapierkonvention. Die abstrakten und vielfach auch vagen Formulierungen lassen den Anpassungsbedarf für das nationale Recht oft nicht eindeutig erkennen, so dass die homogene Umsetzung durch die nationalen Rechtsordnungen zu einer großen Herausforderung werden wird. Viele der Verständnisprobleme sind der abstrakten Formulierungsweise selbst geschuldet. Unklarheiten wurden mitunter jedoch wohl bewusst belassen, um die Lösung sehr umstrittener Fragen zu verschieben und so eine möglichst große Akzeptanz aus Sicht der nationalen Rechtsordnungen zu erreichen. Für das Ziel der Rechtsharmonisierung ist dies nicht förderlich. Es hat sich gezeigt, dass auch der Anpassungsbedarf aus Sicht des deutschen Rechts nicht klar abgeschätzt werden kann. Die Genfer Wertpapierkonvention überlässt zudem zahlreiche zentrale Fragen dem unvereinheitlichten nationalen Recht. Dies steht im Widerspruch zum Ziel der Harmonisierung der nationalen Rechtsordnung und reduziert die Konvention in zahlreichen Aspekten letztlich zu einem unverbindlichen Programm.115 Der funktionale Ansatz vermeidet eine klare Entscheidung zwischen Konzepten, bei denen die Anleger dingliche Rechte an den zugrundeliegenden Effektenurkunden innehaben, und Konzepten, die dem Anleger einen schuldrechtlichen, aber mit einem gewissen Insolvenzschutz ausgestatteten Anspruch gegen den maßgeblichen Intermediär gewähren. Die Entscheidung zugunsten eines grundsätzlichen Konzeptes soll bei beiden Projekten aufgrund der nationalen Interessen, an den jeweils eigenen Verwahrstrukturen festzuhalten, vermieden werden. Die Legal Certainty Group betont zudem, dass es für einen Anleger letztlich nicht relevant sei, welche Rechtsnatur sein Buchungsrecht habe, solange er die wirtschaftlichen Erträge erlange, die Werte übertragen und beleihen könne, keinen Zugriff auf die Werte auf höherer Verwahrstufe befürchten müsse und in der Insolvenz geschützt sei. Dem ist aus Anlegersicht zuzustimmen. Richtig ist auch, dass sich die genannten Wirkungen durch einen funktionalen Ansatz gut erreichen lassen, da sie von den in dieser Arbeit untersuchten Rechtskonzepten durchweg gewährleistet sind. Andererseits wurde in dieser Arbeit aber gerade die unterschiedliche Einordnung der Rechtsnatur von Buchungsrechten als Hauptursache für die Schwierigkeiten der grenzüberschreitenden Verbuchung von Effekten ausgemacht. So wurde dargestellt, dass Miteigentumsrechte an auslandsverwahrten Effektenurkunden etwa nach § 5 Abs. 4 DepotG im Inland nur dann verbucht werden können, wenn auch das ausländische Recht eine sachenrechtliche Verwahrstruktur vorsieht. Und selbst bei Verbuchungen zwischen sachenrechtlich strukturier113

So auch Thvenoz, Stan. J.L. Bus. & Fin. 445 (2008). Kritisch deshalb auch Pöch, in: GS Gruson, S. 319. 115 So auch Pöch, in: GS Gruson, S. 319, der das gesteckte Ziel der Konvention deshalb für nicht erreicht ansieht. 114

442 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

E. Harmonisierung des materiellen Rechts der Verwahrung von Wertpapieren

ten Verwahrsystemen stellen sich kollisionsrechtliche Schwierigkeiten, die weder durch das geltende Wertpapierkollisionsrecht noch durch das Haager Wertpapierübereinkommen adäquat gelöst werden. Diese Schwierigkeiten werden wegen des funktionalen Ansatzes weder von der Genfer Wertpapierkonvention noch durch eine auf den Empfehlungen der Legal Certainty Group basierende europäische Regelung beseitigt. Letztlich setzt die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren vor allem die Kompatibilität der Rechtsnatur der Buchungsrechte und damit die grundsätzliche Einheitlichkeit der übertragenen Rechtsgegenstände voraus. Im Übrigen wurden aber auch bei beiden Projekten Aspekte aufgezeigt, die zweifelhaft erscheinen lassen, ob das Ziel der Neutralität tatsächlich durchweg erreicht wird. Beide Projekte machen die Gutschrift auf dem Depotkonto des Rechtsinhabers zum zentralen Element für den Erwerb oder die Veräußerung von Rechten an intermediär verwahrten Wertpapieren. Nach beiden Projekten soll allein der Gutschrift auf dem Wertpapierkonto des Erwerbers eine gewisse Vertrauensschutzwirkung zugunsten des Erwerbers oder Dritten zukommen, selbst wenn die Gutschrift aufgrund eines Fehlers oder einer Pflichtverletzung des Kontoführers eingeräumt wurde. Es soll so weit wie möglich vermieden werden, dass Buchungen den wahren Rechtszustand falsch verlautbaren. Es wurde aufgezeigt, dass dieser Vertrauensschutz auf der Grundlage sachenrechtlicher Systeme schwierig zu erreichen ist. Denn ob ein Erwerber ein dingliches Recht an den sammelverwahrten Wertpapierurkunden erlangt oder nicht, hängt hier nicht nur von einer Gutschrift seiner Depotbank ab, sondern erfordert bereits konzeptionell eine Kette wirksamer Buchungsgutschriften. Sowohl die Genfer Wertpapierkonvention als auch die Empfehlungen der Legal Certainty Group dürften damit an dieser Stelle mehr an schuldrechtlichen als an sachenrechtlichen Systemen orientiert sein. Ob sie tatsächlich zur Aufgabe sachenrechtlicher Systeme zwingen, bleibt noch zu klären. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Projekte durchaus einen Beitrag zur Modernisierung defizitärer nationaler Wertpapierverwahr- und -übertragungsstrukturen leisten und die interne Schlüssigkeit nationaler Rechtsordnungen verbessern können. Dies gilt insbesondere für die Genfer Wertpapierkonvention, die aufgrund ihres globalen Geltungsansatzes auch von Staaten ratifiziert werden sollte, deren Wertpapierrecht noch nicht so weit entwickelt ist wie das bedeutender Kapitalmärkte. Die globale Implementierung der Konvention würde sicherstellen, dass die Rechte der Anleger im Rahmen der intermediären Wertpapierverwahrung überall gleichen Mindeststandards genügen. Anleger können sich damit sicher sein, dass sie in den Genuss der verbrieften Rechte gelangen, über die Werte verfügen können und in der Insolvenz des Intermediärs grundsätzlich geschützt sind. Entwickelte Rechtsordnungen wie das deutsche Depotrecht dürften den Standards größtenteils genügen, so dass hier kaum Anpassungsbedarf entsteht. Zu bezweifeln ist jedoch, inwieweit die Projekte tatsächlich in der Lage sein werden, die Kompatibilität zwischen den Rechtsordnungen zu verbessern. Denn bei der grenzüberschreitenden Verbuchung von Effekten kommt es eben nicht nur auf den wirtschaftlichen Gehalt eines Buchungsrechts an, sondern auch auf seine Rechtsnatur. Die Schwierigkeiten, die auf kollisionsrechtlicher Ebene bei

IV. Vergleichende Bewertung der beiden Projekte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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der Verbuchung dinglicher Rechte an Wertpapieren entstehen, werden weder von der Genfer Wertpapierkonvention noch von den Empfehlungen der Legal Certainty Group beantwortet. Aus Sicht des deutschen Rechts vermögen damit beide Projekte keine endgültig zufrieden stellende Lösung für die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren zu gewährleisten.

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F. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließende Würdigung Die Arbeit beschäftigte sich mit der rechtlichen Bewältigung der grenzüberschreitenden Verbuchung von Effekten im Rahmen der Abwicklung von Wertpapierhandelsgeschäften. Dabei wurde zunächst nachvollzogen, wie sich die praktischen Abläufe des modernen Wertpapierverkehrs vom ursprünglichen Modell der jeweils ACHTUNGREeinzelnen Verbriefung von Rechten und der tatsächlichen Übergabe konkreter Wertpapierurkunden entfernt haben. Wertpapierurkunden spielen für die praktischen Abläufe des Wertpapierverkehrs keine tragende Rolle mehr. Rechte werden in Globalurkunden verbrieft oder in bestimmten Registern eingetragen. Sofern noch Urkunden vorhanden sind, werden diese an zentralen Stellen immobilisiert und zu ihrer Übertragung nicht mehr bewegt. Die Übertragung der Werte wird allein durch Buchungen auf Wertpapierkonten vollzogen, die von Intermediären für die Anleger geführt werden. National und international bestehen Buchungsketten, über die dem Anleger die in dem zugrundeliegenden Wertpapier verbrieften Rechte vermittelt werden. In tatsächlicher Hinsicht steht für den Anleger nicht mehr der Besitz an einer konkreten Wertpapierurkunde im Vordergrund, sondern das Wertpapierguthaben auf seinem Wertpapierkonto. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Auswirkungen der modernen Informationstechnologie im Bereich der Verwahrung und Übertragung von Effekten mehr als nur operationeller Natur sind. Sie haben auch gewaltige rechtliche Implikationen. In Deutschland und in vielen anderen Staaten war und ist es weiterhin notwendig, die ursprünglich auf Besitz und Übergabe von Effektenurkunden basierenden materiellrechtlichen und kollisionsrechtlichen Vorschriften an die modernen Gegebenheiten anzupassen. Moderne Regeln, die die tatsächlichen Verhältnisse adäquat erfassen, können die Rechtssicherheit bei der nationalen Abwicklung von Wertpapierhandelsgeschäften erhöhen. Für die Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen sind sie unumgänglich. Ursache vieler rechtlicher Schwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren ist die unterschiedliche Rechtsnatur der Buchungsrechte der Anleger in den jeweiligen Staaten. In dieser Arbeit wurde eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Konzepten getroffen, die dem Anleger ein dingliches Recht an den zugrunde liegenden Wertpapieren gewähren, und solchen, die lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegenüber dem jeweils maßgeblichen Intermediär verschaffen. Ziel aller gesetzlichen Verwahrkonzepte ist es, die Bedürfnisse des Anlegerschutzes mit der Notwendigkeit einer schnellen, kostengünstigen und rechtssicheren Übertragung der Werte in Einklang zu bringen. Insgesamt wurde festgestellt, dass Systeme, in denen Anleger in erster Linie schuldrechtliche Ansprüche gegen ihren maßgeblichen Intermediär und keine dinglichen Rechte an den zugrunde liegenden Effektenurkunden innehaben, grenzüberschreiten-

F. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließende Würdigung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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de Sachverhalte leichter verarbeiten können. Grund dafür ist, dass die Rechtsposition des Anlegers materiellrechtlich grundsätzlich unabhängig von der Rechtsnatur des aus dem Ausland stammenden Rechts ausgestaltet werden kann. Auch aus international-privatrechtlicher Sicht sind schuldrechtliche Berechtigungsformen leichter handhabbar, weil das auf ein Buchungsrecht anzuwendende Recht problemloser auf jeder Stufe der Verwahrkette selbstständig bestimmt werden kann. Demgegenüber muss bei dinglichen Verwahrstrukturen der Gegenstand der Übertragung grundsätzlich von allen beteiligten Verwahrsystemen gleich ausgestaltet werden. Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Analyse und Bewertung des internationalen Privatrechts für intermediär verwahrte Wertpapiere. Da der Wertpapierverkehr in Deutschland und in den meisten anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen sachenrechtlichen Vorschriften folgt und somit dingliche Rechte an Wertpapierurkunden verbucht werden, musste man im internationalen Wertpapierverkehr zunächst vom Prinzip der lex rei sitae ausgehen. Die Arbeit hat bestätigt, dass dieses Prinzip für die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren nicht praktikabel ist und vielfach nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt. Der tatsächliche Belegenheitsort von Wertpapierurkunden spielt im internationalen Wertpapierverkehr meist eine untergeordnete Rolle. Zwar stellen sich die Probleme im Zusammenhang mit dem Belegenheitsprinzip in Deutschland nicht, wenn ausländische Wertpapiere nicht in Form von (Mit-)Eigentumsrechten, sondern als schuldrechtliche Herausgabeansprüche in Bezug auf die von der Bank im Ausland treuhänderisch gehaltenen Werte verbucht werden. Jedoch sieht auch das deutsche Recht die Verbuchung dinglicher Rechte an auslandsverwahrten Wertpapieren vor, wenn diese in eine grenzüberschreitende Kontoverbindung zwischen Clearstream und dem ausländischen Verwahrinstitut nach § 5 Abs. 4 DepotG einbezogen sind. Ferner stellt sich die Frage des anwendbaren Rechts bei der Bestellung dinglicher Sicherungsrechte an Wertpapieren, beispielsweise zur Absicherung offener Positionen im Rahmen des Clearings. Trotz der verschiedenen nationalen und europäischen Initiativen und der Aussichten, die eine Zeichnung und Ratifizierung des Haager Wertpapierübereinkommen bietet, kann der Zustand des internationalen Wertpapierprivatrechts bei weitem nicht als befriedigend bezeichnet werden. Die Entwicklung ist in diesem Bereich noch nicht abgeschlossen. In der internationalen Diskussion um alternative Ansätze zum Belegenheitsprinzip hat sich das Depotkonto des Anlegers als entscheidendes Merkmal zur Bestimmung des Rechts herauskristallisiert, das auf eine Buchung auf diesem Konto anzuwenden ist. So stellen die kollisionsrechtlichen Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts bei der Bestimmung des auf ein dingliches Sicherungsrecht an verbuchten Wertpapieren anzuwendenden Rechts auf den Ort ab, an dem sich das betreffende Wertpapierkonto befindet, bzw. an dem es geführt wird. Jedoch kann der Stand des europäischen Kollisionsrechts für dingliche Rechte an Wertpapieren nicht zufriedenstellen. Der europäische Gesetzgeber hat nur Vorgaben für bestimmte Sicherungstransaktionen zwischen bestimmten Parteien gemacht. Da die Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Umfang über die Beschränkungen des Anwendungsbereichs der

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F. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließende Würdigung

Richtlinien hinausgegangen sind, ist das europäische Wertpapierkollisionsrecht stark zersplittert. Hinzu kommen Ungenauigkeiten sowie Divergenzen in der Formulierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in den einzelnen Richtlinien. Auch dadurch wurden unterschiedliche nationale Umsetzungen begünstigt. Inhaltlich sind die Vorschriften nicht vollständig ausgereift, etwa wenn es um die Frage geht, welche Kriterien zur Bestimmung des Ortes, an dem ein Konto geführt wird, herangezogen werden können. Deutschland ist mit dem derzeit geltenden § 17 a DepotG weit über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinausgegangen und hat eine Kollisionsregel eingeführt, die dingliche Rechte an Wertpapieren generell dem Recht des Staates unterwirft, in dem sich das Konto befindet, auf dem die Rechte zugunsten des Rechtsinhabers gutgeschrieben werden. Die Regelung wirft zahlreiche Zweifelsfragen auf, die im Rahmen dieser Arbeit durch Auslegung der Vorschrift und ihrer europarechtlichen Vorgaben beantwortet werden konnten. Weitgehend unbeachtet ist bisher geblieben, dass die Vorschrift zu einer Spaltung des Wertpapiersachstatuts führt. Da dingliche Rechte an einem Wertpapiersammelbestand aus praktischer wie auch aus dogmatischer Sicht grundsätzlich nur einer einzigen Rechtsordnung unterliegen können, kann § 17 a DepotG (wie auch seine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben) nicht alle dem Wertpapiersachstatut unterworfenen Fragen erfassen. Es wurden die Grundprinzipien herausgearbeitet, die bei der Abgrenzung zwischen dem Recht am Ort der Verwahrung und dem Recht am Ort der Verbuchung zu beachten sind. Danach kann das Recht am Ort des Sammelbestandes über die Rechtsnatur eines dinglichen Rechts am Sammelbestand entscheiden, während die Übertragung des Rechts und die Bestellung von Sicherheiten daran der Rechtsordnung am Ort der Verbuchung unterliegen. Generell gilt, dass der Rechtsinhaber seine Rechte gegenüber dem Sammelverwahrer nicht in Widerspruch mit der Rechtsordnung ausüben kann, der der Sammelbestand unterliegt. Insgesamt bietet § 17 a DepotG eine brauchbare Anknüpfungsregel für die Bestellung dinglicher Sicherheiten an intermediär verwahrten Wertpapieren. Die meisten Probleme, die dabei im Zusammenhang mit dem Belegenheitsprinzip entstehen, werden überwunden. Die im deutschen Recht vorgenommene Ausdehnung der Anknüpfungsregel auf alle Arten von Verfügungen über dingliche Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren kann jedoch nicht überzeugen. Zum einen unterliegen nach der deutschen Dogmatik des Effektengiroverkehrs zahlreiche Aspekte einer Verfügung über intermediär verwahrte Wertpapiere, die sich durch Umbuchungen auf mehreren Depotkonten vollzieht, nicht dem Wertpapiersachstatut und damit nicht § 17 a DepotG. Dies betrifft insbesondere die Frage der Vertretung des Anlegers bei der dinglichen Einigung oder zentrale Aspekte der Besitzmittlung durch die ausländischen Intermediäre. Das deutsche Sachenrecht kann damit trotz § 17 a DepotG nicht allein über die Wirksamkeit einer Gutschrift von Miteigentumsrechten auf einem in Deutschland geführten Depotkonto entscheiden, wenn ausländische Buchungsvorgänge involviert sind. Noch schwerwiegender ist, dass die im Ausland in die Buchungskette eingeschalteten Intermediäre in der Regel den Ort der Endverbuchung der Wertpapiere und damit das anzuwendende Recht nicht erkennen können

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und sich folglich nicht darauf einstellen können. Darüber hinaus führt die Regelung des § 17 a DepotG dazu, dass eine Umbuchung durch ein ausländisches Abwicklungssystem deutschem Recht unterliegt, wenn die Wertpapiere ohne Zwischenerwerb der eingeschalteten Intermediäre einem deutschen Anleger gutgeschrieben werden. Dies widerspricht dem Erfordernis, dass die standardisierten Buchungen eines Abwicklungssystems einem einheitlichen Recht unterliegen müssen. Insgesamt bietet § 17 a DepotG damit keine geeignete Anknüpfungsregel für grenzüberschreitende Verbuchungen dinglicher Rechte an Effekten. Sie ist in ihrem weiten Anwendungsbereich zudem weder in Europa noch darüber hinaus anerkannt und kann bereits aus diesem Grund keine rechtssichere Anknüpfung gewährleisten. Bei den Verhandlungen zum Haager Wertpapierübereinkommen, das in seinem Geltungsbereich über die Grenzen der Europäischen Union hinausweist, konnte sich das europäische PRIMA-Konzept nicht durchsetzten. Obgleich das Haager Wertpapierübereinkommen ebenfalls das Depotkonto des Anlegers in das Zentrum der Betrachtung rückt, unterscheidet sich seine Anknüpfungsregel in zahlreichen Aspekten von der des Gemeinschaftsrechts. Die Anknüpfungsregel soll auf schuldrechtliche und dingliche Berechtigungsformen an Wertpapieren gleichermaßen anwendbar sein, ist aber eindeutig auf erstere ausgerichtet. Es wurde herausgearbeitet, dass die Regelung, wonach der Kontoinhaber das auf die gutgeschriebene Berechtigung anzuwendende Recht mit dem Kontoführer vereinbaren kann, bei schuldrechtlichen Berechtigungsformen eine adäquate Lösung darstellt, die sich zumindest konzeptionell nicht von den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts unterscheidet. Die Anwendung dieser Regelung auf dingliche Berechtigungsformen führt jedoch zu Konflikten, die im Ergebnis nicht überwunden werden können. Lösbar sind dabei noch die Konsequenzen der Einführung einer für das internationale Sachenrecht an sich systemfremden Rechtswahlmöglichkeit für die Parteien. Verkehrsund Drittschutzinteressen sprechen nicht zwingend gegen die Zulassung der Rechtswahl für dingliche Berechtigungsformen, da diese Interessen auch unter dem derzeit geltenden objektiven PRIMA-Ansatz erhebliche Einschränkungen erfahren. Problematisch ist jedoch, dass das anzuwendende Recht nach dem Haager Wertpapierübereinkommen auf jeder Stufe der Verwahrkette eigenständig zu bestimmen ist. Dies ist unvereinbar mit einem sachenrechtlich strukturierten Verwahrkonzept. Hier ist es zwingend erforderlich, dass die eine einheitliche Verfügung konstituierenden Buchungen auch einem einheitlichen Recht unterliegen. Das Haager Wertpapierübereinkommen bietet keine Regelung zur Auflösung von Konflikten zwischen den beteiligten Rechtsordnungen. Es verfehlt damit jedenfalls bei sachenrechtlich strukturierten Verwahrkonzepten seine Aufgabe als kollisionsrechtliches Regelwerk, das international einheitlich für Konfliktfälle den Vorrang einer Rechtsordnung bestimmen soll. Ohne einen gewissen materiellrechtlichen Gleichklang der nationalen Verwahrsysteme kann das Übereinkommen die Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Verbuchungen damit nicht nachhaltig verbessern. Dabei ist der Grundgedanke des Übereinkommens, wonach das anzuwendende Recht für jede bilaterale Beziehung selbstständig zu bestimmen ist, sehr begrüßenswert. Eine Regel, wonach auf die ver-

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schiedenen Stufen einer Buchungskette ein einheitliches Recht anzuwenden ist, macht keinen Sinn, wenn sich die Beteiligten in unterschiedlichen Rechtsordnungen aufhalten und das jeweils anzuwendende Recht nicht erkennen können. Letztlich stellt die Regel eine begrüßenswerte Reformaufforderung an sachenrechtlich strukturierte Verwahrsysteme dar. Eine zentrale Erkenntnis der Arbeit ist damit, dass die grenzüberschreitende Verbuchung von Effekten auf sachenrechtlicher Grundlage kollisionsrechtlich nicht adäquat erfasst werden kann, selbst wenn eine der genannten Anknüpfungsmöglichkeiten international durchgesetzt werden könnte. Weder die gemeinschaftsrechtliche Anknüpfungsregel nach dem PRIMA-Prinzip noch die Anknüpfungsregel des ACHTUNGREHaager Wertpapierübereinkommens können die Rechtsunsicherheit, die bei der Anwendung des Prinzips der lex rei sitae entsteht, endgültig überwinden. Es ist logisch ausgeschlossen, Rechte an einem Wertpapiersammelbestand und Buchungen durch das örtliche Wertpapierabwicklungssystem einem einheitlichen Recht zu unterstellen, gleichzeitig aber alle Berechtigungen, die ein Investor durch Gutschriften auf seinem Depotkonto erwirbt, unabhängig vom Ort der Verwahrung einem einheitlichen Depotrecht zu unterwerfen und dabei materiellrechtlich einheitliche Verfügungen auf sachenrechtlicher Grundlage, die durch mehrere Buchungen vollzogen werden, nach einer einheitlichen und für alle Beteiligten erkennbaren Rechtsordnung zu regeln. Die direkte dingliche Rechtsbeziehung des Anlegers zu den Wertpapierurkunden stellt das Hauptproblem bei der grenzüberschreitenden Verbuchung von Wertpapieren dar. Da eine geeignete sachenrechtliche Kollisionsregel nicht gefunden werden kann, ist es zwingend, standardisierte grenzüberschreitende Verbuchungen von Wertpapieren schuldrechtlich zu erfassen. Das Konzept eines grenzüberschreitenden Wertpapiersammelbestandes nach § 5 Abs. 4 DepotG, an dem im Inland Miteigentumsrechte verbucht und übertragen werden können, führt internationalprivatrechtlich zu unauflösbaren Konflikten und muss deshalb scheitern. Rechtssicherheit für die grenzüberschreitende Verwahrung und Übertragung lässt sich letztlich nur auf Grundlage einer Rechtskonstruktion auf schuldrechtlicher Grundlage erreichen. Denn wird eine Gutschrift auf einem Wertpapierkonto als dem Grunde nach schuldrechtlicher Anspruch des Kontoinhabers gegen den gutschreibenden Intermediär aufgefasst, stellen sich keine größeren Probleme bei der Formulierung einer Regel über das anzuwendende Recht. Das anzuwendende Recht kann nach den allgemeinen Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts bestimmt werden, wie es beispielsweise bei der Gutschrift in Wertpapierrechnung in Deutschland der Fall ist. Denkbar sind aber auch spezielle Anknüpfungsregeln, wie sie in Art. 8-110 UCC oder in Art. 4 und 5 HWpÜ vorgesehen sind. Diese Regeln gehen wie das allgemeine internationale Schuldvertragsrecht vom Grundsatz der Rechtswahlfreiheit aus, sehen aber alternative depotspezifische Anknüpfungsregeln für den Fall des Fehlens oder der Unwirksamkeit einer Rechtswahl vor. Im Fall des Haager Wertpapierübereinkommens wird die Rechtswahlfreiheit aus Gründen beschränkt, die speziell im Zusammenhang mit der Verbuchung von dinglichen Rechten an Wertpapieren liegen. Diese Beschränkungen könnten entfallen, wenn generell keine Eigentumsrechte verbucht würden.

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Damit bestätigt und verstärkt die Untersuchung des internationalen Privatrechts die Zweifel an der generellen Eignung des Sachenrechts zur Erfassung der intermediären Wertpapierverwahrung, die sich bereits bei der vorangegangenen Untersuchung des deutschen Rechts der Girosammelverwahrung ergeben haben. Dort wurde festgestellt, dass die Anwendung sachenrechtlicher Grundprinzipien auf moderne, mehrstufige Verwahrstrukturen hochgradig komplizierte und rechtskonstruktivistische Erklärungsmodelle erforderlich macht. Einen zentralen Streitpunkt stellt die dogmatisch unverzichtbare Stellung des Anlegers als mittelbarer Mitbesitzer des Wertpapiersammelbestandes dar. Es wurde dargelegt, dass die Besitzerstellung des Anlegers im Effektengiroverkehr zwar noch begründet werden kann, wenn auch nicht, wie die h.M. meint, auf der Grundlage der depotrechtlichen Auslieferungsansprüche. Auf Grundlage dieser Besitzerstellung ist trotz der beschränkten Publizität der Buchungsvorgänge grundsätzlich auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten gewährleistet, wenn die Werte von der Wertpapiersammelbank umgebucht werden. Gleichwohl wird an der Diskussion um den Effektengiroverkehr auf sachenrechtlicher Grundlage deutlich, dass die praktischen Abläufe kaum noch Berührungspunkte mit dem eigentlichen Wesen des Sachenrechts als Regelung über absolute Herrschaftsrechte einer Person über eine Sache haben. Auch bestehen die Wertpapierurkunden als Bezugspunkte für Sachenrechte nur noch in rudimentärer Form. Das Eigentumsrecht des Anlegers ist in vielerlei Hinsicht einem schuldrechtlichen Anspruch gegenüber seiner Depotbank angenähert, da er und auch Dritte Rechte an den Wertpapieren praktisch nur gegenüber der Bank geltend machen können. Jüngere Entwicklungen, insbesondere die Einführung einer zentralen Gegenpartei an der Frankfurter Wertpapierbörse, stellen die rechtliche Tragfähigkeit der sachenrechtlichen Konstruktion noch mehr in Frage. Jedenfalls erfährt der Verkehrsschutz durch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eine signifikante Einschränkung, wenn offene Positionen durch die zentrale Gegenpartei verrechnet werden und die Werte folglich nicht durch die Wertpapiersammelbank, sondern allein durch eine ohne Ermächtigung ihres Kunden handelnde Depotbank umgebucht werden. Insgesamt muss die sachenrechtliche Erfassung des Wertpapierverkehrs, wie sie dem deutschen Recht zugrunde liegt, als überholt bezeichnet werden. Die sachenrechtliche Verwahrkonzeption wird in Deutschland allein aus Gründen des Insolvenzschutzes aufrechterhalten. Sowohl am Beispiel der Gutschrift in Wertpapierrechnung als auch am Beispiel des US-amerikanischen Rechts wird aber deutlich, dass der Insolvenzschutz auch bei dem Grunde nach schuldrechtlichen Berechtigungsformen gewährleistet werden kann. Wenn bei nationalen Buchungssituationen ein Übergang zu schuldrechtlichen Berechtigungsformen bislang nur nahe lag, ist dies bei grenzüberschreitenden Buchungsvorgängen zwingend erforderlich, da das Konzept eines grenzüberschreitenden Sammelbestandes nach § 5 Abs. 4 DepotG kollisionsrechtlich nicht durchführbar ist. Will man diesen Teilbereich des Effektengiroverkehrs auf eine funktionsfähige Grundlage stellen, empfiehlt es sich, dies auch für inlandsverwahrte Werte zu tun. Anzustreben ist eine Regelung, bei der Buchungsrechte inländischer Anleger generell gleich ausgestaltet werden, unabhängig davon, ob die Werte im Inland oder im Ausland verwahrt werden.

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Die Projekte zur Harmonisierung des materiellen Rechts der intermediären Wertpapierverwahrung bei UNIDROIT und in der Legal Certainty Group erkennen zwar grundsätzlich an, dass die unterschiedliche Rechtsnatur der Buchungsrechte in den einzelnen Rechtsordnungen ein großes Hindernis für die grenzüberschreitende Verbuchung von Wertpapieren darstellt. Weil die Staaten jedoch ihre jeweiligen Verwahrkonzepte nicht aufgeben wollen, versucht man, eine funktionale Harmonisierung zu erreichen, die einen Gleichklang der Rechtswirkungen trotz des Fortbestandes der unterschiedlichen Verwahrkonzepte erlaubt. Dies erfordert zahlreiche Zugeständnisse und Vorbehalte zugunsten einzelner Rechtsordnungen, die den Harmonisierungserfolg im Ganzen beeinträchtigen. Das Beispiel des Verkehrsschutzes, der allein an einer Buchungsgutschrift auf dem Wertpapierkonto des Anlegers anknüpft, gibt Anlass zu Zweifeln, ob wirklich alle Funktionen, die von den beiden Projekten vorgegeben werden, auf sachenrechtlicher Grundlage erfüllt werden können. Nicht zu verkennen ist jedenfalls auch bei diesen beiden Projekten die unausgesprochene Anlehnung an schuldrechtliche Verwahrformen. Auf Grundlage der Ergebnisse, die diese Arbeit hinsichtlich der konzeptionellen Schwierigkeiten des internationalen Wertpapiersachenrechts hervorgebracht hat, muss es jedenfalls als enttäuschend bezeichnet werden, dass sich weder UNIDROIT noch die Legal Certainty Group trotz zahlreicher Ansätze zwischen den Zeilen zu einer klaren Abkehr von einer sachenrechtlichen Erfassung der Verbuchung von Wertpapieren durchringen konnte. Echte internationale Kompatibilität der Verbuchungssysteme kann auf dieser Grundlage jedenfalls nicht erreicht werden. Für Deutschland muss das Erfordernis, internationale Kompatibilität der ACHTUNGREBuchungssysteme für Wertpapiere herzustellen, als Chance begriffen werden, die ACHTUNGREdogmatisch angreifbaren und überholten Grundlagen des Effektengiroverkehrs zu modernisieren. Ziel einer solchen Modernisierung müsste ein einheitliches ACHTUNGREBuchungskonzept für in- und auslandsverwahrte Effekten sein, das nicht mehr auf Miteigentumsrechten der Anleger an den tatsächlich oder fiktiv zugrunde liegenden Effektenurkunden basiert, sondern anerkennt, dass sich die Rechte des Anlegers wie im Geldgiroverkehr allein gegen den gutschreibenden Intermediär richten. Nur dies wird den Realitäten des modernen Wertpapierverkehrs gerecht. Der Wertpapierverkehr, der auf den sachenrechtlichen Kategorien von Eigentum und Besitz an Wertpapierurkunden basiert, lässt sich im elektronischen Zeitalter nur schwer aufrechterhalten. Besitz und Übergabe von Wertpapierurkunden haben kein adäquates elektronisches Äquivalent. Rechtliche Regeln, die weiterhin an diesen Kategorien anknüpfen, können im internationalen Wertpapierverkehr keine Rechtssicherheit gewährleisten. Da Computerbuchungen beliebig vermehrbar sind, kann sich der Schutz des Rechtsverkehrs nicht mehr auf einen vergeistigten Besitz an Wertpapierurkunden stützen. Entscheidend muss vielmehr das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der beteiligten Institutionen sein. Der Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsschutz für den Anleger, der der einzig tragfähige Grund für die Aufrechterhaltung des sachenrechtlichen Verwahrsystems ist, lässt sich

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durch entsprechende gesetzliche Anordnungen auch in einem schuldrechtlich strukturierten Verwahrsystem erreichen.1 Es empfiehlt sich damit eine Umstellung des Effektengiroverkehrs auf schuldrechtliche Berechtigungsformen. Dazu bieten die Vorarbeiten bei UNIDROIT und der Legal Certainty Group wertvolle Orientierungshilfe. Eine Neukonzeption müsste die Depotkontobuchung zugunsten des Kontoinhabers zum zentralen, wenn auch nicht zwingend allein konstitutiven Merkmal des Rechtserwerbs für den Anleger und zum Anknüpfungspunkt für die Bestellung von Sicherungsrechten machen. Die Wirksamkeit des Rechtserwerbs müsste jedenfalls grundsätzlich von einem korrespondierenden Rechtsverlust abgekoppelt werden, da im anonymisierten Wertpapierverkehr eine Zuordnung von Erwerb und Verlust insbesondere durch die Einschaltung zentraler Gegenparteien nicht mehr nachvollziehbar ist. Auch Fragen des Verkehrsschutzes müssten explizit und unabhängig vom Sachenrecht geregelt sein. Erforderlich wären weiterhin klare Bestimmungen hinsichtlich der Pflichten des Intermediärs, was die Verwaltung der Wertpapiere und die Vermittlung der verbrieften Rechte sowie gegebenenfalls die Herausgabe einzelner Wertpapierurkunden anbelangt. Auch wären klare Regeln nötig hinsichtlich der Pflicht zur Aufrechthaltung einer ausreichenden Deckungsmasse und ihrer Trennung von Eigenwerten, hinsichtlich der Möglichkeiten des Intermediärs, die Deckungsmasse zu veräußern sowie hinsichtlich der Verlusttragung für den Fall, dass der Intermediär keine ausreichende Deckungsmasse vorhält. Die Verlusttragungsregeln sollten nicht von Zufälligkeiten wie einer willkürlichen Belastungsbuchung des Intermediärs oder dem Zeitpunkt einer Gutschrift abhängen. Die Einführung eines schuldrechtlichen Verwahrkonzeptes hätte insgesamt den Vorteil, dass sich eine rechtsdogmatisch komplizierte Anpassung der sachenrechtlichen Verwahrstruktur an die Vorgaben von UNIDROIT oder des Gemeinschaftsrechts erübrigen würde. Das Problem, dass sich das Sachenrecht durch die Vorgabe von Mindeststandards schwer harmonisieren lässt, würde sich nicht stellen. Konkret bestünde die Möglichkeit, das Treuhandmodell der Gutschrift in Wertpapierrechnung auch auf nationale Verwahrsituationen auszuweiten und gesetzlich anzuerkennen.2 Jedoch sind die Grundlagen des Rechts der Treuhand im deutschen Recht selbst Gegenstand zahlreicher dogmatischer Streitigkeiten. Diese Unklarheiten könnten einer adäquaten Regelung der Verbuchung von Wertpapieren im Wege stehen. Es erscheint nicht sinnvoll, eine Neuregelung des Wertpapierrechts wiederum mit Prinzipien zu belasten, die sachlich möglicherweise ungeeignet und auch inhaltlich unklar und umstritten sind. Näherliegend wäre deswegen, ein eigenständiges Regelungswerk zu schaffen, das auf die spezifischen Bedürfnisse des modernen Wertpapierverkehrs zugeschnitten ist und für nationale und grenzüberschreitende Sachverhalte gemeinsam Anwendung finden kann. Als Vorbild für ein solches eigenständiges System kann jedenfalls das US-amerikanische Recht der security entitlements 1 2

So auch Kronke, WM 2010, 1633. Dafür insbesondere Einsele, WM 2005, 1115.

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dienen. Sieht man von der etwas verwirrenden Bezeichnung des security entitlements als property interest ab, wurde hier gezeigt, dass es möglich ist, die Ziele des AnACHTUNGREleACHTUNGREgerACHTUNGREschutzes mit denen einer effektiven Wertpapierabwicklung ohne Rückgriff auf sachenrechtliche oder treuhandrechtliche Figuren zu vereinbaren. Orientierungshilfe könnte auch das neue, in dieser Arbeit jedoch nicht untersuchte Bucheffektensystem im schweizerischen Recht bieten.3 In diesem Zusammenhang wäre auch denkbar, die Emission von unverbrieften Wertrechten für private Emittenten zuzulassen. Es wurde gezeigt, dass Globalurkunden keine zwingend erforderliche Funktion mehr erfüllen und genauso gut durch Buchrechte ersetzt werden könnten. Notwendiger Bestandteil einer Reform wäre dies gleichwohl nicht. Entscheidend ist allein, dass ein modernes Rechtskonzept in der Lage ist, alle Formen von Effekten aufzunehmen.

3

Dazu Kuhn, in: Baums/Kahn, S. 29 ff.

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Stichwortverzeichnis adverse claim 239 Anknüpfungsleiter 358 Anknüpfungsmoment 288, 298, 301, 333, 353 Anonymität 93, 149 antizipiertes Besitzkonstitut 147 Arbitragegeschäft 211 ausländische Effekten 183, 208 Auslandsgeschäft in Wertpapieren 184 Auslandsverwahrung 184 Auslieferungsanspruch – dinglicher 129 – gegenüber Wertpapiersammelbank 128 – schuldrechtlicher 127 autonome Qualifikation 312 Bank Identifier Code (BIC) 357 Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie 299 Belgien 228 Besitzmittlungsverhältnis 126 Besitzverschaffung 146 Bestimmtheitsgrundsatz – sachenrechtlicher 148 – treuhandrechtlicher 193 Bruchteilsbesitz 133 Bruchteilseigentum 123 Cede & Co. 234 CESAME 35 Clearstream Banking AG 217 Clearstream Banking Luxemburg 201, 217 Creation 202 CSD-Verbindung 211 Dauerglobalurkunde 141, 164, 169, 181, 211, 225 Deckungsbestand 198 Depository Trust and Clearing Corporation (DTCC) 234 Depository Trust Company (DTC) 234

Depotgeschäft 122 Depotstatut 387, 393 direktes Verwahrsystem 231 Drei-Punkte-Erklärung 192 Drittverwahrung 123, 166, 212 Drittwirkung 351, 375 Effekten 40, 231 Effektengiroverkehr – grenzüberschreitender 211 – gutgläubiger Erwerb 151 – Konzept 143 – mit zentraler Gegenpartei 148 – platzübergreifender 212 Eigentumsübertragung – Besitzverschaffung 146 – Bestimmtheitsgrundsatz 148 – dingliche Einigung 144 – durch zentrale Gegenpartei 148 – gutgläubiger Erwerb 151 einheitliche Anknüpfung 317 Euroclear 217 Finalität 281 Finalitätsrichtlinie 280 Finanzsicherheitenrichtlinie 169, 289 freihändiger Verkauf 169 funktionale Qualifikation 311 Funktionsverlust von Effektenurkunden 218 gelockerte Identität 135 Genfer Wertpapierkonvention 414 Gesellschaftsstatut 259 gesetzlicher Erwerb 143, 309 Giovannini Group 32, 34 Girosammelbestand – grenzüberschreitender 212 – nationaler 123 Girosammeldepotanteil – als Besitzgegenstand 133 – an ausländischem Effektenbestand 212

Stichwortverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

– Begriff 124 – gutgläubiger Erwerb 151 – Pfändung 178 – Übertragung 144 – Verpfändung 161 Girosammelverwahrung 122 Global Custodian 68, 115 Globalurkunde 131, 136, 141, 211, 225 grenzüberschreitender Girosammelbestand 212 gutgläubiger Erwerb – Gutschrift in Wertpapierrechnung 204 – Übertragung durch die Depotbank 155 – Übertragung durch die Wertpapiersammelbank 153 – Übertragung mit zentraler Gegenpartei 157 – Verteilung des Rechtsverlustes 156 Gutschrift in Wertpapierrechnung – anwendbares Recht 262 – fiduziarische Treuhand 188 – gutgläubiger Erwerb 204 – Konzept 186 – Pfändung 208 – Rechtsstellung des Depotkunden 198 – Treuhandgiroverkehr 201 – Verpfändung 204 – Vollstreckungs- und Insolvenzschutz 191 Haager Konferenz für Internationales Privatrecht 340 Haager Wertpapierübereinkommen (HWpÜ) – Anknüpfungsgegenstände 349 – Anwendungsbereich 342 – Bestandsschutz 361 – Bewertung 367 – Entstehungsgeschichte 340 – intermediär verwahrte Wertpapiere 346 – Parteiautonomie 353, 369 – Ratifizierung 403 – Sachnormverweisung 365 – Stufenanknüpfung 387 – subsidiäre Anknüpfung 358 – Verhältnis zum Insolvenzrecht 364 Hauptstatut 258 heterogenes Depot 273, 317, 348

483

Immobilisierung 46 indirektes Verwahrsystem 234 Insichgeschäft 126, 146 Insolvenzschutz – allgemein 121 – Girosammelverwahrung 252 – Gutschrift in Wertpapierrechnung 191 – security entitlement 243 Insolvenzstatut 265, 364 Intermediär 27, 344 intermediär verwahrte Wertpapiere 27, 343, 346 International Bank Account Number (IBAN) 357 Internationaler Zentralverwahrer 68, 116 internationales Verkehrsgeschäft 374 internationalisierte Girosammelverwahrung 211, 274, 336 Kosten 33 Legal Certainty Group 36 Legitimationsfunktion 219, 224, 232 lex cartae sitae 261 lex fori concursus 265, 282, 301 lex rei sitae 185, 211, 217, 261, 267, 272, 327 lex situs 261 look through approach 273 Luxemburg 230 Mehrrechtsstaaten 355, 366 Miteigentum nach Bruchteilen 123 mittelbarer Besitz – Begründung 126 – Bezugsobjekt 133 – Dauerglobalurkunde 141 – Eigen- und Fremdbesitz 139 – Prinzip der gelockerten Identität 135 – Sammelschuldbuchforderung 142 Namensaktie 162, 170, 181, 210, 234, 320 Offenkundigkeitsprinzip 191 ordre public 365 Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration 367, 404

484 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Stichwortverzeichnis

Parteiautonomie – Begriff 370 – Haager Wertpapierübereinkommen 353, 369 – Rechte an intermediär verwahrten Wertpapieren 379 – Sachenrecht 372 – Schuldrecht 371 Pfandrecht – Girosammeldepotanteil 162 – Gutschrift in Wertpapierrechnung 204 Pfändung – Girosammeldepotanteil 178 – Gutschrift in Wertpapierrechnung 208 – Sammelschuldbuchforderung 180 Place of the Relevant Intermediary ApACHTUNGREproach 279 PRIMA-Prinzip – Bankensanierungs- und Liquidationsrichtlinie 299 – Begriff 279 – Depotgesetz 305 – Finalitätsrichtlinie 288 – Finanzsicherheitenrichtinie 294 – Haager Wertpapierübereinkommen 340 – Verkehrsschutz 385 Prinzip der gelockerten Identität 135 Privatautonomie 370 Publizitätsprinzip 268, 382 Qualifikation – autonome 312 – Begriff 311 – funktionale 311 – rechtsvergleichende 312 qualifizierende Geschäftsstelle 352, 355, 359 Ratifizierung 403 reality test 355 rechtsbegründende Wirkung 286, 318 Rechtsnatur von Buchungsrechten 120, 309, 349 Rechtsscheinsträger 152 rechtsvergleichende Qualifikation 312 Rechtswahl 353 res in transitu 375, 377

Sachnormverweisung 288, 298, 365 Sachstatut 259 Sammelschuldbuchforderung – Eigentum 125 – gutgläubiger Erwerb 154 – mittelbarer Besitz 142 – Pfändung 180 – Verpfändung 163 Schuldbuchforderung – Einzelschuldbuchforderung 61 – Sammelschuldbuchforderung 125, 142, 154, 163, 180 Schuldvertragsstatut 262 security entitlement – adverse claim 239 – anwendbares Recht 264 – Begründung 238 – Deckungsbestand 243 – Konzept 236 – Rechtsnatur 246 – Sicherungsrechte 240 – Verfügung 239 Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren 186 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte 186 Sonderverwahrung 44, 55, 307 stage by stage approach 387 Statutenwechsel 328, 361 Stufenanknüpfung 387 Systemrisiko 281

Transportfunktion 219 Treuhand – Auslandsgeschäft in Wertpapieren 188 – Bestimmheitsgrundsatz 193 – Drei-Punkte-Erklärung 192 – Ermächtigungstreuhand 188 – fiduziarische 210 – fiduziarische Treuhand 187 – Insolvenzschutz 191 – Offenkundigkeitsprinzip 191 – Sicherungstreuhand 186 – Unmittelbarkeitsprinzip 191 – Verwaltungstreuhand 186 – Zweitverbriefung 210 Treuhandgiroverkehr 201

Stichwortverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

UNIDROIT 36 Uniform Commercial Code (UCC) 231 unmittelbarer Intermediär 68, 344 Unmittelbarkeitsprinzip 191 unregelmäßige Verwahrung 120 upper-tier attachment 277, 329 USA 230 Verfallvereinbarung 169 Verfügungsstatut 376 Verkehrsschutz 373, 381 Verpfändung – Girosammeldepotanteil 161 – Gutschrift in Wertpapierrechnung 204 – Sammelschuldbuchforderung 163 Vertragsschlusskompetenz 404 Vertragsstatut 259 Verwertung – Pfandrecht an GS-Anteil 168 – Pfandrecht an Sammelschuldbuchforderung 169 – Pfandrecht an WR-Gutschrift 206 – Pfändungspfandrecht an GS-Anteil 180 – Pfändungspfandrecht an Sammelschuldbuchforderung 181

485

– Pfändungspfandrecht an WR-Gutschrift 208 Verwertungsbefugnis bei Insolvenz 171 Vinkulierung 56 Wertpapier – Depotgesetz 306 – Finalitätsrichtlinie 285 – Finanzsicherheitenrichtlinie 295 – Haager Wertpapierübereinkommen 343 Wertpapierrechtsstatut 258 Wertpapiersachstatut 259, 270 Wertrecht 125, 142, 154, 163, 180, 275 Wirkungsstatut 376 WR-Gutschrift 189 Zentrale Gegenpartei – Eigentumsübertragung 148 Zessionsstatut 263, 372 Zwangsvollstreckung – Girosammeldepotanteil 178 – Gutschrift in Wertpapierrechnung 208 Zweitverbriefung 209